www.im.nrw.de :Verfassungsschutzbericht Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2006 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2006 :::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::: :::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::: Impressum Herausgeber: Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen Abteilung Verfassungsschutz Postfach 103013 40021 Düsseldorf Haroldstraße 5 40213 Düsseldorf Telefon: 0211/871-2821 Telefax: 0211/871-2980 E-Mail: Kontakt.Verfassungsschutz@im.nrw.de für die Bestellung von Broschüren: Bestellung.Verfassungsschutz@im.nrw.de Internet: www.im.nrw.de/verfassungsschutz Druck: Silber Druck oHG 34266 Niestetal Redaktionsschluss: Januar 2007 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Vorwort Islamistische Bedrohung Im Juli 2006 sind Menschen in Nordrhein-Westfalen nur knapp einem schrecklichen Anschlag entgangen. Der Plan zweier Libanesen, in Regionalzügen Kofferbomben explodieren zu lassen, ist zwar gescheitert. Eines aber ist ganz deutlich geworden: Nicht nur Amerika, England oder Spanien sind im Blickpunkt islamistischer Bedrohungen. Die geplanten Kofferbombenattentate machen klar, dass die weltumspannende islamistische Propaganda bei einigen - oft jungen - Menschen auch hier bei uns nicht ohne Wirkung bleibt. Im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus brauchen wir deshalb gut vernetzte Informationsstrukturen zwischen den Sicherheitsbehörden im Bund und in den Ländern. Wir müssen gesetzliche Regelungen konsequent nutzen, um frühzeitig terroristischen Planungen auf die Spur zu kommen. Und wir müssen die eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf wichtige Gefährdungsbereiche konzentrieren. Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass die Gefahr nicht allein von den bestehenden Strukturen des internationalen Terrorismus' ausgeht. Die westlichen Gesellschaften müssen sich auch mit dem Phänomen auseinandersetzen, dass in ihrer Mitte groß gewordene Menschen den islamistischen Parolen und Vorbildern verfallen. Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Warum und wie aber findet die Wandlung unauffällig scheinender junger muslimischer Männer zu islamistischen Gewalttätern statt? Kann die tiefe Ablehnung der Werte einer Gesellschaft, von der man sich selbst abgelehnt fühlt, zu einem derartigen Hass führen, dass man deshalb den Tod von vielen Menschen plant? Die Analyse der Täterprofile ist schwierig, weil unzählige subjektive wie objektive Kriterien eine Rolle spielen. Auch wenn die Ursachenforschung noch lange nicht abgeschlossen ist, kennen wir doch Katalysatoren der Radikalisierung: Das Internet ist heute das Kommunikationsmittel zur virtuellen Indoktrination, zur ideologischen Schulung und zur Vermittlung von Wissen etwa für die technische Durchführung von Attentaten. Die mutmaßlichen, libanesischen Attentäter besorgten sich ihr Wissen im Internet. Bedeutsam bleibt darüber hinaus in vielen Fällen die Anleitung durch scheinbare Autoritäten. Eine wichtige Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es deshalb, diejenigen aufzuspüren, die junge Muslime in ihren Bann ziehen und sie in den Wahn hineintreiben, mit einem Selbstmordattentat oder der Tötung "Ungläubiger" im Sinne des Islam zu handeln. Gerade hierbei können die muslimischen Gemeinden noch besser als bisher unterstützen, in dem sie nicht nur Respekt für ihre religiös bedingten Haltungen und Verhaltensweisen einfordern, sondern ihren Kindern und Jugendlichen auch Respekt für die Werte der Gesellschaft beibringen, in der zu leben sie sich entschlossen haben. Wichtig ist mir, dass es nicht zu einem Generalverdacht gegen gläubige Muslime kommt. Im Gegenteil: Der Verfassungsschutz betont immer wieder, dass die Muslime in ihrer überwältigenden Mehrheit Islamisten ablehnen. Der Kampf gegen den islamistischen Terror darf nämlich nicht den Blick darauf verstellen, dass die Mehrheit der Muslime hier weiter in Frieden leben will. Kernpunkte unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung - die Achtung der Menschenwürde, Demokratie, Gleichberechtigung, Religionsund Meinungsfreiheit - sind Werte, die allen zugutekommen. Wer das erkennt, der lässt sich auch von religiösen Fanatikern nicht aufstacheln. Gesetzliche Möglichkeiten für die Terrorismusbekämpfung verbessert Als die Ermittlungsbehörden im Kofferbomben-Fall zu der Erkenntnis kamen, dass das Internet ein wesentlicher Faktor in der Radikalisierung der mutmaßlichen Attentäter war, lief in Nordrhein-Westfalen bereits das Verfahren zur Änderung des Verfassungsschutzgesetzes. Längst hatte der Verfassungsschutz erkannt, dass die gesetzlichen Bestimmungen den veränderten Bedingungen im Kampf gegen den internationalen Terrorismus angepasst werden müssen - ohne dass dabei unsere verfassungsrechtlich garantierten Freiheitsrechte ins Hintertreffen geraten. 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Die Bedeutung des Internets für extremistische Propaganda, Radikalisierung und als Vermittlungsmedium für kriminelles und terroristisches Wissen hat erheblich zugenommen. Islamisten treffen sich längst nicht mehr in geheimen Hinterstübchen einer Moschee. Allein mit Hilfe des Internets lassen sie sich indoktrinieren und aufhetzen, knüpfen Kontakte und treffen Verabredungen, planen Anschläge und versorgen sich mit dem dazu notwendigen technischen Wissen und Equipment. Dazu brauchen sie nicht einmal mehr ihr Zimmer zu verlassen. Der Verfassungsschutz muss der Planung von schwersten Straftaten mit modernen Mitteln wehrhaft gegenüberstehen. Mit dem neuen Gesetz ist der Verfassungsschutz berechtigt, frühzeitig Informationen über terroristische Anschlagpläne im weltweit zugänglichen Netz zu erlangen - selbstverständlich nur in ganz gravierenden Fällen und unter engen Voraussetzungen. Die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit ist nicht nur für unser Verfassungsschutzgesetz Maßstab, sondern auch für den Umgang mit der im April 2007 gestarteten Anti-Terror-Datei. Im Kampf gegen den internationalen Terrorismus müssen wir Gefahren aktuell einschätzen können. Dazu brauchen wir eine stärkere Vernetzung der Sicherheitsbehörden. Die Anti-Terror-Datei macht einen schnelleren Datenaustausch im föderalen Sicherheitssystem möglich. Rechtsextremismus Bereits jetzt beobachtet der Verfassungsschutz in NRW mit Blick auf die Kommunalwahl 2009 vorbereitende Aktivitäten. So hat sich 'pro Köln' in Anlehnung an ihr Konzept in Köln landesweit unter der Bezeichnung 'pro NRW' aufgestellt und weitere Bürgerinitiativen unter anderem in Gelsenkirchen und Leverkusen initiiert. Die Orientierung auf die kommunale Politik ist auch bei der NPD zu verzeichnen, die sich bemüht, in allen NRW-Kreisen Kreisverbände auf die Beine zu stellen. Dahinter verbirgt sich die Strategie der Partei, durch Kommunalarbeit ein Sprungbrett für den Einzug in den Landtag zu schaffen, wie dies bereits erfolgreich in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern praktiziert wurde. Diese Entwicklung zeigt einmal mehr, dass der Rechtsextremismus im Bund, im Land und auch auf der kommunalen Ebene zu bekämpfen ist. Für rechtsextremistische Gruppen und Parteien sind Lokalpolitik und die kommunale Verankerung zu einem wichtigen Baustein ihrer Strategie geworden. Der Weg in die Parlamente führt über die Rathäuser. NRW bleibt hier nicht verschont, auch wenn eine flächendeckende Verankerung derzeit nicht zu befürchten ist. Der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen wird dieser Entwicklung im engen Schulterschluss mit den Kommunen entgegenwirken. So hat der Verfassungsschutz Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 beispielsweise im April 2006 in Dortmund einen Jugendkongress organisiert, um jungen Menschen eine Möglichkeit zu geben, sich persönlich und aktiv über das Themenfeld "Rechtsextremismus" zu informieren und begleitende Projekte mit professioneller Hilfe umzusetzen. Unter dem Motto "Wir im Revier: für Demokratie - gegen Rechtsextremismus" sollten gerade junge Menschen aufgeklärt und sensibilisiert werden sowie Unterstützung für eigene Initiativen gegeben werden. Die Zusammenarbeit mit regionalen Trägern bewährt sich, wenn es um die Aufklärung und Sensibilisierung vor Ort geht. In diesem Sinne wird der Verfassungsschutz seine Arbeit verstärken. Vor Ort nehmen auch die Schulen gerne die Angebote des Verfassungsschutzes an: So wurde bis jetzt 60.000 mal der Bildungscomic 'Andi' bestellt, nicht nur von Schulen in NRW, sondern auch von Eltern aus dem ganzen Bundesgebiet. Im letzten Jahr waren Verfassungsschützer über 00 Mal zu Gast an Schulen. Das kommt offenbar gut an - die Kolleginnen und Kollegen werden immer wieder erneut eingeladen. Extremistische Einstellungsmuster entstehen nicht plötzlich - und sie können nicht in einer einzigen punktuellen Maßnahme aus der Welt geschafft werden. Den Menschen muss deutlich werden, welche langfristigen Gefahren von Extremisten für unsere Demokratie ausgehen. Sie müssen den Wert unserer Gesellschaftsordnung für sich erleben können. Information und Demokratieerziehung einerseits, aber auch greifbare Perspektiven für die Menschen - das sind nach meiner Überzeugung die richtigen Mittel im Kampf gegen Extremismus gleich welcher Richtung. Der Verfassungsschutz NRW sieht in der Festigung einer demokratischen Kultur eine seiner wichtigsten Aufgaben. In diesem Bemühen werden wir nicht nachlassen. Dr. Ingo Wolf MdL Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen" Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Inhaltsverzeichnis 1 Entwicklungen im Extremismus 15 . Rechtsextremismus...................................................................................... .2 Linksextremismus ....................................................................................... 7 . Ausländerextremismus ................................................................................ 20 . Islamismus .................................................................................................. 2 . Ergänzungen im nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzgesetz (VSG NRW) ................................................................................................ 2 .6 Politisch motivierte Kriminalität ................................................................. 2 2 Themen im Fokus 29 2. Die Berichterstattung des Verfassungsschutzes in der Rechtsprechung .... 29 2.. Der Verfassungsschutz und seine Berichte als Element der streitbaren Demokratie ................................................................................ 0 2..2 Rechtliche Rahmenbedingungen für den VS Bericht ................................. 2 2.. Inhalt und Art der Darstellung extremistischer Bestrebungen im Verfassungsschutzbericht ........................................................................... 7 2.. Fazit ............................................................................................................. 6 2.2 Änderung des Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen .................. 6 3 Rechtsextremismus 49 . Aktionsorientierter Rechtsextremismus ...................................................... .. Neonazis ...................................................................................................... ..2 Kampfbund Deutscher Sozialisten (KDS) .................................................. .. Neonazi-Szene in NRW............................................................................... Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 .. Rechtsextremistische Skinheads................................................................... 8 .2 Parlamentsorientierter Rechtsextremismus .................................................. 6 .2. Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) .................................... 6 .2.2 Deutsche Volksunion (DVU)........................................................................ 7 .2. Ab jetzt ... Bündnis für Deutschland (BfD).................................................. 77 .2. Bürgerbewegung pro Köln e.V. (pro Köln) .................................................. 79 . Diskursorientierter Rechtsextremismus ....................................................... 8 .. Revisionismus ............................................................................................. 82 ..2 Der Schlesier ................................................................................................ 87 .. Nation & Europa - Deutsche Monatshefte (NE).......................................... 89 .. Internet und Versandhandel .......................................................................... 90 .. Die Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V. ........................................................ 9 . Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten ................................................ 9 4 Linksextremismus 97 . Parteien ......................................................................................................... 99 .. Deutsche Kommunistische Partei (DKP) ..................................................... 99 ..2 Die Linkspartei.PDS - Landesverband Nordrhein-Westfalen.................... 0 .. Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) ........................... 0 .2 Die Themenfelder der linksextremistischen Autonomen ........................... .2. Antifa .......................................................................................................... .2.2 Antideutsches Spektrum ............................................................................. 7 .2. Antiglobalisierung ...................................................................................... 8 .2. Antirassismus ............................................................................................. 22 .2. Antiimperialistische Solidarität im Nahen und Mittleren Osten ................ 2 5 Ausländerextremismus 127 . Türkische Organisationen........................................................................... 27 .. Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-Front (DHKP-C); Türkische Volksbefreiungspartei/-Front -Revolutionäre Linke (THKP/-C) ............... 27 6 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 ..2 Marxistisch Leninistische Kommunistische Partei (MLKP); Kommunistische Partei & Aufbauorganisation (KP-IÖ)............................ 2 .2 Kurdische Organisationen:Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL); Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und unterstützende Organisationen ....... .2. Hintergrund ................................................................................................ .2.2 Entwicklung der Organisation seit dem Jahr 2000 ..................................... 6 .2. Eskalation der Gewalt ................................................................................ 8 .2. Führungsstrukturen des KONGRA-GEL in Europa .................................. 0 .2. Massenorganisationen in Europa................................................................ .2.6 Finanzierung ............................................................................................... .2.7 Medieneinsatz............................................................................................. .2.8 Initiativen und Veranstaltungen .................................................................. 6 .2.9 Kurdische Festivals .................................................................................... 9 . Iranische Organisationen ............................................................................ .. Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI), Volksmodjahedin Iran-Organisation (MEK) ........................................................................... ..2 Arbeiterkommunistische Partei Iran (API)................................................. 6 . Extremistische Bestrebungen von Kosovo-Albanern aus dem Bereich der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien ............................... 9 .. Volksbewegung von Kosovo (Levizija Popullor e Kosover - LPK).......... 9 ..2 Front für nationale Vereinigung (Fronti per Bashkim Kombetar Shqiptar - FBKSh) .................................................................... 60 .. Albanische Nationalarmee (Armata Kombetare Shqiptare - AKSh) ......... 6 . Tamilen: Tamilische Befreiungstiger (Liberation Tigers of Tamil Eelam - LTTE) ................................................................................. 62 6 Islamismus 167 6. Terrornetzwerk um Usama bin Ladin (Jihadisten, auch Mudjahedin) ....... 70 6.2 Ansar al-Islam (Unterstützer des Islam)..................................................... 86 6. Tschetschenischer Separatismus: Tschetschenische Republik Ichkeriya (CRI)/Tschetschenische Separatistenbewegung (TSB) .............................. 88 7 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 6. Tablighi Jamaat (Gemeinschaft zur Verkündigung - TJ) ........................... 90 6. HAMAS (Harakat al-Muqawama al-Islamiya - Islamische Widerstandsbewegung) .............................................................................. 9 6.6 Hizb Allah (Partei Gottes) .......................................................................... 9 6.7 Hizb ut-Tahrir (Islamische Befreiungspartei - HuT) ................................. 99 6.8 Muslimbruderschaft (MB); Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD); Islamisches Zentrum Aachen (Bilal-Moschee) e.V. (IZA) ....................................................................... 20 6.9 Front Islamique du Salut (Islamische Heilsfront - FIS)............................. 20 6.0 Groupe Islamique Armee (Bewaffnete Islamische Gruppe - GIA) ........... 20 6.11 Groupe Salafist pour la Predication et le Combat (Gruppe für Predigt und Kampf - GSPC) ...................................................................... 206 6.2 Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. (IGMG) .................................. 207 6. Kalifatsstaat (Hilafet Devleti); vormals Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V. (ICCB), sogenannter Kaplan-Verband......... 27 7 Extremismus in Zahlen 223 7. Politisch motivierte Kriminalität - Bericht des Landeskriminalamtes ...... 22 7.. Gesamtentwicklung .................................................................................... 22 7..2 Einteilung nach Phänomenbereichen ......................................................... 22 7.. Themenfelder.............................................................................................. 228 7.. Fazit ............................................................................................................ 20 7.2 Bericht des Justizministeriums ................................................................... 2 7.2. Verfahren wegen rechtsextremistischer Aktivitäten ................................... 2 7.2.2 Verfahren wegen linksextremistischer Aktivitäten ..................................... 2 7. Mitgliederpotenzial extremistischer Organisationen.................................. 22 7.. Mitgliederzahlen rechtsextremistischer Organisationen und Gruppierungen ..................................................................................... 22 8 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 7..2 Mitgliederzahlen linksextremistischer Organisationen und Gruppierungen ............................................................................................ 22 7.. Mitgliederzahlen extremistischer Organisationen von Ausländern............ 2 7.. Mitgliederzahlen islamistischer Organisationen ........................................ 2 8 Spionageabwehr 235 8. Überblick .................................................................................................... 2 8.2 Spionageaktivitäten/Proliferation des Iran ................................................. 26 8.2. Beispielsfälle .............................................................................................. 27 8. Ferner Osten ............................................................................................... 29 8.. China ......................................................................................................... 29 8..2 Nordkorea ................................................................................................... 20 8. Russische Föderation und andere Mitglieder der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) ...................................................................... 2 8.. Nachrichtendienste der Russischen Föderation.......................................... 2 8..2 Nachrichtendienste der übrigen Mitglieder der GUS ................................. 2 8. Abwehr von Wirtschaftsspionage............................................................... 2 8.6 Zum Schluss ............................................................................................... 28 9 Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen 249 9. Aufbau, Organisation, Haushalt, Personal ................................................. 29 9.2 Verfassungsschutz durch Aufklärung - Öffentlichkeitsarbeit .................... 20 10 Stichwortverzeichnis 257 9 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 0 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Vorbemerkung Dieser Verfassungsschutzbericht erwähnt nicht alle Beobachtungsobjekte der Verfassungsschutzbehörde NRW. Hinweise auf Geschehnisse außerhalb Nordrhein-Westfalens wurden aufgenommen, soweit sie für das Verständnis des Berichtes und der enthaltenen Analysen erforderlich sind. Wenn einzelne extremistische Organisationen in diesem Bericht nicht erwähnt werden, ist dies kein Indiz dafür, dass sie der Beobachtung durch den Verfassungsschutz nicht unterliegen. Der Bericht umfasst das Jahr 2006; Redaktionsschluss war der . Januar 2007. Danach liegende Vorfälle sind punktuell aufgenommen worden, wenn sie von größerer Bedeutung sind. Grundlagen und Zielsetzung des Verfassungsschutzes bei der Extremismusbekämpfung Die Hauptaufgabe des Verfassungsschutzes ist es, im staatlichen Auftrag politisch bedeutsame Informationen zu beschaffen, zu sammeln und auszuwerten, die extremistische und terroristische Bestrebungen oder die Spionagetätigkeit betreffen. Als extremistisch werden solche Bestrebungen bezeichnet, : die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, : den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder : darauf abzielen, die Amtsführung von Verfassungsorganen des Bundes oder eines Landes ungesetzlich zu beeinflussen; : die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden oder : die gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind (SS Abs. des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen (VSG NRW). Die Verfassungsschutzbehörde darf hierzu die für sie relevanten Informationen dann sammeln und auswerten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine Bestrebung gegeben sind oder auch, soweit Anhaltspunkte für den Verdacht solcher Bestrebungen und Tätigkeiten gegeben sind. Weder eine konkrete Gefahr noch eine begangene Straftat sind also notwendig, um ihr Tätigwerden zu legitimieren. Für die Berichtserstattung in den Jahresberichten ist es auch nicht Voraussetzung, dass sich die Verdachtsmomente bis zur Einschätzung als "verfassungsfeindlich" verdichtet haben. Der Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Verfassungsschutz arbeitet im Vorfeld konkreter Gefahren oder Straftaten. Er hat im Wesentlichen Organisationen und Strukturen im Auge. Eine "Bestrebung" ist - so sagt es der SS Abs. des VSG NRW - ein "Personenzusammenschluss", setzt also mehrere Personen voraus, die gemeinsam handeln. Einzelne Personen stehen damit nicht unter der Beobachtung des Verfassungsschutzes, es sei denn, ihr Verhalten ist auf die Anwendung von Gewalt gerichtet oder von ihnen geht eine erhebliche Gefahr für eines der Schutzgüter des Verfassungsschutzgesetzes aus. Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung Es geht also einerseits um den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung - den nicht zur Disposition stehenden Kern des Grundgesetzes (SS Abs. VSG NRW). Hierzu zählen: : Das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen; : die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt der Rechtsprechung in Gesetz und Recht; : das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition; : die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung; : die Unabhängigkeit der Gerichte; : der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und : die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. Auswärtige Belange der Bundesrepublik und Völkerverständigung Außer dem Schutz der Grundordnung des Grundgesetzes hat der Verfassungsschutz die Aufgabe, Bestrebungen zu beobachten, "die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden". Hier geht es vorwiegend um gewaltbereite extremistische Ausländergruppen, die vom Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus Gewaltakti- 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 onen vorbereiten, um eine gewaltsame Änderung der politischen Verhältnisse in ihren Heimatländern herbei zu führen und die dadurch die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu anderen Staaten beeinträchtigen (SS Abs. Nr. VSG NRW). Auch Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind, gehören zu den Beobachtungsobjekten des Verfassungsschutzes (SS Abs. Nr. VSG NRW). In der Sache handelt es sich bei dieser gesetzlichen Regelung um die Klarstellung, dass der Verfassungsschutz diejenigen international operierenden Gruppierungen beobachtet, die beispielsweise darauf abzielen, konfessionelle oder ethnische Gruppen im Ausland zu bekämpfen. Anders als beim typischen Fall des Ausländerextremismus sind die Angriffe hier nicht auf die staatliche Ordnung oder die Grenzen eines einzelnen anderen Landes gerichtet, sondern gegen bestimmte (Volks)gruppen in den betreffenden Staaten. Gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind etwa Gruppierungen, die die - notfalls gewaltsame - Rückgewinnung der ehemaligen deutschen Ostgebiete propagieren. Arbeitsweise des Verfassungsschutzes Bei seiner Tätigkeit stützt sich der Verfassungsschutz in großem Umfang - ja sogar weit überwiegend - auf offenes Material wie Zeitungen, wissenschaftliche Veröffentlichungen, Radiound Fernsehberichte, Interviews und Parteiprogramme. Sensible Informationen aus geschlossenen Zirkeln werden aber häufig mit nachrichtendienstlichen Mitteln gewonnen. Es werden Vertrauensleute (V-Leute) eingesetzt, Zielpersonen observiert, Funkverkehr wird überwacht, und in besonders gravierenden Fällen kann auch die Postund Telefonüberwachung angeordnet werden. Wenn es Aufgabe des Verfassungsschutzes ist, konspirativ arbeitende Organisationen zu bekämpfen und deren Struktur aufzuklären, müssen wirksame Befugnisse zur Verfügung stehen. Bei der Spionageabwehr und der Extremismusbeobachtung kann auf nachrichtendienstliche Mittel nicht verzichtet werden. Typischerweise geben sich extremistische Parteien und Organisationen in ihren Programmen und öffentlichen Auftritten gemäßigt, um ihre Akzeptanz und ihre Wahlchancen nicht zu beeinträchtigen. Klartext wird nur in den inneren Zirkeln und unter Ausschluss der Öffentlichkeit geredet. Darüber muss der Verfassungsschutz verlässliche Informationen erlangen, wenn er sich ein realistisches Bild von den Zielen und den Methoden derartiger Parteien verschaffen und die Öffentlichkeit aufklären will. Nachrichtendienstliche Mittel darf der Verfassungsschutz aber nur im Rahmen genau festgelegter Befugnisse einsetzen. Insbesondere darf er sie nur dann anwenden, wenn er die benötigten Informationen nicht auf andere Weise beschaffen kann. Er muss Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 also stets die Verhältnismäßigkeit prüfen, bevor er mit diesen Mitteln arbeiten darf. Ein besonderes Verfahren oder eine besondere Erlaubnis ist vor allem für die Postund Telefonüberwachung vorgesehen, da dies mit massiven Grundrechtseingriffen verbunden ist. Übermittlung an andere Sicherheitsbehörden und Informationen für die Öffentlichkeit Der Verfassungsschutz verfügt einen großen Bestand von teilweise hochsensiblen Daten. Die Erkenntnisse, die der Verfassungsschutz erlangt, werden im Einzelfall auch an die Polizei weitergegeben, wenn dies der Abwehr beziehungsweise Ahndung schwerer Straftaten dient. Abgesehen von der Weitergabe an andere Sicherheitsbehörden sind die Informationen des Verfassungsschutzes auch die Grundlage für den hier vorliegenden Verfassungsschutzbericht, dessen Zweck in SS VSG NRW festgelegt ist. Die Verfassungsschutzberichte, Broschüren und Informationen im Internet, Vorträge und Diskussionsveranstaltungen etwa in Schulen, Universitäten oder vor sonstigem Fachpublikum klären über die Themen des Verfassungsschutzes auf. Durch seine nachrichtendienstlichen Mittel verfügt der Verfassungsschutz über Informationen zu Zielen und Methoden seiner Beobachtungsobjekte, die für eine Aufklärung der Öffentlichkeit notwendig sind. Zeitungen oder andere Medien können diese Informationen nicht im selben Maße liefern, weil die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes mit den Mitteln der herkömmlichen Recherche allein nicht zu erlangen sind. Beim Umgang mit extremistischen Organisationen und Bestrebungen zeigt sich das liberale, aber abwehrbereite Konzept der Verfassung ("wehrhafte Demokratie"): Das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Vereinigungsfreiheit, das Demonstrationsrecht - all dies gilt auch für Extremisten. Allerdings behält der Staat durch den Verfassungsschutz die extremistischen Bestrebungen im Auge. Er ist das Frühwarnsystem, das den Staat in die Lage versetzt, rechtzeitig einzugreifen, wenn die vom Gesetz gezogenen Grenzen überschritten werden. Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Entwicklungen im Extremismus 11 Rechtsextremismus Neonazis Nach wie vor ist die Strategie der neonazistischen Szene gekennzeichnet durch öffentlichkeitswirksame Aktionen, mit denen sie versucht, ihr politisches Anliegen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. So führte sie in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2006 insgesamt 8 Demonstrationen durch mit im Durchschnitt 0 Teilnehmern. Schwerpunktthemen waren unter anderem: : "Gegen Sozialabbau und Rentenklau, für einen nationalen Sozialismus" : "Multikultur abschaffen - Moscheebau stoppen" : "Gegen staatliche Repressionen - Weg mit dem SS 0 StGB" Nahezu alle Neonazidemonstrationen führten zu Gegendemonstrationen insbesondere des linken Spektrums, wobei Auseinandersetzungen der Gesinnungsgegner durch den hohen Polizeieinsatz verhindert werden konnten. Im Zusammenhang mit den Rechts-Links-Konfrontationen ist zu beobachten, dass die rechtsextremistische Szene auf aggressives Verhalten der Gegendemonstranten zunehmend ebenfalls gewaltsam reagiert. Diese Entwicklung wird deutlich an dem Auftreten sogenannter "autonomer Nationalisten", die sich als "schwarze Blöcke" formieren. Überregional scheint sich bei den Demonstrationen der Neonazi-Szene ein anderer Schwerpunkt zu entwickeln. Während bisher die Gedenkveranstaltung für Rudolf Hess im bundesweiten Mittelpunkt der Szene stand, scheint sich die Neonazi-Szene aktuell auf den Volkstrauertag zu fokussieren. Dafür spricht nicht nur die diesjährige Großdemonstration in Halbe bzw. an den Seelower Höhen, sondern auch Bemühung der Szene, den Volkstrauertag als zentralen "Heldengedenktag" zu feiern. Rechtsextremistische Skinheadszene Skinhead-Konzerte und sonstige Musikveranstaltungen sind für die ansonsten weitgehend unorganisierte rechtsextremistisch geprägte Skinhead-Szene ein wichtiges und identitätsstiftendes Element. Nach wie vor werden diese Veranstaltungen konspirativ geplant, um einem eventuellen Unterbinden derartiger Veranstaltungen vorEntwicklungEn im ExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 zubeugen. Dem gleichen Ziel dient die zunehmende Verlagerung der Konzerte in das Ausland sowie der Verzicht auf Großveranstaltungen zugunsten kleinerer Events. 'Nationaldemokratische Partei Deutschlands' (NPD) Im Spektrum der rechtsextremistischen Parteien kristallisiert sich die NPD immer stärker als führende Kraft heraus. Ihren Führungsanspruch leitet die NPD nicht zuletzt aus ihrem jüngsten Wahlerfolg bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern ab. Dort erzielte sie mit 7,% der Stimmen sechs Landtagsmandate und zog damit nach Sachsen in den zweiten Landtag ein. Diese Erfolge werden von der NPD als Bestätigung ihrer "Volksfrontstrategie" gewertet. Das "Volksfrontbündnis" mit der 'Deutschen Volksunion' (DVU) scheint sich für letztere negativ auszuwirken. So zeichnet sich seit kurzem eine Sogwirkung der NPD auf DVU-Mitglieder ab. Auch die Überlegung, dass der seit Gründung der Partei amtierende Vorsitzende Dr. Frey aus Altersgründen sein Amt abgeben könnte und die damit verbundene Unsicherheit über die Zukunft der Partei bei den aktiven Mitgliedern führen zu einer Schwächung. Das Selbstwertgefühl der NPD wurde durch ihre Wahlergebnisse gestärkt. So setzte sie gerichtlich durch, dass ihr ein Veranstaltungssaal für ihren Bundesparteitag in Berlin zur Verfügung gestellt werden musste. Im neuen Bewusstsein ihres Führungsanspruch hat sie auch Konzepte für ihre Mitglieder und ihr Wählerklientel entwickelt. Sie organisiert nicht nur Feste und Musikveranstaltungen, sondern bietet Harz IV Empfängern Beratung an und hat Mitte des Jahres 2006 eine eigene Frauenorganisation, den 'Ring Nationaler Frauen', gegründet. 'Die Republikaner' (REP) Wie bereits 200 gelang es dem amtierenden Bundesvorsitzenden der REP, Dr. Schlierer, erneut, auf dem Bundesparteitages im Dezember 2006 sein Amt gegen seinen Herausforderer - einem Exponenten des extremistischen Flügels - zu behaupten. Damit dürfte nicht nur der langjährige Machtkampf um die konzeptionelle Ausrichtung der Partei entschieden, sondern sogar mit einem Wegbrechen des extremistischen Flügels zu rechnen sein. Erste Übertritte oppositioneller Mitglieder in die NPD sind bereits zu verzeichnen. Revisionismus Die weltweite Revisionismus befindet sich weiterhin in einer Krise, nicht zuletzt durch die Inhaftierung Mahlers. Mahler, der zu den führenden deutschen Revisionisten gehört, verbüßt derzeit eine neunmonatige Freiheitsstrafe wegen Volksverhet- 6 EntwicklungEn im ExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 zung. Aufmerksamkeit hat die Revisionistenkonferenz im Dezember 2006 in Teheran ausgelöst. Die Konferenz gab weltweit Revisionisten die Möglichkeit, "unbehindert von westlichen Tabus das historische Ereignis des Holocaust zu diskutieren". Inwieweit die Konferenz Auswirkungen auf die weiteren Aktivitäten der revisionistischen Szene haben wird, bleibt abzuwarten. Verwaltungsgerichtliche Verfahren Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf gab der Klage des Herausgebers der Zeitschrift 'nation2.de' gegen den Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen wegen Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten 200 und 200 statt. Nach Auffassung des Gerichts sei die Zeitschrift zu Unrecht im Bericht als rechtsextremistisch bezeichnet worden. Die Zeitschrift habe den Verfassungsschutz zwar diffamierend angegriffen, verfassungsfeindliche Inhalte habe das Gericht aber nicht entdecken können. Gegen das Urteil hat das Land Nordrhein-Westfalen zwischenzeitlich einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Münster gestellt. Die Auffassung des Verfassungsschutzes unterstützte das Verwaltungsgericht Düsseldorf dagegen in einem Verfahren, das der 'Zentralrat der vertriebenen Deutschen' (ZvD) angestrengt hatte. Das Gericht erklärte in seinem Urteil vom 2. November 2006 die Berichterstattung in den Verfassungsschutzberichten über die Jahre 200 und 200 für rechtmäßig. Der ZvD wendet sich seit Jahren gegen die Erwähnung und Darstellung der Organisation im Zusammenhang mit der rechtsextremistischen Publikation 'Der Schlesier'. Seine Unterlassungsklage vom 2. Oktober 2000 gegen die Erwähnung in den Jahresberichten 998 - 2002 war bereits mit rechtskräftigem Urteil des VG Düsseldorf vom 27. Juni 200 - K 726/00 - als unbegründet zurückgewiesen worden. Der vom ZvD am 8. August 200 erhobenen und nunmehr vom VG Düsseldorf entschiedenen Klage gegen das Land NRW lag im Wesentlichen derselbe Verfahrensgegenstand wie bereits der Klage im Jahre 2000 zugrunde. Nach Ansicht des Gerichts liegen hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht vor, dass sowohl vom Kläger als auch von der Publikation 'Der Schlesier' Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, insbesondere gegen die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte, ausgehen. 12 Linksextremismus Da 2006 für Nordrhein-Westfalen kein Wahljahr war, haben die linksextremistischen Parteien die Schwerpunkte ihrer politischen Arbeit hier anders gesetzt als im Vorjahr. EntwicklungEn im ExtrEmismus 7 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 'Die Linkspartei.PDS' konzentrierte sich auf das Vorantreiben der Fusion mit der - nicht als linksextremistisch eingestuften und damit nicht vom Verfassungsschutz beobachteten - 'Partei Arbeit & soziale Gerechtigkeit - Die Wahlalternative' (WASG). Der Vereinigungsprozess soll im Juli 2007 abgeschlossen sein. Diesem Ziel ist man deutlich näher gekommen. Es gab allerdings Rückschläge durch Streitigkeiten zwischen der 'Linkspartei.PDS' und der WASG im Vorfeld der Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern, die jeweils im September 2006 stattfanden. Die Konflikte eskalierten derart, dass die WASG dort nicht auf der offenen Liste der 'Linkspartei.PDS' kandidierte, sondern jeweils mit einer eigenen Liste antrat. Diese Vorgehensweise fand allerdings auf der Ebene der Bundespartei keine Billigung. Sie hat sich zumindest in Berlin - wenn auch nicht entscheidend - für die 'Linkspartei.PDS' auch auf das Wahlergebnis ausgewirkt. Diese büßte rund die Hälfte ihrer Stimmen ein und ereichte nur noch ,%. In Mecklenburg-Vorpommern konnte sie zwar mit 6,8 % ihr Wahlergebnis um 0, % ausbauen, verlor aber dennoch an absoluten Stimmen, was sich nur aufgrund der geringen Wahlbeteiligung nicht im Wahlergebnis niederschlug. Mit der Einigung der beiden Parteien auf das programmatische Gründungsdokument und der in weiten Teilen fortgeschrittenen politisch-organisatorischen Zusammenarbeit auf allen Ebenen wird die Fusion ungeachtet der aufgetretenen Probleme fast sicher kommen. Beide Parteien werden dabei Mitglieder und Sympathisanten in nicht vorhersehbarer Höhe verlieren. In das programmatische Gründungsdokument von 'Linkspartei.PDS' und WASG sind die langfristigen programmatischen Vorstellungen der 'Linkspartei' eingeflossen; sie wurden angereichert um die bisher systemkonformen alten Ziele der WASG. In den vorgesehenen programmatischen Aussagen bleiben alle entscheidenden Fragen weiter offen, die in der Vergangenheit zu Zweifeln an der Vereinbarkeit der Vorstellungen mit dem Grundgesetz geführt haben. Die 'Deutsche Kommunistische Partei' (DKP) legt nach -jähriger Diskussion im April 2006 ein neues Parteiprogramm vor. Das Programm hält nach wie vor auf der Basis der von Marx, Engels und Lenin begründeten Lehren an dem Ziel fest, unsere Gesellschaft in eine sozialistische umzuwandeln und versucht dabei auf aktuelle, auch internationale Problemstellungen aus den Bereichen Soziales, Wirtschaft und Umwelt einzugehen. Im Vergleich zu früheren Abstimmungsergebnissen ist ungewöhnlich, dass das Programm bei den Parteitagsmitgliedern nur eine Zustimmung von 78,6 % erzielte. Die 'Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands' (MLPD) betreibt neben ihrer Parteiarbeit weiter ihre politische Arbeit über nach außen unabhängig scheinende 8 EntwicklungEn im ExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Verbände und Vereinigungen. Auf diese Weise soll die formelhafte Revolutionsrhetorik verschleiert werden, wonach sich in letzter Konsequenz die Arbeiterklasse zum bewaffneten Aufstand erheben und den bürgerlichen Staatsapparat zerschlagen soll. Sie beteiligte sich weiterhin an "Montagsdemos" und war auch Anmelderin von Gegendemonstrationen zu rechtsextremistischen Aufzügen. Dabei war sie stark an der Einbeziehung des bürgerlichen Spektrums interessiert. Bemerkenswert ist, dass die MLPD ihren bereits umfangreichen Immobilienbesitz nochmals vergrößert und ein weiteres Gebäude in unmittelbarer Nähe ihres Parteisitzes in Gelsenkirchen-Horst erworben hat. Autonome Betätigungsfeld der autonomen Szene war wie in den Vorjahren zum einen das Themenfeld "Antifaschismus". Im Vordergrund stand die Teilnahme an Gegenkundgebungen zu rechtsextremistischen Aktionen in verschiedenen Städten NordrheinWestfalens, bei denen es auch zu Konfrontationen mit der rechten Szene oder mit der Polizei kam, sowie sogenannte "Outings" von Rechtsextremisten. Im Bereich des Antifaschismus gab es auch in diesem Jahr wieder Bündnisse mit nicht-extremistischen Partnern. Im Wesentlichen bleibt die autonome Szene hier lokal fixiert. Ein weiteres Themenfeld von hoher Relevanz war die Vorbereitung von Aktionen zum G8-Gipfel im Juni 2007; auch hier versuchten Linksextremisten bürgerliche Aktionsbündnisse zu beeinflussen oder sogar zu dominieren. Die bereits 2005 begonnenen Vorbereitungen zeigen erneut, dass sich insbesondere das sogenannte "linksradikale" Spektrum - aus seinem autonomen Selbstverständnis heraus - kaum in größere Bündnisse einzugliedern vermag. So entwickelten sich neben einem gemäßigten breiten Bündnis zwei weitere "linksradikale" Proteststrukturen, deren Vorbereitungen eher chaotisch verliefen. Bis zum Abschluss des Gipfels wird ein kleiner Kreis von militanten Linksextremisten die Mobilisierung mit Brandanschlägen und anderen Sachbeschädigungen begleiten. Die Strömung der "Antideutschen", die eine Neubewertung linksextremistischer Klischeevorstellungen und die Aufarbeitung typischer linker Feindbilder (z.B. Antiamerikanismus, Palästina-Solidarität) fordern, zeigt keine rückläufige Tendenz. Allerdings macht ihre Islamfeindlichkeit und die Befürwortung von militärischen Auseinandersetzungen die antideutsche Szene nach wie vor zu einer Ausnahmeerscheinung innerhalb des linksextremistischen Lagers. Dagegen leisten amerikaund israelfeindlich eingestellte Antiimperialisten weiterhin einseitige Solidaritätsarbeit mit internationalen Widerstandsoder BefreiungsbeEntwicklungEn im ExtrEmismus 9 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 wegungen im Baskenland, in Palästina, Irak, Kolumbien und Venezuela und führen hierzu internationale Konferenzen durch. Der Antirassismus und die Anti-Kernkraft-Kampagene haben ihre Zugkraft für Linksextremisten in Nordrhein-Westfalen verloren. In beiden Themenfeldern findet ein linksextremistisches Engagement nur noch punktuell statt. 13 Ausländerextremismus Während der KONGRA-GEL (vormals 'Arbeiterpartei Kurdistans' - PKK) als im Bundesgebiet anhängerstärkste kurdische Organisation in Westeuropa den äußeren Friedenskurs konsequent verfolgt hat, kamen im Südosten der Türkei wieder die 'Volksverteidigungskräfte' (HPG) zum Einsatz. Mit der Aufkündigung des einseitigen Waffenstillstandes durch die HPG zum . Juni 200 ist im Südosten der Türkei eine Eskalation der gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen der türkischen Armee und kurdischen Guerillaeinheiten eingetreten, die vermehrt Todesopfer auf beiden Seiten forderte. Nachdem türkische Sicherheitskräfte am 2. März 2006 kurdische Guerillakämpfer bei Mus/Türkei getötet hatten, kam es im Zusammenhang mit der Beerdigung von vier der Getöteten im südosttürkischen Kurdengebiet um Diyarbakir zu den schwersten Straßenkämpfen zwischen türkischen Sicherheitskräften und vorwiegend kurdischen Jugendlichen seit mehr als zehn Jahren. Zum . Oktober 2006 verkündete die HPG erneut einen einseitigen Waffenstillstand mit dem Ziel, der türkischen Regierung ein Verhandlungsangebot zu unterbreiten. Die türkische Regierung ging wie in der Vergangenheit auf dieses Angebot nicht ein, sondern setzte ihre militärischen Operationen gegen die kurdische Guerilla fort. Trotz Durchführung eines als "Vergeltungsschlages" bezeichneten Anschlages am . Dezember auf das türkische Militär soll, nach einer Verlautbarung der HPG, der einseitig ausgerufene Waffenstillstand weiter gelten. In den Städten und touristischen Zentren in der Türkei ist eine Stadtguerilla aktiv, die sich 'Freiheitsfalken Kurdistans' (TAK) nennt. Diese berufen sich bei ihren Aktionen auf Abdullah Öcalan, den ehemaligen Vorsitzenden der PKK, agieren aber nach eigenen Angaben unabhängig vom KONGRA-GEL. Mit dem Ziel, die Wirtschaftskraft der Türkei zu schwächen, haben die TAK 2006 mehrere Anschläge in den touristischen Zentren der Türkei durchgeführt. Ende August 2006 erreichte die Welle der Bombenanschläge in der Türkei einen neuen Eskalationspunkt. Bei fünf Bombenanschlägen in Istanbul und in den Badeorten Marmaris und Antalya zwischen dem 27. und 28. August sind insgesamt Menschen getötet und fast 00 Personen verletzt worden. Die Steuerung bzw. Einbindung der TAK in die Strukturen des KONGRAGEL ist nach wie vor unklar. 20 EntwicklungEn im ExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Die Eskalation der Gewalt in der Türkei, die durch den einseitigen Waffenstillstand des KONGRA-GEL zum . Oktober nicht beendet wurde, führte bisher nicht zu einer Abkehr vom Friedenskurs der Organisation in Deutschland. Nach wie vor verhalten sich die Anhänger der Organisation in Nordrhein-Westfalen betont gewaltfrei. Für den Fall eines Strategiewechsels kann jedoch eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit Deutschlands nicht ausgeschlossen werden. Innerorganisatorisch setzt sich der im Jahr 2002 begonnene Erosionsprozess fort. Die mehrfachen Umbenennungen und ideologischen Neuausrichtungen der Organisation sind für die Anhänger kaum nachvollziehbar. Auch der ideologische Neuansatz mit dem Konzept eines demokratischen Zusammenschlusses der kurdischen Kommunen, die Schaffung des sogenannten "Demokratischen Konföderalismus" ('Koma Komalen Kurdistan' - KKK), hat die Motivationslage und Stimmung in den Kreisen der Anhängerschaft nicht verbessern können. Nach wie vor bestimmen Führungskader des KONGRA-GEL die Politik und die Aktivitäten in den Regionen. Die gewählten Volksräte sind dabei bedeutungslos. Die nachlassende Identifikation großer Teile der Anhängerschaft mit der Organisation zeigt sich nicht nur an der schwindenden Spendenbereitschaft, sondern an den immer geringeren Teilnehmerzahlen bei öffentlichen Kundgebungen. Nur soweit es sich um traditionelle Großveranstaltungen mit umfangreichem kulturellem Programm handelt, ist die Mobilisierung von mehreren 0.000 Anhängern noch möglich. 14 Islamismus Im Jahre 2006 wurde nochmals deutlich, dass Deutschland zum internationalen Gefahrenraum gehört, in dem islamistisch motivierte Terroranschläge jederzeit möglich sind. Während die Fußballweltmeisterschaft, die mit einem großem Sicherheitsaufwand geschützt wurde, ohne Zwischenfälle verlief, kam es nur wenige Wochen später zu islamistisch motivierten Anschlagsversuchen auf Regionalbahnen in NRW. Mehrere laufende strafgerichtliche Verfahren lassen außerdem erkennen, dass in Deutschland ein islamistisches Milieu vorhanden ist, aus dem heraus sich Gefahren entwickeln können. Immer deutlicher wird erkennbar, welche Bedeutung dem Internet als Medium zur Indoktrination und Informationsbeschaffung zukommt. Anschlagsversuche in NRW Am . Juli 2006 wurden zwei in Regionalbahnen nach Hamm bzw. Koblenz abgestellte Koffer mit zündfähigen bombenähnlichen Vorrichtungen aufgefunden, die im Falle einer Explosion vermutlich eine große Anzahl an Opfern gefordert hätten. Der EntwicklungEn im ExtrEmismus 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hat deshalb gegen die im Zuge der Öffentlichkeitsfahndung ermittelten libanesischen Tatverdächtigen ein Verfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, des versuchten Mordes und der versuchten Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion eingeleitet. Auch wenn noch keine endgültige Klarheit über das Motiv besteht, zeichnet sich aufgrund der Aussagen eines mutmaßlichen Tatbeteiligten ab, dass die persönliche Betroffenheit über die Veröffentlichung der Muhammad-Karikaturen und deren Nachdruck auch in deutschen Zeitungen ein wesentlicher Antrieb zur Tat gewesen sein dürfte. Sorge muss der Umstand bereiten, dass es sich um sehr junge Tatverdächtige handelt, die keiner bestimmten Organisation zugerechnet werden können und die keine terroristische Karriere durchlaufen haben, so dass sie den Sicherheitsbehörden nicht frühzeitig auffallen konnten. Das für die Tatausführung notwendige technische Wissen zum Bombenbau und auch das ideologische Rüstzeug wurde offenbar im Wesentlichen aus dem Internet bezogen. Ob auch am 26. August 2006 eine schwerwiegende Straftat bei einem Konzert der Popsängerin Nena in Gelsenkirchen nur durch das rechtzeitige Eingreifen der Sicherheitsbehörden verhindert werden konnte, ließ sich noch nicht eindeutig klären. Einige der von der Maßnahme betroffenen Personen werden dem islamistischen Milieu zugerechnet. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse und aufgrund bekannt gewordener aktueller Aktivitäten am möglichen Tatort bestand Veranlassung, diesen Personenkreis zur Gefahrenabwehr kurzfristig in Gewahrsam zu nehmen. Strafverfahren gegen Terrorunterstützer Auch andere Ereignisse zeigen auf, dass Deutschland schon seit langem vom transnationalen Terrorismus nicht unberührt geblieben ist. Am 2. Januar 2006 wurde im ersten deutschen Prozess wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland (SS 29 b StGB) ein irakischer Kurde vom Oberlandesgericht München zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte seit 2002 Mitglied der islamistischen kurdischen Gruppierung 'Ansar al-Islam' (AAI) gewesen ist. Er habe 'Ansar al-Islam' unter anderem durch Geldsammlung und die Beschaffung von technischem Gerät unterstützt sowie Personen für den "Heiligen Krieg" im Irak rekrutiert. Seit Mai 2006 müssen sich vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf drei Personen verantworten, denen Mitgliedschaft bzw. Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen wird, weil sie Selbstmordattentäter rekrutieren und Finanzmittel für 'al-Qaida' beschaffen sollten. Seit Juni 2006 stehen drei mutmaßliche Mitglieder der Terrororganisation 'Ansar al-Islam' in Stuttgart vor Gericht, weil sie geplant haben sollen, einen Anschlag auf 22 EntwicklungEn im ExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 den damaligen irakischen Ministerpräsidenten Allawi zu begehen, als sich dieser im Dezember 200 in Deutschland aufhielt. Am 6. November 2006 änderte der Bundesgerichtshof im Revisionsprozess Motassadeq das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg im Schuldspruch dahin gehend ab, dass der Angeklagte der Beihilfe zum 26-fachen Mord an den Passagieren in den als Tatmittel eingesetzten Flugzeugen der Attentate vom . September 200 in Tateinheit mit Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung schuldig ist. Am 26. Oktober 2006 verurteilte ein Gericht in Paris einen Marokkaner, der bis Mitte 200 in NRW gelebt hatte, wegen eines geplanten Anschlags auf der Insel La Reunion sowie seiner Verbindungen zu Attentätern vom . September 200 in den USA bzw. vom . April 2002 auf Djerba zu 9 Jahren Freiheitsstrafe. Entwicklung des internationalen Terrorismus Das internationale terroristische Netzwerk verlor 2006 einige wichtige Anführer durch militärische Aktionen oder Operationen von westlichen Nachrichtendiensten. Am 7. Juni 2006 wurde der Jordanier Abu Musab al-Zarqawi, Führer der 'al-Qaida' im Zweistromland', bei einem US-Luftangriff in der Nähe der irakischen Stadt Bakuba getötet. Al-Zarqawi wurde in der Vergangenheit als 'al-Qaida'-Statthalter im Irak für zahlreiche grausame Terroranschläge gegen amerikanische Ziele und für eine bewusste Bürgerkriegsstrategie verantwortlich gemacht. Im Jahr 2002 hatte er noch versucht, die Terrorzelle 'al-Tawhid' zu Anschlägen auf jüdische Einrichtungen in Deutschland zu verleiten. Die islamistische tschetschenische Separatistenbewegung verlor 2006 gleich mehrere Führungspersönlichkeiten, darunter am 0. Juli auch Schamil Bassajew, der Planer verschiedener terroristischer Geiselnahmen, unter anderem in einer Schule in Beslan im September 200, war. Inzwischen führt auch der Tod markanter Führungsfiguren nicht mehr dazu, dass der internationale Terrorismus nachhaltig in seinen Wirkungsmöglichkeiten eingeschränkt wird. Der transnationale Terrorismus zeichnet sich mittlerweile durch eine dezentrale Struktur aus. Die Führung der 'al-Qaida' besitzt eine Art "Richtlinienkompetenz", erteilt in der Regel aber keine konkreten Befehle. Das kurz vor dem Jahrestag der Bombenanschläge von London am 7. Juli 200 veröffentlichte Video mit dem damaligen Selbstmordattentäter Shehzad Tanweer und Ayman al-Zawahiri, dem Stellvertreter Usama bin Ladins, lässt aber erkennen, dass 'al-Qaida' nicht nur ein inspirierendes Vorbild für islamistische Zellen darstellt, sondern in Einzelfällen noch immer eine lenkende Funktion im Hintergrund haben kann. So lassen etwa die Informationen zu den im August in London festgenommenen Personen, denen die geEntwicklungEn im ExtrEmismus 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 plante Entführung von mehreren Verkehrsflugzeugen auf dem Flug von Großbritannien in die USA und die beabsichtigte zeitgleiche Explosion der Flugzeuge während des Fluges vorgeworfen wird, einen Schluss auf einen 'al-Qaida'-Einfluss zu. Auch Personen mit Bezügen nach Nordrhein-Westfalen waren offenbar mitverantwortliche Akteure des internationalen Terrorismus. Bei einem US-Luftangriff auf ein Dorf in Pakistan wurde am ./. Januar 2006 ein Marokkaner getötet, der 999 Krefeld verlassen hatte, um nach seiner militärischen und ideologischen Schulung in Afghanistan als Medienfachmann von 'al-Qaida' und als Schwiegersohn von 'al-Qaida'-Vize Ayman al-Zawahiri "Karriere" zu machen. Eine besondere Herausforderung für die europäischen Sicherheitsbehörden stellen aber solche potenziellen Terroristen dar, die keinen klaren Organisationsbezug aufweisen. Dabei kann es sich um das seit den Anschlägen von Madrid vom . März 200 bekannte Phänomen der sogenannten "homegrown terrorists" handeln. Wie das Beispiel der "Kofferbomber" zeigt, können sich aber auch Personen gewissermaßen zu "instant-mujahidin" entwickeln, die sich erst seit relativ kurzer Zeit in der westlichen Gesellschaft aufhalten, der sie durch ihre terroristische Tat schaden wollen und die keinen terroristischen Vorlauf in Ausbildungscamps oder ideologischen Schulungen haben. Gewachsene Bedeutung des Internets Eine immer größere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Internet zu. Über das Internet lässt sich inzwischen das gesamte "Know-how" beziehen, das man für eine terroristische Karriere benötigt. Anleitungen für den Bombenbau oder Instruktionen für die Bildung von Zellen können ohne großes Insiderwissen besorgt werden. Ohne ein reales Trainingslager durchlaufen zu haben, kann man sich mit Hilfe der weltweit verfügbaren Angebote ideologisch und technisch als terroristischer Autodidakt allein oder in Kleingruppen entsprechend ausbilden. Die ständige Befassung mit Propaganda und Strategien des Jihad bereitet mental den Weg in den realen Terrorismus vor. Daneben ermöglicht das Internet die anonyme Kommunikation mit Gleichgesinnten oder den verdeckten Informationsaustausch. Aufgrund der vielfältigen Bedeutung für die Genese von Terrorismus kommt diesem Medium eine Schlüsselfunktion bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu. Karikaturenstreit Ein Thema, das die Verunsicherung der westlichen Welt im Umgang mit dem Islam deutlich machte, war der Streit über die Veröffentlichung von Muhammad-Karika- 2 EntwicklungEn im ExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 turen durch die dänische Zeitung Jyllands-Posten. Während islamistische Kreise und auch einige Regierungen in der islamischen Welt dieses Thema für ihre Zwecke nutzten und die muslimische Bevölkerung zu teilweise gewalttätigen Protesten aufhetzten, brachten die islamischen Verbände und die Muslime in Deutschland ihre Kritik an den Karikaturen sachlich vor. Die wenigen Demonstrationen hatten kaum nennenswerten Zulauf. Allerdings wurde ein junger fanatisierter Pakistaner aus Mönchengladbach in Berlin bei dem Versuch festgenommen, den Chefredakteur der Zeitung Die Welt wegen des Nachdrucks der Karikaturen mit einem Messer anzugreifen. Nachdem er in der Untersuchungshaft Selbstmord begangen hatte, kam es bei der Beisetzung des Mannes in Pakistan zu antideutschen Demonstrationen. 15 Ergänzungen im nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzgesetz (VSG NRW) Anlass der Gesetzesänderung waren die nach den Terroranschlägen des Jahres 200 eingefügten neuen Befugnisse, die befristet bis zum . Januar 2007 gewährt worden waren. Aufgrund der weiterhin bestehenden Bedrohungslage mussten diese auf Basis eines zuvor erstellten Evaluierungsberichtes in modifizierter Form verlängert werden. Aber auch die technischen Weiterentwicklungen im Bereich der Observationstechniken, der elektronischen Datenverarbeitung und sonstigen IT-Nutzungen machten eine Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes erforderlich. Ebenso war die neuere Rechtsprechung zum informationellen Selbstbestimmungsrecht, insbesondere die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Einsatz von Global-PositionsSystemen (GPS), bei der Überarbeitung des Gesetzes zu berücksichtigen. Die konsequente Umsetzung dieser Vorgaben in der vom Landtag am 20. Dezember 2006 verabschiedeten Änderung haben dazu geführt, dass das Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen zu einem der modernsten Sicherheitsgesetze ausgestaltet wurde. 16 Politisch motivierte Kriminalität Im Jahr 2006 waren in Nordrhein-Westfalen .02 Vorfälle politisch motivierter Kriminalität zu verzeichnen und damit eine Zunahme um 6 Fälle (+ 6,%). 7,% (2.990 Fälle) entfielen auf den Phänomenbereich Rechtsextremismus, 596 (14,9%) auf den Phänomenbereich Linksextremismus und 0 (2,6%) auf den Phänomenbereich Ausländerextremismus. 2 (8%) Fälle waren keinem Phänomenbereich zuzuordnen. Absolut prägend für die Gesamtsituation bei der politisch motivierten Kriminalität ist das Fallaufkommen bei den Propagandadelikten (zum Beispiel Hakenkreuzschmierereien und Zeigen des Hitlergrusses) und den Volksverhetzungen. Über 70% aller EntwicklungEn im ExtrEmismus 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Straftaten entfallen auf derartige Delikte. Die seit 200 erkennbare Steigerung der Anzahl der Propagandadelikte ist damit wesentlich für den Anstieg insgesamt. Sie dürfte von zwei Faktoren bestimmt sein: Zum einen dem gestiegenen Aktionsniveau der rechtsextremistischen Szene und zum anderen der gesteigerten Aufmerksamkeit gegenüber dem Rechtsextremismus, die zu vermehrten Anzeigen insbesondere von Propagandadelikten führt. Hinzu kommt: Soweit überhaupt Täter ermittelt werden konnten, zeigte sich, dass diese häufig nicht in der rechtsextremistischen Szene verankert waren. Die Taten sind zum Beispiel oft provokantes Verhalten Jugendlicher. Angesichts dieses Befundes muss deshalb die kontinuierliche Bekämpfung rechtsextremistischer Bestrebungen durch eine intensive Aufklärungsarbeit gerade solcher Jugendlicher erweitert werden, die nicht der rechtsextremistischen Szene angehören. Ihnen muss deutlich werden, dass ein hingeschmiertes Hakenkreuz nicht bloß eine "gelungene Provokation" ist. Sie können damit vielmehr ein Gefühl der Bedrohung bei betroffenen Personengruppen auslösen und den Eindruck fördern, rechtsextremistische Gruppierungen seien fest in der Bevölkerung verankert. Im Jahr 2006 haben auch Straftaten im Umfeld der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland zu einem Anstieg beigetragen. Die Monate April bis Juni sind von einem zum Teil deutlich überdurchschnittlichen Fallaufkommen geprägt. Hier hat sich die erhöhte polizeiliche Präsenz ausgewirkt, durch die es häufiger als in der Vergangenheit gelang, die Straftäter auf frischer Tat zu stellen Die Zahl der politisch motivierten Straftaten aus dem rechtsextremistischen Spektrum ist im Vergleich zum Jahr 200 um Fälle oder 7,% gestiegen, fast ausschließlich bei Propagandaund Volksverhetzungsdelikte. Der Schwerpunkt der dem rechtsextremistischen Spektrum zugeordneten politisch motivierten Kriminalität liegt in diesen Bereichen. Zusammen mit den Beleidigungen machen diese Delikte 2.707 Fälle aus und damit 90% aller Taten dieses Phänomenbereichs. Die Zahl der politisch motivierten Gewaltdelikte ist um 28 auf 72 Fälle gestiegen, wobei der Anstieg auf die Zunahme der Körperverletzungsdelikte (+ ) zurückgeht. 26 EntwicklungEn im ExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 . Propagandadelikte und Volksverhetzungen sind prägend für das statistische Übergewicht rechtsextremistisch motivierter Kriminalität. Dies wird sichtbar, wenn bei einem Vergleich der Extremismusbereiche diese Delikte - für die eine linksextremistische Täterschaft kaum in Frage kommt - außer Betracht gelassen werden. Dann zeigt sich 2006 ein deutliches Übergewicht der politisch motivierten Straftaten im Bereich Linksextremismus (68) zu 96 im Bereich Rechtsextremismus. Seit zwei Jahren steigt die Zahl der linksextremistisch motivierten Straftaten an. Von 200 auf 2006 um 22 Vorfälle (über 60%). Ausschlaggebend waren die Zunahmen der Verstöße gegen das Versammlungsgesetz, der Sachbeschädigungen und der Körperverletzungen. Rund 60 % () aller Delikte im Phänomenbereich Linksextremismus standen in Zusammenhang mit demonstrativen Ereignissen. Und dies waren fast ausschließlich Demonstrationen gegen rechte Veranstaltungen - andere Themen, die eine linke Anhängerschaft mobilisiert hätten, etwa CASTOR-Transporte, gab es kaum. Gegenüber dem Vorjahr sind die Fallzahlen im Phänomenbereich Ausländerextremismus angestiegen. Eine Zunahme um 29 Fälle entspricht einer Steigerung von fast 0%. EntwicklungEn im ExtrEmismus 27 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 28 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 2 Themen im Fokus 21 Die Berichterstattung des Verfassungsschutzes in der Rechtsprechung "An einem Infostand der vom Verfassungsschutz beobachteten DVU kam es zu Auseinandersetzungen mit Demonstranten." oder: "Laut Verfassungsschutzbericht steht die Kommunalwahlliste 'AUF' in Gelsenkirchen in direkter Beziehung zur linksextremistischen MLPD." Gar nicht selten berufen sich Medien so oder ähnlich in ihren Meldungen auf die Berichte der Verfassungsschutzbehörden, wenn es darum geht, politische Gruppierungen zu charakterisieren. Nicht zuletzt die Klagen von betroffenen Organisationen bzw. Personen, die Jahr für Jahr vor den Verwaltungsgerichten verhandelt werden, zeigen, dass die Berichte der Verfassungsschutzbehörden nicht ohne Wirkung sind. Stimmen in der juristischen Literatur brandmarken die Verfassungsschutzberichte unter Überschriften wie "Kollateralschäden einer wehrhaften Demokratie" als "Meinungszensur". Die Berichterstattung - so wird verlangt - müsse sich auf die Darstellung von Bestrebungen beschränken, von denen eine nachweisbare "konkrete Gefahr" für die freiheitlich demokratische Grundordnung ausgehe2. Vermeintliche Unterstützung erfahren die Kritiker der Verfassungsschutzberichte durch die neuere Rechtsprechung. Angeführt werden in diesem Zusammenhang die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur 'Jungen Freiheit', des Oberverwaltungsgerichtes Berlin zu den Republikanern und des bayrischen Verwaltungsgerichtshofs6 zur islamistischen 'Milli Görüs', die neue Maßstäbe für die Berichterstattung gesetzt haben. Diese neuen Maßstäbe haben nicht zur Folge, dass die Berichterstattung des Verfassungsschutzes grundsätzlich in Frage steht. Im Gegenteil: Die Aufgabenstellung der Verfassungsschutzbehörden und die Funktion und Notwendigkeit der Verfassungsschutzberichte sind in diesen Urteilen bestätigt worden. Bertram, NJW 2006, 2967 2 Murswik,NVwZ 2004, 777 BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005, Az.: BVR 072/0 = BVerfGE , 6 4 OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. April 2006, OVG B .99 = NVwZ 2006, 88 5 NJW 2006, 09 6 Bay VGH, Urteil vom 22.5.2006, Az.: M7K05.5 thEmEn im Fokus 29 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 211 Der Verfassungsschutz und seine Berichte als Element der streitbaren Demokratie Schon bald nach Ende des zweiten Weltkrieges begannen Überlegungen zum Aufbau einer nachrichtendienstlichen Dienststelle (I-Stelle). Zunächst insbesondere zur Abwehr weiter bestehender und neu aufkommender rechtsextremistischer bzw. nationalsozialistischer Bestrebungen eingerichtet, trat schon bald mit der Beobachtung der 'Kommunistischen Partei Deutschlands' (KPD) ein weiterer Aufgabenschwerpunkt hinzu. Die von der KPD initiierten Proteste gegen die Briten und Amerikaner riefen nach dem Eindruck des damaligen Leiters der I-Stelle die "stärkste Entschlossenheit [hervor], mit allen Mitteln gegen KPD vorzugehen" und zwar in "engster Zusammenarbeit" mit der nordrhein-westfälischen Dienststelle7. Als im September 90 die Mitgliedschaft in elf linksund zwei rechtsextremistischen Organisationen als verfassungsfeindlich eingestuft und die Mitgliedschaft für Beamte und andere Landesbedienstete als Verletzung der Treuepflicht angesehen wurde, änderte sich die Tätigkeit der Landesverfassungsschutzbehörde erheblich. Der Verfassungsschutz geriet mehr und mehr in die Rolle eines Hilfsorgans für die Staatsanwaltschaften. Düsseldorfer Verfassungsschützer haben demgegenüber schon frühzeitig gefordert, dass die Arbeit des Verfassungsschutzes nicht vornehmlich darauf zu richten sei, verfassungswidrige Vereine und Parteien zu verbieten.8 Vielmehr seien die politischen Vertreter und mit ihnen auch die Öffentlichkeit über extremistische Aktivitäten offensiv aufzuklären. Diesem Leitbild konnte der Verfassungsschutz erst wieder nach der tiefgreifenden Reform des Staatsstrafrechts Ende der 90er Jahren folgen. Zum Schutz unserer grundwerteorientierten freiheitlichen demokratischen Grundordnung kommt dem Verfassungsschutz die Aufgabe zu, frühzeitig - und das heißt: schon vor strafrechtlich relevanten Aktivitäten - über die Gefährdung dieser Grundordnung durch extremistische Organisationen aufzuklären und davor zu warnen. Lutz Irrgang, der ehemalige Leiter des hessischen Verfassungsschutzes, stellte beispielsweise mit Blick auf wachsende rechtsextremistische Umtriebe fest, dass "der Rechtsextremismus mit all seinen Problemen aus der Mitte der Gesellschaft heraus wächst. Und mithin aus Problemen und Sorgen der Daseinsbewältigung". Seine Frühwarnfunktion kann der Verfassungsschutz vor solchem Hintergrund nur wirksam wahrnehmen, wenn es ihm gestattet ist, die Herkunft der allzu einfachen, demagogischen und oft genug fremdenfeindlichen Antworten extremistischer Organisationen 7 Vermerk von Tejessy vom 0. August 950; zit. nach W. Buschfort/P.-C. Wachs/F. Werkentin "Aufbau des behördlichen Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen" in: "Vorträge zur deutsch/deutschen Nachkriegsgeschichte"; Schriftenreihe des Berliner Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, Bd. 4, Berlin 200, S. 4 - 0 8 Buschfort/Wachs/Werkentin; ebd. S. 2 0 thEmEn im Fokus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 aus ihrem jeweiligen ideologischen Unterbau heraus deutlich zu machen und in das Bewusstsein der Bevölkerung hinein zu tragen. Nicht erst dann, wenn der Extremist am äußersten Rand unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung sichtbar wird, ist vor ihm zu warnen. Auch die Demagogen, die scheinbar in der Mitte der Gesellschaft agieren, sind zu benennen und so zu demaskieren. Die (Öffentlichkeits-)Arbeit der Verfassungsschutzbehörden dient mit der Identifizierung extremistischer Positionen gleichsam spiegelbildlich der Vergewisserung über die Werte, für die die freiheitliche demokratische Grundordnung steht. Dabei geht es nicht zuerst darum, verbotenes Tun und Äußern zu verhindern. Vielmehr stehen nicht unbedingt strafbare, aber verfassungsfeindliche Positionen und politische Aktivitäten im Blickpunkt. Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes Das bekannteste - und über lange Zeit auch vorherrschende - Instrument der öffentlichen Aufklärung ist der jährlich erscheinende Verfassungsschutzbericht. Mittlerweile veröffentlichen alle Länder (außer dem Saarland) einen Jahresbericht, der häufig mit zusätzlichen Zwischenberichten ergänzt wird. Verfassungsschutzberichte des Bundes und der Länder werden den Parlamenten und öffentlichen Stellen überreicht, an interessierte Bürgerinnen und Bürger in aller Regel kostenfrei verteilt, für Unterricht an Schulen herangezogen und in der politischen Erwachsenenbildung verwendet. In Ergänzung der eher lexikalisch aufbereiteten Berichte veröffentlichen die Verfassungsschutzbehörden Broschüren, in denen einzelne Themenkreise vertieft behandelt werden. Die Bandbreite reicht von schmalen Flyern über monografische Bücher zu besonderen Schwerpunkten in den Beobachtungsbereichen bis zu umfangreichen Schriftreihen mit wissenschaftlichem Anspruch. Von zunehmender Bedeutung ist das Informationsangebot, das die Verfassungsschutzbehörden im Internet bereitstellen. Dabei bietet das Internet Möglichkeiten in zweierlei Hinsicht: zum Einen nutzen die Behörden ihre Homepage, um aktuelle Informationen bekannt zu geben und Themen zu behandeln, die (bis dahin) nicht in Broschüren verarbeitet wurden. Zum Anderen ist das Internet aber auch eine kostengünstige Möglichkeit, alle bisher veröffentlichten Materialien zugänglich zu machen - und dies unabhängig von der weiteren Verfügbarkeit als gedrucktes Medium. Gerade von dieser Möglichkeit wird stark Gebrauch gemacht. Auch wenn die Berichterstattung zurückhaltend und sachlich erfolgt, gilt: Solange das Etikett "Rechts-" bzw. "Linksextremismus" in Deutschland negativ assoziiert ist, thEmEn im Fokus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 solange ist die Zuordnung einer Gruppierung zum Extremismus auch notwendigerweise eine Warnung. Warnen bedeutet jedoch nicht (unzulässiges) Diffamieren. In dieser Grenzziehung müssen die Verfassungsschutzberichte - wie auch alle übrige Öffentlichkeitsarbeit - besonders sorgfältig abgefasst und auf ihre grundrechtseingreifende Wirkung sowie ihren Wahrheitsgehalt geprüft werden. Der Verfassungsschutzbericht als geeignetes Instrument der Gefahrenabwehr Eine Grundvoraussetzung für die Rechtmäßigkeit aller Handlungen der öffentlichen Verwaltung ist - zumal, wenn sie in Rechte von Personen eingreifen -, dass sie geeignet sind, den angestrebten Zweck zu ereichen. Für die Abwehr von Gefahren, die von verfassungsfeindlichen Bestrebungen ausgehen, ist die Aufklärung der Öffentlichkeit ein geeignetes Mittel. Die breit verankerte öffentliche Auseinandersetzung mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen ist faktisch der wirksamste Verfassungsschutz. Verfassungsschutzberichte sind Instrumente der "wehrhaften", der "streitbaren Demokratie", die ein positives Verfassungsbewusstsein wecken und aufrecht halten können.9 Die Verteidigung von Grundsätzen und Wertvorgaben der Verfassung durch Organe und Funktionsträger des Staates muss mit verfassungsmäßigen, rechtsstaatlichen und freiheitsschonenden Mitteln erfolgen, will sich eine freiheitliche Demokratie nicht in ihr Gegenteil verkehren. Sie muss aber gerade deshalb auch über wirksame Instrumente zum Schutz der freiheitlichen Ordnung verfügen. Die durch eine Erwähnung in einem Verfassungsschutzbericht ausgelösten Wirkungen können nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts den Schutzbereich eines Grundrechts berühren und einen Grundrechtseingriff oder eine eingriffsgleiche Maßnahme darstellen. Veröffentlichungen im Verfassungsschutzbericht gehen nämlich "über die bloße Teilhabe staatlicher Funktionsträger an öffentlichen Auseinandersetzungen oder an der Schaffung einer hinreichenden Informationsgrundlage für eine eigenständige Entscheidungsbildung der Bürger" 0 hinaus. Dennoch sind solche Eingriffe gerechtfertigt, denn der Verfassungsschutzbericht schafft nicht allein eine Informationsgrundlage für Politik und Bevölkerung, er dient auch der konkreten Abwehr von Gefahren. 212 Rechtliche Rahmenbedingungen für den VS Bericht Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Beschluss vom 2. Mai 200 über die Verfassungsbeschwerde der Berliner Wochenzeitung 'Junge Freiheit' klargestellt, 9 Soweit folgen auch die Kritiker der Berichte; vgl. Murswiek, NVwZ 2004, 770 0 BVerfG, s. Fn. VG München, Urteil vom 22. Mai 2006, Az.: M 7 K 05.5, S. 20 (zu Milli Görüs e.V.) 2 thEmEn im Fokus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 dass der SS Abs. 2 die Verfassungsschutzbehörde ermächtigt, beim Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für den Verdacht extremistischer Bestrebung über die Organisation zu berichten. In diesem Rahmen darf der Verfassungsschutz auch über organisationsunabhängige Presseorgane berichten. Es hat im Weiteren die Wirkungen von Veröffentlichungen in Verfassungsschutzberichten dargelegt und daraus neue Maßstäbe für die Voraussetzungen zur Aufnahme extremistischer Bestrebungen im Verfassungsschutzbericht entwickelt. Dabei hat das Gericht im Wesentlichen Ausführungen zum Schutzbereich der Presseund Meinungsfreiheit, zur Verhältnismäßigkeit und zur Art und Weise der Darstellungen im Verfassungsschutzbericht gemacht. Kein Ausschluss bestimmter Grundrechtsträger von der Berichterstattung Die in dem Beschluss getroffene Entscheidung betrifft nicht nur den dort ausdrücklich erwähnten Presseverlag und damit die Presseund Meinungsfreiheit. Die grundsätzlichen Ausführungen gelten darüber hinaus auch für andere Freiheitsrechte wie die Religionsund Versammlungsfreiheit sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Zudem sind sie auf sonstige Organisationen und Gruppierungen anwendbar, soweit sie Grundrechtsträger sind und im Verfassungsschutzbericht auf sie wegen des Verdachts verfassungsfeindlicher Bestrebungen hingewiesen wird. Grundrechtsträger sind hierbei nicht nur natürliche Personen und Organe, sondern gemäß Art. 9 Abs. Grundgesetz (GG) auch Personenvereinigungen ohne feste Rechtsform mit ideeller Zielsetzung, wenn und soweit ihr sozialer Geltungsanspruch betroffen wird2. Das Bundesverfassungsgericht spricht in diesem Zusammenhang von Gruppierungen und beschränkt die Berichterstattung insofern nicht auf bestimmte Grundrechtsträger. Parteien sind ebenfalls nicht grundsätzlich von der Berichterstattung ausgeschlossen. Dabei gilt: Zwar darf nur das Bundesverfassungsgericht eine Partei verbieten. Dieses Entscheidungsmonopol bezieht sich aber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts nur auf die Verbotserklärung als solche. Andere staatliche Maßnahmen - wie eben eine Berichterstattung - sind deshalb erlaubt, auch wenn sie mittelbar zur Reduzierung von Wahlchan- 2 Ständige Rechtsprechung: BVerfGE 8, 4 (5); OVG Lüneburg, NJW 992, 92 (9) in Bezug auf die Nennung der 'Schülerund Studentenunion' (SUO) im Verfassungsschutzbericht. BverfG, s. Fn. 4 Die Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ 2006, 88 (89), zur Darstellung der 'Republikaner' im Verfassungsschutzbericht sieht ebenfalls nur eine Beschränkungen bezüglich der Art und Weise vor, schließt aber eine Aufklärung über extremistische Bestrebungen von Parteien in Verfassungsschutzberichten nicht grundsätzlich aus. 5 BVerfG, NJW 976, S. 8 (9); BVerfG 40, 287 (29ff.), BVerwG 0, 26 (): Michaelis, Aufgaben, Befugnisse und Kontrolle der Ämter für Verfassungsschutz im streitbaren Parteienstaat aufgeworfen, S. 208f thEmEn im Fokus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 cen, zu verminderten Spendenaufkommen, zur Kündigung von Versammlungsräumen etc. führen können6. Eine Gleichsetzung von Parteienverbot und mittelbarer Beeinträchtigung durch die Berichterstattung ist auch inhaltlich nicht zu begründen. Denn das Verbot einer Partei ist nur bei dem Nachweis einer aggressiv-kämpferischen Haltung möglich7, während der Verfassungsschutz schon bei Anhaltspunkten für den Verdacht einer extremistischen Bestrebung8 tätig wird. Die verfassungsrechtliche Aufklärung beginnt also weit im Vorfeld eines Verbotes. Außerdem wirkt die Berichterstattung nicht ohne weiteres wie ein Verbot. Hinzutreten müsste immer noch der Wille des mündigen Bürgers, nicht Mitglied dieser Partei zu werden, ihre Aktivitäten nicht zu unterstützen und sie nicht zu wählen, bevor von einer verbotsgleichen Wirkung gesprochen werden könnte. Diese Ausprägung bürgerlicher Handlungsfreiheit ist aber gerade der Kern des Demokratieprinzips, das durch die Gewährleistung in Art. 2 GG geschützt werden soll. Das OVG Berlin hat deshalb ausdrücklich betont, dass die Erwähnung auch einer nicht verbotenen Partei im Verfassungsschutzbericht trotz der damit einhergehenden faktischen Nachteile grundsätzlich nicht gegen das Parteienprivileg verstößt, wenn die Partei verfassungsfeindliche Ziele verfolgt9. Verdachtsberichterstattung In der Diskussion erweist sich ein Punkt als besonders umstritten: Dies ist die Frage, ob der Verfassungsschutz schon dann über eine Organisation berichten darf, wenn "lediglich" Anhaltspunkte für den Verdacht einer verfassungsfeindlichen Bestrebung vorliegen (sogenannte Verdachtsberichterstattung) oder ob sich die Verdachtsmomente zur (beweisbaren) Feststellung der verfassungsfeindlichen Zielsetzung verdichtet haben müssen. Während für die Sammlung und Auswertung von Informationen über Bestrebungen im Sinne des SS Abs. Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen (VSG NRW) tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht ausreichen, hat das Bundesverfassungsgericht für die Zulässigkeit der Berichterstattung über den Gesetzeswortlaut des SS VSG NRW hinaus die Berücksichtigung weiterer Kriterien gefordert. Das Gericht führt aus, dass bei staatlicher Öffentlichkeitsarbeit, die einem Grundrechtseingriff gleichkommt - wie es beim Verfassungsschutzbericht der Fall ist - die Grundrechts- 6 OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ 2006, 88 (840) mit Hinweis auf Murswiek, a.A. Bertram, NJW 2006, 2967 (2968) 7 BVerfGE 2, ff 8 OVG Berlin-Brandenburg, s. Fn. 4 9 OVG Berlin-Brandenburg, s. Fn. 4 thEmEn im Fokus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 beeinträchtigung gerechtfertigt sein muss. Das Gericht wörtlich: "Stehen die Bestrebungen noch nicht fest, begründen tatsächliche Anhaltspunkte aber einen entsprechenden Verdacht, muss dessen Intensität hinreichend sein, um die Veröffentlichung in Verfassungsschutzberichten auch angesichts der nachteiligen Auswirkungen auf die Betroffenen zu rechtfertigen."20 Bei der Bewertung tatsächlicher Anhaltspunkte ist eine Einschätzung über die zukünftige Entwicklung der Bestrebung notwendig, die stets ein Wahrscheinlichkeitsurteil enthält. Dieses muss aber auf "erkennbaren Umständen" beruhen, also auf Tatsachen, Sachverhalten und sonstigen Einzelheiten; bloßer Verdacht oder Vermutungen reichen nicht aus. Dabei ist nicht der einzelne tatsächliche Anhaltspunkt entscheidend; notwendig ist eine Gesamtschau aller vorhandenen tatsächlichen Anhaltspunkte, die auf eine Bestrebung im Sinne des SS Abs. VSG NRW hindeuten. In diese Gesamtschau können nachrichtendienstliche Erfahrungen einfließen. Der Staat ist also grundsätzlich nicht gehindert, das tatsächliche Verhalten von Gruppen oder deren Mitglieder wertend zu beurteilen. Gibt es neben den Anhaltspunkten für die von der Behörde zugrunde gelegte Gefahrenprognose auch Gegenindizien, so hat sie sich auch mit diesen in einer Weise auseinander zu setzen, die den Grundrechtsschutz hinreichend berücksichtigt. Damit hat das Bundesverfassungsgericht - zunächst unmittelbar für das nordrheinwestfälische Verfassungsschutzgesetz - die Verdachtsberichterstattung für zulässig erachtet. Allerdings ist einschränkende Voraussetzung, dass die vorliegenden Anhaltspunkte hinreichend gewichtig sind, sofern eine Bestrebung (noch) nicht feststeht. In diesem Zusammenhang weist das Bundesverfassungsgericht darauf hin, dass die Verdachtsberichterstattung nicht zeitlich unbegrenzt erfolgen darf. Hierzu führt es aus, dass bei einer über einen längeren Zeitraum wiederholt erfolgenden Veröffentlichung "anderweitige Maßnahmen" ergriffen werden müssen, "um abzuklären, ob die Bestrebungen tatsächlich bestehen."2 Offen bleibt allerdings, was ein "längerer Zeitraum" ist. In Anbetracht der Aufgabe des Verfassungsschutzes - präventive Gefahrenabwehr auch längerfristiger Phänomene - sowie der Regelungen zum Schutz personenbezogener Daten können als Anhaltspunkt die gesetzlichen Speicherregelungen dienen.22 In Nordrhein-Westfalen wird dementsprechend innerhalb eines 20 BVerfG, s. Fn. 2 BVerfG, s. Fn. 22 vgl. SS 0 VSG NRW und die entsprechenden 5-Jahres Speicherungsprüffristen im BVerfSchG und in den VerfSchGesetzen der Länder; Ausnahme: "nach Erforderlichkeit" im BayVSG und nach 4 Jahren im HambVerfSchG thEmEn im Fokus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 -Jahreszeitraumes zu überprüfen sein, ob die Berichterstattung in dem bisherigen Umfang fortgesetzt werden kann, weil beispielsweise die Bestrebung noch erkennbar aktiv ist oder die vorliegenden Erkenntnisse nach wie vor Wirkung für die Zukunft entfalten. Ausgangspunkt für die Beantwortung der Frage, wann die Anhaltspunkte hinreichend gewichtig sind, ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu formuliert: "Die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit einer belastenden Maßnahme werden im Einzelnen durch den Rang des zu schützenden Rechtsguts und die Intensität seiner Gefährdung beeinflusst, aber auch durch die Art und Schwere der Beeinträchtigung des Freiheitsrechts des nachteilig Betroffenen."2 Bei der Beurteilung der "hinreichend gewichtigen" im Vergleich zu den "einfachen" tatsächlichen Anhaltspunkten im Sinne des SS Abs. VSG NRW kommt es also auf die Dichte des Verdachts, verbunden mit dem Gefährdungspotential und der Abwägung mit den betroffenen Grundrechten, an. Beschränkung auf besondere Gefahrensituationen Nach SS VSG NRW2 dient der Verfassungsschutz der Abwehr von Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder. Das Bundesverfassungsgericht spricht in seinem Beschluss zur 'Jungen Freiheit' von der Abwehr "besonderer" Gefahren2, ohne allerdings näher darzulegen, was in diesem Zusammenhang eine "besondere" Gefahr ist. Das Verfassungsgericht hat lediglich negativ abgegrenzt und ausgeführt, dass die "bloße Kritik" an Verfassungswerten und Verfassungsgrundsätzen nicht als Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzuschätzen sei, sondern dass zur Begründung einer Gefahr darüber hinaus gehende Aktivitäten zur Beseitigung dieser Ordnung erforderlich seien.26 Was diese zusätzlichen Aktivitäten sein können, hat das Bundesverfassungsgericht nicht beschrieben. Dies wird deshalb aus dem Sinn und Zweck des Verfassungsschutzberichts als Bestandteil der wehrhaften, streitbaren Demokratie nach Art. 2 Abs. 2, 9 Abs. 2 und 8 GG abzuleiten sein. Zunächst ist klarzustellen, dass Beobachtung und Berichterstattung durch die Verfassungsschutzbehörden nicht von einer "konkreten" Gefährdungslage abhängig gemacht werden können. Es würde einer wehrhaften Demokratie und der Frühwarnfunktion des Verfassungsschutzes widersprechen, wenn eine Gefahr erst konkret eintreten müsste, bevor über die verfassungsfeindliche Bestrebung berichtet werden 2 BVerfG, s. Fn. 24 s. auch SS Abs. BVerfSchG und ähnlich in den VerfSchG der Länder 25 BVerfG, s. Fn. 26 BVerfG, s. Fn. 6 thEmEn im Fokus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 darf, denn gerade mangels Aufklärung der Öffentlichkeit hätte eine Bestrebung erst Möglichkeiten, zu einer konkreten Gefahr heranzuwachsen. Originäre Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden ist nämlich die Aufklärung abstrakt und latent gefährlicher Bestrebungen, also von Gefahren, die eben noch nicht konkret sind und im deutlichen Vorfeld der Strafbarkeit liegen. Im Mittelpunkt steht die Beobachtung langfristig und strategisch handelnder Extremismusphänomene. Die Aufklärung konkreter, sichtbarer und unmittelbar bevorstehender Beeinträchtigungen von Rechtsgütern stellt insofern eine - aus der Sicht des Verfassungsschutzes - weniger vordringliche Aufgabe dar; sie ist im übrigen der Aufgabenschwerpunkt der Polizei.27 Abwägung mit den betroffenen Grundrechten Sofern nach dem Vorgenannten gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen vorliegen, muss der Grundrechtseingriff auch verhältnismäßig sein. Grundrechtseingriffe sind verhältnismäßig, wenn sie nach dem Zweck des grundrechtseinschränkenden Gesetzes geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sind. Allerdings darf nicht verkannt werden, dass der Verfassungsschutzbericht, der ein Mittel zur Gefahrenabwehr darstellt, über die bloße Teilhabe staatlicher Funktionsträger an öffentlichen Auseinandersetzungen hinausgeht. Ihm kommt eine Warnfunktion zu. Denn mit der Einstufung einer dort aufgeführten Partei als extremistisch ist zugleich die indirekte Aufforderung an die Öffentlichkeit verbunden, sich mit den Zielen diese Partei auseinander zu setzen. Der Bericht kann damit geeignet sein, potentielle Wähler einer Partei davon abzuhalten, diese tatsächlich zu wählen oder aktiv zu unterstützen. 213 Inhalt und Art der Darstellung extremistischer Bestrebungen im Verfassungsschutzbericht Soweit hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte für eine Bestrebung vorliegen, die eine Darstellung im Verfassungsschutzbericht rechtfertigen, stellt sich die Frage, in welcher Art und Weise berichtet werden kann. Der Verfassungsschutzbericht ist kein beliebiges Erzeugnis staatlicher Öffentlichkeitsarbeit. Er zielt auf die Abwehr extremistischer Bestrebungen und stammt von einer darauf spezialisierten und mit besonderen Befugnissen arbeitenden Stelle, die 27 Im Übrigen kommt es für das Vorliegen einer Gefahr nicht darauf an, ob die Gruppierung ihre Absichten nach menschlichem Ermessen auch tatsächlich umsetzen könnte. Siehe hierzu: BVerfGE 5, 85 thEmEn im Fokus 7 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 unter anderem die Rechtsmacht zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel hat. Dies hat zur Folge, dass sich die Art und Weise der Berichterstattung zum einen an den allgemeinen, für staatliche Veröffentlichungen geltenden Maßstäben messen lassen muss. Darüber hinaus muss sie aber auch dem spezifischen Verhältnis zwischen dem Aufklärungsauftrag des Verfassungsschutzes und den besonderen grundrechtsrelevanten Konsequenzen für den Betroffenen Rechnung tragen. In besonderer Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips muss sich der Verfassungsschutz bei jeder Darstellung insbesondere folgende Fragen stellen: : Welche Informationen, insbesondere auch welche personenbezogenen Daten, sind erforderlich, um die Öffentlichkeit über eine extremistische Bestrebung und die von ihr ausgehende Gefahr aufzuklären? : Liegen lediglich tatsächliche Anhaltspunkte für einen Verdacht vor oder handelt es sich um eine festgestellte Bestrebung? : Liegt eine Bestrebung vor, die sich innerhalb strafrechtlicher Grenzen bewegt, oder handelt es sich um eine strafrechtlich relevante Agitation, ggf. sogar um eine terroristische Vereinigung? : Auf welche Grundrechte kann sich die Bestrebung berufen? : In welcher Intensität wird durch die Berichterstattung in ihre Grundrechte eingegriffen? : Gibt es andere Darstellungsformen, die gleich geeignet sind, aber weniger intensiv in die Grundrechte eingreifen? Für die Beantwortung der Fragen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Art und Weise der Darstellung im Einzelfall sollten folgende Maßgaben Berücksichtigung finden. 2131 Inhaltliche Maßstäbe der Berichterstattung Wahrheitsgehalt von Tatsachen Das in Art. 2 Abs. i.V.m. Art. Abs. GG verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt vor verfälschenden oder entstellenden Darstellungen, die von nicht ganz unerheblicher Bedeutung für die Persönlichkeitsentfaltung sind. Auch in Verfassungsschutzberichten abgedruckte falsche Tatsachenbehauptungen greifen in nicht unerheblicher Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein, da Verfassungsschutzberichte anders als andere Printmedien über einen längeren Zeitraum bestehen 8 thEmEn im Fokus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 bleiben. Erstes Kriterium der Darstellung muss daher - wie bei jeder staatlichen Äußerung - der Wahrheitsgehalt des Inhaltes sein. Zurechenbarkeit von Äußerungen Darüber hinaus umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Daraus ergibt sich das Recht am eigenen Wort. Letzteres schützt auch davor, dass einer Organisation Meinungen zugeschrieben werden, die ihr nicht zurechenbar sind und sie in dem von ihr selbst definierten sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigen. Deshalb dürfen nur solche Äußerungen in Zusammenhang mit der extremistischen Bestrebung dargestellt werden, die dieser eindeutig zurechenbar sind. Soweit eine Zurechnung im konkreten Fall nicht möglich ist, überwiegt das allgemeine Persönlichkeitsrecht gegenüber dem allgemeinen Interesse auf Information. Sachlichkeit der Werturteile Der Staat ist grundsätzlich nicht gehindert, das tatsächliche Verhalten von Gruppen oder deren Mitglieder wertend zu beurteilen und diese Wertung in die Darstellung des Verfassungsschutzberichtes aufzunehmen. Insbesondere der Verfassungsschutz ist auf Werturteile angewiesen, da seine wichtigste Funktion in der Aus-Wertung, also der Analyse von Informationen und deren Weitergabe an die Öffentlichkeit, besteht. Werturteile von Hoheitsträgern können nicht auf ihren Wahrheitsgehalt hin untersucht werden. Sie müssen aber sachlich gehalten und nachvollziehbar sein. Sie dürfen nicht auf willkürlichen Erwägungen beruhen. Die Werturteile müssen den Extremismusbezug der Bestrebung betreffen, die Herabsetzung des Betroffenen zum Beispiel durch Formalbeleidigung oder Schmähkritik darf nicht Teil der Berichterstattung sein. Beurteilungsmaßstab für die herabsetzende Wirkung ist aber nicht der von ihm gewünschte Geltungsanspruch, sondern das in der Öffentlichkeit produzierte, verselbständigte soziale Bild der Bestrebung. Begrenzung der Darstellung auf Sachund Personenzusammenhänge des Verfassungsschutzes Ausgehend von dem Zweck des Verfassungsschutzberichtes, die Öffentlichkeit über extremistische Bestrebungen aufzuklären und vor ihnen zu warnen, kann es erforderlich sein, sich nicht alleine auf die Darstellung von Tatsachen zu beschränken, die Anhaltspunkte für den Verdacht einer extremistischen Vereinigung unmittelbar thEmEn im Fokus 9 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 belegen. Denn viele extremistische Bestrebungen arbeiten nicht offen, sondern mit Mitteln der Infiltration. Etliche extremistische Bestrebungen jeder Richtung versuchen, ihre Ziele zu verwirklichen, indem sie gesellschaftskritische Gruppierungen unterwandern und funktionalisieren. Die Zusammenarbeit mit nichtextremistischen politischen Vereinigungen oder in nicht-politischen Bereichen ist ein übliches Verfahren, den eigenen Zielen eine allgemein akzeptierte Plattform zu geben. Oftmals werden Veranstaltungen bürgerlicher Kreise für extremistische Zwecke instrumentalisiert. Solche Sachzusammenhänge werden nur deutlich, wenn das Wirken der Bestrebung auch im "nichtextremistischen Umfeld" dargestellt wird. Würde man sich bei dieser Form der extremistischen Agitation auf die Darstellung der Bestrebung als solcher beschränken, wäre die Warnfunktion des Verfassungsschutzes erheblich eingeschränkt. Einer Darstellung extremistischer Bestrebungen im gesellschaftlichen Kontext stehen auch nicht die grundrechtlichen Gewährleistungen der in diesem Zusammenhang zu nennenden nichtextremistischen Gruppierungen entgegen, da selbst dem "flüchtigen Leser" bei einer solchen Darstellung deutlich werden muss, dass es sich bei diesen nur um "funktionalisierte Opfer" und nicht um negativ auszugrenzende Verfassungsfeinde handelt. Primat der öffentlich zugänglichen Quellen Soweit extremistische Bestrebungen versuchen, durch öffentliche Agitation weitere Anhänger zu gewinnen oder ihre extremistischen Ziele durchzusetzen, bedarf es zur Aufklärung der Öffentlichkeit über die Unvereinbarkeit der Ziele mit den Grundwerten der Verfassung nur einer Analyse des offenen Materials im Verfassungsschutzbericht. Eine Darstellung von heimlich erlangten Informationen über Zielsetzungen wird erst dann erforderlich, wenn das Gefährdungspotential einer extremistischen Bestrebung subversiver Natur ist, das heißt, wenn sie versucht, ihre wahren Ziele zu verschleiern. Vollständigkeit der Anhaltspunkte In Rahmen von Gerichtsverfahren ist auch problematisiert worden, ob die Darstellung der tatsächlichen Anhaltspunkte umfassend sein muss, d.h. alle Erkenntnisse darzulegen sind, die zu der Einschätzung als extremistische Bestrebung geführt haben. Diese Frage ist im Hinblick auf die Aufgabenstellung des Verfassungsschutzes und den damit verbundenen Zweck der Veröffentlichung und mit Blick auf die zu schützende Grundrechtssphäre zu verneinen. 0 thEmEn im Fokus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Wenn jeder Anhaltspunkt dazustellen wäre, der die Einschätzung des Verfassungsschutzes stützt, müsste der Bericht einen Umfang haben, der ein sinnvoll handhabbares Maß überschreitet. Er würde in der Masse nicht mehr gelesen - der Zweck des Verfassungsschutzberichtes wäre verfehlt. Die Wirkung eines Berichtes ist überdies wesentlich von der Darstellung an sich, nicht von ihrer Vollständigkeit abhängig. Eine Darstellung aller Anhaltspunkte würde daher auch die mit einer Veröffentlichung einhergehenden mittelbaren Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht mindern. Im Gegenteil: Der Grundrechtseingriff könnte sich sogar vertiefen, wenn alle Anhaltspunkte genannt würden, und nicht nur die zum Verständnis erforderlichen. Schließlich verbietet auch die spezifische Arbeitsweise des Verfassungsschutzes eine vollständige Darstellung aller Anhaltspunkte. Der Verfassungsschutz darf bei der Beobachtung von extremistischen Bestrebungen Mittel der heimlichen Informationsbeschaffung einsetzten. Diese heimlich erlangten Informationen genießen dann einen unbedingten Schutz, wenn ihre Veröffentlichung die Aufgabenerfüllung oder die Quellen des Verfassungsschutzes gefährden kann. Diese Beschränkung der Offenbarungspflicht gilt selbst bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen, beispielsweise einer Telefonüberwachung. Dieser Schutz endet im Übrigen auch nicht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, wie SS 99 Abs. S. 2 Verwaltungsgerichtsordnung und das dort geregelte "in camera-Verfahren"28 zeigen. Der Schutz der heimlichen Information würde ad absurdum geführt, wenn die Verfassungsschutzbehörde verpflichtet wäre, alle Tatsachen zu offenbaren, die sie zu ihrer Einschätzung geführt haben. Ist mithin der begründete Verdacht für eine verfassungsfeindliche Bestrebung gegeben, darf die Verfassungsschutzbehörde nach pflichtgemäßen Ermessen darüber entscheiden, in welchem Umfang und über welche verfassungsfeindlichen Tendenzen die Öffentlichkeit unterrichtet werden soll. Begründung des Verdachts Auch wenn danach nicht alle Anhaltspunkte für den Verdacht im Verfassungsschutzbericht genannt werden müssen, bleibt die Frage, ob und inwieweit die Behauptung, es lägen Anhaltspunkte für den Verdacht einer Bestrebung vor, begründet werden müssen. Grundsätzlich bedürfen Realakte wie der Verfassungsschutzbericht nach dem Verwaltungsverfahrensrecht keiner Begründung. Je nach Einzelfall dürfte aber aus dem Zweck der Veröffentlichung eine mehr oder weniger ausgeprägte Begründungspflicht erwachsen. Die bloße Behauptung, dass tatsächliche Verdachtsmomente 28 In einem "in-camera-Verfahren" erhalten nur die Richter Einsicht in die Akten, nicht der Anwalt der Klägerseite. Das Gericht entscheidet, ob die Akten tatsächlich geheim gehalten werden dürfen. thEmEn im Fokus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 vorliegen, wird der mit der Veröffentlichung verbundenen Warnfunktion nicht ausreichend gerecht werden. Beweisbarkeit der Anhaltspunkte Fraglich bleibt schließlich, ob die im Verfassungsschutzbericht genannten tatsächlichen Anhaltspunkte beweisbar sein müssen. Über polizeiliche Befugnisse zur Informationserhebung (Durchsuchung und Beschlagnahme, Gebotsund Verbotsverfügungen) verfügt der Verfassungsschutz nicht. Seine Kompetenzen sind auf die Vorfeldaufklärung extremistischer Bestrebungen begrenzt. Die Sammlung von Beweisen gegen einzelne Personen gehört nicht dazu. Allenfalls als Bestandteil der Aufklärung eines Personenzusammenschlusses sind Ermittlungen gegen Einzelpersonen ausnahmsweise möglich. Daher spricht auch die gesetzliche Ermächtigung von "Anhaltspunkten für den Verdacht" und nicht von Beweisen. Beweisbar müssen aber die dem Verdacht zugrunde liegenden einzelnen Tatsachen sein. Wenn dabei für den Verfassungsschutz aufgrund seiner Arbeitsweise - insbesondere wegen des Einsatzes von Quellen - Probleme in der Beweisführung entstehen, ist dies bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen. Verwendung von personenbezogenen Daten im Verfassungsschutzbericht Inhaltliche Grenzen für die Berichterstattung ergeben sich neben dem Gesagten auch aus Belangen des Datenschutzes. Grundsätzlich darf die Verfassungsschutzbehörde zum Zweck der Aufklärung der Öffentlichkeit über extremistische Bestrebungen auch personenbezogene Daten in Verfassungsschutzberichten veröffentlichen, wenn die Bekanntgabe für das Verständnis des Zusammenhangs oder der Darstellung von Organisationen erforderlich ist und die Interessen der Allgemeinheit das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person überwiegen. Vorliegen personenbezogener Daten Personenbezogene Daten liegen nicht nur bei ausdrücklicher Namensnennung, sondern auch dann vor, wenn die Information auch ohne Nennung des konkreten Namens einen erkennbaren Zusammenhang mit einer bestimmten Person aufweist. Besteht mithin für den durchschnittlichen Leser aufgrund der Angaben im Verfassungsschutzbericht die Möglichkeit, die Identifizierung der Person mit Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen vorzunehmen, handelt es sich um ein personenbezogenes Datum. Das OVG Münster hat darüber hinaus das Vorliegen eines personenbezogenen Datums für den Fall bejaht, in dem lediglich ein in der Szene bekannter "Kampfname" in der Veröffentlichung des Verfassungsschutzes genannt war. 2 thEmEn im Fokus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Offenkundige Daten Die engen Voraussetzungen für die Veröffentlichung personenbezogener Daten gelten nur für schutzwürdige personenbezogene Daten. Sie gelten nicht, wenn die Daten offenkundig sind, das heißt, wenn sie einer beliebig großen Anzahl von Menschen bekannt oder ohne weiteres wahrnehmbar sind und von ihnen für feststehend gehalten werden. Ohne Beachtung der engeren Voraussetzungen können mithin Personen der Zeitgeschichte benannt werden. Erforderlichkeit der Nennung von Organisationsmitgliedern Zu klären bleibt, welche personenbezogenen Daten zur Darstellung von Organisationen im Verfassungsschutzbericht erforderlich sind. Ausgangspunkt hierfür muss wiederum der mit dem Verfassungsschutzbericht verfolgte Zweck sein, die Öffentlichkeit über extremistische Bestrebungen zu informieren. Für die Information der Öffentlichkeit über extremistischen Organisationen sind insbesondere Ausführungen zu Strukturen, Programmatik, Aktivitäten, organisationsübergreifenden Verflechtungen sowie über ideologische Hintergründe von Bedeutung. Hierbei spielen Einzelangaben über die Schaffung und Besetzung von Funktionen, über Organisation und Teilnahme von beispielsweise Demonstrationen, über Formulierung programmatischer Thesen, über Redebeiträge und Veranstaltungen eine wesentliche Rolle. Da eine extremistische Organisation gerade kein Neutrum ist, sondern durch Personen handelt, wird ein plastisches Bild hierüber vielfach erst möglich, wenn auch die Handelnden namentlich benannt werden. Erforderliche und damit zulässigerweise zu veröffentlichende personenbezogene Daten dürften in der Regel Angaben über Initiatoren, Gründer, Funktionäre sein oder sonstigen Führungspersönlichkeiten und führenden Meinungsträger einer Organisation und Aktivisten, die das Handeln der Organisation maßgeblich bestimmen. Erforderlichkeit der Nennung von Personen, die keiner extremistischen Bestrebung angehören Über die Nennung von Organisationsangehörigen hinaus gibt es denkbare Konstellationen, in denen es zur Darstellung einer Bestrebung erforderlich sein kann, Angaben über Dritte zu machen, die nicht Mitglieder der Organisation sind. Dies wird zum einen dann zu bejahen sein, wenn Dritte eine Gruppierung ideell oder materiell in der Weise unterstützen, dass die Funktionsfähigkeit oder Existenz der Organisation in nicht unerheblichem Maße von dieser Unterstützung abhängt und die Kenntnis thEmEn im Fokus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 von dieser Beziehung zwischen Organisation und Unterstützer zur Einschätzung der Situation des politischen Extremismus für die Öffentlichkeit erforderlich ist. Werden ideologische Grundlagen extremistischer Bestrebungen im Verfassungsschutzbericht analysiert, kann es auch erforderlich und damit zulässig sein, im Verfassungsschutzbericht Vertreter politischer Thesen vorzustellen, die weder in unmittelbarem Zusammenhang mit der betreffenden Organisation bzw. Gruppierung stehen, noch selbst extremistische Zielsetzungen haben. Ausschlaggebend für die Zulässigkeit der Veröffentlichung ist der Bezug zwischen verfassungsfeindlicher Bestrebung und politischer Idee. Denkbar sind auch Konstellationen, in denen es zum Verständnis des Zusammenhangs geboten sein kann, Kontakte von Beobachtungsobjekten zu nicht-extremistischen Personen darzustellen, soweit sie versuchen, diese Person für ihre Zwecke zu instrumentalisieren oder über sie Einfluss auf demokratische Organisationen zu nehmen. Verhältnismäßigkeit der Namensnennung Neben der Erforderlichkeit der Namensnennung im Verfassungsschutzbericht muss diese auch verhältnismäßig sein, d.h. die Interessen der Allgemeinheit an der Information müssen größer sein als das Interesse der betroffenen Person an der Nichtveröffentlichung seiner Daten. Maßstab hierfür ist zum einen der Grad an Öffentlichkeitswirksamkeit, der den Handlungsweisen und Funktionen der Personen zukommt, über die berichtet wird. Personen, die mit unmittelbarer Außenwirkung in einer Gruppierung agieren, dürften besonders im öffentlichen Interesse stehen. Ihr schutzwürdiges Interesse an der Nichtnennung ihres Namens dürfte aufgrund der selbst geschaffenen Publizität geringer sein als bei Personen, die nur im Innenverhältnis wirken. Bedeutsam wird weiterhin sein, ob die betroffene Person aktuell für die Bestrebung aktiv ist. Drittes, aber nicht abschließendes Kriterium für die Verhältnismäßigkeitsprüfung dürfte auch die Frage sein, welche Relevanz die Aktivitäten des Betroffenen rückwirkend auf die Entwicklung der extremistischen Bestrebung oder des politischen Extremismus in seiner Gesamtheit hatten. 2132 Art und Weise der Darstellung Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zur 'Jungen Freiheit' aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abgeleitet, dass im Verfassungsschutzbericht durch die äußere Form und die inhaltliche Darstellung - etwa in den gewählten ÜberthEmEn im Fokus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 schriften und der Gliederung des Berichts - deutlich zwischen solchen Organisationen differenziert werden muss, für die ein Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen besteht und solchen, deren Bestrebungen erwiesen sind. Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass ein "flüchtiger Leser" bzw. die regelmäßig nur oberflächlich berichtenden Medien eine solche Differenzierung überlesen können, wenn sie nur im Text vorgenommen wird. Dem könne beispielsweise durch die äußere Aufmachung entgegen gewirkt werden. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum "flüchtigen Leser" werfen im Hinblick auf die Funktion und die Wirkung des Verfassungsschutzberichtes die generelle Frage auf, ob es bei der Art und Weise der Darstellungen nicht vielmehr auf den verständigen Leser ankommen muss, der die Texte hinreichend sorgfältig liest und entsprechend umsetzt. Adressaten der Verfassungsschutzberichte sind nämlich zunächst die Landesregierung, das Parlament und die anderen öffentlichen Stellen, die den Verfassungsschutzbericht auch als Entscheidungshilfe nutzen und auswerten. So werden die Berichte beispielsweise von den Finanzämtern im Rahmen der Prüfung der Gemeinnützigkeit mit herangezogen. Dabei ist den Behörden aber bewusst, dass es sich bei den Darstellungen in der Regel um Werturteile, Einschätzungen und Entwicklungen der beobachteten Organisationen handelt, die keinem unmittelbaren Beweis zugänglich sind. Wegen der insofern verbliebenen Eigenverantwortung der entscheidenden Stelle hat sie eine besondere Sorgfalt bei der Auswertung der Verfassungsschutzberichte zu beachten und muss dementsprechend verständig lesen. Der Verfassungsschutzbericht wendet sich auch an die Öffentlichkeit. Nach den Erfahrungen der Verfassungsschutzbehörde aus Anmerkungen und Rückfragen aus den Reihen der Leser werden die Berichte nicht wie etwa eine Zeitung - und damit eher flüchtig - sondern wie eine Fachzeitschrift oder ein Nachschlagewerk gelesen, was auf ein vertieftes Auseinandersetzen mit den jeweils interessierenden Berichten schließen lässt. Um den Anforderungen der Rechtsprechung an die Art und Weise der Veröffentlichungen im Verfassungsschutzbericht gerecht zu werden, ist es daher sinnvoll und hinreichend, wenn es im Vorwort eine ausführliche Darstellung zu den allgemeinen Voraussetzungen der Verdachtsberichterstattung gibt, und die Verdachtsberichterstattung in einer erläuternden Fußnote zu den einzelnen Kapitelüberschriften der Extremismusbereiche und im Einzelfall in den Texten zu den Beobachtungsobjekten noch einmal hervorgehoben wird. Eine Aufteilung des Verfassungsschutzberichtes in erwiesene Bestrebungen und solche, für die (nur) ein Verdacht vorliegt, ist dagegen nicht sinnvoll. Der Bericht würde unübersichtlich. So könnte ein Phänomenbereich wie der Rechtsextremismus nicht insgesamt mit seinen verschiedenen Strömungen thEmEn im Fokus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 dargestellt und vor allem die Zusammenhänge nicht erläutert werden. Zudem lassen sich die Bestrebungen nicht ohne weiteres in "erwiesene Bestrebungen" und solche, bei denen nur "Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen" aufteilen, denn sie sind als solche keiner statischen Einteilung zugänglich. Sie sind vielmehr durch eine dynamische Entwicklung gekennzeichnet. Ferner lassen sich Bestrebungen in den meisten Fällen nur dann als "erwiesen" bezeichnen, wenn sie sich selbst und öffentlich als extremistisch darstellen. 214 Fazit Die neueren Entscheidungen der Gerichte zur Rechtmäßigkeit von Darstellungen extremistischer Bestrebungen in Verfassungsschutzberichten führen konsequent die verfassungsrechtliche Rechtsprechung fort, die sich zur Bedeutung des informationellen Selbstbestimmungsrechtes und zum Eingriffscharakter von mittelbaren Grundrechtsbeeinträchtigungen herausgebildet hat. Für die Berichterstattung bedeutet dies, dass die faktischen Nachteile, die darin erwähnten Gruppierungen entstehen können, mit den durch den Verfassungsschutzbericht verfolgten Zwecken abgewogen und in Einklang gebracht werden müssen. Die damit verbundene Begrenzung der Darstellungsspielräume ist nicht nur im Hinblick auf die grundrechtlichen Gewährleistungen erforderlich, sondern auch vom Zweck des Verfassungsschutzberichtes getragen: Der Verfassungsschutzbericht kann nur solange wirksames Mittel der streitbaren Demokratie sein, solange er sich nicht selbst in Widerspruch zur Demokratie setzt. Die im Rahmen der grundrechtlichen Gewährleistungen verbleibenden Entscheidungsspielräume müssen aber weiterhin von den Verfassungsschutzämtern konsequent genutzt werden. Der Verfassungsschutzbericht wird seiner Warnfunktion nur dann gerecht, wenn er seine Erkenntnisse schon zu einem Zeitpunkt veröffentlicht, zu dem eine politische Auseinandersetzung mit der Bestrebung noch möglich ist. 22 Änderung des Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen Am 0. Dezember 2006 ist ein geändertes Verfassungsschutzgesetz in Kraft getreten, das einerseits die zur Terrorismusbekämpfung erforderlichen Instrumente, andererseits aber auch neue Maßstäbe zur Sicherung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Bürgerrechte enthält. Anlass der Gesetzesänderung waren die nach den Terroranschlägen des Jahres 200 eingefügten neuen Befugnisse, die nur befristet bis zum . Januar 2007 gewährt worden waren. Aufgrund der weiterhin bestehenden Bedrohungslage mussten diese auf Basis eines zuvor erstellten Evaluierungsberichtes in modifizierter Form verlängert 6 thEmEn im Fokus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 werden. Aber auch die technischen Weiterentwicklungen im Bereich der Observationstechniken, der elektronischen Datenverarbeitung und sonstigen IT-Nutzungen machten eine Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes erforderlich. Ebenso war die neuere Rechtsprechung zum informationellen Selbstbestimmungsrecht, insbesondere die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Einsatz von Global-Positions-Systemen (GPS), bei der Überarbeitung des Gesetzes zu berücksichtigen. Die konsequente Umsetzung dieser Vorgaben in der vom Landtag am 20. Dezember 2006 verabschiedeten Änderung haben dazu geführt, dass das Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen zu einem der modernsten Sicherheitsgesetze ausgestaltet wurde: : Die 2002 neu eingefügten Auskunftsbefugnisse gegenüber Banken und Telekommunikationsunternehmen wurden verlängert und ihr Anwendungsbereich auf die Abwehr schwerwiegender Gefahren durch inländischen Extremismus erweitert. So wird es in Zukunft möglich sein, auch Auskünfte über sogenannte home-grown terrorists einzuholen. Auf diese besonderen Auskunftsbefugnisse muss aber regelmäßig bei der Beobachtung des Linksund Rechtsextremismus weiterhin verzichtet werden, da diese in der Regel keine "schwerwiegende Gefahr" darstellen. : Das nachrichtendienstliche Mittel der Observation wurde entsprechend dem vom Bundesverfassungsgerichts hervorgehobenen Bestimmtheitsgebots ausdrücklich auf Observation mit technischen Mitteln erweitert. Diese ist allerdings nur bei sicherheitsgefährdenden, geheimdienstlichen Tätigkeiten oder bei Bestrebungen von erheblicher Bedeutung zulässig. : Im Rahmen der Aufzählung der zulässigen nachrichtendienstlichen Mittel werden nunmehr auch Maßnahmen zur Aufklärung des Internets sowie der heimliche Zugriff auf informationstechnische Systeme ausdrücklich genannt. Damit ist der Verfassungsschutz explizit ermächtigt, sich an neuen extremistischen Kommunikationsnetzen, wie Chatrooms, zu beteiligen, um frühzeitig Informationen über terroristische Umtriebe, wie Anschlagsplanungen im weltweit zugänglichen Netz zu erlangen. Über den heimlichen Festplattenzugriff lässt sich auch Internettelefonie und abgespeicherter E-Mail-Verkehr überwachen. Ein heimlicher Zugriff auf informationstechnische Systeme ist aber nur außerhalb des Kernbereichs privater Lebensgestaltung zulässig. Dies bedeutet, dass die Behörde nur solche Daten sichten darf, die nicht höchstpersönlicher Natur sind, wie beispielsweise Tagebücher. Darüber hinaus ist ein Zugriff auf die Festplatten nur unter den Voraussetzungen des Gesetzes zu Artikel 0 Grundgesetz erlaubt. Dies bedeutet, dass tatsächliche Anhaltspunkte für eine im G0-Gesetz ausdrücklich genannte gewichtige Straftat wie Hochverrat, Mord, Brandstiftung oder Bildung einer terroristischen Vereinigung vorliegen müssen. Daneben ist eine solche Maßnahme von der Zulässigkeitskontrolle der G0-Kommission abhängig. Die vom Parlament eingesetzte, unabthEmEn im Fokus 7 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 hängige G0-Kommission nimmt für die heimlichen Überwachungsmaßnahmen die Rolle des Richters wahr und kontrolliert darüber hinaus auch noch die Durchführung der Maßnahmen und die Wahrung der Rechte der Betroffenen. : Zur Wahrung der Balance zwischen Freiheit und Sicherheit ist die Verfassungsschutzbehörde zukünftig verpflichtet, die von nachrichtendienstlichen Mitteln Betroffenen im sicherheitspolitisch größtmöglichen Umfang nach Abschluss der Maßnahme zu unterrichten. Zusammen mit der neuen Verpflichtung, alle heimlich beschafften Informationen zu kennzeichnen stellt das Verfassungsschutzgesetz in Nordrhein-Westfalen eine Transparenz für den Bürger her, die in dieser ausgeprägten Form in keinem anderen Verfassungsschutzgesetz enthalten ist. : In das Gesetz wurden auch Regelungen zur elektronischen Sachaktenhaltung eingefügt, die es der Verfassungsschutzbehörde möglich macht, ihre Informationen in neuen Wissensund Informationssystemen zu verarbeiten. Dies führt einerseits zu einer schnelleren, qualitativ höherwertigen Analysekompetenz, die für die Beobachtung des global aktiven islamistischen Terrorismus unablässig ist. Andererseits macht eine solche zentrale Datenbank auch Mehrfacherhebungen und Doppelspeicherungen überflüssig und vereinfacht die datenschutzrechtliche Kontrolle. Durch die neue Befugnis, an gemeinsamen Dateien teilnehmen zu können, wird der automatisierte Datenaustausch mit anderen Sicherheitsbehörden, insbesondere der Polizei, möglich gemacht. So darf der Verfassungsschutz zukünftig zum Beispiel personenbezogene Daten aus dem Bereich des internationalen Terrorismus in die Antiterrordatei einspeisen und trägt damit dazu bei, dass im Gefahrenfall alle Informationen sofort zugänglich sind. Entsprechend des Befristungsgesetzes ist das Verfassungsschutzgesetz 2009 insgesamt auf seine Wirksamkeit hin zu überprüfen. Die besonderen Auskunftsrechte und die neu gestalteten nachrichtendienstlichen Mittel müssen darüber hinaus im Jahr 20 durch einen externen Sachverständigen evaluiert werden. Sie sind zudem bis zum . Januar 202 befristet. 8 thEmEn im Fokus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Rechtsextremismus29 Kernaufgabe des Verfassungsschutzes ist die Sammlung und Auswertung von Informationen über extremistische Organisationen und Gruppierungen, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten. Was zu den Wesensmerkmalen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gehört, hat das Bundesverfassungsgericht in seinen Verbotsurteilen gegen die 'Sozialistische Reichspartei' (SRP) 92 und die 'Kommunistische Partei Deutschlands' (KPD) im Jahr 96 bestimmt. Danach gehören hierzu: : Grundund Menschenrechte : Volkssouveränität : Gewaltenteilung : Verantwortlichkeit der Regierung : Gesetzmäßigkeit der Verwaltung : Unabhängigkeit der Gerichte sowie das : Mehrparteienprinzip mit dem Recht auf Bildung und Ausübung einer Opposition. Rechtsextremisten lehnen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung ab. Sie betonen die ethnische Zugehörigkeit als bestimmendes Merkmal der Nation und als Grundlage der Politik. Rechtsextremisten sind von der Vorstellung geprägt, dass die Zugehörigkeit zu einer Nation oder Rasse entscheidende Bedeutung für das Individuum besitzt, der alle anderen Interessen und Werte, auch Menschenund Bürgerrechte, untergeordnet seien. Vor diesem ideologischen Hintergrund gibt es für Rechtsextremisten kein friedliches, gleichberechtigtes und selbstbestimmtes Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft in einem Staat. Daraus folgen zwangsläufig Freund-Feind-Haltungen und Intoleranz gegenüber Menschen anderer Herkunft, anderen Aussehens, anderer Religion. Dieses propagierte politische Ordnungssystem einer rassisch verstandenen homogenen Volksgemeinschaft, eines antipluralistischen Systems, lässt für demokratische Entscheidungsprozesse ebenso wenig Raum wie für die freie Selbstentfaltung jedes Einzelnen. Alles und jeder hat sich dem völkischen Staat bedingungslos unterzuordnen. 29 Zur Erfüllung seiner Funktion als Frühwarnsystem in der wehrhaften Demokratie ist der Verfassungsschutz durch das Verfassungsschutzgesetz NRW berechtigt, über eine Organisation zu berichten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer verfassungsfeindlichen Bestrebung vorliegen. Für eine Berichterstattung ist es nicht Voraussetzung, dass sich Verdachtsmomente bis zur Einschätzung als "verfassungsfeindlich" verdichtet haben. Soweit nur Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, wird dies ausdrücklich hervorgehoben. rEchtsExtrEmismus 9 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Zwar ist der Rechtsextremismus nicht ideologisch homogen. Eine gegen den Gleichheitsgrundsatz gerichtete Fremdenfeindlichkeit und ein ausgrenzender Nationalismus kommen aber in allen Varianten des Rechtsextremismus vor. Die unterschiedlichen Erscheinungsformen des Rechtsextremismus und die damit einhergehenden unterschiedlichen Gefahrenpotenziale lassen sich nur unzureichend über die bloße Beschreibung von Organisationen und Gruppierungen darstellen. Zur besseren Transparenz - und um das unterschiedliche Gefährdungspotenzial für die freiheitliche demokratische Grundordnung zu veranschaulichen, wurde die bisherige Berichterstattung strukturell geändert. Schwerpunkte sind nunmehr die Agitationsformen innerhalb des Rechtsextremismus. Allgemein lassen sich drei grundlegende Formen des Rechtsextremismus erkennen: : der aktionsorientierte Rechtsextremismus. Der aktionsorientierte Rechtsextremismus artikuliert sich als Machtausübung im sichtbaren öffentlichen Raum. Zum sichtbaren öffentlichen Raum gehört vor allem die "Straße". Insbesondere neonazistische Gruppierungen sehen daher ihren Aktionsschwerpunkt in der Organisation und Durchführung von Demonstrationen. Gezielte und quantitativ zunehmende Demonstrationspolitik hat einen besonderen identitätsstiftenden Stellenwert nach innen: Stärkung der politischen Gesinnungsgemeinschaft. Sie hat auch demonstrativen Stellenwert für die Durchsetzung konkreter politischer Ziele nach außen: Propaganda und Machtpolitik. Daneben gibt es die sogenannte subkulturell geprägte, zum Teil gewaltbereite jugendorientierte Skinheadszene, die ihren Schwerpunkt in der Organisation und Durchführung rechtsextremistischer Musikveranstaltungen hat. : der parlamentsorientierte Rechtsextremismus. Bei dem parlamentsorientierten Rechtsextremismus geht es vor allem um die Erlangung von Einfluss im parlamentarischen Raum bzw. auf den politischen Willensbildungsund Entscheidungsprozess. Das Ziel ist die Abschaffung des demokratischen Verfassungsstaates unter formaler Beachtung demokratischer Regeln und zum Teil unter Ausnutzung des grundgesetzlich garantierten Schutzes der Parteien (Parteienprivileg). Parlamentsorientiert sind zum Beispiel NPD, DVU und REP, die auf parlamentarischem Weg und durch die Teilnahme an Wahlen versuchen, politischen Einfluss zu gewinnen, um ihre ideologischen Vorstellungen durchzusetzen. Bei der NPD ist allerdings durch die Zusammenarbeit mit neonazistischen Gruppierungen eine Schnittstelle zum aktionsorientierten Rechtsextremismus vorhanden. : der diskursorientierte Rechtsextremismus. Der gesellschaftspolitische Diskurs wird nicht nur von Parteien, sondern auch von Organisationen bzw. Kleingruppen beeinflusst, die zum Beispiel über Periodika und Gesprächszirkel intellektuell 0 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 und propagandistisch agieren. Sie greifen aktuelle politische oder gesellschaftliche Themen auf und deuten diese so um, dass sie rechtsextremistische Theorien scheinbar bestätigen. Langfristig soll die intellektuelle Meinungshoheit gewonnen werden. Mit ihren Veröffentlichungen haben die diskursorientierten Rechtsextremisten zwar keinen nennenswerten öffentlichen Einfluss, bestätigen aber das rechtsextremistische Weltbild ihrer Anhänger und tragen dadurch zum Zusammenhalt der Szene bei. Eine besondere Variante des diskursorientierten Rechtsextremismus ist der Revisionismus, der sich bemüht, seine Thesen in die Mitte der Gesellschaft zu tragen. Revisionisten leugnen die Verbrechen des Dritten Reiches und wollen die Folgen des Zweiten Weltkrieges rückgängig machen. Mit ihren Thesen bilden auch sie eine ideologische Klammer für den gesamten Rechtsextremismus. 31 Aktionsorientierter Rechtsextremismus 311 Neonazis Hintergrund Neonazis, die sich selbst auch 'Freie Nationalisten' nennen, streben die Schaffung eines "Vierten Reichs" an, das unter Ausschluss von Ausländern und Juden sowie nach der Angliederung der ehemaligen deutschen Ostgebiete das "Großdeutsche Reich" wieder aufleben lassen soll. Dazu gehört das Ideal eines antidemokratischen autoritären Führerstaats mit einer Einheitspartei sowie elitären und zentralistischen Elementen der Machtausübung. Der Neonazismus mit seinem Führerprinzip richtet sich damit gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, insbesondere gegen Parlamentarismus, Gewaltenteilung, Mehrparteiensystem und gegen die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. So hieß es beispielsweise: "Wir lehnen dieses System mit all seinen kranken gegen das eigene Volk gerichteten Auswüchsen ab. Wir wollen dieses asoziale System nicht reformieren, sondern abschaffen und ersetzen." (NIT-Rheinland im Internet am 20. April 2006) "Wir waren, sind und bleiben nationale Sozialisten, die einen revolutionären Umsturz des herrschenden politischen Systems herbeiführen wollen! Es ist unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit gegenüber unserer Rasse [...] mit ganzem Herzen und Einsatz voran zu treiben, wofür unsere Vorfahren schon standen, nämlich ein rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Großdeutschland der Ehre, der Freiheit und des Rechts!" (Freier Widerstand-Süddeutschland, im Internet am 7. Februar 2006) Unter der Überschrift "Schurken leben auch nicht ewig" erschien am 2. Mai 2006 im Internet auf der Webseite des 'Aktionsbüros-Westdeutschland' folgender Beitrag: "Spiegel entstammt einer Familie westfälischer Viehhändlerjuden, die während des Dritten Reiches nach Belgien verzog. [...] doch soll man uns nicht nachsagen, dass wir gegen die guten Sitten verstoßen, indem wir Toten nichts Gutes nachsagten - Gut das er tot ist." (Fehler im Original, Anm. d. Verf.) Neonazis auf Bundesebene Die ca. .200 Personen umfassende bundesdeutsche Neonazi-Szene organisiert sich in Personenzusammenschlüssen mit kaum erkennbaren Strukturen, sogenannten 'Freien Kameradschaften' oder ähnlich strukturierten Gruppierungen. Sie werden in der Regel von ein oder zwei Führungsaktivisten nach dem "Führerprinzip" geleitet. Diese strukturlose Form des Zusammenschlusses ist Folge der zahlreichen Verbote neonazistischer Gruppierungen in den Jahren 992 bis 996. Die lose Art der "Organisation" behindert in keiner Weise die Aktionsfähigkeit der 'Freien Nationalisten'. Da die meisten ihrer Angehörigen über gängige Kommunikationsmittel wie Mobiltelefone, Homepages im Internet und E-Mail-Adressen verfügen, sind sie jederzeit über anstehende Aktionen informiert. Zu den bundesweit für die Neonazi-Szene bedeutendsten zählen die Webseiten des 'Aktionsbüros Norddeutschland' und des 'Aktionsbüros Westdeutschland'. Die Mobilisierung, insbesondere für kurzfristig angesetzte Aktionen, erfolgt überwiegend durch SMS bzw. Telefonketten. Eine Ausnahme von der Kameradschaftsstruktur bildet die bundesweit agierende 'Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige' (HNG) mit Sitz in Frankfurt/Main. Diese Organisation der Neonazi-Szene ist als Verein nach dem Vereinsgesetz organisiert. Einzige Aufgabe der HNG ist die materielle und ideelle Betreuung inhaftierter Gesinnungsgenossen. Dies geschieht ausschließlich mit ihrer monatlich erscheinenden Publikation 'Nachrichten der HNG'. Darüber hinaus findet satzungsgemäß eine Jahreshauptversammlung statt. Aktionen zum 19 Todestag von Rudolf Heß Die zentrale Veranstaltung der bundesweiten Neonazi-Szene, die Demonstration aus Anlass des Todestages des "Führerstellvertreters" Rudolf Heß in Wunsiedel/Bayern fand auch in diesem Jahr nicht statt. Die von dem Hamburger Rechtsanwalt Jürgen Rieger für den 9. August 2006 in Wunsiedel angemeldete Heß-Gedenkkundgebung 2 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 wurde vom Landratsamt Wunsiedel verboten. Das Verbot, begründet mit der Regelung des SS 0 Abs. StGB, die die Verletzung der Würde der NS-Opfer unter Strafe stellt, wurde, wie bereits im Vorjahr, vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Allerdings erfolgte die Ablehnung einer die Demonstration zulassenden Eilentscheidung durch das Bundesverfassungsgericht mit dem Hinweis, dass bis zur nächsten Demonstration im August 2007 mit einer Hauptsacheentscheidung der Verwaltungsgerichte zu rechnen sei und damit der Weg für eine Verfassungsbeschwerde frei würde. Sowohl das erneute Unterliegen vor dem Bundesverfassungsgericht als auch die geringen Teilnehmerzahlen bei den wenigen Ersatzveranstaltungen gestalteten sich als Reinfall für die rechtsextremistische Szene. Eine weitere für die Neonazi-Szene bedeutsame Veranstaltung findet seit Jahren am Volkstrauertag, dem sogenannten "Heldengedenktag", statt. In der Vergangenheit hatte der Hamburger Neonazi Christian Worch diese Veranstaltung regelmäßig in Halbe/Brandenburg angemeldet und durchgeführt. In diesem Jahr demonstrierten er und seine Anhänger in Seelow, einem anderen Schauplatz der letzten Kriegstage. An der Veranstaltung nahmen .080 Personen teil. Verbote neonazistischer Vereinigungen Im Berichtsjahr kam es erneut zu einem Verbot einer sogenannten 'Freien Kameradschaft'. Der Innenminister des Landes Brandenburg hat mit Verfügung vom . Juli 2006 den Verein 'Schutzbund Deutschland' verboten. Die formalen Voraussetzungen für ein Verbot, insbesondere die Vereinseigenschaft der Kameradschaft, sah die Behörde als gegeben an. Dem gegenüber bieten nordrhein-westfälische Kameradschaften weiterhin kaum Anknüpfungspunkte für ein Verbot, da die für ein Vereinsverbot erforderliche Vereinsstruktur fehlt: Es gibt keine Satzung, Broschüren und ähnliches werden nicht herausgegeben. In den in NordrheinWestfalen bekannten Kameradschaften wird rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 auch - zumindest aus taktischen Gründen - von den jeweiligen Führungspersonen bereits die Diskussion über einen organisierten Gewalteinsatz unterbunden. 312 Kampfbund Deutscher Sozialisten (KDS) Als bundesweiter Zusammenschluss von Neonazis wurde der 'Kampfbund Deutscher Sozialisten' (KDS) am . Mai 999 in Kremnitz/Brandenburg gegründet. Er ist nach eigener Aussage "ein parteiund organisationsunabhängiger Zusammenschluss auf der Basis des Bekenntnisses zu Volk und Heimat". Darüber hinaus sieht er sich als Kampfforum "linker" und "rechter" Sozialisten. Der KDS ist eine der wenigen neonazistischen Organisationen, die bundesweit vertreten sind und vereinsähnliche Strukturen aufweisen. Die Aktivitäten des KDS beschränkten sich im Jahr 2006 im Wesentlichen auf Veröffentlichungen im Internet. Daraus ging auch hervor, dass einer seiner führenden Aktivisten aus Hessen im Frühjahr 2006 von seinen Ämtern im KDS zurückgetreten ist. Eine weitere Schwächung erfuhr der KDS durch den Haftantritt seines GAU-Sekretärs für das Rheinland, personenidentisch mit dem Kameradschaftsführer der 'Kameradschaft Walter Spangenberg Köln', im Juli 2006 sowie dem Haftantritt weiterer Mitglieder. In Nordrhein-Westfalen gab es ein sogenanntes GAU-Treffen des KDS im Februar in Leverkusen sowie eine Plakataktion am 2. April 2006 im Stadtgebiet von Velbert mit der Aufschrift: "EUROPA ERWACHE! Kein islamistisches Europa! Kein - Gottesstaat - in Deutschland! Kampfbund Deutscher Sozialisten!". Auf der Webseite des KDS hieß es im März 2006: "Der KDS befindet sich nach Analyse der Organisationsleitung in einer strategischen Sackgasse, aus der es nun gilt herauszusteuern". Dies ist eine durchaus realistische Selbsteinschätzung. Der derzeitige Verlust von Führungspersönlichkeiten wird dazu führen, dass der politische Einfluss des KDS innerhalb der bundesdeutschen Neonazi-Szene gegen Null tendiert. rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 313 Neonazi-Szene in NRW Die Zahl der erkannten Neonazis in Nordrhein-Westfalen einschließlich ihres mobilisierbaren Potenzials ist mit ca. 60 Szeneangehörigen gegenüber dem Vorjahr leicht gestiegen. Rückläufig ist dagegen die Zahl der öffentlichkeitswirksamen Auftritte von Szeneangehörigen in Form von Demonstrationen, mit denen sie ihr politisches Anliegen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machen wollen. Im Jahr 2006 kam es zu 8 durchgeführten Demonstrationen. Die Zahl der daran beteiligten Aktivisten schwankte zwischen 0 und 0. Räumliche Schwerpunkte waren Dortmund und Hamm mit fünf bzw. drei Demonstrationen. Dabei wurden allein je fünf Demonstrationen von zwei bekannten Neonazis aus Köln bzw. Dortmund angemeldet. Insgesamt war zu erkennen, dass der überwiegende Teil der Anmelder deutlich jünger, Anfang bis Mitte 20, als die Anmelder der Vorjahre war. Die Themenpalette reichte von Bekundungen "Gegen staatliche Repressionen - Weg mit dem Paragrafen 0 StGB" über "Nationale Souveränität erhalten. Deutschland raus aus der EU" bis hin zu "Multi-Kultur abschaffen - Moscheebau stoppen". Darüber hinaus befassten sich die Demonstrationsinhalte mit sozialpolitischen Themen sowie der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner, der Polizei und der Justiz. Mit den Demonstrationen verfolgen Neonazis zum einen das Ziel, sich politisch in der Öffentlichkeit zu positionieren und damit ihren Machtanspruch zu demonstrieren. Zum anderen benutzen sie die Straße als Plattform zur Provokation des Rechtsstaats. Lokale und regionale Neonazi-Gruppierungen Wie im übrigen Bundesgebiet gibt es in der Neonazi-Szene in Nordrhein-Westfalen zum einen die sogenannten 'Freien Kameradschaften' oder ähnlich strukturierte Personenzusammenschlüsse, andererseits existieren völlig strukturlose sogenannte Misch-Szenen. Kameradschaften bestehen im Kreis Aachen, in Dortmund, im Hochsauerlandkreis/Kreis Siegen, im Rhein-Sieg-Kreis und in Köln. Kameradschaftsähnliche Strukturen existieren im Ennepe-Ruhr-Kreis, in Düsseldorf, Wuppertal, Hamm und im Kreis Gütersloh. Unstrukturierte Misch-Szenen gibt es dagegen in den Kreisen Kleve, Wesel, Steinfurt, Mettmann, Herford, Minden-Lübbecke, Gütersloh, dem Oberbergischen Kreis, Duisburg und Bielefeld. Diese Szenen ähneln eher Cliquen und sind zum Teil mit Angehörigen rechtsextremistischer Parteien und der SkinheadSzene vermischt. rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Ideologiestreit trennt die Neonazi-Szene Der ideologische Streit innerhalb der Neonazi-Szene über die Zusammenarbeit mit der NPD zur Durchsetzung politischer Ziele hat sich auch im Jahr 2006 in NordrheinWestfalen fortgesetzt. Ein Teil der Szene sieht in der Unterstützung der NPD eine Möglichkeit, die eigenen politischen Zielvorstellungen auch im parlamentarischen Raum zu verfolgen und dabei gleichzeitig an der jeweils erwarteten Wahlkampfkostenerstattung zu partizipieren. Die Gegner der "Volksfront von rechts" (siehe hierzu den Beitrag über die NPD) bewerten die NPD als "Systempartei" und lehnen eine Unterstützung grundsätzlich ab. Sie sehen den entscheidenden Schwerpunkt zur Durchsetzung ihrer Ziele in der Durchführung öffentlichkeitswirksamer Aktionen in Form von Demonstrationen. Sie führen den "Kampf um die Straße". Die NPDorientierten Neonazis werden im Wesentlichen repräsentiert durch Angehörige des 'Aktionsbüros Norddeutschland' und die Führungsaktivisten Thomas Wulff (Mecklenburg-Vorpommern), Thorsten Heise (Thüringen) und Ralph Tegethoff (RheinSieg-Kreis). Die NPD-Gegner formieren sich um den Hamburger Neonazi Christian Worch und in Nordrhein-Westfalen um die Kameradschaftsszene in Köln. Kameradschaft Aachener Land Die 'Kameradschaft Aachener Land' hat im Jahr 2006 ihre Aktivitäten überwiegend in den Kreis Düren verlagert. Sie gehört weiterhin zu den aktivsten Unterstützern der NPD und führt mit ihr gemeinsame Aktionen zunehmend im Kreis Düren durch. Hierbei handelt es sich zum Beispiel um Kranzniederlegungen am Soldatenehrenmal in Hürtgenwald-Vossenack, gemeinsame sogenannte "Jul-Feste" sowie Erntedankfeiern. Szene im Hochsauerlandkreis/Kreis Siegen Die Kameradschaft 'Nationaler Widerstand Hochsauerland' bzw. 'Freie Nationalisten Sauerland/Siegerland' schränkte aufgrund des Wegzugs ihrer Führungsaktivistin ihre Aktivitäten im Jahre 2006 erheblich ein. Im Ideologiestreit gehört die Kameradschaft zu den Unterstützern der NPD. Szene in Dortmund Die unter den Bezeichnungen 'Nationaler Widerstand Ruhrgebiet', 'Nationaler Widerstand der unabhängigen Dortmunder Kameraden' oder 'Kameradschaft Teutonia' agierenden Aktivisten kommen aus dem Großraum Dortmund sowie den angrenzenden Ruhrgebietsstädten. Die Szene schafft es im Einzelfall, bis zu 80 Personen zu 6 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 mobilisieren. Ihre Aktivisten haben an allen bedeutsamen öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen der bundesweiten Neonazi-Szene im Jahr 2006 teilgenommen. Im ideologischen Streit innerhalb der NeonaziSzene tendiert die Dortmunder Szene eher zu der die NPD ablehnenden Gruppe um Worch. Die Aktivisten unterhalten engen Kontakt zu ihren Gesinnungsgenossen in Hamm, von denen einige regelmäßig an den Kameradschaftstreffen in Dortmund teilnehmen. Die bisherige unangefochtene Führungspersönlichkeit, Siegfried Borchardt hat sich im Jahr 2006 erkennbar aus der Führungsarbeit zurückgezogen. An seine Stelle sind Angehörige der nachwachsenden Generation der Neonazis getreten, die zum Teil den sogenannten 'Autonomen Nationalisten' zuzurechnen sind. Die Angehörigen dieser Gruppierung verstehen sich wesentlich politischer und sind vom Grundsatz her gewaltbereit. Gelegentlich treten sie bei Demonstrationen in Form von sogenannten "schwarzen Blöcken" auf, die im Erscheinungsbild den linken Autonomen ähneln. Bezüglich ihrer grundsätzlichen Gewaltbereitschaft hieß es in einer Veröffentlichung auf der Internetseite des 'Aktionsbüros Westdeutschland' vom Januar 2006: "Wir wollen unsere Ziele nicht mit Gewalt durchsetzen, jedoch werden wir uns auch nicht von diesem Besatzersystem rumschubsen lassen. Wir wollen friedlich und gewaltfrei unsere Meinung in das Volk tragen. Wer aber meint, er müsse uns mit Gewalt davon abhalten, der wird sehr schnell die passende Antwort erhalten. Wer uns auf die rechte Backe haut, der bekommt anschließend rechts und links eine!" 'Autonome Nationalisten' sind wegen ihres Auftretens bei Demonstrationen und ihrer grundsätzlichen Gewaltbereitschaft nicht unumstritten in der Neonazi-Szene. Im Jahr 2006 kam es in NRW nur zu sporadischen öffentlichen Auftritten. Szene im Rhein-Sieg-Kreis Diese Szene sowie Neonazis aus benachbarten Gebieten in Rheinland-Pfalz sind in der 'Freien Kameradschaft Sturm-Rhein-Sieg' organisiert. Ihr Kameradschaftsführer gehört zu den führenden bundesdeutschen Neonazis und zählt zu den Aktivisten, die 200 demonstrativ in die NPD eingetreten sind. Die Angehörigen der Kameradschaft treffen sich regelmäßig in einer Gaststätte im benachbarten Rheinland-Pfalz. rEchtsExtrEmismus 7 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Kölner Szene Die 'Kameradschaft Walter Spangenberg Köln' wurde 998 gegründet. Ihr Kameradschaftsführer ist überzeugter Nationalsozialist und gehört zu den aktivsten Personen der nordrhein-westfälischen Neonazi-Szene mit bundesweiten Kontakten. Bis zum Sommer 2006 trat er als äußerst aktiver Anmelder von Demonstrationen nicht nur in Nordrhein-Westfalen in Erscheinung. Darüber hinaus war er bundesweit ein gern gesehener Redner auf öffentlichen Veranstaltungen der Szene. Der dem Hamburger Neonazi Christian Worch sehr nahe stehende Kameradschaftsführer trat am 26. Juli 2006 eine mehrjährige Haftstrafe unter anderem wegen Volksverhetzung an. Da auch sein Stellvertreter wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt wurde und seine Haft ebenfalls angetreten hat, ist die Kölner Kameradschaft auf längere Zeit führerlos. Ob sie sich in ihrer bisherigen Struktur erhalten wird, bleibt daher abzuwarten. Schlussbemerkung Die Angehörigen der nordrhein-westfälischen Neonazi-Szene bleiben eine Minderheit. Sie sind einer breiten Öffentlichkeit kaum bekannt und stellen innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums keine bedeutsame Größe dar. Vor allem wegen der intensiven Bezüge der Neonazis zur nationalsozialistischen Ideologie bleiben sie ein wichtiges Beobachtungsobjekt für den Verfassungsschutz. 314 Rechtsextremistische Skinheads Entstehung und Entwicklung der Skinhead-Szene Die Skinhead-Szene entstand Ende der 960er Jahre in Großbritannien. Jugendliche aus der Arbeiterschicht begehrten gegen vermeintliche soziale Missstände und steigende Arbeitslosigkeit infolge der zunehmenden Rationalisierung in der Industrie auf. Ihre Zugehörigkeit zur Subkultur dokumentierten Skinheads durch ihr Äußeres: kahlgeschorene Schädel, Bomberjacken, schwere Arbeitsstiefel und Hosenträger. Die Aktivitäten der Skinheads der ersten Generation waren weitgehend unpolitisch und beschränkten sich im Wesentlichen auf Alkoholkonsum, den Besuch von Konzerten oder Fußballspielen und Gewalt. Die Skinhead-Szene, vor allem in Großbritannien, machte mit immer härteren Gewaltexzessen von sich Reden, und damit nahm auch der gesellschaftliche und staatliche Druck auf die Subkultur zu. Dies hatte zur Folge, dass die erste Skinhead-Welle bereits zu Beginn der 70er Jahre verebbte. Erst gegen Ende der 70er Jahre lebte die 8 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Skinhead-Kultur als Reaktion auf den kommerziellen Ausverkauf des Punk wieder auf. Kleidung, Musik und Verhalten der ersten Skinhead-Generation wurden aufgegriffen. Jedoch fanden nun viele Jugendliche Zugang zu der Subkultur, die vor allem durch die Gewalt angezogen wurden. Die schlechte wirtschaftliche Situation Großbritanniens und die Verbindung der Themen Einwanderung und fehlende Arbeitsplätze für Jugendliche lösten eine zunehmende Politisierung dieser sogenannten Oi!-Bewegung aus, die durch die rechtsextremistische 'National Front' (NF) genutzt wurde. Ende der 970er Jahre breitete sich die Skinhead-Subkultur in das europäische Ausland und in alle Welt aus. Spätestens seit der Wiedervereinigung ist die SkinheadSzene auch in Deutschland eine bedeutende Größe. Skinheads und Gewalt Die Ursachen jugendlicher Gewalt sind vielschichtig und waren wiederholt Anlass soziologischer und kriminologischer Untersuchungen. Danach wird die allgemeine Jugendkriminalität durch schwierige Familienverhältnisse, fehlende Erfolgserlebnisse und Misserfolge in Ausbildung und Beruf oder durch gruppendynamische Zwänge begünstigt. Diese Faktoren treffen häufig auch auf rechtsextremistische Straftäter zu. Äußerlichkeiten wie Kleidung oder Haarschnitt lassen heute keine eindeutigen Schlüsse auf eine Zuordnung zur Skinhead-Szene mehr zu, da mittlerweile auch viele unpolitische Jugendliche ein vermeintlich Skinhead-typisches Aussehen zeigen, ohne der Szene anzugehören. Darüber hinaus stellt der unpolitische Teil der Skin-Bewegung, die sogenannten Oi!-Skins, einen großen Anteil der Szene. Die Öffentlichkeit nimmt von der vielschichtigen Skinhead-Szene hauptsächlich den starken rechtsextremistischen Flügel wahr, der sich nicht nur über sein provozierendes Äußeres und eine aggressive Musik definiert, sondern auch über neonazistische Ideologieelemente. Anders als bei den Neonazis zeigen sich diese aber nicht in erster Linie in einer primär ideologischen Argumentation, sondern in vielfältigen, zum Teil auch spontanen gewalttätigen Aktionen. Rechtsextremistische Skinhead-Musikszene Die Skinhead-Szene - wie jede Jugendsubkultur - wird von den szeneinternen Medien geprägt. Hierzu gehört insbesondere die Skinhead-Musik als ein wichtiges und identitätsstiftendes Element, sie wirkt als Integrationsund Aggressionsfaktor. Die mögliche Wirkung der "Musik als Mittel der Indoktrination" darf dabei nicht rEchtsExtrEmismus 9 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 verkannt werden. Dass Musik als Medium für die ideologische Beeinflussung von Jugendlichen verwandt werden soll, wird bereits in einem Zitat des Briten Ian Stuart Donaldson (auch als Ian Stuart bekannt) deutlich: "[Musik] berührt die jungen Leute, die von den Politikern nicht erreicht werden. Viele finden die Politik, parteipolitisch gesehen, langweilig, was teilweise stimmt. Es ist doch viel angenehmer, mit anderen ein Konzert zu besuchen und Spaß zu haben, als in eine politische Versammlung zu gehen." Donaldson, Frontmann der britischen Band 'Skrewdriver', gründete 987 die inzwischen in Deutschland rechtskräftig verbotene 'Blood & Honour'-Organisation zur Verbreitung rechtsextremistischen Gedankengutes durch Musik und zur Organisation der rechtsextremistischen Skinhead-Szene. Im September 99 kam Donaldson mit zwei weiteren Bandmitgliedern bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Seitdem wird der schon zu Lebzeiten gefeierte "Skinhead-Führer" in der Szene als Kultfigur verehrt. Skinhead-Konzerte und sonstige Musikveranstaltungen ("Lieder-" beziehungsweise "Balladenabende") dienen der ansonsten weitgehend unorganisierten, rechtsextremistischen Skinhead-Szene als Treffpunkt, um Pogo zu tanzen und Alkohol zu konsumieren, als Orte, an denen Kontakte geknüpft und ausgebaut werden und rechtsextremistische Propaganda betrieben und verbreitet wird. Dabei üben die konspirative Vorbereitung der Konzerte und das Auftreten von Skinhead-Bands, die zum Teil strafrechtlich relevante Liedtexte darbieten, einen besonderen Reiz auf gerade jugendliche Teilnehmer aus. Auf den Konzertveranstaltungen werden die Lieder teilweise durch eine besondere Art der Darstellung (zum Beispiel Zeigen des Hitlergrußes, Sieg-Heil-Rufe) zur ideologisch-propagandistischen Interaktion mit der Zuhörerschaft vorgetragen. Die Bands spielen neben aktuellen, oftmals durch "verschärfte" Passagen angereicherten Stücken auch indizierte Lieder, die innerhalb der Szene bestens bekannt sind. Im Verlauf von Skinhead-Konzerten werden auch immer wieder Handlungen begangen, meist sogenannte Propagandadelikte; allerdings ohne, dass die für eine strafrechtliche Verfolgung erforderliche Außenwirkung vorliegt. Aufgrund von Exekutivmaßnahmen der Sicherheitsbehörden, der Indizierung durch die 'Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien' (BPjM) sowie einer allgemeinen sozialen Ächtung ist zu beobachten, dass politische Botschaften verhaltener formuliert und strafrechtlich relevante Textpassagen seltener verwandt werden. Skinhead-Konzerte können nach der derzeitigen Rechtslage nur dann verboten werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen von Straftaten bestehen. Das 60 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 bloße "Skinhead-Sein" mit dem damit verbundenen provokativen Outfit und Verhalten - auch wenn der überwiegende Teil der Gesellschaft dieses ablehnt - begründet noch keine Maßnahmen von Polizei oder Verfassungsschutz. Skinhead-Musikveranstaltungen in NRW Im Laufe des Jahres 2006 wurden in Nordrhein-Westfalen insgesamt Musikveranstaltungen unterschiedlichen Charakters (Liederabende, Konzertveranstaltungen sowie private Feiern unter Beteiligung von Skinhead-Bands) bekannt. Es handelte sich um sieben Skinhead-Konzerte mit einer Teilnehmerzahl von maximal 20 Personen und sieben Liederabende mit Teilnehmerzahlen zwischen 20 und 90 Personen. Die Veranstaltungen verliefen ohne Außenwirkung. Ihre Vorbereitung erfolgte in den meisten Fällen höchst konspirativ unter Nutzung von SMS bzw. E- Mail mit kurzfristiger Bekanntgabe der Veranstaltungsorte. Dieses Verhalten der Organisatoren soll sicherstellen, dass geplante Veranstaltungen nicht kurzfristig verhindert werden können. Trotz der bestehenden Schwierigkeiten bei der Anmietung von Räumlichkeiten und bei der Durchführung von Musikveranstaltungen hat sich ihre die Anzahl geringfügig erhöht. Die Organisation der Veranstaltungen in kleinerem Rahmen - sowohl in Bezug auf die Räumlichkeiten als auch auf den Teilnehmerkreis - stellt die Szene offensichtlich vor weniger Probleme als die Organisation von groß angelegten Konzertveranstaltungen. Gerade bei der Vorbereitung einer großen Veranstaltung besteht auch ein hohes organisatorisches und finanzielles Risiko, da das Konzert mit großer Wahrscheinlichkeit verhindert wird. Teilnehmer an rechtsextremistischen Musikveranstaltungen kommen aus ganz Nordrhein-Westfalen und sind durchaus bereit, für einen Konzertoder Liederabendbesuch weite Anfahrten auf sich zu nehmen. Soweit sich dies aus den zur Verfügung stehenden Informationen über die Zusammensetzung des Teilnehmerkreises ableiten lässt, bestehen Schwerpunkte in den Regionen, in denen Rechtsextremismus auch in anderen Organisationsformen vertreten ist. Beispielhaft können hier die Regionen Aachen/Düren, Dortmund/Ennepetal, Siegen und Düsseldorf genannt werden. Im Jahr 2006 wurde bei insgesamt 6 der ca. 200 bundesweit durchgeführten Veranstaltungen eine Beteiligung aus Nordrhein-Westfalen - sei es durch den Auftritt einer nordrhein-westfälischen Band oder durch die Anreise von Teilnehmern aus NRW - bekannt. Im Einzelnen verteilten sich die oben genannten 6 Veranstaltungen wie folgt: rEchtsExtrEmismus 6 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Baden Württemberg Hessen Niedersachsen 0 Nordrhein-Westfalen Mecklenburg-Vorpommern Sachsen 6 Rheinland-Pfalz 2 Thüringen benachbartes Ausland 7 Nach wie vor werden auch Konzertangebote im benachbarten Ausland wahrgenommen, weil die dortige Rechtslage die Durchführung derartiger Veranstaltungen erleichtert. Vereinzelt wurde in den vergangenen Jahren beobachtet, dass Bands aus der Stilrichtung des NS-Black-Metal auf Konzerten der Skinhead-Szene gemeinsam mit Skinhead-Bands auftreten. Zwar ist sich die Szene in ihrer Meinung über eine solche Vermischung von Musik-Stilen nicht immer einig, jedoch gibt es auch positive Äußerungen über dortige Black-Metal-Auftritte. Der NS-Black-Metal als Stilrichtung greift unter anderem Themen aus dem historischen Nationalsozialismus auf, die in der rechtsextremistischen Szene positiv rezipiert werden. Skinhead-Bands in NRW Namentlich bekannt sind aus Nordrhein-Westfalen etwa 8 rechtsextremistische Skinhead-Bands, davon sind sechs Bands im Jahr 2006 inaktiv gewesen. Zu unterscheiden ist zwischen solchen Bands, die aktiv in der Szene tätig sind - nicht nur durch ihre Auftritte und CD-Veröffentlichungen, sondern auch durch die in Einzelfällen festzustellende Einbindung einzelner Bandmitglieder in organisierte Zusammenhänge - und solchen Bands, die sich als reine Studio-Projekte verstehen und keine Auftritte absolvieren. Außerdem ist in der recht unsteten und schnelllebigen Musikszene die Auflösung und Neugründung von Bands und das Betreiben von Nebenprojekten durchaus an der Tagesordnung, so dass hier eine ständige Fluktuation herrscht. 62 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Eine kontinuierliche und langjährige Aktivität in Nordrhein-Westfalen kann aber nur für wenige Bands - zum Beispiel 'Oidoxie' oder die 'Barking Dogs' - festgestellt werden. Andere Bands zeigen nur sporadische Aktivitäten mit längeren Phasen der Untätigkeit. Die Band 'Weisse Wölfe' zog vor allem durch ihre CD 'Weisse Wut' und durch personelle Überschneidungen mit der Band 'Oidoxie' Aufmerksamkeit auf sich. Im Zusammenhang mit dieser CD ist zurzeit ein Strafverfahren anhängig wegen des Verdachts, CDs und Videos mit volksverhetzenden und nationalsozialistischen Inhalten hergestellt und verbreitet zu haben. Skinhead-Zusammenschlüsse in NRW Insgesamt ist der Skinhead-Szene eine straffe Organisationsstruktur fremd. Auch die Versuche von 'Blood & Honour', 'Combat 8' oder der 'Hammerskins' haben nicht zur Ausbildung und festen Etablierung von Strukturen geführt. Zusammenschlüsse in der Skinhead-Szene - soweit es sie gibt -, haben einen sehr engen regionalen Bezug und bestehen in einer losen Verbindung der örtlich ansässigen Skinheads. Es finden keine regelmäßigen und organisierten Veranstaltungen statt, wie es im Bereich der Kameradschaften üblich ist. Vielmehr gibt es anlassbezogene Treffen, gemeinsame Besuche von Musikveranstaltungen und Partys zu unterschiedlichen Gelegenheiten. Eine Einbindung in eine solche regionale Gruppe schließt Aktivitäten in anderen, organisierten Zusammenhängen nicht aus, ist jedoch nicht Voraussetzung, um einen Zugang zur rechtsextremistischen Szene zu erhalten. Vereinzelt verfügen Skinhead-Bands über ein stabiles Fanpotenzial, welches sich regelmäßig trifft oder mit der Band zu deren Auftritten unterwegs ist und SaalschutzAufgaben übernimmt. Diese Fan-Gruppe setzt sich aus Personen des Band-Umfeldes oder auch guten Bekannten mit Bezug zur Szene zusammen. 'Blood & Honour', 'Combat 18' und 'Hammerskins' in NRW Nach dem rechtskräftigen Verbot im Jahr 200 sind bis heute keine Aktivitäten in NRW festzustellen, die den Fortbestand von Strukturen der 'Blood & Honour'-Organisation belegen würden. Zwar ist davon auszugehen, dass persönliche Kontakte/ Freundschaften der damaligen 'Blood & Honour'-Mitglieder teilweise vorhanden sind, jedoch sind Organisationsstrukturen in NRW nicht erkennbar. Die Organisation 'Combat 8' wurde Anfang der 990er Jahre als Schutztruppe gegen Übergriffe linker Gewalttäter in England gegründet. Nach dem Unfalltod Ian Stuart Donaldsons übernahmen Mitglieder von 'Combat 8' zunehmend die Führung rEchtsExtrEmismus 6 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 bei 'Blood & Honour'. Die Bedeutung von 'Combat 8' ist inzwischen aufgrund geringer Mitgliederzahlen und erneuter Streitigkeiten zwischen den Führungspersonen der Organisation erheblich gesunken. Einzelne Angehörige der rechtsextremistischen Szene in Nordrhein-Westfalen zeigen zwar eine gewisse Faszination für 'Combat 8', erkennbare Strukturen liegen aber nicht vor. Die Verwendung des Begriffs 'Combat 8' ist offensichtlich mit einem hohen Ansehen in der rechtsextremistischen Skinhead-Szene verbunden, und es ist daher wahrscheinlich, dass dessen Verwendung mit dem Ziel erfolgt, das eigene Ansehen aufzuwerten. Die 'Hammerskins' wurden Mitte der 980er Jahre in den USA gegründet. Erklärtes Ziel ist es, weltweit alle weißen und rechtsextremistischen Skinheads in einer "Hammerskin-Nation" zu vereinigen. 