Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2007 www.im.nrw.de Impressum Herausgeber Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen Haroldstraße 5 40213 Düsseldorf Telefon: 0211/871-01 Telefax: 0211/871-3355 poststelle@im.nrw.de www.im.nrw.de Redaktion Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen Telefon: 0211/871-2821 Telefax: 0211/871-2980 Kontakt.Verfassungsschutz@im.nrw.de www.im.nrw.de/verfassungsschutz Bestellservice Bestellung.Verfassungsschutz@im.nrw.de www.im.nrw.de/publikationen Stand: Januar 2008 Druck: Silber Druck oHG, Niestetal Fotos: Verfassungsschutz NRW, Bild Seite 233 (c)www.klausvoit-photo.de Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Vorwort Stabile Demokratie Im nächsten Jahr wird das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland 60 Jahre alt. In den vergangenen Jahrzehnten haben sowohl der Staat als auch die Bürgerinnen und Bürger ein beeindruckendes und in vielerlei Hinsicht beispielhaftes demokratisches Selbstverständnis entwickelt - zuweilen auch im fruchtbaren Streit miteinander. Ich bin sicher, dass wir die Stabilität des demokratischen Grundverständnisses auch in der Zukunft bewahren und kontinuierlich entwickeln werden. Von einer Übernahme der Regierung durch rechtsextremistische Parteien mögen die geistigen Erben der Nationalsozialisten träumen und schwadronieren - Anzeichen dafür sind nicht zu erkennen. Auch die Vorstellung von einem nach islamischen Vorschriften lebenden Deutschland, wie sie in den Köpfen einiger fundamentalistischer Islamisten herumgeistert, hat nicht den mindesten Ansatzpunkt bei den Menschen in Deutschland. Und die "Revolution der Arbeiterklasse" zeichnet sich noch nicht mal am Horizont ab. Diese positive Einschätzung bedeutet aber nicht, dass wir uns beruhigt zurücklehnen könnten. Denn die demokratische, an den Interessen aller hier lebenden Menschen ausgerichtete Verfassung und das Zusammenleben in unserer Gesellschaft werden von Extremisten aus mehreren Richtungen bedrängt. Dabei stellen vor allem der Rechtsextremismus und der Islamismus eine fortwährende Herausforderung dar, die Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 nicht mit einem bloßen Schulterzucken bedacht und mit Nicht-Achtung gestraft werden dürfen. Im Gegenteil: Auch wenn das große Ganze der Verfassung - die Meinungsund Pressefreiheit, die Unabhängigkeit der Gerichte, die demokratische Konkurrenz der Parteien, um nur einige Eckpfeiler zu nennen - nicht wirklich gefährdet ist, können wichtige Politikfelder (mittelbar) von den Extremisten beeinflusst werden. Und das wiederum kann negative Auswirkungen auf das friedliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft haben. Darin sehe ich die tatsächliche Gefahr extremistischer Gruppierungen und ihrer Ideologie. Grauzone extremistischer Politik Dem Verfassungsschutz wird in letzter Zeit wieder verstärkt vorgeworfen, er sei politisch instrumentalisiert worden. Entzündet hat sich dieser Vorwurf vor allem an der Berichterstattung über die Lokalpartei 'pro Köln'. Richtig daran ist, dass die Aufklärungsund Informationsarbeit des Verfassungsschutzes gesellschaftspolitisch ist. Wie kann es auch anders sein, denn die Arbeit zielt darauf ab, dass aufgeklärte Bürger der populistischen Politik rechter Parteien und Gruppierungen nicht auf den Leim gehen. Mit Sicherheit falsch ist aber der implizierte Vorwurf, dass der Verfassungsschutz parteipolitisch genutzt werde, um die "wahre nationale Opposition" zu unterdrücken. Mit ihrer Propaganda greifen Gruppierungen wie 'pro Köln' populäre Themenstellungen auf, präsentieren als "politische" Antwort auf die schwierigen Fragestellungen aber plumpe, einfach gestrickte angebliche Lösungen, die sich weder um verfassungsrechtliche und fiskalische noch gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen kümmern. Aufklärung über den extremistischen Gehalt dieser Positionen ist ureigene und wichtige Aufgabe des Verfassungsschutzes. Die Grauzone der ebenso populistischen wie unsinnigen, aber häufig eben auch fremdenund menschenfeindlichen "Lösungen" für die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen unserer Zeit, wie sie von Extremisten präsentiert werden, muss ausgeleuchtet werden; und das ist eine Aufgabe (auch) für den Verfassungsschutz. Kommunalwahl als Zielpunkt NPD und 'pro Köln' verstärken ihre Aktivitäten und wollen die Kommunalwahl 2009 in Nordrhein-Westfalen für sich nutzen. Ziel ist es, die Gemeindeund Kreisparlamente als Plattform für ihre demokratiefeindliche Gesinnung zu instrumentalisieren. 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Die zu beobachtenden Bemühungen von 'pro Köln' zeigen, dass intensive Aufklärung notwendig ist, denn 'pro Köln' geht getarnt mit bürgerlichem Anstrich auf Stimmenfang. Die Regionalpartei greift gezielt Bürgerproteste gegen den Bau von Großmoscheen auf. Vermischt mit ausländerfeindlichen Vorurteilen weckt sie bei den Bürgerinnen und Bürgern bewusst Ängste vor Überfremdung. Mit einem "Anti-Islamisierungskongress" im September 2008 will außerdem 'pro NRW', die sich selbst als "Anti-Islam-Partei" bezeichnet, den Wahlkampf für die Kommunalwahl 2009 einläuten. Bei 'pro NRW' handelt es sich um einen rechtspopulistischen Verein, der enge personelle und thematische Verflechtungen zu 'pro Köln' hat. An der Veranstaltung sollen auch Vertreter ausländischer rechtspopulistischer Parteien wie der belgischen Partei 'Vlaams Belang' und der 'Freiheitlichen Partei Österreichs' (FPÖ) teilnehmen, zu denen 'pro NRW' engen Kontakt pflegt. Auch die NPD bereitet sich mit Hochdruck auf die Wahl vor und ist bemüht, flächendeckend präsent zu sein. Derzeit verfügt sie in 45 von 54 Kreisen und kreisfreien Städten über arbeitsfähige Strukturen. Diese nutzt sie verstärkt, um sich öffentlich zu präsentieren - zum Beispiel durch Info-Stände, Informationsabende und Propaganda im Internet. Darauf muss reagiert werden. Denn die Erfahrungen in einigen ostdeutschen Ländern belegen deutlich, dass die kommunale Verankerung der NPD den Boden für die nachfolgenden Ergebnisse bei den Landtagswahlen bereitet hat. Sie zeigen, dass es wichtig ist, frühzeitig diesen Gefahren zu begegnen und die Strategien der NPD zu durchschauen und sie zu entlarven. In ihrer Außendarstellung fährt die NPD eine Doppelstrategie: Sie tarnt sich als Biedermann und netter Nachbar und beschränkt sich nicht mehr auf dumpfe, rassistische und fremdenfeindliche Parolen. Vielmehr versucht die NPD mit Slogans, die vordergründig wirtschaftsund sozialpolitische Themen - etwa "Hartz IV" - aufgreifen, die Grenze zwischen Rechtsextremismus und sozialer Protestbewegung zu verwischen. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt, die Kritik an der Globalisierung und dem Kapitalismus sind willkommene Themen, um verschleiert rechtsextremistische Ideologie zu transportieren und die Ängste betroffener Bürgerinnen und Bürger auszunutzen. Dieser Entwicklung tritt der Verfassungsschutz massiv entgegen und verstärkt die Aufklärung in und für die Kommunen. Im Juni veranstaltet der Verfassungsschutz zusammen mit den nordrhein-westfälischen Kommunalen Spitzenverbänden eine Fachtagung, an der Rechtsextremismus-Experten und Vertreter der Kommunen, wie Leiter der Jugendoder Ordnungsämter, teilnehmen. So will der Verfassungsschutz Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 gemeinsam mit den Kommunen Wege finden, den Rechtsextremismus einzudämmen und bürgerschaftliches Engagement zu fördern. Die NPD ist zweifellos eine verfassungsfeindliche Partei. Das zeigen die Zusammenarbeit mit den Kameradschaften und den latent gewaltbereiten Autonomen Nationalisten, aber auch fremdenfeindliche und rassistische Äußerungen von Funktionären der Partei. Gerade erst ist der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt wegen Volksverhetzung angeklagt worden. Dies löste in den letzten Monaten erneut die Diskussion über ein Verbot der Partei aus. Verbote sind aber kein wirksames Mittel gegen den Rechtsextremismus. Sie ändern nicht das fremdenfeindliche und rassistische Gedankengut in den Köpfen seiner Anhänger. Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht sehr hohe Hürden für ein erneutes Verbotsverfahren aufgestellt. Hier ist und bleibt Aufklärung das unverzichtbare Instrument im Kampf gegen den Rechtsextremismus. So läuft auch die Aufklärungsarbeit des Verfassungsschutzes weiter auf Hochtouren. Der Comic Andi für Demokratie und gegen Rechtsextremismus ist jetzt in rund 20.000 Exemplaren angefordert worden. Sehr viele davon haben Schulen und Jugendeinrichtungen erhalten; aber auch Eltern fragen den Comic nach. Im November 2007 beteiligte sich der Verfassungsschutz am zweiten erfolgreichen Jugendkongress in NRW. Diesmal unter der Federführung der Landeszentrale für politische Bildung in Düsseldorf, an dem Jugendliche aus ganz Nordrhein-Westfalen teilnahmen. Zudem wächst die Zahl der Vorträge an den Schulen und anderen Bildungseinrichtungen stetig, die Anfrage ist auch hier erfreulich groß. Islamismus bleibt eine Herausforderung für die Sicherheit Nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden konnte durch die erfolgreiche Festnahme von Personen im Sauerland eine geplante Serie von mörderischen Anschlägen in Deutschland verhindert werden. Dies belegt die reale Bedrohung, der sich auch Deutschland durch den islamistischen Terrorismus ausgesetzt sieht. Deshalb bleibt die Vereitelung konkreter Anschläge nach wie vor ein vorrangiges Ziel der Sicherheitsbehörden. Hierzu arbeiten die Sicherheitsbehörden intensiv zusammen. Terroristische Organisationen versuchen, junge Muslime für ihren Kampf gegen den Westen zu ködern. Per Internet übermitteln sie ihnen vermeintlich anti-islamische Vorkommnisse und verbinden dies mit der hetzerischen Botschaft: "Der Westen führt 4 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 einen Krieg gegen den Islam". Damit werden einzelne Muslime systematisch auf den Kampf gegen die westliche Welt eingeschworen. Neben repressiven Maßnahmen gegen islamistische Terrorgruppen und der Kooperation mit den muslimischen Verbänden setzt der Verfassungsschutz deshalb verstärkt auf Prävention bei muslimischen Jugendlichen. Außerdem wird der Verfassungsschutz die Kooperation mit Islamkundelehrern, den muslimischen Gemeinden und ihren religiösen Autoritäten intensivieren. Ziel der Präventionsarbeit ist es, jungen Muslimen ein positives Bild unserer Demokratie zu vermitteln und sie so gegen die Propaganda islamistischer Hetzer immun zu machen. Hier hat der Verfassungsschutz mit dem 2. Band unserer Andi-Comicreihe - diesmal zum Islamismus - einen viel beachteten Anfang gemacht. Eine internationale Konferenz zur Terrorismusbekämpfung in Stockholm würdigte im März 2008 den Comic als nachahmenswertes Beispiel im Kampf gegen den Terrorismus. Medien in aller Welt, darunter die 'Washington Post', 'Hürriyet' aus der Türkei, der malaysische 'Star' und auch muslimische Verbände loben die einzigartige Idee. Inzwischen sind etwa 95.000 Exemplare der ersten Auflage verteilt - vor allem an Schulen. Das Echo ist auch hier erfreulich positiv. Bei der Bekämpfung des Extremismus gibt es nicht das eine Patentrezept. Wer nur auf Repression setzt, verkennt, dass sich die Gefahr in den meisten Fällen bereits verwirklicht hat. Deshalb räumt der Verfassungsschutz der Prävention einen hohen Stellenwert ein. Ein Teil davon ist der Verfassungsschutzbericht, den Sie jetzt in Händen halten. Dr. Ingo Wolf MdL Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen 5 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 6 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Inhaltsverzeichnis 1 Entwicklungstendenzen 17 . Rechtsextremismus ...................................................................................... 7 .. Neonazis ....................................................................................................... 7 ..2 Rechtsextremistische Skinheadszene .......................................................... 7 .. Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) ..................................... 8 .2 Linksextremismus ......................................................................................... 9 .2. DIE LINKE..................................................................................................... 9 .2.2 Deutsche Kommunistische Partei ................................................................. 20 .2. Autonome Szene .......................................................................................... 2 . Ausländerextremismus ................................................................................. 22 .4 Islamismus .................................................................................................... 24 .5 Politisch motivierte Kriminalität ..................................................................... 29 2 Thema im Fokus 31 2. "...und stürzt euch nicht mit eigener Hand ins Verderben!" - vom Missbrauch der islamischen Religion für Selbstmordattentate ............. 3 Rechtsextremismus 45 . Neonazis ....................................................................................................... 47 .. Neonazis auf Bundesebene .......................................................................... 49 .2 Rechtsextremistische Skinheads .................................................................. 54 . Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) ..................................... 6 .4 Deutsche Volksunion (DVU) ......................................................................... 7 .5 Bürgerbewegung pro Köln e.V. (pro Köln) .................................................... 77 .6 Revisionismus ............................................................................................... 79 7 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 .7 Rechtsextremistische Vertriebe und Versandhandel .................................... 82 .8 Rechtsextremismus im Internet .................................................................... 84 .9 Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten................................................. 87 4 Linksextremismus 89 4. Deutsche Kommunistische Partei (DKP) ...................................................... 9 4.2 DIE LINKE. Landesverband Nordrhein-Westfalen (DIE LINKE. NRW) ........ 94 4. Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) ............................... 98 4.4 Autonome Szene ohne klare Abgrenzung zur Gesellschaft ....................... 00 4.4. Antifaschismus als autonomes Themenfeld .............................................. 02 4.4.2 Anti-Globalisierungsbewegung ................................................................... 0 5 Ausländerextremismus 111 5. Türkische Organisationen ........................................................................... 2 5.. Föderation der türkisch-demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V. (ADÜTDF) .................................................................. 2 5..2 Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C); Türkische Volksbefreiungspartei-Front - Revolutionäre Linke (THKP-C)........................................................................................... 5 5.2 Kurdische Organisationen:.......................................................................... 9 5.2. Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL); Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und unterstützende Organisationen ........ 9 5.2.2 Entwicklung der Organisation seit dem Jahr 2000...................................... 2 5.2. Eskalation der Gewalt ................................................................................. 2 5.2.4 Führungsstrukturen des KONGRA-GEL in Europa .................................... 24 5.2.5 Massenorganisationen in Europa ............................................................... 26 5.2.6 Finanzierung ............................................................................................... 28 5.2.7 Medieneinsatz ............................................................................................. 28 5.2.8 Initiativen und Veranstaltungen ................................................................... 0 5.2.9 Exekutivmaßnahmen gegen den KONGRA-GEL ....................................... 5.2.0 Kurdische Festivals ..................................................................................... 4 8 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 5. Iranische Organisationen ............................................................................ 6 5.. Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI), Volksmodjahedin Iran-Organisation (MEK) ................................................. 6 5.4 Extremistische Bestrebungen von Kosovo-Albanern aus dem Bereich der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien ....................... 4 5.4. Volksbewegung von Kosovo (Levizija Popullor e Kosover - LPK) ............. 4 5.4.2 Front für nationale Vereinigung (Fronti per Bashkim Kombetar Shqiptar - FBKSh) ...................................................................................... 42 5.4. Albanische Nationalarmee (Armata Kombetare Shqiptare - AKSh) ........... 42 5.5 Tamilen: Tamilische Befreiungstiger (Liberation Tigers of Tamil Eelam - LTTE) ............................................................................... 44 6 Islamismus 149 6. Jihadisten .................................................................................................... 49 6.2 Ansar al-Islam (Unterstützer des Islam)...................................................... 67 6. Tschetschenischer Separatismus: Tschetschenische Republik Ichkeriya (CRI)/Tschetschenische Separatistenbewegung (TSB) .............. 70 6.4 Tabligh-i Jama'at - Gemeinschaft zur Verkündigung (TJ) .......................... 72 6.5 HAMAS (Harakat al-Muqawama al-Islamiya - Islamische Widerstandsbewegung) .............................................................................. 75 6.6 Hizb Allah (Partei Gottes)............................................................................ 78 6.7 Hizb ut-Tahrir (Islamische Befreiungspartei - HuT) .................................... 82 6.8 Muslimbruderschaft (MB); Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD); Islamisches Zentrum Aachen (Bilal-Moschee) e.V. (IZA) ........................................................................... 84 6.9 Front Islamique du Salut (Islamische Heilsfront - FIS) ............................... 86 6.0 Groupe Islamique Arme (Bewaffnete Islamische Gruppe - GIA)................ 88 6. Al-Qa'ida im Islamischen Maghreb; vormals: Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat (Gruppe für Predigt und Kampf - GSPC) ................................................................................... 89 6.2 Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. (IGMG) ...................................... 90 9 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 6. Kalifatsstaat (Hilafet Devleti); vormals Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V. (ICCB), so genannter Kaplan-Verband ........ 99 6.4 Organisation für Würde und Rechte am Menschen Organization für Human Rights and Dignity - (HDR) .................................................................................................................... 20 7 Extremismus in Zahlen 207 7. Politisch motivierte Kriminalität - Bericht des Landeskriminalamtes .......... 207 7.. Politisch motivierte Kriminalität - Links ....................................................... 22 7..2 Politisch motivierte Kriminalität - Rechts .................................................... 2 7.. Politisch motivierte Ausländerkriminalität .................................................... 24 7..4 Hohe Gefährdung durch den islamistischen Terrorismus .......................... 25 7.2 Bericht des Justizministerium Nordrhein-Westfalen ................................... 26 7.2. Verfahren wegen rechtsextremistischer Aktivitäten .................................... 26 7.2.2 Verfahren wegen linksextremistischer Aktivitäten ....................................... 26 7. Mitgliederpotenzial ...................................................................................... 26 7.. Mitgliederzahlen rechtsextremistischer Organisationen und Gruppierungen ..................................................................................... 27 7..2 Mitgliederzahlen linksextremistischer Organisationen und Gruppierungen ..................................................................................... 27 7.. Mitgliederzahlen extremistischer Organisationen von Ausländern .................................................................................................. 28 7..4 Mitgliederzahlen islamistischer Organisationen .......................................... 28 8 Spionageabwehr 219 8. Überblick ..................................................................................................... 29 8.2 Spionageaktivitäten des Iran....................................................................... 22 8. Weitere Staaten des Nahen Ostens/Afrikanische Staaten ......................... 222 8.. Nordafrika ................................................................................................... 22 8.4 Ferner Osten ............................................................................................... 22 8.4. Chinesische Nachrichtendienste................................................................. 22 8.4.2 Nord-Korea ................................................................................................. 225 0 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 8.5. Russische Föderation und andere Mitglieder der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) .............................................. 227 8.5. Nachrichtendienste der Russischen Föderation ......................................... 227 8.5.2 Nachrichtendienste der übrigen Mitglieder der GUS .................................. 229 8.6 Abwehr von Wirtschaftsspionage................................................................ 20 8.7 Zum Schluss ............................................................................................... 24 9 Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen 235 9. Aufbau, Organisation, Haushalt, Personal .................................................. 25 9.2 Verfassungsschutz durch Aufklärung - Öffentlichkeitsarbeit ...................... 26 10 Stichwortverzeichnis 242 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Vorbemerkung Dieser Verfassungsschutzbericht umfasst das Jahr 2007; Redaktionsschluss war der . Januar 2008. Danach liegende Vorfälle sind punktuell aufgenommen worden, wenn sie von größerer Bedeutung sind. Der Bericht erwähnt nicht alle Beobachtungsobjekte der Verfassungsschutzbehörde NRW. Hinweise auf Geschehnisse außerhalb Nordrhein-Westfalens wurden aufgenommen, soweit sie für das Verständnis des Berichtes und der enthaltenen Analysen erforderlich sind. Wenn einzelne extremistische Organisationen in diesem Bericht nicht erwähnt werden, ist dies kein Indiz dafür, dass sie der Beobachtung durch den Verfassungsschutz nicht unterliegen. Grundlagen und Zielsetzung des Verfassungsschutzes bei der Extremismusbekämpfung Die Hauptaufgabe des Verfassungsschutzes ist es, im staatlichen Auftrag politisch bedeutsame Informationen zu beschaffen, zu sammeln und auszuwerten, die extremistische und terroristische Bestrebungen oder die Spionagetätigkeit betreffen. Als extremistisch werden solche Bestrebungen bezeichnet, : die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, : den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder : darauf abzielen, die Amtsführung von Verfassungsorganen des Bundes oder eines Landes ungesetzlich zu beeinflussen; : die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden oder : die gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind (SS Abs. des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen (VSG NRW). Die Verfassungsschutzbehörde darf hierzu die für sie relevanten Informationen dann sammeln und auswerten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine Bestrebung gegeben sind oder auch, soweit Anhaltspunkte für den Verdacht solcher Bestrebungen und Tätigkeiten gegeben sind. Weder eine konkrete Gefahr noch eine begangene Straftat sind also notwendig, um ihr Tätigwerden zu legitimieren. Daher ist es auch Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 nicht Voraussetzung für die Berichtserstattung in den Jahresberichten, dass sich die Verdachtsmomente bis zur Einschätzung als "verfassungsfeindlich" verdichtet haben. Der Verfassungsschutz arbeitet im Vorfeld konkreter Gefahren oder Straftaten. Er hat im Wesentlichen Organisationen und Strukturen im Auge. Eine "Bestrebung" ist - so sagt es der SS Abs. des VSG NRW - ein "Personenzusammenschluss", setzt also mehrere Personen voraus, die gemeinsam handeln. Einzelne Personen stehen damit nicht unter der Beobachtung des Verfassungsschutzes, es sei denn, ihr Verhalten ist auf die Anwendung von Gewalt gerichtet oder von ihnen geht eine erhebliche Gefahr für eines der Schutzgüter des Verfassungsschutzgesetzes aus. Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung Es geht also einerseits um den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung - also den nicht zur Disposition stehenden Kern des Grundgesetzes (SS Abs. 4 VSG NRW). Hierzu zählt: : Das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen; : die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt der Rechtsprechung in Gesetz und Recht; : das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition; : die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung; : die Unabhängigkeit der Gerichte; : der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und : die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. Auswärtige Belange der Bundesrepublik und Völkerverständigung Außer dem Schutz der Grundordnung des Grundgesetzes hat der Verfassungsschutz die Aufgabe, Bestrebungen zu beobachten, "die durch Anwendung von Gewalt oder 4 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden". Hier geht es vorwiegend um gewaltbereite extremistische Ausländergruppen, die vom Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus Gewaltaktionen vorbereiten, um eine gewaltsame Änderung der politischen Verhältnisse in ihren Heimatländern herbei zu führen und die dadurch die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu anderen Staaten beeinträchtigen (SS Abs. Nr. VSG NRW). Auch Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind, gehören zu den Beobachtungsobjekten des Verfassungsschutzes (SS Abs. Nr. 4 VSG NRW). In der Sache handelt es sich bei dieser gesetzlichen Regelung um die Klarstellung, dass der Verfassungsschutz diejenigen international operierenden Gruppierungen beobachtet, die beispielsweise darauf abzielen, konfessionelle oder ethnische Gruppen im Ausland zu bekämpfen. Anders als beim typischen Fall des Ausländerextremismus sind die Angriffe hier nicht auf die staatliche Ordnung oder die Grenzen eines einzelnen anderen Landes gerichtet, sondern gegen bestimmte (Volks)gruppen in den betreffenden Staaten. Gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind etwa Gruppierungen, die die - notfalls gewaltsame - Rückgewinnung der ehemaligen deutschen Ostgebiete propagieren. Arbeitsweise des Verfassungsschutzes Bei seiner Tätigkeit stützt sich der Verfassungsschutz in großem Umfang - ja sogar weit überwiegend - auf offenes Material wie Zeitungen, wissenschaftliche Veröffentlichungen, Radiound Fernsehberichte, Interviews und Parteiprogramme. Sensible Informationen aus geschlossenen Zirkeln werden aber häufig mit nachrichtendienstlichen Mitteln gewonnen. Es werden Vertrauensleute (V-Leute) eingesetzt, Zielpersonen observiert, Funkverkehr wird überwacht, und in besonders gravierenden Fällen kann auch die Postund Telefonüberwachung angeordnet werden. Wenn es Aufgabe des Verfassungsschutzes ist, konspirativ arbeitende Organisationen zu bekämpfen und deren Struktur aufzuklären, so ist hierzu eine gewisse Waffengleichheit sicherlich notwendig. Bei der Spionageabwehr und der Extremismusbeobachtung kann auf nachrichtendienstliche Mittel nicht verzichtet werden. Typischerweise geben sich extremistische Parteien und Organisationen in ihren Programmen und öffentlichen Auftritten gemäßigt, um ihre Akzeptanz und ihre Wahlchancen nicht zu beeinträchtigen. Klartext wird nur in den inneren Zirkeln und unter Ausschluss der Öffentlichkeit geredet. Darüber muss der Verfassungsschutz verlässliche Informationen erlangen, 5 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 wenn er sich ein realistisches Bild von den Zielen und den Methoden derartiger Parteien verschaffen und die Öffentlichkeit aufklären will. Nachrichtendienstliche Mittel darf der Verfassungsschutz aber nur im Rahmen genau festgelegter Befugnisse einsetzen. Insbesondere darf er sie nur dann anwenden, wenn er die benötigten Informationen nicht auf andere Weise beschaffen kann. Er muss also stets die Verhältnismäßigkeit prüfen, bevor er mit diesen Mitteln arbeiten darf. Ein besonderes Verfahren oder eine besondere Erlaubnis ist vor allem für die Postund Telefonüberwachung vorgesehen, da dies mit massiven Grundrechtseingriffen verbunden ist. Übermittlung an andere Sicherheitsbehörden und Informationen für die Öffentlichkeit Der Verfassungsschutz verfügt über einen großen Bestand von teilweise hochsensiblen Daten. Die Erkenntnisse, die der Verfassungsschutz erlangt, werden im Einzelfall auch an die Polizei weitergegeben, wenn dies der Abwehr beziehungsweise Ahndung schwerer Straftaten dient. Abgesehen von der Weitergabe an andere Sicherheitsbehörden sind die Informationen des Verfassungsschutzes auch die Grundlage für den hier vorliegenden Verfassungsschutzbericht, dessen Zweck in SS 5 VSG NRW festgelegt ist. Die Verfassungsschutzberichte, Broschüren und Informationen im Internet, Vorträge und Diskussionsveranstaltungen etwa in Schulen, Universitäten oder vor sonstigem Fachpublikum klären über die Themen des Verfassungsschutzes auf. Durch seine nachrichtendienstlichen Mittel verfügt der Verfassungsschutz über Informationen zu Zielen und Methoden seiner Beobachtungsobjekte, die für eine Aufklärung der Öffentlichkeit notwendig sind. Zeitungen oder andere Medien können diese Informationen nicht im selben Maße liefern, weil die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes mit den Mitteln der herkömmlichen Recherche allein nicht zu erlangen sind. Beim Umgang mit extremistischen Organisationen und Bestrebungen zeigt sich das liberale, aber abwehrbereite Konzept der Verfassung ("wehrhafte Demokratie"): Das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Vereinigungsfreiheit, das Demonstrationsrecht - all dies gilt auch für Extremisten. Allerdings behält der Staat durch den Verfassungsschutz die extremistischen Bestrebungen im Auge. Er ist das Frühwarnsystem, das den Staat in die Lage versetzt, rechtzeitig einzugreifen, wenn die vom Gesetz gezogenen Grenzen überschritten werden. 6 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Entwicklungstendenzen 11 Rechtsextremismus 111 Neonazis Nach wie vor ist der Aktionsschwerpunkt der Neonazis die Straße. Hier versucht die Szene, ihr politisches Anliegen einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen: Im Jahr 2007 fanden insgesamt 7 Demonstrationen mit einer Teilnehmerzahl von 0 bis .800 Personen statt. Räumlicher Schwerpunkt der Demonstrationen war wiederum das Ruhrgebiet.Die Themenpalette der Veranstaltungen reichte von: : Aufrufen "Gegen Kinderschänder" über : "Für Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung" bis zu : "Gemeinsam gegen Kapitalismus". Darüber hinaus spielten bei Demonstrationen sozialpolitische Themen sowie die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner, der Polizei und der Justiz eine Rolle. Ein für die neonazistische Szene herausragendes Ereignis war die Demonstration zum . Mai. Die für die deutsche Neonazi-Szene zentrale öffentlichkeitswirksame Aktion in Dortmund mit etwa .800 Teilnehmern stand unter dem Motto "Gemeinsam gegen Kapitalismus - Heraus zum .Mai!". Die Demonstration wurde massiv durch die NPD unterstützt. Die Zusammenarbeit zwischen den 'Freien Nationalisten' und der NPD hat sich 2007 spürbar verbessert. Ein Indiz hierfür ist sicherlich die genannte .-Mai-Demonstration in Dortmund. Die Zusammenarbeit ist lokal besonders dort ausgeprägt, wo es enge persönliche Kontakte zwischen den Führungspersonen der Neonaziszene und der örtlichen NPD-Organisation gibt. 112 Rechtsextremistische Skinheadszene Skinhead-Konzerte und sonstige Musikveranstaltungen sind für die weitgehend unstrukturierte Szene rechtsextremistischer Skinheads nach wie vor ein wichtiges BindeEntwicklungEn im ExtrEmismus 7 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 glied. Sie dienen als Orte der Kommunikation, des Verbreitens rechtsextremistischer Propaganda und des Auslebens rechtsextremistischer Ideologien. Im Laufe des Jahres 2007 wurden in Nordrhein-Westfalen insgesamt sechs Musikveranstaltungen unterschiedlicher Art (Liederabende, Konzertveranstaltungen sowie private Feiern unter Beteiligung von Skinhead-Bands) bekannt. Im Vergleich zum Vorjahr (4 Musikveranstaltungen in 2006) ist die Zahl um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Grund dafür könnten die mit der Durchführung derartiger Veranstaltungen verbundenen zunehmenden organisatorischen und finanziellen Risiken, falls die Veranstaltung nicht stattfinden kann. 113 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) Für die NPD steht die Kommunalwahl 2009 im Mittelpunkt ihrer Aktivitäten. Dementsprechend betreibt sie eine offensive Öffentlichkeitsarbeit und bemüht sich um den Aufbau flächendeckender Strukturen. Sie verfügt derzeit in Nordrhein-Westfalen in 45 von 54 Kreisen und kreisfreien Städten über arbeitsfähige Strukturen, die unterschiedliche Aktivitäten aufweisen. Um in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu gelangen, führte die NPD mehrere Flugblattverteilungen und auch Informationsstände in verschiedenen Städten in NordrheinWestfalen durch. Dabei setzt die NPD auf eine Mischung aus Öffentlichkeitsarbeit, Demonstrationen und Kundgebungen sowie einer Verbesserung der Organisationsstruktur mit dem Ziel der erfolgreichen Teilnahme an Wahlen. Insofern setzt die NPD ihre Maxime des "Kampfes um die Köpfe, um die Straße und um die Parlamente" um. Gleichzeitig versucht sie die Zusammenarbeit mit den Neonazis zu intensivieren. Dies macht die von der neonazistischen Szene in Dortmund durchgeführte .-Mai-Demonstration besonders deutlich, die große Unterstützung durch die NPD erfuhr und auf der der Parteivorsitzende Udo Voigt einen Redebeitrag leistete. Allerdings hat das Verhältnis der NPD zumindest zu Teilen der Neonazi-Szene im Jahr 2007 auch einen empfindlichen Rückschlag erlitten. Das Präsidium der NPD hatte am 6. August 2007 unter der Überschrift "Unsere Fahnen sind schwarz - unsere Blöcke nicht" öffentlich eine Erklärung zum "Schwarzen Block" der 'Autonomen Nationalisten' (AN) abgegeben. Darin distanzierte sich der Parteivorstand in der Erklärung in ungewöhnlich scharfer Form von "derartigen anarchistischen Erscheinungsformen". 8 EntwicklungEn im ExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Die Reaktionen in der Neonazi-Szene reichten von strikter Ablehnung bis zu einem gewissen Verständnis für die Position der NPD. Offensichtlich überrascht von den zum Teil heftigen Reaktionen der Neonazi-Szene relativierte das NPD-Präsidium in einer zweiten Stellungnahme vom 0. September 2007 seine ursprüngliche Erklärung und bekannte sich weiterhin zum "Schulterschluß mit allen parteiunabhängigen Nationalisten", die zu einer "konstruktiv-partnerschaftlichen Zusammenarbeit" bereit seien. Ein solcher offener Konflikt könnte mit Blick auf die Kommunalwahl 2009 schwerwiegende Folgen gerade für die NPD in NRW haben. Bereits bei der letzten Landtagswahl in NRW hatte sich gezeigt, dass der NPD ohne Unterstützung durch die Neonazi-Szene ein flächendeckender Wahlkampf nicht möglich war. Ein völlig neues Feld betrat die NPD mit der Gründung einer eigenen Frauenorganisation, dem 'Ring Nationaler Frauen' (RNF). Im März 2007 wurde die Regionalgruppe NRW in Oberhausen offiziell ins Leben gerufen. Begleitend dazu fand in der dortigen Innenstadt der erste RNF-Infostand in Kooperation mit dem örtlichen Kreisverband der NPD statt. Offenkundiges Ziel dieses Projekts ist es, die bisher von Männern dominierte Partei auch für Frauen attraktiv erscheinen zu lassen und damit neue Wählerund Mitgliederpotenziale zu gewinnen. 12 Linksextremismus Das Jahr 2007 stand im Zeichen zweier Ereignisse: Zum einen des Beitritts der 'Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit' (WASG) zur 'Linkspartei.PDS' und der Umbenennung dieser Partei in 'DIE LINKE.' sowie andererseits der Ereignisse um den G8-Gipfel in Heiligendamm. 121 DIE LINKE Der bereits 2006 vorbereitete Beitritt der WASG wurde auf Bundesebene am 5. und 6. Juni 2007 in Berlin abgeschlossen. Am 5. Juni stimmten die 'Linkspartei.PDS' und die WASG auf getrennten Parteitagen jeweils für den Beitritt beziehungsweise die Aufnahme der WASG. Der erste gemeinsame Parteitag wurde dann am 6. Juni 2007 mit der Wahl des neuen Vorstandes durchgeführt. Noch am Vortag hatte die 'Linkspartei.PDS' Gästedelegationen aus mehr als zwei Dutzend kommunistischer Parteien, unter anderem aus Kuba, begrüßt. In Nordrhein-Westfalen wurde der Beitritt der WASG am 20./2. Oktober 2007 in Gladbeck vollzogen. EntwicklungEn im ExtrEmismus 9 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Die auf den gemeinsamen Parteitagen auf Bundesund Landesebene verabschiedeten Gründungsdokumente (ein Parteiprogramm ist für 2008 geplant) tragen im Kern die Handschrift der 'Linkspartei.PDS'; von der WASG stammen einige gewerkschaftsund sozialpolitische Forderungen. Auch bei den führenden Funktionären stammt der größte Teil aus der 'Linkspartei.PDS'. Die Zielrichtung der jetzt 'DIE LINKE.' genannten Partei hat sich durch den Beitritt der WASG nicht verändert: Es bestehen weiterhin Anhaltspunkte für den Verdacht linksextremistischer Bestrebungen. Auf kommunaler Ebene arbeiten die bisherigen Vertreter von WASG und 'Linkspartei.PDS' jetzt als Ratsmitglieder der Partei 'DIE LINKE.'. Und sie bleiben auch wie bisher teilweise in Fraktionsgemeinschaft mit Vertretern der DKP und der AUF - einer Wahlgruppierung der linksextremistischen MLPD. Auch arbeiten innerhalb der Partei 'DIE LINKE.' weiterhin - mit Billigung des neuen Parteivorstandes - die alten, offen linksextremistischen Gruppierungen wie 'Kommunistische Plattform', 'Geraer Dialog' usw.; neu hinzugekommen ist über die WASG die trotzkistische Gruppe 'Linksruck', die sich jetzt 'Marx 2' nennt. Auch die Partei 'DIE LINKE.' bleibt daher Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes in Nordhrein-Westfalen. 122 Deutsche Kommunistische Partei Die eindeutig verfassungsfeindliche DKP strebt unverändert eine revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft an. Taktisch versucht sie dies weiterhin durch Bündnisse bis in das bürgerliche demokratische Lager hinein sowie durch die Unterstützung von Vorfeldorganisationen wie dem VVN/BDA ('Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten') zu erreichen. So ist sie zum Beispiel die treibende Kraft in dem 'Linken Bündnis Dortmund - Parteilose Linke, DKP und SDAJ', das im Rat unter anderem zusammen mit den Vertretern von 'DIE LINKE.' eine gemeinsame Fraktion bildet. In Dortmund veranstaltete die DKP auch das diesjährige Pressefest der Parteizeitung uz ('unsere zeit - Zeitung der DKP'), das alle zwei Jahre als Volksfest durchgeführt wird. Außerdem beteiligte sich die DKP an den demonstrativen Aktionen in Heiligendamm. Von den gewalttätigen Aktionen am 2. Juni in Rostock distanzierte sie sich nicht. Ein DKP-Funktionär schrieb dazu in der uz von den "unsäglichen Stimmen der Politiker [...], die heuchlerisch die 'Orgie der Gewalt' seitens der Demonstranten verurteilten." Dies seien die gleichen Politiker, "die keine Skrupel hatten, die NATO-Aggression gegen Jugoslawien zu inszenieren". 20 EntwicklungEn im ExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 123 Autonome Szene Auch im Jahr 2007 kam es wie in den Vorjahren zu zahlreichen, auch gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Autonomen und anderen militanten Linksextremisten einerseits und Rechtsextremisten andererseits. Im Rahmen dieses "Antifaschistischen Kampfes" gab es auch in diesem Jahr wieder Bündnisse unter Beteiligung nicht extremistischer Gruppierungen. Diese überwiegend lokalen Auseinandersetzungen bleiben weiterhin ein Schwerpunkt der autonomen Aktivitäten. Dabei führen insbesondere angemeldete rechtsextremistische Versammlungen regelmäßig auch zu gewalttätigen Aktivitäten der 'Autonomen Szene'. Soweit möglich, wird die Auseinandersetzung mit den Rechtsextremisten gesucht; ist dies wegen der Polizeipräsenz nicht möglich, ist die Polizei als "Vertreter des Systems" das Ziel der Übergriffe. Dabei ist inzwischen die klassische 'Autonome Szene' kaum mehr zu erkennen. Es handelt sich in Nordrhein-Westfalen um eine Mischszene im Bereich der Alternativkultur ohne klare Abgrenzung zu anderen subkulturellen Strömungen. Gemeinsamer Nenner ist die Ablehnung der bürgerlichen Gesellschaft und eine wachsende Bereitschaft, Gewalt als politisches Mittel gegen diese Gesellschaft zu akzeptieren oder sogar einzusetzen. Von herausragender Bedeutung war für die 'Autonome Szene' - aber auch darüber hinaus - die Beteiligung an den Aktionen gegen den G8-Gipfel in Rostock und rund um Heiligendamm. Dahinter traten im Jahr 2007 alle anderen Themenfelder wie Antirassismus und Anti-Kernkraft völlig zurück. Gerade die gewaltsamen Angriffe auf die Polizei und die Sachbeschädigungen im Zusammenhang mit den Ausschreitungen am 2. Juni 2007 in Rostock werden von der 'Autonomen Szene' als Erfolg betrachtet. Die erhoffte Signalwirkung für andere Kampagnen und eine verstärkte Mobilisierung bei weiteren Anlässen hat jedoch bisher nicht stattgefunden. Dennoch hat dieser Vorfall gezeigt, dass das Gewaltpotenzial dieses Bereichs des Linksextremismus nicht unterschätzt werden darf. Im Rahmen der Protestaktionen arbeiteten autonome Globalisierungsgegner, andere linksextremistische Gruppierungen und nicht extremistische Protestgruppen zusammen. Alle diese Gruppierungen betrachten die Aktionen gegen den G8-Gipfel als Erfolg. Eine rückhaltlose Verurteilung der Ausschreitungen in Rostock durch die linksextremistischen Gruppierungen blieb aus; stattdessen wurde die linksextremistische Gewaltanwendung durch Verweise auf angebliche Übergriffe durch die Polizei EntwicklungEn im ExtrEmismus 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 gerechtfertigt, etwa durch die Durchsuchungen im Rahmen der Verfolgung der Straftaten der 'militanten gruppe' (mg) beziehungsweise durch die Absperrmaßnahmen im Rahmen des G8-Gipfels. Allerdings: Die von den Organisatoren der Proteste erwarteten hunderttausend und mehr Demonstranten wurden nicht erreicht. Nach Polizeiangaben dürften etwa 70.000 Demonstranten vor Ort im Großraum Heiligendamm gewesen sein. Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit diese Antiglobalisierungsaktivitäten einer stärkeren Vernetzung der linksextremistischen Szene Vorschub leisten werden. 13 Ausländerextremismus Zwar verfolgt der KONGRA-GEL in Westeuropa bisher seinen Friedenskurs konsequent. Dennoch waren die 'Volksverteidigungskräfte' im Südosten der Türkei wieder aktiv, nachdem sie den einseitigen Waffenstillstand zum . Juni 2004 aufgekündigt hatten. Auch ein weiterer, zum . Oktober 2006 einseitig von den HPG verkündeter Waffenstillstand führte zu keinem Verhandlungsangebot der türkischen Regierung. Daraufhin verstärkten sich die militärischen Auseinandersetzungen zwischen der Organisation und der türkischen Armee im Jahr 2007 wieder. Mit der Umsetzung des Ermächtigungsbeschlusses des Türkischen Parlaments vom 7. Oktober 2007 für grenzüberschreitende Militäraktionen gegen die militärischen Einheiten des KONGRA-GEL im Nordirak durch Luftschläge und vereinzelte Kommandoaktionen von Bodentruppen haben die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der türkischen Armee und kurdischen Guerillaeinheiten eine weitere Eskalationsstufe erreicht. Die verstärkten militärischen Auseinandersetzungen fordern auf beiden Seiten fast täglich Tote und Verletzte. Erstmals seit Jahren zeigte sich 2007 zumindest punktuell auch eine Gewaltbereitschaft der hiesigen Anhängerschaft. So kam es in zwei Wellen, einmal im Februar wegen der Verhaftung mehrerer hochrangigen Europafunktionären des KONGRAGEL in Europa im Rahmen polizeilicher Exekutivmaßnahmen unter anderem in Süddeutschland und ein weiteres Mal im März im Rahmen der Proteste gegen die angebliche Vergiftung Abdullah Öcalans, zu einer Reihe von Brandanschlägen im gesamten Bundesgebiet. In NRW waren die Städte Dortmund, Bottrop, Hagen und Köln, teilweise mehrfach, betroffen. Anders als in der Vergangenheit, beschränkten sich die Täter nicht darauf, 22 EntwicklungEn im ExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Brandsätze auf die Fahrbahn einer Straßenkreuzung zu werfen. Vielmehr handelte es sich um gezielte Brandanschläge gegen Räumlichkeiten türkischer Vereine, auf türkische Banken und Reisebüros, auf eine Moschee sowie auf einen Autohändler einer französischen Automarke. Bei den Anschlägen wird eine Täterschaft der kurdischen Jugendorganisation 'Komalen Ciwan' angenommen, wenngleich diese sich nicht ausdrücklich dazu bekannt hat. Es muss davon ausgegangen werden, dass das gewalttätige Handeln jedenfalls mit Wissen und Wollen der Organisation erfolgt ist, wenn es nicht sogar europaweit gesteuert wurde. Wegen der am . März 2007 von Anwälten des auf Imrali inhaftierten Kurdenführers Abdullah Öcalan in einer Pressekonferenz in Rom auf der Grundlage einer Haarprobe des Kurdenführers behaupteten chronischen Vergiftung kam es europaweit zu Protestveranstaltungen, die Anfang Mai ihren Höhepunkt erreichten. So fanden mehrere Besetzungen von Fernsehanstalten, von Büros von Nicht-Regierungs-Organisationen und Protestveranstaltungen vor Parlamenten in ganz Europa statt. Am 9. Mai 2007 gelangte in diesem Zusammenhang eine Gruppe von KONGRA-GEL Anhängern in das Foyer des Düsseldorfer Landtages. Dort entrollten sie Transparente, skandierten Parolen und verteilten Flyer, die auf die Situation des Kurdenführers Abdullah Öcalan hinweisen sollten. Die verstärkten militärischen Aktivitäten des türkischen Militärs im Nord-Irak haben zu starken Reaktionen der kurdischen und der türkischen Anhängerschaft in Europa und auch in Deutschland geführt. Der KONGRA-GEL hat dazu die sogenannte "Edi Bes e!" ("Es reicht!")-Kampagne ins Leben gerufen und seine Anhänger in ganz Europa über die kurdische Tageszeitung 'Yeni Özgür Politika' zur Teilnahmen an Demonstrationen aufgefordert. Von Ende Oktober bis Mitte Dezember gab es eine Vielzahl von Versammlungen sowohl pro-türkischer Gruppierungen als auch pro-kurdischer Anmelder. Schwerpunkt der weitgehend friedlichen und störungsfreien Kundgebungen und sonstigen Protestveranstaltungen waren die beiden Wochenenden Ende Oktober/Anfang November. An insgesamt 2 Veranstaltungen in nordrhein-westfälischen Städten, darunter in Dortmund und Köln, nahmen etwa 17.000 Teilnehmer teil. Vorläufiger Höhepunkt der Kampagne war eine Demonstration mit 0.000 Teilnehmern am 5. Dezember 2007 in Düsseldorf, die in zwei Demonstrationszügen und einer Abschlusskundgebung gegen die Gewalteskalation im türkisch-irakischen Grenzgebiet protestierten. Zu dieser Demonstration war europaweit mobilisiert worden. Außerhalb der Veranstaltungen kam es auch in NRW vereinzelt zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen kurdischen und türkisch nationalistischen Jugendlichen. EntwicklungEn im ExtrEmismus 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Die Eskalation der Gewalt in der Türkei und die Zuspitzung des Konfliktes im türkisch-irakischen Grenzgebiet führten bisher nicht zu einer grundsätzlichen Abkehr vom Friedenskurs der Organisation in Deutschland. Dies haben die zahlreichen, gut besuchten pro-kurdischen Demonstrationen in NRW bewiesen, die im Regelfall störungsfrei abgelaufen sind. Eine Abkehr vom betont gewaltfreien Verhalten in Deutschland erscheint aber zumindest anlassbezogen möglich, wie gewaltsame Aktionen, insbesondere aus dem Umfeld der kurdischstämmigen Jugendlichen, die zeitweise hoch emotionalisiert sind, zeigen. Innerorganisatorisch setzt sich der im Jahr 2002 begonnene Erosionsprozess fort. Die mehrfachen Umbenennungen und ideologischen Neuausrichtungen der Organisation sind für die Anhänger kaum nachvollziehbar. Die durch die Prinzipien des KKK ('Koma Komalen Kurdistan' - 'Gemeinschaft der Komminen Kurdistans') geforderte organisationsinterne Demokratisierung wurde zwar in die Untergliederungen des KONGRAGEL eingeführt, eine praktische Umsetzung der neuen Organisationsformen konnte aber nicht festgestellt werden. Ob die erneute Umbenennung in KCK ('für Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans') neue Impulse für die praktische Arbeit der Organisation setzt, muss bezweifelt werden. Nach wie vor bestimmen Führungskader des KONGRA-GEL die Politik und die Aktivitäten in den Regionen. Die gewählten Volksräte in Nordrhein-Westfalen sind weiterhin bedeutungslos. 14 Islamismus Die größte Bedrohung für die innere Sicherheit Deutschlands ging auch im Jahre 2007 wieder von transnationalen islamistisch motivierten Terrororganisationen und -netzwerken aus, die sich am Handlungsmuster von 'al-Qa'ida' orientieren. Sie stellen den bewaffneten Kampf, den sie als "Jihad" bezeichnen, in den Mittelpunkt ihres religiösen Denkens und leiten daraus politisches Handeln ab. Aus diesem Grunde werden 'al-Qa'ida', ihre Unterund Nebenorganisationen sowie alle entsprechend ausgerichteten Gruppierungen auch als islamistische Jihadisten bezeichnet. Wie aus den diesjährigen Videound Audiobotschaften ihrer Führer, Usama bin Ladin und Aiman az-Zawahiri, hervorgeht, verfolgen sie das Ziel, jedes Engagement "westlicher" Staaten in der islamischen Welt, sei es militärisch, wirtschaftlich oder kulturell, zu verhindern. So sollen die herrschenden Regierungen und Regime geschwächt werden, um der Umgestaltung der Gesellschaft und des politischen Systems den Boden zu bereiten und eine islamistische Herrschaft - ein Regime, das auf einer wörtlichen Auslegung von Koran und islamischen Überlieferungen basiert - errichten zu können. 24 EntwicklungEn im ExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 In ihrem Zielspektrum befinden sich nach wie vor insbesondere die USA als westliche Führungsmacht, Israel sowie jene Verbündeten der USA, die sich an Militäreinsätzen beteiligen. Zu letzteren gehörte 2007 zuvorderst immer noch Großbritannien, doch auch Deutschland ist mit seinem verstärkten Engagement in Afghanistan und durch die Beteiligung an der UN-Mission im Libanon in diesem Jahr noch deutlicher in die Gruppe der gefährdeten Staaten gerückt. Dass es 2007 in Europa nicht zu Terroranschlägen seitens dieser Terrorgruppierungen kam, darf keinesfalls als Entspannung der Gefahrenlage gedeutet werden. In mehreren europäischen Ländern konnten Anschlagsversuche nur durch effektive Maßnahmen der Sicherheitsbehörden noch vor ihrer Realisierung verhindert werden. Andere Terrorakte scheiterten an technischen Problemen oder an den Sicherheitsvorkehrungen am ausgesuchten Anschlagsort. Bedrohungslage in Deutschland 2006 war Nordrhein-Westfalen von dem versuchten Anschlag mit Kofferbomben auf zwei Regionalexpresszüge betroffen. Die sogenannten "Kofferbomber" waren zwei Studenten aus dem Libanon, die sich vor den Anschlagsversuchen nur kurze Zeit in Deutschland aufgehalten hatten. Während einer der mutmaßlichen Attentäter im Libanon zu einer zwölfjährigen Haftstrafe verurteilt wurde, begann gegen den anderen am 8. Dezember 2007 der Prozess vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf. Gegen ihn ist im Libanon in Abwesenheit bereits eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt worden. 2007 kam es in Nordrhein-Westfalen zu keinem Anschlagsversuch, jedoch zu einer spektakulären Festnahme mutmaßlicher Jihadisten. Am 4. September 2007 nahm die Polizei drei Personen fest, als sie dabei waren, die letzen Vorbereitungen für einen größeren Anschlag in Deutschland zu treffen. Es handelt sich bei ihnen um zwei deutsche sowie einen türkischen Staatsangehörigen. Sie stehen unter dem Verdacht der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung ('Islamische Jihad Union' - IJU) sowie der Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags in Deutschland. Die Festnahme erfolgte in Medebach-Oberschledorn (Nordrhein-Westfalen), wo die Verdächtigen ein Ferienhaus angemietet hatten, in dem sie eine große Menge an Wasserstoffperoxyd lagerten. Eine vierte Person, die verdächtig ist, sich an den Tatvorbereitungen beteiligt zu haben, wurde später in der Türkei verhaftet. Da es sich bei zwei der Beschuldigten um zum Islam konvertierte Deutsche handelt, wurde die Frage aufgeworfen, ob von Konvertiten eine besondere Gefahr für die Sicherheit in Deutschland ausgehen könne. Auf politischer Ebene wurde in diesem ZuEntwicklungEn im ExtrEmismus 25 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 sammenhang der Vorschlag diskutiert, Konvertiten in einer Datei ("Konvertitendatei") zu erfassen. Dieser Gedanke wurde jedoch bald wieder verworfen, da er weder technisch noch rechtlich umsetzbar ist. Darüber hinaus haben alle bisherigen Studien zu Attentätern ergeben, dass es einheitliche Merkmale, an denen man diese im Vorfeld erkennen könnte, nicht gibt. Die elektronische Erfassung deutscher Konvertiten zum Islam wäre deshalb kein sinnvolles Instrument zur Terrorbekämpfung. Sie würde diese Bevölkerungsgruppe ungerechtfertigt unter Generalverdacht stellen. Zutiefst beunruhigend ist, dass die Festgenommenen und ihre weiteren Unterstützer Personen sind, die in Deutschland aufgewachsen und mithin aus dieser Gesellschaft hervorgegangen sind. Erstmalig muss man hier von deutschen "home-grown"-Terroristen sprechen, ein Phänomen, das seit den Bombenanschlägen vom 7. Juli 2007 in London die europäische Öffentlichkeit wie auch die Sicherheitsbehörden in allerhöchste Alarmbereitschaft versetzt hat. "home-grown" meint in diesem Zusammenhang, dass die Täter nicht aus dem Ausland kommen, sondern aus den westlichen Staaten und Gesellschaften stammen, zumindest in zweiter Generation hier leben, und ihre extremistische und feindliche Einstellung gegen diese sich hier entwickelt hat. Es war zu vermuten, dass auch in Deutschland ähnliche Entwicklungen wie in Großbritannien stattfinden würden. Seit September 2007 ist diese Vermutung zur Gewissheit geworden, wenngleich die Zahl der Personen, die potenziell Sympathien für 'al-Qa'ida' und an dieser orientierte Terrorgruppierungen haben, in Deutschland mit größter Wahrscheinlichkeit weit unter der in Großbritannien liegt. Dennoch konnte man im Laufe des Jahres feststellen, dass eine auffällig hohe Zahl von Personen, die deutschstämmig sind oder seit langem in Deutschland leben, offenbar an einer Terrorausbildung in der afghanisch-pakistanischen Grenzregion teilgenommen hat. Einige dieser vermutlich islamistisch motivierten Personen wurden durch pakistanische Sicherheitsbehörden festgenommen und nach Deutschland zurückgeführt. Andere könnten mit dem dort erworbenen Wissen nach Deutschland zurückkehren oder bereits zurückgekehrt sein, ohne dass ihnen ihre Terrorausbildung nachgewiesen werden kann. Video-Drohungen gegen Deutschland Verschiedene Indizien deuten darauf hin, dass der von 'al-Qa'ida' beeinflusste internationale Terrorismus Deutschland verstärkt ins Visier genommen hat. Die Motivation hierfür dürfte in dem deutschen Engagement zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus und vor allem im Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan zu suchen sein. Dass im islamistischen Bereich die politische und gesellschaftliche Entwicklung in 26 EntwicklungEn im ExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Deutschland aufmerksam verfolgt wird, zeigte bereits ein am 0. März 2007 im Internet aufgetauchtes Video der 'Stimme des Kalifats'. Bei der 'Stimme des Kalifats' handelt es sich um ein islamistisches Nachrichtenprogramm, das von der 'Global Islamic Media Front' (GIMF) produziert wird. Darin fordert ein vermummter Sprecher den Abzug der deutschen und österreichischen Soldaten aus Afghanistan. In dem im Stil einer Nachrichtensendung aufgemachten Video werden Politiker, die für das deutsche Engagement im Ausland verantwortlich gemacht werden, und die Logos großer deutscher Firmen eingeblendet. Auffällig sind auch die Untertitel in deutscher Sprache und die Detailkenntnisse über die politischen Diskussionen in Deutschland und Österreich sowie über den Umfang der Beteiligung dieser Länder an dem NATO-Einsatz in Afghanistan. Am 20. November 2007 veröffentlichte die GIMF erneut ein Video mit Deutschlandbezug im Internet. Diesmal wurden in dem vierminütigen Video die "gemäßigten Muslime" angegriffen. Diese würden sich für die Demokratie einsetzen, eine Staatsform, die eine "atheistische Erfindung" sei und eine durch Ungerechtigkeit und Unterdrückung gekennzeichnete "Herrschaft der Menschen" statt der als Ideal angesehenen "Herrschaft Gottes" hervorbringe. Dabei werden Logos von zwei islamischen Spitzenverbänden und Aufnahmen ihrer Repräsentanten eingeblendet. Des Weiteren wendet sich der Sprecher im Video an Deutschland und Österreich. Deutschland wird aufgefordert, die Bundeswehr aus Afghanistan abzuziehen. Dies diene "nur zu eurer eigenen Sicherheit in eurem Lande. Dasselbe gilt auch für Österreich. Die Mudjahidin haben euch bisher noch verschont, deshalb ist die Zahl eurer getöteten Soldaten nicht besonders hoch, doch dies wird bald anders sein, da die Taliban eine Winteroffensive angekündigt haben, und diese Offensive erstreckt sich auch auf den Norden." Entführungen und Anschläge mit Deutschlandbezug In Staaten mit unsicherer Sicherheitslage gehören auch Entführungen zum Repertoire islamistischer Terrorgruppen. 2007 fanden wie schon im Vorjahr Entführungen von deutschen Staatsangehörigen im Irak und in Afghanistan statt. Eine mit einem irakischen Arzt verheiratete Deutsche wurde am 6. Februar zusammen mit ihrem Sohn in Bagdad verschleppt. Das Entführungskommando nannte sich "Brigade der Pfeile der Rechtschaffenheit" und drohte in einer Videobotschaft mit der Tötung ihrer Geiseln für den Fall, dass die Bundeswehr nicht innerhalb von 0 Tagen aus Afghanistan abgezogen würde. Die Mutter kam am 0. Juli aus der Geiselhaft frei, ihr Sohn, mit dessen Ermordung die Geiselnehmer weiterhin drohten, war Ende 2007 noch immer EntwicklungEn im ExtrEmismus 27 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 verschleppt. In Afghanistan wurde am 8. März 2007 ein 65-jähriger Mitarbeiter der Deutschen Welthungerhilfe erschossen. Nach Angaben offizieller afghanischer Stellen sollen die Täter im August als "Terroristen" gefangen genommen worden sein und die Tat gestanden haben. Außerdem wurden am 8. Juli 2007 zwei deutsche Bauingenieure und fünf einheimische Begleitpersonen in Afghanistan verschleppt. Eines der deutschen Entführungsopfer wurde einige Tage später erschossen aufgefunden. Sein Kollege kam zusammen mit den Begleitern am 0. Oktober wieder frei. Häufig ist bei solchen Entführungen unklar, ob islamistische Terroristen, Taliban oder gemeinkriminelle Gruppierungen für die Tat verantwortlich sind und welche Rolle politische Motive dabei spielen. Fälle wie die Geiselnahme von 2 presbyterianischen Missionaren aus Südkorea - zwei von ihnen wurden ermordet, die übrigen gegen politische Zugeständnisse bis zum 0. August freigelassen - zeigen, dass Entführungen von Personen aus westlichen Ländern von islamistischen Gruppen als probates Mittel angesehen werden, um politische und/oder finanzielle Ziele und mediale Aufmerksamkeit zu erreichen. Durch schreckliche Bilder von Opfern den psychologischen Druck auf die westlichen Zivilgesellschaften zu erhöhen und so den Rückzug ihrer militärischen Kräfte zu erwirken, ist auch die Strategie, die hinter den Anschlägen auf Soldaten und Einrichtungen der Bundeswehr oder verbündeter Streitkräfte steckt. Im Jahr 2007 haben mehrere solcher Anschläge stattgefunden. So kamen am 9. Mai bei einem Selbstmordanschlag in Kunduz (Afghanistan) drei deutsche Soldaten ums Leben, zwei weitere und ein Übersetzer erlitten Verletzungen. Darüber hinaus starben bei dem Anschlag sechs Zivilisten und weitere vierzehn wurden verletzt. Dabei machen sich die Propagandisten von 'al-Qa'ida' und ihrer Verbündeten, der Taliban, den Umstand zunutze, dass in Afghanistan die militärisch abgesicherte Aufbau-Mission ISAF (International Security Assistance Force), in der Deutschland eine herausragende Rolle spielt, kaum noch von der durch die USA angeführte Antiterror-Mission OEF (Operation Enduring Freedom) unterschieden wird. Sie lenken das Interesse zunehmend auf Deutschland, seine Aufbauhelfer und Soldaten. Dies wird zum Beispiel in einem am 20. Juni 2007 bekannt gewordenen Video deutlich, das den neuen Talibankommandeur Mansur Dadullah, der erst kurze Zeit vorher seinen getöteten Bruder Mullah Dadullah ersetzt hatte, bei der Verabschiedung von angeblich 00 potenziellen Selbstmordattentätern nach ihrer Ausbildung in Lagern der Taliban zeigt. In dem Video wird damit gedroht, dass sich die Kämpfer für Anschläge in den USA, Großbritannien, Kanada und Deutschland bereithalten würden. 28 EntwicklungEn im ExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Erfolge und Schwierigkeiten des Antiterrorkampfes In Folge des nach dem . September 200 begonnenen "Antiterrorkriegs" ("war on terrorism") wurden die Strukturen von 'al-Qa'ida' weitgehend zerschlagen. Stattdessen bildeten sich Netzwerke mit Verzweigungen in verschiedene Länder. In den vergangenen Jahren war in anderen europäischen Staaten zu beobachten, dass eine terroristische Bedrohung in Europa im Wesentlichen von Kleingruppen ausgeht, die durch 'al-Qa'ida' inspiriert sind. Dies ist 2007 auch in Deutschland greifbar geworden. Tatsächlich ist es nur dank glücklicher Umstände und erfolgreicher Ermittlungsarbeit der Sicherheitsbehörden in Deutschland bisher nicht zu einem islamistisch motivierten Anschlag gekommen. Neben der unbedingt erforderlichen Bekämpfung terroristischer Netzwerke und Kleingruppen muss der Blick jedoch auch auf die langfristigen Folgen einer islamistischen Beeinflussung der Gesellschaft gerichtet werden. Der zunehmenden Propaganda von militanten Islamisten, der damit beabsichtigten Radikalisierung und Rekrutierung zumindest einiger der beeinflussten Personen für das Terrornetz, muss schon im Vorfeld entgegen getreten werden. Geeignete Methoden für eine erfolgreiche Extremismusprävention im Bereich des Islamismus zu entwickeln, scheint deshalb für die langfristige Bekämpfung des islamistischen Terrorismus ebenso erforderlich, wie die Vereitelung akuter Anschlagsplanungen. In jedem Fall muss unsere Gesellschaft sich darauf einstellen, mit dieser Bedrohung noch längere Zeit konfrontiert zu sein. 15 Politisch motivierte Kriminalität Mit insgesamt 4.00 Fällen politisch motivierter Kriminalität (PMK) muss im Jahr 2007 erneut ein Ansteigen der Fallzahlen um rund 7 % festgestellt werden. Positiv zu vermerken ist, dass der Anstieg geringer ausfällt, als in den Vorjahren. Hier war die Zunahme - zum Teil deutlich - größer. Und: Die Zahl der Gewaltdelikte ist im Jahresvergleich etwas zurückgegangen. Bezogen auf die drei Phänomenbereiche (PMK-Rechts, PMK-links, PMK-Ausländer) weicht die Situation allerdings deutlich vom Vorjahr ab. Der bislang für das Anwachsen der Fallzahlen vor allem verantwortliche Bereich der "Rechts" motivierten Straftaten ist auf gleichem Niveau geblieben. Dies bedeutet allerdings auch, dass die im Vorjahr deutlich angestiegene Fallzahl beibehalten wurde. Insgesamt ereignen sich mehr als zwei Drittel aller zurechenbaren Straftaten in diesem Phänomenbereich. EntwicklungEn im ExtrEmismus 29 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Innerhalb des Phänomenbereiches "Rechts" haben sich Verschiebungen ergeben. Einem erfreulich deutlichen Rückgang der Körperverletzungsdelikte (von 62 auf 0) und der Volksverhetzungen (von 503 auf 435) steht ein signifikanter Anstieg der Sachbeschädigungen gegenüber (4 auf 58). Propagandadelikte (also Hakenkreuzschmierereien und Zeigen verbotener Symbole) machen zwei Drittel aller Straftaten in diesem Phänomenbereich aus. Die Zunahme dieser Delikte war in den Vorjahren wesentliche Ursache für die Zunahme der Fallzahlen bei der politisch motivierten Kriminalität insgesamt. Im Jahresvergleich 2006/2007 ist diese Deliktsgruppe stabil bei 2.092 Vorfällen geblieben. Sichtbar wird hier unter anderem, dass die Szene bewusst strafbare Handlungen meidet beziehungsweise in den eigenen Reihen unterbindet. Sie weicht aber zum Teil auf Parolen aus, die zumindest nicht auch ein Propagandadelikt darstellen, so dass solche Farbschmierereien lediglich als Sachbeschädigungen erfasst werden. Deutlich ist, dass die Zahlen zur PMK allein kein verlässlicher Gradmesser für eine steigende oder sinkende Bedrohung durch rechtsextremistische Aktivitäten sein können. Zum einen werden gerade die statistisch bestimmenden Propagandadelikte in einem relevanten Anteil nicht von organisierten Rechtsextremisten beziehungsweise ihnen ideologisch nahestehenden Personen begangen. Anderseits wird die zunehmende Präsenz von Rechtsextremisten in der Öffentlichkeit mit Büchertischen, Flugblättern und groß angelegten Demonstrationen kaum in den Fallzahlen zur PMK sichtbar; sie speist sich aus einem gleichbleibend hohem Niveau der Zustimmung, das rechtsextremistische Thesen in der bundesdeutschen Bevölkerung erfahren. Der Stagnation im Bereich rechter Straftaten steht ein im Vergleich zum Vorjahr höheres Niveau im Bereich der "linken" Straftaten, vor allem aber der politisch motivierten Kriminalität von Ausländern gegenüber. Bestimmend bei letzteren waren Reaktionen auf polizeiliche Maßnahmen gegen Funktionäre der ehemaligen kurdischen Arbeiterpartei PKK (jetzt KONGRA-GEL) und die Ereignisse an der türkisch-irakischen Grenze. Der Anstieg um 89 Delikte geht überwiegend auf vereinsrechtliche Verstöße im Zusammenhang mit dem KONGRA-GEL (+08 Delikte) beziehungsweise Delikte im Zusammenhang mit Demonstrationen zurück. In ebenfalls deutlicher Beziehung zu Demonstrationen steht die Mehrzahl der Straftaten aus dem Phänomenbereich PMK-Links. Während PMK-Rechts ein überall anzutreffendes (Stichwort Propagandadelikte) oder überall mögliches (Stichwort Körperverletzungen) Phänomen ist, konzentriert sich das Fallaufkommen "Links" und "Ausländer" überwiegend auf wenige spezifische Situationen, nämlich Demonstrationen oder Fallkonstellationen (Verstöße gegen das Vereinsgesetz). 