'Hammerskins' vertreten rassistische Grundeinstellungen und betrachten sich selbst als die Elite der Skinhead-Bewegung. In Nordrhein-Westfalen liegen keine Erkenntnisse über eine Hammerskin-Organisation vor. Ausblick Im Jahr 2006 ist die bekannte Personenzahl der Skinhead-Szene leicht gestiegen; sie bleibt ein wichtiges Beobachtungsfeld des Verfassungsschutzes. Aus dieser unstrukturierten Szene stammen die Teilnehmer bei den unterschiedlichen Musikveranstaltungen, und hieraus kann sich in letzter Konsequenz der Nachwuchs für die verschiedenen rechtsextremistischen Organisationen, Kameradschaften bis zu den Parteien, rekrutieren. Findet ein Jugendlicher zunächst nur über die lose Struktur der örtlichen Skinhead-Szene einen Zugang zu Konzerten, so kann sich hieraus eine stärkere Einbindung sowohl in ideologischer Hinsicht als auch das eigene Engagement betreffend ergeben. Es können sich erste Kontakte zu örtlichen Kameradschaften entwickeln, verbunden mit regelmäßiger Teilnahme an den Kameradschaftsabenden oder an Demonstrationen und anderen Aktivitäten. Dass ein Interesse an der Gewinnung neuen Personenpotenzials besteht, zeigt die in diesem Jahr festzustellende Zusammenarbeit eines örtlichen NPD-Verbandes und einer Kameradschaft im Hinblick auf die Organisation von Liederabenden. Fünf der bekannt gewordenen sieben Liederabende in NRW wurden mit Beteiligung der NPD und/oder der ortsansässigen Kameradschaft durchgeführt. Insgesamt ist die Zahl der bekannt gewordenen Musikveranstaltungen im Jahr 2006 nicht gestiegen. Großveranstaltungen, beispielsweise im Jahr 2002 mit weit mehr als 00 Teilnehmern, fanden auch im Jahr 2006 in NRW nicht mehr statt. Die Tendenz geht weiterhin in Richtung kleinerer Veranstaltungen, teilweise in sehr privatem Rah- 6 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 men bei klandestiner Vorbereitung. Das frühzeitige Erkennen wird dadurch erheblich erschwert. 32 Parlamentsorientierter Rechtsextremismus 321 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) Bund NRW Gründung 96 96 Sitz Berlin Bochum-Wattenscheid Vorsitzender Udo Voigt Stephan Haase Mitglieder 2006 7.000 70 200 6.000 70 Publikationen 'Deutsche Stimme', monatlich 'Landesstimme NRW' (Erstausgabe im September 2006) Internet Der NPD-Landesverband NRW hat im Jahr 2006 seine Homepage neu gestaltet und an das Layout der Bundespartei angepasst. Die neu gestaltete Seite enthält Links zu anderen Parteiorganisationen, zum Parteiorgan 'Deutsche Stimme' und zum NPD-Medienserver. Hintergrund Die tatsächlichen Anhaltspunkte rechtsextremistischer Bestrebungen der NPD ergeben sich - unabhängig von ihrem Parteiprogramm - unter anderem aus den ständigen, gegen die Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichteten und der Partei politisch zuzurechnenden Äußerungen und einer entsprechenden Agitation. Die NPD äußert ihre verfassungsfeindlichen Ziele aber nicht nur verbal, sondern will diese im Rahmen ihres "Vier-Säulen-Konzepts" auch umsetzen. Neben dem ideologischen "Kampf um die Köpfe" zählen dazu der "Kampf um die Straße", der "Kampf um die Parlamente" und der "Kampf um den organisierten Willen". Ihre rechtsextremistische Einstellung dokumentiert die NPD unter anderem durch ihr Bekenntnis zum völkischen Kollektivismus, einer dem Nationalsozialismus entnommenen Weltanschauung. Der persönlichen Autonomie des Einzelnen ist die Volksgemeinschaft übergeordnet. In ihrem Parteiprogramm wird dieser völkisch-kollektivistische Ansatz besonders erkennbar, wenn es etwa heißt, die "Volksherrschaft" setze die "Volksgemeinschaft" voraus. Die Überbetonung der aus der NS-Ideologie rEchtsExtrEmismus 6 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 entnommenen Begriffe der "Volksgemeinschaft" und des "Volksganzen" gegenüber den Individualrechten ist nicht mit den Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu vereinbaren, insbesondere nicht mit der Achtung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte, mit dem Demokratieprinzip und dem Mehrparteiensystem. Ein weiteres wichtiges Element aus der NPD-Ideologie ist der sogenannte "Reichsgedanke": die Vorstellung, das Deutsche Reich - auch in seinen "historischen Grenzen" - wieder herzustellen. Ihren Niederschlag finden diese Ansätze im NPDParteiprogramm (Ziffer 0). Dort heißt es unter der Überschrift "Deutschland in seinen geschichtlich gewachsenen Grenzen": "Die Wiederherstellung Deutschlands ist mit der Vereinigung der Besatzungskonstruktionen BRD und DDR nicht erreicht. Deutschland ist größer als die Bundesrepublik! [...] Wir fordern die Revision der nach dem Krieg geschlossenen Grenzanerkennungsverträge." Dass diese Begrifflichkeiten keine bloße Theorie sind, zeigen diverse Artikel im NPD-Parteiorgan 'Deutsche Stimme'. Der NPD-Parteivorstand fungiert als Herausgeber, der stellvertretende NPD-Bundesvorsitzende ist Chefredakteur und Verantwortlicher im Sinne des Presserechts (V.i.S.d.P). Insofern können die in der 'Deutschen Stimme' gemachten Aussagen der NPD als Partei zugerechnet werden. Ebenso wie die Aussagen der NPD-Jungendorganisation 'Junge Nationaldemokraten', die kraft Satzung "integraler Bestandteil" der NPD ist. Gleiches gilt für den im 'Deutsche Stimme Verlag' erscheinenden 'Taschenkalender des nationalen Widerstandes', für den der stellvertretende NPD-Vorsitzende und NPD-Fraktionsvorsitzende im sächsischen Landtag das Vorwort geschrieben hat. Aktuelle Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen Die aktuellen Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen durch die NPD ergeben sich aus : der Zusammenarbeit mit Neonazis bzw. 'Freien Nationalisten' und der DVU (Volksfront von rechts bzw. Deutschlandpakt) : der Absicht, das bestehende System zu überwinden bzw. abzuwickeln : den Inhalten der Rasse-Theorie : einer Ausländerfeindlichkeit, die sich in immer wiederkehrenden Artikeln äußert, die in ihrem Gesamtbild Ausländer generell als gewalttätig, kriminell und als Belastung für die Sozialsysteme darstellt : antisemitischen und revisionistischen Äußerungen, letztere insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Forderung nach Wiederherstellung des "Deutschen Reiches". 66 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Die Gesamtheit dieser Anhaltspunkte macht die Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz erforderlich (SS Absatz Nr. VSG NRW), wie die nachstehenden Zitate deutlich machen: : "Das bedeutet die Erkenntnis, daß das System [...] schlecht ist. Die Konsequenz daraus heißt nun logischerweise, daß man dieses System nicht reformieren kann, sondern beseitigt und durch etwas Neues ersetzt werden muß. Eine solche Vorgehensweise nennt man üblicherweise Revolution. [...] In Verbindung mit der zunehmenden Verschärfung der sozialen Frage wird die Revolution wahrscheinlich, und die Chance für eine revolutionäre Kampfpartei wird zunehmen. Dann wird der organisierte Nationalismus vom Objekt zum Subjekt der Politik, vom Verteidiger zum Angreifer!" (Quelle: www.jn-buvo.de, Beschluss des JN-Bundesvorstands vom 28. Januar 2006). : In einem Artikel "Im steten Kampf" heißt es zur Arbeit der "nationalen Jugend" in Sachsen: "Gewalt ist nicht mehr obsolet, Gewalt gehört inzwischen zum Alltag bei politisch motivierten Jugendgruppen. [...] Fakt ist: Vermehrt wird Gewalt zum Erringen politischer Ziele eingesetzt. [...] Verantwortung hat nur der zu übernehmen, nein, kann nur der übernehmen, der bereit ist, vollen Einsatz zu zeigen." ('Deutsche Stimme', Ausgabe /2006, Seite 2). : In einem Ausschnitt eines Interviews des stellvertretenden Chefredakteurs der 'Deutschen Stimme' äußert dieser wörtlich: "Es gibt nach meiner Auffassung nicht die Menschheit an sich, sondern Rassen und Völker." ('Deutsche Stimme', Ausgabe 0/2006, Seite 6). : In einem Artikel "Holocaust-Waffe wird stumpfer" heißt es unter anderem: "Die Berufsjuden und ihre Büchsenspanner". An anderer Stelle heißt es "Zum Geld haben die Juden sowieso ein Sonderverhältnis." ('Deutsche Stimme', Ausgabe 06/2006, Seite ). : "Die Wiederherstellung des Deutschen Reiches ist die wichtigste Aufgabe deutscher Nationalisten." ('Taschenkalender das nationalen Widerstandes', Ausgabe 200 und www.npd.de ). : Außerdem finden sich auf der NPD-Homepage Verlinkungen zu Organisationen der Neonazi-Szene, zum Beispiel zum 'Nationalen Widerstand Berlin-Brandenburg' und zum 'Aktionsbüro Norddeutschland' (Quelle: www.npd.de, Verweise). rEchtsExtrEmismus 67 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Wichtige Entwicklungen und Tendenzen Die NPD hat im Jahr 2006 ihre Mitgliederzahl gegenüber dem Vorjahr auf Bundesebene deutlich steigern können. Dies gilt nicht für den Landesverband NRW. Gleichwohl scheint sich auch hier der allgemeine Verjüngungstrend bei den Mitgliedern fortzusetzen. Bei diesen handelt es sich vornehmlich um männliche Personen der Altersgruppe der 20bis 0jährigen mit überwiegend niedrigem Bildungsbzw. Schulabschluss. Oft sind es Personen, die sich als gesellschaftliche Verlierer fühlen. Entsprechend hat die NPD ihre Strategie auf ihre Mitglieder und potenziellen Wähler abgestimmt. So bietet beispielsweise der NPD-Landesverband NRW Beratung zu Hartz IV an. Darüber hinaus unterbreitet die Partei weitere Angebote, die auf diese Personengruppe zugeschnitten sind. Die Partei organisiert Feste und Musikveranstaltungen und verfügt über eine moderne Internet-Präsenz mit der Möglichkeit von Musik-Downloads. Ferner hat die NPD nach eigener Erklärung eine "Medienoffensive" gestartet. Sie sieht in den öffentlichen und privaten Medien nicht ausreichend Möglichkeit, ihre politischen Ziele darzustellen. Ein völlig neues Feld betritt die NPD mit der Gründung einer eigenen Frauenorganisation, dem 'Ring Nationaler Frauen' (RNF). Obwohl die Partei von Männern dominiert wird, soll sie auch für Frauen interessant (und wählbar) erscheinen. Mit der Gründung einer eigenen Frauenorganisation verfügt die NPD über folgende Nebenorganisationen: : 'Junge Nationaldemokraten' (JN) : 'Nationaler Hochschulbund' (NHB) : 'Ring Nationaler Frauen' (RNF). Doch die Partei musste auch Rückschläge verkraften. Ende 200 traten drei Mitglieder aus der sächsischen NPD-Fraktion aus. Die innerparteiliche Diskussion dauerte im Jahr 2006 an. Dies war zunächst ein schwerer Rückschlag für die Partei. Ende 2006 wurde ein weiteres Mitglied wegen "finanzieller Unregelmäßigkeiten" aus der Fraktion ausgeschlossen. Auch die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz im März 2006 brachten nicht die erhofften Ergebnisse. Dagegen konnte die NPD bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt 7,% der abgegebenen Stimmen für sich verbuchen und stellt mit sechs Mitgliedern eine zweite Landtagsfraktion (nach Sachsen). Auch die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und den Bezirksverordnetenversammlungen verliefen für die NPD zufriedenstellend. Sie konnte ihre Wahlziele (Mandate in einzelnen Bezirksvertretungen und ein besseres Wahlergebnis als die REP) tatsächlich erreichen. Im Jahre 2006 gab es darüber hinaus auch Parteieintritte von Exponenten der rechtsextremistischen Szene, die überregionale Beachtung fanden. So trat unter anderem der bekannte Rechtsextremist Rechtsanwalt Jürgen Rieger in die NPD ein. Rieger trat 68 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 mit der Organisation der Rudolf-Heß-Gedenkmärsche in Wunsiedel und im Jahr 2006 im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Erwerb einer Immobilie in Delmenhorst medienwirksam in Erscheinung. Grundstückskäufe Die im Laufe des Jahres 2006 bekannt gewordenen Aktivitäten der NPD im Zusammenhang mit der Anmietung bzw. dem möglichen Erwerb von Immobilien unter anderem in Bayern, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz wurden in den meisten Fällen durch Ausübung des Vorkaufsrechts durch die jeweilige Gemeinde vereitelt. Im Zuge dieser - von den Medien aufmerksam verfolgten - Aktivitäten wurde der Verdacht geäußert, dass die Partei mit ihrem Kaufinteresse an Immobilien lediglich in Absprache mit dem Besitzer den Preis für das Objekt in die Höhe treiben wolle, um sich anschließend den Gewinn mit dem Verkäufer zu teilen. Diese mehrfach in den Medien geäußerten Spekulationen konnten bislang allerdings nicht belegt werden. Seitens des NPD-Landesverbands NRW sind solche Kaufabsichten bislang nicht bekannt geworden. Ein Erwerb von Immobilien in größerem Stil durch die NPD dürfte eher ausgeschlossen sein, da der Partei die erforderlichen finanziellen Möglichkeiten fehlen dürften. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass (weitere) Einzelpersonen der rechtsextremistischen Szene bzw. Parteifunktionäre, die über die finanziellen Möglichkeiten verfügen, ein solches Objekt in eigenem Namen erwerben und der Partei zum Beispiel für Schulungen und sonstige Veranstaltungen künftig zur Verfügung stellen. Landesparteitag Am 7. Mai 2006 fand in der NPD-Landesgeschäftsstelle in Bochum-Wattenscheid der 7. ordentliche Landesparteitag der NPD statt. Er stand unter dem Motto "Arbeit für Millionen statt Profit für Millionäre". An der Veranstaltung nahmen knapp 00 Personen teil. Gastredner waren der Bundesvorsitzende Udo Voigt und der NPD-Fraktionsvorsitzende im sächsischen Landtag Holger Apfel. Wichtigster Tagesordnungspunkt war die Neuwahl des Landesvorstands. Der amtierende Landesvorsitzende wurde mit knapp 90% der Stimmen wiedergewählt. Der Parteitag verlief ohne nennenswerte Störungen, zeigte aber auch, dass vom Landesverband bzw. Landesvorstand kaum neue Impulse für die politische Arbeit der NPD in NRW zu erwarten sind. rEchtsExtrEmismus 69 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Bundesparteitag am 11/12 November Am . und 2. November fand unter dem Protest von ca. 00 Gegendemonstranten der erste Bundesparteitag der NPD in Berlin statt. An dem Parteitag nahmen ca. 20 Delegierte und ca. 00 Gäste teil. Zuvor hatte die NPD beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg die Vermietung des Saales durch die Bezirksvertretung Reinickendorf durchgesetzt. Wichtigster Tagesordnungspunkt war die Neuwahl des Parteivorstands. Erwartungsgemäß wurde der amtierende Vorsitzende unter dem Eindruck des jüngsten Wahlerfolgs in Mecklenburg-Vorpommern mit großer Mehrheit in seinem Amt bestätigt. Ebenfalls wiedergewählt wurden die beiden bisherigen Stellvertreter Holger Apfel und Peter Marx. Unter den Gästen befand sich auch der DVU-Bundesvorsitzende Dr. Gerhard Frey. Teilnahme der NPD an Wahlen Einen Schwerpunkt in der politischen Arbeit der NPD bildete auch im Jahr 2006 der "Kampf um die Parlamente". Die ersten wichtigen Landtagswahlen des Jahres 2006 fanden am 26. März in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz statt. Dort konnte die NPD ihre selbst gesteckten Ziele nicht erreichen. Sie erzielte in Baden-Württemberg mit 0,7% zwar ein deutlich besseres Ergebnis als bei der vorangegangenen Landtagswahl 200 (0,2%), verfehlte jedoch den Sprung über die für die Wahlkampfkostenerstattung bei Landtagswahlen wichtige Grenze von %. Etwas günstiger verlief die Wahl aus Sicht der NPD in Rheinland-Pfalz. Dort konnte die Partei ihr Ergebnis auf ,2% gegenüber 0,% im Jahr 200 deutlich steigern und wird damit an der staatlichen Parteienfinanzierung partipizieren. Auch die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und den Bezirksverordnetenversammlungen am 7. September verliefen aus Sicht der NPD ausgesprochen positiv. Die NPD erzielte 2,6% der Stimmen. Bei den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen errang die NPD in vier der fünf Bezirke, in denen sie zur Wahl angetreten war, insgesamt elf Mandate, darunter eines für den Parteivorsitzenden Udo Voigt, der in die Bezirksverordnetenversammlung Treptow-Köpenick gewählt wurde. Ihren spektakulärsten Erfolg im Berichtsjahr verbuchte die NPD jedoch bei den Landtagswahlen (ebenfalls am 7. September) in Mecklenburg-Vorpommern. Die NPD errang mit 7,% der Stimmen den größten Zuwachs aller Parteien und erhielt sechs Mandate. Sie stellt damit - nach Sachsen - ihre zweite Landtagsfraktion. Der Erfolg zeichnete sich bereits bei der vorgezogenen Bundestagswahl im Jahre 200 ab, als die NPD in Mecklenburg-Vorpommern ,% der abgegebenen Zweitstimmen und damit eines ihrer bundesweit besten Wahlergebnisse erzielte. Schon damals 70 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 bezeichnete sie ihr Abschneiden "als gute Ausgangsbasis" für die kommende Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern. "Volksfront von rechts" und "Deutschlandpakt" werden weiter fortgeführt Die NPD sieht sich - auch und gerade nach dem jüngsten Wahlerfolg in Mecklenburg-Vorpommern - weiterhin in der Führungsrolle des rechtsextremistischen Lagers. Die Partei führt dies unter anderem auf die Zusammenarbeit mit Neonazis und die Wahlabsprachen mit der DVU zurück. Insofern sind die Bündnisbestrebungen der NPD mit beiden Lagern erst einmal gefestigt. Spannungen zeichnen sich jedoch mit Blick auf die Landtagswahlen im Sommer 2009 in Thüringen ab. Absprachegemäß soll dort die DVU zur Wahl antreten. Nach dem Scheitern der DVU bei den Wahlen in Sachsen-Anhalt und dem Erfolg der NPD in Mecklenburg-Vorpommern gibt es erste Stimmen, die sich für einen Wahlantritt der NPD aussprechen. Dies würde jedoch das Aus des 'Deutschlandpakts' bedeuten. Der NPD-Vorsitzende ist denn auch bemüht, die "Vertragstreue" der NPD zu betonen. Zentrale 1 Mai-Demonstration in Rostock Aus Anlass der für die Partei so wichtigen Landtagswahl hatte die NPD ihre sonst in Berlin stattfindende 1. Mai-Demonstration in diesem Jahr nach Rostock verlegt. An der von dem NPD-Landesvorsitzenden Mecklenburg-Vorpommerns unter dem Motto "Arbeit für Deutsche" angemeldeten Demonstration beteiligten sich nach Polizeiangaben rund .00 Personen. Die NPD selbst gibt eine Zahl von 2.00 Teilnehmern an. An der Veranstaltung nahmen - wie in den Vorjahren - auch zahlreiche Angehörige der Neonazi-Szene teil. Auch Rechtsextremisten aus Spanien, Griechenland, Österreich und den USA beteiligten sich an der Demonstration. Die Veranstaltung verlief überwiegend friedlich. Die NPD wertete die Kundgebung in Rostock als Erfolg und gelungene Auftaktveranstaltung für den Landtagswahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern. Zufrieden zeigte man sich auch angesichts der Tatsache, dass die Partei - anders als häufig in der Vergangenheit - die Demonstration auf der vorgesehenen Wegstrecke planmäßig durchführen konnte. Demonstration in Gelsenkirchen am 10 Juni 2006 Der NPD-Landesverband NRW hat im zweiten Quartal des Jahres 2006 eine landesweite Werbekampagne unter dem Motto "Arbeit für Millionen statt Profit für Millionäre" initiiert. Im Rahmen dieser Kampagne wurde durch den stellvertretenden rEchtsExtrEmismus 7 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Landesvorsitzenden Claus Cremer eine Kundgebung für den 0. Juni 2006 in Gelsenkirchen angemeldet, eine zweite in Herne für denselben Tag im Anschluss daran. Im Zuge dieser Kampagne meldete die NPD für mehrere Tage in verschiedenen Städten Info-Stände an und führte Verteilaktionen durch. Im Zusammenhang mit einem Info-Stand am 20. Mai 2006 in Gelsenkirchen kam es wegen eines gleichzeitigen Info-Stands der 'Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands' (MLPD) in unmittelbarer Nähe zu einer Spontankundgebung der NPD mit ca. 0 bis 0 Teilnehmern, nach deren Ende eine Person in Gewahrsam genommen wurde. Wegen dieser Vorfälle verbot der Polizeipräsident Gelsenkirchen daraufhin die für den 0. Juni angemeldete NPD-Demonstration, damit die NPD die Fußballweltmeisterschaft nicht als Forum für rassistische Propaganda missbrauchen könne. In seiner Verbotsbegründung verwies der Polizeipräsident unter anderem auf die beschlagnahmte erste Auflage des WM-Planers der NPD, weil darin ein farbiger Spieler beleidigt und verunglimpft wird. Ferner werde das Ansehen Deutschlands in der Welt durch eine derartige Demonstration "nachhaltig geschädigt". Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hob in erster Instanz das Verbot auf. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster gab der Beschwerde des Polizeipräsidenten statt und führte in seiner Begründung aus, von der Demonstration gehe eine "unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit" aus. Es sei zudem eine der zentralen Aufgaben des Staates, für eine sichere WM Sorge zu tragen. Es gebe Hinweise ausländischer Nachrichtendienste auf die Absicht von Rechtsextremisten, "Zusammenstöße" zu provozieren. Diese Einschätzung des OVG teilte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht. Es gab einem Antrag der NPD statt und stellte fest, dass die vom OVG gestellte Prognose einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch von den Versammlungsteilnehmern ausgehende Gewalttätigkeiten "offensichtlich nicht tragfähig sei". Damit war für die NPD der Weg zur Durchführung der Demonstration frei. Mit rund 20 Teilnehmern war die Veranstaltung jedoch vergleichsweise schwach besucht. Der Ablauf der Kundgebung verlief weitgehend friedlich. Pressefest der 'Deutschen Stimme' am 5 August 2006 in Dresden Am . August fand in Dresden das Pressefest des zur NPD gehörenden 'Deutschen Stimme Verlages' (DS) statt, an dem ca. 7.000 Personen teilnahmen. Nach Angaben der Veranstalter waren es sogar über 9.000 Teilnehmer. Gegenüber dem vorangegan72 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 genen Pressefest im Jahr 200 ist eine Erhöhung der Besucherzahl zu verzeichnen. Das Musikprogramm wurde unter anderem von dem bekannten Liedermacher der rechtsextremistischen Szene Frank Rennicke sowie den Skinhead-Bands 'Carpe Diem' und 'Agitator' gestaltet. Die Mischung aus politisch unterlegtem Volksfest, Verkaufsveranstaltung und Skinhead-Konzert erwies sich wiederum als Anziehungspunkt für das gesamte Spektrum der rechtsextremistischen Szene. 200 war die Veranstaltung wegen des Bundestagswahlkampfs ausgefallen. Jugendorganisation 'Junge Nationaldemokraten' (JN) und 'Nationaler Hochschulbund' (NHB) kaum noch aktiv Entgegen den Bemühungen der Partei um eine verstärkte Jugendarbeit scheint die eigentliche Jugendorganisation der NPD, die 'Jungen Nationaldemokraten' (JN), kaum noch eigene politische Aktivitäten zu entfalten, auch wenn es offenbar Bestrebungen gibt, einzelne JN-Stützpunkte zu reaktivieren bzw. neu zu gründen. Trotz dieser Versuche kann die Mitgliederentwicklung der JN in NRW nicht mit dem Zuwachs auf Bundesebene Schritt halten. So besteht weiterhin nur Seite des JN-Landesverbands NRW im Internet, allerdings unverändert seit März 200. Sie bleibt damit in der politischen Wahrnehmung weit hinter ihrem erklärten Anspruch - "Wir begreifen uns als die 'Speerspitze' der Nationaldemokratischen Partei und des gesamten Nationalen Widerstandes." und "Neben der Gewinnung neuer junger Anhänger für den sozial-revolutionären Nationalismus der NPD/JN" - zurück. (Quelle: www.jn-nrw.de) Noch schlechter sieht die Situation für den 'Nationalen Hochschulbund' (NHB) aus. Von diesem war im Berichtsjahr in Nordrhein-Westfalen keinerlei öffentlichkeitswirksame Aktivität zu erkennen. Auch bezüglich der Gründung des 'Rings Nationaler Frauen' (RNF) muss abgewartet werden, ob diese Parteiorganisation eigenständige politische Aktivitäten entfaltet. Ausblick Das Jahr 2006 war aus Sicht der NPD geprägt von dem Wahlerfolg in MecklenburgVorpommern. Mit dem Einzug einer zweiten Fraktion in einen Landtag darf sich der NPD-Vorsitzende Udo Voigt in seinem Kurs und seiner Strategie - die parteiintern nicht unumstritten sind - bestätigt fühlen. Die NPD hat es geschafft, sich einerseits als Anwalt der sozial Benachteiligten bzw. derer, die sich als solche fühlen, zu positionieren, und andererseits stößt sie in Freiräume vor, beispielsweise die Sozialund Jugendarbeit und das Organisieren von Stadtfesten und Musikveranstaltungen. Gleichzeitig ist die NPD bemüht, sich in den Kommunen zu verankern. Sie versucht mit gesellschaftlich anerkannten Personen ihrer extremistischen Position ein gesellrEchtsExtrEmismus 7 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 schaftsfähiges Gewand zu geben, das die Menschen vor Ort kennen und schätzen. Gleichzeitig entsteht der Eindruck, die NPD kümmere sich (vermeintlich als einzige Partei) um die sozial Schwachen. Dies gilt insbesondere für strukturschwache Gebiete mit überdurchschnittlich hoher Arbeitslosigkeit. NPD bietet keine (praktikablen) Lösungen Dabei wird von den Unterstützern der NPD stets übersehen, dass die Partei für die großen gesellschaftlichen Probleme Massenarbeitslosigkeit, Gesundheitswesen und Renten keine praktikablen und realistischen Lösungsvorschläge anbietet. Wenn etwa die NPD in ihrem Parteiprogramm die Globalisierung ablehnt, zeugt das eher von Populismus als von Realitätssinn. Andererseits gilt es gerade vor diesem Hintergrund, die politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Partei zu suchen, um die Defizite in den Lösungskonzepten der NPD aufzuzeigen und ihre extremistische Position deutlich zu machen. Sonst könnte die NPD als Märtyrer erscheinen, ohne inhaltlich Stellung beziehen zu müssen. Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder können nur auf die extremistische Zielsetzung der NPD aufmerksam machen, die Entwicklung von Bekämpfungsstrategien ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. 322 Deutsche Volksunion (DVU) Bund NRW Gründung 987 989 Sitz München Dortmund Vorsitzender Dr. Gerhard Frey Max Branghofer Mitglieder 2006 8.00 .00 200 9.000 .00 Publikation 'National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung' (NZ), Auflage ca. 41.000, erscheint wöchentlich Internet Die DVU verfügt seit 997 über eine eigene Homepage. Hintergrund Die 'Deutsche Volksunion' (DVU) wurde im März 987 in München auf Initiative von Dr. Gerhard Frey unter Einbeziehung des bereits seit 97 bestehenden Vereins 'Deutsche Volksunion e.V.' als Wahlpartei 'DVU-Liste D' gegründet. Die Umbenennung in 'Deutsche Volksunion' fand im Februar 99 durch Satzungsänderung statt. 7 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Die DVU wird seit ihrer Gründung vom Bundesvorsitzenden Dr. Gerhard Frey zentralistisch und autoritär geführt und weitestgehend finanziert. Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen Bei der DVU bestehen tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer extremistischen Bestrebung (SS Absatz Nr. VSG NRW; siehe Fußnote am Beginn des Kapitels). Zwar bemüht sich die Partei, ihre wahre Zielsetzung zu verschleiern und hält ihr Parteiprogramm bewusst vage. Gleichwohl finden sich in den Ausführungen der Wochenzeitung 'National-Zeitung/Deutsche Wochenzeitung' (NZ) des DVU-Bundesvorsitzenden Dr. Gerhard Frey Anhaltspunkte, die einen solchen Verdacht begründen. Die in der Zeitung enthaltenen Äußerungen müssen der Partei wegen der Führungsposition ihres Herausgebers in der Partei zugerechnet werden. Über eine eigene Parteizeitung verfügt die DVU nicht. Kritische Äußerungen oder Distanzierungen gegenüber Beiträgen in der 'National-Zeitung/Deutsche Wochenzeitung' (NZ) sind aus der DVU nicht bekannt. Die DVU greift im Wesentlichen die typischen rechtsextremistischen Agitationsfelder auf, wobei Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und revisionistische Thesen Schwerpunkte bilden. Häufig werden Themen mit Ausländerund Einwanderungsbezug gewählt und gezielt eingesetzt, um Überfremdungsängste zu schüren. Meist wird mit suggestiven Schlagzeilen in Frageform gearbeitet. Sie zielen darauf, in der Leserschaft bestehende Ressentiments anzusprechen und diese gezielt zu stärken. So finden sich wiederholt Überschriften, die deutlich zeigen, dass es nicht um die Darstellung von gesellschaftspolitischen Problemen geht. Vielmehr sollen mit der negativen und verzerrenden Berichterstattung über Ausländer diese in ihrer Gesamtheit diskreditiert werden. So heißt es etwa: : "Bald mehr Ausländer als Deutsche? Die Schuldigen der BevölkerungsKatastrophe" : "Darf jeder Deutscher werden? So werden wir überfremdet" : "Warum Multikulti verspielt hat. Wird Überfremdung endlich gestoppt?" : "Hunderte 'Ehrenmorde' in Deutschland. Wohin Multikulti geführt hat" : "Wem gehört Deutschland? Die Gefahren der Ausländerpolitik" : "Invasion aus Afrika. Kommen Millionen Schwarze?" Darüber hinaus finden sich wiederholt Schlagzeilen und Artikel mit subtil antisemitisch gefärbten Botschaften. Darin wird unterstellt, dass das deutsche Volk besonders durch die Juden auf die NS-Vergangenheit festgelegt und so daran gehindert werde, ein gleichberechtigtes Mitglied in der Völkergemeinschaft zu werden: rEchtsExtrEmismus 7 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 : "Antisemitismus als Waffe? Wie der Holocaust missbraucht wird" : "Erstaunlich ist, dass kein anderes Volk in früherer oder heutiger Zeit auf die Idee kommt, die Untaten seiner Geschichte so zu verewigen, um damit auch kommende Generationen in den Schuldturm zu sperren und ihnen so die Gleichberechtigung in der Völkerfamilie zu verwehren." : "Mahnmal-Flut überrollt Berlin. [...] Die heute bei uns Herrschenden aber zwingen uns ein Denkmal deutscher Schuld und Sühne nach dem anderen auf. [...] Das eigene Land ständig zu belasten muss ein nationalmasochistischer Hochgenuss sein." : Unter der Zwischenüberschrift "Des Nationalmasochismus überdrüssig" heißt es: "Um nicht vollends das Erpressungsmonopol aus der Hand zu geben und in die Vergangenheitsbewältigungs-Defensive zu geraten, will sich der Zentralrat der Juden nun noch mehr auf jene stürzen, die sich gegen verordnetes Denken nicht wehren können: die Kinder und Jugendlichen in den Schulen." Hintergrund der verfassungsfeindlichen Agitation der DVU ist eine völkisch-nationalistische Ideologie. Die DVU geht von einer allein ethnisch verstandenen deutschen Nation aus, wodurch tendenziell Menschenund Bürgerrechte abgewertet werden. Als politischen Auftrag leitet die DVU daraus die Schaffung eines ethnisch homogenen Deutschlands ab und fordert einen alle Aspekte des gesellschaftlichen Zusammenlebens einschließenden völkischen Protektionismus sowie die Bekämpfung aller "antideutschen" Bestrebungen. Hier liegen auch die Gemeinsamkeiten für die enge Zusammenarbeit der DVU mit der NPD im sogenannten Deutschlandpakt. Die DVU hat ihre Wahlteilnahmen mit der NPD abgesprochen und zeigt damit deutlich, dass sie die gleichen politischen Wählergruppen mit vergleichbaren politischen, rechtsextremistischen Positionen erreichen will. Ausblick Innerhalb des seit 200 bestehenden Deutschlandpakts mit der NPD und "mit Unterstützung der NPD" - wie es auf Flugblättern hieß - trat die DVU am 26. März 2006 zur Landtagswahl in Sachen-Anhalt mit einer 6 Bewerber umfassenden Landesliste an, zu denen auch sechs NPD-Kandidaten gehörten. Bei der Landtagswahl 998 hatte die DVU mit 2,9% (92.2 Stimmen) ein überraschend hohes Ergebnis erzielt. Bei der Wahl 2002 trat die Partei wegen vorangegangener Querelen und Spaltungen innerhalb der DVU-Fraktion nicht an. Bei der Bundestagswahl am 8. September 200 hatte die mit der DVU im Deutschlandpakt verbündete NPD in Sachsen-Anhalt 6.970 Zweitstimmen (2,%) erreicht. 76 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Am 26. März 2006 verfehlte die DVU trotz der mit ,% historisch geringen Wahlbeteiligung ihr Wahlziel, den Einzug in den Landtag, deutlich. Mit einem Ergebnis von nur % und 26.89 Stimmen blieb sie sowohl unter den Werten der letzten Umfragen vor der Wahl (%) als auch unter der Zahl der Stimmen für die NPD bei der Bundestagswahl 200. Die DVU-Führung äußerte sich auf ihrer Internetseite enttäuscht über dieses Abschneiden. Sie betonte aber in der Erklärung, am Deutschlandpakt mit der NPD festhalten zu wollen. Mit diesem Wahlergebnis dürfte die dominierende Rolle der NPD innerhalb des Deutschlandpakts gestärkt worden sein. Nach ihren Erfolgen bei den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin sieht sich die NPD in der unangefochtenen "Führungsrolle im nationalen Parteienspektrum". Gleichwohl will sie die "Volksfront von rechts" zusammen mit der DVU und Neonazis fortsetzen und dabei auch die REP als Organisation einbeziehen. Diese Dominanz könnte Auswirkungen auf das Selbstverständnis der Paktpartner und auf die Eigenständigkeit der DVU als Partei haben. Ausschlaggebend könnte das Ergebnis der Wahl zur Bremer Bürgerschaft im Mai 2007 werden, zu der die DVU absprachegemäß antreten wird. 323 Ab jetzt Bündnis für Deutschland (BfD) Bund NRW Gründung 997 997 Sitz Siegburg Siegburg Vorsitzender Dr. Helmut Fleck Dr. Helmut Fleck Mitglieder 2006 ca. 0 ca. 0 200 ca. 0 ca. 0 Homepage verantwortlich Dr. Helmut Fleck Hintergrund Die Partei 'Ab jetzt ... Bündnis für Deutschland' (BfD) -2006 wurde der Parteiname um den Zusatz 'Partei für Demokratie durch Volksabstimmung' erweitert - wurde am 29. Juni 997 in Kassel auf Initiative des Vorsitzenden des rechtsextremistischen 'Bundes für Gesamtdeutschland' (BGD) und weiterer Rechtsextremisten gegründet. Das BfD als Splitterpartei des rechtsextremistischen Spektrums verfügt offiziell über Landesverbände in sechs Bundesländern. rEchtsExtrEmismus 77 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Die Gruppierung bezeichnet sich selbst als "neue deutsche Volkspartei", bietet jedoch nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Düsseldorf hinreichende Anhaltspunkte für die Zielsetzung, tragende Strukturprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung - insbesondere die Achtung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte - beseitigen oder außer Geltung setzen zu wollen. Zuletzt hatte das VG Düsseldorf mit Urteil vom . Juli 200 die Klage des BfD gegen den nordrheinwestfälischen Verfassungsschutz wegen der Beobachtung und Erwähnung des BfD im Verfassungsschutzbericht über das Jahr 200 zurückgewiesen. Inhaltlich äußert sich das BfD deutlich fremdenfeindlich und diffamiert die im Bundestag vertretenen Parteien und deren Vertreter als Initiatoren einer gegen die eigentlichen nationalen Interessen Deutschlands gerichteten Politik. Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen Nach wie vor bestehen bei dem BfD tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen (SS Absatz Nr. VSG NRW; siehe Fußnote am Beginn des Kapitels). Die fremdenfeindliche, vorurteilsschürende Ausrichtung des BfD zeigt sich beispielsweise in der Behauptung, Ausländer würden bevorzugt. So fordert das BfD in einem auf Februar 2006 datierten Internet-Artikel: "Kündigung aller dubiosen Zuwanderungsanreize, z.B. der Sozialabkommen [...], Kindergeld, Sozialhilfe" sowie "Kürzung aller Beiträge an [...] Dutzende Entwicklungsländer [...]". Im Kurzprogramm der Partei heißt es: "Das Klagerecht beim Asyl ist abzuschaffen [...]. Ausländischen Sozialhilfeempfängern ist konsequent die Aufenthaltserlaubnis zu entziehen." Laut "Programm Zukunft" des BfD werde "eine weitere Zuwanderung auch aus ökologischen Gründen (Feinstaub [...], Lärm [...], Verkehrsstaus)" abgelehnt. Damit wird in perfider Weise der Zuzug von Ausländern als ein ökologisches Problem dargestellt. Aktivitäten in Nordrhein-Westfalen Nennenswerte Aktivitäten waren bislang ausschließlich in Nordrhein-Westfalen zu verzeichnen, wobei sich diese auf den Raum Siegburg beschränkten. Die Partei verfügt dort über jeweils ein Mandat im Stadtrat und im Kreistag. Der Partei gelang es aufgrund der geringen Mitgliederzahl bislang nicht, ihren lokalen Bekanntheitsgrad in Nordrhein-Westfalen zu erweitern. Auch auf Bundesebene hat das BfD keinen größeren Stellenwert im rechtsextremistischen Parteienbereich. So kandidierte die Gruppierung zur Bundestagswahl 200 ausschließlich in Nordrhein-Westfalen mit einem 78 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 vernachlässigenswerten Ergebnis. Ebenso erfolglos war sie bei den Landtagswahlen 2006 in Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern. 324 Bürgerbewegung pro Köln eV (pro Köln) Sitz Köln Mitglieder 2006 200 ca. 80 ca. 60 Vorstand Markus Beisicht, Vorsitzender Publikation 'PRO KÖLN - Informationen der Fraktion pro Köln im Rat der Stadt Köln'; erscheint vierteljährlich Internet Homepage Hintergrund 'Pro Köln' ist ein eingetragener Verein, der versucht, über kommunalpolitische Arbeit Einfluss zu gewinnen. Bei der Kommunalwahl am 26. September 2004 erzielte er vier Ratssitze und ist außerdem in allen Bezirksvertretungen der Stadt Köln vertreten. Im November erhöhte sich die Zahl der Fraktionsmitglieder durch den Beitritt eines weiteren Ratsmitglieds auf fünf Personen. Anhaltspunkte für den Verdacht einer rechtsextremistischen Bestrebung Es liegen aktuelle tatsächliche Anhaltspunkte vor, die in ihrer Gesamtbetrachtung den Verdacht einer rechtsextremistischen Bestrebung (SS Absatz Nr. VSG NRW; s. Fußnote am Beginn des Kapitels) bei 'pro Köln' begründen. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf stellte unter Zugrundelegung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Mai 200 in seinem Urteil vom 2. Oktober 200 fest, dass bei der 'Bürgerbewegung 'pro Köln' hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer rechtsextremistischen Bestrebung vorliegen. Dem Verfahren lag eine Klage von 'pro Köln' gegen das Land NRW wegen der Beobachtung und Berichterstattung in den Verfassungsschutzberichten 2002 bis 200 zu Grunde. Die in den Veröffentlichungen von 'pro Köln' enthaltenen Äußerungen begründen nach Auffassung des Gerichts den Verdacht für die Zielsetzung, tragende Strukturprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, zum Beispiel die Achtung der Menschenwürde aller Teile der Bevölkerung, zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Solche Anhaltspunkte sah das Verwaltungsgericht insbesondere in den Bekundungen von 'pro Köln' hinsichtlich der Stellung von Ausländern in der Bundesrepublik Deutschland. Wörtlich heißt es in der Entscheidung: rEchtsExtrEmismus 79 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 "Gerade bei einer Gesamtbetrachtung der Äußerungen stellt die Klägerin Ausländer allgemein und pauschal als Ursache für Arbeitslosigkeit, Kriminalität, Absenkung des Bildungsniveaus etc. dar und beschreibt sie allgemein als grundsätzlich nicht integrierbar." Weitere gewichtige Anhaltspunkte sah das Gericht in der Zusammenarbeit von 'pro Köln' mit anderen rechtsextremistischen Organisationen. Das Gericht wies die Klage daher ohne Zulassung der Berufung ab. 'Pro Köln' hat zwischenzeitlich einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim OVG in Münster gestellt, über den bislang nicht entschieden ist. Auch gegen die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht über das Jahr 200 klagt 'pro Köln' vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf. Eine Entscheidung steht noch aus. Beispiele für aktuelle tatsächliche Anhaltspunkte aus dem Jahr 2006 Ausländerfeindlichkeit: : "Schluß mit der Islamisierung Deutschlands! Keine Großmoscheen nach Köln! Keine Zusammenarbeit mit Vorfeldund Tarnorganisationen des türkischen Staates mitten in Deutschland! Wer als Moslem hierzulande leben will, der soll sich erst einmal darüber klar werden, welchem Land seine Loyalität gilt. Eine fünfte Kolonne Ankaras, die zum Beispiel in der Frage des EU-Beitrittes der Türkei politischen Druck ausüben könnte, brauchen wir hier nicht! Weder in Köln noch anderswo in Deutschland!" Verunglimpfung: : "Es mag sogar Verwaltungsrichter geben, die der Desinformationskampagne des NRW-Innenministeriums auf den Leim gehen. So wurde die Klage von 'pro Köln' gegen die VS-Beobachtung tatsächlich erstinstanzlich vom Verwaltungsgericht Düsseldorf abgewiesen, wobei auch in dieser Entscheidung nur ein 'Verdacht' und 'Anhaltspunkte' erwähnt wurden. Dieses Urteil ist jedoch keineswegs rechtskräftig, 'pro Köln' wird den Klageweg notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht beschreiten. Denn das Bundesverfassungsgericht hat schon einmal den Düsseldorfer Richtern eine schallende Ohrfeige in Sachen falscher Extremismus-Vorwürfe verpasst [...]." : "Quo vadis Colonia? Politische Geisterbahnfahrt der Kölner Klüngel-Fraktion [...] Engstirnig, verbohrt, selbstgefällig, ignorant und undemokratisch: So könnte eine wohlmeinendende Beschreibung der etablierten Ratspolitiker ausfallen! Egal 80 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 ob bei den Kosten für die Kinderbetreuung, bei schwul-lesbischen Prestigeobjekten oder der zunehmenden linken Gewalt in Köln - kritische und bürgernahe Meinungsäußerungen wurden von den Klüngel-Funktionären wahlweise mit privaten Plauderein, Brotzeitpausen, komatösem Halbschlaf, aus-dem-Saal-Laufen oder völliger intellektueller Überforderung quittiert." Schülerzeitung 'Objektiv' 'Pro Köln' versucht - wie bereits bei der NPD festzustellen ist - ebenfalls Jugendliche für die eigenen ideologischen Ziele zu gewinnen. Zu diesem Zweck hat 'pro Köln' einen 'Arbeitskreis Jugend' ins Leben gerufen, der die Schülerzeitung 'Objektiv' herausgibt. Erste Ausgaben (Auflage laut Impressum: 3.000 Stück) wurden im August als Freiexemplare vor Kölner Schulen verteilt. Der Herausgeber der Schülerzeitung ist Mitglied der Bezirksvertretung in Köln-Chorweiler für die Bürgerbewegung 'pro Köln'. Neben unverfänglichen Themen finden sich auch Beiträge mit ausländerfeindlichem Inhalt, die durchaus geeignet sind, Ressentiments zwischen deutschen und ausländischen Jugendlichen zu schüren. Mit diesem Projekt ist es 'pro Köln' gelungen, mediale Aufmerksamkeit zu erlangen. 33 Diskursorientierter Rechtsextremismus Dem diskursorientierten Rechtsextremismus geht es darum, Einfluss im öffentlichen Raum auszuüben und das gesellschaftliche Bewusstsein zu verändern. Im Ergebnis soll damit eine Erfolg versprechende Grundlage für rechtsextremistische Parteien geschaffen und die so beeinflusste Stimmung in Wahlanteile, Parlamentssitze und Regierungsverantwortung umgemünzt werden. Die Vertreter des diskursorientierten Rechtsextremismus versuchen, Begriffe zu besetzen, rechtsextremistisches Gedankengut in den allgemeinen gesellschaftlichen Diskurs zu transportieren und diese Ideologien salonfähig zu machen. Die dabei vertretenen Positionen sollen in der breiten gesellschaftlichen Diskussion Akzeptanz finden und die öffentliche Meinung langfristig dominieren. Aktuelle politische, soziale oder gesellschaftliche Themen werden aufgegriffen und so umgedeutet, dass sie rechtsextremistischen Theorien entsprechen und diese scheinbar bestätigen. Dies geschieht sowohl offen, zum Beispiel in revisionistischen Buchveröffentlichungen oder im Internet, als auch subtil und auf den ersten Blick nicht immer erkennbar. Gleichwohl richten sich die Aktivitäten der Vertreter des diskursorientierten Rechtsextremismus gegen wesentliche Elemente der freiheitlichen demokratischen GrundrEchtsExtrEmismus 8 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 ordnung, insbesondere gegen die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte und gegen die Völkerverständigung. Damit liegen zumindest tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen vor. Diese ergeben sich sowohl aus Verlautbarungen als auch aus Verbindungen zu anderen rechtsextremistischen Gruppierungen und Organisationen. Vertreter des diskursorientierten Rechtsextremismus finden sich vor allem in folgenden Bereichen: : Revisionismus : Verlagswesen und Publikationen : Internet und Versandhandel : sonstige Organisationen und Gesprächskreise. 331 Revisionismus Rechtsextremistische Gruppen, Organisationen und Einzelpersonen versuchten bereits kurz nach dem Ende des zweiten Weltkrieges (so 90 der französische Revisionist Paul Rassinier), die Bewertung der historisch hinreichend belegten und dokumentierten Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus dahingehend zu ändern, dass diese in einem positiven Licht erscheint: die Einschätzung des Nationalsozialismus also zu revidieren. Diese Verharmlosung des Nationalsozialismus dient dem Zweck, die politische Akzeptanz für Rechtsextremisten zu steigern. Revisionisten geht es darum, Zweifel zu schüren, dass die nationalsozialistischen Verbrechen offenkundig sind, das heißt: eindeutig stattgefunden haben. Während der sogenannten Gebietsrevisionismus, das Infragestellen der deutschen Ostgrenze, weniger bedeutsam ist, zählt die Leugnung bzw. Relativierung des Holocaust zu den zentralen Agitationsansätzen (sogenannte Auschwitz-Lüge). Im Zentrum revisionistischer Agitationen steht zudem der Versuch, die Verantwortung Deutschlands für den zweiten Weltkrieg zu leugnen - in diesem Zusammenhang ist von "Kriegsschuldund Greuellügen der ehemaligen Siegermächte" die Rede. Die Argumentationsmuster kehren dabei ständig wieder: Veröffentlichungen wird ein pseudowissenschaftliches Gewand verliehen, es wird versucht, den Anschein einer seriösen, streng wissenschaftlich-analytischen Arbeit zu vermitteln. Eine Fülle von Quellenzitaten, Querverweisen, Literaturangaben und Fußnoten wird vorgewiesen, und revisionistische Schriften werden als sogenannte "Gutachten", "Studien" oder "Reports" veröffentlicht. Häufig werden auch Dokumente zu Fälschungen, Zeitzeugen für befangen erklärt bzw. Zeugenaussagen als erzwungen dargestellt oder aber abstruse Weltverschwörungstheorien aufgestellt. Durch diese Pseudowissenschaft soll gezielt Verwirrung und Skepsis unter anderem hinsichtlich der offiziellen Ge82 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 schichtsschreibung erzielt werden. Beispiele für eine Glorifizierung der nationalsozialistischen Vergangenheit finden sich vor allem in rechtsextremistischen Periodika. Als ein wesentlicher Ansatz für die Bekämpfung des Revisionismus hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend die konsequente und verschärfte Strafverfolgung von Volksverhetzungsdelikten in Deutschland, aber auch zum Teil erfolgreich in den USA, in Kanada und Belgien bewährt. In Deutschland zeigten unter anderem die 99 und 200 in Kraft getretenen strafgesetzlichen Änderungen zum SS 0 StGB Wirkung: Die Auschwitz-Lüge bzw. ein den öffentlichen Frieden störendes Billigen, Verherrlichen oder Rechtfertigen der nationalsozialistischen Gewaltund Willkürherrschaft sind danach Volksverhetzung. Hierdurch gingen in Deutschland Kampagnen und Veröffentlichungen zu diesem Thema deutlich zurück, und die Herstellung und der Vertrieb revisionistischer Schriften wurden überwiegend ins Ausland verdrängt. So blieben auch die von dem Rechtsextremisten Horst Mahler im Jahre 200 initiierte bundesweite Kampagne "Aufstand für die Wahrheit" und die damit im Zusammenhang stehende "politische Arbeit" des 'Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten' (VRBHV) ohne Erfolg. Bislang hat der Verein, der neben Mahler maßgeblich durch die Vorsitzende des 'Collegium Humanum' und einen Schweizer Revisionisten geleitet wird, weder die angestrebte Änderung der Offenkundigkeit der Geschichtsschreibung noch eine Änderung der Rechtsprechung zur Volksverhetzung im Sinne des SS 0 StGB durch Musterprozesse erreicht. Ebenso wenig erfolgreich waren die Bemühungen der von Mahler initiierten 'Reichsbürgerbewegung' (RBB). Diese Gruppe versucht über einen "allgemeinen Volksaufstand" der "Reichsbürger" die "Wiedererlangung der Handlungsfähigkeit des Deutschen Reiches durch einen organisierten und geordneten Angriff auf die Auschwitzlüge als dem Fundament der Fremdherrschaft über das Deutsche Volk" zu erreichen. Sowohl der VRBHV wie auch die RBB nutzen die Tagungsstätte 'Collegium Humanum - Akademie für Umwelt und Lebensschutz e.V.' (CH) in Vlotho. Das CH ist Herausgeber der Vereinszeitschrift 'Lebensschutz-Informationen - Stimme des Gewissens' (LSI), die die revisionistischen Bemühungen unterstützt und seit 200 regelmäßig über die Aktivitäten des VRHBV, über anstehende Gerichtstermine sowie über Abläufe der Strafprozesse gegen Revisionisten berichtet und zur Teilnahme an Solidaritätsaktionen aufruft. In der Zeitschrift hieß es beispielsweise: rEchtsExtrEmismus 8 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 : "Das iranische Staatsoberhaupt Ahmadinedjad hatte sich in Mekka [... ] öffentlich als Holocaustleugner bekannt und einen höchst logischen Vorschlag zur Lösung der Judenfrage unterbreitet." (Ausgabe Nr. Januar/Februar 2006 ) : "Der Holocaust entbehrt bis heute der naturwissenschaftlich eindeutig gesicherten Beweise von Seiten der Ankläger." : "Der SS 0 Volksverhetzung mit seinem Erörterungsverbot und Offenkundigkeitsdogma ist der unwiderlegbare Beweis für die Nichtexistenz des Holocaust." (Ausgabe Nr. Juli/August 2006) Anhaltend krisenhafte Entwicklung des Revisionismus? Die weltweit intensivierten Sanktionen gegen namhafte Revisionisten haben die Motivation der revisionistischen Szene geschwächt. Allerdings bestehen trotz der Inhaftierung maßgeblicher Akteure und der von Einzelnen erkannten krisenhaften Entwicklung Ansätze, die wachsende Lethargie und Isolation des rechtsextremistischen Revisionismus zumindest zeitweilig zu durchbrechen. Herausragendes Beispiel hierfür ist die vom regierungsnahen iranischen 'Institute for Political and International Studies' (IPIS) am ./2. Dezember 2006 in Teheran durchgeführte "Holocaust-Konferenz". Die Konferenz gab weltweit bekannten, darunter auch deutschen Revisionisten die Möglichkeit, "unbehindert von westlichen Tabus das historische Ereignis des Holocaust zu diskutieren", im Ergebnis also: den Holocaust zu leugnen. Um die Forschung zur "unabhängigen Untersuchung des sogenannten Holocaust" zu gewährleisten, wurde im Anschluss an die Teheraner Konferenz ein 'Internationales Holocaust-Forschungskomitee' gegründet. In dieser Gruppe, die unter anderem eine weitere "internationale Holocaust-Klärungs-Konferenz" vorbereiten soll, arbeiten auch hinreichend bekannte Revisionisten aus der Schweiz und Australien mit. Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Revisionisten: Gegen den weltweit agierenden Revisionisten Ernst Zündel, der am . März 200 von Kanada nach Deutschland abgeschobenen worden war, begann Anfang November 200 vor dem Landgericht Mannheim der Strafprozess wegen des Verdachts der Volksverhetzung, Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener durch Veröffentlichungen auf seiner Homepage (sogenannte 'Zundelsite'). Der Prozess gegen Zündel dauert noch an. 8 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Gegen die Revisionisten Germar Rudolf und Siegfried Verbeke wurde Ende März 2006 von der Staatsanwaltschaft Mannheim Anklage wegen Volksverhetzung, Beleidigung und der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener erhoben. Ihnen wird vorgeworfen, im Internet und durch Verbreitung von Schriften den im Nationalsozialismus begangenen Völkermord an den Juden systematisch geleugnet bzw. verharmlost sowie durch antisemitische Hetze zum Hass gegen die jüdische Bevölkerung aufgestachelt zu haben. Germar Rudolf war am . November 200 von den USA an die deutschen Strafverfolgungsbehörden überstellt und aufgrund eines Haftbefehls auf dem Frankfurter Flughafen festgenommen worden. Verbeke wurde am . August 200 aufgrund eines internationalen Haftbefehls in Amsterdam festgenommen und im November 200 an Deutschland ausgeliefert . Gemeinsamer Hintergrund für die Anklage sind die Aktivitäten von Verbeke und Rudolf in der sich als "Stiftung" bezeichnenden revisionistischen Organisation 'Vrij Historisch Onderzoek' (VHO, Deutsch: Freie historische Forschung). Auf Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom . Mai 2006 wurde der Haftbefehl gegen Verbeke wegen der aus Sicht des Gerichts unverhältnismäßig lang andauernden Untersuchungshaft gegen Zahlung einer Sicherheitsleistung von .000 Euro außer Vollzug gesetzt. Verbeke musste seinen Pass hinterlegen und darf sich unter strengen Meldeauflagen nur in Deutschland und Belgien aufhalten. Am . November 200 wurde in Österreich aufgrund eines Haftbefehls des Landgerichts Wien von 989 der britische Revisionist David Irving in Untersuchungshaft genommen. Am 20. Februar 2006 wurde er durch das Wiener Landgericht wegen Verstoßes gegen das NS-Verbotsgesetz zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren ohne Bewährung verurteilt. Irving war bereits 99 in Deutschland wegen Leugnung des Massenmordes in Auschwitz verurteilt und unbefristet ausgewiesen worden. Gegen das Urteil des Landgerichts Wien hatten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch Irving Berufung eingelegt. Die von Irving außerdem eingelegte Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Obersten Gerichtshof Österreichs am . September 2006 verworfen. Damit wurde der Schuldspruch rechtskräftig. Hinsichtlich des Strafmaßes wandelte das Wiener Oberlandesgericht zwei Drittel der Strafe in eine Haftstrafe auf Bewährung um und entschied, Irving den Rest der Strafe zu erlassen. Er wurde am 20. Dezember 2006 aus österreichischer Haft entlassen und am Folgetag nach Großbritannien abgeschoben. Horst Mahler war im Januar 200 vom Landgericht Berlin wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden. Mit Entscheidung vom 8. August 2006 hat der Bundesgerichtshof den hiergegen gerichteten Revisionsantrag Mahlers zurückgewiesen, so dass er am . November 2006 seine Haft antreten musste. Mahler verabschiedete sich in Anwesenheit von Polizeibeamten mit den rEchtsExtrEmismus 8 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Worten "Heil Hitler" und dem Zeigen des Hitlergrußes. Mahler hatte in der Vergangenheit selbst gefordert, Revisionisten müssten im Rahmen des "Feldzuges gegen die Offenkundigkeit des Holocaust" auch Gefängnisstrafen in Kauf nehmen. Internetauszug des 'National Journal' Auch in NRW gab es 2006 Urteile gegen revisionistisch agierende Personen: Am 7. Juli 2006 hat das Landgericht Wuppertal auf die Berufung des ehemaligen Vorsitzenden der eher unbedeutenden (und mittlerweile umbenannten) 'Vereinigung Gesamtdeutsche Politik e.V.' (VGP), Ernst Günter Kögel, diesen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da der Angeklagte dagegen Revision eingelegt hat. Kögel war vom Amtsgericht Remscheid wegen Volksverhetzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden, weil er strafrechtlich relevante Teile der ehemals von der VGP herausgegebenen Zeitschrift 'Deutschland Schrift für neue Ordnung' ins Internet eingestellt hat. Die Gesamtfreiheitsstrafe erfolgte unter Anrechnung einer bereits im November 200 wegen Volksverhetzung verhängten monatigen Freiheitsstrafe. Gegen dieses Urteil hatte sowohl der Angeklagte als auch die StaatsanwaltPublikation der VGP schaft Berufung eingelegt. Der Betreiber des 'Z-Versands' wurde am 2. August 2006 vom Landgericht Dortmund wegen Volksverhetzung in Tateinheit mit dem Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr 86 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 und sechs Monaten rechtskräftig verurteilt. Die Vollstreckung wurde zur Bewährung ausgesetzt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Verurteilte Publikationen der von dem bekannten Rechtsextremisten Horst Mahler initiierten 'Reichsbürgerbewegung' sowohl gelagert als auch vertrieben hatte. Ausblick Trotz zahlreicher finanzieller Rückschläge und obwohl sie durch die anhängigen bzw. abgeschlossenen Strafverfahren gegen Protagonisten der weltweit agierenden Revisionistenszene geschwächt wurden, geben sich diese Kreise optimistisch. So schrieb der neue Chefredakteur der von der VHO herausgegebenen Schrift 'Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung' (VffG) in der Ausgabe vom . April 2006 in dem Artikel "Die Uhr läuft ab": "[... ] wir können feststellen, dass der Revisionismus nicht lahmgelegt wurde [... ]. Die revisionistischen Internetseiten sind weiterhin online - überhaupt haben die Juden die Schlacht um das Internet eindeutig verloren [... ]. Je mehr nämlich die Revisionisten [... ] eingesperrt und 'außer Betrieb' gesetzt werden, um so stärker wird eine Radikalisierung eintreten, weil nur diejenigen, die sich zu wehren wissen, eine Überlebenschance haben." 332 Der Schlesier Gründung 98 Herausgeber, Verleger und HansJoachim Ilgner, Recklinghausen Chefredakteur Erscheinungsweise wöchentlich, Auflage 10.000 (eigene Angabe) Nach wie vor bestehen tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer rechtsextremistischen Bestrebung (SS Absatz Nr. VSG NRW; siehe Fußnote am Beginn des Kapitels). Die Zeitschrift dient dem 'Zentralrat der vertriebenen Deutschen e.V.' (ZvD) als Sprachrohr. Der Vorsitzende des ZvD, Herbert Jeschioro, ist Autor von Beiträgen und Kolumnen im 'Schlesier'. Dies hat ebenfalls das Verwaltungsgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 2. November 2006 bestätigt. Themenschwerpunkte der Zeitschrift sind der Versuch der Relativierung der Verbrechen des NS-Regimes sowie die revisionistische Agitation gegen Polen. In diesem Zusammenhang behauptet der ZvD Vorsitzende in der Ausgabe 9 vom 29. September 2006 unter der Überschrift "Der Irrtum": "Die 9 und danach vollzogene Austreibung und Ausraubung von Millionen Deutschen aus Ostdeutschland, rEchtsExtrEmismus 87 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 die bis zum heutigen Tage anhält, war keine Folge 'Hitlers', sondern das Ergebnis jahrhundertelanger polnisch-rassistischer und nationalistischer Bestrebungen, die 98 begannen und nach der Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg endlich realisiert werden konnten." Ähnlich argumentiert auch ein Stammautor in einem Artikel in derselben Ausgabe unter der Überschrift "Polens ewiger Deutschenhass und die Hölle der Vertreibung der Deutschen aus den deutschen Ostgebieten - Eine notwendige geschichtliche Rückblende und ein Leitartikel für unsere Jugend": "Man baut mit der unwahren Version von der angeblichen Kriegsschuld des deutschen Volkes diese Hetze weiter auf. Immer wieder und zu jeder nur möglichen Gelegenheit wird die Schuld des deutschen Volkes am Zweiten Weltkrieg von den Siegern wie auch von den jetzigen Politikern beschworen: Die Deutschen sind schuld! Sie, die eigentlichen Opfer, denen der gewaltigste Blutzoll abverlangt wurden, deren Land zerstückelt und wie kein anderes geplündert wurde, gelten als Urheber allen Übels auf der Welt." Darüber hinaus führte derselbe Autor in der Ausgabe 7 vom . September 2006 zu einem Bericht über eine Ausstellung im Berliner Kronprinzenpalast unter der Überschrift "Polnische Hetze wie eh und je" aus, dass der polnische Außenminister "nur die eigene Variante" dargelegt habe: "die alte polnische Leier, dass man die Deutschen selbst für diese Vertreibung verantwortlich machen müsste". Die Ausstellung nehme "keine klaren Aussagen [...] zur Vertreibung der Deutschen aus ihrer angestammten Heimat" vor: "Diese Vertreibung hatte nämlich ihre Vorgeschichte, die einzig und allein aus polnischer Schuld herrührte." 'Der Schlesier' setzte auch im Jahr 2006 seine rechtsextremistische Agitation gegen die Legitimität des demokratischen Systems in Deutschland fort. So schrieb ein weiterer Stammautor in einem Artikel der Ausgabe vom 2. August 2006 unter der Überschrift "Der schleichende Niedergang unseres Vaterlandes durch unsere Politiker": "Die Große Koalition wird von einer Machtclique geführt, die nicht mehr begreift, dass sie mit der Demütigung von Mitmenschen ihre Legitimation verloren und jeden Anspruch auf Loyalität verwirkt hat. Verbunden ist dieser Haufen von Politik, Wirtschaft und Justiz durch Bündnisse auf kommunaler, Landesund Bundesebene als auch auf dem internationalen Parkett." Auch im Jahr 2006 finden sich Beiträge mit fremdenfeindlicher Agitation. Behauptete fehlende Integrationswilligkeit und -fähigkeit in Deutschland lebender Ausländer werden als Ursache für einen drohenden Untergang des Deutschen Volkes gesehen. 88 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 So behauptete ein Stammautor in der Ausgabe vom . August 2006 unter dem Titel "Unsere Parlamentarier haben ihre Unfähigkeit mit der Mulikulti-Politik bewiesen": "Unter den Einwanderern gab es eine nicht geringe Anzahl von Eroberern, die nur nach unserem Land kamen, weil es ihnen hier wirtschaftlich besser ging, aber nicht weil sie sich nach Deutschland hingezogen fühlten. Sie wollten ihre Eigenart bewahren und sagten bereits vor 0 Jahren zu Deutschen, wenn diese ein Benehmen rügten, das in Deutschland nicht angebracht war und ist: In 0 bis 5 Jahren bestimmen wir, was hier geschieht!" 333 Nation & Europa - Deutsche Monatshefte (NE) Herausgeber Peter Dehoust und Harald Neubauer Verlag Nation Europa Verlag GmbH Coburg Erscheinungsweise monatlich; Auflage 18.000 Internet Eigene Homepage Bei dem 'Nation Europa Verlag GmbH Coburg', bestehen weiterhin tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen (SS Absatz Nr. VSG NRW; siehe Fußnote am Beginn des Kapitels), die sich auf die Herausgabe der Monatsschrift 'Nation & Europa' (NE) gründen. Die Schrift verfügt über eine gewachsene Leserschaft und findet große Aufmerksamkeit im rechtsextremistischen Lager. Die jeweiligen Ausgaben enthalten nicht nur Grundsatzbeiträge zum Tagesgeschehen, sondern auch Berichte, die sich wohlwollend mit rechtsextremistischen Parteien wie der NPD befassen. In der Schrift finden sich wiederholt Artikel und Kommentare auch zu unpolitischen Themen, in deren Zusammenhang versucht wird, antisemitische oder revisionistische sowie antiliberale und antiamerikanische Positionen einfließen zu lassen. Konstante Themen in der Berichterstattung der NE sind antiamerikanische Beiträge und die Ablehnung der zunehmenden Globalisierung. Zur Standardberichterstattung gehören Nachrichten und Meldungen unter der Überschrift "Aktuelles aus Multikultopia". Hier werden aktuelle Ereignisse aufgegriffen und Ausländer als angebliche Verursacher dieser Probleme dargestellt. Die Artikel sind geeignet, Fremdenfeindlichkeit innerhalb der Gesellschaft zu schüren. rEchtsExtrEmismus 89 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 334 Internet und Versandhandel Das Internet ist ein wichtiges Kommunikationsund Informationsmittel für Rechtsextremisten geworden. Der geringe Kostenaufwand für eine Internetveröffentlichung begünstigt auch bei Rechtsextremisten den Trend, das Internet verstärkt zur Publikation von Informationen zu nutzen. Gleichzeitig erhöht die zunehmende Verbreitung von Internetzugängen die Breitenwirkung. Neben den von Einzelpersonen betriebenen Homepages sind auch alle wesentlichen rechtsextremistischen Parteien (teilweise einschließlich der Landes-, Kreisbzw. Ortsverbandsebene) sowie Publikationen und sonstige Organisationen im Internet vertreten. Darauf wurde bereits im Zusammenhang mit den einschlägigen Gruppierungen hingewiesen. Mit bundesweit etwa .000 deutschsprachigen Homepages im Jahr 2006 ist die Zahl der Internetseiten mit rechtsextremistischen Inhalten im Vergleich zum Vorjahr weitgehend konstant geblieben. Rechtsextremisten verfolgen mit ihren Interneteinstellungen insbesondere folgende Ziele: : Selbstdarstellung und Propaganda, : Öffentlichkeitsarbeit und Nachwuchswerbung, : szeneinterne Kommunikation, informationelle Vernetzung und Mobilisierung sowie : kommerzielle Zwecke. Die inhaltliche Bandbreite rechtsextremistisch motivierter Internetpräsenzen ist umfangreich. Sie reicht von Seiten, die offen strafrechtlich relevante Inhalte präsentieren, bis zu Seiten, deren rechtsextremistischer Hintergrund nur schwer erkennbar ist. Insbesondere auf revisionistischen Seiten wird versucht, über ein pseudowissenschaftliches Erscheinungsbild die wahren Absichten - Verharmlosung bzw. Leugnung des Holocaust - zu verschleiern. Nutzung moderner Web-Techniken durch Rechtsextremisten Dem allgemeinen Trend folgend, finden auch moderne Gestaltungselemente Verwendung innerhalb des rechtsextremistischen Internetangebots. Szene-Musik und Videoclips - diese meist als Propagandamittel und im Zusammenhang mit der Nachbereitung von Demonstrationen der rechtsextremistischen Szene - sind regelmäßig Bestandteile rechtsextremistischer Homepages. Der Einsatz multimedialer Elemente sorgt einerseits für eine allgemeine Attraktivitätssteigerung der Seiten, andererseits 90 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 dient insbesondere das Medium Musik verstärkt auch der Werbung von Szene-Nachwuchs. Zusätzlich zu den bereits seit Jahren genutzten Standardanwendungen World Wide Web (WWW) und E-Mail versuchen Rechtsextremisten, auch neue technische Entwicklungen und Strömungen im Internet aufzugreifen - häufig als "Web 2.0" bezeichnet. Interaktive Web-Dienste und -Techniken wie Weblogs, Video-TauschPortale und Foren ("social networking") werden von ihnen verstärkt für ihre Zwecke genutzt: : Über eine populäre Video-Tausch-Plattform wurden im Jahr 2006 mehrfach Propagandavideos im Stil seriöser Nachrichtensendungen verbreitet, um damit einen großen Personenkreis zu erreichen. Nachdem die Videodateien vom Betreiber der Plattform gesperrt wurden, wurden sie unter anderem von einem bekannten Neonazi-Portal sowohl zum Download als auch zur direkten Wiedergabe angeboten. : Rechtsextremistische Nachrichtenportale wie das 'Störtebeker-Netz' und 'Freier Widerstand' bieten an, ihre regelmäßig aktualisierten Textbeiträge über sogenannte "RSS Feeds" zu abonnieren. Unter RSS (Abkürzung für: Really Simple Syndication) versteht man eine Technik, über die ein Nutzer Inhalte einer Webseite abonnieren oder auf einer Webseite einbinden kann. Neu veröffentlichte Inhalte werden dann automatisch über den Web-Browser oder ein E-Mail-Programm auf die Computer des Abonnenten geladen. : Einen elementaren Bestandteil szeneinterner Kommunikation stellen weiterhin Internet-Foren dar. Viele rechtsextremistische Webseitenbetreiber bieten den Besuchern ihrer Homepage eine solche Diskussionsplattform, über die Szenemitglieder online miteinander kommunizieren können. Vereinzelt liegen die Nutzerzahlen deutschsprachiger Szeneforen bei über .000 Personen, das mehrsprachige SkadiForum verfügt über mehr als 7.000 aktive Nutzer. Dabei sind diese Foren häufig nur angemeldeten Nutzern zugänglich, wodurch eine Überwachung erschwert wird. Fortgesetzte Hacker-Attacken auf rechtsextremistische Homepages Seit Dezember 200 wurden diverse rechtsextremistische Homepages, darunter auch die Onlineshops mehrerer rechtsextremistischer Vertriebe, Opfer gezielter Attacken von Hackern aus dem linksextremistischen Spektrum. Hierbei wurden die Homepages durch die Eindringlinge regelmäßig inhaltlich verändert (sogenanntes "Defacement") und die Onlineshops lahmgelegt. Ferner wurden zum Teil umfangreiche Kundendaten der Vertriebe aus den Datenbanken der Shops ausgelesen und im InterrEchtsExtrEmismus 9 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 net veröffentlicht. Vereinzelt wurde auch zu "Hausbesuchen" bei Kunden rechtsextremistischer Vertriebe aufgerufen. Die wiederholt erfolgreichen Hacker-Attacken sowie die Veröffentlichung der Kundendaten führten zu einer erheblichen Verunsicherung in weiten Teilen der rechtsextremistischen Szene. Aufgrund der Hackerangriffe haben insbesondere die Betreiber rechtsextremistischer Internetshops Maßnahmen gegen unbefugtes Eindringen in ihre Shopsysteme ergriffen. So werben inzwischen mehrere Vertriebe damit, dass alle Kundendaten nach Abwicklung des Kaufvorgangs gelöscht werden. Im Jahr 2006 wurden weitere zum Teil umfangreiche Hackerangriffe gegen rechtsextremistische Internetpräsenzen festgestellt. Die von Antifa-Aktivisten durchgeführten Angriffe richteten sich neben einzelnen Webseiten auch gegen Internetserver zweier rechtsextremistischer Szeneprovider. Hierdurch wurden mehrere Dutzend von Rechtsextremisten betriebene Internetseiten lahmgelegt, darunter auch Seiten verschiedener NPD-Verbände. Rechtsextremistische Vertriebe und Versandhandel Über die Musik versucht die rechtsextremistische Szene sowohl auf ideologischals auch erlebnisorientierte Mitglieder und Interessenten Einfluss zu nehmen. Die Musik dient hierbei als Transportmittel für das über die Liedtexte verbreitete rechtsextremistische Gedankengut. Ideologisch noch nicht gefestigte Jugendliche sollen auf diesem Weg zum Einstieg in die rechtsextremistische Szene verleitet werden. Musik mit rechtsextremistischen Texten wird überwiegend über das Internet und auf Skinhead-Konzerten, aber auch in Szene-Läden vertrieben. Durch ihre finanzielle und logistische Unterstützung tragen rechtsextremistische Musikvertriebe maßgeblich zur Nachwuchswerbung für die Szene bei. Beispielsweise wurden das "Projekt Schulhof" und die Schülerzeitung '[in'vers]' nicht zuletzt durch finanzielles und logistisches Engagement einschlägiger Szene-Vertriebe realisiert. Darüber hinaus ist die Vermarktung von Musik mit rechtsextremistischen Texten und Szene-Artikeln zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor der rechtsextremistischen Szene geworden. Einige Vertriebe refinanzieren nach eigener Aussage die Szene mit einem Teil der erzielten Verkaufserlöse. Sie sichern sich dadurch einerseits eine hohe Glaubwürdigkeit als Mitstreiter innerhalb der Szene, andererseits dürfte mit dem positiven Image auch die Hoffnung verknüpft sein, den Kundenkreis erweitern zu können, eine Rolle spielen. Darüber hinaus versorgen sich Einzelpersonen aus der rechtsextremistischen Skinhead-Szene bei den bekannteren Versandhandeln mit CDs und Merchandising-Artikeln, um diese anschließend, zum Beispiel auf Konzerten, weiter zu verkaufen. 92 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Mit bundesweit etwa 90 rechtsextremistischen Vertrieben (Nordrhein-Westfalen: ) hat sich die Zahl in den vergangenen Jahren deutlich erhöht. Ein Großteil der Vertriebe nutzt das Internet als Vertriebsplattform. Der Handel über das Internet ist aus mehreren Gründen sowohl für Verkäufer als auch Käufer attraktiv: : ein Onlineshop kann ohne großen Aufwand eingerichtet und verwaltet werden. : Miete und Personalkosten für ein Ladengeschäft fallen bei einem Internetvertrieb nicht an, Lagerkosten werden reduziert. : Einkaufsmöglichkeiten sind nicht auf übliche Ladenöffnungszeiten begrenzt, die Bestellung kann jederzeit bequem vom heimischen Computer aus vorgenommen werden. : persönliche Konfrontationen mit dem politischen Gegner sind beim Onlinekauf nicht zu befürchten - durch die anonyme Abwicklung des Kaufvorgangs wird der Handel auch für Interessenten attraktiv, die aufgrund persönlicher Hemmschwellen vor einem Einkauf bislang zurückgeschreckt waren. Auch die beschriebenen linksextremistischen Aktivitäten zum Hacken und Veröffentlichen von Kundendateien haben hieran nichts geändert. Zudem bietet das Internet die Möglichkeit der Vermarktung digitaler Inhalte: zum Beispiel Handylogos und -klingeltöne sowie Musik-Alben im MP-Format. Einige Vertriebe bieten Auszüge aus Musikstücken von ihnen vertriebener Tonträger als Hörprobe zum Download an. Warenangebot Neben Tonträgern einschlägiger rechtsextremistischer Musikgruppen und Liedermacher bieten die Vertriebe auch Kleidungsstücke, Aufnäher und andere Devotionalien an. Ein Großteil des Umsatzes wird neben dem Handel mit Tonträgern inzwischen mit dem Verkauf szenetypischer Textilien erzielt. Insbesondere Kleidungsstücke mit politischen Parolen finden innerhalb der Szene großen Anklang. Der Anteil der Tonträger am Gesamtumsatz ist hingegen rückläufig. Die Ursache hierfür liegt hauptsächlich in der Vervielfältigung auf privater Ebene ("Brennen von CDs" sowie Tausch von Musiktiteln über Internet-Tauschbörsen). Die Besitzer von Skinhead-Musikvertrieben haben auf diese Entwicklung reagiert und ihre Produktpalette umgestellt bzw. erweitert. Häufig bieten sie inzwischen ein breiter gefächertes Sortiment an, welches sich nicht mehr nur auf reine Szeneartikel beschränkt: So werden teilweise auch Kleidungsstücke im Mittelalter-Look wie Miederjacken, Leinenröcke und Gothic-Kleider angeboten, während andere Vertriebe Fußballfans mit Hooligan-Affinität als Zielgruppe ausgemacht haben und mit entsprechenden Textilien bedienen. rEchtsExtrEmismus 9 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Ein nordrhein-westfälischer Vertrieb bietet auch Panzermodelle, Bücher über nordische Mythologie, Heidentum und Runenkunde sowie übliche Outdoor-Ausrüstung (Zelte, Decken, Schlafsäcke), Rucksäcke, Taschen und Trinkhörner an. 335 Die Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung eV Sitz Berlin Vorsitzender Jürgen Rieger Mitglieder Bund NRW 2006 ca. 0 ca. 0 200 ca. 0 ca. 0 Publikation 'Nordische Zeitung' (NZ), erscheint vierteljährlich Hintergrund Die 'Artgemeinschaft' - auch als 'Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V.' bekannt - ist eine Vereinigung, die strukturell mit anderen rechtsextremistischen Organisationen vernetzt ist. Sie benutzt ihr neuheidnisches Weltanschauungsgebilde als Vehikel, um rechtsextremistisches Gedankengut gesellschaftspolitisch zu verbreiten. Programmatische Grundlagen der 'Artgemeinschaft' sind das "Sittengesetz" und das "Artbekenntnis", welche so etwas wie ein "Glaubensbekenntnis" darstellen. Hauptmerkmal des angeblich "in uns" ruhenden germanischen Sittengesetzes ist die "eigene Art", welche mit den Idealen und Rassemerkmalen gleichgesetzt werden kann, die im Nationalsozialismus als "arisch" definiert wurden. Neben der Wiedererweckung und Verbreitung des "artgemäßen" Glaubens geht es der 'Artgemeinschaft' um die Rekonstruktion einer nach dem Führerprinzip aufgebauten Volksgemeinschaft. Damit lehnt die Organisation ihr Gedankengut an Elemente der NS-Ideologie an und unterscheidet sich von anderen in Deutschland existierenden neuheidnischen Gruppierungen, die lediglich eine Renaissance der germanischen Mythologie anstreben. Auf regionaler Ebene ist die Organisation in sogenannte Gefährtschaften gegliedert. In Nordrhein-Westfalen existiert beispielsweise die 'Gefährtschaft Rhein/Maas'. Daneben bestehen Verbindungen und personelle Verflechtungen der 'Artgemeinschaft' in das gesamte rechtsextremistische Spektrum, insbesondere zu den Neonazi-Kreisen der Kameradschaften sowie zur rechtsextremistischen Skinhead-Szene. Vorsitzender der Gruppierung ist der inzwischen in die NPD eingetretene rechtsextremistische Multifunktionär Jürgen Rieger. 9 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen Sowohl die Ideologie der 'Artgemeinschaft' als auch deren Verflechtungen im Rechtsextremismus bieten tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer extremistischen Bestrebung (SS Absatz Nr. VSG NRW; s. Fußnote am Beginn des Kapitels). Seit einigen Jahren strebt die 'Artengemeinschaft' den Ausbau ihrer Strukturen und Aktivitäten in NRW an. Auf diese Weise möchte sie den subkulturellen Rechtsextremismus an sich binden. Dies konnte allerdings bislang - bedingt auch durch den eigenen elitären Anspruch der Gruppierung - nicht umgesetzt werden. Gleichwohl verfügt die 'Artgemeinschaft' hier durch ihre zahlreichen Kontakte im gesamten rechtsextremistischen Bereich über einen gewissen Einfluss. 34 Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten Ein von Toleranz geprägtes, demokratisch verfasstes Gemeinwesen hilft auch Menschen, die in die rechtsextremistische Szene abgerutscht sind. Daher hat das Land Nordrhein-Westfalen im Juli 200 das Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten gestartet. Insbesondere soll Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Möglichkeit eröffnet werden, eine neue Perspektive zu finden und sich von alten "Freunden" zu trennen. Führenden Aktivisten und Mitläufern soll es auch durch Ansprache ermöglicht werden, sich aus der menschenfeindlichen Ideologie des Rechtsextremismus zu lösen. Hierfür hat die Landesregierung im Bürgerund Service-Center 'Call NRW' der Staatskanzlei eine telefonische Kontaktmöglichkeit geschaffen (Tel.: 080 00 0). In Zusammenarbeit mit einer ausgewählten Vertrauensperson - dem Aussteigerbetreuer des Innenministeriums - wird für jeden Einzelnen ein persönlich zugeschnittenes Ausstiegskonzept entwickelt und Hilfe bei dessen Umsetzung geleistet. Die Ausstiegsmaßnahmen umfassen Hilfe bei der Arbeitsplatzsuche, Unterstützung bei Qualifizierungsmaßnahmen (beispielsweise bei der Erlangung des Führerscheins oder eines Ausbildungsabschlusses), psychologische Hilfe, Eingliederung in Entziehungsmaßnahmen, die Hilfe bei Familienzusammenführung, Umzugshilfen und Haftbetreuung. Neben dem Verfassungsschutz weist auch die Polizei durch direkte Ansprachen auf die Möglichkeit des Ausstiegs hin. Darüber hinaus informiert der Verfassungsschutz durch Vorträge in den Justizvollzugsanstalten verstärkt über das Aussteigerprogramm. Ein großer Teil der Ausstiegswilligen hat aus der Haft heraus den Weg in das Programm gefunden. Durch die gemeinsamen Anstrengungen von Verfassungsschutz, Polizei und Justiz ist es gelungen, bis Ende 2006 über 20 Personen in das rEchtsExtrEmismus 9 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Programm aufzunehmen. Die Ausstiegswilligen sind zumeist arbeitslos und stammen aus belasteten Familiensituationen. Die Mehrheit der Aufgenommenen war bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten. Viele von ihnen haben inzwischen die rechtsextremistische Szene endgültig verlassen. Durch Arbeitstagungen, regelmäßigen Informationsaustausch und Netzwerkpflege zwischen Verfassungsschutz, Staatschutzstellen der Polizei, Kommunen, der AJS (Arbeitsgemeinschaft Kinderund Jugendschutz Landesstelle NRW e.V.) und anderen Einrichtungen wird sichergestellt, dass das Aussteigerprogramm ein wichtiger und unverzichtbarer Baustein im Kampf gegen den Rechtsextremismus ist und bleibt. 