0 EntwicklungEn im ExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 2 Thema im Fokus 21 "...und stürzt euch nicht mit eigener Hand ins Verderben!" - vom Missbrauch der islamischen Religion für Selbstmordattentate Europaweit besteht große Angst vor einem aggressiven und gewaltbereiten Islam. Diese Angst manifestiert sich im Bild des Selbstmordattentäters. In scheinbarer Todessehnsucht oder im Irrglauben, für ihre Religion zu sterben, zünden junge Männer ihre Bomben, ob am eigenen Leib getragen, ob in einem Auto versteckt, und streben den Tod unschuldiger Mitbürgerinnen und Mitbürger an; dass dabei auch Muslime getötet werden, nehmen sie in Kauf. Spätestens seit den Selbstmordanschlägen von London im Juli des Jahres 2005 ist klar: Auch Menschen in Europa könnten direkt betroffen sein. Das Phänomen der Selbstmordattentate wirft viele Fragen auf: Wie ist das Verhältnis der islamischen Religion zu der Anwendung von Gewalt? Ist der Islam gar eine gewalttätige Religion, die Selbstmordattentäter inspiriert und fördert? Oder wird im Gegenteil eine friedfertige Religion durch politisch motivierte Terroristen missbraucht? Welche anderen Faktoren spielen bei diesem Phänomen eine Rolle? Um zu einer Klärung dieser Fragen beizutragen, soll zunächst dargestellt werden, welche Positionen die islamische Religion zu den Themenkomplexen: Selbstmord, Martyrium und Krieg bezieht. Anschließend folgt eine kurze Entwicklungsgeschichte des Selbstmordterrorismus bis heute. Es wird auf die möglichen individuellen Motive von Attentätern und auf die sie steuernden Gruppen eingegangen werden. Am Schluss stehen zwei praktische Beispiele, die die Funktionsweise der Selbstmordattentate befürwortenden islamistischen Propaganda verdeutlichen sollen. Selbstmörder oder Märtyrer? Die Unterscheidung zwischen einem "Selbstmörder" und einem "Märtyrer" ist für den gläubigen Muslim von entscheidender Bedeutung und reicht bis in die Diskussion hinein, die in den Medien des islamischen Kulturraumes über Selbstmordanschläge geführt wird. Ob ein Selbstmordattentäter als "Selbstmörder" (Arabisch "intihari") oder als "Märtyrer" (Arabisch "shahid" oder "istishhadi") bezeichnet wird, sagt bereits viel darüber aus, ob die jeweilige Person oder das jeweilige Medienorgan dieses Phänomen positiv oder negativ bewertet. thEma im Fokus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Der Selbstmord ist im Islam in allen Rechtsschulen und -zweigen - Sunniten wie Schiiten - ein Vergehen gegen göttliche Gebote und wird als Todsünde betrachtet. Diese Festlegung lässt sich mit zwei Koranzitaten belegen, die in ihrer Aussage eindeutig sind. So heißt es in Sure 2 ("Die Kuh"), Vers 95: "[...] und stürzt euch nicht mit eigener Hand ins Verderben! Und seid rechtschaffen. Gott liebt die Rechtschaffenen!" und außerdem in Sure 4 ("Die Frauen"), Vers 29 und 0: "[...] und tötet nicht euch selber! Gott verfährt barmherzig mit euch. Wenn einer dies trotzdem in Übertretung der göttlichen Gebote und in frevelhafter Weise tut, werden wir ihn dereinst im Feuer schmoren lassen. Dies wahr zu machen, ist Gott ein leichtes." (Übersetzung in Anlehnung an Rudi Paret 996, wie auch im Folgenden.) Daraus lässt sich bereits ablesen, was den Selbstmörder im Jenseits erwartet. Nach seinem Ableben darf er nicht wie ein gläubiger Muslim auf eine Weiterexistenz im Paradies hoffen, sondern ihm droht die Hölle. Al-Bukhari, ein muslimischer Religionsgelehrter des 9. Jahrhundert, hat dazu einen "Hadith"eine Erzählung aus dem Leben des Propheten Muhammad - überliefert, der die Strafe für den Selbstmörder sogar noch spezifiziert. So muss der Selbstmörder die Aktion, mit der er sich umgebracht hat, im Höllenfeuer bis in alle Ewigkeit wiederholen. Der verwerflichen Handlung des Selbstmörders wird im Islam ein anderes Beispiel entgegensetzt: Das des Märtyrers, der sein Leben für "die Sache Gottes" aufopfert. Die Idee des Märtyrertums ist hier vor dem geschichtlichen Hintergrund der Entstehung der islamischen Religion zu verstehen. So war Muhammad nicht nur Religionsstifter, sondern auch Friedensrichter, politischer Anführer und Feldherr. In der islamischen Tradition wird überliefert, dass Muhammad an mehreren Schlachten persönlich teilgenommen habe und dabei auch verwundet worden sei. So ist nicht verwunderlich, dass einige Verse des Korans die Anhänger des Propheten zu Opferbereitschaft und bewaffnetem Kampf gegen die damaligen Gegner, nämlich die "ungläubigen" Anhänger des arabischen Stammes Quraish in Mekka, anhalten und motivieren sollten. Später erschuf die islamische Rechtswissenschaft aus den frühislamischen Erzählungen neue Konzepte. Sie teilte das Martyrium in zwei Kategorien ein. Die erste wurde als die "Märtyrer im Jenseits" bezeichnet. Diese Märtyrer, beispielsweise während der Pilgerfahrt nach Mekka Verstorbene, aber auch an der Pest Gestorbene, während 2 thEma im Fokus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 einer Schwangerschaft verstorbene Frauen, ertrunkene Seeleute und weitere, auf unnatürliche Weise gestorbene Gläubige, konnten mit einem direkten Einzug in das Paradies nach dem Tag des Jüngsten Gerichts rechnen. Bis dahin mussten sie jedoch im Grab verbleiben. Die zweite Kategorie galt den Märtyrern "in dieser Welt". Hierunter fielen diejenigen gläubigen Muslime, die im Kampf oder Streben "für Gott" gefallen waren. Die "Märtyrer in dieser Welt" konnten bereits im Augenblick ihres Todes auf einen Einzug in das Paradies hoffen. Dem islamischen Glauben nach winkten ihnen einige "Vergünstigungen" im Paradies, die sie vor den anderen muslimischen Gläubigen auszeichnete: Der "Märtyrer in dieser Welt" war frei von Sünden und musste nicht mehr durch das Fegefeuer gehen, das den "normalen" Gläubigen am Tag des Jüngsten Gerichts erwartete. Er stieg gleich nach seinem Tode zur höchsten Stufe des Paradieses auf und konnte dort am Fuß des Throns Gottes sein Quartier beziehen. Zudem bestand die Möglichkeit, am Jüngsten Tag Einspruch für Verwandte einzulegen und auch diesen einen schnellen Zugang zum Paradies zu ermöglichen. Umstritten, aber immer wieder verbreitet, ist die Belohnung mit "72 Jungfrauen", die einen im Kampfe gefallenen Krieger im Paradies erwarten würden. Das entsprechende arabische Wort kann zwar nicht mit letzter Sicherheit als "Jungfrau" übersetzt werden. Klar ist jedoch, dass die Erwartung sexueller Freuden im Jenseits in der Propaganda gewaltbereiter Islamisten heutzutage durchaus eine Rolle spielt. Der "Jihad" - "heiliger Krieg"? In der wörtlichen Bedeutung meint der Begriff "Jihad" nichts weiter als "Streben" oder "Ringen" nach oder um eine Sache. In seiner geschichtlich bedeutenderen Form ist der Begriff Jihad als das Streben eines jeden Muslims nach einem gottgefälligen Leben und dem Ringen mit den eigenen Begierden zu verstehen, die ihn von dem rechten Weg des Glaubens abbringen könnten. Allerdings spielte der "Jihad" auch in der Bedeutung eines "bewaffneten Kampfes" bereits in der Entstehungszeit der islamischen Religion eine wichtige Rolle. So wurde der Jihad "für Gott" gegen nichtmuslimische Araber in Mekka, gegen "Abtrünnige vom Glauben" und schließlich zur Ausbreitung des islamischen Einflussgebietes in den ersten zwei Jahrhunderten nach der Zeit des Propheten Muhammad gutgeheißen und religiös legitimiert. Im Koran lassen sich dazu zwei unterschiedliche Ausrichtungen erkennen: Die erste geht von der Selbstverteidigung der Muslime aus, so z.B. in Sure 2 ("Die Kuh"), Vers 90: thEma im Fokus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 "Und kämpft um Gottes willen gegen diejenigen, die gegen euch kämpfen! Aber begeht keine Übertretung (indem ihr den Kampf auf unrechtmäßige Weise führt)! Gott liebt die nicht, die Übertretungen begehen." Der offensive Charakter des "Jihad" zur Glaubensverbreitung kommt in Sure 9 ("Die Buße"), Vers 5 zum Ausdruck "Und wenn nun die heiligen Monate abgelaufen sind, dann tötet die Heiden, wo (immer) ihr sie findet, greift sie, umzingelt sie und lauert ihnen überall auf! Wenn sie sich aber bekehren, das Gebet verrichten und die Almosensteuer geben, dann lasst sie ihres Weges ziehen! Gott ist barmherzig und bereit zu vergeben." In der islamischen Rechtswissenschaft wurde aus den vorhandenen religiösen Quellen ein Regelwerk für den Krieg geschaffen, so dass ab diesem Punkt der Begriff "Jihad" als "islamisch legitimierte Form der Kriegsführung" übersetzt werden kann. Laut diesem Regelwerk war es verboten, Frauen, Kinder und Greise im Kampf zu töten, wohl aber durften sie als Kriegsgefangene versklavt werden. Fruchttragende Bäume durften nicht ausgerissen oder verbrannt werden, um der Bevölkerung, selbst wenn diese nicht-muslimisch war, die Lebensgrundlage nicht zu entziehen. Juden und Christen konnten sich durch die Zahlung einer Kopfsteuer freikaufen und weitgehend unbehelligt auf islamischem Herrschaftsgebiet leben. Und schlussendlich war nur der politische Herrscher eines islamischen Reiches dazu berechtigt, die Notwendigkeit zum bewaffneten Kampf zu bestimmen und den Jihad auszurufen. Ein wichtiges Kriterium für die Pflicht zum Jihad war die Dringlichkeit. Zu späterer Zeit, als die islamische Religion sich bereits in einem beträchtlichen Teil Europas, Afrikas und Asiens etabliert hatte, galt der Jihad nur noch als "Pflicht der Gemeinschaft". Solange sich genug Personen fanden, die die Grenzen des islamischen Herrschaftsgebietes - Arabisch "dar al-islam" - verteidigten, war der Rest der Gemeinschaft von der Kriegspflicht entbunden. Anders sah es aus im Verteidigungsfall. Dann wurde der Jihad als "Pflicht des Einzelnen" angesehen, so dass in der Theorie selbst Frauen, Kinder und Sklaven zur Waffe greifen sollten, um die Religion - nicht das Land - zu verteidigen. Auf diese Weise wurde in manchen islamischen Ländern auch der bewaffnete Widerstand gegen die europäische Kolonialherrschaft begründet. Der islamistische Diskurs hat seinen Ursprung in Werken muslimischer Reformdenker der vorletzten Jahrhundertwende. Islamistische Ideologen haben daraus die These von einer "westlichen Okkupation" der islamischen Welt und von einer "ideologischen Invasion" bis hin zu einer auf antisemitische Stereotype basierenden "zionistischen 4 thEma im Fokus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Weltverschwörung" entwickelt. Durch den "Imperialismus des Westens" seien selbst die politischen Systeme in der islamischen Welt beeinflusst worden, so dass diese als "un-islamisch" zu gelten haben. Sie seien daher mit dem Mittel des "Jihad" zu bekämpfen und durch einen "islamischen Staat", der auf der Scharia - dem islamischen Rechtskodex - basiert, zu ersetzen. Bei vielen islamistischen Ideologen wird der Jihad daher mit "bewaffnetem Kampf" gegen alles "unislamische" gleichgesetzt. Muslime, die mit einer vermeintlich unislamischen Regierung "kooperieren", können dieser Logik zufolge zu "Ungläubigen erklärt" - Arabisch: "takfir" - und sogar getötet werden. Einige extremistische Gruppen folgen dem historischen Beispiel des Propheten Muhammad, der seinerseits das "ungläubige" Mekka verlassen hatte und von Medina aus bekämpfte. Sie ziehen aus einer ihrer Ansicht nach "un-islamischen" Gesellschaft aus und begeben sich in eine Isolation, aus der heraus sie den "Unglauben" in der Welt bekämpfen wollen. Ein Beispiel dafür ist Usama bin Laden und das Netzwerk 'al-Qa'ida', das von einem Höhlenversteck in Afghanistan aus den folgenreichsten Selbstmordanschlag in der Geschichte geplant und vorbereitet hat. Zwei wichtige Vordenker für diese Neudefinition des Begriffes "Jihad" waren der ägyptische Muslimbruder Sayyid Qutb in dem Buch Wegmarken und der Anhänger der ägyptischen 'Gruppe des Islamischen Jihad', Farag Fauda ("Die vergessene Pflicht"). Sie kommen darin überein, dass der Jihad in der heutigen Zeit zu einer "Pflicht des Einzelnen" geworden sei, also jedes muslimische Individuum jederzeit und überall für den Glauben kämpfen müsse. An dieser Stelle soll noch einmal der konkrete historische Hintergrund der im Koran beschriebenen Ereignisse betont werden, die ja bereits rund .400 Jahre zurückliegen. Es ist keinesfalls ungewöhnlich, dass zu damaliger Zeit um den Glauben gekämpft und für ihn gestorben wurde. Dafür lassen sich auch in der Entwicklungsgeschichte der christlichen Religion genügend Beispiele finden. Problematisch ist aber der Versuch, diese Ereignisse vollkommen unreflektiert und unkritisch auf die heutige Zeit zu übertragen. Zwischen Bagdad und New York Selbstmordattentate haben sowohl historisch als auch geographisch Kulturund Religionsgrenzen übersprungen, wie im Folgenden kurz demonstriert werden soll. Im Persien des . bis . Jahrhundert gab es die schiitische Sekte der "Assassinen", die durch Attentate auf christliche und sunnitische Eliten von sich Reden machte. Da die Attentäter ihren eigenen Tod billigend in Kauf nahmen, werden sie in vielen wisthEma im Fokus 5 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 senschaftlichen Abhandlungen als der "Urtypus" des muslimischen Selbstmordattentäters angesehen, was aufgrund der mangelhaften Quellenlage aber problematisch ist. Im 20. Jahrhundert haben wir es mit dem Phänomen der japanischen Kamikazeflieger zu tun, die zum Ende des Zweiten Weltkrieges ihre Flugzeuge auf amerikanische Ziele - meist Kriegsschiffe im Pazifik - stürzten und ihr Leben auf diese Weise dem japanischen Nationalismus opferten. Hier kam die Selbstmordtat zum ersten Mal im großen Stil als strategische Kriegswaffe zum Einsatz, auch wenn sie militärisch erfolglos blieb. Aus einem ganz anderen Kulturkreis stammen die sri-lankischen 'Tamilischen Befreiungstiger von Eelam' (LTTE), die von 987 bis heute mit Selbstmordattentatenten auf Militärs, Politiker und die sri-lankische Zivilbevölkerung zielen. Die 'Befreiungstiger' verfolgen ein politisches Ziel, nämlich die Unabhängigkeit der tamilischen Bevölkerungsminderheit von der indisch dominierten Zentralregierung. Bemerkenswert ist, dass sie verhältnismäßig viele weibliche Selbstmordattentäter einsetzen. Die ersten Anschläge durch mit Sprengstoff beladene Lastwagen wurden im Jahr 98 durch die schiitische Gruppe Hizb Allah im Libanon durchgeführt und richteten sich gegen amerikanische und französische Ziele. Auf gleiche Weise wurde 98 die amerikanische Botschaft in Kuwait zerstört. Es spricht einiges dafür, in diesem Zeitraum von einem schiitischen Phänomen zu sprechen, was sich in der Folge jedoch gewandelt hat. Als territoriale Auseinandersetzung kann der israelisch-palästinensische Konflikt bezeichnet werden, in dem es von palästinensischer Seite aus zum Einsatz von Selbstmordattentätern kommt. Die sunnitische HAMAS-Organisation, geschichtlich betrachtet der ägyptischen 'Muslimbruderschaft' zurechenbar, war 99 für den ersten Selbstmordanschlag in Israel verantwortlich. Während des zweiten Palästinenseraufstandes von 2000 bis 2005 haben dann auch säkulare, also nicht religiös motivierte Gruppen, wie die zur 'Fatah'-Bewegung gehörenden 'al-Aqsa-Brigaden' auf den Selbstmordattentäter als Waffe zurückgegriffen. Seit den Anschlägen vom . September 200 ist eine Entgrenzung dieses Phänomens zu beobachten. Das Selbstmordattentat im Rahmen dieses "weltweiten Jihad gegen arabische Regime und den Westen" ist nicht mehr einem begrenzten territorialen Konflikt mit klar definierbaren Gegnern und politischen oder territorialen Zielsetzungen zurechenbar, die in irgendeiner Weise erreichbar wären. 6 thEma im Fokus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Als bisher letzte Stufen in der Entwicklung des Selbstmordterrorismus müssen die Phänomene "Franchising" ("Ausgliederung") und "bei uns" entstandener Terrorismus ("home grown terrorism") betrachtet werden. Der Hintergrund dieser Phänomene sind die vorübergehende Zerschlagung des Netzwerks der 'al-Qa'ida' ab Oktober 200 in Afghanistan und die zunehmende Bedeutung neuer Medien, insbesondere des Internets. Die "Ausgliederung" terroristischer Anschläge kann modellhaft an den Gruppen 'Islamischer Staat im Irak' und 'al-Qa'ida im Islamischen Maghreb' gezeigt werden. Beide Gruppen beziehen sich auf die Ideologie der 'al-Qa'ida' beziehen und haben Usama bin Ladin ihre Treue geschworen. Sie werden aber, soweit bekannt, nicht fremd gesteuert, sondern gehen vielmehr eigenständig in Planung und Umsetzung von Attentaten vor, darunter einer nicht unerheblichen Zahl von Selbstmordanschlägen im Irak, in Marokko und Algerien. Ein Beispiel für den "einheimischen Terrorismus" und die Fanatisierung junger Muslime inmitten einer pluralistischen und demokratischen Gesellschaft ist das Mehrfach-Selbstmordattentat von London im Juli 2005. Die vier Täter wurden in England geboren oder lebten dort bereits sehr lange. Ihr Entschluss, als "Märtyrer" zu sterben, muss also dort gefallen sein. Auch in Deutschland ist die Radikalisierung junger Muslime aus Familien zu beobachten, die bereits in zweiter oder dritter Generation bei uns leben. Einige jüngst zum Islam konvertierte junge Männer scheinen eine Gefahr darzustellen, wenn auch hier ein qualifiziertes Urteil noch nicht möglich ist. Für die Indoktrinierung dieses jungen Zielpublikums ist nicht einmal mehr die persönliche Anwesenheit islamistischer "Hassprediger" nötig. Die Anleitung für den zukünftigen Selbstmordattentäter ist inzwischen weltweit über das Internet verfügbar, auch in deutscher Sprache. Von der ersten ideologischen Handreichung bis hin zur Anleitung zum Bombenbau ist das ganze Spektrum des islamistischen Handwerkszeugs nur wenige Mausklicks entfernt. Gegen diese Gefahr der "Selbstradikalisierung" hilft nur konsequente Erziehungsarbeit und Aufklärung. So muss den Jugendlichen ein kritischer Umgang bei der Nutzung der Angebote des Internets beigebracht werden. Mit der schweren Aufgabe, gefährdete Jugendliche vor einem Abgleiten in ein islamistisches und möglicherweise sogar jihadistisches Milieu zu bewahren, dürfen die Erziehungsberechtigten nicht alleine gelassen werden. Vielmehr ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, muslimischen Jugendlichen Alternativen aufzuzeigen, um dem islamistischen Extremismus keine Chance zu geben. thEma im Fokus 7 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Der Selbstmordattentäter - ein Psychopath? Das Phänomen "Selbstmordattentate" besteht aus zwei Komponenten. Zum einen gibt es bei jedem Anschlag ein oder mehrere Individuen, die sich freiwillig für die Durchführung der Tat zur Verfügung stellen. Zum anderen spielt die Einbettung in eine Organisation oder Gruppe mit vorhandenen Ressourcen und ideologischem Hintergrund eine Rolle. Eine Betrachtung von Selbstmordattentaten im arabischen Raum und von Attentätern und Organisationen, die sich auf den Islam berufen, ergibt, dass es sich bei der Mehrzahl der Täter um junge und unverheiratete Männer mit eher überdurchschnittlichem Bildungsniveau handelt. Neu ist, dass in den letzten Jahren auch vermehrt junge Frauen, Kinder und ältere Männer als Selbstmordattentäter aufgetreten sind. Bei dem Auftreten von Frauen als Täterinnen liegt die Vermutung nahe, dass taktische Erwägungen der Terrororganisationen eine Rolle spielen könnten. Gerade weil die Frau im arabischen Raum meist eine sozial untergeordnete Rolle hat, fällt sie weniger auf und wird aus Anstandsgründen weniger kontrolliert. Niemand wird als Selbstmordattentäter geboren. Auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion oder einem Kulturkreis kann keine Erklärung dafür bieten, warum jemand zum "Märtyrer" werden möchte. In der islamischen wie auch der christlichen Religion wird - wie im Eingangsabschnitt gezeigt worden ist - der Selbstmord verdammt. Demgegenüber versucht die "jihadistische" Strömung Selbstmordattentate im Namen des Islam religiös zu rechtfertigen; diese Ideologie missbraucht islamische Glaubensgrundsätze für politische Zwecke. Die Frage bleibt jedoch, welche Faktoren es sind, die einen Menschen in die Arme von Islamisten treibt. Einige der folgenden Erklärungsansätze für dieses sehr komplexe Phänomen basieren auf einer Studie eines Verfassungsschutzamtes. Bei dem Selbstmordattentäter kann es sich um eine sogenannte "unterdrückte Persönlichkeit" handeln. Die "unterdrückte Persönlichkeit" fühlt sich wertlos, was aus mangelnden Entfaltungsmöglichkeiten während der Kindheit resultiert. Um dieses Gefühl zu kompensieren, verlangt ein so geprägter Mensch nach externer Bestätigung, was bis zur Entwicklung eines Größenwahns hin führen kann. Der Selbstmordattentäter ist tatsächlich in einer Position, diesen Größenwahn zu befriedigen, da er - für kurze Zeit - absolute Macht über sein Leben und das anderer Menschen hat. Er ist kurz vor der Durchführung seiner Tat der Herr über Leben und Tod. Mit dem Größenwahn einher geht soziale Bindungsarmut und mangelnde Empathie den Mitmenschen 8 thEma im Fokus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 gegenüber. Das Schicksal seiner Opfer und von deren Angehörigen ist dem so geprägten Selbstmordattentäter egal. Auf gesellschaftspsychologischer Ebene kann auf die Umbrüche sowohl in muslimischen Gesellschaften als auch innerhalb der muslimischen Migrantengemeinden in westlichen postindustriellen Gesellschaften verwiesen werden. Das klassische islamische Gesellschaftsideal ist das Patriarchat. An der Spitze der Familie steht der sorgende und gerechte Vater, der für seine Familie finanziell aufkommt und die letzte Entscheidung in Familienangelegenheiten trifft. Durch soziale und ökonomische Umbrüche, durch das Zerbrechen fester Ordnungsstrukturen und Arbeitslosigkeit ist das Familienoberhaupt immer weniger in der Lage, seine Familie alleine zu ernähren. Der Patriarch versagt und verliert an gesellschaftlichem Prestige, das ihn rechtfertigende Wertesystem besteht jedoch vorerst weiter, begründet auch durch die Religion, etwa dem Achtungsgebot gegenüber dem Vater. Die Kinder wiederum werden dadurch in Identitätsprobleme gestürzt. Kommt es in dieser Krise zum Kontakt mit einem islamistischen Weltbild, so kann dies verführend auf die Heranwachsenden wirken, denn die dort angebotenen Ideale verheißen vermeintliche Klarheit und Stabilität, während die reale Welt im Umbruch ist. Ein späteres Abrutschen in die jihadistische Strömung bis zur Bereitschaft, als Selbstmordattentäter zu sterben, ergibt sich daraus nicht zwingend, ist aber möglich. Auf der gesellschaftspsychologischen Ebene finden sich auch weitere mögliche Faktoren, z.B. das Erleiden von "Traumata". Dies können primäre Traumata sein, wie Flucht, Krieg, Vergewaltigung, Vernachlässigung oder Misshandlung. Ein sekundäres Trauma kann durch die Beeinflussung über Massenmedien, also Zeitungen, Internet und Fernsehen ausgelöst werden. Über Massenmedien ist es möglich, Bilder des Leidens von einem weit entfernten Schauplatz ins heimische Wohnzimmer zu transportieren und (übertriebene) Empathie auszulösen. Das Leiden der palästinensischen Zivilbevölkerung, amerikanische "Foltergefängnisse" im Irak, die "Muhammad-Karikaturen" - solche Themen werden in der islamischen Welt meist recht einseitig medial ausgeschlachtet. Auch wenn die Ereignisse vom Publikum geografisch weit entfernt liegen mögen, so sind die dadurch erzeugten Gefühle doch real. Die hier angeführten möglichen psychologischen Motive von Selbstmordattentätern sind mit der nötigen Vorsicht zu genießen. Eine Persönlichkeit mit gesteigertem Anerkennungsbedürfnis kann auch ein Musiker werden oder ein gefeierter Fernsehstar. Die sozioökonomischen Umbrüche in vielen überaus jungen muslimischen Gesellschaften erzeugen zwar ein Rekrutierungspotential für Islamisten, bilden jedoch ebenthEma im Fokus 9 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 so die kritische Masse für Veränderungen im positiven Sinne. Und schließlich stellt die zunehmende Verbreitung von Massenmedien in der arabischen Welt auch eine Möglichkeit dar, der weitverbreiteten staatlichen Zensur in diesen Ländern zu entgehen. Der verantwortungsvolle Umgang von Medienmachern und -konsumenten mit diesen neuen Möglichkeiten muss dabei erst noch erlernt werden. Die "Manager" des Todes Das "klassische" Modell des Selbstmordanschlages geht von der Existenz einer die Tat planenden und organisierenden Terrorzelle oder Gruppe aus. Diese stellt ein Team bereit, das mit teilweise hoher Professionalität arbeitsteilig vorgeht. Im Mittelpunkt eines jeden Selbstmordattentates steht der "Kandidat", also der potenzielle Selbstmordattentäter. In planvoll vorgehenden Organisationen gibt es Werber, die sich auf die Suche nach geeigneten Kandidaten begeben. Dies kann zum Beispiel auf dem Universitätscampus oder in einer Koranschule geschehen, durchaus aber auch bei unverfänglichen Islamseminaren. Der Werber durchleuchtet die Vorgeschichte des Kandidaten und prüft, wie dieser auf Themen aus dem Spektrum der islamistischen Propaganda reagiert. Eine wichtige Rolle spielen übertriebene Paradiesvorstellungen und die Belohnungen, die ein "Märtyrer" im Jenseits zu erwarten habe. Ist ein geeigneter Kandidat ausgemacht, wird er an eine kleinere Gruppe herangeführt und ideologisch auf ein Selbstmordattentat vorbereitet. Wenn der Kandidat mental bereit ist, wird noch seine physische und psychische Belastbarkeit getestet. Von der palästinensischen Hamas ist in diesem Zusammenhang bekannt, dass potenzielle Kandidaten für einige Stunden lebendig begraben worden sind. Als letzter Schritt vor der Durchführung eines Selbstmordanschlags steht der "Vertrag" zwischen dem Kandidaten und der Organisation. Im medialen Zeitalter geschieht dies meist durch ein Bekenneroder Abschiedsvideo. Durch seine Abschiedsbotschaft wird der Kandidat zum "lebenden Märtyrer". Spätestens jetzt gibt es kaum noch eine Möglichkeit, von dem geplanten Selbstmordanschlag zurückzutreten. Auch nach vollbrachter Tat ist der Selbstmordattentäter noch medial verwertbar. Die Durchführung kann filmisch dokumentiert und das entsprechende Video auf einschlägigen Internetportalen zum Herunterladen angeboten werden. Auf Poster gedruckt "schmückt" das Foto des Märtyrers ganze Straßenzüge. Ist die ausführende Organisation finanziell gut ausgestattet, dann wird möglicherweise auch ein Geldbetrag an hinterbliebene Familieangehörige ausgezahlt. 40 thEma im Fokus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Der hohe logistische Aufwand, die erforderliche Kommunikation und die notwendigen finanziellen Transaktionen bedingen eine große Entdeckungsgefahr. Das heißt jedoch nicht, dass für Deutschland eine Gefährdung durch Selbstmordanschläge in Zukunft ausgeschlossen werden kann. Sollten die vorbereitenden Handlungen nämlich im Ausland geschehen - zum Beispiel Pakistan und Afghanistan werden genannt -, erschwert dies die Entdeckung und Abwehr der Gefahr in der kritischen Vorbereitungsphase. Mittlerweile ist es durchaus vorstellbar, dass die islamistische Verklärung der Selbstmordattentäter auch Personen, die in der hiesigen Gesellschaft aufgewachsen sind, dazu verleiten könnte, ihr Leben für angeblich höherstehende Ziele opfern. Rechtfertigungsstrategien islamistischer Propaganda Zum Abschluss sollen zwei praktische Beispiele islamistischer Propaganda vorgestellt werden, um zu demonstrieren, wie Selbstmordattentäter und Ideologen ihre radikalen Ansichten rechtfertigen. Das erste Beispiel stammt von dem aus Saudi-Arabien stammenden Walid ashShahri. Dieser entführte am . September 200 den American Airline Flug , den die Terroristen der 'al-Qa'ida', unter ihnen auch Muhammad Atta, in den Nordturm des World Trade Center lenkten. Ash-Shahri nahm vermutlich in Afghanistan ein "Abschiedsvideo" auf, das später mehrfach propagandistisch genutzt worden ist. Eine Analyse der Argumente, die ash-Shahri in diesem Video vom Blatt abliest, ergibt, dass bei der Frage nach der Legitimität von Selbstmordattentaten religiöse Motive nur eine untergeordnete Rolle spielen. Vielmehr überwiegen die praktischen Aspekte. So sagt ash-Shahri beispielsweise, dass die "muslimischen Kämpfer" in der Gegenwart in Unterzahl seien und der "Feind" - also der "Westen" - eine materielle Überlegenheit genieße, was es nötig mache, auf das "Kampfmittel Selbstmordattentat" zurück zu greifen. Er listet außerdem auf, was er als "Vorteile" des Selbstmordattentates ansieht: So habe der Selbstmordattentäter den Moment der Überraschung auf seiner Seite und könne einen größeren geografischen Radius erreichen, als dies mit "herkömmlichen" Anschlägen möglich sei. Als "Vorteil" bezeichnet ash-Shahri auch die große Zahl an potentiellen Opfern. Und schließlich sei das Selbstmordattentat ein Mittel, um die "Feinde des Islams" - den "Westen" - zu "erschrecken". Eine wichtige Unterscheidung zwischen "Selbstmörder" und "Märtyrer" ist für ihn nicht die Form des Todes, sondern die Absicht. Der Selbstmörder töte sich aus "niederen" Motiven wie Unzufriedenheit, Trauer oder "Unglaube". Der Märtyrer hingegen opfere sich für den "Sieg der Religion". Wie sich der Tod ereignet, sei in diesem Fall nicht entscheidend. thEma im Fokus 4 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 An dem Beispiel ash-Shahri, der seine längere Rede sicher nicht persönlich verfasst, sondern von Ideologen der 'al-Qa'ida'-Organisation diktiert bekommen hat, lässt sich gut erkennen, dass der Einsatz des Selbstmordattentäters selbst bei den radikalsten Jihadisten kein absoluter Glaubensgrundsatz ist, sondern stets auch taktische Erwägungen eine Rolle spielen. Das zweite Beispiel ist ein religiöses Rechtsgutachten, eine "Fatwa", des in Katar ansässigen und der ägyptischen 'Muslimbruderschaft' zugerechneten Religionsgelehrten Yusuf al-Qaradawi aus dem Jahre 200. Auch wenn sich ein gläubiger Muslim an die in einer Fatwa schriftlich oder mündlich dargebrachte Auslegung des islamischen Glaubens und die dort aufgestellten Lebensregeln nicht zwingend halten muss, geht von der religiösen Autorität des Verfassers doch eine nicht zu unterschätzende Wirkung aus. Zum Hauptverbreitungsort dieser Fatwas ist mittlerweile das Internet geworden. Der 926 in Oberägypten geborene al-Qaradawi ist ein eifriger Befürworter von Selbstmordattentaten im israelisch-palästinensischen Konflikt. Während er auch auf die religiösen Aspekte des Selbstmordattentates eingeht, das er euphemistisch als "Märtyreraktionen" bezeichnet, sind wesentliche Argumente nicht religiöser Art. So schreibt er, dass das Selbstmordattentat eine Waffe der "Schwachen" und "Unterdrückten" sei, die keine andere Möglichkeit hätten, sich gegen den "übermächtigen Feind" - gemeint ist hier Israel - zur Wehr zu setzen, als sich eben in die Luft zu sprengen. Attentate gegen die israelische Zivilbevölkerung rechtfertigt er damit, dass Israel eine "Militärgesellschaft" sei, da jeder zum Dienst an der Waffe verpflichtet werden könne. Die Gefahr, die von solchen Fatwas ausgeht, ist offensichtlich: Eine in weiten Kreisen anerkannte religiöse Autorität spricht sich in einem bestimmten Konflikt für die Durchführung von Selbstmordattentaten aus. Ist dieses Tor erst einmal geöffnet, kann niemand mehr verhindern, dass der Islam auch an anderen Schauplätzen zur Rechtfertigung des 'Selbstmordterrorismus' missbraucht wird. Diese Betrachtungen zum Phänomen des Selbstmordattentats zeigen, dass der Islam eine zum Frieden fähige Religion ist. Die Begründung für Gewalt im Koran und in anderen religiösen Quellen muss in ihrem geschichtlichen Kontext verstanden werden; eine Übertragung dieser Quellen zur Begründung islamistischer Gewalt in der Gegenwart verbietet sich. Wer dies trotzdem versucht und vorgibt, Gewalt bis hin zu Selbstmordanschlägen im Namen des Islam auszuüben, der missbraucht die Religion 42 thEma im Fokus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 für seine eigenen politischen Zwecke. Diesem Missbrauch müssen die Sicherheitsbehörden ebenso wie die Zivilgesellschaft einschließlich unserer muslimischen Mitbürger mit aller Entschiedenheit entgegentreten. thEma im Fokus 4 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 44 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Rechtsextremismus Kernaufgabe des Verfassungsschutzes ist die Sammlung und Auswertung von Informationen über extremistische Organisationen und Gruppierungen, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten. Was zu den Wesensmerkmalen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gehört, hat das Bundesverfassungsgericht in seinen Verbotsurteilen gegen die 'Sozialistische Reichspartei' (SRP) 952 und die 'Kommunistische Partei Deutschlands' (KPD) im Jahr 956 bestimmt. Danach gehören hierzu: : Grundund Menschenrechte : Volkssouveränität : Gewaltenteilung : Verantwortlichkeit der Regierung : Gesetzmäßigkeit der Verwaltung : Unabhängigkeit der Gerichte sowie das : Mehrparteienprinzip mit dem Recht auf Bildung und Ausübung einer Opposition. Rechtsextremisten lehnen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung ab. Sie betonen die ethnische Zugehörigkeit als bestimmendes Merkmal der Nation und als Grundlage der Politik. Rechtsextremisten sind von der Vorstellung geprägt, dass die Zugehörigkeit zu einer Nation oder Rasse entscheidende Bedeutung für das Individuum besitzt, der alle anderen Interessen und Werte, auch Menschenund Bürgerrechte, untergeordnet seien. Vor diesem ideologischen Hintergrund gibt es für Rechtsextremisten kein friedliches, gleichberechtigtes und selbstbestimmtes Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft in einem Staat. Daraus folgen zwangsläufig Freund-Feind-Haltungen und Intoleranz gegenüber Menschen anderer Herkunft, anderen Aussehens, anderer Religion. Zur Erfüllung seiner Funktion als Frühwarnsystem in der wehrhaften Demokratie ist der Verfassungsschutz durch das Verfassungsschutzgesetz NRW berechtigt, über eine Organisation zu berichten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer verfassungsfeindlichen Bestrebung vorliegen. Für eine Berichterstattung ist es nicht Voraussetzung, dass sich Verdachtsmomente bis zur Einschätzung als "verfassungsfeindlich" verdichtet haben. Soweit nur Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, wird dies ausdrücklich hervorgehoben. rEchtsExtrEmismus 45 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Dieses propagierte politische Ordnungssystem einer rassisch verstandenen homogenen Volksgemeinschaft, eines antipluralistischen Systems, lässt für demokratische Entscheidungsprozesse ebenso wenig Raum wie für die freie Selbstentfaltung jedes Einzelnen. Alles und jeder hat sich dem völkischen Staat bedingungslos unterzuordnen. Zwar ist der Rechtsextremismus nicht ideologisch homogen. Eine gegen den Gleichheitsgrundsatz gerichtete Fremdenfeindlichkeit und ein ausgrenzender Nationalismus kommen aber in allen Varianten des Rechtsextremismus vor. Die unterschiedlichen Erscheinungsformen des Rechtsextremismus und die damit einhergehenden unterschiedlichen Gefahrenpotenziale lassen sich nur unzureichend über die bloße Beschreibung von Organisationen und Gruppierungen darstellen. Zur besseren Transparenz - und um das unterschiedliche Gefährdungspotenzial für die freiheitliche demokratische Grundordnung zu veranschaulichen, wurde die bisherige Berichterstattung strukturell geändert. Schwerpunkte sind nunmehr die Agitationsformen innerhalb des Rechtsextremismus. Allgemein lassen sich drei grundlegende Formen des Rechtsextremismus erkennen: : der aktionsorientierte Rechtsextremismus. Der aktionsorientierte Rechtsextremismus artikuliert sich als Machtausübung im sichtbaren öffentlichen Raum. Zum sichtbaren öffentlichen Raum gehört vor allem die "Straße". Insbesondere neonazistische Gruppierungen sehen daher ihren Aktionsschwerpunkt in der Organisation und Durchführung von Demonstrationen. Gezielte und quantitativ zunehmende Demonstrationspolitik hat einen besonderen identitätsstiftenden Stellenwert nach innen: Stärkung der politischen Gesinnungsgemeinschaft. Sie hat auch demonstrativen Stellenwert für die Durchsetzung konkreter politischer Ziele nach außen: Propaganda und Machtpolitik. Daneben gibt es die sogenannte subkulturell geprägte, zum Teil gewaltbereite jugendorientierte Skinheadszene, die ihren Schwerpunkt in der Organisation und Durchführung rechtsextremistischer Musikveranstaltungen hat. 46 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 : der parlamentsorientierte Rechtsextremismus. Bei dem parlamentsorientierten Rechtsextremismus geht es vor allem um die Erlangung von Einfluss im parlamentarischen Raum beziehungsweise auf den politischen Willensbildungsund Entscheidungsprozess. Das Ziel ist die Abschaffung des demokratischen Verfassungsstaates unter formaler Beachtung demokratischer Regeln und zum Teil unter Ausnutzung des grundgesetzlich garantierten Schutzes der Parteien (Parteienprivileg). Parlamentsorientiert sind zum Beispiel NPD und DVU, die auf parlamentarischem Weg und durch die Teilnahme an Wahlen versuchen, politischen Einfluss zu gewinnen, um ihre ideologischen Vorstellungen durchzusetzen. Bei der NPD ist allerdings durch die Zusammenarbeit mit neonazistischen Gruppierungen eine Schnittstelle zum aktionsorientierten Rechtsextremismus vorhanden. : der diskursorientierte Rechtsextremismus. Der gesellschaftspolitische Diskurs wird nicht nur von Parteien, sondern auch von Organisationen beziehungsweise Kleingruppen beeinflusst, die zum Beispiel über Periodika und Gesprächszirkel intellektuell und propagandistisch agieren. Sie greifen aktuelle politische oder gesellschaftliche Themen auf und deuten diese so um, dass sie rechtsextremistische Theorien scheinbar bestätigen. Langfristig soll die intellektuelle Meinungshoheit gewonnen werden. Mit ihren Veröffentlichungen haben die diskursorientierten Rechtsextremisten zwar keinen nennenswerten öffentlichen Einfluss, bestätigen aber das rechtsextremistische Weltbild ihrer Anhänger und tragen dadurch zum Zusammenhalt der Szene bei. Eine besondere Variante des diskursorientierten Rechtsextremismus ist der Revisionismus, der sich bemüht, seine Thesen in die Mitte der Gesellschaft zu tragen. Revisionisten leugnen die Verbrechen des Dritten Reiches und wollen die Folgen des Zweiten Weltkrieges rückgängig machen. Mit ihren Thesen bilden auch sie eine ideologische Klammer für den gesamten Rechtsextremismus. 31 Neonazis Hintergrund Zum aktionsorientierten Rechtsextremismus gehören die Neonazis. Neonazis, die sich selbst als 'Freie Nationalisten' bezeichnen, bekennen sich offen zur Ideologie des Nationalsozialismus. Ihr Ideal ist die Errichtung eines vom Führerprinzip bestimmten autoritären beziehungsweise totalitären Staates und einer "Volksgemeinschaft" auf rEchtsExtrEmismus 47 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 der historischen Grundlage des 25-Punkte umfassenden Programms der NSDAP vom Februar 920. Ihre Zielsetzung richtet sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung (FdGO), insbesondere gegen Parlamentarismus, Gewaltenteilung, Mehrparteiensystem, Ausübung der parlamentarischen Opposition und gegen die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. Die freiheitliche demokratische Grundordnung wird von ihnen als das "gegenwärtig herrschende System" bezeichnet, welches es zu überwinden gelte. Ihre Wirkungsweise zielt eindeutig auf die Beseitigung der bestehenden Rechtsordnung beziehungsweise der vorgenannten Verfassungsgrundsätze ab. Neonazis vermeiden in der Öffentlichkeit zunehmend die Verherrlichung der NS-Diktatur sowie rassistische und antisemitische Agitationen. Sie greifen daher überwiegend unverfängliche sozialpolitische Themen auf. Aber auch Ausländerund Asylpolitik sowie die angebliche staatliche Verfolgung des "Nationalen Lagers" finden sich auf der Themenpalette. Trotz aller Bemühungen der Neonazi-Szene, sich im Rahmen des geltenden Rechts zu bewegen, gibt es öffentliche Äußerungen, die die extremistische Zielsetzung der Szene belegen. So werden beispielsweise die Leser in der monatlich erscheinenden Schrift 'Nachrichten der HNG' der 'Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V.' regelmäßig aufgefordert, "die Eingriffe des BRD-Regimes in die politischen Grundfreiheiten national denkender Menschen möglichst lückenlos zu dokumentieren. Um die Verantwortlichen später einmal zur Rechenschaft ziehen zu können, brauchen wir möglichst viele Informationen zu den hier benannten Vorfällen. Dazu gehören auch die Namen von Staatsanwälten, Einsatzleitern der Polizei oder Richtern, die mit dem jeweiligen Vorgängen zu tun haben." Es handelt sich hierbei um eine unverhohlene Drohung gegen Angehörige der Polizei und Justiz, sie bei einer "Machtübernahme" entsprechend zu "bestrafen". Ein seit Sommer 2006 inhaftierter führender Kölner Neonazi äußert sich in einem im Internet veröffentlichten Interview folgendermaßen: "Die Frage der Volkszugehörigkeit ist für mich keine ethische, sondern eine ethnische. [...] Die Grenze zwischen akzeptabel und inakzeptabel verläuft meiner Ansicht nach gemäß unserer Weltanschauung nach genetischen Gesichtspunkten (um nicht das 48 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Reizwort 'Rasse' verwenden zu müssen). [...] Ein halber Inder oder eine halbe Italienerin sind legitim, eine halb negride oder halb osmanische Person hingegen nicht, wenn es darum geht, den Grundsätzen der völkischen Idee der nationalen Politik treu bleiben zu wollen." Im August 2007 konnte im Internet folgender Beitrag von Aktivisten der 'Freien Kameradschaft Gütersloh' nachgelesen werden: "Das vermoderte und kapitalistische System der brD [Schreibweise übernommen] durch einen nationalen Sozialismus zu ersetzen ist unser aller Anliegen, ganz gleich welcher Gruppe oder Region man angehört! Wir benötigen zukünftig keine Zugehörigkeit zu einer Personengruppe, wir sind eben alle Nazis! Ob friedlich oder militant, wichtig ist der Widerstand." Im Oktober 2007 fand sich folgender Beitrag der 'Autonomen Nationalisten NordWest' im Internet: "Wir sind mit diesem asozialen, gemeinschaftsfeindlichen und antideutschen System nicht mehr einverstanden. Wir hassen es, weil es unsere Kultur, unsere Zukunft und unsere soziale Sicherheit zerstört und glauben nicht, dass es sich jemals bessern wird. Wir wollen den Kapitalismus nicht verbessern, sondern ihn abschaffen und den Grundstein für eine neue nationale und sozial gerechte Gesellschaft schaffen!" 311 Neonazis auf Bundesebene Die zahlreichen Verbote neonazistischer Gruppierungen in den Jahren 992 bis 995 haben dazu geführt, dass sich die etwa 4.400 Personen umfassende bundesdeutsche Neonazi-Szene nunmehr in Personenzusammenschlüssen mit kaum erkennbaren Strukturen zusammenfindet. Hierbei handelt es sich um sogenannte 'Freie Kameradschaften' oder ähnlich strukturierte Gruppierungen. Sie werden in der Regel von einer Führungsperson nach dem Führerprinzip geleitet. Der Stellenwert der jeweiligen Kameradschaft hängt in hohem Maße davon ab, wie angesehen der Führungsaktivist in der Szene ist. Seit 2005 organisieren sich vor allem jüngere Szene-Aktivisten zunehmend bei den sogenannten 'Autonomen Nationalisten' (AN). Ihre Anhänger treten in der Öffentlichkeit insbesondere anlässlich von Demonstrationen als sogenannte "schwarze Blöcke" in Erscheinung. Sie ähneln in ihrem Aussehen (schwarzen Kleidung) und in ihrer aggressiven Grundhaltung den 'Autonomen' der linken Szene. Im Gegensatz zu den "traditionellen" Neonazis verstehen sich die Angehörigen der AN wesentlich politischer und sind grundsätzlich gewaltbereit. Sie gehen zwar nicht auf Demonstrationen mit rEchtsExtrEmismus 49 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 dem Ziel, von vornherein Gewalt auszuüben, aber nach eigenen Bekundungen auf der Internetseite des 'Aktionsbüros Deutschland' sind sie bereit, sich situationsbedingt bei Angriffen anderer - Gegendemonstranten oder Polizei - zu wehren. Diese Art des öffentlichen Auftretens findet in der Neonazi-Szene nicht ungeteilten Beifall. Insbesondere die NPD-orientierten Neonazis lehnen die AN grundsätzlich ab, wie sich zum Beispiel anlässlich der Demonstration am 22. September in Düren zeigte. Die lose Art der Organisation behindert in keiner Weise die Aktionsfähigkeit der 'Freien Nationalisten'. Die Szene verfügt in der Regel über alle modernen gängigen Kommunikationsmittel und ist daher - auch kurzfristig - mobilisierungsfähig. Eine Ausnahme von der Kameradschaftsstruktur bildet die bundesweit agierende 'Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V.' (HNG) mit Sitz in Frankfurt/Main. Sie ist als Verein nach dem Vereinsgesetz organisiert. Ihre einzige Aufgabe sieht sie in der materiellen und ideellen Betreuung inhaftierter Gesinnungsgenossen. Dies geschieht ausschließlich durch ihre monatlich erscheinende Publikation 'Nachrichten der HNG', die sie kostenlos den Inhaftierten zukommen lässt. Darüber hinaus findet satzungsgemäß einmal im Jahr eine Jahreshauptversammlung statt. Aktivitäten mit bundesweiter Bedeutung Aktionen zum 20 Todestag von Rudolf Heß Auch in diesem Jahr fiel die zentrale Veranstaltung der bundesweiten Neonazi-Szene, die Demonstration aus Anlass des 20. Todestages von Rudolf Heß, in Wunsiedel/Bayern aus. Die vom Hamburger Rechtsanwalt Jürgen Rieger für den 8. August 2007 angemeldete Demonstration wurde vom Landratsamt Wunsiedel am 28. Juli 2007 verboten. Das Verbot wurde, wie bereits im Vorjahr, vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Aus diesem Grund kam es bundesweit zu dezentralen Gedenkveranstaltungen, unter anderem in Jena/Thüringen 50 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 unter Beteiligung von 280 Szeneangehörigen, in Friedrichshafen mit 250 und in Gräfenberg/Bayern mit 260 Teilnehmern. 1 Mai-Demonstration in Dortmund Ein Führungsaktivist der Dortmunder Neonazi-Szene meldete für den . Mai 2007 in Dortmund eine Demonstration unter dem Motto "Gemeinsam gegen Kapitalismus - Heraus zum . Mai" an. Diese Veranstaltung, an der sich .800 Rechtsextremisten beteiligten, war die zentrale öffentlichkeitswirksame Aktion der bundesweiten Neonazi-Szene im ersten Halbjahr 2007. Als Redner auf der Veranstaltung traten unter anderem der Bundesvorsitzende der NPD Udo Voigt und der stellvertretende Landesvorsitzende der NPD in Nordrhein-Westfalen Claus Cremer auf. Dies unterstreicht die seit Jahren festzustellende gute Zusammenarbeit zwischen 'Freien Nationalisten' und der NPD. Erhebliche Auswirkungen auf den Bahnverkehr hatte es, als linke Gegendemonstranten die Gleise der S-Bahn-Strecke derart beschädigten, dass der Zugverkehr eingestellt werden musste. Großveranstaltung am 1 September 2007 in Dortmund Unter dem Motto "Gegen imperialistische Kriegstreiberei und Aggressionskriege" fand in Dortmund am . September 2007 eine Demonstration von Angehörigen der rechtsextremistischen Szene mit etwa 480 Personen statt. Anmelder dieser Aktion war derselbe Dortmunder Neonazi-Führungsaktivist, der auch die .-Mai-Demonstration in Dortmund organisiert hatte. Im Nachgang der Großveranstaltung kam es in der Dortmunder Innenstadt zu Steinwürfen und Übergriffen von Angehörigen der linksextremistischen Szene auf die Teilnehmer der rechtsextremistischen Demonstration. Die Polizei nahm daraufhin etwa 0 linksextremistische Aktivisten in Gewahrsam. 312 Neonazi-Szene in NRW Die Zahl der bekannten Neonazis in Nordrhein-Westfalen einschließlich ihres mobilisierbaren Potenzials ist mit etwa 460 Szeneangehörigen in etwa so groß wie im vergangen Jahr. Im Jahr 2007 führte diese Szene 7 Demonstrationen durch. Die Zahl der daran beteiligten Aktivisten reicht von 0 bis .800. Räumlicher Schwerpunkt der Demonstrationen war das Ruhrgebiet mit drei Demonstrationen in Dortmund und jeweils einer in Recklinghausen, Marl, Gelsenkirchen und Kamen. rEchtsExtrEmismus 5 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Die Themenpalette der Veranstaltung war so vielfältig wie nie zuvor und reichte von Aufrufen "Gegen Kinderschänder" über "Für Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung" bis zu "Gemeinsam gegen Kapitalismus". Darüber hinaus spielten bei den Demonstrationen sozialpolitische Themen sowie die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner, der Polizei und der Justiz eine Rolle. Die Durchführung öffentlichkeitswirksamer Veranstaltungen in Form von Demonstrationen dient der Neonaziszene nach wie vor dazu, ihren Anspruch auf die Macht über die Straße deutlich zu machen. Lokale und regionale Neonazigruppierungen Angehörigen der Neonazi-Szene in Nordrhein-Westfalen organisieren sich inzwischen weniger häufig in sogenannten 'Freien Kameradschaften'. Diese finden sich noch im Kreis Düren, im Rhein-Sieg-Kreis, in Köln und in Dortmund. Die Dortmunder Kameradschaft stellt insofern eine Besonderheit dar, als es sich bei ihren führenden Aktivisten in Personalunion um die führenden 'Autonomen Nationalisten' in NordrheinWestfalen handelt. Kameradschaftsähnliche Strukturen existieren außerdem noch im Oberbergischen Kreis, in Düsseldorf, Hamm, im Kreis Gütersloh und im EnnepeRuhr-Kreis. Völlig unstrukturierte, sogenannte Mischszenen gibt es in den Kreisen Kleve, Wesel, Steinfurt und in Wuppertal. Diese Szenen ähneln eher Cliquen und sind zum Teil mit Angehörigen rechtsextremistischer Parteien und der Skinhead-Szene vermischt. Zusammenarbeit mit der NPD Die Zusammenarbeit zwischen den 'Freien Nationalisten' und der NPD hat sich im Berichtszeitraum spürbar verbessert. Beispielhaft hierfür ist das Auftreten des NPDBundesvorsitzenden Udo Voigt und des stellvertretenden Landesvorsitzenden in NRW Claus Cremer als Redner auf der .-Mai-Demonstration in Dortmund. Im Gegenzug trat der seit Jahren als NPD-Gegner bekannte Hamburger Neonazi Christian Worch bei der Wahlkampf-Auftaktveranstaltung der niedersächsischen NPD am 9. September 2007 in Hannover als Gastredner auf. Damit scheint die Trennung zwischen NPDSympathisanten und NPD-Gegnern auf Seiten der 'Freien Nationalisten' nicht mehr in ihrer früheren strikten Form zu bestehen. 52 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Kameradschaft Aachener Land Die 'Kameradschaft Aachener Land' (KAL) gehörte auch im Jahr 2007 zu den aktivsten neonazistischen Gruppierungen in Nordrhein-Westfalen. Die aus der NPD hervorgegangene Gruppierung hat ihre Aktivitäten fast ausschließlich in den Kreis Düren verlagert und ist weiterhin fest mit der NPD verbunden. Ihr Kameradschaftsführer ist ein strikter Gegner der 'Autonomen Nationalisten' und achtet darauf, dass sich Angehörige dieser Gruppierung an Aktivitäten der Kameradschaft nicht beteiligen. Szene in Dortmund Die 'Freie Kameradschaft Dortmund' rekrutiert ihre Aktivisten aus dem Großraum Dortmund/Hamm. Die die Gruppe inzwischen bestimmenden Aktivisten sind zugleich die führenden 'Autonomen Nationalisten' in Nordrhein-Westfalen. Sie verstehen sich als die neue Generation von Neonazis, die ihre Arbeit politischer sehen als ihre Vorgänger. Beispielhaft sind hier die erwähnten Demonstrationen zum . Mai und am . September. Die Verantwortlichen haben sich in der bundesweiten Neonazi-Szene hiermit einen besonderen Stellenwert erarbeitet. Es ist davon auszugehen, dass auch im nächsten Jahr von hier aus zentrale Veranstaltungen organisiert und durchgeführt werden. Szene im Rhein-Sieg-Kreis Die in Bad Honnef ansässige 'Freie Kameradschaft Sturm-Rhein-Sieg' wird seit Jahren von einem der führenden deutschen Neonazis bestimmt, der früher auch Funktionär der 995 verbotenen 'Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei' (FAP) war. Er trat 2004 demonstrativ in die NPD ein. Die zahlenmäßig kleine Kameradschaft lebt vor allem von dem hohen Ansehen ihres Führers in der bundesdeutschen NeonaziSzene. Kölner Szene Die 'Kameradschaft Walter Spangenberg Köln' hat im Jahr 2007 ihre Aktivitäten auf interne Veranstaltungen beschränken müssen, da ihr Kameradschaftsführer seit dem Sommer 2006 eine mehrjährige Haftstrafe verbüßt. Mit seiner Freilassung wird für das Jahr 2008 gerechnet. Dann werden die Aktivitäten der Kameradschaft Köln aller Voraussicht nach wieder zunehmen. rEchtsExtrEmismus 5 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Schlussbemerkung Die Angehörigen der nordrhein-westfälischen Neonazi-Szene bleiben eine Minderheit und stellen auch innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums keine bedeutsame Größe dar. Die Wertschätzung beziehungsweise das Ansehen ihrer Führungsaktivisten innerhalb der bundesdeutschen Neonazi-Szene ist allerdings im Jahr 2007 durch die zentralen Veranstaltungen zum . Mai und . September in Dortmund erheblich gestiegen. Vor allem wegen der intensiven Bezüge der Neonazis zur nationalsozialistischen Ideologie bleiben sie weiterhin ein wichtiges Beobachtungsobjekt für den Verfassungsschutz. 32 Rechtsextremistische Skinheads Entstehung und Entwicklung der Skinhead-Szene Die Skinhead-Szene entstand Ende der 960er Jahre in Großbritannien. Jugendliche aus der Arbeiterschicht begehrten gegen vermeintliche soziale Missstände und steigende Arbeitslosigkeit infolge der zunehmenden Rationalisierung in der Industrie auf. Ihre Zugehörigkeit zur Subkultur dokumentierten Skinheads durch ihr Äußeres: kahlgeschorene Schädel, Bomberjacken, schwere Arbeitsstiefel und Hosenträger. Die Aktivitäten der Skinheads der ersten Generation waren weitgehend unpolitisch und beschränkten sich im Wesentlichen auf Alkoholkonsum, den Besuch von Konzerten oder Fußballspielen und Gewalt. Die Skinhead-Szene vor allem in Großbritannien machte zunehmend mit immer härteren Gewaltexzessen von sich Reden, und damit nahm auch der gesellschaftliche und staatliche Druck auf die Subkultur zu. Dies hatte zur Folge, dass die erste Skinhead-Welle zu Beginn der 970er Jahre verebbte. Erst gegen Ende der 70er Jahre lebte die Skinhead-Kultur als Reaktion auf den kommerziellen Ausverkauf des Punk auf. Kleidung, Musik und Verhalten der ersten Skinhead-Generation wurden aufgegriffen. Jedoch fanden nun viele Jugendliche Zugang zu der Subkultur, die vor allem durch die Gewalt angezogen wurden. Die schlechte wirtschaftliche Situation Großbritanniens und die Verbindung der Themen Einwanderung und fehlende Arbeitsplätze für Jugendliche lösten eine zunehmende Politisierung dieser sogenannten Oi!-Bewegung aus, die durch die rechtsextremistische 'National Front' (NF) genutzt wurde. 54 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Ende der 970er Jahre breitete sich die Skinhead-Subkultur in Europa und in alle Welt aus. Seit der Wiedervereinigung ist die Skinhead-Szene auch in Deutschland eine bedeutende Größe. Skinheads und Gewalt Die Ursachen jugendlicher Gewalt sind vielschichtig und waren wiederholt Anlass soziologischer und kriminologischer Untersuchungen. Danach wird die allgemeine Jugendkriminalität durch schwierige Familienverhältnisse, fehlende Erfolgserlebnisse und Misserfolge in Ausbildung und Beruf oder durch gruppendynamische Zwänge begünstigt. Diese Faktoren treffen häufig auch auf rechtsextremistische Straftäter zu. Äußerlichkeiten wie Kleidung oder Haarschnitt lassen heute keine eindeutigen Schlüsse auf eine Zuordnung zur Skinhead-Szene mehr zu, da mittlerweile auch viele unpolitische Jugendliche ein vermeintlich Skinhead-typisches Aussehen zeigen, ohne der Szene anzugehören. Darüber hinaus stellt der unpolitische Teil der Skin-Bewegung, die sogenannten Oi!-Skins, einen großen Anteil der Szene. Die Öffentlichkeit nimmt von der vielschichtigen Skinhead-Szene hauptsächlich den starken rechtsextremistischen Flügel wahr, der sich nicht nur über sein provozierendes Äußeres und eine aggressive Musik definiert, sondern auch über neonazistische Ideologieelemente. Anders als bei den Neonazis zeigen sich diese aber nicht in erster Linie in einer primär ideologischen Argumentation, sondern in vielfältigen, zum Teil auch spontanen gewalttätigen Aktionen. Rechtsextremistische Skinhead-Musikszene Die Skinhead-Szene - wie jede Jugendsubkultur - wird von den szeneinternen Medien geprägt. Hierzu gehört insbesondere die Skinhead-Musik als ein wichtiges und identitätsstiftendes Element, sie wirkt als Integrationsund Aggressionsfaktor. Die mögliche Wirkung der "Musik als Mittel der Indoktrination" darf dabei nicht verkannt werden. Dass Musik als Medium für die ideologische Beeinflussung von Jugendlichen verwandt werden soll, wird bereits in einem Zitat des Briten Ian Stuart Donaldson (auch als Ian Stuart bekannt) deutlich: "[Musik] berührt die jungen Leute, die von den Politikern nicht erreicht werden. Viele finden die Politik, parteipolitisch gesehen, langweilig, was teilweise stimmt. Es ist rEchtsExtrEmismus 55 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 doch viel angenehmer, mit anderen ein Konzert zu besuchen und Spaß zu haben, als in eine politische Versammlung zu gehen." Donaldson, Frontmann der britischen Band 'Skrewdriwer', gründete 987 die seit 2000 in Deutschland rechtskräftig verbotene 'Blood & Honour'-Organisation zur Verbreitung rechtsextremistischen Gedankengutes durch Musik und zur Organisation der rechtsextremistischen Skinhead-Szene. Im September 99 kam Donaldson mit zwei weiteren Bandmitgliedern bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Seitdem wird der schon zu Lebzeiten gefeierte "Skinhead-Führer" in der Szene als Kultfigur verehrt. Skinhead-Konzerte und sonstige Musikveranstaltungen (Liederbeziehungsweise Balladenabende) dienen der ansonsten weitgehend unorganisierten, rechtsextremistischen Skinhead-Szene als Treffpunkt, um Pogo zu tanzen und Alkohol zu konsumieren, als Orte, an denen Kontakte geknüpft und ausgebaut werden und rechtsextremistische Propaganda betrieben und verbreitet wird. Dabei üben die konspirative Vorbereitung der Konzerte und das Auftreten von Skinhead-Bands, die zum Teil strafrechtlich relevante Liedtexte darbieten, einen besonderen Reiz gerade auf jugendliche Teilnehmer aus. Auf den Konzerten werden auch Tonträger mit rechtsextremistischen Inhalten sowie Merchandising-Artikel (T-Shirts, Sweat-Shirts mit Bandaufdrucken etc.) verkauft. Auf den Konzertveranstaltungen werden die Lieder teilweise mit einer besonderen Art der Darstellung (wie zum Beispiel Zeigen des Hitlergrußes, Sieg-Heil-Rufe, Schwenken der Reichskriegsflagge) zur ideologisch-propagandistischen Interaktion mit der Zuhörerschaft vorgetragen. Die Bands spielen neben aktuellen, oftmals durch "verschärfte" Passagen angereicherten Stücken auch indizierte Lieder, die innerhalb der Szene bestens bekannt sind. Im Verlauf von Skinhead-Konzerten werden auch immer wieder Handlungen begangen, meist sogenannte Propagandadelikte; allerdings ohne, dass die für eine strafrechtliche Verfolgung erforderliche Außenwirkung vorliegt. Aufgrund von Exekutivmaßnahmen der Sicherheitsbehörden, der Indizierung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien sowie einer allgemeinen sozialen Ächtung ist zu beobachten, dass politische Botschaften verhaltener formuliert und strafrechtliche Textpassagen seltener verwandt werden. Skinhead-Konzerte können nach der derzeitigen Rechtslage nur dann verboten werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen von Straftaten bestehen. Das bloße "Skinhead-Sein" mit dem damit verbundenen provokativen Outfit und Verhalten - auch wenn der überwiegende Teil der Gesellschaft dieses ablehnt - begründet noch keine Maßnahmen von Polizei oder Verfassungsschutz. 56 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Musikveranstaltungen in NRW Im Laufe des Jahres 2007 wurden in Nordrhein-Westfalen insgesamt sechs Musikveranstaltungen unterschiedlichen Charakters (Liederabende, Konzertveranstaltungen sowie private Feiern unter Beteiligung von Skinhead-Bands) bekannt. Es handelte sich um drei Skinhead-Konzerte mit einer Teilnehmerzahl von maximal 50 Personen und drei Liederabende mit jeweils weniger als 00 Teilnehmern. Die Veranstaltungen verliefen ohne Außenwirkung. Ihre Vorbereitung erfolgte in den meisten Fällen konspirativ unter Nutzung von SMS beziehungsweise E-Mail mit kurzfristiger Bekanntgabe der Veranstaltungsorte. Dieses Verhalten der Organisatoren soll sicherstellen, dass geplante Veranstaltungen nicht verhindert werden können. Damit ist 2007 in Nordrhein-Westfalen im Vergleich zum Vorjahr mit 4 Musikveranstaltungen die Zahl der bekannt gewordenen und durchgeführten Musikveranstaltungen deutlich gesunken. Die Organisation von Musikveranstaltungen in kleinerem Rahmen - sowohl in Bezug auf die Räumlichkeiten als auch auf den Teilnehmerkreis - stellt die Szene offensichtlich vor weniger Probleme als die Organisation von großangelegten Konzerten. Gerade bei der Vorbereitung einer großen Veranstaltung besteht ein hohes organisatorisches und finanzielles Risiko, sollte diese nicht stattfinden können. Teilnehmer an rechtsextremistischen Musikveranstaltungen kommen aus ganz Nordrhein-Westfalen und sind durchaus bereit, für einen Konzertoder Liederabendbesuch weite Anfahrten auf sich zu nehmen. Soweit sich dies aus den zur Verfügung stehenden Informationen über die Zusammensetzung der Teilnehmer ableiten lässt, kamen die Teilnehmer schwerpunktmäßig aus den Regionen Dortmund, Kreis Wesel, Kreis Unna, Kreis Steinfurt und Gütersloh. Im Jahr 2007 wurde bei insgesamt 29 der bundesweit etwa 40 durchgeführten Veranstaltungen eine Beteiligung aus Nordrhein-Westfalen bekannt - sei es durch einen nordrhein-westfälischen Bandauftritt, sei es durch Teilnehmer aus NRW. 2006 lag die Beteiligung bei 46 der etwa 200 bundesweit durchgeführten Veranstaltungen. Nach wie vor werden auch Konzertangebote im benachbarten Ausland wahrgenommen, weil die dortige Rechtslage die Durchführung derartiger Veranstaltungen erleichtert. Im Einzelnen verteilten sich die Veranstaltungen mit Beteiligung von Rechtsextremisten aus NRW wie folgt: rEchtsExtrEmismus 57 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Brandenburg Niedersachsen Nordrhein-Westfalen 6 Mecklenburg-Vorpommern 2 Schleswig-Holstein 4 Sachsen 2 Sachsen-Anhalt Thüringen benachbartes Ausland 9 Veranstaltungen mit nordrhein-westfälischer Beteiligung 2007 Vereinzelt wurde in den vergangenen Jahren beobachtet, dass NS-Black-Metal-Bands bei Konzerten der Skinhead-Szene gemeinsam mit Skinhead-Bands auftreten. Zwar ist sich die Skinhead-Szene in ihrer Meinung über eine solche "Vermischung" von Musik-Stilen nicht immer einig, jedoch gibt es durchaus auch positive Berichte über NS-Black Metal-Auftritte. Der NS-Black Metal als Stilrichtung greift unter anderem auch Themen aus dem historischen Nationalsozialismus auf, die in der rechtsextremistischen Szene positiv rezipiert werden. Skinhead-Bands in NRW Namentlich bekannt sind aus Nordrhein-Westfalen etwa 8 rechtsextremistische Skinhead-Bands. Dabei sind Bands, die mit Auftritten und CD-Veröffentlichungen aktiv in der Szene tätig sind - hier sind Bandmitglieder in Einzelfällen in organisierte Zusammenhänge eingebunden - von den Bands zu unterscheiden, die sich als reine Studio-Projekte verstehen und keine Auftritte absolvieren. Außerdem ist in der recht unsteten und schnelllebigen Musikszene die Auflösung und Neugründung von Bands und das Betreiben von Nebenprojekten an der Tagesordnung, so dass hier eine ständige Bewegung herrscht. Eine kontinuierliche und langjährige Aktivität in Nordrhein-Westfalen kann nur bei wenigen Bands - zum Beispiel 'Oidoxie' - festgestellt werden. Andere zeigen nur sporadische Aktivitäten mit längeren Phasen der Untätigkeit. Die Band 'Weisse Wölfe' zog vor allem durch ihre CD 'Weisse Wut' und durch personelle Überschneidungen mit der Band 'Oidoxie' Aufmerksamkeit auf sich. Das wegen dieser CD anhängige Straf58 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 verfahren gegen Mitglieder der Band 'Weisse Wölfe' endete im November 2007 mit einem Freispruch für die Angeklagten. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass weder die Absicht, die im Ausland produzierte CD 'Weisse Wut' in Deutschland zu verbreiten noch die Mitgliedschaft der Angeklagten in der Band zum Zeitpunkt der Produktion für eine Verurteilung ausreichend belegt werden konnten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Skinhead-Zusammenschlüsse in NRW Insgesamt ist der Skinhead-Szene eine straffe Organisationsstruktur fremd. Auch die Versuche von 'Blood & Honour', 'Combat 8' oder der 'Hammerskins' haben nicht zur Ausbildung und festen Etablierung von Strukturen geführt. Zusammenschlüsse in der Skinhead-Szene - soweit es sie gibt -, haben einen sehr engen regionalen Bezug und bestehen in einer losen Verbindung der örtlich ansässigen Skinheads. Es finden keine regelmäßigen und organisierten Veranstaltungen statt, wie es im Bereich der Kameradschaften üblich ist. Vielmehr gibt es anlassbezogene Treffen, gemeinsame Besuche von Musikveranstaltungen und Partys zu unterschiedlichen Gelegenheiten. Eine Einbindung in eine solche regionale Gruppe schließt Aktivitäten in anderen, organisierten Zusammenhängen nicht aus, ist jedoch andererseits nicht Voraussetzung, um einen Zugang zur rechtsextremistischen Szene zu erhalten. Vereinzelt verfügen Skinhead-Bands über ein stabiles Fanpotenzial, welches sich regelmäßig trifft oder mit der Band zu deren Auftritten unterwegs ist und SaalschutzAufgaben übernimmt. Diese Fan-Gruppe setzt sich aus Personen des Band-Umfeldes oder auch guten Bekannten mit Bezug zur Szene zusammen. 'Blood & Honour', 'Combat 18' und 'Hammerskins' in NRW Nach dem rechtskräftigen Verbot im Jahr 200 sind bis heute keine Aktivitäten in NRW festzustellen, die den Fortbestand von Strukturen der 'Blood & Honour'-Organisation belegen würden. Zwar ist davon auszugehen, dass persönliche Kontakte/ Freundschaften der damaligen 'Blood & Honour'-Mitglieder teilweise vorhanden sind, jedoch sind Organisationsstrukturen in NRW nicht erkennbar. Im Zusammenhang mit der möglichen Fortführung der B&H-Organisation in Deutschland wurden 2006 in mehreren Bundesländern Durchsuchungen bei Tatverdächtigen rEchtsExtrEmismus 59 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 durchgeführt und Ermittlungsverfahren eingeleitet. Nordrhein-Westfalen war hier nur am Rande betroffen - Anhaltspunkte für die Existenz von Nachfolgestrukturen in NRW sind bisher nicht belegbar. Die Organisation 'Combat 8' wurde Anfang der 990er Jahre als Schutztruppe gegen Übergriffe linker Gewalttäter in England gegründet. Nach dem Unfalltod Ian Stuart Donaldsons übernahmen Mitglieder von 'Combat 8' zunehmend die Führung bei 'Blood & Honour'. Die Bedeutung von 'Combat 8' ist inzwischen aufgrund geringer Mitgliederzahlen und erneuter Streitigkeiten zwischen den Führungsaktivisten der Organisation erheblich gesunken. Einzelne Angehörige der rechtsextremistischen Szene in Nordrhein-Westfalen zeigen zwar eine gewisse Faszination für 'Combat 8', erkennbare Strukturen liegen aber nicht vor. Die Verwendung des Begriffes 'Combat 8' ist offensichtlich mit einem hohen Ansehen in der rechtsextremistischen Skinhead-Szene verbunden, und es ist daher wahrscheinlich, dass dessen Verwendung mit dem Ziel erfolgt, das eigene Ansehen aufzuwerten. Die 'Hammerskins' wurden Mitte der 80er Jahre in den USA gegründet. Erklärtes Ziel ist es, weltweit alle weißen und rechtsextremistischen Skinheads in einer Hammerskin-Nation zu vereinigen. 'Hammerskins' vertreten rassistische Grundeinstellungen und betrachten sich selbst als die Elite der Skinhead-Bewegung. In Nordrhein-Westfalen liegen keine Erkenntnisse über eine Hammerskin-Organisation vor. Ausblick Obwohl im Jahr 2007 die bekannte Personenzahl der Skinhead-Szene nicht nennenswert gestiegen ist, bleibt sie ein wichtiges Beobachtungsfeld des Verfassungsschutzes. Aus dieser unstrukturierten Szene stammen die Teilnehmer bei den unterschiedlichen Musikveranstaltungen und hieraus kann sich in letzter Konsequenz auch der Nachwuchs für die verschiedenen rechtsextremistischen Organisationen rekrutieren, angefangen bei Kameradschaften bis zu den Parteien. Findet ein Jugendlicher zunächst nur über die lose Struktur der örtlichen Skinhead-Szene einen Zugang zu Konzerten, so kann sich hieraus eine stärkere Einbindung sowohl in ideologischer Hinsicht als auch hinsichtlich des eigenen Engagements ergeben. Es können sich erste Kontakte zu örtlichen Kameradschaften entwickeln, verbunden mit regelmäßiger Teilnahme an den Kameradschaftsabenden oder an Demonstrationen und anderen Aktivitäten. Insgesamt ist die Zahl der bekannt gewordenen Musikveranstaltungen in 60 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 NRW im Jahr nicht gestiegen. Die Tendenz geht weiterhin in Richtung kleinerer Veranstaltungen, teilweise in sehr privatem Rahmen bei geheim gehaltener Vorbereitung. 