96 rEchtsExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Linksextremismus0 Linksextremismus bezeichnet das aktive Wirken für eine politische Überzeugung, die eine umfassende und tiefgreifende Umwälzung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorsieht. Am Ende dieser Veränderung soll ein klassenloses sozialistisches/kommunistisches Gesellschaftssystem stehen, in dem jeder Mensch - unabhängig von seiner Herkunft, seinem Geschlecht oder der Zugehörigkeit zu einer Religion oder einem Staat - frei von Herrschaft durch andere Menschen sein soll. Verfassungsfeindlichkeit Zum Erreichen ihrer Ziele wollen Linksextremisten den Kernbereich der durch das Grundgesetz vorgegebenen Staatsund Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik abschaffen oder zumindest in Teilen aufheben. Sie verfolgen Ziele, die gegen die grundlegenden Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verstoßen und sind deshalb verfassungsfeindlich. Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung gehören die Achtung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte, Volkssouveränität, Gewaltenteilung, Verantwortlichkeit der Regierung, Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Unabhängigkeit der Gerichte, die Chancengleichheit aller politischen Parteien mit den Recht auf Bildung und Ausübung einer Opposition. Einig sind sich Linksextremisten aller Schattierungen darin, dass es die bürgerlichkapitalistische Demokratie zu überwinden gilt. Die Verwirklichung linksextremistischer Utopien hätte die Aufhebung im Grundgesetz verankerter Werke und Inhalte zur Folge. Unsere garantierten Grundrechte und die parlamentarische Demokratie wären genauso beeinträchtigt wie Pluralismus, Gewaltenteilung und das Rechtsstaatsprinzip - je nach ideologischer Ausrichtung in unterschiedlicher Intensität. Linksextremisten agieren mit unterschiedlichen Methoden und nutzen verschiedene Organisationsformen (z.B. Parteien, Gruppen, Vereine, offene und geschlossene Diskussionsrunden). Sie engagieren sich für ihre Zielsetzungen auch auf Aktionsfeldern und bei Themen, die für sich betrachtet nicht extremistisch sind. Auf diese Weise 0 Zur Erfüllung seiner Funktion als Frühwarnsystem in der wehrhaften Demokratie ist der Verfassungsschutz durch das Verfassungsschutzgesetz NRW berechtigt, über eine Organisation zu berichten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer verfassungsfeindlichen Bestrebung vorliegen. Für eine Berichterstattung ist es nicht Voraussetzung, dass sich Verdachtsmomente bis zur Einschätzung als "verfassungsfeindlich" verdichtet haben. Soweit nur Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, wird dies ausdrücklich hervorgehoben. linksExtrEmismus 97 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 versuchen sie, ihre politischen Vorstellungen in die Gesellschaft zu tragen und sind dafür auch bereit, mit bürgerlich-demokratischen Organisationen und Institutionen zu kooperieren. Auch wenn Themenfelder und Aktionsmuster innerhalb des linksextremistischen Spektrums je nach ideologischer Ausrichtung unterschiedlich sein können, gibt es verbindende Elemente Das sind: Die Bekämpfung des Faschismus, der als Form der kapitalistischen Gesellschaft gesehen wird, der kapitalistische Globalisierung und der Abbau von sozialen Leistungen und Rechten. Nach Ansicht von Linksextremisten liegt die politische Lösung dieser Problemfelder in einem revolutionären Umbau des gesellschaftlichen Systems. Sie sehen auch in diesen an sich nicht extremistisch belegten Problemfeldern die Möglichkeit, ihren darüber hinaus gehenden Zielen eine breitere Öffentlichkeit zu verschaffen. Linksextremistische Parteien Die derzeit bestehenden linksextremistischen Parteien verfolgen verschiedene ideologische Richtungen. Ihre unterschiedlichen Ansätze verhinderten bisher in der Regel ein gemeinschaftliches Auftreten. Viele linksextremistische Parteien streben nicht in erster Linie nach parlamentarischer Repräsentanz. Sie sind sich ihrer geringen Erfolgssaussichten bewusst und wollen daher ihre politischen Ziele vor allem über den außerparlamentarischen Kampf erreichen. Durch Bündnisarbeit und Einflussnahme auf soziale Bewegungen wollen sie auf Veränderungen hinwirken. Einer der umstrittensten Punkte ist die Anwendung von Gewalt als Mittel zum gesellschaftlichen Umsturz. Häufig wird die politisch motivierte Gewalt als legitimes und geeignetes Mittel angesehen, um linksextremistische Vorstellungen zu verwirklichen. Aus taktischen Erwägungen sieht man in der derzeitigen gesellschaftlichen Lage aber davon ab. Falls aber eine sogenannte "revolutionäre Situation" soweit fortgeschritten sein sollte, dass Gewalt als dienlich erachtet wird, um den angestrebten Umsturz zu verwirklichen, würde sie von denjenigen, die Gewalt grundsätzlich bejahen, - zumindest den programmatischen Aussagen zufolge - auch angewandt. Autonome Maßgeblich für Autonome ist die grundsätzliche Protestund Verweigerungshaltung gegenüber dem politischen und gesellschaftlichen System. Wahlen werden grundsätzlich abgelehnt. Dasselbe gilt für verbindliche Strukturen. Autonome mischen sich überall dort in aktuelle Konflikte ein, wo es ihren persönlichen Bedürfnissen und 98 linksExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Grundüberzeugungen entspricht. Die aktionistischen Schwerpunkte liegen vor allem in den Themenfeldern Antifaschismus, Antirassismus, Antiglobalisierung, Antiimperialismus und Anti-Kernkraft. Organisierungsversuche, die über locker organisierte Strukturen und Netzwerke hinausgehen, scheitern regelmäßig, weil die damit verbundene notwendige Institutionalisierung und Verbindlichkeit den Grundvorstellungen zuwiderläuft. Innerhalb der autonomen Szene ist der Einsatz von Militanz kaum umstritten. Autonome wollen mit dem Einsatz von Militanz chaotische Zustände verursachen, um die Unregierbarkeit des Staates herbeizuführen. Insbesondere Gewalt gegen tatsächlich oder vermeintlich rechtsextremistische Personen und Strukturen sowie gegen die Polizei und andere staatliche Institutionen gilt als legitimes Mittel im Einsatz für autonome Zielsetzungen. Die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung gesellschaftlicher Utopien steht konträr zu dem von der Mehrheit der gesamten Gesellschaft als gültig angesehenen Konsens, dass Entwicklung durch demokratische Abstimmung erreicht wird. Gewaltsames Vorgehen missachtet die durch demokratische Prozesse getroffenen Entscheidungen der Mehrheit der. 41 Parteien 411 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Gründung Bund NRW 968 968 Bezirk Rheinland Bezirk Ruhr Westfalen Westfalen Sitz Essen Leverkusen Essen Vorsitzende Heinz Stehr Anne Frohnweiler Patrik Köbele Mitglieder Bund NRW 2006 ca. .200 weniger als .00 200 weniger als weniger als .00 .00 Publikationen 'unsere zeit' (uz), wöchentliche Auflage ca. 8.000; 'Marxistische Blätter', zweimonatliche Auflage ca. 3.000 Internet Homepage des DKP Parteivorstands seit Februar 997 linksExtrEmismus 99 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Hintergrund Die 'Deutsche Kommunistische Partei' (DKP) ist die Kernorganisation der als "orthodox kommunistisch" einzuordnenden Richtung des Linksextremismus. Sie selbst versteht sich seit ihrer Gründung 968 als politische Nachfolgerin der 96 vom Bundesverfassungsgericht verbotenen 'Kommunistischen Partei Deutschlands' (KPD). Sie bekennt sich als "revolutionäre Partei der Arbeiterklasse" zum Marxismus-Leninismus und strebt unverändert eine revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft an; sie ist damit eindeutig verfassungsfeindlich eingestellt. Die DKP verfolgt als taktische Ziele, die kommunistische Weltanschauung in sozialen Bewegungen zu verbreiten, in pluralistischen Bündnissen präsent zu sein und den außerparlamentarischen Kampf zu unterstützen. Die DKP hält nach wie vor am Sozialismus/Kommunismus als unverrückbarem Ziel des Handelns fest. So spricht bereits die Präambel des inzwischen vorliegenden neuen Programms davon, "die Arbeiterklasse und die anderen Werktätigen für den Sozialismus/Kommunismus als Ziel zu gewinnen." DKP verabschiedet nach jahrelanger Diskussion neues Parteiprogramm Seit der Wiedervereinigung suchte die DKP in langwierigen innerparteilichen Diskussionen nach einer programmatischen Antwort auf die eingetretenen gesellschaftlichen Entwicklungen. Die Schwierigkeit einer einvernehmlichen Programmdebatte lag vor allem in Selbstverständnisfragen, die von westund ostdeutschen Parteimitgliedern unterschiedlich beantwortet wurden. Eine vom Parteivorstand im Juni 200 zur Programmerarbeitung eingesetzte und ihm direkt verantwortliche Autorengruppe hat ihr Arbeitsergebnis dem Parteivorstand im Februar 200 vorgelegt. Wesentliche Grundlagen waren die "Thesen zur programmatischen Orientierung der DKP" von 99, die "Sozialismusvorstellungen" der DKP (Beschluss des . Parteitags der DKP im Mai 998) und der Beschluss des . Parteitages der DKP aus Juni 2000 in Duisburg "DKP-Partei der Arbeiterklasse - Ihr politischer Platz heute". Auf der Grundlage dieses in der Parteizeitung 'unsere zeit' (uz) als "Ausarbeitung zum Programmentwurf als Diskussionsgrundlage" veröffentlichten Arbeitsergebnisses ist es der DKP nach weit mehr als -jähriger interner Diskussion gelungen, auf der 2. Tagung des 7. Parteitages am 8. April 2006 in Duisburg ein neues Parteiprogramm zu verabschieden. Das Programm entspricht den schon immer von der DKP vertretenen Zielen - Umwandlung unserer Gesellschaft in eine sozialistische/ kommunistische. Danach sind Fundament und politischer Kompass der Politik der DKP die von Marx, Engels und Lenin begründeten Lehren des Marxismus. Die DKP 00 linksExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 will diese auf die Bedingungen des "Klassenkampfes" in unserer Zeit anwenden und zu ihrer Weiterentwicklung beitragen. Im neuen Parteiprogramm verurteilt die DKP die Industriestaaten, namentlich die USA, die Staaten der EU und insbesondere Deutschland als imperialistisch. Der Sozialismus wird als Bruch mit der Geschichte der angeblichen Ausbeutersysteme und als eine Etappe auf dem Weg zum Kommunismus beschrieben. Des Weiteren werden Möglichkeiten einer grundlegenden Veränderung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse insbesondere durch Bündnisse und Zusammenarbeit mit anderen gesellschaftlichen Gruppen aufgezeigt und die DKP als revolutionäre Partei vorgestellt, deren Ziel der Sozialismus und letztendlich der Kommunismus sei: jener Gesellschaft, in der es keine Klassen mehr gäbe und der Grundsatz "Jeder nach seinen Fähigkeiten - Jedem nach seinen Bedürfnissen" in die Tat umgesetzt sei. Ob der Versuch, den unterschiedlichen innerparteilichen Auffassungen durch zum Teil abstrakte Formulierungen Rechnung zu tragen, erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen ist eher damit zu rechnen, dass die Programmdebatte in der DKP immer noch nicht beendet sein wird. Indiz dafür ist zum Beispiel eine Äußerung des stellvertretenden Parteivorsitzenden und Chefredakteurs der Parteizeitung aus dem Mai 2006: "Wir haben uns schwer getan mit der Erarbeitung dieses Programms. Als Heinz Stehr im Dezember 989 im Parteivorstand über die Notwendigkeit zur programmatischen Erneuerung der DKP sprach, haben wohl die wenigsten unter uns sich vorstellen können, welch mühsamer, langwieriger, strittiger Prozess vor uns liegen würde". Und weiter: "Wir sind uns allerdings im Klaren darüber, dass die theoretische Debatte zu verschiedenen Fragen weitergeführt werden muss". Weiteres Indiz dürfte auch das Abstimmungsverhalten sein: Das Parteiprogramm ist mit zu Stimmen bei 0 Enthaltungen beschlossen worden. Dies bedeutet, dass mehr als 20 % der Delegierten, und damit ein für eine kommunistische Partei überaus hoher Anteil, dagegen waren. 412 Die LinksparteiPDS - Landesverband Nordrhein-Westfalen Gründung Oktober 990 Sitz Düsseldorf (Landesgeschäftsstelle) Vorsitzende/ Ulrike Detjen, Paul Schäfer Sprecher linksExtrEmismus 0 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Mitglieder 2006 .87 200 vermutlich mehr als .0 Publikationen 'DIE LINKE.PDS LANDESINFO Nordrhein-Westfalen'; Zeitschriften der Parteigliederungen (zum Beispiel Zeitschriften für regionale Bereiche) Internet eigene Homepage Hintergrund Die Bewertung der früheren 'Partei des demokratischen Sozialismus' (PDS), die heute den Namen 'Die Linkspartei.PDS' führt, muss in mehrfacher Hinsicht differenziert erfolgen. Sie ist hinsichtlich ihres geschichtlichen Hintergrundes, ihrer politischen Entwicklung, der inneren Strukturen und der gesellschaftlichen Einbettung ein in der deutschen Geschichte einzigartiges Phänomen. Der vielschichtige Charakter macht es unmöglich, die damit zusammenhängenden Fragen in einem einfachen Ja/Nein-Schema zu beantworten. Ein Blick auf die Entwicklung beleuchtet die Ursachen. Durch den Verlust ihrer Macht in der Deutschen Demokratischen Republik war die damalige staatsbeherrschende 'Sozialistische Einheitspartei Deutschlands' (SED) genötigt, sich ideologisch, politisch und organisatorisch auf die neue Situation einzustellen. Sie tat dies durch die Wahl einer neuen Parteispitze, ihre Umbenennung in zunächst 'SED - PDS' (für 'Sozialistische Einheitspartei Deutschlands - Partei des Demokratischen Sozialismus'), später in PDS, durch den Bruch mit der Ideologie des Marxismus-Leninismus (in seiner durch die 'Kommunistische Partei der Sowjetunion' geprägten Form), durch die Aufgabe ihrer bisherigen leninistischen Parteistruktur und eine - zumindest punktuelle - Orientierung auf bestimmte Werte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes. 99 gab sich die PDS ein Parteiprogramm, dessen wesentliche Ziele die Überwindung des Kapitalismus in der Bundesrepublik und der Aufbau einer neuen sozialistischen Gesellschaft waren. Um den teilweisen Widersprüchlichkeiten zwischen Parteiflügeln und innerparteilichen Strömungen Rechnung zu tragen, war das Programm so allgemein gehalten, dass es sowohl Reformern des bestehenden Gesellschaftssystems Raum bot, als auch denjenigen, die gegen das bestehende Gesellschaftssystem Widerstand leisten und es überwinden wollten. In wesentlichen Fragen, insbesondere ob die gesellschaftlichen Veränderungen parlamentarisch oder außerparlamentarisch erreicht werden sollten, legte sich die Partei durch bewusst offen gehaltene Formulierungen im Parteiprogramm nicht fest. 02 linksExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Seit Ende der neunziger Jahre wurde über ein neues Parteiprogramm diskutiert, da das Programm von 99 zumindest in Teilen nicht mehr der tatsächlichen politischen Entwicklung entsprach (zum Beispiel durch die Beteiligung der PDS an Landesregierungen). Nach kontrovers geführter Diskussion und innerparteilich sehr strittigen Entwürfen wurde das neue Programm im Oktober 200 verabschiedet. Es zeigt in wichtigen Teilen eine sich entwickelnde Akzeptanz der parlamentarischen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland, enthält aber auch Aussagen, die widersprüchlich sind oder sehr unterschiedlich interpretiert werden können. Dazu gehört die entscheidende Frage, ob die Partei das Grundgesetz inhaltlich tatsächlich akzeptieren möchte oder ob sie nur dessen Begriffe übernimmt, aber mit eigenen Inhalten füllt. Die für das gültige Parteiprogramm gemachten Aussagen treffen im Kern auch auf die bisher im Fusionsprozess zwischen 'Linkspartei.PDS' und WASG veröffentlichten programmatischen Dokumente zu (siehe unten). Im Rahmen der Fusionspläne mit der WASG änderte die Partei im Juli 200 ein weiteres Mal ihren Namen; sie nennt sich nunmehr 'Die Linkspartei'. Auf Bundesebene und in den meisten Landesverbänden führt sie die Zusatzbezeichnung 'PDS' ('Die Linkspartei.PDS'). Als Kurzbezeichnung der Partei wurde 'Die Linke' festgelegt. Gründe für eine Weiterbeobachtung der 'LinksparteiPDS' - Landesverband Nordrhein-Westfalen Das 200 verabschiedete Parteiprogramm brachte keine Klarheit hinsichtlich der Vereinbarkeit der politischen Fernziele der 'Linkspartei.PDS' mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Zudem liegen in Nordrhein-Westfalen weiterhin die schon in früheren Verfassungsschutzberichten genannten tatsächlichen Anhaltspunkte für den Verdacht linksextremistischer Bestrebungen im Sinne des SS Absatz Nr. VSG NRW vor. Seit seiner Gründungsphase arbeitet der Landesverband oder - jedenfalls - bestimmte Teile mit der 'Deutschen Kommunistischen Partei' (DKP) zusammen. Die Situation ist regional unterschiedlich und scheint stark von den persönlichen Verhältnissen vor Ort geprägt zu sein - eine Abgrenzung des Landesverbandes von eindeutig extremistischen Positionen der DKP ist nicht zu beobachten. Dies gibt der DKP die Möglichkeit, öffentlichkeitswirksam auf die Kandidatur ihrer Mitglieder auf den offenen Listen der 'Linkspartei.PDS' hinzuweisen. Inzwischen bestehen in zwei Städten Fraktionen aus 'Linkspartei.PDS', der 'Deutschen Kommunistischen Partei' DKP und der Tarnorganisation der 'Marxistisch-leninistischen Partei Deutschlands' (MLPD) 'AUF' bzw. aus 'Linkspartei.PDS' (mit DKP-Beteiligung) und 'AUF'. linksExtrEmismus 0 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Im Landesverband wirken seit der Gründungsphase an maßgeblichen Stellen Personen mit, deren politischer Werdegang in der westdeutschen dogmatischen 'Neuen Linken' begann. Es kann davon ausgegangen werden, dass entsprechende politische Strukturen weiter bestehen. Mal arbeitet der gesamte Landesverband NRW, mal arbeiten Teile von ihm bei bestimmten politischen Themenfeldern kontinuierlich mit anderen linksextremistischen Gruppierungen zusammen. Letztere müssen teilweise dem gewaltbereiten Spektrum zugerechnet werden. Bis heute hat sich der Landesverband NRW der 'Linkspartei.PDS' nicht von eindeutig linksextremistischen Zusammenschlüssen in seinen Reihen getrennt. Diese scheinen aber innerhalb der Partei die Minderheit zu bilden. Im Kooperationsabkommen III, das die 'Linkspartei.PDS' und die WASG im Dezember 200 zur Umsetzung ihrer Fusion schlossen, wurden bisherige Ziele der 'Linkspartei.PDS' übernommen. Die bestehenden Zweifel an der Vereinbarkeit der politischen Ziele der 'Linkspartei.PDS' mit dem Grundgesetz wurden durch das Kooperationsabkommen III nicht entkräftet. Hinzu kommt, dass die im Berichtszeitraum beschlossenen Dokumente (siehe unten), die den Fusionsprozess gestalten sollen, die bisherigen politischen Kernaussagen in neue Formulierungen fassen; dabei entsprechen sie aber inhaltlich den bisherigen programmatischen Aussagen bzw. sind sinnähnlich formuliert. Wie fragwürdig das Werteverständnis der Linkspartei.PDS ist, wird an einem außenpolitischen Beispiel deutlich: Die Zustimmung von Abgeordneten der 'Linkspartei.PDS' im Europäischen Parlament zu einer Resolution, in der die Menschenrechtsverletzungen in Kuba verurteilt werden, führte zu Auseinandersetzungen in der Partei. Um die Diskussion zu beenden, fasste der Bundesvorstand unter der Überschrift "Solidarität mit Kuba" einen Beschluss, der zwei Aussagen zum Menschenrechtsverständnis der Partei enthält: : Der Sieg der kubanischen Revolution 99 "war ein Wetterleuchten, dass sozialistische Veränderungen" möglich sind. : "Der Zusammenhang und die Widersprüche von globaler Gerechtigkeit und Menschenrechten gehören zum Diskurs der internationalen globalisierungskritischen Bewegungen. Die Resolution des Europaparlamentes 'Zur Haltung der EU gegenüber der kubanischen Regierung' widerspiegelt diese differenzierte Betrachtungsweise nicht. Die Zustimmung zur Resolution entspricht nicht der Position der Linkspartei.PDS." [...] "Der Parteivorstand erklärt: Dem sozialistischen Kuba gehört unsere Solidarität" (Anmerkung: Fettdruck nicht im Original). Diese Sichtweise ist nicht neu; es überrascht nur, wie deutlich selbst "Reformer" noch im Jahre 2006 diesem Sozialismusverständnis anhaften: So erklärte der außen- 0 linksExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 politische Sprecher der Bundestagsfraktion, der Parteivorstand habe sich gründlich mit dem Wesen des sozialistischen Kuba und der kubanischen Revolution befasst. Dabei handele es sich um eine Volksrevolution, die nicht mit dem europäischen Staatssozialismus zu vergleichen sei. Die Undeutlichkeit des Sozialismusverständnisses der 'Linkspartei.PDS' werden durch solche Ausflüchte verstärkt. Weitere Dokumente auf dem Weg zu einem zukünftigen Parteiprogramm Ende Februar wurden von einer gemeinsamen Programmgruppe ausgearbeitete "Programmatische Eckpunkte auf dem Weg zu einer neuen Linkspartei in Deutschland" vorgelegt; nicht als Entwurf für ein Parteiprogramm, sondern als "Einladung zur Diskussion" an alle an einer Linken interessierten Bürgerinnen und Bürger. Am 2. Juni 2006 stellten die 'Linkspartei.PDS" und die WASG in Berlin den "Aufruf zur Gründung einer neuen Linken" vor, der die Programmdebatte intensivieren sollte und als Appell zum Mitmachen an alle Interessierten gedacht war. Die neue Partei solle den Namen 'DIE LINKE' tragen, bekenne sich zum demokratischen Sozialismus und setze auf Regulierung: Schlüsselbereiche der Wirtschaft und der Daseinsvorsorge müssten in öffentliche Eigentumsformen überführt werden und demokratischer Kontrolle unterliegen. Am 9. August trafen sich in Wuppertal über 0 Linke aus dem Bundesgebiet, um in einem ersten Treffen über die Positionspapiere einer neuen übergreifenden Gruppierung mit dem Namen 'Sozialistische Linke' zu beraten. Unter dem 20. September legte die durch die Parteivorstände beider Fusionspartner eingesetzte paritätische Programmgruppe den zweiten Entwurf der "Programmatischen Eckpunkte" vor. In überarbeiteter Form verabschiedeten die Parteivorstände auf einer gemeinsamen Vorstandssitzung am 22. Oktober 2006 dieses Grundsatzdokument. Mit Datum vom 7. November stellten der Parteivorsitzende der 'Linkspartei.PDS' und die beiden Vorsitzenden ihrer Fraktion im Deutschen Bundestag einen gemeinsamen Antrag an die Vorstände der beiden Parteien mit dem Ziel, den vorliegenden Programmentwurf um eine Aussage zum demokratischen Sozialismus zu ergänzen. Damit gerät ein Begriff in das gemeinsame Programm, der in den ursprünglichen Zielen der WASG nicht enthalten ist. In noch einmal überarbeiteter Form verabschiedeten die beiden Parteivorstände auf einer gemeinsamen Sitzung am 0. Dezember 2006 die "Eckpunkte" als programmatisches Gründungsdokument.. Die Eckpunkte vom 0. Dezember sind - so die beiden Parteien - noch kein geschlossenes Parteiprogramm; sie sind Leitanträge für die parallel tagenden Parteitage am 2./2. März 2007 in Dortmund. Der Gründungsparteitag soll am 16. Juni 2007 in Berlin stattfinden. linksExtrEmismus 0 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Zu den "programmatischen Eckpunkten" vom 0. Dezember ist inhaltlich folgendes anzumerken: In ihrem bisherigen Programm und in einem Teil der Beiträge zu den Eckpunkten sprach die 'Linkspartei.PDS' als Ziel ihres Handels von einer Gesellschaft, in der die freie Entwicklung einer und eines jeden zur Bedingung der freien Entwicklung aller wird. Dies führte zu Hinweisen in Verfassungsschutzberichten, weil der Originaltext von Marx eine vorherige revolutionäre Umwälzung voraussetzt, die von der 'Linkspartei.PDS' verschwiegen wurde. Die neue sinnnahe Formulierung in den Eckpunkten lautet: "Ziel des demokratischen Sozialismus, der den Kapitalismus in einem transformatorischen Prozess überwinden will, ist eine Gesellschaft, in der die Freiheit des anderen nicht die Grenze, sondern die Bedingung der eigenen Freiheit ist." Die aus dem sozialen Forderungskatalog des WASG-Programms stammenden Punkte der anzustrebenden gesellschaftlichen Veränderungen können als Teilziele in das Ziel einer grundlegenden Gesellschaftsveränderung im Sinne der 'Linkspartei.PDS' eingeordnet werden. Die von der 'Linkspartei.PDS' geforderten - verfassungsrechtlich problematischen - Eingriffe in das Eigentumsrecht sind übernommen. Wie bisher sind sie so schrankenlos formuliert, dass sie zumindest in der Summe die Verfügungsgewalt über das Eigentum an Produktionsmitteln aufheben. Die Demokratisierung der Wirtschaft soll es erfordern, die Verfügungsgewalt über alle Formen des Eigentums sozialen Maßstäben unterzuordnen. Geklärt werden soll noch, wie öffentliches Eigentum als Grundlage demokratischer Politik und Daseinsvorsorge erweitert, sowohl sozial als auch effizient gestaltet und genutzt werden kann. Es sollen konkrete Vorschläge erarbeitet werden, wie bestimmte Schlüsselbereiche der Wirtschaft und der Daseinsvorsorge zum Wohle der Allgemeinheit in öffentliche Eigentumsformen überführt werden müssen, um mehr demokratische Kontrolle und Gestaltung zu ermöglichen. In verschiedenen inhaltlichen Aussagen (so zu Antifaschismus/Kapitalismus und Kapitalismus/Imperialismus) wird deutlich Bezug genommen auf die bisherigen programmatischen Inhalte der 'Linkspartei.PDS'. Weiter wird von einer "offen hervortretenden Klassenspaltung der Gesellschaft" gesprochen. Nach Marx führt der Klassenkampf notwendig zur Diktatur des Proletariats als Übergang zur Aufhebung aller Klassen und zu einer klassenlosen Gesellschaft. Auch hierzu muss sich die 'Linkspartei.PDS' erklären, zumal sie auf der europäischen Ebene ausdrücklich davon spricht, es sei ein "neuer Raum der Klassenkämpfe entstanden". Die Zusammenarbeit mit außerparlamentarischen Kräften wird sprachlich anders als im gültigen Parteiprogramm beschrieben; ihr kommt aber immer noch eine problematisch große Bedeutung zu: "Die parlamentarische Arbeit werden wir so gestalten, 06 linksExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 dass sie der Zusammenarbeit mit außerparlamentarischen Kräften der Linken [...] dient". Problematisch sind auch Umfang und Inhalt des Katalogs offener Fragen, die sich in den Nachbemerkungen der "Eckpunkte" finden, zum Beispiel: "Welche Möglichkeiten und Instrumente einer Demokratisierung der Wirtschaft und der Unterwerfung der Verfügungsgewalt über Eigentum unter soziale Kriterien gibt es? Inwieweit müssen dazu auch kapitalistische Eigentumsverhältnisse aufgehoben werden?" oder "Wie stehen Linke in der Menschenrechtsfrage zum Verhältnis von sozialen und individuellen Bürgerrechten?", "Welche Bedeutung hat der Bezug auf Klasseninteressen und -kämpfe für unsere Politik?" und "Wie ist das Verhältnis zwischen außerparlamentarischer und parlamentarischer Arbeit zu gestalten?" Wie tief die Einschnitte in die Rechtsordnung gedacht sind, die aus der Gesamtstrategie der 'Linkspartei.PDS' folgen, zeigt beispielsweise die Forderung der Bundestagsfraktion, Steuerflüchtlingen solle die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt werden. Auch die Äußerung eines Bundestagsfraktionvorsitzenden, im Bundestag würde in bestimmten sozialen Fragen gegen die Mehrheit des Volkes abgestimmt und darob von Demokratie keine Rede sein könne, gehört zu diesen Beispielen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich aus der sich abzeichnenden Programmatik der neuen Partei - wie auch in anderen Punkten - viele Fragen stellen und viele Darstellungen im programmatischen Gründungsdokument, den "Eckpunkten" widersprüchlich oder offen bleiben. Mit den am 0. Dezember 2006 verabschiedeten "Eckpunkten" wird weitgehend sichergestellt, dass langfristig die programmatischen Vorstellungen der 'Linkspartei.PDS', niedergelegt in deren derzeitigem Parteiprogramm, den Kern der Ziele der neuen Partei bilden werden. Turbulenzen im Fusionsprozess Gegen den Druck des eigenen Bundesvorstandes und der Linkspartei.PDS - und in Berlin mit Hilfe eines Gerichtes - konnten in Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern die Landesverbände der WASG bei der Landtagsbzw. Senatswahl eigenständig kandidieren. Ein Beitrag im 'Neuen Deutschland' vom 2. September 2006 unter der Überschrift "Fusion per Beitritt" löste weitere Veröffentlichungen und Stellungnahmen aus. In dem Artikel heißt es, ein von der 'Linkspartei.PDS' in Auftrag gegebenes juristisches Gutachten rate zu einer "Verschmelzung durch Aufnahme" durch die größere der beiden Parteien. Drei Tage später bestätigten der Bundesgeschäftsführer und der Beauftragte für die Parteibildung der 'Linkspartei.PDS' die Auftragsvergabe. Dies linksExtrEmismus 07 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 sei jedoch vor allem auf Wunsch der WASG erfolgt. Die neue linke Partei werde eine politische Neugründung sein. Der juristische Prozess einer Verschmelzung finde unter dieser Prämisse statt. Beispiele für bundesweite Bemühungen in verschiedenen Politikfeldern Hochschulpolitik Vertreter des Netzwerks der Hochschulgruppen von 'Linkspartei.PDS', WASG und '['solid]' haben sich bei einem Treffen für die Gründung eines Hochschulverbandes ausgesprochen. Beabsichtigt ist die politische und organisatorische Anbindung an den Jugendverband der 'Linkspartei.PDS' '['solid]'. Der Hochschulbund soll politisch und finanziell unabhängig sein, sich aber in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen positiv auf die Partei beziehen. Planungen zu einem gemeinsamen Jugendverband Im August trafen sich Angehörige verschiedener linker Jugendorganisationen, um die Konturen einer gemeinsamen Jugendstruktur zu diskutieren. In beiden Parteien bilden die unter 0 Jahre alten Mitglieder eine Minderheit. Wichtige Fragen sind unter anderem, ob es sich um einen parteinahen oder parteieigenen Jugendverband handeln soll und alle jungen Parteimitglieder automatisch diesem beitreten. Basis des weiteren Prozesses könnte der Jugendverband der 'Linkspartei.PDS' '['solid]' sein; in die Bündnisarbeit sollen die 'Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend' (SDAJ) und Gewerkschaftsjugend einbezogen werden. Ende November fand in Göttingen zum sechsten Mal eine dreitägige Veranstaltung statt, der nach Ansicht der Linkspartei eine wichtige Rolle im Parteineubildungsprozess im Bereich der Jugendstrukturen zukam. Bekannt wurde, dass eine eigene Steuerungsgruppe die laufenden Gespräche über einen neuen linken Jugendverband und eine Hochschulorganisation koordiniert. Die neue Struktur soll die Rechtsnachfolge des Jugendverbandes '['solid]' antreten. Bündnispolitik Einer der Mitbegründer und Führungsfunktionäre der WASG äußerte, die SPD habe sich früher als einzige Partei dargestellt, die sich um die Belange der Gewerkschaft kümmere. Jetzt habe sie Konkurrenz bekommen. Allerdings warteten momentan viele vor einem Beitritt ab, ob man die Gründung der vereinigten Partei hinbekomme. Obwohl in Cottbus der gemeinsame (u.a. CDU, 'Linkspartei.PDS', FDP) CDU-Kandidat die Wahl verloren hat, will die örtliche CDU ihr Bündnis fortsetzen. Über die 08 linksExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Kommunalebene hinaus sehen 'Linkspartei.PDS' und CDU aber keine Möglichkeiten einer Zusammenarbeit. Gleichwohl wird der Vorgang die Bewertung der 'Linkspartei.PDS' als "normale" Partei weiter stärken. Auch in Nordrhein-Westfalen wird der gestärkte politische Einfluss propagandistisch herausgestellt. So wurde im 'Neuen Deutschland' unter Bezug auf die punktuelle Unterstützung der Minderheitenkoalition im Rat der Stadt Köln berichtet, etwa 0 Ratsbeschlüsse trügen die Handschrift von 'Linkspartei', WASG und anderen Gruppierungen. Eine Koalition oder Tolerierung komme aber für die Linke nicht infrage. Erster Mitgliederzuwachs auf Bundesebene Im Jahr nach der Namensänderung im Juli 200 gelang es der Partei erstmalig, ihre Mitgliederverluste durch Neuaufnahmen auszugleichen. Zum Jahresende 2006 verbuchte sie allerdings im Vergleich zu 200 einen Rückgang von etwa .000 Mitgliedern. Durch den Fusionsprozess mit der WASG und die Aufnahme derer Mitglieder wird sich der Mitgliederbestand der 'Linkspartei.PDS' deutlich erhöhen. Aktivitäten / Themen auf der Landesebene Nordrhein-Westfalen Themen des Landesverbandes Ein hoher Anteil der Veröffentlichungen auf der Homepage des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen beschäftigt sich mit bundespolitischen Themen, die oft einen internationalen bzw. sicherheitspolitischen Hintergrund haben. Die Artikel befassen sich zum Beispiel mit der Integrationspolitik, den Auslandseinsätzen der Bundeswehr, der Sozial-, Wirtschaftsoder Hochschulpolitik des Bundes. Bildung einer gemeinsamen Fraktion mit DKP und 'AUF' im Rat der Stadt Essen Einen neuen Beleg für die Zusammenarbeit von 'Linkspartei.PDS' mit Extremisten liefert die am 2. Juni 2006 bekannt gegebene Bildung einer Fraktion aus 'Die Linke' /DKP/'AUF' im Rat der Stadt Essen. Die sich weiterhin revolutionär gebende DKP hält auch in ihrem neuen Programm am Ziel eines orthodox-kommunistisch geprägten Sozialismus/Kommunismus fest. Bei 'AUF' handelt es sich um eine Vorfeldorganisation der MLPD. Die MLPD propagiert den revolutionären Sturz der Diktatur des Monokapitals und die Errichtung linksExtrEmismus 09 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 der Diktatur des Proletariats für den Aufbau des Sozialismus/Kommunismus. Beide Ziele schließen das Wirken für eine demokratische Gesellschaftsform aus. Landesverband mobilisiert für Unterschriftensammlung gegen Privatisierung der LEG Ende Juni rief der Landesvorstand der 'Linkspartei.PDS NRW' die Mitglieder dazu auf, die Unterschriftensammlung der Volksinitiative 'Sichere Wohnungen und Arbeitsplätze' zu unterstützen. Mit der Aktion soll die Privatisierung der Landesentwicklungsanstalt (LEG) verhindert werden. Organisation des Landesverbandes Die Partei gibt an, die Mitgliederzahl sei 200 nach Karteibereinigung von . auf .8 gestiegen; im August 2006 habe sie .87 betragen. Neueste Angaben (Stand: Dezember 2006) sprechen von knapp unter 2.000 Mitgliedern. In den vergangenen Jahren hat der Landesverband seine Angaben später immer nach unten berichtigen müssen. Es ist auch möglich, dass nach einer Fusion die neue Gesamtzahl unter der Summe der bisherigen Einzelmitgliederzahlen von 'Linkspartei.PDS' und WASG liegt, weil Doppelmitgliedschaften berücksichtigt werden müssen. In der Organisationsstruktur des Landesverbandes haben sich 2006 nur leichte Verschiebungen ergeben. Der Landesverband gliedert sich in Kreisverbände (200: 8), Basisgruppen (200: 6), eine Ortsgruppe (200: keine) und zwei Gliederungen ohne Organisationsbezeichnung (200: eine). Auch weiterhin können nicht alle Kreisverbände als handlungsfähig bezeichnet werden. Nach hiesiger Einschätzung war die Partei im Berichtszeitraum nicht in der Lage, eine landesweit flächendeckende, wirklich arbeitsfähige Struktur aufzubauen. 413 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) Gründung 982 Sitz Gelsenkirchen Vorsitzender Stefan Engel Mitglieder Bund NRW 2006 ca. 2.00 ca. 60 200 ca. 2.000 ca. 60 Neben'Rebell' (Jugendorganisationen der MLPD);'Rotfüchse' organisationen (Kinderorganisation der MLPD) 0 linksExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 VorfeldFrauenverband 'Courage'; 'Solidarität International' (SI); organisationen Kommunale Wahlbündnisse 'AUF'; 'Verein zur Förderung internationaler Jugendtreffen' in Gelsenkirchen; 'Verein zur Förderung der Bewegung von Frauen und Mädchen für Frieden, Brot und Rosen' in Gelsenkirchen; 'Verein zur Förderung des Courage-Zentrums Gelsenkirchen'; 'VermögensVerwaltungsVerein' (VVV) in Gelsenkirchen; Mediengruppe 'Neuer Weg' in Gelsenkirchen; 'Willi-Dickhut-Stiftung'; Förderverein 'Neue Wege in der HIV-Therapie'; 'Bürgerbewegung für Kryo-Recycling und Kreislaufwirtschaft'; 'People to People' (Reisebüro und Verkauf ideologischer Schriften) Schulungsund 'Arbeiterbildungszentrum' (ABZ) mit Einrichtungen in Freizeitzentren Gelsenkirchen, Alt-Schwerin, Stuttgart und Berlin; Ferienlager in Truckenthal/Thüringer Wald ('Im Waldgrund GmbH & Co KG'); Ferienhaus Zehntscheune Daaden im Westerwald Publikationen 'Rote Fahne' (RF), wöchentliche Auflage ca. 7.500; 'Lernen und Kämpfen' (LuK), Mitglieder und Funktionärschrift, vierteljährliche Auflage von 1.000 Internet Homepage seit etwa Mai 997; 'Rote Fahne News' als Online-Nachrichtenmagazin Hintergrund Die 982 aus dem 'Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands' (KABD) hervorgegangene MLPD bekennt sich nach wie vor zu den Lehren von Marx, Engels, Stalin und Mao Tse-tung und verbindet nach eigener Aussage "den Kampf um die Forderungen der Arbeiterund Volksbewegungen mit dem Ziel der internationalen sozialistischen Revolution". Dabei sieht sie "in der Arbeiterklasse den Träger einer sozialistischen Gesellschaft". Die Zielsetzung der MLPD ist durch eindeutig verfassungsfeindliche Aussagen geprägt. Bereits die Präambel in den Statuten der MLPD zeigt deutlich die Ausrichtung der Partei: "Die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) versteht sich als politische Vorhutorganisation der Arbeiterklasse in Deutschland. Ihr grundlegendes Ziel ist der revolutionäre Sturz der Diktatur des Monopolkapitals und die Errichtung der Diktatur des Proletariats für den Aufbau des Sozialismus als Übergangsstadium zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft". Der angestrebte "revolutionäre Sturz" kann nach Ansicht des MLPD-Vorsitzenden Stefan Engel nur durch eine Revolution erfolgen, deren letzter Abschnitt der "bewaffnete Aufstand" ist. Dabei soll sich die "Arbeiterklasse unter Führung ihrer Partei linksExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 (Anm.: gemeint ist die MLPD) zum bewaffneten Aufstand erheben, den bürgerlichen Staatsapparat zerschlagen, die Diktatur des Proletariats errichten und gegen die Konterrevolution verteidigen". Alle Aktivitäten der Partei oder einzelner Funktionsträger lassen sich nur erklären, wenn man das in sich geschlossene marxistisch-leninistische Weltbild der MLPD als klassischer kommunistischer Kaderpartei berücksichtigt, das diesem Handeln zu Grunde liegt. Politische Tätigkeiten und Bestrebungen der Partei oder ihrer Anhänger sind immer darauf gerichtet (auch beim Engagement in Jugendgruppen, Gewerkschaften, Wahlbündnissen, Betriebsgruppen etc.), die gesellschaftliche Situation zugunsten einer revolutionären Veränderung im Sinne der MLPD umzugestalten. Die Kader-Struktur zeigt sich auch in der Stellung des seit der Parteigründung amtierenden Vorsitzenden Stefan Engel. Mit Veröffentlichungen in der Schriftenreihe "Revolutionärer Weg", dem theoretischen Organ der MLPD, und mehrseitigen Interviews, die er periodisch dem Parteiblatt 'Rote Fahne' gewährt, gibt er die dogmatische Richtschnur für die MLPD vor. Sie dienen der ideologischen Sprachregelung, der innerparteilichen Indoktrination der Mitglieder und ihrer Ausbildung für die Schwerpunkte der politischen Arbeit, für die marxistisch-leninistische Betriebsund Gewerkschaftsarbeit, die revolutionäre Frauenarbeit, die Jugendarbeit und die kommunalpolitische Arbeit. Aufgrund ihrer ideologischen Formelhaftigkeit und sektenähnlichen Struktur bleibt die MLPD aber selbst im linksextremistischen Spektrum weitgehend isoliert. Schwerpunkte der politischen Arbeit : Betriebsund Gewerkschaftsarbeit, Beteiligung an sozialen und anderen Protesten Neben Streikunterstützung bieten soziale und andere gesellschaftspolitische Fragen der MLPD einen breiten Ansatz zu Aktivitäten, mit denen sie Chancen sieht, öffentlich wahrgenommen zu werden und ihre Isolierung zu überwinden. Mit Hilfe positiv besetzter Begriffe versucht sie für ihre Ziele zu werben. So beteiligt sie sich an den "Montagsdemonstrationen", bei denen sie in einigen nordrhein-westfälischen Städten sogar treibende Kraft ist. Nach wie vor wurde die MLPD in der Öffentlichkeit aber nicht in der von ihr erhofften Intensität wahrgenommen. Allerdings hat die Mitinitiierung der Aktionen gegen die letztlich vom Bundesverfassungsgericht erlaubte NPD-Demonstration am 0. Juni 2006 in Gelsenkirchen zu einer gewissen Aufmerksamkeit geführt. Nach Polizeiangaben haben an der Kundgebung der von der MLPD unterstützten Initiative "Die Welt zu Gast bei Antifaschisten" ca. .000 Personen teilgenommen. Die hohe Zahl scheint auf die dabei neu 2 linksExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 angewandte Mobilisierungsstrategie, vor Kundgebungsbeginn unentgeltlich Kaffee und belegte Brötchen anzubieten, zurückzuführen zu sein; einige Teilnehmer dürften alsdann aber zu der zeitgleichen Kundgebung des bürgerlichen Spektrums (Bundestagsparteien, Gewerkschaften etc.) abgewandert sein. In der Parteizeitung 'Rote Fahne' vom 6. Juni 2006 versucht die MLPD unter der Überschrift "Tausende stellen sich den NPD-Faschisten in den Weg" den Eindruck zu vermitteln, über .000 Menschen seien ihrem Aufruf gefolgt; lediglich in einer Bildunterzeile wird dann darauf hingewiesen, dass verschiedene Organisationen zu dieser Demo aufgerufen hatten. : Jugendarbeit Mit der marxistisch-leninistischen Jugendarbeit sieht sich die MLPD vor der Lösung einer historischen Aufgabenstellung. Die Jugend sei die kämpferische Vorhut der verschiedenen gesellschaftlichen Bewegungen. Bei ihr sei der Abnabelungsprozess von den bürgerlichen Parteien, dem bürgerlichen Parlamentarismus und seinen Institutionen besonders ausgeprägt. Die Jugend sei deshalb am aufgeschlossensten für die MLPD, ihren Jugendverband 'Rebell' und die revolutionäre Perspektive des Sozialismus. Vor diesem Hintergrund ist auch das alljährliche 'Rebell'-Sommercamp in Truckenthal/Thüringen zu sehen, dass 2006 vom 22. Juli bis zum 2. August stattfand und zu dem insgesamt 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwartet wurden. Tatsächlich teilgenommen haben rund 20 Jugendliche. : Frauenpolitische Arbeit Anders als in der Jugendarbeit, in der der 'Rebell' offen als Jugendorganisation der MLPD auftritt, versteckt die MLPD ihre Frauenpolitik hinter anderer Fassade. Durch die Mitarbeit des von der MLPD dominierten Frauenverbandes 'Courage' und auch der Bewegung 'Frauen und Mädchen für Frieden, Brot und Rosen' in der Frauenbewegung soll auch hier ein Weg aus der politischen Isolation gefunden werden. Ein Hauptaugenmerk galt 2006 dabei dem "7. Frauenpolitischen Ratschlag" vom . - . Oktober 2006 in der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, der nach eigenen Angaben mit .700 Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchgeführt wurde. : Kommunalpolitik Auch in diesem Themenfeld verschleiert die MLPD ihre Aktivitäten. Die MLPD sieht sich einer ständigen Verfolgung durch die deutschen Sicherheitsbehörden ausgesetzt. Aus diesem Verständnis heraus wird erklärbar, warum die Partei nicht nur organisatorisch (insbesondere durch die Steuerung von Vorfeldorganisationen), sondern auch bei Wahlen versucht, ihre Ziele und Methoden zu verschleiern. Sie tritt nicht selbst auf, sondern unterstützt angeblich unabhängige Personenwahlbündnisse, die üblicherweise unter der Bezeichnung 'AUF' (für: Alternativ, Unabhängig, FortlinksExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 schrittlich) politisch tätig sind. Dabei ist jedoch auffällig, dass in Nordrhein-Westfalen allein in dieser Wahlbündnisse Mitglieder des Zentralkomitees der MLPD, und damit der höchsten Parteiebene, tätig sind. Vermögenslage ist ausgezeichnet Nach eigenen Angaben (Rechenschaftsbericht für 200 - BT Drucksache 6/2890 vom 6. Oktober 2006) verfügte die MLPD im Jahr 200 über ein Immobilienvermögen von rund ,7 Millionen Euro und ein Gesamtvermögen von rund ,8 Millionen Euro. Dies dürfte inzwischen weiter erhöht worden sein. In der 'Roten Fahne' /2006 vom . September 2006 wurde angekündigt, dass der 'VermögensVerwaltungsVerein' (VVV) in Gelsenkirchen zwei Nachbargebäude (in einem der Gebäude befindet sich die Polizeiwache des Stadtteils Horst) der Parteizentrale "Horster Mitte" kaufen werde. Nach Parteiangaben soll die Bevölkerung Hauptnutznießer dieser neuen Immobilie werden; so seien der große Saal für Veranstaltungen (Kino, Tanz, Familienfeiern, politische Veranstaltungen und Ähnliches) vorgesehen, das WilliDickhut Museum komme in das neue Zentrum, in Verbindung mit einer Leihbibliothek, Internet-Cafe und Bistro. Die übrige linksextremistische Szene sieht den Immobilienerwerb sehr kritisch. In einem ironischen Artikel: "Sieg im Häuserkampf, [...] MLPD kauft sich eine Polizeiwache im Stadtteil Horst" bezeichnet die 'junge Welt' die MLPD als "millionenschwere maoistische Partei". Offensichtlich habe der Reichtum der Partei die "proletarische Denkweise" ihres Vorsitzenden vernebelt. Im selben Artikel wird auch die Großspende einer Einzelperson angesprochen. Hierbei handelt es sich um einen ehemaligen Bergbau-Ingenieur, der der MLPD in den Jahren 2005/2006 rund 2,5 Millionen EUR aus einer Erbschaft gespendet hat. Dieses Geld soll nach Angabe der Partei für die parteiinterne Bildungsarbeit, den Aufbau neuer Gliederungen in Ost-Deutschland sowie die Kader-Schulung investiert werden. Landesverband in NRW gegründet In seiner Rede zum Jahreswechsel 200/2006 hatte der Vorsitzende der MLPD, Stefan Engel, die Gründung des Landesverbandes (LV) NRW angekündigt. Nach den Verlautbarungen der MLPD (RF Nr. /2006 vom 0.02.2006) hat Ende 200 der . Landesdelegiertentag NRW der MLPD stattgefunden, der die Gründung des LV beschlossen sowie eine Landesleitung, Landeskontrollkommission und Landesrevisionskommission "im Herzen der revolutionären Bewegung Deutschlands" gewählt linksExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 hat. Dies ist die "offizielle" Begründung für die Gründung (RF Nr. 5/2006). Weiter wird dazu ausgeführt: "Warum NRW? Jeder fünfte Einwohner Deutschlands wohnt in NRW, das sind 8, Millionen Menschen. 2 der 50 größten deutschen Übermonopole haben ihren Sitz in NRW. Die NRW-Wirtschaft ist geprägt von der Neuorganisation der internationalen Produktion. Ein Drittel der ausländischen Direktinvestitionen sind hier konzentriert. NRW hat 58 Universitäten mit insgesamt über 450 000 Studenten. In NRW ist das dichteste Forschungsnetz in Europa. Von NRW gingen wichtige Arbeiterkämpfe aus: der Rheinhausen-Streik 987, der Streik der Bergarbeiter 997, der Opelstreik 2004 [...]." 42 Die Themenfelder der linksextremistischen Autonomen Die im Bereich des Linksextremismus als Autonome bezeichneten Gruppierungen und Einzelpersonen stellen keine homogene Szene dar. Ihre Mitglieder verfügen über keine einheitliche gefestigte Ideologie, sondern vertreten unterschiedliche und zum Teil widersprüchliche an anarchistischen und auch kommunistischen Theorien angelehnte Vorstellungen. Sie mischen sich dort in aktuelle Konflikte ein, wo es ihren Bedürfnissen und Grundüberzeugungen entspricht. Dabei arbeiten sie sowohl mit anderen linksextremistischen Strömungen als auch mit Organisationen des bürgerlichen Spektrums zusammen, wenn sich entsprechende Anknüpfungspunkte ergeben. Die Darstellungen und Bewertungen in den folgenden Themenfeldern beschränken sich ausschließlich auf die Beteiligung und Agitation von linksextremistischen Gruppierungen. 421 Antifa: Gegenkundgebungen und Blockadeversuche bei rechten Aufmärschen Die bisherige Entwicklung im Bereich der autonomen Antifa-Szene, nach der in verschiedenen Städten auf die Anmeldung einer rechtsgerichteten Kundgebung eine entsprechende Gegenkundgebung der linken Szene folgte, setzte sich auch im Berichtsjahr fort. Nach diesem Muster fanden nahezu jedes zweite Wochenende in Nordrhein-Westfalen vergleichbare Veranstaltungen statt. Der Verlauf der Kundgebungen war in Mehrzahl der Fälle von Störungen, Sachbeschädigungen und tätlichen Auseinandersetzungen geprägt, die in der Regel nach folgendem Schema abliefen: linksExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 : Vor, während und nach den Kundgebungen versuchten Antifa-Aktivisten, die Teilnehmer an rechtsgerichteten Demonstrationen zu behindern und zu blockieren. : Bereits bei der Anfahrt der rechten Kundgebungsteilnehmer wurde seitens der Antifa versucht, den jeweiligen Ankunftsbahnhof oder andere Sammelplätze zu blockieren. : Die Blockadeaktionen wurden an besonderen strategischen Punkten des rechten Aufmarsches - beispielsweise an Straßenkreuzungen oder Unterführungen - fortgesetzt. Darüber hinaus versuchten linke Aktivisten, zu den rechten Kundgebungsteilnehmern entlang deren Zugweg vorzudringen. Durch geeignete polizeiliche Maßnahmen wurden zwar Durchbruchversuche abgewehrt; Flaschenund Steinwürfe oder Würfe mit anderen Gegenständen (Farbbeutel, Obst, Knallkörper) konnten jedoch nicht immer verhindert werden. Mitunter fanden auch Rangeleien oder Prügeleien mit der Polizei statt. : Auch bei der Abreise wurden einzelne rechte Kundgebungsteilnehmer verfolgt und behindert. Nach Szenemitteilungen soll es gelegentlich nach dem Abrücken der Polizeikräfte zu tätlichen Auseinandersetzungen gekommen sein. Obwohl der Mobilisierungserfolg und das entwickelte Aktionspotenzial in den verschiedenen Städten sehr unterschiedlich ausfielen, muss bei Mobilisierungen der rechten Szene grundsätzlich von Gegenaktivitäten der Antifa-Gruppierungen ausgegangen werden. Aufkleber der Antifa-Szene Weitere Aktivitäten der Antifa-Szene Neben den Kundgebungen gegen rechte Aufmärsche erfolgten auch andere AntifaAktionen. Beispielsweise veranstaltete die 'Antifa OWL' (Ost-Westfalen-Lippe) eine Outing-Aktion vor dem Haus eines bekannten Rechtsextremisten als Ersatzveranstaltung zu den ursprünglich beabsichtigten Aktivitäten gegen einen geplanten rechten 6 linksExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Aufmarsch in Wunsiedel. Dabei wurden Flugblätter an Nachbarn und Passanten verteilt sowie Redebeiträge verlesen. Weiterhin fand zum wiederholten Male ein "antifaschistisches Jugendcamp" in Oberhausen statt, ohne jedoch besondere Signalwirkung zu entfalten. Die Organisation teilten sich autonome Antifa-Gruppierungen, die dem antideutschen Spektrum angehören und die strikt proisraelische Positionen vertreten. Das Camp bestand aus Einzelveranstaltungen mit ideologischen oder geschichtsinterpretierenden Schwerpunkten (zum Beispiel Lesarten der Marxschen Theorie, Geschichte Israels, Staatliche Repression gegen Minderheiten, Philosophie und Kritik und das Verhältnis von Theorie und Praxis) sowie faktenorientierten Referaten zum Themenkomplex Antifaschismus beziehungsweise den rechten Strukturen vor Ort und im ganzen Bundesgebiet. Anstieg von Rechts-/Links-Konfrontationen Als direkte Konsequenz auf die Zunahme von rechten Kundgebungen und den darauf folgenden Gegenkundgebungen ist seitens der Polizei und Verfassungsschutzbehörden ein Anstieg der Fallzahlen linksextremistisch motivierter Kriminalität zu konstatieren. Ein direkter Rückschluss auf die strukturelle und personelle Zusammensetzung - beispielsweise auf eine höhere Personenzahl der autonomen Szene oder deren gesteigerte Attraktivität für Jugendliche und junge Erwachsene - kann daraus jedoch nicht gezogen werden. Auch außerhalb von demonstrativen Ereignissen kam es zu direkten und indirekten Konfrontationen zwischen den beiden verfeindeten Lagern. So warfen am 8. April Antifa-Aktivisten die Fensterscheiben einer Gaststätte in Köln während einer dort stattfindenden Arbeitstagung der rechtsextremistischen 'Deutschen Akademie' mit Steinen ein und versuchten - jedoch ohne Erfolg - eine Rauchbombe im Innenraum der Gaststätte zu zünden. Immer wieder werden auch tätliche Auseinandersetzungen zwischen rechten und linken Szeneangehörigen in den elektronischen Medien kolportiert. Diese werden jedoch häufig nicht der Polizei als Delikt angezeigt und finden damit auch keinen Eingang in die Fallzahlen der Statistik über politisch motivierte Kriminalität. 422 Antideutsches Spektrum Auch im Berichtsjahr hielt der Trend zu antideutschem Gedankengut in der autonomen Szene an. Im Bereich der meisten autonomen Antifa-Gruppierungen Nordrhein-Westfalens ist eine deutliche Hinwendung zu strikt israelsolidarischen und islamfeindlichen Positionen erkennbar. Neben dem Antifajugendcamp in Oberhausen linksExtrEmismus 7 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 gab es zahlreiche Informationsveranstaltungen auf örtlicher Ebene, die sich mit den Thesen und Ansichten der ideologischen Vordenker in der antideutschen Szene auseinander setzten. Da die proarabische, antiimperialistische Strömung innerhalb der Linken den Antideutschen ein Dorn im Auge ist, kam es auch im Berichtsjahr zu szeneinternen Konflikten. Am 4. Februar 2006 fand in Duisburg eine Kundgebung mit dem Motto "Für Israel - gegen den antisemitischen Wahn!" unter Beteiligung von antideutschen Gruppierungen aus mehreren Städten statt, um sich damit gegen die Politik antiimperialistischer Gruppierungen wie etwa der Duisburger Gruppe 'Initiativ e.V.' und linker türkischer Gruppierungen aus Duisburg zu wenden. Diese schlossen sich darauf zu einer Gegenkundgebung zusammen; einzelne Aktivisten suchten die Auseinandersetzung mit den Teilnehmern der antideutschen Kundgebung. Nur durch strikte Trennung der beiden Kundgebungen konnte die Polizei einen störungsfreien Verlauf gewährleisten. 423 Antiglobalisierung: Die linksextremistische Szene mobilisiert gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm Nach den Protesten gegen das G8-Treffen in Gleneagles/Schottland im Juli 200 konzentrieren sich die Aktivitäten der linksextremistischen globalisierungskritischen Gruppen auf die Vorbereitung von Protestaktionen zum G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm. Die beiden Hauptströme - 'Interventionistische Linke' (IL) und das Netzwerk 'Dissent! (plus X)' - haben sich inzwischen gefestigt, wobei auf den bundesweiten Treffen jeweils auch Gruppen der anderen Strömung vertreten sind. Darüber hinaus bildete sich mit dem 'Anti-G8 Bündnis für eine revolutionäre Perspektive' im März 2006 eine weitere Strömung antiimperialistisch ausgerichteter Gruppen. Das von der IL initiierte, eher gemäßigte Bündnis, das inzwischen neben einigen Gruppierungen des militanten autonomen Lagers, mehreren revolutionär-marxistischen Organisationen sowie zum Teil langjährig aktiven - nicht ausschließlich linksextremistischen - Einzelpersonen auch das sehr organisationserfahrene Netzwerk 'attac' und Angehörige der 'Linkspartei.PDS' umfasst, strebt die Bildung eines möglichst breiten "Gesamtbündnisses" an. Der deutschsprachige Ableger des maßgeblich von militant orientierten britischen Globalisierungskritikern initiierten Netzwerkes 'Dissent! (plus X)' setzt sich größtenteils aus Angehörigen autonomer, anarchistischer, antiimperialistischer und leninistischer Gruppen zusammen. 'Dissent! (plus X)' war unter dem Namen 'Dissent' zur Vorbereitung von Protesten gegen das G8-Treffen im Juli 200 in Gleneagles (Schottland) gegründet worden.. Im Gegensatz zur IL favorisiert das 'Dissent! (plus X)'-Netzwerk eine "linksradikale" Bündnisstruktur als "selbstorganisiertes Netzwerk gleichberechtigter 'Grass Roots'-Gruppen und Einzelpersonen". 8 linksExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Regionale und internationale Vorbereitungstreffen sollen Kommunikationsund Diskussionsstrukturen schaffen, die es der 'undogmatischen Linken' ermöglicht, "gestärkt in die Proteste (in Heiligendamm) hineinund vor allem gestärkt daraus wieder heraus(zu)gehen". Dem 'Anti-G8 Bündnis für eine revolutionäre Perspektive' gehören etwa 0 - antiimperialistisch ausgerichtete Gruppen an, darunter die antiimperialistische Gruppe 'Initiativ e.V.' aus Duisburg. Das Bündnis will über die Mobilisierung gegen das G8-Treffen 2007 in Heiligendamm "revolutionäre Positionen vermitteln, möglichst breite Kreise erreichen und eine effektive Praxis entwickeln, die sich gegen Kapitalismus und Imperialismus richtet". Als "guten Auftakt für Gipfelproteste im kommenden Jahr" bewerteten die Organisatoren aus dem Netzwerk 'Dissent! (plus X)' den Verlauf des Mobilisierungscamps 'Camp Inski' vom . - . August 2006 in Steinhagen/Mecklenburg-Vorpommern. Es sollen durchgehend 00 - 600 Aktivisten daran teilgenommen haben. In der Spitze hätten sich bis zu .000 Personen im Camp aufgehalten, davon etwa 00 aus dem Ausland. Ziel des Treffens war, Protestaktionen gegen den Gipfel 2007 zu planen und Kontakte zwischen einzelnen Aktivistengruppen zu knüpfen. Es fanden bis zu 0 Workshops statt zu Themen wie Demotraining ("x der Straßenblockade"), Rechtshilfe, Strategie, Kletterkurse der Gruppe 'Robin Wood', Videoworkshops, Direkte Aktionen, Erstellen von Videoclips, aber auch Antirassismus, Gentechnik und Militarismus. Daneben kam es zu dezentralen Aktionen in der Region. So beteiligten sich am 8. August 2006 in Rostock bis zu 0 Personen an einer friedlich verlaufenen Kundgebung zum Thema "Migration". Am 0. August demonstrierten 70 - 80 Personen in Groß-Lüsewitz gegen den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft; bei Rangeleien mit der Polizei erlitt eine Polizeibeamtin eine Bissverletzung. Auf der Rückreise von einem demonstrativen "Badetag" in Heiligendamm am . August mit bis zu 0 Camp-Teilnehmern bewarfen etwa 00 Aktivisten auf dem Bahnhof in Bad Doberan Einsatzkräfte der Bundespolizei mit Flaschen und anderen Gegenständen. Am 2. August schlossen etwa 20 zum Teil maskierte Personen symbolisch die Arno-BrekerAusstellung in Schwerin, die sie als "aktive Rehabilitierung eines der bekanntesten NS-Künstler" bezeichneten. Sie verhüllten vier der ausgestellten Plastiken mit Toilettenpapier und forderten die Besucher zum Verlassen der Ausstellungsräume auf. Das Camp verlief unter den Teilnehmern nicht vollkommen konfliktfrei, was angesichts der heterogenen Zusammensetzung des Teilnehmerkreises auch die Organisatoren nicht verwunderte. So entstanden Konflikte zwischen 'Antideutschen' und 'Antiimperialisten', nachdem 'Antideutsche' ein gegen das militärische Vorgehen Israels im Libanon gerichtetes Transparent - es war von Anhängern des antiimperialistisch orientierten 'Anti-G8 Bündnisses für eine revolutionäre Perspektive' angebracht worden - entfernt hatten. linksExtrEmismus 9 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Nach der anarchistisch bestimmten (Anti-Castor-)Kampagne 'X-tausendmal quer', die vor dem Hintergrund des G8-Treffens 2007 einen "Fahrplan des Zivilen Ungehorsams" propagiert hatte, kündigten auch nichtextremistische Initiativen der sogenannten 'Anti-Atom-Bewegung' ihre Beteiligung an Protesten in Heiligendamm an. Der Castor-Transport vom 0. - . November 2006 aus dem französischen La Hague nach Gorleben sollte dabei Aktivisten beider Lager als konkretes Übungsfeld für Widerstand auf dem "platten Land" dienen. Die erhoffte Unterstützung aus der Kampagne gegen das G8-Treffen 2007 in Heiligendamm blieb aber überwiegend auf publizistische Aktionen beschränkt. Mit ihrer Erklärung zu einem in der Nacht zum 28. Juli 200 in Hollenstedt (Niedersachsen) verübten Brandanschlag auf das Dienstfahrzeug des Vorstandsvorsitzenden der Norddeutsche Affinerie (NA) beabsichtigten die bisher unbekannten Täter eine "breite, auch militante Kampagne" gegen den G8-Gipfel 2007 anzustoßen. Daraufhin erfolgten auch in 2006 weitere Anschläge mit G8-Bezug auf Kraftfahrzeuge und Gebäude in Niedersachsen, Berlin, Hamburg und Schleswig-Holstein, wobei Sachschäden bis zu 20.000 Euro entstanden. Der Arbeitsbesuch von US-Präsident Bush bei Bundeskanzlerin Merkel vom 2. bis . Juli in Stralsund wurde nicht in dem Umfang zu Aktionen der linksextremistischen Szene genutzt wie man angesichts der Ortsnähe zu Heiligendamm hätte erwarten können. Es protestierten dort am . Juli bis zu .000 Personen, darunter etwa 200 Linksextremisten. Ein breites Aktionsbündnis, das mutmaßlich von Aktivisten der traditionellen 'Friedensbewegung' bestimmt wurde - darunter der linksextremistisch beeinflusste 'Bundesausschuss Friedensratschlag' - hatte unter dem Motto 'Not Welcome, Mr. President! Bush und Merkel: Kriege beenden - Kriegsplanungen stoppen!' zu einer zentralen Demonstration aufgerufen. An Aktionen im gesamten Plakat gegen den Arbeitsbesuch des USBundesgebiet, unter anderem Kundgebungen in Präsidenten Bush Bochum, Dortmund, Duisburg und Wuppertal, beteiligten sich weitere Aktivisten; es wurden allerdings maximal zweistellige Teilnehmerzahlen erreicht. Alle Veranstaltungen verliefen weitgehend störungsfrei. 20 linksExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 In der Nacht zum . Juli setzten bisher Unbekannte auf einem Hotelparkplatz in Sellin (Insel Rügen) ein Einsatzfahrzeug der nordrhein-westfälischen Polizei in Brand. Das Feuer griff auf zwei weitere Fahrzeuge über, alle Fahrzeuge brannten nahezu vollständig aus. Es entstand insgesamt ein Sachschaden von etwa 00.000 Euro. Ein Bezug zum Besuch des US-Präsidenten ist wahrscheinlich. Kaum Mobilisierung zu Aktivitäten außerhalb des anstehenden G8-Gipfels Die Mobilisierungsfähigkeit der globalisierungskritischen Szene außerhalb des G8Gipfels zeigt sich weiterhin rückläufig. So ist für 2006 erneut eine zurückgehende Beteiligung an Großdemonstrationen festzustellen. Zwar fanden auch in diesem Jahr anlässlich des "World Economic Forum" am 2. - 29. Januar 2006 in Davos in verschiedenen Städten der Schweiz Demonstrationen, teilweise mit Sachbeschädigungen, statt. Sie erzielten aber weder in der Öffentlichkeit noch in der Szene eine größere Resonanz. In Deutschland gab es im Vorfeld nur geringe Mobilisierungsbemühungen. Auch die Organisatoren der Proteste anlässlich der "2. Konferenz für Sicherheitspolitik" vom . - . Februar 2006 in München mussten wiederum niedrigere Teilnehmerzahlen verzeichnen. An der größten Demonstration am . Februar unter dem Motto "Antifaschistische, antirassistische und antimilitaristische Proteste gegen die NATO-Kriegskonferenz, die sog. Sicherheitskonferenz" beteiligten sich noch etwa .700 überwiegend dem linksextremistischen Spektrum zuzuordnende Personen. Die Spitze bildete ein "schwarzer Block"' mit 00 Aktivisten. Insgesamt kam es zu 9 polizeilichen Maßnahmen, davon 6 Identitätsfeststellungen. Eine organisierte Anreise von Teilnehmern aus NRW war nicht zu verzeichnen. Im Vorfeld der Aktionen verübte die bisher unbekannte Gruppe 'Militante Antimilitaristische Initiative (M.A.M.I.)' in der Nacht zum . Januar 2006 in zwei Hamburger Stadtteilen Brandanschläge auf jeweils einen Kleinlastwagen der Firma IMTECH Deutschland. In einer Erklärung agitierten die Verfasser hauptsächlich gegen die als "MörderInnentreff" bezeichnete Konferenz für Sicherheitspolitik, gegen die Rüstungsindustrie sowie gegen die unter anderem auch im Rüstungsbereich aktive Firma IMTECH. Den Tätern ging es aber auch darum, eine "Verbindung zwischen antimilitaristischen Kämpfen und der Mobilisierung gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm" herzustellen. G8-Gipfel 2006 in Petersburg verlief ohne größere Resonanz Der G8-Gipfel vom . - 7. Juli 2006 in St. Petersburg verlief ohne größere Protestaktionen. Nachdem die russische Regierung bereits frühzeitig angekündigt hatte, keine gewaltsamen Proteste anlässlich des G8-Gipfels zuzulassen, war die Zahl linksExtrEmismus 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 angereister ausländischer Globalisierungsgegner gering. Bereits vor dem Gipfel soll es zur Festnahme von etwa 200 russischen Aktivisten gekommen sein. Die Behörden erlaubten nur eine Kundgebung im "Kirow-Stadion" auf einer schwer erreichbaren Insel, etwa 20 km vom Veranstaltungsort entfernt. Nicht genehmigte Kundgebungen in St. Petersburg wurden direkt aufgelöst. Bei dem Besetzungsversuch des St. Petersburger Hauptplatzes durch Globalisierungsgegner am 6. Juli nahm die Polizei auch drei deutsche Staatsangehörige fest. Die Mobilisierungsaktivitäten des linksextremistischen Spektrums waren bereits vor dem Gipfelereignis schwach; es engagierten sich lediglich einige Kleingruppen für eine Anreise nach St. Petersburg. Stattdessen fanden im Rahmen eines sogenannten "Global Action Day" zwischen dem . - 6. Juli 2006 in mehr als deutschen Städten, darunter Bonn, Demonstrationen aus Solidarität mit den Protestierenden in St. Petersburg statt. 424 Antirassismus Für die linksextremistische Szene ist der Kampf gegen den Rassismus innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft weiterhin ein Teil ihrer Anstrengungen, das kapitalistische Gesellschaftssystem abzuschaffen: "Rassismus zu bekämpfen, muss daher grundlegend auch bedeuten, Kapitalismus zu bekämpfen" ('Phase2', Ausgabe Mai 2002). Allerdings hat das Themenfeld Antirassismus aktionistisch innerhalb der linksextremistischen Szene derzeit nur eine untergeordnete Bedeutung, auch wenn die Bereiche Migration und Bleiberecht einer der Themenschwerpunkte für die Proteste gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm sein sollen. In NRW war die linksextremistische antirassistische Szene 2006 nur zu kleineren symbolischen Aktionen und Demonstration in der Lage, die sich hauptsächlich auf das Bleiberecht und die Abschaffung der Kettenduldungen bezogen. Bundesweit unternahmen Gruppen des gewaltbereiten Spektrums auch militante Aktionen, die sie mit der Thematik 'Antirassismus' verknüpften. Beispielhaft können genannt werden: In der Ausgabe Nr. 66 des überregionalen autonomen Szeneblattes 'Interim' aus Berlin bekannten sich mutmaßliche Angehörige der autonomen Szene in einer Erklärung ohne Gruppenbezeichnung zu einer Sachbeschädigung am Gebäude der 'Internationalen Organisation for Migration' (IOM). Die Täter warfen in der Nacht zum 2. April mehrere mit roter Farbe gefüllte Weihnachtsbaumkugeln gegen die Gebäudefront der IOM in Berlin. Die Aktion stehe im Zusammenhang mit den antirassistischen Protesten gegen die Innenministerkonferenz im Mai 2006 in Garmisch-Partenkirchen). Gleichzeitig sahen die Täter ihre Aktion auch als Beitrag zur Mobilisierung gegen den G8-Gipfel 2007. Sie hoffen auch im Hinblick auf die "sehr begrüßenswerte Militanzdebatte" unter anderem auf eine klare antirassistische Positi22 linksExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 onierung militanter G8-Gegnerinnen. Die IOM war bereits 2002 und 200 Ziel militanter Aktionen aus der autonomen antirassistischen Szene gewesen. Am 2. Mai besetzten rund 0 antirassistische Aktivisten für etwa Stunde zwei Dächer auf dem Gelände des Flüchtlingslagers Bramsche-Hesepe/Niedersachsen. Mit der Aktion sollte die Forderung der antirassistischen Szene nach Schließung des Lagers unterstrichen werden. Die 'militante Gruppe' (mg) bekannte sich zu einem Brandanschlag auf zwei Dienstfahrzeuge der Bundespolizei am . September in Berlin, bei dem Sachschaden von etwa 00.000 Euro entstand. In einer zweiseitigen Erklärung der Gruppe heißt es: "Anlass dieser Aktion ist das Zu-Tode-Hetzen von fünf Flüchtlingen und einem kommerziellen Fluchthelfer vor genau einem Monat in der Nähe der bei Berlin liegenden Stadt Königs Wusterhausen. [...] Der direkte Zusammenhang zwischen staatlicher Flüchtlingsbekämpfungspolitik und dem flächendeckenden sozialen Kahlschlag oft blutig durch die ArbeiterInnenbewegung erkämpfter sozialer Rechte und Standards ist vielleicht nicht auf den ersten Blick und sofort ersichtlich; er ist aber dennoch vorhanden." In der Nacht zum 28. August warfen unbekannte Täter mit schwarzer Flüssigkeit gefüllte Gläser und Steine gegen das Wohnhaus des Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern, Harald Ringstorff,. In einer Taterklärung der Gruppe 'P.D.S. - Peuple de Seattle - Teilnehmer der militanten Kampagne gegen den G8 in Heiligendamm' üben die Verfasser Kritik am Abschiebelager im mecklenburg-vorpommerischen Horst, aus dem in der Vergangenheit wiederholt Flüchtlinge nach Togo abgeschoben worden seien. Ringstorff habe als Ministerpräsident für die Dauer von zwei Legislaturperioden die Existenz von Lagern für Flüchtlinge in MecklenburgVorpommern zu verantworten. 425 Antiimperialistische Solidarität im Nahen und Mittleren Osten Ausgangspunkt der politischen Arbeit der antiimperialistisch orientierten Linksextremisten ist die Solidarität mit den aus ihrer Sicht unterdrückten Völkern und revolutionären Befreiungsbewegungen. Als international Hauptverantwortliche imperialistischer Bestrebungen - darunter wird das Streben nach größtmöglicher Macht über andere Länder verstanden - werden die USA und Israel als deren angeblicher Brückenkopf im Nahen Osten angesehen. Folgerichtig setzte sich das Engagement deutscher Linksextremisten aufgrund der nach wie vor schwelenden Konflikte in Irak/Iran/Libanon und des unverändert andauernden Nahost-Konflikts im Bereich des "Antiimperialismus" unvermindert fort. linksExtrEmismus 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Das bereits in den Vorjahresberichten erwähnte jährlich organisierte "Antiimperialistische Sommerlager" fand vom 2. - 0. Januar 2006 parallel zum zeitgleich dort stattfindenden Weltsozialforum als "Internationales Bolivarianisches Lager" in Caracas/Venezuela statt. Es spricht einiges dafür, dass der Duisburger Verein 'Initiativ e. V. - Verein für Demokratie und Kultur von unten' als 'Deutsche Sektion des antiimperialistischen Lagers' in Caracas vertreten war. Hauptthemen des Lagers waren "der antiimperialistische Kampf der Völker, der Sozialismus des 2. Jahrhunderts und die Koordination des Widerstands in einer gemeinsamen Front". In den Diskussionen zum Widerstand "standen die Teilnehmer des Lagers für die Legitimität des Widerstandes der Völker mit allen Formen des Kampfes gegen den imperialistischen Terrorismus ein". Anlässlich des Internationalen Aktionstags zum . Jahrestag des Irakkriegs meldete ein Mitglied des Duisburger 'Initiativ e. V.' einen Aufzug mit dem Motto "Gegen Krieg und Besatzung im Irak" an. Eine ursprünglich am gleichen Tag geplante Veranstaltung "Die Kriege der USA und der irakische Widerstand" mit dem Sprecher der 'Irakischen Patriotischen Allianz' (IPA), Awni al-Kalemji, konnte aufgrund eines laufenden Ermittlungsverfahrens gegen al-Kalemji nicht stattfinden. In einem Interview äußerte al-Kalemji im März seine Einstellung zu Widerstandshandlungen im Irak: "[...] wenn ich jünger wäre, würde ich mich sofort dem aktiven Widerstand gegen die US-Besatzer anschließen und mit der Waffe in der Hand gegen sie kämpfen". Ein Vertreter des im Juli 200 in Köln gegründeten Solidaritätskomitees 'Freier Irak', mit dem der Duisburger Verein inhaltlich und personell verbunden ist, machte deutlich, "dass alles unternommen werden wird, Awni al-Kalemji doch noch nach Deutschland zu holen und ihn reden zu lassen." Zwischenzeitlich wurde gegen alKalemji ein Einreiseund Aufenthaltsverbot für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit der Begründung verhängt, dessen politische Unterstützung des irakischen Widerstands beeinträchtige die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland. Der Duisburger Verein veranstaltete und/oder unterstützte eine Vielzahl weiterer Kundgebungen, Demonstrationen, Informationsveranstaltungen und Podiumsdiskussionen im Zusammenhang mit dem antiimperialistischen Widerstand, von denen im folgenden einige genannt werden: : im Juni 2006 unter dem Motto "Imperialistische Hegemonie im Nahen und Mittleren Osten" in Duisburg, : im August eine von arabischen Kräften organisierte Demonstration "Israel raus aus dem Libanon" in Köln, 2 linksExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 : Anfang September eine Kundgebung im Rahmen des internationalen Antikriegstages in Duisburg. Wie bereits bei der Demonstration Anfang August in Köln wurde auch bei dieser Veranstaltung ein Transparent mit dem Symbol der 'Hizb Allah' - hochgereckte Faust mit Gewehr - mitgeführt, auf dem das Selbstverteidigungsrecht des Libanon und die Anerkennung der palästinensischen Regierung mit den Worten "Demokratie heißt Widerstand" eingefordert wird. Entgegen der Tradition der Vorjahre fand die Demonstration zum Jahrestag der Intifada Ende September nicht in Köln, sondern erstmals in Duisburg unter dem Motto "Hände weg vom Nahen und Mittleren Osten" statt. Im Aufruf zu dieser Veranstaltung wurde den USA und Israel legitimierter Staatsterrorismus unterstellt. linksExtrEmismus 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 26 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Ausländerextremismus Der Verfassungsschutz beobachtet im Ausländerextremismus Bestrebungen, die : gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit der Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Lands oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben, : durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden oder : gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind. Schwerpunktmäßig liegen die Bestrebungen in den beiden letztgenannten Bereichen. Dabei reicht es für die Gewaltanwendung aus, dass ausländische Gruppierungen von hier aus gewaltsame Aktionen im Heimatstaat vorbereiten, etwa durch Aufrufe zur Gewalt oder durch die Beschaffung finanzieller oder sonstiger Mittel. Der Ausländerextremismus ist durch eine Vielzahl von Vereinigungen von unterschiedlicher Organisationsstruktur und Größe geprägt. Den Schwerpunkt bilden in NRW die extremistischen Organisationen aus der Türkei. Die sehr unterschiedlichen Zielrichtungen ausländerextremistischer Organisationen lassen sich im Wesentlichen unterteilen in nationalistische Bestrebungen, linksextremistische Bestrebungen und ethnisch motivierte Autonomiebeziehungsweise Unabhängigkeitsbestrebungen. Dabei sind die Übergänge fließend: So sind einige Organisationen ursprünglich linksextremistischer Ausrichtung nach jahrelanger Entwicklung heute vorrangig von ethnisch begründetem Unabhängigkeitsstreben geprägt. 51 Türkische Organisationen 511 Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-Front (DHKP-C); Türkische Volksbefreiungspartei/-Front -Revolutionäre Linke (THKP/-C) Leitung Funktionärsgruppe um den Vorsitzenden Dursun Karatas Mitglieder Bund NRW 2006 60 200 200 60 200 AusländErExtrEmismus 27 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Publikationen 'Devrimci Sol' ('Revolutionäre Linke'); 'Yürüyüs' ('Marsch'); 'Tavir' ('Haltung'); 'Kerbela' (nach einem Ort im Irak); 'Kültür Adasi' ('Kulturinsel') Internet mehrsprachige Homepage Hintergrund Die in der Türkei und Deutschland verbotene 'Revolutionäre Volksbefreiungspartei/Front' ('Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi' - DHKP-C) verfolgt das Ziel, das bestehende türkische Staatssystem durch eine bewaffnete Revolution zu zerschlagen, um ein sozialistisches System zu errichten. Hierzu bedient sie sich in der Türkei auch terroristischer Methoden. So war die Organisation im Vorfeld des NATO-Gipfels im Juni 200 in Istanbul für die Bombenexplosion in einem Linienbus mit vier Toten und zahlreichen Verletzten verantwortlich. Im Juli 200 wurde nach Angaben der türkischen Sicherheitskräfte durch Erschießung eines mutmaßlichen Attentäters ein Anschlag auf das Justizministerium in Ankara vereitelt; der Täter soll Mitglied der DHKP-C gewesen sein. In Deutschland wurden von der Organisation, allerdings letztmalig 1998, Gewaltaktionen gegen Anhänger des Oppositionsflügels und Spendenerpressungen verübt. Mit ihrem Bestreben gefährdet die DHKP-C sowohl die innere Sicherheit als auch die auswärtigen Belange der Bundesrepublik (SS Absatz Nr. und Nr. VSG NRW). Wegen der gleichermaßen vorhandenen Gewaltbereitschaft unterliegt auch die unbedeutendere Abspaltungsgruppe 'Türkische Volksbefreiungspartei/-Front' (THKP/-C) der Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden. Die DHKP-C und die THKP/-C sind Nachfolgeorganisationen der in der Bundesrepublik seit 98 verbotenen 'Devrimci Sol' und als solche am . August 998 durch das Bundesministerium des Innern verboten worden. Die gegen das Verbot angestrengte Klage wurde vom Bundesverwaltungsgericht am . Februar 2000 zurückgewiesen. Ein Streit zwischen den seinerzeitigen Vorsitzenden verfestigt bis heute die Rivalität zwischen beiden Organisationen, ohne dass ernsthafte ideologische Differenzen zu erkennen wären. Unter der Bezeichnung DHK-C - 'Devrimci Halk Kurtulus Cephesi' agiert der militärische Arm der DHKP-C. Die politischen Aktivitäten werden seit 98, als die 'Devrimci Sol' verboten wurde, konspirativ fortgesetzt. Im Mai 2002 hat der Rat der Europäischen Union die DHKP-C auf die europäische Liste der Terrororganisation gesetzt. 28 AusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Struktur Deutschland ist neben der Türkei das wichtigste Betätigungsgebiet der DHKP-C. Die Organisation verfügt über feste Strukturen. Dem Deutschlandverantwortlichen sind Gebietsverantwortliche nachgeordnet. Die eingesetzten Funktionäre treten zur Tarnung unter Decknamen auf und werden häufig ausgetauscht. Als örtliche oder regionale Basis dienen der DHKP-C Vereine, deren Satzung keinen Rückschluss auf die Organisation zulassen. In NRW verfügt die DHKP-C über solche Stützpunkte unter anderem in Bielefeld, Dortmund, Duisburg und Köln. Als der verbotenen DHKP-C nahestehend wird der 'Solidaritätsverein mit den politischen Gefangenen und deren Familien in der Türkei' (TAYAD) angesehen, der in Deutschland auch unter dem Namen jeweiliger regionaler TAYAD-Komitees öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen zur Hungerstreikproblematik in türkischen Gefängnissen durchführt. Wegen personeller Verflechtungen wird auch bei der 'Anatolischen Föderation e. V. Köln', die aus dem 'Verband anatolischer Volkskulturvereine e. V.' hervorgegangenen ist, eine Nähe zur DHKP-C angenommen. Finanzierung Die DHKP-C finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und den Verkauf von Publikationen. Wie in den Vorjahren konnte das selbst gesetzte Ziel der Spendenkampagne bei weitem nicht erreicht werden. Über Spendengelderpressungen konnten in den letzten Jahren keine Erkenntnisse gewonnen werden. Medieneinsatz Seit Mai 200 erscheint die 'Yürüyüs' ('Marsch') als neue wöchentliche Zeitschrift. Neben den regelmäßig erscheinenden Publikationen nutzt die DHKP-C intensiver als die übrigen linksextremistischen türkischen Organisationen das Internet für Aufrufe und politische Erklärungen. Sie verfügt über eine mehrsprachige Homepage. Gerichtsentscheidungen und Exekutivmaßnahmen gegen Funktionäre Am 27. Juni 200 wurde ein früherer Funktionär der DHKP-C aus Köln, der wegen der Beteiligung an Spendengelderpressungen mit Haftbefehl gesucht wurde und sich im Sommer 997 in die Niederlande abgesetzt hatte, von den Niederlanden nach Deutschland ausgeliefert. Ihm wurden unter anderem die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (DHKP-C), räuberische Erpressung und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Am 28. Juni 200 eröffnete ihm der Ermittlungsrichter am AusländErExtrEmismus 29 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 BGH den Haftbefehl. Der Prozess vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf begann am 29. November 200 und endete am . Februar 2006 mit der Verurteilung des geständigen Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Das Strafgericht Brügge (Belgien) verurteilte am 28. Februar 2006 sieben Funktionäre/Mitglieder der DHKP-C zu hohen Freiheitsstrafen. Den Angeklagten wurde im Wesentlichen die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung, teilweise auch Waffendelikte und Urkundenfälschung vorgeworfen. Am 2. Juli 2006 hat die Bundesanwaltschaft vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf Anklage gegen einen ehemaligen Verantwortlichen der DHKP-C erhoben. Der Angeklagte, dem vorgeworfen wird, zwischen 997 und 998 als Führungskader der DHKP-C angehört zu haben, war am 22. März in den Niederlanden festgenommen und im Juni an die Bundesrepublik ausgeliefert worden. Am 2. September 2006 wurde der ehemalige Europaund Deutschlandverantwortliche der DHKP-C in Dortmund widerstandslos festgenommen. Er war bereits im Januar 2000 vom OLG Hamburg wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Der erneuten Festnahme lag ein Festnahmeersuchen türkischer Behörden zugrunde. Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens der Polizei Augsburg wegen Unterstützung einer verbotenen Organisation gegen Angehörige der DHKP-C wurden bei einer bundesweiten Razzia am 27. und 28. November 2006 9 Objekte in Bayern, BadenWürttemberg und Nordrhein-Westfalen durchsucht. Die Polizeiaktion, die sich gegen insgesamt 2 Beschuldigte gerichtet habe, hat zur Festnahme von drei mutmaßlichen Funktionären - unter anderem in Köln - geführt. Aktuelle Themen und Aktivitäten Am 29. April 2006 fand in Herzogenbosch (Niederlande) die jährliche Großveranstaltung zum Gründungstag der Organisation statt. Die Veranstaltung verlief - wie in den Vorjahren - mit .00 - 2.000 Teilnehmern friedlich. Im Rahmen der Veranstaltung wurde zum Kampf gegen den Imperialismus und zur Solidarität mit dem Irak aufgerufen. Weiter wurde bekräftigt, dass das Todesfasten in den türkischen Haftanstalten fortgesetzt werden soll. Für Angehörige der Todesfastenden wurde eine Spendensammlung durchgeführt. Der größte Teil der Veranstaltung waren musikalische und kulturelle Darbietungen. 0 AusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Fortsetzung der Aktionen im Zusammenhang mit dem Todesfasten Zentrales Thema der DHKP-C bleibt das sogenannte "Todesfasten". Hintergrund hierzu ist der Widerstand von Gefangenen in der Türkei gegen den im Jahre 2000 im Rahmen einer Gefängnisreform erfolgten Bau von Einzelzellen anstelle der bisherigen Großraumzellen für teilweise bis zu 00 Insassen. Seit Mai 2002 beteiligen sich nur noch Anhänger der DHKP-C und der ihr nahestehenden Organisation TAYAD am Hungerstreik. Dieser forderte am 7. Januar 2006 das 2. Opfer. In der Folge fanden kleinere Protestbekundungen, unter anderem am 9. Januar vor dem Landtag in Düsseldorf mit 0 Teilnehmern statt. In mehreren deutschen Städten, so auch in Duisburg und Köln, wurde mit Spruchbändern auf den Todesfall aufmerksam gemacht. Am 8. Juli 2006 endete eine 0-tägige europaweite Solidaritätskampagne mit den Todesfastenden in der Türkei. Die seitens des Veranstalters TAYAD erhoffte Solidarisierung der deutschen Bevölkerung blieb weitestgehend aus. So gab es bei Informationsständen, zum Beispiel in Köln und Duisburg, nur wenige Passanten, die sich für die Sache interessierten. Zum 22. Opfer des Todesfastens wurde am . August 2006 im Rahmen einer Protestaktion mit etwa 0 Personen vor dem Innenministerium in NRW eine Resolution übergeben. Gemeinsame Aktionen mit deutschen Linken Zunehmend häufiger nehmen sich die linksextremistischen türkischen Organisationen auch Themen der deutschen Politik an. Dabei ist festzustellen, dass es sowohl bei einzelnen Fragen der Außenund Innenpolitik als auch bei der Kritik an den sozialpolitischen Reformen Übereinstimmungen mit Gruppierungen der deutschen Linken gibt. So kam es am 8. März 2006 in Duisburg zu einer gemeinsamen Demonstration unter dem Motto: "Stoppt die Kriegsvorbereitungen gegen Iran! Stoppt die US-Kriege! Keine deutsche, keine europäische Unterstützung!". An der friedlich verlaufenen Demonstration nahmen 0 bis 200 Personen Titelblätter der Zeitschrift 'Yürüyüs' teil. ('Marsch') AusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Der . Mai ist traditionell auch für die linken türkischen Gruppierungen ein Anlass, die eigenen politischen Positionen zu propagieren. Im Vorfeld des . Mai-Feiertages wurden am 29. April 2006 in Köln Plakate mit folgendem Wortlaut festgestellt: "Am . Mai, gegen imperialistische Besatzung, Sozialkahlschlag und Antiterrorgesetze - auf die Straße". Die Plakate, gedruckt in roter Grundfarbe, versehen mit Hammer und Sichel und in deutscher und türkischer Sprache verfasst, wiesen die MLKP ('Marxistisch Leninistische Kommunistische Partei der Türkei') als Verfasser auf. Im Übrigen nahmen Anhänger linksextremistischer türkischer Organisationen teilweise mit Fahnen der eigenen Organisation an Veranstaltungen deutscher Gruppen zum . Mai teil. Die der DHKP-C nahestehende 'Anatolische Föderation' thematisiert den . Mai in einer Interneterklärung wie folgt: "Nein zum Gewissenstest! Nein zu Ausweisungen! Nein zu Anti-Terrorgesetzen! Nein zu HARTZ IV und zu jeder Art von rechtlichen Beschneidungen! Nein zu den F- Typen! [Gemeint sind hier die neuartigen Haftzellen in türkischen Gefängnissen. Anm. des Verf.] Nein zu imperialistischen Kriegen und zur Besatzung! [...] Es lebe der .Mai! Hoch lebe die internationale Solidarität!" Bewertung Die Probleme bei der Mitgliedermotivation und bei der Finanzierung bestehen fort. Es bleibt abzuwarten, ob die DHKP-C durch die Erweiterung des politischen Themenspektrums auf sozialpolitische Themen in Deutschland, gegebenenfalls im Zusammenwirken mit Vertretern der deutschen Linken, eine Stärkung erfahren kann. 512 Marxistisch Leninistische Kommunistische Partei (MLKP); Kommunistische Partei & Aufbauorganisation (KP-IÖ) Leitung Ausländerkomitee Mitglieder Bund NRW 2006 ca. 600 ca. 20 200 ca. 600 ca. 20 Publikationen 'Yeni Atilim' ('Neuer Vorstoß'); 'Partinin Sesi' ('Stimme der Partei'); 'Internationales Bulletin' Die 'Marxistisch Leninistische Kommunistische Partei' (MLKP) vertritt die Lehren des Marxismus-Leninismus und strebt den revolutionären Umsturz des türkischen Staates und den Aufbau einer kommunistischen Gesellschaftsordnung an. Diese 2 AusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Zielsetzung begründet die Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden (SS Absatz Nr. VSG NRW). Bei der MLKP handelt es sich um einen 99 entstandenen Zusammenschluss der 'Türkischen Kommunistischen Partei (Marxisten-Leninisten)-Bewegung' (TKP(ML)H) und der 'Türkischen Kommunistischen Arbeiterbewegung' (TKIH). Bereits im September des Folgejahres kam es zu internen ideologischen Auseinandersetzungen innerhalb der MLKP, die zur Abspaltung der 'Kommunistischen Partei & Aufbauorganisation' (KP-IÖ) führten. Struktur Die MLKP bedient sich in Deutschland ihrer Basisorganisationen 'Föderation der Arbeitsimmigranten in Deutschland' (AGIF) und der 'Kommunistischen Jugendorganisation' (KGÖ). Ortsvereine/Komitees bestehen unter anderem in Bielefeld, Duisburg und Dortmund. Finanzen Die MLKP finanziert sich durch eine regelmäßig im Herbst beginnende Spendenkampagne und durch Mitgliedsbeiträge. Über Spendengelderpressungen liegen keine Erkenntnisse vor. Aktivitäten Im Rahmen einer konzertierten Polizeiaktion in mehreren türkischen Provinzen wurden am 8./9. September 2006 2 Mitglieder der MLKP festgenommen. Die Polizei soll unter anderem zahlreiche Waffen und 20 Kilogramm Sprengstoff beschlagnahmt haben. Den Festgenommenen wird vorgeworfen, zum Gründungstag der MLKP am 0. September Anschläge in der Türkei geplant zu haben. Als Reaktion auf diese Verhaftungen fand am 0. September 2006 in Stuttgart eine friedlich verlaufene Protestveranstaltung mit ca. 0 Personen statt. Nennenswerte, darüber hinausgehende öffentlichkeitswirksame Aktionen haben im Berichtszeitraum nicht stattgefunden. Zu politisch brisanten Ereignissen in der Türkei, wie zum Beispiel zu dem Anschlag auf die Mitglieder des Oberverwaltungsgerichtes in Ankara Juni 2006, zu den Verlusten der türkischen Armee, verursacht durch PKK-Guerillas sowie zum G-8-Gipfel, wurden lediglich Verlautbarungen auf der Internetseite verbreitet. AusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Bewertung Anders als in der Türkei, wo die MLKP zuletzt im September 200 für einen Sprengstoffanschlag verantwortlich war, ist die Organisation in Deutschland seit einigen Jahren nicht mehr gewalttätig in Erscheinung getreten. 52 Kurdische Organisationen: Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL); Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und unterstützende Organisationen Seit dem 26. November 99 in Deutschland vom Bundesminister des Innern mit einem Betätigungsverbot belegt. Sitz Nord-Irak Europavertretung wenige weisungsberechtigte Funktionäre mit wechselnden Aufenthaltsorten Vorsitz Zübeyir Aydar und 6 Stellvertreter Höchstes Generalversammlung Entscheidungsorgan Mitglieder Bund NRW 2006 ca. .00 ca. 2.000 200 ca. .00 ca. 2.000 Publikationen 'Serxwebun' ('Unabhängigkeit'), erscheint monatlich, Auflage bis 20.000;'Ciwanen Azad' (Freie Jugend), erscheint monatlich, Auflage unbekannt; 'Newaya Jin' (Erlebnisse der Frauen), erscheint 2-monatlich, Auflage unbekannt; 'Kurdistan-Report', erscheint zweimonatlich, Auflage bis 15.000; 'Yeni Özgür Politika', erscheint seit dem 16. Januar 2006 täglich, Auflage ca. 30.000; Medien 'ROJ-TV', Fernsehsender mit dänischer Sendelizenz, mit Sitz in Brüssel; 'Denge Mesopotamya', Radiosender mit Sitz in Belgien; 'METV', Fernsehsender mit Sitz in Kopenhagen; Internet Internetauftritte über mehrere ausländische Server 521 Hintergrund Die 'Arbeiterpartei Kurdistans' (PKK), die heute unter der Bezeichnung 'Volkskongress Kurdistans' (KONGRA-GEL) agiert, wurde im November 978 in der Türkei gegründet. Gründungsmitglied und Führer der PKK war Abdullah Öcalan, der auch nach seiner Festnahme im Februar 999 formal noch bis November 200 als GeneAusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 ralsekretär an der Spitze der Organisation stand. Die Partei ist eine straff organisierte und zentralistisch geführte Kaderorganisation, deren marxistisch-leninistische Programmatik im Laufe der vergangenen Jahre immer mehr durch kurdisch-nationales Gedankengut überlagert wurde. Programmatisches Ziel der Organisation war die Errichtung eines eigenen kurdischen Nationalstaates, der die Gebiete Südostanatoliens (Türkei), den Nord-Irak, Teile des westlichen Irans und Gebiete im Norden Syriens umfassen sollte. Dieses Ziel steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der sozialen, kulturellen und völkerrechtlichen Situation der etwa 20 bis 2 Millionen Kurden, deren Hauptsiedlungsgebiet in den Staaten Türkei, Irak, Iran, Syrien und Gebieten der früheren Sowjetunion liegt. Die größte kurdische Volksgruppe, etwa 0 bis 2 Millionen Menschen, lebt in der Türkei. Die Zahl der in der Bundesrepublik lebenden Kurden wird mit 00.000 bis 600.000 beziffert. Seit dem 26. November 99 ist der PKK und ihrer Nebenorganisation 'Nationale Befreiungsfront Kurdistans' ('Eniya Rizgaiya Netewa Kurdistan' - ERNK) die Betätigung in Deutschland verboten. Nachdem der Rat der Europäischen Union bereits im Mai 2002 die 'Arbeiterpartei Kurdistans' als terroristische Organisation bewertet hatte, beschloss er am 2. April 200, auch die Nachfolgeorganisation, den 'Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans' (KADEK)' sowie den 'KONGRA-GEL' in die sogenannte "EU-Terrorliste" aufzunehmen. Das Bundesministerium des Innern hat in einer Stellungnahme vom 0. Juli 200 festgestellt, dass sich "das gegen die PKK verhängte vereinsrechtliche Verbot [...] auch auf den KONGRA-GEL erstreckt". Obwohl in Westeuropa seit Ende März 996 ein Kurswechsel zu friedlichem Verhalten erkennbar ist, stellt die PKK wegen einer Reihe gewalttätiger öffentlicher Aktionen im Frühjahr und Sommer 999 und wegen der fortlaufenden innerorganisatorischen Gewalttaten nach wie vor eine Bedrohung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar (SS Absatz Nr. VSG Fahne des KONGRA-GEL NRW). Die Aufkündigung des "einseitigen" Waffenstillstandes durch die 'Volksverteidigungseinheiten' (HPG) zum . Juni 200 gegenüber der Türkei und die danach zunehmenden Auseinandersetzungen zwischen türkischen Sicherheitskräften und Guerilla-Einheiten sowie terroristische Anschläge zeigen, dass die Organisation auch weiterhin bereit ist, ihre Ziele in der Türkei mit Gewalt durchzusetzen. Damit gefährdet die Organisation die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland, so AusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 dass auch aus diesem Grunde eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz nach SS Absatz Nr. VSG NRW erforderlich ist. 522 Entwicklung der Organisation seit dem Jahr 2000 Seit dem Jahr 2000 bemüht sich die PKK fortlaufend, sowohl in organisatorischer wie inhaltlicher Hinsicht, um eine Neuausrichtung ihrer Politik, die mit zahlreichen Umbenennungen der Organisation und ihrer Teilund Nebenorganisationen einhergeht. So wurde zum Beispiel die in Europa tätige Propagandaorganisation der PKK, die 'Nationale Befreiungsfront Kurdistans' (ERNK), im Januar 2000 aufgelöst und zunächst durch die 'Kurdische Demokratische Volksunion' (YDK) ersetzt. Im Juni 200 wurde die YDK ihrerseits aufgelöst und durch die 'Civata Demokratik Kurdistan' (CDK) ersetzt. Auch der militärische Flügel der PKK, die 'Volksbefreiungsarmee Kurdistans', wurde im Januar 2000 aufgelöst; an ihre Stelle traten die 'Kurdischen Volksverteidigungskräfte' (HPG). Der entscheidende äußerliche programmatische Bruch mit der "alten" PKK erfolgte mit den Beschlüssen des 7. Außerordentlichen Parteikongresses im Januar 2000, als die Partei das Ziel der Gründung eines eigenständigen kurdischen Staates aufgab, zugunsten einer politischen Lösung der kurdischen Frage mit demokratischen Mitteln. Als neue Zielsetzung wurden verstärkt demokratische und kulturelle Rechte der Kurden in den jeweiligen Siedlungsgebieten im Iran, Irak, in Syrien und der Türkei proklamiert. In Folge stellte die PKK im April 2002 alle Aktivitäten unter ihrem Namen ein und gründete den 'Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistan' (KADEK), der die in den verschiedenen kurdischen Siedlungsgebieten zu gründenden Parteien koordinieren sollte. Bereits ein Jahr später wurde der KADEK wieder aufgelöst und am . November 200 die Gründung des 'Volkskongress Kurdistan' (kurdisch: KONGRA-GEL) bekannt gegeben. Mit ihm versuchte die Organisation einen erweiterten zivilgesellschaftlichen Ansatz, ergänzt um einen neuen, ökologischen Aspekt. Man wollte in den kurdisch besiedelten Ländern auf Dauer als demokratische und ökologische Partei anerkannt werden. Mit der Gründung des KONGRA-GEL war auch die formale Trennung vom ehemaligen Vorsitzenden Abdullah Öcalan und von dem militärischen Flügel, den 'Kurdischen Volksverteidigungskräften' (HPG), der ehemaligen 'Volksbefreiungsarmee Kurdistans', verbunden. Ohne formelles Amt wurde Abdullah Öcalan zur "Führungspersönlichkeit des kurdischen Volkes" und die HPG als organisatorisch autonom, aber dem politischen Willen des Volkskongresses unterstellt, erklärt. Über den jüngsten Versuch einer ideologischen Neuausrichtung in Anpassung an die veränderten Verhältnisse, die Schaffung des "Demokratischen Kurdischen Konfö- 6 AusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 deralismus", berichtete die 'Özgur Politika' (ÖP) am . Juni 200. Mit der 'Koma Komalen Kurdistan' (KKK, übersetzt: 'Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans'), soll ein System für die fortschreitende Demokratisierung des KONGRA-GEL und zur Lösung der Kurdenfrage in der Türkei, dem Iran, dem Irak und Syrien geschaffen werden. Es gehe weiterhin nicht um die Schaffung eines eigenen Staatswesens. Angestrebt werden - so die Aussage von Abdullah Öcalan - "tiefgreifende demokratische Reformen" in den Staaten mit kurdischen Volksgruppen, die den Kurden dort größere Entfaltungsmöglichkeiten bieten. Im Rahmen dieser Neuausrichtung wird auch erstmals eine alle Teilund Nebenorganisationen erfassende innerorganisatorische Demokratisierung angestrebt. Die konkreten Ziele und die Umsetzung des Konzepts einer staatenübergreifenden demokratischen kurdischen Bürgerschaft ohne eigenes Territorium sind weiter unklar, ebenso wie das Verhältnis zwischen KONGRA-GEL und KKK. Teilweise werden die Bezeichnungen KKK und KONGRAGEL gleichbedeutend verwendet. In den politischen Verlautbarungen der Organisationen scheint KONGRA-GEL allerdings in den Hintergrund zu rücken. Bedeutende Fahne des 'Koma Komalen Kurdistan' (KKK) Äußerungen werden regelmäßig durch das Exekutivkomitee der KKK getätigt. In diesem Exekutivkomitee haben weiterhin die altbekannten Führungsfunktionäre das Sagen. Krise in der Organisation Bereits unmittelbar nach der Gründung des KONGRA-GEL kam es zu erheblichen Differenzen innerhalb der Führungsspitze über die weitere Vorgehensweise. Hintergrund der Führungskrise war die Verunsicherung der Funktionäre über den weiteren Kurs der Organisation bzw. die Ablehnung und Zweifel am Erfolg des sogenannten Friedenskurses. Aus der Führungskrise ist inzwischen eine durchgreifende Organisationskrise geworden. Zielrichtung der mehrfachen Umorganisationen und Umbenennungen ist zum einen die Schaffung einer breiteren Basis des politisch-ideologischen Ansatzes, weg von der kurdischen Parteiorganisation hin zu einer anerkannten demokratischen individualgesellschaftlichen politischen kurdischen Bewegung. Zum anderen steckt darin auch der Versuch, der Stigmatisierung der PKK als Terrororganisation zu entgehen. Der Erfolg erscheint in beiderlei Zielrichtungen - auch mittelfristig - zuminAusländErExtrEmismus 7 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 dest zweifelhaft. Das Bemühen um Anerkennung als demokratische politische Kraft blieb bis heute auch in Europa erfolglos. Bisheriges Ergebnis der Neuausrichtungen ist stattdessen eine, auch unter den Anhängern in NRW, deutlich nachlassende Identifikation der Kurden mit der Organisation, die stets den Alleinvertretungsanspruch aller Kurden für sich reklamiert hat. Weite Kreise der Anhängerschaft können die mehrfachen Umbenennungen und inhaltlichen Neuerungen nicht nachvollziehen, was innerorganisatorisch zu erkennbaren Motivationsproblemen führt. Sowohl bei der Besetzung von Funktionärsposten als auch bei der Mobilisierung von Anhängern zur Mitarbeit auf Vereinsebene oder zur Teilnahme an Veranstaltungen gibt es zunehmend Probleme. Die zuletzt eingeführten Prinzipien des KKK sollen nun die kurdischen Anhänger wieder an die Ziele der Partei heranführen. Unter Einführung demokratischer Organe, etwa dem Volksrat, soll den Anhängern eine Demokratisierung der bisher streng leninistisch-marxistisch organisierten Kaderorganisation nahe gebracht werden. 523 Eskalation der Gewalt Kampfhandlungen in der Türkei Während die Organisation in Westeuropa bisher ihren äußeren Friedenskurs konsequent verfolgt, kommen im Südosten der Türkei wieder die 'Volksverteidigungskräfte' (HPG) zum Einsatz. Mit der Aufkündigung des einseitigen Waffenstillstandes durch die HPG zum . Juni 200 ist im Südosten der Türkei eine Eskalation der gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen der türkischen Armee und kurdischen Guerillaeinheiten eingetreten, die vermehrt Todesopfer auf beiden Seiten fordert. Nachdem türkische Sicherheitskräfte am 2. März 2006 kurdische Guerillakämpfer bei Mus/Türkei getötet haben, kam es im Zusammenhang mit der Beerdigung von vier der Getöteten im südosttürkischen Kurdengebiet um Diyarbakir zu den schwersten Straßenkämpfen zwischen türkischen Sicherheitskräften und vorwiegend kurdischen Jugendlichen seit mehr als zehn Jahren. Nach einer Pressemitteilung sind im Zuge dieser Unruhen drei Menschen getötet und 20 Personen verletzt worden. Es sollen 200 Festnahmen erfolgt sein. Zum . Oktober 2006 verkündete die HPG erneut einen einseitigen Waffenstillstand mit dem Ziel, der türkischen Regierung ein Verhandlungsangebot zu unterbreiten. Die türkische Regierung ging wie in der Vergangenheit auf dieses Angebot nicht ein, sondern setzt ihre militärischen Operationen gegen die kurdische Guerilla fort. Laut der dem KONGRA-GEL nahe stehenden Tageszeitung 'Yeni Özgür Politika' vom 7. Dezember 2006 hat die HPG am . Dezember 2006 einen "Vergeltungsschlag" als Reaktion auf fortdauernde Militäraktionen des türkischen Militärs und dem in Folge dieser Aktionen getöteten Guerilla-Kämpfern 8 AusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 durchgeführt. Der durch die HPG einseitig ausgerufene Waffenstillstand gilt, nach einer Verlautbarung der HPG im Internet, fort. Anschläge der 'Freiheitsfalken Kurdistans' In den Städten und touristischen Zentren in der Türkei ist eine Stadtguerilla aktiv, die sich 'Freiheitsfalken Kurdistans' (TAK) nennt. Diese berufen sich bei ihren Aktionen auf Abdullah Öcalan, agieren aber nach eigenen Angaben unabhängig vom KONGRA-GEL. Im Berichtszeitraum haben die 'Freiheitsfalken Kurdistans' (TAK) wiederum mehrere Anschläge in den touristischen Zentren der Türkei durchgeführt. Ziel ihrer Aktionen ist es, die Wirtschaftskraft der Türkei zu schwächen. Die Organisation übernahm unter anderem die Verantwortung für einen Bombenanschlag am . März 2006 in Istanbul (Kocamustafapassage), bei dem ein Toter zu beklagen war und Menschen verletzt wurden sowie für einen Bombenanschlag in Mersin (Einkaufszentrum), bei dem Menschen verletzt wurden. Bereits am 29. Juni 200 hatte ein Sprecher der 'Freiheitsfalken' gegenüber der 'Mesopotamischen Nachrichtenagentur' (MHA) erklärt, dass die Angriffe der TAK auf zivile und militärische Ziele so lange andauern werden, wie die militärischen Operationen gegen die Kurden fortgesetzt würden. Die TAK-Mitglieder seien bereit, sich für ihre Ziele aufzuopfern. Mehrere Bombenexplosionen im weiteren Verlauf des Jahres wurden durch die türkischen Sicherheitsbehörden ebenfalls der TAK zugeschrieben, obwohl eine eindeutige Bekennung durch diese nicht erfolgte. Ende August 2006 erreichte die Welle der Bombenanschläge in der Türkei, vornehmlich in touristischen Hochburgen, einen neuen Eskalationspunkt. Bei den insgesamt Bombenanschlägen in Istanbul und in den Badeorten Marmaris und Antalya zwischen dem 27. und 28. August sind insgesamt Menschen getötet und fast 00 Personen verletzt worden. Die Bombenserie begann mit einer Paketbombe in Istanbul, die einen Passanten verletzte. Eine der nächtlichen Bomben in der südtürkischen Stadt Marmaris wurde in einem Bus gezündet und tötete 0 britische Touristen; türkische Mitbürger wurden verletzt. Die letzte Explosion ereignete sich in einer bei Touristen beliebten Restaurantzone in Antalya. Die Explosion forderte vier Todesopfer und etwa 70 Verletzte. Neben den Personenschäden kam es explosionsbedingt zu erheblichen Sachschäden. Zu den T.A.K.-Symbol ('Freiheitsfalken Kurdistans') vorgenannten Anschlägen hat sich die kurdische AusländErExtrEmismus 9 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Splittergruppe TAK auf ihrer Internetseite bekannt. Die Steuerung, bzw. Einbindung der TAK in die Strukturen des KONGRA-GEL ist nach wie vor unklar. 524 Führungsstrukturen des KONGRA-GEL in Europa Höchstes Entscheidungsorgan im KONGRA-GEL ist die Generalversammlung, während die praktische Führung von einem 40-köpfigen Exekutivrat unter dem Vorsitz von Zübeyir Aydar und einem Disziplinarausschuss mit elf Personen ausgeübt wird. In Europa wird der KONGRA-GEL durch die 'Civata Demokratik Kurdistan' (CDK) vertreten. Die CDK ist eine Nachfolgeorganisation der 'Nationalen Befreiungsfront Kurdistans' (ERNK), die 98 als Propagandaorganisation der PKK gegründet worden war. Sie hat die Aufgabe, die in Europa lebenden Kurden durch Presseund Öffentlichkeitsarbeit sowie Propagandatätigkeit zu informieren und für den Befreiungskampf zu begeistern. Die weisungsberechtigten Funktionäre der CDK benutzen wechselnde Aufenthaltsorte, vornehmlich in Belgien, Frankreich und den Niederlanden. Bis auf einige wenige Funktionäre unterliegt die Führungsriege - auch in Deutschland - einem ständigen Funktionswechsel. In der Regel finden alle sechs bis zwölf Monate Rotationen statt. Im Nachgang zu dem jährlichen Kongress der CDK in Frankreich wurde auch 2006 eine Vielzahl von regionalen und überregionalen Kadern ausgetauscht. Die Funktionärswechsel finden auch über die jeweilige Führungsebene hinaus statt. Um unentdeckt zu bleiben, wechseln die Funktionäre - zumindest vom Gebietsleiter an aufwärts - in der Regel täglich ihren Aufenthaltsort, benutzen Decknamen und sind nur unter Telefonanschlüssen, die auf unverdächtige Personen angemeldet sind, zu erreichen. Es ist ihnen grundsätzlich nicht gestattet, eine feste Beziehung mit einem Partner, egal ob innerhalb oder außerhalb der Organisation, einzugehen, da dies die Arbeit erschweren und zeitlich einschränken würde. Der KONGRA-GEL ist in Deutschland durch Nebenbzw. Teilorganisationen, unter anderem durch die 'Freiheitspartei der Frauen Kurdistans' (PAJK) und die 'Bewegung der freien Jugend Kurdistans' (TECAK) vertreten, deren Umbenennung in 'Demokratischer Jugendföderalismus Kurdistans' (KOMALEN CIWAN) vollzogen wurde. Auch deren Funktionäre sind konspirativ tätig. Innerorganisatorische Neuerungen Auf der Grundlage der auf der . Generalversammlung des KONGRA-GEL im Mai 200 beschlossenen Prinzipien des "demokratischen Konföderalismus" sollen auch die Arbeitseinheiten in der Organisation neu strukturiert werden. Dabei sollen neue, 0 AusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 per Volksentscheid gegründete Volksräte und Volkskomitees, die in die vorhandenen Strukturen integriert werden sollen, besondere Bedeutung erhalten. Auch bei der CDK ist die Umsetzung der Volksdemokratie vorgesehen. So sollen laut 'Özgür Politika' die regionalen Einheiten des KONGRA-GEL sogenannte Volksräte bilden, welche an den Entscheidungsprozessen innerhalb der Strukturen des CDK beteiligt werden. 'Özgür Politika' zufolge haben sich bereits die Frauenorganisation 'Freiheitspartei der Frauen Kurdistans' (PAJK) und die Jugendorganisation nach diesen Prinzipien umstrukturiert. Die Frauen haben sich unter dem neuen Dachverband 'Verband der stolzen Frauen' ('Koma Jinen Bilind' - KJB) und die Jugendorganisationen unter dem Dachverband 'Demokratische Jugend' (DEM-GENC) zusammengeschlossen. Regionalstruktur Regional ist der KONGRA-GEL in Deutschland in drei Regionen ("Saha") - Nord, Mitte und Süd - mit zusammen 2 Gebieten ("Bölge") gegliedert. Die Saha Mitte mit sieben Gebieten ist annähernd mit Nordrhein-Westfalen deckungsgleich. Diese sieben Gebiete, welche sich wiederum in Teilgebiete ("Alan") auf der Ebene von kreisfreien Städten und Kreisen unterteilen, werden durch die größeren Städte Bielefeld, Bonn, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Köln und Essen gekennzeichnet. Zum Gebiet Bielefeld gehört außerhalb NRWs noch Osnabrück. Dem Gebiet Bonn ist das Teilgebiet Koblenz zugeordnet, während das nordrhein-westfälische Teilgebiet Siegen dem hessischen Gießen zugeordnet ist. Die Organisationsstruktur ist straff, eine Demokratisierung bis auf die Vereinsebene hat trotz gegenteiliger Bekundungen des KONGRA-GEL und der versuchten flächendeckenden Einführung der Volksräte bisher nicht stattgefunden. Es sind keine Veränderungen der bereits unter der PKK kadermäßig aufgebauten regionalen Strukturen festgestellt worden. Die satzungsgemäß geforderte Demokratisierung der Strukturen des KONGRA-GEL hat sich somit in NRW bisher nicht durchgesetzt. Die Parteikader haben in der Regel keinen eigenen Wohnsitz oder eine feste Beschäftigung. Sie widmen ihre Arbeit ausschließlich der Partei. Dabei sind sie für die Verbreitung von Parteibeschlüssen und Reden von Parteifunktionären, den Start und die Steuerung von Kampagnen (beispielsweise den Unterschriftskampagnen) und für Demonstrationen zuständig. Zudem sind sie verantwortlich für die Sammlung von Spenden und überwachen den Verkauf von Zeitungen und Eintrittskarten für Großveranstaltungen wie dem Kurdistanfestival. Wie in den Vorjahren mussten sich auch 2006 mehrere, zumeist ehemalige, Funktionäre in Strafgerichtsverfahren wegen AusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Strukturen des Volkskongress Kurdistans (Kongra Gele Kurdistan, KONGRA GEL) in Nordrhein-Westfalen (einschließlich des dem Gebiet Bielefeld zugeordneten Teilgebiets Osnabrück (NI) und des dem Gebiet Giessen (HE) zugeordneten Teilgebiets Siegen (NW)) Regionen: Gebiete: Teilgebiete (Städte, Kreise): (Saha) (Bölge) (Alan) Bielefeld Bielefeld, Detmold, Gütersloh, Herford, Osnabrück (NI) Bonn Bonn, Euskirchen, Siegburg, Troisdorf Essen Bochum, Essen, Gelsenkirchen, Witten, Hattingen, Velbert Dortmund Dortmund, Hagen, Hochsauerlandkreis, Lünen, Olpe (teilweise) Mitte Düsseldorf, Grevenbroich, Krefeld, Düsseldorf Mönchengladbach, Neuss, Remscheid, Solingen, Wuppertal Duisburg Duisburg, Emmerich, Mettmann, Wesel Aachen, Bergisch-Gladbach, Bergheim, Düren, Köln Gummersbach, Heinsberg, Köln, Leverkusen, Olpe (teilweise) Süd Gießen Siegen, Koblenz (RP) 2 AusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Verstößen gegen das Vereinsgesetz oder Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung verantworten. 525 Massenorganisationen in Europa Neben der CDK hat der KONGRA-GEL in Europa sogenannte Massenorganisationen gebildet. Sie sollen der Partei über Einzelorganisationen für bestimmte Personenund Berufsgruppen gezielt weitere Mitglieder zuführen, ohne dass aus dem Organisationsnamen unmittelbar die Verbindung zum KONGRA-GEL hergeleitet werden kann. Folgende Organisationen sind hier bekannt: : 'Verband der patriotischen Arbeiter aus Kurdistan' (YKWK), : 'Partei der freien Frauen' (PJA), : 'Demokratischer Jugendkonföderalismus Kurdistans' (KOMALEN CIWAN) (früher: 'Bewegung der freien Jugend Kurdistans' (TECAK)), : 'Union der internationalen kurdischen Arbeitgeber' (KARSAZ), : 'Verband der Student/Innen aus Kurdistan' (YXK), : 'Union der Journalisten aus Kurdistan' (YRK), : 'Union der kurdischen Eltern' (YEK-MAL), : 'Union der Lehrer aus Kurdistan' (YMK), : 'Union der Schriftsteller aus Kurdistan' (YNK), : 'Union der kurdischen Juristen' (YHK), : 'Union der Kinder aus Kurdistan' (YZK), : 'Islamische Bewegung Kurdistans' (HIK oder KIH), : 'Föderation der Aleviten Kurdistans' (FEDA, früher: FEK), : 'Föderation der Yezidischen Vereine Kurdistans' (FKE, früher: YEK). Föderation kurdischer Vereine in Deutschland (YEK-KOM) Die am 27. März 99 in Bochum gegründete 'Föderation kurdischer Vereine in Deutschland' (YEK-KOM) hat seit dem . September 999 ihren Sitz in Düsseldorf. Nach seinem Selbstverständnis handelt es sich bei YEK-KOM um den legalen politischen Arm der PKK und deren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRAGEL. YEK-KOM ist nicht vom Betätigungsverbot des Bundesministers des Inneren vom 2. November 99 gegen die PKK und deren oben genannten Nachfolgeorganisationen erfasst. Die dem Dachverband angeschlossenen Vereine haben aber die Nähe zur PKK und deren Nachfolgeorganisationen und deren Unterstützung als gemeinsame Grundlage. Gemäß den Vereinsunterlagen sieht die Föderation YEK-KOM ihre Aufgabe in der Pflege der kurdischen Kultur, Sprache und Tradition. Daneben will sie für Völkerverständigung und Freundschaft werben. AusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Als Dachorganisation zahlreicher Mitgliedsvereine in der Bundesrepublik Deutschland ist YEK-KOM in die Strukturen der 'Konföderation kurdischer Vereine in Europa' (KON-KURD) eingebunden. Sie verfügt über eine eigene Internetseite, auf der auch die bundesweit existierenden Mitgliedsvereine, davon 7 Vereine in NordrheinWestfalen, aufgeführt sind. YEK-KOM finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge von Vereinen und durch Spenden. 526 Finanzierung Der Finanzbedarf des KONGRA-GEL ist nach wie vor erheblich, um die Aktionsfähigkeit der Organisation in der Türkei und im Ausland zu erhalten. Wichtigste Geldquelle bleibt die jährliche Spendensammlung, die durch regelmäßige Zahlungen von Anhängern und Erlöse aus dem Zeitschriftenverkauf ergänzt wird. Im Zuge der Spendenkampagne 200/2006 wurden in NRW , Mio. Euro eingenommen. Damit wurde das angestrebte Ziel von 2, Mio. Euro noch deutlicher verfehlt als in der Kampagne 200/200. Wie in den Vorjahren gab es auch im Berichtszeitraum Hinweise auf Gewaltandrohung und -anwendung bei Spendenunwilligen. So sind beispielhaft im östlichen Ruhrgebiet im Frühjahr 2006 zwei Täter nach einer versuchten Erpressung verurteilt worden sowie ein Dörnerimbiss-Besitzer im April 2006 von einem Erpressungsversuch betroffen gewesen. 527 Medieneinsatz Ein Fernsehsender, ein Radiosender und Printmedien dienen der Organisation als wichtige Propagandamittel. Zunehmend gewinnt die Verbreitung von Informationen über elektronische Medien, wie das Internet, an Bedeutung. In diesen Medien veröffentlichte Meldungen und Verlautbarungen der Organisation werden oft durch eine Nachrichtenagentur aufbereitet. Nachrichtenagentur Die Nachrichtenagentur 'Firat' ('Ajansa Nuceyan a Firate' - ANF) fungiert als Veröffentlichungsplattform der Verlautbarungen des KONGRA-GEL. Sie hat ihren Sitz in den Niederlanden. Ein weit verzweigtes Korrespondentennetz, mit mehreren Korrespondenten auch in Nordrhein-Westfalen, liefert der Agentur Nachrichten zu. AusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Fernsehund Radiosender Bereits seit März 99 werden kurdische Fernsehsender für eine schnelle und umfassende Information über politische Ereignisse aus der Türkei, insbesondere aus den überwiegend kurdisch besiedelten Gebieten, und die Verbreitung organisationseigener Botschaften genutzt. Seit März 200 ist der Fernsehsender 'ROJ-TV' in Betrieb. Er arbeitet mit einer dänischen Sendelizenz. Programmgestaltung und Sendeinhalte, welche in Paris koordiniert werden, blieben im Vergleich mit den kurdischen Vorgängersendern 'MED-TV' und 'MEDYA-TV', denen die Sendelizenz entzogen bzw. nach gerichtlicher Auseinandersetzung in Frankreich endgültig versagt wurde, im wesentlichen unverändert. Schwerpunkt der Programmgestaltung sind kulturelle Sendungen, Diskussionsrunden, Sendungen, an denen sich die Zuschauer telefonisch beteiligen können sowie Nachrichtenbeiträge, in welchen vorrangig Vertreter des KONGRA-GEL zu Wort kommen. Zum Sendeverbund gehören neben 'ROJ-TV' auch der Fernsehsender 'mmc tv' und der Radiosender 'Denge Mezopotamya' mit Sitz in Belgien, der ein ähnlich politisches Programm sendet. Dieser Senderverbund wird als KONGRA-GEL nah bewertet. Auch dem seit dem 7. Juni 2000 aktiven Fernsehsender 'METV' ('Mezopotamya TV') mit Sitz in Kopenhagen, der ein überwiegend kulturelles Programm über Satellit ausstrahlt, wird diese Nähe zum KONGRA-GEL zugesprochen, da der Sender ROJ TV nach der endgültigen Versagung einer Sendelizenz in Frankreich auf den Frequenzen von METV aus Dänemark sendet. Beide Sender teilen sich die Programmgestaltung. Tageszeitung 'Yeni Özgür Politika' In Nachfolge der in Deutschland seit September 200 eingestellten organisationsnahen Tageszeitung 'Özgür Politika' erscheint seit dem 6. Januar 2006 die Tageszeitung 'Yeni Özgür Politika'. Auch diese Tageszeitung enthält im wesentlichen Artikel über die Ziele und Aktivitäten des KONGRA-GEL. Außerdem finden sich in der Zeitung Hinweise auf kleinere Veranstaltungen und ganzseitige Aufrufe zur Teilnahme an Großveranstaltungen Weitere Printmedien Weitere Zeitungen und Zeitschriften, die Propaganda für den KONGRA-GEL betreiben, sind die 'Serxwebun' ('Unabhängigkeit'), der 'Kurdistan-Report' und 'Ciwanen Azad' ('Freie Jugend'). Die auf die weibliche kurdische Anhängerschaft ausgerichAusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 tete Zeitschrift 'Jina Serbilind' ('Die stolze Frau') wurde nach 0-jähriger Erscheinungszeit im Februar 200 eingestellt und durch die Zeitschrift 'Newaya Jin' ('Erlebnisse der Frauen') abgelöst.. Zeitschrift 'Newaya Jin' ('Erlebnisse der Frauen') Zeitschrift 'Yeni Özgür Politika' Links: Zeitschrift der kurdischen Jugendbewegung 'Ciwanen Azad' ('Freie Jugend') Rechts: Zeitschrift 'Serxwerbun' ('Unabhängigkeit') Internet Seit Anfang 2004 sind mehrere "offizielle" Homepages des KONGRA-GEL und seiner Untergliederungen über ausländische Server erreichbar. Die mehrsprachigen Internetseiten bieten neben aktuellen Nachrichten zu verschiedenen kurdischen Themen auch Informationen und weiterführende Links zu anderen kurdischen Organisationen an. Insgesamt besteht ein Netzwerk von fast zwei Dutzend inhaltsähnlicher, teilweise untereinander verlinkter Internetseiten. 528 Initiativen und Veranstaltungen Mit Unterschriftskampagnen, Demonstrationen und Festivals wird versucht, einerseits die Aufmerksamkeit auf die Lage der Kurden in den Siedlungsgebieten zu richten; andererseits dienen sie dazu, unter den im Ausland lebenden Kurden die kurdische Kultur lebendig zu halten. Zu internationalen oder bundesweiten Großde- 6 AusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 monstrationen und Festivals können zum Teil mehrere zehntausend Anhänger mobilisiert werden. Unterschriftenund Solidaritätskampagne Europaweit werden seit dem . Juli 200 unter dem Motto "Freiheit für Öcalan" bzw. "Ich akzeptiere Öcalan als den politischen Willen des kurdischen Volkes" Unterschriften gesammelt. Neben Unterschriftensammlungen in kurdischen Vereinen wurden in NRW, unter anderem in Duisburg, Informationsstände zur Unterschriftensammlung betrieben. Mit einer Großdemonstration mit etwa .000 Teilnehmern in Straßburg hat die 'Konföderation der kurdischen Vereine in Europa' (KON-KURD) die Kampagne am 8. Mai 2006 beendet. Eine Delegation überreichte die Unterschriftenlisten an Vertreter des Europarates. Demonstrationen für Abdullah Öcalan Zwischen dem 27. Dezember 200 und . Januar 2006 unterlag Abdullah Öcalan verschärften Haftbedingungen. Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur 'Firat' (ANF) vom . Januar 2006 ließ die Jugendorganisation 'Komalen Ciwan' verlauten, dass angesichts der gegen Abdullah Öcalan verhängten 20-tägigen Einzel2005 haftstrafe jegliche Aktionen der kurdischen Jugend "legitimiert" seien. In Deutschland kam es danach zu mehreren gewalttätigen Aktionen, bei denen Flagge der kurdischen Jugendorganivermutet wird, dass es sich bei den Tätern um Ansation 'Komalen Ciwan' gehörige oder Sympathisanten der Jugendbewegung Komalen Ciwan handelt. Anlässlich des siebten Jahrestages der Festnahme Abdullah Öcalans (. Februar 999) fand am . Februar 2006 in Straßburg eine Großdemonstration unter dem Motto "Öcalan ist unser politischer Wille" mit etwa 2.000 Teilnehmern statt. Laut Angaben der Organisatoren haben 0.000 Personen teilgenommen. Der Vorsitzende des KONGRA-GEL, Zübeyir Aydar, betonte in seiner Rede, dass das kurdische Volk hinter seinem Vorsitzenden stehe und Abdullah Öcalan die "Brücke des Friedens" sei, welche nicht zerstört werden dürfe. Anlässlich des Jahrestages kam es in der Woche vom . - 9. Februar auch in Deutschland zu demonstrativen Aktionen. So wurde zum Beispiel in Duisburg ein dreitägiger Hungerstreik veranstaltet, der mit einer Demonstration endete. Die Veranstaltungen in Deutschland verliefen friedlich. AusländErExtrEmismus 7 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Am 9. Oktober 2006 jährte sich der Tag der Ausweisung Öcalans aus Syrien zum 8. Mal. Dieser Tag ist nach Auffassung des KONGRA-GEL der Beginn des "internationalen Komplotts", der schließlich zur Festnahme und Verurteilung Öcalans im Jahr 998 führte. In NRW wurden anlässlich dieses Jahrestages am 7. Oktober Demonstration in Dortmund mit etwa 70 und in Düsseldorf mit etwa 0 Personen durchgeführt. Es wurden Flugblätter verteilt, in denen der neue vom Vorsitzenden des Exekutivrates der KKK einseitig verkündete Waffenstillstand als große Chance dargestellt wird und die EU und die Türkei aufgefordert werden, diesen zu unterstützen. Beide Veranstaltungen verliefen friedlich. Reaktionen auf Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Funktionäre Im August wurden u.a. in Duisburg und Mannheim hochrangige Deutschlandfunktionäre unter dem Verdacht der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung festgenommen. In den Niederlanden wurde der mutmaßliche Europaverantwortliche des KONGRA-GEL aufgrund eines Auslieferungsersuchens der Türkei festgenommen und zeitweise inhaftiert. Die Festnahmen lösten bundesweit Reaktionen der Anhängerschaft aus, die sich auch in Nordrhein-Westfalen zeigten. So fand am 9. August 2006 eine Demonstration in Köln statt, an der sich etwa 0 Personen beteiligten. Neben der Freilassung der Inhaftierten, die in einem Flugblatt als kurdische Politiker und Journalisten/Schriftsteller bezeichnet wurden, wurde ein Ende der "Kriminalisierung und politischen Verfolgung der Kurden in Deutschland gefordert". Aus Protest gegen die Festnahmen wurden ab dem 2. August 2006 bundesweit die dem Dachverband YEK-KOM angehörenden Vereine geschlossen und mit Plakaten auf die Festnahmen aufmerksam gemacht. Von dieser Schließung waren auch die 7 Vereine in Nordrhein-Westfalen betroffen. Kurz vor dem diesjährigen Kurdistan-Festival, am 2. September, wurden die Vereine wieder geöffnet. Weitere schwerpunktartige Proteste wurden in verschiedenen Städten, zum Beispiel in Köln, vom 2. bis 2. August in Form eines Hungerstreiks durchgeführt. Die Veranstaltung in Köln stand unter dem Motto: "Wir protestieren gegen die Kriminalisierung und politische Verfolgung der Kurden in Deutschland". Nachdem die Haftbedingungen des Gründers der PKK, Abdullah Öcalan, erneut zeitweilig verschärft wurden, verlängerten die Hungerstreikenden in Köln ihren Protest um einen Tag. Führende Vertreter kurdischer Organisationen protestierten gegen die Festnahmen über Medien. Die 'Konföderation kurdischer Vereine in Europa' (KON-KURD) wies in einer Erklärung am . August 2006 darauf hin, dass sie alle Föderationen und Vereine dazu aufgerufen habe, auf demokratische Weise gegen das undemokratische Vorgehen des deutschen und des niederländischen Staates vorzugehen. Die 'Kurdische demokratische Union' (CDK) sieht in den Festnahmen einen Teil des Plans zur 8 AusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Vernichtung der 'Arbeiterpartei Kurdistans', dem "das kurdische Volk aber in keiner Weise zurückweichen werde". Am 2. August nahm der Exekutivratsvorsitzende des KKK zu den Festnahmen Stellung. Er bezeichnete sie als "eine Fortsetzung der Verleumdungsund Vernichtungspolitik Deutschlands". Mit diesen Maßnahmen würden die Kurden gezwungen, "nicht-demokratische Alternativen" zu wählen. 529 Kurdische Festivals Newroz-Feierlichkeiten Die diesjährige zentrale "Newroz-Feier" fand am 8. März 2006 in Frankfurt statt. An der von der YEK-KOM durchgeführten Veranstaltung nahmen nach offiziellen Angaben .000 Personen teil. Die Veranstaltung stand unter dem Motto "Newroz - Fest des Friedens, der Freiheit und der Völkerverständigung". Der Anwalt Abdullah Öcalans verlas die diesjährige Newroz-Grußbotschaft seines Mandanten, in der Öcalan das kurdische Volk dazu aufrief, den "demokratischen Kampf zum Newroz noch weiter zu verstärken". Örtliche Newroz-Veranstaltungen in NRW mit Teilnehmerzahlen von 0 - 200 Teilnehmern fanden in der Zeit vom 20. März. - 2. März unter anderem in Bottrop, Herne, Bonn, Aachen und Bochum statt. Alle Veranstaltungen verliefen ohne Vorkommnisse. 3 Internationales Zilan-Frauenfestival Am 2. Juni 2006 fand im Amphitheater in Gelsenkirchen das ". Internationale Zilan-Frauenfestival" statt. Die Veranstaltung unter dem Motto "Die Friedenssolidarität der Frauen gegen jede Art von Gewalt und Krieg" wurde von dem 'Kurdischen Frauenbüro für den Frieden e. V.' (Ceni) in Düsseldorf durchgeführt. An der friedlich verlaufenen Veranstaltung nahmen etwa .000 Personen (im Vorjahr ca. .00 Teilnehmer) teil. 9 Mazlum Dogan Jugendund Sportfestival32 Am 8. Juli 2006 fand im Südstadion in Köln das "9. Mazlum Dogan Jugend-, Kultur und Sportfestival" mit .000 - 000 Teilnehmern statt. Die diesjährige Veranstaltung Namensgeberin für das Festival ist Zeynep Kinaci alias "ZILAN", die von Angehörigen und Sympathisanten des KONGRA-GEL als Märtyrerin verehrt wird. Sie hatte sich am 0. Juni 996 in Tunceli/Türkei während einer militärischen Fahnenparade unter die türkischen Soldaten gemischt und eine Bombe zur Detonation gebracht. Dabei wurden außer der Attentäterin selber mindestens 6 Soldaten getötet. 2 Bei Mazlum Dogan handelt es sich um einen kurdischen Märtyrer, der sich ein halbes Jahr nach dem türkischen Militär-Putsch im Jahr 980, im März 98, aus Protest gegen die Inhaftierung tausender AusländErExtrEmismus 9 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 stand unter dem Motto "Lasst uns das System von Imrali zerstören und den demokratischen Konföderalismus mit Leben erfüllen". Neben den Sportwettkämpfen traten kurdische Künstler und Tanzgruppen auf. In einer Grußbotschaft wurde die "grausame Behandlung" der Guerillakämpfer durch den türkischen Staat verurteilt. Es wurden Fahnen von Abdullah Öcalan und Fahnen der 'Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans' (KKK) gezeigt. Am Rande des Festivals kam es zu einer Schlägerei zwischen kurdischen und türkischen Jugendlichen, nachdem eine Fahne der türkischen 'Partei der Nationalistischen Bewegung' (MHP) gehisst worden war. 14 Internationales Kurdisches Kulturfestival Am 2. September 2006 fand auf der Trabrennbahn in Gelsenkirchen das ". Interna-tionale Kurdische Kulturfestival" statt. An der Veranstaltung, die zum zweiten Mal auf der Trabrennbahn stattfand, nahmen ca. 0.000 Besucher teil. Sie stand unter dem Motto "Freiheit für Öcalan - Frieden in Kurdistan". Nach der Eröffnungsrede des YEK-KOM-Vorsitzenden wurden politische Grußworte verlesen. Inhaltlich wurde auf die Situation des inhaftierten Öcalan und die Kriminalisierung der Kurden in Deutschland eingegangen. Noch stärker als in den Vorjahren diente das Festival als kurdisches Familientreffen. Plakat zum 4. Internationalen Kulturfestival Bewertung Die Eskalation der Gewalt in der Türkei, die auch durch den einseitigen Waffenstillstand des KONGRA-GEL zum . Oktober 2006 nicht beendet wurde, führte bisher nicht zu einer Abkehr vom Friedenskurs der Organisation in Deutschland. Nach wie vor verhalten sich die Anhänger der Organisation in Nordrhein-Westfalen betont gewaltfrei. Für den Fall eines Strategiewechsels kann jedoch eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit Deutschlands nicht ausgeschlossen werden. Die durch die Prinzipien des KKK geforderte Demokratisierung wurde zwar in die Untergliederungen des KONGRA-GEL eingeführt, eine Umsetzung der neuen Organisationsformen in praktisches Handeln konnte aber nicht festgestellt werden. Nach wie vor bestimmen Führungskader des KONGRA-GEL die Politik und die Aktivitäten in den Regionen. Die gewählten Volksräte sind dabei bedeutungslos. InsbesonPKK-Anhänger verbrannte. Laut Propaganda des KONGRA-GEL setzte er damit ein "Fanal für die Aufnahme des bewaffneten Befreiungskampfes des kurdischen Volkes". 0 AusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 dere bei der Durchführung der für die Partei wichtigen jährlichen Spendenkampagne, bleiben die gewählten Volksräte außen vor. Den Führungskadern gelingt es immer weniger, die Anhänger der in Nordrhein-Westfalen ansässigen Vereine für eine aktive Mitarbeit zu gewinnen. 53 Iranische Organisationen 531 Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI), Volksmodjahedin IranOrganisation (MEK) Sitz Berlin, Köln Mitglieder Bund NRW 2006 ca. 900 ca. 00 200 ca. 900 ca. 00 Publikationen 'Mojahed', 'Iran Liberation' Fernsehsender 'Iran NTV', Sitz London Internet diverse mehrsprachige Homepages Hintergrund Auf Betreiben der 96 gegründeten 'Volksmodjahedin Iran-Organisation' ('Modjahedin-E-Khalq' - MEK) entstand 98 in Paris im Zusammenschluss mit mehreren kleineren iranischen Oppositionsgruppen der 'Nationale Widerstandsrat Iran' (NWRI). Der NWRI vertritt die 'Volksmodjahedin' in Symbol Deutschland. Ziel der 'Volksmodjahedin' ist der Sturz NWRI des iranischen Regimes. Zu diesem Zweck Symbol unterhalten sie im Irak die 'Nationale BeMEK freiungsarmee' (NLA), die als militärischer Arm der Organisation fungiert. Damit werden Bestrebungen verfolgt, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (SS Symbol Absatz Nr. VSG NRW). NLA Die MEK gilt als die schlagkräftigste und militanteste iranische Oppositionsgruppe und nimmt für sich in Anspruch, die "einzige demokratische Alternative" AusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 zum iranischen Regime zu sein. Sie ist eine streng hierarchische Kaderorganisation mit ursprünglich revolutionär-marxistischer Ausprägung, vermischt mit Elementen des schiitischen Islam. Nach dem Sturz des Schah von Persien, an dem die MEK maßgeblich beteiligt war und dem folgenden, schließlich verlorenen Machtkampf gegen Khomeini, wurde die Organisation 98 im Iran verboten. Die MEK-Führung musste ins Ausland fliehen. Im Pariser Exil gründete Massoud Radjavi den durch die MEK dominierten 'Nationalen Widerstandsrat Iran'. Seine Ehefrau Maryam Radjavi wurde 99 durch den NWRI zur "Exilpräsidentin" gewählt. Mitte 2002 ist die MEK in die Liste der terroristischen Organisationen der Europäischen Union aufgenommen worden, der NWRI als politischer Arm ist von dieser Maßnahme nicht betroffen. Am 2. Dezember 2006 erklärte das Europäische Gericht Erster Instanz auf die Klage der MEK die Entscheidung des Rates der Europäischen Union, die MEK auf der EU-Terrorliste zu führen, für nichtig. In ihrem Kampf gegen die iranische Führung verfolgt die MEK eine Doppelstrategie: Neben der politischen Agitation und den Geldbeschaffungsmaßnahmen durch den NWRI führten die bewaffneten Kräfte der Organisation - die NLA - zu Zeiten der Herrschaft Saddam Husseins von irakischen Stützpunkten aus militärische Aktionen gegen staatliche iranische Einrichtungen und Repräsentanten aus. Im Rahmen der politischen Agitation bemüht sich die MEK bzw. der NWRI seit Jahren darum, die iranische Führung im westlichen Ausland zu diskreditieren. Die Organisation sieht in militanten Störaktionen, insbesondere bei Staatsbesuchen von Mitgliedern der iranischen Staatsführung in Deutschland, legitime Protestmittel. Struktur Der NWRI betreibt ein Büro in Köln, hat jedoch im Laufe des Jahres den Schwerpunkt seiner Aktivitäten nach Berlin als neue Deutschlandvertretung verlegt. Im Umfeld des NWRI existieren in Deutschland zahlreiche Vereine, die eine ideologische Anbindung an den NWRI aufweisen und durch öffentlichkeitswirksame propagandistische Aktivitäten sowie durch Spendensammlungen wahrnehmbar sind. Hierzu zählen unter anderem: : 'Verein der Iraner in Wuppertal, Sympathisanten des nationalen Widerstandsrates Iran e.V.' Sitz: Wuppertal, : 'Hilfswerk für Menschenrechte im Iran e.V.' (HMI), Sitz: Dortmund, : 'Menschenrechtsverein für Migranten e.V.', Sitz: Aachen, : 'Menschenrechtsverein für ExiliranerInnen e.V.' (MEI), Sitz: Düsseldorf, : 'Verein für Gerechtigkeit e.V.', Sitz: Köln. 2 AusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Finanzierung In der Vergangenheit setzte der NWRI auf groß angelegte Spendenkampagnen zur Finanzierung der in Europa aufgebauten Organisationsinfrastruktur, aber auch zur Finanzierung der NLA im Irak. Die Spendenkampagnen wurden hauptsächlich von Vereinen für vorgeblich humanitäre Zwecke organisiert. Im Jahr 2006 wurden gegenüber den Vorjahren verstärkt Straßensammlungen vor allem durch die in Aachen, Düsseldorf und Dortmund ansässigen Vereine durchgeführt. Weiterhin bezieht die MEK Einnahmen aus dem Vertrieb der organisationseigenen Publikation 'Mojahed'. Aktuelle Entwicklung Seit Ende des Irak-Krieges im Mai 2003 befinden sich fast 4.000 entwaffnete NLAAngehörige im einzig noch verbliebenen MEK-Camp "Ashraf" in der Nähe von Bagdad unter US-Aufsicht. Fotos aus dem MEK-Camp "Ashraf" im Irak Durch die multinationalen Truppen im Irak wurde den im Camp befindlichen NLAAngehörigen der Status von "geschützten Personen" nach den Bestimmungen der Vierten Genfer Konvention zuerkannt. In der Konsequenz ist eine Auslieferung der NLA-Kämpfer an den Iran ausgeschlossen. Vereinzelt wurde im Jahr 200 durch Agenturmeldungen die freiwillige Rückkehr von NLA-Angehörigen in den Iran bekannt. Dabei handelte es sich in erster Linie um Familienzusammenführungen. Im Juli des Jahres 2006 äußerte der irakische Premierminister, die Regierung wolle prüfen, ob die MEK, die international als terroristische Organisation eingestuft sei, AusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 ein Betätigungsverbot im Irak erhalte und ob die Abschiebung der noch im Lager verbliebenen NLA-Angehörigen durchgeführt werden könne. Diese Ankündigung hat, abgesehen von der sich verschlechternden politischen Lage des Irak insgesamt, in NWRI-Kreisen zu großer Verunsicherung geführt. Die im Zusammenhang mit der polizeilichen Durchsuchung der NWRI-Europazentrale und Festnahme von Maryam Radjavi sowie hochrangigen NWRI-Funktionären in Auvers sur Oise bei Paris am 7. Juni 200 verhängten Reiseund Kommunikationsbeschränkungen hob das Pariser Appellationsgericht am 6. Juni 2006 weitgehend auf. Die im Rahmen der damaligen Polizeiaktion sichergestellten Barmittel der Organisation in Höhe von ca. neun Millionen Dollar bleiben weiter beschlagnahmt. Initiativen und Veranstaltungen Die öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten des 'Nationalen Widerstandrates Iran' (NWRI) als politischen Flügels der MEK waren in 2006 durch drei Schwerpunkte geprägt: : Der Forderung nach Streichung der MEK/NLA von der EU-Terrorliste; : dem Protest gegen eine mögliche Ausweisung der noch im Camp Ashraf verbliebenen MEK-Angehörigen; : der Präsentation angeblicher Enthüllungen im Zusammenhang mit dem iranischen Atomprogramm. Dazu fanden im Jahr 2006 vor allem im europäischen Ausland, insbesondere in Frankreich und in der Schweiz, sowie in den USA Großveranstaltungen des NWRI statt, für die zum Teil mehrere tausend Teilnehmer mobilisiert werden konnten. Die öffentlichkeitswirksamen Demonstrationen des NWRI für seine Anliegen in Nordrhein-Westfalen konzentrierten sich auf die Städte Köln, Bonn und Düsseldorf. Die insgesamt Veranstaltungen verliefen mit Teilnehmerzahlen zwischen 0 und 00 Personen friedlich. Propagandistischer Höhepunkt des Jahres 2006 war die Großveranstaltung des NWRI am . Juli in der Ausstellungshalle des ehemaligen Flugfeldes Le Bourget in Paris. Unter den ca. 8.000 Teilnehmern befanden sich auch zahlreiche Anhänger und Sympathisanten aus NRW. Während der Veranstaltung, an der auch einige aktive und ehemalige Politiker aus europäischen Ländern teilnahmen, hielt Maryam Radjavi eine 90-minütige Rede. Wie bei ähnlichen Anlässen in der Vergangenheit forderte sie die internationale Gemeinschaft auf, ihre Politik gegenüber dem Iran zu ändern. AusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Um ihrer Forderung auf Streichung der MEK von der EU-Terrorliste Nachdruck zu verleihen, suchte der NWRI den Kontakt zu EU-Parlamentariern. So war die NWRIVorsitzende im Juli dieses Jahres zu Gast bei den Abgeordneten des Europaparlamentes in Straßburg. Einen weiteren Schwerpunkt bildeten die über mehrere Monate andauernden Protestaktionen vor dem UNO-Gebäude in Genf/Schweiz gegen die Äußerungen des irakischen Premierministers. Hierzu reisten mehrere Unterstützer aus NRW an. Ziel dieser Protestaktionen war es, die Vereinten Nationen dazu zu bewegen, den im Camp Ashraf verbliebenen MEK-Kräften politisches Asyl im Irak zu verschaffen oder aber sie als politisch verfolgte Personen unter den Schutz der UNO zu stellen. Anlässlich des Besuchs des iranischen Unterhändlers in Atomfragen in Berlin fand am 7. September 2006 vor dem Außenministerium eine NWRI-Protestveranstaltung mit ca. 200 Teilnehmern, darunter zahlreichen Anhängern aus NRW, statt. Trotz der geringen Teilnehmerzahl wurde die Demonstration in die Fernsehberichterstattung aufgenommen. Medieneinsatz Die Organisation bediente sich auch im Jahr 2006 verstärkt elektronischer Medien. Das TV-Programm des NWRI-Senders 'Iran NTV' wird nicht nur über Satellit, sondern auch via Internet übertragen. Neben den offiziellen Websites des NWRI beziehungsweise der MEK, gibt es eine Vielzahl von Homepages, die aufgrund des Angebots den beiden Organisationen zugeordnet werden können. Diese werden nicht nur zur Verbreitung von Propaganda genutzt, sondern dienen auch als Kommunikationsplattform für Mitglieder. Die Angebote sind hauptsächlich in Farsi, aber auch auf Englisch, Französisch und Deutsch verfügbar. Die Print-Ausgabe des 'Mojahed', des periodisch erscheinenden Presseorgans der MEK, ist ebenfalls online verfügbar. Im Vorfeld von Großveranstaltungen des NWRI werden Internetseiten eingerichtet, die der Werbung für diese Veranstaltungen dienen. Die Veranstaltungen selbst werden häufig von Live-Reportagen begleitet und anschließend mit umfangreichen Bildergalerien im Internet dokumentiert. Bewertung Der NWRI, beziehungsweise die MEK, befinden sich weiterhin in einer unsicheren Lage. Die NLA als bewaffneter Arm der MEK ist durch die Aufsicht der US-Armee neutralisiert. Die Einstufung auch des NWRI als terroristische Organisation in den USA und die Exekutivmaßnahmen gegen die NWRI-Zentrale in Frankreich im Jahr AusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 200 haben den NWRI stark irritiert und finanziell geschwächt. Die weitgehende Aufhebung der Reiseund Kommunikationsbeschränkungen Mitte des Jahres 2006 hat keine grundsätzliche Änderung bewirkt. Die materielle Lage der im Camp Ashraf verbliebenen MEK-Mitglieder hat sich gegenüber dem Vorjahr verschlechtert, und der weitere Aufenthalt im Irak ist fraglich geworden. Umso wichtiger ist es für den NWRI, sich als einzige demokratische Alternative für den aus ihrer Sicht wünschenswerten Regimewechsel im Iran zu präsentieren. So nutzt der NWRI die Äußerungen des iranischen Präsidenten zum Holocaust und die aus westlicher Sicht mangelnde Kooperationsbereitschaft Teherans in der Atomfrage, um das eigene Profil zu schärfen. 532 Arbeiterkommunistische Partei Iran (API) Sitz Köln Mitglieder Bund NRW 2006 ca. 20 ca. 20 200 ca. 20 ca. 20 Publikation 'WPI Briefing' Internet mehrsprachige Homepage Bei der 'Arbeiterkommunistischen Partei Iran' (API) handelt es sich um eine Abspaltung der 'Kommunistischen Partei Irans' (KPI), die Ende 99 gegründet wurde. Sie tritt auch unter der Bezeichnung 'Kommunistische Arbeiterpartei Irans' sowie unter den Namen 'Auslandsorganisation der Arbeiterkommunistischen Partei Iran - Sektion Deutschland' und 'Exilregierung der iranischen Arbeiterpartei' auf. Die Ziele der API sind die Errichtung eines Arbeiterstaates und die Realisierung des ökonomischen und politischen Programms des Arbeitersozialismus im Iran. Die Organisation sieht den revolutionären Umsturz der Islamischen Republik Iran als Voraussetzung dafür an. Die API bejaht die Anwendung von Gewalt und verfolgt damit Bestrebungen, die durch Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (SS Absatz Nr. VSG NRW). Hintergrund Nach dem Parteiprogramm des Jahres 99 handelt es sich bei der API um eine kommunistische Partei marxistischer Prägung, die sich die Aufgabe gestellt hat, die 6 AusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 soziale Revolution der Arbeiterklasse zur Beseitigung des kapitalistischen Systems zu organisieren und eine neue Gesellschaft auf der Basis ökonomischer und sozialer Gleichheit sowie politischer Freiheit und freier geistiger und materieller Entfaltung der Menschen aufzubauen. Die API bezeichnet sich als eine "antireligiöse und antiislamische Partei". In Deutschland trat die Partei in der Vergangenheit im Zusammenhang mit zahlreichen, größtenteils friedlich verlaufenden Veranstaltungen in Erscheinung. Allerdings besetzten im August des Jahres 999 API-Anhänger die Räume des 'Westdeutschen Rundfunks' in Köln. Weiterhin kam es im April 2000 anlässlich einer mehrtägigen politischen Diskussionsveranstaltung in Berlin zu gewalttätigen Störungen durch Anhänger der API, die zum Abbruch der Veranstaltung führten. Entwicklung der Organisation nach dem Tod von Mansour Hekmat Vorsitzender der Organisation war bis zu seinem Tod im Juli 2002 Mansour Hekmat. Seit dem . Kongress der API vom 2. - . Dezember 200 ist Hamid Taghvaie der Parteivorsitzende. Am 2. August 200 kam es zu einer Spaltung innerhalb der API. Einige Mitglieder des Zentralkomitees unter der Führung von Koroosh Modaresi, der 200 selbst für eine kurze Übergangszeit Parteivorsitzender war, kündigten aufgrund länger andauernder unüberbrückbarer programmatischer Differenzen an, die Partei zu verlassen. Die abgespaltene Gruppe hat eine neue Partei mit dem Namen 'Arbeiterkommunistische Partei Iran-Hekmatist' (API-Hekmatist) gegründet. Auf dem . Parteitag der API im September 200 warf der API-Vorsitzende der neuen Gruppierung vor allem vor, das ideologische Erbe des Parteigründers Mansour Hekmat zu verraten und brandmarkte die Haltung der API-Hekmatist als bürgerlich-rechtsgerichtet. Im Gegensatz dazu wird die orthodox-marxistische Einstellung der API vom Vorsitzenden der API-Hekmatist - Modaresi - als nicht zukunftsfähig abgelehnt. Der jeweilige Führer der beiden Parteien sieht sich als einziger legitimer Nachfolger des Parteigründers. Strukturen Die API wird von einem Zentralkomitee und einem Politbüro geleitet. Mit der 'Organisation der Jungen Kommunisten Deutschland' verfügt die API über eine eigene Jugendorganisation. Mit folgenden Organisationen bestehen strukturelle und ideologische Verflechtungen: AusländErExtrEmismus 7 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 : 'Hambastegi - Internationale Föderation der iranischen Flüchtlingsund Immigrationsräte, Verband Deutschland e.V.' (IFIR) in Berlin. Der Kölner Verein 'Hambastegi - Internationale Föderation iranischer Flüchtlinge' ist Mitglied der bundesdeutschen Sektion der IFIR; : 'Internationale Kampagne zur Verteidigung von Frauenrechten im Iran e.V.', Hauptsitz in Köln; 'Internationales Komitee gegen Steinigung', Hauptsitz in Köln. Im Juni des Jahres 2006 wurde in einer Internet-Veröffentlichung der API-Hekmatist erklärt, dass diese in der westiranischen Stadt Marvin eine bewaffnete Garde Azadi (Freiheitswächter) zum Sturz der Regierung unterhalte. Diese Mitteilung ist verbunden mit dem Aufruf an die Bevölkerung, sich dieser anzuschließen. Über die tatsächliche Gründung der Garde und etwaige Aktivitäten ist bislang nichts bekannt. Medieneinsatz Die API nutzt das Internet intensiv, um ihre Themenfelder, wie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Arbeiterschaft im Iran, den Antiimperialismus und den Kampf gegen die Menschenrechtsverletzungen der iranischen Regierung, zu propagieren. Seit dem Jahr 200 wird auch täglich ein Radiosowie einmal in der Woche ein Fernsehprogramm ausgestrahlt. Initiativen und Veranstaltungen Die API und die ihr nahe stehenden Organisationen, insbesondere die 'Internationale Kampagne zur Verteidigung der Frauenrechte im Iran' und das 'Internationalen Komitee gegen Steinigung', veranstalteten das ganze Jahr hindurch eine Vielzahl kleinerer Demonstrationen und Kundgebungen mit Schwerpunkt in Köln. Die Demonstrationen verliefen durchweg friedlich. Am 2. und 22. Oktober 2006 fand in Köln der erste internationale Parteikongress der API-Hekmatist mit 260 Delegierten statt. Neben Programmdebatten standen die Wahl des 52-köpfigen Zentralrates und des 21 Mitglieder starken Politbüros auf der Tagesordnung. Koroosh Modaresi wurde einstimmig in seinem Amt als Parteivorsitzender bestätigt. Insgesamt war die öffentliche Präsenz der Organisationen geringer als in den Vorjahren. 8 AusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Bewertung Nach der Spaltung der API ist die Organisation personell und finanziell geschwächt. Die Präsidentschaft Ahmadinedjads im Iran und die Anwesenheit vor allem der USTruppen im Irak bieten der API und der API-Hekmatist die Möglichkeit, ihr Profil als anti-islamische und antiimperialistische Partei zu schärfen. 54 Extremistische Bestrebungen von Kosovo-Albanern aus dem Bereich der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien Auch in Nordrhein-Westfalen sind Gruppierungen aktiv, deren Anhänger auf dem Balkan unter Anwendung von Gewalt die Vereinigung der überwiegend von Albanern bewohnten Gebiete mit der Republik Albanien anstreben. Dies betrifft in Serbien-Montenegro den Süden der Teilstaaten Serbien und Montenegro, Teile des Kosovo sowie des Presovo-Tals, den daran angrenzenden Teil Nord-Mazedoniens und außerdem Gebiete in Nord-Griechenland. In NRW richten sich die Aktivitäten dieser Gruppierungen auf Geldsammlungen zur Unterstützung ihrer Ziele auf dem Balkan. Sie verfolgen damit Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder durch darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden und gegen den Gedanken der Völkerverständigung und das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und erfüllen die Voraussetzungen zur Beobachtung durch den Verfassungsschutz nach SS Absatz Nr. und VSG NRW. 541 Volksbewegung von Kosovo (Levizija Popullor e Kosover - LPK) Mitglieder Bund NRW 2006 ca. 20 ca. 0 200 ca. 0 ca. 0 Bei der 'Volksbewegung von Kosovo' ('Levizija Popullor e Kosover' - LPK) handelt es sich um eine linksextremistische, separatistische Partei, welche als Sammelbecken ehemaliger UCK-Kämpfer gilt. Hintergrund Die Anfänge der LPK reichen in das Jahr 982 zurück, in dem die 'Volksbewegung' im ehemaligen Jugoslawien als leninistisch-marxistische Bewegung gegründet wurde. Die Aktivitäten in Deutschland beschränkten sich bisher hauptsächlich auf AusländErExtrEmismus 9 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 die Unterstützung des kosovo-albanischen Befreiungskampfes. In den vergangenen Jahren unterstützte die LPK drei albanische Befreiungsarmeen: Von 996 bis 999 die 'Ushtria Clirimtare e Kosoves' ('Kosovo-Befreiungsarmee' - UCK), von Frühjahr 2000 bis Mai 200 die in Südserbien agierende 'Befreiungsarmee von Presovo, Medvedja und Bujanovac' (UCPMB), sowie zuletzt die 'Nationale Befreiungsarmee Mazedoniens' (diese verwendet, wie die 'Kosovo-Befreiungsarmee', das Kürzel UCK, allerdings als Abkürzung für 'Ushtria Clirimtare Kombetare'). Die LPK organisierte zu diesem Zweck groß angelegte Spendenkampagnen, die mit der Rückkehr der kosovo-albanischen Flüchtlinge bereits im Jahre 200 deutlich reduziert waren. Die Funktionäre der LPK in Deutschland sind für bestimmte Regionen zuständig und sollen in den allgemeinen albanischen Arbeiterund Kulturvereinen für die Sache der LPK werben und zu Spenden aufrufen. Auch wenn die Aktivitäten der Funktionäre im Berichtszeitraum eher rückläufig waren, strebt die LPK, die derzeit in Deutschland nur eine Sektion unterhält, weiterhin den Aufbau einer eigenen DeutschlandVertretung an. 542 Front für nationale Vereinigung (Fronti per Bashkim Kombetar Shqiptar - FBKSh) Mitglieder Bund NRW 2006 ca. 0 ca. 20 200 ca. 0 ca. 20 Die politische Bewegung 'Front für nationale Vereinigung' (FBKSh) wurde am . Februar 2002 in Tirana (Albanien) gegründet. Sie ist die Nachfolgeorganisation des im Jahre 2000 gegründeten 'Nationalkomitees für die Befreiung und Verteidigung der albanischen Territorien' ('Komiteti Kombetar per Clirimin dhe Mbrojtjen e Tokave Shqiptare' - KKCMTSh). Ihr erklärtes Ziel ist die Vereinigung aller albanischen Siedlungsgebiete. Vorsitzender der FBKSh ist der in Albanien lebende Gafurr Adili. Wappen der FBKSh Schwerpunkte der Bewegung in Deutschland liegen in Baden-Württemberg und in Nordrhein-Westfalen. Hier wohnen auch zahlreiche Mitglieder der Vorstände für Europa und den Bereich der Bundesrepublik. Der geplante Aufund Ausbau von Strukturen in der Bundesrepublik, der Voraussetzung für das erfolgreiche Sammeln von (Spenden-) Geldern ist, war bisher nur begrenzt erfolgreich und ist derzeit eher rückläufig. 60 AusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 543 Albanische Nationalarmee (Armata Kombetare Shqiptare - AKSh) Die 'Albanische Nationalarmee' ('Armata Kombetare Shqiptare' - AKSh) wurde am . Dezember 999 als eine militärische Organisation gegründet. Sie agiert als militärischer Arm der FBKSh und operiert größtenteils auf dem Balkan in den überwiegend ethnisch albanisch besiedelten Gebieten. Dieser extremistisch-terroristischen Gruppierung gehören Mitglieder und Anhänger der ehemaligen UCK des Kosovos und Mazedoniens und militaristisch orientierte Mitglieder einiger albanischer und mazedonischer Parteien an. Wappen der AKSh Die Übergangsverwaltung der UN im Kosovo ('United Nations Interim Administration Mission in Kosovo' - UNMIK) hat mit einer Verwaltungsdirektive am 7. April 200 die AKSh zu einer terroristischen Organisation erklärt. Vorausgegangen war ein am . April 200 durch die AKSh verübter Anschlag auf eine Eisenbahnbrücke bei Zvecan. Nach den Unruhen im März 200 im Norden des Kosovo traten uniformierte AKSh-Mitglieder dort in einigen Dörfern auf. Eine daraus gefolgerte Urheberschaft dieser Unruhen in Kosovska Mitrovica konnte nicht bestätigt werden. Kämpfer der AKSh konnten in Nordrhein-Westfalen nicht festgestellt werden. Die AKSh wird allerdings überwiegend mit Geldern unterstützt, die von in Westeuropa, vor allem in Deutschland und der Schweiz, lebenden Albanern an Unterstützungsfonds und Unterstützungsvereine gespendet werden. In NRW konnten ebenfalls Aktivitäten zugunsten eines Fonds und eines Unterstützungsvereins festgestellt werden. Einschätzung und Perspektive Die Lage im Kosovo selbst ist nach wie vor von einer wirtschaftlichen und politischen Instabilität geprägt. Die hohe Arbeitslosigkeit (ca. 70%) sowie die ungeklärte Statusfrage des Landes wirken sich lähmend auf das Leben der Bevölkerung aus und verringern die Hoffnung auf Prosperität. Absolute Priorität bei den Menschen hat die Lösung der Statusfrage durch den UN-Sicherheitsrat, die für Ende 2006/Anfang 2007 angekündigt ist. Die Unabhängigkeit des Landes ist für die Mehrheit der albanischstämmigen Kosovaren ein absolutes Muss. Jede andere Alternative, so wird kolportiert, werde zu einem neuen Krieg führen. Sowohl im Kosovo selbst als auch in der Bundesrepublik Deutschland kann man derzeit den Eindruck gewinnen, dass die extremistischen kosovo-albanischen Organisationen und Parteien - vor dem Hintergrund der Statusverhandlungen - ihre Aktivitäten auf ein Mindestmaß reduziert haben. AusländErExtrEmismus 6 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 55 Tamilen: Tamilische Befreiungstiger (Liberation Tigers of Tamil Eelam - LTTE) Sitz Deutsche Sektion Oberhausen Mitglieder Bund NRW 2006 ca. 800 ca. 00 200 ca. 800 ca. 00 Internet englischsprachige Homepage Hintergrund Die 'Tamilischen Befreiungstiger' ('Liberation Tigers of Tamil Eelam' - LTTE) streben seit 972 die Errichtung eines unabhängigen sozialistischen Staates "Tamil Eelam" auf dem überwiegend von Tamilen bewohnten Nord-Ost-Territorium von Sri Lanka an. Zur Durchsetzung ihrer Ziele führt die LTTE seit 98 einen Fahne der LTTE erbitterten Guerillakrieg gegen die singhalesische Zentralregierung und verübt Terroranschläge gegen srilankische und indische Ziele. Damit verfolgen die in Deutschland lebenden Anhänger der LTTE Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden; sie erfüllen damit die Voraussetzungen nach SS Absatz Nr. VSG NRW. Der von den LTTE geführte Guerillakrieg hat bereits mehr als 60.000 Menschen das Leben gekostet. Auch bei ihren Terroranschlägen nehmen die LTTE den Tod von Zivilisten in Kauf. Struktur Die LTTE tritt in Deutschland nicht unter ihrem Namen auf. Sie wird hier durch das 'Tamil Coordination Comitee' (TCC) mit Sitz in Oberhausen vertreten und geleitet. Die LTTE-Sektion Deutschland wird durch konspirative Zellen gebildet, die sich nach außen völlig abschotten. Den Strukturen der LTTE in Deutschland ist die im Januar 200 in Hamm/NRW gegründete 'Tamil Youth Organization e.V.' (TYO) zuzurechnen. Eigenen Angaben zufolge ist Ziel der TYO, ausländische Mitbürger über die Kultur und Gebräuche der Tamilen zu informieren, die Aufrechterhaltung und Praktizierung des tamilischen Kulturerbes sowie die Förderung der tamilischen Jugend und deren sportlicher Aktivitäten. Die TYO verfügt im Internet über eine eigene Homepage und hat, nach eigenen Angaben, mittlerweile 2 Zweigstellen in der Bundesrepublik gegründet. 