33 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) Bund NRW Gründung 964 964 Sitz Berlin Bochum Vorsitzender Udo Voigt Stephan Haase Mitglieder 2007 7.200 750 2006 7.000 750 Publikationen 'Deutsche Stimme', monatlich 'Landesstimme NRW' lokale Publikationen im Rhein-Sieg-Kreis, im Kreis Düren, im Märkischen Kreis und in Bochum Internet Die Partei ist auf allen organisatorischen Ebenen (Bundesverband, Landesund Kreisverbände) nahezu flächendeckend für NRW im Internet vertreten Hintergrund Die tatsächlichen Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen der NPD ergeben sich - unabhängig von ihrem Parteiprogramm - unter anderem aus den ständigen, gegen die Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichteten und der Partei zuzurechnenden Äußerungen und einer entsprechenden Agitation. Die NPD will ihre verbal geäußerten verfassungsfeindlichen Ziele im Rahmen ihres "Drei-Säulen-Konzeptes" in die Tat umsetzen. Neben dem ideologischen "Kampf um die Köpfe" zählen dazu der "Kampf um die Straße" und der "Kampf um die Parlamente". Wie der Beitrag "Kampf um die Straße ist Ehrensache" ('Deutsche Stimme' (DS), Ausgabe 2/2007, Seite ) zeigt, ist das Konzept nach wie vor aktuell für die NPD-Strategie. Ihre rechtsextremistische Einstellung dokumentiert die NPD unter anderem durch ihr Bekenntnis zum völkischen Kollektivismus, einer dem Nationalsozialismus entnommenen Weltanschauung. Der weitgehend freien Entfaltung der Persönlichkeit des Einzelnen in einer demokratischen Gesellschaft wird die homogene Volksgemeinschaft übergeordnet. Im NPD-Programm wird dieser völkisch-kollektivistische Ansatz besonders erkennbar, wenn es etwa heißt, die "Volksherrschaft" setze die "VolksgemeinrEchtsExtrEmismus 6 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 schaft" voraus. Die Überbetonung der aus der NS-Ideologie entnommenen Begriffe der "Volksgemeinschaft" und des "Volksganzen" gegenüber den Individualrechten ist nicht mit den tragenden Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu vereinbaren, insbesondere nicht mit der Achtung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte, dem Demokratieprinzip und dem Mehrparteiensystem. Ein weiteres wichtiges Element aus der NPD-Ideologie ist der sogenannte "Reichsgedanke", die Vorstellung, das Deutsche Reich sei - auch in seinen "historischen Grenzen" - wieder herzustellen. Ihren Niederschlag finden diese Ansätze im Parteiprogramm. Dort heißt es unter der Überschrift "Deutschland in seinen geschichtlich gewachsenen Grenzen": "Die Wiederherstellung Deutschlands ist mit der Vereinigung der Besatzungskonstruktionen BRD und DDR nicht erreicht. Deutschland ist größer als die Bundesrepublik! [...] Wir fordern die Revision der nach dem Krieg geschlossenen Grenzanerkennungsverträge." Diese Begrifflichkeit ist keine bloße Theorie, wie diverse Artikel im NPD-Parteiorgan 'Deutsche Stimme' zeigen. Der NPD-Parteivorstand ist Herausgeber und der stellvertretende NPD-Bundesvorsitzende fungiert als Chefredakteur und Verantwortlicher im Sinne des Presserechts. Insofern können die in der 'Deutschen Stimme' gemachten Aussagen der NPD als Partei zugerechnet werden. Ebenso wie die Aussagen der NPD-Jugendorganisation 'Junge Nationaldemokraten', die kraft Satzung "integraler Bestandteil" der NPD ist. Gleiches gilt für den im 'Deutsche Stimme Verlag' erscheinenden "Taschenkalender des nationalen Widerstandes", für den der stellvertretende NPD-Vorsitzende und NPD-Fraktionsvorsitzende im sächsischen Landtag das Vorwort geschrieben hat. Aktuelle Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen Die aktuellen Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen ergeben sich schwerpunktmäßig aus folgenden Bereichen: : der Zusammenarbeit mit Neonazis beziehungsweise 'Freien Nationalisten' und der 'Deutschen Volksunion' (siehe auch 'Deutsche Stimme', 5/2007, Seite ), : dem vertretenen Rasse-Gedanken, : der Fremdenfeindlichkeit, : dem Antisemitismus und : revisionistischen Äußerungen. 62 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Daneben gibt es weitere, zum Teil seltener vorkommende Beispiele aus den Bereichen: : Verwendung von Begriffen aus der Zeit des Nationalsozialismus, : Verherrlichung von führenden Vertretern des . Reiches und der Waffen-SS. Die Gesamtheit dieser Anhaltspunkte macht die Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz erforderlich (SS Absatz Nr. VSG NRW), wie die nachstehenden Belege deutlich machen: : Links auf der NPD-Homepage zu Organisationen der Neonazi-Szene, zum Beispiel 'Nationaler Widerstand Berlin-Brandenburg' und 'Aktionsbüro Norddeutschland' (Stand 0..2007; Quelle: www.npd.de, Verweise) : In einem Artikel "Alle gegen Adolf" heißt es: "Ein toter Deutschösterreicher wird ausgebürgert, während Tag für Tag hunderte von Negern als Afro-Teutonen eingebürgert werden. Da kann einem schon speiübel werden!" ('Deutsche Stimme', 5/2007, Seite 7) : Unter der Überschrift "War Churchill Antisemit?" wird umfangreich und ohne Distanzierung des Autors wie folgt zitiert: "Der zentrale Punkt, der das Verhältnis zwischen dem Juden und dem Nichtjuden beherrscht, ist, daß der Jude anders ist. Er denkt anders. Er hat eine andere Tradition und eine andere Herkunft. Der Jude weigert sich, in einem Volk aufzugehen, [...] Der Jude in England ist der Repräsentant seiner Rasse." ('Deutsche Stimme', 5/2007, Seite 24) : In einem Interview mit dem NPD-Vorstandsmitglied Jürgen Rieger vergleicht dieser die Holocaust-Prozesse mit der mittelalterlichen Inquisition. Im weiteren Verlauf des Interviews bedient er sich der typischen Vorgehensweise der Revisionisten, in dem er die Zahl der ermordeten Juden in Zweifel zieht. Weiter wird Rieger dort wie folgt zitiert: "Bis 990 war 'offenkundige Tatsache' für deutsche Gerichte, dass von den 6 Millionen vergaster Juden 4 Millionen in Auschwitz umgebracht worden seien. Anschließend haben polnische Historiker erklärt, es seien um die eine Million gewesen, darunter etwa 900.000 Juden. Die Zahlen sind später - von Nichtrevisionisten - noch weiter nach unten revidiert worden [...]." ('Deutsche Stimme', 2/2007, Seite 25) : In einem Interview, das Report Mainz am 0. Dezember 2007 ausstrahlte, behauptete Udo Voigt wörtlich: "Die sechs Millionen kann nicht stimmen. Es können maxirEchtsExtrEmismus 6 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 mal 340.000 in Auschwitz umgekommen sein." Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses hat daraufhin Strafanzeige erstattet. : In einem Artikel über den "Reichsstatthalter" der "Ostmark" und andere Vertreter des NS-Regimes, die in Nürnberg wegen Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt wurden, attestiert der Autor diesen Personen: "In Wirklichkeit standen diese Männer einschließlich ihrer Gefolgschaften für nationale Genesung, Errettung, Selbstverteidigung." ('Deutsche Stimme', /2007, Seite ) : In einem Artikel "Auseinandersetzung mit der Biologie des Menschen" ist von "unserer Menschenart" die Rede beziehungsweise von "nordischer Menschenart". Weiter heißt es dort: "Folglich gebietet das Sittengesetz unserer Art, unter anderem auch durch die richtige Partnerwahl, den Erhalt des nordischen Menschenschlages und den biologischen Kampf gegen das Aussterben." ('Deutsche Stimme', /2007, Seite 7) : Auf der Homepage der NPD befindet sich unter dem Ordner "Inhalte" eine Rubrik "politisches Lexikon". Dort heißt es (Stand 0. November 2007) zum Beispiel zu den folgenden Stichworten: : Gleichheit: "Die Falschthese von der 'Gleichheit aller Menschen von Geburt an' [...] ist Grundlage des Internationalismus und 'One World'-Ideologie." : Rasse: "Die Menschheit wird in drei Groß-Rassen eingeteilt." : Reich: "Die Wiederherstellung des Deutschen Reiches ist wichtigste Aufgabe deutscher Nationalisten." (Quelle: www.npd.de und inhaltsgleich auch im "Taschenkalender das nationalen Widerstandes", Ausgabe 2007). Von zentraler Bedeutung für die Selbsteinschätzung der NPD ist jedoch ein Artikel des "Chefideologen" der NPD, Jürgen W. Gansel, in der April-Ausgabe der 'Deutschen Stimme' (Artikel "Nationale Antworten auf soziale Frage" auf der Titelseite und Seite 4). Der Artikel gibt im Wesentlichen den Inhalt einer Broschüre des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Köln zur NPD wieder. Die Einschätzungen des Verfassungsschutzes macht sich die NPD ohne Abstriche zu Eigen. Dazu gehört auch die Tatsache, dass es sich bei der NPD eben um eine rechtsextremistische Partei handelt, die die soziale Frage in ihren Mittelpunkt gerückt habe, was zusätzlich noch mit fremdenfeindlichen, anti-amerikanischen und antisemitischen Tönen unterlegt wird. 64 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Wichtige Entwicklungen und Tendenzen Die Mitgliederzahl der NPD ist 2007 - trotz zahlreicher Aktivitäten - offenbar eher stagniert. Dies zeigen auch die Mitgliederzahlen auf Bundesebene. In einzelnen Landesverbänden gab es allerdings abweichende Entwicklungen. Die Partei musste im Berichtszeitraum auch diverse Rückschläge bei von ihr geplanten öffentlichkeitswirksamen Großveranstaltungen hinnehmen. Protest-Demonstration der NPD in Schwerin gegen G8-Gipfel verboten Die NPD hatte im Jahr 2007 zugunsten der für den 2. Juni geplanten Demonstration gegen den G8-Gipfel in Schwerin auf ihre eigene zentrale . Mai-Demonstration in Berlin verzichtet und nur die im Vorfeld geplanten Aktionstage zum G8-Gipfel in mehreren Städten - so auch in NRW - durchgeführt. Offenbar befürchtete der Parteivorstand Mobilisierungsprobleme, wenn bereits fünf Wochen später zu einer neuerlichen Großdemonstration der Partei aufgerufen würde. Zu der geplanten Großdemonstration in Schwerin kam es jedoch nicht, nachdem diese verboten worden und die NPD auch nicht bereit war, auf die unter zahlreichen Auflagen benannte Route am Stadtrand auszuweichen. Im Gegenzug rief der Parteivorstand seine Mitglieder über das Internet zu spontanen dezentralen Kundgebungen auf. Insgesamt gesehen war die Aktion für die Partei jedoch ein Misserfolg. Pressefest der 'Deutschen Stimme' 2007 ausgefallen Nach einer lapidaren Mitteilung auf der Homepage der 'Deutschen Stimme' wurde das Pressefest im Jahr 2007 abgesetzt. 2008 soll es mit geändertem Konzept wieder stattfinden. Bereits 2005 war die Veranstaltung wegen des Bundestagswahlkampfes ausgefallen. Die Absage ist deswegen bemerkenswert, weil sich das Pressefest in den Jahren 200, 2004 und 2006 zu einer der größten Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene entwickelt hatte. Bundesparteitag am 27 und 28 Oktober 2007 ausgefallen Auch der als "Programmparteitag" geplante und angekündigte Bundesparteitag der NPD in Oldenburg (Niedersachsen) am 27./28. Oktober 2007 fand nicht statt, nachdem die Partei in den gerichtlichen Verfahren um die Nutzung der Stadthalle unterlegen war. Nun soll der Parteitag, auf dem sich die Partei ein neues Grundsatzprogramm geben wollte, in naher Zukunft stattfinden. Damit ist die Partei mit vier rEchtsExtrEmismus 65 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 wichtigen Großveranstaltungen entweder gescheitert (Demonstration in Schwerin, Bundesparteitag), oder hat sie selbst abgesagt (Pressefest, zentrale .-Mai-Demonstration). Teilnahme der NPD an Wahlen im Jahr 2007 Im Berichtsjahr gab es aus Sicht der NPD eigentlich nur eine wichtige Wahl, nämlich die Kommunalwahl in Sachsen-Anhalt am 22. April 2007. Dort konnte die NPD ihr Wahlergebnis von 0,7% auf 2,5% steigern. Bei der Landtagswahl in Bremen war die NPD nicht angetreten. Entsprechend der Absprache im "Deutschlandpakt" - dem Wahlbündnis beziehungsweise der Wahlabsprache zwischen NPD und DVU - war dort die DVU angetreten und errang 2,74% der Stimmen. Gespanntes Verhältnis der NPD zu den 'Autonomen Nationalisten' Das Verhältnis der NPD zumindest zu Teilen der Neonazi-Szene hat 2007 einen empfindlichen Rückschlag erlitten. Das Präsidium der NPD hatte in einer öffentlichen Erklärung vom 6. August 2007 unter dem Titel "Unsere Fahnen sind schwarz - unsere Blöcke nicht" eine Erklärung zum "Schwarzen Block" der 'Autonomen Nationalisten' (AN - siehe auch Kapitel ..) abgegeben. Der Parteivorstand distanzierte sich in ungewöhnlich scharfer Form von "derartigen anarchistischen Erscheinungsformen". Die Partei sei - auch auf die Gefahr hin, künftig geringere Teilnehmerzahlen bei parteieigenen Demonstrationen hinnehmen zu müssen - nicht bereit, sich diesem politischen Zeitgeistphänomen anzupassen. Die Reaktionen in der Neonazi-Szene reichten von strikter Ablehnung bis zu einem gewissen Verständnis für die Position der NPD. Bei Kritikern der NPD wird deren Erklärung in Teilen nicht nur als Kritik an der Aktionsform des "Schwarzen Blockes", sondern auch als Diskreditierung eines nicht geringen Teils der Neonazi-Szene verstanden. Offenbar war die Parteiführung von der Wirkung ihrer Erklärung und der heftigen Reaktion überrascht. Jedenfalls hat das NPD-Präsidium nach massiver Kritik in einer zweiten Stellungnahme vom 0. September 2007 seine ursprüngliche Erklärung relativiert: Die NPD bekenne sich weiterhin zum "Schulterschluss mit allen parteiunabhängigen Nationalisten", die zu einer "konstruktiv-partnerschaftlichen Zusammenarbeit" bereit seien. Von führenden Neonazi-Aktivisten hieß es dazu: Die Zusammenarbeit anlässlich der Landtagswahl in Niedersachsen im Jahr 2008 könne als "Pilotprojekt für eine langfristige Zusammenarbeit" angesehen werden. Ungeachtet dessen eskalierte auf Grund dieser Erklärung der Streit zwischen der NPD und Teilen der Neonazi-Szene einerseits und Vertretern 66 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 der 'Autonomen Nationalisten' (AN) andererseits in NRW. Eine in Düren gemeinsam von Angehörigen der NPD und der Neonazi-Szene geplante Demonstration wurde von den Angehörigen der AN nach der Erklärung des NPD-Präsidiums boykottiert. Dies gipfelte in deren Aufruf, die "Antifazken [gemeint ist die Antifa] und KAL-Kraken [das heißt die NPD-freundlichen Neonazis der 'Kameradschaft Aachener Land'] auseinanderzunehmen!". Es ist ein bisher einmaliger Vorgang, dass Angehörige eines Flügels der Neonazi-Szene (AN) dazu aufrufen, gegen Angehörige eines anderen Flügels (Kameradschaft) vorzugehen. Einen solchen Konflikt kann sich die NPD aber gerade in NRW nicht leisten. Vor allem bei Wahlen und Demonstrationen ist die NPD in NRW zwingend auf die Unterstützung durch alle Neonazis angewiesen. Ein flächendeckender Wahlkampf, zum Beispiel bei der Kommunalwahl NRW 2009, dürfte ohne die Neonazis für die NPD unmöglich sein. Konzentration auf Kommunalwahl NRW 2009 Auf die Kommunalwahl NRW 2009 bereitet sich die NPD bereits seit Ende 2006 vor. Sie hat eine entscheidende Lehre aus der Kommunalwahl im Jahr 2004 gezogen. Bei dieser Wahl, der ersten nach Wegfall der 5%-Hürde auf kommunaler Ebene, war sie wegen organisatorischer und struktureller Mängel nur in neun Kreisen und kreisfreien Städten sowie in vier kreisangehörigen Gemeinden zur Wahl angetreten. Dabei war sie lediglich in zwei Kommunen gescheitert. In den übrigen elf Kommunen errang sie insgesamt 5 Mandate. Die Zahl der NPD-Mandate dürfte sich deutlich erhöhen, wenn die Partei weitgehend flächendeckend antritt. Dies scheint das erklärte Ziel des Landesverbandes zu sein, der offenbar erkannt hat, dass ein besseres Abschneiden bei der Landtagswahl als in der Vergangenheit eine gewisse Verankerung in den Kommunen voraussetzt. Dies wäre auch eine wichtige Voraussetzung für eine - aus Sicht der NPD - "erfolgreiche Arbeit vor Ort". Gründung weiterer Kreisund Ortsverbände Die NPD hat im Jahr 2007 den Ausbau einer flächendeckenden Organisationsstruktur in NRW weiter vorangetrieben. Es wurden mehrere Ortsund Kreisverbände neu gegründet. Ortsverbände sind die unterste Organisationsebene der Partei unterhalb der Kreisverbände und des Landesverbandes. Gegen Ende des Jahres 2007 hatte es die Partei geschafft, in etwa 85% der Kreise und kreisfreien Städte in NRW - zumindest formal - organisatorisch vertreten zu sein. Die bloße Existenz eines örtlichen rEchtsExtrEmismus 67 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 NPD-Verbandes bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass dahinter auch ein funktionsfähiger Kreisverband steht. Einige Kreisverbände sind auf Grund persönlicher Querelen zerbrochen beziehungsweise nicht mehr arbeitsfähig, andere dürften wohl nur auf dem Papier existieren. Dafür agieren manche - neu gegründeten - Kreisverbände ausgesprochen aktiv. Die Aktivitätsschwerpunkte innerhalb des NPD-Landesverbandes haben sich deshalb auf den Niederrhein verschoben. Demonstrationen in NRW Eine weitere neue Entwicklung im NPD-Landesverband NRW war es, dass nach einigen Jahren ohne nennenswerte Demonstration auf lokaler Ebene nun mehrere örtliche Demonstrationen durchgeführt wurden: : . Februar 2007 in Krefeld (etwa 50-60 Teilnehmer) - Motto: "Gedenken der Bombenopfer des 2. Weltkrieges" : 2. April 2007 in Essen (etwa 00-20 Teilnehmer) - Motto: "Arbeit für Millionen statt Profit für Millionäre!" : 2. Juli 2007 in Krefeld (etwa 50-200 Teilnehmer) - Motto: "Meinungsfreiheit auch für Deutsche - Gegen Inländerkriminalisierung!" : 8. September in Bocholt (etwa 40-50 Teilnehmer) - Motto: "Meinungsfreiheit auch für nationale Deutsche - gegen Inländerfeindlichkeit!" : 22. September in Düren (etwa 80-200 Teilnehmer) - Motto: "Gegen Ausländergewalt und Inländerfeindlichkeit / Düren darf nicht multikriminell werden" : . Oktober 2007 Neuss (etwa 20-0 Teilnehmer) - Motto: "Gegen Polizeigewalt und staatliche Repression" : 8. Dezember 2007 in Essen (etwa 250 Teilnehmer) - Motto: "NEIN zur Moschee in Essen-Altendorf" Gegen die zumeist vom örtlichen NPD-Kreisverband angemeldeten Demonstrationen gab es zahlreiche Protestveranstaltungen. Angesichts der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist ein Verbot einer Demonstration jedoch nur unter engen Voraussetzungen möglich, die in den vorgenannten Fällen nicht vorlagen. 68 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Zahlreiche weitere Aktivitäten beziehungsweise Aktionen der NPD Neben den lokalen Demonstrationen hat die NPD Aktivitäten im gesamten AktionsSpektrum einer politischen Partei entfaltet. Sie hat in zahlreichen Städten : Infostände abgehalten, : Flugblattaktionen und : Mahnwachen durchgeführt. Darüber hinaus gab es eine Reihe weiterer Veranstaltungen wie Balladenabende, Vortragsveranstaltungen, Mitgliederversammlungen und Vorstandssitzungen, Stammtische, ein Sommerfest des Landesverbandes, Ausflüge und Grillabende, ein Fußballturnier, sowie Interessentenveranstaltungen (für potenzielle Parteimitglieder) und Aktivistentagungen (für Mandatsträger und Funktionäre). Gründung der Regionalgruppe NRW des 'Rings Nationaler Frauen' Nachdem 2006 auf Bundesebene der 'Ring Nationaler Frauen' (RNF) gegründet worden war, wurde am 7. März 2007 in Oberhausen die Regionalgruppe NRW des RNF ins Leben gerufen. Außer einem gemeinsamen Auftritt mit dem örtlichen NPD-Kreisverband Oberhausen anlässlich eines Infostandes sind öffentliche Aktivitäten jedoch nicht bekannt geworden. Jugendorganisation 'Junge Nationaldemokraten' (JN) und 'Nationaldemokratischer Hochschulbund' (NHB) kaum noch aktiv Es scheint weiterhin so, als hätte die 'Jungen Nationaldemokraten' (JN) - insbesondere in NRW - de facto aufgehört zu existieren. Lediglich die Homepage des JN-Landesverbandes NRW im Internet besteht weiter fort, allerdings seit 2006 mit dem Hinweis "Hier entsteht die neue Netzseite der JN-NRW". Die JN bleiben damit - gerade auf Landesebene - in der politischen Wahrnehmung weit hinter ihrem Anspruch auf der Homepage des Bundesverbandes zurück. Dort heißt es nämlich unter der Rubrik "Revolution statt Reform": "Die Konsequenz daraus heißt nun logischerweise, daß man dieses System nicht reformieren kann, sondern beseitigt und durch etwas Neues ersetzt werden muß. Eine solche Vorgehensweise nennt man üblicherweise Revolution." rEchtsExtrEmismus 69 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Von derartigen Zielen ist der JN-Landesverband NRW weit entfernt. Hier gibt es seit geraumer Zeit nicht einmal mehr einen amtierenden Landesvorstand. Ähnlich schlecht sieht die Situation für den 'Nationaldemokratischen Hochschulbund' (NHB) aus. Von diesem waren 2007 in Nordrhein-Westfalen ebenfalls keinerlei öffentlichen Aktivitäten zu erkennen. Schülerzeitungen und Neuauflage der NPD-CD Dass gerade jüngere Menschen nach wie vor von der Partei besonders umworben werden - sind sie doch die Wähler der Zukunft und zudem noch (leichter) zu beeinflussen - zeigen die besonders auf Jugndliche zugeschnittenen Schülerzeitungen beziehungsweise Musik-CDs der NPD. Aufmerksamkeit in den Medien lösten zwei Schülerzeitungsprojekte der NPD beziehungsweise der JN in Sachsen (Schülerzeitung 'Perplex') und in Berlin/Brandenburg (Schülerzeitung 'Stachel') aus. Die Staatsanwaltschaft in Dresden hält die dortige Schülerzeitung 'Perplex' für jugendgefährdend, weil sie geeignet sei, die Entwicklung von Kindern zu beeinträchtigen. Adolf Hitler werde als Friedensvermittler im 2. Weltkrieg dargestellt - die Alliierten dagegen als Kriegstreiber. Gefährlich sei auch der Aufruf, Schulhöfe zu "National befreiten Zonen" zu machen. Im Übrigen sei das Heft geeignet, Vorurteile gegen Lehrer und ausländische Mitschüler zu schüren. Exemplare der Zeitschrift, die vor einer Berufsschule in Dresden verteilt wurden, wurden von der Polizei beschlagnahmt; gegen den presserechtlich Verantwortlichen - den Vorsitzenden der JN Sachsen - wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Gegen die beabsichtigte Verteilung einer weiteren NPDbeziehungsweise JN-Schülerzeitung in Berlin/Brandenburg mit dem Namen 'Stachel' hat die Partei 'Bündnis90/Die Grünen' in Berlin einen richterlichen Beschluss erwirkt, dass diese Zeitschrift nicht unter dem Namen 'Stachel' in Umlauf gebracht werden darf. Hintergrund ist, dass die Partei 'Bündnis90/Die Grünen' seit Jahren selbst eine gleichnamige Zeitung herausgibt. Die NPD bietet seitdem die Schülerzeitung unter "Notausgabe Schülerzeitung" als "titellose" Schülerzeitung zum Download auf der Homepage des NPD Landesverbandes Brandenburg an. 70 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 In NRW sind Schülerzeitungen oder vergleichbare Projekte der NPD beziehungsweise der JN in den vergangenen Jahren nicht bekannt geworden. 2007 wurde eine dritte Auflage der sogenannten Schulhof-CD der NPD "Hier kommt der Schrecken aller linken Spießer und Pauker!" bekannt. Statt des rotbraunen beziehungsweise blauen Covers ist das Neue nunmehr dunkelgrün, Gleiches gilt für das Booklet. Außerdem wurden einige Musiktitel verändert. Hinweise auf eine strafrechtliche Relevanz liegen bislang nicht vor. Grundstückskäufe Die im Laufe der vergangenen Jahre bekannt gewordenen Aktivitäten der NPD im Zusammenhang mit der Anmietung beziehungsweise dem möglichen Erwerb von Immobilien waren in den meisten Fällen durch Ausübung des Vorkaufsrechtes durch die jeweilige Gemeinde vereitelt worden oder die Partei beziehungsweise der (angebliche) Interessent hatte sein Angebot zurück gezogen. Im Zuge dieser - von den Medien aufmerksam verfolgten - Aktivitäten wurde der Verdacht geäußert, dass die Partei mit angeblichen Immobilienkäufen lediglich in Absprache mit dem Besitzer den Preis für das Objekt in die Höhe treiben möchte, um sich anschließend den "Gewinn" mit dem Verkäufer zu teilen. Diese mehrfach in den Medien geäußerten Spekulationen konnten bislang allerdings nicht belegt werden. Da durch eine öffentliche Diskussion und den entstehenden politischen Druck auf Ausübung des Vorkaufsrechtes der jeweiligen Gemeinde - soweit vorhanden - der Kaufpreis eher steigt, muss davon ausgegangen werden, dass in diesen Fällen ein echtes Kaufinteresse seitens der NPD gar nicht bestanden hatte. In NRW sorgte das Interesse des Rechtsanwaltes und NPD-Funktionärs Jürgen Rieger an einem Gutshof bei Menden für Schlagzeilen in der lokalen Presse. Auch hier wurde gefordert, die Gemeinde solle durch Ausübung ihres Vorkaufsrechts den Erwerb der Immobilie durch den Rechtsextremisten verhindern. Im Ergebnis kam es zu keinem Verkauf an Rieger. Rieger ist neben den genannten Funktionen auch Vorsitzender der 'Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V.'. Die 'Artgemeinschaft' ist strukturell mit anderen rechtsextremistischen Organisationen vernetzt. Ihr neuheidnisches Weltanschauungsgebilde dient als Vehikel, um rechtsextremistisches Gedankengut gesellschaftspolitisch zu verbreiten. Sie lehnt ihr Gedankengut an Elemente der NS-Ideologie an und unterscheidet sich so von anderen in rEchtsExtrEmismus 7 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Deutschland existierenden neuheidnischen Gruppierungen, die lediglich eine Renaissance der germanischen Mythologie anstreben. Seitens des NPD-Landesverbandes NRW sind Pläne zu Grundstückskäufen bislang nicht bekannt worden. Ein Erwerb von Immobilien in größerem Stile durch die NPD selbst dürfte vor dem Hintergrund fehlender finanzieller Mittel eher unwahrscheinlich sein. Dagegen kann nicht ausgeschlossen werden, dass (weitere) Einzelpersonen der rechtsextremistischen Szene beziehungsweise Parteifunktionäre, die über die finanziellen Möglichkeiten verfügen, ein solches Objekt in eigenem Namen erwerben und der Partei zum Beispiel für Schulungen und sonstige Veranstaltungen zur Verfügung stellen. Ausblick Die NPD in NRW bereitet sich bereits seit Ende des Jahres 2006 auf die Kommunalwahl NRW 2009 vor. Diese Bemühungen wurden auch im Berichtsjahr 2007 fortgesetzt. Für das Jahr 2008 ist mit zahlreichen weiteren Aktivitäten der Partei zu rechnen. Flächendeckend in den Kommunen zur Kommunalwahl NRW 2009 anzutreten, steht dabei als langfristiges Ziel im Raum. Inwieweit dieses Ziel auch tatsächlich umgesetzt werden kann, lässt sich derzeit noch nicht sicher prognostizieren. Zumindest folgt aber aus der erhöhten Zahl der Wahlbewerber die Gefahr einer (deutlichen) Erhöhung der NPD-Mandate. Dass trotz all dieser Bemühungen der Erfolg der NPD letztlich nur ein begrenzter ist, zeigen die aktuellen Wahlergebnisse in Hessen und Niedersachsen. Hier ereichte die NPD einen Stimmenanteil von 0,9% (Hessen) beziehungsweise ,5% (Niedersachsen). Auch in NRW wurde 2007 bei einer Wahl deutlich, dass die NPD nicht über den Status einer rechtsextremistischen Splitterpartei hinaus wächst. Der Vorsitzende des NPD-Kreisverbandes Düren war bei der Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Aldenhoven (Kreis Düren) als Kandidat der NPD angetreten. Bei der Wahl erzielte die NPD ,2% (96 Stimmen). Der Spitzenkandidat zeigte sich enttäuscht. Er habe mit einem Ergebnis von etwa 5% gerechnet, sei aber zuversichtlich, dass der NPD bei der Kommunalwahl 2009 der Sprung in den Gemeinderat gelingen werde. Dies liegt durchaus im Bereich des Möglichen. 72 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 NPD bietet keine praktikablen Lösungen Trotz aller Aktivitäten der Partei - auch in NRW - einschließlich ihrer Propaganda sollte eine Tatsache nicht außer Acht gelassen werden: Für die großen gesellschaftlichen Probleme Massenarbeitslosigkeit, Probleme im Gesundheitswesen und bei den künftigen Renten bietet die NPD keine praktikablen und realistischen Lösungsvorschläge an. Wenn etwa die NPD in ihrem Parteiprogramm die Globalisierung ablehnt, zeugt das eher von Populismus als von Realitätssinn. Andererseits wird in den Medien, der Gesellschaft und der Politik immer wieder die Frage nach dem Umgang mit der NPD gestellt. Eine politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Positionen, den Strategien und den Zielen der NPD ist der erste Schritt zu einer wirksamen Bekämpfung rechtsextremistischer Ideologien und Einstellungen, eine Aufgabe aller Demokraten. Wehrhafte Demokratie bedeutet, sich mit demokratiefeindlichen Meinungen aktiv auseinanderzusetzen, sie zu entlarven und ihnen entschieden entgegenzutreten. 34 Deutsche Volksunion (DVU) Bund NRW Gründung 987 989 Sitz München Dortmund Vorsitzender Dr. Gerhard Frey Max Branghofer Mitglieder 2007 7.000 .200 2006 8.500 .00 Publikation 'National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung' (NZ), Auflage ca. 4.000; erscheint wöchentlich Internet Die DVU verfügt seit 997 über eine eigene Homepage. Hintergrund Die 'Deutsche Volksunion' (DVU) wurde im März 987 in München auf Initiative von Dr. Gerhard Frey unter Einbeziehung des bereits seit 97 bestehenden Vereins 'Deutsche Volksunion e.V.' als Wahlpartei 'DVU-Liste D' gegründet. Die Umbenennung in 'Deutsche Volksunion' fand im Februar 99 durch Satzungsänderung statt. Die DVU wird seit ihrer Gründung vom Bundesvorsitzenden Dr. Gerhard Frey zentralistisch und autoritär geführt und weitestgehend finanziert. rEchtsExtrEmismus 7 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen Bei der DVU bestehen tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer extremistischen Bestrebung (SS Absatz Nr. VSG NRW; siehe Fußnote am Beginn des Kapitels). Zwar bemüht sich die Partei, ihre wahre Zielsetzung zu verschleiern und hält ihr Parteiprogramm bewusst vage. Gleichwohl finden sich in den Ausführungen der Wochenzeitung 'National-Zeitung/Deutsche Wochenzeitung' (NZ) des DVUBundesvorsitzenden Dr. Gerhard Frey Anhaltspunkte, die einen solchen Verdacht begründen. Die in der Zeitung enthaltenen Äußerungen müssen der Partei wegen der Führungsposition ihres Herausgebers in der Partei zugerechnet werden. Über eine eigene Parteizeitung verfügt die DVU nicht. Kritische Äußerungen oder Distanzierungen gegenüber Beiträgen in der NZ sind aus der DVU nicht bekannt. Die DVU greift im Wesentlichen die typischen rechtsextremistischen Agitationsfelder auf, wobei Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und revisionistische Thesen Schwerpunkte bilden. Häufig werden Themen mit Ausländerund Einwanderungsbezug gewählt und gezielt eingesetzt, um Überfremdungsängste zu schüren. Meist wird mit suggestiven Schlagzeilen in Frageform gearbeitet. Sie zielen darauf, in der Leserschaft bestehende Ressentiments anzusprechen und diese gezielt zu bestärken. So finden sich wiederholt Überschriften, die deutlich zeigen, dass es nicht um die Darstellung von gesellschaftspolitischen Problemen geht. Vielmehr sollen mit der negativen und verzerrenden Berichterstattung über Ausländer diese in ihrer Gesamtheit diskreditiert werden. So heißt es etwa: : "Kommen Millionen Afrikaner? So kann der Ansturm gestoppt werden." : "Die Invasion der Moscheen. Deutschlands heimliche Islamisierung." : "Wird Europa türkisch? Die Islamisierung des Abendlandes." : "Deutschland bald türkisch? Was jetzt wirklich auf dem Spiel steht." : "Geht das Abendland unter? Das Schicksal von Byzanz als Warnung". Darüber hinaus finden sich wiederholt Schlagzeilen und Artikel mit subtil antisemitisch gefärbten Botschaften. : "Immer mehr jüdische Zuwanderer?" : "Warschau erhält jüdisches Museum. Keine Frage: Deutschland beteiligt sich finanziell" 74 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 : "Öffnungsklausel für Juden aus aller Welt. [Es] handelt es sich offensichtlich um eine Öffnungsklausel, die nicht mehr nur Juden aus der ehemaligen Sowjetunion, sondern nunmehr auch Juden aus aller Welt den Zugang nach Deutschland öffnet." : "Wie mächtig ist die Israel-Lobby? US-Professoren decken auf." : "Dabei kommt der deutsche Steuerzahler bereits für eine Unzahl von NS-Gedenkstätten und seit neuestem auch für ein neues jüdisches Gemeindezentrum nach dem anderen in Deutschland auf." Hintergrund der verfassungsfeindlichen Agitation der DVU ist eine völkisch-nationalistische Ideologie. Die DVU geht von einer allein ethnisch verstandenen deutschen Nation aus, wodurch tendenziell Menschenund Bürgerrechte abgewertet werden. Als politischen Auftrag leitet die DVU daraus die Schaffung eines ethnisch homogenen Deutschlands ab und fordert einen alle Aspekte des gesellschaftlichen Zusammenlebens einschließenden völkischen Protektionismus sowie die Bekämpfung aller "antideutschen" Bestrebungen. Hier liegen auch die Gemeinsamkeiten für die enge Zusammenarbeit der DVU mit der NPD im sogenannten "Deutschlandpakt". Die DVU hat ihre Wahlteilnahmen mit der NPD abgesprochen und zeigt damit deutlich, dass sie die gleichen politischen Wählergruppen mit vergleichbaren politischen, rechtsextremistischen Positionen erreichen will. DVU-Bundesparteitag wählt neuen Vorstand Auf dem DVU-Bundesparteitag am 20. Januar 2007 in München wurde der Bundesvorstand neu gewählt. Der langjährige Vorsitzende des Bundesvorstands, Dr. Gerhard Frey, wurde in seinem Amt bestätigt. DVU unterzeichnet Erklärung "deutscher Patrioten" Ende September fand in Straßburg eine Konferenz von führenden Vertretern rechtsgerichteter Parteien aus Deutschland und Mitgliedern der Rechtsfraktion im Europäischen Parlament "Identität, Tradition, Souveränität" (ITS) statt. Die ITS wurde im Januar 2007 als neue Fraktion im Europäischen Parlament gegründet und zählte ursprünglich 2 Abgeordnete aus sieben Ländern. Die Fraktionsmitglieder vertreten rechtspopulistische Parteien wie die 'Freiheitliche Partei Österreichs' (FPÖ), den belrEchtsExtrEmismus 75 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 gischen 'Vlaams Belang' und den französischen 'Front National' (FN). Bekanntester Vertreter der ITS ist der FN-Vorsitzende Jean-Marie Le Pen. Da nach internen Sreitigkeiten sechs Abgeordnete aus der Fraktion ausgetreten sind, hat diese ihren Fraktionsstatus wieder verloren. Konferenzteilnehmer waren unter anderem der DVU-Vorsitzende Dr. Gerhard Frey, der NPD-Vorsitzende Udo Voigt, der 'pro NRW'-Vorsitzende Markus Beisicht und der stellvertretende 'pro Köln'-Vorsitzende Markus Wiener. Alle Beteiligten einigten sich darauf, die "politischen Zielsetzungen der ITS-Fraktion auch in Deutschland zu unterstützen". Diese Ziele wurden in einer gemeinsamen Gruppenerklärung festgehalten. Danach tritt die ITS unter anderem für die "Anerkennung nationaler Interessen, Souveränitäten, Identitäten und Unterschiedlichkeiten" sowie für "die Verpflichtung gegenüber christlichen Werten, dem Erbe der Kulturen und Traditionen der europäischen Zivilisation" ein und versteht sich als "Opposition zu einem vereinheitlichten und bürokratischen europäischen Superstaat". Ausblick Der DVU fällt es zunehmend schwer, sich der NPD als gleichwertiger Partner des "Deutschlandpaktes" zu präsentieren. Nach dem Misserfolg bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt im März 2006, wo sie den Einzug in den Landtag eindeutig verfehlte, verlor die DVU nun den sicher geglaubten Sitz in der Bremer Bürgerschaft. Dem "Deutschlandpakt" entsprechend, trat die DVU zu den Wahlen in Bremen und Bremerhaven am . Mai 2007 an; auf der Kandidatenliste gab es keine Vertreter der NPD. Die DVU errang zwar lediglich 2,74 % der Stimmen, konnte aber wegen einer Besonderheit des Bremer Wahlrechts ihren Sitz in der Bremer Bürgerschaft verteidigen. Allerdings trat der Abgeordnete Siegfried Tittmann, der auch stellvertretender DVU-Bundesvorsitzender und stellvertretender DVU-Landesvorsitzender in Bremen war, nach parteiinterner Kritik im Juli aus der Partei aus, wodurch die DVU den Sitz verlor. Damit setzt sich die bundesweit zu beobachtende Schwächung der Partei fort, wodurch die DVU weiter an Gewicht innerhalb des Paktes verliert. Die NPD wird nun vermutlich versuchen, den Pakt zu unterlaufen und ihre mehr und mehr sichtbar werdende Dominanz zu stärken. 76 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 35 Bürgerbewegung pro Köln eV (pro Köln) Sitz Köln Mitglieder 2007 2006 ca. 20 ca. 80 Vorstand Markus Beisicht, Vorsitzender, Judith Wolter, geschäftsführende stellvertretende Vorsitzende, Markus Wiener, stellvertretender Vorsitzender, Manfred Rouhs, Schatzmeister Publikation 'PRO KÖLN - Informationen der Fraktion pro Köln im Rat der Stadt Köln'; erscheint vierteljährlich Internet Homepage, verantwortlich Manfred Rouhs2 Hintergrund 'Pro Köln' ist ein eingetragener Verein, der versucht über kommunalpolitische Arbeit Einfluss zu gewinnen. Bei der Kommunalwahl im September 2004 erzielte er vier Ratssitze und ist außerdem in allen Bezirksvertretungen der Stadt Köln vertreten. Im November 2006 erhöhte sich die Zahl der Fraktionsmitglieder durch den Beitritt eines parteilosen Ratsmitgliedes auf fünf Personen. Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen Das Oberverwaltungsgericht Münster hat mit Beschluss vom 24. Mai 2007 die Berufung von 'pro Köln' gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf wegen der Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten über die Jahre 2002 bis 2004 nicht zugelassen. Damit wurde die Einschätzung des Innenministeriums NRW, dass 2 Wie im Verfassungsschutzbericht über das Jahr 2006 ausführlich dargestellt, hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 24. Mai 2005 neue Maßstäbe für die Erwähnung extremistischer Bestrebungen im Verfassungsschutzbericht entwickelt. Ausgerichtet am Maßstab der Verhältnismäßigkeit muss der Verfassungsschutzbericht in der äußeren Form und der inhaltlichen Darstellung deutlich zwischen solchen Organisationen differenzieren, für die ein Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen besteht und solchen, deren Bestrebung erwiesen ist. Diese neue Differenzierung erfolgte dann auch in den auf den Beschluss folgenden Verfassungsschutzberichten. In Berichten aus der Zeit vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist diese Differenzierung nicht immer deutlich geworden. Mit Blick auf diese fehlende Differenzierung im Verfassungsschutzbericht 2003 wird hiermit erklärt, dass es unverhältnismäßig und damit rechtswidrig war, 'nation24.de - Das patriotische Magazin' (vormals: 'Signal - Das patriotische Magazin') im Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2003 ohne entsprechenden Nachweis dem Rechtsextremismus zuzuordnen. rEchtsExtrEmismus 77 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorliegen, ausdrücklich bestätigt. In dem erneuten verwaltungsgerichtlichen Verfahren wegen der Berichterstattung in den Verfassungsschutzberichten über die Jahre 2005 und 2006 hat das Kölner Gericht mit Urteil vom 4. Dezember 2007 abermals festgestellt, dass sich insbesondere aus Äußerungen in den 'pro Köln'-Infoblättern sowie aus Artikeln, die sich im Archiv der Homepage von 'pro Köln' befinden, Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen ergeben, Schutzgüter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. In diesen Äußerungen seien durchweg Bekundungen enthalten, die im Hinblick auf die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte, insbesondere die Menschenwürde und das Diskriminierungsverbot, den Verdacht einer verfassungswidrigen Bestrebung begründeten. So würden Ausländer beziehungsweise Migranten mit überwiegend drastischer Wortwahl anhaltend negativ bewertet, herabgesetzt und ausgegrenzt. Die uneingeschränkten, nicht relativierten Aussagen (Pauschalisierung) ließen nur den Schluss zu, 'pro Köln' wolle Ausländer generell sowie Personen bestimmter Volksoder Religionsgruppen bewusst als unerwünschte, nicht integrierbare Menschen zweiter Klasse darstellen und in der Bevölkerung Ablehnung und Hass gegenüber diesen Personen schüren. Die nahezu vollständige Ausblendung positiver oder zumindest neutraler Berichte über Ausländer trage schließlich auch zur Herabsetzung bei. Eine weitere Bestätigung ausländerfeindlicher Einstellung sah das Verwaltungsgericht in dem nach Aussage des 'pro Köln'-Vorsitzenden Beisicht "seit Jahren" (Archiv, 9. Oktober, 'pro köln-online') bestehenden politischen Kontakt zur belgischen Partei 'Vlaams Belang', die als Nachfolgerin des 'Vlaams Blok' nach Auffassung des Gerichts eine ausländerfeindliche Politik verfolgt. Weiterhin wiesen die Verwaltungsrichter auf ein Interview hin, für das die derzeitige 'pro Köln'-Fraktionsvorsitzende der 78 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 'National-Zeitung' (24/06) zur Verfügung stand. Die 'National-Zeitung' ist das Sprachrohr der 'Deutschen Volksunion' (DVU). Aktuelle Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen In 2007 fand sich in der 'National-Zeitung' (Nr. 26/07) unter der Überschrift "'Orientalische Machtsymbolik' und 'berechtigte Ängste'" erneut ein Interview mit der Vorsitzenden der 'pro Köln'-Fraktion, bei dem diese Gelegenheit hatte, ein bekanntes 'pro Köln'-Thema aufzugreifen und gegen den geplanten Bau einer Moschee zu agitieren. Der 'pro Köln'-Vorsitzende Markus Beisicht stellte sich darüber hinaus im Juli 2007 der NPD-Publikation 'Deutsche Stimme' als Gesprächspartner zur Verfügung. Im September 2007 gab es ein Treffen in Straßburg, an dem neben dem Vorsitzenden von 'pro Köln' und seinem Stellvertreter auch der Vorsitzende der NPD, Udo Voigt sowie weitere NPD-Funktionäre und der Vorsitzende der DVU, Dr. Gerhard Frey, teilgenommen haben. 36 Revisionismus Bereits nach Ende des zweiten Weltkrieges versuchten rechtsextremistische Gruppen, Organisationen und Einzelpersonen, eine veränderte Bewertung der historisch hinreichend belegten und dokumentierten Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus dahingehend zu erreichen, diese in einem positiven Licht erscheinen zu lassen: die Einschätzung des Nationalsozialismus also zu revidieren. Diese Verharmlosung des Nationalsozialismus dient dem Zweck, die politische Akzeptanz für Rechtsextremisten zu steigern. Revisionisten geht es darum, Zweifel daran zu schüren, dass die nationalsozialistischen Verbrechen offenkundig sind, das heißt: eindeutig stattgefunden haben. Während der sogenannte Gebietsrevisionismus, das Infragestellen der deutschen Ostgrenze, weniger bedeutsam ist, zählt die Leugnung beziehungsweise Relativierung des Holocaust zu den zentralen Agitationsansätzen (sogenannte AuschwitzLüge). Im Zentrum revisionistischer Agitation steht zudem der Versuch, die VerantworrEchtsExtrEmismus 79 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 tung Deutschlands für den Zweiten Weltkrieg zu leugnen - in diesem Zusammenhang ist von "Kriegsschuldund Gräuellügen der ehemaligen Siegermächte" die Rede. Die Argumentationsmuster kehren dabei ständig wieder: Veröffentlichungen wird ein pseudowissenschaftliches Gewand verliehen, es wird versucht, den Anschein einer seriösen, streng wissenschaftlich-analytischen Arbeit zu vermitteln. Eine Fülle von Quellenzitaten, Querverweisen, Literaturangaben und Fußnoten wird vorgewiesen, und revisionistische Schriften werden als sogenannte "Gutachten", "Studien" oder "Reports" veröffentlicht. Häufig werden auch Dokumente zu Fälschungen, Zeitzeugen für befangen erklärt beziehungsweise Zeugenaussagen als erzwungen dargestellt oder aber abstruse Weltverschwörungstheorien aufgestellt. Durch diese Pseudowissenschaft soll gezielt Verwirrung und Skepsis unter anderem hinsichtlich der offiziellen Geschichtsschreibung erzielt werden. Beispiele für eine Glorifizierung der nationalsozialistischen Vergangenheit finden sich vor allem in rechtsextremistischen Periodika. Obwohl sich Teile der weltweiten Revisionisten-Szene immer noch euphorisch darstellen, hat sich deutlich die konsequente und verschärfte Strafverfolgung von Volksverhetzungsdelikten in Deutschland, aber auch zum Teil in den USA, in Kanada und Belgien als ein wesentlicher Ansatz für die Bekämpfung des Revisionismus bewährt. In Deutschland zeigten unter anderem die 994 und 2005 in Kraft getretenen strafgesetzlichen Änderungen zum SS 0 StGB Wirkung: Die "Auschwitz-Lüge" beziehungsweise ein den öffentlichen Frieden störendes Billigen, Verherrlichen oder Rechtfertigen der nationalsozialistischen Gewaltund Willkürherrschaft sind danach Volksverhetzung. Hierdurch gingen in Deutschland Kampagnen und Veröffentlichungen aus revisionistischen Zusammenhängen zu den Themen Kriegsschuldund Holocaust-Leugnung deutlich zurück, und die Herstellung und der Vertrieb revisionistischer Schriften wurden ins Ausland verdrängt. Rechtskräftige Verurteilungen weltund bundesweit agierender Revisionisten Der im Zusammenhang mit weltweit verbreiteten Thesen zur Holocaust-Leugnung bekannteste Revisionist Ernst Zündel wurde am 5. Februar 2007 durch das Landgericht Mannheim wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die hiergegen eingelegte Revision wurde mit Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 2. September 2007 verworfen, das Urteil damit rechtskräftig. 80 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Das Strafverfahren gegen den deutschen Revisionisten Germar Rudolf, unter anderem wegen Volksverhetzung, vor dem Landgericht Mannheim wurde am 5. März 2007 mit Urteil beendet. Germar Rudolf wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten rechtskräftig verurteilt. Horst Mahler wurde im August 2007 nach Verbüßung einer neunmonatigen Freiheitsstrafe wegen Volksverhetzung aus der Justizvollzugsanstalt Bernau entlassen. Bereits im September 2007 begann vor dem Amtsgericht Cottbus (Brandenburg) ein erneutes Strafverfahren gegen ihn wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (SS 86a StGB). Mahler hatte unmittelbar vor seinem Haftantritt in der JVA Cottbus im November 2006 bei der Verabschiedung von seinen Anhängern den Hitlergruß gezeigt. Kampagne mit landes-/bundesweitem Bezug Als ein Beispiel kaum in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückter Kampagnen von Rechtsextremisten stellen sich weiterhin die von dem Rechtsextremisten Horst Mahler im Jahre 200 initiierte bundesweite Kampagne "Aufstand für die Wahrheit" und die damit im Zusammenhang stehende "politische Arbeit" des 'Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten' (VRBHV) dar, die zahlreiche revisionistische und antisemitische Argumentationsmuster vorweist. Propagierter Inhalt der Kampagne ist ein "Kampf um Gerechtigkeit", um angeblich zu Unrecht verfolgten Straftätern (Holocaust-Leugnern) zu ihrem Recht zu verhelfen. Diesbezüglich wurden wiederholt von Rechtsextremisten strafrechtliche Ermittlungsbeziehungsweise Wiederaufnahmeverfahren zum SS 0 StGB provoziert, dies jedoch ohne Erfolg. Ebenso wenig kam der VRBHV dem in diesem Zusammenhang erklärten Ziel näher, über einen "allgemeinen Volksaufstand" der "Reichsbürger" ('Reichsbürgerbewegung' - RBB) endlich die "Wiedererlangung der Handlungsfähigkeit des Deutschen Reiches durch einen organisierten und geordneten Angriff auf die Auschwitzlüge als dem Fundament der Fremdherrschaft über das Deutsche Volk" zu erreichen. So erfolgten zwar - auch in NRW - Flugblattaktionen und die Verbreitung von CDs, die sich vorrangig mit dem Thema der Holocaust-Leugnung beziehungsweise der Rechtsanwendung/Rechtsprechung zur Volksverhetzung im Sinne des SS 0 StGB befassen, diese zeigten jedoch selbst in rechtsextremistischen Kreisen kaum Resonanz. Diese Entwicklung trat einerseits vor dem Hintergrund von Mahlers neunmonatiger Haft (Haftantritt im November 2006) ein, zeigt andererseits aber auch die mittlerweile isolierte Stellung Mahlers innerhalb der rechtsextremistischen Szene. rEchtsExtrEmismus 8 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Sowohl der VRBHV als auch die RBB nutzen als Tagungsstätte das in Vlotho ansässige 'Collegium Humanum - Akademie für Umwelt und Lebensschutz e.V.' (CH). Auch die Hoffung führender Revisionisten, die Holocaust-Konferenz 2006 in Teheran werde sich als Initialzündung für eine neue weltweite revisionistische Plattform gestalten, hat sich nicht erfüllt. Gründe hierfür sind unter anderem, dass Protagonisten der Revisionisten-Szene zum Konferenztermin inhaftiert waren, finanzielle Mittel kaum noch zur Verfügung stehen dürften und der Iran nicht mehr öffentlichkeitswirksam den Holocaust thematisiert. 37 Rechtsextremistische Vertriebe und Versandhandel Über die Musik versucht die rechtsextremistische Szene sowohl auf primär ideologisch interessierte als auch vorrangig erlebnisorientierte Mitglieder und Interessenten Einfluss zu nehmen. Die Musik wird hierbei als Transportmittel für das über die Liedtexte verbreitete rechtsextremistische Gedankengut eingesetzt. Musik mit rechtsextremistischen Texten dient innerhalb der Szene als Zusammenhalt und Ideologie festigendes Element. Gleichzeitig wird Musik von der Szene als Lockmittel zur Nachwuchswerbung eingesetzt. Zielgruppe sind hierbei insbesondere ideologisch noch nicht gefestigte Jugendliche, welche auf diesem Weg zum Einstieg in die rechtsextremistische Szene verleitet werden sollen. Durch ihre finanzielle und logistische Unterstützung tragen rechtsextremistische Musikvertriebe maßgeblich zur Nachwuchswerbung für die Szene bei. So wurden mehrere sogenannte "Schulhof-CDs" und vereinzelte Schülerzeitungen mit rechtsextremistischen Inhalten realisiert und später an Schüler und Jugendliche kostenlos verteilt. Darüber hinaus ist die Vermarktung von Musik mit rechtsextremistischen Texten und Szene-Artikeln nach wie vor ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die rechtsextremistische Szene. Einige Vertriebe unterstützen die Szene nach eigenen Angaben mit einem Teil ihrer Verkaufserlöse. Sie sichern sich dadurch einerseits eine hohe Glaubwürdigkeit als Mitstreiter innerhalb der Szene, andererseits dürfte auch die Hoffnung auf dieses positive Image und damit potenziell auf eine Erweiterung des Kundenkreises eine Rolle spielen. Viele Inhaber rechtsextremistischer Musik-Vertriebe bestreiten ihren Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Szene-Produkten oder betrachten den Handel als einen lukrativen Nebenverdienst zu ihrem anderweitig erzielten Einkommen. 82 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Auch Einzelpersonen aus der rechtsextremistischen Skinhead-Szene versorgen sich bei den bekannteren Versandhandeln mit CDs und Merchandising-Artikeln, um diese anschließend zum Beispiel auf Konzerten oder über Internet-Auktionsplattformen gewinnbringend weiterzuverkaufen. Mit bundesweit 8 rechtsextremistischen Vertrieben (Nordrhein-Westfalen: 9) ist die Zahl im Vergleich zum Vorjahr (Bund: 9, NRW: 0) zwar leicht zurückgegangen; sie liegt dennoch weiterhin auf einem hohen Niveau. Ein Großteil der Vertriebe nutzt das Internet als Vertriebsplattform. Der Handel über das Internet ist aus mehreren Gründen sowohl für Verkäufer als auch Käufer attraktiv: : Ein Onlineshop kann ohne großen Aufwand eingerichtet und verwaltet werden. : Miete und Personalkosten für ein Ladengeschäft fallen bei einem Internetvertrieb nicht an, Lagerkosten werden reduziert. : Einkaufsmöglichkeiten sind nicht auf übliche Ladenöffnungszeiten begrenzt, die Bestellung kann jederzeit bequem vom heimischen Computer aus vorgenommen werden. : Persönliche Konfrontationen mit dem politischen Gegner sind beim Onlinekauf nicht zu befürchten - durch die anonyme Abwicklung des Kaufvorgangs wird der Handel auch für Interessenten attraktiv, die aufgrund persönlicher Hemmschwellen vor einem Einkauf bislang zurückgeschreckt waren. Auch Hackerangriffe und die Veröffentlichung von Kundendaten durch linksextremistische Netzaktivisten haben die Beliebtheit des rechtsextremistischen Onlinehandels nicht nachhaltig beeinträchtigt. Zudem bietet das Internet die Möglichkeit der Vermarktung digitaler Inhalte, zum Beispiel Handylogos und -klingeltöne sowie Musik-Alben im MP-Format. Ein nordrhein-westfälischer Vertrieb plant, bis zu 600 Tonträger zum Download bereitzustellen. Zum weiteren Angebot gehört auch die Veröffentlichung eines bisher in gedruckter Form erschienenen Skinhead-Fanzines in digitalisierter Form. Es ist davon auszugehen, dass weitere Vertriebe in den Handel mit digitalen Inhalten einsteigen werden, um zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen. Einige Vertriebe bieten bereits jetzt Auszüge aus ihrem Sortiment als Hörprobe zum Download an. rEchtsExtrEmismus 8 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Warenangebot Neben Tonträgern einschlägiger rechtsextremistischer Musikgruppen und Liedermacher bieten rechtsextremistische Vertriebe auch Kleidungsstücke, Aufnäher und andere Devotionalien an. Ein Großteil des Umsatzes wird neben dem Handel mit Tonträgern inzwischen mit dem Verkauf szenetypischer Textilien erzielt. Insbesondere Kleidungsstücke mit politischen Parolen finden innerhalb der Szene großen Anklang. Der Anteil der Tonträger am Gesamtumsatz ist hingegen rückläufig. Die Ursache hierfür liegt hauptsächlich in der Vervielfältigung auf privater Ebene (Brennen von CDs sowie Tausch von Musiktiteln über Internet-Tauschbörsen). Die Besitzer von Skinhead-Musikvertrieben haben auf diese Entwicklung reagiert und ihre Produktpalette umgestellt beziehungsweise erweitert. Häufig bieten sie inzwischen ein breit gefächertes Sortiment an, welches sich nicht mehr nur auf reine Szeneartikel beschränkt: So werden teilweise auch Kleidungsstücke im MittelalterLook wie Miederjacken, Leinenröcke und Gothic-Kleider angeboten, während andere Vertriebe Fußballfans mit Hooligan-Affinität als Zielgruppe ausgemacht haben und mit entsprechenden Textilien bedienen. Ein nordrhein-westfälischer Vertrieb bietet auch Panzermodelle, Deko-Waffen, Bücher über nordische Mythologie, Heidentum und Runenkunde, Tarnbekleidung sowie übliche Outdoor-Ausrüstung (Zelte, Decken, Schlafsäcke), Rucksäcke, Taschen und Trinkhörner an. 38 Rechtsextremismus im Internet Das Internet hat sich zu einem der wichtigsten Kommunikationsund Informationsmedien für Rechtsextremisten entwickelt. Aufgrund des geringen Aufwands für eine Internetveröffentlichung nutzen Rechtsextremisten das Internet regelmäßig zur Publikation von Informationen. Hierdurch kann ein erheblich größerer Adressatenkreis erreicht werden als bei Druckerzeugnissen, zudem können Veröffentlichungen über das Internet schneller und kostengünstiger realisiert werden. Gesunkene Kosten für Internetzugänge haben zudem die Breitenwirkung des Mediums weiter verstärkt. Sowohl Einzelpersonen des rechtsextremistischen Spektrums als auch alle wesentlichen rechtsextremistischen Parteien (teilweise einschließlich der Landes-, Kreisbeziehungsweise Ortsverbandsebene) sowie Publikationen und sonstige Organisationen sind im Internet vertreten. Vielfach verweisen Webseiten mit rechtsextremistischen Inhalten über sogenannte "Hyperlinks" auf einander und erhöhen so ihren Bekanntheitsgrad innerhalb der Szene. 84 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Mit etwa .000 deutschsprachigen Homepages im Jahr 2007 ist die Zahl der Internetseiten mit rechtsextremistischen Inhalten im Vergleich zu den beiden Vorjahren weitgehend unverändert geblieben. Gleichwohl ist hier eine regelmäßige Fluktuation des Angebots feststellbar. Insbesondere Webseiten von Einzelpersonen sind häufig nur kurzzeitig im Netz verfügbar. Dies liegt insbesondere daran, dass diese ihre Webseiten häufig über Anbieter von kostenlosem Speicherplatz ins Internet einstellen. Viele Anbieter schließen in ihren Geschäftsbedingungen extremistische Inhalte aus und sperren solche Seiten, nachdem sie hierüber Kenntnis erhalten haben. Rechtsextremisten verfolgen mit ihrer Präsenz im Internet insbesondere folgende Ziele: : Selbstdarstellung und Propaganda, : Öffentlichkeitsarbeit und Nachwuchswerbung, : szeneinterne Kommunikation, informationelle Vernetzung und Mobilisierung sowie : kommerzielle Zwecke. Die inhaltliche Bandbreite rechtsextremistisch motivierter Internetpräsenzen ist umfangreich. Sie reicht von Seiten, die offen strafrechtlich relevante Inhalte zeigen, bis zu Seiten, deren rechtsextremistischer Hintergrund nur schwer erkennbar ist. Insbesondere auf revisionistischen Seiten wird versucht, über ein pseudowissenschaftliches Erscheinungsbild die wahren Absichten - Verharmlosung beziehungsweise Leugnung des Holocaust - zu verschleiern. Ferner machen sich Rechtsextremisten auch Themenfelder zu eigen, die bislang überwiegend von der politischen Linken besetzt waren. Neben globalisierungskritischen Inhalten werden zum Beispiel Umweltund Tierschutzthemen aufgegriffen. Nutzung moderner Web-Techniken durch Rechtsextremisten Dem allgemeinen Trend folgend, finden auch moderne Gestaltungselemente Verwendung innerhalb des rechtsextremistischen Internetangebots. Einschlägige SzeneMusik und Videoclips sind vielfach Bestandteile rechtsextremistischer Homepages. Insbesondere auf Webseiten aktionsorientierter rechtsextremistischer Gruppierungen werden Videos von Demonstrationen und anderen Aktionen zum Download angeboten. Multimediale Elemente sorgen einerseits für eine allgemeine Attraktivitätssteigerung der Seiten, andererseits sollen eine moderne Aufmachung und insbesondere die rEchtsExtrEmismus 85 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Musik die Szene für junge Menschen interessant machen und somit zur NachwuchsWerbung beitragen. Zusätzlich zu den bereits seit Jahren genutzten und weitgehend statischen Anwendungen World Wide Web (WWW) und E-Mail versuchen Rechtsextremisten auch neue technische Entwicklungen und Strömungen im Internet (häufig mit dem Begriff "Web 2.0" gekennzeichnet) aufzugreifen. Hierbei nutzen sie interaktive Web-Dienste und -Techniken für ihre Zwecke. Mittels sogenannter Weblogs, Video-Tausch-Portalen und sozialer Netzwerke geben sie hierbei den Nutzern die Möglichkeit, eigene Textbeiträge oder Videosequenzen zu veröffentlichen. Einige rechtsextremistische Webseiten und Foren bieten an, neu hinzugefügte Beiträge über sogenannte "RSS Feeds" zu abonnieren. Unter 'RSS' (Really Simple Syndication) versteht man eine Technik, über die ein Nutzer Inhalte einer Webseite abonnieren oder auf einer Webseite einbinden kann. Neu veröffentlichte Inhalte werden dann automatisch über den Web-Browser oder ein E-Mail-Programm auf die Computer des Abonnenten geladen. Einen elementaren Bestandteil szeneinterner Kommunikation stellen weiterhin Internet-Foren dar. Viele rechtsextremistische Webseitenbetreiber bieten den Besuchern ihrer Homepage eine solche Diskussionsplattform, über welche Szenemitglieder online miteinander kommunizieren können. Einige Betreiber rechtsextremistischer Foren sind dazu übergegangen, den Zugang zu den Foreninhalten nur noch angemeldeten Nutzern zu ermöglichen. Deutschsprachige Foren weisen vereinzelt Nutzerzahlen im vierstelligen Bereich auf. Der nach Abspaltung vom mehrsprachigen 'Skadi-Forum' unter dem Namen 'Thiazi-Forum' weiter geführte deutsche Bereich verfügt inzwischen sogar über mehr als 2.000 aktive Nutzer. "Nationales" Videoportal gegründet Zusätzlich zu szeneinternen Angeboten nutzen Rechtsextremisten zunehmend auch populäre unpolitische Web-Angebote wie die Video-Plattform "YouTube" zur Verbreitung ihrer politischen Ansichten. Ihr Ziel ist hierbei, über die rechtsextremistische Szene hinaus einen möglichst großen Adressatenkreis anzusprechen. Die dort veröffentlichten Videos unterscheiden sich in ihrer Machart zum Teil deutlich. Während offensichtlich privat erstellte Szene-Videos häufig mit Filmsequenzen aus der NS-Zeit 86 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 und mit Skinhead-Musik hinterlegt sind, steht bei Videos mit Parteiund Organisationsbezug die Verbreitung ideologischer Inhalte eindeutig im Vordergrund. Zum Teil verstoßen die veröffentlichten Inhalte gegen Jugendschutzbestimmungen und Strafrechtsnormen, ferner auch gegen die Nutzungsbestimmungen der Dienstanbieter. Diese schließen in der Regel Inhalte explizit aus, welche zum Hass aufrufen oder geeignet sind, andere Personen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit, Religion oder Nationalität zu erniedrigen. Als Reaktion auf erfolgte Löschungen rechtsextremistischer Inhalte bei YouTube wurde von Rechtsextremisten ein "nationales Alternativangebot" ins Internet eingestellt. Nach Aussage eines rechtextremistischen Weblogs sei mit dem nationalen Videoportal "Vorsorge getroffen worden [...], Nationalisten auch künftig ein Medium zur Verfügung zu stellen, auf dem sie ihre Videos hochladen können. Unabhängig davon, ob die Macher von YouTube nun eine schärfere Zensur einführen, oder nicht. So ist YouTube sicher hervorragend geeignet um mit brauchbarem Videomaterial auch an die übrigen User weltweit zu kommen, währenddessen das nationale Pendant [...] zweifellos als Sammelsurium nationaler Filmkunst betrachtet werden darf." Erneute Hackerangriffe auf rechtsextremistische Webseiten Zum Jahresende 2007 wurde in einem über das linke Internetportal 'Indymedia' verbreiteten Artikel berichtet, dass fast 60 rechtsextremistische Homepages gehackt worden seien. Primär betroffen waren Webseiten, die über einen Szeneprovider ins Netz gestellt worden waren. Hierzu gehörte auch das bereits erwähnte nationale Videoportal 'NS-Media', dessen Inhalte - im Gegensatz zu anderen, bereits wieder verfügbaren Webseiten - nach wie vor nicht abrufbar sind. Weitere Hackerangriffe richteten sich unter anderem gegen Internetseiten der NPD, der JN und eines rechtsextremistischen Musikvertriebs. Hierbei wurden auch Kundendaten des Vertriebs veröffentlicht. 39 Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten Das gesellschaftliche Problem Rechtsextremismus macht staatliches Handeln in vielen Bereichen erforderlich. Ein - wenn auch kleiner so doch wesentlicher - Baustein in der Bekämpfung des Rechtsextremismus ist nach wie vor das im Juli 200 gestartete Aussteigerprogramm. Mit dem Programm zur Ausstiegshilfe sollen die zahlreichen präventiven behördlichen Maßnahmen ergänzt werden. Einem demokrarEchtsExtrEmismus 87 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 tischen Rechtsstaat kommt nicht allein die Aufgabe zu, ein Abgleiten in die rechtextremistische Szene zu verhindern; er muss Ausstiegswilligen auch eine Chance zum Verlassen der Szene geben. Hierfür hat die Landesregierung im Bürgerund ServiceCenter Call NRW der Staatskanzlei eine telefonische Kontaktmöglichkeit geschaffen (Tel.: 080 00 0). In Zusammenarbeit mit einer ausgewählten Vertrauensperson - dem Aussteigerbetreuer des Innenministeriums - wird für jeden Einzelnen ein persönlich zugeschnittenes Ausstiegskonzept entwickelt und Hilfe bei dessen Umsetzung geleistet. Die Ausstiegsmaßnahmen umfassen Hilfe bei der Arbeitsplatzsuche, Unterstützung bei Qualifizierungsmaßnahmen (beispielsweise bei der Erlangung des Führerscheins oder eines Ausbildungsabschlusses), psychologische Hilfe, Eingliederung in Entziehungsmaßnahmen, die Hilfe bei Familienzusammenführung, Umzugshilfen und Haftbetreuung. Neben dem Verfassungsschutz weist auch die Polizei durch direkte Ansprachen auf die Möglichkeit des Ausstiegs hin. Darüber hinaus informiert der Verfassungsschutz durch Vorträge und durch Veranstaltungen, z.B. in den Justizvollzugsanstalten und in sozialen Einrichtungen, verstärkt über das Programm. Ein nicht unbeachtlicher Teil der Ausstiegswilligen hat hierüber den Weg in das Programm gefunden. Durch die gemeinsamen Anstrengungen von Verfassungsschutz, Polizei, Justiz und anderen Einrichtungen ist es gelungen, bis Ende 2007 über 50 Personen in das Programm aufzunehmen. Die Ausstiegswilligen sind zumeist arbeitslos und stammen aus belasteten Familiensituationen. Die Mehrheit der Aufgenommenen war bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten. Durch die Unterstützung durch das Aussteigerprogramm konnten viele von ihnen die rechtsextremistische Szene verlassen. Die Durchführung von Arbeitstagungen, der regelmäßigen Informationsaustausch und die Netzwerkpflege zwischen Verfassungsschutz, Staatschutzstellen der Polizei, Kommunen, der AJS (Arbeitsgemeinschaft Kinderund Jugendschutz Landesstelle NRW e.V.) und anderen Einrichtungen, haben sichergestellt, dass das Aussteigerprogramm ein wichtiger und unverzichtbarer Baustein im Kampf gegen den Rechtsextremismus ist und bleibt. 88 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 4 Linksextremismus Linksextremismus bezeichnet das aktive Wirken für eine politische Überzeugung, die eine umfassende und tiefgreifende Umwälzung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorsieht. Am Ende dieser Veränderung soll ein klassenloses sozialistisches/kommunistisches Gesellschaftssystem stehen, in dem jeder Mensch - unabhängig von seiner Herkunft, seinem Geschlecht oder der Zugehörigkeit zu einer Religion oder einem Staat - frei von Herrschaft durch andere Menschen sein soll. Zum Erreichen dieser Ziele wollen Linksextremisten den Kernbereich der durch das Grundgesetz vorgegebenen Staatsund Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik abschaffen oder zumindest in Teilen aufheben. Verfassungsfeindlichkeit Damit verfolgen sie Ziele, die gegen die grundlegenden Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verstoßen und verhalten sich deshalb verfassungsfeindlich. Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung gehören die Achtung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte, Volkssouveränität, Gewaltenteilung, Verantwortlichkeit der Regierung, Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Unabhängigkeit der Gerichte, die Chancengleichheit aller politischen Parteien mit dem Recht auf Bildung und Ausübung einer Opposition. Einig sind sich Linksextremisten aller Schattierungen darin, dass es die herrschende bürgerlich-kapitalistische Demokratie zu überwinden gilt. Die Verwirklichung linksextremistischer Utopien hätte die Aufhebung im Grundgesetz verankerter Werte und Inhalte zur Folge. Unsere garantierten Grundrechte und die parlamentarische Demokratie wären genauso beeinträchtigt wie Pluralismus, Gewaltenteilung und das Rechtsstaatsprinzip - je nach ideologischer Ausrichtung in unterschiedlicher Intensität. 3 Zur Erfüllung seiner Funktion als Frühwarnsystem in der wehrhaften Demokratie ist der Verfassungsschutz durch das Verfassungsschutzgesetz NRW berechtigt, über eine Organisation zu berichten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer verfassungsfeindlichen Bestrebung vorliegen. Für eine Berichterstattung ist es nicht Voraussetzung, dass sich Verdachtsmomente bis zur Einschätzung als "verfassungsfeindlich" verdichtet haben. Soweit nur Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, wird dies ausdrücklich hervorgehoben linksExtrEmismus 89 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Linksextremisten agieren mit unterschiedlichen Methoden und nutzen verschiedene Organisationsformen (zum Beispiel Parteien, Gruppen, Vereine, offene und geschlossene Diskussionsrunden). Sie engagieren sich für ihre Zielsetzungen auch auf Aktionsfeldern und bei Themen, die für sich betrachtet nicht extremistisch sind. So versuchen sie, ihre politischen Vorstellungen in die Gesellschaft zu tragen. Dafür sind sie auch bereit, mit bürgerlich-demokratischen Organisationen und Institutionen zu kooperieren, und ihre eigenen Ziele kurzfristig zurückzunehmen. Auch wenn Themenfelder und Aktionsmuster innerhalb des linksextremistischen Spektrums je nach ideologischer Ausrichtung unterschiedlich sein können, gibt es verbindende Elemente: Der Kampf gegen den "Faschismus" (als Form der bürgerlichen kapitalistischen Gesellschaft), gegen die "kapitalistische Globalisierung" und gegen den Abbau von sozialen Leistungen und Rechten. Nach Ansicht von Linksextremisten liegt die politische Lösung dieser Problemfelder in einem revolutionären Umbau des gesellschaftlichen Systems. Linksextremistische Parteien Die derzeit bestehenden linksextremistischen Parteien verfolgen verschiedene ideologische Richtungen. Ihre unterschiedlichen Ansätze verhinderten dabei in der Regel ein gemeinschaftliches Auftreten. Dabei streben linksextremistische Parteien nicht in erster Linie nach parlamentarischer Repräsentanz. Sie sind sich ihrer geringen Erfolgsaussichten bewusst und wollen daher ihre politischen Ziele vor allem über den außerparlamentarischen Kampf erreichen. Durch Bündnisarbeit und Einflussnahme auf soziale Bewegungen wollen sie eine Veränderung der Einstellungen in der deutschen Bevölkerung erreichen, um dadurch den außerparlamentarischen Druck für eine revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft zu erzeugen. Einer der umstrittensten Punkte ist dabei die Anwendung von Gewalt als Mittel zum gesellschaftlichen Umsturz. Häufig wird die politisch motivierte Gewalt als legitimes und geeignetes Mittel angesehen, um linksextremistische Vorstellungen zu verwirklichen. Aus taktischen Erwägungen sieht man in der derzeitigen gesellschaftlichen Lage aber davon ab. Sollte jedoch eine sogenannte "revolutionäre Situation" soweit fortgeschritten sein, dass Gewalt als dienlich erachtet wird, um den angestrebten Umsturz zu verwirklichen, würde sie von denjenigen, die Gewalt grundsätzlich bejahen - zumindest den programmatischen Aussagen zufolge - auch angewandt. Der 90 linksExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 rein taktische Charakter der Ablehnung von Gewalt ist zum Beispiel in den fehlenden Distanzierungen im Zusammenhang mit der gewalttätigen Demonstration in Rostock am 2. Juni 2007 zu sehen. Autonome Entscheidend für Autonome ist die grundsätzliche Protestund Verweigerungshaltung gegenüber dem politischen und gesellschaftlichen System in der Bundesrepublik Deutschland. Wahlen werden grundsätzlich abgelehnt. Autonome mischen sich überall dort in aktuelle Konflikte ein, wo es ihren persönlichen Bedürfnissen und Grundüberzeugungen entspricht. Die aktionistischen Schwerpunkte liegen dabei vor allem in den Themenfeldern Antifaschismus, Antirassismus, Antiglobalisierung, Antiimperialismus und Anti-Kernkraft. Organisierungsversuche, die über lockere Strukturen und Netzwerke hinausgehen, scheitern regelmäßig, weil die damit verbundene notwendige Institutionalisierung und Verbindlichkeit den Grundvorstellungen zuwiderläuft. Innerhalb der autonomen Szene ist der Einsatz von Gewalt kaum umstritten. Autonome wollen dadurch chaotische Zustände verursachen, um die Unregierbarkeit des Staates herbeizuführen. Insbesondere Gewalt gegen tatsächlich oder vermeintlich rechtsextremistische Personen und Strukturen sowie gegen die Polizei und andere staatliche Institutionen gilt als legitimes Mittel für autonome Zielsetzungen. Dabei steht die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung gesellschaftlicher Utopien konträr zu dem von der Mehrheit der gesamten Gesellschaft als gültig angesehen Konsens, dass Entwicklung durch demokratische Abstimmung erreicht wird. Gewaltsames Vorgehen missachtet die durch demokratische Prozesse getroffenen Entscheidungen der Mehrheit. 41 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Gründung Bund NRW 968 968 Bezirk Ruhr Westfalen Bezirk Rheinland Westfalen Sitz Essen Essen Leverkusen Vorsitzende Heinz Stehr Marion Köster Anne Frohnweiler linksExtrEmismus 9 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Mitglieder weniger als 2007 .500 ca. 4.200 weniger als 2006 .500 ca. 4.200 'unsere zeit' (uz), wöchentliche Auflage ca. 7.500; Publikationen 'Marxistische Blätter', zweimonatliche Auflage ca. 3.000 Internet Homepage des DKP Parteivorstands seit Februar 997 Hintergrund Die 'Deutsche Kommunistische Partei' (DKP) ist die Kernorganisation der als "orthodox kommunistisch" einzuordnenden Richtungen des Linksextremismus. Sie selbst versteht sich seit ihrer Gründung 968 als politische Nachfolgerin der 956 vom Bundesverfassungsgericht verbotenen 'Kommunistischen Partei Deutschlands' (KPD). Sie bekennt sich als "revolutionäre Partei der Arbeiterklasse" zum Marxismus-Leninismus und strebt unverändert eine revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft an; sie ist damit eindeutig verfassungsfeindlich. Die DKP verfolgt als taktische Ziele, die kommunistische Weltanschauung in sozialen Bewegungen zu verbreiten, in pluralistischen Bündnissen präsent zu sein und den außerparlamentarischen Kampf zu unterstützen. Die DKP strebt - wie es in der Präambel des Parteiprogramms von 2006 heißt - danach, "die Arbeiterklasse und die anderen Werktätigen für den Sozialismus/Kommunismus als Ziel zu gewinnen." Weitere Diskussion über das neue Parteiprogramm bleibt weitgehend aus Das Parteiprogramm der DKP wurde nach 5-jähriger interner Diskussion auf der 2. Tagung des 7. Parteitages am 8. April 2006 in Duisburg verabschiedet. Danach sind Fundament und politischer Kompass der Politik der DKP die von Marx, Engels und Lenin begründeten Lehren des Marxismus. Die DKP will diese auf die Bedingungen des Klassenkampfes in unserer Zeit anwenden und zu ihrer Weiterentwicklung beitragen: "Ziel der DKP ist der Sozialismus/Kommunismus". Ausgehend von den unterschiedlichen innerparteilichen Auffassungen zum Programm sowie dem Abstimmungsverhalten (mehr als 20% der Delegierten und damit ein für eine kommunistische Partei überaus hoher Anteil stimmten dagegen) hätte man er92 linksExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 warten können, dass sich die Programmdebatte in der DKP 2007 fortsetzen würde. Dies hat sich jedoch nicht bestätigt. 15 UZ - Pressefest Unter dem Motto "Fest der Solidarität" fand vom 22. bis 24. Juni 2007 im Dortmunder Revierpark Wischlingen das nunmehr 5. Pressefest des DKP-Zentralorgans 'unsere zeit' (uz) statt. Dieses alle zwei Jahre stattfindende Fest bietet der DKP eine der wenigen Möglichkeiten, sich einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren und die finanzielle Situation zu verbessern. Letzteres erweist sich als schwierig. So wird beispielweise - trotz wiederholter Kampagnen - nach Angaben des Verlages die Abonnentenzahl bei der UZ Anfang 2008 unter der des Vorjahres liegen. Bündnispolitik Die DKP ist als eigenständige politische Kraft, insbesondere bei Wahlen, aufgrund ihrer finanziellen und strukturellen Schwächen kaum noch wahrnehmbar. Sie versucht deshalb, über Bündnisse mit anderen Gruppierungen beziehungsweise durch Initiierung "offener Listen" andere politische Kräfte einzubinden. So agiert beispielsweise in Dortmund das 'Linke Bündnis Dortmund - Parteilose Linke, DKP und SDAJ' (LiBüDo), in dem sich die DKP als bloßes Mitglied geriert. In der Realität ist jedoch der DKP-Kreisvorstand Dortmund die dominierende Kraft. 2007 schlossen sich im Rat der Stadt Dortmund Vertreter des "LiBüDo", der Partei 'Die.LINKE.' sowie weiterer Gruppierungen zur Ratfraktion 'Die Linken im Rat' zusammen. Einen Schwerpunkt ihrer Arbeit sieht die DKP im außerparlamentarischen Kampf. Der Parteivorsitzende Heinz Stehr erklärte im April der UZ: "Wenn man wirklich die Verhältnisse verändern und die Rechtsentwicklung stoppen will, dann braucht man den außerparlamentarischen Kampf." Dementsprechend beteiligte sie sich an den Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm. 2008: 40 Jahre DKP Der 8. Parteitag der DKP fand am 2./24. Februar 2008 in Mörfelden-Walldorf statt. Das 40jährige Bestehen der Partei wird mutmaßlich im Mittelpunkt der propagandistischen Arbeit in 2008 stehen. Der Verlauf des Parteitages offenbarte diametral linksExtrEmismus 9 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 gegensätzliche Auffassungen über die Schlagkraft. Sie reichten von vorsichtigem Optimismus bei der Parteileitung bis zur Einschätzung, die DKP befinde sich in einer Existenzkrise. 42 DIE LINKE Landesverband Nordrhein-Westfalen (DIE LINKE NRW) Gründung Oktober 990 Sitz Düsseldorf (Landesgeschäftsstelle) Sprecherin/Sprecher Ulrike Detjen, Wolfgang Zimmermann Mitglieder 2007 5.706 (Eigenangabe, Stand 9..2007) 2006 ca .900 ('nur Linkspartei.PDS') Publikationen 'DIE LINKE. Nordrhein-Westfalen' 'LANDESINFO NordrheinWestfalen', Zeitschriften der Parteigliederungen (zum Beispiel Zeitschriften für regionale Bereiche) Internet eigene Homepage Im Juni 2007 hat sich die frühere SED, SED-PDS, PDS beziehungsweise 'Linkspartei. PDS' ein weiteres Mal umbenannt. Sie führt nunmehr die Bezeichnung 'DIE LINKE.' und hat durch Aufnahme der bisherigen Partei 'Arbeit & soziale Gerechtigkeit - die Wahlalternative' (WASG) ihre personelle und organisatorische Struktur verändert. In ihrer Programmatik und in ihrem Verhältnis zu innerund außerparteilichen, eindeutig linksextremistischen Gruppen beziehungsweise Parteien hat sie sich in den entscheidenden Punkten dagegen nicht verändert. Der vielschichtige Charakter der Partei bietet auch aktuell Anhaltspunkte für den Verdacht einer linksextremistischen Bestrebung (SS Absatz Nr. VSG NRW; siehe Fußnote am Beginn des Kapitels). Hintergrund Nach dem Verlust ihrer Macht in der ehemaligen DDR musste sich die damals staatsbeherrschende 'Sozialistische Einheitspartei Deutschlands' (SED) ideologisch, politisch und organisatorisch auf die neue Situation einstellen. Sie tat dies durch die Wahl einer neuen Parteispitze, ihre Umbenennung in 'Partei des demokratischen Sozialismus' (PDS), durch den Bruch mit der Ideologie des Marxismus-Leninismus in seiner durch die 'Kommunistische Partei der Sowjetunion' (KPdSU) geprägten Form 94 linksExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 und eine - zumindest punktuelle - Orientierung auf bestimmte Werte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes. 99 gab sich die PDS ein Parteiprogramm, dessen wesentliche Ziele die Überwindung des Kapitalismus in der Bundesrepublik und der Aufbau einer neuen sozialistischen Gesellschaft waren. Das Programm war so allgemein gehalten, dass es sowohl Reformern des bestehenden Gesellschaftssystems Raum bot, als auch Parteiflügeln und innerparteilichen Strömungen, die das bestehende Gesellschaftssystem überwinden wollten. In wesentlichen Fragen, insbesondere ob die gesellschaftlichen Veränderungen parlamentarisch oder außerparlamentarisch erreicht werden sollten, legte sich die Partei durch bewusst offen gehaltene Formulierungen im Parteiprogramm nicht fest. Die aus dieser Ausgangslage resultierende programmatische Mehrdeutigkeit ist bis heute - auch nach dem Beitritt der WASG - unverändert geblieben. Seit Ende der neunziger Jahre wurde - teilweise sehr kontrovers - über ein neues Parteiprogramm diskutiert, da das Programm von 99 zumindest in Teilen nicht mehr der tatsächlichen politischen Entwicklung entsprach (zum Beispiel wegen der Beteiligung der PDS an mehreren Landesregierungen). Das neue Programm wurde im Oktober 200 verabschiedet und zeigte in wichtigen Teilen eine sich entwickelnde Akzeptanz der parlamentarischen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland. Es enthält aber auch Aussagen, die widersprüchlich sind oder sehr unterschiedlich interpretiert werden können. Wesentlich ist also die Frage, ob die Partei das Grundgesetz inhaltlich tatsächlich akzeptiert hat oder ob sie nur dessen Begriffe übernimmt, diese Fassade aber mit eigenen Inhalten füllt. Diese Aussagen treffen im Kern auch auf die derzeit gültigen programmatischen Grundsatzdokumente der Partei 'DIE LINKE.' zu. Im Verlauf des Verfahrens des Beitrittes der WASG zur 'Die Linkspartei.PDS' beschlossen beide Parteien verschiedene Grundsatzdokumente. Auf zwei Parteitagen der 'Linkspartei.PDS' beziehungsweise der WASG am 24./25. März 2007 wurden diese Dokumente als sogenannte Gründungsdokumente beschlossen. In diesen Eckpunkten wurden die politischen Inhalte für die umbenannte Partei festgeschrieben. Die von der 'Linkspartei. PDS' eingebrachten Ziele des demokratischen Sozialismus und der Systemüberwindung des Kapitalismus, beide vormals nicht Ziele der WASG, wurden dabei linksExtrEmismus 95 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 übernommen. In einer Urabstimmung hatten die Parteimitglieder Gelegenheit, ihr Votum zu dem Fusionsprozess abzugeben. Am 5. Juni 2007 fanden in Berlin zum letzten Mal parallel tagende Parteitage beider Parteien statt. Die jeweiligen Delegierten verabschiedeten die Gründungsdokumente und bestimmten die Kandidaten für die Führungspositionen der Partei nach dem Beitritt der WASG. Dieser Parteitag der 'Linkspartei.PDS' begrüßte als Gäste die Delegationen von mehr als zwei Dutzend kommunistischen Parteien, wobei die kubanische Delegation länger andauernden Beifall erhalten haben soll. Im Zusammenhang mit dem Bericht über einen Kuba-Besuch erklärte ein Spitzenfunktionär, die Diskussion über die fehlenden Menschenrechte in Kuba würden von den anderen Parteien gegen die 'Linkspartei. PDS' instrumentalisiert. Beides zeigt, dass die Partei auch nach den Diskussionen der vergangenen Jahre weiterhin ein unklares Verhältnis zu den Menschenrechten des Grundgesetzes hat. Am 6. Juni 2007 fand dann der erste Parteitag der Partei 'DIE LINKE.' statt. Die politische Ausrichtung des Parteitags der 'Linkspartei.PDS' vom Vortag wurde auch seitens der WASG nicht problematisiert. Anhaltspunkte für die weitere Beobachtung der Partei 'DIE LINKE' Landesverband Nordrhein-Westfalen In Nordrhein-Westfalen liegen auch weiterhin die schon in früheren Verfassungsschutzberichten genannten tatsächlichen Anhaltspunkte für den Verdacht linksextremistischer Bestrebungen im Sinne des SS Abs. Nr. VSG NW vor. Auch die nach dem Beitritt der WASG verabschiedeten, derzeit gültigen programmatischen Grundsatzdokumente schaffen keine Klarheit hinsichtlich der Vereinbarkeit der politischen Ziele der Partei 'DIE LINKE.' mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Dies gilt sowohl für die Inhalte der programmatischen Dokumente der Bundespartei als auch für die des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen von den Parteitagen am 20./2. Oktober in Gladbeck. Die Äußerungen von nordrhein-westfälischen Funktionären, die Partei stehe auf dem Boden des Grundgesetzes, können die in den Programmen enthaltenen revolutionär-marxistischen Aussagen nicht entkräften. Deren politische Umsetzung ist im Rahmen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht möglich. 96 linksExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Außerdem arbeiten der Landesverband beziehungsweise bestimmte Teilgliederungen mit der 'Deutschen Kommunistischen Partei' (DKP) zusammen. Die Situation ist regional unterschiedlich und scheint stark von den persönlichen Verhältnissen vor Ort geprägt zu sein; insgesamt betrachtet ist eine Abgrenzung des Landesverbandes von eindeutig extremistischen Positionen der DKP nicht zu beobachten. Inzwischen bestehen in drei Städten Fraktionen aus 'DIE LINKE.' und DKP, in zwei Fällen ist mit 'AUF' zusätzlich eine Tarnorganisation der 'Marxistisch-Leninistischen-Partei Deutschlands' (MLPD) beteiligt; teilweise sind DKP-Mitglieder Angehörige der Ratsfraktion der Partei 'DIE LINKE.' Auch arbeiten im Landesverband seit der Gründung an maßgeblichen Stellen Personen mit, deren politischer Werdegang in der westdeutschen dogmatischen 'Neuen Linken' begann. Diese Strukturen bestehen weiter. Mal arbeitet der gesamte Landesverband NRW, mal kooperieren Teile von ihm bei bestimmten politischen Themenfeldern mit anderen linksextremistischen Gruppierungen - bis in das gewaltbereite Spektrum hinein - zusammen. Bis heute hat sich der Landesverband NRW der Partei 'DIE LINKE.' nicht von eindeutig linksextremistischen Zusammenschlüssen in seinen Reihen getrennt; er hat deren organisatorische Zulässigkeit sogar bestätigt. Über ihre Mitarbeit in der damaligen WASG gelangten inzwischen Mitglieder trotzkistischer Gruppen in die Partei 'DIE LINKE.'. Auch deren Mitgliedschaft und politische Aktivität werden von der Partei geduldet. Verhalten der Partei zum G8-Gipfel in Heiligendamm Zu den im Zusammenhang mit dem G8-Gipfel in Heiligendamm von Demonstranten begangenen Rechtsbrüchen äußerte sich die Partei ebenfalls mehrdeutig. Einerseits bekannte sich der Parteivorsitzende zur absoluten Gewaltfreiheit. Andererseits erklärte eine hohe Parteifunktionärin zu den Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei, die größte Gewalt gehe von den G8 selbst aus. Eine überzeugende, vollständige Distanzierung der Partei von gewalttätigen Protesten fehlt. Bündnispolitik Während die Kooperation mit linksextremistischen Gruppierungen und Parteien für 'DIE LINKE.' geübte Praxis ist, wird eine Kooperation vom bürgerlich-demokratischen Lager skeptisch gesehen. Mit großem Interesse beobachtet 'DIE LINKE.' deshalb die linksExtrEmismus 97 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 in und von anderen Parteien geführten Diskussionen über Koalitionsmöglichkeiten mit der Partei. Neuer Jugendverband und neuer Hochschulverband gebildet Nach erheblichen internen Auseinandersetzungen bildete sich im Mai der neue parteinahe Jugendverband 'Linksjugend. [solid]'. An der Gründung waren überwiegend Mitglieder des vormaligen - ebenfalls parteinahen - Jugendverbandes '[solid]' und der früheren 'WASG-Jugend' beteiligt. Unter dem Namen 'DIE LINKE. sozialistisch-demokratischer Studierendenverband' (LINKE.SDS) verfügt die Partei nunmehr auch über einen ihr nahestehenden Hochschulverband; er ist Bestandteil des Jugendverbandes. Diese Strukturen bestehen auch in Nordrhein-Westfalen. Beide Verbände sind berechtigt, Parteidelegierte zu benennen. Trotzkisten als neuer Teil der Partei Am . September 2007 beschloss eine Delegiertenkonferenz der trotzkistischen Gruppe 'Linksruck' die Selbstauflösung und erklärte, "die Konferenz fordert alle Mitglieder von 'Linksruck' auf, mit ihren Ideen und Traditionen am Aufbau der LINKEN mitzuwirken und zur Stärkung marxistischer Positionen beizutragen." Dazu soll ein neues marxistisches Netzwerk um das ebenfalls neue Magazin 'marx 2' aufgebaut werden. Mitgliederentwicklung in Nordrhein-Westfalen Nach einer Aufstellung des Landesverbandes verfügten WASG und 'Linkspartei. PDS' am . Dezember 2006 zusammen über etwa 4.900 Mitglieder. Im Jahr 2007 schwankten die Angaben über die gemeinsame Mitgliederzahl in Nordrhein-Westfalen zwischen 5.200 und 5.760. In der Vergangenheit sind Mitgliederangaben nach einer gewissen Zeit regelmäßig nach unten korrigiert worden. 43 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) Gründung 982 Sitz Gelsenkirchen Vorsitzender Stefan Engel 98 linksExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Nebenorganisationen 'Rebell' und 'Rotfüchse' (Jugendbeziehungsweise Kinderorganisation der MLPD) Vorfeldorganisationen Zahlreiche Gruppierungen mit nomineller Eigenständigkeit dienen der Partei als struktureller Unterbau und Vorfeldorganisationen, darunter der Frauenverband 'Courage' oder die kommunalen Wahlbündnisse 'AUF' Mitglieder NRW Bund 2007 ca. 650 ca. 2.000 2006 ca. 650 ca. 2.000 Publikationen 'Rote Fahne' (RF), wöchentliche Auflage ca. 7.500 Internet Die Partei verfügt über eine umfangreiche Internetpräsenz; 'Rote Fahne News' als Online-Nachrichtenmagazin Hintergrund Die 982 aus dem 'Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands' (KABD) hervorgegangene MLPD bekennt sich nach wie vor zu den Lehren von Marx, Engels, Stalin und Mao Tse-tung und verbindet nach eigener Aussage "den Kampf um die Forderungen der Arbeiterund Volksbewegungen mit dem Ziel der internationalen sozialistischen Revolution". Die Zielsetzung der MLPD ist durch eindeutig verfassungsfeindliche Aussagen geprägt. Bereits die Präambel in den Parteistatuten verdeutlicht dies: "Die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) versteht sich als politische Vorhutorganisation der Arbeiterklasse in Deutschland. Ihr grundlegendes Ziel ist der revolutionäre Sturz der Diktatur des Monopolkapitals und die Errichtung der Diktatur des Proletariats für den Aufbau des Sozialismus als Übergangsstadium zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft". Die angestrebte Gesellschaftsordnung soll hierbei durch eine Revolution erreicht werden, in deren Verlauf sich die "Arbeiterklasse unter Führung ihrer Partei [Anm.: gemeint ist die MLPD] zum bewaffneten Aufstand erheben, den bürgerlichen Staatsapparat zerschlagen, die Diktatur des Proletariats errichten und gegen die Konterrevolution verteidigen" müsse. "Vision", so der Parteivorsitzende in seiner Rede zum 25. Jahrestag der Parteigründung, sei "eine Welt der vereinigten sozialistischen Länder, die [...] immer mehr verschmelzen bis zu einer kommunistischen Gesellschaft". linksExtrEmismus 99 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Das gesamte Aktionspotenzial der MLPD fußt auf dem geschlossenen marxistisch-leninistischen Weltbild einer klassischen kommunistischen Kaderpartei. Dies zeigt sich auch in der dogmatisch unantastbaren Stellung des seit der Parteigründung amtierenden Vorsitzenden. In Nordrhein-Westfalen verfügt die Partei über einen Landesverband; regionaler Schwerpunkt ist das Ruhrgebiet. Partei weiterhin isoliert Das Hauptaugenmerk der politischen Arbeit legt die Partei neben der Frauenund Jugendpolitik, die sie im Rahmen einer Verschleierungstaktik mit vermeintlich eigenständigen organisatorischen Aktionsebenen umzusetzen versucht, vorwiegend auf die Betriebsund Gewerkschaftsarbeit sowie die Beteiligung an sozialen Protesten. Da sich die MLPD in einer fortdauernden Verfolgungssituation durch den Staat und seine Organe wähnt, agiert sie auf kommunaler Ebene verdeckt. Hier unterstützt die Partei angeblich unabhängige Wahlbündnisse mit der Bezeichnung 'AUF' für 'Alternativ, Unabhängig, Fortschrittlich', die jedoch zum Teil personell mit der MLPD verflochten sind. Trotz der ausgezeichneten Vermögenslage - bedingt unter anderem durch die erheblichen Zuwendungen eines Einzelspenders - stößt die MLPD aufgrund ihrer ideologischen Formelhaftigkeit und sektenähnlichen Struktur weder in der Öffentlichkeit noch im linksextremistischen Spektrum auf Resonanz. So bemühte sie sich im Zusammenhang mit den "Montagsdemonstrationen" erfolglos um die Positionierung als wahrnehmbarer Faktor. In zweijährigem Turnus organisiert die Partei ein sogenanntes Pfingstjugendtreffen in Gelsenkirchen (zuletzt im Mai 2007). Der eher volksfestartige Charakter dieser Treffen lässt eine ideologische Ansprache der überwiegend bürgerlichen Besucher jedoch ausgeschlossen erscheinen. 44 Autonome Szene ohne klare Abgrenzung zur Gesellschaft Seit ihrer Entstehung in den 1980er Jahren befindet sich die 'Autonome Szene' in einem andauernden Wandel. Dabei pendelt sie zwischen einer Existenz am Rande der Gesellschaft und einem zwar alternativen, aber dennoch etablierten sozialen Nischendasein. Gemeinsam ist der Szene der Wunsch nach der Überwindung des bestehenden Systems, das heißt der Abschaffung des Staates und dieser Gesellschaft. Dafür werden auch gewaltsame Handlungsoptionen (in unterschiedlichen Ausprägungen) akzeptiert, von vielen sogar als Voraussetzung angesehen. Dennoch 00 linksExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 ist die 'Autonome Szene' nicht gleichzusetzen mit dem auf (linksextremistischen) Demonstrationen zu beobachtenden sogenannten 'Schwarzen Block'; in diesem teilweise gewalttätigen Block finden sich viele Linksextremisten oder auch nur "erlebnishungrige" Personen, die weder einer bestimmten Gruppierung noch der 'Autonomen Szene' angehören. 'Autonome' sind in verschiedenen aktuellen Politikfeldern aktiv, in denen sie teils mit Nicht-Extremisten zusammen arbeiten. In Nordrhein-Westfalen handelt es sich bei der 'Autonomen Szene' um eine Mischszene im Bereich der Alternativkultur ohne klare Abgrenzungen zu anderen subkulturellen Strömungen. Dabei beschränkt sich die Themenpalette der autonomen Szene zumeist auf Antifaschismus und Antirassismus. Darüber hinaus hat der Protest gegen Kriegseinsätze im Ausland und gegen eine Verschärfung der Sicherheitsgesetze frühere Politikfelder, wie die Beteiligung an der Anti-Kernkraft-Kampagne, in den Hintergrund gedrängt. Auf lokaler Ebene kommt es zur Beteiligung bei sozialen Themen, wie an dem Protest gegen Studiengebühren, dem behaupteten "Sozialabbau" und der Forderung nach autonom verwalteten Zentren. Die antideutsche Denkrichtung innerhalb der autonomen Szene hat sich neben der traditionellen Grundeinstellung der linken Szene etabliert, die gegen den "US-Imperialismus" gerichtet ist. Wesentliche Auseinandersetzungen zwischen antideutschen und antiimperialistisch ausgerichteten Gruppierungen des autonomen Spektrums sind 2007 in Nordrhein-Westfalen nicht beobachtet worden. Für die autonome Szene war die Beteiligung an den Aktionen gegen den G8-Gipfel in Rostock und rund um Heiligendamm von herausragender Bedeutung. Die damit verbundene Mobilisierung strahlte auf nahezu alle Themenfelder aus. Dennoch: Der erneute Versuch, die 'Autonomen' auf überregionaler Ebene zu organisieren, versandete nach dem G8-Gipfel. Der autonomen Szene bleibt damit ein strukturelles Netzwerk auf niedrigem organisatorischen Niveau, das jedoch - in Abhängigkeit von der jeweiligen Tagespolitik - bei entsprechenden Anlässen ein hohes Mobilisierungspotenzial entfaltet. linksExtrEmismus 0 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 441 Antifaschismus als autonomes Themenfeld Die Agitation der autonomen Antifa-Szene in Nordrhein-Westfalen fand zwei Ansätze, die in den Medien unterschiedlich wahrgenommen werden. Zum einen werden rechtsextremistische Kundgebungen als Anlass für Gegenaktivitäten genommen; darüber wird - zumindest auf lokaler Ebene - intensiv in den Medien berichtet. Die zum Teil mit schwerwiegenderen Straftaten verbundenen teils zufälligen, teils geplanten direkten Konfrontationen zwischen "rechten" und "linken" Szeneangehörigen werden demgegenüber als "Schlagabtausch verfeindeter Jugendbanden" nur am Rande thematisiert. Die Dunkelziffer gerade bei diesen Vorfällen dürfte beträchtlich sein, weil sie den Sicherheitsbehörden häufig nur bei erheblichen Verletzungen zur Kenntnis gelangen. Die Zahl der politisch motivierten Straftaten im Bereich des Linksextremismus ist daher nur ein ungefährer Gradmesser für das tatsächliche Gewaltpotenzial in der Szene. Auch im Jahr 2007 kam es zu Rechts-/Links-Konfrontationen vor, während oder nach "rechten" Kundgebungen und Gegendemonstrationen mit einer entsprechend größeren Anzahl politisch motivierter Straftaten. 1 Mai in Dortmund als überregionaler Anlass für Antifa Das herausragende Ereignis in Nordrhein-Westfalen waren die Aktivitäten gegen die rechtsextremistische .-Mai-Demonstration in Dortmund. Die Kundgebung war ein Anlass für autonome Antifa-Aktivisten aus Norddeutschland, um neben den Gegenkundgebungen des bürgerlichen Spektrums zu eigenen Aktivitäten zu mobilisieren. Darüber hinaus nutzten viele "erlebnisorientierte" Jugendliche mit linker Ausrichtung diese Gelegenheit zur Teilnahme an einem "Szene-Event" mit Brandstiftung, Sachbeschädigungen und Körperverletzungen. Die dabei verwendete Taktik, Polizeiabsperrungen in Kleingruppen zu umgehen, war zuvor bei den "Aktionswochenenden" gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm eingeübt worden. Als beiderseitiges "Warm-Up" wurde bereits am 28. April 2007 sowohl von der rechtsals auch der linksextremistischen Szene zu einer Serie von Kundgebungen beziehungsweise Gegenkundgebungen in Kamp-Lintfort, Recklinghausen, Kamen und Paderborn aufgerufen. Dabei wurde die Veranstaltung in Recklinghausen im Ergebnis verhindert, in Kamen kam es zu mehreren Rechts-/Linksauseinandersetzungen. Eine Straßenblockade in Paderborn blieb ohne Auswirkung auf den rechten Aufzug. 02 linksExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 In Dortmund kam es am . Mai zu einem gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr, als Linksextremisten die S-Bahn blockierten, mit der ein großer Teil rechtsgerichteter Demonstranten zu ihrem Sammelpunkt fahren sollte. Mit brennenden Barrikaden sowie anderen Sachbeschädigungen wurde derart massiv in den Schienenverkehr eingegriffen, dass der Zugverkehr für längere Zeit unterbrochen war; "Rechte" Kundgebungsteilnehmer gelangten daher nur verspätet zum eigentlichen Versammlungspunkt. Ein ähnlicher Eingriff führte auch bei den Aktivitäten gegen eine rechtsextremistische Kundgebung am 7. Juli in Frankfurt zu ähnlich chaotischen Verhältnissen für die Bahnreisenden. Im Vergleich mit diesen Aktivitäten gegen die rechtsextremistische Kundgebung am . Mai hatte die Mobilisierung der autonomen Szene gegen eine ähnliche Veranstaltung der NPD am . September in Dortmund einen deutlich geringeren Erfolg. Während die Gegenkundgebung selbst ohne Störungen verlief, kam es im Nachgang der Versammlung zu Steinwürfen und anderen Übergriffen von Angehörigen des linksgerichteten Spektrums auf Teilnehmer der rechtsextremistischen Veranstaltung. Ausblick Das Aktionspotenzial der autonomen Antifa in Nordrhein-Westfalen stagniert weiter auf niedrigem Niveau. Mobilisierungsversuche werden auch künftig durch äußere Anlässe und kaum durch in der Szene selbst initiierte Prozesse erfolgen. Das Hauptaugenmerk gilt vor allem dem (lokalen) "Kampf gegen Rechts", also dem Stören und Verhindern rechtsextremistischer Kundgebungen. Daneben ist aber auch mit der Beteiligung von 'Autonomen' an überregionalen Protestaktionen mit hoher Medienpräsenz zu rechnen. 442 Anti-Globalisierungsbewegung Nach den Protesten gegen das G8-Treffen in Gleneagles/Schottland vom 2. - 8. Juli 2005 konzentrierten sich die Aktivitäten globalisierungskritischer Gruppen auf die Vorbereitung von Protestaktionen zum G8-Gipfel vom 6. - 8. Juni 2007 in Heiligendamm. linksExtrEmismus 0 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Die "Aktionswoche" gegen das G8-Treffen begann am . Juni 2007 unspektakulär mit einem sogenannten antimilitaristischen "Bombodrom"-Aktionstag gegen einen militärischen "Luft-Boden-Übungsplatz" bei Wittstock (Brandenburg) mit etwa 470 Teilnehmern. Den größten Raum in der Berichterstattung der Medien über Protestaktionen gegen das Gipfelereignis nahmen dann die Ereignisse im Rahmen der "Internationalen Großdemonstration" mit etwa 0.000 Teilnehmern am 2. Juni 2007 in Rostock ein. Nach vorherigen Absprachen unter den Veranstaltern und vielen beteiligten Bündnisgruppen sollte die Demonstration einen friedlichen "Happening-Charakter" haben, an der sich bisher demonstrationsunerfahrene Teilnehmer ebenso wie Familien mit Kindern ohne Angst beteiligen können. Innerhalb des Demonstrationszuges, insbesondere im Block der 'Interventionistischen Linken' (IL), bildeten sich durch die bewusst gewählte schwarze Bekleidung vieler Demonstranten aus ganz unterschiedlichen politischen Richtungen (teilweise sogar ohne konkrete politische Anliegen) sogenannte 'Schwarze Blöcke'. Nachdem es auf dem Zugweg zunächst zu einzelnen Steinwürfen und Sachbeschädigungen an den Schaufenstern einer Sparkasse und eines Supermarktes gekommen war, eskalierte die Situation kurz vor der Abschlusskundgebung, als aus einem schwarzen Block heraus ein Fahrzeug der Verkehrspolizei am Rande der Demonstration massiv angegriffen wurde. Im Verlauf der folgenden Ausschreitungen wurden 42 Polizeibeamte und etwa 500 Demonstranten verletzt. Beobachter schließen aus dem Verhalten einzelner Personen und Kleingruppen während der Ausschreitungen, dass die Gewaltexzesse keineswegs spontan ausgebrochen sind, sondern von verschiedenen Demonstrationsgruppen sogar Taktiken abgesprochen waren: "Der Schwarze Block ließ es sich nicht nehmen, das zu praktizieren, was viele - möglicherweise jedoch zu einem späteren Zeitpunkt und an anderer Stelle - erwartet beziehungsweise erhofft haben: Menschen griffen militant in das Geschehen ein, Banken wurden entglast und martialisch ausgerüstete PolizistInnen zurückgedrängt", hieß es in "Ersten Auswertungsgedanken der Campinski Pressegruppe". (aus: analyse & kritik, Nr. 58 vom 22. Juni 2007). Die Ausschreitungen wurden innerhalb der gemäßigten Bewegung zunächst schockiert aufgenommen und führten schnell zu öffentlichen Distanzierungen bis zu der Forderung, die Autonomen von weiteren Protestaktionen auszuschließen. Gemäßigte Kreise sahen durch die in den Medien kursierenden Bilder die gesamte Bewegung 04 linksExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 diskreditiert und befürchteten an den darauffolgenden Tagen weitere Ausschreitungen. Schnell wurde innerhalb der globalisierungskritischen Szene aber wieder die alte Position vertreten: Zwar lehne man Militanz ab, aber eine Spaltung "der Bewegung" müsse vermieden werden. Die Verantwortung für die Ausschreitungen trage wegen "der ständig gewachsenen Repression" die Polizei. Mit dieser ambivalenten Haltung wird die Brüchigkeit innerorganisatorischer Verabredungen zur Gewaltlosigkeit der Proteste erzeugt, die zu den Ausschreitungen in Rostock geführt hat. Innerhalb der gewaltbereiten linksextremistischen Szene und bei deren Sympathisanten wurden die Ausschreitungen unter dem Motto "Die Randale war das Beste, was die G8-Proteste zu bieten hatten" als Erfolg gefeiert. Militanz müsse immer ein Bestandteil der alltäglichen politischen Praxis sein. Angriffe auf die Polizei seien Ausdruck einer Staatsfeindlichkeit, die Folge einer radikalen Gesellschaftskritik sei. Auch hätten jüngere Demonstranten endlich einmal die Polizei in der Defensive erleben können. Dem gegenüber sieht der gemäßigte Teil der Bewegung den Erfolg der Proteste in der erfolgreichen Umsetzung des Konzeptes von Massenblockaden am 6. - 8. Juni. Die von einem 'Vorbereitungskreis Aktionstag Rostock-Laage' geplante Blockade des dortigen Militärflughafens am 6. Juni sollte die reibungslose Anreise der Gipfelteilnehmer beoder verhindern, was allerdings nicht gelang. Gleichzeitig setzten sich bis zu 9.000 Demonstranten in Richtung der zum Schutz des Konferenzgeländes errichteten Sperranlage in Bewegung. Sie gelangten über Feldwege und die angrenzenden Wälder in die von der Polizei mittels eines allgemeinen Demonstrationsverbotes festgelegte Sicherheitszone. Einigen hundert Aktivisten gelang es, bis an den Sicherheitszaun vorzudringen. Mehrere tausend Demonstranten blockierten - zumindest zeitweise - zwei Zufahrtswege nach Heiligendamm. Insgesamt verliefen diese Proteste und Blockaden friedlich, lediglich einige Kleingruppen fielen mit gewalttätigen Einzelaktionen auf. Die Blockadeaktionen, für die überwiegend das Bündnis 'Block G8' verantwortlich zeichnete, dauerten bis zum Vormittag des 8. Juni 2007 an und folgten der Leitlinie, die in der Zeitschrift 'analyse & kritik' zu lesen war: "Die Aktionen von Block G8 sind der Idee des Zivilen Ungehorsams verpflichtet und ganz ausdrücklich nicht eskalativ. Ein ideologisches Bekenntnis zur Gewaltfreiheit wird vermieden, der Begriff von Block G8 bewusst nicht benutzt." (aus: "Block around the clock", analyse & kritik Nr. 58 vom 22. Juni 2007). Mit der von Aktivisten der "X-tausendmal quer"-Kampagne aus dem Anti-AKW-Spektrum eingebrachten "Fünf-Finger-Taktik" wurden Polizeiabsperrungen teilweise erlinksExtrEmismus 05 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 folgreich überwunden, um an den Sperrzaun zu gelangen. Eine Überwindung dieser Sperranlage war in dem Konzept von 'Block G8' nicht vorgesehen. Eine weitere, noch neuere Aktionsform war die der 'Rebel Clown Army', die erstmals von britischen Demonstranten beim letzten G8-Gipfel 2005 in Gleneagles/Schottland eingesetzt worden war. Mit der durchgängig positiv besetzten Figur des Clowns sollen gezielt Maßnahmen der Polizei gegen Aktivisten für Dritte als unangemessen und in der Gesamtschau negativ erscheinen. Die anderen Aktionstage fanden dagegen in der Öffentlichkeit wenig Resonanz. So demonstrierten am . Juni 2007 bis zu .000 Personen anlässlich des Aktionstages "Globale Landwirtschaft & G8". An Demonstrationen im Rahmen des Aktionstages "Migration" am 4. Juni beteiligten sich bis zu 8.500 Personen. Am 5. Juni nahmen über .000 Aktivisten an einer "antimilitaristischen Demonstration" in Rostock-Warnemünde teil. Moderate Globalisierungskritiker wie das Netzwerk 'attac' oder die RosaLuxemburg-Stiftung organisierten vom 5. bis 7. Juni einen "Internationalen G8-Alternativkongress", an dem sich etwa 2.000 Teilnehmer an 0 Workshops beteiligt haben sollen. Die Abschlusskundgebung am 8. Juni in Rostock verlief mit etwa 5.000 Teilnehmern ebenfalls friedlich. Linksextremistische Bündnisstrukturen anlässlich des G8-Gipfels Die linksextremistische Protestbewegung bestand aus fünf unterschiedlichen Bündnissen. Darüber hinaus beteiligten sich an den einzelnen Aktionen auch Gruppen, die keinem der Bündnisse zuzuordnen waren und der überwiegende Teil der Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Sehr viele der Demonstranten waren "Unorganisierte", die ihr Unbehagen gegenüber den G8-Staaten und der Globalisierung zum Ausdruck bringen wollten, ohne kontinuierlich in einer Gruppe mit zu arbeiten. Als Bündnisstrukturen entstanden während der Vorbereitungsphase: 1 Gesamtbündnis Ein von der 'Interventionistischen Linken' (IL) - einer Diskussionsplattform ganz unterschiedlicher Gruppen und Einzelpersonen - initiiertes, eher gemäßigtes Bündnis, das einige Gruppierungen des militanten autonomen Lagers, antiimperialistische Gruppen, mehrere revolutionär-marxistische Organisationen, zum Teil langjährig aktive - nicht ausschließlich linksextremistische - Einzelpersonen sowie das sehr organisationserfahrene Netzwerk 'attac' umfasste, strebte die Bildung eines möglichst breiten 06 linksExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Gesamtbündnisses an. Wegen der sehr heterogenen Zusammensetzung der globalisierungskritischen Bewegung ist dies nicht gelungen. Das Bündnis war allerdings maßgeblich an der Mobilisierung und der Organisation der Protestaktionen gegen den G8-Gipfel 2007 beteiligt. 2 Dissent! (plus X) 'Dissent! (plus X)' ist ein maßgeblich von militant orientierten britischen Globalisierungskritikern zur Vorbereitung von Protesten gegen das G8-Treffen im Juli 2005 in Gleneagles (Schottland) initiiertes Netzwerk. Der deutschsprachige Ableger setzte sich größtenteils aus Angehörigen autonomer, anarchistischer, antiimperialistischer und leninistischer Gruppen zusammen. Im Gegensatz zur 'Interventionistischen Linken' favorisierte das 'Dissent! (plus X)'-Netzwerk eine "linksradikale" Bündnisstruktur. Regionale und internationale Vorbereitungstreffen sollten Kommunikationsund Diskussionsstrukturen schaffen und damit zu einer Stärkung des gewaltbereiten linksextremistischen Spektrums während und nach den Protesten in Heiligendamm führen. Trotz einer ausgeprägten Hierarchiefeindlichkeit bemühte man sich um eigenständige Aktionsplanungen, deren Höhepunkt der - schließlich rechtskräftig verbotene - "Sternmarsch" nach Heiligendamm am 7. Juni 2007 sein sollte. Zum Bedauern des Bündnisses wurden ihre weiteren auf "Kleingruppenaktionen" angelegten Aktivitäten während des Gipfels in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen. Statt von einer Stärkung des gewaltbereiten linken Spektrums kann inzwischen von einer Auflösung des 'Dissent! (plus X)'-Netzwerkes ausgegangen werden. 3 Anti-G8 Bündnis für eine revolutionäre Perspektive Das antiimperialistisch ausgerichtete 'Anti-G8 Bündnis für eine revolutionäre Perspektive' wurde Anfang März 2006 - zunächst unter der Bezeichnung 'Revolutionäres Anti-G8-Bündnis/Anti G8 Coalition' - als eine Abspaltung von 'Dissent! (plus X)' in Berlin gegründet. Es entwickelte hinsichtlich des G8-Treffens kaum eigene Aktionsplanungen, hatte aber gemeinsam mit dem 'Antifaschistischen & Antiimperialistischen Aktionsbündnis gegen die G8' zur Beteiligung an einem "revolutionären, internationalistischen und antikapitalistischen Block" innerhalb der "Internationalen Großdemonstration" am 2. Juni 2007 in Rostock aufgerufen. Soweit bekannt, hat auch dieses Bündnis seine Aktivitäten eingestellt. linksExtrEmismus 07 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 4 Bündnis gegen Kapital und Nation Das 'Bündnis gegen Kapital und Nation' (auch: '... ums Ganze!') entstammt der "antideutschen" Strömung innerhalb des deutschen Linksextremismus. Bei der "Internationalen Großdemonstration" in Rostock war das Bündnis in einem eigenen '...ums Ganze!'-Block aufgetreten. Eine Sprecherin des Bündnisses erklärte, dass das Bündnis seine Aktivitäten in Rostock und Heiligendamm als "erste Schritte zu einer Neuorganisierung der radikalen Linken" in Deutschland begreife. Während der weiteren Protestaktionen in Heiligendamm trat das Bündnis nicht öffentlich in Erscheinung. 5 Antifaschistisches & Antiimperialistisches Aktionsbündnis gegen die G8 In diesem bundesweiten Bündnis sind - neben Einzelpersonen - mehrere deutsche maoistische Splittergruppen und ausländische - überwiegend türkische - Linksextremisten organisiert. Gemeinsam mit dem 'Anti-G8 Bündnis für eine revolutionäre Perspektive' hatte das 'Antifaschistische & Antiimperialistische Aktionsbündnis gegen die G8' unter anderem zur Bildung eines "revolutionären, internationalistischen" Blocks innerhalb der "Internationalen Großdemonstration" aufgerufen. Öffentlichkeitswirksam trat das Bündnis in Heiligendamm nicht in Erscheinung. Darüber hinaus traten kleinere Gruppen oder Bündnisse von Einzelpersonen mit Erklärungen in Erscheinung, zum Beispiel die Gruppe PAULA ('überregionales Plenum - antiautoritär - unversöhnlich - libertär - autonom'), die im Vorfeld der Proteste das Konzept von dezentralen Aktionen und Blockaden um Heiligendamm propagierte. Diese verdeckt organisierte Gruppe erklärte am 20. Juni 2007 desillusioniert ihre Auflösung, da die zum Teil sorgfältig vorbereiteten dezentralen Aktionen nicht umgesetzt werden konnten. In der gewaltbereiten linksextremistischen Szene habe die Bereitschaft gefehlt, sich auf einen Aufruf der Gruppe PAULA hin eigeninitiativ an selbstorganisierten, auch militanten, Protestformen zu beteiligen. Anschläge im Zusammenhang mit dem G8-Gipfel Mit ihrem in der Nacht zum 28. Juli 2005 in Hollenstedt (Niedersachsen) verübten Brandanschlag auf das Dienstfahrzeug des Vorstandsvorsitzenden der Norddeutschen Affinerie beabsichtigten die bisher unbekannten Täter eine "breite, auch militante Kampagne" gegen den G8-Gipfel 2007 anzustoßen. Darauf hin waren bis zum Abschluss des G8-Gipfels insgesamt 24 Brandanschläge auf Kraftfahrzeuge beziehungsweise Gebäude in Niedersachsen (2), Berlin (6), Brandenburg (2), Hamburg 08 linksExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 (0), Mecklenburg-Vorpommern (), NRW () und Schleswig-Holstein (2) zu verzeichnen, wobei teilweise Sachschäden von etwa 50.000 Euro entstanden. Außerdem zählte das Bundeskriminalamt bundesweit 604 Sachbeschädigungen - in der Regel Farbschmierereien - sowie einen Diebstahl mit G8beziehungsweise EU-Bezug. In NRW hatten Unbekannte am . Juni 2007 in Lübbecke versucht, eine Filiale der Firma McDonalds in Brand zu setzten. Ausblick Innerhalb der linksextremistischen Szene erhoffte man sich nach den Gipfelprotesten ein stärkeres Zusammenwachsen der Szene und einen Zulauf jüngerer Aktivisten. Mittlerweile haben sich aber die meisten Anti-G8-Bündnisse aufgelöst. Als einziges weiterhin bestehendes linksextremistisches Bündnis sucht die 'Interventionistische Linke' (IL) derzeit nach einem Weg, über Heiligendamm hinaus die Unorganisiertheit der linksextremistischen Szene als wesentliches Hindernis auf dem Weg zu gesellschaftlicher Relevanz zu überwinden. Darüber hinaus versuchen weitere Gruppen über das linksextremistische Spektrum hinaus auf überregionalen Treffen und Kongressen neue Aktivisten zu gewinnen, die erstmalig im Rahmen der G 8-Proteste aktiv geworden sind. linksExtrEmismus 09 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 0 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 5 Ausländerextremismus Der Verfassungsschutz beobachtet im Ausländerextremismus Bestrebungen, die : gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Lands oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben, : durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden oder : gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind. Schwerpunktmäßig liegen die Bestrebungen in den beiden letztgenannten Bereichen. Dabei ist die Tatbestandsvoraussetzung der Gewaltanwendung schon dann erfüllt, wenn ausländische Gruppierungen von hier aus gewaltsame Aktionen im Heimatstaat vorbereiten, etwa durch Aufrufe zur Gewalt oder durch die Beschaffung finanzieller oder sonstiger Mittel. Der Ausländerextremismus ist durch eine Vielzahl von Vereinigungen von unterschiedlicher Organisationsstruktur und Größe geprägt. Den Schwerpunkt bilden in NRW die extremistischen Organisationen aus der Türkei. Die sehr unterschiedlichen Zielrichtungen ausländerextremistischer Organisationen lassen sich im Wesentlichen unterteilen in nationalistische Bestrebungen, linksextremistische Bestrebungen und ethnisch motivierte Autonomiebeziehungsweise Unabhängigkeitsbestrebungen. Dabei sind die Übergänge fließend: So sind einige Organisationen ursprünglich linksextremistischer Ausrichtung nach jahrelanger Entwicklung heute vorrangig von ethnisch begründetem Unabhängigkeitsstreben geprägt. ausländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 51 Türkische Organisationen 511 Föderation der türkisch-demokratischen Idealistenvereine in Deutschland eV (ADÜTDF) Leitung Sentürk Dogruyol Mitglieder Bund NRW 2007 ca. 7.500 ca. 2.000 2006 ca. 7.500 ca. 2.000 Publikation 'Türk Federasyon Bülteni' (Bulletin der Türkischen Föderation Internet türkischsprachige Homepage Hintergrund Die 'Föderation der türkisch-demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V.' ('Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu' - ADÜTDF), ist die anhängerstärkste Gruppierung innerhalb der 'Ülkücü-Bewegung', die auch unter der Bezeichnung "Graue Wölfe" bekannt ist. Die Bewegung basiert auf einem übersteigerten Nationalbewusstsein, das die türkische Nation sowohl politisch-territorial als auch ethnisch-kulturell als höchsten Wert ansieht. Neben dem Türkentum, das an erster Stelle steht, kommt dem Islam als einer die türkische Identität ergänzenden Komponente besondere Bedeutung zu. Die sogenannte türkisch-islamische Synthese wird von den Anhängern in der Aussage zusammengefasst: "Islam ist unsere Seele, Türkentum ist unser Leib", was das stark religiös gefärbte Nationalismusverständnis zum Ausdruck bringt. Ein weiteres Element der Ideologie ist der Panturkismus. Politisches Ziel ist danach die weltweite Vereinigung der Türken in einer an den Grenzen des osmanischen Reiches orientierten (Groß-)Türkei. Die Demokratie gefährdende Ülkücü-Ideologie lebt im Wesentlichen von Feindbildern, zu denen in unterschiedlichen Kombinationen variable Verschwörungstheorien entwickelt werden. Zu den ideologischen Feinden gehören vor allem Kurden, Amerikaner, 2 ausländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Juden und Armenier, aber auch Angehörige gesellschaftlicher Minderheiten, zum Beispiel Homosexuelle. Der sogenannte Ülkücü-Eid, der auf zahlreichen Web-Seiten der Ülkücü-Bewegung nachzulesen ist, macht die Kernaussage der Ideologie deutlich: "Ich schwöre bei Allah, dem Koran, dem Vaterland, bei meiner Flagge Meine Märtyrer, meine Frontkämpfer sollen sicher sein Wir, die idealistische türkische Jugend, werden unseren Kampf gegen Kommunismus, Kapitalismus, Faschismus und jegliche Art von Imperialismus fortführen Unser Kampf geht bis zum letzten Mann, bis zum letzten Atemzug, bis zum letzten Tropfen Blut Unser Kampf geht weiter, bis die nationalistische Türkei, bis das Reich Turan erreicht ist Wir, die idealistische türkische Jugend, werden niemals aufgeben, nicht wanken, wir werden siegen, siegen, siegen Möge Allah die Türken schützen und sie erhöhen" Durch ihr teilweise extrem nationalistisches Gedankengut verfolgt die ADÜTDF Bestrebungen, die sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Art. 9 Abs. 2 Grundgesetz - GG) oder das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. GG) richten und erfüllt damit die Voraussetzungen zur Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden gemäß SS Abs. Nr. 4 VSG NRW. Struktur Die ADÜTDF, die 978 in Frankfurt/Main als 'Föderation der Demokratischen Türkischen Idealistenvereine in Europa e.V.' gegründet wurde, ist seit 2007 die deutsche Vertretung der in der Türkei ansässigen 'Partei der Nationalistischen Bewegung' ('Milliyeti Hareket Partisi' - MHP). 969 von Alparslan Türkes gegründet, wird sie seit dessen Tod 997 von Devlet Bahceli geführt. Die MHP, die von 999 bis 2002 an der türkischen Regierung beteiligt war, konnte bei den Parlamentswahlen am 22. Juli 2007 ihren Stimmenanteil von zuvor 8, auf 4,% fast verdoppeln. In Deutschland ausländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 gehören etwa 50 Vereine mit rund 7.500 Mitgliedern der ADÜTDF an. In NordrheinWestfalen werden ihr rund 70 Vereine zugerechnet. Finanzierung Die ADÜTDF finanziert sich im Wesentlichen aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und den Verkauf von Publikationen. Vereinsaktivitäten Bis auf den Jahreskongress der ADÜTDF, der am 9. Mai 2007 in der Arena Oberhausen mit rund 8.000 Teilnehmern (im Jahre 2005: 7.000 Teilnehmer) stattfand, gehen von der ADÜTDF beziehungsweise den in NRW ansässigen Vereinen keine öffentlichkeitswirksamen Aktionen aus. Internetaktivitäten jugendlicher Ülkücü-Anhänger Umso mehr hat das Internet, insbesondere bei den jugendlichen Anhängern der 'Ülkücü-Bewegung', für die Darstellung ihres türkisch-nationalistischen Gedankengutes an Bedeutung gewonnen. In zahlreichen, offen zugänglichen Videoportalen, aber auch in einem Netzwerk türkisch-nationalistischer Webseiten präsentieren Jugendliche ihre extremistischen Forderungen und Positionen. Die hier bekannten Videos sind überwiegend in türkischer Sprache aufgezeichnet. Sie enthalten extrem kurden-, homosexuellen-, juden-, armenierund USA-feindliche Aussagen sowie obszöne und beschimpfende Darstellungen. Sie hetzen gegen das friedliche Zusammenleben der verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppierungen und fördern damit auch in der Bundesrepublik Deutschland das Entstehen von Parallelgesellschaften mit dem entsprechenden Konfliktpotenzial. Gewaltbereitschaft Die ADÜTDF stellt sich als gesetzestreu dar, und ihre offiziellen Vertreter haben bereits vor einigen Jahren Gewalt als Mittel zur Durchsetzung ihrer ideologischen Überzeugungen abgelehnt. Im Zusammenhang mit den türkisch-kurdischen Auseinandersetzungen im Grenzgebiet des Nord-Irak kam es auch in NRW im Oktober/November 2007 zu zahlreichen 4 ausländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 pro-türkischen Demonstrationen, die zwar nicht von der ADÜTDF angemeldet wurden, bei denen aber vereinzelt, insbesondere von jugendlichen Teilnehmern der Veranstaltungen, durch das mit der Hand gezeigte Wolfssymbol auf die Bewegung aufmerksam gemacht wurde. In der Zeit des verstärkten Demonstrationsaufkommens kam es auch in Nordrhein-Westfalen zu vereinzelten gewalttätigen Übergriffen national gesinnter türkischer Jugendlicher auf kurdische Einrichtungen. Bewertung Das Erstarken eines übersteigerten türkischen Nationalbewusstseins, insbesondere unter den oft schon in Deutschland geborenen türkischstämmigen Jugendlichen der zweiten und dritten Migrantengeneration, gibt Anlass zur Sorge, da dies der Integration der Jugendlichen in die Lebensund Gesellschaftsverhältnisse in Deutschland abträglich ist. Ob die Beeinflussung der Jugendlichen allein durch das Internet oder auch in den Vereinen oder durch Mitschüler erfolgt, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. In jedem Fall ist aber die Schule ein Ort, wo eine Beeinflussung erfolgen kann, wie die Vorfälle an der Rütli-Schule in Berlin sowie an Kölner Schulen im März 2006 deutlich gemacht haben. 512 Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C); Türkische Volksbefreiungspartei-Front - Revolutionäre Linke (THKP-C) Funktionärsgruppe um den Vorsitzenden Leitung Dursun Karatas Mitglieder Bund NRW 2007 650 200 2006 650 200 'Tavir' ('Haltung'); 'Kerbela' (nach einem Ort Publikationen im Irak); 'Kültür Adasi' ('Kulturinsel'), Internet mehrsprachige Homepage ausländErExtrEmismus 5 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Hintergrund Die in der Türkei und Deutschland verbotene 'Revolutionäre VolksbefreiungsparteiFront' ('Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi' - DHKP-C) verfolgt das Ziel, das bestehende türkische Staatssystem durch eine bewaffnete Revolution zu zerschlagen, um ein sozialistisches System zu errichten. Hierzu bedient sie sich in der Türkei auch terroristischer Methoden. So war die Organisation im Vorfeld des NATO-Gipfels im Juni 2004 in Istanbul für die Bombenexplosion in einem Linienbus mit vier Toten und zahlreichen Verletzten verantwortlich. Im Juli 2004 wurde nach Angaben der türkischen Sicherheitskräfte durch Erschießung eines mutmaßlichen Attentäters ein Anschlag auf das Justizministerium in Ankara vereitelt; der Täter soll Mitglied der DHKP-C gewesen sein. In Deutschland wurden von der Organisation, allerdings letztmalig 1998, Gewaltaktionen gegen Anhänger des Oppositionsflügels und Spendenerpressungen verübt. Mit ihrem Bestreben gefährdet die DHKP-C sowohl die innere Sicherheit als auch die auswärtigen Belange der Bundesrepublik (SS Absatz Nr. und Nr. VSG NRW). Wegen der gleichermaßen vorhandenen Gewaltbereitschaft unterliegt auch die weniger bedeutende Abspaltungsgruppe 'Türkische Volksbefreiungspartei-Front' (THKP-C) der Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden. Die DHKP-C und die THKP-C sind Nachfolgeorganisationen der in der Bundesrepublik seit 98 verbotenen 'Devrimci Sol' und als solche am . August 998 durch das Bundesministerium des Innern verboten worden. Die gegen das Verbot angestrengte Klage wurde vom Bundesverwaltungsgericht am . Februar 2000 zurückgewiesen. Ein Streit zwischen den seinerzeitigen Vorsitzenden verfestigt bis heute die Rivalität zwischen beiden Organisationen, ohne dass ernsthafte ideologische Differenzen zu erkennen wären. Unter der Bezeichnung DHK-C - 'Devrimci Halk Kurtulus Cephesi' agiert der militärische Arm der DHKP-C. Die politischen Aktivitäten werden seit dem Verbot der 'Devrimci Sol' konspirativ fortgesetzt. Im Mai 2002 hat der Rat der Europäischen Union die DHKP-C auf die europäische Liste der Terrororganisation gesetzt. Struktur Deutschland ist neben der Türkei das wichtigste Betätigungsgebiet der DHKP-C. Die Organisation verfügt über feste Strukturen. Dem Deutschlandverantwortlichen sind 6 ausländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Gebietsverantwortliche nachgeordnet. Die eingesetzten Funktionäre treten zur Tarnung unter Decknamen auf und werden häufig ausgetauscht. Als örtliche oder regionale Basis dienen der DHKP-C Vereine, deren Satzungen keinen Rückschluss auf die Organisation zulassen. In NRW verfügt die DHKP-C über solche Stützpunkte unter anderem in Bielefeld, Dortmund, Duisburg und Köln. Als der verbotenen DHKP-C nahe stehend wird der 'Solidaritätsverein mit den politischen Gefangenen und deren Familien in der Türkei' (TAYAD) angesehen, der in Deutschland auch unter dem Namen jeweiliger regionaler TAYAD-Komitees öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen zur Hungerstreikproblematik in türkischen Gefängnissen durchführt. Wegen personeller Verflechtungen wird auch bei der 'Anatolischen Föderation e.V. Köln', die aus dem 'Verband anatolischer Volkskulturvereine e.V.' hervorgegangenen ist, eine Nähe zur DHKP-C angenommen. Finanzierung Die DHKP-C finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und den Verkauf von Publikationen. Wie in den Vorjahren konnte das selbst gesetzte Ziel der Spendenkampagne bei Weitem nicht erreicht werden. Über Spendengelderpressungen konnten in den vergangenen Jahren keine Erkenntnisse gewonnen werden. Medieneinsatz Seit Mai 2005 erscheint die 'Yürüyüs' ('Marsch') als wöchentliche Zeitschrift. Neben den regelmäßig erscheinenden Publikationen nutzt die DHKP-C intensiver als die übrigen linksextremistischen türkischen Organisationen das Internet für Aufrufe und politische Erklärungen. Sie verfügt über eine mehrsprachige Homepage. Strafverfolgungsmaßnahmen Die Funktionäre der DHKP-C unterliegen seit einem Jahrzehnt im Bundesgebiet und in den europäischen Nachbarländern einer nachhaltigen Strafverfolgung, die zu einer deutlichen Schwächung der Organisation geführt hat. Zuletzt wurde am 5. November 2007 vor dem Oberlandesgericht Stuttgart von der Bundesanwaltschaft Anklage gegen fünf Mitglieder der DHKP-C erhoben. Die mutmaßlichen Funktionäre werden beschuldigt, seit dem 0. August 2002 einer terroristischen Vereinigung (SS 29b StGB) anzugehören, die sich innerhalb der DHKP-C gebildet hat. Die Angeklagten sollen vom Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus diese Vereinigung unterstützt ausländErExtrEmismus 7 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 haben, die in der Türkei zahlreiche terroristische Aktionen (Selbstmordattentate, Brandund Sprengstoffanschläge) verübt hat. Fortsetzung der Aktionen im Zusammenhang mit dem Todesfasten Zentrales Thema der DHKP-C war in den vergangenen Jahren das sogenannte Todesfasten. Der Hintergrund des Fastens ist der Widerstand von Gefangenen in der Türkei gegen den im Jahr 2000 im Rahmen einer Gefängnisreform erfolgten Bau von Einzelzellen anstelle der vorherigen Großraumzellen für teilweise bis zu 00 Insassen. Seit Mai 2002 beteiligen sich nur noch Anhänger der DHKP-C und der ihr nahe stehenden Organisation TAYAD am Hungerstreik. Im Rahmen dieser Aktionen verstarben 22 Personen, darunter etwa 40 Personen nach gewalttätigen Auseinandersetzungen mit türkischen Sicherheitskräften und einige infolge von Selbstverbrennungen. Die bislang letzte Person kam am 4. August 2006 ums Leben. Veröffentlichungen des TAYAD-Komitees zufolge haben die letzten drei Häftlinge ihren Hungerstreik am 22. Januar 2007 vorläufig eingestellt. Als Grund hierfür wird ein Erlass des türkischen Justizministeriums vom 22. Januar 2007 angeführt, demzufolge es Häftlingen in Hochsicherheitsgefängnissen beziehungsweise in Hochsicherheitstrakten anderer Haftanstalten künftig erlaubt ist, außerhalb der regulären Gruppenaktivitäten zusätzlich bis zu zehn Stunden pro Woche in Gruppen mit maximal zehn Personen zusammen zu kommen. Die DHKP-C sieht dies als Eingehen der türkischen Regierung auf ihre Forderung und damit als erfolgreiches Ergebnis ihrer jahrelangen Protestaktionen an. Sowohl in der Türkei als auch in Deutschland wurde der "Sieg" von DHKP-C-nahen Organisationen gefeiert. Gemeinsame Aktionen mit deutschen Linken Immer häufiger nehmen sich die linksextremistischen türkischen Organisationen auch Themen der deutschen Politik an. Dabei ist festzustellen, dass es sowohl bei einzelnen Fragen der Außenund Innenpolitik als auch bei der Kritik an den sozialpolitischen Reformen Übereinstimmungen mit Gruppierungen der deutschen Linken gibt. Anlässlich der traditionellen Kundgebungen zum . Mai wird diese auch nach außen sichtbar. So nehmen Anhänger linksextremistischer türkischer Organisationen teilweise mit Fahnen der eigenen Organisation an Veranstaltungen deutscher Grup- 8 ausländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 pen zum . Mai teil, um die eigenen politischen Positionen zu propagieren. In diesem Jahr traten sie mit den Slogans "Märtyrer des Todesfastens" und "Verdammt sei der Imperialismus" auf. Bewertung Die Probleme in den zurückliegenden Jahren bei der Mitgliedermotivation und bei der Finanzierung der Organisation in NRW bestehen fort. Auch ist nicht erkennbar, dass die DHKP-C durch die Erweiterung ihres politischen Spektrums auf sozialpolitische Themen in Deutschland eine Stärkung erfahren konnte. Mit dem zumindest vorläufigen Wegfall des Todesfastens dürfte der DHKP-C ein Identität stiftendes Thema verloren gegangen sein. 52 Kurdische Organisationen: 521 Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL); Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und unterstützende Organisationen Seit dem 26. November 99 in Deutschland vom Bundesministerium des Innern mit einem Betätigungsverbot belegt. Sitz Nord-Irak Europavertretung wenige weisungsberechtigte Funktionäre mit wechselnden Aufenthaltsorten Vorsitz Zübeyir Aydar und 6 Stellvertreter Höchstes Entscheidungsorgan Generalversammlung Mitglieder Bund NRW 2007 ca. .500 ca. 2.000 2006 ca. .500 ca. 2.000 Publikationen 'Serxwebun' ('Unabhängigkeit'), erscheint monatlich, Auflage bis 20.000; 'Ciwanen Azad' (Freie Jugend), erscheint monatlich, Auflage unbekannt; 'Newaya Jin' (Erlebnisse der Frauen), erscheint zweimonatlich, Auflage unbekannt; 'KurdistanReport', erscheint zweimonatlich, Auflage bis 5.000; 'Yeni Özgür Politika', erscheint seit dem 16. Januar 2006 täglich, Auflage etwa 30.000 ausländErExtrEmismus 9 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Medien 'ROJ-Gruppe' mit Sitz in Brüssel, Belgien, mit den Fernsehsendern 'ROJ-TV' mit dänischer Sendelizenz und MMC TV, Sendelizenzgeber unbekannt, sowie dem Radiosender 'Denge Mezopotamya', 'NEWROZ TV' mit Sitz in Oslo, Norwegen Internet Zahlreiche Internetauftritte über mehrere ausländische Server Hintergrund Die 'Arbeiterpartei Kurdistans' (PKK), die heute unter der Bezeichnung 'Volkskongress Kurdistans' (KONGRA-GEL) agiert, wurde im November 978 in der Türkei gegründet. Gründungsmitglied und Führer der PKK war Abdullah Öcalan, der auch nach seiner Festnahme im Februar 999 formal noch bis November 200 als Generalsekretär an der Spitze der Organisation stand. Die Partei ist eine straff organisierte und zentralistisch geführte Kaderorganisation, deren marxistisch-leninistische Programmatik im Laufe der vergangenen Jahre immer mehr durch kurdisch-nationales Gedankengut überlagert wurde. Programmatisches Ziel der Organisation war die Errichtung eines eigenen kurdischen Nationalstaates, der die Gebiete Südostanatoliens (Türkei), den Nord-Irak, Teile des westlichen Irans und Gebiete im Norden Syriens umfassen sollte. Dieses Ziel steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der sozialen, kulturellen und völkerrechtlichen Situation der etwa 20 bis 25 Millionen Kurden, deren Hauptsiedlungsgebiet in den Staaten Türkei, Irak, Iran, Syrien und in Gebieten der früheren Sowjetunion liegt. Die größte kurdische Volksgruppe, etwa 0 bis 2 Millionen Menschen, lebt in der Türkei. Die Zahl der in der Bundesrepublik lebenden Kurden wird mit 500.000 bis 600.000 beziffert. Seit dem 26. November 99 ist der PKK und ihrer Nebenorganisation 'Nationale Befreiungsfront Kurdistans' ('Eniya Rizgaiya Netewa Kurdistan' - ERNK) die Betätigung in Deutschland verboten. Nachdem der Rat der Europäischen Union bereits im Mai 2002 die 'Arbeiterpartei Kurdistans' als terroristische Organisation bewertet hatte, beschloss er am 2. April 2004, auch die Nachfolgeorganisation, den 'Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans' (KADEK) sowie den 'KONGRA-GEL' in die sogenannte "EU-Terrorliste" aufzunehmen. Das Bundesministerium des Innern hat am 0. Juli 2004 festgestellt, dass sich "das gegen die PKK verhängte vereinsrechtliche Verbot [...] auch auf den KONGRA-GEL erstreckt". 20 ausländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Obwohl in Westeuropa seit Ende März 996 ein Kurswechsel zu friedlichem Verhalten erkennbar ist, stellt die PKK wegen einer Reihe gewalttätiger öffentlicher Aktionen im Frühjahr und Sommer 999 und wegen der fortlaufenden innerorganisatorischen Gewalttaten nach wie vor eine Bedrohung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar (SS Absatz Nr. VSG NRW). Die Aufkündigung des "einseitigen" Waffenstillstandes durch die 'Volksverteidigungseinheiten' (HPG) zum . Juni 2004 gegenüber der Türkei und die danach zunehmenden Auseinandersetzungen zwischen türkischen Sicherheitskräften und Guerilla-Einheiten sowie terroristische Anschläge zeigen, dass die Organisation auch weiterhin bereit ist, ihre Ziele in der Türkei mit Gewalt durchzusetzen. Damit gefährdet die Organisation die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland, so dass auch aus diesem Grunde eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz nach SS Absatz Nr. VSG NRW erforderlich ist. 522 Entwicklung der Organisation seit dem Jahr 2000 Seit dem Jahr 2000 bemüht sich die PKK fortlaufend, sowohl in organisatorischer als auch inhaltlicher Hinsicht, um eine Neuausrichtung ihrer Politik, die mit zahlreichen Umbenennungen der Organisation und ihrer Teilund Nebenorganisationen einhergeht. So wurde zum Beispiel die in Europa tätige Propagandaorganisation der PKK, die 'Nationale Befreiungsfront Kurdistans' (ERNK), im Januar 2000 aufgelöst und zunächst durch die 'Kurdische Demokratische Volksunion' (YDK) ersetzt. Im Juni 2004 wurde die YDK ihrerseits aufgelöst und durch die 'Civata Demokratik Kurdistan' (CDK) ersetzt. Auch der militärische Flügel der PKK, die 'Volksbefreiungsarmee Kurdistans', wurde im Januar 2000 aufgelöst; an ihre Stelle traten die 'Kurdischen Volksverteidigungskräfte' (HPG). Der entscheidende programmatische Bruch mit der "alten" PKK erfolgte mit den Beschlüssen des 7. Außerordentlichen Parteikongresses im Januar 2000, als die Partei das Ziel der Gründung eines eigenständigen kurdischen Staates aufgab, zugunsten einer politischen Lösung der kurdischen Frage mit demokratischen Mitteln. Als neue Zielsetzung wurden verstärkt demokratische und kulturelle Rechte der Kurden in den jeweiligen Siedlungsgebieten im Iran, Irak, in Syrien und der Türkei proklamiert. In der Folge stellte die PKK im April 2002 alle Aktivitäten unter ihrem Namen ein und gründete den 'Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistan' (KADEK), der die in den verschiedenen kurdischen Siedlungsgebieten zu gründenden Parteien oordinieren sollte. ausländErExtrEmismus 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Bereits ein Jahr später wurde der KADEK wieder aufgelöst und am 5. November 200 die Gründung des 'Volkskongresses Kurdistan' (kurdisch: KONGRA-GEL) bekannt gegeben. Mit ihm bemühte sich die Organisation um einen erweiterten zivilgesellschaftlichen Ansatz, ergänzt um einen neuen, ökologischen Aspekt. Man wollte in den kurdisch besiedelten Ländern auf Dauer als demokratische und ökologische Partei anerkannt werden. Mit der Gründung des KONGRA-GEL war auch die formale Trennung vom ehemaligen Vorsitzenden Abdullah Öcalan und von dem militärischen Flügel, den 'Kurdischen Volksverteidigungskräften' (HPG), der ehemaligen 'Volksbefreiungsarmee Kurdistans', verbunden. Ohne formelles Amt wurde Abdullah Öcalan zur "Führungspersönlichkeit des kurdischen Volkes" und die HPG für organisatorisch autonom, aber dem politischen Willen des Volkskongresses unterstellt, erklärt. Eine weitere ideologische Neuausrichtung in Anpassung an die veränderten Verhältnisse sollte im Jahr 2005 die Gründung des "Demokratischen Kurdischen Konföderalismus" bringen. Mit der 'Koma Komalen Kurdistan' (KKK - 'Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans') sollte ein System für die fortschreitende Demokratisierung des KONGRA-GEL und zur Lösung der Kurdenfrage in der Türkei, im Iran, Irak und in Syrien geschaffen werden. Es gehe weiterhin nicht um die Schaffung eines eigenen Staatswesens. Angestrebt werden sollten - so die damalige Aussage von Abdullah Öcalan - "tiefgreifende demokratische Reformen" in den Staaten mit kurdischen Volksgruppen, die den Kurden dort größere Entfaltungsmöglichkeiten bieten. Im Rahmen dieser Neuausrichtung sollte auch erstmals eine alle Teilund Nebenorganisationen erfassende innerorganisatorische Demokratisierung angestrebt werden. Die konkreten Ziele und die Umsetzung des Konzepts einer staatenübergreifenden, demokratischen kurdischen Bürgerschaft ohne eigenes Territorium sind weiter unklar, ebenso wie das Verhältnis zwischen KONGRA-GEL und KKK. Teilweise werden die Bezeichnungen KKK und KONGRA-GEL gleichbedeutend verwendet. In den politischen Verlautbarungen der Organisationen scheint KONGRA-GEL allerdings in den Hintergrund zu rücken. Bedeutende Äußerungen werden regelmäßig durch das Exekutivkomitee der KKK getätigt. In diesem Exekutivkomitee haben weiterhin die altbekannten Führungsfunktionäre das Sagen. Vom 6. bis 22. Mai 2007 fand in den Kandil-Bergen im Nordirak der 5. Kongress des KONGRA-GEL statt. Dieser Kongress beschloss am 8. Mai einstimmig, den seit 2005 geltenden Organisationsnamen ("Koma Komalen Kurdistan") für den föderalen Verbund der kurdischen Siedlungsgebiete in der Türkei, in Syrien, im Iran und Irak in "Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans" ("Koma Civaken Kurdistan"KCK) zu än22 ausländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 dern. Einer Meldung der pro-kurdischen Nachrichtenagentur 'Firat News Agency' vom . Juni 2007 zufolge soll mit dieser Umbenennung erreicht werden, dass "die Stellung zur Gesellschaft, zur Demokratie und zu einem demokratischen Nationalverständnis" besser zum Ausdruck kommt. 523 Eskalation der Gewalt Militärische Entwicklung in der Türkei Während die Organisation in Westeuropa bisher ihren Friedenskurs nach außen konsequent verfolgt, kommen im Südosten der Türkei wieder die 'Volksverteidigungskräfte' (HPG) zum Einsatz. Mit der Aufkündigung des Waffenstillstandes durch die HPG zum . Juni 2004 ist im Südosten der Türkei eine Eskalation der gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen der türkischen Armee und kurdischen Guerillaeinheiten eingetreten, die vermehrt Todesopfer auf beiden Seiten fordert. Nachdem auch ein weiterer, zum . Oktober 2006 von den HPG verkündeter einseitiger Waffenstillstand zu keinem Verhandlungsangebot der türkischen Regierung geführt hatte, verstärkten sich die militärischen Auseinandersetzungen zwischen der Organisation und der türkischen Armee im Jahr 2007 wieder. Mit dem Beschluss des Türkischen Parlaments vom 7. Oktober 2007 wurde ein neuer Eskalationspunkt erreicht. Der Regierung in Ankara wurde die Erlaubnis erteilt, grenzüberschreitend Militäraktionen gegen die militärischen Einrichtungen des KONGRA-GEL vorzunehmen. Der Ermächtigungsbeschluss des Parlaments, der zunächst auf ein Jahr befristet ist, wurde durch den türkischen Ministerpräsidenten auch umgesetzt. Die Truppenkonzentration türkischer Streitkräfte im Grenzgebiet der Türkei zum Irak wurde verstärkt. Die seither durchgeführten Luftschläge und vereinzelten Kommandoaktionen von Bodentruppen haben weiter zugenommen und forderten auf beiden Seiten fast täglich Tote und Verletzte. Anschläge der 'Freiheitsfalken Kurdistans' In den Städten und touristischen Zentren in der Türkei ist eine Stadtguerilla aktiv, die sich 'Freiheitsfalken Kurdistans' (TAK) nennt. Diese berufen sich bei ihren Aktionen auf Abdullah Öcalan, agieren aber nach eigenen Angaben unabhängig vom KONGRA-GEL. Der Ankündigung der TAK vom . März 2007, in der Urlaubssaison wieder Anschläge in bekannten Touristenorten zu verüben, sind bisher keine Taten gefolgt. ausländErExtrEmismus 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Die Explosion in einem Hotel in Belek, einer Urlaubsregion bei Antalya, am 29. März 2007 konnte nicht eindeutig als Anschlag verifiziert werden. Die türkische Polizei hat bei mehreren Festnahmen mutmaßlicher kurdischer Attentäter Sprengstoff und Sprengsätze gefunden und damit möglicherweise weitere Anschläge verhindert. Bombenanschläge in Shengal (Nord-Irak) Am 4. August 2007 kam es in der Region Shengal (Provinz Mosul/Nord-Irak) zu vier gleichzeitig durchgeführten Bombenanschlägen durch Selbstmordattentäter, bei denen nach Angaben der Zeitung 'Yeni Özgür Politika' (YÖP) etwa 500 Menschen, hauptsächlich yezidische Kurden, ums Leben kamen. Die Urheberschaft des blutigen Anschlages ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Es gibt Hinweise darauf, dass islamistische Motive hinter diesem Anschlag zu vermuten sind, zumal die Yeziden bei den muslimischen Fundamentalisten als religiös Abtrünnige gelten. Als Reaktion yezidischer Verbände in Europa ist es unter anderem in Borlenge/ Schweiz, Brüssel, Lüttich, Paris und Wien sowie in Deutschland zu zahlreichen Kundgebungen von unterschiedlichsten - auch nicht religiösen - kurdischen Gruppierungen gekommen. In ihren Kreisen wurde der Anschlag als Maßnahme der Vertreibung im Zusammenhang mit dem Referendum über den Status der Stadt Kirkuk gewertet. Neben Demonstrationen in Hannover, Bremen, Gießen, Göttingen, Kiel, München, Pforzheim und Saarbrücken fanden auch in Nordrhein Westfalen, hier in Detmold, Duisburg, Düsseldorf und Köln, Demonstrationen und Solidaritätsbekundungen mit zwischen 00 und .000 Teilnehmern statt. Am 22. September 2007 veranstalteten die 'Föderation yezidischer Vereine' (FEKA) und die 'Föderation kurdischer Vereine in Deutschland' (YEK-KOM) in der Düsseldorfer Innenstadt gemeinsam eine Demonstration mit etwa .000 Teilnehmern zum Gedenken an die Opfer. Bei den Demonstrationen in Nordrhein-Westfalen wurden zwar vereinzelt Fahnen des kurdischen Volksführers Öcalan geschwenkt und Parolen skandiert, die Anliegen der yezidischen Teilnehmer standen aber im Vordergrund. 