62 AusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Darüber hinaus sind folgende, der LTTE nahe stehende Organisationen bekannt: : 'Tamil Rehabilitation Organization e. V.' (TRO), Sitz: Wuppertal; : 'Tamil Student Organization e.V.' (TSV), Sitz: Neuss; : 'Tamilischer Bildungsverband e.V.' (TBV), bis 200 : 'World Tamil Movement e. V' (WTM), Sitz Stuttgart (wurde im Jahre 200 von Wuppertal nach Stuttgart verlegt). Finanzierung Das Hauptziel der LTTE im Ausland und damit auch in Deutschland ist es, Geld für den Befreiungskampf in der Heimat zu beschaffen. Ohne die regelmäßige finanzielle Unterstützung aus dem Ausland wären die LTTE nicht in der Lage, kontinuierlich für ihre Ziele einzutreten und den militärischen Apparat in Sri Lanka aufrecht zu erhalten. Über die Höhe der Gelder, die von den LTTE jährlich für den Kampf, aber auch für die Versorgung von Flüchtlingen in der Heimat akquiriert werden, liegen keine gesicherten Angaben vor. In erster Linie finanziert sich die Organisation durch Spendensammlungen. So leisten viele Auslands-Tamilen einen "Solidaritätsbeitrag" und spenden regelmäßig für die LTTE. Inwieweit die Spenden freiwillig oder auch unter einem gewissen Druck geleistet werden, lässt sich nur schwer einschätzen. Im zurückliegenden Jahr gab es in NRW vereinzelte Hinweise auf Spendengelderpressungen. Von den der LTTE-nahestehenden Organisationen werden zur Geldbeschaffung auch zahlreiche Kultur-, Sportund Gedenkveranstaltungen ausgerichtet, die durch den Verkauf von Eintrittskarten, Büchern, Videos und Musikkassetten teilweise erhebliche Einnahmen erzielen. Bei entsprechenden Veranstaltungen in Nordrhein-Westfalen können regelmäßig 00 - 2.000 Besucher festgestellt werden. Prozess zur friedlichen Lösung des Konflikts auf Sri Lanka Nach dem Regierungswechsel im Dezember 200 zeichnete sich in Sri Lanka nach 8 Jahren Bürgerkrieg eine Entspannung der politischen Lage ab. Der einseitig erklärte Waffenstillstand der LTTE führte auf der Grundlage der unter Vermittlung der norwegischen Regierung begonnenen Friedensverhandlungen am 2. Februar 2002 zu einem Waffenstillstandsabkommen zwischen der srilankischen Regierung und der LTTE. Das Waffenstillstandsabkommen basiert im Wesentlichen auf einem Konzept, das eine weitgehende Selbstbestimmung in den überwiegend von Tamilen bewohnten Gebieten und eine föderale Struktur innerhalb eines geeinten Sri Lanka vorsieht. Die AusländErExtrEmismus 6 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Friedensverhandlungen wurden aber im April 200 wegen unüberbrückbarer Meinungsverschiedenheiten zwischen den Konfliktparteien ausgesetzt. Nachdem sich Ende Februar 2006 die Regierung Sri Lankas und Vertreter der LTTE in Genf zu Friedensgesprächen getroffen hatten, verband sich damit zumindest ansatzweise die Hoffnung, dass das im Jahre 2002 vereinbarte Waffenstillstandsabkommen, das faktisch nur noch auf dem Papier existierte, wiederbelebt werden könnte. Die Hoffnung zerschlug sich jedoch sehr schnell, als die zweite Runde der Gespräche, für den 2./2. April 2006 wiederum in Genf avisiert, von LTTE-Vertretern abgesagt wurde. Als Grund wurde die zunehmende Gewalt gegen ihre Mitglieder und die eingeschränkte Bewegungsfreiheit auf Sri Lanka genannt. In der Folge eskalierte die Lage in Sri Lanka und es kam zu zahlreichen gewalttätigen Anschlägen auf militärische Ziele beider Seiten, aber auch auf zivile Ziele mit mittlerweile mehreren hundert Toten, wobei die Verantwortung beziehungsweise der Grund für die Gewaltanwendung jeweils der anderen Seite angelastet wird. EU-Terrorliste Die stetig eskalierende Gewalt in Sri Lanka war mit ein Auslöser dafür, dass die EU die LTTE am 29. Mai 2006 auf die Liste der terroristischen Organisationen setzte. Eine Besonderheit ist, dass diese Listung mit einer politischen Erklärung verbunden wurde, die die Listung als nicht endgültig bezeichnet und die Rücknahme in Aussicht stellt, sollten die LTTE dauerhaft der Gewalt abschwören und sich erkennbar nachhaltig für den Friedensprozess einsetzen. Zeitgleich zur Listung der LTTE durch die EU haben die Geberländer für Sri Lanka (EU, Japan, USA) beiden Konfliktparteien - also auch der Regierung Sri Lankas - angedroht, jegliche finanzielle Unterstützung einzustellen, sollte der Gewalt auf Sri Lanka kein Ende bereitet werden. Diese diplomatisch abgestimmte Anwendung von "Zuckerbrot und Peitsche" sollte die sich immer rascher drehende Spirale der Gewalt aufhalten und - wenn möglich - umkehren. Aktivitäten/Aktionsverhalten Im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe in Südasien im Jahre 200, von der Sri Lanka und dort vor allen Dingen das überwiegend von Tamilen bewohnte Nord-OstTerritorium betroffen war, konnte eine Veränderung des Aktionsverhaltens der LTTE und der ihr nahestehenden Organisationen in NRW festgestellt werden. Nachdem sich schon im Jahre 200 die öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten der LTTE und der 6 AusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 ihr nahestehenden Organisationen deutlich intensiviert hatten, ist für das Jahr 2006 noch einmal eine weitere Zunahme erkennbar. So fand am 29. Mai im Zusammenhang mit der von der EU geplanten Aufnahme der LTTE auf die sogenannte EU-Terrorliste ein Demonstrationszug durch die Düsseldorfer Innenstadt unter dem Motto "Politische Situation in Sri Lanka - mögliches Verbot der LTTE", statt. An der vom 'Tamil Coordination Committee' (TCC) angemeldeten Veranstaltung, die mit einer Kundgebung vor dem Landtag endete, nahmen rund .000 Tamilen teil. Von den Demonstrationsteilnehmern wurden Plakate mit Aufschriften wie "Keine Kriminalisierung der Tamilen in der EU" oder "LTTE ist keine Terrororganisation" gezeigt. Über einen mitgeführten Lautsprecherwagen skandierte die Menge "Stoppt die Morde an Tamilen" und "Wir wollen Tamil Eelam". Außerdem wurde an die Bevölkerung eine 8-seitige Zeitung verteilt, die sich inhaltlich mit der Menschenrechtssituation in Sri Lanka und einem drohenden LTTE-Verbot auseinander setzte. Eine öffentliche Großveranstaltung von Tamilen in einer solchen Größenordnung hatte es zuvor in Nordrhein-Westfalen noch nicht gegeben. Weitere öffentlichkeitswirksame Aktivitäten standen im Zusammenhang mit den seit dem Frühjahr 2006 wieder zunehmenden gewalttätigen Anschlägen auf militärische und zivile Ziele beider Konfliktparteien, mit mehreren hundert Toten in Sri Lanka. Allein nach der Bombardierung eines tamilischen Kinderheims in Sri Lanka am . August 2006 mit mehr als 60 getöteten Kindern, wurden innerhalb von Tagen insgesamt 0 Veranstaltungen in NRW, darunter in Hamm, Essen, Dortmund, Wuppertal und Aachen durchgeführt. Die Teilnehmerzahlen schwankten zwischen 0 und 200 Personen. Als jährlich wiederkehrende Saalveranstaltung fand am 2. Dezember 2006 in Essen der sogenannte "Heldengedenktag" der LTTE mit ca. .000 Teilnehmern statt. Auch die in Wuppertal ansässige TRO, deren wesentliche Aufgabe darin besteht, in der Bundesrepublik Gelder für humanitäre Zwecke zu sammeln, hatte bis Ende 200 fast ausschließlich die in Deutschland lebenden Tamilen angesprochen und zu entsprechenden Spenden aufgefordert. Bis zur Flutkatastrophe in Asien war auch sie in der Öffentlichkeit so gut wie nicht in Erscheinung getreten. Seit Anfang Januar 200 jedoch führte die TRO in zahlreichen nordrhein-westfälischen Städten mit großem (finanziellen) Erfolg öffentliche Sammlungen durch. Zudem nutzte sie das Interesse der Medien und machte in der örtlichen Presse auf ihre humanitären Ziele aufmerksam. AusländErExtrEmismus 6 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Einschätzung und Perspektive Wie sich die Lage in Sri Lanka in den nächsten Monaten entwickeln wird, ist nur schwer einzuschätzen. Da es bisher jedoch keinerlei Anzeichen dafür gibt, dass eine Seite auf die andere zugehen könnte, ist mit einem Ende der Gewalt vorerst nicht zu rechnen. 66 AusländErExtrEmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 6 Islamismus Der Islamismus ist eine Form des politischen Extremismus, die in Teilen der verfassungsmäßigen Ordnung in Deutschland widerspricht. Im Gegensatz zum Islam ist der Islamismus eine politische Ideologie. Sie leitet jedoch - anders als säkulare antidemokratische Ideologien wie Marxismus oder Nationalsozialismus - ihre politischen Ordnungsvorstellungen aus der Religion ab. Dabei wird eine einseitige und meist rückwärtsgewandte Auslegung der islamischen Quellen vertreten. In vielen Fällen steht eine solche Auslegung dem Grundgesetz mit den dort verbürgten Rechten von Gleichheit, Freiheit und Menschenwürde entgegen. Deshalb müssen Organisationen, die tatsächliche Anhaltspunkte für eine islamistische Bestrebung erkennen lassen, vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Hierzu gehören aber nicht nur gewalttätige oder gewaltbereite islamistische Organisationen, sondern auch solche, die auf Gewalt verzichten und statt dessen auf legalem Wege die Verbreitung, Etablierung und letztendlich Durchsetzung ihrer extremistischen politischen Vorstellungen anstreben. Solche Organisationen wiederum betreiben oft eine besonders aktive Jugendarbeit, um junge Menschen für ihre Ideologie zu gewinnen. Hier gilt es, aufmerksam zu sein und die Widersprüche zur geltenden Rechtsordnung aufzuzeigen. Die überwiegende Mehrheit der hier lebenden Muslime praktiziert ihre Religion friedlich und innerhalb der geltenden Gesetze und Regeln. Lediglich ein sehr kleiner Teil von weniger als % wird von den Verfassungsschutzbehörden dem islamistischen Spektrum zugeordnet. Umso wichtiger ist es, genau differenzieren zu können. Das gemeinsame Moment aller islamistischen Gruppierungen ist das Streben nach einem auf der Grundlage der islamischen Rechtsund Lebensordnung, der Scharia, errichteten Staat. Alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens - von Gesellschaft und Politik über Ökonomie und Recht bis zur Kultur - sollen darin durch die Scharia bestimmt werden. So entstünde vermeintlich eine ideale Gesellschaft, in der es keinerlei Ungerechtigkeiten geben könne. Das Vorbild für diesen islamischen Staat wird - je nach Gruppierung und Ideologie - in der frühen islamischen Gemeinde oder einer anderen Epoche der islamischen Geschichte gesehen. In jedem Fall wird Zur Erfüllung seiner Funktion als Frühwarnsystem in der wehrhaften Demokratie ist der Verfassungsschutz durch das Verfassungsschutzgesetz NRW berechtigt, über eine Organisation zu berichten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer verfassungsfeindlichen Bestrebung vorliegen. Für eine Berichterstattung ist es nicht Voraussetzung, dass sich Verdachtsmomente bis zur Einschätzung als "verfassungsfeindlich" verdichtet haben. Soweit nur Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, wird dies ausdrücklich hervorgehoben. islAmismus 67 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 eine idealisierte und verklärte Vergangenheit zum Ideal eines zukünftigen Staates stilisiert. Religion und Staat werden dabei als eine aufeinander bezogene Einheit verstanden, der Islam als politische Ideologie. Die Ideologie beruht auf folgenden Grundvorstellungen: : Theokratische Staatsund Gesellschaftsdoktrin Im Idealzustand sind alle Muslime weltweit in einem einzigen Staatsgefüge geeint. Die Souveränität liegt allein bei Gott. Religion und Politik sind untrennbar. Der Islam wird damit zur alleinigen Richtschnur des politischen und gesellschaftlichen Lebens. Anhand ihrer Islaminterpretation, die als die allein "wahre" und verbindliche dargestellt wird, entscheiden Islamisten stellvertretend auf Erden, welche politischen und rechtlichen Normen gottgewollt sind. Damit kann unter Berufung auf Gott jede Opposition als "unislamisch" gebrandmarkt werden. Islamistischen Staatsvorstellungen liegt ein autoritäres Gesellschaftsverständnis zugrunde. : Doktrinäres, rückwärtsgewandtes Islamverständnis Nach den Vorstellungen der Islamisten kann der Islam nur durch eine konsequente Rückorientierung auf seine Ursprünge zu seiner alten Macht und Blüte zurück kommen. : Koran als Richtschnur für alle Lebensbereiche Grundlage des Lebens soll ein auf sich selbst beruhendes umfassendes System sein, in dem sich nicht nur die religiösen, sondern auch die politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Entscheidungen ausschließlich an den Vorgaben des Koran und dem aus ihm abgeleiteten islamischen Recht (Scharia) orientieren. Dabei werden auch Postulate aufgestellt, die nicht auf dem historischen Vorbild des Islam beruhen, zum Beispiel die von Islamisten geforderte strikte Geschlechtertrennung. Der Islam wurde und wird also auch benutzt, um jahrhundertealte patriarchalische Strukturen zu legitimieren. Der Islamismus ist keine homogene Bewegung, sondern weist vielfältige Erscheinungsformen auf. Die einzelnen Bewegungen und Gruppierungen vertreten sehr unterschiedliche Positionen, so in Bezug auf die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele oder die Teilnahme an nationalen Wahlen. Die Hauptströmungen innerhalb des Islamismus sind: : Transnationale terroristische Gruppierungen (Jihadisten) 68 islAmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Nach der Vorstellung mancher muslimischer Rechtsgelehrter darf zwar nur der Kalif als Oberhaupt aller Gläubigen den Jihad ausrufen. Doch neben dieser Auffassung ist schon seit alters her auch ein anderes Jihad-Verständnis verbreitet, demzufolge der einzelne Gläubige grundsätzlich immer zum "Heiligen Kampf" aufgefordert ist. Diesem Verständnis entsprechend können sich auch Einzelpersonen und Gruppen von Muslimen auf den Jihad berufen und ohne speziellen Aufruf durch eine religiöse Instanz militant tätig werden. Hierfür lassen sich aus der islamischen Geschichte zahlreiche Beispiele anführen. Bekannteste Gruppierung des terroristischen Jihadisten-Netzwerks ist die Organisation 'al-Qaida' (arabisch: "die Basis") von Usama bin Ladin, die in Kontakt zu zahlreichen anderen Organisationen in der islamischen Welt und in der Diaspora steht. Sie hat den islamistischen Terror auf eine zuvor nicht gekannte Weise internationalisiert. Bin Ladin hat die Muslime bereits 998 zum Jihad, zum "Heiligen Kampf", gegen den Westen aufgerufen. 'Al-Qaida' funktioniert heute, nach den Erfolgen des Anti-Terrorkampfes, nicht mehr als hierarchische Organisation. Stattdessen hat sie sich zu einem Handlungsmuster gewandelt, gemäß dem alles, was von einer ultrakonservativen bzw. salafistischen Auslegung des Islam abweicht mit Gewalt bekämpft werden müsse. Daraus resultiert der Terror, der sich gegen Einrichtungen und Menschen westlicher Staaten ebenso wie gegen Muslime, die nicht den salafistischen Vorstellungen entsprechen, richtet. : Regionale gewaltanwendende Gruppierungen Ein anderer Teil der islamistischen Bewegungen sieht zwar, wie der transnationale Jihadismus, Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung seiner Ziele an, unterscheidet sich von diesem aber in seiner Zielsetzung. Nicht der Westen an sich, sondern bestimmte Regime oder Staaten werden mit Gewalt und Terror bekämpft. Manche dieser regionalen Gruppierungen unterhalten gleichzeitig auch zivile Zweige und betätigen sich im politischen oder karitativen Bereich. Für sie ist Nordrhein-Westfalen Ruheraum, den man für logistische Aktivitäten zu nutzen versucht. Dagegen kommt es im israelisch-palästinensischen Konflikt, aber auch andernorts in der islamischen Welt, durch regionale Gruppen immer wieder zu Terrorakten. Deshalb ist es geboten, diese Gruppierungen zu beobachten und ihre Unterstützungsmöglichkeiten für andernorts ausgeübte Gewalt - beispielsweise in Form von Spendensammlungen - so weit wie möglich zu beschneiden. : Gewaltbefürwortende Gruppierungen Unter gewaltbefürwortenden Gruppierungen versteht man solche, die Gewalt zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele grundsätzlich bejahen, jedoch selbst nicht miliislAmismus 69 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 tant agieren. Die Grenzen zwischen gewaltbefürwortend und aktiv gewaltanwendend sind fließend. Festzustellen ist, dass gewaltbefürwortende Organisationen im Laufe ihres Bestehens unter bestimmten Umständen auch den Schritt zur Gewaltausübung vollziehen können. Damit ist nie ganz ausgeschlossen, dass eine zur Zeit nicht militant auftretende Organisation, in deren ideologischem Repertoire die Anwendung von Gewalt als legitimes Mittel zur Erreichung der eigenen politischen Interessen vorhanden ist, sich ganz oder in Teilen zu einer terroristischen Organisation entwickelt. : Legalistische Gruppierungen Der zahlenmäßig bei weitem größte Teil islamistischer Extremisten ist weder militant, noch befürwortet er die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung der eigenen Ziele. Zumindest nach außen distanzieren sich diese Islamisten von gewalttätigen Aktionen und verurteilen terroristische Anschläge. Bei der Distanzierung von Gewaltaktionen, die von islamistischen Kreisen verübt werden, wird im gleichen Atemzug freilich oft auch die Gewalt, die von staatlichen Sicherheitskräften im Kampf gegen den internationalen Terrorismus angewendet wird, verurteilt. Mit dieser kritischen Haltung gegenüber der Gewalt von beiden Seiten stehen die Islamisten in unserer Gesellschaft keineswegs allein. Die starke Betonung der "Muslime als Opfer" einer vom "Westen" ausgehenden Gewalt relativiert jedoch die Terrorakte in gewisser Weise und kann auch als Rechtfertigung für diese verstanden werden. So besteht auch die Gefahr, dass Einzelne aus dem Umfeld dieser Organisationen sich zunehmend radikalisieren und in Gewalt befürwortende oder ausübende Gruppierungen abdriften. Ihr Ziel, die Schaffung eines "islamischen Staates" oder einer "islamischen Gesellschaft", verfolgen diese Organisationen jedoch mit legalen Mitteln innerhalb der bestehenden Rechtsordnung. Um die Akzeptanz zunächst möglichst vieler Muslime in Deutschland zu erlangen, nehmen sie sich der Migranten an, bieten Hilfestellungen da, wo konkrete Schwierigkeiten die Menschen belasten, betreiben eine zum Teil von deutschen Stellen anerkannte Jugendarbeit und bieten ein breit gefächertes Bildungsangebot an. Gleichzeitig suchen sie den Kontakt zu und das Gespräch mit den Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften, Verbänden und Parteien und beteuern, fest auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu stehen. 61 Terrornetzwerk um Usama bin Ladin (Jihadisten, auch Mudjahedin) Hintergrund Hinter der Bezeichnung "Jihadisten" (islamistische Terroristen, auch Mudjahedin) verbirgt sich keine zentral und straff gesteuerte Organisation, es handelt sich viel70 islAmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 mehr um unterschiedlich strukturierte, teilweise nur lose Zusammenhänge und Verbindungen von Personen mit ähnlichen Grundüberzeugungen, die sich durch ihre Gewaltorientierung auszeichnen und auch als terroristische Netzwerke bezeichnet werden. Sie betrachten sich als Kämpfer für den Islam. Ihr Name leitet sich von "Jihad" ab, den sie einseitig als Aufruf zum gewaltsamen Widerstand gegen alle "Feinde des Islam" deuten. Die weitaus wichtigere Bedeutung des Begriffs Jihad in der islamischen Theologie, das Ringen jedes Einzelnen um einen gottgefälligen Lebensweg, wird hingegen ausgeblendet. Die Aktivitäten der Jihadisten vollziehen sich höchst konspirativ. Kleine Gruppen von Jihadisten sammeln sich um einzelne - zum Teil lokale - Führungspersönlichkeiten, die wiederum über vielfältige Kontakte zu anderen lokalen und internationalen Jihadisten verfügen. Dadurch entstehen effiziente Netzwerke von Beziehungen, die bei Bedarf jederzeit aktiviert werden können, um etwa logistische und finanzielle Unterstützung zu leisten. Keimzelle dieser Gruppierungen ist die von Usama bin Ladin gegründete Organisation 'al-Qaida' (Die Basis). Auch einzelne unorganisierte gewaltbereite Fanatiker, sogenannte "non-aligned Mudjahedin", stellen ein Bedrohungspotenzial dar, denn sie sind durch gemeinsame militärische und ideologische Kampfausbildung in Afghanistan und Pakistan und/oder durch gemeinsamen Kampfeinsatz, zum Beispiel in Bosnien, Tschetschenien oder Kaschmir, ebenfalls in das Netzwerk eingebunden. Die einzelnen Mitglieder unterschiedlicher Zellen kennen einander nicht. So soll gewährleistet werden, dass nicht die gesamte Struktur offengelegt wird, falls den Sicherheitsbehörden ein Schlag gegen eine einzelne Zelle gelingt. Von den Mitgliedern und Unterstützern der Jihadisten-Netzwerke gehen nicht nur Bestrebungen aus, die durch Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (SS Absatz Nr. VSG NRW), weil sie weltweit agieren und insbesondere die USA und ihre Verbündeten mit Terror bedrohen. Sie gefährden auch die innere Sicherheit, da terroristische Aktionen gegen Ziele in Deutschland nicht ausgeschlossen werden können, so dass sich die Beobachtung inländischer Aktivitäten auch auf SS Absatz Nr. VSG NRW stützt. Entwicklungsgeschichte Die Entstehung des Mudjahedin-Phänomens geht auf die sowjetische Invasion in Afghanistan im Jahr 979 zurück. Der Widerstand gegen die Besatzung (979 bis 989) formierte sich unter religiösen Vorzeichen. In speziellen Trainingslagern wurden die Freiwilligen auf den Kampf gegen die sowjetische Armee vorbereitet; gleichzeitig islAmismus 7 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 wurde hier die Basis für eine Terrorausbildung gelegt, die die Afghanistankämpfer später in ihren jeweiligen Heimatländern zum Einsatz brachten. Die von Usama bin Ladin gegründete 'al-Qaida' wurde erstmals während des Widerstandes der Mudjahedin gegen die Sowjetarmee in Afghanistan bekannt. Ihr Zweck war zunächst die logistische Unterstützung der afghanischen Kämpfer mit Geld, militärischer und religiöser Ausbildung sowie mit freiwilligen Kämpfern überwiegend arabischer Herkunft. Darüber hinaus tat sich bin Ladin auch in vorderster Front als Kommandeur hervor und wird seitdem von den Mudjahedin als herausragender Führer und Symbolfigur für den "gerechten Kampf" der Muslime verehrt. Die Jihadisten sind von einem unversöhnlichen Hass auf Israel, die USA, ihre westlichen Verbündeten sowie die mit dem Westen kooperierenden Regierungen islamischer Staaten getrieben. Der "Westen" wird pauschal für Unterdrückung, Korruption, Unterentwicklung und den "Niedergang sittlicher Werte" verantwortlich gemacht. Im Februar 998 bildete sich unter der Führung von 'al-Qaida' ein internationaler Zusammenschluss, die 'Islamische Weltfront für den Jihad gegen Juden und Kreuzzügler', der Organisationen aus Ägypten, Pakistan, Bangladesh und inzwischen auch Irak, Algerien und Usbekistan angehören. Das Netzwerk von Usama bin Ladin umfasst damit nicht mehr nur Araber. Bin Ladin bezeichnete es als individuelle Pflicht jedes Muslims, Amerikaner und ihre Verbündeten - Zivilisten und Militärs - zu töten, wo immer sich die Möglichkeit dazu bietet, bis die heiligen Stätten der Muslime von den Ungläubigen befreit seien. Infolge dieses Aufrufs sind seitdem zahlreiche Anschläge in aller Welt verübt worden; die folgenreichsten waren die Terroranschläge am . September 200 in den USA, am . März 200 in Madrid und 7. Juli 200 in London. Struktur Das transnationale terroristische Netzwerk unterscheidet sich in wesentlichen Merkmalen von anderen terroristischen Gruppierungen: Es ist nicht auf ein Territorium begrenzt und hat keine festen Organisationsstrukturen. Längst muss davon ausgegangen werden, dass 'al-Qaida' nur noch mit einem Bruchteil der terroristischen Anschläge weltweit direkt zu tun hat. Usama bin Ladin selbst ist in terroristischen Kreisen heute in erster Linie Symbolfigur und Vorbild. Vor allem bei Jugendlichen, die sich zur jihadistischen Ideologie hingezogen fühlen, wird er wie ein Pop-Idol verehrt. Im Bereich des internationalen islamistischen Terrorismus ist bereits seit einigen Jahren zu beobachten, dass festgefügte globale Netzwerkstrukturen, die einst in den 72 islAmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Trainingslagern der 'al-Qaida' in Afghanistan entstanden sind, immer stärker schwinden. Stattdessen hat sich weltweit eine Vielzahl kleiner, lokaler und autonomer Terrorzellen gebildet. Diese Zellen stehen nicht mehr zwangsläufig mit 'al-Qaida' in Kontakt oder gehorchen ihren Befehlen. Vielmehr handeln sie zunehmend in Eigenregie. Dennoch haben sie die Ideologie 'al-Qaidas' verinnerlicht und agieren in deren Sinne. 'Al-Qaida' hat durch die "Dezentralisierung des Terrors" seine Funktion als Koordinatorin von Anschlägen eingebüßt. Sie ist heute vielmehr ein ideologisches Band für eine Vielzahl von Terrorzellen weltweit. Anfang November erklärte die Direktorin des britischen Nachrichtendienstes MI öffentlich, man gehe für Großbritannien von 200 Zellen mit etwa .600 Verdächtigen aus. Dabei speisen sich die Aktivitäten der unzähligen Terrorzellen nur vordergründig aus der selben Ideologie. Betrachtet man die Konflikte genauer, an denen sich islamistische Terroristen weltweit beteiligen, so fällt auf, dass vom Maghreb über den Nahen Osten und Tschetschenien bis nach Süd-Ost-Asien ganz unterschiedliche Motive den gewaltsamen Kampf bestimmen können. Regional definierte, machtpolitische und ethnische Interessen stehen deutlich im Vordergrund. Die führenden Köpfe der internationalen Terrorszene machen sich die Vielzahl der Konflikte, an denen Muslime beteiligt sind, zu Nutze und stülpen ihnen die vermeintlich gemeinsame Ideologie des weltweiten Jihad über. Dabei sind sie in zweierlei Hinsicht erfolgreich: sie münzen regionale ethnische und/oder soziale Konflikte in religiöse Konflikte um und stellen sie in den Kontext einer globalen Auseinandersetzung zwischen Glauben und Unglauben. Dadurch radikalisieren und indoktrinieren sie die jeweiligen Konfliktparteien in ihrem Sinne. Das weltweite Terrornetzwerk hat sich auf die weitgehende Zerschlagung seiner früheren Führungsund Kommunikationsstruktur eingestellt. Es bleibt de facto handlungsfähig, da die Ziele immer noch durch Führer wie Usama bin Ladin und seinen Stellvertreter Ayman al-Zawahiri über die Medien verbreitet werden. Wann, wo, gegen wen und wie es dann zu einem Anschlag kommt, ist regionalen Terrorzellen überlassen. Diese können sich durch Radikalisierung junger Muslime völlig unvorhersehbar und auch aus verschiedensten Milieus bilden. Dies haben die Anschläge von Madrid und London sowie die fehlgeschlagenen Attentate auf Regionalzüge in NRW im Juli 2006 gezeigt. Nutzung moderner Medien Die Mittel, mit denen der transnationale islamistische Terrorismus seine Vorstellungen und Ziele propagiert, sind vor allem das Fernsehen und das Internet. Man islAmismus 7 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 denke etwa an die zahlreichen Videound Tonbandbotschaften Usama bin Ladins und Ayman al-Zawahiris, die regelmäßig von arabischen Fernsehsendern wie 'alJazeera' oder 'al-Arabiya' ausgestrahlt werden und große Aufmerksamkeit finden. Doch nicht nur islamistische Propaganda wird auf diese Weise weltweit bekannt gemacht. Auch Selbstmordanschläge, von Terrorgruppen zur Dokumentation ihrer Schlagfähigkeit auf Video festgehalten, werden Fernsehanstalten zugespielt. Die Popularität 'al-Qaidas' und verwandter Gruppen hängt heute in hohem Maße vom Mythos ihrer Kampfbereitschaft und Unbesiegbarkeit ab. In dieser Hinsicht ist das Fernsehen für Jihadisten ein wichtiges Kommunikationsmedium. Die Rolle des Internets Im Bereich des internationalen islamistischen Terrorismus wie des Islamismus insgesamt spielt das Internet eine herausragende Rolle. Es ermöglicht eine schnelle, grenzüberschreitende und sichere Kommunikation und eröffnet damit fast unbegrenzte Nutzungsmöglichkeiten. In Deutschland bedienen sich Islamisten jeder Couleur des Netzes, ob sie nun für Gewalt oder für gewaltfreies Handeln eintreten. Viele islamistische Organisationen verfügen über eigene, teils mehrsprachige Homepages, auf denen sie ihre Ideologie verbreiten und Mitglieder werben. Daneben gibt es eine Vielzahl einschlägiger Internetforen und "Chatrooms", in denen islamistisches Gedankengut ausgetauscht wird. Akteure des internationalen islamistischen Terrorismus nutzen das Internet aber auch zum Informationsaustausch und zur verdeckten Kommunikation. Insbesondere für terroristische Netzwerke, die häufig über Landesgrenzen hinweg unerkannt Kontakte halten und Informationen austauschen müssen, ist das Internet unentbehrlich geworden. Cyber-Jihad und "self-made-Terroristen" Das Internet hilft den Führungsfiguren des internationalen Terrorismus aber nicht nur, ihre Anhänger zu mobilisieren, sondern auch, sie ideologisch auf dem "richtigen" Kurs zu halten. Dazu werden in Audiooder Videobotschaften häufig auch mehr oder weniger verschlüsselt Zielvorgaben gemacht, etwa wenn "feindliche" Personengruppen (Juden, "Ungläubige" etc.) oder Staaten (USA, Großbritannien etc.) im Zusammenhang mit der vermeintlichen Pflicht zum gewaltsamen Jihad genannt werden. Der einst in Krisenregionen wie Afghanistan und Tschetschenien geführte Kampf gegen die "Ungläubigen" wird heute zunehmend virtuell geführt. Der Begriff des "CyberJihad" oder "elektronischen Jihad" ist eine Umschreibung dieses Phänomens. Insbesondere für 'al-Qaida' ist diese Form der Kampfführung "überlebenswichtig". Nach 7 islAmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 der Zerschlagung der früheren afghanischen Ausbildungscamps veröffentlichte die Organisation ihre Lehrbücher im Internet und vollzog damit die Wandlung von einer klandestinen Kader-Organisation zu einem in Teilen interaktiven Terror-Netzwerk. Selbsternannte Terroristen können sich heute im Internet aus einem unübersehbaren Angebot an Informationen zur Sprengstoffkunde und Waffenhandhabung bedienen. Das Internet hilft islamistischen Terroristen dabei, bei ihren Anhängern den Eindruck weltweiter Handlungsfähigkeit zu erwecken, während sich bei der Gegenseite ein diffuses Gefühl der Bedrohung und Hilflosigkeit breit machen soll. Diese Art der Propaganda dient vor allem der Manipulation des Gegners, er soll verunsichert und eingeschüchtert werden. Dazu gehört auch, seine Wahrnehmung in Bezug auf die Gefährlichkeit und Anzahl lokal und global agierender Gruppen und Netzwerke zu beeinflussen. So stellen etwa irakische Terrorgruppen wie die 'Ansar al-Islam' regelmäßig Anschlagsvideos sowie Auflistungen von Anschlägen ein, zu der sie sich bekennen. Und beinahe täglich tauchen neue vermeintliche Terrorgruppen im Netz auf, kündigen Attentate an oder bezichtigen sich selbst der "erfolgreichen" Durchführung von Anschlägen. Dabei darf nicht übersehen werden, dass eine Vielzahl der im Internet in Erscheinung getretenen jihadistischen Gruppierungen reine Erfindungen sind. Ein Beispiel für eine bisher ausschließlich im virtuellen Netz erschienene Gruppe sind die 'Abu Hafs al-Masri-Brigaden'. Diese haben sich in der Vergangenheit zwar verschiedentlich zu der Durchführung von Terroranschlägen bekannt (u. a. zu den Londoner-Anschlägen vom 7. Juli 200), den Beweis für ihre Existenz jedoch nie angetreten. Neue Gefahr "Selbstradikalisierung" Für die Werbung und Rekrutierung potenzieller Terroristen bietet das Internet Organisationen und Mittelsmännern eine ideale Plattform. Doch die Bereitschaft, Anschläge durchzuführen, muss nicht zwangsläufig im Zusammenhang mit einer gezielten Rekrutierung stehen. Sie kann ebenso aus der intensiven Beschäftigung mit jihadistischem Gedankengut erwachsen und insofern das Ergebnis einer Selbst-Radikalisierung sein. Der "self-made-Terrorist", der sich durch die Nutzung des Internets radikalisiert, sich technisches Wissen für einen Terroranschlag aneignet und die Tat selbständig ausführt, ist spätestens seit den fehlgeschlagenen Trolleybomben-Attentaten auch hierzulande zu einer realen Gefahr geworden. Am . Juli 2006 deponierten zwei junge Libanesen in Regionalzügen im Kölner Hauptbahnhof in Trolleys versteckte Bomben, die nur aufgrund von Konstruktionsfehlern nicht explodierten. Bei der Radikalisierung der Täter und den Tatvorbereitungen hatte, wie später bekannt wurde, das Internet eine wichtige Rolle gespielt. Die beiden jungen Tatverdächtigen islAmismus 7 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 sollen im Internet Informationen zum gewaltsamen Jihad gesucht und auch die Bomben nach einer Anleitung aus dem Internet zusammengebaut haben. Finanzierung Die Mudjahedin-Netzwerke finanzieren sich aus unterschiedlichen Quellen. Es handelt sich einerseits um Spenden; andererseits haben Gewinne aus legalen Geschäften (zum Beispiel aus Großund Einzelhandelsgeschäften oder dem PKW-Handel) sowie Profite aus illegalen Aktivitäten wie Schmuggel, Waffen-, Diamantenund Drogenhandel, Handel mit gefälschten Pässen oder Kreditkartenbetrug zunehmende Bedeutung. Für finanzielle Transaktionen werden zum einen häufig Bankkonten mit dem Umweg über sogenannte "off-shore"-Länder (ohne Bankenaufsicht) genutzt, zum anderen bedient man sich der "Hawala"-Methode. Hierbei übergibt der Einzahlende unter Nennung des Auszahlungsortes eine bestimmte Geldsumme an eine Vertrauensperson, die ihm wiederum ein Kennwort nennt. Diese Kennung gibt der Einzahler an den Empfänger weiter, dem ein entsprechender Betrag dann an der angegebenen Stelle von einer vertrauenswürdigen Person aus dem Hawala-System ausgezahlt wird. Dieses System funktioniert über Kontinente hinweg. Keineswegs alle Transaktionen des Hawala-Systems betreffen illegale Vorgänge; vielmehr ermöglicht diese Art der Finanzabwicklung eine schnelle und unbürokratische Überweisung von Geldern in solche Regionen, in denen ein Bankensystem nicht weit verbreitet ist. Damit ist es aber auch möglich, Geldbeträge in unbegrenzter Höhe zu bewegen, ohne dass sie über Konten von nach westlichem Muster arbeitenden Banken wandern und von den Sicherheitsbehörden zurückverfolgt werden können. Aktuelle Entwicklung Auch fünf Jahre nach den Militärschlägen der USA in Afghanistan ist der Verbleib von Usama bin Ladin und seines Stellvertreters Ayman al-Zawahiri, eines ehemaligen Anführers des ägyptischen 'Jihad Islami', ungeklärt. Das internationale terroristische Netzwerk verlor aber in 2006 wichtige Führungspersonen durch militärische Aktionen oder Operationen von westlichen Nachrichtendiensten oder musste es hinnehmen, dass Anschlagsvorbereitungen frühzeitig aufgedeckt wurden. Bei einem US-Luftangriff auf ein Dorf in Pakistan wurde am ./.Januar ein Marokkaner getötet, bei ihm es sich höchstwahrscheinlich um den unter Aliaspersonalien bekannten Mohammed Abbatay handelt. Er studierte in den 990er Jahren an der Fachhochschule Niederrhein in Krefeld technische Informatik. Abbatay soll sich seit 999 in Pakistan aufgehalten haben und dort als Leiter des 'al-Qaida'-Medien76 islAmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 ausschusses insbesondere für Videobotschaften zuständig gewesen sein. Er war der Schwiegersohn von 'al-Qaida'-Vize Ayman al-Zawahiri. Am 7. Juni wurde Abu Musab al-Zarqawi, Führer der 'al-Qaida' im Zweistromland' bei einem US-Luftangriff in der Nähe der Stadt Bakuba getötet. Der 966 in der jordanischen Industriestadt Zarqa geborene Abu Musab al-Zarqawi galt bis zu seinem Tod als einer der meist gesuchten Terroristen aus dem 'al-Qaida'-Umfeld. Al-Zarqawi strebte gleichermaßen den Sturz der jordanischen Monarchie wie die Vernichtung des Staates Israel an. Dass sein Hass auf Juden weltweit galt, zeigten die Pläne einer Terrorzelle der 'al-Tawhid', die im Jahr 2002 Anschläge auf jüdische Einrichtungen in Deutschland geplant hatte und in direktem Kontakt zu al-Zarqawi stand. Im Irak trieb er den Terror gegen ausländische Truppen wie Zivilbevölkerung massiv voran. Vorgebliches Ziel war auch dort die Errichtung eines "islamischen Staates". In Internetbotschaften erklärte al-Zarqawi im Herbst 200 die Zugehörigkeit seiner Gruppe zu Usama bin Ladins Terrornetzwerk 'al-Qaida' und verschrieb sich dessen politischen Zielen. In diesem Sinne mobilisierte er auch Teile der sunnitischen Bevölkerung gegen die Schiiten des Landes. Dadurch mitverursacht hat sich mittlerweile zwischen den Konfessionen eine bürgerkriegsähnliche Situation entwickelt. Der Tod von al-Zarqawi ist ein bedeutender Schlag gegen die 'al-Qaida' im Zweistromland' und die 'al-Qaida' insgesamt. Von einer nachhaltigen Zerschlagung des Terrornetzwerks kann jedoch nicht ausgegangen werden, denn ein Nachfolger steht schon bereit. Mit 'al-Qaida' verbundene oder ihr nahestehende Mudjahedin-Gruppen beweisen immer wieder, dass sie trotz eines hohen Fahndungsdrucks in der Lage sind, auch mit größerem Koordinationsaufwand verbundene Anschläge vorzubereiten. Im August wurden in London mehrere Personen festgenommen, die die Entführung von mehreren Verkehrsflugzeugen auf dem Flug von Großbritannien in die USA und die zeitgleiche Explosion der Flugzeuge während des Fluges geplant hatten. Gegen Verdächtige wurde Anklage erhoben unter anderem wegen "Verschwörung zum Mord" und Planung von Terrorakten. Die weltweiten Anschläge auf Wohnanlagen, Restaurants, Hotels, Banken sowie Anschläge auf öffentliche Verkehrsmittel lassen befürchten, dass auch künftig solche kaum zu schützenden "weichen Ziele" im Visier der Jihadisten stehen werden. Das terroristische Netzwerk verfügt nach wie vor über die Fähigkeit, Terrorakte mit hohen Opferzahlen zu planen und durchzuführen; die Motivation hat sich durch die weiter andauernde Präsenz amerikanischer Soldaten im Irak nicht abgeschwächt sondern verstärkt sich weiter. islAmismus 77 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Bedrohung durch "home-grown"-Netzwerke Seit 2001 haben sich die Profile islamistischer Terroristen deutlich verändert. Längst stellen nicht mehr nur aus dem Ausland eingereiste Attentäter eine Bedrohung der Sicherheit europäischer Staaten dar. Mit den Anschlägen von Madrid im März 200 und London im Juli 200 ist deutlich geworden, dass sich der islamistische Terrorismus verselbstständigt hat. Waren die Attentäter von Madrid Nordafrikaner, die lange in Spanien gelebt hatten und zum Teil einen kriminellen Hintergrund hatten, handelte es sich bei den Attentätern von London um Briten pakistanischer und jamaikanischer Herkunft, die in zweiter und dritter Generation scheinbar integriert in England lebten. Auch der Islamist, der 200 den niederländischen Filmemacher Theo van Gogh ermordete, war in den Niederlanden aufgewachsen. Diese Beispiele stehen stellvertretend für eine neue Generation islamistisch motivierter Attentäter, sogenannte home-grown-Terroristen. Der Begriff bezeichnet Zuwanderer der zweiten oder dritten Generation, die in westlichen Gesellschaften aufgewachsen sind und eines Tages ohne Weisung von außen einzeln oder in einer Gruppe Terroranschläge durchführen. So soll sich insbesondere die Gruppe der gescheiterten Londoner Attentäter vom 2. Juli nach den Ereignissen des 7. Juli kurzerhand zu Selbstmordattentaten verabredet haben, um "auf die Situation im Irak aufmerksam zu machen". Die jungen Männer, die im Sommer 2006 Anschläge auf den Bahnverkehr in NRW verüben wollten, fallen aus der Gruppe der home-grown-Terroristen heraus, denn sie lebten erst seit kurzem in der Bundesrepublik. Gleichwohl müssen auch sie in der Zeit ihres Aufenthaltes in Deutschland einen Radikalisierungsschub erfahren haben. Religiös getarnter (Selbst)Hass Die Wandlung äußerlich integriert scheinender junger Männer zu islamistischen Gewalttätern wirft viele Fragen auf. Etwa danach, welchen Einflüssen sie ausgesetzt waren und wie sich ihre Wandlung zu islamistischen Fanatikern von ihrer Umwelt unbemerkt vollziehen konnte. Auch über die Motive von home-grown-Terroristen kann in Ermangelung empirischer Untersuchungen nur spekuliert werden. Nach den Anschlägen von London und Madrid war eine häufig zu hörende Erklärung, dass die Attentäter zwar in der britischen bzw. spanischen Gesellschaft gelebt hätten, sich jedoch diskriminiert fühlten und/oder die Werte dieser Gesellschaften zutiefst ablehnten. In dieser Situation habe möglicherweise auch die politische Lage in der islamischen Welt bzw. in den Herkunftsländern dazu beigetragen, ihre Landsleute oder eben "die Muslime" allgemein rächen zu wollen. Die analytische Beschäftigung mit dem home-grown-Terrorismus steht noch in den Anfängen, ebenso wie das Phänomen der Selbstmordattentäter noch nicht abschließend erforscht ist. Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Erklärungsansätze, die den 78 islAmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Werteverfall, die Verelendung, mangelnde Zukunftsperspektiven, geringe Bildung, den Nahost-Konflikt oder andere bewaffnete Konflikte etc. in den Vordergrund stellen. Eine andere Theorie hebt auf die besonderen psychologischen Merkmale islamistischer Attentäter ab. Die Grundannahme ist, dass es sich bei Selbstmordattentätern um Personen mit gravierenden Persönlichkeitsstörungen handelt. Demnach spielt vor allem ein Gefühl der Minderwertigkeit und der Selbstablehnung eine Rolle, das sich in Hass und Rachegefühle gegenüber einem bestimmten Feindbild steigern kann. Kommt ein Mangel an Einfühlungsvermögen hinzu, setzt dies die Hemmschwelle für Gewalttaten deutlich herab. Die islamistische Ideologie wirkt dabei als Verstärker und Rechtfertigung zugleich. Sie wird als attraktiv wahrgenommen, denn sie überdeckt den Selbsthass, spielt das moralische Gewissen aus und beseitigt die Hemmung zum Töten. Fortsetzung der Propagandaoffensive Auch 2006 waren zahlreiche Aktivitäten 'al-Qaidas' im Propagandabereich zu verzeichnen. Hauptsächlich Usama bin Ladin, sein Stellvertreter Ayman al-Zawahiri, sowie bis zu seinem Tod der Drahtzieher des Terrors im Irak, Abu Musab al-Zarqawi, griffen bekannte Themen in Variationen auf. Hierunter fielen vor allem die Besetzung des Irak und der Demokratisierungsprozess im Land sowie der Widerstand gegen die westliche Welt (USA und ihre Verbündeten). Insbesondere wurde die muslimische Jugend aufgerufen, Widerstand zu leisten. Am . Januar 2006 fand sich in mehreren einschlägigen Internetforen eine Erklärung, die die Gründung des 'Shura-Rates der Mujahedin im Irak' bekannt gab. Es werden die Namen von 6 Gruppierungen genannt, darunter auch maßgeblich die 'alQaida' im Zweistromland', die sich angeblich unter dem Dach der neuen Organisation zusammengeschlossen haben. Seit seiner Gründung hat der 'Shura Rat' eine große Anzahl von Erklärungen im Internet veröffentlicht, in denen er die Verantwortung für Anschläge im Irak übernimmt. Unterzeichnet werden die Erklärungen mit 'Medienkomitee des Shura-Rates der Mudjahedin im Irak'. Ein Personenname wird nicht mehr genannt. Möglicherweise soll damit gezeigt werden, dass der 'Shura-Rat' nicht einfach die Fortsetzung der 'al-Qaida' im Zweistromland' unter anderem Namen ist. Angeführt wird der 'Shura-Rat' nicht von Abu Musab al-Zarqawi, sondern von Abdallah Raschid al-Baghdadi als Emir (Anführer) des 'Shura-Rates'. Am . und 6. Oktober konnten zwei Videobotschaften des 'Shura-Rates' gesichert werden, die für die Sicherheitslage im Irak von großer Bedeutung sind. Es handelt sich zum einen um die Bekanntmachung der Gründung einer 'Allianz der Wohlduftenden' (Name eines Bündnisses in Mekka aus vorislamischer Zeit), bei der es sich um einen Zusammenschluss von mehreren Widerstandsgruppen im Irak handelt. Im islAmismus 79 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 zweiten Video wird seitens dieser Allianz ein islamischer Staat im Irak ausgerufen. Mit der Bekanntmachung der 'Allianz der Wohlduftenden' versucht der 'Shura-Rat' ein Zeichen der Stärke zu setzen und den Druck auf die Schiiten, die irakische Regierung und die ausländischen Truppen zu erhöhen. Die Bildung der Allianz scheint ein taktischer und strategischer Schachzug des von der 'al-Qaida' im Zweistromland' dominierten 'Shura-Rates' zu sein, um der Ausrufung eines islamischen Staates mehr Ausdruck zu verleihen. Am 9. Januar 2006 strahlte der katarische Fernsehsender 'al-Jazeera' eine Usama bin Ladin zugeschriebene Audiobotschaft aus, die nach Angaben des Senders von Januar 2006 datieren soll. Es ist damit das erste Lebenszeichen des 'al-Qaida'-Führers seit Dezember 200. Erneut stellt er sich als Führer/Sprecher der Gemeinschaft aller Muslime dar, der in der Rolle eines Politikers an die amerikanische Bevölkerung appelliert, ihren Willen gegenüber Präsident Bush durchzusetzen und aus Irak und Afghanistan abzuziehen. Am . März sendete 'al-Jazeera' Auszüge einer Videobotschaft von Ayman al-Zawahiri. Bereits im Vorfeld berichteten mehrere Nachrichtenagenturen von einer neuen Verlautbarung des bin Ladin-Stellvertreters, die im Internet veröffentlicht worden sei. Er behandelt in dieser Botschaft zwei große Themenkomplexe, die Palästinenserproblematik vor dem Hintergrund des Wahlsiegs der HAMAS sowie die Verbreitung der Muhammad-Karikaturen durch westliche Medien. Die Palästinenserorganisation HAMAS ruft al-Zawahiri zunächst auf, den bewaffneten Kampf gegen Israel fortzusetzen. Die einzige Möglichkeit zur "Befreiung Palästinas und der Gründung eines islamischen Staates" sieht er in der Fortsetzung des bewaffneten Kampfes. Seine Kritik gilt insbesondere den im Jahre 99 geschlossenen Friedensverträgen von Oslo sowie dem jüngsten internationalen Friedensplan für den Nahen Osten. Im weiteren Verlauf der Botschaft nimmt al-Zawahiri Stellung zu den Veröffentlichungen von Karikaturen des Propheten Muhammad. In diesem Zusammenhang ruft der ägyptische Staatsangehörige die Muslime dazu auf, die westlichen Länder zu boykottieren, welche die Karikaturen veröffentlicht hätten, um diese wirtschaftlich zu schwächen. Neben den Staaten Dänemark, Norwegen und Frankreich bezieht al-Zawahiri auch Deutschland sowie "all die anderen Länder" in seinen Boykottaufruf mit ein, die an diesem "Kreuzfahrer-Angriff" beteiligt sind. Am 7. Juni 2006 starb al-Zarqawi und sein Tod, der von seiner Organisation 'al-Qaida' im Zweistromland' am 8. Juni bestätigt wurde, löste eine Reihe von Nachrufen aus. In den ersten Tagen nach seinem Tod wurden in den arabischsprachigen "jihadistischen" Internetforen Erklärungen von Mudjahedin-Gruppierungen verbreitet, in denen er als "Führer" der Mudjahedin gelobt wird. Den Mudjahedin und der Umma (Gemeinschaft der Muslime) wurden Beileidswünsche übermittelt und Freude darü80 islAmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 ber ausgedrückt, das al-Zarqawi das ersehnte Ziel des Märtyrertodes erreicht habe. Gleichzeitig wurde betont, dass der "Jihad " auch nach dem Tode von al-Zarqawi unvermindert fortgeführt werde. Am frühen Morgen des 0. Juni 2006 veröffentlichte das 'al-Qaida'-Medienkomitee 'al-Sahab' einen 9-minütigen Nachruf von Usama bin Ladin auf Abu Musab alZarqawi im derzeit renommiertesten islamistischen Internetforum 'al-Hesbah'. Bin Ladins Nachruf auf al-Zarqawi, den er auch bei dessen weltlichem Namen Ahmad Fadhel al-Khalaylah nennt, richtet sich an die Umma. Er preist al-Zarqawi als "tapferen Ritter, Löwen des Jihad und standhaften Mann", der einer der "besten Emire" (Anführer) gewesen sei. Am . Juli 2006 veröffentlichte 'al-Sahab' eine weitere Audiobotschaft von bin Ladin im Internet, die formal wie inhaltlich an dessen Nachruf auf Abu Musab al-Zarqawi anschließt. Die Veröffentlichung zweier bin Ladin-Erklärungen (mit Vorankündigung) binnen Tagesfrist könnte von 'al-Sahab' bewusst als kleine Medienoffensive angelegt gewesen sein, um zumindest die propagandistische Schlagkraft von 'al-Qaida' unter Beweis zu stellen. Am Ende seiner Audiobotschaft geht bin Ladin auf die Ernennung von Abu Hamza al-Muhadjer als Nachfolger al-Zarqawis ein. Dem neuen Emir wünscht er viel Erfolg und empfiehlt ihm viel Geduld, Frömmigkeit und die Fortsetzung des Jihads, damit Allahs Wort allein das Höchste ist. Am Vorabend des ersten Jahrestages der Anschläge des 7. Juli 200 von London erschien im Internet unter dem Logo von 'al-Sahab' ein Video mit dem "Vermächtnis" von Shahzad Tanweer, einem der Attentäter von London. Zentrales Anliegen des Videos ist es, dem Zuschauer zu vermitteln, dass die Anschläge von London mit Unterstützung von 'al-Qaida' erfolgt seien. So sollen Tanweer und der weitere Attentäter Mohammed Siddiqe Khan in einem Trainingskamp der 'al-Qaida' ausgebildet worden sein. Das Video liefert jedoch nach wie vor keinen eindeutigen Beweis für eine tatsächliche operative Führung der Anschläge von London durch 'al-Qaida'. Am 7. September, kurz vor dem Jahrestag der Anschläge vom . September 200, sendete der arabische Fernsehsender 'al-Jazeera' Ausschnitte eines etwa fünf Jahre alten 'al-Qaida' Videos, das bin Ladin mit Vertrauten wie Ramzi Binalshibh und Abu Hafs al-Masri, dem damaligen Militärchef der 'al-Qaida', in den Bergen Afghanistans zeigt. Das Video soll die Männer bei der Planung der Anschläge vom . September 200 zeigen. Ferner wurden Szenen aus dem Leben der Mudjahedin in Trainingslagern in Afghanistan gezeigt, sowie Teile der Vermächtnisse der Attentäter Muhammad Atta und Ziad Jarrah. Ebenfalls am 7. September strahlte 'al-Jazeera' einen kurzen Ausschnitt der angeblich ersten Audiobotschaft des Nachfolgers von Abu Musab al-Zarqawi, Abu Hamza islAmismus 8 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 al-Muhadjer, aus. In der vollständigen 8-minütigen Botschaft, die in Internetforen verbreitet wurde, werden unter dem Titel "Die große Masse wird geschlagen werden und sie werden fliehen" die Muslime weltweit zur Unterstützung aufgerufen. AlMuhadjer prophezeit einen baldigen Sieg und ruft alle muslimischen Gruppierungen speziell im Irak zur Zusammenarbeit auf. Der aus dem Umfeld der 'al-Qaida' stammende Internet-Fernsehsender 'Saut alKhilafah' ('Stimme des Kalifats') publizierte seit Mitte September 200 in unregelmäßigen Abständen Videobeiträge im Stil westlicher Nachrichtensendungen zu Themen wie Jihad, internationale Mudjahedin, Palästina und Irak. Ein vermummter und bewaffneter Sprecher verlas dabei aktuelle Nachrichten und Verlautbarungen von entsprechenden Jihad-Gruppierungen aus der ganzen Welt. Zusätzlich wurden kleine Filmbeiträge eingeblendet, beispielsweise Berichte zu Anschlägen im Irak oder eine Darstellung der Hurrikanschäden in den USA als Strafe Gottes für die US-Regierung. Mit einem am 6. November 2006 ausgestrahlten Nachrichtenvideo kehrt die 'Stimme des Kalifats' zurück und scheint nunmehr Teil der 'Global Islamic Media Front' (GIMF) zu sein oder ihr zumindest nahe zu stehen. Die Videos tragen das Logo der GIMF und werden im Namen der GIMF im Internet verbreitet. Die GIMF fungiert, soweit bisher ersichtlich, nicht als offizielle Medienabteilung bestimmter Mudjahedin-Gruppen, von denen sie direkt mit Material beliefert wird. Vielmehr nutzt die GIMF vor allem bereits im Internet vorhandene Videooder Textdokumente, die sie aufbereitet und weiterverbreitet, um so Werbung für den globalen Jihad zu betreiben. Im Mai dieses Jahres wurde im Internet auf die Seite einer deutschsprachigen Sektion der GIMF hingewiesen. Die Seite ist überschrieben mit "Globale Islamische Medien-Front - deutscher Bereich". Regelmäßig werden deutsche Übersetzungen von Erklärungen der Mudjahedin im Irak eingestellt. So findet sich nahezu täglich eine Liste aktueller Anschlagsbekennungen des Shura Rates der Mudjahedin im Irak. Auch die aktuellen Videobotschaften von Usama bin Ladin und Ayman al-Zawahiri sind auf dieser Seite zu finden. Zu einigen der Videobotschaften ist eine komplette Übersetzung des Redetextes in deutscher Sprache eingestellt. Entwicklung in Deutschland Das Netzwerk der Jihadisten in Deutschland unterhält eine ausgedehnte Infrastruktur, unter anderem zur Versorgung mit gefälschten Papieren, zur Ausstattung mit Mobiltelefonen und zum Sammeln von Spenden. Daneben versucht man, junge Muslime für eine Kampfausbildung zu rekrutieren. Sympathisanten und Unterstützer islamistischer Organisationen oder bestimmte Personengruppen, etwa Studenten, werden zum Teil auch gezielt angeworben. Dies kann im Einzelnen im Bekanntenoder Freundeskreis geschehen. Dagegen bieten politische oder religiöse Veranstaltungen 82 islAmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 unter Umständen die Möglichkeit, mehrere Personen gleichzeitig für die eigenen Ideen zu gewinnen. So kann das Freitagsgebet in der Moschee zur Verbreitung islamistischer Propaganda missbraucht werden. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Imam (Vorsteher) der Moschee den Jihad als militanten Kampf gutheißt oder wenn Gastimame entsprechende Überzeugungen in ihre Predigt mitunter auch latent einfließen lassen. Bei anschließenden Diskussionen unter den Gläubigen können sich im Laufe der Zeit Personen herauskristallisieren, die von der Idee des militanten Jihad angetan sind und für Vorhaben der Jihadisten geeignet scheinen. Feststellbar ist allerdings, dass sich die Imame seit einiger Zeit deutlich zurückhaltender äußern und islamistische Parolen bei öffentlichen Auftritten zu vermeiden versuchen. Wenn Mudjahed-Anwärter sich eine Zeitlang als ausreichend fest im Glauben und entschlossen genug für den militanten Jihad gezeigt haben, werden einige von ihnen über Umwege in ein Trainingscamp entsandt, wo sie neben weiterer religiöser Unterweisung eine militärische Ausbildung erhalten. Nicht alle Terror-Zellen müssen sich jedoch aus ehemaligen Kämpfern zusammensetzen. Wie das Madrider und das Londoner Beispiel zeigen, können sich auch Personen - ohne eine entsprechende Schulung durchlaufen zu haben - durch eigenen Entschluss dem Netzwerk zugehörig fühlen und in seinem Sinne handeln. Die von Deutschland aus operierenden Unterstützer des Terrornetzwerkes sind häufig in Straftaten der allgemeinen oder organisierten Kriminalität verwickelt. Durch organisierte Schleusungen und Fälschungsdelikte werden terroristische Zwecke in bestimmten Zielländern unterstützt und lukrative Geschäfte gemacht. Dabei geht man in der Regel äußerst professionell, arbeitsteilig und konspirativ vor. Am 2. Januar 200 fanden in fünf Bundesländern polizeiliche Durchsuchungen statt, darunter auch in NRW. Es wurden gegen zwölf Personen Haftbefehle erlassen. Sie alle sollen islamistische Netzwerke mit Urkunden, Vermögensund Schleusungsdelikten unterstützt haben. Bei den Durchsuchungen wurden unter anderem Propagandamaterial, BlankoPässe und Fälschungsutensilien sichergestellt. Das Landgericht Düsseldorf verurteilte am . Februar drei algerische Staatsangehörige wegen gewerbsmäßigen Vorbereitens der Fälschung von amtlichen Ausweisen und Fahrzeugpapieren zu Haftstrafen von bis /2 Jahren. Ein Schlag gegen professionelle Schleuser gelang im Rahmen von Exekutivmaßnahmen in Mainz und Bonn am 2. Januar 200. Seit dem 9. Mai 2006 wird nun vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf der Prozess gegen drei Angeklagte wegen des Verdachts der Mitgliedschaft bzw. Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung ('al-Qaida') geführt. Weiterhin sind sie des gemeinschaftlichen Betrugs in 0 Fällen, des gemeinschaftlich versuchten Betrugs in 2 Fällen sowie der versuchten Beschaffung nuklearen Materials angeklagt. Durch islAmismus 8 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 den Betrug zum Nachteil von Versicherungsunternehmen sollten erhebliche Geldsummen zum Zwecke der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung erlangt werden. Die Angeklagten können in unterschiedlicher Ausprägung der 'al-Qaida' zugerechnet werden. Von bereits vorhandenen persönlichen Kontakten zum islamistisch-terroristischen Spektrum, durch Nutzung entsprechenden Propagandamaterials, der Verinnerlichung der Ideologie des militanten Islamismus, über Interesse an der Beschaffung finanzieller Mittel zugunsten der 'al-Qaida', bis hin zur militärischen Ausbildung und zu Aufenthalten in 'al-Qaida'-Lagern in Afghanistan, Kampfeinsätzen für 'al-Qaida' mit Kontakten zur Führungsspitze und der Rekrutierung neuer Kämpfer. Einer der Angeklagten hatte als Höhepunkt seiner mitgliedschaftlichen Betätigung zugunsten der 'al-Qaida' nach Durchführung des Betrugsvorhabens seinen Märtyrertod geplant. Das Gericht geht von einer Verhandlungsdauer von bis , Jahren aus. Am 2. Oktober begann die Verhandlung im Revisionsprozess Motassadeq. Am 6. November 2006 änderte der Bundesgerichtshof auf die Revision des Generalbundesanwaltes das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 9. August 200 im Schuldspruch dahin gehend, dass der Angeklagte der Beihilfe zum 26-fachen Mord in Tateinheit mit Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung schuldig ist. Der Strafausspruch wurde aufgehoben und das Verfahren insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Senat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen. Damit droht dem zu sieben Jahren Haft verurteilten Marokkaner eine härtere Strafe. Vom 27. - 29. September 2006 fand in Paris vor dem Gericht der großen Instanz der Prozess gegen einen Marokkaner statt, der bis zu seiner Verhaftung am . Juni 200 in Nordrhein-Westfalen gelebt hatte. Er wurde am 26.Oktober wegen eines geplanten Anschlags auf der Insel La Reunion sowie seiner Verbindungen zu Attentätern vom . September 200 in den USA bzw. vom . April 2002 auf Djerba zu 9 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. In Deutschland befindet sich nach wie vor ein zahlenmäßig nicht konkret zu bezifferndes Potenzial islamistischer Kämpfer mit vielfältigen Verbindungen in alle Teile der Welt. Es muss davon ausgegangen werden, dass Deutschland - und auch NRW - als Ruhe-, Rückzugsund Vorbereitungsraum und zur Logistikbeschaffung von Mitgliedern und Unterstützern des terroristischen Netzwerks auch weiterhin genutzt wird. Spätestens nach den missglückten Anschlägen auf die beiden Regionalzüge am . Juli 2006 ist auch nicht mehr auszuschließen, dass Deutschland als Ziel für Anschläge ins Visier genommen wird. Neben der abstrakt hohen Gefährdung für US-amerikanische, britische, israelische und jüdische Einrichtungen können etwa das 8 islAmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 deutsche Engagement in Afghanistan oder die deutschen Unterstützungsleistungen für den Aufbau im Irak ein Motiv auch für Anschläge gegen hiesige Ziele bilden. Aktivitäten in Nordrhein-Westfalen Die Bedrohung der inneren Sicherheit Deutschlands durch den islamistischen Terrorismus verdeutlichten insbesondere die fehlgeschlagenen Anschläge am . Juli 2006 auf zwei Regionalzüge der Deutschen Bahn auf den Strecken zwischen Aachen und Hamm sowie zwischen Mönchengladbach und Koblenz. In den Zügen wurden zwei herrenlose Trolleys gefunden, in denen sich sogenannte unkonventionelle Sprengund Brandvorrichtungen (USBV) befanden. Die USBV waren aufgrund eines Baufehlers letztlich nicht funktionsfähig, hätten anderenfalls aber explodieren und während der Fahrt oder während eines Halts in einem Bahnhof eine erhebliche Anzahl von Personen verletzen oder töten können. Als technische Grundlage für den Eigenbau der USBV dienten Anleitungen, die die Täter aus dem Internet heruntergeladen hatten. Darüber hinaus wurden sie durch eine intensive Nutzung des Internets mit den dort verfügbaren Botschaften des Terrornetzwerks 'al-Qaida' ideologisch beeinflusst und radikalisiert. Ein zentrales Tatmotiv der 2 bzw. 22 Jahre alten Täter war offenbar die Veröffentlichung der Muhammad-Karikaturen in einigen deutschen Zeitungen im Februar 2006. Verstärkt wurde ihre islamistische Haltung durch den Tod des 'al-Qaida'-Chefs im Irak. Die Täter haben nach eigener Aussage geglaubt, aus Protest und im Dienst des Islam einen Anschlag gegen Ziele innerhalb Deutschlands verüben und dabei möglichst viele Menschen töten zu müssen. Bei den Tätern handelt es sich um Personen, die zu einem im Vorfeld nur sehr schwer erfassbaren Tätertypus gehören und zu denen den Sicherheitsbehörden vor der Tat keine Erkenntnisse - auch nicht über einen Aufenthalt in einem islamistischen Ausbildungslager - vorlagen. Deutlich wurde, dass die Täter keine Selbstmordanschläge planten und sich die Auswahl ihrer Zielobjekte an der Durchführbarkeit sowie an den Fluchtmöglichkeiten orientierten. Am 26. August 2006 wurden in einem anderen Fall zur Gefahrenabwehr mehrere Personen in Gewahrsam genommen und Hausdurchsuchungen im Raum Gelsenkirchen durchgeführt. Die Maßnahmen richteten sich gegen eine Gruppe von Personen türkischer Herkunft mit zumindest teilweise islamistischer Orientierung, bei denen sich Anhaltspunkte ergeben hatten, dass sie einen Anschlag auf ein Konzert der Sängerin Nena im Amphitheater Gelsenkirchen geplant haben könnten. Nach Beendigung des Konzertes wurden die Festgenommenen wieder auf freien Fuß gesetzt. islAmismus 8 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Die Bundesanwaltschaft nahm in dieser Angelegenheit Ermittlungen gegen mehrere Beschuldigte auf. 62 Ansar al-Islam (Unterstützer des Islam) Hintergrund Bei 'Ansar al-Islam' ('Unterstützer des Islam') handelt es sich um eine ursprünglich nur im Nordosten des Irak aktive kurdisch-irakische Organisation, die zunächst gegen die sehr viel einflussreicheren säkularen, nicht religiös ausgerichteten Parteien im Nordirak kämpfte. Die Anhänger stammen aus verschiedenen Splittergruppen, die sich die Verwirklichung des islamischen Glaubens und eine dem Koran entsprechende Lebensweise auf einem eigenen kurdischen Staatsgebiet zum Ziel setzen. Die 'Ansar al-Islam' ging aus der 'Jund al-Islam' ('Armee des Islam') hervor, der Abspaltung einer islamisch-kurdischen Dachorganisation. Im Dezember 200 übernahm der im norwegischen Exil lebende Mullah Krekar die Führung der Gruppierung und änderte den Namen in 'Ansar al-Islam'. Mittlerweile ist Krekar in seiner Führungsposition von Abdullah al-Shafi abgelöst worden. Die 'Ansar al-Islam' zeichnet im Irak für eine Vielzahl schwerster Terrorakte bis hin zu Selbstmordanschlägen verantwortlich. Ideologie 'Ansar al-Islam' zielt darauf ab, ein islamistisches Kurdistan zu schaffen, das auf einem radikalen Islam nach dem Vorbild der Taliban in Afghanistan beruht. Die Gruppierung versucht daher, den in ihrem Machtbereich lebenden Menschen den Kontakt zu säkularen Parteien zu verbieten und verleiht ihren Forderungen mit brutalen Gewaltaktionen gegen Andersdenkende Nachdruck. Von den Anhängern und Unterstützern der 'Ansar al-Islam' gehen daher Bestrebungen aus, die durch Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (SS Absatz Nr. VSG). Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass 'Ansar al-Islam' über Verbindungen zum Terrornetzwerk 'al-Qaida' verfügt. Diese Verbindungen sollen noch aus gemeinsamen Kampferfahrungen in Afghanistan herrühren. Nach dem Zusammenbruch des Taliban-Regimes in Afghanistan sollen Taliban und 'al-Qaida'-Mitglieder bei 'Ansar al-Islam' im Nordirak Schutz gesucht haben, bevor diese durch den Einmarsch der Koalitionstruppen unter US-Führung in den Irak ihrerseits unter Druck geriet. Dem Jordanier Abu Musab al-Zarqawi wurden ebenfalls enge Bindungen zu 'Ansar al-Islam' nachgesagt. 86 islAmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Finanzierung Finanzielle Unterstützung erhält die Organisation möglicherweise aus Staaten der Golfregion und anderen islamischen Ländern. Gelder werden aber auch durch Spendensammlungen in Westeuropa beschafft. Mitglieder und Sympathisanten der 'Ansar al-Islam' kommen als Reisende - auch als Geschäftsleute - in verschiedene europäische Länder, um Geld in Moscheen und Islamischen Zentren zu sammeln, technische Ausrüstung zu beschaffen, Propaganda zu betreiben und Mitglieder zu werben. Aktivitäten in Deutschland und NRW Die 'Ansar al-Islam' verfügt über ein auf fast ganz Europa ausgedehntes Netz aus Mitgliedern, Sympathisanten und Unterstützern, die sich dem Sammeln von Geldern und der Rekrutierung von Freiwilligen für Aktivitäten im Irak widmen. In Deutschland verfügt 'Ansar al-Islam' über keine festen Strukturen. Festnahmen in Italien im November 200 (sogenannte "Mailänder Zelle"), in Hamburg und München im Dezember 200 haben das Netzwerk zwar beschädigt, aber nicht zerreißen können. In Deutschland beschränkt sich die 'Ansar al-Islam' bisher hauptsächlich auf unterstützende Logistiktätigkeiten und Geldbeschaffung. Es sollen sich etwa 00 Aktivisten in Deutschland aufhalten, die meisten in Süddeutschland. Inzwischen konnten allerdings auch vermehrt Wanderungsbewegungen von Süddeutschland in andere Bundesländer, so auch nach Nordrhein-Westfalen, festgestellt werden. Der Generalbundesanwalt hat im Dezember 200 ein Verfahren gegen Angehörige der 'Ansar al-Islam' gemäß SS 29b StGB eingeleitet. Umfangreiche Ermittlungen haben zu Haftbefehlen gegen mehrere Personen geführt. Ihnen wird vorgeworfen, vom Bundesgebiet aus für die 'Ansar al-Islam' Geld zur Finanzierung von Terroranschlägen gesammelt und transferiert zu haben. Im ersten deutschen Prozess wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach SS 29b StGB hat das Oberlandesgericht (OLG) München am 2. Januar 2006 einen -jährigen Kurden zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Kurde seit 2002 Mitglied der 'Ansar al-Islam' gewesen ist und sie durch Geldsammlung sowie die Beschaffung von technischem Gerät unterstützt. Zudem habe er mehrere Personen für den Jihad im Irak rekrutiert. Am 20. Juni 2006 begannen in Stuttgart und München zwei weitere Prozesse gegen insgesamt fünf mutmaßliche Mitglieder/Unterstützer der 'Ansar al-Islam'. Vor dem OLG Stuttgart müssen sich drei Männer wegen eines geplanten Anschlages auf den islAmismus 87 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 damaligen irakischen Ministerpräsidenten Dr. Iyad Allawi während seines Deutschlandbesuches im Dezember 200 verantworten. Die Anklage lautet auf Rädelsführerschaft und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz und Verabredung eines Verbrechens. Vor dem OLG München sind zwei Iraker angeklagt. Die vor einem Jahr in München und Nürnberg verhafteten Iraker sollen unter anderem Geld für Anschläge in ihrer Heimat gesammelt haben. Einer der Angeklagten soll bei Versammlungen im Islamischen Zentrum Nürnberg die Zuhörer zur Teilnahme am "Heiligen Krieg" aufgefordert haben. Auch wenn die in Deutschland lebenden Anhänger und Unterstützer der 'Ansar alIslam' überwiegend logistische Aufgaben ausführen, können - wie die Anschlagsplanungen von Dezember 200 zeigen - auch terroristische Handlungen in Deutschland von hier lebenden 'Ansar al-Islam'-Anhängern nicht ausgeschlossen werden. 63 Tschetschenischer Separatismus: Tschetschenische Republik Ichkeriya (CRI)/Tschetschenische Separatistenbewegung (TSB) Hintergrund Mit dem Zerfall der UdSSR 99 und im Zuge der Unabhängigkeit der südkaukasischen Staaten Armenien, Aserbeidschan und Georgien entstand auch in Tschetschenien eine separatistische Bewegung mit dem Ziel einer Loslösung von Russland - die 'Tschetschenische Republik Ichkeriya' (CRI)/'Tschetschenische Separatistenbewegung' (TSB). Durch den ersten Tschetschenien-Krieg (99 - 996) radikalisierten sich die islamistischen Tendenzen innerhalb der tschetschenischen Gesellschaft und insbesondere seit dem zweiten Tschetschenien-Krieg (seit 999) werden Gewaltaktionen auch außerhalb des Kaukasus verübt. Ziel der militärisch strukturierten tschetschenischen Separatistenbewegung ist es, die russische Armee mit Gewalt zum Rückzug aus Tschetschenien zu zwingen und die Macht zu ergreifen. Anschließend soll mit der Errichtung eines unabhängigen islamischen Staates auf dem Gebiet Tschetscheniens begonnen werden. Damit gefährden ihre Anhänger durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland (SS Abs. Nr. VSG NRW) und verfolgen Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung und das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind (SS Abs. Nr. VSG NRW). 88 islAmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Aktuelle Entwicklung Neben der von Moskau anerkannten Regierung Tschetscheniens, die zurzeit von Ministerpräsident Ramzan Kadyrov geführt wird, existiert eine "Schattenregierung" der CRI/TSB, deren Mitglieder sich teilweise im Ausland aufhalten. Im Jahr 2006 hat die tschetschenische separatistische Bewegung wichtige Führungspersönlichkeiten verloren. Am 7. Juni 2006 wurde der islamistisch orientierte Präsident der "Schattenregierung", Abdul-Khalim Sadulayev, im Rahmen einer Militäroperation russischer Sicherheitskräfte in seinem Heimatort Argun/Tschetschenien getötet. Zu seinem Nachfolger wurde sein Stellvertreter, Dokku Sultanovich Umarov, ernannt, der bis dahin Direktor des "Nationalen Sicherheitsdienstes" der CRI/TSB war. Der international bekannte "Vizepräsident" und "Feldkommandant" der CRI/TSB, Schamil Basayev, wurde am 0. Juli 2006 in Ekazhevo/Inguschetien durch eine Explosion getötet. Basayev gehörte neben dem im März 200 getöteten ehemaligen "Präsidenten" der CRI/TSB, Aslan Maschadow, zu deren einflussreichsten Anführern. Am 27. Juni hatte ihn der jetzige Anführer der CRI/TSB zu seinem Stellvertreter ernannt. Basayev war für zahlreiche Gewaltaktionen gegen militärische und zivile Einrichtungen in Russland, darunter die Geiselnahmen 2002 im Musicaltheater in Moskau mit über 0 Toten und 200 in einer Schule in Beslan mit über 0 Toten, verantwortlich. Am 26. November soll außerdem der für Finanzen und Logistik zuständige Feldkommandeur Abu Hafs in einem Feuergefecht mit russischen Sicherheitskräften in der dagestanischen Stadt Khasavyurt getötet worden sein. Aktivitäten in Deutschland Die Unterstützerbewegung der CRI/TSB im Bundesgebiet setzt sich aus Tschetschenen und Türken tschetschenischer Abstammung zusammen. Die Unterstützung besteht vorrangig in Propaganda für die Bewegung, Spendensammlung und sonstiger logistischer Hilfe. Allerdings wird der Tschetschenien-Konflikt - ähnlich wie der Palästina-Konflikt - als zentrales Thema auch von anderen islamistischen Organisationen aufgegriffen. Man versucht, Solidaritätsgefühle und eine Identifikation mit den "muslimischen Brüdern", die sich im "Verteidigungskrieg" befinden, zu wecken. Ziel ist auch hier vorrangig die Einnahme von Spendengeldern, die sowohl für humanitäre Zwecke als auch zur Unterstützung des militärischen Kampfes bestimmt sein können. In NRW sind bisher keine Strukturen der CRI/TSB bekannt. islAmismus 89 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 64 Tablighi Jamaat (Gemeinschaft zur Verkündigung - TJ) Mitglieder Bund NRW 2006 600 0 Hintergrund Die 'Tablighi Jamaat' (auch 'Jamaat-i Tabligh'; 'Gemeinschaft zur Verkündigung' - TJ) wurde im Jahre 927 in Indien durch den Religionsgelehrten Maulawi Muhammad Ilyas, Anhänger der sogenannten Deoband-Schule, gegründet. Seit den 960er Jahren ist sie auch in Deutschland aktiv. Sie ist eine streng konservative, sunnitische Bewegung, deren Mitglieder großen Wert auf die wortgetreue Ausübung islamischer Vorschriften und die Befolgung der islamischen Riten legen. Die Missionierungsarbeit der TJ richtet sich vor allem an "verirrte Muslime", die nach Meinung der TJ vom rechten Weg des Islam abgekommen sind. Eine gezielte Bekehrung Andersgläubiger ist nicht das Ziel ihrer Missionierungsarbeit. Das geistige Zentrum der TJ befindet sich in Lahore/Raiwind, Pakistan. Die organisatorische TJ-Zentrale ist in Nezamuddin (Delhi/Indien) angesiedelt; ein weiteres "Gründerzentrum" befindet sich in Tongi, Bangladesch. In Großbritannien (Dewsbury, Leeds) verfügt die 'Tablighi Jamaat' über ein europäisches Zentrum, wo die TJ-Europa-Shura, der auch ein deutsches TJ-Mitglied angehören soll, ansässig ist. Allerdings hat dieses Zentrum nicht einen vergleichbaren Stellenwert wie Raiwind, Nezamuddin oder Tongi. Von Großbritannien werden überwiegend die europäischen Treffen der 'Tablighi Jamaat' organisiert, so dass zwar ein zentraler Charakter besteht, jedoch ohne jegliche Weisungsbefugnis. Als deutsches Zentrum gilt Friedrichsdorf (Hessen). Die 'Tablighi Jamaat' beharrt auf der völligen Einhaltung muslimischer Traditionen und Gebote. Durch ein beispielgebendes frommes Leben und die selbstlose Missionsarbeit der Mitglieder soll der Islam weltweit verbreitet werden. Auch wenn die Bewegung an sich als friedfertig und ohne politische Zielsetzung gilt, steht sie aufgrund verschiedener Vorfälle im Verdacht, durch ihre netzwerkartigen Strukturen den internationalen Terrorismus mittelbar zu fördern und durch die strengreligiöse Anleitung der Mitglieder den geistigen Nährboden für die Rekrutierung von Jihad-Kämpfern zu bereiten. Die Aktivitäten der 'Tablighi Jamaat' bieten zumindest tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen, durch welche die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden (SS Abs. Nr. VSG) bzw. die dem Gedanken der Völkerverständigung oder dem friedlichen Zusammenleben der Völker widersprechen (SS Abs. Nr. VSG). Die 'Tablighi Jamaat' unterteilt ihre Missionsreisen in verschiedene, zeitlich definierte Abschnitte. Die monatliche Durchführung der -Tages-Mission (Jamaat) ist 90 islAmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 eine Pflicht für jedes Mitglied. Hierbei handelt es sich zumeist um Wochenendreisen in benachbarte Städte. Neben dem -Tages-Jamaat gibt es noch den 0-tägigen Jamaat, der überwiegend in Missionsgruppen absolviert wird. Der -monatige Jamaat ist die aufwändigste Missionsreise und kann die Anhänger auch ins Ausland führen. Jedes Mitglied sollte in seinem Leben zumindest einmal eine 0-tägige Reise in eines der Gründerzentren der TJ (Pakistan, Indien, Bangladesch) absolvieren. Durch zum Teil weltweite Missionsreisen hat die TJ ein großes Netzwerk an Kontakten aufbauen können, das auch für terroristische Zwecke nutzbar gemacht und missbraucht werden kann. In Einzelfällen wurde bekannt, dass in den Madrassen (religiöse Ausbildungszentren) der 'Tablighi Jamaat' in Pakistan gezielt nach möglichen Rekruten für Arabische Mudjahedin gesucht wird. Die Bewegung bietet sich damit als eine Art Sprungbrett für radikal islamistisch orientierte Personen an. Im Rahmen des 'al-Tawhid'-Prozesses beim OLG Düsseldorf (Urteilsverkündung war am 26. Oktober 200) wurden aufgrund einer Zeugenaussage unmittelbare Kontakte von TJ -Anhängern zu 'al-Qaida' und Usama bin Ladin deutlich. Mehreren Personen, die im Rahmen des Prozesses als Zeugen geladen waren, konnten Aufenthalte in einem Ausbildungslager der 'al-Qaida' sowie Tätigkeiten in der Leibwache des Usama bin Ladin nachgewiesen werden. Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde die Prüfung ausländerrechtlicher Maßnahmen nach SS Nr. und Nr. a AufenthG eingeleitet. Als Ergebnis dieser Maßnahmen wurde am 26. Mai 2006 eine betroffene Person in ihr Heimatland Marokko abgeschoben. In einem weiteren Fall ist das ausländerrechtliche Verfahren eingeleitet, jedoch noch nicht abgeschlossen. In NRW ist die 'Tablighi Jamaat' besonders in Köln, Düsseldorf, Bochum, Gelsenkirchen und Essen aktiv. Die Organisation verfügt über wenige eigene Moscheen und weicht daher oft auf türkische, selten arabische Moscheen aus. Verstärkt wird in letzter Zeit auch beobachtet, dass die TJ ein großes Interesse an Konvertiten entwickelt hat. Die Missionierungsbemühungen sind hier besonders intensiv. Auch die weitere Förderung der Konvertiten durch Teilnahme an Missionsreisen in eines der Gründerzentren unterstützt die TJ aktiv. 