524 Führungsstrukturen des KONGRA-GEL in Europa Höchstes Entscheidungsorgan im KONGRA-GEL ist die Generalversammlung, während die praktische Führung von einem 40-köpfigen Exekutivrat unter dem Vorsitz von Zübeyir Aydar und einem Disziplinarausschuss mit elf Personen ausgeübt wird. 24 ausländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 In Europa wird der KONGRA-GEL durch die 'Civata Demokratik Kurdistan' 'Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa' - CDK) vertreten. Die CDK ist eine Nachfolgeorganisation der 'Nationalen Befreiungsfront Kurdistans' (ERNK), die 985 als Propagandaorganisation der PKK gegründet worden war. Sie hat die Aufgabe, die in Europa lebenden Kurden durch Presseund Öffentlichkeitsarbeit sowie Propagandatätigkeit zu informieren und für den Befreiungskampf zu begeistern. Die weisungsberechtigten Funktionäre der CDK benutzen wechselnde Aufenthaltsorte, vornehmlich in Belgien, Frankreich und den Niederlanden. Bis auf einige wenige Funktionäre unterliegt die Führungsriege - auch in Deutschland - einem ständigen Funktionswechsel. In der Regel finden alle sechs bis zwölf Monate Rotationen statt. Im Nachgang zu dem jährlichen Kongress der CDK in Frankreich wurde auch 2007 eine Vielzahl von regionalen und überregionalen Kadern ausgetauscht. Die Funktionärswechsel finden auch über die jeweilige Führungsebene hinaus statt. Um unentdeckt zu bleiben, wechseln die Funktionäre - zumindest vom Gebietsleiter an aufwärts - in der Regel täglich ihren Aufenthaltsort, benutzen Decknamen und sind nur unter Telefonanschlüssen zu erreichen, die auf unverdächtige Personen angemeldet sind. Die wichtigsten Nebenbeziehungsweise Teilorganisationen, mit denen der KONGRA-GEL in Deutschland vertreten ist, sind die 'Freiheitspartei der Frauen Kurdistans' (PAJK) und der 'Demokratische Jugendföderalismus Kurdistans' ('Komalen Ciwan'). Auch deren Funktionäre sind konspirativ tätig. Innerorganisatorische Neuerungen Auf der Grundlage der auf der . Generalversammlung des KONGRA-GEL im Mai 2005 beschlossenen Prinzipien des "demokratischen Konföderalismus" sind die Arbeitseinheiten auf allen Ebenen neu strukturiert worden. Ein besonderes Merkmal dieser Prinzipien soll eine Demokratisierung von Entscheidungsprozessen über die Bildung kleinteiliger Organisationsformen, sogenannte Volksräte beziehungsweise Volkskomitees sein, die unter einem Dachverband zusammengefasst sind. Auf Europaebene haben sich bereits die Frauenorganisation 'Freiheitspartei der Frauen Kurdistans' (PAJK) und die Jugendorganisation nach diesen Prinzipien umstrukturiert. Die Frauen haben sich unter dem neuen Dachverband 'Verband der stolzen Frauen' ('Koma Jinen Bilind' - KJB) und die Jugendorganisationen unter dem Dachverband 'Demokratische Jugend' (DEM-GENC) zusammengeschlossen. ausländErExtrEmismus 25 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Die in Europa tätige Propagandaorganisation des KONGRA-GEL, die 'Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa' (Koordinasyona Civata Demokratik a Kurd - CDK), befindet sich im Umbruch. Regionalstruktur Die Regionalstrukturen in Deutschland sollen sich nach dem Kongress der CDK in Frankreich im Jahr 2007 geändert haben. Die vorherige Struktur der drei Regionen ("Saha") - Nord, Mitte und Süd - mit zusammen 23 Gebieten ("Bölge") soll aufgelöst und durch ein neues Regionen-System ("Eyalet") ersetzt worden sein. Die Versuche, eine Demokratisierung bis auf die Vereinsebene zu etablieren, haben trotz gegenteiliger Bekundungen des KONGRA-GEL bisher nicht gegriffen. Zwar ist in Nordrhein-Westfalen die Bildung von Volksräten per Wahl oder Akklamation auf Gebietsebene abgeschlossen, eine Einbindung der Volksräte in die praktische Arbeit der Organisation ist allerdings nicht feststellbar. Die durch die Prinzipien des KKK geforderte Demokratisierung der Strukturen des KONGRA-GEL hat sich somit in NRW bisher nur formal durchgesetzt. In der praktischen Arbeit ist die Organisation weiterhin straff am Kaderprinzip ausgerichtet. Die Parteikader haben in der Regel weder einen eigenen Wohnsitz noch eine feste Beschäftigung. Sie widmen ihre Arbeitskraft ausschließlich der Partei. Dabei sind sie für die Verbreitung von Parteibeschlüssen und Reden von Parteifunktionären, den Start und die Steuerung von Kampagnen (beispielsweise den Unterschriftskampagnen) und für Demonstrationen zuständig. Zudem sind sie verantwortlich für die Sammlung von Spenden und überwachen den Verkauf von Zeitungen und Eintrittskarten für Großveranstaltungen wie dem Kurdistanfestival. Wie in den Vorjahren mussten sich auch 2007 mehrere - zumeist ehemalige - Funktionäre in Strafverfahren wegen Verstößen gegen das Vereinsgesetz oder Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung verantworten. 5.2.5 Massenorganisationen in Europa Neben der CDK hat der KONGRA-GEL in Europa sogenannte Massenorganisationen gebildet. Sie sollen der Partei über Einzelorganisationen für bestimme Personenund Berufsgruppen gezielt weitere Mitglieder zuführen, ohne dass aus dem Organisationsnamen unmittelbar die Verbindung zum KONGRA-GEL hergeleitet werden kann. Folgende Organisationen sind hier bekannt: 126 Ausländerextremismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 : 'Demokratischer Jugendkonföderalismus Kurdistans' ('Komalen Ciwan') : 'Föderation der Aleviten Kurdistans' (FEDA, früher: FEK), : 'Föderation der Yezidischen Vereine Kurdistans' (FKE, früher: YEK), : 'Islamische Bewegung Kurdistans' (HIK oder KIH), : 'Partei der freien Frauen' (PJA), : 'Union der patriotischen Arbeiter aus Kurdistan' (YKWK), : 'Union der Journalisten aus Kurdistan' (YRK), : 'Union der kurdischen Eltern' (YEK-MAL), : 'Union der Lehrer aus Kurdistan' (YMK), : 'Union der Schriftsteller aus Kurdistan' (YNK), : 'Union der kurdischen Juristen' (YHK), : 'Union der Student/Innen aus Kurdistan' (YXK), : 'Verband der internationalen kurdischen Arbeitgeber' (KARSAZ), : 'Föderation kurdischer Vereine in Deutschland (YEK-KOM). Die am 27. März 1994 in Bochum gegründete 'Föderation kurdischer Vereine in Deutschland' (YEK-KOM) hat seit dem 1. September 1999 ihren Sitz in Düsseldorf. Nach ihrem Selbstverständnis handelt es sich bei YEK-KOM um den legalen politischen Arm des KONGRA-GEL. YEK-KOM ist nicht vom Betätigungsverbot des Bundesministeriums des Inneren vom 23. November 1993 gegen die PKK und deren Nachfolgeorganisationen erfasst. Die dem Dachverband angeschlossenen Vereine haben aber die Nähe zur PKK und den Nachfolgeorganisationen und deren Unterstützung als gemeinsame Grundlage. Gemäß den Vereinsunterlagen sieht die Föderation YEK-KOM ihre Aufgabe in der Pflege der kurdischen Kultur, Sprache und Tradition. Daneben will sie für Völkerverständigung und Freundschaft werben. Als Dachorganisation zahlreicher Mitgliedsvereine in der Bundesrepublik Deutschland ist YEK-KOM in die Strukturen der 'Konföderation kurdischer Vereine in Europa' (KON-KURD) eingebunden. Sie verfügt über eine eigene Internetseite, auf der auch die bundesweit existierenden Mitgliedsvereine aufgeführt sind. YEK-KOM finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge von Vereinen und durch Spenden. Ausländerextremismus 127 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 526 Finanzierung Der Finanzbedarf des KONGRA-GEL ist nach wie vor erheblich, um die Aktionsfähigkeit der Organisation in der Türkei und im Ausland zu erhalten. Insbesondere die zunehmenden militärischen Aktivitäten der Guerillakräfte in der Auseinandersetzung mit dem türkischen Militär begründen einen stark steigenden Finanzbedarf. Wichtigste Geldquelle bleibt die jährliche Spendensammlung, die durch regelmäßige Zahlungen von Anhängern und Erlöse aus dem Zeitschriftenverkauf ergänzt wird. Im Zuge der Spendenkampagne 2006/2007 wurden in NRW ,4 Millionen Euro eingenommen. Damit wurde das angestrebte Ziel von 2,5 Millionen Euro abermals verfehlt. Wie in den Vorjahren gab es auch 2007 Hinweise auf Gewaltandrohung und -anwendung bei Spendenunwilligen. 527 Medieneinsatz Ein Fernsehsender, ein Radiosender und Printmedien dienen der Organisation als wichtige Propagandamittel. Zunehmend gewinnt die Verbreitung von Informationen über elektronische Medien wie das Internet an Bedeutung. In diesen Medien veröffentlichte Meldungen und Verlautbarungen der Organisation werden oft durch eine Nachrichtenagentur aufbereitet. Nachrichtenagentur Die Nachrichtenagentur 'Firat' ('Ajansa Nuceyan a Firate' - ANF) fungiert als Veröffentlichungsplattform der Verlautbarungen des KONGRA-GEL. Sie hat ihren Sitz in den Niederlanden. Ein weitverzweigtes Korrespondentennetz, mit mehreren Korrespondenten auch in Nordrhein-Westfalen, liefert der Agentur Nachrichten zu. Fernsehund Radiosender Bereits seit März 995 werden kurdische Fernsehsender für eine schnelle und umfassende Information über politische Ereignisse aus der Türkei, insbesondere aus den überwiegend kurdisch besiedelten Gebieten, und die Verbreitung organisationseigener Botschaften genutzt. Seit März 2004 ist der Fernsehsender 'ROJ-TV' in Betrieb. Er arbeitet mit einer dänischen Sendelizenz. Programmgestaltung und Sendeinhalte, welche in Paris koor28 ausländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 diniert werden, blieben im Vergleich mit den kurdischen Vorgängersendern 'MED-TV' und 'MEDYA-TV', denen die Sendelizenz entzogen beziehungsweise nach gerichtlicher Auseinandersetzung in Frankreich endgültig versagt wurde, im Wesentlichen unverändert. Schwerpunkt der Programmgestaltung sind kulturelle Sendungen, Diskussionsrunden, Sendungen, an denen sich die Zuschauer telefonisch beteiligen können, und Nachrichtenbeiträge, in denen vorrangig Vertreter des KONGRA-GEL zu Wort kommen. Zum Sendeverbund gehören neben 'ROJ-TV' auch der Fernsehmusiksender 'mmc tv' mit Sitz in Dänemark und der Radiosender 'Denge Mezopotamya' mit Sitz in Belgien, der ein ähnliches politisches Programm wie ROJ-TV sendet. Dieser Senderverbund wird als KONGRA-GEL-nah bewertet. Anfang Februar 2007 konnte ein weiterer Sender mit Namen 'NEWROZ TV' mit einem täglichen zweistündigen Probebetrieb festgestellt werden. Nach Sprache und Inhalt ist er der PJAK, einem PKK-Ableger im Iran, zuzuordnen. Am 7. Dezember wurde der Sender offiziell gegründet und sendet nun täglich ein gemischtes kulturell-politisches Programm. Tageszeitung 'Yeni Özgür Politika' In Nachfolge der in Deutschland im September 2005 eingestellten organisationsnahen Tageszeitung 'Özgür Politika' erscheint seit dem 6. Januar 2006 die Tageszeitung 'Yeni Özgür Politika'. Auch diese Tageszeitung enthält im Wesentlichen Artikel über die Ziele und Aktivitäten des KONGRA-GEL. Außerdem finden sich in der Zeitung Hinweise auf kleinere regionale Veranstaltungen und ganzseitige Aufrufe zur Teilnahme an Großveranstaltungen. Weitere Printmedien Weitere Zeitungen und Zeitschriften, die Propaganda für den KONGRA-GEL betreiben, sind die 'Serxwebun' ('Unabhängigkeit'), der 'Kurdistan-Report' und 'Ciwanen Azad' ('Freie Jugend'). Die auf die weibliche kurdische Anhängerschaft ausgerichtete Zeitschrift 'Jina Serbilind' ('Die stolze Frau') wurde nach zehnjährigem Erscheinen im Februar 2005 eingestellt und durch die Zeitschrift 'Newaya Jin' ('Erlebnisse der Frauen') abgelöst. ausländErExtrEmismus 29 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Internet Seit Anfang 2004 sind mehrere offizielle Homepages des KONGRA-GEL und seiner Untergliederungen über ausländische Server erreichbar. Die mehrsprachigen Internetseiten bieten neben Nachrichten zu verschiedenen kurdischen Themen auch Informationen und weiterführende Links zu anderen kurdischen Organisationen an. Insgesamt besteht ein Netzwerk von fast zwei Dutzend inhaltsähnlicher, teilweise untereinander verlinkter Internetseiten. 528 Initiativen und Veranstaltungen Mit Unterschriftskampagnen, Demonstrationen und Festivals wird versucht, einerseits die Aufmerksamkeit auf die Lage der Kurden in den Siedlungsgebieten zu richten; andererseits dienen sie dazu, unter den im Ausland lebenden Kurden die kurdische Kultur lebendig zu halten. Zu internationalen oder bundesweiten Großdemonstrationen und Festivals können zum Teil mehrere Zehntausend Anhänger mobilisiert werden. Öffentlichkeitswirksame Aktionen als Reaktion auf Exekutivmaßnahmen gegen die Organisation sowie zu den Themen der behaupteten Vergiftung von Öcalan und dem Konflikt im türkisch-irakischen Grenzgebiet bildeten neben den jährlich wiederkehrenden Veranstaltungen im Jahr 2007 die Schwerpunkte. Angebliche Vergiftung von Abdullah Öcalan Am . März gaben Anwälte von Abdullah Öcalan in einer Pressekonferenz in Rom bekannt, dass sich aus einer Haarprobe des Kurdenführers Anzeichen einer chronischen Vergiftung mit Chrom und Strontium ergäben und Lebensgefahr bestehe. Diese Mitteilung war Anlass für eine Reihe von Protesten, die zum Teil gewalttätig verliefen. Dabei wurden gezielt Brandanschläge auf türkische Einrichtungen verübt. Die KONGRA-GEL-Jugendorganisation 'Komalen Ciwan' rief in einer über ihre Internetseite verbreiteten Erklärung vom . März zum "Widerstand in allen Gebieten auf höchstem Niveau" auf. Einem an die KONGRA-GEL-Jugend in der Türkei und in Europa gerichteten Aufruf zufolge sind Massenproteste, Schulboykotts, Sitzstreiks, Besetzungsaktionen sowie von kleinen Einheiten ausgeführte gewalttätige Aktionen denkbare Aktionsformen. Aus Protest gegen die angebliche Vergiftung von Abdullah Öcalan durch die türkische Regierung und die vermeintliche Untätigkeit der zuständigen europäischen Behörden 0 ausländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 protestierten Anfang Mai 2007 Anhänger des KONGRA-GEL mit Besetzungen von Fernsehanstalten, von Büros von Nichtregierungsorganisationen (sogenannte NGOs) und vor Parlamenten in ganz Europa. Dabei wurden nach türkischen Medienberichten beispielsweise die Räume des Schweizer Fernsehsenders SF TV und das Büro der Menschenrechtsorganisation amnesty international in Bern besetzt. Darüber hinaus fanden Aktionen vor den Parlamentsgebäuden in Stockholm, Rom und Wien statt. Am 9. Mai 2007 gelangte eine Gruppe von KONGRA-GEL Anhängern in das Foyer des Düsseldorfer Landtags. Dort entrollten sie Transparente, skandierten Parolen und verteilten Flyer, die auf die Situation des Kurdenführers Abdullah Öcalan hinweisen sollten. Die Demonstranten wurden von der Polizei festgenommen, und Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Hausfriedensbruches, des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz und wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte wurden eingeleitet. Der Rädelsführer ist in einem beschleunigten Verfahren wegen Hausfriedensbruches verurteilt worden; weitere Ermittlungsverfahren gegen ihn und weitere Beschuldigte sind noch anhängig. Das 'Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe' (CPT) des Europarates hat die Haftsituation von Abdullah Öcalan inzwischen untersucht und in einem unveröffentlichten Bericht zusammengefasst. 529 Exekutivmaßnahmen gegen den KONGRA-GEL Im Laufe des Jahres wurden in Deutschland sowie in Belgien und Frankreich umfangreiche Exekutivmaßnahmen der Polizei durchgeführt. Dabei wurden Vereinsräume durchsucht, Spendengelder beschlagnahmt und hochrangige Funktionäre des KONGRA-GEL verhaftet. So wurden am 0. Januar 2007 im Zusammenhang mit Durchsuchungsmaßnahmen in vier Bundesländern unter der Leitung des LKA Baden-Württemberg auch drei Objekte in Köln durchsucht. Die Maßnahmen richteten sich gegen Finanzierungswege des KONGRA-GEL. Am 7. April 2007 wurden im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen den internationalen Waffenund Drogenhandel mehrere Objekte durchsucht, unter anderem in Köln, Weilerswist und Bergisch-Gladbach. Von den gegen Finanzstrukturen des KONGRA-GEL durchgeführten Exekutivmaßnahmen war - neben anderen Objekten - auch der dem KONGRA-GEL nahe stehende Verein 'Mala Kurda e.V.' betroffen. ausländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Im Zusammenhang mit der jährlich durchgeführten Spendenkampagne des KONGRA-GEL wurden von der der Polizei in Moers und Aachen Ermittlungsverfahren aufgenommen. Die Verfahren dauern noch an. Das Verfahren gegen den mutmaßlichen KONGRA-GEL-Funktionär aus Duisburg, der wegen des Verdachts der Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung gemäß SS 29 StGB angeklagt war, ist zwischenzeitlich zum Abschluss gekommen. Der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf verurteilte den Angeklagten, der im Zeitraum August 2004 bis März 2006 als KONGRA-GEL-Funktionär für den Bereich Nordrhein-Westfalen tätig war, am 2. Juli 2007 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Demonstrationen im Zusammenhang mit den Exekutivmaßnahmen In zwei Wellen, einmal im Februar und ein weiteres Mal im März, kam es wegen der Verhaftung von mehreren hochrangigen Europafunktionären des KONGRA-GEL und im Rahmen der Proteste gegen die angebliche Vergiftung Abdullah Öcalans zu einer Reihe von Brandanschlägen im gesamten Bundesgebiet. In NRW waren die Städte Dortmund, Bottrop, Hagen und Köln teilweise mehrfach betroffen. Anders als in der Vergangenheit beschränkten sich die Täter nicht darauf, auf Straßenkreuzungen Brandsätze auf eine Fahrbahn zu werfen und dabei Parolen zu skandieren. Vielmehr wurden gezielt Brandanschläge gegen türkische Vereine, auf türkische Banken, auf türkische Reisebüros, auf eine Moschee sowie auf einen Autohändler einer französischen Automarke verübt. Bei den Anschlägen wird eine Täterschaft der kurdischen Jugendorganisation KOMALEN CIWAN vermutet, wenngleich diese sich nicht ausdrücklich dazu bekannt hat. Es muss davon ausgegangen werden, dass das gewalttätige Handeln, wenn nicht sogar europaweit gesteuert, jedenfalls mit Wissen und Wollen der Organisation erfolgt ist. 2 ausländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Die "Edi Bes e!"-Kampagne als Reaktionen auf den militärischen Konflikt im türkisch-irakischen Grenzgebiet Die Entscheidung des türkischen Parlaments vom 7. Oktober 2007, wonach die Regierung ermächtigt ist, gegen die kurdische Guerilla auch im Nord-Irak vorzugehen, hat zu starken Reaktionen kurdischer und türkischer Gruppierungen in Europa und auch in Deutschland geführt. Der KONGRA-GEL hat die Entscheidung des Parlaments scharf kritisiert und seine Anhänger in ganz Europa zu Protesten angehalten. Die CDK hat in ihrer Erklärung vom 2. Oktober zu Protesten aufgerufen. Die Jugendorganisation des KONGRA-GEL, die 'Komalen Ciwan', rief am 25. Oktober in einer eigenen Erklärung auf ihrer Internetseite zu einem umfassenden Widerstand auf. Auf dieser Grundlage wurde die sogenannte "Edi Bes e!" ("Es reicht!")-Kampagne ins Leben gerufen. In der Tageszeitung 'Yeni Özgür Politika' wird explizit zur Teilnahme an Demonstrationen unter diesem Motto aufgefordert. Von Ende Oktober bis Mitte Dezember gab es eine Vielzahl von Versammlungen sowohl pro-türkischer Gruppierungen als auch pro-kurdischer Anmelder. Schwerpunkt der Kundgebungen und sonstigen Protestveranstaltungen waren die beiden Wochenenden Ende Oktober/Anfang November. An insgesamt zwölf Veranstaltungen in nordrhein-westfälischen Städten, unter anderem in Dortmund und Köln, nahmen etwa 7.000 Teilnehmern teil. Dass die Veranstaltungen weitgehend friedlich verliefen, ist zum einen dem kooperativen Verhalten der Veranstalter, zum anderen der starken Polizeipräsenz zu verdanken. Die Polizei hat bei drohenden Auseinandersetzungen - insbesondere bei Provokationen am Rande der Veranstaltungen, auch im Nachgang des eigentlichen Versammlungsgeschehens, beispielsweise bei Angriffen auf Vereinsräume - konsequent eingegriffen. Vorläufiger Höhepunkt der Kampagne war eine europaweite Demonstration mit 0.000 Teilnehmern am 5. Dezember 2007 in Düsseldorf, die in zwei Demonstrationszügen und auf einer Abschlusskundgebung gegen die Gewalteskalation im türkisch-irakischen Grenzgebiet protestierten. Ein erheblicher Anteil der Teilnehmer war aus dem benachbarten Ausland angereist. Am Rande der Demonstrationszüge kam es bei vereinzelten Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei zu Verletzungen bei etwa 20 Teilnehmern und sieben Polizeibeamten. Zu den Auseinandersetzungen kam es, weil jugendliche Demonstranten verbotene Symbole gezeigt und Widerstand gegen Polizeibeamte geleistet hatten. ausländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 5210 Kurdische Festivals Newroz-Feierlichkeiten Die zentrale Großveranstaltung zum Newroz-Fest fand diesmal am 7. März 2007 in Berlin statt. An der Veranstaltung unter dem Motto "Newroz - Fest des Friedens, der Freiheit und der Völkerverständigung" nahmen etwa 6.000 Personen teil. Die beiden Demonstrationszüge trafen sich am Brandenburger Tor zu einer Abschlusskundgebung mit kulturellem Inhalt. Der YEK-KOM-Vorsitzende betonte in seiner Eröffnungsrede, dass das Newroz-Fest den Kampf und den Widerstand symbolisiere. Mazlum Dogan Jugendund Sportfestival4 Am 4. Juli fand das "0. Mazlum Dogan Jugend-, Kulturund Sportfestival" im Kölner Südstadion statt. Der Veranstalter, die KONGRA-GEL-Jugendorganisation 'Komalen Ciwan' hatte mit 5.000 bis 20.000 Teilnehmern gerechnet. Wie in den Vorjahren nahmen jedoch lediglich .000 bis 4.000 Kurden aus Deutschland und den angrenzenden Ländern teil. Neben den sportlichen Wettkämpfen gab es ein kulturelles Rahmenprogramm, politische Reden und Videobotschaften. Murat Karayilan,Vorsitzender des Exekutivrates des Verbunds der kurdischen Siedlungsgebiete (KCK), erklärte in seiner Videobotschaft, dass kein Jugendlicher untätig bleiben dürfe. Jeder Jugendliche müsse sich mit "apoistischem Geist" (gemeint ist: im Sinne Abdullah Öcalans) für den Kampf einsetzen. Internationales Kurdisches Kulturfestival Am . September 2007 fand auf der Trabrennbahn in Gelsenkirchen das 5. "Internationale Kurdische Kulturfestival" statt. An der Veranstaltung unter dem Motto "Nein 4 Bei Mazlum Dogan handelt es sich um einen kurdischen Märtyrer, der sich im März 98, ein halbes Jahr nach dem türkischen Militär-Putsch 980, aus Protest gegen die Inhaftierung tausender PKK-Anhänger verbrannte. Laut Propaganda des KONGRA-GEL setzte er damit ein "Fanal für die Aufnahme des bewaffneten Befreiungskampfes des kurdischen Volkes". 4 ausländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 zur Besatzung, Vernichtung und Assimilation - Freiheit und Frieden jetzt sofort!" nahmen etwa 5.000 Personen teil. Die dem KONGRA-GEL nahestehende Zeitung 'Yeni Özgür Politika' sprach von 00.000 teilnehmenden Kurden aus Deutschland und dem benachbarten Ausland. Der KCK-Vorsitzende rief in einer Videobotschaft die Kurden zur Wachsamkeit auf: "Verstärkt euren Kampf, wo immer ihr euch befindet. Mit einem neuen Anlauf können wir die Freiheit erlangen. Diejenigen, die dazu in der Lage sind, sollen sich der Guerilla anschließen, diejenigen, die das nicht können, sollen ihre patriotische Pflicht erfüllen." Höhepunkt der Redebeiträge war die Botschaft von Abdullah Öcalan, die von einem seiner Anwälte verlesen wurde. Danach forderte Öcalan die Kurden auf, für "ein freies Land und eine freie Zukunft" zu arbeiten. Der überwiegende Teil des Programms bestand aus kulturellen Beiträgen. Wiederum nutzten viele Kurden das Festival, um Familienangehörige und Bekannte zu treffen. Insgesamt verlief das Fest wie in den Vorjahren friedlich. Bewertung Die durch die Prinzipien des der 'Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans' (KKK) geforderte organisationsinterne Demokratisierung wurde zwar in die Untergliederungen des KONGRA-GEL eingeführt, eine praktische Umsetzung der neuen Organisationsformen konnte aber nicht festgestellt werden. Ob die erneute Umbenennung in KCK neue Impulse für die praktische Arbeit der Organisation setzt, muss bezweifelt werden. Nach wie vor bestimmen Führungskader des KONGRA-GEL die Politik und die Aktivitäten in den Regionen. Die gewählten Volksräte in Nordrhein-Westfalen sind weiterhin bedeutungslos. Insbesondere bei der Durchführung der für die Partei wichtigen jährlichen Spendenkampagne bleiben die gewählten Volksräte außen vor. Den Führungskadern gelingt es immer weniger, die Anhänger der in Nordrhein-Westfalen ansässigen Vereine für eine aktive Mitarbeit zu gewinnen. Die Eskalation der Gewalt in der Türkei, die auch durch den einseitigen Waffenstillstand des KONGRA-GEL zum . Oktober 2006 nicht beendet wurde, und die Zuspitzung des Konfliktes im türkisch-irakischen Grenzgebiet führten bisher nicht zu einer grundsätzlichen Abkehr vom Friedenskurs der Organisation in Deutschland. Dies haben die zahlreichen, gut besuchten pro-kurdischen Demonstrationen in NRW bewiesen, die im Regelfall störungsfrei abgelaufen sind. Punktuelle Auseinandersetzungen im Rahmen des Versammlungsgeschehens ergaben sich insbesondere dann, wenn Provokationen von außen erfolgten. Eine Abkehr vom betont gewaltfreien Verhalten in Deutschland erscheint aber zumindest anlassbezogen möglich, wie gewaltsame ausländErExtrEmismus 5 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Aktionen, insbesondere aus dem Umfeld der kurdischstämmigen Jugendlichen, die zeitweise hoch emotionalisiert sind, zeigen. 53 Iranische Organisationen 531 Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI), Volksmodjahedin IranOrganisation (MEK) Sitz Berlin, Köln Mitglieder Bund NRW 2007 ca. 900 ca. 400 2006 ca. 900 ca. 400 Publikationen 'Mojahed', 'Iran Liberation' Fernsehsender 'Iran NTV', Sitz: London Internet diverse mehrsprachige Homepages Hintergrund Auf Betreiben der 965 gegründeten 'Volksmodjahedin Iran-Organisation' ('Modjahedin-E-Khalq' - MEK) entstand 98 in Paris im Zusammenschluss mit mehreren kleineren iranischen Oppositionsgruppen der 'Nationale Widerstandsrat Iran' (NWRI). Der NWRI vertritt die 'Volksmodjahedin' in Deutschland. Ziel der 'Volksmodjahedin' ist der Sturz des iranischen Regimes. Zu diesem Zweck unterhalten sie im Irak die 'Nationale Befreiungsarmee' (NLA), die als militärischer Arm der Organisation fungiert. Damit werden Bestrebungen verfolgt, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (SS Absatz Nr. VSG NRW). Die MEK gilt als die schlagkräftigste und militanteste iranische Oppositionsgruppe und nimmt für sich in Anspruch, die "einzige demokratische Alternative" zum iranischen Regime zu sein. Sie ist eine streng hierarchische Kaderorganisation mit ursprünglich revolutionär-marxistischer Ausprägung, vermischt mit Elementen des schiitischen Islam. Nach dem Sturz des Schah von Persien, an dem die MEK maßgeblich beteiligt war, und dem folgenden, schließlich verlorenen Machtkampf gegen Khomeini wurde die Organisation 98 im Iran verboten. Die MEK-Führung musste ins Ausland fliehen. Im Pariser Exil gründete Massoud Radjavi den durch die MEK dominierten 'Na- 6 ausländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 tionalen Widerstandsrat Iran'. Seine Ehefrau Maryam Radjavi wurde 99 durch den NWRI zur "Exilpräsidentin" gewählt. Mitte 2002 ist die MEK in die Liste der terroristischen Organisationen der Europäischen Union aufgenommen worden; der NWRI als politischer Arm ist von dieser Maßnahme nicht betroffen. Am 2. Dezember 2006 erklärte das Europäische Gericht Erster Instanz (GEI) auf die Klage der MEK die Entscheidung des Rates der Europäischen Union, die MEK auf der EU-Terrorliste zu führen, für nichtig. Der Grund war unter anderem die fehlende Anhörung im Vorfeld der Listung. Die mit dieser Entscheidung des Gerichts verbundene Hoffnung der MEK auf Streichung von der Terrorliste erfüllte sich jedoch nicht. Am 29. Juni 2007 veröffentlichte der EU-Ministerrat - nach Anhörung der MEK - vielmehr einen neuerlichen Beschluss über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus, der weiterhin die MEK sowie die NLA als terroristische Organisation führt. In ihrem Kampf gegen die iranische Führung verfolgte die MEK eine Doppelstrategie: Neben politischer Agitation und Geldbeschaffungsmaßnahmen führten die bewaffneten Kräfte der Organisation - die NLA - zu Zeiten der Herrschaft Saddam Husseins von irakischen Stützpunkten aus militärische Aktionen gegen staatliche iranische Einrichtungen und Repräsentanten aus. Im Rahmen der politischen Agitation bemüht sich die MEK beziehungsweise der NWRI seit Jahren darum, die iranische Führung im westlichen Ausland zu diskreditieren. Die Organisation sieht in militanten Störaktionen, insbesondere bei Staatsbesuchen von Mitgliedern der iranischen Staatsführung in Deutschland, legitime Protestmittel. Struktur Der NWRI hat seine Deutschlandvertretung von Köln nach Berlin verlegt, verfügt aber weiterhin über einen logistischen Standort in Köln. Im Umfeld des NWRI existieren in Deutschland zahlreiche Vereine, die eine ideologische Anbindung an den NWRI aufweisen und durch öffentlichkeitswirksame propagandistische Aktivitäten sowie durch Spendensammlungen bekannt sind. Hierzu zählen: : 'Verein der Iraner in Wuppertal, Sympathisanten des nationalen Widerstandsrates Iran e.V.' Sitz: Wuppertal, : 'Hilfswerk für Menschenrechte im Iran e.V.' (HMI), Sitz: Dortmund, ausländErExtrEmismus 7 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 : 'Menschenrechtsverein für Migranten e.V.', Sitz: Aachen, : 'Menschenrechtsverein für ExiliranerInnen e.V.' (MEI), Sitz: Düsseldorf, : 'Verein für Gerechtigkeit e.V.', Sitz: Köln. Finanzierung Vereine im Umfeld des NWRI führen seit Jahren groß angelegte Spendenkampagnen durch und begründen diese mit humanitären Anliegen. Auch im Jahr 2007 wurden wie im Vorjahr bundesweit verstärkt Straßensammlungen durchgeführt, vor allem durch die in Aachen, Düsseldorf und Dortmund ansässigen Vereine. Weiterhin bezieht die MEK Einnahmen aus dem Vertrieb der organisationseigenen Publikation 'Mojahed'. Aktuelle Entwicklung Seit Ende des Irak-Kriegs im Mai 2003 befinden sich fast 4.000 entwaffnete NLA-Angehörige im einzig noch verbliebenen MEK-Camp "Ashraf" in der Nähe von Bagdad unter US-Aufsicht. Durch die multinationalen Truppen im Irak wurde den im Camp befindlichen NLAAngehörigen der Status von "geschützten Personen" nach den Bestimmungen der Vierten Genfer Konvention zuerkannt. In der Konsequenz ist eine Auslieferung der NLA-Kämpfer an den Iran ausgeschlossen. In der Vergangenheit wurde immer wieder die freiwillige Rückkehr einzelner NLA-Angehöriger in den Iran bekannt. Dabei handelte es sich in erster Linie um Familienzusammenführungen. Im Jahr 2007 äußerte sich der irakische Premierminister erneut kritisch zum Verbleib der MEK im Irak und thematisierte ein mögliches Betätigungsverbot für die Organisation und die Möglichkeit der Abschiebung der noch im Lager verbliebenen NLA-Angehörigen. Diese Ankündigung hat, abgesehen von der sich verschlechternden politischen Lage des Irak insgesamt, in NWRI-Kreisen zu großer Verunsicherung geführt. Zwar hob das Pariser Appellationsgericht am 6. Juni 2006 die im Zusammenhang mit der polizeilichen Durchsuchung der NWRI-Europazentrale und der Festnahme von Maryam Radjavi sowie hochrangigen NWRI-Funktionären in Auvers sur Oise bei Paris am 7. Juni 200 verhängten Reiseund Kommunikationsbeschränkungen weitgehend auf. Die im Rahmen der damaligen Polizeiaktion sichergestellten Barmittel der Organisation in Höhe von etwa neun Millionen Dollar bleiben aber weiter beschlagnahmt. 8 ausländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Initiativen und Veranstaltungen Die öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten des 'Nationalen Widerstandrates Iran' (NWRI) als politischem Flügel der MEK waren auch in 2007 durch vier Themenschwerpunkte geprägt: : die Forderung nach Streichung der MEK/NLA von der EU-Terrorliste; : der Protest gegen eine mögliche Ausweisung der noch im Camp Ashraf verbliebenen MEK-Angehörigen; : die Präsentation angeblicher Enthüllungen im Zusammenhang mit dem iranischen Atomprogramm; : die Kritik des NWRI an fortgesetzten Menschenrechtsverletzungen im Iran. Dazu fanden im Jahr 2007 vor allem im europäischen Ausland, insbesondere in Frankreich und in Belgien, Großveranstaltungen des NWRI statt, für die zum Teil mehrere tausend Teilnehmer mobilisiert werden konnten. Die öffentlichkeitswirksamen Demonstrationen von Anhängern des NWRI in Nordrhein-Westfalen konzentrierten sich vor allem auf Köln. Insgesamt neun Veranstaltungen verliefen mit Teilnehmerzahlen zwischen 40 und 00 Personen friedlich. Zur jährlichen zentralen Großveranstaltung des NWRI am 0. Juni 2007 in Paris sollten 50.000 Teilnehmer mobilisiert werden. Die tatsächliche Teilnehmerzahl dürfte darunter gelegen haben. Mit der Veranstaltung wollte der NWRI an die Aktion der französischen Polizei gegen den NWRI am 7. Juni 200 erinnern und zugleich den NWRI als nach seinem Selbstverständnis einzige demokratische iranische Oppositionsgruppe darstellen. Die Veranstaltung mit Redebeiträgen europäischer Parlamentarier, Musikdarbietungen und einer Ansprache der "Exilpräsidentin" Maryam Radjavi lief nach bewährtem Muster der Vorjahre und mit den bekannten Schwerpunktthemen ab. Im Vorfeld wurde unter anderem vom 'Rat der Iraner' in Köln, der 'Iranischen Gesellschaft' in Düsseldorf und der 'Gesellschaft von Deutsch-Iranern in NRW' auch im Internet für diese Veranstaltung geworben. Anlässlich einer von teilweise in Köln ansässigen MEK-Aussteigern abgehaltenen Konferenz kam es am 7. Juni 2007 in Paris zu tätlichen Auseinandersetzungen mit NWRI-Sympathisanten. ausländErExtrEmismus 9 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Medieneinsatz Die Organisation bedient sich weitgehend elektronischer Medien. Das TV-Programm des NWRI-Senders 'Iran NTV' wird nicht nur über Satellit, sondern auch via Internet übertragen. Neben den offiziellen Websites des NWRI beziehungsweise der MEK gibt es eine Vielzahl von Homepages, die aufgrund des Angebots den beiden Organisationen zugeordnet werden können. Diese werden nicht nur zur Verbreitung von Propaganda genutzt, sondern dienen auch als Kommunikationsplattform für Mitglieder. Die Angebote sind hauptsächlich in Farsi, aber auch auf Englisch, Französisch und Deutsch verfügbar. Die Print-Ausgabe des 'Mojahed', des periodisch erscheinenden Presseorgans der MEK, ist ebenfalls online verfügbar. Im Vorfeld von Großveranstaltungen des NWRI werden Internetseiten eingerichtet, die der Werbung für diese Veranstaltungen dienen. Die Veranstaltungen selbst werden häufig von Live-Reportagen begleitet und anschließend mit umfangreichen Bildergalerien im Internet dokumentiert. Bewertung Der NWRI, beziehungsweise die MEK, befindet sich weiterhin in einer unsicheren Lage. Die NLA als bewaffneter Arm der MEK ist durch die Aufsicht der US-Armee neutralisiert. Die Einstufung auch des NWRI als terroristische Organisation in den USA und die Exekutivmaßnahmen gegen die NWRI-Zentrale in Frankreich im Jahr 200 haben den NWRI stark irritiert und finanziell geschwächt. Die weitgehende Aufhebung der Reiseund Kommunikationsbeschränkungen für NWRI-Führungsfunktionäre Mitte des Jahres 2006 hat keine grundsätzliche Änderung bewirkt. Schwer getroffen hat den NWRI die Entscheidung des EU-Ministerrates, die MEK sowie die NLA entgegen der Entscheidung des Europäischen Gerichts Erster Instanz weiterhin auf der EU-Terrorliste zu führen. Der weitere Aufenthalt der im Camp "Ashraf" verbliebenen MEK-Mitglieder im Irak ist nach wie vor nicht endgültig gesichert. Der NWRI setzt alles daran, sich als einzige demokratische Alternative für den aus seiner Sicht wünschenswerten Regimewechsel im Iran zu präsentieren. Dabei nutzt der NWRI die Äußerungen des iranischen Präsidenten zu Israel und zur Atomfrage sowie die im Iran wieder vermehrt öffentlich vollzogenen Hinrichtungen und Körperstrafen, um bei öffentlichen Kundgebungen positive Resonanz zu erzielen. 40 ausländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 54 Extremistische Bestrebungen von Kosovo-Albanern aus dem Bereich der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien Auch in Nordrhein-Westfalen sind Gruppierungen aktiv, deren Anhänger auf dem Balkan unter Anwendung von Gewalt die Vereinigung der überwiegend von Albanern bewohnten Gebiete mit der Republik Albanien anstreben. Dies betrifft in Serbien-Montenegro den Süden der Teilstaaten Serbien und Montenegro, Teile des Kosovo sowie des Presovo-Tals, den daran angrenzenden Teil Nord-Mazedoniens und außerdem Gebiete in Nord-Griechenland. In NRW richten sich die Aktivitäten dieser Gruppierungen auf Geldsammlungen zur Unterstützung ihrer Ziele auf dem Balkan. Sie verfolgen damit Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder durch darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden und gegen den Gedanken der Völkerverständigung und das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind, und erfüllen die Voraussetzungen zur Beobachtung durch den Verfassungsschutz nach SS Absatz Nr. und 4 VSG NRW. 541 Volksbewegung von Kosovo (Levizija Popullor e Kosover - LPK) Mitglieder Bund NRW 2007 ca. 20 ca. 0 2006 ca. 20 ca. 0 Bei der 'Volksbewegung von Kosovo' ('Levizija Popullor e Kosover' - LPK) handelt es sich um eine linksextremistische, separatistische Partei, welche als Sammelbecken ehemaliger UCK-Kämpfer gilt. Hintergrund Die Anfänge der LPK reichen in das Jahr 982 zurück, in dem die 'Volksbewegung' im ehemaligen Jugoslawien als leninistisch-marxistische Bewegung gegründet wurde. Die Aktivitäten in Deutschland beschränkten sich bisher hauptsächlich auf die Unterstützung des kosovo-albanischen Befreiungskampfes. In den vergangenen Jahren unterstützte die LPK drei albanische Befreiungsarmeen: von 996 bis 999 die 'Ushtria Clirimtare e Kosoves' ('Kosovo-Befreiungsarmee' - UCK), von Frühjahr 2000 bis Mai 200 die in Südserbien agierende 'Befreiungsarmee von Presovo, Medvedja und Bujanovac' (UCPMB) sowie zuletzt die 'Nationale Befreiungsarmee Mazedoniens' ausländErExtrEmismus 4 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 (diese verwendet, wie die 'Kosovo-Befreiungsarmee', das Kürzel UCK, allerdings als Abkürzung für 'Ushtria Clirimtare Kombetare'). Die LPK organisierte zu diesem Zweck groß angelegte Spendenkampagnen, die mit der Rückkehr der kosovo-albanischen Flüchtlinge bereits im Jahr 200 deutlich reduziert waren. Die Funktionäre der LPK in Deutschland sind für bestimmte Regionen zuständig und sollen in den allgemeinen albanischen Arbeiterund Kulturvereinen für die Sache der LPK werben und zu Spenden aufrufen. Auch wenn die Aktivitäten der Funktionäre im Jahr 2007 eher rückläufig waren, strebt die LPK, die derzeit in Deutschland nur eine Sektion unterhält, weiterhin den Aufbau einer eigenen Deutschland-Vertretung an. 542 Front für nationale Vereinigung (Fronti per Bashkim Kombetar Shqiptar - FBKSh) Mitglieder Bund NRW 2007 ca. 50 ca. 20 2006 ca. 50 ca. 20 Die politische Bewegung 'Front für nationale Vereinigung' (FBKSh) wurde am . Februar 2002 in Tirana (Albanien) gegründet. Sie ist die Nachfolgeorganisation des im Jahre 2000 gegründeten 'Nationalkomitees für die Befreiung und Verteidigung der albanischen Territorien' ('Komiteti Kombetar per Clirimin dhe Mbrojtjen e Tokave Shqiptare' - KKCMTSh). Ihr erklärtes Ziel ist die Vereinigung aller albanischen Siedlungsgebiete. Vorsitzender der FBKSh ist der in Albanien lebende Gafurr Adili. Schwerpunkte der Bewegung in Deutschland liegen in Baden-Württemberg und in Nordrhein-Westfalen. Hier wohnen auch zahlreiche Mitglieder der Vorstände für Europa und den Bereich der Bundesrepublik. Der geplante Aufund Ausbau von Strukturen in der Bundesrepublik, der Voraussetzung für das erfolgreiche Sammeln von (Spenden-)Geldern ist, war bisher nur begrenzt erfolgreich und ist derzeit eher rückläufig. 543 Albanische Nationalarmee (Armata Kombetare Shqiptare - AKSh) Die 'Albanische Nationalarmee' ('Armata Kombetare Shqiptare' - AKSh) wurde am 5. Dezember 999 als eine militärische Organisation gegründet. Sie agiert als militärischer Arm der FBKSh und operiert größtenteils auf dem Balkan in den überwiegend ethnisch albanisch besiedelten Gebieten. Dieser extremistisch-terroristischen Grup42 ausländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 pierung gehören Mitglieder und Anhänger der ehemaligen UCK des Kosovos und Mazedoniens und militaristisch orientierte Mitglieder einiger albanischer und mazedonischer Parteien an. Die Übergangsverwaltung der UN im Kosovo ('United Nations Interim Administration Mission in Kosovo' - UNMIK) hat mit einer Verwaltungsdirektive am 7. April 200 die AKSh zu einer terroristischen Organisation erklärt. Vorausgegangen war ein am . April 200 durch die AKSh verübter Anschlag auf eine Eisenbahnbrücke bei Zvecan. Nach den Unruhen im März 2004 im Norden des Kosovo traten uniformierte AKShMitglieder dort in einigen Dörfern auf. Eine daraus gefolgerte Urheberschaft dieser Unruhen in Kosovska Mitrovica konnte nicht bestätigt werden. Kämpfer der AKSh konnten in Nordrhein-Westfalen nicht festgestellt werden. Die AKSh wird allerdings überwiegend mit Geldern unterstützt, die von in Westeuropa, vor allem in Deutschland und der Schweiz, lebenden Albanern an Unterstützungsfonds und Unterstützungsvereine gespendet werden. In NRW konnten ebenfalls Aktivitäten zugunsten eines Fonds und eines Unterstützungsvereins festgestellt werden. Einschätzung und Perspektive Der sowohl von der LPK als auch von der FBKSh geplante Aufund Ausbau von Strukturen in der Bundesrepublik und auch in NRW als Voraussetzung für eine wirksame finanzielle Unterstützung der jeweiligen Organisation ist bisher nicht gelungen. Im Jahre 2007 ist der Eindruck entstanden, dass die Aktivitäten in den bestehenden Vereinen in NRW stagnieren, eher sogar rückläufig waren. Die Parlamentswahlen im Kosovo am 7. November 2007 führten zu einer grundlegenden Verschiebung der Machtverhältnisse. Die bisher zweitstärkste, aber nicht an der Regierung beteiligte 'Demokratische Partei des Kosovos' (PDK) unter Führung von Hashim Thaci wurde mit etwa 4% der Stimmen zur stärksten Partei gewählt. Die bisher regierenden Parteien LDK (etwa 22%) und AAK (etwa 0%) mussten zum Teil deutliche Stimmenverluste hinnehmen. Absolute Priorität bei den Einwohnern des Kosovos hatte auch im Jahr 2007 die ungeklärte Statusfrage des Landes. Die Verhandlungen über den zukünftigen Status des Kosovos wurden seit August 2007 nach dem Scheitern des "Athissari-Plans" (genannt nach dem finnischen UN-Unterhändler im März 2007) von einer. Troika aus USA, Russland und der EU geführt. Diese Troika brachte Serben und Kosovo-Albaner ausländErExtrEmismus 4 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 mehrfach zu direkten Verhandlungen zusammen und suchte nach einvernehmlichen Lösungen in dem Streit. Wie dem am 0. Dezember 2007 vorgelegten abschließenden Bericht zu entnehmen ist, ist auch dieser Ansatz gescheitert. Der zukünftige Ministerpräsident des Kosovos, Hashim Thaci, erklärte nach den Parlamentswahlen, dass er für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen einseitig die Unabhängigkeit des Kosovos ausrufen will. Ob, wann und mit welchen Auswirkungen für das (friedliche) Zusammenleben von Serben und Kosovo-Albanern im Kosovo, aber auch in Deutschland dies geschehen wird, bleibt abzuwarten. 55 Tamilen: Tamilische Befreiungstiger (Liberation Tigers of Tamil Eelam - LTTE) Sitz Deutsche Sektion: Oberhausen Mitglieder Bund NRW 2007 ca. 800 ca. 00 2006 ca. 800 ca. 00 Internet englischsprachige Homepage Hintergrund Die 'Tamilischen Befreiungstiger' ('Liberation Tigers of Tamil Eelam' - LTTE) streben seit 972 die Errichtung eines unabhängigen sozialistischen Staates "Tamil Eelam" auf dem überwiegend von Tamilen bewohnten Nord-Ost-Territorium von Sri Lanka an. Zur Durchsetzung ihrer Ziele führt die LTTE seit 98 einen erbitterten Guerillakrieg gegen die singhalesische Zentralregierung und verübt Terroranschläge gegen srilankische und indische Ziele. Damit verfolgen die in Deutschland lebenden Anhänger der LTTE Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden; sie erfüllen damit die Voraussetzungen nach SS Absatz Nr. VSG NRW. Der von den LTTE geführte Guerillakrieg hat bereits mehr als 60.000 Menschen das Leben gekostet. Auch bei ihren Terroranschlägen nehmen die LTTE den Tod von Zivilisten in Kauf. 44 ausländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Struktur Die LTTE tritt in Deutschland nicht unter ihrem Namen auf. Sie wird hier durch das 'Tamil Coordination Comitee' (TCC) mit Sitz in Oberhausen vertreten und geleitet. Die LTTE-Sektion Deutschland wird durch konspirative Zellen gebildet, die sich nach außen völlig abschotten. Den Strukturen der LTTE in Deutschland ist die im Januar 2004 in Hamm gegründete 'Tamil Youth Organization e.V.' (TYO) zuzurechnen. Eigenen Angaben zufolge sind die Ziele der TYO, ausländische Mitbürger über die Kultur und Gebräuche der Tamilen zu informieren, die Aufrechterhaltung und Praktizierung des tamilischen Kulturerbes sowie die Förderung der tamilischen Jugend und deren sportlicher Aktivitäten. Die TYO verfügt im Internet über eine Homepage und hat nach eigenen Angaben mittlerweile 2 Zweigstellen in der Bundesrepublik gegründet. Darüber hinaus sind folgende, der LTTE nahestehende wichtige Organisationen bekannt: : 'Tamil Rehabilitation Organization e.V.' (TRO), Sitz: Wuppertal; : 'Tamil Student Organization e.V.' (TSV), Sitz: Neuss; : 'Tamilische Bildungsvereinigung e.V.', (TBV) Sitz: Stuttgart Finanzierung Das Hauptziel der LTTE im Ausland und damit auch in Deutschland ist es, Geld für den Befreiungskampf in der Heimat zu beschaffen. Ohne die regelmäßige finanzielle Unterstützung aus dem Ausland wären die LTTE nicht in der Lage, kontinuierlich für ihre Ziele einzutreten und den militärischen Apparat in Sri Lanka aufrecht zu erhalten. Über die Höhe der Gelder, die von den LTTE jährlich für den Kampf, aber auch für die Versorgung von Flüchtlingen in der Heimat akquiriert werden, liegen keine gesicherten Angaben vor. In erster Linie finanziert sich die Organisation durch Spendensammlungen. So leisten viele Auslands-Tamilen einen "Solidaritätsbeitrag" und spenden regelmäßig für die LTTE. Inwieweit die Spenden freiwillig oder auch unter einem gewissen Druck geleistet werden, lässt sich nur schwer einschätzen. Im Jahr 2007 gab es in NRW vereinzelte Hinweise auf Spendengelderpressungen. ausländErExtrEmismus 45 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Von den der LTTE nahestehenden Organisationen werden zur Geldbeschaffung auch zahlreiche Kultur-, Sportund Gedenkveranstaltungen ausgerichtet, die durch den Verkauf von Eintrittskarten, Büchern, Videos und Musikkassetten teilweise erhebliche Einnahmen erzielen. Bei entsprechenden Veranstaltungen in Nordrhein-Westfalen können regelmäßig 500 bis 2.000 Besucher festgestellt werden. Prozess zur friedlichen Lösung des Konflikts auf Sri Lanka Nach dem Regierungswechsel im Dezember 200 zeichnete sich in Sri Lanka nach 8 Jahren Bürgerkrieg eine Entspannung der politischen Lage ab. Der einseitig erklärte Waffenstillstand der LTTE führte auf der Grundlage der unter Vermittlung der norwegischen Regierung begonnenen Friedensverhandlungen am 2. Februar 2002 zu einem Waffenstillstandsabkommen zwischen der srilankischen Regierung und der LTTE. Das Waffenstillstandsabkommen basiert im Wesentlichen auf einem Konzept, das eine weitgehende Selbstbestimmung in den überwiegend von Tamilen bewohnten Gebieten und eine föderale Struktur innerhalb eines geeinten Sri Lanka vorsieht. Die Friedensverhandlungen wurden aber im April 200 wegen unüberbrückbarer Meinungsverschiedenheiten zwischen den Konfliktparteien ausgesetzt. Nachdem sich Ende Februar 2006 die Regierung Sri Lankas und Vertreter der LTTE in Genf zu Friedensgesprächen getroffen hatten, verband sich damit zumindest ansatzweise die Hoffnung, dass das im Jahr 2002 vereinbarte Waffenstillstandsabkommen, das faktisch nur noch auf dem Papier existierte, wiederbelebt werden könnte. Die Hoffnung zerschlug sich jedoch sehr schnell, als die zweite Runde der Gespräche, für den 24./25. April 2006 wiederum in Genf avisiert, von LTTE-Vertretern abgesagt wurde. Als Grund wurde die zunehmende Gewalt gegen ihre Mitglieder und die eingeschränkte Bewegungsfreiheit auf Sri Lanka genannt. Die im Frühjahr 2006 in Sri Lanka eskalierte Lage mit gewalttätigen Anschlägen auf zivile und militärische Ziele sowohl der singhalesischen als auch der tamilischen Seite, hat sich auch im Jahr 2007 nicht beruhigt. Vielmehr haben beide Seiten ihre militärischen Anstrengungen weiter intensiviert, mit dem Ziel, die jeweils andere Seite zu schwächen, beziehungsweise unter Druck zu setzen. Dies geschah mit unterschiedlichem Erfolg. Eine wochenlange Offensive des srilankischen Militärs erreichte Ende Januar 2007 mit der Eroberung des Ortes Vaharai und der damit verbundenen Übernahme zahlreicher Stützpunkte der LTTE einen vorläufigen Höhepunkt. Mit dem Fall von Vaharai 46 ausländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 übt die srilankische Armee erstmals seit elf Jahren wieder die Kontrolle über die gesamte Länge der wichtigen Verbindungsstraße von Batticaloa nach Trincomalee aus und erreichte damit ihr Ziel, die LTTE aus allen Stützpunkten im Osten zu vertreiben. Derart unter Druck holten die LTTE am 26. März 2007 zu einem mehr propagandistischen als militärisch wirkungsvollen Gegenschlag aus. Erstmals in ihrer Geschichte griffen die sogenannten "Air-Tigers" mit zwei Propellerflugzeugen den srilankischen Militärflughafen Katunayake an und warfen Bomben auf die dort abgestellten Flugzeuge. Bei dem Angriff sollen insgesamt Menschen getötet worden sein. Nur wenige Stunden nach dem Angriff veröffentlichten die LTTE im Internet Fotos von ihren Flugzeugen und erklärten, dass die Flugzeuge "sicher zurückgekehrt" und der "Präventivangriff" dazu gedient habe, "unser Volk vor den wahllosen Bombardierungen der srilankischen Streitkräfte zu schützen". Die sich intensivierenden militärischen Auseinandersetzungen haben auch Auswirkungen auf die Anhänger der LTTE in Deutschland. Im Februar 2007 erklärten die LTTE, dass es insbesondere zur Gewährleistung des Nachschubes für die kämpfenden Einheiten notwendig sei, zusätzliche erhebliche Geldmittel zu beschaffen. Zu diesem Zweck werde es zu weiteren weltweiten Geldsammlungen in der Diaspora kommen. EU-Terrorliste Die stetig eskalierende Gewalt in Sri Lanka war einer der Auslöser dafür, dass die EU die LTTE am 29. Mai 2006 auf die Liste der terroristischen Organisationen setzte. Eine Besonderheit ist, dass diese Listung mit einer politischen Erklärung verbunden wurde, die die Listung als nicht endgültig bezeichnet und die Rücknahme in Aussicht stellt, sollten die LTTE dauerhaft der Gewalt abschwören und sich erkennbar nachhaltig für den Friedensprozess einsetzen. Zeitgleich zur Listung der LTTE durch die EU haben die Geberländer für Sri Lanka (EU, Japan, USA) beiden Konfliktparteien - also auch der Regierung Sri Lankas - angedroht, jegliche finanzielle Unterstützung einzustellen, sollte der Gewalt auf Sri Lanka kein Ende bereitet werden. Das damit verbundene diplomatische Ziel, die sich immer rascher drehende Spirale der Gewalt aufzuhalten und - wenn möglich - umzukehren, konnte allerdings nicht erreicht werden. ausländErExtrEmismus 47 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Aktivitäten/Aktionsverhalten War im Jahr 2005 und dann noch einmal verstärkt im Jahr 2006 ein deutlicher Anstieg der öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten der LTTE und der ihr nahestehenden Organisationen erkennbar, gingen diese Aktivitäten im Jahre 2007 ebenso deutlich zurück. Es gab in Nordrhein-Westfalen zwar nach wie vor zahlreiche gut besuchte Saalveranstaltungen oder auch Sportfeste mit bis zu 6.000 Teilnehmern. Öffentliche Veranstaltungen und Aktionen (Info-Stände, Spendensammlungen, Spendenaufrufe) oder Demonstrationen waren jedoch nur vereinzelt feststellbar. Dies ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass die Tsunami-Katastrophe, die Anlass zahlreicher Veranstaltungen war, mittlerweile drei Jahre zurückliegt und aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt ist. Ein weiteres Problem stellen die Übergriffe von tamilischen Jugendlichen dar, die bei Veranstaltungen der LTTE oder ihr nahestehender Organisationen immer wieder erfolgten, zumal bisher nicht geklärt ist, welche Motivation diesen Übergriffen zugrunde liegt. Die größte jährlich wiederkehrende Saalveranstaltung der LTTE in Nordrhein-Westfalen, der sogenannte "Heldengedenktag", fand am 27. November in Dortmund mit etwa 4.000 Teilnehmern statt. Auch während dieser Veranstaltung kam es zu körperlichen Auseinandersetzungen zwischen etwa zehn Teilnehmern. Ob eine politische Motivation Auslöser für den Vorfall war, konnte nicht ermittelt werden. Einschätzung und Perspektive Die innenpolitische Lage in Sri Lanka erscheint festgefahren. Sämtliche Vermittlungsversuche zwischen der singhalesischen Regierung und den LTTE sind gescheitert. Auch die Drohung der Geberländer für Sri Lanka, jegliche finanzielle Unterstützung der Konfliktparteien für den Fall einzustellen, dass der Gewalt auf Sri Lanka nicht Einhalt geboten wird, blieb ohne Wirkung. Eine politische Lösung des Konflikts ist derzeit nicht erkennbar. 48 ausländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 6 Islamismus 61 Jihadisten Hintergrund Hinter der Bezeichnung "Jihadisten" (islamistische Terroristen, auch Mudjahidin) verbirgt sich keine zentral und straff gesteuerte Organisation, es handelt sich vielmehr um unterschiedlich strukturierte, teilweise nur lose Zusammenhänge und Verbindungen von Personen mit ähnlichen Grundüberzeugungen, die sich durch ihre Gewaltorientierung auszeichnen und auch als terroristische Netzwerke bezeichnet werden. Sie betrachten sich als Kämpfer für den Islam. Ihr Name leitet sich von "Jihad" ab, den sie einseitig als Aufruf zum gewaltsamen Widerstand gegen alle "Feinde des Islam" deuten. Die weitaus wichtigere Bedeutung des Begriffs Jihad in der islamischen Theologie, das Ringen jedes Einzelnen um einen gottgefälligen Lebensweg, wird hingegen ausgeblendet. Die Aktivitäten der Jihadisten vollziehen sich höchst konspirativ. Kleine Gruppen von Jihadisten sammeln sich um einzelne - zum Teil lokale - Führungspersönlichkeiten, die wiederum über vielfältige Kontakte zu anderen lokalen und internationalen Jihadisten verfügen. Dadurch entstehen effiziente Netzwerke von Beziehungen, die bei Bedarf jederzeit aktiviert werden können, etwa um logistische und finanzielle Unterstützung zu leisten. Keimzelle dieser Gruppierungen ist die von Usama bin Ladin gegründete Organisation 'al-Qa'ida' (Die Basis). Auch einzelne unorganisierte gewaltbereite Fanatiker, sogenannte "non-aligned Mujahidin", stellen ein Bedrohungspotenzial dar, denn sie sind durch gemeinsame militärische und ideologische Kampfausbildung in Afghanistan und Pakistan und/oder durch gemeinsamen Kampfeinsatz, zum Beispiel in Bosnien, Tschetschenien oder Kaschmir, ebenfalls in das Netzwerk eingebunden. Die einzelnen Mitglieder unterschiedlicher Zellen kennen einander nicht. So soll verhindert werden, dass die gesamte Struktur offengelegt wird, falls den Sicherheitsbehörden ein Schlag gegen eine einzelne Zelle gelingt. Von den Mitgliedern und Unterstützern der Jihadisten-Netzwerke gehen nicht nur Bestrebungen aus, die durch Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (SS Absatz Nr. VSG NRW), weil sie weltweit agieren und insbesondere die USA und ihre Verbündeislamismus 49 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 ten mit Terror bedrohen. Sie gefährden auch die innere Sicherheit, da terroristische Aktionen gegen Ziele in Deutschland nicht ausgeschlossen werden können, so dass sich die Beobachtung inländischer Aktivitäten auch auf SS Absatz Nr. VSG NRW stützt. Entwicklungsgeschichte Die Entstehung des Mudjahidin-Phänomens geht auf die sowjetische Invasion in Afghanistan im Jahr 979 zurück. Der Widerstand gegen die Besatzung (979 bis 989) formierte sich unter religiösen Vorzeichen. In speziellen Trainingslagern wurden die Freiwilligen auf den Kampf gegen die sowjetische Armee vorbereitet; gleichzeitig wurde hier die Basis für eine Terrorausbildung gelegt, die die Afghanistankämpfer später in ihren jeweiligen Heimatländern zum Einsatz brachten. Die von Usama bin Ladin gegründete 'al-Qa'ida' wurde erstmals während des Widerstandes der Mudjahidin gegen die Sowjetarmee in Afghanistan bekannt. Ihr Zweck war zunächst die logistische Unterstützung der afghanischen Kämpfer mit Geld, militärischer und religiöser Ausbildung sowie mit freiwilligen Kämpfern überwiegend arabischer Herkunft. Darüber hinaus tat sich bin Ladin auch in vorderster Front als Kommandeur hervor und wird seitdem von den Mudjahidin als herausragender Führer und Symbolfigur für den "gerechten Kampf" der Muslime verehrt. Die Jihadisten sind von einem unversöhnlichen Hass auf Israel, die USA, ihre westlichen Verbündeten sowie die mit dem Westen kooperierenden Regierungen islamischer Staaten getrieben. Der "Westen" wird pauschal für Unterdrückung, Korruption, Unterentwicklung und den "Niedergang sittlicher Werte" verantwortlich gemacht. Im Februar 998 bildete sich unter der Führung von 'al-Qa'ida' ein internationaler Zusammenschluss, die 'Islamische Weltfront für den Jihad gegen Juden und Kreuzzügler', der Organisationen aus Ägypten, Pakistan, Bangladesh und inzwischen auch Irak, Algerien und Usbekistan angehören. Das Netzwerk von Usama bin Ladin umfasst damit nicht mehr nur Araber. Bin Ladin bezeichnete es als individuelle Pflicht jedes Muslims, Amerikaner und ihre Verbündeten - Zivilisten und Militärs gleichermaßen - zu töten, wo immer sich die Möglichkeit dazu biete, bis die heiligen Stätten der Muslime von den "Ungläubigen" befreit seien. Infolge dieses Aufrufs sind seitdem zahlreiche Anschläge in aller Welt verübt worden, so zum Beispiel die Terroranschläge am . September 200 in den USA, am . März 2004 in Madrid und am 7. Juli 2005 in London. 50 islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Struktur Das transnationale terroristische Netzwerk unterscheidet sich in wesentlichen Merkmalen von anderen terroristischen Gruppierungen: Es ist nicht auf ein Territorium begrenzt und hat keine festen Organisationsstrukturen. Längst muss davon ausgegangen werden, dass 'al-Qa'ida' nur noch mit einem Bruchteil der terroristischen Anschläge weltweit direkt zu tun hat. Usama bin Ladin selbst ist in terroristischen Kreisen heute in erster Linie Symbolfigur und Vorbild. Vor allem bei Jugendlichen, die sich zur jihadistischen Ideologie hingezogen fühlen, wird er wie ein Pop-Idol verehrt. Im Bereich des internationalen islamistischen Terrorismus ist bereits seit einigen Jahren zu beobachten, dass festgefügte globale Netzwerkstrukturen, die einst in den Trainingslagern der 'al-Qa'ida' in Afghanistan entstanden sind, immer weiter schwinden. Stattdessen hat sich weltweit eine Vielzahl kleiner, lokaler und autonomer Terrorzellen gebildet. Diese Zellen stehen nicht mehr zwangsläufig mit 'al-Qa'ida' in Kontakt oder gehorchen ihren Befehlen. Vielmehr handeln sie zunehmend in Eigenregie. Dennoch haben sie die Ideologie 'al-Qa'idas' verinnerlicht und agieren in ihrem Sinne. 'al-Qa'ida' hat durch die "Dezentralisierung des Terrors" seine Funktion als Koordinatorin von Anschlägen eingebüßt. Sie ist heute vielmehr ein ideologisches Band für eine Vielzahl von Terrorzellen weltweit. So erklärte die Direktorin des britischen Nachrichtendienstes MI 5 im November 2006 öffentlich, man gehe für Großbritannien von 200 Zellen mit etwa .600 Verdächtigen aus. Dabei speisen sich die Aktivitäten der unzähligen Terrorzellen nur vordergründig aus der gleichen Ideologie. Betrachtet man die Konflikte genauer, an denen sich islamistische Terroristen weltweit beteiligen, so fällt auf, dass vom Maghreb über den Nahen Osten und Tschetschenien bis nach Süd-Ost-Asien ganz unterschiedliche Motive den gewaltsamen Kampf bestimmen können. Regional definierte, machtpolitische und ethnische Interessen stehen deutlich im Vordergrund. Die führenden Köpfe der internationalen Terrorszene machen sich die Vielzahl der Konflikte, an denen Muslime beteiligt sind, zu Nutze und stülpen ihnen die vermeintlich gemeinsame Ideologie des weltweiten Jihad über. Dabei sind sie in zweierlei Hinsicht erfolgreich: sie münzen regionale ethnische und/oder soziale Konflikte in religiöse Konflikte um, und sie stellen sie in den Kontext einer globalen Auseinandersetzung zwischen Glauben und Unglauben. Dadurch radikalisieren und indoktrinieren sie die jeweiligen Konfliktparteien in ihrem Sinne. islamismus 5 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Das weltweite Terrornetzwerk hat sich auf die weitgehende Zerschlagung seiner früheren Führungsund Kommunikationsstruktur eingestellt. Es bleibt de facto handlungsfähig, da die Ziele immer noch durch Führer wie Usama bin Ladin und seinen Stellvertreter Aiman az-Zawahiri über die Medien verbreitet werden. Wann, wo, gegen wen und wie es dann zu einem Anschlag kommt, ist regionalen Terrorzellen überlassen. Diese können sich durch Radikalisierung junger Muslime völlig unvorhersehbar und auch in verschiedensten Milieus bilden. Dies haben die Anschläge von Madrid und London sowie die fehlgeschlagenen Attentate auf Regionalzüge in NRW im Juli 2006 gezeigt. Auch der persönliche Hintergrund der im September 2007 im nordrheinwestfälischen Medebach-Oberschlehdorn wegen der vermutlichen Vorbereitung von Terroranschlägen festgenommenen Personen bestätigt die These, dass eine Tätertypologie kaum möglich ist. Nutzung moderner Medien Die Mittel, mit denen der transnationale islamistische Terrorismus seine Vorstellungen und Ziele propagiert, sind vor allem das Fernsehen und das Internet. Man denke etwa an die zahlreichen Videound Tonbandbotschaften Usama bin Ladins und Aiman az-Zawahiris, die regelmäßig von arabischen Fernsehsendern wie 'al-Jazeera' oder 'al-Arabiya' ausgestrahlt werden und große Aufmerksamkeit finden. Doch nicht nur islamistische Propaganda wird auf diese Weise weltweit bekannt gemacht. Auch Selbstmordanschläge, von Terrorgruppen zur Dokumentation ihrer Schlagfähigkeit auf Video festgehalten, werden Fernsehanstalten zugespielt. Die Popularität 'al-Qa'idas' und verwandter Gruppen hängt heute in hohem Maße vom Mythos ihrer Kampfbereitschaft und Unbesiegbarkeit ab. In dieser Hinsicht ist das Fernsehen für Jihadisten ein wichtiges Kommunikationsmedium. Die Rolle des Internets Im Bereich des internationalen islamistischen Terrorismus sowie des Islamismus insgesamt spielt das Internet eine herausragende Rolle. Es ermöglicht eine schnelle, grenzüberschreitende und sichere Kommunikation und eröffnet damit fast unbegrenzte Nutzungsmöglichkeiten. In Deutschland bedienen sich Islamisten jeder Couleur des Internets, ob sie nun für Gewalt oder für gewaltfreies Handeln eintreten. Viele islamistische Organisationen verfügen über eigene, teils mehrsprachige Homepages, auf denen sie ihre Ideologie verbreiten und Mitglieder werben. Daneben gibt 52 islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 es eine Vielzahl einschlägiger Internetforen und "Chatrooms", in denen islamistisches Gedankengut ausgetauscht wird. Akteure des internationalen islamistischen Terrorismus nutzen das Internet aber auch zum Informationsaustausch und zur verdeckten Kommunikation. Insbesondere für terroristische Netzwerke, die häufig über Landesgrenzen hinweg unerkannt Kontakte halten und Informationen austauschen müssen, ist das Internet unentbehrlich geworden. Vielfältige Nutzungsmöglichkeiten Sicher ist, dass es den islamistischen Terrorismus in seiner heutigen Form ohne Satelliten-TV und Internettechnik nicht geben würde. Dass das Internet für Jihadisten zum wichtigsten Kommunikationsund Agitationsraum geworden ist, liegt an seiner technischen Struktur: Es ist leicht zugänglich, einfach zu bedienen, schnell und von globaler Reichweite. Daneben verfügt das Internet über einen hohen Grad an Anonymität und Anonymisierbarkeit, was besonders im Bereich des Jihadismus von zentraler Bedeutung ist. Die Nutzung ist entsprechend vielfältig: Das Internet eignet sich wie kein anderes Medium zur Verbreitung von Propaganda und zum Ideologietransfer. Jihadisten kommunizieren im Internet verdeckt, betreiben Netzwerkbildung, sammeln Spenden und rekrutieren Freiwillige für den Jihad. Auch die Vorbereitung auf Kampfeinsätze erfolgt vielfach mit Hilfe des Internets. Anleitungen zum konspirativen Verhalten, zum Bau von Waffen, zur Herstellung von Giften und Sprengsätzen - alle wesentlichen Informationen und Anleitungen zur Vorbereitung und zur Durchführung von Anschlägen lassen sich über das Internet beziehen. Damit fungiert es als eine Art "virtuelles Trainingslager". Jihadisten nutzen das Internet darüber hinaus zur Selbstinszenierung und psychologischen Kriegsführung. Sie verbreiten dort Bekennerschreiben und -videos ebenso wie Bilder und Videos von Bombenanschlägen, Entführungsund Hinrichtungsopfern. Solche Szenarien erregen weltweit Aufsehen und verbreiten Angst und Schrecken. Ideologietransfer und Propaganda Akteure des internationalen Terrorismus nutzen das Internet exzessiv zur Verbreitung ihrer Jihad-Ideologie. Sie dient den weltweit zersplitterten, autonom agierenden Terrornetzwerken als gemeinsame Basis, als eine Art einigendes Band. In Ermangelung einer zentralen Befehlsstruktur ist die Inspiration und Motivation zur Durchführung immer neuer Anschläge für den Fortbestand des internationalen Terrorismus von existenzieller Bedeutung. Ein wesentliches Ziel der Internetpropaganda ist es deshalb, islamismus 5 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 die Ideologie des gewaltsamen Jihad am Leben zu erhalten. So werden neben jihadistischer Literatur, Tonträgern und Videos regelmäßig auch Verlautbarungen von Führungsfiguren des internationalen Terrorismus ins Netz gestellt. Darin wird in Anspielung auf erfolgte Terrorakte oder unter Androhung neuer Anschläge die Anwendung von Gewalt gerechtfertigt. Gleichzeitig wird die weltweite Anhängerschaft ideologisch "justiert". Ziel ist es, die potenziellen Unterstützer auf dem "richtigen" Kurs zu halten und möglichst viele neue Sympathisanten hinzu zu gewinnen. Vor allem Berichte von Gewalt an Muslimen in Krisenregionen wie dem Irak, Afghanistan und Pakistan sollen der Welt die systematische Unterdrückung und Geißelung der muslimischen Umma (der Glaubensgemeinschaft der Muslime) vor Augen führen. Emotionalisierende Fotos von verletzten oder getöteten Zivilisten, vor allem von Kindern, Frauen und alten Menschen, wecken beim Betrachter Betroffenheit und lassen bei dafür empfänglichen Personenkreisen Terrorakte als eine gerechte und legitime Form des Widerstands gegen die "ungläubigen Aggressoren" erscheinen. Vor diesem Hintergrund finden sich auf jihadistischen Internetseiten häufig auch Aufrufe zur Teilnahme am gewaltsamen Jihad. Deutschsprachige jihadistische Blogs Jihadistische Propaganda wird auch über deutschsprachige Internet-Blogs transportiert. Eine zentrale Rolle dabei spielt die 'Globale Islamische Medienfront' (GIMF), die erstmals im Mai 2006 in deutscher Fassung im Netz auftauchte. Die deutschsprachige GIMF hat es sich zum Ziel gesetzt, Muslime in Deutschland sowie im gesamten deutschsprachigen Raum im Sinne eines militanten Jihad zu beeinflussen. In das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit trat die 'Globale Islamische Medienfront' im März diesen Jahres, als über ihren Internet-Medienkanal 'Stimme des Kalifats' eine Drohbotschaft gegen die Regierungen Deutschlands und Österreichs gerichtet wurde. Darin forderte ein vermummter Sprecher die Regierungen der beiden Staaten im Interesse ihrer Sicherheit auf, ihre Soldaten aus den Ländern der Muslime, insbesondere Afghanistan, abzuziehen. Im September 2007 wurden daraufhin in Österreich drei Mitglieder der deutschsprachigen 'GIMF', die für die Verbreitung des Drohvideos verantwortlich gemacht werden, verhaftet. Die Medienarbeit der GIMF wird unterdessen von anderen Akteuren und unter wechselnden Internetadressen fortgesetzt. So veröffentlichte die GIMF im November erneut ein Video, in dem Deutschland und Österreich mit Anschlägen gedroht wird. 54 islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Der deutschsprachige Internetblog 'Islamic-News-Center' (mittlerweile als 'MuslimNews-Center' im Netz) ist ein weiteres Beispiel für jihadistische Internetpropaganda auf sprachlich hohem Niveau. Dieser Blog betreibt vornehmlich Propaganda für die im Irak aktive Terrorgruppe 'Islamic State of Iraq' (ISoI). Der Blog berichtet über Aktionen der Jihadisten im Irak, in Afghanistan, Tschetschenien etc. und stellt Videobotschaften islamistischer Terroristen und entsprechende Publikationen vor. Gefahr der Selbst-Radikalisierung Eine besondere Gefahr der beschriebenen Propaganda-Maschinerie ist, dass sie auch auf Einzelpersonen ohne jihadistische Anbindung fanatisierend wirken kann. Die Bereitschaft, Anschläge durchzuführen, muss nämlich nicht zwangsläufig im Zusammenhang mit einer gezielten Rekrutierung stehen. Sie kann auch die Folge einer intensiven und einseitigen Beschäftigung mit radikal-islamistischer Propaganda sein, die allein das Internet massenhaft bietet. Die Zahl jihadistischer Propagandaseiten geht in die Tausende und nimmt ständig zu. Gleichzeitig wächst die Gemeinde von Internetnutzern weltweit kontinuierlich, so dass sich zukünftig nicht nur die jihadistische Propaganda im Netz vervielfachen, sondern auch der Empfängerkreis wachsen wird. Die Verinnerlichung von Internet-Propaganda kann zu einer Selbst-Radikalisierung insbesondere junger Menschen führen. Der "self-made-Terrorist", der sich durch das Lesen von Jihad-Propaganda selbst radikalisiert, sich aus dem Internet mit technischem Wissen zur Durchführung von Anschlägen versorgt und schließlich selbstständig einen Anschlag plant und durchführt, ist bereits zur realen Bedrohung geworden. So sollen die beiden jungen Männer, die für die fehlgeschlagenen KofferbombenAttentate in NRW im Juli 2006 verantwortlich gemacht werden, gezielt Informationen zum kämpferischen Jihad im Netz gesucht und schließlich auch die Bomben nach einer Anleitung aus dem Internet zusammengebaut haben. An diesem und anderen Beispielen wird deutlich, dass sich durch die Nutzung des Internets Radikalisierungsprozesse beschleunigen und kaum vorhersehbar entwickeln können. Selbstinszenierung und psychologische Kriegsführung Terroristen nutzen das Internet auch, um in den eigenen Reihen und beim "Feind" den Eindruck weltweiter Handlungsfähigkeit und ungebrochener Schlagkraft zu erzeugen. Fotos und Videos von Kampfhandlungen und Bombenanschlägen sollen die Anhängerschaft in der Überzeugung stärken, als Teil einer siegreichen Gemeinschaft für eine edle Sache zu kämpfen. Diesem Zweck dienen beispielsweise die Beiträge islamismus 55 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 von 'al-Furqan', der Medienproduktionsfirma der 'Islamic State of Iraq'. Deren Schwerpunkt liegt auf der Produktion von Videos, die Anschläge gegen Militärfahrzeuge sowie Exekutionen irakischer Regierungsangestellter dokumentieren. Die Beiträge vermitteln durchweg den Eindruck, als führten Jihadisten im Irak ausschließlich erfolgreiche Terroroperationen durch und schädigten ihre Gegner unentwegt und in einem solchen Ausmaß, dass ihr endgültiger Sieg nur noch eine Frage der Zeit sei. Die 'al-Furqan'-Produktionen bilden mittlerweile eine wichtige Komponente jihadistischer Propaganda im Internet. Sie tragen wesentlich zu dem positiven Ruf bei, das die ISoI innerhalb der internationalen jihadistischen Gemeinde genießt. Terroristen nutzen das Internet darüber hinaus als Instrument der psychologischen Kriegsführung. Die Folterung und Tötung von Gefangenen und Entführungsopfern vor laufender Kamera und die anschließende Zurschaustellung im Netz dient nicht nur der Demütigung der Opfer. Durch die Betrachtung der Gewalthandlungen soll sich beim Gegner ein Gefühl der Bedrohung einstellen. Er soll sich schutzlos und unterlegen fühlen, Vertrauen in seine Umgebung verlieren und die Handlungsfähigkeit seiner Regierung in Zweifel ziehen. Den grausamen Höhepunkt dieser Vorgehensweise bildete das Internet-Video von der Enthauptung der amerikanischen Geisel Nicholas Berg im Irak im Jahre 2004, das weltweit Entsetzen hervorrief und - gerade deshalb - einige Male nachgeahmt wurde. Ein weiteres Instrument der psychologischen Kriegsführung via Internet ist die Aufzählung von Tötungen und terroristischen Aktionen in "Erfolgslisten". Die besondere Gefährlichkeit der jeweiligen Terrorgruppe soll auf diese Weise glaubhaft gemacht werden. Auch die Wahrnehmung in Bezug auf die Anzahl der lokal operierenden Terrorgruppen soll manipuliert werden. Wenn neue Terrorgruppen im Netz auftauchen, sich zu Attentaten bekennen oder neue ankündigen, muss damit gerechnet werden, dass ein Großteil von ihnen reine Erfindungen sind. Beispielhaft für solche "virtuellen" Terrorgruppen sind die 'Abu Hafs al-Masri-Brigaden'. Diese bekannten sich unter anderem zu den Londoner Anschlägen von 2005, ihre Existenz wurde aber nie nachgewiesen. Zunehmende Professionalisierung Die jihadistische Internetszene ist diffus, unübersichtlich und unkontrollierbar. Dies liegt vor allem daran, dass Akteure und Sympathisanten des internationalen Terrorismus regen Gebrauch von den technischen Möglichkeiten des Internets machen. Beim Ideologietransfer via Netz arbeiten Akteure und Sympathisanten des internationalen 56 islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Terrorismus Hand in Hand. Terroristische Gruppen propagieren und rekrutieren entweder auf ihren eigenen Websites oder nutzen dazu fremde jihadistische Seiten. Dort stellen sie zum Beispiel Propagandamaterial von 'al-Qa'ida' ein oder richten Links zu ihren Seiten ein. Der Informationsfluss wird aber zu einem erheblichen Teil von Internet-Nutzern in Gang gehalten, die selbst keiner bestimmten Gruppe angehören. Sie verweisen auf ihren Webseiten oder Blogs auf entsprechende Publikationen und Verlautbarungen, verlinken zu 'al-Qa'ida'-nahen Seiten oder senden aus jihadistischen Webseiten kopierte Informationen an andere Adressen. Vor allem bei den Sicherheitsvorkehrungen, die islamistische Extremisten im Internet treffen, macht sich eine zunehmende Professionalisierung bemerkbar. Im jihadistischen Bereich sind Internetseiten in der Regel nur für einen begrenzten Zeitraum unter ein und derselben Adresse abrufbar. Der häufige Wechsel von Website-Adressen dient vor allem dazu, Spuren im Netz zu verwischen. Bestimmte Webseiten sollen einem Kreis von Insidern vorbehalten bleiben. Solche versteckten Webseiten (Blackboards) können nur durch Kenntnis des konkreten Namens, nicht aber von Suchmaschinen gefunden werden. Eine andere Möglichkeit ist es, den Zugriff auf bestimmte Seiten einzuschränken, beispielsweise durch Kennungen und Passwörter. Darüber hinaus werden alle Möglichkeiten der Verschlüsselung und Kryptographie angewendet, um einschlägige Inhalte unerkannt ins Internet zu stellen. Mittels spezieller Programme können Informationen zum Beispiel in Bildund Musikdateien versteckt werden. Die entsprechende Software kann aus dem Internet herunter geladen werden. Jihadisten nutzen das Internet außerdem zur offenen und verdeckten Kommunikation. Sie tauschen beispielsweise technische Informationen, Telefonnummern, Karten und Lagepläne für geplante Operationen untereinander aus. Großer Beliebtheit erfreuen sich in jihadistischen wie islamistischen Kreisen generell auch sogenannte Internetforen, in denen Informationen und Meinungen schriftlich ausgetauscht werden. Gleiches gilt für die sogenannten Chatrooms, in denen schriftliche Kommunikation in Echtzeit stattfindet. Eine andere Spielart des "virtuellen Jihad" sind "Cyber-Angriffe" auf gegnerische IT-Netze (Defacements). Bei sogenannten "Denial of Services"-Attacken (DOS) geht es darum, ausgewählte Zielcomputer beziehungsweise Internetadressen lahm zu legen. Eine erst kürzlich in Erscheinung getretene Internetseite bietet neben der entsprechenden Hackingsoftware auch eine Liste mit vermeintlich antiislamischen Internetseiten an, die sich aus Sicht des Betreibers als Angriffsziele eignen. In der Vergangenheit haben Cyber-Jihadisten verschiedentlich Erfolge solcher "Cyber-Attaislamismus 57 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 cken" gemeldet. In den meisten Fällen blieb indes unklar, ob es tatsächlich zu solchen Angriffen gekommen war. Im Unterschied zu den beschriebenen Hackerangriffen, die gegen Computer und Webseiten gerichtet sind, sich also im virtuellen Raum abspielen, bezeichnet der Cyberterrorismus Computer gesteuerte Anschläge auf reale Ziele, etwa Transportmittel und Infrastruktur. Noch handelt es sich dabei um eine Fiktion. Wenn es aber einer neuen Generation von Jihadisten gelingt, sich das nötige technische Wissen zur Durchführung solcher Anschläge anzueignen, wäre die Möglichkeit zum computergesteuerten Angriff auf den Luftund Schienenverkehr, auf Energieunternehmen oder andere sensible Objekte gegeben. Balance zwischen Freiheit und Sicherheit wahren Die Sicherheitsbehörden stehen angesichts der vielfältigen Bedrohungen, die aus der Nutzung des Internets durch Terroristen erwachsen, in einem fortwährenden Abwägungsprozess. Wie lassen sich Sicherheit und Freiheit in Einklang bringen, wie können die Bürger vor dem Jihadismus geschützt werden, ohne dass grundlegende Freiheitsrechte beschnitten werden? Den aus dem rasanten Fortschritt der Technik erwachsenden Gefahren des 2. Jahrhunderts kann nicht allein mit dem Instrumentarium des 20. Jahrhunderts begegnet werden. Die Versuche der Sicherheitsbehörden, in terroristische Strukturen einzudringen, Kommunikationswege aufzuspüren und Anschläge zu verhindern, müssen sich stets an den Rahmenbedingungen unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung orientieren. Mit der Frage, ob die gesetzlichen Befugnisse der Sicherheitsbehörden im Zuge des Antiterrorkampfes ausgebaut werden sollten, ist daher immer auch die Forderung verbunden, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen individuellen Freiheiten einerseits und nationaler Sicherheit andererseits zu gewährleisten. Finanzierung Die Jihadistenbeziehungsweise Mudjahidin-Netzwerke finanzieren sich aus unterschiedlichen Quellen. Es handelt sich einerseits um Spenden; andererseits haben Gewinne aus legalen Geschäften (zum Beispiel aus Großund Einzelhandelsgeschäften oder dem PKW-Handel) sowie Profite aus illegalen Aktivitäten wie Schmuggel, Waffen-, Diamantenund Drogenhandel, Handel mit gefälschten Pässen oder Kreditkartenbetrug zunehmende Bedeutung. Für finanzielle Transaktionen werden zum 58 islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 einen häufig Bankkonten mit dem Umweg über sogenannte "off-shore"-Länder (ohne Bankenaufsicht) genutzt, zum anderen bedient man sich der "Hawala"-Methode. Hierbei übergibt der Einzahlende unter Nennung des Auszahlungsortes eine bestimmte Geldsumme an eine Vertrauensperson, die ihm wiederum ein Kennwort nennt. Diese Kennung gibt der Einzahler an den Empfänger weiter, dem ein entsprechender Betrag dann an der angegebenen Stelle von einer vertrauenswürdigen Person aus dem Hawala-System ausgezahlt wird. Dieses System funktioniert über Kontinente hinweg. Keineswegs alle Transaktionen des Hawala-Systems betreffen illegale Vorgänge; vielmehr ermöglicht diese Art der Finanzabwicklung eine schnelle und unbürokratische Überweisung von Geldern in solche Regionen, in denen ein Bankensystem nicht weit verbreitet ist. Damit ist es aber auch möglich, Geldbeträge in unbegrenzter Höhe zu bewegen, ohne dass sie über Konten von nach westlichem Muster arbeitenden Banken wandern und von den Sicherheitsbehörden zurückverfolgt werden können. Aktuelle Entwicklung Auch sechs Jahre nach den Militärschlägen der USA in Afghanistan ist der Verbleib von Usama bin Ladin und seines Stellvertreters Aiman az-Zawahiri ungeklärt. Das internationale terroristische Netzwerk verliert zwar Jahr für Jahr wichtige Führungspersonen durch militärische Aktionen oder Operationen von westlichen Nachrichtendiensten oder muss es hinnehmen, dass Anschlagsvorbereitungen frühzeitig aufgedeckt werden. Von einer nachhaltigen Zerschlagung des Terrornetzwerks kann jedoch nicht ausgegangen werden Die Anschlagsversuche vom 29. und 0. Juni 2007 - zwei nicht gezündete Autobomben in London sowie der missglückte Selbstmordanschlag auf den Glasgower Flughafen - basierten auf improvisierten Sprengsätzen, bestehend aus Gasflaschen, größeren Mengen Benzin und Nägeln. Die beiden Autobomben sollten über die Ruffunktion von Mobiltelefonen gezündet werden, was aufgrund einer technischen Fehlfunktion im Zünder misslang. Neben der in London üblichen öffentlichen Überwachung durch Videokameras soll vor allem das Auslesen von Mobiltelefonen Grund für die schnellen Fahndungserfolge gewesen sein. Auffällig ist die große Anzahl von Ärzten unter den Verdächtigen. Die weltweiten Anschläge auf Wohnanlagen, Restaurants, Hotels, Banken sowie Anschläge auf öffentliche Verkehrsmittel lassen befürchten, dass auch künftig solche islamismus 59 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 kaum zu schützenden "weichen Ziele" im Visier der Jihadisten stehen werden. Das terroristische Netzwerk verfügt nach wie vor über die Fähigkeit, Terrorakte mit hohen Opferzahlen zu planen und durchzuführen; die Motivation hat sich durch die weiter andauernde Präsenz amerikanischer Soldaten im Irak nicht abgeschwächt sondern verstärkt sich weiter. Bedrohung durch "home-grown"-Netzwerke Seit 2001 haben sich die Profile islamistischer Terroristen deutlich verändert. Längst stellen nicht mehr nur aus dem Ausland eingereiste Attentäter eine Bedrohung der Sicherheit europäischer Staaten dar. Mit den Anschlägen von Madrid im März 2004 und London im Juli 2005 ist deutlich geworden, dass sich der islamistische Terrorismus verselbstständigt hat. Waren die Attentäter von Madrid Nordafrikaner, die lange Zeit in Spanien gelebt hatten und zum Teil einen kriminellen Hintergrund hatten, handelte es sich bei den Attentätern von London um Briten pakistanischer und jamaikanischer Herkunft, die in zweiter und dritter Generation scheinbar integriert in England lebten. Auch der Islamist, der 2004 den niederländischen Filmemacher Theo van Gogh ermordete, war in den Niederlanden aufgewachsen. Diese Beispiele stehen stellvertretend für eine neue Generation islamistisch motivierter Attentäter, sogenannte home-grown-Terroristen. Der Begriff bezeichnet Zuwanderer der zweiten oder dritten Generation oder auch Konvertiten, die in westlichen Gesellschaften aufgewachsen sind und eines Tages ohne Weisung von außen einzeln oder in einer Gruppe Terroranschläge durchführen. So soll sich insbesondere die Gruppe der gescheiterten Londoner Attentäter vom 2. Juli 2005 nach den Busund U-Bahnattentate vom 7. Juli 2005 kurzerhand zu Selbstmordattentaten verabredet haben, um "auf die Situation im Irak aufmerksam zu machen". Die jungen Männer, die im Sommer 2006 Anschläge auf den Bahnverkehr in NRW verüben wollten, fallen aus der Gruppe der home-grown-Terroristen heraus, denn sie lebten erst seit kurzem in der Bundesrepublik. Gleichwohl müssen auch sie in der Zeit ihres Aufenthaltes in Deutschland einen Radikalisierungsschub erfahren haben. Dagegen handelt es sich bei den im September im Sauerland festgenommenen Tatverdächtigen um home-grown-Strukturen. Zwei der Hauptakteure sind als junge Deutsche zum Islam konvertiert, während ein türkischstämmiger Verdächtiger im Alter von acht Jahren nach Deutschland kam. 60 islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Religiös getarnter (Selbst)Hass Die Wandlung äußerlich integriert scheinender junger Männer zu islamistischen Gewalttätern wirft viele Fragen auf. Etwa danach, welchen Einflüssen sie ausgesetzt waren und wie sich ihre Wandlung zu islamistischen Fanatikern von ihrer Umwelt unbemerkt vollziehen konnte. Auch über die Motive von home-grown-Terroristen kann in Ermangelung empirischer Untersuchungen nur spekuliert werden. Nach den Anschlägen von London und Madrid war eine häufig zu hörende Erklärung, dass die Attentäter zwar in der britischen beziehungsweise spanischen Gesellschaft gelebt hätten, sich jedoch diskriminiert fühlten und/oder die Werte dieser Gesellschaften zutiefst ablehnten. In dieser Situation habe möglicherweise auch die politische Lage in der islamischen Welt beziehungsweise in den Herkunftsländern dazu beigetragen, ihre Landsleute oder eben "die Muslime" allgemein rächen zu wollen. Die analytische Beschäftigung mit dem home-grown-Terrorismus steht noch in den Anfängen, ebenso wie das Phänomen der Selbstmordattentäter noch nicht abschließend erforscht ist. Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Erklärungsansätze, die den Werteverfall, die Verelendung, mangelnde Zukunftsperspektiven, geringe Bildung, den Nahost-Konflikt oder andere bewaffnete Konflikte in den Vordergrund stellen. Eine andere Erklärung hebt auf die besonderen psychologischen Merkmale islamistischer Attentäter ab. Die Grundannahme ist, dass es sich bei Selbstmordattentätern um Personen mit gravierenden Persönlichkeitsstörungen handelt. Demnach spielt vor allem ein Gefühl der Minderwertigkeit und der Selbstablehnung eine Rolle, das sich in Hass und Rachegefühle gegenüber einem bestimmten Feindbild steigern kann. Kommt ein Mangel an Einfühlungsvermögen hinzu, setzt dies die Hemmschwelle für Gewalttaten deutlich herab. Die islamistische Ideologie wirkt dabei als Verstärker und Rechtfertigung zugleich. Sie wird als attraktiv wahrgenommen, denn sie überdeckt den Selbsthass, blendet das moralische Gewissen aus und beseitigt die Hemmung zum Töten. Fortsetzung der Propagandaoffensive Auch 2007 waren zahlreiche Propagandaaktivitäten der 'al-Qa'ida' zu verzeichnen. Hauptsächlich Usama bin Ladin und sein Stellvertreter Aiman az-Zawahiri griffen bekannte Themen in Variationen auf: Die Besetzung des Irak und der Demokratisierungsprozess im Land sowie der Widerstand gegen die westliche Welt (USA und ihre Verbündeten). Insbesondere wurde die muslimische Jugend aufgerufen, Widerstand zu leisten. islamismus 6 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Am 5. Januar 2007 rief 'al-Qa'ida'-Vize Aiman az-Zawahiri zur Unterstützung der muslimischen Brüder in Somalia auf. Im Anschluss an eine Audiobotschaft aus dem Zeitraum Ende Dezember 2006 wandte az-Zawahiri sich insbesondere an die islamischen Kämpfer in Somalia, die er aufforderte, Anschläge und Selbstmordattentate gegen die äthiopischen Truppen und deren Helfer durchzuführen. Am 8. Februar 2007 wurde auf einigen jihadistischen Websites die 0. Ausgabe des Online-Magazins 'Saut al-Jihad' (dt.: Stimme des Jihad) in professioneller Aufmachung eingestellt. Die Veröffentlichung der 29. Ausgabe dieses propagandistischen Strategiepapiers von 'al-Qa'ida auf der Arabischen Halbinsel', das ehemals in zweiwöchigem Rhythmus publiziert wurde, liegt beinahe zwei Jahre zurück. Seitdem war die Öffentlichkeitsarbeit der Organisation aufgrund der massiven Schwächung durch Zugriffe der saudischen Regierung weitgehend zum Erliegen gekommen. Die neue Ausgabe von 'Saut al-Jihad' kann als Indiz gewertet werden, dass die Organisation zumindest insoweit erstarkt ist, als dass sie ihre Propagandaarbeit in früherem Umfang - trotz des massiven Drucks der saudischen Sicherheitsbehörden - wieder aufnehmen konnte. Wie in seinen vorangegangenen Botschaften nahm az-Zawahiri auch in seiner am 2. Februar im Internet veröffentlichten Ansprache zu Entwicklungen an globalen Schauplätzen des Jihad Stellung und rief die Muslime zur Teilnahme am globalen Jihad auf. Die Ansprache reihte sich ein in eine Folge von Botschaften, in denen az-Zawahiri gerade in letzter Zeit seinen ideologischen Standpunkt verdeutlichte und global zum Jihad aufrief. Über den Kanal 'Stimme des Kalifats', ein Internetmedium der 'Global Islamic Media Front', wurde am 0. März 2007 eine Videobotschaft verbreitet, die sich erstmals direkt und ausschließlich an die Regierungen Deutschlands und Österreichs richtete. Beide Länder werden "zum Wohle der eigenen Sicherheit" zum Abzug ihrer Soldaten aus den Ländern der Muslime, insbesondere Afghanistan, aufgefordert. In dieser Botschaft wurde erstmals explizit eine klare Drohung gegen Deutschland und Österreich ausgesprochen. Vier Jahre nach der Eroberung der irakischen Hauptstadt durch die Koalitionskräfte zog Abu Umar al-Baghdadi, Emir des offiziell der 'al-Qa'ida im Irak' (aQiI) übergeordneten 'Islamischen Staates von Irak' (ISoI), eine Zwischenbilanz. Seine Ansprache, erst die vierte von seiner Seite überhaupt, ist eine Retrospektive auf die zurückliegende Zeit des Kampfes unter verschiedenen Aspekten, eine Betrachtung der Erfolgs62 islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 geschichte des Jihad im Irak und gipfelt letztlich im Versprechen und der Überzeugung, den endgültigen Sieg über die Besatzer und die schiitisch geprägte Regierung davon zu tragen. Am 5. Mai veröffentlichte das 'al-Qa'ida'-Medien-Komitee az-Sahab' in den einschlägigen islamistischen Internetforen eine Videobotschaft von Aiman az-Zawahiri zu aktuellen Themen der Zeitgeschichte aus islamistischer Sicht. Als Anlass der Produktion wird der vierte Jahrestag der US-Invasion im Irak (7. März 200) genannt. Ein neues Gestaltungselement des Videos ist die Einspielung von Ausschnitten aus Nachrichtensendungen, die die Argumentation von az-Zawahiri untermauern beziehungsweise illustrieren sollen. Am 0. Juli veröffentlichte das 'al-Qa'ida'-Medien-Komitee az-Sahab' eine Audiobotschaft von Aiman az-Zawahiri mit einer doppelt gelagerten Drohung gegen Großbritannien. Zum einen werden "präzise" Reaktionen auf den Ritterschlag Salman Rushdies angekündigt, zum anderen unter Bezugnahme auf das britische Engagement in Afghanistan und Irak mit weiteren Aktionen gegen Großbritannien gedroht. Am 5. Juli wurde von 'az-Sahab' ein Video veröffentlicht, in dem neben Usama bin Ladin auch weitere hochrangige Vertreter der 'al-Qa'ida' sowie "Märtyrer" der Organisation zu Wort kommen. Vieles spricht dafür, dass es sich bei dem Videoausschnitt bin Ladins um eine ältere Aufnahme handelt. In den islamistischen Internet-Foren wird das Video wesentlich stärker beachtet und kommentiert als die vorangegangenen Videos von az-Zawahiri Anfang Juli 2007. Insgesamt wird deutlich, dass der Wunsch vieler Sympathisanten nach einer aktuellen Wortmeldung bin Ladins zwar enttäuscht worden ist, andererseits aber Verständnis für dessen Zurückhaltung besteht. Wie bereits in den Vorjahren veröffentlichte das 'al-Qa'ida'-Medienkomitee zum Jahrestag der Anschläge in den USA mehrere Propagandavideos. Unter dem Titel "The Solution" wurde eine englisch untertitelte Videoansprache von bin Ladin über die islamistischen Internetforen verbreitet. Am . September folgte auf gleichem Wege das Videotestament eines der New York-Attentäter, Abu Mus'ab Walid ash-Shahri, eingeleitet ebenfalls von Usama bin Ladin. 'Az-Sahab' veröffentlichte am 20. September 2007 über die islamistischen Internetforen eine Audiobotschaft Usama bin Ladins und damit die zweite aktuelle Wortmeldung des 'al-Qa'ida'-Führers binnen weniger Tage. "Come to Jihad" ist eine Aufforderung an das pakistanische Volk, sich gegen Präsident Musharraf zu erheben. islamismus 6 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Am 24. Oktober folgte eine Audiobotschaft Usama bin Ladins mit dem Titel "An unsere Leute im Irak". Das Interesse an der Veröffentlichung dieser Botschaft war in den jihadistischen Internetforen sehr groß. Am 2. November erschien eine Videobotschaft der 'Globalen islamischen Medienfront' mit dem Titel: "Ein Aufruf an die Regierungen von Deutschland und Österreich". Das Video enthielt Äußerungen, die als Drohung mit Anschlägen in Deutschland und Österreich oder mit der Aufforderung zur Begehung von Anschlägen in den beiden Ländern interpretiert werden können: Sollten Deutschland und Österreich ihre Truppen nicht aus Afghanistan abziehen, müsse man um die Sicherheit in den beiden Ländern fürchten. Österreich wird wegen der Festnahme der mutmaßlichen GIMFMitglieder im September in Wien gesondert angesprochen. Am 0. November wurde eine Audiobotschaft von Usama bin Ladin in arabischer Sprache mit dem Titel "An die Völker Europas" veröffentlicht. Eine der insgesamt drei Versionen der mit einem Standbild von bin Ladin unterlegten Rede hat deutsche Untertitel. In seiner Botschaft will sich bin Ladin unmittelbar an die Europäer richten, deren Staaten sich militärisch in Afghanistan engagieren. Hauptziel ist es offenbar, sie davon zu überzeugen, dass der Afghanistan Einsatz weder gerechtfertigt noch erfolgversprechend sei und deshalb beendet werden müsse. Somit bemüht er sich, direkt die europäische öffentliche Meinung zum Afghanistan Einsatz zu beeinflussen. Deutschland wird nicht ausdrücklich benannt. Allerdings dürfte es neben Großbritannien ein Hauptadressat sein. Entwicklung in Deutschland Das Netzwerk der Jihadisten in Deutschland hat in Deutschland eine Infrastruktur aufgebaut, die unter anderem zur Versorgung mit gefälschten Papieren, zur Ausstattung mit Mobiltelefonen und zum Sammeln von Spenden genutzt wird. Daneben versucht man, junge Muslime für eine Kampfausbildung im Ausland zu rekrutieren. Sympathisanten und Unterstützer islamistischer Organisationen oder bestimmte Personengruppen, etwa Studenten, werden zum Teil gezielt angeworben. Dies kann im Einzelnen im Bekanntenoder Freundeskreis geschehen. Dagegen bieten politische oder religiöse Veranstaltungen unter Umständen die Möglichkeit, mehrere Personen gleichzeitig für die eigenen Ideen zu gewinnen. So kann das Freitagsgebet in der Moschee zur Verbreitung islamistischer Propaganda missbraucht werden. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Imam (Vorsteher) der Moschee den Jihad als militanten Kampf gutheißt oder wenn Gastimame entsprechende Überzeugungen in ihre Predigt mitunter 64 islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 auch latent einfließen lassen. Bei anschließenden Diskussionen unter den Gläubigen können sich im Laufe der Zeit Personen herauskristallisieren, die von der Idee des militanten Jihad angetan sind und für Vorhaben der Jihadisten geeignet scheinen. Feststellbar ist allerdings, dass sich die Imame seit einiger Zeit deutlich zurückhaltender äußern und islamistische Parolen bei öffentlichen Auftritten zu vermeiden versuchen. Wenn Mudjahid-Anwärter sich eine Zeit lang als ausreichend fest im Glauben und entschlossen genug für den militanten Jihad gezeigt haben, werden einige von ihnen über Umwege in ein Trainingscamp entsandt, wo sie neben weiterer religiöser Unterweisung eine militärische Ausbildung erhalten. Nicht alle Terrorzellen müssen sich jedoch aus ehemaligen Kämpfern zusammensetzen. Wie die Madrider und Londoner Beispiele zeigen, können sich auch Personen - ohne eine entsprechende Schulung durchlaufen zu haben - durch eigenen Entschluss dem Netzwerk zugehörig fühlen und in seinem Sinne handeln. Die von Deutschland aus operierenden Unterstützer des Terrornetzwerkes sind häufig in Straftaten der allgemeinen oder organisierten Kriminalität verwickelt. Durch organisierte Schleusungen und Fälschungsdelikte werden terroristische Zwecke in bestimmten Zielländern unterstützt und lukrative Geschäfte gemacht. Dabei geht man in der Regel äußerst professionell, arbeitsteilig und konspirativ vor. Am 26. September 2007 begann vor dem Oberlandesgericht (OLG) Celle der Prozess gegen einen mutmaßlichen "Cyber-Jihadisten". Der Iraker ist wegen des Verdachts des Werbens von Mitgliedern und Unterstützern für eine ausländische terroristische Vereinigung angeklagt. Er wird beschuldigt, von seinem Wohnsitz aus in zahlreichen Fällen Audiound Videobotschaften von 'al-Qa'ida' und 'al-Qa'ida im 'Zweistromland' über das Internet weltweit weiterverbreitet zu haben. Es handelt sich um das erste Strafverfahren, in dem ein sogenannter Cyber-Jihadist angeklagt ist. Seit Mai 2006 wurde vor dem Staatsschutzsenat des OLG Düsseldorf gegen drei Angeklagte wegen des Verdachts der Mitgliedschaft beziehungsweise Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung ('al-Qa'ida') prozessiert. Weiterhin waren sie wegen Betrug sowie der versuchten Beschaffung nuklearen Materials angeklagt. Durch die Betrügereien von Versicherungen sollten erhebliche Geldsummen zur Unterstützung einer terroristischen Vereinigung erlangt werden. Die Angeklagten konnte nachgewiesen werden, dass sie auf unterschiedliche Art und Weise an Aktivitäten von 'al-Qa'ida' beteiligt waren. islamismus 65 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Am 5. Dezember 2007 verurteilte sie das Oberlandesgericht Düsseldorf zu Haftstrafen zwischen dreieinhalb und sieben Jahren. Überführt werden konnten die Angeklagten nach Ansicht des Gerichts vor allem aufgrund der akustischen Wohnraumüberwachung der Wohnung eines der Angeklagten. In Deutschland befindet sich nach wie vor ein zahlenmäßig nicht konkret zu bezifferndes Potenzial islamistischer Kämpfer mit vielfältigen Verbindungen in alle Teile der Welt. Es muss davon ausgegangen werden, dass Deutschland - und damit auch NRW - als Ruhe-, Rückzugsund Vorbereitungsraum und zur Logistikbeschaffung von Mitgliedern und Unterstützern des terroristischen Netzwerks genutzt wird. Spätestens die missglückten Anschläge auf die beiden Regionalzüge am . Juli 2006 und die durch die Festnahmen im September 2007 erfolgte rechtzeitige Aufdeckung und Verhinderung von Anschlägen zeigen, dass Anschläge auch in Deutschland erfolgen können. Neben der abstrakt hohen Gefährdung für US-amerikanische, britische, israelische und jüdische Einrichtungen können etwa das deutsche Engagement in Afghanistan oder die deutschen Unterstützungsleistungen für den Aufbau im Irak ein Motiv für Anschläge gegen hiesige Ziele bilden. Aktivitäten in Nordrhein-Westfalen Am 8. Dezember 2007 hat vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf der Prozess gegen einen der beiden der Bombenleger in den Regionalzügen begonnen; sein Komplize ist im Libanon bereits zu einer zwölfjährigen Haft verurteilt worden. Ein zentrales Tatmotiv für die geplanten Taten war offenbar die Veröffentlichung der MuhammadKarikaturen auch in einigen deutschen Zeitungen im Februar 2006. Verstärkt wurde ihre islamistische Haltung durch den Tod des 'al-Qa'ida'-Chefs im Irak Abu Mus'ab az-Zarqawi im Juni 2006. Die Täter haben nach eigener Aussage geglaubt, aus Protest und im Dienst des Islam einen Anschlag gegen Ziele innerhalb Deutschlands verüben und dabei möglichst viele Menschen töten zu müssen. Bei den Tätern handelt es sich um Personen, die zu einem im Vorfeld nur sehr schwer erfassbaren Tätertypus gehören und zu denen den Sicherheitsbehörden vor der Tat keine Erkenntnisse - auch nicht über einen Aufenthalt in einem islamistischen Ausbildungslager - vorlagen. Deutlich wurde, dass die Täter keine Selbstmordanschläge planten und sich die Auswahl ihrer Zielobjekte an der Durchführbarkeit sowie an den Fluchtmöglichkeiten orientierten. Am 4. September 2007 wurden in Nordrhein-Westfalen drei mutmaßliche Mitglieder der islamistischen terroristischen Vereinigung 'Islamische Jihad Union (IJU)' aus 66 islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Usbebekistan festgenommen. Durch noch im September geplante Anschläge sollte ein Höchstmaß an Personenund Sachschaden verursacht werden. In einem im Internet festgestellten Bekennerschreiben übernimmt die IJU die Verantwortung für die Planung der Anschläge. Diese sollten sich in erster Linie gegen US-amerikanische Einrichtungen beziehungsweise hier lebende US-Bürger richten. Zum Zeitpunkt der Festnahme hatten die drei alle für die Herstellung von Sprengmittel notwendigen Substanzen und Zünder sowie elektronische Bauteile und Kabel in eine Wohnung im Sauerland gebracht. Im Zusammenhang mit den Festnahmen gab es darüber hinaus in zahlreichen Objekten im gesamten Bundesgebiet Durchsuchungen bei Beschuldigten und Kontaktpersonen. Ein vierter Beschuldigter, dem Unterstützungshandlungen vorgeworfen werden, wurde zwei Tage später in der Türkei verhaftet. Konkrete Vorbereitungshandlungen für einen geplanten terroristischen Anschlag konnten durch die Sicherheitsbehörden bereits einige Monaten vor der Festnahme festgestellt werden. Im Verlauf des von der Generalbundesanwaltschaft eingeleiteten Ermittlungsverfahren wurde deutlich, dass sich die Täter sukzessive die zur Herstellung von Sprengmitteln notwendigen Substanzen beschafft hatten, deren Wirkungen die Folgen der Anschläge in Madrid und London übertroffen hätten. Die Kenntnisse zum Bau der Sprengvorrichtungen hatten die drei Männer insbesondere durch spezielle Sprengstoffschulungen in Ausbildungslagern in Pakistan erworben. Bei der Tatvorbereitung verhielt sich der Personenkreis sehr konspirativ. Die Kommunikation mit der IJU-Führung erfolgte ausschließlich über Callshops beziehungsweise Internet-Cafes. Der mutmaßliche Kopf der Gruppe nutzte für Kommunikationszwecke regelmäßig ungeschützte Wireless-LAN-Zugänge von Privatpersonen, in die er sich heimlich einloggte. Dieses Vorgehen lässt erkennen, dass offenbar gezielt nach Lücken im System der herkömmlichen Überwachung gesucht worden ist. Nur durch das frühzeitige Erkennen der Anschlagsvorbereitungen und den rechtzeitigen Zugriff ist vermutlich ein Terroranschlag größten Ausmaßes in Deutschland verhindert worden. 62 Ansar al-Islam (Unterstützer des Islam) Hintergrund Bei 'Ansar al-Islam' ('Unterstützer des Islam') handelt es sich um eine ursprünglich nur im Nordosten des Irak aktive kurdisch-irakische Organisation, die zunächst gegen die islamismus 67 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 sehr viel einflussreicheren säkularen, nicht religiös ausgerichteten Parteien im Nordirak kämpfte. Die Anhänger stammen aus verschiedenen Splittergruppen, die sich die Verwirklichung des islamischen Glaubens und eine dem Koran entsprechende Lebensweise auf einem eigenen kurdischen Staatsgebiet zum Ziel setzen. Die 'Ansar al-Islam' ging aus der 'Jund al-Islam' ('Armee des Islam') hervor, der Abspaltung einer islamisch-kurdischen Dachorganisation. Im Dezember 200 übernahm der im norwegischen Exil lebende Mullah Krekar die Führung der Gruppierung und änderte den Namen in 'Ansar al-Islam'. Mittlerweile ist Krekar in seiner Führungsposition von Abdullah az-Shafi abgelöst worden. Bei der 'Ansar al-Islam' von 200, der im September 200 in 'Ansar as-Sunna' umbenannten und der seit Sommer 2006 bestehenden 'Ansar as-Sunna-Gruppe' handelt es sich um dieselbe Gruppierung. Die 'Ansar al-Islam' zeichnet im Irak für eine Vielzahl schwerster Terrorakte und Selbstmordanschläge verantwortlich. Ideologie 'Ansar al-Islam' zielt darauf ab, ein islamistisches Kurdistan zu schaffen, das auf einem radikalen Islam nach dem Vorbild der Taliban in Afghanistan beruht. Die Gruppierung versucht daher, den in ihrem Machtbereich lebenden Menschen den Kontakt zu säkularen Parteien zu verbieten und verleiht ihren Forderungen mit brutalen Gewaltaktionen gegen Andersdenkende Nachdruck. Von den Anhängern und Unterstützern der 'Ansar al-Islam' gehen daher Bestrebungen aus, die durch Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (SS Absatz Nr. VSG). Da auch die Durchführung von Anschlägen in Deutschland nicht ausgeschlossen werden kann, kommt auch eine Tatbestandserfüllung durch sicherheitsgefährdende Bestrebungen (SS Absatz Nr. VSG) in Betracht. Es gibt konkrete Hinweise dafür, dass 'Ansar al-Islam' über Verbindungen zum Terrornetzwerk 'al-Qa'ida' verfügt. Diese Verbindungen sollen noch aus gemeinsamen Kampferfahrungen in Afghanistan herrühren. Nach dem Zusammenbruch des TalibanRegimes in Afghanistan sollen Taliban und 'al-Qa'ida'-Mitglieder bei 'Ansar al-Islam' im Nordirak Schutz gesucht haben, bevor diese durch den Einmarsch der Koalitionstruppen unter US-Führung in den Irak ihrerseits unter Druck geriet. Durch ihr Zusammenwirken mit der in die 'Al-Qaida' eingegliederte Terrorgruppe des inzwischen verstorbenen Jordaniers Abu Mus'ab az-Zarqawi beziehungsweise um dessen Nachfolger ist die AAI Bestandteil des internationalen islamistischen Terrornetzwerks. 68 islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Finanzierung Finanzielle Unterstützung erhält die Organisation möglicherweise aus Staaten der Golfregion und anderen islamischen Ländern. Gelder werden aber auch durch Spendensammlungen in Westeuropa beschafft. Mitglieder und Sympathisanten der 'Ansar al-Islam' kommen als Reisende - auch als Geschäftsleute - in verschiedene europäische Länder, um Geld in Moscheen und 'Islamischen Zentren' zu sammeln, technische Ausrüstung zu beschaffen, Propaganda zu betreiben und Mitglieder zu werben. Aktivitäten in Deutschland und NRW Die 'Ansar al-Islam' verfügt über ein auf fast ganz Europa ausgedehntes Netz aus Mitgliedern, Sympathisanten und Unterstützern, die sich der Geldbeschaffung und der Rekrutierung von Freiwilligen für Aktivitäten im Irak widmen. Die in Deutschland lebenden Anhänger bilden keinen eigenständigen organisatorischen Zusammenschluss mit autonomer politischer Zielsetzung, sondern orientieren sich (bislang) überwiegend als logistisches Unterstützernetz ohne feste organisatorische Struktur primär an den Vorgaben der terroristischen Kerngruppe im Irak und dem dort von ihr geführten Jihad. Festnahmen im europäischen Raum haben in den vergangenen Jahren das Netzwerk zwar beschädigt, aber nicht zerreißen können. In Deutschland sollen sich etwa 00 Aktivisten überwiegend in Süddeutschland aufhalten. Inzwischen konnten allerdings auch vermehrt Umzüge in andere Bundesländer, so auch nach Nordrhein-Westfalen, festgestellt werden. Der Generalbundesanwalt hat im Dezember 200 ein Verfahren gegen Angehörige der 'Ansar al-Islam' gemäß SS 29b StGB (Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland) eingeleitet. Umfangreiche Ermittlungen haben zu Haftbefehlen gegen mehrere Personen geführt. Ihnen wird vorgeworfen, vom Bundesgebiet aus für die 'Ansar al-Islam' Geld zur Finanzierung von Terroranschlägen gesammelt und transferiert zu haben. Inzwischen ergingen mehrere Urteile: Im ersten deutschen Prozess nach SS 29b StGB hatte das Oberlandesgericht (OLG) München am 2. Januar 2006 einen -jährigen Kurden zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Kurde seit 2002 Mitglied der 'Ansar al-Islam' gewesen sei und sie durch Geldsammlung sowie die islamismus 69 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Beschaffung von technischem Gerät unterstützt habe. Zudem habe er mehrere Personen für den Jihad im Irak rekrutiert. Am 27. September 2007 setzte das OLG München die Reststrafe unter Auflagen zur Bewährung aus. Die zweite bedeutende gerichtliche Entscheidung gegen einen Anhänger der 'Ansar al-Islam' in Deutschland fällte das OLG München am 25. Juni 2007. Ein 5-jähriger irakischer Kurde wurde unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu drei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er Geldmittel an die 'Ansar al-Islam' in den Irak transferiert hatte. Am 9. Juli 2007 verurteilte das OLG München einen weiteren irakischen Kurden zu einer Freiheitsstrafe von 5 1/2 Jahren wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß SS 29 b StGB und wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz, das den Geldtransfers in den Irak untersagt. Das Gericht begründete das vergleichsweise hohe Strafmaß damit, dass ein Kämpfer im Irak bereits mit 20 bis 25 Euro einen Monat finanziert werden könnte. Am 26. September 2007 verurteilte das OLG Stuttgart einen 7 Jahre alten Iraker wegen Unterstützung der 'Ansar al-Islam' zu einer Freiheitsstrafe von 2 1/2 Jahren . Der am 20. Juni 2006 vor dem OLG Stuttgart begonnene Prozess wegen eines geplanten Anschlages auf den früheren irakischen Ministerpräsidenten Dr. Iyad Allawi während seines Deutschlandbesuches im Dezember 2004 ist noch nicht abgeschlossen. Die Anklage lautet auf Rädelsführerschaft und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz und Verabredung eines Verbrechens. Auch wenn die in Deutschland lebenden Anhänger und Unterstützer der 'Ansar alIslam' überwiegend logistische Aufgaben ausführen, können - wie die Anschlagsplanungen von Dezember 2004 zeigen - auch terroristische Handlungen in Deutschland von hier lebenden 'Ansar al-Islam'-Anhängern nicht ausgeschlossen werden. 63 Tschetschenischer Separatismus: Tschetschenische Republik Ichkeriya (CRI)/Tschetschenische Separatistenbewegung (TSB) Hintergrund Mit dem Zerfall der UdSSR 99 und im Zuge der Unabhängigkeit der südkaukasischen Staaten Armenien, Aserbeidschan und Georgien entstand auch in Tschetschenien eine separatistische Bewegung mit dem Ziel einer Loslösung von Russland 70 islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 - die 'Tschetschenische Republik Ichkeriya' (CRI)/'Tschetschenische Separatistenbewegung' (TSB). Durch den ersten Tschetschenien-Krieg (994 - 996) radikalisierten sich die islamistischen Tendenzen innerhalb der tschetschenischen Gesellschaft und insbesondere seit dem zweiten Tschetschenien-Krieg (ab 999) werden Gewaltaktionen auch außerhalb des Kaukasus verübt. Ziel der militärisch strukturierten tschetschenischen Separatistenbewegung ist es, die russische Armee mit Gewalt zum Rückzug aus Tschetschenien zu zwingen und die Macht zu ergreifen. Anschließend soll mit der Errichtung eines unabhängigen islamischen Staates auf dem Gebiet Tschetscheniens begonnen werden. Damit gefährden ihre Anhänger durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland (SS Abs. Nr. VSG NRW) und verfolgen Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung und das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind (SS Abs. Nr. 4 VSG NRW). Aktuelle Entwicklung Neben der von Moskau anerkannten Regierung Tschetscheniens, dessen Präsident seit dem . März 2007 Ramzan Kadyrov ist, existiert eine "Schattenregierung" der CRI/TSB, deren Mitglieder sich teilweise im Ausland aufhalten. 2006 Darunter der international bekannte "Vizepräsident" und "Feldkommandant" der CRI/TSB, Schamil Basayev. Basayev war für zahlreiche Gewaltaktionen gegen militärische und zivile Einrichtungen in Russland, darunter die Geiselnahmen 2002 im Musicaltheater in Moskau mit über 0 Toten und 2004 in einer Schule in Beslan mit über 0 Toten, verantwortlich. Die besondere Verbundenheit der Separatistenbewegung zu türkischen Unterstützerkreisen belegt ein im November 2007 aufgetauchtes türkischsprachiges beziehungsweise türkisch untertiteltes Video aus Tschetschenien mit dem Titel "Mit meiner Ehre bin ich in den Bergen". In dem Video fordern die Führer der Bewegung, darunter auch Dokku Umarov, alle Muslime zur Unterstützung des Kampfes durch Geld, Waffen, Gebrauchsartikel und Propaganda auf. Eine besondere Botschaft richtet sich an die "türkischen Brüder" und an ehemalige türkische Mujahedin. In dem Video wird auch ein türkischer Kommandant vorgestellt, der ein eigenes Mujahedin-Camp leiten soll, und an den sich türkische Interessenten, die am Kampf in Tschetschenien teilnehmen möchten, wenden sollen. In der Vergangenheit sind Einzelfälle von in Deutschland lebenden türkischstämmigen Personen, aber auch von deutschen Konvertiten bekannt islamismus 7 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 geworden, die als Kämpfer auf Seiten der tschetschenischen Separatistenbewegung ums Leben gekommen sind. Aktivitäten in Deutschland Die Unterstützerbewegung der CRI/TSB im Bundesgebiet setzt sich vorwiegend aus Tschetschenen und Türken tschetschenischer Abstammung zusammen. Die Unterstützung besteht vorrangig in Propaganda für die Bewegung, Spendensammlung und sonstiger logistischer Hilfe. Allerdings wird der Tschetschenien-Konflikt - ähnlich wie der Palästina-Konflikt - als zentrales Thema auch von anderen islamistischen Organisationen aufgegriffen. Man versucht, Solidaritätsgefühle und eine Identifikation mit den "muslimischen Brüdern", die sich im "Verteidigungskrieg" befinden, zu wecken. Ziel ist auch hier vorrangig die Einnahme von Spendengeldern, die sowohl für humanitäre Zwecke als auch zur Unterstützung des militärischen Kampfes bestimmt sein können. In NRW sind bisher keine Strukturen der CRI/TSB bekannt. 64 Tabligh-i Jama'at - Gemeinschaft zur Verkündigung (TJ) Mitglieder Bund NRW 2007 700 50 2006 600 50 Hintergrund Die 'Tabligh-i Jama'at' (auch 'Jama'at-i Tabligh'; Gemeinschaft zur Verkündigung - TJ) wurde im Jahre 927 durch den Religionsgelehrten Maulawi Muhammad Ilyas, Anhänger der sogenannten Deoband-Schule, in Indien gegründet. Seit den 960er Jahren ist sie auch in Deutschland aktiv. Sie ist eine streng konservative, sunnitische Bewegung, deren Mitglieder großen Wert auf die wortgetreue Ausübung islamischer Vorschriften und die Befolgung der islamischen Riten legen. Die Missionierungsarbeit der TJ richtet sich vor allem an "verirrte Muslime", die nach Meinung der TJ vom rechten Weg des Islam abgekommen sind. Eine gezielte Bekehrung Andersgläubiger ist nicht das Ziel ihrer Missionierungsarbeit. Das geistige Zentrum der 'Tabligh-i Jama'at' befindet sich in Lahore/Raiwind, Pakistan. Die organisatorische TJ-Zentrale ist in Nezamuddin (Delhi/Indien) angesiedelt; ein weiteres "Gründerzentrum" befindet sich in Tongi, Bangladesch. In Großbritannien (Dewsbury, Leeds) verfügt die TJ' über ein europäisches Zentrum, wo die TJ-Europa-Shura, der auch ein deutsches TJ-Mitglied 72 islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 angehören soll, ansässig ist. Allerdings hat dieses Zentrum nicht einen vergleichbaren Stellenwert wie Raiwind, Nezamuddin oder Tongi. Von Großbritannien werden überwiegend die europäischen Treffen der 'Tabligh-i Jama'at' organisiert, so dass zwar ein zentraler Charakter besteht, jedoch ohne jegliche Weisungsbefugnis. Als deutsches Zentrum gilt Friedrichsdorf (Hessen). Die TJ beharrt auf der völligen Einhaltung muslimischer Traditionen und Gebote. Durch ein beispielgebendes frommes Leben und die selbstlose Missionsarbeit der Mitglieder soll der Islam weltweit verbreitet werden. Auch wenn die Bewegung an sich als friedfertig und ohne politische Zielsetzung gilt, steht sie aufgrund verschiedener Beispielsfälle im Verdacht, durch ihre netzwerkartigen Strukturen den internationalen Terrorismus mittelbar zu fördern und durch die strengreligiöse Anleitung der Mitglieder den geistigen Nährboden für die Rekrutierung von Jihad-Kämpfern zu bereiten. Hierdurch werden die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland gem. SS Abs. Nr. VSG gefährdet und es widerspricht dem Gedanken der Völkerverständigung beziehungsweise dem friedlichen Zusammenleben der Völker gem. SS Abs. Nr. 4 VSG. Die 'Tabligh-i Jama'at' unterteilt ihre Missionsreisen (Jamaat) in verschiedene, zeitlich definierte Abschnitte. Die monatliche Durchführung der 3-Tages-Mission ist eine Pflicht für jedes Mitglied. Hierbei handelt es sich zumeist um Wochenendreisen in benachbarte Städte. Neben dem -Tages-Jamaat gibt es noch den 40-tägigen Jamaat, der überwiegend in Missionsgruppen absolviert wird. Der 4-monatige Jamaat ist die aufwändigste Missionsreise und kann die Anhänger auch ins Ausland führen. Jedes Mitglied sollte in seinem Leben zumindest einmal eine 40-tägige Reise in eines der Gründerzentren der TJ (Pakistan, Indien, Bangladesch) absolvieren. Durch diese zum Teil weltweiten Missionsreisen hat die TJ' ein großes Netzwerk an Kontakten aufbauen können, das auch für terroristische Zwecke nutzbar gemacht und missbraucht werden kann. In Einzelfällen wurde bekannt, dass in den Madrassen (religiöse Ausbildungszentren) der TJ in Pakistan gezielt nach möglichen Rekruten für den "Jihad" genannten militärischen Kampf gesucht wird. Die Bewegung bietet sich damit als eine Art Sprungbrett für radikal islamistisch orientierte Personen an. Im Rahmen des 'Al Tawhid'-Prozesses beim Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteilsverkündung am 26. Oktober 2005) wurden aufgrund einer Zeugenaussage unmittelbare Kontakte von 'Tabligh-i Jama'at'-Anhängern zu 'al-Qa'ida' und Usama bin Ladin deutlich. Mehreren Personen, die im Rahmen des Prozesses als Zeugen geladen islamismus 7 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 waren, konnten Aufenthalte in einem Ausbildungslager der 'al-Qa'ida' sowie Tätigkeiten in der Leibwache des Usama bin Ladin nachgewiesen werden. Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde eine Person in ihr Heimatland Marokko abgeschoben. In einem weiteren Fall ist das ausländerrechtliche Verfahren eingeleitet jedoch noch nicht abgeschlossen. Im Rahmen eines mit Urteil vom 5. Dezember 2007 abgeschlossenen Verfahrens vor dem OLG Düsseldorf gegen drei Unterstützer der 'al-Qa'ida' konnten direkte Bezüge eines Angeklagten zur TJ festgestellt werden. Dieser Haupttäter, der vom OLG zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt wurde, hatte sich von Oktober 200 bis Juli 2002 in Afghanistan an den Kämpfen gegen den US-Militäreinsatz beteiligt und war unmittelbar in die Kommandostrukturen der 'al-Qa'ida' bis zur Führungsspitze eingebunden. Spätestens ab März 2002 wurde er von einem Augenzeugen in einer TJ-Madrasse bei Lahore/Pakistan gesehen. Dort hielt er sich vermutlich bis zu seiner Ausreise nach Deutschland im Juli 2002 auf. Inwieweit der Angeklagte von der TJ in Pakistan wissentlich unterstützt wurde, konnte nicht abschließend geklärt werden. In NRW ist die 'Tabligh-i Jama'at' besonders in Köln, Düsseldorf, Bochum, Gelsenkirchen und Essen aktiv. Die Organisation verfügt über wenige eigene Moscheen und weicht daher oft auf türkische, selten arabische Moscheen aus. Verstärkt wird in letzter Zeit auch beobachtet, dass die TJ ein großes Interesse an Konvertiten entwickelt hat. Die Missionierungsbemühungen sind hier besonders intensiv. Auch die weitere Förderung der Konvertiten durch Teilnahme an Missionsreisen in eines der Gründerzentren unterstützt die TJ aktiv. Aktuelle Entwicklungen Vom 20.-22. April 2007 fand in Berlin das Deutschlandtreffen der TJ statt. Im Rahmen dieses Treffens, an dem auch TJ-Vertreter aus Indien und Pakistan teilnahmen, wurde die Aufteilung Deutschlands in Kreise beschlossen. Zwei Kreise erstrecken sich auch auf das Gebiet von Nordrhein-Westfalen. Mittels dieser '"Kreisverwaltung"' soll eine Intensivierung und Strukturierung der Missionsarbeit der TJ ermöglicht werden. 74 islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 65 HAMAS (Harakat al-Muqawama al-Islamiya - Islamische Widerstandsbewegung) Mitglieder Bund NRW 2007 00 70 2006 00 70 Internet: Englischsprachige Homepage Die HAMAS ('Bewegung des islamischen Widerstandes') ist heute eine der einflussreichsten und stärksten Organisationen unter den sunnitischen Palästinensern, die sich den kompromisslosen Kampf gegen Israel zur "Befreiung" des gesamten historischen Palästina und die Errichtung eines islamistischen Staates auf dem Gebiet Palästinas zum Ziel gesetzt hat. Damit gehen von den in Deutschland lebenden Anhängern Bestrebungen aus, die durch Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (SS Absatz Nr. VSG NRW) beziehungsweise die gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind (SS Absatz Nr. 4 VSG NRW). Auf Beschluss des Rates der Europäischen Union ist die HAMAS in der "EU-Terrorliste" als Organisation erfasst, gegen die sich restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus richten sollen. Hintergrund und Ziele Unter den islamistischen Organisationen in Deutschland sind insbesondere die HAMAS sowie die aus dem Libanon gegen Israel operierende schiitische 'Hizb Allah' (Partei Gottes) von Bedeutung. Daneben sind säkulare palästinensische Gruppierungen wie die 'Volksfront für die Befreiung Palästinas' (PFLP) und die 'Demokratische Front für die Befreiung Palästinas' (DFLP) zu nennen. Der Gründer der HAMAS, Scheich Ahmad Yassin, wurde im März 2004 von der israelischen Armee getötet, ebenso wie im Folgemonat dessen Nachfolger Abd al-Aziz Rantisi. Besonders der gewaltsame Tod des an den Rollstuhl gefesselten palästinensischen Führers Yassin sorgte weltweit für Kritik an dem israelischen Vorgehen im Konflikt mit den Palästinensern. Öffentlich aktiv wurde die sunnitische extremistische HAMAS mit Beginn der ersten Intifada im Jahre 987. Sie hat sich aus dem palästinensischen Teil der 'Muslimbruderschaft' entwickelt. Die HAMAS bekämpft den Staat Israel mit terroristischen islamismus 75 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Mitteln, wobei insbesondere die zahlreichen Selbstmordattentate zu nennen sind. Sie lehnt den Alleinvertretungsanspruch der PLO ab und boykottierte zunächst alle zwischen dem Staat Israel und der PLO geschlossenen Verträge. Für die Hardliner innerhalb der Organisation ist ein Friedensschluss mit dem Staat Israel offensichtlich auch heute noch undenkbar. Bei den Kommunalwahlen Ende 2004/Anfang 2005 im GazaStreifen und im Westjordanland eroberte die HAMAS gut ein Drittel der Mandate und stärkte damit weiter ihre politische Position. Bei den ersten palästinensischen Parlamentswahlen seit 996 erreichte die erstmals angetretene HAMAS mit ihrer Partei 'Wechsel und Reform' am 25. Januar 2006 im palästinensischen Legislativrat (PLC) die absolute Mehrheit (76 von 2 Sitzen). Die bislang regierende säkulare 'Fatah'-Bewegung konnte lediglich 4 Mandate erringen. Seit September 2006 bemühte sich Palästinenserpräsident Abbas um eine Regierung der nationalen Einheit, die erst im März 2007 nach einem Versöhnungstreffen der zerstrittenen palästinensischen Gruppen im saudi-arabischen Mekka gebildet wurde. Seit Ende 2006 eskalierte jedoch der Konflikt zwischen Anhängern der 'Fatah' und der HAMAS im Gaza-Streifen, der zu blutigen, bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen mit zahlreichen zivilen Opfern führte. In der Folge dieser Eskalation zogen sich im Juni 2007 die Minister der 'Fatah' aus der Regierung der nationalen Einheit zurück. Als die HAMAS am 4. Juni 2007 die alleinige Macht im Gaza-Streifen übernahm, rief Präsident Abbas den Ausnahmezustand aus und entließ die Einheitsregierung von Ministerpräsident Isma'il Haniya. Er ernannte den Wirtschaftswissenschaftler Salam Fayyad zum Ministerpräsidenten einer Übergangsregierung, die zwischenzeitlich international anerkannt wurde. Die politische und territoriale Spaltung der Palästinenser in das von der 'Fatah' regierte Westjordanland und den von der HAMAS kontrollierten Gaza-Streifen dürfte eine positive Entwicklung im Friedensprozess trotz intensiver Bemühungen des aus den USA, den Vereinten Nationen, der Europäischen Union und Russland bestehenden und vom ehemaligen britischen Premierminister Tony Blair als Sondergesandten angeführten "Nahost-Quartetts" deutlich erschweren. Erst mit einem Einlenken der HAMAS in den Fragen Gewaltverzicht und Existenzrecht Israels könnte eine dauerhafte Lösung des Konfliktes erreichbar sein. Dies erscheint zurzeit jedoch wenig wahrscheinlich. Anlässlich einer Feier zum 20jährigen Bestehen der HAMAS am 5. Dezember 2007 im Gaza-Streifen kündigten HAMAS-Führer vor 76 islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 etwa 250.000 Teilnehmern die Fortsetzung des gewaltsamen Kampfes gegen Israel an. Situation der HAMAS in Deutschland In Deutschland sind bislang keine eigenen Strukturen der in Israel und den palästinensischen Gebieten aktiven Gruppierungen 'Tanzim' (Bewaffnete Gruppe der 'alFatah') und den sogenannten 'al-Aqsa-Brigaden' - und auch nicht der HAMAS selbst - festzustellen. Diese Gruppierungen, die neben HAMAS für zahlreiche Selbstmordanschläge in Israel verantwortlich sind, genießen unter den hier lebenden Palästinensern Sympathie. Nach Ansicht der die Intifada unterstützenden Organisationen sind Israel und seine politischen Repräsentanten die eigentlichen "Terroristen", denen mit aller Härte zu begegnen sei. Gleichwohl besteht bei den hier lebenden Palästinensern ein großes Interesse an der Beendigung des Konflikts, da eine weiter eskalierende Gewalt die wirtschaftliche Not der Palästinenser vergrößern dürfte. Nach wie vor liegen keine Hinweise darauf vor, dass von Anhängern hier aktiver palästinensischer islamistischer und säkularer extremistischer Organisationen zu Anschlägen in Deutschland aufgerufen wird beziehungsweise diese befürwortet werden. Gleichwohl kann nicht ausgeschlossen werden, dass insbesondere stark emotionalisierte jugendliche Palästinenser spontane Gewaltakte gegen israelische, jüdische oder amerikanische Einrichtungen begehen könnten. Internationale Verbindungen und Finanzierung Trotz religiös-konfessioneller Unterschiede besteht eine gewisse Zusammenarbeit zwischen der sunnitisch geprägten HAMAS und der schiitischen 'Hizb Allah' im Südlibanon, die in der gemeinsamen Feindschaft gegen Israel gründet. Gleiches gilt auch für die Beziehungen der HAMAS zur schiitischen Islamischen Republik Iran. Zum Zeichen der Verbundenheit mit den Palästinensern und ihrem Kampf um Jerusalem hatte Ayatollah Khomeini 979 den "Jerusalem-Tag", den "Ghods-Tag", ausgerufen, der jährlich am letzten Freitag im Fastenmonat Ramadan begangen wird. Die HAMAS ist zudem eingebunden in ein weltweites Netzwerk von Organisationen, die die 'Muslimbruderschaft' repräsentieren oder ihr nahe stehen. Neben Organisationen, die vor allem propagandistisch oder auch logistisch im Sinne der HAMAS tätig sind, gibt es solche, die überwiegend Spendensammlungen und Finanztransaktionen zugunsten der HAMAS durchführen. islamismus 77 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Al-Aqsa eV, Yatim Kinderhilfe eV In die Finanzierung der HAMAS war der in Aachen ansässige Verein 'al-Aqsa e.V.' eingebunden. Deshalb wurde der Verein, der sich selbst als humanitäre Hilfsorganisation für Palästina bezeichnete und für zivile Projekte und Einrichtungen um Spenden warb, am . Juli 2002 durch das Bundesministerium des Innern verboten. Mit Urteil vom . Dezember 2004 hat das Bundesverwaltungsgericht das Verbot des Vereins bestätigt. Der Verein verstoße mit den Spendensammlungen für die HAMAS gegen die friedliche Verständigung des israelischen und des palästinensischen Volkes. Die HAMAS sei eine Organisation, bei der soziale Aktivitäten nicht von dem militärischem Bereich getrennt werden könnten. Am 5. September 2005 hat das Bundesministerium des Innern auch den Verein 'Yatim Kinderhilfe' mit Sitz in Essen als Ersatzorganisation des 'al-Aqsa e.V.' verboten. Trotz der Vereinsverbote kann jedoch angenommen werden, dass sich Nachfolgeorganisationen der Spendensammlung annehmen werden. Ausblick Die derzeit von den in Deutschland lebenden HAMAS-Anhängern ausgehende Gefahr für Deutschland ist als eher gering anzusehen. Wiederholt wurden von maßgeblichen HAMAS-Führern Gewaltaktionen außerhalb Israels und der besetzten palästinensischen Gebiete abgelehnt. 66 Hizb Allah (Partei Gottes) Mitglieder Bund NRW 2007 900 50 2006 900 50 Die schiitische libanesische 'Hizb Allah' hat sich unter anderem die Zerstörung des Staates Israel und die "Herrschaft des Islam" über Jerusalem zum Ziel gesetzt. Sie stellt damit eine Bedrohung für Israel dar. Seit Jahren ist sie für Terroranschläge im Norden Israels verantwortlich. Sie hat bislang keine gewaltsamen Aktionen in Deutschland durchgeführt, nutzt Deutschland und NRW jedoch als Ruheund Rückzugsraum. Öffentlich tritt sie wenig in Erscheinung. Die in Nordrhein-Westfalen lebenden 'Hizb Allah'-Anhänger werden wegen Gefährdung auswärtiger Belange der Bundesrepublik Deutschland beziehungsweise wegen gegen die Völkerverständigung 78 islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 gerichteter Bestrebungen auf der Grundlage des SS Absatz Nr. und Nr. 4 VSG NRW vom Verfassungsschutz beobachtet. Hintergrund Die 'Hizb Allah' wurde 982 nach dem Einmarsch israelischer Truppen auf Betreiben Irans im Libanon gegründet. Sie entwickelte sich auf Grund massiver iranischer Unterstützung rasch zu einer militanten Sammlungsbewegung libanesischer Schiiten mit Schwerpunkten im Bekaa-Tal, Süd-Libanon und in den Vororten von Beirut. Die 'Hizb Allah' strebte zunächst jahrelang die Errichtung eines "islamischen (Gottes)Staates" nach iranischem Vorbild im Libanon an. Vom iranischen Staatsmodell, wie es unter Ajatollah Khomeini geprägt wurde und wie es die Partei zunächst auch den Libanon propagierte, hat sich die 'Hizb Allah' mittlerweile gelöst. Inzwischen ist diese Forderung zugunsten einer pragmatischeren Haltung in den Hintergrund getreten. Eingebunden in die politischen und gesellschaftlichen Strukturen des Libanon strebt sie heute vor allem danach, ihre Möglichkeiten der Einflussnahme zu festigen und zu verstärken, ohne ihren Anspruch auf die "islamische Herrschaft" über Jerusalem aufzugeben. Die 'Hizb Allah' hat sich als politische Kraft im Libanon etabliert. Sie ist seit 992 im Parlament vertreten und hat ein soziales Netzwerk aufgebaut. Bei den Wahlen zum libanesischen Parlament im Mai 2005 erhielt die schiitische Liste von 'Hizb Allah' und 'Amal' 5 der 28 Sitze. In der Regierung stellte die 'Hizb Allah' erstmals zwei Minister. Mittlerweile versteht die 'Hizb Allah' sich auch als Schutzmacht der Palästinenser und steht in Kontakt mit palästinensischen Gruppen. Der Kampf gegen Israel und für die muslimische Souveränität über Jerusalem gehört weiterhin zu ihren über die nationalen Interessen hinausgehenden Zielen. Politischer Führer der 'Hizb Allah' ist ihr Generalsekretär Hassan Nasrallah. Nasrallah wird von seinen Anhängern verehrt und ist heute einer der führenden Vertreter des schiitischen Islamismus und ein einflussreicher Politiker im Libanon. Finanzierung Aufgrund der ideologischen Nähe zum Iran war es in den Jahren des libanesischen Bürgerkrieges (1975 - 1990) vor allem die finanzielle Unterstützung aus Teheran, die den Erfolg der 'Hizb Allah' ermöglichte. Daneben leistet Syrien als Schutzmacht wichtige Hilfe für die Partei. Eine weitere wichtige wirtschaftliche Quelle stellt der Drogenanbau in der von der 'Hizb Allah' kontrollierten Bekaa-Ebene dar. Der Anbau von islamismus 79 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Drogen ist dort auch nach dem Ende des Bürgerkriegs nicht vollständig eingestellt worden. Außerdem betreibt die 'Hizb Allah' legale Wirtschaftsunternehmen, aus denen sie Gewinne für ihre Arbeit abschöpfen kann und finanziert sich zudem über Spenden im Ausland lebender Anhänger. Struktur in Deutschland Bereits seit 99 versucht die 'Hizb Allah'-Führung von Beirut aus, in der Bundesrepublik Deutschland eine effiziente Organisationsstruktur unter ihren Anhängern aufzubauen. Diese Bestrebungen sind jedoch nach wie vor nicht abgeschlossen. Auch im Jahr 2007 dauerten interne Streitigkeiten und Rivalitäten zwischen den hier lebenden Anhängern an. Hinsichtlich der personellen Zusammensetzung des Führungsgremiums in Deutschland bestehen ebenfalls Meinungsverschiedenheiten, so dass bisher keine von allen Anhängern akzeptierte Führung etabliert werden konnte. Als eine Begegnungsstätte dient den 'Hizb Allah'-Anhängern das 'Islamische Zentrum' ('Imam-Mahdi-Zentrum') in Münster-Hiltrup, in dem neben schiitischen Libanesen, die allerdings nicht alle der 'Hizb Allah' zuzurechnen sind, Iraker, Afghanen und Pakistani verkehren. Bereits 988 wurde als Trägerverein des Zentrums der 'Fatime Versammlung e.V.' in Münster gegründet. Das 'Imam-Mahdi-Zentrum' steht in enger Verbindung zu dem iranisch gesteuerten 'Islamischen Zentrum Hamburg' und stellt eine Anlaufstelle für 'Hizb Allah'-Anhänger im Westen Deutschlands dar. Da sich dort auch Anhänger der ebenfalls schiitischen libanesischen 'Amal'-Bewegung und der irakischen 'DA'WA-Partei' sowie des 'Obersten Rates für die Revolution im Irak' treffen, kam es immer wieder zu Interessenkollisionen, gelegentlich auch zu tätlichen Auseinandersetzungen. In jüngster Zeit hat das 'Imam-Mahdi-Zentrum' aufgrund rückläufiger Besucherzahlen an Bedeutung verloren. Die Aktivitäten der 'Hizb Allah' haben sich teilweise auf andere Orte verlagert, an denen zum Teil auch eigene Moscheevereine unterhalten werden. Mehrmals im Jahr kommen 'Hizb Allah'-Funktionäre zu Besuchsreisen in die Bundesrepublik Deutschland und überbringen Botschaften und Anweisungen des Generalsekretärs der Organisation und informieren über die aktuelle politische Linie. Aktuelle Entwicklung In der Folge des . September 200 reduzierte die 'Hizb Allah' ihre öffentlichen Aktivitäten deutlich. 'Hizb Allah'-Funktionäre forderten ihre Anhänger immer wieder 80 islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 dazu auf, öffentlich keine Freude über die Anschläge in den USA zu zeigen und die in Deutschland geltenden Gesetze und Regeln zu beachten. Die Anhänger sind in letzter Zeit öffentlich kaum mehr in Erscheinung getreten. Hierzu hat sicherlich auch die Diskussion über ein mögliches Verbot von 'Hizb Allah'-Vereinen und -Einrichtungen beigetragen. Auch im Jahr 2007 stagnierten die Besucherzahlen als Folge des spürbaren Desinteresses und der Inaktivität der Mitglieder in den der 'Hizb Allah' zuzurechnenden Vereinen und Einrichtungen. Darunter haben das Spendenaufkommen und die Summe der Mitgliedsbeiträge gelitten, was die künftigen Aktionsmöglichkeiten der Vereine und Einrichtungen reduzieren dürfte. Zu den Feierlichkeiten zum Ashura-Fest und dem Ramadan reisten - wie in den Vorjahren auch - Geistliche aus dem Libanon und dem Irak zur Betreuung der 'Hizb Allah'-Gemeinden ein. Die Ashura-Feierlichkeiten gehören zu den höchsten schiitischen Feiertagen und waren im Jahr 2007 - wie in den Vorjahren - teilweise gut besucht. Die Predigten befassten sich überwiegend mit religiösen Themen; mit politischen Äußerungen hielten sich die Prediger zurück. Der nachhaltige Widerstand der 'Hizb Allah'-Kämpfer gegen die militärische Intervention der israelischen Armee im Sommer 2006 hat das Ansehen der Organisation in der arabischen Welt erheblich gestärkt und die 'Hizb Allah' zu einem Vorbild für andere Gegner Israels gemacht. In der Folge des Julikrieges 2006 kam es aber nur kurzfristig zu einer Solidarisierung der aus schiitischen und sunnitischen Muslimen, Christen, Drusen und Alawiten bestehenden libanesischen Bevölkerung. Nachdem die 'Hizb Allah' vergeblich ein Drittel der Ministerposten in der libanesischen Regierung gefordert hatte, zog sie im November 2006 ihre Minister aus der Regierung zurück und organisierte am . Dezember 2006 eine Großdemonstration in Beirut. Am 2. Januar 2007 kam es zu einem Generalstreik gegen die Regierung unter Ministerpräsident Fuad Siniora, der man unter anderem "Kollaboration" mit Israel vorwarf. Am 2. November 2006 war der christliche Minister Pierre Gemayel ermordet worden. Anlässlich seines Begräbnisses demonstrierten 800.000 Menschen gegen die politische Einflussnahme Syriens auf die Politik und gegen die 'Hizb Allah'. Am . Juni 2007 wurde ein weiterer Syrien-kritischer Politiker ermordet. Im November 2007 ist die Neuwahl eines Präsidenten mehrfach gescheitert, da die Syrien-kritische Parlamentsmehrheit und die 'Hizb Allah'-geführte Opposition keinen Konsenskandidaten für das höchste Staatsamt finden konnten. Die libanesische Verfassung schreibt alle sechs Jahre die Wahl eines maronitischen Christen zum Präsidenten vor. islamismus 8 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Die aktuelle Situation könnte zu einem Machtvakuum im Libanon und in dessen Folge zu einem Wiederaufflammen des Bürgerkrieges führen. Auch ein erneuter bewaffneter Konflikt zwischen der politisch gestärkten 'Hizb Allah' und Israel könnte zu einer gefährlichen Eskalation im Land führen. Reaktionen in Deutschland Die hier lebenden Anhänger der 'Hizb Allah' haben auf die Ereignisse im Libanon mit Mahnwachen, Protestkundgebungen und Demonstrationen reagiert. Die Veranstaltungen verliefen insgesamt friedlich; nennenswerte Zwischenfälle gab es nicht. Die aktuelle Lage beobachten sie aufmerksam. Eine wichtige Informationsquelle ist für sie der über Satellit empfangbare TV-Sender "al-Manar", über den die 'Hizb Allah' ihre Anhänger auch in Deutschland erreicht. 'Hizb Allah'-Anhänger beteiligten sich an der alljährlichen Demonstration zum JerusalemTag (Ghods-Tag) in Berlin, der jeweils am letzten Freitag des Fastenmonats Ramadan begangen wird. Dieser war 979 von Ayatollah Khomeini ausgerufen worden und soll an die "Besetzung" Jerusalems durch Israel erinnern. Am 6. Oktober 2007 demonstrierten wie im Vorjahr circa 00 Teilnehmer, ohne dass es zu Störungen kam. 67 Hizb ut-Tahrir (Islamische Befreiungspartei - HuT) Mitglieder Bund NRW 2007 00 70 2006 00 70 Hintergrund Mit einer äußerst radikalen Agitation gegen den Staat Israel richten sich die Bestrebungen der Anhänger der 'Hizb ut-Tahrir' (HuT) gegen den Gedanken der Völkerverständigung und das friedliche Zusammenleben der Völker (SS Abs. Nr. 4 VSG NRW). Die HuT wurde 952 von dem Rechtsgelehrten Scheich Taqi ad-Din an-Nabhani, einem ehemaligen Mitglied der ägyptischen und palästinensischen 'Muslimbruderschaft' gegründet. Es handelt sich um eine pan-islamistische Bewegung, die sich an alle Muslime richtet. Vorrangiges Ziel der Organisation ist die Wiedereinführung des Kalifats (Kalifat bezeichnet die Stellvertretung des Propheten Muhammad, in der der 82 islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Kalif an dessen Stelle die Gemeinschaft der Muslime leitet) in einem islamischen Staat. Die HuT kennzeichnet ein besonders stark ausgeprägter Antisemitismus. Juden gelten - wie Christen - als Ungläubige, deren Lebensform abzulehnen ist und mit denen möglichst kein Kontakt gehalten werden sollte, da sie ein Bündnis eingegangen seien, um den Islam zu zerstören. Struktur Die Partei, die einen streng hierarchischen Aufbau hat, ist heute weltweit aktiv und international vernetzt. Ihre Anhängerschaft verhält sich streng konspirativ abseits der öffentlichen Wahrnehmung. Neue Mitglieder werden bevorzugt innerhalb der gesellschaftlichen Elite geworben, was sich aus der Kaderstruktur herleitet sowie der Auffassung, dass die Partei eine Vorreiterrolle für den Aufbau des islamischen Staates spielen soll. Von den Mitgliedern wird strikter Gehorsam erwartet, Positionen und Meinungen, die von der Parteiführung vertreten werden, sind für alle Mitglieder verbindlich. In der Bundesrepublik Deutschland ist die HuT in verschiedene Regionen aufgeteilt, in diesen Regionen existieren streng voneinander abgeschottete Kleinstgruppen (Zellen), die sich durch ein äußerst konspiratives Verhalten auszeichnen. Aktivitäten der HuT in Deutschland und NRW Am 5. Januar 200 hat der Bundesminister des Inneren ein Betätigungsverbot gegenüber der Organisation erlassen, das letztinstanzlich am 25. Januar 2006 durch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) bestätigt wurde. Trotz des Verbotes ist davon auszugehen, dass die Organisation ihr Wirken in bekannt konspirativer Weise fortsetzt. Nach wie vor hat der mutmaßliche Europaverantwortliche der Organisation seinen Wohnsitz in NRW, was darauf schließen lässt, dass der Bundesrepublik Deutschland innerhalb der Organisation strategische Bedeutung zukommt. Öffentlich wahrzunehmen ist die Organisation durch Verbreitung von Propaganda im Internet. Hierzu bedient man sich in erster Linie im europäischen Ausland befindlicher Server. Öffentliche Auftritte von Führungsfunktionären sind hingegen nicht mehr festzustellen. Dies dürfte vor dem Hintergrund des Betätigungsverbotes mit der Furcht vor möglichen staatlichen Sanktionen in Zusammenhang stehen. islamismus 8 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 68 Muslimbruderschaft (MB); Islamische Gemeinschaft in Deutschland eV (IGD); Islamisches Zentrum Aachen (Bilal-Moschee) eV (IZA) Mitglieder Bund NRW 2007 .00 20 2006 .00 20 Hintergrund Das erklärte Ziel der 'Muslimbruderschaft' (MB) ist die Ablösung der als unislamisch geltenden Regime in den muslimischen Staaten, notfalls unter Anwendung von Gewalt. Damit gefährden ihre Anhänger durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland (SS Abs. Nr. VSG NRW). Die 928 von Hassan al-Banna in Ägypten gegründete 'Muslimbruderschaft' ist die einflussreichste und älteste islamistische Bewegung des modernen politischen Islam. Als pan-islamisch ausgerichtete Organisation ist sie nicht nur in allen arabischen Staaten verbreitet, sondern nach eigenen Angaben in 70 Ländern weltweit vertreten. Nach ihrer Ideologie sind die meisten Regime in der muslimischen Welt unislamisch. Ziel der MB ist die Umgestaltung in Staaten islamistischer Prägung auf der Grundlage der Scharia, der islamischen Rechtsund Lebensordnung. Strukturen in der Bundesrepublik Deutschland Zu den Strukturen in der Bundesrepublik Deutschland gehört die 'Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V.' (IGD), die aus der 960 in München von dem ägyptischen Muslimbruder Dr. Sayyid Ramadan gegründeten 'Moscheebau-Kommission e.V.', hervorgegangen ist. Das ursprüngliche Vereinsziel, die Errichtung einer Moschee, wurde mit dem Bau des 'Islamischen Zentrums München' (IZM) 97 realisiert. Die IGD gehört zu den Gründungsmitgliedern der 'Föderation islamischer Organisationen in Europa' (FIOE), die als Sammelbecken für Organisationen der 'Muslimbruderschaft' in Europa gilt. Die IGD unterhält in der Bundesrepublik Deutschland zahlreiche islamische Zentren, in Nordrhein-Westfalen werden ihr die islamischen Zentren Köln und Münster zugerechnet. Nach Angabe auf ihrer Homepage kooperiert die IGD mit den islamischen Zentren Wuppertal, Bonn, Gelsenkirchen, Siegen, Solingen, Düsseldorf, Iserlohn und Bielefeld. 84 islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Im Februar 2007 wurde bekannt, dass sich in Ägypten 40 Mitglieder der dort verbotenen 'Muslimbruderschaft' vor einem Militärgericht verantworten sollten. Ihnen wurde unter anderem die Nutzung terroristischer Methoden zur Durchsetzung ihrer Ziele und Geldwäsche vorgeworfen. Acht Angeklagten soll der Prozess in Abwesenheit gemacht werden; hierzu gehört der deutsche Präsident der IGD, den der in Ägypten lebende oberste Führer der 'Muslimbruderschaft', Muhammad Mahdi Akif, in einem Filmbeitrag der ARD als Chef der 'Muslimbrüder' in Deutschland bezeichnete. Bis zum Januar 2008 hat der Prozess noch nicht begonnen. In den 960er Jahren wurde in Aachen die Bilal-Moschee errichtet. Auf Initiative des exilierten Führers der syrischen 'Muslimbruderschaft' wurde am 29. Juni 978 das 'Islamische Zentrum Aachen e.V.' (IZA) als offizieller Trägerverein gegründet. Finanzierung Die Organisationen finanzieren sich aus Spenden, Mitgliedsbeiträgen sowie dem Verkauf von Publikationen. Die Spendenbereitschaft der Anhänger ist weiterhin rückläufig, so dass anlässlich von Veranstaltungen ständig an die Mitglieder zu höherer Spendenbereitschaft appelliert wird. Aktivitäten der MB in Deutschland Öffentliche Aktivitäten der 'Muslimbruderschaft' sind in der Bundesrepublik Deutschland nur gelegentlich anlässlich von Jahresveranstaltungen feststellbar. Die dort festzustellenden Äußerungen sind gemäßigt, Vertreter der Organisation weisen immer wieder darauf hin, dass man sich vom islamistischen Terrorismus zu distanzieren und die Gesetze des Gastlandes zu beachten habe. Gewalttätige Aktionen von Anhängern der 'Muslimbruderschaft' waren in Nordrhein-Westfalen bislang nicht zu verzeichnen. Vom . bis 5. August 2007 fand der 0. Jahreskongress des 'Islamischen Zentrums Aachen' (IZA) unter dem Motto "Die islamische Kultur und die westliche Kultur" in den Räumlichkeiten des Zentrums sowie in einen Hörsaal der Technischen Hochschule in Aachen statt. Die Vortragsveranstaltungen wurden von etwa 500 Zuhörern vorwiegend arabischer Herkunft besucht. Die anlässlich der Veranstaltung aufgetretenen Redner äußerten sich überwiegend moderat und sprachen sich für ein friedliches Nebeneinander der verschiedenen Kulturen aus. Es wurde seitens der Vortragenden dazu aufgerufen, den Islam Anislamismus 85 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 dersgläubigen durch vorbildliches Handeln näher zu bringen. Kritik an der westlichen Welt wurde insoweit geübt, dass dort auch Ablehnungstendenzen gegenüber der islamischen Kultur festzustellen seien. Der inhaltliche Verlauf der Veranstaltung bestätigt das seit Jahren festzustellende Bemühen der Verantwortlichen des IZA, öffentlich gemäßigt und dialogbereit zu erscheinen. Die 29. Jahreskonferenz der 'Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e.V.' (IGD) fand am 7. November 2007 im Sportpark Leverkusen und am 8. November 2007 in der Columbiahalle in Berlin statt. In Leverkusen nahmen etwa 600 Personen teil. Überwiegend handelte es sich um Muslime arabischer Herkunft. Die geringe Besucherzahl führten die Veranstalter auf das Fehlen zugkräftiger Redner zurück. Die Veranstaltung stand unter dem Motto "Und so haben wir euch zu einer Gemeinschaft des Mittelwegs gemacht!". In Reden und Diskussionsrunden betonten die Teilnehmer den Wert gemeinsamer Bemühungen von Christen und Muslimen für ein friedliches Zusammenleben und im Kampf gegen den Extremismus. Nur vereinzelt wurde Kritik gegenüber der deutschen Gesellschaft laut. Betont wurde die Bedeutung fundierter Kenntnisse der islamischen Religion, damit der "wahre Islam" Verbreitung in Deutschland und Europa finde. Ziel der IGD ist es, ihrem Verständnis vom Islam einen Platz in der deutschen Gesellschaft zu verschaffen. 69 Front Islamique du Salut (Islamische Heilsfront-FIS) Mitglieder Bund NRW 2007 40 Einzelmitglieder 2006 250 80 Hintergrund Die 'Front Islamique du Salut' (FIS) wurde 988 als nationaler algerischer Zweig der 'Muslimbruderschaft' gegründet und im Frühjahr 989 als erste islamische politische Partei zugelassen. Der Ideologie der FIS zufolge sollen Staat und Gesellschaft strikt an der Scharia ausgerichtet sein. Als sich bei den Wahlen 99 ein Sieg der FIS abzeichnete, wurden die Wahlen vom algerischen Regime annulliert und das Militär ergriff die Macht. Die FIS wurde Anfang 992 verboten, ihre Gründer und Führer Abbassi Madani und Ali Belhadj wurden inhaftiert. Zur Verfolgung ihrer Ziele bediente sich die FIS im Widerstand gegen die algerische Regierung bis 997 ihres bewaffneten Arms, der 'Armee Islamique du Salut' (AIS). Sollten die seit geraumer Zeit im Rahmen der 'Charta für Frieden und nationale Aussöhnung' angestrebten Bemühungen 86 islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 zur Versöhnung fehlschlagen, so ist zu befürchten, dass hier lebende FIS-Anhänger die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland dann durch Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen zur Änderung der Verhältnisse in ihrem Heimatland, gefährden (SS Abs. Nr. VSG NRW). Struktur Seit 992 leben sowohl die Söhne des FIS-Gründers Madani als auch der Leiter der ehemaligen 'Exekutivinstanz der FIS im Ausland' (IEFE) in Nordrhein-Westfalen. Von diesem Personenkreis wird der Kurs der Aussöhnung mit dem algerischen Regime unterstützt, wobei dieses Verhalten nicht auf ungeteilte Zustimmung aller FIS-Anhänger stößt. Aus den Reihen sogenannter Hardliner gründete sich 997 der 'Koordinationsrat der FIS' (CCFIS), dessen Gefolgsleute unter ihrem in der Schweiz lebenden kommissarischen Leiter die Rückkehr zur kompromisslosen Durchsetzung der politischen Ziele der FIS fordern. Die beiden widerstreitenden Auslandsvertretungen IEFE und CCFIS haben sich 2002 aufgelöst. Eine politisch verantwortliche Auslandsvertretung der FIS ist derzeit nicht erkennbar. Wie dieses Machtvakuum zukünftig ausgefüllt werden wird, kann nicht vorhergesagt werden; von Bedeutung dürfte hierfür jedoch sein, wie sich die Verhältnisse im Heimatland Algerien entwickeln werden. Aktuelle Entwicklung Am 29. September 2005 entschieden sich bei der Volksabstimmung über das Projekt einer "Charta für Frieden und nationale Aussöhnung" 97% der Beteiligten für den Plan der Regierung von Präsident Bouteflika und damit auch für eine Amnestie für viele islamistische Extremisten. Während sich der in NRW ansässige Leiter der ehemaligen IEFE für die Durchführung des Referendums aussprach, lehnte der in der Schweiz ansässige Leiter der ehemaligen CCFIS die Initiative des algerischen Präsidenten kategorisch ab. Kritik wurde auch unter in Deutschland lebenden FIS-Anhängern, die zunächst das Referendum begrüßt hatten, dahingehend laut, dass Zusagen des Staatspräsidenten Bouteflika nicht eingehalten wurden. So seien etwa algerische Offiziere, die an Aktionen gegen Oppositionelle beteiligt waren, entgegen früherer Ankündigungen nicht islamismus 87 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 aus dem militärischen Dienst entfernt worden, sondern nunmehr mit diplomatischen Aufgaben im Ausland betraut. Inzwischen wurden im Rahmen der Generalamnestie mehr als 2.000 Personen aus algerischen Gefängnissen entlassen. Aktuelle Situation der FIS - Anhänger in Deutschland Nachdem der Leiter der ehemaligen IEFE im Zuge des nationalen Versöhnungsprozesses zunächst wieder in sein Heimatland Algerien gereist war, kehrte er im Laufe des Jahres nach Nordrhein-Westfalen zurück. Unter den hier lebenden FIS-Anhängern ist eine weitgehende politische Inaktivität festzustellen. Entscheidend für den weiteren Fortgang wird die Entwicklung in Algerien sein. 610 Groupe Islamique Arme (Bewaffnete Islamische Gruppe - GIA) Mitglieder Einzelmitglieder und Aktivisten in Deutschland Hintergrund Die 'Groupe Islamique Arme (GIA) entstand 994 als militante Abspaltung der FIS. Sie agiert seitdem autonom und wird von strenggläubigen Salafisten dominiert. Ihr Ziel ist die Errichtung eines weltweiten "Gottesstaates" auch mit terroristischen Mitteln, wobei oberstes Ziel die Beseitigung des unislamischen algerischen Regimes ist. Hierbei gehen örtliche Führer der GIA (sogenannte Warlords) ohne erkennbares politisches Konzept wahllos gegen alles nach ihrer Auffassung Ungläubige und Abtrünnige vor, wobei sie auch nicht vor Massakern an der Zivilbevölkerung zurückschrecken. Inwieweit der eingeschlagene Friedensprozess hier zu einer dauerhaften Veränderung führt, muss abgewartet werden. Aktuelle Aktivitäten Von den in NRW bekannten wenigen GIA-Anhängern gehen bislang keine gewalttätigen Aktivitäten aus. Einzelne Anhänger der Gruppierung haben sich allerdings inzwischen dem terroristischen Netzwerk um Usama bin Ladin angeschlossen. 88 islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 611 Al-Qaida im Islamischen Maghreb; vormals: Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat (Gruppe für Predigt und Kampf - GSPC) Mitglieder Einzelmitglieder in Deutschland Hintergrund Die 'Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat' (GSPC) wurde durch einen ehemaligen Gebietsemir, Hassan Hattab, 998 gegründet. Sie ist bis heute die schlagkräftigste algerische Terrorgruppe und besteht aus unzähligen Kleinund Kleinstgruppen. Sie lehnt eine Aussöhnung mit dem algerischen Regime strikt ab und hat sich im Jahre 2006 offiziell dem terroristischen Netzwerk um Usama bin Ladin angeschlossen. Seither nennt sie sich 'al-Qa'ida im Islamischen Maghreb' (AQIM). Anlässlich des 5. Jahrestages der Anschläge vom . September 200 in den USA verkündete der stellvertretende Anführer von 'al-Qa'ida', Aiman az-Zawahiri, dass die Fusion von GSPC und 'al-Qa'ida' nunmehr offiziell vollzogen sei. Der Führer der GSPC, Abu Musab Abd al-Wadud, reagierte auf die Veröffentlichung mit einer Ergebenheitsadresse, in der er Usama bin Ladin Gefolgschaft bis zum Märtyrertod versprach. Dieser Zusammenschluss ist ein Teil der neueren Entwicklung des weltweiten islamistischen Terrorismus, der nationale bewaffnete Gruppierungen in die internationale Kooperation einbindet. Als gemeinsamer symbolischer Bezugsrahmen dürfte hierbei vor allem der Irakkonflikt dienen. Es ist zu befürchten, dass diese Entwicklung vor allem auch Konsequenzen für Algerien haben dürfte und nicht zuletzt dadurch der Kurs der Versöhnungspolitik ins Stocken geraten könnte. Aktuelle Aktivitäten 2007 machte die AQIM durch drei spektakuläre Anschläge in Algerien auf sich aufmerksam. Am . April 2007 kam es zu Selbstmordanschlägen auf einen Regierungspalast und eine Polizeidienststelle in Algier, die über 0 Tote und über 00 Verletzte forderten. Der mutmaßliche Drahtzieher dieser Anschläge soll am 2. August 2007 bei einem Einsatz der algerischen Armee getötet worden sein. Ein weiterer Selbstmordanschlag erfolgte am . Juli 2007 gegen eine Kaserne in der Kabylei. Schließlich kamen bei den Selbstmordanschlägen am . Dezember 2007 vor dem Gebäude des islamismus 89 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Obersten Gerichtshofs und vor dem Gebäude der Mission der Vereinten Nationen in Algier 60 Menschen ums Leben, etwa 50 Personen wurden verletzt. Strukturen der AQIM sind in Nordrhein-Westfalen nicht feststellbar. Hier lebende Einzelmitglieder der ehemaligen GSPC waren in europaweit agierende Netzwerke zur finanziellen und logistischen Unterstützung der in Algerien und im Ausland operierenden Gesinnungsgenossen eingebunden. Diese Feststellung dürfte auch unter den veränderten Vorzeichen für die Mitglieder der AQIM weiterhin zutreffen. 612 Islamische Gemeinschaft Milli Görüs eV (IGMG) Sitz Kerpen Generalvorsitzender Yavuz Celik Karahan (Osman Döring) Mitglieder 2007 2006 Bund 27.000 26.500 NRW 7.200 7.200 Publikationen 'IGMG Perpektive', ehemals: 'Milli Görüs & Perspektive' (IGMG); 'Milli Gazete' (Deutschlandausgabe IGMG-nah) Fernsehsender TV 5 (SP-nahestehend) Mit bundesweit schätzungsweise 26.500 aktiven Mitgliedern ist die 'Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V.' (IGMG) die bei weitem größte der als islamistisch eingestuften Organisationen in Deutschland. Aufgrund ihres Herkommens aus der von dem türkischen Politiker Necmettin Erbakan gegründeten islamistischen 'Milli-Görüs'Bewegung sowie der auch heute noch bestehenden personellen Verflechtungen und - von Teilen ihrer Mitgliedschaft getragenen - ideologischen Verbundenheit mit dieser Bewegung, wird die IGMG insgesamt von allen Verfassungsschutzbehörden noch als islamistische Organisation bewertet. Obgleich seit einigen Jahren zunehmend Tendenzen beobachtet werden können, die islamistischem Denken entgegenlaufen, bestehen immer noch gewichtige Anhaltspunkte für den Verdacht einer islamistischen, gegen westliche Demokratien und ihre Werte an sich gerichteten Grundlinie. 90 islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Hintergrund und Entstehung von 'Milli Görüs' Die unter der Bezeichnung 'Milli Görüs' bekannte politische Bewegung wurde von Necmettin Erbakan, der seit 969 in der Politik der Türkei aktiv ist, gegründet. Von 970 an war Erbakan Führer einer islamistischen politischen Partei in der Türkei, die sich nach Parteiverboten immer wieder unter neuem Namen konstituierte. Neben der Partei wurden im Laufe der Zeit weitere Einrichtungen, wie eine parteinahe Zeitung, eine Jugendorganisation, ein Fernsehsender, ein Institut und sonstige Hilfsorganisationen geschaffen, die der Ideologie und den politischen Zielen Necmettin Erbakans verpflichtet sind. Sie alle zusammen bilden die 'Milli-Görüs'-Bewegung, als deren unumstrittener Führer trotz seines hohen Alters (8 Jahre) bis heute Necmettin Erbakan verehrt wird. Außerhalb der Türkei wird die Bewegung von der IGMG vertreten und unterstützt. In den 990er Jahren gelang es der von Erbakan geführten 'Refah Partisi' ('Wohlfahrtspartei' - RP) zunächst in zahlreichen Kommunen, darunter Istanbul, die Kommunalwahlen für sich zu entscheiden und die Bürgermeister zu stellen. 995 wurde die RP, damals von der 'Milli Görüs' in Deutschland massiv unterstützt, bei den Parlamentswahlen mit über 20% der Wählerstimmen stärkste Partei. Erbakan wurde daraufhin als Führer der größten Parlamentsfraktion vom türkischen Staatspräsidenten mit der Regierungsbildung beauftragt. Mit der von ihm gebildeten Koalitionsregierung regierte er als Ministerpräsident von 996 bis Mitte 997. Seit dem 28. Februar 997 verstärkte jedoch das türkische Militär seinen politischen Druck gegen Erbakan und zwang ihn schließlich zum Rücktritt. Außerdem wurden zahlreiche Gerichtsverfahren gegen die RP und ihre führenden Mitglieder eingeleitet. Diese führten unter anderem zu einem Verbot der RP im Jahr 998 und ihrer Nachfolgepartei, der Fazilet Partisi ('Tugendpartei' - FP) 2000. Danach kam es zu einer Spaltung der 'Milli Görüs'-Bewegung. Der bereits in den 1990er Jahren als "Reformflügel" bezeichnete Teil der Bewegung um den heutigen türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan löste sich ideologisch und organisatorisch endgültig von Necmettin Erbakan, der seine Anhängerschaft in der 200 gegründeten Saadet Partisi ('Glückseligkeitspartei' - SP) sammelte. Erdogan gründete mit seiner Anhängerschaft im August 200 die 'Adalet ve Kalkiinma Partisi' ('Gerechtigkeitsund Aufschwung-Partei' - AKP), mit der er die Parlamentswahlen im November 2002 wie auch am 22. Juli 2007 gewann. Die SP ist mit Stimmenanteilen von 2% bis 4% in der türkischen Politik nahezu bedeutungslos geworden. islamismus 9 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Die Ideologie der 'Milli Görüs' Die Ziele der 'Milli-Görüs'-Bewegung wurden von Erbakan in einer Art Manifest niedergelegt, das er 99 unter dem Titel "Adil Düzen" ("Gerechte Ordnung") veröffentlichte. Nur der Teil, der sich mit der "gerechten Wirtschaftsordnung" befasst, ist schriftlich ausformuliert und auch auf Deutsch erschienen. Andere Teile, darunter die politische Ordnung werden in Skizzen und Tabellen dargestellt. Die politischen Thesen Erbakans, die auch mit antisemitischen Stereotypen durchsetzt sind, besagen im Kern, dass jede Epoche der Menschheitsgeschichte durch den Kampf zweier Zivilisationen beziehungsweise Ordnungen bestimmt sei, sich in ihren Grundlagen feindlich entgegenstehen. Auf der einen Seite gäbe es Ordnungen, die von Menschen entworfen wurden. Sie beruhten auf der Macht des Stärkeren und führten zu Unrecht, Ausbeutung und vielen weiteren negativen Erscheinungen. Sie werden von Erbakan als "nichtige Ordnung" ("batil düzen") bezeichnet. Auf der anderen Seite stünden die auf göttlicher Offenbarung gegründeten Ordnungen, die die Wahrheit und das sich daraus ergebende Recht (hak) zum Wohle der Menschen walten ließen. Das aus dem Koran entlehnte Gegensatzpaar "Gott/ Wahrheit/ Recht" ("hak") und "Aberglaube" ("batil") wird so auf eine politische Ebene geführt, religiöse Begriffe werden zu politischen umgestaltet. Die "nichtigen" Ordnungen ("batil") wurden, so die Vorstellung, in der Menschheitsgeschichte immer wieder von "gerechten" Ordnungen ("hak") abgelöst. So sei der "guten" hebräischen Rechtsordnung die "schlechte", menschengemachte altgriechische Demokratie gefolgt, der "guten" islamischen Zivilisation die "schlechte" westliche Bürokratie. Ziel der Bewegung ist es, dieses heute herrschende, als "westliche", "bürokratische Ordnung" bezeichnete demokratische System zu überwinden und durch die in "Adil Düzen" skizzierte "gerechte Ordnung des Friedens und der Verständigung" zu ersetzen, die auf dem Islam basieren soll. Dieses Ziel wird zunächst für die Türkei, dann aber auch für die gesamte Menschheit angestrebt. Die Ablehnung "westlicher Demokratie" und damit auch der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch die 'Milli-Görüs'-Ideologie ist evident. Dies zusammen mit den antisemitischen Einstellungen und Aussagen des Führers der 'Milli Görüs', wie auch anderer maßgeblicher Anhänger der Bewegung, macht eine Beobachtung von 'Milli Görüs' durch den Verfassungsschutz auf der gesetzlichen Grundlage (SS Absatz Nr. VSG) erforderlich. 92 islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 'Milli Görüs' in Deutschland Die als 'Milli Görüs' bekannte Organisation gab sich in Deutschland erstmalig 976 als 'Türkische Union Europa e.V.' mit Sitz in Köln eine Vereinsstruktur. 982 wurde dieser Verein in 'Islamische Union Europa e.V.' umbenannt. Um das Jahr 984 kam es innerhalb von 'Milli Görüs' zu einem heftigen Richtungsstreit zwischen einem Erbakan-treuen und auf politische Beteiligung innerhalb der herrschenden Ordnung setzenden Flügel und radikalen Anhängern der iranischen Revolution, die sich vor allem um Cemaleddin Kaplan sammelten, den späteren Gründer des 'Kalifatsstaates' und ersten "Kalifen von Köln". Ein erheblicher Teil der damaligen 'Milli-Görüs'-Anhänger wandte sich Kaplan zu. Nach diesem für die Bewegung negativen Verlauf wurde der Wiederaufbau der 'Milli Görüs' in Deutschland von Angehörigen der 98 in der Türkei gegründeten 'Refah Partisi', die auf Weisung Necmettin Erbakans nach Deutschland entsandt wurden, in die Hand genommen. Dadurch entstand zwischen der politischen Bewegung in der Türkei und der in Deutschland 985 gegründeten 'Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V.' ('Avrupa Milli Görüs Teskilatlari'/AMGT) eine äußerst enge Verbindung.[ ] Ende 994 und Anfang 995 wurde die 'Milli Görüs' in Deutschland organisatorisch neu geordnet. Die AMGT wurde in 'Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft e.V.' (EMUG), ein Bonner 'Milli-Görüs'-Verein in 'Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V.' umbenannt. In den neuen Vorständen von EMUG und IGMG waren jedoch dieselben Personen vertreten, die zuvor den Vorstand der AMGT gebildet hatten. Tatsächlich spiegelt die Neuorganisation eine Aufgabentrennung wider: die EMUG verwaltet die Immobilien, die IGMG übernimmt Aufgaben im religiösen, kulturellen und sozialen Bereich. Die IGMG selbst stellt diese Neuorganisation 995 als einen entscheidenden Einschnitt dar. Eine neue Generation von Führungskräften sei aufgerückt, und 'Milli Görüs' in Deutschland sei deshalb nicht mehr islamistisch. Richtig daran ist, dass nach 995 teilweise ein Generationswechsel auch auf der Führungsebene stattgefunden hat. Auch auf dieser Ebene - so kann man mit guten Gründen annehmen - teilen mittlerweile etliche 'Milli-Görüs'-Anhänger die ideologischen Vorgaben von Necmettin Erbakan nicht mehr. Andererseits sind auch die islamistisch ausgerichteten ErbakanAnhänger nach wie vor in der Organisation vertreten und bemühen sich, ihre ideologischen Ziele in und mit Hilfe der Organisation zu verwirklichen. islamismus 9 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Struktur In Deutschland ist die IGMG organisatorisch in 5 Regionalverbände untergliedert. Die Regionalverbände sind Zusammenschlüsse der Ortsvereine. In Nordrhein-Westfalen gibt es mit Ruhr-Nord, Ruhr A, Düsseldorf und Köln vier dieser Regionalverbände. Weitere 5 Regionalverbände bestehen in zehn anderen westeuropäischen Staaten, außerdem gibt es Zweigstellen in Australien und Kanada. Die Zentrale der IGMG befindet sich in Kerpen, Nordrhein-Westfalen. Neben dem Generalsekretariat sind die Tätigkeitsbereiche Organisation, Jugend, Frauen, Bildung, Darstellung und religiöse Weisung eigene Abteilungen. Insgesamt gehören der IGMG nach eigenen Angaben 54 Gemeinden in Europa an, davon 323 in Deutschland. In Nordrhein-Westfalen befinden sich rund 100 Ortsvereine der IGMG. Die Angaben der IGMG zur Zahl ihrer Mitglieder (87.000) und "Freitagsgemeinde" (00.000) sind nicht belegt und erscheinen übertrieben. Aktivitäten Abgesehen von der religiösen Betreuung in den Moscheen, zu den islamischen Festen und Feiern, der Pilgerfahrt oder der Bestattung, bietet die IGMG auch ein breitgefächertes Angebot auf kulturellem, sozialem und pädagogischem Gebiet an. So werden Vortragsveranstaltungen, Gesprächskreise, Kurse für Frauen, Koranlesewettbewerbe und geschlechtergetrennte Ferienlager für Kinder oder Computerkurse angeboten. Auch Sportvereine und Studentenvereinigungen gehören zur IGMG. Sie unterhält darüber hinaus eine Rechtsabteilung, die die Mitglieder in juristischen Fragen, wie der Abmeldung von Mädchen vom Schwimmunterricht in der Schule oder in Einbürgerungsverfahren unterstützt. Publikationen und Medien Die IGMG gibt eine eigene Monatszeitschrift heraus, die 'IGMG Perspektive', die in türkischer Sprache erscheint. Einige Artikel werden aber immer auch in deutscher Übersetzung abgedruckt. Darüber hinaus werden weitere regionale oder für bestimmte Zielgruppen, etwa Kinder, gedachte Publikationen herausgegeben. Auch Materialien und Bücher für einen islamischen Religionsunterricht oder allgemein zum Islam gibt es von der IGMG. 94 islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Ihre Homepage im Internet hat die IGMG im Jahr 2007 erneuert. Der Internetauftritt der IGMG ist vor allem vielseitiger und anspruchsvoller geworden. Jetzt wird auch hier über die Aktivitäten des Vereins bis hin zur Ortsvereinsebene berichtet. Sie bietet Presseerklärungen der Organisation und die Möglichkeit, Publikationen der IGMG herunter zu laden. Ferner kann hier das Internetradio der IGMG empfangen werden. Als ein Medium zur Verbreitung islamistischer Einstellungen kann das IGMG-Portal nicht bezeichnet werde. IGMG und 'Milli-Görüs'-Ideologie Die ideologische Propaganda der 'Milli Görüs' in Europa hat sich inzwischen zu einem erheblichen Teil von der IGMG als solcher abgekoppelt. Neben der 'Milli Gazete', dem inoffiziellen Sprachrohr der 'Milli Görüs', wird die Ideologie heute vor allem über Internetforen verbreitet. In einem der bekanntesten dieser Foren wird jedoch unter der Rubrik 'Milli Görüs' (Unterforum) neben der 'Saadet Partisi' (SP), der Jugendorganisation (AGD) und der Hilfsorganisation 'Cansuyu' auch die IGMG als Teil der Bewegung aufgeführt. Zum Teil sind die im Internet geäußerten Meinungen sogar erheblich radikaler als die 'Milli Görüs' gemeinhin ist. Gerade junge Leute scheinen sich hier "auszutoben". Dabei kann es sich sowohl um verfestigte extremistische Ansichten und radikale Einstellungen handeln, als auch um jugendlichen "Überschwang". Die IGMG scheint jedenfalls das Problem zu haben, dass weit radikalere islamistische Kreise junge Muslime, die zur 'Milli Görüs' gehören, beeinflussen und auf ihre Linie einschwören. Seit langem wird von den Verfassungsschutzbehörden festgestellt, dass Äußerungen von Funktionären der IGMG den Eindruck hervorrufen, die IGMG halte an der islamistischen Ideologie von Necmettin Erbakan fest. Dies war auch 2007 so. Laut einem Bericht aus der 'Milli Gazete' erklärte beispielsweise ein Funktionär aus der Generalzentrale in Kerpen auf einer IGMG-Bildungsveranstaltung in Österreich: "Seit den ersten Menschen gibt es einen Kampf; das ist der Kampf zwischen Hak [Gott/Wahrheit/Recht] und Batil [Aberglaube/Nichtigem]" ('Milli Gazete', . Dezember 2007, S. ). Ein führender Funktionär aus der Generalzentrale sagte an anderer Stelle: "Unsere eigentliche Aufgabe ist es, daran zu arbeiten, dass auf der Welt das Recht/die Gerechtigkeit (hak) herrsche" ('Milli Gazete', . März 2007, S. 2). Ein weiterer IGMGFunktionär sprach auf einer Veranstaltung davon, dass Gott den Islam und den Koran auf der Welt (vor)herrschen lassen möge ('Milli Gazete', 2. November 2007, S. 0). islamismus 95 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Solche Formulierungen, die so oder ähnlich vielfach zu entdecken sind, müssen nicht ideologisch und damit als extremistisch aufgefasst werden. Es ist zweifellos möglich, diese Äußerungen in einem religiösen Zusammenhang zu verstehen. Andererseits übernehmen sie aber auch Passagen der islamistischen Ideologie von "Adil Düzen", mit der dort verbreiteten Vorstellung des Kampfes von "Hak und "Batil" und der letztendlichen Überwindung des "Batil"-Systems durch die "islamische Zivilisation". Sie erinnern stark an Äußerungen von Necmettin Erbakan, von SP-Funktionären oder Kolumnisten, die in der Tageszeitung 'Milli Gazete' zu lesen sind, die ebenfalls den Kampf zwischen "Hak" und "Batil" thematisieren und außerdem die westliche Demokratie zum Feind erklären, die von ihnen als "rassistischer Imperialismus" verunglimpft wird. Selbstverständlich können und sollen die Meinungen von Erbakan, den SPFunktionären oder der Kolumnisten nicht uneingeschränkt der IGMG zugerechnet werden. Die Verbindungen, die zwischen der IGMG und der 'Milli Görüs' in der Türkei bestehen, sind jedoch nicht zu übersehen, und führen dazu, dass möglicherweise nicht politisch gemeinte Formulierungen von Zuhörern und Lesern als politische verstanden werden. Die Nähe der IGMG zur politischen Bewegung 'Milli Görüs' drückt sich unter anderem in ihren Anzeigen in der 'Milli Gazete' aus. Dort sind regelmäßig Kondolenzanzeigen, Genesungsoder Glückwünsche und ähnliche Annoncen sowie Ankündigungen und Verlaufsberichte von regionalen und überregionalen Veranstaltungen der IGMG zu lesen. Dies deutet darauf hin, dass es sich hierbei um das Publikationsorgan handelt, mit dessen Hilfe die IGMG ihre Anhänger am besten zu erreichen glaubt. Daraus wiederum kann geschlussfolgert werden, dass die Leserschaft der 'Milli Gazete' mit der Anhängerschaft der IGMG zumindest in weiten Teilen deckungsgleich ist. Da die 'Milli Gazete' aber entschieden für politische Inhalte auf der ideologischen Linie von Necmettin Erbakan und der 'Saadet Partisi' eintritt, muss man davon ausgehen, dass diese Inhalte von Teilen der IGMG mitgetragen werden. Aufschlussreich im Hinblick auf eine Verbindung der IGMG zur 'Milli Görüs' in der Türkei sind auch jene Meldungen, in denen über die Einbindung von "Milli-GörüsFunktionären" aus der Türkei durch die IGMG in Europa einerseits, und die Auftritte und Besuche von IGMG-Funktionären bei Führungspersonen, Einrichtungen oder Veranstaltungen der 'Milli Görüs' in der Türkei andererseits, berichtet wird. Zu den Personen, die immer wieder zu IGMG-Veranstaltungen eingeladen werden und dort auftreten, gehören unter anderem: zwei stellvertretende Vorsitzende der 'Saadet Partisi', ein Mitglied dem Führungsgremium der 'Saadet Partisi', der ehema96 islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 lige Arbeitsund Justizminister in der Regierung Erbakan und ein Führungsmitglied und Ideologe der 'Saadet Partisi'. Durch diese Einladungen und durch die Video-Zuschaltung von Necmettin Erbakan bei Veranstaltungen der IGMG, wie beim "Studententag" 2007 in Hagen, wird die enge Verbundenheit zwischen IGMG und der 'Milli Görüs' in der Türkei augenfällig. Umgekehrt bereisen IGMG-Funktionäre und -Anhänger immer wieder in der Türkei jene Stationen, die zum Netzwerk von 'Milli Görüs' gehören. In der 'Milli Gazete' wurde unter anderem darüber berichtet, dass im April 2007 die Vorsitzende der IGMGFrauenorganisation gemeinsam mit einigen Mitgliedern des Führungsrates aus der Generalzentrale den 'Milli-Görüs'-Führer Necmettin Erbakan sowie die Vorsitzende der Frauenorganisation der 'Saadet Partisi' besuchte. Zuvor hatten der Führungsrat der Frauenabteilung der Generalzentrale und der Gebietsvorsitzenden sowie der Zeitung 'Milli Gazete' einen Besuch abgestattet. Die Verbundenheit geht soweit, dass IGMG-Funktionäre sogar an Ratssitzungen der 'Saadet Partisi' teilnehmen. Hasan Damar, damaliges Mitglied des Exekutivrats der IGMG, soll auf einer solchen Sitzung zugesagt haben, dass man im Rahmen der Wahlvorbereitungen für die Parlamentswahlen in der Türkei am 22. Juli 2007 mit tausenden von Fahrzeugen und tausenden von Predigern tätig werden würde, weil es sich dabei um eine heilige Reise handele. ('Milli Gazete' 6. April 2007, S. ). Der Bezirksvorsitzende der 'Saadet Partisi' in Istanbul ist - was in diesem Zusammenhang nicht verwundert - Osman Yumakogullari, der frühere Generalvorsitzende der AMGT, also einer Vorgängerin der IGMG. Diese jüngste Aussage von Hasan Damar passt zu dem, was er bereits im Mai 2006 auf einer von der Jugendorganisation der 'Milli Görüs', der 'Anadolu Genclik Dernegi', veranstalteten Feierlichkeit anlässlich der Eroberung Istanbuls durch die Osmanen (29. Mai 45) gesagt haben soll: "Um die Milli-Görüs-Regierung wieder an die Spitze zu bringen, müssen wir von Europa aus und Ihr von der Türkei aus mit Herz und Seele arbeiten. Denn die Rettung der islamischen Welt, die heute vielleicht die dunkelsten Tage ihrer Geschichte durchlebt, ist lediglich mit der Türkei möglich. Wir, als in Europa lebende Auswanderer, folgen den Befehlen unseres Hodschas Erbakan. Wir haben niemals unser Hemd ausgezogen und werden es auch nie tun". ('Milli Gazete', 29. Mai 2006, S. ). Ausblick Trotz der noch immer vorhandenen Anhaltspunkte für den Verdacht einer extremistischen Bestrebung sind zugleich in der IGMG seit Jahren Tendenzen einer allmähislamismus 97 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 lichen Loslösung von islamistischen Inhalten zu beobachten. Noch in der jüngsten Vergangenheit hatte Necmettin Erbakan als "Führer der Milli Görüs" anscheinend einen erheblichen Einfluss auf die Besetzung wichtiger Führungsfunktionen innerhalb der IGMG und damit auf ihre politische Ausrichtung. Ideologisch strikt an Erbakan orientierte Personen hatten wichtige Funktionen in IGMG-Gremien inne. Dies scheint sich nun spürbar geändert, der Einfluss islamistisch ausgerichteter Kräfte in der IGMG abgenommen zu haben. Als eine deutliche Markierung für die Entwicklung der IGMG von einem Anhängsel einer extremistischen politischen Bewegung mit religiöser Verankerung zu einer eigenständigen religiösen Gemeinschaft kann das Symposium "Begriffe des Chaos - Chaos der Begriffe / Selbstund Weltwahrnehmungen der Muslime" Ende 2007 in Bonn betrachtet werden. Über diese Veranstaltung wird auf dem neuen IGMG-Portal ausführlich und inhaltsreich informiert. In der 'Milli Gazete' fand diese Veranstaltung dagegen kaum Beachtung. Auf dem Symposium wurden unterschiedliche wissenschaftlich begründete Standpunkte vertreten und diskutiert; Necmettin Erbakan und Politikern der 'Saadet Partisi' oder Vertretern der 'Milli Görüs' aus der Türkei wurde kein Forum für die Verbreitung islamistischer Einstellungen geboten. Stattdessen legte der Generalsekretär der IGMG in seinem Schlussvortrag ein in seiner Klarheit und Offenheit bemerkenswertes Bekenntnis ab. Die IGMG fasst den Vortrag folgendermaßen zusammen: "Bei allem Widerstand, 'unsere Unterschrift unter vorgefertigte "eurokompatible" Konzepte zu setzen, die man uns ohne auf unsere inhaltliche Mitwirkung überhaupt wert zu legen, überstülpen will', müsse es dann aber auch nicht schmerzlich sein, 'sich einzugestehen, dass man auf der Suche nach vermeintlich islamischen Antworten auf gesellschaftliche Grundsatzfragen erkennt, dass bewährte Konzepte wie Demokratie und soziale Marktwirtschaft dem eigenen Ideal von einem auf Gerechtigkeit fußenden System am nächsten kommen, ohne dass sie gemeinhin als "islamische" Konzeptionen gelten'. Das schmälere weder die Bedeutung des Islams, noch könne es die IGMG davon abhalten, im Lichte ihrer religiösen, kulturellen und also zivilisatorischen Wurzeln ihren gesellschaftlichen Mitgestaltungsanspruch mit Werten wie Brüderlichkeit, Solidarität, Mitgefühl und Barmherzigkeit aufrecht zu erhalten." (www.igmg.de/ symposium-2007.html, Dezember 2007). Diese Aussage kann eigentlich nur als Absage an überkommene ideologische Vorstellungen bewertet werden. Zurzeit kann noch nicht abschließend beurteilt werden, ob das Zurücktreten islamistischer Kreise innerhalb der IGMG und die Öffnung in 98 islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Richtung der demokratischen Gesellschaftsordnung von Dauer sein wird. Die weitere Entwicklung wird zeigen, ob die Bekenntnisse zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung, die die IGMG verschiedentlich abgegeben hat, nur Lippenbekenntnisse sind. Auch die Wahlergebnisse der türkischen Parlamentswahlen 2007 haben gezeigt, dass anscheinend ein großer Teil der IGMG-Anhängerschaft dem Islamismus Erbakanscher Prägung nicht mehr folgt. Wenn die Entwicklung der vergangenen Jahre konsequent fortgeführt wird, und die IGMG sich mit den von ihr selbst erkannten Problembereichen des Islamismus und Antisemitismus in ihren Reihen erfolgreich auseinandersetzt, vielleicht sogar Einrichtungen schafft, um diesen entgegenzuwirken, wird die Bewertung als islamistische Bestrebung zu überdenken sein. 613 Kalifatsstaat (Hilafet Devleti); vormals Verband der islamischen Vereine und Gemeinden eV (ICCB), so genannter Kaplan-Verband Sitz Köln Verbandsführer Metin Kaplan (am 2. Oktober 2004) in die Türkei abgeschoben) Mitglieder Bund NRW 2007 750 50 2006 750 50 Publikationen 'Ümmet-i Muhammed' (Die Stimme Muhammeds); 'Beklenen Asr-i Saadet' (Das erwartete Zeitalter der Glückseligkeit); 'Der Islam als Alternative' (D.I.A.); 'Barika-i Hakikat' (Das Aufleuchten der Wahrheit) Fernsehprogramm HAKK-TV Der im Dezember 200 durch das Bundesinnenministerium verbotene 'Kalifatsstaat' ('Hilafet Devleti') galt in Deutschland als die verbal radikalste unter den islamistischen Organisationen. Der bis zu seiner Abschiebung in die Türkei unter der Führung des selbsternannten Kalifen Metin Kaplan stehende 'Kaplan-Verband' propagiert den revolutionären Sturz des laizistischen türkischen Staatssystems, um an dessen Stelle einen islamischen Gottesstaat zu errichten. Damit verfolgt der Verband Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden und erfüllt die Voraussetzungen nach SS Abs. Nr. VSG NRW für eine Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden. Man muss davon ausgehen, dass Anhänger des Verbandes die Tätigkeiten auch nach dem Verbot fortsetzen. Ungeachtet des auf die Türkei islamismus 99 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 gerichteten Zieles lehnen die auf Dauer in Deutschland lebenden 'Kalifatsstaat'-Anhänger grundlegende Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ab, so dass sich die Beobachtung auch auf SS Abs. Nr. VSG NRW stützt. Hintergrund Der 'Kalifatsstaat' ging aus dem 984 von Cemaleddin Kaplan gegründeten 'Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V.' (ICCB) hervor. Cemaleddin Kaplan, der auch als "Khomeini von Köln" bekannt war, propagierte als seine politischen Ziele, der Koran müsse Grundlage der Staatsverfassung für die gesamte Menschheit sein und der Islam müsse in einem einzigen, weltumfassenden Staat zum Träger der Weltherrschaft, Weltpolitik und Weltzivilisation gemacht werden. Auf einer Großveranstaltung in Koblenz im April 992 rief Cemaleddin Kaplan den 'Föderativen Islamstaat Anatolien' (A.F.I.D) aus, der im März 994 in dem in Köln proklamierten 'Kalifatsstaat' ('Hilafet Devleti') aufging. Cemaleddin Kaplan erklärte sich selbst zum "Kalifen der islamischen Nation" und schwor seine Anhänger auf bedingungslosen Gehorsam gegenüber dem "Kalifen" ein. Im Mai 995 starb Cemaleddin Kaplan in Köln und sein Sohn Metin "Müftüoglu" Kaplan trat die Nachfolge als "Kalif" an. Verurteilung und Abschiebung des Metin Kaplan Der "Gebietsjugendemir" von Berlin, der sich Hoffnungen auf die Nachfolge von Cemaleddin Kaplan gemacht hatte, ließ sich 996 ebenfalls zum Kalifen ausrufen. Darauf veröffentlichte Metin Kaplan in einer Zeitung des Verbandes eine Fatwa (islamisches Rechtsgutachten), in dem es hieß: "Was passiert mit einer Person, die sich, obwohl es einen Kalifen gibt, als einen zweiten Kalifen verkünden lässt? Dieser Mann wird zur Reuebekundung gebeten. Wenn er nicht Reue bekundet, dann wird er getötet." Der "Gegenkalif" wurde im Mai 997 von drei maskierten, bisher unbekannten Tätern in seiner Wohnung in Berlin erschossen. Metin Kaplan wurde vom Oberlandesgericht Düsseldorf im November 2000 wegen Anstiftung zum Mord zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Seine Asylberechtigung wurde 2002 aufgrund der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe widerrufen. Gegen die Ausweisungsverfügung der Stadt Köln beschritt Metin Kaplan vergeblich den Rechtsweg. Das Verwaltungsgericht Köln lehnte im Oktober 2004 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs von Metin Kaplan gegen die Abschiebungsandrohung der Stadt Köln ab. Es führte in seiner Begründung aus, Kaplan sei, "unabhängig davon, 200 islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 ob von ihm aktuell die konkrete Gefahr strafrechtlich relevanter Verfehlungen ausgeht, als Identifikationsfigur für den islamischen Extremismus anzusehen; seine umgehende Entfernung ist zwingend geboten". Nach der Veröffentlichung der Entscheidung am 2. Oktober 2004 wurde Metin Kaplan unter dem Widerstand einer kleinen Gruppe von Anhängern in einem Kölner Internetcafe festgenommen und vom Flughafen Düsseldorf nach Istanbul ausgeflogen, wo ihn sofort nach der Landung dortige Sicherheitskräfte festnahmen. Hochverratsprozess in der Türkei In der Türkei wurde Metin Kaplan wegen Hochverrats der Prozess gemacht. Ihm wurde vorgeworfen, zum gewaltsamen Sturz der türkischen Regierung aufgerufen zu haben, um einen Gottesstaat zu errichten. Kaplan soll 998 einen Terroranschlag auf das Atatürk-Mausoleum in Ankara befohlen haben, bei dem die dort zum Nationalfeiertag versammelte türkische Staatsspitze mit einem mit Sprengstoff beladenen Kleinflugzeug angegriffen werden sollte. In dem Prozess, der im April 2005 begann, wies Metin Kaplan die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück, allerdings ohne Erfolg. Das Gericht verurteilte Metin Kaplan am 20. Juni 2005 zu lebenslanger Haft. Am 0. November 2005 wurde die Entscheidung eines Berufungsgerichtes in Ankara bekannt, das Urteil sei aufgrund von Verfahrensfehlern aufgehoben worden. Eine neue Entscheidung ist bisher nicht ergangen. Verbot des 'Kalifatsstaates' Nach dem Wegfall des Religionsprivilegs durch Änderung des Vereinsgesetzes war der 'Kalifatsstaat' am 8. Dezember 200 vom Bundesministerium des Inneren verboten worden. Die Verbotsverfügung umfasste neben dem Kalifatsstaat die 'Stichting Dinaar aan Islam' (Hauptsitz in den Niederlanden, Nebensitz Köln) sowie 7 Teilorganisationen (Ortsvereine), davon vier in NRW. In einer zweiten Verbotswelle wurden mit Verfügung des Bundesministeriums des Innern vom 6. September 2002 weitere 6 Teilorganisationen verboten, davon fünf in NRW. Zur Begründung heißt es, diese Vereine seien derart in den 'Kalifatsstaat' eingegliedert, dass sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieser Vereinigung anzusehen seien. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte im November 2002 das Verbot mit der Begründung, der Kalifatsstaat verstoße gegen die im Grundgesetz verankerten Prinislamismus 20 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 zipien von Demokratie, Rechtsstaat und Menschenwürde. Die Organisation verstehe sich als real existierender Staat mit eigener Staatsgewalt unter Führung des "Kalifen", dessen Grundlage ausschließlich der Wille Allahs sei. Der Kalifatsstaat beanspruche für sich im Unterschied zu anderen Religionsgemeinschaften das Recht zur Gewaltanwendung. Neue Ermittlungsverfahren Auch nach dem Verbot wurden Aktivitäten aus den Reihen des 'Kalifatsstaates' festgestellt, die zu Ermittlungsverfahren führten. Da verbandseigene Publikationen auch nach dem Verbot vertrieben wurden bestand der Verdacht, dass namentlich zunächst nicht bekannte Personen den organisatorischen Zusammenhalt des 'Kalifatsstaates' entgegen dem Verbot aufrechterhalten und sich weiter als Mitglieder im Sinne der Organisation betätigen. Im Zuge mehrerer Ermittlungsverfahren wurden Durchsuchungsaktionen durchgeführt, u.a. bei Beziehern von Publikationen des Verbandes. Die Verfahren wurden allerdings in der überwiegenden Zahl der Fälle eingestellt, da der Tatvorwurf der Unterstützung beziehungsweise Fortführung des verbotenen Vereins nicht belegt werden konnte. Ideologie Die Ideologie des 'Kalifatsstaates' ist eindeutig gegen die Demokratie und den Säkularismus, d. h. die Trennung von Religion und Staat gerichtet, die mit den Prinzipien des Islam als unvereinbar angesehen werden. So wurde in der Verbandszeitung - wie bereits zuvor 999 - vor den türkischen Parlamentswahlen 2002 zum Wahlboykott aufgerufen. Neben Demokratie und Säkularismus gelten vor allem das mit dem "Westen" verbündete Judentum und der Zionismus als Hauptfeinde. Finanzierung Der Verband finanziert sich aus Beiträgen und Spenden, dem Verkauf von Publikationen, Erträgen aus Immobilien und dem Handel mit Lebensmitteln. 202 islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Medieneinsatz Der 'Kalifatsstaat' verbreitete sein Gedankengut über verbandseigene Zeitungen sowie über eine wöchentlich ausgestrahlte Fernsehsendung. Der 'Kalifatsstaat' nutzt auch das Internet zu Propagandazwecken. Die ehemalige Homepage des Verbandes wurde verboten. Inzwischen gibt es wieder neue Internetseiten, die dem "Kalifatsstaat" zugerechnet werden können. Reaktionen/Ausblick Bereits das Verbotsverfahren und die nachfolgenden Maßnahmen haben die Organisationsstruktur des Verbandes nachhaltig erschüttert und führten zu einer starken Abnahme von Bedeutung und Mitgliederzahl des 'Kalifatsstaates'. Gleichwohl versuchen einige Getreue weiterhin, den vorhandenen Rest zusammenzuhalten und gemeinsam Freitagsgebete sowie Koranschulungen nach ihren Vorgaben durchzuführen. Infolge der Abschiebung und Verurteilung Metin Kaplans in die Türkei entstanden Richtungsund Nachfolgestreitigkeiten innerhalb der Gruppierung. Diese Auseinandersetzungen mündeten schließlich in eine Spaltung der Anhängerschaft in zwei konkurrierende Fraktionen. Wohin sich die verbliebene Anhängerschaft orientiert und ob der 'Kalifatsstaat' weiter an Anhängern und Bedeutung verliert, ist noch nicht abzusehen. 614 Organization für Human Rights and Dignity - Organisation für Würde und Rechte am Menschen (HDR) Mitglieder NRW 2007 ca. 50 Hintergrund Die 'Organization for Human Dignitiy and Rights' (HDR) wurde 996 in Duisburg von in Deutschland lebenden türkischen Migranten gegründet. Der Verein setzt sich nach der eigenen Satzung für die Abschaffung aller Hindernisse ein, die die Menschenrechte einschränken und mit den Grundsätzen von Gerechtigkeit nicht vereinbar sind sowie für die Verhinderung von Angriffen gegen diese Werte und für den Schutz der islamismus 20 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Natur. Der Verein hat sich u.a. an Demonstrationen zum Thema Palästinakonflikt und Kopftuchverbot beteiligt und diese teilweise auch selbst organisiert. In den Reden des Vorsitzenden und auch in den Flugblättern der Organisation finden sich immer wieder antiwestliche, vor allem antiamerikanische sowie antijüdische Propaganda, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstößt. Das politische Weltgeschehen wird in den Flugblättern und Reden einseitig antiimperialistisch interpretiert und vermittelt. Aus Verlautbarungen des Vereins und seiner Funktionäre wird deutlich, dass man vorbehaltlos mit den bewaffneten Widerstandsbewegungen im Irak und Palästina sympathisiert. Aus diesem Grund liegen beim HDR Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen i.S.d. SS Abs. Nr. 4 VSG NRW vor. HDR geht auch strategische Bündnisse mit Organisationen ein, die andere ideologische Ziele verfolgen. Auf diese Weise erklärt sich die Kooperation mit dem Verein 'Initiativ e.V.Verein für Demokratie von unten ', der kommunistisch geprägten Weltbildern anhängt und der der international organisierten 'Antiimperalistischen Koordination' (AIK) zugerechnet wird. Aktuelle Entwicklung Anlässlich einer durch die 'Antiimperialistische Koordination (AIK) Wien' organisierten "Mideast Peace Resistance Conference" in Italien im März 2007 wurde seitens des HDR ein Grußwort veröffentlicht, aus welchem hervorgeht, dass der HDR sich mit den Widerstandsbewegungen zum Beispiel im Irak solidarisiert. Darin heißt es: "Wir begrüßen diesen Kongress und werten ihn als weiteres Indiz dafür, dass der Widerstand global zu begreifen ist. Unsere uneingeschränkte Solidarität gehört jenen Völkern, die den Kampf gegen das abendländische Empire aufgenommen haben, mit allen Mitteln, auf allen Wegen. Die Notwendigkeit der Zusammenarbeit, ob unter dem heiligen Banner des Islam, oder aus dem Gedanken sich nicht dem gnadenlosen amerikanischen Raubtierkapitalismus auszuliefern, ist gemeinsamer Nenner. In Deutschland arbeiten wir schon seit geraumer Zeit mit den Freunden von Initiativ e.V. zusammen und was lokal in Deutschland, Großbritannien oder der Türkei funktioniert, muss auch das unbedingte internationale Ziel sein. Nur so gelingt es uns die Völker, die unter dem US/israelischen Imperialismus zu leiden haben, zu befreien. Halten wir die Flamme des Widerstands am Brennen - für die globale Intifada. 'Özgür Der' (Freier Gedanke Türkei)', 'Human Dignitiy and Rights (HDR) Deutschland'" 204 islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Der HDR gehörte bereits zu den Unterstützern des Aufrufes zur internationalen Konferenz 2006, in dem "die vollständige politische Anerkennung der irakischen und libanesischen Widerstandsbewegungen" und "ein Ende der zionistischen Besatzung" gefordert werden. Weitere Unterzeichner dieses Aufrufes sind diverse irakische Gruppierungen, AIK Wien sowie die 'Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP)'. Die PFLP ist eine revolutionär-marxistisch ausgerichtete, konspirativ arbeitende Organisation, die in der Vergangenheit terroristische Aktionen auch außerhalb des Nahen Ostens befürwortete und durchführte. islamismus 205 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 206 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 7 Extremismus in Zahlen 71 Politisch motivierte Kriminalität - Bericht des Landeskriminalamtes Die nachfolgenden Daten basieren auf Angaben des Landeskriminalamtes NordrheinWestfalen (LKA). Die Angaben über die Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) bilden die Fälle ab, die der Polizei in Nordrhein-Westfalen in der Zeit vom . Januar bis . Dezember 2007 bekannt geworden sind. Die Politisch motivierte Kriminalität in Nordrhein-Westfalen ist wie in den Vorjahren weiter angestiegen. Demgegenüber sind die Gewaltdelikte auf das Niveau von 2005 zurückgegangen. Zahlreiche Ereignisse im Inund Ausland wirkten sich auf die Sicherheitslage in Nordrhein-Westfalen aus und beeinflussten damit auch die Entwicklung der PMK. Die Gefahr durch den islamistischen Terrorismus ist nach wie vor konkret und gegenwärtig, was insbesondere durch die Festnahmen von drei mutmaßlichen Mitgliedern der terroristischen 'Islamischen Jihad Union' im sauerländischen Oberschledorn am 4. September 2007 bestätigt wurde. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, bundesweitmehrere Sprengstoffanschläge geplant zu haben. Die Tatausführung konnte jedoch rechtzeitig durch die Sicherheitsbehörden verhindert werden. Konflikte im Zusammenhang mit Separatismusbewegungen im Ausland, die teilweise in Deutschland ausgetragen wurden, beeinflussten die Entwicklung der PMK, wie die Reaktionen auf die Militäraktion der türkischen Armee auf Stellungen der verbotenen 'Arbeiterpartei Kurdistans' (PKK, jetzt KONGRA-GEL) im Nordirak zeigten. So kam es im Verlauf mehrerer Wochen zu zahlreichen demonstrativen Aktionen sowohl von prokurdischer als auch von pro-türkischer Seite. In diesem Zusammenhang wurden auch zahlreiche Straftaten begangen, häufig aus dem Demonstrationsgeschehen heraus und im Umfeld der Demonstrationen. Die internationale Organisation der größten Wirtschaftsnationen "Gruppe der Acht" (G8) war immer wieder das Ziel der Kritik von Globalisierungsgegnern. Diese nutzten das G8-Gipfeltreffen in Heiligendamm vom 6. bis 8. Juni 2007, um durch medienwirksame Protestaktionen auf die ihrer Meinung nach vorherrschenden Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen. Dabei kam es in Schwerin und Rostock auch zu gewalttäExtrEmismus in ZahlEn 207 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 tigen Ausschreitungen, in deren Verlauf auch Teilnehmer aus Nordrhein-Westfalen festgestellt wurden. Die Aufmärsche und Informationsstände der "Rechten", die sich im Schwerpunkt mit sozialen Fragen und vermeintlichen "Repressionen gegen Rechts" beschäftigten, waren Anlass für Ausschreitungen von gewaltbereiten Gegendemonstranten. Die "Rechten" konzentrierten sich zunehmend auf in der Bevölkerung emotional besetzte Themen, beispielsweise "Hartz IV", "Sozialabbau", den Bau von Moscheen sowie auf die "Angst vor Überfremdung". Mehr Straftaten als 2006: Aufwärtstrend der Fallzahlen der "PMK" setzt sich fort In Nordrhein-Westfalen wurden für das Jahr 2007 insgesamt 4.00 (2006: 4.02) politisch motivierte Straftaten bekannt. Der Anstieg der Fallzahlen um 7,2% setzt den Trend der letzten Jahre fort. Propagandadelikte machen mit 2.52 Fällen mehr als die Hälfte der PMK aus. 5-Jahresvergleich der Politisch motivierten Kriminalität 5000 400 4500 402 4000 456 500 288 2988 000 2500 2000 500 000 68 48 500 24 20 278 0 200 2004 2005 2006 2007 PMK davon PMK-Gewalt Grafik 1: PMK im 5-Jahresvergleich 208 ExtrEmismus in ZahlEn Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Nach Phänomenbereichen unterschieden sind : .000 (2006: 2.990) Straftaten dem Bereich "Politisch motivierter Kriminalität - Rechts" (PMK-Rechts), : 649 (2006: 596) dem Bereich "Politisch motivierter Kriminalität - Links" (PMKLinks) und : 292 (2006: 0) dem Bereich "Politisch motivierter Ausländerkriminalität" (PMKAusländer) zuzurechnen. Bei 59 (2006: 2) Straftaten konnte keine eindeutige Zuordnung zu einem Phänomenbereich getroffen werden, so dass sie als "Politisch motivierte Kriminalität - Sonstige/Nicht zuzuordnen" (PMK-Sonstige) erfasst wurden. Die Fallzahlen sind somit in allen Phänomenbereichen angestiegen. Im Phänomenbereich PMK-Ausländer ist der Anstieg mit 89 Delikten zahlenmäßig am größten. Jahresvergleich der Politisch motivierten Kriminalität 5000 400 4500 402 4000 500 2990 000 000 2500 2000 500 000 596 649 292 2 59 500 0 0 PMK-Links PMK-Rechts PMK-Ausländer PMK-Sonstige PMK-Gesamt 2006 2007 Grafik 2: PMK im Jahr 2007 nach Phänomenbereichen Von den 4.00 Delikten sind .60 als extremistische Straftaten im Sinne des SS des Verfassungsschutzgesetzes NRW einzustufen, weil sie sich zum Beispiel gegen die ExtrEmismus in ZahlEn 209 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 freiheitlich demokratische Grundordnung richteten. Von den .60 extremistischen Straftaten entfallen : 2.9 auf die PMK-Rechts; (2006: 2.87), : 4 auf die PMK-Links; (2006: 27), : 269 auf die PMK-Ausländer; (2006: 9) und : 7 auf die PMK-Sonstige; (2006: 8). Insgesamt ist bei den als extremistisch einzustufenden Straftaten ein Anstieg um ,7 Prozent (77 Delikte) zu verzeichnen. Politisch motivierte Gewaltdelikte sind zahlenmäßig zurückgegangen In Nordrhein-Westfalen wurden insgesamt 48 (2006: 68) politisch motivierte Gewaltdelikte (PMK-Gewalt) bekannt. Dies bedeutet einen Rückgang von insgesamt 5,4 Prozent, der sich insbesondere bei den Körperverletzungsdelikten bemerkbar macht. Diese sind um 9% auf 244 Delikte zurückgegangen (2006: 268). Die Fallzahlen liegen allerdings immer noch über dem Niveau der Jahre 200 bis 2005. Die Betrachtung nach Phänomenbereichen zeigt deutlich unterschiedliche Entwicklungen: : Anstieg bei der PMK-Ausländer auf 5 (2006: 2) Straftaten, : keine Veränderung bei der PMK-Sonstige mit 6 (2006: 6) Straftaten sowie : Rückgänge bei der PMK-Links auf (2006: 57) Straftaten und : der PMK-Rechts auf 48 (2006: 72) Straftaten. 20 ExtrEmismus in ZahlEn Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Deliktsgruppen Ausländer Links Rechts Sonstige Jahr 2007 2006 2007 2006 2007 2006 2007 2006 Tötungsdelikte 0 0 0 0 0 0 0 0 Brand-/ Sprengstoffdelikte 5 6 7 6 4 Landfriedensbruchdelikte 5 8 8 5 0 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs-, Luft und Straßenverkehr 0 0 2 0 0 Körperverletzungsdelikte 29 70 84 0 62 5 9 Widerstandshandlungen 0 8 25 4 2 0 Raub / Erpressung / Freiheitsberaubung 2 2 4 0 Sexualdelikte 0 0 0 0 0 0 0 0 Zwischensumme Gewaltdelikte 5 2 57 48 72 6 6 Bedrohungen / Nötigungen 0 7 9 28 20 8 5 Sachbeschädigungen 24 6 58 4 4 42 Propagandadelikte 2 4 24 25 2.092 2.09 224 205 Volksverhetzungen 5 4 45 50 5 8 Störung des öffentlichen Friedens 4 2 6 4 5 Beleidigungen 7 5 42 5 80 28 5 Verstöße gegen das Vereinsgesetz 6 8 0 0 0 0 0 0 Verstöße gegen das Versammlungsgesetz 2 88 57 20 5 6 sonstige Straftaten 25 2 28 0 27 22 8 2 Summe Gesamt 292 0 649 596 .000 2.990 59 2 Tabelle : PMK nach Deliktsgruppen und Phänomenbereichen im Jahresvergleich ExtrEmismus in ZahlEn 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 711 Politisch motivierte Kriminalität - Links Hauptsächliche Themenfelder5 der PMK-Links waren im Berichtszeitraum "Antifaschismus" (Anstieg von 88 auf 97 Straftaten), "Innenund Sicherheitspolitik" (Rückgang von 25 auf 7 Straftaten) und "Konfrontation mit dem politischen Gegner" (Anstieg von 87 auf 29 Straftaten). Dabei wurden diese Straftaten überwiegend im Zusammenhang von Gegendemonstrationen zu Veranstaltungen der "Rechten" verübt. Insofern ist eine Korrelation zwischen den Aktionen der "Rechten" und der Bereitschaft der "Linken" zur Begehung von Straftaten beobachtbar. Insgesamt wurden 52,5% (4 von 649 Delikten) aller Straftaten im Phänomenbereich "Links" im Rahmen von Demonstrationen und Veranstaltungen begangen. Dabei kam es vor allem zu Verstößen gegen das Versammlungsgesetz (82) und Körperverletzungen (40). "Linke" verüben Gewaltdelikte vorwiegend bei Demonstrationen Die Gewaltdelikte durch "Linke" sind um 5,% von 57 auf Delikte zurückgegangen. Phänomenologisch betrachtet wurden in der Hauptsache Brandstiftungen, Landfriedensbrüche, Körperverletzungen und Widerstandshandlungen (vgl. Tabelle ) begangen. Es wurden insgesamt 44 Tatverdächtige ermittelt. 298 waren zur Tatzeit zwischen 4 bis 24 Jahre alt. 40 waren bereits zuvor kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten. 66,2% der Gewaltdelikte (88 von Straftaten) wurden im Zusammenhang mit demonstrativen Ereignissen verübt. Neben den "Rechten" als traditionellem Feindbild der "Linken" (68 Delikte) gehörten zunehmend Polizeibeamte (67 Delikte) zu den Opfern. Zu Gewaltdelikten gegen Polizisten kommt es vorwiegend beim Versuch, Polizeiabsperrungen bei Aufmärschen der "Rechten" mit Gewalt zu überwinden. Seitens der "Linken" wird der Auftrag der Polizei zum Schutz des Grundrechtes auf Versammlungsfreiheit nicht akzeptiert, sondern bewusst ideologisch als Schutz der "Rechten" umgedeutet. Zielgerichtete Angriffe auf Polizisten werden so als legitimes Mittel im "Kampf gegen Rechts" gerechtfertigt. Bei den Auseinandersetzungen suchen die "Linken" aktiv die Konfrontation. 5 Die Melderichtlinien des "Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen Politisch motivierter Kriminalität" sehen Mehrfachnennungen bei den Oberthemen vor, so dass eine Straftat mehreren Oberthemen zugeordnet werden kann. 22 ExtrEmismus in ZahlEn Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 712 Politisch motivierte Kriminalität - Rechts Vorherrschende Themenfelder waren "Nationalsozialismus/Sozialdarwinismus" (Anstieg von 2. auf 2.74 Straftaten), "Hasskriminalität" (Rückgang von 982 auf 845 Straftaten) und "Konfrontation mit dem politischen Gegner" (Anstieg von 45 auf 22 Straftaten). Bei den Deliktsgruppen machten die Propagandadelikte und Volksverhetzungen mit 84,2% (2.527 von .000 Straftaten) den überwiegenden Anteil der Straftaten aus. Anders als in den vorherigen Jahren hat die Anzahl der Propagandadelikte nicht zugenommen. Auffällig ist, dass in der "rechten Szene" diskutiert wird, keine inkriminierten Symbole (zum Beispiel Hakenkreuz) zu benutzen, sondern allgemeine, strafrechtlich nicht als Propagandadelikte erfasste rechte Parolen. Deutlich zugenommen hat die Anzahl von Sachbeschädigungen in Form von Farbschmierereien (Anstieg von 4 auf 58 Straftaten). Hierbei wurden vermehrt die nicht als Propagandadelikt eingestuften Schriftzüge, zum Beispiel "frei, sozial und national", festgestellt. Deutlicher Rückgang der Gewaltdelikte Die Anzahl der Gewaltdelikte durch "Rechte" ist um 4,0% (von 72 auf 48 Delikte) zurückgegangen. Schwerpunktmäßig handelte es sich um Körperverletzungen (vgl. Tabelle ). Die Gewaltdelikte waren überwiegend den Themenfeldern "Hasskriminalität"6 (88) und "Konfrontation gegen den politischen Gegner" (56) zuzurechnen. Es wurden insgesamt 97 Tatverdächtige ermittelt. 7 waren zur Tatzeit zwischen 4 bis 24 Jahre alt. 9 waren bereits zuvor kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten. Hasskriminalität durch "Rechte" ist zurückgegangen Die "Hasskriminalität" im Bereich der PMK-Rechts ist um 4,0% (von 982 auf 845 Straftaten) zurückgegangen. Maßgeblich dafür war der Rückgang im Unterthema der "fremdenfeindlichen Straftaten"7. Propagandadelikte und Volksverhetzungen (vgl. Ta- 6 Der Hasskriminalität werden Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen eine Person wegen ihrer Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status gerichtet sind. 7 Themenfelder im Rahmen des Meldedienstes sind in Form eines Themenfeldkataloges bundeseinheitlich festgelegt, denen Oberbegriffe und Unterthemen zugeordnet sind. Um eine differenzierte, mehrdimensionale Lagedarstellung zu ermöglichen, sind alle zutreffenden Unterthemen und Oberbegriffe anzugeben (Mehrfachnennung). ExtrEmismus in ZahlEn 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 belle ) machen etwa zwei Drittel der "Hasskriminalität" aus und sind nach wie vor die bestimmenden Deliktsgruppen. Die Anzahl der Gewaltdelikte im Themenfeld "Hasskriminalität" hat sich deutlich um 20,7 Prozent vermindert (von auf 88 Straftaten). 78 Gewaltdelikten lag eine fremdenfeindliche Motivation zu Grunde. Anzahl der antisemitischen Straftaten ist rückläufig Antisemitischen Straftaten sind um 9,7 Prozent (von 09 auf 279 Straftaten) zurückgegangen. Die Verteilung auf die Phänomenbereiche ist im Vergleich zu den letzten Jahren nahezu unverändert: : 89,7 Prozent (250 Straftaten) sind der PMK-Rechts zuzuordnen, : 20 Delikte entfallen auf die PMK-Ausländer und : 9 Delikte die PMK-Sonstige. Die Anzahl der antisemitischen Gewaltdelikte ist mit Straftaten (2006: 0) annähernd gleich geblieben. 713 Politisch motivierte Ausländerkriminalität Die Anzahl der Straftaten im Bereich der PMK-Ausländer ist deutlich angestiegen (von 0 auf 292 Straftaten). Die Zunahme ist vorwiegend in den Aktivitäten von Mitgliedern der in Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegten 'Arbeiterpartei Kurdistans' (PKK, jetzt KONGRA-GEL) begründet. Nachdem gegen Mitglieder des KONGRA-GEL Maßnahmen von Sicherheitsbehörden in Deutschland und Frankreich durchgeführt wurden, wie auch nach dem Eindringen türkischer Streitkräfte in den Nordirak, fanden vermehrt sowohl pro-kurdische als auch pro-türkische demonstrative Aktionen statt, bei denen es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kam. Die Delikte im Themenfeld "Befreiungsbewegungen/Internationale Solidarität" (von 0 auf 200 Delikte) sowie in den Deliktsgruppen "Verstößen gegen das Vereinsgesetz", "Sachbeschädigungen" und "Körperverletzungsdelikte" (von 70 von 292 Straftaten) sind deutlich angestiegen. Es zeigt sich nach wie vor, dass das Aktionsverhalten der Tatverdächtigen im Bereich der PMK-Ausländer im Wesentlichen von dem Verlauf der Konflikte in ihren Herkunftsländern abhängig ist. 24 ExtrEmismus in ZahlEn Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Anstieg der Gewaltdelikte Die Anzahl der Gewaltdelikte im Bereich der PMK-Ausländer hat sich mehr als verdoppelt (von 2 auf 5 Delikte). Die Gewaltdelikte waren vorwiegend dem Themenfeld "Befreiungsbewegungen/Internationale Solidarität" zuzuordnen. Hauptsächlich handelte es sich um Körperverletzungen, Landfriedensbrüche und Brandstiftungen (vgl. Tabelle ). Es wurden insgesamt 6 Tatverdächtige ermittelt. 40 von ihnen waren zur Tatzeit zwischen 4 bis 24 Jahre alt. 29 waren bereits zuvor kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten. 714 Hohe Gefährdung durch den islamistischen Terrorismus Die hohe Gefährdung durch den islamistischen Terrorismus in Nordrhein-Westfalen hält unvermindert an, lässt sich aber auch 2007 nicht allein an den 25 bekannt gewordenen Straftaten im Bereich "Islamismus/Fundamentalismus" messen, sondern muss auch an dem möglichen Schadenspotenzial einzelner Tatplanungen und Delikte festgemacht werden. Das haben die noch rechtzeitig verhinderten Anschläge dreier mutmaßlicher Mitglieder der 'Islamischen Jihad Union' gezeigt, die im Bundesgebiet Sprengstoffattentate verüben wollten. Die Täterprofile islamistischer Terroristen sind bislang wenig erforscht und im Allgemeinen sehr heterogen. Konvertiten und Migranten der zweiten und dritten Generation scheinen inzwischen eine nicht unerhebliche Rolle in terroristischen Zellen einzunehmen. Auch die Erkenntnisse aus anderen westeuropäischen Ländern mit großem muslimischem Bevölkerungsanteil belegen eine ähnliche Entwicklung. Trotz der scheinbaren gesellschaftlichen Integration mit Arbeitsstelle, Wohnung oder Vereinsleben wenden sie sich im Rahmen ihrer weiteren Entwicklung dem radikalen islamistischen Gedankengut zu und sind aus dieser Motivation heraus bereit, Terrorattentate zu verüben. Die Propagandaoffensive islamistischer Gruppierungen im Internet wurde auch im Jahr 2007 unvermindert fortgesetzt. Nachdem bereits im Frühjahr eine an Deutschland und Österreich gerichtete deutschsprachige Terrorbotschaft verbreitet wurde, wurde am 20. November 2007 erneut ein Video auf den Seiten eines islamistischen Internetforums veröffentlicht. In diesem Video wurden Deutschland und Österreich ausdrücklich angesprochen. Sollten Deutschland und Österreich ihre Truppen nicht aus Afghanistan abziehen, so hieß es, müsse man um die Sicherheit in den beiden Ländern fürchten. Erstmalig wurden hier auch die deutschen Muslime angesprochen: ExtrEmismus in ZahlEn 25 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 sie wurden vor "vom Staat bezahlten Gelehrten und Vereinen" gewarnt. Bilder von Führungspersonen des 'Zentralrats der Muslime in Deutschland' und die eingeblendeten Schriftzüge lassen den Schluss zu, dass vor allem jene muslimischen Zusammenschlüsse in Deutschland gemeint sein dürften, die sich als Dialogpartner für die deutsche Politik und Öffentlichkeit anbieten. Den Verlautbarungen waren selbst keine Anhaltspunkte hinsichtlich einer konkreten Gefährdung deutscher Interessen und Einrichtungen im Inund Ausland - hier insbesondere in Afghanistan - zu entnehmen. Allgemein ist Deutschland - und somit auch Nordrhein-Westfalen - weiterhin als Teil eines weltweiten Gefahrenraumes anzusehen und liegt somit im unmittelbaren Zielspektrum islamischer Gruppierungen. 72 Bericht des Justizministerium Nordrhein-Westfalen 721 Verfahren wegen rechtsextremistischer Aktivitäten Bei den Staatsanwaltschaften des Landes sind im Jahr 2007 insgesamt 4.62 einschlägige Verfahren neu anhängig geworden. In dieser Zeit ist in 702 Verfahren gegen 929 Personen Anklage erhoben beziehungsweise Antrag auf Erlass eines Strafbefehls gestellt worden. Rechtskräftig verurteilt wurden 4 Personen; 0 Angeklagte wurden freigesprochen. Gegen 27 Personen wurde das Verfahren von dem erkennenden Gericht eingestellt beziehungsweise die Untersuchung auf nicht einschlägige Straftaten beschränkt. 722 Verfahren wegen linksextremistischer Aktivitäten Wegen Straftaten, deren Ursprung dem Bereich des Linksextremismus zuzuordnen ist, haben die Staatsanwaltschaften im 2007 insgesamt 794 Verfahren neu eingeleitet. In diesem Jahr ist in 26 Verfahren gegen 246 Personen Anklage erhoben beziehungsweise Antrag auf Erlass eines Strafbefehls gestellt worden. Angeklagte wurden rechtskräftig verurteilt; 6 angeklagte Personen wurden freigesprochen. Gegen 26 Personen wurde das Verfahren von dem erkennenden Gericht eingestellt beziehungsweise die Untersuchung auf nicht einschlägige Straftaten beschränkt. 73 Mitgliederpotenzial Die Angaben zum Mitgliederpotenzial sind gerundet und zum Teil geschätzt. 26 ExtrEmismus in ZahlEn Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 731 Mitgliederzahlen rechtsextremistischer Organisationen und Gruppierungen Organisation/Gruppierung 2007 2006 DVU (einschl. DVU e.V. und Aktionsgemeinschaften) .00 .00 NPD (einschl. JN) 780 770 Neonazistische Kameradschaften einschl. regionale Szenen 460 460 Militante Rechtsextremisten einschl. Skinheads* .50 .50 Sonstige 0 20 abzüglich Doppelmitgliedschaften 0 40 Summe 4070 4060 Tabelle: Mitgliederpotenzial extremistischer Organisationen * In der Gesamtzahl sind 400 Personen enthalten, die organisationsunabhängig sind, aber mit rechtsextremistischen Gewaltbezug auffällig wurden. 732 Mitgliederzahlen linksextremistischer Organisationen und Gruppierungen Organisation/Gruppierung 2007 2006 Militante Linksextremisten/Autonome 500 500 DKP < .500 < .500 DIE LINKE (Angaben 2006 nur für Linkspartei.PDS) 5.700 .875 MLPD 650 650 Summe 8350 4525 Tabelle: Mitgliederzahlen linksextremistischer Organisationen ExtrEmismus in ZahlEn 27 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 733 Mitgliederzahlen extremistischer Organisationen von Ausländern Organisation/Gruppierung 2007 2006 ADÜTDF 2.000 2.000 DHKP-C 200 200 KONGRA-GEL beziehungsweise PKK 2.000 2.000 NWRI 400 400 LPK 0 0 FBKSh 20 20 LTTE 00 00 Summe 4950 4950 Tabelle: Mitgliederzahlen extremistischer Ausländerorganisationen 734 Mitgliederzahlen islamistischer Organisationen Organisation/Gruppierung 2007 2006 HAMAS 70 70 Hizb Allah 50 50 Tabligh-i Jama'at 50 50 Hizb ut-Tahrir 70 70 MB/IGD/IZA 20 20 FIS Einzelne 80 IGMG 7.200 7.200 Kaplan-Verband 50 50 Summe 8510 8590 Tabelle: Mitgliederzahlen islamistischer Organisationen 28 ExtrEmismus in ZahlEn Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 8 Spionageabwehr 81 Überblick "Chinesische Trojaner auf PCs im Kanzleramt" (DER SPIEGEL vom 25. August 2007) "Putin spioniert in Deutschland" (n-tv vom . Dezember 2007) "Jets für den Iran? Trio vor Gericht" (Rheinische Post vom 9. Oktober 2007) Diese kleine Auswahl von Schlagzeilen spiegelt die vielfältigen Herausforderungen wider, mit denen die Spionageabwehr Nordrhein-Westfalen im Jahr 2007 konfrontiert war. Einerseits stellt die "klassische" Abwehrtätigkeit wie die Verhinderung von Proliferation8 oder die Aktualisierung der Lagebilder über Ziele, Strukturen und Methoden fremder Nachrichtendienste (insbesondere der Länder GUS, Iran, China sowie einiger nahöstlicher Länder) nach wie vor einen Schwerpunkt der Tätigkeit dar. Andererseits hat die Spionageabwehr Nordrhein-Westfalen schon seit dem Abschluss der Sicherheitspartnerschaft zur Bekämpfung von Wirtschaftsspionage und Wirtschaftskriminalität im Jahr 200 neue Wege eingeschlagen mit der präventiven Aufklärung der einheimischen Unternehmen über Wirtschaftsspionage durch fremde Nachrichtendienste als "Hilfe zur Selbsthilfe". Bei ihrer Arbeit bedient sich die Spionageabwehr nicht nur verdeckter (nachrichtendienstlicher) Mittel, sondern erhält zunehmend auch Informationen und Unterstützung aus der Bevölkerung, zum Beispiel Hinweise zu proliferationsrelevanten Geschäften oder möglichen Wirtschaftsspionageversuchen. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Nachrichtendienst seine Erfolge nur selten öffentlich machen kann und will. Daher werden die Arbeitsergebnisse der Spionageabwehr, die während der laufenden Ermittlungen immer als Verschlusssachen eingestuft sind, nur veröffentlicht, wenn das nachrichtendienstliche Ziel erreicht ist und die Methoden und Arbeitsweisen geschützt bleiben. Die zitierten Schlagzeilen stellen insofern nur den kleinen Anteil der spionagerelevanten Sachverhalte dar, die aus unterschiedlichen Gründen publiziert wurden. Weniger öffentlichkeitswirksam - aber 8 Als Proliferation wird die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen beziehungsweise der zu ihrer Herstellung verwendeten Produkte, einschließlich des erforderlichen Know-hows, bezeichnet. spionagEabwEhr 29 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 nicht minder relevant - ist zum Beispiel die Ausforschung und Überwachung von in der Bundesrepublik lebenden oppositionellen Landsleuten, die für die Nachrichtendienste der Länder Iran, Libyen und Syrien ein Schwerpunkt ihrer Auslandstätigkeit darstellt. Im Unterschied dazu erregten die Pressemeldungen über chinesische Computerspezialisten, die - nicht nur in Deutschland - versuchten, durch Hacking in Regierungsrechner und Datenbanken von Wirtschaftsunternehmen einzudringen, große Aufmerksamkeit. Damit wurde erstmals der breiten Öffentlichkeit eindringlich vor Augen geführt, wie weit die informationstechnologische Entwicklung dort schon voran geschritten ist. Die erlangten Informationen könnten beispielsweise Vorteile in laufenden Vertragsverhandlungen verschafft haben oder einem Unternehmen lange und teure Entwicklungskosten ersparen. Besonders vorteilhaft für die fremden Nachrichtendienste ist bei dieser Methode, dass der "Agent" in seinem Heimatland verbleibt und für die deutschen Sicherheitsbehörden nicht erreichbar ist. Eine andere Methode, an Informationen zu gelangen, ist der Aufbau geheimer Beschaffungsmethoden und -wege. Die Nachrichtendienste der Bundesrepublik stellen immer wieder fest, dass Länder wie Iran, Syrien, Pakistan oder Nordkorea diese Verfahren zur Umgehung der deutschen Ausfuhrbestimmungen ständig verbessern, um an sensible Waren und Know-how zu gelangen. Im Fokus der Spionageabwehr steht aber neben der Aufklärung von Verdachtsfällen seit einigen Jahren auch die Sensibilisierung von Firmen. Hierbei geht es nicht nur um große Konzerne, sondern auch um kleine und mittlere Wirtschaftsunternehmen, die sich eine spezialisierte Sicherheitsabteilung häufig nicht erlauben können. Auch wenn die Spionageabwehr NRW zunehmend ein verbessertes Sicherheitsbewusstsein bei Firmenverantwortlichen feststellt, trifft sie leider oft genug auf Fälle, in denen Wirtschaftunternehmen ihre sensiblen Unternehmensdaten mit großer Leichtfertigkeit behandeln. Hier setzt die präventive Sensibilisierung der Spionageabwehr an, die vor der Gefahr des Know-how-Verlusts auf einschlägigen Messen, in Vorträgen und Einzelgesprächen mit Verantwortlichen der Firmenleitungen warnt und versucht, das richtige Gefühl für den Umgang mit solchen - für die Unternehmen oft genug überlebenswichtigen - Daten zu vermitteln. So werden die Unternehmen in die Lage versetzt, sich selbst gegen Angriffe von Konkurrenzunternehmen und fremde Nachrichtendienste effektiv zu schützen. 220 spionagEabwEhr Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Detaillierte Informationen über das Beratungsund Informationsangebot finden sich hierzu im Internet unter www.im.nrw.de/sch/606.htm. 82 Spionageaktivitäten des Iran Wie in der Weltpolitik war der Iran auch im Jahr 2007 für die Spionageabwehr Nordrhein-Westfalen ein Brennpunkt. Das geschickte und hinhaltende Taktieren der iranischen Diplomatie spiegelt sich in der Vorgehensweise iranischer Firmenvertreter und Händleragenten wieder. Mit viel Einfallsreichtum werden immer neue Wege zur Umgehung unserer Ausfuhrkontrollen entwickelt. Im letzten Verfassungsschutzbericht ist ausführlich über Gerichtsverfahren berichtet worden, deren Gegenstand die Versuche von Iranern waren, genehmigungspflichtige Waren auszuführen. Diese geschilderten Verfahren sind zwischenzeitlich mit Verurteilungen und Haftstrafen abgeschlossen worden. Aus dem gleichen Fallkomplex wurde im Oktober 2007 ein weiteres Verfahren eröffnet: "Jets für den Iran? Trio vor Gericht" schrieb die Rheinische Post am 9. Oktober 2007. Die gesammelten Beweise reichten zwar für eine Anklageerhebung, nicht aber für eine weitere Verurteilung der enttarnten Händler. Ein weiterer Beleg für die Aktivitäten iranischer Händleragenten stellt die Festnahme eines Deutsch-Iraners Ende November im Raum Frankfurt am Main dar. "Deutsche beliefern Irans Atomprogramm" schrieb die Westfälische Rundschau dazu am 0. November 2007. Wie auch bei den in Nordrhein-Westfalen aufgedeckten Fällen sind immer wieder kleine Firmen Ziel der iranischen Beschaffungsbemühungen. Neben dem verlockenden Angebot von direkter Barzahlung bei Lieferung wird auch gern eine angebliche Inlandlieferung vorgetäuscht und der Export verschleiert. Alle im Bereich der Ausfuhrkontrolle eingebundenen Sicherheitsbehörden sind sich einig, dass der Iran weiterhin Produkte für die konventionelle Rüstung sowie den Nuklearund Raketenbereich beschafft. "BRISANTES DOSSIER - US-Geheimdienste relativieren Gefahr durch Iran", schrieb der Spiegel am . Dezember 2007. In dieser Veröffentlichung berichteten die USGeheimdienste, dass der Iran bereits im Herbst 200 sein Atomprogramm eingestellt hätte. Alle Interessierten konnten den Text in Presse und Internet nachlesen und für sich bewerten. Für den Bereich Spionageabwehr NRW kann gesagt werden, dass dieser Bericht an unserer Lagebeurteilung bezüglich Iran kaum etwas geändert hat. spionagEabwEhr 22 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Das Land betreibt weiterhin mit Hochdruck den Bau weit reichender Trägerraketen. Im November 2007 berichtete der iranische Verteidigungsminister über die Fertigstellung der neuen "Aschura"-Rakete und stellte dabei fest, dass man nicht nur die US-Stützpunkte im Nahen Osten und Israel erreichen könne, sondern auch Europa. Unwidersprochen ist auch die Feststellung, dass der Iran mehr als .000 Zentrifugen zur Urananreicherung betreibt. Die Entwicklung und Beherrschung dieser Technologie legt die Vermutung nahe, dass auch waffenfähiges Uran hergestellt werden soll. Diesen Verdacht könnte der Iran nur durch umfassende Zusammenarbeit mit der internationalen Atombehörde IAEA zerstreuen. Aus diesen Gründen ergibt sich für die Spionageabwehr NRW keine Veranlassung, die Beobachtung der iranischen Aktivitäten in unserem Land zu reduzieren oder gar einzustellen. 83 Weitere Staaten des Nahen Ostens/Afrikanische Staaten Viele Nachrichtendienste aus Ländern des Nahen Ostens sind nach wie vor in Deutschland aktiv. Aufgabenschwerpunkte sind die Aufklärung, Ausforschung und Überwachung in Deutschland lebender Landsleute. Dabei gilt das besondere Interesse den hier lebenden Oppositionellen, Studenten und in erster Linie islamistischen Bestrebungen, die als Bedrohung für das eigene Regime in der Heimat angesehen werden. Die Nachrichtendienste versuchen dabei, durch das Einschleusen von Hinweisgebern Informationen über Strukturen, Arbeitsweisen und geplante Aktionen dieser Kreise zu erlangen. Zahlreiche Informanten gewinnen die Nachrichtendienste des Nahen Ostens dadurch, dass sie aus ihrer Sicht vermutlich interessante Landsleute, die sich beispielsweise zu Verwandtenbesuchen im Heimatland aufhalten, dort ansprechen und zur Mitarbeit verpflichten. So hat die Bundesanwaltschaft im August 2007 Anklage gegen einen 57-jährigen Bonner mit deutscher und syrischer Staatsangehörigkeit wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit (SS 99 StGB) erhoben. Ihm wird vorgeworfen, sich während einer Syrienreise zur nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit verpflichtet zu haben. In der Folgezeit soll er in Deutschland in einer Reihe von Fällen weisungsgemäß Informationen über hier lebende syrische Staatsangehörige sowie deren Organisationen und Aktivitäten beschafft und an seine Auftraggeber weitergeleitet haben. Darüber hinaus ist zu beobachten, dass die Nachrichtendienste dieser Länder verstärkt versuchen, über Tarnorganisationen Kontakte zu hier ansässigen Firmen herzustellen, um unter Umgehung der deutschen Ausfuhrbestimmungen Güter für bestehende Waffenprogramme zu beschaffen. Häufig dient auch der gezielte Einsatz 222 spionagEabwEhr Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 von Praktikanten, Austauschstudenten und Gastwissenschaftlern in Deutschland dem Ziel, Forschungsergebnisse und Know-how auszuspionieren. 831 Nordafrika Nachrichtendienstliche Aktivitäten in und gegen Deutschland entwickeln auch weiterhin die Dienste einiger nordafrikanischer Staaten. Als Aufklärungsziele stehen neben der Spionage in den klassischen Bereichen Politik, Wirtschaft, Militär, Wissenschaft und Forschung vor allem auch die Ausforschung und Unterwanderung von in Deutschland ansässiger Organisationen und Personen im Vordergrund, die im Heimatland in Opposition zum Regime stehen. Bei ihren Ausspähungsbemühungen sind die Nachrichtendienste auch darauf eingestellt, im Einzelfall Gewalt gegen ihre Ausspähungsopfer anzuwenden. Darüber hinaus interessieren sie sich ebenso für proliferationsrelevante Geschäfte. So konnte im Jahr 2007 zum Beispiel der Generalbundesanwalt vor dem Staatsschutzsenat des Kammergerichts in Berlin gegen einen Nordafrikaner Anklage wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit erheben, weil er als Angestellter einer Botschaft aus dem nordafrikanischen Bereich Kontakte zu einem Nachrichtendienst aus dieser Region unterhielt und für diesen Aufträge durchführte. Sein Hauptaugenmerk setzte er auf die Ausspähung der Oppositionellenszene in der Hauptstadt. So soll er auch Kontakte zwischen einem Vertreter des Nachrichtendienstes und einer der Opposition nahestehenden Person hergestellt haben. Nach seiner Festnahme hat er diese Umstände weitestgehend eingeräumt. 84 Ferner Osten 841 Chinesische Nachrichtendienste Über die boomende chinesische Wirtschaft wird täglich berichtet. Auch die nordrheinwestfälische Wirtschaft hat einen nicht unbedeutenden Anteil an diesem Fortschritt, meist gewollt, aber oftmals auch ungewollt. Über ungewollten Abfluss von Know-how, der Abschöpfung von geheimem Wissen, dem illegalen Technologie-Transfer sowie den dabei gebräuchlichsten Methoden hat der Verfassungsschutz in den letzten Jahren ständig berichtet und dies darüber hinaus zum Gegenstand seiner Vorträge und Sensibilisierungen bei nordrhein-westfälischen Unternehmen gemacht. Aber wenn von "den" chinesischen Spionageaktivitäten die Rede ist, wenn vom "NachrichtenspionagEabwEhr 22 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 dienst" gesprochen wird, wer steckt dahinter? Welche Rolle spielen die Nachrichtendienste überhaupt? Chinesische Nachrichtendienste sind an Beschaffungsaktivitäten beteiligt. Vor allem, wenn es um die entscheidenden 5% geht, die die Kernkompetenz eines Unternehmens oder eines Forschungsvorhabens ausmachen, oder darum, Produkte zu erlangen, die auf legalem Weg nicht erworben werden können, stellt der Einsatz von Nachrichtendiensten ein unverzichtbares Mittel dar. Die Interessenlage ist dabei weit gefächert. Nano-, Brennstoffzellenoder Optronic-Technologie stehen ganz oben. Aber auch an nicht im Vordergrund stehender Technologie, beispielsweise um Bergwerke sicherer zu machen oder in entlegenen Regionen Transportwege zu erstellen, besteht ein hohes staatliches Interesse. Die Nachrichtendienste werden aber auch in der politischen Spionage eingesetzt, um im Vorfeld politischer Entscheidungen bereits die Reaktionen anderer Nationen einschätzen zu können. Das Ministerium für Staatssicherheit (MSS) ist als ziviler Nachrichtendienst in China mit der Abwehr von Spionage und der Überwachung von Ausländern beauftragt. Vorrangig ist es zuständig für die Auslandsaufklärung. Das MSS bedient zunächst einmal die klassischen Felder eines Nachrichtendienstes, nämlich die Informationsbeschaffung aus Politik, Wissenschaft, Technik und Forschung. Erst seit neuerer Zeit, aber dafür deutlich, ist er auf den Schwerpunkt Wirtschaftsspionage fokussiert. Das als nationale Polizeibehörde zu verstehende Ministerium für öffentliche Sicherheit (MÖS) hat seine Aufgabenzuweisung vorrangig im Inland und ist dort zuständig für die öffentliche Sicherheit, den Grenzschutz, den Reiseverkehr sowie die Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität. Dem MÖS obliegt ebenfalls die Überwachung des Postund Fernmeldeverkehrs, wozu auch der E-Mail-Verkehr zählt. Dessen Kontrolle erfordert angesichts des ständig steigenden Informationsaufkommens eine starke Personalausstattung. Der an die Volksbefreiungsarmee angebundene militärische Nachrichtendienst MID (Military Intelligence Department) beschränkt seine Tätigkeit ausschließlich auf die Beschaffung von Informationen, die einen militärischen Hintergrund haben. Dies sind Baupläne neuester Waffentechnologie, aber - immer wichtiger - auch Informationen über Militärlogistik und zu den Szenarien von Planübungen. Auch zu diesem Nachrichtendienst gibt es keine belegbaren Zahlen über Personalstärken. MSS und MÖS bemühen sich darüber hinaus mit großem Einsatz um die Ausforschung oppositioneller Gruppierungen und die Überwachung der Dissidenten im 224 spionagEabwEhr Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Inund Ausland. Soweit die Nachrichtendienste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ausland einsetzen, handelt es sich neben dem offiziell akkreditierten Verbindungsoffizier nur zu einem geringen Teil um hauptamtliche Spione. Allerdings ist diese Zahl hoch genug, um die Bedeutung des Standortes Deutschland zu verdeutlichen. Während die militärischen Nachrichtendienstangehörigen bei den jeweiligen Militärattaches angesiedelt sind, nutzen die Angehörigen des MSS bei ihren Auslandsoperationen oftmals Abdeckungen (Tarndienstposten) in diplomatischen und konsularischen Vertretungen oder in für diese Zwecke gegründeten Firmen. Von dort führen sie eine Vielzahl von Informanten, die je nach Auftrag allgemeine oder ganz konkrete Informationen zu bestimmten Themen liefern. Sie beschaffen aber auch Güter, beispielsweise Materialproben oder Werkstücke. Diese Informanten oder Agenten werden oft auf lange Sicht perspektivisch ausgesucht und berichten über längere Zeiträume. Dass sich Angehörige chinesischer Nachrichtendienste auch als Journalisten legendieren, ist bekannt. Es kann aber nicht oft genug darauf hingewiesen werden, dass - wie die Erfahrungen in den letzten Jahren gezeigt haben - es gerade Journalisten für die Beschaffung von Informationen besonders leicht gemacht wird. Ohnehin ist der leichtfertige Umgang mit der unreflektierten Weitergabe von Informationen eine der wichtigsten Ursachen für Wissensabfluss. Die geschickt eingefädelte Gesprächsabschöpfung hat schon manchen Nachrichtendienstler an die richtige Person und sein Wissen herangeführt, auch wenn es einiger Monate oder Jahre bedurfte. Nachrichtendienste haben Zeit. Und dass sich nach dem Umzug der Botschaft nach Berlin und der Verlagerung eines Generalkonsulates nach Frankfurt nunmehr in Nordrhein-Westfalen keine staatlichen chinesischen Vertretungen mehr befinden, bedeutet keinesfalls Entwarnung. 842 Nord-Korea Die beiden im März 2006 getesteten Kurzstreckenraketen und der im Oktober des gleichen Jahres durchgeführte unterirdische Atomwaffentest zeigten, dass die Koreanische Demokratische Volksrepublik (KDVR) zunächst an ihren Programmen zur Herstellung von Atomwaffentechnologie und weitreichenden Trägersystemen festgehalten hat. Die im August 200 aufgenommenen Verhandlungen der sechs Chefunterhändler aus Russland, den USA, China, Japan, Nordund Südkorea zum Abbau des Atomprogramms sind noch nicht zu einem endgültigen Abschluss gekommen. spionagEabwEhr 225 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Dabei sollte nicht unbeachtet bleiben, dass das Festhalten an Atom(waffen)technologie ein wesentliches Druckmittel zur Durchsetzung eigener nationaler Interessen darstellt. Gleichzeitig könnte für das wirtschaftlich schwache Nord-Korea auch die Tatsache eine Rolle spielen, dass bei einem Verkauf derartiger Technologien an kritische Länder hohe Weltmarktpreise erzielt werden können. Die wirtschaftliche Lage und die Isolation lassen Nord-Korea aus eigener Kraft keinen Spielraum, die für derartige Technologien notwendigen Entwicklungsschritte zu unternehmen. Daher greift das Regime auf die illegale Beschaffung des notwendigen Know-how zurück. Dazu bedient es sich verschiedener Inlandsund Auslandsnachrichtendienste, die zum Teil der Staatsführung, zum Teil der Staatspartei unterstellt sind. Allerdings sind den Nachrichtendiensten trotz bevorzugter finanzieller Ausstattung personelle und materielle Grenzen gesetzt. Nordkorea setzt daher für den Wissenstransfer verstärkt auf die Abschöpfung von Wissenschaftlern, Doktoranden und Stipendiaten, die meist über mehrere Monate an hiesigen Hochschulen, Forschungsinstituten und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen studieren oder forschen. Da sie nur mit besonderer Erlaubnis staatlicher Stellen ihr Land verlassen können und der Auslandsaufenthalt auch durch eine staatliche Einrichtung bezahlt wird, sind sie dem System gegenüber besonders verpflichtet und haben über ihren Aufenthalt zu berichten. Diese Berichte umfassen das gesamte Spektrum des Aufenthaltes. Das können Erfahrungen im Umgang mit (Sicherheits-)Behörden sein, sowie Erkenntnisse zur Hochschule oder zum Institut selbst und dortigen Forschungen, zu den Zugangsmöglichkeiten und Sicherheitsmaßnahmen, bis hin zu sehr persönlichen Angaben zu Mitarbeitern oder betreuenden Wissenschaftlern. Eigenständig tätig werden die Nachrichtendienste jedoch im Bereich der Proliferation, also im Rahmen der Beschaffung ausfuhrbehinderter (Waffen-)Technologie oder von sogenannten Dual-Use Gütern. (Güter mit der Möglichkeit sowohl ziviler als auch militärischer Nutzung, zum Beispiel Druckbehälter oder Nachtsichtgeräte). Hierzu nutzen sie entweder die diplomatischen oder konsularischen Vertretungen in Europa oder eigene Firmen, unter deren Tarnung versucht wird, proliferationsrelevante Güter zu beschaffen. Dies blieb allerdings durch geeignete Gegenmaßnahmen des Verfassungsschutzes zumeist erfolglos. 226 spionagEabwEhr Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 85 Russische Föderation und andere Mitglieder der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) 851 Nachrichtendienste der Russischen Föderation Wie im Vorjahresbericht ausführlich dargestellt, verfügt die Russische Föderation im Wesentlichen über die vier folgenden Nachrichtendienste: : FSB - Federalnaja Slushba Besopasnosti - (Föderaler Sicherheitsdienst - Inlandsnachrichtendienst), : SWR - Slushba Wneschnej Raswedkij - (Ziviler Auslandsnachrichtendienst), : GRU - Glawnoje Raswediwatelnoje Uprawlenije - (Militärischer Auslandsnachrichtendienst), : FSO - Federalnaja Sluschba Ochrany - (Föderaler Bewachungsdienst). Nach der umfangreichen Reform der russischen Dienste in den letzten Jahren waren 2007 nur wenige Veränderungen feststellbar. Der Auslandsnachrichtendienst SWR erhielt im Oktober 2007 einen neuen Leiter, den ehemaligen Ministerpräsidenten Michail Fradkow, der zuvor Führungspositionen in der Wirtschaftsund Finanzverwaltung bekleidet hat. Die Aufklärungsziele des SWR könnten sich daher künftig auf den Bereich der Ökonomie konzentrieren. Ferner erweiterte Russland die Sicherheitsstruktur des Landes durch die Errichtung einer neuen eigenständigen Ermittlungsbehörde, die nur formell der Generalstaatsanwaltschaft angegliedert ist. Sie soll selbstständig Verfahren einleiten und gegen Personen mit besonderem Status (zum Beispiel Parlamentsabgeordnete) ermitteln dürfen. In diesem Zusammenhang sprach die internationale Presse sogar von einem neuen Geheimdienst. Die Aufklärungsziele der russischen Nachrichtendienste liegen weiterhin in den Bereichen Politik, Militär, Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie, wobei die Schwerpunkte im Jahr 2007 in der Politikund Ökonomiespionage zu sehen sind. Von großer Bedeutung waren und sind neben der Außen-, Europaund Innenpolitik in Deutschland auch die Bündnisund Sicherheitspolitik. Dazu gehört die beabsichtigte US-Raketenabwehr in Polen und Tschechien. So betonte der Leiter des FSB, Nikolai Patruschew, in einer Rede Anfang des Jahres 2007, dass man dem Streben der NATO, ihre Positionen an den russischen Grenzen zu verstärken, größte Aufmerksamkeit spionagEabwEhr 227 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 widme und man auch operativ darauf reagieren wolle (Artikel Ria Novosti vom . Januar 2007). Präsident Putin machte in einer Rede im Oktober 2007 zu einer Aufgabe der Auslandsaufklärung, frühzeitig den Wandel der weltweiten Wirtschaftskonjunktur zu erkennen sowie die Auswirkungen auf das russische Industrieund Verteidigungspotential zu berücksichtigen. Darüber hinaus müsse der SWR die Interessen der russischen Unternehmen im Ausland verstärkt in Schutz nehmen (Artikel Ria Novosti vom 9. Oktober 2007). Die russischen Nachrichtendienste genießen ein hohes Ansehen bei der politischen Führung und erfahren die volle Unterstützung des Staatspräsidenten. Dies ist nicht zuletzt an der kontinuierlichen Erhöhung der finanziellen Ressourcen (so zum Beispiel für den Inlandsdienst FSB um 26% im Jahr 2006 und ähnlich hoch in 2007) erkennbar. Schlagzeilen über Berichte westlicher Nachrichtendienste in der deutschen Presse aus Dezember 2007 wie: "Putin lässt Deutschland weiter ausspionieren" (Rheinische Post vom 4. Dezember 2007). "Spione sollen sich Deutschland vornehmen" (Handelsblatt vom . Dezember 2007). lassen die Aktualität von Spionage und das hohe Interesse der russischen Politik an Deutschland deutlich erkennen. Die über die Nachrichtendienste gewonnenen Erkenntnisse unterstützen die russische Regierung darin, politische, wirtschaftliche und militärische Entwicklungen im Ausland frühzeitig zu erkennen und zu bewerten, entsprechende Entscheidungen zu treffen und damit die Interessen Russlands weltweit durchzusetzen. Nachdem im Vorjahresbericht die russischen Nachrichtendienste im Einzelnen vorgestellt wurden, soll in diesem Jahr hier näher auf die von den russischen Nachrichtendiensten eingesetzten Methoden zur Informationsbeschaffung eingegangen werden. Sie bedienen sich offener, halboffener sowie verdeckter, konspirativer Methoden unter Einsatz modernster Technik. Die Informationsbeschaffung erfolgt entweder unter zentraler Steuerung von Russland oder aus den Legalresidenturen (das sind zum Beispiel Botschaften und Konsulate, Medienvertretungen, staatliche Unternehmen) im Ausland. 228 spionagEabwEhr Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Ein Beispiel für die Informationsbeschaffung unter zentraler Steuerung ist die Überwachung ausländischer Zielpersonen in Russland (Mitarbeiter deutscher diplomatischer Vertretungen oder Mitarbeiter von Niederlassungen deutscher Wirtschaftsunternehmen). Durch möglichst genaue Erkenntnisse sollen Möglichkeiten für eine nachrichtendienstliche Ansprache offen gelegt werden. So können die Zielpersonen auch durch kompromittierendes Material unter Druck gesetzt und in ihrer Entscheidung zu einer Zusammenarbeit beeinflusst werden. Ein aktuelles Beispiel für eine konspirative zentral gesteuerte Spionageaktion lieferte die vorübergehende Festnahme des mutmaßlichen russischen Nachrichtendienstoffiziers Wojjow im Sommer 2007 in Österreich. Unter Beteiligung eines deutschen und eines österreichischen Staatsbürgers wurden über Jahre hinweg Informationen aus dem militärisch-technischen Bereich an Russland weitergegeben. Bei der Informationsbeschaffung aus den Legalresidenturen heraus stehen die als Diplomaten getarnten Nachrichtendienstangehörigen unter dem Schutz der diplomatischen Immunität. Sie knüpfen und pflegen Kontakte zu Gesprächspartnern in allen Bereichen ihrer Aufklärungsziele, die sie anlässlich ihrer diplomatischen Tätigkeit regelmäßig kennen lernen. Dabei ändern sie bei geeigneten und interessanten Kontaktpersonen den zunächst offenen Kontakt in eine halboffene Verbindung, die dann schon teilweise eine konspirative Führung erkennen lässt. Hinweise darauf können zum Beispiel darin gesehen werden, wenn der Diplomat nicht an seinem Arbeitsplatz angerufen werden möchte oder wenn er bei einem Treffen bereits den Termin für das nächste Treffen vereinbart, um so zusätzliche Telefonate zu vermeiden. Die im europäischen Vergleich nach wie vor hohe Anzahl von nachrichtendienstlichem Personal an den Auslandsvertretungen Russlands in der Bundesrepublik Deutschland zeigt den hohen Stellenwert unseres Landes für die Interessen der Russischen Föderation. spionagEabwEhr 229 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 852 Nachrichtendienste der übrigen Mitglieder der GUS Auch in allen anderen Republiken der GUS existieren Nachrichtenund Sicherheitsdienste. Die Sicherheitsorgane der GUS verfügen mittlerweile aufgrund gegenseitiger Abkommen über enge Kontakte, die dem Austausch von Informationen und der Zusammenarbeit dienen. Im Bereich der Fortbildung unterstützt Russland die Abkommenspartner. Die Nachrichtendienste der anderen GUS-Mitglieder verfolgen grundsätzlich die gleichen Aufklärungsziele wie die russischen Dienste und bedienen sich der gleichen Beschaffungsmethoden. Allerdings setzen nur wenige Dienste eigene Mitarbeiter an ihren Auslandsvertretungen in Deutschland ein. 86 Abwehr von Wirtschaftsspionage Die Wirtschaft in Deutschland kann im globalen Wettbewerb in weiten Bereichen nur noch auf einen nennenswerten "Rohstoff" zurückgreifen - das deutsche Know-how der Unternehmen. Dieses wird mit hoher Innovationskraft in der Wertschöpfungskette - gestützt durch Wissenschaft und Forschung auch im Hochschulbereich - in weltweit begehrte Produkte und Dienstleistungen umgesetzt, die auch bei fremden Nachrichtendiensten hoch im Kurs stehen. Hochprofessionell und mit personell und materiell bestens aufgestellten Spezialabteilungen versuchen diese, illegal an die Wettbewerbsvorteile deutscher Unternehmen zu gelangen. Der Schaden für die deutsche Wirtschaft durch Wirtschaftsspionage beziehungsweise Wirtschaftskriminalität wird aktuell aus verschiedenen Quellen mit mehrstelligen Milliarden-Euro-Beträgen beziffert. Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen trifft dazu keine konkrete Aussage, da die Dunkelziffer eine zu große Unbekannte ist. Die Spionageabwehr geht aber davon aus, dass sich die teils geschätzten Schadenssummen der Realität sehr nähern. Führende Beratungsunternehmen, Hochschulen und Verbände haben 2007 in sogenannten "Opferund Dunkelfeldstudien" einen Anstieg der Wirtschaftskriminalität und damit auch der Wirtschaftsspionage festgestellt. Dies ist einerseits erschreckend und muss zwangsläufig zu einer Steigerung der Abwehrbemühungen durch die Wirtschaft und die Sicherheitsbehörden führen. Andererseits könnte der Anstieg dieser festgestellten Straftaten aber auch mit einem signifikant gestiegenen Sensibilisierungsgrad der deutschen Unternehmen zusammenhängen. Erst durch Aufklärung im Zusammenhang mit Wirtschaftsspionage werden Straftaten als solche erkannt. Dazu gehört insbesondere das Thema "Wirtschaftsspionage durch Diebstahl und Einbruchdiebstahl". Die seit Jahren verstärkte Aufklärungsarbeit des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen in den Fortbildungseinrichtungen der 20 spionagEabwEhr Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 nordrhein-westfälischen Polizei hat zu einem erheblichen Anstieg der Meldungen von Einbruchsdelikten in deutschen Unternehmen mit einem möglichen Knowhow-Verlust geführt. Wo früher lediglich der klassische Ermittlungsansatz vorherrschte, wird heute gezielt in den betroffenen Unternehmen nach einem möglichen Verlust von geschützten Informationen recherchiert. Der Verlust des Firmen-Know-hows kann den Fortbestand des ganzen Unternehmens gefährden. Fallbeispiele: In einem nordrhein-westfälischen Unternehmen wurden professionell und zielgerichtet aus den besonders geschützten Büroräumen von Vorstandsmitgliedern Notebooks mit sensiblen Daten entwendet. Dabei wurden Überwachungssysteme und spezielle Zugangssicherungen geschickt überlistet. Pikanterweise standen die entwendeten Daten in einem möglichen Zusammenhang mit Hinweisen auf eine geplante feindliche Übernahme dieses Unternehmens durch einen ausländischen Konkurrenten. Was der oder die Täter nicht wissen konnten: Die Daten waren erfreulicherweise verschlüsselt und damit praktisch unbrauchbar für den Auftraggeber. In einem weiteren Fall ist es einem Wissenschaftler aus der Medizinbranche gelungen, ein verbessertes begleitendes Verfahren bei Operationen im Klinikbereich zum Wohle der Patienten und zur allgemeinen Kostenreduktion zu entwickeln. Nachdem diese Entwicklung in der Fachwelt für Aufsehen gesorgt hatte, zeigten ausländische Delegationsteilnehmer mehrfach ein fast schon aufdringliches - jedoch erfolgloses - Interesse an weitergehenden Informationen aus dem Unternehmen des Wissenschaftlers. Kurze Zeit später wurde in das Privathaus des Wissenschaftlers eingebrochen und die unbekannten Täter verschafften sich Zugang zu Teilen der sensiblen Entwicklungsdaten auf dem Privatrechner. Ein personell und materiell hoch gesichertes Unternehmen im Bereich der Biotechnologie wurde gezielt angegriffen. Unbekannte Täter überwanden zunächst Sicherheitseinrichtungen und wurden beim Einbruch in den Unternehmensbereich Patente und Lizenzen durch die Alarmanlage von ihrem Vorhaben abgehalten. Die Tatumstände sprechen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit dafür, dass hier das Know-how dieses erfolgreichen Unternehmens im Visier der Täter stand. Unter dem Motto "Sensibilisieren, Erkennen und Abwehren" führte die Spionageabwehr Nordrhein-Westfalen auch in 2007 zahlreiche Vortragsveranstaltungen bei Wirtschaftsunternehmen, Industrieund Handelskammern, Verbänden und SicherheitsbespionagEabwEhr 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 hörden durch. Dabei wurden über 4.000 Teilnehmer dieser Veranstaltungen erreicht und für die Gefahren durch Wirtschaftsspionage sensibilisiert. Sie alle sind wichtige Multiplikatoren in ihren Tätigkeitsbereichen und dürften an einem erheblichen Sicherheitszugewinn für die deutsche Wirtschaft beteiligt sein. In Einzelberatungen konnten 2007 wieder eine große Zahl von Unternehmen über die Gefahren der Wirtschaftsspionage aufgeklärt werden. Dies führte in vielen Fällen dazu, dass erstmalig Risikoanalysen erstellt und anschließend Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind. In diesem Zusammenhang ist besonders hervorzuheben, dass viele Geschäftsführungen und IT-Verantwortliche über Sicherheitsvorfälle in ihren Unternehmen berichteten. Ein Schwerpunkt dabei waren offensichtlich erfolgreiche Angriffe auf die Datennetzwerke der Unternehmen mit sogenannten Trojanern, deren Schadprogramme trotz teilweise hoher Sicherheitsvorkehrungen mit dem Ziel des illegalen Datenabflusses aktiv geworden sind. In einigen Fällen konnten Datenverluste im Gigabyte-Umfang festgestellt werden. Der vertrauliche Informationsaustausch zwischen Unternehmen und dem Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Durch die Übermittlung und Auswertung aktueller Sicherheitsvorfälle wird die Spionageabwehr NRW in die Lage versetzt, gefährdete Bereiche, spezielle illegale Vorgehensweisen und methodische Zusammenhänge besser zu erkennen. Dieser Informationszugewinn ermöglicht die Entwicklung neuer oder verbesserter Abwehrstrategien, die der deutschen Wirtschaft zu deren Schutz übermittelt werden. Die Anonymisierung von bekannt gewordenen Sachverhalten und die Einhaltung der im Einzelfall zugesicherten Vertraulichkeit sind für den Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen bindend. Denn im Unterschied zu Polizei und Staatsanwaltschaft arbeitet er nach dem Opportunitätsprinzip, das heißt hier, dass Straftaten, die uns bekannt werden, von uns nicht in jedem Fall an die Strafverfolgungsbehörden gemeldet werden müssen. Messen Die Auftritte der Spionageabwehr Nordrhein-Westfalen bei internationalen Messen in 2007 erfolgen in enger Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsministerium des Landes Nordrhein-Westfalen. Der langjährige Partner aus der 200 gegründeten "Sicherheitspartnerschaft Nordrhein-Westfalen zur Bekämpfung von Wirtschaftsspionage und Wirtschaftskriminalität" unterstützte die Projektgruppe "Abwehr von Wirtschaftsspionage" auf den jeweiligen NRW-Gemeinschaftsständen dabei, als Aussteller dem nationalen und internationalen Publikum das Thema Wirtschaftsspionage entscheidend 22 spionagEabwEhr Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 näher zu bringen. Dies waren die CeBIT vom 5. bis 2. März 2007, die Hannover Messe vom 6. bis 20. April 2007, die Biotechnica vom 9. bis . Oktober 2007 und die Medica vom 4. bis 7. November 2007. In vielen Erstkontaktgesprächen wurden gerade jungen und innovativen Unternehmen die möglichen Risiken durch von fremden Nachrichtendiensten ausgehende Wirtschaftsspionage aufgezeigt. Die positive Resonanz der Messebesucher und auch anderer Aussteller zeigte sich in anschließenden Folgekontakten, bei denen die kostenfreie Beratung des in Anspruch genommen worden ist. Besonders erfreulich war das hohe Publikumsinteresse auf der Medica 2007 an einem Vortrag des Verfassungsschutzes im Vortragsund Diskussionsforum "MEDICA VISION" über "Abwehr von Wirtschaftsspionage/Knowhow-Verlust in der Medizinbranche". In diesem Vortrag wurde deutlich herausgestellt, dass die Medizinbranche mit ihren hochinnovativen Produkten und Dienstleistungen ein besonders lohnenswertes Ziel für Angreifer ist und Schutzmaßnahmen in diesen Unternehmen dringend erforderlich sind. In einer anschließenden Live-Demonstration "Angriffe auf die IT-Sicherheit in der Medizinbranche" wurde dem Publikum nachhaltig dargestellt, wie einfach Sicherheitslücken in der Kommunikation und im IT-Bereich von Unternehmen ausgenutzt werden und im Ernstfall einen hohen Verlust des firmeneigenen Know-hows bedeuten können. An diesen Erfolg soll auf der Hannover Messe vom 2. bis 25. April 2008 angeknüpft werden. Auf der Kooperationsbörse des NRW-Gemeinschaftsstandes wird der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen voraussichtlich am 22. April jeweils vormittags und nachmittags Vorträge zum Thema "Abwehr von Wirtschaftsspionage" und mit Kooperationspartnern Demonstrationen "Live-Hacking" anbieten. Die aktuellen Daten zu diesen Veranstaltungen werden in den Newslettern veröffentlicht, die auf der Seite www.im.nrw.de/wirtschaftsspionage abonniert werden können. Für das Jahr 2008 sind außerdem folgende Messeteilnahmen geplant: CeBIT vom 4. bis 9. März 2008, Biotechnica vom 7. bis 9. Oktober 2008, ILA Berlin vom 27. Mai bis spionagEabwEhr 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 . Juni 2008, Security vom 7. bis 0. Oktober 2008 und Medica vom 4. bis 7. November 2008. 87 Zum Schluss Auch in diesem Jahr bitten wir Sie wieder um Ihre Unterstützung. Sollten Sie Kenntnis von Spionageversuchen haben oder den Verdacht beziehungsweise Anhaltspunkte dafür haben, zögern Sie bitte nicht, den Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen zu informieren. Wir sind für ein vertrauensvolles Gespräch wie folgt erreichbar: Telefon: 02/87-282 E-Mail: abteilung-vi@im.nrw.de 24 spionagEabwEhr Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 9 Verfassungsschutz in NordrheinWestfalen 91 Aufbau, Organisation, Haushalt, Personal Entsprechend dem föderativen Aufbau gibt es in allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland eine Verfassungsschutzbehörde. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in Köln nimmt die Aufgaben einer Zentralstelle auf Bundesebene wahr. Die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern sind gesetzlich zur Zusammenarbeit verpflichtet. Verfassungsschutzbehörde für das Land Nordrhein-Westfalen ist seit 949 das Innenministerium (SS2 Abs. Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen - VSG NRW). Für den Verfassungsschutz ist die Abteilung 6 des Innenministeriums zuständig. Im Jahr 2007 standen für ihre Aufgaben 64 Stellen sowie Sachund Investitionsmittel von 4,6 Millionen Euro zur Verfügung. Verarbeitung personenbezogener Daten Die Verfassungsschutzbehörde NRW darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben personenbezogene Daten unter anderem in Dateien verarbeiten. Dies erfolgt vor allem mit Hilfe zweier Instrumente: Der "Personen-Informations-Datei" der Verfassungsschutzbehörde NRW zur eigenen Aufgabenerfüllung und dem "Nachrichtendienstlichen Informationssystem" (NADIS) der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder. Die nordrhein-westfälische Verfassungsschutzbehörde übermittelt dem Bundesamt für Verfassungsschutz beziehungsweise den Landesverfassungsschutzbehörden die für deren Aufgabenerfüllung erforderlichen Daten. Zum Zweck der gegenseitigen Unterrichtung haben die Verfassungsschutzbehörden nach SS6 Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) eine gemeinsame Datenbank, das sogenannte "Nachrichtendienstliche Informationssystem" errichtet, die beim Bundesamt für Verfassungsschutz geführt wird. Alle Verfassungsschutzbehörden dürfen Daten in das NADIS einstellen und von dort abrufen. Aus Datenschutzgründen kann aus dem NADIS nur erkannt werden, ob über eine Person Erkenntnisse vorliegen, nicht aber, was bekannt ist. Das NADIS enthält lediglich personenbezogene Grunddaten wie Name, Vorname, GeVErFassungsschutZ in nrw 25 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 burtsort, Staatsangehörigkeit und Anschrift, außerdem einen Hinweis auf die Behörde, die den Datensatz in die Datenbank eingestellt hat. Texte oder Kürzel, die etwas über die Erkenntnisse der für die Einstellung verantwortlichen Verfassungsschutzbehörde aussagen, gehören nicht dazu. Hat eine andere Verfassungsschutzbehörde ein Interesse an Sachinformationen, so muss sie im Einzelfall bei der Behörde nachfragen, die den Datensatz eingestellt hat. Das NADIS ist also eine Hinweisdatei, aus der lediglich zu entnehmen ist, ob - und gegebenenfalls wo - über eine bestimmte Person Akten, also Aufzeichnungen über Sachverhalte, vorliegen. Das NADIS ist aufgrund seiner Konzeption nicht in der Lage, den "gläsernen Menschen" zu schaffen. NADIS-Speicherungen Nordrhein-Westfalen hatte Ende des Jahres 2007 rund .288 Personen im NADIS gespeichert. Gut 82% (08.259) der Erfassungen erfolgten im Zusammenhang mit Sicherheitsüberprüfungen. Sicherheitsüberprüft und daraufhin im NADIS gespeichert werden Personen, die in sicherheitsempfindlichen Bereichen von Wirtschaft und Verwaltung tätig sind. 92 Verfassungsschutz durch Aufklärung - Öffentlichkeitsarbeit Informierte, aufgeklärte und demokratische Bürgerinnen und Bürger treten für die Demokratie und gegen ihre Gegner ein und tragen so dazu bei, unsere Demokratie und ihre Grundwerte zu schützen und zu stärken. In diesem Sinne sind aufgeklärte Bürgerinnen und Bürger der eigentliche Verfassungsschutz. Die Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen zu informieren und aufzuklären, gehört schon seit Jahren zu den Hauptaufgaben des Verfassungsschutzes. "Verfassungsschutz durch Aufklärung" ist jedoch nicht nur ein Arbeitsauftrag, sondern ein besonderes Anliegen. Damit die Öffentlichkeit Anzeichen für Extremismus erkennen kann, setzt der NRWVerfassungsschutz auf eine intensive Aufklärungsarbeit und bietet eine breite Palette verschiedener Informationsmaterialien an. Dazu gehören Vorträge an Schulen, Broschüren und ein ständig erweitertes Informationsangebot im Internet. Jahresbericht/Zwischenbericht Einen wichtigen, alle verfassungsschutzrelevanten Themen umfassenden Aufklärungsbeitrag liefert der seit 978 regelmäßig im Frühjahr erscheinende Jahresbericht und außerdem der im Herbst herausgegebene Zwischenbericht. Die Berichte dienen 26 VErFassungsschutZ in nrw Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 inzwischen Gerichten und Behörden als Standardnachschlagewerke. Sie werden aber auch von der interessierten Öffentlichkeit stark nachgefragt. Online-Handbuch des Verfassungsschutzes NRW Der Verfassungsschutz NRW nutzt seit Jahren die Möglichkeiten des Internets, um der drastischen Zunahme extremistischer Angebote ein qualifiziertes Gegengewicht entgegenzustellen. Unter www.im.nrw.de/verfassungsschutz stellt das "Online-Handbuch" Wissenswertes über den Verfassungsschutz und seine Aufgaben überschaubar in sieben Kapiteln dar. Wir informieren nicht nur über die Grundlagen des Verfassungsschutzes und zeigen, wer uns kontrolliert, sondern auch über die Gefahren des Rechts-, Linksund Ausländerextremismus, über Islamismus, Spionageabwehr und Geheimschutz. Insgesamt erläutern wir gut 200 Stichworte zum gesamten politischen Extremismus und zur Spionageabwehr. Die Ideologieelemente, die die einzelnen Extremismusbereiche kennzeichnen, werden ebenso dargestellt wie historische Entwicklungen. Falls Sie also zum Beispiel wissen wollen, was "national befreite Zonen" sind oder was hinter der 'al-Qa'ida' steckt, besuchen Sie uns im Internet. Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen ist für Sie auch per E-Mail erreichbar (kontakt.verfassungsschutz@im.nrw.de). Auf diesem schnellen Weg können Sie nicht nur Publikationen, Poster und Flyer bestellen, sondern auch Fragen stellen, Kritik üben und Anregungen geben. Aktuelle Publikationen Wer Informationen zu den aktuellen Themenschwerpunkten des Verfassungsschutzes sucht, findet Berichte und Broschüren über den 'Islamischen Extremismus' und ein breites Angebot zur Aufklärung über den Rechtsextremismus, darunter die Broschüre "Musik - Mode - Markenzeichen", die sich unter anderem mit Outfits und Codes rechtsextremistisch orientierter Jugendlicher beschäftigt. Sie zeigt anhand welcher Symbole, Musik oder Kleidungsstücke eine rechtsextremistische Orientierung erkannt werden kann und geht der Frage nach, was strafbar ist und welche Bands rassistische Propaganda verbreiten. Diese und andere Dokumente sind - jeweils in ihrer aktuellen Fassung - in der Publikationssammlung unter www.im.nrw.de/verfassungsschutz abgelegt. VErFassungsschutZ in nrw 27 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Aufklärung mit einem Comic - "Andi" ist ein voller Erfolg Im September 2005 schlug der Verfassungsschutz NRW mit dem Bildungscomic "Andi - Tage wie dieser" einen neuartigen Weg ein, um die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus gerade unter Jugendlichen in NRW zu fördern. Der "Andi"-Comic zeigt, was Grundrechte, Rechtsstaat, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit im Schulalltag konkret bedeuten. Durch die Konfrontation mit Widersprüchen zeigen die Helden des Comics, dass hinter rechtsextremistischen Parolen oft die historische Verklärung von Verbrechen, gefährliche Selbstdarsteller und Geschäftemacher stecken. Der Anhang zum Comic erklärt rechtsextremistische Zeichen und Symbole. Im Oktober 2007 wurde mit dem Band "Andi 2 - Andis Freund Murat hat Stress" der zweite Teil der Reihe "Comic für Demokratie, gegen Extremismus" veröffentlicht. Im Mittelpunkt steht diesmal Murat, der Basketballkumpel von Andi und Bruder von Ayshe. Murat gerät - auch aus Wut über die vielen Absagen bei seinen Bemühungen um eine Ausbildungsstelle - an einen extremistischen Prediger. Dieser schafft es, Murat von seinen alten Freunden zu entfremden und ihn von islamistischen Hassparolen zu überzeugen. Erst das beherzte Eingreifen von Ayshe bringt ihn wieder zur Vernunft. Beide Bände werden von nordrhein-westfälischen Schulen rege nachgefragt; aber auch weit über die Landesgrenzen hinaus werden sie bestellt. Dieser Zuspruch - mittlerweile hat Andi 1 eine Auflage von 280.000 Stück - zeigt uns, dass wir mit den Comics den Bedarf an den Schulen und Jugendeinrichtungen getroffen haben. Die Rückmeldungen machen auch deutlich, dass Lehrerinnen und Lehrer einen jugendgerechten und fundierten Zugang zu den Themen Demokratie und Extremismus gesucht haben, den sie im Unterricht vertiefen können. Jugendkongress "Jugend in Nordrhein-Westfalen: für Demokratie - gegen Rechtsextremismus" Nach dem Beispiel des im April 2006 für Dortmunder Schülerinnen und Schüler mit viel positiver Resonanz durchgeführten Jugendkongresses haben die Landeszentrale für politische Bildung und der Verfassungsschutz NRW im November 2007 in Düsseldorf den Kongress "Jugend in Nordrhein-Westfalen: für Demokratie - gegen Rechtsextremismus" veranstaltet. VErFassungsschutZ in nrw 29 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Der Einladung zu diesem Kongress sind mehr als 200 Schülerinnen und Schüler aus allen Landesteilen gefolgt. Sie konnten sich in zehn Workshops mit dem "Ausstieg aus der rechtsextremistischen Szene" oder mit "rechtsextremistischer Musik" befassen. In der Arbeitsgruppen "Theater gegen Rechtsextremismus" oder im Radioworkshop konnten die Jugendlichen ausprobieren, wie Medien in der Abwehr rechtsextremistischer Ideologie wirken können. Eine Zeitzeugin schilderte, wie sie die Judenverfolgung im Nationalsozialismus erlebt hat, und im Workshop "Junge Jüdinnen und Juden heute" besuchten die Teilnehmer unter anderem die Düsseldorfer Synagoge. Diese und sechs weitere Workshops wurden von einem "Markt der Möglichkeiten" ergänzt, auf dem sich Initiativen aus ganz NRW präsentierten, zum Mitmachen einluden und gutes Beispiel waren. Vortragsund Diskussionsveranstaltungen Zur Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes NRW gehört auch die Teilnahme an Vortragsund Diskussionsveranstaltungen für Multiplikatoren, Bildungseinrichtungen verschiedener Art und in Schulen sowie bei Verbänden und Stiftungen. Aktuell werden Vorträge zum Rechtsextremismus und zum Rechtsextremismus im Internet stark nachgefragt. Die Bekämpfung verfassungsfeindlicher Bestrebungen kann nur erfolgreich sein, wenn sie auf mehreren Ebenen und damit gesamtgesellschaftlich erfolgt. Daher muss das Wissen des Verfassungsschutzes insbesondere für die Meinungsbildung bei den Verantwortlichen in Staat und Gesellschaft nutzbar gemacht werden. Aus diesem Grund wurde der Verfassungsschutz durch wissenschaftliche Mitarbeiter verstärkt. Das Wissen des Verfassungsschutzes ist in den vorgestellten Aufklärungsmaterialien für die Öffentlichkeit aufbereitet worden. Informierte und aufgeklärte Bürgerinnen und Bürger können sich wirksamer für unsere Demokratie engagieren beziehungsweise extremistischen Bestrebungen entgegentreten und so dazu beitragen, dass ein gesamtgesellschaftliches Klima entsteht, das von Toleranz und Zivilcourage geprägt ist. Dies ist der beste Verfassungsschutz. 240 VErFassungsschutZ in nrw Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 24 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 0 Stichwortverzeichnis A Arbeit & soziale Gerechtigkeit - die Wahlalternative siehe WASG Abbas, Mahmoud 76 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) siehe Abu Hafs al-Masri-Brigaden 56 auch KONGRA-GEL 9 f., 207, 24 Adalet ve Kalkiinma Partisi (AKP) 9 Armee Islamique du Salut (AIS) 86 adil düzen 92, 96 ash-Shahri, Walid 4, 6 Adili, Gafurr 42 Atta, Muhammad 4 Akif, Muhammad Mahdi 85 AUF 20, 97, 99 f. Aktionsbüro Deutschland 50 Autonome Nationalisten 52, 66 Aktionsbüro Norddeutschland 6 Autonome Nationalisten al-Aqsa-Brigaden 6, 77 Nord-West (AN) 8, 49 f., 66 f. Al-Aqsa e.V. 78 Avrupa Milli Görüs Teskilatlari al-Arabiya 52 siehe AMGT al-Banna, Hassan 84 Aydar, Zübeyir 9, 24 al-Furqan 56 az-Sahab 6 al-Jazeera 52 az-Shafi, Abdullah 68 al-Manar 82 az-Zarqawi, Abu Mus'ab 66, 68 al-Qa'ida 24, 26, 28 f., 5, 7, 4 f., az-Zawahiri, Aiman 24, 52, 59, 49 ff., 57, 6 ff., 7 f., 89, 27 6 ff., 89 al-Qa'ida im Islamischen Maghreb (AQIM) 89 B al-Qaradawi, Yusuf 42 Barika-i Hakikat 99 al-Wadud, Abu Musab Abd 89 Basayev, Schamil 7 Albanische Nationalarmee (AKSh) 42 f. batil düzen 92 Allawi, Dr. Iyad 70 Befreiungsarmee von Presovo, Medvedja Amal 79 f. und Bujanovac (UCPMB) 4 AMGT 9, 97 Beisicht, Markus 76 f. an-Nabhani, Taqi ad-Din 82 Beklenen Asr-i Saadet 99 Anatolische Föderation e. V. Köln 7 Belhadj, Ali 86 Ansar al-Islam 67 ff. bin Ladin, Usama 24, 5, 7, 49 ff., Ansar as-Sunna 68 59, 6, 6 f., 7, 88 f. Antiimperialistische Koordination Blood & Honour 56, 59 f. (AIK) 204 Bouteflika, Abdelaziz 87 242 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Branghofer, Max 6, 7 Deutsche Stimme Verlag 62 Bürgerbewegung pro Köln e.V. . Deutsche Volksunion, siehe DVU siehe pro Köln Devrimci Sol 6 DHKP-C 5 ff., 28 C Die Artgemeinschaft - Germanische Cansuyu 95 Glaubens-Gemeinschaft wesensgeCivata Demokratik Kurdistan mäßer Lebensgestaltung e.V. 7 (CDK) 2, 25 f., DIE LINKE. NRW 9 f., 94 ff., 27 Ciwanen Azad 9, 29 Dissent! (plus X) 07 Collegium Humanum - Akademie für DKP 20, 9 ff., 97, 27 Umwelt und Lebensschutz Dogan, Mazlum 4 e.V. (CH) 82 Donaldson, Ian Stuart 55 Combat 8 59 f. Döring, Osman, Courage 99 (Karahan, Yavuz Celik) 90 D DVU 47, 66, 7 ff., 79, 27 DVU-Liste D 7 Dadullah, Mansur 28 E Dadullah, Mullah 28 Damar, Hasan 97 Engel, Stefan 92, 98 DAWA-Partei 80 Erbakan, Necmettin 90 ff. Demokratische Front für die Befreiung Erdogan, Recep Tayyip 9 Palästinas (DFLP) 75 Europäische Moscheebauund UnterDemokratische Jugend stützungsgemeinschaft e.V. (DEM-GENC) 25 (EMUG) 9 Demokratische Jugendförderalismus Exekutivinstanz der FIS im Ausland Kurdistans (Komalen Ciwan) (IEFE) 87 2, 25f., 0, f. F Demokratische Partei des Kosovos (PDK) 4 Fatime Versammlung e.V. 80 Demokratischer Kurdischer KonförderaFayyad, Salam 76 lismus (KKK) 24, 22, 26, 5 Fazilet Partisi (FP) 9 Denge Mezopotamya 20, 29 Firat (Ajansa Nuceyan Der Islam als Alternative (D.I.A.) 99 a Firate - ANF) 2, 28 Detjen, Ulrike 94 Föderaler Bewachungsdienst Deutsche Kommunistische Partei . (FSO) 227 siehe DKP Föderaler Sicherheitsdienst - InlandsDeutsche Stimme (DS) 6 ff., 79 nachrichtendienst (FSB) 227 24 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Föderation der Aleviten Kurdistans Gerechtigkeitsund (FEDA, früher: FEK) 26 Aufschwung-Partei (AKP) 9 Föderation der Yezidischen Vereine KurGesellschaft von Deutsch-Iranern distans (FKE, früher: YEK) 24, 27 in NRW 9 Föderation islamischer Organisationen Global Islamic Media in Europa (FIOE) 84 Front (GIMF) 27, 54, 62, 64 Föderation kurdischer Vereine in Groupe Islamique Arme (GIA) 88 Deutschland (YEK-KOM) 24, 27 Groupe Salafiste pour la Predication Föderativer Islamstaat Anatolien et le Combat (GSPC) 89 (A.F.I.D) 200 H Freie Kameradschaft Dortmund 5 Freie Kameradschaft Gütersloh 49 Haase, Stefan 6 Freie Kameradschaft HAKK-TV 99 Sturm-Rhein-Sieg 5 HAMAS 6, 75 ff., 28 Freie Nationalisten 7, 47, 50 ff., 62 Hammerskins 59, 60 Freiheitlich Deutsche Arbeiterpartei Harakat al-Muqawama al-Islamiya (FAP) 5 - Islamische Widerstandsbewegung Freiheitliche Partei Österreichs siehe HAMAS (FPÖ) 75 Hattab, Hassan 89 Freiheitsfalken Kurdistans (TAK) 2 Heß, Rudolf 50 Freiheitspartei der Frauen Kurdistans Hilfsorganisation für nationale (PAJK) 25 politische Gefangene und deren Frey, Gerhard 7 ff., 79 Angehörige e.V. (HNG) 48, 50 Frohnweiler, Anne 9 Hilfswerk für Menschenrechte im Iran Front für nationale Vereinigung e.V. (HMI) 7 (FBKSh) 42 Hizb Allah 6, 75 ff., 28 Front Islamique du Salut Hizb ut-Tahrir (Islamische (FIS) 86 ff., 28 Befreiungspartei - HuT) 82 Front National (FN) 76 I G IGMG 90 ff., 28 Gansel, Jürgen 64 Ilyas, Maulawi Muhammad 72 Gemayel, Pierre 8 Imam-Mahdi-Zentrum 80 Gemeinschaft der Kommunen KurdinInitiativ e.V.Verein für Demokratie stans (KKK) 24, 22, 26, 5 von unten 204 Geraer Dialog 20 Interventionistische Linke (IL) 09 Iranische Gesellschaft 9 244 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Iran Liberation 6 Kameradschaft Walter Iran NTV 6, 40 Spangenberg Köln 5 Islamic-News-Center 55 Kaplan, Cemaleddin 9, 200 Islamic State of Iraq (ISoI) 55 f. Kaplan, Metin 9, 99 ff., 28 Islamische Bewegung Kurdistans Kaplan-Verband 99, 28 (HIK oder KIH) 27 Karahan, Yavuz Celik Islamische Gemeinschaft in siehe Osman Döring Deutschland e.V. (IGD) 84 Karatas, Dursun 5 Islamische Gemeinschaft Milli Karayilan, Murat 4 Görüs e.V. siehe IGMG Kerbela 5 Islamische Jihad Union (IJU) 25, 66 Khomeini, Ayatollah 6, 77, Islamischer Staat im Irak 7 79, 82, 200 Islamisches Zentrum Hamburg 80 Komalen Ciwan 2 Islamisches Zentrum Komitee zur Verhütung von Folter und München (IZM) 84 unmenschlicher oder erniedrigender Islamische Union Europa e.V. 9 Behandlung oder Strafe (CPT) Islamische Weltfront für den Jihad Kommunistische Partei der gegen Juden und Kreuzzügler 50 Sowjetunion (KPdSU) 94 Islamische Zentrum Kommunistische Partei (Imam-Mahdi-Zentrum) 80 Deutschlands (KPD) 45, 92 Islamische Zentrum Aachen Kommunistische Plattform 20 (Bilal-Moschee) e.V. (IZA) 84 f. Kommunistischer Arbeiterbund Deutschlands (KABD) 99 J Konföderation kurdischer Vereine in EurJihadisten 24 f., 42, 49 ff., 64 f. opa (KON-KURD) 27 Jina Serbilind 29 KONGRA-GEL siehe auch PKK und Junge Nationaldemokraten KADEK 22 ff., 0, 9 ff., (JN) 69 ff., 87, 27 207, 24, 28 Jund al-Islam 68 Koordination der kurdisch-demokra- K tischen Gesellschaft in Europa (CDK) 25 f. KADEK, siehe auch PKK und Koordinationsrat der FIS (CCFIS) 87 KONGRA-GEL 20 ff. Koreanische Demokratische Kadyrov, Ramzan 7 Volksrepublik (KDVR) 225 Kalifatsstaat 9, 99 ff. Kosovo-Befreiungsarmee (UCK) 4 Kameradschaft Aachener Köster, Marion 9 Land (KAL) 5, 67 Krekar, Mullah 68 245 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Kültür Adasi 5 77, 82 ff. Kurdische Demokratische N Volksunion (YDK) 2 Kurdischen Volksverteidigungskräfte Nasrallah, Hassan 79 (HPG) 2 nation24 77 Kurdistan-Report 9, 29 National-Zeitung/Deutsche Wochenzeitung (NZ) 7 f. L Nationaldemokratischer LANDESINFO Nordrhein-Westfalen 94 Hochschulbund (NHB) 69 f. Le Pen, Jean-Marie 76 Nationaldemokratische Partei DIELINKE.NRW 9 f., 94 ff., 27 Deutschlands siehe NPD Linksruck 20, 98 Nationale Befreiungsarmee LPK 4 ff., 28 (NLA) 6 ff. Nationale Befreiungsarmee M Mazedoniens 4 Madani, Abbassi 86 Nationale Befreiungsfront Mahler, Horst 8 Kurdistans (ERNK) 20 f., 25 Mala Kurda e.V. Nationaler Widerstand Marx 2 (vormals linksruck) 20 Berlin-Brandenburg 6 Marxistische Blätter 92 Nationaler Widerstandsrat Iran MED-TV/ MEDYA-TV 29 (NRWI) 6 ff., 28 Menschenrechtsverein für National Front (NF) 54 ExiliranerInnen e.V. 8 Neonazi-Szene 7 ff., 48 ff., 6, 66 f. Menschenrechtsverein für Newaya Jin 9, 29 Migranten e.V. 8 NEWROZ TV 20, 29 Militärischer Auslandsnachnon-aligned Mujahidin 49 richtendienst (GRU) 227 NPD 7 ff., 47, 50 ff., 6 ff., Milli-Görüs-Bewegung 90 ff. 79, 87, 0, 27 Milli Gazete 95 ff. NSDAP 48 Milli Görüs 90 ff. O MLPD 20, 97 ff., 27, 246 MMC TV 20, 29 Oberster Rat für die Revolution Mojahed 6, 8, 40 im Irak 80 Moscheebau-Kommission e.V. 84 Öcalan, Abdullah 22 f., 20 ff., Mudjahidin 27, 49 f., 58 0 f., 5 Muslimbruderschaft (MB) 6, 42, 75, Oidoxie 58 246 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Organization for Human Dignitiy and Russischer ziviler AuslandsRights (HDR) 20 nachrichtendienst (SWR) 227 Özgür Politika S siehe Yeni Özgür Politika Saadet Partisi (SP) 9, 95 ff. P Saut al-Jihad 62 Partei der freien Frauen (PJA) 27 62 Patruschew, Nikolai 227 SDAJ 20, 9 Perplex 70 Serxwebun 9, 29 PJAK 29 Signal - Das patriotische PKK, siehe auch KADEK Magazin 77 und KONGRA-GEL 0, 9 ff, 25, Skinhead-Bands 8, 56 ff. 27, 29, 4, 207, 24, 28 Skinhead-Konzerte 7, 56 f. pro Köln 76 ff. Skinhead-Szene 52, 54 ff., 8 pro NRW 76 Skrewdriwer 56 Solidaritätsverein mit den politischen Q Gefangenen und deren Familien Qutb, Sayyid 5 in der Türkei (TAYAD) 7 R Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) 94 Radjavi, Maryam 7 ff. Sozialistische Reichspartei (SRP) 45 Radjavi, Massoud 6 Stachel 70 Ramadan, Sayyid 84 Stehr, Heinz 9 Rantisi, Abd al-Aziz 75 Stichting Dinaar aan Islam 20 Rat der Iraner 9 Stimme des Kalifats 27, 54, 62 Rebell 99 Sympathisanten des nationalen Refah Partisi (RP) 9, 9 Widerstandsrates Iran e.V. 7 Revolutionäre Volksbefreiungs- T partei-Front siehe DHKP-C Rieger, Jürgen 50, 6, 7 Tabligh-i Jama'at (TJ) 72 ff. Ring Nationaler Frauen (RNF) 9, 69 Taliban 27 f., 68 ROJ-Gruppe 20 Tamil Coordination Comitee (TCC) 45 ROJ-TV 20, 28 f. Tamilische Befreiungstiger Rote Fahne (RF) 99 (LTTE) 6, 44 ff., 28 Rotfüchse 99 Tamilische Bildungsvereinigung Rouhs, Manfred 77 e.V. (TBV) 45 Rudolf, Germar 8 247 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Tamil Rehabilitation Organization aus Kurdistan (YXK) 27 e. V. (TRO) 45 unsere zeit (uz) 20, 92 f. Tamil Student V Organization e.V. (TSV) 45 Tamil Youth Verband anatolischer Organization e.V. (TYO) 45 Volkskulturvereine e.V. 7 Tanzim 77 Verband der internationalen kurdischen Tavir 5 Arbeitgeber (KARSAZ) 27 Thaci, Hashim 4 f. Verband der islamischen Vereine und Tittmann, Siegfried 76 Gemeinden e.V. (ICCB) Tschetschenische Republik siehe Kalifatsstaat Ichkeriya (CRI) 7 Verband der stolzen Frauen (KJB) 25 Tschetschenische Verein der Iraner in Wuppertal 7 Separatistenbewegung (TSB) 7 Verein für Gerechtigkeit e.V. 8 Türkische VolksbefreiungsparteiVereinigte Gemeinschaften Front - Revolutionäre Linke Kurdistans (KCK) 24, 22, 4 f. (THKP-C) 5 Vereinigung der Verfolgten des NazireTV 5 90 gimes/Bund der Antifaschisten VVN/BDA 20 U Verein zur Rehabilitierung der wegen UCK 4 ff. Bestreitens des Holocaust Umarov, Dokku 7 Verfolgten (VRBHV) 8 Ümmet-i Muhammed 99 Vlaams Belang 76, 78 Union der Journalisten aus Vlaams Blok 78 Kurdistan (YRK) 27 Voigt, Udo 8, 5 f., 6, 6, 76, 79 Union der kurdischen Eltern Volksbefreiungsarmee (YEK-MAL) 27 Kurdistans 2 f. Union der kurdischen Volksbewegung von Kosovo Juristen (YHK) 27 (LPK) 4 Union der Lehrer aus Volksfront für die Befreiung Palästinas Kurdistan (YMK) 27 (PFLP) 75, 205 Union der patriotischen Arbeiter aus Volksmodjahedin Iran-Organisation Kurdistan (YKWK) 27 (MEK) Union der Schriftsteller aus siehe Nationaler Widerstandsrat Iran Kurdistan (YNK) 27 Volksverteidigungseinheiten Union der Student/Innen (HPG) 22, 2 ff. 248 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 W WASG 9 f., 94 ff. Wechsel und Reform 76 Weisse Wölfe 58, 59 Wiener, Markus 76, 77 Wohlfahrtspartei siehe Refah Partisi Wolter, Judith 77 Worch, Christian 52 Y Yassin, Ahmad 75 Yatim Kinderhilfe e.V. 78 Yeni Özgür Politika 2, 9, 24, 29, , 5 Yürüyüs 7 Z Zimmermann, Wolfgang 94 Zündel, Ernst 80 249 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Publikationen des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen Im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit gibt der Verfassungsschutz jedes Jahr einen Jahresbericht und einen Zwischenbericht heraus. Der aktuelle Bericht über das Jahr 2006 ist derzeit vergriffen. Dieser, wie auch die Berichte der Vorjahre stehen im Internet zum Download zur Verfügung. Comic "Andi Tage wie dieser" Rechtsextremisten versuchen junge Menschen mit ihrer fremdenfeindlichen und antidemokratischen Propaganda zu ködern. Der Comic "Andi ... Tage wie dieser" zeigt, wie so etwas ablaufen kann und wie Andi und seine Mitschüler mit dieser Herausforderung umgehen. Comic "Andi 2" Andis Freund Murat hat Stress. Erneut versuchen Extremisten junge Menschen mit ihrer Propaganda zu ködern. Diesmal sind es radikale Islamisten, die Ayshe, Andi und den Freunden das Leben schwer machen. Der Comic "Andi 2" bietet neben der interessanten Story umfassende Informationen zu den Themen Islamismus und Demokratie. Musik - Mode - Markenzeichen Die Broschüre gibt Antworten auf häufig gestellte Fragen von Eltern und Lehrern über Kleidungsstile und Musikrichtungen, Symbole oder Strafbarkeit. Wir bitten um Ihr Verständnis, wenn wir wegen unseres beschränkten Vorrats zur Zeit keine Klassensätze oder größere Stückzahlen abgeben können. 250 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Islamismus - Missbrauch einer Religion Diese Broschüre befasst sich insbesondere mit der Situation muslimischer Jugendlicher und junger Erwachsener in Deutschland. Sie eröffnet Multiplikatoren in der Jugendund Bildungsarbeit die Möglichkeit, sich kurz und einführend mit dem Themenfeld des islamischen Extremismus auseinander zu setzen. Islamistische Organisationen in NRW Die Broschüre stellt islamistische terroristische Organisationen und Strukturen dar und beschäftigt sich mit islamistischen Organisationen, die in NRW aktiv sind. Wirtschaftsspionage Information und Prävention Diese Broschüre will die Verantwortlichen in den Unternehmen für die Gefahren derWirtschaftsspionage sensibilisieren, über Methoden und Ziele informieren und Hilfestellung anbieten, um Schäden zu vermeiden. Verfassungsschutz in NRW - Aufgaben - Befugnisse - Kontrolle Welche Aufgaben hat der Verfassungsschutz? Was darf er? Und: wie findet überhaupt die Kontrolle statt? Eine neue 32-seitige Broschüre gibt Ihnen zu diesen Fragen einen kurzgefassten Überblick. Linksextremimus in NRW Welche Ideologie verfolgen Linksextremisten? Wer gehört dazu? Wie verfolgen sie ihre Ziele? Eine 2-seitige Broschüre des Verfassungsschutzes gibt einen knappen Überblick über Linksextremismus in NRW. 25 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007 Diese Broschüren des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes können Sie im Internet unter http://www.im.nrw.de/verfassungsschutz online bestellen oder downloaden. Dort finden Sie auch eine Vielzahl weiterer Broschüren, Fachaufsätze und anderes Informationsmaterial des Verfassungsschutzes. Sie können auch eine Email an bestellung.verfassungsschutz@im.nrw.de senden, bzw. unter folgender Anschrift bestellen: Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen Abteilung Verfassungsschutz Postfach 00 4002 Düsseldorf 252 Hinweis Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlbewerberinnen und Wahlbewerbern oder Wahlhelferinnen und Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für die Landtags-, Bundestagsund Kommunalwahlen sowie für die Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments. Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. 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