65 HAMAS (Harakat al-Muqawama al-Islamiya - Islamische Widerstandsbewegung) Mitglieder Bund NRW 2006 00 70 200 00 70 Internet Englischsprachige Homepage islAmismus 9 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Die HAMAS ('Bewegung des islamischen Widerstandes') ist heute eine der einflussreichsten und stärksten Organisationen unter den sunnitischen Palästinensern, die sich den kompromisslosen Kampf gegen Israel zur "Befreiung" des gesamten historischen Palästina und die Errichtung eines islamistischen Staates auf dem Gebiet Palästinas zum Ziel gesetzt hat. Damit gehen von den in Deutschland lebenden Anhängern Bestrebungen aus, die durch Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (SS Absatz Nr. VSG NRW) bzw. die gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind (SS Absatz Nr. VSG NRW). Auf Beschluss des Rates der Europäischen Union ist die HAMAS in der "EU-Terrorliste" als Organisation erfasst, gegen die sich restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus richten sollen . Hintergrund und Ziele Unter den islamistischen Organisationen in Deutschland sind insbesondere die HAMAS sowie die aus dem Libanon gegen Israel operierende schiitische 'Hizb Allah' (Partei Gottes) von Bedeutung. Daneben sind säkulare palästinensische Gruppierungen wie die 'Volksfront für die Befreiung Palästinas' (PFLP) und die 'Demokratische Front für die Befreiung Palästinas' (DFLP) zu nennen. Der Gründer der HAMAS, Scheich Ahmed Yassin, wurde im März 200 von der israelischen Armee getötet, ebenso wie im Folgemonat dessen Nachfolger Abd al-Aziz Rantissi. Besonders der gewaltsame Tod des an den Rollstuhl gefesselten palästinensischen Führers Yassin sorgte weltweit für Kritik an dem israelischen Vorgehen im Konflikt mit den Palästinensern. In einer von den 'Izz al-Din al-Qassam-Brigaden', dem militärischen Flügel der HAMAS, veröffentlichten Stellungnahme wurden "00 Vergeltungsschläge, die die gesamte verbrecherische Einheit zum Erzittern bringen werden" als Rache für den Tod der HAMAS-Führer angedroht. Es sei das Schicksal jedes HAMAS-Aktivisten, als "Märtyrer" zu sterben. Öffentlich aktiv wurde die sunnitische extremistische HAMAS erstmals mit Beginn der ersten Intifada im Jahre 987. Sie hat sich aus dem palästinensischen Teil der 'Muslimbruderschaft' entwickelt. Die HAMAS bekämpfte den Staat Israel mit terroristischen Mitteln, wobei insbesondere die zahlreichen Selbstmordattentate zu nennen sind. Sie lehnt den Alleinvertretungsanspruch der PLO ab und boykottierte zunächst alle zwischen dem Staat Israel und der PLO geschlossenen Verträge. Für die Hardliner innerhalb der Organisation ist ein Friedensschluss mit dem Staat Israel offensichtlich auch heute noch undenkbar. Bei den Kommunalwahlen Ende 200/Anfang 200im Gaza-Streifen und im Westjordanland eroberte die HAMAS gut ein Drittel der Mandate und stärkte damit weiter ihre politische Position. 92 islAmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Bei den ersten palästinensischen Parlamentswahlen seit 996 erreichte die erstmals angetretene HAMAS mit ihrer Partei 'Wechsel und Reform' am 2. Januar 2006 im palästinensischen Legislativrat (PLC) die absolute Mehrheit (76 von 2 Sitzen). Die bislang regierende säkulare 'Fatah'-Bewegung konnte lediglich Mandate erringen. Der Leiter der HAMAS-Auslandsführung, Khaled Mashaal, bot dem Präsidenten der Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, eine Zusammenarbeit an. Die HAMAS beharrte gleichwohl auf dem Recht des palästinensischen Volkes auf Freiheit, Unabhängigkeit und dem Rückkehrrecht aller Vertriebenen sowie auf der Errichtung eines souveränen palästinensischen Staates mit Jerusalem als Hauptstadt. Den Wahlerfolg der HAMAS bewerteten Beobachter weniger als eine Entscheidung für den militanten Extremismus, sondern sahen darin in erster Linie eine Reaktion des palästinensischen Volkes auf das Versagen der von der 'Fatah'-Bewegung gestellten Regierung und die immer wieder erhobenen Korruptionsvorwürfe gegenüber der Verwaltung. Nicht lange nach der Ernennung des als pragmatisch geltenden HAMAS-Spitzenkandidaten Ismael Hanija zum Ministerpräsidenten kam es in den palästinensischen Autonomiegebieten zu fast bürgerkriegsähnlichen Zusammenstößen zwischen Anhängern der HAMAS und den Anhängern der Fatah-Bewegung. Da die HAMAS an ihrer strikten Ablehnung Israels festhielt, wurde die finanzielle Unterstützung der Autonomiebehörde durch die USA und europäische Staaten vorerst eingestellt. Dies hat in den Autonomiegebieten gravierende Probleme bei der Versorgung der Bevölkerung und der Bezahlung der Bediensteten zur Folge. Die Entführung eines israelischen Soldaten am 2. Juni 2006 in Gaza und der Beschuss israelischen Staatsgebietes durch selbst gebaute Qassam-Raketen aus dem nördlichen Gaza-Streifen ließen die israelischen Streitkräfte wieder vehement gegen HAMAS-Aktivisten und -Politiker vorgehen. Am 28. Juni überschritten israelische Luftund Bodenstreitkräfte die Grenze zum Gaza-Streifen und zerstörten dort Infrastruktur wie Brücken und eine zentrale Stromanlage. Des Weiteren verhafteten israelische Streitkräfte rund 60 HAMAS-Vertreter, darunter Minister, Abgeordnete und Funktionäre der Organisation. Bei weiteren gezielten Militärschlägen wurden auch palästinensische Zivilisten verletzt und getötet. Erst mit dem Einlenken der HAMAS in den Fragen Gewaltverzicht und Existenzrecht Israels kann eine dauerhafte Lösung der Konfliktlage erreichbar sein. In Deutschland sind bislang keine eigenen Strukturen der in Israel und den palästinensischen Gebieten aktiven Gruppierungen 'Tanzim' (Bewaffnete Gruppe der al-Fatah') und den sogenannten 'al-Aqsa-Brigaden' - und auch nicht der HAMAS selbst - festzustellen. Diese Gruppierungen, die neben HAMAS für zahlreiche Selbstmordanschläge in Israel verantwortlich sind, genießen unter den hier lebenden Palästinensern Sympathie. Nach Anschauung der die islAmismus 9 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Intifada unterstützenden Organisationen sind der Staat Israel und seine politischen Repräsentanten die eigentlichen "Terroristen", denen mit aller Härte zu begegnen sei. Gleichwohl besteht bei den hier lebenden Palästinensern ein großes Interesse an der Beendigung des Konflikts, da eine weiter eskalierende Gewalt die wirtschaftliche Not der Palästinenser vergrößern dürfte. Nach wie vor liegen keine Hinweise darauf vor, dass von Anhängern hier aktiver palästinensischer islamistischer und säkularer extremistischer Organisationen zu Anschlägen in Deutschland aufgerufen wird beziehungsweise diese befürwortet werden. Gleichwohl kann nicht ausgeschlossen werden, dass insbesondere stark emotionalisierte jugendliche Palästinenser spontane Gewaltakte gegen israelische, jüdische oder amerikanische Einrichtungen begehen könnten. Internationale Verbindungen und Finanzierung Trotz religiös-konfessioneller Unterschiede besteht eine gewisse Zusammenarbeit zwischen der sunnitisch geprägten HAMAS und der schiitischen 'Hizb Allah' im Südlibanon, die aus der gemeinsamen Feindschaft gegen Israel herrührt. Gleiches gilt auch für die Beziehungen der HAMAS zur schiitischen Islamischen Republik Iran. Zum Zeichen der Verbundenheit mit den Palästinensern und ihrem Kampf um Jerusalem hatte Ayatollah Khomeini bereits 979 den "Jerusalem-Tag", den "Ghods-Tag", ausgerufen, der jährlich am letzten Freitag im Fastenmonat Ramadan begangen wird. Die HAMAS ist zudem eingebunden in ein weltweites Netzwerk von Organisationen, die die 'Muslimbruderschaft' repräsentieren oder ihr nahe stehen. Neben Organisationen, die vor allem propagandistisch oder auch logistisch im Sinne der HAMAS tätig sind, gibt es solche, die überwiegend Spendensammlungen und Finanztransaktionen zugunsten der HAMAS durchführen. Al-Aqsa eV, Yatim Kinderhilfe eV In die Finanzierung der HAMAS war der in Aachen ansässige Verein 'al-Aqsa e.V.' eingebunden. Deshalb wurde der Verein, der sich selbst als humanitäre Hilfsorganisation für Palästina bezeichnete und für zivile Projekte und Einrichtungen um Spenden warb, am . Juli 2002 durch das Bundesministerium des Innern verboten. Mit Urteil vom . Dezember 200 hat das Bundesverwaltungsgericht das Verbot des Vereins bestätigt. Der Verein verstoße mit den Spendensammlungen für die HAMAS gegen die friedliche Verständigung des israelischen und des palästinensischen Volkes. Die HAMAS sei eine Organisation, bei der soziale Aktivitäten nicht von dem militärischem Bereich geschieden werden könnten. 9 islAmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Am . September 200 hat das Bundesministerium des Innern den 'Yatim Kinderhilfe e.V.' mit Sitz in Essen als Ersatzorganisation des 'al-Aqsa e.V.' verboten. Da der Verein keine Klage erhob, hat das Verbot zwischenzeitlich Bestandskraft erlangt. Trotz der endgültigen Vereinsverbote kann jedoch angenommen werden, dass sich Nachfolgeorganisationen der Spendensammlung annehmen werden. Ausblick Die derzeit von den in Deutschland lebenden HAMAS-Anhängern ausgehende Gefahr für Deutschland ist als eher gering anzusehen. Wiederholt wurden von maßgeblichen HAMAS-Führern Gewaltaktionen außerhalb Israels und der besetzten palästinensischen Gebiete abgelehnt. 66 Hizb Allah (Partei Gottes) Mitglieder Bund NRW 2006 900 0 200 900 0 Die schiitische libanesische 'Hizb Allah' hat sich unter anderem die Zerstörung des Staates Israel und die "Herrschaft des Islam" über Jerusalem zum Ziel gesetzt. Sie stellt damit eine Bedrohung für den Norden Israels dar. Seit Jahren ist sie für Terroranschläge in dieser Region verantwortlich. Sie hat bislang keine gewaltsamen Aktionen in Deutschland durchgeführt, nutzt Deutschland und NRW jedoch als Ruheund Rückzugsraum. Öffentlich tritt sie wenig in Erscheinung. Die in Nordrhein-Westfalen lebenden 'Hizb Allah'-Anhänger werden wegen Gefährdung auswärtiger Belange der Bundesrepublik Deutschland bzw. wegen gegen die Völkerverständigung gerichteter Bestrebungen auf der Grundlage des SS Absatz Nr. und Nr. VSG NRW vom Verfassungsschutz beobachtet. Hintergrund Die 'Hizb Allah' wurde 982 nach dem Einmarsch israelischer Truppen im Libanon auf Betreiben Irans gegründet. Sie entwickelte sich auf Grund massiver iranischer Unterstützung rasch zu einer militanten Sammlungsbewegung libanesischer Schiiten mit Schwerpunkten im Bekaa-Tal, Süd-Libanon und in den Vororten von Beirut. Die 'Hizb Allah' strebte zunächst jahrelang die Errichtung eines islamischen Gottesstaates nach iranischem Vorbild im Libanon an. Vom iranischen Staatsmodell, wie es unter Ajatollah Khomeini geprägt wurde und wie es die Partei zunächst auch für islAmismus 9 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 den Libanon propagierte, hat sich die 'Hizb Allah' mittlerweile gelöst. Inzwischen ist diese Forderung zugunsten einer pragmatischeren Haltung in den Hintergrund getreten. Eingebunden in die politischen und gesellschaftlichen Strukturen des Libanon strebt sie heute vor allem danach, ihre Möglichkeiten der Einflussnahme zu festigen und zu verstärken, ohne ihren Anspruch auf die "islamische Herrschaft" über Jerusalem aufzugeben. Die 'Hizb Allah' hat sich als politische Kraft im Libanon etabliert. Sie ist seit 992 im Parlament vertreten und hat ein soziales Netzwerk aufgebaut. Bei den Wahlen zum libanesischen Parlament Mitte 200 erhielt die schiitische Liste von 'Hizb Allah' und 'Amal' der 28 Sitze. In der neuen Regierung stellte die 'Hizb Allah' erstmals zwei Minister. Mittlerweile versteht die 'Hizb Allah' sich auch als Schutzmacht der Palästinenser und steht in Kontakt mit palästinensischen Gruppen. Der Kampf gegen Israel und für die muslimische Souveränität über Jerusalem gehört weiterhin zu ihren über die nationalen Interessen hinausgehenden Zielen. Politischer Führer der 'Hizb Allah' ist ihr Generalsekretär Hassan Nasrallah. Nasrallah wird von seinen Anhängern verehrt und ist heute einer der führenden Vertreter des schiitischen Islamismus und ein einflussreicher Politiker im Libanon. Finanzierung Aufgrund der ideologischen Nähe zum Iran war es in den Jahren des libanesischen Bürgerkrieges (1975 - 1990) vor allem die finanzielle Unterstützung aus Teheran, die den Erfolg der 'Hizb Allah' ermöglichte. Daneben leistet Syrien als Schutzmacht wichtige Hilfe für die Partei. Eine weitere wichtige wirtschaftliche Quelle stellt der Drogenanbau in der von der 'Hizb Allah' kontrollierten Bekaa-Ebene dar. Der Anbau von Drogen ist dort auch nach dem Ende des Bürgerkriegs nicht vollständig eingestellt worden. Außerdem betreibt die 'Hizb Allah' legale Wirtschaftsunternehmen, aus denen sie Gewinne für ihre Arbeit abschöpfen kann und finanziert sich zudem über Spenden im Ausland lebender Anhänger. Struktur in Deutschland Bereits seit 99 versucht die 'Hizb Allah'-Führung von Beirut aus, in der Bundesrepublik Deutschland eine effiziente Organisationsstruktur unter ihren Anhängern aufzubauen. Diese Bestrebungen sind jedoch nach wie vor nicht abgeschlossen. Auch im Jahr 2006 dauerten interne Streitigkeiten und Rivalitäten zwischen den hier lebenden Anhängern an. Hinsichtlich der personellen Zusammensetzung des Führungsgremiums in Deutschland bestehen ebenfalls Meinungsverschiedenheiten, so dass bisher keine von allen Anhängern akzeptierte Führung etabliert werden konnte. 96 islAmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Als eine Begegnungsstätte dient den 'Hizb Allah'-Anhängern das 'Islamische Zentrum' ('Imam-Mahdi-Zentrum') in Münster-Hiltrup, in dem neben schiitischen Libanesen, die allerdings nicht alle der 'Hizb Allah' zuzurechnen sind, Iraker, Afghanen und Pakistani verkehren. Bereits 988 wurde als Trägerverein des Zentrums der 'Fatime Versammlung e.V.' in Münster gegründet. Das 'Imam-Mahdi-Zentrum' steht in enger Verbindung zu dem iranisch gesteuerten 'Islamischen Zentrum Hamburg' und stellt eine Anlaufstelle für 'Hizb Allah'-Anhänger im Westen Deutschlands dar. Da sich dort auch Anhänger der ebenfalls schiitischen libanesischen 'Amal'-Bewegung und Anhänger der irakischen 'DA'WA-Partei' sowie des 'Obersten Rates für die Revolution im Irak' treffen, kam es immer wieder zu Interessenkollisionen, gelegentlich auch zu tätlichen Auseinandersetzungen. In jüngster Zeit hat das 'Imam-MahdiZentrum' jedoch aufgrund rückläufiger Besucherzahlen an Bedeutung verloren. Die Aktivitäten der 'Hizb Allah' haben sich teilweise auf andere Orte verlagert, an denen zum Teil auch eigene Moscheevereine unterhalten werden. Mehrmals im Jahr kommen 'Hizb Allah'-Funktionäre zu Besuchsreisen in die Bundesrepublik Deutschland und überbringen Botschaften und Anweisungen des Generalsekretärs der Organisation und informieren über die aktuelle politische Linie. Aktuelle Entwicklung In der Folge des . September 200 reduzierte die 'Hizb Allah' ihre öffentlichen Aktivitäten deutlich. 'Hizb Allah'-Funktionäre forderten ihre Anhänger immer wieder dazu auf, öffentlich keine Freude über die Anschläge in den USA zu zeigen und die in Deutschland geltenden Gesetze und Regeln zu beachten. Die Anhänger sind in letzter Zeit öffentlich kaum mehr in Erscheinung getreten. Hierzu hat sicherlich auch die Diskussion über ein mögliches Verbot von 'Hizb Allah'-Vereinen und - Einrichtungen beigetragen. Im Jahr 2006 gingen die Besucherzahlen als Folge des spürbaren Desinteresses und der Inaktivität der Mitglieder in den der 'Hizb Allah' zuzurechnenden Vereinen und Einrichtungen weiter zurück. Darunter haben das Spendenaufkommen und die Summe der Mitgliedsbeiträge gelitten, was die künftigen Aktionsmöglichkeiten der Vereine und Einrichtungen reduzieren dürfte. Zu den Feierlichkeiten zum Ashoura-Fest und dem Ramadan reisten - wie in den Vorjahren auch - Geistliche aus dem Libanon und dem Irak zur Betreuung der 'Hizb Allah'Gemeinden ein. Die Ashoura-Feierlichkeiten fanden im Februar 2006 statt und gehören zu den höchsten schiitischen Feiertagen. Die Veranstaltungen waren - wie in den Vorjahren - teilweise gut besucht. Die Predigten befassten sich überwiegend mit religiösen Themen; mit politischen Äußerungen hielten sich die Prediger zurück. Der Beschuss Nordisraels mit Raketen und die Entführung zweier israelischer Soldaten am 2. Juli 2006 durch 'Hizb Allah'-Milizen führte zu einer massiven militäislAmismus 97 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 rischen Eskalation, dem sogenannten Julikrieg zwischen der 'Hizb Allah' und Israel. Bis zum Waffenstillstand am . August bombardierte die israelische Luftwaffe mehrere Wochen lang libanesisches Staatsgebiet und blockierte die Küste des Landes. Zudem marschierten israelische Bodentruppen in den Süden des Libanons ein und lieferten sich heftige Kämpfe mit 'Hizb Allah'-Milizen. Gleichzeitig beschossen 'Hizb Allah'-Kämpfer mit Raketen das nördliche Staatsgebiet Israels. Der Krieg kostete auf beiden Seiten mehr als .00 Menschen das Leben und führte sowohl im Südlibanon als auch in Teilen Nordisraels zu einer zeitweiligen Flucht von einer Million libanesischen und 00.000 israelischen Zivilisten. Darüber hinaus wurden weite Teile der Infrastruktur des Libanons beschädigt oder zerstört. Der Wiederaufbau dürfte Jahre dauern und bietet bereits jetzt der 'Hizb Allah' die Gelegenheit, mit vermutlich aus dem Iran stammenden Geldern der Bevölkerung zu helfen, sie aber damit auch für die politischen Ziele der Organisation zu gewinnen. In seiner Resolution 70 hat der UN-Sicherheitsrat den Einsatz internationaler Truppen zur Stabilisierung des Südlibanons beschlossen. Die deutsche Bundeswehr hat im Rahmen der internationalen UNIFIL-Mission das Kommando der "Maritime Tasc Force" übernommen. Ihre Aufgabe ist es - zunächst befristet bis zum . Juli 2007 -, mit einem eigenen, bis zu 2.00 Mann starken Marineverband und in Zusammenarbeit mit den libanesischen Streitkräften den Waffenschmuggel über den Seeweg in den Libanon zu unterbinden. In einer auf dem 'Hizb Allah'-Sender 'al-Manar' ausgestrahlten Fernsehansprache erklärte der stellvertretende 'Hizb Allah'-Generalsekretär, jeder Staat sei zur Friedenssicherung willkommen. Trotzdem bleibt abzuwarten, inwieweit das Engagement der Bundeswehr als Parteinahme für Israel verstanden werden könnte. Die hier lebenden Anhänger der 'Hizb Allah' haben auf die Ereignisse im Libanon mit Mahnwachen, Protestkundgebungen und Demonstrationen reagiert. Die Veranstaltungen verliefen insgesamt friedlich; nennenswerte Zwischenfälle gab es nicht. 'Hizb Allah'-Anhänger beteiligten sich an der alljährlichen Demonstration zum Jerusalem-Tag (Ghods-Tag) in Berlin, der jeweils am letzten Freitag des Fastenmonats Ramadan begangen wird. Dieser war 979 von Ayatollah Khomeini ausgerufen worden und soll an die "Besetzung" Jerusalems durch Israel erinnern. Am 2. Oktober 2006 demonstrierten circa 00 Teilnehmern (200: 0, 200: 800) unter dem Motto "Gerechter Frieden für Palästina - Sichere Zukunft für die Juden" ohne Störungen. Seitens der Organisatoren waren rund 1.500 Teilnehmer erwartet worden. Die Auflagen der Polizei für die ohnehin nur als Schweigemarsch vorgesehene Demonstration dürfte eine der Ursachen für die geringe Teilnehmerzahl gewesen sein. 98 islAmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 67 Hizb ut-Tahrir (Islamische Befreiungspartei - HuT) Mitglieder Bund NRW 2006 00 70 200 00 70 Hintergrund Mit einer äußerst radikalen Agitation gegen den Staat Israel richten sich die Bestrebungen der Anhänger der 'Hizb ut-Tahrir' (HuT) gegen den Gedanken der Völkerverständigung und das friedliche Zusammenleben der Völker (SS Abs. Nr. VSG NRW). Die HuT wurde 92 von dem Rechtsgelehrten Scheikh Taqi al-Din al-Nabhani, einem ehemaligen Mitglied der ägyptischen und palästinensischen 'Muslimbruderschaft' gegründet. Es handelt sich um eine pan-islamistische Bewegung, die sich an alle Muslime richtet. Vorrangiges Ziel der Organisation ist die Wiedereinführung des Kalifats (Kalifat bezeichnet die Stellvertretung des Propheten Muhammad, in der der Kalif an dessen Stelle die Gemeinschaft der Muslime leitet) in einem islamischen Staat. Auf der aktuellen Website befindet sich unter dem Logo der Organisation folgende Selbstdarstellung: "Hizb ut-Tahrir ist eine politische Partei, deren Ideologie der Islam und deren Ziel die Wiederaufnahme der islamischen Lebensweise ist. Dies soll durch die Errichtung des islamischen Staates geschehen, der die Ordnungen und Systeme des Islam umsetzt und die islamische Botschaft in die gesamte Welt hineinträgt. Diese Partei hat eine bestimmte Geistesbildung (Parteikultur) aufgestellt, welche mitunter islamische Rechtssprüche für verschiedene Belange des Lebens beinhaltet. Hizb ut-Tahrir lädt zum Islam als eine intellektuelle (ideologische) Führung ein, aus der Systeme hervorgehen, die sämtliche Probleme des Menschen lösen, seien sie politischer, wirtschaftlicher, bildungsrelevanter, gesellschaftlicher oder anderer Natur." Die HuT kennzeichnet ein besonders stark ausgeprägter Antisemitismus. Juden gelten - wie Christen - als Ungläubige, deren Lebensform abzulehnen ist und mit denen möglichst kein Kontakt gehalten werden sollte, da sie ein Bündnis eingegangen seien, um den Islam zu zerstören. islAmismus 99 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Struktur Die Partei, die einen streng hierarchischen Aufbau hat, ist heute weltweit aktiv und international vernetzt. Ihre Anhängerschaft verhält sich streng konspirativ, abseits der öffentlichen Wahrnehmung. Neue Mitglieder werden bevorzugt innerhalb der gesellschaftlichen Elite geworben, was sich aus der Kaderstruktur herleitet sowie der Auffassung, dass die Partei eine Vorreiterrolle für den Aufbau des islamischen Staates spielt. Von den Mitgliedern wird strikter Gehorsam erwartet. Positionen und Meinungen, die von der Parteiführung vertreten werden, sind für alle Mitglieder verbindlich. In Deutschland ist die HuT in verschiedene Regionen aufgeteilt. In diesen Regionen existieren streng voneinander abgeschottete Kleinstgruppen (Zellen), die sich durch ein äußerst konspiratives Verhalten auszeichnen. Aktivitäten der HuT in Deutschland und NRW Am . Januar 200 hat der Bundesminister des Innern ein Betätigungsverbot gegenüber der Organisation erlassen. Das Betätigungsverbot wurde durch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) mit Urteil vom 2. Januar 2006 in letzter Instanz bestätigt. In einer hierzu vom Bundesverwaltungsgericht herausgegebenen Pressemitteilung hieß es: "Das Verbot ist rechtmäßig, weil sich der Kläger gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtete, so dass er nach Art. 9 Abs. 2 Grundgesetz (GG) verboten ist. Die Gründe, aus denen nach Art. 9 Abs. 2 GG Vereinigungen verboten sind, finden auch auf verfassungsrechtlich grundsätzlich geschützte Religionsgesellschaften und Weltanschauungsgemeinschaften Anwendung, so dass dahingestellt bleiben kann, ob es sich bei dem Kläger um eine Religionsgesellschaft oder eine Weltanschauungsgemeinschaft handelt. Der Kläger hat dadurch gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoßen, dass in einer Vielzahl ihm zuzurechnender öffentlicher Äußerungen vor dem Hintergrund des israelisch-palästinensischen Konfliktes zur gewaltsamen Beseitigung des Staates Israel und zur Tötung von Menschen aufgefordert und auf diese Weise der friedlichen Lösung der israelisch-palästinensischen Interessensgegensätze entgegengewirkt wurde." Trotz des Verbotes ist davon auszugehen, dass die Organisation ihr Wirken in bekannt konspirativer Weise fortsetzen wird. Nach wie vor wohnt der mutmaßliche Europaverantwortliche der Organisation in NRW, was darauf schließen lässt, dass Deutschland innerhalb der Organisation strategische Bedeutung zukommt. 200 islAmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Öffentlich wahrzunehmen ist die Organisation durch Verbreitung von Propaganda im Internet. Hierzu bedient man sich in erster Linie im europäischen Ausland befindlicher Server. Öffentliche Auftritte von Führungsfunktionären der HuT beispielsweise an Universitäten waren in der jüngeren Vergangenheit nicht mehr festzustellen. 68 Muslimbruderschaft (MB); Islamische Gemeinschaft in Deutschland eV (IGD); Islamisches Zentrum Aachen (Bilal-Moschee) eV (IZA) Mitglieder Bund NRW 2006 00 20 200 00 20 Hintergrund Das erklärte Ziel der 'Muslimbruderschaft' (MB) ist die Ablösung der als unislamisch geltenden Regime in den muslimischen Staaten, notfalls unter Anwendung von Gewalt. Damit gefährden ihre Anhänger durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland (SS Abs. Nr. VSG NRW). Die 928 von Hassan al-Banna in Ägypten gegründete 'Muslimbruderschaft' ist die einflussreichste und älteste islamistische Bewegung des modernen politischen Islam. Als pan-islamisch ausgerichtete Organisation ist sie nicht nur in allen arabischen Staaten verbreitet, sondern nach eigenen Angaben in 70 Ländern weltweit vertreten. Nach ihrer Ideologie sind die meisten Regime in der muslimischen Welt unislamisch. Ziel der MB ist die Umgestaltung in Staaten islamistischer Prägung auf der Grundlage der Scharia, der islamischen Rechtsund Lebensordnung. Ihr geistiges Oberhaupt, Mohammed Mahdi Akef, erklärte im August 2006 zur aktuellen Lage im Libanon via Internet, dass der kämpferische Islam, der bereits in der Vergangenheit nationale Widerstandsbewegungen unterstützt habe, wieder zurückkehre. Dieser Islam sei fähig, die Gemeinschaft aller Muslime zu mobilisieren und ihre Befreiung zu erreichen. Seine Ausführungen enden mit einem unmissverständlichen Aufruf zum militanten Jihad: "Der Sieg wird nicht nur durch Armeen erreicht werden, sondern durch die Widerstandskämpfer, die an Gott glauben und als Märtyrer sterben wollen. Aus diesem Grund rufen wir auf, die Jugendlichen in allen arabischen und islamischen Ländern auszubilden, die an dem Jihad teilnehmen wollen, damit sie Vorhut oder Reservisten der Armeen für die Befreiungsschlacht bilden." islAmismus 20 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 In einem Interview gegenüber dem Fernsehsender der libanesischen 'Hizb Allah' äußerte er gleichzeitig sein Bedauern, dass man zur Zeit nur materielle Hilfe und ideelle Unterstützung leisten könne, aber der Tag kommen werde, an dem man wie ein Mann mit den Libanesen zusammenstehen und gegen den zionistischen Feind kämpfen werde. Strukturen in der Bundesrepublik Deutschland Zu den Strukturen in der Bundesrepublik Deutschland gehört die 'Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V.' (IGD), die aus der 960 in München von dem ägyptischen Muslimbruder Dr. Said Ramadan gegründeten 'Moscheebau-Kommission e.V.', hervorgegangen ist. Das ursprüngliche Vereinsziel, die Errichtung einer Moschee, wurde mit dem Bau des 'Islamischen Zentrum München' (IZM) 97 realisiert. Die IGD unterhält eine eigene deutschsprachige Homepage. Sie gehört zu den Gründungsmitgliedern der 'Föderation islamischer Organisationen in Europa' (FIOE), die als Sammelbecken für Organisationen der 'Muslimbruderschaft' in Europa gilt. Die IGD unterhält in der Bundesrepublik Deutschland zahlreiche islamische Zentren; in Nordrhein-Westfalen werden ihr die islamischen Zentren Köln und Münster zugerechnet. Nach Angaben auf ihrer Homepage kooperiert die IGD daneben mit den islamischen Zentren Wuppertal, Bonn, Gelsenkirchen, Siegen, Solingen, Düsseldorf, Iserlohn und Bielefeld. 98 gründete der ehemalige Führer der syrischen 'Muslimbruderschaft', Prof. Issam el Attar, als Abspaltung von der IGD das 'Islamische Zentrum Aachen (Bilal-Moschee) e.V.'. Seine Anhängerschaft nennt sich seither 'Islamische Avantgarden'. Dem IZA sind als Unterorganisationen die 'Union Muslimischer Studentenorganisationen in Europa e.V.' (UMSO) und die 'Union für die in europäischen Ländern arbeitenden Muslime e.V.' (UELAM) zuzurechnen. Finanzen Die Organisationen finanzieren sich aus Spenden, Mitgliedsbeiträgen sowie dem Verkauf von Publikationen. Die Spendenbereitschaft der Anhänger ist weiterhin rückläufig, so dass anlässlich von Veranstaltungen ständig an die Mitglieder zu höherer Spendenbereitschaft appelliert wird. 202 islAmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Aktivitäten der MB in Deutschland Öffentliche Aktivitäten der 'Muslimbruderschaft' sind in der Bundesrepublik Deutschland nur gelegentlich anlässlich von Jahresveranstaltungen wahrnehmbar. Die dort festzustellenden Äußerungen sind gemäßigt. Vertreter der Organisation weisen immer wieder darauf hin, dass man sich vom islamistischen Terrorismus zu distanzieren und die Gesetze des Gastlandes zu beachten habe. Gewalttätige Aktionen von Anhängern der 'Muslimbruderschaft' waren in Nordrhein-Westfalen bislang nicht zu verzeichnen. Vom 8. - 20. August fand der 29. Jahreskongress des IZA und seiner Nebenorganisation UELAM unter dem Motto "Der Islam in Europa" in den Räumlichkeiten des IZA sowie in einem Hörsaal der Technischen Hochschule in Aachen statt. Die Vortragsveranstaltungen wurden von etwa 00 Zuhörern vorwiegend arabischer Herkunft besucht. Die Vorträge bezogen sich schwerpunktmäßig auf die Themen Integration und die Situation der Muslime im Westen. So wurde ausgeführt, der Islam könne insbesondere in den Bereichen Familie, Erziehung, Wirtschaft, Gesundheit und dem friedlichen Zusammenleben der verschiedenen Kulturen einen Beitrag in Europa leisten. Ziel der Muslime im Westen müsse es sein, als Bereicherung und nicht als Bedrohung wahrgenommen zu werden. Hierzu sei gegenseitige Toleranz und das Beachten der staatlichen Gesetze notwendig. Jahreskonferenz der 'Islamischen Gemeinschaft in Deutschland eV' Am 2. November 2006 fand das 28. Jahrestreffen der IGD im Congress Centrum Hamburg statt. Die Veranstaltung, zu der die Organisatoren .000 bis .000 Teilnehmer erwartet hatten, wurde von maximal 2.000 Personen, darunter etwa zur Hälfte Frauen und Kinder, besucht. Neben Rednern aus den Reihen der IGD traten auch Gastredner anderer Organisationen (z. B. der IGMG) auf. Verschiedene andere muslimische Organisationen präsentierten sich mit Informationsund Verkaufsständen. In den Reden wurden verfassungsfeindliche Positionen vermieden. Kritisch setzte man sich mit der Stellung der Muslime innerhalb der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland auseinander. Bemängelt wurde, dass Muslime weiterhin ausgegrenzt seien und nach wie vor unter einem Generalverdacht stünden, obwohl sie ihrerseits alle Anstrengungen zur Integration unternehmen würden. Die Ablehnung der Muslime und ihres islamischen Glaubens werde u.a. daran deutlich, dass ihnen die im Grundgesetz verbürgte Religionsfreiheit nicht zugestanden würde; beispielhaft hierfür stünde das sogenannte "Kopftuchverbot". Weitere Redebeiträge befassten sich islAmismus 20 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 mit dem "Karikaturenstreit" sowie den "Kriegen gegen die Muslime" in Afghanistan und im Irak. Die einzelnen Beiträge wurden durch Gebete und musikalische Darbietungen untermalt. Wie bereits in den vergangenen Jahren trat der bekannte ägyptische Fernsehprediger Amr Khaled mit einem Beitrag in arabischer Sprache zum Thema Konfessionen auf. 69 Front Islamique du Salut (Islamische Heilsfront - FIS) Mitglieder Bund NRW 2006 20 80 200 20 80 Hintergrund Die 'Front Islamique du Salut' (FIS) wurde 988 als nationaler algerischer Zweig der 'Muslimbruderschaft' gegründet und im Frühjahr 989 als erste islamische politische Partei in Algerien zugelassen. Der Ideologie der FIS zufolge sollen Staat und Gesellschaft strikt an der Scharia ausgerichtet sein. Als sich bei den algerischen Wahlen 99 ein Sieg der FIS abzeichnete, wurden die Wahlen vom algerischen Regime annulliert und das Militär ergriff die Macht. Anfang 992 wurde die FIS verboten und ihre Gründer und Führer Abbassi Madani und Ali Belhadj inhaftiert. Zur Verfolgung ihrer Ziele bediente sich die FIS im Widerstand gegen die algerische Regierung bis 997 ihres bewaffneten Arms, der 'Armee Islamique du Salut' (AIS). Sollten die seit geraumer Zeit im Rahmen der 'Charta für Frieden und nationale Aussöhnung' angestrebten Bemühungen zur Versöhnung fehlschlagen, so ist zu befürchten, dass hier lebende FIS-Anhänger die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland dann durch Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen zur Änderung der Verhältnisse in ihrem Heimatland, gefährden (SS Abs. Nr. VSG NRW), weshalb Anhaltspunkte für den Verdacht einer extremistischen Bestrebung vorliegen. Struktur Seit 992 leben sowohl die Söhne des FIS-Gründers Madani als auch der Leiter der ehemaligen 'Exekutivinstanz der FIS im Ausland' (IEFE) in Nordrhein-Westfalen. Von diesem Personenkreis wird der Kurs der Aussöhnung mit dem algerischen Regime unterstützt, wobei dieses Verhalten nicht auf ungeteilte Zustimmung aller FISAnhänger stößt. Aus den Reihen sogenannter Hardliner gründete sich 997 der 'Koordinationsrat der FIS' (C.C.FIS), dessen Gefolgsleute unter ihrem in der Schweiz lebenden kommissarischen Leiter die Rückkehr zur kompromisslosen Durchsetzung der politischen Ziele der FIS fordern. 20 islAmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Die beiden widerstreitenden Auslandsvertretungen IEFE und C.C.FIS haben sich 2002 aufgelöst. Eine politisch verantwortliche Auslandsvertretung der FIS ist derzeit nicht erkennbar. Wie dieses Machtvakuum zukünftig ausgefüllt werden wird, kann nicht vorhergesagt werden; von Bedeutung dürfte hierfür jedoch sein, wie sich die Verhältnisse im Heimatland Algerien entwickeln werden. Unter den hier lebenden FIS-Anhängern ist eine weitgehende politische Inaktivität festzustellen. Entscheidend für den weiteren Fortgang wird die Entwicklung in Algerien sein. Ein Scheitern der Aussöhnungspolitik könnte die Situation abrupt verändern. Aktuelle Entwicklung Am 29. September 200 entschieden sich bei der Volksabstimmung über das Projekt einer "Charta für Frieden und nationale Aussöhnung" 97 % der Beteiligten für den Plan der Regierung von Präsident Bouteflika und damit auch für eine Amnestie für viele islamistische Extremisten. Während sich der in NRW ansässige Leiter der ehemaligen IEFE für die Durchführung des Referendums aussprach, lehnte der in der Schweiz ansässige Leiter der ehemaligen C.C.FIS die Initiative des algerischen Präsidenten kategorisch ab. Kritik wurde auch unter in Deutschland lebenden FIS-Anhängern, die zunächst das Referendum begrüßt hatten, dahingehend laut, dass Zusagen des Staatspräsidenten Bouteflika nicht eingehalten worden seien. So seien etwa algerische Offiziere, die an Aktionen gegen Oppositionelle beteiligt waren, entgegen früherer Ankündigungen nicht aus dem militärischen Dienst entfernt, sondern nunmehr mit diplomatischen Aufgaben im Ausland betraut worden. Offenbar infolge der Aussöhnungspolitik kehrte der Leiter der ehemaligen 'Exekutivinstanz der FIS im Ausland' im September kurzzeitig nach Algerien zurück, um - wie er in einem Zeitungsinterview äußerte -, "sich dort einen Überblick zu verschaffen". Inzwischen wohnt er wieder in Nordrhein-Westfalen. 610 Groupe Islamique Armee (Bewaffnete Islamische Gruppe - GIA) Mitglieder Einzelmitglieder und Aktivisten in Deutschland Hintergrund Die 'Groupe Islamique Armee' (GIA) entstand 99 als militante Abspaltung der FIS. Sie agiert seitdem autonom und wird von strenggläubigen Salafisten - einer islaislAmismus 20 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 mistischen Strömung, die streng am vermeintlichen Urislam orientiert ist - dominiert. Ihr Ziel ist die Errichtung eines weltweiten "Gottesstaates" auch mit terroristischen Mitteln, wobei oberstes Ziel die Beseitigung des unislamischen algerischen Regimes ist. Hierbei gehen örtliche Führer der GIA (sogenannte Warlords) ohne erkennbares politisches Konzept wahllos gegen alles nach ihrer Auffassung Ungläubige und Abtrünnige vor, wobei sie auch nicht vor Massakern an der Zivilbevölkerung zurückschrecken. Inwieweit der eingeschlagene Friedensprozess hier zu einer Veränderung führt, muss abgewartet werden. Aktuelle Aktivitäten Von den in NRW bekannten wenigen GIA-Anhängern gehen bislang keine gewalttätigen Aktivitäten aus. Einzelne Anhänger der Gruppierung haben sich allerdings inzwischen dem terroristischen Netzwerk um Usama bin Ladin angeschlossen. 6.11 Groupe Salafist pour la Predication et le Combat (Gruppe für Predigt und Kampf - GSPC) Mitglieder Einzelmitglieder in Deutschland Hintergrund Die 'Groupe Salafist pour la Predication et le Combat' (GSPC) wurde durch einen ehemaligen Gebietsemir, Hassan Hattab, 998 gegründet. Sie ist bis heute die schlagkräftigste algerische Terrorgruppe und besteht aus unzähligen Kleinund Kleinstgruppen. Sie lehnt eine Aussöhnung mit der algerischen Regierung strikt ab und hat sich inzwischen offiziell dem terroristischen Netzwerk um Usama bin Ladin angeschlossen. Anlässlich des . Jahrestages der Anschläge vom . September 200 in den USA verkündete der stellvertretende Anführer von 'al-Qaida', Ayman al-Zawahiri, dass die Fusion von GSPC und 'al-Qaida' nunmehr offiziell vollzogen sei. Der Führer der GSPC, Abu Mussab Abd al-Wadud, reagierte auf die Veröffentlichung mit einer Ergebenheitsadresse, in der er Usama bin Ladin Gefolgschaft bis zum Märtyrertod versprach. Inzwischen hat sich die GSPC in 'al-Qaida-Organisation im Islamischen Maghreb' umbenannt. Bei der Bekanntgabe der Umbenennung wies die GSPC ausdrücklich darauf hin, dass Usama bin Ladin hierzu seine Zustimmung erteilt habe. Dieser Zusammenschluss ist ein Teil der neuen Entwicklung des weltweiten islamistischen Terrorismus, der nationale bewaffnete Gruppierungen in die internationale Kooperation einbindet. Als gemeinsamer symbolischer Bezugsrahmen dürfte hierbei 206 islAmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 vor allem der Irakkonflikt dienen. Es ist zu befürchten, dass diese neue Entwicklung vor allem auch Konsequenzen für Algerien haben dürfte und nicht zuletzt dadurch der Kurs der Versöhnungspolitik ins Stocken geraten könnte. Aktuelle Aktivitäten In Algerien verübt die GSPC immer wieder Anschläge, die sich auch gegen westliche Ausländer richten. Bei einem Sprengstoffanschlag auf zwei Kleinbusse eines USamerikanischen Wirtschaftsunternehmens wurden am 0. Dezember 2006 eine Person getötet und neun weitere Personen verwundet. In einer vermutlich authentischen Internetmitteilung übernahm die GSPC die Verantwortung für die Tat und erläuterte zur Motivation, dass die Operation gezielt gegen US-Ziele und christliche "Kreuzzügler" gerichtet gewesen sei. Die Organisation habe damit ihre Solidarität mit den muslimischen Brüdern zum Ausdruck bringen wollen. Ein später veröffentlichtes Video dokumentiert Vorbereitung und Ablauf des Anschlags. Strukturen der GSPC sind in Nordrhein-Westfalen nicht feststellbar. Hier lebende Einzelmitglieder sind in europaweit agierende Netzwerke zur finanziellen und logistischen Unterstützung der in Algerien und im Ausland operierenden Gesinnungsgenossen eingebunden. 612 Islamische Gemeinschaft Milli Görüs eV (IGMG) Sitz Kerpen Generalvorsitzender) Yavuz Celik Karahan (Osman Döring) Mitglieder Bund NRW 2006 26.00 7.200 200 26.00 7.200 Publikationen 'IGMG Perpektive', ehemals: 'Milli Görüs & Perspektive' (IGMG); 'Milli Gazete' (Deutschlandausgabe IGMG-nah) Fernsehsender TV (SP-nahestehend) Die 'Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V.' (IGMG) ist die größte in Deutschland aktive islamistische Organisation. Wie schon aus ihrem Namen hervorgeht, ist sie Teil der Bewegung 'Milli Görüs', die Ende der 960er Jahre von dem türkischen Politiker Prof. Dr. Necmettin Erbakan ins Leben gerufen wurde. Bis heute ist dieser ihr unbestrittener Führer. Zur 'Milli-Görüs'-Bewegung zählt nicht nur die türkische 'Saadet Partisi' ('Glückseligkeitspartei' - SP) und ihre Vorgängerparteien, die direkt oder mittelbar von Necmettin Erbakan geführt wurden, sondern auch die Zeitung islAmismus 207 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 'Milli Gazete', der Fernsehsender 'TV ', die Jugendorganisation 'Anadolu Genclik Dernegi' sowie das 'Zentrum für Wirtschaftsund Sozialforschung' ('Ekonomik ve Soysal Arastirma Merkezi' - ESAM). In Europa, vor allem in Deutschland, wird 'Milli Görüs' durch die IGMG und ihre Nebenorganisationen vertreten. Die Ziele der 'Milli-Görüs'-Bewegung wurden von Erbakan in einer Art Manifest mit dem Titel "adil düzen" ("Gerechte Ordnung") niedergelegt. Darin wird dargelegt, dass in jeder Epoche der Geschichte gegensätzliche Zivilisationen miteinander im Kampf lägen. Eine der genannten Zivilisationen ist die westliche. Sie wird als "nichtige Ordnung" ("batil düzen") bezeichnet, die auf Gewalt beruhe und Unrecht, Ausbeutung und viele andere negative Auswirkungen für die Menschen zur Folge habe. Ziel der Bewegung ist es, diese "nichtige Ordnung" zu überwinden und durch die in "adil düzen" skizzierte "gerechte Ordnung" zu ersetzen, die auf dem Islam basieren soll. Dieses Ziel ist zunächst auf die Türkei, schließlich auf die gesamte Menschheit gerichtet. Damit zielt diese Bewegung unter anderem auch gegen die deutsche Verfassungsordnung, die als Teil der "nichtigen" Zivilisation einzustufen ist. Darüber hinaus enthält das Manifest antisemitische Stereotype, die Necmettin Erbakan und andere Personen aus der 'Milli-Görüs'-Bewegung immer wieder auch in anderen Zusammenhängen ausgebreitet haben. Die Akzeptanz der islamistischen "Gerechten Ordnung" innerhalb der IGMG scheint in den letzten Jahren zwar nachgelassen zu haben, und Funktionäre distanzierten sich nach außen von antisemitischen Aussagen. Diese Tendenzen haben sich bisher jedoch nicht dahingehend ausgewirkt, dass der Einfluss der an Erbakan und seiner islamistischen Ideologie festhaltenden europäischen 'Milli Görüs' spürbar zurückgedrängt worden wäre. Die IGMG zählt deshalb nach wie vor zur verfassungsfeindlichen 'Milli-Görüs'-Bewegung, weshalb ihre Beobachtung durch den Verfassungsschutz gemäß SS Absatz Nr. VSG NRW geboten ist. Hintergrund und Entwicklung Die 'Milli-Görüs'-Bewegung ist in Deutschland seit 976 vereinsmäßig organisiert. Die IGMG entstand jedoch erst 99 durch eine Neugliederung von 'Milli-Görüs'Vereinen in Deutschland. Aus der seit 98 bestehenden Organisation 'Avrupa Milli Görüs Teskilatlari' (AMGT) ging die 'Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft' (EMUG) hervor. Ein Bonner 'Milli Görüs'-Verein wurde in IGMG umbenannt. In den neuen Vorständen von EMUG und IGMG waren dieselben Personen vertreten, die zuvor den Vorstand der AMGT bildeten. Auch wenn nur die EMUG formaljuristische Nachfolgerin der AMGT ist, zeigen die personellen Verflechtungen, die Beibehaltung der Bezeichnung 'Milli Görüs' sowie die tatsächliche Fortführung der religiösen, kulturellen, sozialen und politischen Aktivitäten durch die IGMG deutlich, dass 99 innerhalb der Bewegung lediglich eine organisatorische Trennung in einen wirtschaftlichen (EMUG) und einen ideellen (IGMG) Bereich 208 islAmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 stattgefunden hat. Die IGMG ist deshalb heute als das Sammelbecken der in Europa lebenden Anhänger der 'Milli-Görüs'-Bewegung anzusehen. Als europäischer Zweig der 'Milli Görüs' fällt ihr die Aufgabe zu, die anderen Teile der Bewegung (die türkische 'Saadet Partisi', 'Milli Gazete' etc.) zu unterstützen. Spaltung der 'Milli Görüs' in der Türkei Im Juni 200 brach die zuvor in einen "traditionalistischen" Flügel um Necmettin Erbakan und einen "reformorientierten" Flügel gespaltene 'Milli Görüs' in der Türkei auseinander. Der "reformorientierte" Flügel organisierte sich in der am . August 200 gegründeten 'Adalet ve Kalkinma Partisi' ('Gerechtigkeitsund Entwicklungspartei' - AKP), die aus den Parlamentswahlen vom . November 2002 als Siegerin hervorging und seitdem die türkische Regierung stellt. Von der Ideologie der 'Milli Görüs' hat sich zumindest die Führung der AKP klar distanziert. Necmettin Erbakan und seine Anhängerschaft gründeten nach der Spaltung als neue politische Plattform im Juli 200 die 'Saadet Partisi' (SP). Diese Partei ist bei den Parlamentswahlen vom November 2002 und auch bei späteren Kommunalwahlen mit nur etwas über 2% beziehungsweise % der Stimmen bedeutungslos geblieben. Obwohl innerhalb der IGMG zum Teil deutliche Sympathien für die AKP gezeigt werden und hier und da Kontakte bestehen, kann die IGMG politisch eindeutig im Lager von Erbakan und der SP verortet werden. Struktur Die Europazentrale der IGMG befindet sich in Kerpen. In Deutschland ist die IGMG organisatorisch in Regionalverbände untergliedert. Die Regionalverbände sind Zusammenschlüsse der Ortsvereine. In Nordrhein-Westfalen gibt es mit Ruhr-Nord, Ruhr A, Düsseldorf und Köln vier Regionalverbände. Der IGMG gehören in Nordrhein-Westfalen rund 00 Ortsvereine an, die ihren Mitgliedern zusätzlich zur religiösen Betreuung auch ein breitgefächertes Angebot auf kulturellem, sozialem und pädagogischem Gebiet unterbreiten. Außer Vortragsveranstaltungen werden Gesprächskreise, Kurse für Frauen, Koranlesewettbewerbe und geschlechtergetrennte Ferienlager für Kinder oder Computerkurse angeboten. Neben einer Frauen-, Jugendund Studentenabteilung unterhält die IGMG eigene Sportvereine. Ferner organisiert die IGMG Pilgerfahrten nach Mekka. Außerdem hat sie nach einem Streit und gerichtlicher Auseinandersetzung mit dem Leiter des 'Muslimischen Sozialbundes e.V.' (MSB), zu dem auch die 'Bestattungskostenvereinigung' (BKUV) islAmismus 209 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 gehört, mit dem "Cenaze Fonu" einen eigenen Bestattungsfond eingerichtet. Des Weiteren unterstützt die IGMG ihre Mitglieder in juristischen Fragen. Sie unterhält eine eigene Rechtsabteilung. In letzter Zeit gewinnt die Unterstützung der Mitglieder bei Einbürgerungsverfahren zunehmend an Bedeutung. Einflussnahme auf andere Institutionen Die IGMG verfolgt ihre Ziele nicht nur mit Mitteln ihrer eigenen Organisation. Sie bedient sich zusätzlich einiger Nebenorganisationen und nimmt Einfluss auf andere Institutionen. Im Mai 990 wurde die IGMG (seinerzeit noch unter der Bezeichnung AMGT) Mitglied des 'Islamrates', den sie seitdem eindeutig dominiert. Seit Anfang 2002 steht der ehemalige Generalsekretär der IGMG an dessen Spitze. Der 'Islamrat', dem auch kleinere nicht-extremistische Organisationen angehören, bezeichnet sich als der größte Spitzenverband der Muslime in Deutschland. Die Aktivitäten des 'Islamrates' lassen direkte Bezüge zu den Bestrebungen der IGMG erkennen. Durch betont moderates Auftreten in der Öffentlichkeit bemüht sich die IGMG weiterhin, zahlreiche Kontakte zu politischen, gesellschaftlichen und kirchlichen Institutionen zu knüpfen und sich auch in Gremien zu etablieren, in denen demokratische, den Pluralismus bejahende Gruppierungen mitarbeiten. Immer wieder versucht die Organisation, sich als islamischer Ansprechpartner für Institutionen und Behörden der deutschen Mehrheitsgesellschaft zu präsentieren. Medien In der monatlich erscheinenden Verbandszeitschrift 'IGMG Perspektive' (bis Januar 200 noch 'Milli Görüs & Perspektive') werden allgemeine, die Muslime betreffende Angelegenheiten und Probleme thematisiert. Häufig geht es um Themen wie Diskriminierung von Muslimen in Deutschland und andernorts oder um "Integration contra Assimilation". Der allgemeine Tenor lautet: die IGMG trete ein für den Islam und für Gerechtigkeit, aber gegen Diskriminierung und Unterdrückung. Hier besteht eine unterschwellige, nur zwischen den Zeilen zu lesende Anlehnung an die Auffassung von Gerechtigkeit und Unterdrückung, wie sie in "adil düzen" zum Ausdruck kommt. Darüber hinaus gibt die IGMG noch weitere Zeitschriften - darunter eine für Kinder - und Lehrbücher für Islamunterricht heraus. Die IGMG unterhält eine Homepage im Internet. Die auch in deutscher Sprache angebotene Internetseite wurde kurz nach den Anschlägen vom . September 200 in den USA massiv überarbeitet. Seit dem Frühjahr 2002 ist die Homepage umfassender und in neuem Design gestaltet. Sie bietet Presseerklärungen der Organisation und die Möglichkeit, Publikationen der IGMG herunter zu laden. Die Ziele der IGMG 20 islAmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 werden in der neuen Fassung auf die "umfassende Organisation des religiösen Gemeindelebens" und die "gesellschaftliche und rechtliche Gleichstellung mit anderen Religionsgemeinschaften" eingegrenzt. Ferner kann hier das Internetradio der IGMG empfangen werden. Mit dem türkischen Fernsehsender 'TV ' verfügt die 'Milli-Görüs'-Bewegung über einen eigenen Fernsehsender, der in Europa über Satellit empfangen werden kann. Zur Finanzierung des Senders wurden die IGMG-Mitglieder angehalten, zu spenden beziehungsweise Anteile zu erwerben. Die Bereitschaft der IGMG-Mitglieder scheint aber nach den negativen Erfahrungen mit einem früher unter dem Einfluss der 'Milli Görüs' stehenden Sender eher gering zu sein. Die 'Milli Gazete' als Medium der 'Milli-Görüs'-Bewegung Die türkische Tageszeitung 'Milli Gazete', die mit einer Europaausgabe in Deutschland erscheint, ist von der IGMG formal unabhängig. Sie kann jedoch als ein Sprachrohr der gesamten 'Milli-Görüs'-Bewegung bezeichnet werden. In der Europaausgabe der 'Milli Gazete' nimmt die Berichterstattung über die IGMG, die 'Saadet Partisi' wie überhaupt das Thema "Milli Görüs" breiten Raum ein. Regelmäßig und umfänglich wird darin auch über lokale, regionale und bundesweite Veranstaltungen (Mitgliederversammlungen, Eröffnungsfeiern von Moscheen, Jugendfeste, Sommerferienkurse u.v.a.) der IGMG berichtet. Des Weiteren finden sich dort auch Annoncen der IGMG, die zu Veranstaltungen der Organisation einladen und für einen Besuch werben. Auch die Glückwunschund Kondolenzanzeigen machen deutlich, dass die Milli Gazete eine gemeinsame Kommunikationsplattform für die IGMG und die türkische 'Milli Görüs' ist. Weder die Homepage der IGMG noch die Vereinszeitschrift 'IGMG Perspektive' oder andere IGMG-Publikationen bieten eine derartige Fülle von Informationen über die verschiedenen IGMG-Veranstaltungen. Die Europaausgabe der 'Milli Gazete' stellt damit unbestreitbar die Hauptinformationsquelle über das Vereinsleben dar. So entsteht der Eindruck, es handele sich bei ihr um die eigentliche Verbandspublikation. Ferner wird innerhalb der IGMG und auch auf ihren Veranstaltungen für das Abonnement der 'Milli Gazete' geworben. Aktuelle Vorstellungen in der 'Milli Görüs' Immer wieder erscheinen in der 'Milli Gazete' Beiträge von Kolumnisten, die erläutern, welche Ziele und Vorstellungen 'Milli Görüs' hat und wie diese erreicht werden sollen. Unter der Rubrik "Brief von der Milli Gazete" war beispielsweise Folgendes zu lesen: islAmismus 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 "Die 'Milli-Görüs'-Anhänger, über die Prof. Necmettin Erbakan seit 40 Jahren aufmerksamer wacht als über seine eigenen Kinder, haben sich um drei Grundprinzipien geschart. Das erste ist der Glaube des Volkes, seine muslimische Identität. Dieses Volk ist fest entschlossen, sich von seinem Glauben keinesfalls abbringen zu lassen, koste es, was es wolle. Das zweite ist der Aufbau der 'neuen Großtürkei' zur Erfüllung ihrer historischen Pflicht. Das dritte ist, dass alle zusammen eine 'neue Welt' gründen. [...] Entweder wir finden uns damit ab, dem weltlichen Nutzen den Vorrang einzuräumen, uns einfach auf die faule Haut zu legen und die Türkei auf dem Weg der Kollaboration aus der Hand zu geben und auf ewig ein Sklavendasein zu führen, oder aber wir begreifen es als unsere, uns von Gott auferlegte Pflicht, auf der Welt die Herrschaft Gottes zu errichten und für unsere Glückseligkeit im Diesseits wie im Jenseits Tag und Nacht bis zur Herrschaft von Milli Görüs im Bewusstsein des Jihad mit aller Kraft zu arbeiten. Zweifellos bestehen die Milli-Görüs-Mannschaften aus Menschen mit eben diesem Bewusstsein [...]. Wir wollen Ihnen die Notwendigkeit der Medien besonders im Hinblick auf die Wahlen in Erinnerung rufen. Sie müssen die Milli Gazete, die Ihnen Hand und Fuß, Sprache und Auge und Ohr ist, mit aller Kraft unterstützen." (Milli Gazete, . November 2006, S. ) Umfangreich berichtet wurde in der Milli Gazete auch über das vom 'Zentrum für Wirtschaftsund Sozialstudien' (ESAM) am 28./29. Oktober 2006 veranstaltete ". Internationale 'Milli-Görüs'-Symposium" in Istanbul. Daran nahmen Politiker und Denker aus islamischen Ländern, allen voran Prof. Dr. Necmettin Erbakan, Prof. Arif Ersoy, Recai Kutan und auch ein Mitglied des IGMG-Vorstandes in Deutschland teil. Auf der Homepage des ESAM war am . Oktober 2006 zu lesen, dass Necmettin Erbakan die Vertreter der islamischen Länder zum gemeinsamen Kampf gegen den Zionismus, die USA und deren Kollaborateure, die EU, aufgerufen habe. Ein Kolumnist der Europa-Ausgabe der 'Milli Gazete' schrieb am . Oktober 2006: "Heute möchte ich nochmals auf den 'Geist der Milli Görüs', den dieses Symposium wieder auf die Tagesordnung gebracht hat, zu sprechen kommen [...]. Zuerst muss folgendes gesagt werden: Die Milli-Görüs-Mentalität will keine Kompromisse mit der derzeitigen Weltordnung schließen, sie will auch nicht mit dieser zusammenarbeiten und auch nicht als Zahnrad im Getriebe der unheilvollen Ausbeutung herhalten." Zur Abschlusserklärung des Symposiums und zur 'Milli Görüs' als "Reformbewegung" war in der 'Milli Gazete' vom . November 2006 (S. 0) zu lesen: "Milli Görüs als ein Zivilisationsprojekt ist eine Weltsicht, die die Gerechtigkeit zur Grundlage nimmt und das Recht/Wahrheit (hak) in den Mittelpunkt stellt. [...] Der Kampf, der sich auf der Erde abspielt ist im Grunde ein Kampf zwischen Recht/Wahrheit (hak) und Nichtigem/Aberglaube (batil). Ohne den Verlauf dieses Kampfes zu 22 islAmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 kennen, ist es unmöglich, auf der Welt die finsteren Pläne und Projekte für die Zukunft richtig und konsequent zu erkennen und zu bewerten." Aus diesen aktuellen Berichten geht klar hervor, dass die Ziele und Vorstellungen der 'Milli Görüs' in der Türkei sich nicht von den in "adil düzen" dargelegten entfernt haben. Das ". Milli-Görüs-Symposium" wurde nicht nur auf der Homepage des ESAM und in der 'Milli Gazete' thematisiert, sondern auch auf der Homepage der SP und einer Homepage eines IGMG-Regionalverbands in Frankreich. IGMG und Milli Görüs Die verfassungsfeindliche Ideologie und antisemitische Haltung von 'Milli Görüs' in der Türkei ist durch Schriften, die 'Milli Gazete' und entsprechende Interneteinstellungen evident. Nach eigenen Angaben teilt die IGMG, also die europäische 'Milli Görüs', diese Ideologie und Haltung nicht. Im Widerspruch dazu stehen jedoch die Aktivitäten und Aussagen der IGMG bzw. ihrer Vertreter. Auf einer von der Jugendorganisation 'Anadolu Genclik Dernegi' veranstalteten Feierlichkeit anlässlich der Eroberung Istanbuls durch die Osmanen (29. Mai ) sagte der langjährige Funktionär der IGMG, Hasan Damar: "Um die Milli-Görüs-Regierung wieder an die Spitze zu bringen, müssen wir von Europa aus und ihr von der Türkei aus mit Herz und Seele arbeiten. Denn die Rettung der islamischen Welt, die heute vielleicht die dunkelsten Tage ihrer Geschichte durchlebt, ist lediglich mit der Türkei möglich. Wir, als in Europa lebende Auswanderer, folgen den Befehlen unseres Hodschas Erbakan. Wir haben niemals unser Hemd ausgezogen und werden es auch nie tun". (Milli Gazete, 29. Mai 2006, S. ) Deutlicher kann man den Beteuerungen anderer IGMG-Funktionäre gegenüber der deutschen Öffentlichkeit, dass die IGMG Necmettin Erbakan zwar respektiere, ihm aber nicht folgen würde, nicht widersprechen. Auch in diesem Jahr waren zur Jahresveranstaltung der IGMG, dem "Tag der Brüderlichkeit und Solidarität" am . Juni 2006 im belgischen Hasselt, die Spitzen der 'Saadet Partisi', Recai Kutan und Numan Kurtulmus, eingeladen, und sprachen zu den Mitgliedern. Der Führer der 'Milli-Görüs'-Bewegung, Prof. Dr. Necmettin Erbakan, wurde aus der Türkei live zugeschaltet. Erbakan verlieh seiner Verbundenheit mit der IGMG Ausdruck: "Ich begrüße euch alle mit Hochachtung, umarme Euch in Freundschaft und drücke Euch an meine Brust. [...] Ihr erlebt das Bewusstsein Eurer Identität. Ihr erhaltet Informationen über die Jahresaktivitäten der 'Avrupa Milli islAmismus 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Görüs Teskilatlari'." ('Milli Gazete' vom 9. Juni 2006, S. ) In den Redebeiträgen des SP-Vorsitzenden Recai Kutan und seines Stellvertreters, Prof. Numan Kurtulmus, wurde die wichtige Rolle der IGMG in Europa betont. Auf derselben Veranstaltung wurde, wie in einem TV-Beitrag von Frontal 2 vom 6. Juni 2006 gezeigt wurde, in einem Nebenraum der Veranstaltungshalle der aus iranischer Produktion stammende antisemitische Film "Zehra's Blaue Augen" ("Zehra'nin mavi gözleri") verkauft. Dem Magazin zufolge wurde die türkische Fassung des Films im vergangenen Sommer im türkischen und auch in Deutschland gesehenen Satellitensender 'TV ', der der SP nahe steht, ausgestrahlt. Der IGMG-Generalsekretär beteuerte in einem Interview im selben Fernsehbeitrag, angesprochen auf den antisemitischen Film, dass er in seinen eigenen Publikationen und über 00 Moscheen europaweit eine Linie vertrete, die weit weg sei von Rassismus und Antisemitismus jeder Art. Bereits in der jüngeren Vergangenheit waren bei einer Durchsuchung einer Münchener IGMG-Moschee am 0. September 200 auch antisemitische Schriften gefunden worden. In Berlin wurden auf einer Buchmesse auf dem Gelände der der 'Milli Görüs' zuzurechnenden Mevlana-Moschee antisemitische Bücher verkauft. Die 'Islamische Föderation Berlin' (IFB) distanzierte sich am 2. April 200 in einer Presseerklärung davon. In der Hamburger Zentralmoschee von 'Milli Görüs' wurde bis Februar 2006 die ebenfalls aus iranischer Produktion stammende vierteilige antijüdische Zeichentrickserie 'Die Kinder der al-Aksa-Moschee' ('Mescid-i Aksa Cocuklari') vertrieben. Trotz der seit Jahren wiederholten Distanzierungen hoher 'Milli-Görüs'-Funktionäre vom Antisemitismus war man bisher nicht in der Lage oder nicht willens, den Antisemitismus in den eigenen Reihen zu unterbinden. Es ist auch nach den jüngsten Vorfällen nicht bekannt geworden, dass die europäische 'Milli Görüs' die Sachverhalte aufgeklärt und die Verantwortlichen für den Verkauf der antisemitischen Produkte zur Verantwortung gezogen hätte. Stattdessen bleibt es bei wenig überzeugenden Distanzierungen vom Antisemitismus gegenüber der deutschen Öffentlichkeit, die nichts an der inneren Einstellung der Organisation ändern. Auf der vom 'Milli-Görüs'-nahen 'Zentrum für Wirtschaftsund Sozialforschung' (ESAM) im Mai 2006 ausgerichteten "Versammlung der Muslimischen Gemeinschaften" machte Erbakan seine Grundposition nochmals deutlich: "Wissenschaftliche Erkenntnisse und die Geschichte haben eindeutig bewiesen, dass die Glückseligkeit nur mit der Anwendung der erhabenen Prinzipien des Islam möglich ist, und dass es sonst keinen Weg und Lösung gibt. Aus diesem Grund ist der Islam der Weg des Rechts/der Gerechtigkeit (hak) und der Glückseligkeit (saadet) und der Islam ist nur eine einzige Gemeinschaft. Um auf das Nichtige/das Falsche 2 islAmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 (batil) zu sprechen zu kommen; auch dieses ist nur eine einzige Nation und wird von einem Zentrum kontrolliert. Dieses Zentrum ist der rassistische Imperialismus. Also der Zionismus. Die Glaubensgrundlage dieses rassistischen Imperialismus stützt sich auf die Kabbala4, die ein Zauberbuch ist, das vor 5765 Jahren in der Zeit der Pharaonen geschrieben wurde. Auch wenn dieser rassistische Imperialismus im Nachhinein sagt, dass er Moses (Friede sei mit ihm) folge, so haben sie doch die Thora der Kabbala angepasst und verfälscht. Deshalb beginnt ihr Kalender auch nicht mit der Thora. Er beginnt mit der Kabbala. Er hat die kapitalistische Ordnung gegründet, die Macht des Geldes in seine Hand gebracht und bemüht sich, die ganze Welt zu beherrschen. Auch mit der Organisation, die durch die auf der -Dollarnote abgebildete Pyramide beschrieben wird [gemeint sind wohl die "Freimaurer", Anm. des Übs.], hat er auf der einen Seite das Bedürfnis des Menschen erfüllt, auf der anderen Seite die Möglichkeit erlangt, die ganze Welt unter seine Kontrolle zu bringen." (Quelle: Milli Gazete Online, 2. Mai 2006) In wenigen Sätzen skizziert Erbakan hier die Grundgedanken, die er auch in "adil düzen" dargelegt hat. Die Feindbilder sind klar und eindeutig: Zionismus, gestützt auf die Kabbala - also ein "irregeleitetes" Judentum ; rassistischer Imperialismus, kapitalistische Ordnung, und das Nichtige/Falsche ("batil") gelten als Beherrscher und Unterdrücker. Dem wird der Islam mit seinem/r Recht/Gerechtigkeit (hak) und der Glückseligkeit gegenübergestellt. Dass damit der Islam auch im Jahre 2006 von Necmettin Erbakan und seinen Anhängern als politischer Gegenentwurf zur "westlichen" - angeblich "rassistisch-imperialistisch-ausbeuterisch-kapitalistisch-freimaurerisch-zionistischen" - "Unterdrückerordnung" (batil) angesehen wird, und dass es ihr Ziel ist, diese bestehende Ordnung zu überwinden und eine Regierung der 'Milli Görüs' zu etablieren, geht aus der Aussage von Erbakan mehr als deutlich hervor. Im Übrigen waren in der Europa-Ausgabe der 'Milli Gazete' vom 29. Mai 2006 die den Zionismus und das Judentum betreffenden Passagen der Rede Erbakans im Gegensatz zur Online-Ausgabe nicht abgedruckt, was zumindest auf ein Problembewusstsein bei den verantwortlichen Redakteuren hindeutet. In den Veröffentlichungen der IGMG werden solch klare Töne nicht angeschlagen. Hier werden die Dinge wesentlich verklausulierter ausgedrückt. Das Grundthema aber bleibt: Ungerechtigkeit und Unterdrückung einerseits sowie die Abhilfe durch den Islam und dadurch die Schaffung von Gerechtigkeit und Glückseligkeit andererseits. Im Arbeitsplan (2006 - 2007) eines IGMG-Regionalverbandes steht im Vorwort: 4 Die Kabbala ist die mystische Tradition im Judentum. Sie entstand im . Jahrhundert. n. Chr. aus dem rabbinischen Judentum. islAmismus 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 "Ein starker Gläubiger/Muslim ist der, der alle diese Hindernisse für Gott aus dem Weg räumt und mit dem Gemeinde-Bewusstsein für Gott aufopferungsvoll arbeitet. Die Verbreitung der leuchtenden Botschaft vom Koran in unseren Wohnorten und in der ganzen Welt hängt von unseren aufrichtigen Bemühungen ab. Es besteht ein Bedürfnis nach einer Gutes beabsichtigenden und eifrigen Bemühung, damit diese unsere Welt, in der Ungerechtigkeit und Unterdrückung herrscht, erneut Frieden und Glück findet, Recht (hak) und Gerechtigkeit (adalet) eingeführt werden und die Menschen, die hungrig und bedürftig sind, aus den Klauen des wilden Kapitalismus gerettet werden. Eben diese aufrichtige und friedfertige Bemühung, also eine muslimische Bemühung, nennen wir Milli Görüs." Hier scheint das Feindbild aus "adil düzen" und der Islam als rettende politische Ideologie, den 'Milli Görüs' durchsetzen will, erkennbar durch. Bewertung und Ausblick Die für die Öffentlichkeit bestimmten zurückhaltenden Formulierungen von einigen IGMG-Funktionären stellen keine glaubhafte Abkehr von der 'Milli-Görüs'-Ideologie dar, wenn sie nicht einhergehen mit einer tatsächlichen Loslösung von der türkischen 'Milli Görüs'. Diese war aber auch 2006 nicht zu beobachten. Die Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden, dass es sich bei der IGMG nach wie vor um einen Teil der 'Milli-Görüs'-Bewegung Necmettin Erbakans handelt, und sie damit verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt, bestätigten 2006 auch Verwaltungsund Oberverwaltungsgerichte. Innerhalb der IGMG lässt sich zwar eine Strömung erkennen, die anscheinend bereit ist, sich von der islamistischen Ideologie zu lösen. Bisher hat diese Strömung jedoch lediglich vorsichtigere Formulierungen in weiten Teilen der Führungsebene gegenüber der Öffentlichkeit bewirken können. Eine Abkehr von den Protagonisten der türkischen 'Milli Görüs' ist nicht zu erkennen. Deren Teilnahme und Unterstützung wurde stattdessen auf der großen Jahresversammlung wieder einmal gesucht. Zugleich erklärte ein führender IGMG-Funktionär in der Türkei öffentlich die Verbundenheit der europäischen 'Milli Görüs' mit der türkischen. Die Diskrepanz zwischen der Selbstdarstellung der IGMG gegenüber der deutschen Öffentlichkeit als eine rein religiöse Gemeinschaft und der tatsächlich verfolgten politischen Mission, die den Islam politisch deutet und als Gegenentwurf zur "westlichen Ordnung" versteht, bleibt damit unverändert bestehen. 26 islAmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 613 Kalifatsstaat (Hilafet Devleti); vormals Verband der islamischen Vereine und Gemeinden eV (ICCB), sogenannter Kaplan-Verband Sitz Köln Verbandsführer Metin Kaplan (am 2. Oktober 200 in die Türkei abgeschoben) Mitglieder Bund NRW 2006 70 0 200 70 0 Publikationen 'Ümmet-i Muhammed' ('Die Stimme Muhammeds'); 'Beklenen Asr-i Saadet' ('Das erwartete Zeitalter der Glückseligkeit'); 'Der Islam als Alternative' (D.I.A.); 'Barika-i Hakikat' (Das Aufleuchten der Wahrheit) Fernsehprogramm HAKK-TV Der im Dezember 200 durch das Bundesinnenministerium verbotene 'Kalifatsstaat' ('Hilafet Devleti') galt in Deutschland als die verbal radikalste unter den islamistischen Organisationen. Der bis zu seiner Abschiebung in die Türkei unter der Führung des selbsternannten Kalifen Metin Kaplan stehende 'Kaplan-Verband' propagiert den revolutionären Sturz des laizistischen türkischen Staatssystems, um an dessen Stelle einen islamischen Gottesstaat zu errichten. Damit verfolgt der Verband Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden und erfüllt die Voraussetzungen nach SS Abs. Nr. VSG NRW für eine Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden. Man muss davon ausgehen, dass Anhänger des Verbandes die Tätigkeiten auch nach dem Verbot fortsetzen. Ungeachtet des auf die Türkei gerichteten Zieles lehnen die auf Dauer in Deutschland lebenden 'Kalifatsstaats'-Anhänger grundlegende Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ab, so dass sich die Beobachtung auch auf SS Abs. Nr. VSG NRW stützt. Hintergrund Der 'Kalifatsstaat' ging aus dem 'Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V.' (ICCB) hervor, der 98 von dem als "Khomeni von Köln" bekannt gewordenen Cemaleddin Kaplan gegründet wurde. Anlässlich einer Anti-Rushdie-Demonstration im März 989 unterstützte Cemaleddin Kaplan die "Todes-Fatwa" Khomeinis. Als seine politischen Ziele propagierte er, der Koran müsse Grundlage der Staatsverfassung für die gesamte Menschheit sein und der Islam müsse in einem einzigen, islAmismus 27 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 weltumfassenden Staat zum Träger der Weltherrschaft, Weltpolitik und Weltzivilisation gemacht werden. Im April 992 rief Cemaleddin Kaplan auf einer Großveranstaltung in Koblenz den 'Föderativen Islamstaat Anatolien' (A.F.I.D) aus, der im März 99 in dem in Köln proklamierten 'Kalifatsstaat' ('Hilafet Devleti') aufging. Cemaleddin Kaplan erklärte sich selbst zum "Kalifen der islamischen Nation" und schwor seine Anhänger auf bedingungslosen Gehorsam gegenüber dem "Kalifen" ein. Nach dem Tod von Cemaleddin Kaplan im Mai 99 in Köln wurde die Nachfolgefrage als "Kalif" zugunsten seines Sohnes Metin "Müftüoglu" Kaplan entschieden. Verurteilung und Abschiebung des Metin Kaplan Metin Kaplan wurde wegen Anstiftung zum Mord an einem Konkurrenten um die Führerschaft in der Organisation zu vier Jahren Haft verurteilt. Daraufhin wurde ihm die Anerkennung als Asylbewerber entzogen und die Ausweisung in die Türkei verfügt. Im hiergegen angestrengten verwaltungsgerichtlichen Verfahren führte das Kölner Gericht aus, Kaplan sei, "unabhängig davon, ob von ihm aktuell die konkrete Gefahr strafrechtlich relevanter Verfehlungen ausgeht, als Identifikationsfigur für den islamischen Extremismus anzusehen; seine umgehende Entfernung ist zwingend geboten". Unmittelbar nach Bekanntgabe der Entscheidung am 2. Oktober 200, wurde Metin Kaplan unter dem Widerstand einer kleinen Gruppe von Anhängern in einem Kölner Internetcafe festgenommen und vom Flughafen Düsseldorf nach Istanbul ausgeflogen, wo ihn sofort nach der Landung dortige Sicherheitskräfte festnahmen. Hochverratsprozess in der Türkei In der Türkei wurde Metin Kaplan wegen Hochverrats der Prozess gemacht. Ihm wurde vorgeworfen, zum gewaltsamen Sturz der türkischen Regierung aufgerufen zu haben, um einen Gottesstaat zu errichten. Kaplan soll 998 einen Terroranschlag auf die türkische Staatsspitze geplant haben. Das Gericht verurteilte Metin Kaplan am 20. Juni 200 zu lebenslanger Haft. Dieses Urteil wurde aufgrund von Verfahrensfehlern aufgehoben. Eine neue Entscheidung ist bisher nicht ergangen. Verbot des 'Kalifatsstaates' Nach dem Wegfall des Religionsprivilegs durch Änderung des Vereinsgesetzes war der 'Kalifatsstaat' am 8. Dezember 200 vom Bundesministerium des Inneren verboten worden. Die Verbotsverfügung umfasste neben dem Kalifatsstaat die 'Stichting 28 islAmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Dinaar aan Islam' (Hauptsitz in den Niederlanden, Nebensitz Köln) sowie 7 Teilorganisationen (Ortsvereine), davon vier in NRW. Bei polizeilichen Durchsuchungen in den Vereinsräumen und bei Funktionären wurde weiteres Beweismaterial sichergestellt. Nach Auswertung dieses Beweismaterials wurden mit Verfügung des Bundesministerium des Innern vom 6. September 2002 6 weitere Teilorganisationen, davon fünf in NRW, verboten. Zur Begründung heißt es, diese Vereine seien derart in den 'Kalifatsstaat' eingegliedert, dass sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieser Vereinigung anzusehen seien. Im November 2002 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht das Verbot. In seiner Begründung führte das Gericht aus, der Kalifatsstaat verstoße gegen die im Grundgesetz verankerten Prinzipien von Demokratie, Rechtsstaat und Menschenwürde. Die Organisation verstehe sich als real existierender Staat mit eigener Staatsgewalt unter Führung des "Kalifen", dessen Grundlage ausschließlich der Wille Allahs sei. Der Kalifatsstaat beanspruche für sich im Unterschied zu anderen Religionsgemeinschaften das Recht zur Gewaltanwendung. Auch die Klagen mehrerer verbotener Vereine, die bestritten hatten, Teilorganisationen des 'Kalifatsstaates' zu sein, lehnte das Bundesverwaltungsgericht im April 200 ab. Die gegen das Verbot gerichtete Verfassungsbeschwerde des 'Kalifatsstaates' und der 'Stichting Dinaar aan Islam' hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht nahm die Beschwerde mit Beschluss vom 2. Oktober 200 nicht zur Entscheidung an, da die Beschwerde einen verfassungsrechtlichen Klärungsbedarf nicht erkennen lasse und im Übrigen keine Aussicht auf Erfolg habe. Neue Ermittlungsverfahren Auch nach dem Verbot wurden Aktivitäten aus den Reihen des 'Kalifatsstaates' festgestellt, die zu Ermittlungsverfahren führten: Da die verbandseigene Zeitung 'Ümmet-i Muhammed' auch nach dem Verbot veröffentlicht und die ebenfalls verbandseigene Sendung 'HAKK-TV' weiterhin gesendet wurde, bestand der Verdacht, dass namentlich zunächst nicht bekannte Personen den organisatorischen Zusammenhalt des 'Kalifatsstaates' aufrechterhalten und sich weiter als Mitglieder im Sinne der Organisation betätigen. Im Zuge dieses und weiterer Ermittlungsverfahren wurden Durchsuchungsaktionen durchgeführt, u.a. bei Beziehern der Zeitschrift 'Beklenen Asr-i Saadet'. In der überwiegenden Zahl der Fälle wurden die Verfahren allerdings eingestellt, da der TatvorislAmismus 29 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 wurf der Unterstützung bzw. Fortführung des verbotenen Vereins nicht belegt werden konnte. Struktur Als Sitz des exterritorialen Kalifatsstaates wurde bis "zur Befreiung Istanbuls" Köln betrachtet. Die örtlichen Mitgliedsvereine des Verbandes unterstanden sogenannten Gebietsemiren, die Weisungen des "Kalifen" weitergaben und ihm rechenschaftspflichtig waren. Alle Mitglieder des Kaplan-Verbandes mussten einen "Treueschwur" ablegen und waren dem "Kalifen" zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet. Die Mitgliederzahl, die Anfang der 990er Jahre in NRW noch auf etwa .00 geschätzt wurde, liegt in den letzten Jahren bei etwa 0. Ideologie Die Ideologie des 'Kalifatsstaates' ist eindeutig gegen die Demokratie und den Säkularismus, d. h. die Trennung von Religion und Staat gerichtet, die mit den Prinzipien des Islam als unvereinbar angesehen werden. So wurde in der Verbandszeitung - wie bereits zuvor 999 - vor den türkischen Parlamentswahlen 2002 zum Wahlboykott aufgerufen. Neben Demokratie und Säkularismus gelten vor allem das mit dem "Westen" verbündete Judentum und der Zionismus als Hauptfeinde. Finanzierung Der Verband finanziert sich aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden, dem Verkauf von Publikationen, Erträgen aus Immobilien und vermutlich dem Handel mit Lebensmitteln. Zum Zeitpunkt des Verbotes wurde das Vermögen des Verbandes auf über eine Million DM geschätzt. Beim Vollzug der Verbotsverfügungen wurden mehrere hunderttausend DM in bar sichergestellt. Ein Großteil der verbliebenen Gelder dürfte bei der in den Niederlanden errichteten 'Stichting Dinaar aan Islam' liegen. Medieneinsatz Der Kaplan-Verband verbreitete sein Gedankengut über die wöchentlich erscheinende verbandseigene Zeitung 'Ümmet-i Muhammed' sowie über 'HAKK-TV', eine Fernsehsendung, die wöchentlich ausgestrahlt wurde. Der Kaplan-Verband nutzt derzeit wieder auch das Internet zu Propagandazwecken. Die ehemalige Homepage des Verbandes wurde verboten - inzwischen gibt es aber neue Internetseiten, die dem 'Kalifatsstaat' zugerechnet werden können. 220 islAmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Die letzte Ausgabe der Zeitschrift 'Ümmet-i Muhammed' erschien kurz nach dem Verbot. Als Nachfolgepublikation wurde Anfang 2002 die Wochenzeitschrift 'Beklenen Asr-i Saadet' ('Das erwartete Zeitalter der Glückseligkeit') bekannt, die nach Inhalt und Aufmachung der Verbandszeitung entsprach. Ein Impressum war nicht angegeben. Nach einer bundesweiten Durchsuchungsaktion am . Dezember 200 erschien auch diese Zeitschrift nicht mehr. Des weiteren wurde ab März 2002 das in deutscher Sprache erscheinende Hochglanzmagazin 'Der Islam als Alternative' (D.I.A.) als neue Publikation unter der Postfachadresse des 'Kalifatsstaates' vertrieben. Diese Publikation wurde unaufgefordert zugesandt, beispielsweise wurden Hochschulen und Studentenvertretungen angeschrieben. Das professionell gemachte Monatsheft in deutscher Sprache agitierte nicht so eindeutig antidemokratisch und antisemitisch, wie man es von der 'Ümmet-i Muhammed' her kannte. Die letzte bekannt gewordene Ausgabe ist von November 200. Seit dem wurde die Zeitschrift nicht mehr festgestellt. Möglicherweise ist auch dies eine Reaktion auf die Durchsuchungen im Dezember 200. Ab März 200 erhielten mehrere ehemalige Empfänger der 'Beklenen Asr-i Saadet' erstmals die in Abständen von zwei bis vier Wochen erscheinende Zeitschrift 'Barika-i Hakikat' ('Das Aufleuchten der Wahrheit') per Post aus den Niederlanden zugesandt. Absender oder Impressum waren auch hier nicht angegeben, allerdings der Hinweis auf eine Internetseite, die jeweils die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift enthielt. Die in türkisch verfasste 'Barika-i Hakikat' bezeichnet sich selbst als "religiöse, politische wirtschaftliche und kulturelle Zeitung". Sie machte zunächst den Eindruck einer allgemein religiös-konservativen Publikation ohne extremistische Inhalte, enthielt in den weiteren Ausgaben aber mehr und mehr Beiträge, die auf eine Nähe zum 'Kalifatsstaat' hinwiesen. Seit Ende 200 ist die Zeitschrift nicht mehr erschienen. Die Internetseite der Zeitschrift, die hauptsächlich Texte und Tondokumente von Cemaleddin und Metin Kaplan enthielt, sowie ausführlich über den in der Türkei geführten Prozess gegen Metin Kaplan berichtete, wird inzwischen nicht mehr betrieben. Reaktionen/Ausblick Das Verbotsverfahren und die nachfolgenden Maßnahmen haben die Organisationsstruktur des Verbandes nachhaltig erschüttert. Bedeutung und Mitgliederzahl des 'Kalifatsstaates' haben danach stark abgenommen. Gleichwohl versuchen einige Getreue weiterhin, den vorhandenen Rest zusammenzuhalten und gemeinsam Freitagsgebete sowie Koranschulungen nach ihren Vorgaben durchzuführen. islAmismus 22 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Die Abschiebung und der Verurteilung Metin Kaplans in der Türkei führten zu Richtungsund Nachfolgestreitigkeiten innerhalb des Verbandes. Im Verlauf dieser Auseinandersetzungen kam es zu einer Spaltung der Anhängerschaft in zwei konkurrierende Fraktionen. Wohin sich die verbliebene Anhängerschaft orientiert und ob der 'Kalifatsstaat' weiter an Anhängern und Bedeutung verliert, ist noch nicht abzusehen. 222 islAmismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 7 Extremismus in Zahlen 71 Politisch motivierte Kriminalität - Bericht des Landeskriminalamtes Die nachfolgenden Daten basieren auf Angaben des Landeskriminalamtes NordrheinWestfalen (LKA). Die Angaben über die Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) bilden die Fälle ab, die der Polizei in Nordrhein-Westfalen in der Zeit vom . Januar bis . Dezember 2006 bekannt geworden sind. 711 Gesamtentwicklung Für den Zeitraum vom . Januar 2006 bis . Dezember 2006 wurden dem LKA insgesamt .02 Straftaten (einschließlich Versuche) gemeldet, die der Politisch motivierten Kriminalität zuzuordnen sind. Bei 68 (9,2%) Straftaten handelte es sich um Politisch motivierte Gewaltkriminalität (PMK-Gewalt). 2.2 (8,0%) Straftaten sind den Propagandadelikten gem. SSSS 86, 86a Strafgesetzbuch (StGB) zuzurechnen. In zwölf Verfahren gemäß SSSS 29, 29a oder 29b StGB (Bildung einer kriminellen Verbindung bzw. einer inoder ausländischen terroristischen Vereinigung) ermittelte das Bundeskriminalamt bzw. das LKA NRW gegen in Nordrhein-Westfalen ansässige Personen. Im Jahr 200 wurden im Vergleich dazu .6 Delikte gemeldet. Dies entspricht einem Anstieg um 6 Delikte (6,%). Diese Entwicklung ist im Wesentlichen auf das Ansteigen der Propagandadelikte von 2.09 auf 2.2 (,0%), der Volksverhetzungsdelikte von 89 auf 28 (,7%) und der Gewaltdelikte von 278 auf 68 (2,%) zurückzuführen. Gleichzeitig sind die übrigen Delikte von 62 auf 607 zurückgegangen (-2,9%). Gewaltdelikte 72 (6,7%) der 68 bekannt gewordenen Gewaltstraftaten sind dem Phänomenbereich Politisch motivierte Kriminalität - rechts ("Rechts"), 7 (2,7%) dem Phänomenbereich Politisch motivierte Kriminalität - links ("Links") und 2 (6,%) dem Phänomenbereich Politisch motivierte Ausländerkriminalität ("Ausländer") zuzuordnen. 6 (,%) Fälle konnten keinem der o. g. Phänomenbereiche zugeordnet werden. Im Jahr 200 wurden im Vergleich dazu 278 Delikte gemeldet. Dies entspricht einer Erhöhung um 90 Delikte (2,%). ExtrEmismus in ZAhlEn 22 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Nicht Ausländer Links Rechts zuzuordnen Deliktsgruppen 2006 2005 Diff 2006 2005 Diff 2006 2005 Diff 2006 2005 Diff Tötungsdelikte 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 (einschl. Versuche) Brand-/Sprengstoff- 6 6 2 2 - 2 2 delikte Landfriedens- 0 8 7 8 - -2 bruchdelikte Gefährliche Eingriffe in 0 0 0 2 8 -6 0 0 - den Bahnverkehr etc. Körperverletzungs- 7 6 8 29 62 27 9 0 - delikte Widerstandshandlungen 0 0 0 2 2 2 - 7 -6 Raub/ Erpressung/ 7 - 2 2 0 - 0 Freiheitsberaubung Zwischensumme 23 15 8 157 96 61 172 144 28 16 23 -7 Gewaltdelikte Bedrohungen/ 0 9 9 9 0 20 2 - 8 - Nötigungen Sachbeschädigungen 9 2 6 08 -2 2 92 -0 Verstöße gegen 2 2 2 7 8 2.09 .80 286 20 22 -20 SSSS 86, 86a StGB Volksverhetzungen 6 8 2 0 7 0 8 8 0 Störung des öffentlichen 0 6 2 Friedens Beleidigungen 2 0 2 62 -6 Verstöße gegen das 8 7 -9 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Vereinsgesetz Verstöße gegen das 2 7 79 78 20 - 6 -29 Versammlungsgesetz sonstige Straftaten 2 0 0 - 22 0 -28 2 -20 Summe Gesamt 103 74 29 596 372 224 2990 2545 445 323 465 -142 22 ExtrEmismus in ZAhlEn Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Der zahlenmäßig größte Zuwachs entfiel mit 61 Delikten auf den Phänomenbereich "Links". Hauptgrund ist der Anstieg der Gewaltstraftaten im Zusammenhang mit Demonstrationen. Hier stiegen die Fallzahlen von 7 auf 2 Delikte (66,7%). In den drei übrigen Bereichen lagen die Schwankungen gegenüber dem Vorjahr zwischen 28 (9,%) und minus sieben (-0,%). 712 Einteilung nach Phänomenbereichen Von den 4.012 Fällen der Politisch motivierten Kriminalität entfielen 2.990 (74,5%) auf den Phänomenbereich "Rechts", 96 (,9%) auf den Phänomenbereich "Links" und 0 (2,6%) auf den Phänomenbereich "Ausländer". 2 (8,0%) Fälle waren keinem der o. g. Phänomenbereiche zuzuordnen. Damit ist der Anstieg der Fallzahlen in den Phänomenbereichen "Rechts" () und "Links (22) ursächlich für den Gesamttrend. Bei den Delikten, die keinem Phänomenbereich zuzuordnen waren, ist ein deutlicher Rückgang (-2) zu verzeichnen. Phänomenbereich "Rechts" Gegenüber dem Vorjahr ist die Zahl der dem Phänomenbereich "Rechts" zugeordneten Delikte um Straftaten (7,%) gestiegen. Dies entspricht 80,0% der Gesamtzunahme. Der Anstieg ist zum überwiegenden Teil auf den Anstieg der Verstöße gegen SSSS 86, 86a StGB um 286 Delikte (6, %) zurückzuführen. Unter Berücksichtigung der zwischen 200 und 2006 festgestellten Schwankungsbreite bei Verstößen gegen SSSS 86, 86a StGB in allen Phänomenbereichen von 2.0 (200) und .8 (200) nähert sich diese Zahl zwar wieder dem Höchstwert aus dem Jahr 200. Insgesamt erscheint dieser zahlenmäßige Anstieg nicht überproportional gegenüber den Vorjahren. Es ist aber eine deutliche Auffälligkeit in der monatlichen Verteilung festzustellen. Im Vergleich zu den beiden Vorjahren wird die Besonderheit des Monats Juni deutlich. Dabei ist bemerkenswert, wie unterschiedlich die Fallzahlenentwicklung im Zusammenhang mit gleich gelagerten Großereignissen in den Jahren 200 und 2006 ist. Im Juni 200 fand das Vorturnier zur Fußballweltmeisterschaft 2006, der Confederations Cup, statt. In diesem Zeitraum war ein deutlicher Rückgang der Fallzahlen festzustellen. Die kürzere Ereignisdauer beim Confederations Cup kann nur einen Teil dieser unterschiedlichen Fallzahlenentwicklung erklären. Es ist auch anzunehmen, dass die Medienkampagne zum WM-Motto "Die Welt zu Gast bei Freunden" zu einer erhöhten Meldebereitschaft der Bürgerinnen und Bürger geführt hat. Dazu beigetragen hat auch die erhöhte Polizeipräsenz vor Ort. Indiz hierfür ist die bisher einmalig festgeExtrEmismus in ZAhlEn 22 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 stellte Tatsache, dass im Monat Juni die Zahl der geklärten Propagandadelikte insgesamt höher lag als die der ungeklärten Propagandadelikte. Dieser Anstieg beschränkt sich nicht auf die Austragungsorte der Fußball Weltmeisterschaft 2006, sondern verteilt sich mit geringen Schwankungen flächendeckend über ganz NRW. Geografisch ist eine Schwerpunktbildung für den gesamten Zeitraum im Regierungsbezirk Detmold festzustellen. Der Anstieg in diesem Bereich entspricht 0,% des Gesamtanstieges. Dieser örtlich begrenzte Anstieg ist ausschließlich auf den allgemeinen Anstieg im Juni und mehrere Demonstrationen zurückzuführen. In einigen anderen Fällen lagen örtlich und zeitlich begrenzte Tatserien vor, die wegen der statistisch gesehen geringen Ausgangszahlen zu größeren prozentualen Schwankungen führen. Diese Tatserien erstrecken sich aber nie über mehrere Monate. Die Deliktsschwerpunkte lagen im Phänomenbereich "Rechts" wie in den Vorjahren bei den Verstößen gegen SSSS 86, 86a StGB (2.09), Volksverhetzungs(0) und Körperverletzungsdelikten (62). In der Entwicklung von 200 bis 2006 ist im Phänomenbereich "Rechts" ein kontinuierlicher Anstieg zu verzeichnen. Der Hauptgrund für diese Entwicklung ist bis zum Jahr 200 die erweiterte Auslegung des Extremismusbegriffes im Rahmen der bundeseinheitlichen Bewertung von Politisch motivierten Straftaten seit dem .Quartal 2002. Demnach sind Straftaten gemäß SS 86a StGB, bei denen keine Tatsachen für oder gegen eine extremistische Begehungsweise vorliegen, dem Verfassungsschutz als Prüffälle zur Bewertung vorzulegen. Der Verfassungsschutz des Landes NRW bewertet diese Prüffälle gemäß eines gemeinschaftlichen Beschlusses aller Verfassungsschutzbehörden der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich als extremistisch. Eine extremistische Straftat muss aber immer einem der drei Phänomenbereiche "Ausländer", "Links" oder "Rechts" zugeordnet werden. Dies führt bei den Verstößen gegen den SS 86a StGB zu einer deutlichen Verschiebung zum Phänomenbereich "Rechts". Phänomenbereich "Links" Gegenüber dem Vorjahr ist die Fallzahl für den Phänomenbereich "Links" um 22 Delikte (60,2%) gestiegen. Hauptsächlich ist diese Entwicklung bestimmt durch den Anstieg bei den Verstößen gegen das Versammlungsgesetz um 78 Delikte (,8%), den Anstieg der Gewaltdelikte um 6 Delikte (27,7%) und den Anstieg der Sachbeschädigungsdelikte um (2,7%). Hauptgrund für diese Entwicklung sind die Straftaten im Zusammenhang mit Demonstrationen. Hier stieg die Zahl gegenüber 226 ExtrEmismus in ZAhlEn Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 dem Vorjahr von 87 auf Delikte (89,%) und der prozentuale Anteil von 0,% auf 9,%. Die Deliktsschwerpunkte bilden wie in den Vorjahren die Sachbeschädigungsdelikte (6) und die Verstöße gegen das Versammlungsgesetz (7). Neu hinzugekommen sind die Gewaltdelikte mit ebenfalls 7 Delikten. In der Entwicklung von 200 bis 200 war eine gewisse Stagnation im Phänomenbereich "Links" festzustellen. Die Schwankungsbreite der Fallzahlen von 72 (2002/200) bis 9 (200) ist mit Delikten sehr gering. Diese Schwankungsbreite wurde in diesem Jahr um mehr als das Vierfache übertroffen. Geografisch ist hier mit dem Bereich des Regierungsbezirkes Detmold derselbe Schwerpunkt auszumachen wie im Phänomenbereich "Rechts". Auch hier steht der Anstieg ausschließlich im Zusammenhang mit Demonstrationen. Insgesamt entspricht die Steigerung im Bereich des Regierungsbezirkes Detmold ,% des Gesamtanstieges im Phänomenbereich "Links". Auch für Dortmund sind erhebliche Steigerungen im Vergleichszeitraum von 6 auf 07 Straftaten (97,2%) gemeldet worden, die nahezu ausschließlich auf Straftaten im Zusammenhang mit Demonstrationsgeschehen zurückzuführen sind. Phänomenbereich "Ausländer" Gegenüber dem Vorjahr sind die Fallzahlen im Phänomenbereich "Ausländer" um 29 Delikte (9,2%) gestiegen. Der Schwerpunkt der Delikte lag im Gegensatz zu den Vorjahren bei den Gewaltdelikten. In der Entwicklung im Phänomenbereich "Ausländer" von 200 bis 2006, mit Ausnahme der Sondersituation in 200, verläuft gleich bleibend auf niedrigem Niveau. Grund hierfür ist der kontinuierliche Rückgang der Verstöße gegen das Vereinsgesetz. Mit Ausnahme von 200 handelte es sich hauptsächlich um Verfahren gegen Mitglieder der PKK und deren Nachfolgeorganisationen. Erfahrungsgemäß ist in diesem Bereich aber mit einer erhöhten Dunkelziffer als in den anderen Phänomenbereich zu rechnen. Delikte, die keinem Phänomenbereich zuzuordnen waren Bei diesen Delikten ist gegenüber dem Vorjahr ein Rückgang um 2 Straftaten (- 0,%) zu verzeichnen. Dies ist hauptsächlich auf den Rückgang der Sachbeschädigungen um 0 Straftaten (- ,%) zurückzuführen. Der Deliktsschwerpunkt lag, wie in den Vorjahren, bei den Verstößen gegen SS 86a StGB (20) und den Sachbeschädigungsdelikten (2). ExtrEmismus in ZAhlEn 227 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 In der Entwicklung 200 bis 200 ist ein stetiger Rückgang der Fallzahlen zu beobachten. Der Hauptgrund für diese Entwicklung ist die bereits im Phänomenbereich "Rechts" erörterte erweiterte Auslegung des Extremismusbegriffes im Rahmen der bundeseinheitlichen Bewertung von Politisch motivierten Straftaten seit dem .Quartal 2002. Nach einem Anstieg in den Jahren 200 und 200 ist wieder ein Rückgang zu verzeichnen. Extremistische Straftaten Insgesamt wurden 3.233 (80,6%) Straftaten als extremistisch gemeldet. Davon entfielen 2.87 (88,8%) auf den Phänomenbereich "Rechts" und 27 (8,%) auf den Phänomenbereich "Links". Im Bereich der Politisch motivierten Ausländerkriminalität wurden 9 (2,8%) Fälle von Extremismus verzeichnet. Internationale Bezüge Bei 28 (,2%) aller Politisch motivierten Straftaten wurde ein internationaler Bezug festgestellt. Davon entfielen 64 (50,0%) auf den Phänomenbereich "Ausländer, 32 (2,0%) auf den Phänomenbereich "Rechts" und drei (2,%) auf den Phänomenbereich "Links". 29 (22,7%) Fälle waren keinem Phänomenbereich zuzuordnen. 713 Themenfelder Insgesamt lagen die thematischen Schwerpunkte der Straftaten wie in den Vorjahren in den Bereichen Nationalsozialismus/Sozialdarwinismus mit 2. Nennungen und Hasskriminalität mit .0 Nennungen. Ursächlich hierfür ist die zahlenmäßige Dominanz des Phänomenbereichs "Rechts", dem diese Themenfelder hauptsächlich zuzuordnen sind. Im Phänomenbereich "Links" lag der Schwerpunkt bei den Themen Antifaschismus (88), Innenund Sicherheitspolitik (2) und Konfrontation/Politische Einstellung (87). Im Phänomenbereich "Politisch motivierte Ausländerkriminalität" bewegten sich die meisten Delikte nicht - wie in den Vorjahren - in den Themenfeldern Innenund Sicherheitspolitik (2) und Befreiungsbewegungen/Internationale Solidarität (0), sondern im Themenfeld Hasskriminalität (7). Bei den Delikten, die keinem Phänomenbereich zuzuordnen waren, lagen die Schwerpunkte bei den Themenfeldern Ökologie/Industrie/Wirtschaft (7) und Hasskriminalität (0). Zu beachten ist, dass bei der Zuordnung von Delikten zu einzelnen Themenfeldern, eine Mehrfachnennung nicht nur möglich, sondern, sofern zutreffend, ausdrücklich 228 ExtrEmismus in ZAhlEn Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 erwünscht ist. So wurden zum Beispiel bei Delikten, die dem Themenfeld Hasskriminalität zugeordnet worden sind, sehr häufig andere Themenfelder mitgenannt. Die Gesamtzahl aller genannten Themenfelder übersteigt somit zwangsläufig die Gesamtzahl der gemeldeten Delikte. Antisemitische und fremdenfeindliche Straftaten Bei den 09 Straftaten, die (zumindest auch) aus einer antijüdischen Haltung heraus begangen wurden (antisemitische Straftaten), handelt es sich zum überwiegenden Teil (28) um Straftaten aus dem Phänomenbereich "Rechts". In 20 Fällen war die Straftat dem Phänomenbereich "Ausländer", in einem Fall dem Phänomenbereich "Links" und in drei weiteren Fällen keinem Phänomenbereich zuzuordnen. Damit ist insgesamt ein Anstieg von 97 Straftaten (,8%) zu verzeichnen. Im monatlichen und geografischen Vergleich ist kein Schwerpunkt für diese Entwicklung auszumachen. Auffällig ist neben dem Anstieg im Phänomenbereich "Ausländer" (hier ist das Aufkommen um 0% gestiegen) der Anstieg der Tatörtlichkeit "Schule/Universität" von 2 auf Delikte. Insgesamt sind die Fallzahlen aber zu gering, um vergleichende Aussagen machen zu können. Von den 809 zumindest auch fremdenfeindlichen Straftaten entfielen 758 auf den Phänomenbereich "Rechts", 20 auf den Phänomenbereich "Ausländer" und drei auf den Phänomenbereich "Links". 28 Straftaten waren keinem Phänomenbereich zuzuordnen. Damit stieg die Zahl der fremdenfeindlichen Straftaten deutlich gegenüber dem Vorjahr um 98 Straftaten (2,%). Beim monatlichen Vergleich ist ein ähnlicher Trend wie im Phänomenbereich "Rechts" mit dem Schwerpunkt im Monat Juni zu erkennen. In 7 Fällen waren die Taten sowohl fremdenfeindlich als auch antisemitisch motiviert. In beiden Bereichen liegen die Deliktsschwerpunkte bei Volksverhetzung (20 antisemitisch, 6 fremdenfeindlich) und Verstößen gegen SSSS 86, 86a StGB (62 antisemitisch, 89 fremdenfeindlich). Straftaten zum Themenfeld Islamismus/Fundamentalismus Bei 0 Delikten war das Themenfeld Islamismus/Fundamentalismus betroffen bzw. nicht mit Sicherheit auszuschließen. Der Anteil an der Gesamtanzahl beträgt, wie im Vorjahr, 0,7%. ExtrEmismus in ZAhlEn 229 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Straftaten zum Themenfeld Sozialpolitik Es wurden 0 Straften gemeldet, die im Zusammenhang mit dem Themenfeld Sozialpolitik standen. Die Anzahl der Straftaten stieg gegenüber dem Vorjahr um 9 Delikte. Straftaten im Zusammenhang mit dem Themenfeld "Herausragende Veranstaltung/WM 2006" Insgesamt wurden 7 Straftaten gemeldet, die im direkten Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft standen. Somit ist die direkte Auswirkung dieser Veranstaltung auf die Fallzahlenentwicklung gering. Die Monatvergleiche machen aber, wie bereits im Phänomenbereich "Rechts" beschrieben, deutlich, dass ein indirekter Zusammenhang besteht. Straftaten im Zusammenhang mit demonstrativen Ereignissen 2 Straftaten standen im Zusammenhang mit Demonstrationen. Dies bedeutet gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung um (,7%) Delikte. Diese Steigerung entspricht 28,4% der Gesamtsteigerung. 354 Delikte entfielen auf den Phänomenbereich "Links", 70 auf den Phänomenbereich "Rechts" und elf auf den Phänomenbereich "Ausländer". 7 Delikte waren keinem Phänomenbereich zuzuordnen. Den Schwerpunkt bildeten hier die Demonstrationen im Rahmen der sogenannten Rechts-LinksKonfrontation. So entfielen allein auf fünf Demonstrationen 186 Straftaten (41,2%). 714 Fazit Die Entwicklung der Gesamtfallzahlen der letzten sechs Jahre entspricht einer Kurve, die in den Jahren 2002 bis 200 auf einem niedrigen Niveau verläuft. Mit .02 Delikten im Jahr 2006 wird der Spitzenwert von .69 Delikten aus dem Jahr 200 überschritten. Für die Fallzahlenentwicklung 2006 war wegen ihrer zahlenmäßigen Dominanz, die Entwicklung der Fallzahlen im Phänomenbereich "Rechts" mitentscheidend. Allerdings ist im Gegensatz zu den Vorjahren auch ein zahlenmäßig größerer Anstieg im Phänomenbereich "Links" festzustellen. Auch die Fallzahlenentwicklung im Jahr 2006 hat wieder deutlich gemacht, wie stark die Entwicklung im Phänomenbereich "Rechts" vom Fokus der Öffentlichkeit abhängig ist. Daher ist ein Rückgang der Fallzahlen im Jahr 2007 eher wahrscheinlich. Die Entwicklung des Phänomenbereichs "Links" ist überwiegend ausgerichtet an der Entwicklung des Demonstrationsgeschehens "Rechts". Je mehr Demonstrationen 20 ExtrEmismus in ZAhlEn Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 "Rechts" stattfinden, desto mehr ist mit unfriedlichen Gegendemonstrationen zu rechnen. Das Themenfeld Sozialpolitik hat gegenüber dem Vorjahr eine gewichtigere Rolle gespielt. Es ist anzunehmen, dass dieses Themenfeld mit weiteren sozialen Verschlechterungen noch weiter an Bedeutung gewinnen wird. Hier gilt es die weitere wirtschaftliche Entwicklung abzuwarten. Die Variablen im Phänomenbereich "Links" sind zu groß, um eine realistische Einschätzung für die weitere Entwicklung vornehmen zu können. Die Zahl der Delikte, die keinem Phänomenbereich zugeordnet werden können, ist hauptsächlich abhängig von der Entwicklung der Verstöße gegen SS 86a StGB. Wie bereits im Phänomenbereich "Rechts" beschrieben, ist 2007 hier eher mit einem Rückgang zu rechnen. Grundsätzlich sind die Fallzahlen im Phänomenbereich "Ausländer" zu gering, um eine realistische Einschätzung zur weiteren Entwicklung zu machen. Die Entwicklung der Gewaltdelikte wurde 2006 hauptsächlich durch die Entwicklung im Phänomenbereich "Links" bestimmt. Dies wird sich 2007 fortsetzen. 72 Bericht des Justizministeriums 721 Verfahren wegen rechtsextremistischer Aktivitäten Bei den Staatsanwaltschaften des Landes sind im Jahr 2006 insgesamt .68 einschlägige Verfahren neu anhängig geworden. In dieser Zeit ist in 67 Verfahren gegen 82 Personen Anklage erhoben bzw. Antrag auf Erlass eines Strafbefehls gestellt worden. Rechtskräftig verurteilt wurden 77 Personen; Angeklagte wurden freigesprochen. Gegen 202 Personen wurde das Verfahren von dem erkennenden Gericht eingestellt bzw. die Untersuchung auf nicht einschlägige Straftaten beschränkt. 722 Verfahren wegen linksextremistischer Aktivitäten Wegen Straftaten, deren Ursprung dem Bereich des Linksextremismus zuzuordnen ist, haben die Staatsanwaltschaften im Jahr 2006 insgesamt 9 Verfahren neu eingeleitet. In dieser Zeit ist in 72 Verfahren gegen 8 Personen Anklage erhoben bzw. Antrag auf Erlass eines Strafbefehls gestellt worden. 7 Angeklagte wurden rechtskräftig verurteilt; 8 angeklagte Personen wurden freigesprochen. Gegen Personen wurde das Verfahren von dem erkennenden Gericht eingestellt bzw. die Untersuchung auf nicht einschlägige Straftaten beschränkt. ExtrEmismus in ZAhlEn 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 73 Mitgliederpotenzial extremistischer Organisationen35 731 Mitgliederzahlen rechtsextremistischer Organisationen und Gruppierungen Organisation/Gruppierung 2006 2005 rechtsextremistische Parteien, darunter 2.870 .020 DVU (einschl. DVU e.V. und Aktionsgemeinschaften .00 .00 NPD (einschl. JN) 770 770 Neonazistische Kameradschaften einschl. regionale Szenen 60 60 Militante Rechtsextremisten einschl. Skinheads* .0 .20 Sonstige 20 00 abzüglich Doppelmitgliedschaften 0 20 Summe 4860 4910 Tabelle: Mitgliederpotenzial extremistischer Organisationen * In der Gesamtzahl sind 400 Personen enthalten, die organisationsunabhängig sind, aber mit rechtsextremistischen Gewaltbezug auffällig wurden. 732 Mitgliederzahlen linksextremistischer Organisationen und Gruppierungen Organisation/Gruppierung 2006 2005 Militante Linksextremisten/Autonome 00 00 DKP < .00 < .00 PDS .87 > .0 MLPD 60 60 Summe 4525 4000 Tabelle: Mitgliederzahlen linksextremistischer Organisationen 5 Zur Erfüllung seiner Funktion als Frühwarnsystem in der wehrhaften Demokratie ist der Verfassungsschutz durch das Verfassungsschutzgesetz NRW berechtigt, über eine Organisation zu berichten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer verfassungsfeindlichen Bestrebung vorliegen. Für eine Berichterstattung ist es nicht Voraussetzung, dass sich Verdachtsmomente bis zur Einschätzung als "verfassungsfeindlich" verdichtet haben. 22 ExtrEmismus in ZAhlEn Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 733 Mitgliederzahlen extremistischer Organisationen von Ausländern Organisation/Gruppierung 2006 2005 DHKP-C 200 200 MLPK u. KP-IÖ 20 20 KONGRA-GEL bzw. PKK 2.000 2.000 NWRI 00 00 API 20 20 LPK 0 0 FBKSh 20 20 LTTE 00 00 Summe 3320 3320 Tabelle: Mitgliederzahlen extremistischer Ausländerorganisationen 734 Mitgliederzahlen islamistischer Organisationen Organisation/Gruppierung 2006 2005 HAMAS 70 70 Hizb Allah 0 0 Tablighi Jamaat 600 - Hizb ut-Tahrir 70 70 MB/IGD/IZA 20 20 FIS 80 80 IGMG 7.200 7.200 Kaplan-Verband 0 0 Summe 9040 8440 Tabelle: Mitgliederzahlen islamistischer Organisationen ExtrEmismus in ZAhlEn 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 8 Spionageabwehr 81 Überblick Aufgabe der Spionageabwehr ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personengebundenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht. Auch im Jahre 2006 standen dabei die Prävention, insbesondere in Form von Sensibilisierungsmaßnahmen, die Verhinderung von Proliferation, das heißt die Lieferung von Massenvernichtungswaffen, ihren Bauteilen sowie der dazugehörenden Trägertechnologie in Länder, in die deren Export verboten ist, und die Aufklärung der Angriffsziele, Strukturen und Arbeitsweisen fremder Nachrichtendienste im Zentrum der Abwehrarbeit. Dabei stellte sich heraus, dass das "zweitälteste Gewerbe der Welt" - an der sogenannten unsichtbaren Front - nach wie vor seine Aktivitäten entfaltet und auch Nordrhein-Westfalen nicht verschont blieb. Aber es sind weniger die einzelnen Bundesländer als die Bundesrepublik in ihrer Gesamtheit, die in ihrer Souveränität durch die Spionage fremder Nachrichtendienste angegriffen wird. Russland, die russische Föderation, wird in diesem Zusammenhang häufig genannt. Über aktuelle Verdachtsfälle wird regelmäßig auch in den Medien berichtet, wobei Nordrhein-Westfalen zuletzt weniger oft unmittelbar betroffen war. Einige Nachrichtendienste, z.B. die der Länder Iran, Libyen und Syrien sehen nach wie vor die Ausforschung und Überwachung von in der Bundesrepublik lebenden oppositionellen Landsleuten als einen Schwerpunkt ihrer Auslandstätigkeit an. Um seine Position als Hegemonialmacht zu festigen, scheut der Iran auch nicht vor massiven Konflikten mit Teilen der Weltgemeinschaft zurück. So widersetzt sich der Iran konsequent den Inspektionen der Internationalen Atomenergie-Behörde IAEA und kommt auch den Forderungen nach Transparenz seines Atomprogramms nicht nach. Im Gegenteil - Iran forciert die Uran-Anreicherung weiter. Dass das Land dabei die Produktion von waffenfähigem Plutonium im Auge hat, ist zumindest bei westlichen Nachrichtendiensten unbestritten. Welche Konflikte aber allein mit der Behauptung des Besitzes von Massenvernichtungswaffen geschürt werden können, zeigen die Geschehnisse um Nordkorea auf. Und die Konfliktregionen auf unserer Erde nehmen ständig zu. spionAgEAbwEhr 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Daher ist auch die Aufklärung der geheimen Beschaffungsmethoden und -wege für sensible Waren und Know-how (unter Umgehung der deutschen Ausfuhrbestimmungen) in Länder wie z. B. Iran, Syrien, Pakistan oder Nordkorea nach wie vor ein Schwerpunkt der Abwehrarbeit. Der Abfluss von Know-how steht ebenfalls im Mittelpunkt bei der kontinuierlichen Verbesserung des Informationsaustausches zwischen Wirtschaft und Sicherheitsbehörden mit dem Ziel von Wirtschaftsschutz und der Prävention von Wirtschaftsspionage. In diesem Zusammenhang wird immer wieder - auch in den überregionalen Medien - von Vorfällen mit chinesischen Geschäftspartnern berichtet. Daher war dies auch ein Schwerpunktthema bei der im Jahr 2006 erstmals durchgeführten Tagung "Wirtschaftsschutz in Nordrhein-Westfalen - 2006", deren Teilnehmer den Veranstaltungsraum im Innenministerium in Düsseldorf bis auf den letzten Platz füllten. 82 Spionageaktivitäten/Proliferation des Iran Die Beobachtung der Aktivitäten iranischer Nachrichtendienste auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland stellt seit einigen Jahren einen wichtigen Teil der Spionageabwehr des Landes Nordrhein-Westfalen dar. Dies betrifft sowohl die Beobachtung der in Deutschland ansässigen iranischen Oppositionellen wie auch die nachrichtendienstlich gesteuerte illegale Ausfuhr von bestimmten Gütern. Das Jahr 2006 verlief in dieser Hinsicht insoweit erfolgreich, als es wichtige neue Erkenntnisse brachte, die zum Teil zu der Einleitung von Strafverfolgungsverfahren und in einem Fall sogar zu der Eröffnung eines Gerichtsverfahrens führten. Dieser Erfolg beruht nicht auf einem plötzlichen Ereignis, sondern ist das Ergebnis der gezielten Sammlung und Auswertung von Informationen, Nachrichten, Unterlagen sowie sachund personenbezogener Auskünfte aus den vergangenen Jahren. Aus diesen Daten konnte schließlich ein Bild zusammengesetzt werden, das entscheidende Ansatzpunkte für den aktuellen Zugriff lieferte. Unterstützt wurde dieses "Puzzlespiel" durch eine Software der Spionageabwehr, die es ermöglicht, komplexe Sachzusammenhänge optisch darzustellen und damit erkennbar zu machen. Die beiden folgenden Fälle, über die auch in den Medien intensiv berichtet wurde, beleuchten diese Arbeitsweise der Spionageabwehr Nordrhein-Westfalen und verdeutlichen, wie die vernetzte Arbeit mehrerer ermittelnder und untersuchender Stellen letztlich zum Erfolg führt. Deutlicher Schwerpunkt war dabei die Bekämpfung der Proliferation, d.h. die Verhinderung des Wareneinkaufes für den Bau von ABCWaffen und der dazugehörenden Trägertechnologie an Länder, in die die Ausfuhr nach den Ausfuhrgesetzen verboten ist. 26 spionAgEAbwEhr Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 821 Beispielsfälle Mitte 2005 geriet die kleine Handelsfirma des Iraners Abbas M. in der Düsseldorfer Innenstadt in das Blickfeld der Spionageabwehr. Obwohl seine Lieferungen nach Indien oder in die Vereinigten Arabischen Emirate deklariert waren, stellte sich deutlich heraus, dass es sich um Verschleierungsversuche handelte und die Zielorte seine Ausfuhren im Iran lagen. Einige technische Geräte wurden bei Flugreisen im Handgepäck ausgeführt. Quelle: Rheinische Post 2.0.2006 Weil hierdurch außenpolitischer Schaden für die Bundesrepublik Deutschland entstehen konnte, wurden die gesammelten Erkenntnisse an das zuständige Zollkriminalamt abgegeben. Auf der Grundlage der Vorarbeit der Spionageabwehr Nordrhein-Westfalen wurden die Ermittlungen dort exekutiv weitergeführt. Die Beweise verdichteten sich; im Mai 2006 erfolgte schließlich die Festnahme mehrerer Tatverdächtiger in Düsseldorf, Bayern und Baden-Württemberg. Der Hauptverdächtige Ali M. befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. Der Tatbeteiligte Abbas M. ist flüchtig und hält sich im Iran auf. Die am 2. November 2006 vor der . Großen Strafkammer des Landgerichts Düsse ldorf begonnene Verhandlung führte am . Dezember 2006 zu der Verurteilung der beiden Hauptbeschuldigten. Auch das zweite Beispiel aus dem Jahr 2006 stellt anschaulich dar, wie viel Geduld und Ausdauer die Sicherheitsbehörden bei der Beobachtung von verdächtigen Firmen und Personen haben müssen: Rheinische Post 8..2006 spionAgEAbwEhr 27 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Quelle: Der Spiegel 46/2006 Mitte der 90er Jahre war der Spionageabwehr NRW eine Handelsfirma im Kreis Neuss aufgefallen, die enge Geschäftsbeziehungen zu der iranischen Firma DIO (Defence Industries Organisation) in Düsseldorf hatte, dem Einkaufsbüro des iranischen Verteidigungsministeriums. Der in diesem Zusammenhang aufgefallene aus dem Iran stammende Unternehmer Saaed E. geriet Anfang des Jahres 2006 erneut in den Focus des BKA und der Verfassungsschutzbehörden. Hinweisen zufolge führte er bei seinen geschäftlichen Aktivitäten auffällige Umweglieferungen über die Schweiz durch. Er versuchte damit, bei den deutschen Herstellern den Eindruck zu erwecken, dass die Waren letztlich in Europa verbleiben würden. Tatsächlich wurden die Güter aber durch ein Speditionsunternehmen aus Süddeutschland übernommen, das sie in den Iran transportierte. Um dieses komplexe Beziehungsgeflecht zu beleuchten, arbeitete die Spionageabwehr NordrheinWestfalen auch in diesem Fall mit der eingangs kurz angesprochenen Software. Dadurch gelingt es, die Verknüpfung der verschiedenen Personen und deren Aktivitäten in anschaulicher Weise darzustellen, so dass auf einen Blick erkennbar wird, wie die Handlungsstränge verlaufen. In beiden geschilderten Fällen wurden keine fertigen Endprodukte wie zum Beispiel Raketen oder Waffen gehandelt, sondern Navigationsgeräte, Steuerungselektronik, Kompressoren usw., die für den Außenstehenden häufig unverdächtig sind (sogenannte "Dual-use-Güter"). Manchmal erfordert es spezielles Fachwissen, um beurteilen zu können, dass elektronische Geräte, die wir aus dem Alltagsgebrauch kennen, auch in anderem Zusammenhang, z.B. bei der Trägertechnologie für Massenvernichtungswaffen, Verwendung finden können. Die Beispiele zeigen deutlich, dass der durch den Iran nachrichtendienstlich gesteuerte Warentransfer ein sehr wichtiges 28 spionAgEAbwEhr Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Beobachtungsfeld ist. Die Spionageabwehr muss dabei ihre Methoden kontinuierlich der sich ständig ändernden Vorgehensweise des nachrichtendienstlichen Gegners anpassen. Manchmal entsteht dadurch etwas Zeitverzug, aber häufig gelingt doch die rechtzeitige Verhinderung eines Exports im vernetzten Zusammenspiel mit den anderen zuständigen Behörden (Bundesausfuhramt, Zollkriminalamt, Bundesnachrichtendienst, Bundeskriminalamt, Bundesamt für Verfassungsschutz). 83 Ferner Osten 831 China Die Volksrepublik China unterhält in Deutschland neben der zweitgrößten Botschaft innerhalb der Europäischen Union in Berlin noch drei Generalkonsulate in Hamburg, München und Frankfurt mit einem insgesamt hohen Anteil an getarnten nachrichtendienstlichen Mitarbeitern. Diese Agenten, die unter anderem dem Ministerium für Staatssicherheit (MSS) oder dem Militärischen Nachrichtendienst (MID) angehören, sind in der Bundesrepublik vorwiegend in der Beschaffung von sensiblen Daten aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung, aber auch in der "klassischen" Aufklärung der Bereiche Politik und militärische Rüstung aktiv. Zur Beschaffung geschützter Informationen aus Wirtschaft und Wissenschaft setzen die chinesischen Nachrichtendienste zusätzlich geheime Mitarbeiter wie chinesische Studenten und Gastwissenschaftler an Universitäten und privaten wie öffentlichen Hochschulen oder chinesische Praktikanten und Diplomanden in Unternehmen der prosperierenden NRW-Wirtschaft ein. Diese Personengruppen werden anlassbezogen in die Legalresidenturen,zum Beispiel in die Chinesische Botschaft - eingeladen und dort aufgefordert, ihre hier erworbenen Kenntnisse dem chinesischen Staat zur Verfügung zu stellen, wobei die Zustimmung der jeweiligen Beschäftigungsbereiche ausdrücklich außen vor gelassen wird. Diese Aktivitäten spielen sich vor dem Hintergrund ab, dass China sich das Ziel gesetzt hat, bis spätestens zum Jahr 2020 im Hochtechnologiebereich Weltwirtschaftsführer zu werden und dabei die USA auf den zweiten Platz zu verweisen. Die Bundesagentur für Außenwirtschaft (bfai) äußert sich hierzu in der Ausgabe Oktober/November 200 ihrer Zeitschrift "markets" wie folgt: "China will Hightech auf Weltklasseniveau produzieren. Ohne Technologieund Know-how-Transfer aus dem Ausland geben Kenner dem Vorhaben kaum Chancen." spionAgEAbwEhr 29 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Darüber hinaus kontrollieren die hier agierenden chinesischen Nachrichtendienste schwerpunktmäßig die chinesische Oppositionellenszene im Bundesgebiet, die eine zügige Demokratisierung Chinas fordern, wie auch diejenigen Oppositionellen, die von den chinesischen Machthabern als Terroristen angesehen werden, zum Beispiel 'Falun Gong' Anhänger. 832 Nordkorea Die nordkoreanische Regierung ist weiterhin bemüht, auf den führenden Technologiemärkten in den westlichen Industrieländern, so auch in der Bundesrepublik Deutschland, Erzeugnisse zur Fortentwicklung ihres Rüstungsprogramms zu beschaffen. In den bekannt gewordenen Fällen handelt es sich um Werkstoffe und Technologien, oft auch um komplette Maschinen, die als "Dual use"-Güter, also Güter mit sowohl ziviler als auch militärischer Nutzung oder als proliferationsrelevant eingestuft und entsprechend ausfuhrbehindert sind. Ausschlaggebend für das starke Interesse Nordkoreas an Produkten aus der Bundesrepublik ist dabei das hohe Qualitätsniveau. Da eine Vielzahl von Marktführern bestimmter Technologien und Unternehmen der High-Tech-Branche ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen haben, liegt das Land im besonderen Fokus der Beschaffungsaktivitäten nordkoreanischer Nachrichtendienste, vorrangig des militärischen Nachrichtendienstes. Dazu bedienen sie sich sowohl eigener und an die Nachrichtendienste angebundener Firmenstrukturen und Einzelpersonen als auch der Unterstützung ihrer diplomatischen Vertretungen. Auch in 2006 konnten diverse Versuche festgestellt werden, bei denen fremde Firmen, die nachweislich in Proliferationsgeschäfte eingebunden waren, versucht haben, exportbeschränkte Waren bei nordrhein-westfälischen Unternehmen zu erlangen. Deswegen hat der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz auch in dem abgelaufenen Jahr seine Erkenntnisse und Erfahrungen aus diesen Beschaffungsbemühungen in die Sensibilisierung von entsprechenden NRW-Unternehmen einfließen lassen. Nicht zuletzt ist dies auch ein Schutz für die einheimische Wirtschaft, die davor bewahrt wird, unverschuldet mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen. Neben der Beschaffung von Gütern ist auch die Beschaffung von Know-how zur Nutzung neuester Technologien ein Element nordkoreanischer Spionageaktivitäten. In dem Bestreben der nordkoreanischen Machthaber, den Forschungsund Entwicklungsvorsprung zu minimieren, stehen auch nordrhein-westfälische HochtechnologieUnternehmen sowie Hochschulen und Forschungseinrichtungen im Zielspektrum. Ähnlich wie die Chinesen setzen die Nordkoreaner hierfür auch gezielt Gastwissenschaftler, Studenten oder Praktikanten ein. Im Rahmen seines Sensibilisierungspro20 spionAgEAbwEhr Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 gramms warnte der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz die einheimischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen auch vor solchen Gefahren. Neben diesen Aktivitäten beobachtet der nordkoreanische zivile Nachrichtendienst MfSS (Ministerium für Staatssicherheit) die hier lebenden eigenen Landsleute. Dazu gehört die gezielte Ansprache und Aufforderung zur Unterstützung der Regimeinteressen ebenso wie die Ausforschung Oppositioneller. 84 Russische Föderation und andere Mitglieder der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) 841 Nachrichtendienste der Russischen Föderation Die im Jahr 200 eingeleitete Umstrukturierung der Nachrichtendienste der Russischen Föderation scheint nunmehr abgeschlossen. Die Reform weist deutliche Anzeichen einer erneuten Zentralisierung der Dienste auf. Insbesondere dem Inlandsnachrichtendienst wurden weitreichende Kompetenzen eingeräumt. Von den ursprünglichen sechs Diensten, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 99 aus KGB und GRU gebildet wurden, existieren heute noch: FSB - 'Federalnaja Slushba Besopasnosti' (Föderaler Sicherheitsdienst - Inlandsnachrichtendienst) Leiter des FSB ist Nikolaj Patruschew. Die Aufgaben dieses Dienstes ergeben sich aus dem Gesetz über die Organe des Föderalen Sicherheitsdienstes. Danach ist der FSB unter anderem für die zivile und militärische Spionageabwehr zuständig. Seine Aufgaben zur Bekämpfung von Terrorismus und Organisierter Kriminalität ermöglichen ihm zudem auch Einsätze im Ausland. Die Aufgabe des Schutzes der russischen Staatsgrenzen befähigt ihn zur Kontrolle aller einund ausreisenden Personen. Im Rahmen seiner Abwehrfunktion hat er einen ständigen Zugriff auf den Datenund sonstigen Kommunikationsverkehr. Zum Schutz der russischen Industrie und der Bekämpfung von Wirtschaftsverbrechen unterhält der Dienst eine eigene Abteilung. Somit müssen auch ausländische Staatsangehörige in der Russischen Föderation davon ausgehen, nachrichtendienstlich überwacht zu werden. Dem FSB werden ca. 0.000 Mitarbeiter zugeordnet. spionAgEAbwEhr 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 SWR - 'Slushba Wneschnej Raswedkij' (Ziviler Auslandsnachrichtendienst) Der SWR wird geleitet von Sergej Lebedew. Die Kompetenzen des SWR sind im Gesetz der russischen Föderation über die Auslandsaufklärung geregelt. Danach ist der Dienst vorrangig für die Aufklärung in den Bereichen Politik, Wirtschaft sowie Wissenschaft und Technologie zuständig. Seit der Umstrukturierung nimmt er auch Aufgaben im Bereich der Fernmeldeaufklärung wahr. Darüber hinaus wirkt er bei der Bekämpfung der Proliferation und des Terrorismus mit. Ein weiteres Ziel ist die Ausforschung der Arbeitsmethoden und Aktivitäten fremder Nachrichtendienste. Operationen des Dienstes werden zentral von Moskau oder aber aus den jeweiligen Legalresidenturen im Ausland geführt. Der SWR verfügt in seiner Gesamtstruktur über Regional-Departments, unter anderem auch für Mittelund Osteuropa (zum Beispiel Deutschland, Österreich) sowie über Verwaltungen, unter anderem für Ökonomie und Wissenschaft und Technik. Dem SWR werden mehr als .000 Mitarbeiter zugeordnet. GRU - 'Glawnoje Raswediwatelnoje Uprawlenije' (Militärischer Auslandsnachrichtendienst) Der GRU wird geleitet von Armeegeneral Walentin Korabelnikow und ist direkt dem Verteidigungsminister unterstellt. Die Aufgaben dieses Dienstes umfassen die Aufklärung des gesamten militärischen Bereichs. Dazu gehört neben der NATO zum Beispiel auch die deutsche Bundeswehr. Von besonderem Interesse ist für den GRU die Rüstungsindustrie sowie die sonstige militärisch nutzbare Technologie. Die Struktur des Dienstes unterlag im Gegensatz zu den anderen Diensten nicht der Reform und ist seit Jahren fast unverändert. So gibt es neben den Verwaltungen für verschiedene Länderbereiche auch eine Verwaltung für Industriespionage. Im November 2006 weihte Präsident Putin das neue Hauptquartier in Moskau ein. Der Dienst verfügt über ca. 2.000 Mitarbeiter. Als weiterer Nachrichtendienst sei an dieser Stelle noch der FSO - 'Federalnaja Sluschba Ochrany' (Föderaler Bewachungsdienst) erwähnt, dessen Hauptaufgabe der Schutz des Präsidenten und der russischen Regierung ist. 22 spionAgEAbwEhr Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Im Rahmen ihrer Aufgaben beschaffen die russischen Nachrichtendienste in Deutschland generell Informationen aus den Zielbereichen Politik, Militär, Wirtschaft sowie Wissenschaft und Technologie. Darüber hinaus setzen sie konkrete Beschaffungsaufträge um, die ihnen aus den Zentralen aufgrund aktueller Ereignisse oder Entwicklungen erteilt werden. Um den Geheimdiensten beste Voraussetzungen für eine erfolgreiche Tätigkeit zu verschaffen, werden in der Russischen Föderation kontinuierlich Gesetze erlassen bzw. reformiert, zum Beispiel das Anti-Terror-Gesetz, das Gesetz zur Überwachung des Internets, das Gesetz zur Kontrolle von Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs), die die Kompetenzen der Nachrichtendienste erweitern und deren personelle und finanzielle Ausstattung verbessern. Aussagen von Präsident Putin, wie etwa: "Geheimdienste müssen einheimische Unternehmen im Ausland unterstützen. [...] sollten der SWR und andere russische Geheimdienste ihr technisches und intellektuelles Potential aktiver einsetzen." (Artikel in Ria Novosti vom 20. Dezember 200) "Ich denke, dass der Staat bei der Beschaffung moderner Technologien aus dem Ausland unterstützend tätig sein muss." (Auszug aus der Rede von Präsident Putin zur Lage der Nation im Mai 2006 - www.uni-kassel.de) heben die Bedeutung und den Stellenwert der Nachrichtendienste zusehends. Erst im Februar 2006 hat Präsident Putin dem FSB mit Errichtung des Nationalen AntiTerror-Komitees unter der Führung dieses Inlandsdienstes zusätzlich weitreichende Kompetenzen bis in die Provinzregionen verschafft und das Personal erneut aufgestockt. Die Nachrichtendienste sind so wieder zu einem wichtigen Instrument für die politische und militärische Führung des Landes geworden und unterstützen die russische Regierung darin, politische, wirtschaftliche und militärische Entwicklungen im Ausland frühzeitig zu erkennen und zu bewerten. Dies belegt die folgende Äußerung von Präsident Putin: "die Angaben, analytischen Beurteilungen und Prognosen, die vom SWR geliefert werden, (werden) den wichtigsten staatlichen Entscheidungen zu Grunde gelegt." (Artikel in Ria Novosti vom 20. Dezember 200) Die seit Jahren positive politische und wirtschaftliche Entwicklung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation sollte daher nicht darüber hinweg täuschen, dass die russischen Nachrichtendienste aktive Spionage in Deutschland und auch in Nordrhein-Westfalen betreiben. spionAgEAbwEhr 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Dies wird nicht zuletzt durch die nach wie vor hohe Anzahl von nachrichtendienstlichem Personal an den Auslandsvertretungen Russlands und zum Beispiel auch durch die Enttarnung eines GRU-Offiziers im Jahr 2004 belegt. International bekannt gewordene Fälle (unter anderem die Festnahme eines russischen Gastwissenschaftlers aus dem Bereich der Gentechnologie im Februar 2006 in Schweden wegen Verdachts der Spionage) weisen ebenso deutlich auf die Anwesenheit und Tätigkeit von nachrichtendienstlichem Personal der Russischen Föderation im Ausland hin. 842 Nachrichtendienste der übrigen Mitglieder der GUS Die übrigen Mitglieder der GUS errichteten nach dem Zusammenbruch der früheren Sowjetunion ebenfalls eigene Nachrichtenund Sicherheitsdienste, die im Verlauf der letzten Jahre mehr oder weniger umstrukturiert wurden. Der Aufgabenschwerpunkt liegt bei diesen Diensten in der Spionageabwehr und der inneren Sicherheit. Aber dennoch sind zum Beispiel die Ukraine und Belarus auch mit nachrichtendienstlichem Personal in der Bundesrepublik Deutschland vertreten. Dass auch im weißrussischen Staat die Nachrichtendienste einen hohen Stellenwert erlangt haben, belegt unter anderem folgende Äußerung des Präsidenten Lukaschenko, der im Dezember 200 meinte: "die Menschen müssen wissen, dass wir einen mächtigen Sicherheitsdienst schaffen werden, um die Interessen des Staates und unseres Volkes zu schützen. Das ist das Wichtigste." (Artikel aus "Belarusnews" vom 2. Dezember 200) Die Ukraine verfügt neben einem zivilen Inlandsdienst und einem militärischen Auslandsdienst seit Ende 200 auch über einen zivilen Auslandsnachrichtendienst, dessen Aufklärungsschwerpunkte in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie sowie in der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und des internationalen Terrorismus liegen. 85 Abwehr von Wirtschaftsspionage Die politische und wirtschaftliche Rolle eines Staates im internationalen Wettbewerb hängt heute mehr denn je von seiner Wirtschaftskraft ab. Die Bundesrepublik Deutschland mit ihrem hohen Standard in den Bereichen Wirtschaft sowie Wissenschaft und Forschung und besonders das exportstarke Land Nordrhein-Westfalen weckt daher die Begehrlichkeiten anderer Nationen. 2 spionAgEAbwEhr Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Tagung "Wirtschaftsschutz in Nordrhein-Westfalen - 2006" Am . Mai informierte eine Veranstaltung im Innenministerium NRW über die Gefahren, die von Wirtschaftsspionage, Sabotage und Extremismus für die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen ausgehen: Know-how-Verluste von deutschen Unternehmen, Gefährdung durch Terroranschläge und Sabotage, Angriffe auf firmeninterne Datennetze sowie Umsatzund Gewinneinbußen durch Plagiate, fast täglich wird unsere Wirtschaft mit diesen Schlagzeilen konfrontiert. Die Frage, ob auch die eigene Firma davon betroffen sein kann und wie man sie vor solchen Angriffen schützt, ist eine unternehmerische HeInnenminister Dr. Ingo Wolf rausforderung, die Entscheidungen auf einer möglichst breieröffnet die Tagung ten Informationsbasis erfordert. Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen hatte zu diesem Thema eingeladen, und rund 20 Vertreterinnen und Vertreter nordrhein-westfälischer, bundesdeutscher und internationaler Unternehmen nahmen die Einladung an. Sie erhielten aktuelle Lageeinschätzungen und Informationen über längerfristige Entwicklungen. Daneben konnten sie von den Erfahrungen profitieren, die Praktiker mit ihren eigenen geschäftlichen Aktivitäten vor Ort gemacht haben. Der bis auf den letzten Platz besetzte Tagungsraum belegte den Bedarf an derartigen Veranstaltungen. Nach der Begrüßung durch NRW-Innenminister Dr. Ingo Wolf referierten Dr. Hartwig Möller (Leiter Verfassungsschutz NRW) über die aktuelle Situation im Rechtsund Linksextremismus sowie Dr. Korkut Bugday über die Bedrohung durch den Islamismus. Carl Heinrich von Bauer (damaliger Leiter Spionageabwehr NRW) stellte die Gefährdung durch Wirtschaftsspionage dar.. Mit ihrem informativen Vortrag sensibilisierten Sascha Hanke (Chief Security Advisor, Microsoft Deutschland GmbH) und Tobias Schrödel (T-Systems Business Services GmbH) für die Vielzahl von Sicherheitslücken in der modernen ITund Kommunikationstechnik. Nicht wenige Teilnehmerinnen und Teilnehmer griffen danach erschrocken zu ihrem Laptop oder Handy, um dessen S. Hanke und T. Schrödel bei ihrem Sicherheitseinstellungen zu überprüfen Vortrag Zum Abschluss der Veranstaltung warnte Andreas Blume (Leiter Kompetenzzentrum VR China, IHK Pfalz) eindrucksvoll vor dem "Haifischbecken China" und der GespionAgEAbwEhr 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 fahr durch Know-how-Abfluss bei Geschäftsbeziehungen dorthin. Nach der Veranstaltung zog Minister Dr. Ingo Wolf ein positives Fazit: "Deutschland ist mit seinem hohen Standard in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung ein lohnendes Ziel für Spionage. Es ist mir wichtig, dass die Wirtschaft in unserem Land bei ihren Geschäftsbeziehungen erfolgreich agieren kann. Dazu muss sie auch über Gefahren aufgeklärt werden. Mit dieser Veranstaltung, die Wissen von Verfassungsschutz und Praktikern der Wirtschaft bündelt, haben wir einen guten Beitrag dazu geleistet. Die positive Resonanz ermutigt uns, dieses Angebot fortzusetzen." Messen Daneben war der Verfassungsschutz zu diesem Thema auf nachfolgenden Messeveranstaltungen mit einem Stand vertreten: : Die CeBit in Hannover ist die weltweit größte Messe zur Darstellung digitaler Lösungen aus der Informationsund Kommunikationstechnik für die Arbeitsund Lebenswelt. Besucherzielgruppen sind unter anderem Anwender aus Industrie, Handel, Handwerk, Banken und dem Dienstleistungsgewerbe. : Die Security in Essen ist die Weltmesse für Sicherheit und Brandschutz. Vom 0. - . Oktober 2006 wurde sie von 0.600 Fachbesuchern aus 6 Nationen besucht. : Der . IHK-Außenwirtschaftstag NRW am 9.0.2006 in Düsseldorf fand im Hinblick auf die asiatischen Wachstumsmärkte unter der Beteiligung von über .00 Teilnehmern und 60 Ausstellern unter dem Motto "Mit Drachen, Tigern und Elefanten tanzen" statt. Bei diesen Veranstaltungen bestand die Gelegenheit, einem breiten Publikum das Beratungsangebot der Spionageabwehr vorzustellen. Die angebotenen Informationen fanden bei den Vertretern der Wirtschaft ein lebhaftes Interesse. So konnten auch zahlreiche Besucher, zu denen bisher noch kein Kontakt bestand, für die Gefahren durch Wirtschaftsspionage sensibilisiert werden. Auf Grund der positiven Erfahrungen wird der Verfassungsschutz auch in 2007 bei einigen Messen vertreten sein, beispielsweise bei der Hannover Messe vom 6. - 20. April 2007 und der Public Private Security (PPS) vom 2. - . Juni 2007. 26 spionAgEAbwEhr Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Flyer Das Informationsangebot für die Wirtschaft wurde außerdem durch zwei neue Flyer erweitert: "Sicherheitspartnerschaft Nordrhein-Westfalen" stellt die am 26. Oktober 200 geschlossene Vereinbarung zwischen dem Innenministerium Nordrhein-Westfalen, dem Wirtschaftsministerium Nordrhein-Westfalen, dem Verband für Sicherheit in der Wirtschaft Nordrhein-Westfalen und der Vereinigung der Industrieund Handelskammern in Nordrhein-Westfalen vor. Seit nunmehr fünf Jahren arbeiten die Partner vertrauensvoll zusammen bei der Bekämpfung von Know-how-Diebstahl, Markenund Produktpiraterie. Zunehmend steht dabei auch der Angriff auf innerbetriebliche IT-Systeme im Focus. Der regelmäßige Informationsaustausch stellt einen wichtigen Baustein in der Stärkung des Wirtschaftsstandorts Nordrhein-Westfalen dar. Der Flyer "Wirtschaftsspionage durch Diebstahl und Einbruchdiebstahl", bei dessen Erstellung Erkenntnisse aus den Kontakten des Verfassungsschutzes mit der nordrhein-westfälischen Wirtschaft und den Polizeibehörden genutzt wurden, enthält Beispiele von Einbruchsdelikten und nennt konkrete Anhaltspunkte, die auf einen Know-how-Diebstahl hindeuten. So drangen Täter in einem mehrstöckigen Firmengebäude gezielt in die achte Etage ein und entwendeten dort ausgewählte Datenträger. Andere lohnende Beutestücke wie Flachbildschirme, Notebooks oder Bargeld ließen sie dabei außer Acht. Sensibilisierung der Polizei für Wirtschaftsspionagedelikte Im Rahmen der Ausund Fortbildung der Polizei wurden die Polizeibeamten durch eine Reihe von Vorträgen dafür sensibilisiert, dass Straftaten in bestimmten Deliktsbereichen, zum Beispiel bei Diebstahlsund Einbruchsdelikten oder Delikte im Bereich der Wirtschaftskriminalität einen Spionagehintergrund haben können. Bei Einzelberatungen sowie bei Vortragsveranstaltungen, zu denen die Wirtschaft geladen hatte, wurden über 2.000 Wirtschaftvertreter erreicht. Auch das macht die Reputation deutlich, die das Beratungsangebot der Spionageabwehr Nordrhein-Westfalen inzwischen genießt. Die zunehmende Sensibilität der Wirtschaft in Fragen des Datenschutzes zeigt sich auch in den gestiegenen Zugriffszahlen auf den bundesweit einzigen Online-Test "Wirtschaftsspionage - ist mein Unternehmen gefährdet?", den der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen im Internet bereitstellt (www.im.nrw.de/wirtschaftsspionage). spionAgEAbwEhr 27 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Die positive Resonanz auf ihre Arbeit bestätigt die Spionageabwehr Nordrhein-Westfalen in der Überzeugung, dass in der Wirtschaft ein Bedarf an seriöser Information zu diesem Thema besteht und dass die Firmen künftig in noch stärkerem Maße bereit sein werden, die gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse des Verfassungsschutzes in Anspruch zu nehmen und in Sicherheitsmaßnahmen umzusetzen. 86 Zum Schluss Auch in diesem Jahr bitten wir Sie wieder um Ihre Unterstützung. Sollten Sie Kenntnis von Spionageversuchen oder den Verdacht bzw. Anhaltspunkte dafür haben, zögern Sie bitte nicht, den Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen zu informieren. Im Unterschied zu Polizei und anderen Strafverfolgungsbehörden arbeitet der Verfassungsschutz nach dem Opportunitätsprinzip. Dies bedeutet für Sie, dass Informationen auch vertraulich behandelt werden können und nicht zwangsläufig zu einem offiziellen Ermittlungsverfahren führen. Wir sind für ein vertrauensvolles Gespräch wie folgt erreichbar: Telefon: 02/87-282 E-Mail: abteilung-vi@im.nrw.de 28 spionAgEAbwEhr Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 9 Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen 91 Aufbau, Organisation, Haushalt, Personal Entsprechend dem föderativen Aufbau gibt es in allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland eine Verfassungsschutzbehörde. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in Köln nimmt die Aufgaben einer Zentralstelle auf Bundesebene wahr. Die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern sind gesetzlich zur Zusammenarbeit verpflichtet. Verfassungsschutzbehörde für das Land Nordrhein-Westfalen ist seit 99 das Innenministerium (SS 2 Abs. Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen - VSG NRW). Für den Verfassungsschutz ist die Abteilung 6 des Innenministeriums zuständig. Im Jahr 2006 standen für Aufgaben des Verfassungsschutzes 7 Stellen sowie Sachund Investitionsmittel von ,9 Millionen Euro zur Verfügung. Verarbeitung personenbezogener Daten Die Verfassungsschutzbehörde NRW darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben personenbezogene Daten unter anderem in Dateien verarbeiten. Dies erfolgt vor allem mit Hilfe zweier Instrumente: Der "Personen-Informations-Datei" der Verfassungsschutzbehörde NRW zur eigenen Aufgabenerfüllung und dem "Nachrichtendienstlichen Informationssystem" (NADIS) der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder. Die nordrhein-westfälische Verfassungsschutzbehörde übermittelt dem Bundesamt für Verfassungsschutz beziehungsweise den Landesverfassungsschutzbehörden die für deren Aufgabenerfüllung erforderlichen Daten. Zum Zweck der gegenseitigen Unterrichtung haben die Verfassungsschutzbehörden nach SS 6 Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) eine gemeinsame Datenbank, das sogenannte "Nachrichtendienstliche Informationssystem" errichtet, die beim Bundesamt für Verfassungsschutz geführt wird. Alle Verfassungsschutzbehörden dürfen Daten in das NADIS einstellen und von dort abrufen. Aus Datenschutzgründen kann aus dem NADIS nur erkannt werden, ob über eine Person Erkenntnisse vorliegen, nicht aber, was bekannt ist. Das NADIS enthält lediglich personenbezogene Grunddaten wie Name, Vorname, Geburtsort, Staatsangehörigkeit und Anschrift, außerdem einen Hinweis auf die Behörde, die den Datensatz in die Datenbank eingestellt hat. Texte oder Kürzel, die etwas über die Erkenntnisse der für die Einstellung verantwortlichen VerfassungsVErFAssungsschutZ in nrw 29 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 schutzbehörde aussagen, gehören nicht dazu. Hat eine andere Verfassungsschutzbehörde ein Interesse an Sachinformationen, so muss sie im Einzelfall bei der Behörde nachfragen, die den Datensatz eingestellt hat. Das NADIS ist also eine Hinweisdatei, aus der lediglich zu entnehmen ist, ob - und gegebenenfalls wo - über eine bestimmte Person Akten, also Aufzeichnungen über Sachverhalte, vorliegen. Das NADIS ist aufgrund seiner Konzeption nicht in der Lage, den "gläsernen Menschen" zu schaffen. NADIS-Speicherungen Nordrhein-Westfalen hatte Ende des Jahres 2006 rund 0.00 Personen im NADIS gespeichert. Fast 70% der Erfassungen erfolgten im Zusammenhang mit Sicherheitsüberprüfungen. Sicherheitsüberprüft und daraufhin im NADIS gespeichert werden Personen, die in sicherheitsempfindlichen Bereichen von Wirtschaft und Verwaltung tätig sind. Die Zahl derjenigen gespeicherten Personen, die mit Erkenntnissen über extremistische beziehungsweise terroristische Aktivitäten oder mit Agententätigkeit in Zusammenhang gebracht werden, beträgt knapp 9% aller Speicherungen oder rund .00. 92 Verfassungsschutz durch Aufklärung - Öffentlichkeitsarbeit Informierte, aufgeklärte und demokratische Bürgerinnen und Bürger treten für die Demokratie und gegen ihre Gegner ein und tragen so dazu bei, unsere Demokratie und ihre Grundwerte zu schützen und zu stärken. In diesem Sinne sind aufgeklärte Bürgerinnen und Bürger der eigentliche Verfassungsschutz. Die Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen zu informieren und aufzuklären, gehört schon seit Jahren zu den Hauptaufgaben des Verfassungsschutzes. "Verfassungsschutz durch Aufklärung" ist jedoch nicht nur ein Arbeitsauftrag, sondern ein besonderes Anliegen. Damit die Öffentlichkeit Anzeichen für Extremismus erkennen kann, setzt der NRWVerfassungsschutz auf eine intensive Aufklärungsarbeit und bietet eine breite Palette verschiedener Informationsmaterialien an. Dazu gehören Vorträge an Schulen, Broschüren und ein ständig erweitertes Informationsangebot im Internet. Jahresbericht/Zwischenbericht Einen wichtigen, alle verfassungsschutzrelevanten Themen umfassenden Aufklärungsbeitrag liefern der seit 978 regelmäßig im Frühjahr erscheinende Jahresbericht und der im Herbst herausgegebene Zwischenbericht. Die Berichte dienen inzwischen 20 VErFAssungsschutZ in nrw Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Gerichten und Behörden als Standardnachschlagewerke. Sie werden aber auch von der interessierten Öffentlichkeit stark nachgefragt. Online-Handbuch des Verfassungsschutzes NRW Der Verfassungsschutz NRW nutzt seit Jahren die Möglichkeiten des Internets, um der drastischen Zunahme extremistischer Angebote ein qualifiziertes Gegengewicht entgegenzustellen. Seit Ende 200 erfahren Internet-Nutzer unter www.im.nrw.de/verfassungsschutz, was sie schon immer vom beziehungsweise über den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz wissen wollten. Das "Online-Handbuch" stellt Wissenswertes über den Verfassungsschutz und seine Aufgaben überschaubar in sieben Kapiteln dar. Wir informieren nicht nur über die Grundlagen des Verfassungsschutzes und zeigen, wer uns kontrolliert, sondern auch über die Gefahren des Rechts-, Linksund Ausländerextremismus, über Islamismus, Spionageabwehr und Geheimschutz. Insgesamt erläutern wir gut 200 Stichworte zum gesamten politischen Extremismus und zur Spionageabwehr. Die Ideologieelemente, die die einzelnen Extremismusbereiche kennzeichnen, werden ebenso kompakt und verständlich dargestellt wie historische Entwicklungen. Falls Sie also zum Beispiel wissen wollen, was "national befreite Zonen" sind oder was hinter der 'al-Qaida' steckt, besuchen Sie uns im Internet. Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen ist für Sie auch per E-Mail erreichbar (kontakt.verfassungsschutz@im.nrw.de). Auf diesem schnellen Weg können Sie nicht nur Publikationen, Poster und Flyer bestellen, sondern auch Fragen stellen, Kritik üben und Anregungen geben. Aktuelle Publikationen Wer Informationen zu den aktuellen Themenschwerpunkten des Verfassungsschutzes sucht, findet Berichte und Broschüren über den "Islamischen Extremismus" und ein breites Angebot zur Aufklärung über den Rechtsextremismus, darunter die Broschüre "Musik, Mode, Markenzeichen", die sich unter anderem mit Outfits und Codes rechtsextremistisch orientierter Jugendlicher beschäftigt. Sie zeigt anhand welcher Symbole, Musik oder Kleidungsstücke eine rechtsextremistische Orientierung erVErFAssungsschutZ in nrw 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Yerfossungschurrberichn des Landes Mordrhein-Westfalen iiber alas Jahr 20615 252 VERFASSUNGSSCHUTZ N NRW Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 kannt werden kann und geht der Frage nach, was strafbar ist und welche Bands rassistische Propaganda verbreiten. Diese und andere Dokumente sind - jeweils in ihrer aktuellen Fassung - unter www.im.nrw.de/verfassungsschutz abgelegt. Aufklärung mit einem Comic - "Andi" ist ein voller Erfolg Im September 200 nutzte der Verfassungsschutz NRW mit dem Bildungscomic "Andi - Tage wie dieser" einen neuartigen Weg, um die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus gerade unter den Jugendlichen in NRW zu fördern. "Andi" Comic zeigt, was Grundrechte, Rechtsstaat, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit im Schulalltag konkret bedeuten. Durch die Konfrontation mit Widersprüchen zeigen die Helden des Comics, das hinter rechtsextremistischen Parolen oft die historische Verklärung von Verbrechen, gefährliche Selbstdarsteller und Geschäftemacher stecken. Der Anhang zum Comic erklärt rechtsextremistische Zeichen und Symbole. Der Comic ist von nordrhein-westfälischen Schulen rege nachgefragt worden. Aber auch weit über die Landesgrenzen hinaus wurde er bestellt. Dieser Zuspruch - die erste Auflage von 100.000 Stück war nach 4 Monaten vergriffen - zeigt uns, dass wir mit dem Comic den Bedarf an den Schulen und Jugendeinrichtungen getroffen haben. Die Rückmeldungen zeigen, dass Lehrerinnen und Lehrer einen "leichten" und fundierten Zugang zum Thema gesucht haben, den sie im Unterricht vertiefen können. Jugendkongress Der Verfassungsschutz NRW hat im April 2006 in Dortmund einen Jugendkongress organisiert, um jungen Menschen eine Möglichkeit zu geben, sich persönlich und aktiv über das Themenfeld "Rechtsextremismus" zu informieren und begleitende Projekte mit professioneller Hilfe umzusetzen. Unter dem Motto "Wir im Revier: für Demokratie - gegen Rechtsextremismus" sollten gerade junge Menschen aufgeklärt und sensibilisiert werden sowie Unterstützung zur eigenen Initiative gegeben werden. Der Tag wurde vom Innenminister Dr. Ingo Wolf und von der Ministerin für Schule VErFAssungsschutZ in nrw 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 und Weiterbildung, Frau Barbara Sommer, eröffnet und von Prominenten begleitet. Viele Organisationen und Initiativen unterstützten den Kongress und trugen zu einem erfolgreichen und lebendigen Tag bei. Nicht nur die Vorträge und Workshops des Tages waren interessant; beeindruckt haben vor allem die Ergebnisse, die die jungen Teilnehmer in kurzer Zeit mit ihren kreativen Ideen produziert haben. So entstanden unter anderem Kurzfilme, die auf der Webseite www.andi.nrw.de/Projekte/Jugendkongress.htm des Innenministeriums NRW zum Download angeboten werden. Die Erfahrungen im Zusammenhang mit der Organisation einer solchen Veranstaltung werden bei Bedarf zur Verfügung gestellt, um ähnliche Initiativen die Planungsarbeit zu erleichtern. Der Verfassungsschutz NRW plant zusammen mit der Landeszentrale für politische Bildung auch für 2007 wieder einen Jugendkongress. Er soll im Herbst des Jahres stattfinden und wird erneut vielen Schülerinnen und Schülern aus NRW die Möglichkeit geben, mit Hilfe kreativer Konzepte das Thema Rechtsextremismus zu verarbeiten. Diesem Kongress werden fünf "Präventionstage" in den Regierungsbezirken vorausgehen. Vortragsund Diskussionsveranstaltungen Zur Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes NRW gehört auch die Teilnahme an Vortragsund Diskussionsveranstaltungen für Multiplikatoren, Bildungseinrichtungen verschiedener Art und in Schulen sowie bei Verbänden und Stiftungen. Aktuell werden Vorträge zum Rechtsextremismus und zum Rechtsextremismus im Internet stark nachgefragt. Die Bekämpfung verfassungsfeindlicher Bestrebungen kann nur erfolgreich sein, wenn sie auf mehreren Ebenen und damit gesamtgesellschaftlich erfolgt. Daher muss das Wissen des Verfassungsschutzes insbesondere für die Meinungsbildung bei den Verantwortlichen in Staat und Gesellschaft nutzbar gemacht werden. Aus diesem Grund wurde der Verfassungsschutz durch wissenschaftliche Mitarbeiter verstärkt. Das Wissen des Verfassungsschutzes ist in den vorgestellten Aufklärungsmaterialien für die Öffentlichkeit aufbereitet worden. Informierte und aufgeklärte Bürgerinnen und Bürger können sich wirksamer für unsere Demokratie engagieren beziehungsweise extremistischen Bestrebungen entgegentreten und so dazu beitragen, dass ein gesamtgesellschaftliches Klima entsteht, das von Toleranz und Zivilcourage geprägt ist. Dies ist der beste Verfassungsschutz. 2 VErFAssungsschutZ in nrw Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 26 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 0 Stichwortverzeichnis A Avrupa Milli Görüs Teskilatlari (AMGT) 208, 20 Abu Hafs al-Masri-Brigaden 7 Aydar, Zübeyir , 0, 7 Adalet ve Kalkinma Partisi (AKP) 209 al-Aziz Rantissi, Abd 92 adil düzen 208 ff. Agitator 7 B Akef, Mohammed Mahdi 20 al-Baghdadi, Abdallah Raschid 79 Aktionsbüro Norddeutschland 67 al-Banna, Hassan 20 Al-Aqsa e.V. 9 Barika-i Hakikat 27, 22 al-Arabiya 7 Basayev, Schamil 89 al-Jazeera 7, 80 f. batil düzen 208, 2 al-Manar 98 Beisicht, Markus 79 al-Qaida 22 ff., 69, 7 ff., Beklenen Asr-i Saadet 27, 29, 22 9, 206, 2 Bestattungskostenvereinigung al-Sahab 8 (BKUV) 209 Al-Tawhid 2, 77, 9 BfD 77, 78 Albanische Nationalarmee (AKSh) 6 Binalshibh, Ramzi 8 Allawi, Iyad 2, 67 bin Ladin, Usama 2, 69 ff., 9, 206 Amal-Bewegung 96 f. Blood & Honour 60, 6 f. Anadolu Genclik Dernegi 208, 2 Borchardt, Siegfried 7 Anatolische Föderation e. V. Köln 29 Branghofer, Max 7 Ansar al-Islam (AAI) 22, 7, 86 ff. Bund für Gesamtdeutschland (BGD) 77 Antifa OWL 6 Bürgerbewegung für Kryo-Recycling Antiimperialisten 9, 9 und Kreislaufwirtschaft Arbeit & soziale Gerechtigkeit - Die Bürgerbewegung pro Köln e.V., siehe Wahlalternative, siehe WASG Pro Köln Arbeiterkommunistische Partei Iran (API) 6 ff., 2 C Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), siehe auch KONGRA-GEL 20, ff., Carpe Diem 7 0 ff., 8, 0, 227, 2 Ciwanen Azad , Atta, Muhammad 8 Collegium Humanum - AUF 29, 0, 09, , Akademie für Umwelt und Autonome Nationalisten 7 Lebensschutz e.V. (CH) 8 27 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Combat 8 6 f. DVU 6, 29, 0, 66, 70 f., 7 ff Courage , DVU-Liste D 7 D E DA'WA-Partei 97 Engel, Stefan 0 ff. Dehoust, Peter 89 Erbakan, Necmettin 207 ff., 22 f., 2 Demokratische Front für die Ersoy, Arif 22 Befreiung Palästinas (DFLP) 92 Europäische Moscheebauund Demokratischer Jugendkonföderalismus Unterstützungsgemeinschaft Kurdistans (KOMALEN CIWAN) (EMUG) 208 früher: Bewegung der freien Jugend Exekutivinstanz der FIS im Kurdistans (TECAK) Ausland (IEFE) 20 f. Demokratischer Kurdischer Konföderalismus (KKK) 2 F Denge Mesopotamya Fatime Versammlung e.V. 97 Der Islam als Alternative Ferienhaus Zehntscheune Daaden im (D.I.A.) 27, 22 Westerwald Der Schlesier 7, 87 f. Firat , 7 Detjen, Ulrike 0 FKE Deutsche Kommunistische Fleck, Helmut 77 Partei, siehe DKP Föderaler Sicherheitsdienst Deutsche Stimme 6 ff. - Inlandsnachrichtendienst Deutsche Stimme Verlag (DS) 72 (FSB) 2, 2 Deutsche Volksunion e.V., siehe DVU Föderation der Aleviten Kurdistans Devrimci Sol 28 (FEDA, früher: FEK) DHK-C 28 Föderation der Yezidischen Vereine KurDHKP-C 27 ff. distans (FKE, früher: YEK) Die Artgemeinschaft - Germanische Föderation kurdischer Vereine in Glaubens-Gemeinschaft wesensgeDeutschland, siehe YEK-KOM mäßer Lebensgestaltung e.V. 9 f. Freie Kameradschaften ff., 6 Die Kinder der al-Aksa-Moschee 2 Freie Nationalisten , 6 Die Linke.PDS LANDESINFO Freier Irak 2 Nordrhein-Westfalen 02 Freier Widerstand 2, 9 Die Linkspartei.PDS 8, 0 ff. Freiheitsfalken Kurdistans (TAK) 20 Die Republikaner, siehe REP 6, Frey, Gerhard 6, 70, 7 f. Dissent! 8 f. Frohnweiler, Anne 99 DKP 8, 99 ff., 09, 22 Front für nationale Vereinigung Donaldson, Ian Stuart 60 (FBKSh) 60 f., 2 Döring, Osman 207 Front Islamique du Salut (FIS) 20 f., 2 28 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 G Ilgner, Hans-Joachim 87 Im Waldgrund GmbH & Co KG Gefährtschaft Rhein/Maas 9 Initiativ e.V. - Verein für Demokratie Gemeinschaft der Kommunen Kurdisund Kultur von unten 2 tans (KKK) 2, 7 f., 8 ff. Institute for Political and Germanische Glaubens-Gemeinschaft International Studies (IPIS) 8 wesensgemäßer Lebensgestaltung Interim 22 e.V., siehe Artgemeinschaft 9 Internationale Kampagne zur Global Islamic Media Front Verteidigung von Frauenrechten (GIMF) 82 im Iran e.V. 8 Groupe Islamique Armee Interventionistische Linke (IL) 8 (GIA) 20 f. Irakische Patriotische Allianz (IPA) 2 Groupe Salafist pour la Predication Iran NTV , et le Combat (GSPC) 206 f. Irving, David 8 H Islamische Bewegung Kurdistan (HIK oder KIH) Haase, Stephan 6 Islamische Föderation Berlin HAKK-TV 27 ff. (IFB) 2 HAMAS 80, 9 ff., 2 Islamische Gemeinschaft in Hambastegi - Internationale FöderaDeutschland e.V. (IGD) 20 ff., 2 tion der iranischen Flüchtlingsund Islamische Gemeinschaft Milli Immigrationsräte, Verband Görüs e.V. (IGMG) 20, 207 ff., 2 Deutschland e.V. (IFIR) 8 Islamisches Zentrum (ImamaHammerskins 6 f. Mahdi-Zentrum) 97, 202 Harakat al-Muqawama al-Islamiya Islamisches Zentrum Aachen - Islamische Widerstands(Bilal-Moschee) e.V. bewegung, siehe HAMAS (IZA) 20 ff., 2 Heise, Thorsten 6 Islamisches Zentrum Hamburg 97 Hekmat, Mansour 7 Islamrat 20 Heß, Rudolf 2, 69 Izz al-Din al-Qassam-Brigaden 92 HIK Hilfsorganisation für nationale J politische Gefangene und Jarrah, Ziad 8 deren Angehörige e.V. (HNG) 2 Jeschioro, Herbert 87 Hizb Allah 2, 92, 9 ff., 202, 2 Jihad 2, 69, 7 ff., 8 ff., Hizb ut-Tahrir (HuT) 99 ff., 2 87, 90, 20, 22 home-grown-Netzwerke 7, 78 Jihadisten 68 ff., 7, 77, 82 f. I Junge Nationaldemokraten (JN) 67 f., 7 IGMG Perpektive 207 29 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 K L al-Kalemji, Awni 2 Lebensschutz-Informationen Kalifatsstaat 27 ff. - Stimme des Gewissens (LSI) 8 Kameradschaft Aachener Land 6 Lernen und Kämpfen Kameradschaft Teutonia 6 Linkspartei.PDS 8, 0 ff., 8 Kameradschaft Walter Spangenberg Köln , 8 M Kampfbund Deutscher Sozialisten Mahler, Horst 6, 8, 8, 87 (KDS) Marxistisch-Leninistische Partei Kaplan, Cemaleddin 27 f. Deutschlands, siehe MLPD Kaplan, Metin 27 f., 22 Marxistische Blätter 99 Kaplan-Verband 27, 220, 2 al-Masri, Abu Hafs 7, 8 Karahan, Yavuz Celik 207 METV , Karatas, Dursun 27 militante gruppe (mg) 2 Kerbela 28 Militärischer AuslandsnachKnow-how 2, 26, 29 f., 2 ff. richtendienst (GRU) 2 ff. Köbele, Patrik 99 Milli Gazete 207 ff. Kögel, Günter Ernst 86 Milli Görüs 29, 2, 207 ff. Komalen Ciwan 7 Milli Görüs & Perspektive 207, 20 Kommunistische Partei MLPD 8, 29, 72, 0, 09 ff. Deutschlands (KPD) 0, 9, 00 Mojahed ff. Kommunistische Partei Irans El Motassadeq, Mounir 2, 8 (KPI) 8, 99 f. Mudjahedin 70 ff., 76 f., 80 ff. Kommunistischer Arbeiterbund al-Muhadjer, Abu Hamza 8 f. Deutschlands (KABD) Mujahedin 79, 9 Konföderation kurdischer Vereine Muslimbruderschaft (MB) 92, 9, in Europa (KON-KURD) , 7 f. 99 ff., 2 KONGRA-GEL 20 f., ff., 2 Muslimischer Sozialbund e.V. Koordinationsrat der FIS (MSB) 209 (C.C.FIS) 20 f. Kültür Adasi 28 N Kurdische Volksverteidigungskräfte al-Nabhani, Taqi al-Din 99 (HPG) 20 Nachrichten der HNG 2 Kurdistan-Report , Nachrichtendienste 72, 2 f., 29 ff. Kurtulmus, Numan 2 f. Nation & Europa - Deutsche Kutan, Recai 22 ff. Monatshefte (NE) 89 National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung (NZ) 7 f. 260 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Nationaldemokratische Partei PKK, siehe auch Deutschlands, siehe NPD KONGRA-GEL 20, 0 Nationale Info-Telefone (NIT) Pro Köln 79 ff. Nationaler Widerstand der unabhänProliferation 2 f., 22 gigen Dortmunder Kameraden 6 Nationaler Widerstand Hochsauer- R land 6 Reichsbürgerbewegung zur Befreiung Nationaler Widerstand Ruhrgebiet 6 Deutschlands (RBB) 8 Nationaler Widerstandsrat Iran REP 6, 0, 68, 77 (NWRI) ff., 2 Revolutionärer Weg 2 National Front (NF) 9 Revolutionäre Volksbefreiungspartei/Nation Europa Verlag GmbH Front, siehe DHKP-C Coburg 89 Richter, Karl Neonazi-Szene , 2 ff., 67, Rieger, Jürgen 2, 68, 9 7, 9, 9 ROJ-TV , Neubauer, Harald 89 Rote Fahne , 2, Neuer Weg Rotfüchse 0 Newaya Jin , 6 Rudolf, Germar 8 NIT-Rheinland Nordische Zeitung (NZ) 9 S NPD 6, 0, 6 f., 6 ff., 8, Saadet Partisi (SP) 207 ff. 89, 92, 2 f., 22 Saut al-Khilafah O (Stimme des Kalifats) 82 Schäfer, Paul 0 Oberster Rat für die Revolution Schlierer, Rolf 6 im Irak 97 Serxwebun , Öcalan, Abdullah 20, , Shura-Rat der Mujahedin 6 ff., 7 ff. im Irak 79 f., 82, 90 Oidoxie 6 Skinhead-Bands 60 ff., 7 P Skinhead-Konzerte , 60 f., 92 Skinhead-Szene , , 8 ff., 92, 9 P.D.S. - Peuple de Seattle 2 Skrewdriver 60 Partei Arbeit & soziale Gerechtigkeit Solidarität International (SI) 0 ff., , - Die Wahlalternative, siehe WASG 66, 2 Partei der freien Frauen (PJA) Solidaritätsvereins mit den politischen Partei des Demokratischen Sozialismus, Gefangenen und deren Familien Landesverband Nordrhein-Westfalen, in der Türkei (TAYAD) 29 siehe Die Linke.PDS Sozialistische Einheitspartei People to People Deutschlands (SED) 02 Phase2 22 Stehr, Heinz 99, 0 26 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Stimme des Gewissens 8 Union der kurdischen Störtebeker-Netz 9 Juristen (YHK) Union der Lehrer aus T Kurdistan (YMK) Tablighi Jamaat (TJ) 90 f. Union der Schriftsteller aus Tamil Coordination Committee Kurdistan (YNK) (TCC) 6 Union für die in europäischen Tamilische Befreiungstiger Ländern arbeitenden Muslime (LTTE) 62 ff., 2 e.V. (UELAM) 202 f. Tamilischer Bildungsverband e.V. Union Muslimischer Studenten(TBV) 6 organisationen in Europa e.V. Tamil Rehabilitation (UMSO) 202 Organization e. V. (TRO) 6, 6 unsere zeit (uz) 99 f. Tamil Student Organization V e.V. (TSV) 6 Tamil Youth Organization Verband der islamischen Vereine und e.V. (TYO) 62 Gemeinden e.V. (ICCB), siehe Tanweer, Shahzad 2, 8 Kalifatsstaat Tavir 28 Verband der patriotischen Arbeiter Tegethoff, Ralph 6 aus Kurdistan (YKWK) Tschetschenische Republik Verbeke, Siegfried 8 Ichkeriya (CRI) 88 f. Vereinigung Gesamtdeutsche Tschetschenische SeparatistenPolitik e.V. (VGP) 86 bewegung (TSB) 88 f. Vereins zur Rehabilitierung der Türkische Volksbefreiungspartei/ wegen Bestreitens des Holocaust -Front (THKP/-C) 27 f. Verfolgten(VRBHV) 8 TV 207 f., 2, 2 Verein zur Förderung der Bewegung von Frauen und Mädchen für U Frieden, Brot und Rosen , Umarov, Dokku Sultanovich 89 Verein zur Förderung internationaler Ümmet-i Muhammed 27, 29 ff. Jugendtreffen Union der internationalen kurdischen Vermögens-VerwaltungsArbeitgeber (KARSAZ) Verein (VVV) , Union der Journalisten aus Vierteljahreshefte für freie Kurdistan (YRK) Geschichtsforschung (VffG) 87 Union der Kinder aus Voigt, Udo 6, 69 f., 7 Kurdistan (YZK) Volksbewegung von Kosovo Union der kurdischen (LPK) 9 f., 2 Eltern (YEK-MAL) Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) 92 262 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 Volkskongress Kurdistans, siehe KONGRA-GEL Volksmodjahedin Iran-Organisation (MEK) ff. W WASG 8, 0 ff. Weisse Wölfe 6 Willi-Dickhut-Stiftung Worch, Christian , 6 ff. World Tamil Movement e. V (WTM) 6 WPI Briefing 6 Wulff, Thomas 6 Y Yassin, Ahmed 92 Yatim Kinderhilfe e.V. 9 f. YEK-KOM ff. Yeni Özgür Politika , 8, f. Yürüyüs 28 ff. Z Z-Versand 86 al-Zarqawi, Abu Musab 2, 77, 79 ff., 86 al-Zawahiri, Ayman 2 f., 7 ff, 206 Zentralrat der vertriebenen Deutschen e.V. (ZvD) 7, 87 Zentrum für Wirtschaftsund Sozialforschung (ESAM) 208, 22 ff. Ziviler Auslandsnachrichtendienst (SWR) 22 f. Zündel, Ernst 8 26 Hinweis Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlbewerberinnen und Wahlbewerbern oder Wahlhelferinnen und Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für die Landtags-, Bundestagsund Kommunalwahlen sowie für die Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments. Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Eine Verwendung dieser Druckschrift durch Parteien oder sie unterstützende Organisationen ausschließlich zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder bleibt hiervon unberührt. Unabhängig davon, wann, auf welchem Weg und in welcher Anzahl diese Schrift dem Empfänger zugegangen ist, darf sie auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Der Inhalt dieser Broschüre wurde auf chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt.