Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 Vorwort ................................................................................................ 4 1 Rechtsextremismus ......................................................................... 5 1.1 Entwicklungstendenz ....................................................................................5 1.2 Neonazistische Gruppen ...............................................................................6 1.2.1 "Die Bewegung".................................................................................6 1.2.2 "Gesinnungsgemeinschaft" um Michael KÜHNEN ............................7 1.2.3 "Gesinnungsgemeinschaft" um Jürgen MOSLER..............................7 1.2.4 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP).......................................8 1.2.5 Nationalistische Front (NF) ................................................................9 1.2.6 Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige (HNG) ....................................................................................10 1.2.7 NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP-AO)...............11 1.3 "Nationaldemokratische" Organisationen ....................................................11 1.3.1 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) ........................11 Finanzierung .............................................................................................11 Publikationen ............................................................................................12 1.3.2 Junge Nationaldemokraten (JN) ......................................................13 1.3.3 Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) ..............................................13 1.4 "National-Freiheitliche" ................................................................................13 1.4.1 Deutsche Volksunion (DVU) ............................................................14 1.4.2 Deutsche Volksunion - Liste D (DVU - Liste D)................................14 1.5 Rechtsextremistische Jugendorganisationen ..............................................14 1.5.1 Wiking-Jugend (WJ) ........................................................................15 1.5.2 Rechtsextremistische Randgruppen (Skinheads) ............................15 1.6 Sonstige rechtsextremistische Aktivitäten ...................................................16 1.7 Rechtsextremisten und öffentlicher Dienst ..................................................16 2 Linksextremismus.......................................................................... 21 2.1 Entwicklungstendenz ..................................................................................21 2.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP).....................................................22 Parteiorganisation.....................................................................................23 Finanzierung .............................................................................................23 Publikationen ............................................................................................24 Schulung...................................................................................................25 2.3 DKP-orientierte Jugendund Studentenorganisationen ..............................27 2.3.1 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) ..............................27 2.3.2 Marxistischer Studentinnenund Studentenbund Spartakus (MSB) 27 2.3.3 Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation (J P).................27 2.4 DKP-beeinflußte Organisationen.................................................................28 2.4.1 Die Friedensliste ..............................................................................29 1 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 2.4.2 Deutsche Friedens-Union (DFU) .....................................................29 2.4.3 Demokratische Fraueninitiative (DFI) ..............................................29 2.4.4 Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG - VK)................................................................................................29 2.5 "Neue Linke" ...............................................................................................29 2.5.1 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD)...................29 2.5.2 Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) .............................................30 2.5.3 Marxistische Gruppe (MG)...............................................................31 2.6 Anarchismus ...............................................................................................31 2.7 Linksextremisten und öffentlicher Dienst.....................................................32 3 Terrorismus .................................................................................... 37 3.1 Entwicklungstendenz ..................................................................................37 3.2 Rote Armee Fraktion (RAF).........................................................................37 3.3 Revolutionäre Zellen/ Rote Zora (RZ) .........................................................38 3.4 Terroristisches Umfeld ................................................................................39 3.5 Terroristische und sonstige politisch motivierte Gewalttaten.......................40 4 Ausländerextremismus.................................................................. 43 4.1 Entwicklungstendenz ..................................................................................43 4.2 Türken .........................................................................................................43 Orthodoxe Kommunisten ..........................................................................45 Neue Linke ...............................................................................................45 Solidaritätsaktionen ..................................................................................46 4.3 Kurden.........................................................................................................46 4.4 Iraner...........................................................................................................49 4.5 Schiitische Muslime.....................................................................................50 4.6 Srilanker (Tamilen)......................................................................................50 4.7 Iren..............................................................................................................50 5 Spionageabwehr............................................................................. 51 5.1 Entwicklungstendenz ..................................................................................51 5.2 Zielrichtung östlicher Nachrichtendienste gegen Nordrhein-Westfalen .......51 5.3 Politische Spionage.....................................................................................52 5.4 Militärspionage ............................................................................................52 5.5 Illegale Technologiebeschaffung.................................................................53 5.6 Eingeschleuste Agenten..............................................................................53 5.7 Werbung......................................................................................................54 6 Strafrechtspflege............................................................................ 56 6.1 Verfahren wegen rechtsextremistischer Aktivitäten.....................................56 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 6.2 Verfahren wegen linksextremistischer Aktivitäten .......................................56 6.3 Demonstrationsstraftaten ............................................................................56 7 Anhang............................................................................................ 57 7.1 Übersicht über erwähnenswerte rechtsextremistische Parteien, nebenund beeinflußte Organisationen sowie deren Presseerzeugnisse ...........................57 7.2 Übersicht über erwähnenswerte linksextremistische Parteien, nebenund beeinflußte Organisationen sowie deren Presseerzeugnisse ...........................58 3 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 Vorwort Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland hat sich unter dem Eindruck der Ereignisse in der Weimarer Republik, die zum Machtgewinn durch die Nationalsozialisten im Jahre 1933 geführt haben, für das System der "streitbaren Demokratie" und damit auch für den nachrichtendienstlichen Verfassungsschutz entschieden. Ist damit selbstverständlich ein Teil der Tätigkeit des Verfassungsschutzes dem unmittelbaren Blick der Öffentlichkeit entzogen, so erfordert es das moderne Demokratieverständnis, so viel Offenheit wie möglich zu praktizieren. Nur die entsprechende Darstellung der verfassungsfeindlichen Bestrebungen und sicherheitsgefährdenden Aktivitäten-Ziel des jährlich veröffentlichten Verfassungsschutzberichtes der Landesregierungvermittelt das notwendige Verständnis in der Bevölkerung. Gleichzeitig wird dem Bürger das Handwerkszeug für eine erfolgreiche geistig-politische Auseinandersetzung mit den Extremisten von rechts und links geliefert. Von besonderer Bedeutung ist dies bei der politischen Erziehung unserer jungen Bürger. Hier zeigen die Erfahrungen aus neuerer Zeit, daß der Verfassungsschutzbericht bei der Jugendarbeit immer mehr erfolgreich eingesetzt wird, wobei die entsprechenden Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft sind. Zu den Aktivitäten der angesprochenen extremistischen Organisationen ist insgesamt festzustellen, daß sie das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bürger international schädigen und als Bedrohung ernstgenommen werden müssen, aber keine akute Gefahr darstellen. Dr. Herbert Schnoor Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen 4 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 1 Rechtsextremismus 1.1 Entwicklungstendenz Die Situation des organisierten Rechtsextremismus hat sich auch 1987 in Nordrhein-Westfalen kaum verändert. Die Zahl der Mitglieder liegt nach Schätzungen weiterhin um 4.000, darunter ca. 1.000 Mitglieder der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) und ca. 2500 sog. National-Freiheitliche (Deutsche Volksunion und Aktionsgemeinschaften etc.). Der Anteil der aktiven Neonazis ist mit ca. 220 ebenfalls annähernd gleich geblieben. Zum "organisierten Rechtsextremismus" zählen die Parteien, Organisationen und Einzelpersonen, deren Selbstverständnis und Aktivitäten geprägt sind durch: - Völkischen und rassistischen Kollektivismus. Der einzelne soll nach dem Schlagwort "Du bist nichts, Dein Volk ist alles" Wert und Würde aus der Zugehörigkeit zu seinem Volk, seiner Nation oder seiner Rasse beziehen. - Übersteigerten Nationalismus auf völkischer oder rassistischer Grundlage. Die eigene Nation, das eigene Volk und die Rasse, die es vermeintlich prägt, werden als höherwertig, als zur Herrschaft berufen angesehen. Daraus folgt vor allem eine betont feindselige Haltung gegen Ausländer, insbesondere gegen solche, die wegen ihrer unterschiedlichen Kultur und Religion Anpassungsschwierigkeiten in unserer Gesellschaft haben. - Eindeutiges Eintreten für einen autoritären Staat mit Führerund Gefolgschaftsprinzip. Die Neonazis in Nordrhein-Westfalen, die sich ideologisch zur NSDAP bekennen, bezeichnen ihren organisatorischen Zusammenschluß als "Bewegung"; nach außen treten sie vornehmlich unter dem Namen der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) in Erscheinung. Die Situation in dieser Szene wird weiterhin von den Spannungen zwischen den in der "Bewegung" agierenden "Gesinnungsgemeinschaften" um den bis März 1988 in Haft gewesenen Michael KÜHNEN und um Jürgen MOSLER aus Duisburg bestimmt. Beide Gruppen kämpfen um die Führung in der "Bewegung" und versuchen, ihre Anhänger auf "Gautreffen" zu mobilisieren und zusammenzuhalten. Versuche, die Spaltung zu überwinden, sind bisher ohne Erfolg geblieben. Der Streit unter den Neonazis wirkte sich zwar hemmend auf die Aktivitäten der als "legaler Arm der Bewegung" bezeichneten FAP aus; dennoch konnte die Unterwanderung gezielt fortgesetzt werden, wie die Neuwahl des FAPLandesvorstandes Nordrhein-Westfalen zeigt. Die "Bewegung" ist damit in der Lage, die Aktivitäten dieser Partei auch künftig wesentlich zu bestimmen. In Bielefeld waren das "Zentrum" der nationalrevolutionären Nationalistischen Front (NF) und die von ihm ausgehenden Aktivitäten auch 1987 Gegenstand häufiger öffentlicher Auseinandersetzungen. Für die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) und ihre Jugendund Studentenorganisationen stand 1987 im Zeichen sich fortsetzender Wahlerfolge. Die NPD konnte ihren Stimmenanteil bei der Bundestagswahl im Januar 1987 verbessern und bei örtlichen Wahlen Erfolge erzielen. 5 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 Von besonderer Bedeutung war der Wahlerfolg der Deutschen Volksunion / Liste D (DVU/Liste D), die mit Unterstützung der NPD im September 1987 zur Wahl der Bremer Bürgerschaft antrat und der es dabei gelang, ein Mandat in einem Landesparlament zu erlangen. Damit treten auch die hinter der DVU/Liste D stehenden sog. National-Freiheitlichen um den Münchener Verleger Dr. Gerhard FREY (Deutsche Nationalzeitung, Deutscher Anzeiger, Deutsche Wochenzeitung) bundesweit wieder stärker in den Vordergrund. Ihr Einfluß in Nordrhein-Westfalen ist allerdings weiterhin gering. Die übrigen Gruppen der extremistischen Rechten sind 1987 in NordrheinWestfalen öffentlich kaum in Erscheinung getreten. Ihre Tätigkeit war weitgehend auf das interne Verbandsleben und die Herausgabe ihrer Publikationen gerichtet. Eine Vielzahl von Schmieraktionen zumeist unbekannter Täter läßt angesichts der verwendeten Parolen ("Ausländer raus") und Symbole (Hakenkreuze und SSRunen) eine ausländerfeindliche und rechtsextremistische Motivation erkennen. Bezeichnend für die Entwicklung ist die erneut gestiegene Zahl der Ermittlungsverfahren, die wegen rechtsextremistischer Delikte bei den Staatsanwaltschaften des Landes anhängig geworden sind. Den Aktivitäten der Rechtsextremisten stand auch 1987 die engagierte Ablehnung einer besorgten Öffentlichkeit gegenüber, die sich in einer Reihe von Gegendemonstrationen gegen rechtsextremistische Veranstaltungen und der wiederkehrenden Forderung nach einem Verbot neonazistischer Organisationen äußerte. Der Innenminister des Landes hat deshalb den Bundesminister des Innern erneut um eine Entscheidung über einen Verbotsantrag gegen die FAP gebeten und ihm außerdem ein Verbot der NF nahegelegt. In beiden Fällen hält der Bundesminister des Innern ein Verbot für derzeit nicht erforderlich. Insgesamt gesehen ist auch 1987 durch den Rechtsextremismus eine unmittelbare Gefährdung unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht eingetreten. 1.2 Neonazistische Gruppen Die Neonazis treten für eine Wiederzulassung der NSDAP ein. Sie leugnen die Verbrechen des Nationalsozialismus und wollen ein dem NS-Staat vergleichbares System wiedererrichten. Sie sehen sich selbst, so die "Bewegung", als in der Nachfolge der Sturmabteilungen (SA) der NSDAP stehend. Einer ihrer einflußreichsten Wortführer, Michael KÜHNEN, veröffentlichte im "NS-Kampfruf" der NSDAP-AO sein Werk "Das Vierte Reich", in dem er eine Analyse des Dritten Reiches vornimmt und seine Vorstellungen für ein "Viertes Reich" aufzeigt. Den Neonazis werden auch die Gruppen zugeordnet, die historischen nationalrevolutionären Vorstellungen anhängen, wie sie vor 1933 vom "linken Flügel" der NSDAP vertreten wurden. 1.2.1 "Die Bewegung" Die unter diesem Begriff auftretenden Anhänger der 1983 verbotenen Aktionsfront Nationaler Sozialisten / Nationale Aktivisten (ANS/NA) konnten auch 1987 die Folgen der 1986 von einem Teil der Anhänger initiierten und gegen Homosexuelle in 6 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 den eigenen Reihen gerichtete Kampagne ("Homosexuellen-Kampagne") nicht überwinden und agieren weiterhin als "Gesinnungsgemeinschaften" um den bis März 1988 inhaftierten Michael KÜHNEN bzw. um Jürgen MOSLER aus Duisburg. Beide geben eine äußerlich gleiche Schrift "Die Neue Front" heraus. Der "Bewegung" werden in Nordrhein-Westfalen ca. 150 Personen (Bund ca. 500) zugerechnet. 1.2.2 "Gesinnungsgemeinschaft" um Michael KÜHNEN Sie hat in Nordrhein-Westfalen nur wenige Anhänger und tritt dementsprechend hier kaum in Erscheinung. In der Januar-Ausgabe 1987 der von den Anhängern des Michael KÜHNEN herausgegebenen Ausgabe der Schrift "Die Neue Front" (Nr. 39) begründet KÜHNEN den Widerruf seines Austritts aus der "Bewegung". Er führt in seinem 17. Brief aus der Haft aus, es habe sich gezeigt, daß der überwiegende Teil der Anhänger nicht hinter den derzeitigen Führungsfunktionären um Jürgen MOSLER aus Duisburg stehe. Deshalb habe er den politischen Kampf wieder aufgenommen. Die Ausgabe Nr. 41 der "Neuen Front" vom März 1987 berichtet über die Gründung von drei "Vorfeldorganisationen", mit denen sich dieser Teil der "Bewegung" eine Stärkung seiner geschwächten Organisation erhofft. Im einzelnen handelt es sich um das "Antikommunistische Aktionsbündnis (ANTIKO) die "Antizionistische Aktion" und die "Volksbewegung gegen Überfremdung" (VBU). Tatsächlich sind diese "Gründungen" reine Propagandagebilde ohne jegliche Organisationsstruktur. KÜHNEN veröffentlichte in der Juni-Ausgabe 1987 (Nr. 44) der "Neuen Front" eine gemeinsame Erklärung zur Neuordnung der Leitung der "Bewegung". Danach ü- bernimmt die "Gesamtführung" ein Funktionär aus Hamburg. Ein Funktionär aus Fulda wird "geschäftsführender Stellvertreter" des "Generalsekretärs" des Komitees zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf HITLERS (KAH) und ist gleichzeitig zuständig für die "Vorfeldorganisationen". In diesem Konzept hat sich KÜHNEN die Funktion des "Generalsekretärs des KAH" zugeschrieben. Mit Rundschreiben vom 28. Juni 1987 lud ein Funktionär aus Hamburg, der sich auch als "Gesamtführer der Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" bezeichnet, Anhänger aus Hamburg und Nordrhein-Westfalen ein, im Namen der von ihm gegründeten "Nationalen Initiative Freiheit für Michael KÜHNEN" am 25. Juli 1987 in Bonn zu demonstrieren. An der Demonstration nahmen lediglich etwa 20 Rechtsextremisten aus dem norddeutschen Raum teil, die vor dem Bundeskanzleramt die Freilassung des "politischen Gefangenen" Michael KÜHNEN forderten. 1.2.3 "Gesinnungsgemeinschaft" um Jürgen MOSLER Sie hat ihren organisatorischen Schwerpunkt im wesentlichen in NordrheinWestfalen, wo ihr ca. 140 Personen zugerechnet werden. 7 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 Etwa 120 MOSLER-Anhänger nahmen am 24. Januar 1987 an einem "Gautreffen" in Dortmund teil, zu dem unter der Organisationsbezeichnung "Komitee zur Vorbereitung des 100. Geburtstages Adolf HITLERS" eingeladen worden war. Friedhelm BUSSE, ehemaliger Leiter der 1982 verbotenen "Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit" (VSBD/PdA) sprach zur Entwicklung des "Nationalen Sozialismus". Zum Abschluß des "Gautreffens" marschierten die Teilnehmer mit Fackeln zu einem Kriegerdenkmal. Der nicht angemeldete Demonstrationszug wurde auf dem Rückmarsch von der Polizei aufgelöst. Zur weiteren Stärkung der Gruppierung von Jürgen MOSLER fanden nach dem "Gautreffen" interne Kaderbesprechungen am 4. April 1987 im NF-"Zentrum" in Bielefeld und am 24. Mai 1987 auf dem Anwesen des Bundesführers der WikingJugend (WJ) in Stolberg statt, zu denen ausschließlich "Funktionäre der Bewegung" eingeladen waren. In der von Anhängern des Jürgen MOSLER herausgegebenen Ausgabe der Schrift "Die Neue Front", Ausgabe Mai 1987, heißt es hierzu, bei den KÜHNEN-Anhängern handele es sich nur um eine kleine Absplitterung der "Bewegung", denen weitere "Zersplitterungen" bevorstünden. Gleichzeitig wird die fortschreitende Stärkung der eigenen "Bewegung" herausgestellt, die sich in Nordrhein-Westfalen nunmehr als "Sektion West" bezeichnet. Ein sich als "Sonderbeauftragter Rheinland" bezeichnender NS-Aktivist aus Grevenbroich verbreitete Anfang Juli 1987 Einladungen für ein "Gautreffen des Gaues Rheinland" am 18. Juli 1987 in Düsseldorf. An dem Treffen nahmen ca. 80 Personen teil. Wesentlicher Tagesordnungspunkt war die Gründung einer "Kameradschaft Düsseldorf". Wie alljährlich nutzten die NS-Anhänger um MOSLER in Nordrhein-Westfalen den Volkstrauertag für "Helden-Gedenkfeiern": - 14.11.1987 Witten, Kranzniederlegung mit etwa 15 Personen - 14.11.1987 Königswinter, Kranzniederlegung mit etwa 25 Personen - 15.11.1987 Mönchengladbach, Kranzniederlegung mit etwa 40 Personen, darunter Anhänger der WJ und DVU - 15.11.1987 Altena, Gedenkfeier mit etwa 50 Personen. 1.2.4 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) Die FAP, deren Tätigkeit in Nordrhein-Westfalen fast ausschließlich von Anhängern der "Bewegung" getragen wird, erhält von daher auch ihr politisches Leitbild. Im Vordergrund steht dabei eine aggressive Ausländerfeindlichkeit. Organisatorisch verfügt die FAP in Nordrhein-Westfalen mit ca. 180 Mitgliedern (Bund: ca. 520) über den stärksten Landesverband. Ihm gehören einige Kreisverbände an, deren Aktivitäten unterschiedlich und weitgehend vom jeweiligen örtlichen Organisationsstand der "Bewegung" abhängig sind. Am 12. September 1987 führte der FAP-Landesverband Nordrhein-Westfalen in Bevergern/Krs. Steinfurt seinen Landesparteitag durch, an dem etwa 80 Personen teilnahmen. Von den 63 stimmberechtigten Anwesenden wurde ein neuer Landesvorstand gewählt. Die ihm angehörenden Funktionäre sind alle als aktive und mili- 8 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 tante Anhänger der "Bewegung" um Jürgen MOSLER bekannt. Im Anschluß an den Parteitag begab sich die Mehrzahl der Teilnehmer zu einer Gedenkfeier an das in der Nähe des Tagungsorts befindliche Grab des ehemaligen SA-Stabschefs Viktor LUTZE. Von besonderer Bedeutung waren 1987 - neben örtlichen Einzelaktionen - folgende Veranstaltungen der FAP: - An einem als "Kameradschaftsabend" angekündigten FAP-Treffen am 31. Januar 1987 in Berlin nahmen 104 Neonazis teil, darunter acht aus NordrheinWestfalen. Kurz nach dem Beginn des Treffens, das ursprünglich als Gründungsversammlung eines Berliner FAP-Landesverbandes gedacht war, löste die Polizei die Versammlung auf. Die Teilnehmer - von denen einige Widerstand leisteten - wurden vorläufig festgenommen. Im Anschluß an die Festnahmen durchsuchte die Polizei in Berlin und im übrigen Bundesgebiet 106 Wohnungen, auch die der beteiligten Neonazis aus Nordrhein-Westfalen. Dabei wurden umfangreiches neonazistisches Schriftgut und Organisationsunterlagen sichergestellt. - Das "Referat Propaganda" des FAP-Landesverbandes verbreitete im April 1987 eine Pressemitteilung, in der auf den 93. Geburtstag Rudolf HESS' am 26. April hingewiesen und seine Freilassung gefordert wurde. Zur Unterstützung dieser Forderung sollten "Rudolf HESS-Aktionstage" vom 16. bis 26. April 1987 bundesweit durchgeführt werden. Tatsächlich kam es in diesem Zeitraum in einigen Städten Nordrhein-Westfalens zur Verbreitung von Flugblättern sowie zu einer unangemeldeten Demonstration von FAP-Anhängern am 25. April 1987 in Bonn. - Am 17. Oktober 1987 versammelten sich über 100 Anhänger der FAP auf dem Bahnhofsvorplatz in Duisburg für einen vorher angemeldeten Demonstrationszug durch die Innenstadt unter dem Motto "Verbot aller kommunistischen Organisationen". Der größte Teil der Neonazis war uniformähnlich gekleidet. Die Polizei untersagte den Aufzug und nahm 89 Teilnehmer vorläufig fest. Gegen sie wurden Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen die SSSS 3 und 28 Versammlungsgesetz (Uniformverbot) eingeleitet. - Im Rahmen seiner ausländerfeindlichen Agitation und in dem Bestreben, in der Öffentlichkeit verstärkt Aufmerksamkeit zu finden, nutzte der FAPLandesverband Nordrhein-Westfalen die Diskussion um ein kommunales Wahlrecht für Ausländer und verbreitete im November 1987 in verschiedenen Städten Nordrhein-Westfalens - so u. a. in Bonn und Düsseldorf - Flugblätter mit dem Text: "Wahlrecht für Ausländer? Ein Türke Bürgermeister in unserer Stadt? Niemals! . . ." 1.2.5 Nationalistische Front (NF) 9 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 Die NF, die sich selbst als Partei versteht, vertritt nationalrevolutionäre Vorstellungen, wie sie vor 1933 dem "linken Flügel" der NSDAP (Brüder Strasser) eigen waren. Sie fordert nach ihrem Grundsatzprogramm die "antiimperialistische nationale Befreiung von fremder Macht und ihren Handlangern". Ausländerintegration ist für sie Völkermord. Ihr von der Öffentlichkeit viel beachtetes und angegriffenes "Zentrum" hat die NF im Hause ihres Bundesvorsitzenden in Bielefeld, Bleichstraße 143. Dies ist auch der Treffpunkt für die zur NF gehörenden Gruppen aus Berlin und Bremen. Bundesweit konnte die NF 1987 die Zahl ihrer Mitglieder auf ca. 80 erhöhen, davon ca. 40 bis 50 in Nordrhein-Westfalen. Am 14. und 15. November 1987 führte die NF in ihrem Zentrum ihren Bundesparteitag mit ca. 50 Teilnehmern, davon etwa 30 stimmberechtigte Delegierte, durch. Der bisherige Bundesvorsitzende wurde in seinem Amt bestätigt. Die NF plant für 1988 eine verstärkte Aufklärungsarbeit zur Asylantenproblematik und den intensiveren Ausbau ihres Bereichs Süd. Als Sprachrohr der NF ist die vom Bundesvorsitzenden im Eigenverlag sporadisch herausgegebene Schrift "Klartext" anzusehen. Ferner erscheint seit März 1987 ein sogenannter "Rundbrief des Freundeskreises Bleichstraße" mit dem Titel "Hetzer". Diese Schrift ist offensichtlich als Reaktion der Rechtsextremisten auf die zahlreichen Protestaktionen in der Bielefelder Öffentlichkeit gegen das "Zentrum" gedacht. Der Bundesvorsitzende hat die Räumlichkeiten des "Zentrums" auch anderen von der NF unabhängigen rechtsextremistischen Gruppen zur Durchführung von Veranstaltungen zur Verfügung gestellt. Hierdurch erhoffte er sich offenbar - neben einer besseren Auslastung des Zentrums und damit Senkung der Bewirtschaftungskosten - die Unterstützung anderer Gruppen bei der "Verteidigung vor den Linken". Es liegen aber Hinweise dafür vor, daß die NF sich von anderen Gruppen, etwa der FAP, wieder zu distanzieren versucht. Für die von Anhängern der NF ausgehende Bereitschaft zur Gewaltanwendung sind folgende Beispiele besonders deutlich: - Am 25. April 1987 wurde eine zufällig vorbeikommende Passantin aus dem Hause Bleichstraße 143 mit einer Stahlzwille beschossen und an der Schulter getroffen. Bei einer Durchsuchung des Objektes wurden u. a. drei Stahlzwillen, 200 Stahl-, Glasund Marmorkugeln und ein Totschläger sichergestellt. Die Gegenstände konnten keinen bestimmten Personen zugeordnet werden. - Am 19. September 1987 wurde in Bielefeld ein türkischer Staatsangehöriger von mehreren Personen tätlich angegriffen und verletzt. Die Personen hatten sich vorher im NF-"Zentrum" aufgehalten, eine Person führte neben einer Gaspistole auch NF-Aufkleber mit sich. 1.2.6 Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige (HNG) 10 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 Die 1979 in Frankfurt gegründete HNG hat sich die moralische und finanzielle Unterstützung inhaftierter Gesinnungsgenossen zum Ziel gesetzt. Sie gehört mit ca. 220 (NRW: ca. 40) Mitgliedern zu den mitgliederstärksten neonazistischen Organisationen. Bielefeld ist Wohnsitz der Vorsitzenden und Sitz der Geschäftsstelle. Nennenswerte Aktivitäten der HNG waren jedoch in Nordrhein-Westfalen nicht zu beobachten. Regelmäßig herausgegeben wird die Schrift "Nachrichten der HNG". 1.2.7 NSDAP-Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP-AO) Die in Lincoln/USA ansässige NSDAP-AO setzte ihre Bemühungen, im Bundesgebiet neonazistisches Agitationsmaterial zu verbreiten und damit deutsche Rechtsextremisten zu unterstützen, verstärkt fort. Wichtigstes Agitationsmittel waren dabei Hakenkreuzaufkleber und die nur unregelmäßig erscheinende Schrift "NS-Kampfruf", die von der USA in das Bundesgebiet zunächst an Postfachinhaber eingeschleust und von denen an Gesinnungsfreunde verteilt und öffentlich verbreitet werden. In Nordrhein-Westfalen wurden im Jahre 1987 derartige Propagandamaterialien u. a. in Bielefeld, Bochum, Essen und Lüdenscheid festgestellt. Zu der zur Bekämpfung des "demokratischen Unrechtssystems" geforderten Zellenbildung ist es in Nordrhein-Westfalen bisher nicht gekommen; nach wie vor handelt es sich bei festgestellten Beziehern von Propagandamaterial überwiegend um organisationsgebundene Einzelpersonen. 1.3 "Nationaldemokratische" Organisationen Die "Nationaldemokraten" bekennen sich auch in ihrem Ende 1987 beschlossenem Parteiprogramm zum Grundgesetz. Gleichwohl verwenden sie im Rahmen ihrer völkisch-kollektivistischen Systemvorstellungen Begriffe wie "Volksgemeinschaft" und "Volksganzes" und lassen keine Zweifel daran aufkommen, daß sie die Interessen der Volksgesamtheit über die Freiheitsrechte des einzelnen setzen. Deutschlandpolitisch vertreten sie nationalistisch-neutralistische Vorstellungen. Zuletzt in einer Entscheidung des Disziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. März 1986 wird festgestellt, daß sich die verfassungsfeindlichen Ziele der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) nicht aus der Satzung oder dem Programm ergäben, sondern aus Verhalten und Äußerungen ihrer Funktionäre und Presseorgane. Die NPD vertrete "mit der Verfassung nicht zu vereinbarende ideologische Wertvorstellungen". 1.3.1 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) Parteiorganisation In Nordrhein-Westfalen verfügt die NPD über einen Landesverband, Bezirksverbände in Detmold und Köln und insgesamt 54 Kreisverbände unterschiedlicher Aktivität. Die Gründung von Bezirksverbänden, die regional den Verwaltungsgrenzen der Regierungsbezirke entsprechen, war auf dem Landesparteitag am 28. Mai 1987 beschlossen worden. Die Mitgliederzahl der NPD ist bundesweit auf 6200 leicht angestiegen, in Nordrhein-Westfalen stagniert sie bei ca. 1.000. Finanzierung 11 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 Aufgrund der Wahlkampfkostenerstattung in Höhe von mehr als 3 Millionen DM aus der Europawahl 1984 und der Bundestagswahl 1987 ist die finanzielle Situation der NPD weitgehend stabil. Neben den Mitgliedsbeiträgen und Spenden versucht die Partei, über "Freundes-" und "Förder-Kreise" an weitere Geldmittel zu gelangen. Publikationen Das Parteiorgan "Deutsche Stimme" erscheint monatlich mit einer Auflage von über 100.000 Exemplaren. Im hiesigen Landesbereich kommen als regelmäßig erscheinende Publikationen vor allem der "NPD-Organisationsspiegel" und der "NPD-Landesspiegel" hinzu. Daneben gibt es auf allen Gliederungsebenen periodische Schriften und Informationsdienste. Schwerpunkte der Parteiarbeit - Bei der Bundestagswahl im Januar 1987 kandidierte die Partei in NordrheinWestfalen mit einer Landesliste. Außerdem waren 46 Direktkandidaten zugelassen. Die NPD erhielt in Nordrhein-Westfalen Erststimmen: 26.935 = 0,2 % Zweitstimmen:41.530 = 0,4 % (Bund: 227. 054 = 0,6 %). Besondere Einzelergebnisse erzielte sie in den Wahlkreisen Hagen, Märkischer Kreis I und Märkischer Kreis II mit jeweils 0,7%. Mit diesem Ergebnis konnte die NPD ihre Wählerzahl gegenüber 1983 landesweit mehr als verdoppeln und bundesweit fast verdreifachen. Erstmals seit vielen Jahren wurde die Partei von der "Deutschen NationalZeitung" und den anderen Publikationen ihres Herausgebers Dr. FREY unterstützt. Die Leser wurden aufgefordert, NPD zu wählen. - Am 1. Februar 1987 fand in Witten eine Generalmitgliederversammlung der nordrhein-westfälischen NPD statt, an der ca. 200 Personen teilnahmen. Wichtigste Tagesordnungspunkte waren der Versuch einer Analyse der Bundestagswahl 1987 sowie die zum Teil kontrovers geführte Diskussion über die Zusammenarbeit der NPD und der "Deutschen Volksunion/Liste D". Die Annäherung der NPD an Dr. FREY hat unter den NPD-Mitgliedern große Verunsicherung hervorgerufen, weil sie um das Ansehen und den Bestand ihrer Partei fürchten. - Am 28. Mal 1987 führte die nordrhein-westfälische NPD in Lotte-Wersen ihren 23. ordentlichen Landesparteitag durch. Es nahmen rund 200 Personen teil, darunter 74 Delegierte. Die auf dem Landesparteitag beschlossenen personellen Änderungen im Landesvorstand beendeten seit langem schwelende interne Rivalitäten innerhalb dieses Gremiums und mit dem Parteivorstand. Mit großer Mehrheit wurde der bisherige stellvertretende Landesvorsitzende zum neuen Landesvorsitzenden gewählt. 12 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 - Entsprechend dem Beschluß des Landesparteitages, zwischen dem Landesverband und den Kreisverbänden zusätzlich Bezirksverbände zu bilden, haben am 13. September 1987 in Köln und am 4. Oktober 1987 in Versmold sog. Gründungsparteitage für die Bezirke Köln und Detmold stattgefunden. - Vom 13. bis 15. November 1987 fand der diesjährige Bundesparteitag der NPD statt. Es nahmen zeitweise rd. 900 Personen teil, darunter 300 Delegierte. Auf dem sogenannten "Programmparteitag" wurde das neue Parteiprogramm verabschiedet. Die NPD hat darin, um Angriffsflächen auszuschalten, nach außen das uneingeschränkte Bekenntnis der Nationaldemokraten zum Grundgesetz betont. Bei der Neuwahl des Parteivorstandes wurde der Parteivorsitzende Martin MUSSGNUG aus Tuttlingen in seinem Amt bestätigt. Auf dem Parteitag trat der Münchener Verleger und Vorsitzende der "DVUListe D", Dr. Gerhard FREY, als Gastredner auf. Er betonte, daß die bisherige Zusammenarbeit mit der NPD erfolgreich verlaufen sei, weil beide Parteien im gemeinsamen Kampf um die deutsche Einheit zusammenständen. 1.3.2 Junge Nationaldemokraten (JN) Die JN, Jugendorganisation der NPD, konnte ihre Mitgliederzahl in NordrheinWestfalen auf rd. 120 (Bund: ca. 750) erhöhen. Ansonsten beschränkten sich die Aktivitäten im wesentlichen auf die Durchführung von Mitgliederversammlungen und Kongressen. Auf einem außerordentlichen Landeskongreß der nordrhein-westfälischen JN am 21. März 1987 in Wuppertal wurde ein neuer Landesvorsitzender gewählt, nachdem der bisherige Landesvorsitzende Ende Januar sein Amt niedergelegt und seinen Austritt aus der NPD/JN erklärt hatte. Er kam damit einem Parteiausschlußverfahren zuvor, das wegen parteischädigenden Verhaltens gegen ihn eingeleitet worden war. Am 12. und 13. September 1987 fand in Dillingen/Saar der 16. ordentliche JNBundeskongreß statt. Er stand unter dem Motto "Deutsch ist Trumpf". Es nahmen ca. 150 Personen teil, unter ihnen 110 Delegierte. Zum neuen Bundesvorsitzenden wurde ein JN-Mitglied aus München gewählt. Für Nordrhein-Westfalen gehört ein JN-Mitglied aus Münster dem neuen JN-Bundesvorstand an. 1.3.3 Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) Die 1980 durch die NPD gegründete Bürgerinitiative Ausländerstopp ist 1987 nur durch ihre Publikation "Deutsche Zukunft" in Erscheinung getreten. Nach vorliegenden Informationen soll die BIA wieder aktiviert werden. 1.4 "National-Freiheitliche" 13 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 Bei den sog. National-Freiheitlichen handelt es sich im wesentlichen um die Anhänger des Münchener Verlegers Dr. Gerhard FREY, der mit seinen Zeitungen (Deutsche National-Zeitung, Deutscher Anzeiger, Deutsche Wochen-Zeitung) den rechtsextremistischen Pressemarkt in der Bundesrepublik Deutschland weitgehend beherrscht. Die "National-Freiheitlichen" haben kein in sich geschlossenes ideologisches Leitbild. Ihre politischen Vorstellungen, die vornehmlich auf den Aussagen der Zeitungen des Dr. FREY basieren, sind geprägt von einem übersteigerten Nationalismus, von Antikommunismus und Ausländerfeindlichkeit. Sie befürworten aber die Mitgliedschaft in der NATO und lehnen eine Neutralität für die Bundesrepublik Deutschland ab. 1.4.1 Deutsche Volksunion (DVU) Die DVU ist eine Gründung des Dr. FREY, der auch unangefochten bisher den Vorsitz dieser Organisation innehat. Mit ihren Aktionsgemeinschaften * Aktion Deutsche Einheit (AKON) * Volksbewegung für Generalamnestie (VOGA) * Initiative für Ausländerbegrenzung (I.f.A.) * Aktion Deutsches Radio und Fernsehen (ARF) * Ehrenbund Rudel (ER) * Deutscher Schutzbund für Volk und Kultur ist die DVU mit über 12.500 Mitgliedern (NRW: ca. 2.500) weiterhin die mitgliederstärkste rechtsextremistische Vereinigung. Sie ist in Nordrhein-Westfalen kaum aktiv. 1.4.2 Deutsche Volksunion - Liste D (DVU - Liste D) Am 5. März 1987 wurde von Mitgliedern der DVU und maßgebenden Funktionären der NPD als Wahlbündnis die DVU--Liste D gegründet ("D" steht für Deutschland). Vorsitzender ist ihr Initiator Dr. Gerhard FREY. Sitz der Partei ist München. Die DVU-Liste D, deren Mitgliederzahl nach Schätzungen bundesweit bei ca. 2500 (NRW: ca. 400) liegt, verfügt bisher nur in Bremen über einen Landesverband. In Nordrhein-Westfalen ist sie öffentlich noch nicht in Erscheinung getreten. Mit Unterstützung des nationaldemokratischen Lagers und erheblichen finanziellen Zuschüssen des Dr. FREY konnte die DVU - Liste D sich im September 1987 erfolgreich an der Wahl der Bremer Bürgerschaft beteiligen. Sie erhielt 13.296 Stimmen (3,41 %), davon in Bremen 9593 Stimmen (2,99%). In Bremerhaven reichten ihr 3703 Stimmen (5,4%) zum Einzug in das Stadtparlament (2 von 48 Sitzen). Mit dem Bremerhavener Ergebnis entsendet die DVU - Liste D einen Abgeordneten in die Bürgerschaft. Damit wurde erstmals seit 1972 wieder ein Rechtsextremist Mitglied eines Landesparlaments. 1.5 Rechtsextremistische Jugendorganisationen 14 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 Im Jahre 1987 ist die Zahl der als Mitglieder rechtsextremistischer Jugendgruppen bekannten Personen gleichgeblieben. Auch die innerorganisatorischen Auseinandersetzungen innerhalb der WikingJugend (WJ) - der größten rechtsextremistischen Jugendgruppe - haben nicht zu einem erheblichen Mitgliederrückgang geführt. Die zweite bekannte Jugendorganisation, der Bund Heimattreuer Jugend (BHJ), ist 1987 in Nordrhein-Westfalen nicht öffentlich in Erscheinung getreten; seine Mitgliederzahl dürfte weiter bundesweit bei ca. 100 Personen liegen. 1.5.1 Wiking-Jugend (WJ) Die WJ verfügt weiterhin bundesweit über ca. 380 Mitglieder, davon etwa 100 in Nordrhein-Westfalen. Ihre Aktivitäten standen 1987 vor allem im Zeichen des sich innerhalb der Mitgliederschaft zuspitzenden Konfliktes um den künftigen Kurs. Seit Ende 1984 war es seitens der Führungsfunktionäre der WJ, vor allem ihres Bundesführers, zu einer deutlichen Annäherung an die FAP und zur damit verbundenen Übernahme eines neonazistischen Kurses gekommen. Die innerorganisatorischen Auseinandersetzungen führten zur mehrfachen Verschiebung der Neuwahl der Bundesführung. Auf dem Pfingstlager 1987 in Hetendorf/Niedersachsen wurde schließlich der bisherige Bundesführer wiedergewählt. Als Folge der internen Auseinandersetzungen und der mit der Wiederwahl des Bundesführers verbundenen Bestätigung des neonazistischen Kurses der WJ traten eine Reihe von Mitgliedern aus der Organisation aus. Sie gründeten Anfang Oktober 1987 den "Jugendbund Sturmvogel" sowie den "Arbeitskreis Junge Familie". In diesen Organisationen wollen sich diejenigen ehemaligen Mitglieder der WJ sammeln, die einen neonazistischen Kurs nicht mittragen. 1.5.2 Rechtsextremistische Randgruppen (Skinheads) Wie in den Vorjahren sind auch 1987 Teile der Skinheadszene immer wieder in Verbindung mit rechtsextremistischen Aktivitäten - insbesondere mit Neonazis - in der Öffentlichkeit aufgetreten. Für den 6. März 1987 hatten Skinheads zu einem Treffen nach LeverkusenOpladen eingeladen. Diesem Aufruf folgten ca. 50 bis 60 Skinheads und 40 bis 50 Punker. Durch massiven Polizeieinsatz konnten beide Gruppen auseinandergehalten werden. 14 Personen wurden festgenommen und elf waffenähnliche Gegenstände sichergestellt. In der Zeit vom 17. bis 21. Juni 1987 wurde in Meerbusch ein "Skinheadund Nationalistentreffen" durchgeführt. Als Veranstalter dürften hierbei bekannte Mitglieder der örtlichen Skinheadszene mit Kontakten zur Nationalistischen Front in Betracht kommen. Ca. 80 Personen versammelten sich an dem angegebenen Treffpunkt; zu Störungen kam es nicht. Lediglich am 20. Juni 1987 kam es in Meerbusch zu einer Schlägerei zwischen 30 Skinheads und einer anderen Gruppe Jugendlicher, worauf 19 Skinheads vorübergehend in polizeilichen Gewahrsam genommen wurden. Ende September 1987 hatten zwei zunächst unbekannte Personen in LeverkusenOpladen einen Stadtstreicher erheblich verletzt, ihn mit einem Gasrevolver bedroht und gezwungen, in einen Teich zu springen. Anfang Oktober 1987 konnten als Täter drei Personen im Alter von 18 und 23 Jahren festgestellt werden. Eine 15 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 Person ist der Polizei als Mitglied der örtlichen Skinheadszene bekannt. Als Motiv gaben die Täter an, vorgehabt zu haben, jede zweite Woche einen Stadtstreicher zusammenzuschlagen und aus der Stadt zu weisen, bis diese "sauber vom Dreck" sei. 1.6 Sonstige rechtsextremistische Aktivitäten Die sogenannten Kulturund Weltanschauungsgruppen haben sich auch 1987 weitgehend auf die Durchführung ihrer internen Veranstaltungen und die Herausgabe ihrer Schriften beschränkt. Der Tod des ehemaligen Hitlerstellvertreters Rudolf Hess am 17. August 1987 führte zu zahlreichen Sympathiekundgebungen rechtsextremistischer Gruppen und Personen, die u. a. auch die Behauptung äußerten, daß Hess ermordet worden sei. So kam es in ganz Nordrhein-Westfalen - u. a. in Bielefeld, Bochum, Bonn, Dortmund, Düsseldorf, Duisburg, Münster, Witten - zu einer Vielzahl von Schmierund Plakatklebeaktionen sowie Flugblattverteilungen. Daneben wurden folgende Gedenkveranstaltungen von Rechtsextremisten durchgeführt: - In Bonn führte die JN am 22. August 1987 Mahnwachen vor den Botschaften der USA und Großbritannien mit ca. 10 bzw. 50 Teilnehmern durch. Es wurden themenbezogene Transparente gezeigt. - In Dortmund wurde am selben Tag "zu Ehren des verstorbenen Stellvertreters des Führers" von der "Bewegung" eine Saalveranstaltung mit ca. 120 Teilnehmern abgehalten. Nach Beendigung der Veranstaltung begab sich ein großer Teil der Teilnehmer nach Witten, wo sie unter Absingen des "Horst-WesselLiedes" und Rufen von Parolen wie "Rache für Hess" und "Ausländer raus" durch die Innenstadt marschierten. - In Bonn wurde nach Anmeldung durch einen WJund FAP-Aktivisten aus Bad Honnef am 26. August 1987 eine Demonstration mit Abschlußkundgebung vor der Britischen Botschaft durchgeführt. An dieser Veranstaltung nahmen ca. 200 Personen teil. Redner auf der Abschlußkundgebung war u. a. der WJBundesführer, der über die Aktionen der Rechtsextremisten am zunächst vorgesehenen Beerdigungsort in Wunsiedel berichtete. 1.7 Rechtsextremisten und öffentlicher Dienst Nach dem Stand vom 31. Dezember 1987 befanden sich unter den ca. 340.000 Beschäftigten im öffentlichen Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen (ohne Vorbereitungsdienst) - soweit bekannt - 11 (1986: 11 ) Angehörige rechtsextremistischer Organisationen, vornehmlich Mitglieder der NPD (8). Erfaßt sind hierbei nur solche Bedienstete, die in den letzten fünf Jahren als Mitglieder oder aktive Angehörige extremistischer Organisationen in Erscheinung getreten sind. Die betroffenen Personen, darunter 10 Beamte, waren wie folgt beschäftigt: 5 als Lehrpersonal an Schulen 2 als wissenschaftliches Personal an Hochschulen 4 in nachgeordneten Behörden im Geschäftsbereich des Justizministers (3) sowie des Finanzministers (1 ). 16 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 Es liegen keine Erkenntnisse vor, daß diese Personen ihr berufliches Umfeld oder ihnen Anvertraute politisch zu indoktrinieren versuchten. Soweit verwertbare Erkenntnisse anfallen, die zu disziplinarrechtlichen Maßnahmen Anlaß geben könnten, werden die zuständigen Dienstvorgesetzten und die Ressorts unterrichtet. 17 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 18 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 19 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 20 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 2 Linksextremismus 2.1 Entwicklungstendenz Die Gesamtzahl der Mitglieder linksextremistischer Parteien und sonstiger Gruppierungen hat sich 1987 durch den Mitgliederrückgang bei der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) verringert; sie beträgt in Nordrhein-Westfalen nach Schätzungen noch etwa 20.000. Davon entfallen auf die DKP und ihre Nebensowie beeinflußten Organisationen (nach Abzug der Doppelmitgliedschaften) ca. 18.000, auf die Gruppierungen der sogenannten Neuen Linken ca. 2.000. Sämtliche linksextremistischen Gruppierungen und Bestrebungen gehen davon aus, daß die "kapitalistische Klassengesellschaft der Bundesrepublik Deutschland mit ihrer von den Großkonzernen beherrschten Wirtschaft, Gesellschaft und Politik" sich in einer tiefen Krise befinde. Sie lehnen unser Gesellschaftssystem ab, weil es durch Profitstreben und Ausbeutung gekennzeichnet sei und versuchen auf unterschiedliche Weise, Alternativen herbeizuführen. Die DKP erstrebt einen Sozialismus nach dem Vorbild der DDR und UdSSR als Vorstufe zum Kommunismus. Das Ziel einer sozialistischen Bundesrepublik soll über das Zwischenstadium einer antimonopolistischen Demokratie erreicht werden, der eine "Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt" vorgeschaltet ist. Die ebenfalls den Sozialismus/Kommunismus anstrebenden Gruppierungen der sog. dogmatischen Neuen Linken lehnen den real existierenden Sozialismus der Ostblockstaaten als "sozialimperialistisch" und "bürokratisch entartet" ab. Noch weiter gehen die sog. undogmatischen Neuen Linken, die gegen jede ideologische Bindung sind. Hervorzuheben sind die anarchistisch orientierten militanten Autonomen, deren Ziel die Beseitigung jeglicher staatlichen Ordnung ist und die nach ihrem Selbstverständnis überhaupt jede Ordnungsvorstellung ablehnen. In der DKP und ihren Nebenorganisationen gab es 1987 innerparteiliche Auseinandersetzungen. Ursächlich dafür waren die Reaktion der Parteiführung auf die neue Entwicklung in der Sowjetunion sowie der Unmut der Mitglieder über die Wahlempfehlung zur Bundestagswahl im Januar 1987. Während die Parteispitze die Veränderungen in der Sowjetunion grundsätzlich begrüßt, wertet sie die Übertragung der Forderung Gorbatschows nach stärkerer parteiinterner Demokratie als Einbruch in traditionelle Organisationsprinzipien und reagiert deshalb im Gegensatz zur Mehrheit der Mitglieder auf den neuen Kurs mit Zurückhaltung. Der Verzicht auf eine eigenständige Kandidatur bei der Bundestagswahl zugunsten der "Friedensliste" und insbesondere die Empfehlung, mit der Zweitstimme SPD oder Grüne zu wählen, ließ viele Mitglieder an einer eigenständigen Rolle der DKP als Partei zweifeln. Die verstärkten Aktivitäten im außerparlamentarischen Raum konnten eine nachlassende Beteiligung bei Mitgliederversammlungen und eine steigende Zahl von Parteiaustritten nicht verhindern. Die DKP versucht, durch frühzeitige Vorbereitung auf die Kommunalwahlen im Jahre 1989 sowie durch Entwicklungspläne für alle Parteigliederungen die Situation der Partei zu stabilisieren. Die Nebenorganisationen der DKP * Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 21 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 * Marxistischer Studentinnenund Studentenbund Spartakus (MSB) * Junge Pioniere (JP) blieben auch 1987 politisch und ideologisch eng mit der DKP verbunden. In den von der DKP beeinflußten Organisationen wirkten kommunistische Funktionäre 1987 weiter maßgeblich an den Entscheidungen über die politischen Aktivitäten mit. Im Bereich der "Neuen Linken" versuchte die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD), mit der erstmaligen Teilnahme an einer Bundestagswahl ihren Bekanntheitsgrad zu steigern. Bei stagnierender Mitgliederzahl in NordrheinWestfalen bleibt sie eine der mitgliederstärksten Organisationen dieses Spektrums. Wegen ihrer starren Abgrenzungstendenzen und ihres mit Nachdruck verfochtenen Ausschließlichkeitsanspruchs ist sie im linksextremistischen Bereich insgesamt isoliert. Zu den mitgliederstarken Organisationen gehört auch die Marxistische Gruppe (MG), deren organisatorischer Schwerpunkt in Bayern liegt. Die Vereinigte Sozialistische Partei (VSP), die im Herbst 1986 aus der Fusion der ehemaligen Kommunistischen Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten) (KPD) und der trotzkistischen Gruppe Internationale Marxisten (GIM) hervorgegangen ist, bemüht sich, durch Integration der Mitglieder der beiden ehemaligen Gruppierungen sowie durch Kontakte zu anderen Organisationen ihren eigenen Standort zu finden. Ihr Ziel ist es, eine gemeinsame Basis aller "revolutionären Sozialisten" zu schaffen. Die übrigen Gruppierungen der "Neuen Linken" sind auch 1987 nur gelegentlich im Rahmen von Protestaktionen hervorgetreten. Wegen ihrer geringen Mitgliederzahl und im Hinblick auf nachlassende Aktivitäten kommt ihnen im Gesamtbereich des Linksextremismus keine besondere Bedeutung mehr zu. Insgesamt gesehen geht vom Linksextremismus derzeit keine unmittelbare Gefährdung unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung aus. 2.2 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Ziele Die DKP vertritt den sowjetisch orientierten orthodoxen Kommunismus in der Bundesrepublik Deutschland. Sie stellt sich als revolutionäre Partei und "Vorhut" der Arbeiterklasse dar mit dem Anspruch, eine Alternative zur Überwindung des "krisenhaften kapitalistischen Systems" im Bundesgebiet zu sein. Nach wie vor basieren Strategie und Taktik auf den von ihr interpretierten Lehren von Marx' Engels und Lenin, die sie zunächst durch eine Politik der Bündnisse in die Praxis umsetzen möchte. Langfristig geht sie darauf aus, die als "bürgerliche Demokratie" bezeichnete freiheitliche demokratische Grundordnung unseres Landes durch eine "sozialistische Bundesrepublik" nach dem Vorbild der DDR umzugestalten. Die verfassungsfeindliche Zielsetzung der DKP wurde wiederholt durch höchstrichterliche Rechtsprechung festgestellt. 22 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 Die DKP betrachtet sich als Teil der kommunistischen Weltbewegung. In dieser Position wird sie von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) gesteuert. Die SED leitet die DKP an und gewährt ihr erhebliche finanzielle Unterstützung. Der vom Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) Michail Gorbatschow eingeleitete Prozeß der "Umgestaltung" in der Sowjetunion wird in großen Teilen der DKP kontrovers diskutiert. Der Parteivorstand begrüßte die Veränderungen in der Sowjetunion, weil sie die Möglichkeit eröffnen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland entwickelnde Sympathie für Gorbatschow und die sowjetische Politik "für die Entfaltung des Ansehens und des Einflusses der DKP als Partei des Sozialismus zu nutzen". Innerparteilich kann es nach Meinung der Parteiführung kein schematisches Übertragen der Entwicklung von der KPdSU auf die DKP geben. Die Parteiführung gesteht inzwischen auch den Fehler ein, bestehende Mißstände in den sozialistischen Staaten verschwiegen zu haben. Deshalb müsse die "Sozialismus-Propaganda" verbessert werden. Nicht verändern dürfe sich jedoch "die klassenmäßige, prinzipielle, solidarische Haltung zur Sowjetunion und zum realen Sozialismus". Parteiorganisation Die DKP verfügt über einen im Verhältnis zu ihrer Mitgliederzahl beachtlichen Parteiapparat. Der Parteivorstand mit Sitz in Düsseldorf beschäftigt über 100 hauptamtliche Mitarbeiter. Er leitet 12 Bezirksorganisationen im Bundesgebiet an, darunter in Nordrhein-Westfalen die Bezirksorganisationen Ruhr-Westfalen und Rheinland-Westfalen, bei denen - ohne Schreibund Hilfskräfte - mindestens je weitere 30 Funktionäre in gehobenen Stellungen tätig sind. Er unterhält in Bonn ein Büro ("kompetente und autorisierte Vertretung"), dem es obliegt, zu versuchen, die DKP gegenüber den im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien zu repräsentieren. Von den 42 Kreisorganisationen in Nordrhein-Westfalen werden etwa 350 Orts-, Stadtteilund Wohngebietsgruppen angeleitet, darüber hinaus etwa 150 Betriebsund Hochschulgruppen. Die Zahl der Orts-, Stadtteilund Wohngebietspruppen hat sich gegenüber dem Vorjahr infolge Teilung der Gruppen erhöht. Die Zahl der Mitglieder ist 1987 von 42.000 auf 38.000 gesunken. In NordrheinWestfalen hat sie noch 12.000 (1986: 12.500) Mitglieder. Finanzierung Die DKP vermittelte 1987 ihren Mitgliedern das Bild einer angespannten Finanzlage, um die Beitragsmoral zu verbessern und auch größere Spenden von der Basis zu erhalten. Wie in den Vorjahren hatte sie Zahlungen zu erbringen für - einen umfangreichen hauptamtlichen Mitarbeiterstamm (in NordrheinWestfalen auf Bezirksund Kreisebene mindestens 100 Personen) - den Unterhalt für zahlreiche ausschließlich gemietete - Parteibüros und Schulungsstätten 23 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 - die Ausstattung der Parteieinrichtungen mit modernen Kommunikationsgeräten und Sicherungsanlagen - Großveranstaltungen und sonstige weit gefächerte Propagandaeinsätze - Herausgabe von Schriftmaterial in hohen Auflagen - die aufwendigen Reisen von Funktionären - die Unterstützung ihrer Nebenund beeinflußten Organisationen. Die Gesamtkosten konnten nur mit Hilfe von Fremdmitteln gedeckt werden. Es ergaben sich auch 1987 Anhaltspunkte für erhebliche Finanzzuwendungen der DDR an die DKP. Publikationen Wichtigstes Propagandainstrument der DKP ist das Zentralorgan "Unsere Zeit" (UZ). Es erscheint täglich in einer Auflage von ca. 25.000, die Wochenendausgabe in etwa 45.000 Exemplaren. Daneben werden regelmäßig als wichtigste überregionale Schriften der "DKP-Pressedienst", die "Marxistischen Blätter", die "Nachrichten" (für Gewerkschaftsangehörige), der "lnfodienst" (für DKP-Betriebs-, Wohngebietsund Hochschulzeitungen), die deutschsprachige Ausgabe der internationalen Zeitschrift "Probleme des Friedens und des Sozialismus", die Broschüre "Praxis" (für die Parteiarbeit) und - unregelmäßig - die "Landrevue" (für die Landbevölkerung) herausgegeben. Eine besondere Rolle nehmen die Betriebs-, Wohngebietsund Stadtteilzeitungen ein. 1987 konnten in Nordrhein-Westfalen ca. 130 Betriebsund Hochschulzeitungen sowie ca. 80 Kreisund Stadtteilzeitungen erfaßt werden, die teilweise eine Auflage bis zu 20.000 Exemplaren erreichten. Die Schriften sind fast ausnahmslos in der "Hausdruckerei" der DKP, der Firma Plambeck & Co. in Neuss, hergestellt worden. Dort sind ca. 350 Personen beschäftigt. Betriebsarbeit Zu den politischen Schwerpunkten der Betriebsarbeit der DKP im Jahre 1987 gehörten - wie z. T. auch im Vorjahr - der Kampf gegen den Arbeitsplatzabbau in den Bereichen Stahlindustrie und Bergbau, die Unterstützung des Kampfes für die 35Stunden-Woche, die Vertiefung der betrieblichen Friedensarbeit und die Erhöhung der Betriebsund Personalratsmandate anläßlich der Betriebsund Personalratswahlen 1987. Die Betriebsarbeit bildete daher auch 1987 das nach kommunistischer Ideologie "wichtigste Kampffeld". Die Belegschaften der großen Konzernbetriebe und Verwaltungen sowie die Gewerkschaften sind nach den Vorstellungen der DKP "Hauptstützen der Kämpfe". Trotz intensiver Bemühungen, "Betriebsaktivs" ("Stützpunkte") bzw. selbständige Betriebsgruppen in den genannten Schwerpunktbereichen zu schaffen oder aber DKP-Betriebsarbeit zumindest über die 24 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 Herausgabe von Betriebszeitungen zu leisten, ist es der DKP nicht gelungen, Einfluß in den Betrieben zu gewinnen. Die vorhandenen Betriebsgruppen existieren überwiegend im Bereich der Konzernbetriebe sowie im öffentlichen Dienst, dort weitgehend im Kommunalbereich. Überörtlich führte die Partei zwei Großveranstaltungen durch: - Am 4. April 1987 fand auf Einladung des Parteivorstandes in Hattingen eine "zentrale Stahlberatung" mit etwa 100 Teilnehmern statt. Im Mittelpunkt stand dabei die Diskussion über "neue Möglichkeiten des Kampfes" zur Sicherung von Arbeitsplätzen und zum Erhalt der Standorte in der Stahlindustrie. - Am 16. Mai 1987 führte die DKP in Herten mit ca. 100 Teilnehmern eine "zentrale Bergarbeiterberatung" unter der Losung "Schluß mit dem Zechensterben - für ein Energiekonzept - Kohle statt Atom" durch. Als Grundlage für die beiden vorgenannten Veranstaltungen sowie die zahlreichen "Kampfaktionen" im Ruhrgebiet im Laufe des Jahres 1987 diente das im Oktober 1986 von der DKP-Bezirksorganisation Ruhr-Westfalen verabschiedete Ruhrgebietsprogramm "Das Revier hat Zukunft". Die DKP blieb auch bestrebt, über ihre Mitglieder Positionen in Vertretungsorganen der Belegschaften (u. a. als Betriebs-/Personalräte, Jugendvertreter, gewerkschaftliche Vertrauensleute) zu erlangen. Einen Ansatzpunkt dazu bildeten die Betriebsratswahlen in der Zeit vom 1. März bis 31. Mai 1987. Dabei dürften in Nordrhein-Westfalen erneut mehr als 100 Kommunisten in Betriebsund Personalräte gewählt worden sein. Schulung Die DKP unterhält seit Jahren ein umfangreiches Schulungssystem. Dafür stehen der Partei folgende Einrichtungen zur Verfügung: - Betriebsarbeiterschulen, die der Weiterbildung der DKP-Mitglieder dienen, die im Betrieb und in den Gewerkschaften wichtige Funktionen ausüben oder erlangen sollen - die parteieigene "Karl-Liebknecht-Schule" (mit Internat) in Leverkusen, die 1987 über 40 Grundund Speziallehrgänge (z. B. für Bildungsverantwortliche, Betriebsarbeiter, Verantwortliche für Frauenpolitik) anbot - das Institut für Marxistische Studien und Forschungen e. V. in Frankfurt/Main - das Institut für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der KPdSU in Moskau und die SED-Parteischule "Franz Mehring" in Ost-Berlin, die nach dem Willen der DKP von allen hauptamtlichen Funktionären besucht werden sollen - der Verein Marx-Engels-Stiftung e.V. im Marx-Engels-Zentrum in Wuppertal - die Marxistische Arbeiterbildung (MAB) in Wuppertal als Dachverband der lokalen MAB-Bildungsgruppen und der Marxistischen Abendschulen (MASCH). 25 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 Schwerpunkte der Parteiarbeit Die diesjährigen Aktionen zum Internationalen Frauentag am 7. und 8. März 1987 standen unter dem Motto: "... Unterstützt die Forderungen der Frauen! Macht gemeinsam den Internationalen Frauentag zum Kampftag für Gleichberechtigung, für eine atomwaffenfreie Welt--für Frieden und Arbeit für alle!". Im wesentlichen trat die DKP dabei auf Kreis-, Ortsund Stadtteilebene durch Informationsstände, Flugblattverbreitungen sowie einzelne Vortragsveranstaltungen in Erscheinung. An 13 "Kulturveranstaltungen" nahmen Künstler aus der DDR teil. Die DKP veranstaltete am 28./29. März 1987 in Gladbeck ihre 5. Frauenkonferenz mit Gästen aus der DDR und ausländischen Staaten unter dem Motto "Unsere Zukunft: Frieden und Arbeit". In der um propagandistische Wirkung bemühten Abschlußveranstaltung wurde die Forderung nach Frieden und Abrüstung, Arbeiterund Frauenrechten und Maßnahmen gegen die Massenarbeitslosigkeit erhoben. Unter der Losung "70 Jahre Oktoberrevolution - für Frieden und Arbeit; Freundschaft mit der Sowjetunion" entsandte die DKP auf Einladung des Zentralrates der sowjetischen Gewerkschaften für die Zeit vom 19. Juni bis 4. Juli 1987 den 5. Arbeiterzug in die UdSSR. Hieran nahmen ca. 300 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet - darunter etwa 80 aus Nordrhein-Westfalen - teil. In der Zeit vom 11. bis 13. September 1987 führte die DKP in Duisburg ihr 7. "UZ"Pressefest durch. Das Interesse der ca. 325.000 Besucher galt überwiegend den künstlerischen, sportlichen und musikalischen Darbietungen. In ihrem Bemühen um ein besseres Erscheinungsbild wurde die DKP insbesondere durch die KPdSU und die SED unterstützt. Im Mittelpunkt der "Woche des realen Sozialismus" in der Zeit vom 21. Oktober bis 2. November 1987 standen das Thema "70 Jahre Oktoberrevolution - das Projekt Zukunft" sowie die gegenwärtigen Umgestaltungsprozesse in der Sowjetunion. Eine Delegation aus der UdSSR war bemüht, den Besuchern der mehr als 150 öffentlichen Diskussionsund Vortragsveranstaltungen ein einmaliges Informationsangebot zu "Perestroika" und "Glasnost" zu bieten, das vor allem das Verständnis für die sowjetische Friedensund Abrüstungspolitik fördern sollte. Der Parteivorstand der DKP organisierte am 24. Oktober 1987 in Düsseldorf mit ca. 2.500 Parteimitgliedern und Sympathisanten eine Festveranstaltung. Die Redner hoben die enge Verbundenheit der Kommunisten beider Länder hervor. Sie versuchten, ihre Zuhörer von der angeblich "wachsenden Attraktivität des realen Sozialismus" zu überzeugen. Die DKP-Bezirksorganisationen Ruhr-Westfalen und Rheinland-Westfalen führten Begegnungen mit durchschnittlich ca. 50 Personen u. a. in Bielefeld, Bottrop, Dortmund, Hagen, Köln, Mülheim a. d. Ruhr, Oberhausen, Opladen und Wuppertal durch. Die DKP-Bezirksorganisationen Ruhr-Westfalen und Rheinland-Westfalen entsandten 1987 ca. 100 Delegationen in die DDR. Es handelte sich hierbei vorwiegend um Delegationen mit neuen Mitgliedern sowie Sympathisanten, Funktionären 26 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 aus Stadtteil-, Betriebsgruppen und Mitgliedern von Kreisvorständen. Sie umfaßten in der Regel nicht mehr als ca. 15 Personen. Die Reisen fanden auf Einladung der SED-Bezirksleitungen Halle, Leipzig und Karl-Marx-Stadt statt. Der Aufenthalt in der DDR diente der Werbung für den "realen Sozialismus". 2.3 DKP-orientierte Jugendund Studentenorganisationen 2.3.1 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) Die SDAJ ist mit ihren ca. 15.000 Mitgliedern (NRW: ca. 4.600) mit der DKP ideologisch und personell eng verbunden. Sie bekennt sich zu den Ideen von Marx, Engels und Lenin und kämpft für eine "sozialistische" Bundesrepublik Deutschland. In ihren politischen Aussagen bezieht sie in stetem Einklang mit der DKP einseitig die Position der UdSSR. Die Landesverbände Ruhr-Westfalen und Rheinland-Westfalen der SDAJ führten am 21./22. März 1987 in Herten bzw. am 28./29. März 1987 in Köln ihre Landesdelegiertenkonferenzen durch. Der 9. Bundeskongreß am 2./3. Mai 1987 in Frankfurt/Main unter Beteiligung von 757 Delegierten und Abordnungen von über 40 "Bruderorganisationen" stand unter dem Motto "Abrüsten jetzt! Für eine bessere Zukunft! Leben - Kämpfen - Verändern, auf uns kommt es an". Höhepunkt war die Ansprache des DKP-Vorsitzenden Herbert MIES. Schwerpunkte des Berichts der wiedergewählten SDAJ-Bundesvorsitzenden aus Bochum waren u. a. Schülerund Lehrlingsprobleme, die Friedenspolitik der Sowjetunion sowie der Aufruf zur Teilnahme an der Demonstration der Friedensbewegung am 13. Juni 1987 in Bonn. 2.3.2 Marxistischer Studentinnenund Studentenbund Spartakus (MSB) Der orthodox-kommunistische MSB ist - obwohl formal selbständig - der Studentenverband der DKP. Er stützt sich bundesweit auf eine Mitgliederzahl von etwa 5.000 Personen (NRW: ca. 1.400) und ist somit die stärkste linksextremistische Studentenorganisation in der Bundesrepublik Deutschland. Der MSB setzte seine Arbeit in den Vereinigten Deutschen Studentenschaften (VDS) fort. Mit seinem ständigen Bündnispartner, dem Sozialistischen Hochschulbund (SHB), gehört er dem im April 1987 neu gewählten Vorstand der VDS wieder an. 2.3.3 Junge Pioniere - Sozialistische Kinderorganisation (J P) Die JP haben das Ziel, die 6 - 14jährigen Kinder organisatorisch zu erfassen und unter Anwendung altersentsprechender Methoden im Sinne der orthodoxkommunistischen Ideologie zu indoktrinieren. Die Jugendlichen sollen von den JP über die SDAJ und ggf. den MSB der DKP selbst "zugeführt" werden. Wie bei der SDAJ und dem MSB bestehen seit jeher enge personelle Verflechtungen zwischen JP und der DKP. Die Zahl der Mitglieder ist 1987 im wesentlichen gleichgeblieben und liegt weiterhin in Nordrhein-Westfalen bei 1.500 (Bund 4.000). 27 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 Am 5./6. Dezember 1987 fand in Dortmund die 6. Bundeskonferenz der JP statt. Unter dem Motto "Atomwaffenfrei ins Jahr 2.000 - Den Kindern muß die Zukunft gehören" diskutierten und beschlossen ca. 300 Delegierte die Neufassung der Grundsätze der JP, in denen die Erziehungsziele unter den veränderten politischen und sozialen Bedingungen bestimmt werden. Grußworte sprachen u. a. die stellvertretende Vorsitzende der DKP und die Vorsitzende der SDAJ. Abordnungen stellten die sowjetischen Lenin-Pioniere und die Thälmann-Pioniere der DDR. Die neu gewählte Bundesleitung bestätigte den bisherigen Bundesvorsitzenden. JP und SDAJ führten auch 1987, unterstützt von der DKP, in der Zeit vom 6. bis 8. Juni ihre alljährlichen Pfingstcamps durch. Den Kindern wurde ein unterhaltsames Programm mit Geländespielen, Disco, Sportwettkämpfen, Singen und Basteln geboten. In der Zeit vom 24. Juli bis 3. August 1987 führten die JP zusammen mit der DKP Kinderferienfahrten in die DDR durch. Aus Nordrhein-Westfalen haben ca. 1.000 Kinder teilgenommen. Die Zielsetzung der Aktion ergibt sich aus einem Referat, das die damalige stellvertretende Vorsitzende der JP anläßlich des zentralen Seminars der Delegationsleiter/innen für die Kinderferienaktion 1987 am 7. März 1987 in Düsseldorf hielt. Sie sagte u. a. "Die Kinder hören und erleben in kindgemäßer Form von den Vorschlägen der Sowjetunion und aller sozialistischen Länder, wie die Welt bis zum Jahr2.000 und Europa in 5 Jahren atomwaffenfrei werden kann. Kinder werden im Sozialismus als wichtige Persönlichkeiten ernst genommen. Die Erfahrungen und Erlebnisse in den Ferienlagern können die Kinderfreundlichkeit der DDR bestätigen, sie können aber auch Vorurteile und Fragen der Kinder bestehen lassen, wenn die Kontakte und die Erlebnisse dem Zufall überlassen werden. Es geht darum, mehr Kinder in die Jungen Pioniere und in die SDAJ aufzunehmen und mehr Pionierund SDAJ-Gruppen zu gründen. " Darüber hinaus versuchen die Veranstalter nach Abschluß der Ferienaktion mit den Eltern der Ferienkinder ins Gespräch zu kommen, um sie auf diesem "Umweg" für die DKP zu gewinnen. Dieses Ziel wurde auch in diesem Jahr nicht erreicht. 2.4 DKP-beeinflußte Organisationen Kommunistisch beeinflußt sind solche Organisationen, die von Kommunisten oder auf deren Initiative hin gegründet und erheblich beeinflußt sind. Dabei reicht der Grad des Einflusses von Organisationen, in denen keine wesentlichen Entscheidungen gegen den Willen der Kommunisten möglich sind, bis hin zu solchen, in denen trotz des Kommunistischen Einflusses noch Raum für ein politisches Eigenleben besteht. Die Aufnahme extremistisch beeinflußter Organisationen in diesen Bericht bedeutet nicht, daß die eigene Zielsetzung dieser Organisationen als extremistisch zu beurteilen ist. 28 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 2.4.1 Die Friedensliste Die "Friedensliste", getragen u. a. durch die DKP, erhielt bei der Bundestagswahl am 25. Januar 1987 insgesamt 51.917 Stimmen = 0,5 % (Landtagswahl 1985: 61.818 Stimmen = 0,7 %). Die Wahlkampfarbeit für die "Friedensliste" wurde fast ausschließlich von der DKP organisiert, die zugunsten der "Friedensliste" auf eine eigene Kandidatur verzichtet hatte. Dem auf der 8. Bundesversammlung am 18. November 1987 in Leverkusen neu gewählten 45 Personen umfassenden Bundesvorstand gehören zahlreiche Mitglieder der DKP und beeinflußter Organisationen an. Eine endgültige Entscheidung über die Beteiligung an der Wahl zum Europaparlament im Jahre 1989 wurde nicht getroffen. 2.4.2 Deutsche Friedens-Union (DFU) Die DFU mit ihren bundesweit 1.000 (NRW: ca. 400) Mitgliedern war auch 1987 wesentlicher Bestandteil der orthodox-kommunistischen "Volksfront"-Politik. Mit ihrem leistungsfähigen "Apparat" war sie maßgeblich an der Organisation des kommunistischen "Friedenskampfes" - in enger Abstimmung mit der DKP - beteiligt. Eine ihrer wesentlichen Aufgaben ist die Vermittlung kommunistischer Ziele in bürgerlichen, insbesondere in christlichen Bevölkerungsgruppen. 2.4.3 Demokratische Fraueninitiative (DFI) Die DFI wurde mit Unterstützung der DKP gegründet. Sie versucht, die Aktivitäten "fortschrittlicher" Frauengruppen zu koordinieren und im Sinne der DKP zu lenken. Mit einem "Frauenfest" am 4. Juli 1987 in Oberhausen beging die DFI ihr zehnjähriges Bestehen; daran beteiligten sich etwa 600 Frauen. Es wurde eine positive Bilanz ihres Wirkens gezogen. Hervorgehoben wurden u. a. Protestaktionen gegen die Einbeziehung von Frauen in die Bundeswehr, der "Kampf gegen den SS 218" und die Teilnahme an der "Aktion Muttertag". 2.4.4 Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG - VK) Die Mitgliederzahlen der DFG - VK haben sich bundesweit auf etwa 11.000 (NRW: ca. 4.300) stabilisiert. Ihre politischen Aktivitäten beschränkten sich 1987 im allgemeinen auf die Teilnahme an Veranstaltungen und Aktionen des linksextremistischen Spektrums. 2.5 "Neue Linke" 2.5.1 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) Die MLPD, die 1982 aus dem Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands (KABD) hervorgegangen ist, bekennt sich weiterhin unverändert zum MarxismusLeninismus. Ihr programmatisch erklärtes Ziel bleibt der revolutionäre Sturz der "Diktatur der Monopolkapitalisten" und die "Errichtung der Diktatur des Proletariats", wobei sie Gewaltanwendung nicht ausschließt. 29 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 Nach eigenen Angaben finanziert sich die Partei ausschließlich aus Beiträgen und Spenden ihrer in Nordrhein-Westfalen ca. 600 (bundesweit 1.300) Mitglieder. Das Zentralorgan der Partei, die "Rote Fahne", erscheint wöchentlich in einer Auflagenhöhe von ca. 10.000 Exemplaren. - Die MLPD kandidierte bei der Bundestagswahl 1987 erstmals mit Landeslisten. Sie erhielt in Nordrhein-Westfalen 3.579 Zweitstimmen (Bund: 13.821) und erreichte damit jeweils weniger als 0,1 %. - Am 16. Mai 1987 wurde das "Arbeiterbildungszentrum" in GelsenkirchenHorst eröffnet. Ziel dieser als "Verein" bezeichneten Einrichtung ist "die Förderung wissenschaftlicher Erforschung der Probleme der Arbeiterbewegung, die Bildung und Erziehung von Mitgliedern und anderen Personen im Zusammenhang mit der Geschichte und den aktuellen Problemen der Arbeiterbewegung". - Die MLPD führte zusammen mit ihren Nebenorganisationen - Arbeiterjugendverband/Marxisten-Leninisten (AJV/M L) - Marxistisch-Leninistischer Schülerund Studentenverband (MLSV) - Marxistisch-Leninistischer Bund Intellektueller (MLBI) sowie der - Kinderorganisation "Rotfüchse" und unter Beteiligung sonstiger parteigesteuerter Initiativen aus anderen Bundesländern am 6./7. Juni 1987 in Düsseldorf ihr "2. Pfingstjugendtreffen" durch, welches mit einer Auftaktdemonstration unter dem Motto "Arbeiterjugend! Für Arbeit, Frieden - Sozialismus! Gegen Jugendarbeitslosigkeit und Militarismus" eröffnet wurde. Es nahmen nach eigenen Angaben ca. 7500 Personen teil. - Parallel zur DKP-Veranstaltung "70 Jahre Oktoberrevolution - 70 Jahre Friedenspolitik" am 24. Oktober 1987 in Düsseldorf organisierte die MLPD zusammen mit ihren Nebenorganisationen unter Beteiligung ausländischer Delegationen eine Veranstaltung unter dem Motto "70 Jahre Oktoberrevolution" am 31. Oktober 1987 in Düsseldorf. Nach eigenen Angaben nahmen ca. 2700 Personen teil. 2.5.2 Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) Die VSP bezeichnet sich als "kleine sozialistische, revolutionäre Partei" mit dem Ziel einer "von tatsächlicher Arbeitermacht geprägten sozialistischen Demokratie". Es soll eine "revolutionäre sozialistische Massenpartei" geschaffen werden, die die Arbeiterbewegung zur erfolgreichen Führung des Klassenkampfes befähigen soll, um eine politische Revolution zum Sturz der kapitalistischen Herrschaft und eine Zerstörung des Staatsapparates "von Grund auf" zu erreichen. 30 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 Sie entstand im Oktober 1986 aus dem Zusammenschluß der Kommunistischen Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten) (KPD) mit der trotzkistischen Gruppe Internationale Marxisten - Deutsche Sektion der IV. Internationale (GIM) und hat bundesweit ca. 500 Mitglieder. Der Sitz der Vereinigung befindet sich in Köln. - Die VSP veranstaltete vom 8. bis 12. Mai 1987 in Dortmund mit ca. 200 Teilnehmern einen sogenannten "Diskussionskongreß". Bei der Festlegung der künftigen Politik der VSP wurde festgestellt, daß auch weiterhin die Aufgabe besteht, "Teil des revolutionären Lagers" zu bleiben, die "Einheit der revolutionären Linken" zu fördern und sich insbesondere "mehr nach ,links' zu den Autonomen und Anarchisten" zu öffnen. - Vom 27. bis 29. November 1987 führte sie mit ca. 120 Delegierten in Wuppertal ihre 1. Zentrale Delegiertenkonferenz durch. Dem neu gewählten Zentralkomitee gehören 32 Personen an. Über die vom Zentralkomitee der VSP angestrebte Fusion mit dem Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) und über die Konzeption der Vereinigung als Mittel des Parteiaufbaus wird die innerparteiliche Diskussion fortgeführt. 2.5.3 Marxistische Gruppe (MG) Die MG, die 1977 aus den "Roten Zellen" hervorgegangen ist, hat sich zu einer der mitgliederstärksten Organisationen der "Neuen Linken" entwickelt. Ihr organisatorischer Schwerpunkt liegt in Bayern. In Nordrhein-Westfalen bestehen Gruppen in Bochum, Dortmund, Düsseldorf, Duisburg und im Köln/Bonner Bereich mit insgesamt ca. 250 Mitgliedern (Bund: ca. 1.800). Die in den Publikationen der MG verbreiteten programmatischen Aussagen belegen deren linksextreme Zielsetzung. Unverhüllt propagieren sie als ihren eigentlichen Zweck "den Staat zu zerschlagen". Da dies auf parlamentarischem Wege nicht zu verwirklichen sei, müßten "die Massen" von der Notwendigkeit überzeugt werden, ihn "funktionsunfähig" zu machen. Zur politischen Festigung sind die Anhänger der MG zu intensiver Schulungsarbeit verpflichtet. So werden in Räumen der Ruhr-Universität Bochum wöchentlich sogenannte "Sympathisanten"und "Kandidatenplenen" als Schulungsveranstaltungen der MG durchgeführt. Daneben wurden auch 1987 verschiedene öffentliche Diskussionsund Vortragsveranstaltungen zu aktuellen tagespolitischen Themen - wie Honeckerbesuch oder Veränderungen in der UdSSR ("Glasnost" etc.) - abgehalten. 2.6 Anarchismus In Nordrhein-Westfalen bestehen einige örtliche anarchistische Kleingruppen, die in ihrer Gesamtheit als unbedeutend eingeschätzt werden. Überregionale Zusammenschlüsse bilden die Freie Arbeiter-Union (FAU) und die Föderation gewaltfreier Aktionsgruppen (FoGA), letztere u. a. als Koordinationsstelle von Gruppen der "Graswurzelbewequng". Beide Organisationen können sich lediglich auf eine geringfügige Mitglieder-/Anhängerzahl stützen. Für die anarchosyndikalistische FAU ist die Arbeit in den Gewerkschaften und Betrieben Grundla31 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 ge der Revolution mit dem Ziel einer herrschaftslosen Gesellschaft ohne Parlamentarismus. Die "Graswurzelbewegung " will den "Staatsapparat" abschaffen und durch "Selbstregierung oder Anarchie" ersetzen. Militante Extremisten, die im wesentlichen unter der Bezeichnung "Autonome" auftreten, bildeten bisher keine Organisationsformen, in denen allgemein verbindliche Regelungen beschlossen werden. Gemeinsam vertreten sie allerdings eine politische Linie, die darauf gerichtet ist, den demokratischen Rechtsstaat und jede staatliche Ordnung zu beseitigen. In ihren Schriften bekennen sie sich unverblümt zur Anwendung von Gewalt. Seit dem Mord an zwei Polizeibeamten am 2. November 1987 in Frankfurt/Main an der Startbahn West wird unter "militanten Autonomen" in Nordrhein-Westfalen die Frage erörtert, wie die Tat zu bewerten ist. So haben sich "Wuppertaler Autonome" u. a. wie folgt geäußert: "Wir stellen zuerst fest, daß die Mitnahme und der Gebrauch von Schußwaffen auf Demonstrationen mit unserer Politik jetzt nichts zu tun hat. In der jetzigen politischen Situation dienen die Schüsse objektiv den herrschenden Interessen. "Die Schüsse an der Startbahn West" widersprechen ... unserer Bestimmung von revolutionärer Gewalt. Revolutionäre Gewalt muß wirksam in das System eingreifen, ... niemals aber ziellos nur der Eskalation in der Auseinandersetzung dienen und sinnlos Menschenleben fordern". Die militante autonome Szene entwickelt ihre Aktivitäten in der Regel unter dem Eindruck besonderer politischer Ereignisse und Gegebenheiten. Wie seit Jahren waren sie auch 1987 bemüht, insbesondere im Kampf gegen die zivile Nutzung der Kernenergie und die atomare Bewaffnung Einfluß auf die Gegenkampagnen zu gewinnen. Dies ist ihnen weiterhin nicht gelungen. Auch auf anderen Feldern, wie beispielsweise Antifaschismuskampagne, Frauenfragen, Umweltkampagne, konnten sie ihre Vorstellungen nicht durchsetzen und blieben bei öffentlichen Aktionen und auf Vorbereitungsveranstaltungen weitgehend isoliert. Gleichwohl darf ihre Gefährlichkeit nicht unterschätzt werden. 2.7 Linksextremisten und öffentlicher Dienst Nach dem Stand vom 31. Dezember 1987 befanden sich unter den ca. 340.000 Beschäftigten im öffentlichen Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen (ohne Vorbereitungsdienst) - soweit bekannt - 231 (1986: 226) Angehörige linksextremistischer Organisationen, vornehmlich Mitglieder der DKP (217). Die Steigerung gegenüber dem Vorjahr beruht darauf, daß die Zahl derjenigen, die erstmals als Linksextremisten bekannt wurden, höher war als die Zahl derjenigen, die wegen Ausscheidens aus extremistischen Organisationen sowie jahrelanger Inaktivität nicht mehr als linksextrem einzustufen sind. Die betroffenen Personen, darunter 156 Beamte, waren wie folgt beschäftigt: 180 als Lehrpersonal an Schulen 42 als wissenschaftliches oder sonstiges Personal an Hochschulen 9 in nachgeordneten Behörden im Geschäftsbereich des Innenministers (1), des Finanzministers (2), des Kultusministers (3), des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales (1) sowie 32 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 des Ministers für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft (2). Es liegen keine Erkenntnisse vor, daß diese Personen ihr berufliches Umfeld oder ihnen Anvertraute politisch zu indoktrinieren versuchten. Soweit verwertbare Erkenntnisse anfallen, die zu disziplinarrechtlichen Maßnahmen Anlaß geben könnten, werden die zuständigen Dienstvorgesetzten und die Ressorts unterrichtet. 33 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 34 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 35 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 36 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 3 Terrorismus 3.1 Entwicklungstendenz Von der Roten Armee Fraktion (RAF) sind 1987 keine Terroranschläge ausgegangen. Ihr Erscheinungsbild ist schon immer gekennzeichnet gewesen durch Phasen geringerer und Phasen stärkerer terroristischer Aktivitäten. Die Revolutionären Zellen/Rote Zora haben dagegen zahlreiche Anschläge verübt, wobei NordrheinWestfalen weiterhin einen Schwerpunkt der Straftaten dieser terroristischen Vereinigung bildet. Insgesamt ist davon auszugehen, daß der Kommandobereich der RAF auch weiterhin in der Lage ist, schwerste terroristische Gewaltverbrechen zu begehen; die ernste Bedrohung durch diese terroristische Vereinigung besteht daher unvermindert fort. Die Revolutionären Zellen/Rote Zora haben ihre Gefährlichkeit durch die 1987 verübten Anschläge erneut drastisch unter Beweis gestellt. 3.2 Rote Armee Fraktion (RAF) Gegen Mitglieder und Beteiligte an Straftaten der RAF haben die Justizund Strafverfolgungsbehörden 1987 folgende Maßnahmen durchgeführt: - Am 16. März 1987 verkündete das Oberlandesgericht Düsseldorf das Urteil gegen Rolf Klemens WAGNER; der Angeklagte wurde wegen seiner Beteiligung am Mordund Entführungsfall Schleyer im Jahre 1977 zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. - Mit Anklageschrift vom 11. Mai 1987 hat der Generalbundesanwalt vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf Anklage gegen Norbert HOFMEIER, Barbara PERAU, Karl-Heinz THOENE und Thomas RICHTER erhoben, die verdächtig sind, sich 1986 der RAF als Mitglieder angeschlossen zu haben; die vier Personen stammen aus Duisburg. Ihnen wird außerdem vorgeworfen, an dem Sprengstoffanschlag auf Einrichtungen des Bundesgrenzschutzes am 11. August 1986 in Swisttal-Heimerzheim beteiligt gewesen zu sein. THOENE wird darüber hinaus zur Last gelegt, gemeinsam mit RICHTER von Anfang Mai bis Anfang Juni 1986 die Lebensumstände des Leiters des Fraunhofer-lnstituts für Laser-Technik in Aachen ausgespäht zu haben. Auf das Institut wurde am 24. Juli 1986 von unbekannten Mitgliedern einer "Kämpfenden Einheit Sheban Atlouf" ein Sprengstoffanschlag verübt. - Am 1. September 1987 begann vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart die Hauptverhandlung gegen Eva Sybille HAULE-FRIMPONG, die aus Düsseldorf stammende Luitgard HORNSTEIN sowie den ebenfalls aus Düsseldorf stammenden Christian KLUTH. Den drei Angeklagten, die am 2. August 1986 zusammen in Rüsselsheim festgenommen wurden, wird Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (RAF) vorgeworfen. Frau HAULE-FRIMPONG ist zusätzlich wegen Urkundenfälschung, Hehlerei und Verstoßes gegen das Waffengesetz angeklagt, Frau HORNSTEIN zusätzlich wegen Urkundenfälschung und Hehlerei. - Am 18. Dezember 1987 wurden in Düsseldorf Andrea SIEVERING und Erik PRAUSS festgenommen, gegen die Haftbefehle des Ermittlungsrichters beim 37 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 Bundesgerichtshof wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung "Rote Armee Fraktion" sowie einer Beteiligung an dem Sprengstoffanschlag auf ein Gebäude der Firma Dornier in Immenstaad am 25. Juli 1986 bestanden. Der Prozeß gegen HAULE-FRIMPONG u. a. findet im terroristischen Umfeld starke Beachtung. Bereits vor Prozeßeröffnung wurde in der Nr. 13 der auch in der Bundesrepublik Deutschland verbreiteten niederländischen Untergrundzeitschrift "De Knipselkrant" vom 15.7.1987 "eine breite Mobilisierung zum Prozeß gegen Eva, Luitgard und Christian" als "unmittelbare Aufgabe für den antiimperalistischen Widerstand" bezeichnet; auch in Nordrhein-Westfalen wurden Flugblätter verbreitet, die sich in polemischer Form mit diesem Prozeß auseinandersetzten, wobei die unbekannten Verfasser auch die Forderungen der RAF nach "Zusammenlegung der Gefangenen aus RAF und Widerstand" aufgriffen. Seit Dezember 1987 ist eine weitere Sonderausgabe der Untergrundschrift des RAF-Bereichs "Zusammen Kämpfen - Zeitung für die antiimperialistische Front in West-Europa -" bekannt, die offenbar auch in Nordrhein-Westfalen im terroristischen Umfeld Verbreitung findet. Die Schrift enthält erstmals eine deutsche Übersetzung des Tatgeständnisses der Direkten Aktion ("Action Directe") zum Mordanschlag auf den Generaldirektor des französischen Automobilkonzerns Renault, Georges Besse, am 17. November 1986 in Paris sowie - ebenfalls in deutscher Sprache - die Taterklärung der italienischen terroristischen Gruppe Rote Brigaden ("Brigate Rosse") zu einem Raubüberfall auf einen Geldtransport am 14. Februar 1987 in Rom. 3.3 Revolutionäre Zellen/ Rote Zora (RZ) Revolutionäre Zellen und die Rote Zora, die sich nach ihrem Selbstverständnis als autonome Frauengruppe in den Revolutionären Zellen bezeichnet, traten 1987 durch 19 Brandund Sprengstoffanschläge (NRW: 5) und ein Attentat im Bundesgebiet und in Berlin (West) hervor. Hervorzuheben ist das Attentat am 1. September 1987 in Berlin (West) auf den Vorsitzenden Richter des 9. Revisionssenats des Bundesverwaltungsgerichts, Dr. Günter Korbmacher, der von unbekannten Tätern durch Schüsse in die Beine verletzt wurde. Die Täter benutzten zur Flucht ein Motorrad, das im April 1987 in Neuss entwendet worden war. In einem Tatgeständnis bringen die RZ zum Ausdruck, das Ziel ihrer Aktion sei es gewesen, dem Verletzten "intensiven körperlichen Schmerz" zuzufügen und ihn in "seiner eigenen wölfischen Klasse" politisch zu brandmarken. Bei der Tat handelt es sich nach den Anschlägen auf einen Berliner Rechtsanwalt im Mai 1978, den früheren hessischen Wirtschaftsminister Karry im Mai 1981 sowie den Leiter der Berliner Ausländerbehörde, Hollenberg, im Oktober 1986 um den vierten gezielt gegen Menschen gerichteten Anschlag der RZ. In Nordrhein-Westfalen traten RZ und Rote Zora durch folgende Straftaten in Erscheinung: 38 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 - Am 15. August 1987 entstand durch Brände, die durch Brandsätze ausgelöst wurden, in den Filialen der Bekleidungsfirma Adler in Holzwickede und Neuss erheblicher Sachschaden; zwei in der Aachener Filiale dieser Firma abgelegte Brandsätze gelangten nicht zur Zündung; die Straftaten wurden nahezu zeitgleich mit sechs weiteren Anschlägen im übrigen Bundesgebiet auf Filialen dieser Firma verübt. - Am 17. August 1987 gingen unter anderem in Aachen, Dortmund, Neuss und Paderborn textidentische Schreiben ein, in denen sich die Rote Zora dieser Taten bezichtigte; die Selbstbezichtigungen wurden mit einer Ausnahme in Paderborn mit einem fingierten Absender aufgegeben. Die Anschläge werden mit den Arbeitsbedingungen in einem südkoreanischen Produktionswerk der Firma Adler begründet. - Am 5. September 1987 verübten unbekannte Täter auf die Außenstelle des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Dortmund einen Brandanschlag, durch den erheblicher Sachschaden entstand. Die Täter drangen in das Gebäude ein, verstreuten Akten in Büros und Fluren und zündeten diese durch Brandsätze an; der Aktenbestand wurde fast vollständig vernichtet. - Aus einem zweiseitigen Tatgeständnis geht hervor, daß es sich um einen Anschlag der RZ handelte, der im Zusammenhang mit der "Asylantenproblematik" steht. - Am 1. November 1987 legten unbekannte Täter durch Brandsätze an Fahrzeugen der Firma REWE, die vor einem Auslieferungslager dieser Firma in Wesel abgestellt waren, Brände, wodurch 15 Lastkraftwagen vollständig ausbrannten und 14 weitere zum Teil erheblich beschädigt wurden; auch diese Tat gestanden die RZ in einem zweiseitigen Schreiben ein. Angeprangert wurde der Bezug von Lebensmitteln aus Südafrika. Am 18. Dezember 1987 durchsuchten Polizeibeamte in Hamburg und in Nordrhein-Westfalen die Wohnungen und Arbeitsplätze mehrerer Personen, die im Verdacht stehen, Mitglieder der terroristischen Vereinigung Revolutionäre Zellen bzw. Rote Zora zu sein. Wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung wurden in Hamburg Ursula PENSELIN und in Köln die Österreicherin Dr. Ingrid STROBL verhaftet. Frau Dr. STROBL wird zusätzlich verdächtigt, an dem Sprengstoffanschlag der Revolutionären Zellen auf das Gebäude der Deutschen Lufthansa in Köln am 28. Oktober 1986 beteiligt gewesen zu sein. Im Zusammenhang mit diesen Maßnahmen beteiligten sich in Bochum am 24. Dezember 1987 rund 150 Personen an einer nicht angemeldeten Demonstration. Einige Teilnehmer der Demonstration verteilten Flugblätter ohne Impressum, in denen gegen die Durchsuchungsmaßnahmen polemisiert wird und zur "Solidarität mit den verhafteten Frauen" aufgerufen wird. 3.4 Terroristisches Umfeld Personen und Gruppen des terroristischen Umfeldes setzten im Jahre 1987 ihre Agitation gegen den Staat in Veranstaltungen und Demonstrationen sowie durch Flugblattund Sprühaktionen fort. 39 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 So fand im März 1987 in Duisburg eine Solidaritätsdemonstration für in Duisburg Festgenommene unter dem Motto "Solidarität mit den Gefangenen--Wir lassen uns nicht spalten" statt, an der etwa 400 Personen auch aus anderen Städten des Landes teilnahmen. Im August 1987 wurde in Wuppertal ein "Autonomes Zentrum" eröffnet, es soll nach den Vorstellungen der Betreiber u. a. "dazu dienen, daß sich der bereits bestehende Widerstand im Tal besser organisieren kann, indem wir mehr Raum haben als bisher, miteinander unsere teilweise sehr unterschiedlichen Ansätze und Vorstellungen zu diskutieren und als Konsequenz daraus auch gemeinsam zu handeln". Im Rahmen einer "Zusammenlegungskampagne" fand im März 1987 in Essen unter dem Motto "Stammheim 1977 - Situation der politischen Gefangenen 1987" eine Solidaritätsveranstaltung statt, an der etwa 400 Personen, darunter auch Angehörige inhaftierter terroristischer Gewalttäter teilnahmen; in Düsseldorf wurde im Mai 1987 mit gleichartiger Thematik eine Informationsund Diskussionsveranstaltung durchgeführt. Zu einer Demonstration anläßlich des 10. Jahrestages der Selbstmorde der RAFMitglieder Andreas BAADER, Gudrun ENSSLIN und Jan Carl RASPE am 17. Oktober 1987 in Stuttgart, an der auch Personen aus dem terroristischen Umfeld in Nordrhein-Westfalen teilnahmen, war bundesweit durch Plakat-, Flugblattund Sprühaktionen aufgerufen worden; Schwerpunkt der Aktionen in NordrheinWestfalen war Köln. 3.5 Terroristische und sonstige politisch motivierte Gewalttaten Die Polizeibehörden des Landes Nordrhein-Westfalen haben 1987 registriert: Ausgeführte Gewalttaten Insgesamt 98 (1986: 181), darunter 12 (20) Sprengstoffanschläge 54 (55) Brandanschläge 3 (5) gefährliche Eingriffe in den Bahnverkehr 10 (23) Anschläge auf Hochspannungsmasten 1 (35) Sabotagehandlungen an Schachtsprenganlagen und Verteidigungsmitteln 18 (41) Sachbeschädigungen mit Gewaltanwendung. Gegenüber dem Vorjahr ist somit die Zahl der Gewalttaten - mit Ausnahme der Brandanschläge - stark rückläufig. Soweit erkennbar, waren von den erfaßten 66 Sprengstoff-/Brandanschlägen 54 linksterroristischen oder gewaltbereiten linksextremen Gruppierungen zuzuordnen. In 7 Fällen waren die Anschläge gewaltbereiten rechtsextremistischen Gruppierungen und in 5 Fällen extremistischen ausländischen Täterkreisen zuzurechnen. Wie auch in den Vorjahren galten als Hauptangriffsziele öffentliche Gebäude und Institutionen, Anlagen und Einrichtungen von Polizei, Bundespost und Bundeswehr, Geschäftsstellen von deutschen Parteien und Organisationen und ausländi40 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 sche Organisationen sowie Ausländerunterkünfte, Industrieunternehmen, Kaufhäuser, Banken, Baumaschinen und Kraftfahrzeuge. Angedrohte Gewalttaten Im Jahre 1987 wurden 362 Gewalttaten, bei denen ein politisches Motiv erkennbar war oder behauptet wurde, anonym fernmündlich oder schriftlich angedroht. Gegenüber 1986 (374 Fälle) ist damit ein geringer Rückgang festzustellen. In 117 Fällen handelte es sich um sogenannte Bombendrohungen, die vorwiegend gegen öffentliche Einrichtungen, Industrieunternehmen, militärische Objekte, Flughäfen/Fluggesellschaften, ausländische Vertretungen, Kaufhäuser, Schulen und Personen aus Politik und Wirtschaft gerichtet waren. Aus Gründen der Gefahrenabwehr wurden in zahlreichen Fällen Objekträumungen, -absperrungen und -durchsuchungen veranlaßt. Die 245 Fälle der Bedrohungen richteten sich überwiegend gegen Personen aus Politik und Wirtschaft sowie gegen Presseorgane, militärische Einrichtungen und ausländische Vertretungen. 41 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 42 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 4 Ausländerextremismus 4.1 Entwicklungstendenz Der Anteil der organisierten ausländischen Extremisten beträgt in NordrheinWestfalen annähernd 44.000. Damit wird deutlich, daß die überwiegende Mehrheit der in Nordrhein-Westfalen lebenden ausländischen Mitbürger (ca. 1,4 Million) sich weiterhin nicht an extremistischen Bestrebungen beteiligt. Die meisten Aktivitäten entfalteten die ca. 16.900 türkischen Extremisten (ohne Kurden). Aufsehen erregte das Auftreten des sogenannten Führers der "Grauen Wölfe" bei Veranstaltungen der hier agierenden Türk-Föderation; er vermochte jedoch die Spaltung dieses großen rechtsextremistischen Dachverbandes nicht zu verhindern. Auch die Bestrebungen der islamisch-extremistischen Organisationen mit rd. 8.000 Anhängern hielten an. Hierbei trat die iran-orientierte KAPLANGruppe durch Gewaltaufrufe gegen die türkische Regierung hervor; ihrem Führer KAPLAN schränkte die Stadt Köln daraufhin das Recht auf politische Betätigung ein. Im orthodox-kommunistischen Lager (ca. 2.800 Angehörige in NordrheinWestfalen) bereiten die Kommunistische Partei der Türkei (TKP) und die Arbeiterpartei der Türkei (TIP) sowie ihre Arbeitervereinigungen, Föderation der Arbeitervereine aus der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (FIDEF) und Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa - Einigkeit für Demokratie (DIB-AF), jeweils ihren Zusammenschluß vor. Die türkische Neue Linke mit etwa 2900 Anhängern entwickelte seit Jahresmitte eine Fülle von Aktivitäten, die vereinzelt mit Gewalt verbunden waren. Kampf gegen das Regime im Heimatland und Agitation gegen die Bundesrepublik Deutschland bildeten wieder gemeinsame Aktionsschwerpunkte der türkischen Linksextremisten insgesamt. Von den extremistischen Vereinigungen der Kurden mit zusammen schätzungsweise 1.000 Angehörigen in Nordrhein-Westfalen ist die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) mit ihren Nebenorganisationen wegen ihrer personellen Stärke, vor allem aber durch ihre Aktivitäten und ihre Gefährlichkeit hervorgetreten. Sie verübte 1987 zahlreiche Gewalttaten - vielfach Besetzungen - und rechtfertigte in ihren Publikationen Gewaltanwendung. Kommunistische iranische Extremisten im Bundesgebiet bekämpfen unverändert das KHOMEINI-Regime und führten 1987 größere Demonstrationen durch. Ein Teil von ihnen agitiert auch scharf gegen das deutsche Gastland. Die Bestrebungen schiitisch-extremistischer Muslime aus dem Iran, dem Irak und dem Libanon haben sich seit Beginn des Jahres 1987 verstärkt. Extremistische Tamilen lenkten mit ihren Aktionen die Aufmerksamkeit auf die "Unterdrückung" ihrer Volksgruppe in Sri Lanka und auf ihren Kampf gegen die Heimatregierung. 4.2 Türken Extreme Nationalisten 43 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 Föderation der türkisch-demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V. (ADUTDF) - Türk-Föderation - Die Türk-Föderation (Sitz: Frankfurt/Main) führte am 6. Juni 1987 in Hamm ihren 10. Ordentlichen Kongreß durch, an dem ca. 4.000 Personen teilnahmen. Auf dem Kongreß trat der langjährige Vorsitzende der in der Türkei verbotenen und aufgelösten Partei der nationalen Bewegung (MHP) auf, der tags zuvor über die Autobahn von Wien kommend ins Bundesgebiet eingereist war, obwohl er zur Zurückweisung im Grenzfahndungsbuch ausgeschrieben war. Am 17. Juni 1987 sprach er auf einer von 1.300 bis 1.500 Personen besuchten Veranstaltung des Türkisch-Deutschen Kulturvereins Köln (Mitgliedsverein der Türk-Föderation) in Köln-Mülheim. Als er das Gebäude durch einen Seitenausgang verließ, kam es zu Handgreiflichkeiten zwischen Ordnern, die ihn begleiteten, und einem Team des WDR, das ihn filmen wollte. Wegen Kritik innerhalb des Vorstandes an seinem Führungsstil trat der Vorsitzende der Türk-Föderation Ende Dezember 1987 zurück. Es wurde ein kommissarischer Leiter bestimmt. Nach monatelangen internen Auseinandersetzungen kam es am 17. Oktober 1987 zur Gründung der "Union der türkisch-islamischen Kulturvereine" (Sitz: Frankfurt/Main). Zu ihr soll etwa ein Drittel der Mitgliedsvereine der Türk-Föderation übergewechselt sein. Vor der Spaltung verfügte die TürkFöderation in Nordrhein-Westfalen über ca. 3.200 Mitglieder (Bund: etwa 10.000). Islamische Extremisten Verband der Islamischen Vereine und Gemeinden e.V. (KAPLAN-Gruppe) Gegen den "Kopftucherlaß" der türkischen Regierung, mit dem Studentinnen das Tragen von Kopftüchern in den Universitäten untersagt wird, demonstrierten ca. 3.000 Anhänger des Verbandes am 14. Februar 1987 in Bonn. Ihr Führer Cemaleddin KAPLAN rief in seiner Ansprache zum - notfalls gewaltsamen - Kampf gegen den Kemalismus (türkisches Staatsprinzip) auf. Er strebt den Sturz des Regimes im Heimatland und die Errichtung eines islamischen Staates nach iranischem Muster an. Wegen seiner Gewaltaufrufe hat der Oberstadtdirektor der Stadt Köln - auf Weisung des nordhein-westfälischen Innenministers - KAPLAN die politische Betätigung eingeschränkt. Bei einer Veranstaltung der Türkischen Gemeinde Wanne-Eickel trat KAPLAN am 20. September 1987 als Hauptredner auf. Obwohl dem Veranstalter vorher die Ordnungsverfügung der Stadt Köln gegen KAPLAN bekanntgegeben worden war, warb ein Flugblatt wie folgt für die Zusammenkunft: "Einladung zur Konferenz . . . Um den Islam zu schützen und seine Fahne zu verbreiten, werden wir bis zum letzten Atem, letzten Mann und letzten Besitz gegen imperialistische Ungläubige kämpfen." Auf der Jahreshauptversammlung des Verbandes am 26. September 1987 wurde KAPLAN in seinem Amt als 1. Vorsitzender bestätigt. Durch Satzungsänderung sollen ihm zudem größere Machtbefugnisse eingeräumt worden sein. Sein bishe44 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 riger Stellvertreter wurde nicht wiedergewählt. Zwischen beiden bestehen seit längerem erhebliche Auseinandersetzungen wegen KAPLANs Vereinsführung und politischer Einstellung. KAPLANs Verband unterhält in Köln ein "Internat". Den dort untergebrachten Jugendlichen führte man Videokassetten über den irakisch-iranischen Krieg vor. Dabei wurde angeblich dazu aufgerufen, sich für den "Kampf gegen die Ungläubigen" bereitzuhalten bzw. zu melden. Aufgrund einer durch Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Münster bestätigten Ordnungsverfügung des Oberstadtdirektors in Köln muß die Einrichtung geschlossen werden. Zur Durchsetzung der Verfügung ist am 10. Dezember 1987 ein Zwangsgeld von 5.000 DM verhängt worden. Dem "Internat" droht nunmehr die Zwangsräumung. Verein zur Erhaltung der islamischen Gebetshäuser Deutschland e.V. Am 24. Juni 1987 hat KAPLAN den Vorsitz dieses seit 1969 beim Amtsgericht Braunschweig eingetragenen Vereins übernommen. Er beabsichtigt, in Köln eine Zweigstelle einzurichten und hat dafür bereits Räume angemietet. Orthodoxe Kommunisten Kommunistische Partei der Türkei (TKP) und Arbeiterpartei der Türkei (TIP) Im Februar 1987 ist der Zusammenschluß von TKP und TIP (beide in der Türkei verboten) angekündigt worden. Ein gemeinsamer Programmentwurf ist bereits erarbeitet. Darin stellt sich die neu zu gründende Organisation als Vereinigte Kommunistische Partei der Türkei (TBKP) vor. Um die Zulassung der neuen Partei im Heimatland zu beantragen, sind der TKPVorsitzende und der TIP-Sekretär Mitte November 1987 von Düsseldorf nach Ankara geflogen; sie wurden von einem DKP-Funktionär begleitet. Bei ihrer Ankunft wurden sie festgenommen. Föderation der Arbeitervereine der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (FIDEF) und Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa - Einigkeit für Demokratie - (DIB-AF) Anfang Mai 1987 beschloß die von der TIP beeinflußte DIB-FA auf ihrem 3. Jahreskongreß in Düsseldorf, die Vereinigung mit der von der TKP beeinflußten FIDEF anzustreben. Der Zusammenschluß soll in der ersten Jahreshälfte 1988 erfolgen. Neue Linke Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. (ATIF) und Konföderation der Arbeitervereine aus der Türkei in Europa (ATIK) Die ATIF mit Sitz in Duisburg wird maßgeblich von der Kommunistischen Partei der Türkei/Marxisten-Leninisten (TKP/M-L) beeinflußt. ATIF und mehrere europäische Schwesterorganisationen haben sich im Dezember 1986 zur ATIK zusammengeschlossen. 45 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 ATIF-Anhänger demonstrierten im März 1987 in Duisburg und Köln gegen die "nationale Unterdrückung der kurdischen Nation durch den faschistischen Staat". 10 Teilnehmer besetzten zeitweilig den Kölner Dom. BOLSEVIK PARTIZAN (BP) Diese Gruppe, die sich vor Jahren von der TKP/ M-L bzw. von der ATIF abgespalten hat, verbreitete erneut Flugblätter mit militanten Parolen. In einer Flugschrift vom August 1987 verurteilt BOLSEVIK PARTIZAN die deutschen Exekutivmaßnahmen gegen die terroristische Arbeiterpartei Kurdistans und deren Nebenorganisation FEYKA-KURDISTAN. Sie sieht darin einen "Angriff" auf die revolutionäre Linke insgesamt. Das Flugblatt schließt mit dem Kampfruf: "Tod dem westdeutschen Imperialismus!". DEVRIMCI ISCI (Revolutionärer Arbeiter) Es handelt sich um eine Gruppe mit besonderer Bereitschaft zur Gewaltanwendung. Sie bezeichnet sich auch als DEVRIMCI YOL (Revolutionärer Weg). Vom 21. Oktober bis 5. November 1987 veranstaltete sie einen bundesweiten Sternmarsch nach Bonn. Dessen Motto lautete: "Für die Abschaffung der Todesstrafe und für Generalamnestie in der Türkei." In Flugblättern ruft DEVRIMCI ISCI zu einer mehrmonatigen Spendenkampagne ab 1. Dezember 1987 auf. Das gesammelte Geld ist bestimmt für Häftlinge, Anwaltsund Prozeßkosten sowie zur Unterstützung politisch Verfolgter in der Türkei. Dort herrsche "offener Faschismus, grausamste Unterdrückung, Terror und Folter in KZ-ähnlichen Kerkern". Die menschliche Würde werde "unter NATO-Stiefeln zertreten". Eine Änderung der Situation sei "nur mit dem Tod des faschistischen EVREN/ÖZAL-Regimes zu erreichen". Solidaritätsaktionen Aus "Solidarität mit den politischen Gefangenen in der Türkei" und deren "Todesfasten" entfalteten Anhänger der türkischen Neuen Linken in Nordrhein-Westfalen seit Mitte Juli 1987 zahlreiche nicht nur gewaltfreie Aktivitäten wie Aufzüge und Hungerstreiks. Vereinzelt gingen sie auch gewaltsam vor. So drangen sie am 27. Juli 1987 in die Räume des WDR Köln ein. Am 6. August 1987 besetzten sie eine türkische Bank in Dortmund, tags darauf ein türkisches Reisebüro in Köln. An der CDU-Geschäftsstelle Bielefeld plazierten sie am 27. August 1987 ein Transparent mit einer Bombenattrappe. Die Serie der Solidaritätsaktionen fand ihren Abschluß in dem Sternmarsch der DEVRIMCI ISCI vom 21. Oktober bis 5. November 1987 nach Bonn. 4.3 Kurden Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Die gefährlichste extremistische Gruppe von Ausländern in Nordrhein-Westfalen ist derzeit die orthodox-kommunistische, den "wissenschaftlichen Sozialismus" propagierende PKK mit ihren Nebenorganisationen. Sie führt einen bewaffneten "Befreiungskampf" gegen die Türkei, um einen eigenständigen "sozialistischen" Kurdenstaat zu schaffen. 46 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 Die hier lebenden PKK-Anhänger unterstützen den erbarmungslosen Kampf im Heimatland nicht nur propagandistisch; sie sammeln auch Geldmittel und werben bzw. stellen Rekruten. Abtrünnige aus den eigenen Reihen, Kritiker aus anderen Organisationen der Kurden oder Türken und überhaupt "Verräter an der kurdischen Sache" werden liquidiert. Neben sonstigen Veranstaltungen (Mitgliederversammlungen, NEWROZFeiern, Demonstrationen) führten PKK-Anhänger 1987 auch zahlreiche militante Aktionen durch. U. a. wurden vor allem Büros der SPD und des DGB in verschiedenen Städten Nordrhein-Westfalens besetzt sowie mehrere türkische Einrichtungen beschädigt. Außerdem wurden am 21. März 1987 in Bochum ein Angehöriger der Föderation der demokratischen Arbeitervereine Kurdistans (KKDK) durch Messerstiche und am 15. Oktober 1987 in Emmerich ein Türke durch Schüsse verletzt. Aus einer Rede des PKK-Generalsekretärs zum NEWROZ-(Neujahrs-)Fest im März 1987: " Wir geben hier noch einmal bekannt, daß jeder Verrat und jegliche Schuldtat, die gegen die demokratischen und legitimen Forderungen unserer Partei und unseres Volkes, gegen die erhabene Sache der nationalen Befreiung begangen wird, dem Grad der Schuldtat entsprechend bestraft wird." Ähnliche Hinweise finden sich auch in anderen PKK-Publikationen. Wegen Verdachts der Freiheitsberaubung zum Nachteil eines abtrünnigen PKKFunktionärs durchsuchte die Polizei auf Anordnung der örtlichen Staatsanwaltschaften Ende Juli 1987 in Köln mehrere Wohnungen von Angehörigen der PKK. Es wurden einschlägige Unterlagen gefunden sowie eine Geldsumme verschiedener Währung in Höhe von rd. 700.000 DM (sie wurde am 11. November 1987 an die letzte Gewahrsamsinhaberin wieder ausgehändigt) sichergestellt. Desgleichen erfolgten - auf Veranlassung des Generalbundesanwalts - in Nordrhein-Westfalen und im übrigen Bundesgebiet Anfang August 1987 bei PKK-Anhängern Durchsuchungen von Wohnund Vereinsräumen wegen des Verdachts, eine terroristische Vereinigung zu bilden. Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) Die unter der politischen Führung des PKK stehende ERNK, Sitz ihrer Europavertretung vermutlich Köln, bildet die Dachorganisation, unter der der "revolutionäre Befreiungskampf Kurdistans" vorangetrieben wird. PKK-Anhänger treten bei ihren Aktionen hierzulande (z. B. Besetzungen) vielfach unter der Bezeichnung ERNK auf. Neuerdings sind innerhalb der ERNK nachstehende "Massenorganisationen" bzw. "Frontverbände" der Arbeiter, Frauen und Jugend geschaffen worden: - Union der Patriotischen Arbeiter Kurdistans (YKWK) - Union der Patriotischen Frauen Kurdistans (YJWK) - Union der Revolutionär-Demokratischen Jugend Kurdistans (YSXK) bzw. 47 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 - Union der Patriotisch Revolutionären Jugend aus Kurdistan (YXK). Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK) Proklamiert wurde die ARGK auf dem III. PKK-Kongreß im Oktober 1986. Die Propaganda für sie in der Bundesrepublik Deutschland setzte jedoch erst im Jahre 1987 ein. Die ARGK ist die Fortführung der bisher bekannten (militärischen) Befreiungseinheiten Kurdistans (HRK). Sie ist der bewaffnete Arm der PKK bzw. der ERNK. Föderation der patriotischen Arbeiterund Kulturvereine Kurdistans in der BRD e.V. (FEYKA-KURDISTAN) Diese weitere PKK-Nebenorganisation hat ihre Zentrale in Bonn. Neben der Herausgabe von Flugblättern wurde sie 1987 in der Öffentlichkeit hauptsächlich aktiv durch - eine Frauendemonstration in Bonn gegen den "Spezialkrieg" des türkischen Staates gegen die Kurden (9. April) - einen einwöchigen Hungerstreik Mitte Juni in Bonn gegen Haftbedingungen von Gesinnungsgenossen im Heimatland - eine Kundgebung am 12. September in Köln aus Anlaß des 7. Jahrestages des Militärputsches in der Türkei mit ca. 2.400 Personen, darunter einigen Anhängern des Bundes Westdeutscher Kommunisten (BWK) und des deutschen terroristischen Umfeldes - eine Protestdemonstration mit etwa 900 Personen im November in Bonn wegen beschlagnahmter Gelder. Verein patriotischer Künstler Kurdistans in der BRD e.V. (HUNERKOM) Am 28. November 1987 feierten in Düsseldorf rd. 5.000 PKK-Anhänger das 9jährige Bestehen ihrer Partei. Organisiert wurde die Veranstaltung von der Nebenorganisation HUNERKOM; deren Anschrift ist Neuss. Kurdistan-Komitee in der BRD e.V. Aufgabe dieser in Köln ansässigen PKK-Nebenorganisation ist es, die Öffentlichkeit über den kurdischen "Befreiungskampf" aufzuklären und ihre Unterstützung zu gewinnen. Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin e.V. (KOMKAR) Neben der PKK ist die ebenfalls orthodox-kommunistische KOMKAR die bedeutendste extremistische Kurdenvereinigung im Bundesgebiet. Ihr Sitz befindet sich in Köln. 1987 war die KOMKAR verbalen und tätlichen Angriffen seitens der PKK und deren Nebenorganisationen ausgesetzt. Beispielsweise verübten mutmaßliche PKK48 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 Anhänger im März 1987 Brandanschläge auf KOMKAR-Büros in Köln und Duisburg. Sonstige Kurdenvereinigungen Ziele mutmaßlicher PKK-Angriffe waren im März 1987 ferner Anhänger der linksextremistischen Kurdenorganisationen KAWA und Föderation der demokratischen Arbeitervereine Kurdistans e.V. (KKDK) in Bielefeld und Bochum. 4.4 Iraner Union der Islamischen Studentenvereine in Europa (U.I.S.A.) In der U.I.S.A., Sitz Aachen, sammeln sich die islamisch-extremistischen Anhänger des iranischen Regimes. Sie demonstrierten Anfang 1987 in Bonn gegen den Giftgaseinsatz des Iraks im Golfkrieg. Die U.I.S.A. befindet sich im Widerstreit zu den im Iran verbotenen Khomeini-feindlichen Persergruppen. Iranische Moslemische Studenten-Vereinigung e.V. (MSV) "Gegen das Khomeini-Regime, für Frieden und Freiheit" protestierten etwa 3.500 Anhänger der MSV Anfang Februar 1987 in Bonn. Eine weitere MSVDemonstration zu Ehren des "Tages der Märtyrer und politischen Gefangenen im Iran" fand mit rund 5.000 Anhängern im Juni 1987 ebenfalls in Bonn statt. Die MSV, Sitz Köln, vereinigt die islamisch-marxistischen Volksmodjahedin, die international gegen das Heimatregime operieren. Organisation der Volksfedayin Iran (Mehrheit) Eine Gruppe in Köln lebender Perser trat am 22. Juli 1987 in einen mehrtägigen Hungerstreik, um gegen die Haftbedingungen politischer Gefangener im Iran zu protestieren. Die Streikaktion wurde publizistisch im wesentlichen von der vorbezeichneten, orthodox-komnunistisch ausgerichteten Organisation getragen, die im März 1987 den 16. Jahrestag ihrer Gründung feierte. TUDEH-Partei Iran Die orthodox-kommunistische TUDEH-Partei richtet in ihrem deutschsprachigen Informationsblatt "TUDEH-Bulletin" vom September 1987 scharfe Angriffe gegen die Präsenz der USA in der Golfregion sowie gegen die deutsche Regierung. Durch die militärische Einmischung des "US-lmperialismus und seiner Helfershelfer" eskaliere der sinnlose Iran-lrak-Krieg. Die TUDEH-Partei verurteilt "die Komplizenschaft" der Bundesregierung mit den USA. Organisation Iranischer Demokraten im Ausland (OIDA) Die OIDA, Sammelbecken der persischen Neuen Linken, hat Ende Oktober eine "Dokumentation über die bedrohte Lage der iranischen Flüchtlinge in der BRD im Jahre 1987" in deutscher Sprache herausgegeben. Darin polemisiert sie gegen die Ablehnung von Asylanträgen persischer Flüchtlinge. Die Ablehnungen erklärten sich aus den guten wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen Bonn und Teheran. Für ihre "Milliardengewinne im Iran" und die "zusätzlich am Iran-lrakKrieg verdienten astronomischen Summen" müsse die Bundesrepublik Deutsch49 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 land auf die Wünsche der "Mullah-Republik" eingehen. Durch die deutsche Asylpraxis gegenüber den Iran-Flüchtlingen würden rücksichtslos Menschenleben und Schicksale für Geschäfte mit Milliardengewinn geopfert. Die Ablehnungsbescheide unterstützten und ermutigten das "Mörder-Regime". 4.5 Schiitische Muslime Vom Khomeini-Regime beeinflußt, verstärken seit Anfang 1987 schiitischextremistische Muslimegruppen ihr Bestreben, den Islam politisch übernational voranzutreiben. Bei einer Kundgebung gegen "die Massaker an Mekkapilgern" kam es im August 1987 vor der Botschaft Saudi-Arabiens in Bonn zu Tätlichkeiten zwischen Teilnehmern und Khomeini-Gegnern. Zu der Demonstration aufgerufen hatte ein Komitee der islamischen Einheit' dem Muslime unter anderem aus folgenden schiitischen Extremistenorganisationen angehören: - U.I.S.A. - HIZB AL-DA-WA AL-ISLAMIA (Iraker) - HIZB ALLAH (Libanesen). 4.6 Srilanker (Tamilen) Gegen das Eingreifen indischer Truppen in Sri Lanka und gegen die Ende Juli 1987 getroffene Friedensregelung zwischen srilankischer und indischer Regierung richteten sich bundesweit Proteste extremistischer Tamilengruppen. An zentralen Demonstrationen in Bonn beteiligten sich am 31. Juli 1987 etwa 750 und am 17. Oktober 1987 rund 1600 Personen. Einige dort gezeigte Transparente lassen Gewaltbereitschaft erkennen: - "Wir werden vielleicht sterben, aber wir werden nicht als Sklaven leben." - "Wer ist Terrorist: sie, die unschuldige Bürger töten, oder wir, die wir um unsere angestammten Rechte kämpfen?" - "Die Waffen niederlegen bedeutet' die Tamilen zu verkaufen." Aufgerufen zu den Demonstrationen hatte die World Tamil Movement (WTM), die von den terroristischen Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) gesteuert wird. 4.7 Iren Am 23. März 1987 wurde in den späten Abendstunden ein Sprengstoffattentat auf das Offizierskasino der britischen Rheinarmee in Mönchengladbach-Rheindahlen verübt; es forderte mehr als 30 Verletzte. Der Sprengsatz war in einem Pkw mit niederländischem Kennzeichen deponiert, den ein Ire einige Tage vorher gekauft hatte. Zu dem Anschlag gingen mehrere Bekennerschreiben ein. Urheberin ist wahrscheinlich die IRA (Irish Republican Army), die in derselben Nacht in Londonderry drei britische Soldaten ermordete. 50 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 5 Spionageabwehr 5.1 Entwicklungstendenz Wie in den Vorjahren war die Bundesrepublik Deutschland auch 1987 intensiven Ausspähungsbemühungen der Nachrichtendienste der Ostblockstaaten ausgesetzt. Nach wie vor ist das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen ein bevorzugtes Aktionsfeld gegnerischer Nachrichtendienste, da hier * die Bundesregierung und die meisten diplomatischen sowie konsularischen Vertretungen ihren Sitz haben * bedeutende Unternehmen und Forschungsstätten ihren Wirkungskreis besitzen sowie * wichtige militärische Einrichtungen der Bundeswehr und der NATO angesiedelt sind. Das Streben der gegnerischen Nachrichtendienste nach Informationen ist nach wie vor sehr ausgeprägt. Es interessieren nicht nur politische, militärische und wirtschaftliche Objekte, sondern alles, was Aufbau und Handlungsweise westlicher Gesellschaftssysteme ausmacht und nachrichtendienstlich zu verwerten ist. Diese breite Aufgabenstellung bedingt einen hohen personellen und materiellen Aufwand. Die "Kundschafter des Friedens", Umschreibung für Agenten im dortigen Sprachgebrauch, sind Bestandteil der Politik der Ostblockstaaten. Ihr Ansehen in der Öffentlichkeit wird staatlicherseits gefördert, für ihre Tätigkeit wird geworben. So wurde z. B. ein in den Medien verbreitetes Interview mit Christel GUILLAUNE, Ehefrau des Kanzleramtsspions Günter GUILLAUNE und wie er nachrichtendienstlich tätig gewesen, mit der Bemerkung eingeleitet "... gedient an einem Platz, den wir 'unsichtbare Front' nennen". Heroisch berichten sie von der aufopferungsvollen Arbeit als Kundschafter für Frieden und Sozialismus, um den Frieden zu sichern. Im Hinblick hierauf sei der Preis - die Verhaftung - und kein Risiko zu hoch. Es hat sich auch 1987 gezeigt, daß die Nachrichtendienste der DDR, das sind die Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) und die Verwaltung Aufklärung des Ministeriums für Nationale Verteidigung (MfNV), mit mehr als 50% aller erkannten Aufträge in Nordrhein-Westfalen an der Spitze stehen. Im weiteren folgen die UdSSR, Polen, die CSSR, Ungarn, Jugoslawien und Bulgarien. Erwähnenswert ist, daß die "zurückhaltenden" Ausspähungen der sowjetischen Nachrichtendienste sich dadurch erklären, daß ihnen die nachrichtendienstlichen Erkenntnisse aller anderen Ostblockstaaten zugute kommen. Hinzu kommt' daß das MfS seine Agenten wegen der gemeinsamen Sprache und der verwandten Mentalität unproblematisch tarnen kann. Die vielfältigen zwischenmenschlichen Beziehungen über die Mauer hinweg bieten zudem reichliche Ansatzpunkte für eine nachrichtendienstliche Nutzung. 5.2 Zielrichtung östlicher Nachrichtendienste gegen NordrheinWestfalen 51 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 Neben der Spionage auf dem Gebiet Wirtschaft' Wissenschaft und Forschung (illegale Technologiebeschaffung) sowie der Spionage gegen die Bundeswehr und ihre NATO-Partner (Militärspionage) stellte die politische Spionage wiederum einen Schwerpunkt der nachrichtendienstlichen Aktivitäten der Ostblockstaaten dar. 5.3 Politische Spionage Die politische Spionage richtet sich gegen die Regierungen von Bund und Ländern, die öffentlichen Verwaltungen, Parteien, Verbände, Gewerkschaften etc. Ihre Zielrichtung besteht darin, Einblicke in Organisationsund Entscheidungsabläufe der maßgeblichen politischen Kräfte zu gewinnen. Über eingeschleuste Agenten in entsprechender Position kann außerdem versucht werden, Einfluß auf Entscheidungen auszuüben. Verständlicherweise sind die Sicherheitsbehörden (wie z. B. Polizei, Bundesgrenzschutz, Verfassungsschutz) als Ausspähungsobjekte besonders interessant. Folgende Beispiele zeigen dies deutlich: - Ein Angehöriger einer Sicherheitsbehörde suchte über ein Inserat einen Nebenerwerb. Über die von ihm angegebene Telefonnummer erhielt er einen Anruf mit der Aufforderung, einen für ihn bei der Post hinterlegten Brief abzuholen. Obwohl er erklärte, zwischenzeitlich nicht mehr an einer Nebenbeschäftigung interessiert zu sein und den Brief nicht abholte, trat Monate später ein Unbekannter an ihn heran, der offensichtlich an Material aus dem Behördenbereich interessiert war. Da er sich dem Verfassungsschutz offenbarte, konnte der DDR-Kontaktmann festgenommen werden. - Ein Polizeibeamter bekam anläßlich eines Besuchs bei Verwandten in der DDR wie zufällig Kontakt zu einem angeblichen Kollegen der DDRKriminalpolizei. Man kam ins Gespräch, tauschte Erfahrungen aus und beklagte u. a., daß es so schwierig sei, gegen internationale Rauschgiftbanden vorzugehen. Insbesondere zwischen beiden deutschen Staaten gebe es Informationsdefizite, obwohl die Rauschgiftkriminalität keine Rücksicht auf unterschiedliche Gesellschaftsordnungen nehme. Es sei doch sinnvoll, hier etwas zu unternehmen, um der Drahtzieher und Hintermänner habhaft zu werden. Kurz darauf hatte unser Polizeibeamter einige Namen in Händen und sagte zu, diese im polizeilichen Informationssystem zu überprüfen. - Zu Hause kamen dem Beamten allerdings Bedenken, weil er bei seinen Erzählungen über seine Erlebnisse von einem anderen Kollegen scherzhaft gefragt worden war, "ob man nicht versucht habe, ihn als Agenten anzuwerben". Nach einigem Überlegen und dem Nachlesen einschlägiger Bestimmungen des StGB kam unser Polizeibeamter dann zu dem Schluß, daß es wohl besser sei, die Spionageabwehr des Verfassungsschutzes zu informieren. 5.4 Militärspionage Die Einrichtungen und das Personal der Bundeswehr sowie der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Streitkräfte der NATO-Partner sind in hohem Maße den Ausspähungsbemühungen gegnerischer Nachrichtendienste ausgesetzt. Einfallsreich geht man auch erhebliche Umwege ein, um zum Ziel zu gelangen: - So warb ein Spion des MfS einen Bundesbürger an, der an seinem Arbeitsplatz keine sicherheitsrelevanten Zugänge hatte. Nachdem sich seine Bezie52 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 hung zu seinem Führungsoffizier gefestigt hatte, versuchte der Überworbene, seine Freundin nachrichtendienstlich zu verstricken. Sie war im militärischen Bereich tätig und das eigentliche Ziel der gegnerischen Bemühungen. Ihre freundschaftliche Beziehung zu dem Bundesbürger sollte die Anwerbung nicht nur erleichtern, sondern auch vor Enttarnung schützen. 5.5 Illegale Technologiebeschaffung Für die kommunistisch regierten Staaten ist die Wirtschaftsund Wissenschaftsspionage ein wichtiges Instrument, um eigene militärische Entwicklungen voranzutreiben und die Leistungsund Wettbewerbsfähigkeit ihrer eigenen Volkswirtschaft zu erhöhen. Die östlichen Nachrichtendienste sind bestrebt, den technischen Rückstand gegenüber den führenden westlichen Industriestaaten durch gezielte illegale Beschaffungsmaßnahmen auszugleichen. Ihre Anstrengungen richten sich vornehmlich gegen Unternehmen der Mikroelektronik und Datenverarbeitung, der Kernund Lasertechnik, der Chemie und Werkstoffherstellung sowie der Luftund Raumfahrttechnik. Die Nachrichtendienste der DDR (MfS) und der Sowjetunion (KGB--Komitee für Staatssicherheit) bemühen sich auf diesem Gebiet besonders intensiv, zu Erkenntnissen zu gelangen. Im Bereich der HVA des MfS sind mehrere Abteilungen des Sektors Wissenschaft und Technik (SWT) dafür eingesetzt, die hiesige Wirtschaft und wissenschaftliche Forschung auszuspähen. Die Wirtschaftsund Wissenschaftsspionage erstreckt sich quasi auf sämtliche Unternehmensbereiche, d. h. Ausspähungsziele sind neben Erkenntnissen über bestimmte Produkte die Grundlagenforschung in allen naturwissenschaftlichen Disziplinen genau so wie Betriebsund Brancheninterna sowie Marktund Wettbewerbsdaten. Die auf nachrichtendienstlichem Weg beschafften Informationen tragen dazu bei, den Ostblockstaaten Entwicklungsund Forschungskosten von jährlich mehreren hundert Millionen Mark zu ersparen. Beispielhaft ist hier die Tätigkeit eines Dipl.-Ing. und Unternehmensberaters anzuführen. Er war ein Top-Agent des MfS, der in zwanzigjähriger Spionagetätigkeit detaillierte Informationen aus dem Großbereich der ADV lieferte. Dank seiner Hilfe wurde das ADV-System für die Nationale Volksarmee der DDR entwickelt. Die Gesamteinsparungen betrugen über 100 Millionen Mark (DDR). Ein weiterer Aspekt auf dem Gebiet der Wirtschaftsspionage ist der Versuch, Embargobestimmungen zu umgehen. So täuschen die Nachrichtendienste beispielsweise die bundesrepublikanischen Handelspartner über den wirklichen Warenempfänger dadurch, daß die beabsichtigte Ausfuhr unerwähnt bleibt o- der ein neutrales Zielland vorgetäuscht wird. Eine andere Methode ist das Verleiten der Geschäftspartner zur Umgehung der Embargobestimmungen durch besonders lukrative Kaufangebote. 5.6 Eingeschleuste Agenten Die Einschleusung von Agenten unter Verwendung falscher biographischer Daten gehört seit langem zu den klassischen Arbeitsmethoden gegnerischer Nachrich53 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 tendienste. Nur ideologisch geschulte zuverlässige Personen mit qualifizierter Fachausbildung und eingehender nachrichtendienstlicher Unterweisung kommen für eine Schleusung in Frage. Die Betreffenden müssen in der Lage sein, in relativ kurzer Zeit die unterschiedlichsten Aufgaben zu übernehmen. So können sie von ihrer Führungsstelle als Quelle im Objekt, Tipper/Anbahner, Werber oder Agent im Verbindungswesen eingesetzt werden. Vorbereitung und Abwicklung sind mit erheblichen finanziellem und zeitlichem Aufwand verbunden. Die Schleusung selbst erfolgt zum einen unter falscher Identität über Drittländer, zum anderen durch die Doppelgängerkombination. Im letzteren Fall nutzt der Nachrichtendienst die biographischen Daten ehemaliger Bundesbürger, die ihren Wohnsitz in die DDR verlegt haben und stattet die einzuschleusenden Agenten mit deren Identität aus. Derartige Schleusungsoperationen unterliegen im Interesse der Sicherheit des Agenten besonderen konspirativen Maßnahmen. So muß auch der neue DDRBürger, d. h. der Identitätsgeber, mit verstärkten Kontrollmaßnahmen rechnen. Eines von vielen Beispielen ist die langjährige Mitarbeiterin im Bundeswirtschaftsministerium Sonja LÜNEBURG. Frau LÜNEBURG war seit 1969 in einer Vertrauensstellung tätig. Sicherheitsüberprüfungen blieben ohne Ergebnis. 1985 konnte festgestellt werden, daß sie 1967 über Straßburg nach Offenbach eingeschleust worden war. Ihre wahre Identität ist unbekannt Die tatsächliche Sonja LÜNEBURG hatte bis 1966 in West-Berlin gelebt und ist dann unbekannt verzogen. Über ihren Verbleib ist nichts bekannt. Sicher ist, daß sie mit der 1985 verschwundenen Sonja LÜNEBURG nicht identisch ist. 5.7 Werbung Anwerbungsversuche durch Agenten mit ständigem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland sind mit einem hohen Risiko verbunden. Vermehrt ist festzustellen, daß Anwerbungsversuche durch Anbahner, die aus der DDR anreisen, erfolgen. Diese Agenten stellen sich meist als Mitarbeiter fingierter, aber auch tatsächlicher Institutionen der DDR vor und behaupten, Kontakte für eine wissenschaftliche oder journalistische Zusammenarbeit zu suchen. - Beispiel: Ein Naturwissenschaftler erhält einen Anruf, in dem der Anrufer bittet, ihn besuchen zu dürfen, um ihm einen Brief eines nahen Verwandten aus der DDR zukommen zu lassen. Als das Treffen zustandekommt, übergibt der Anrufer nicht nur den Brief, sondern auch ein Geschenk. Er erklärt, daß auch er Naturwissenschaftler sei und mit dem Bundesbürger gern in Kontakt treten wolle, um Fachgespräche zu führen. Dem weiteren Gesprächsverlauf ist dann zu entnehmen, daß Hilfeleistungen erwartet werden, dies jedoch nicht kostenlos geschehen soll. Andere Anbahner treten als sogenannte Grußbesteller von Verwandten/Bekannten aus der DDR auf. Bei der Anwerbung von Bundesbürgern stellt die briefliche Anbahnung nach Stellengesuchen einen besonderen Schwerpunkt dar. Die Methode, vorwiegend von den Nachrichtendiensten der DDR praktiziert, beruht auf einer systematischen Auswertung der westdeutschen Tageszeitungen. Die hier tätigen Nachrichtendienstoffiziere firmieren unter ständig wechselnden Tarnbezeichnungen z. B. als Industrieberater, Fachredakteur, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Diplomökonom. 54 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 Es wird meist eine freiberufliche Mitarbeit auf Honorarbasis angeboten; die erste Kontaktaufnahme endet regelmäßig mit einer Einladung in ein Ost-Berliner Hotel, jedoch nie in der angeblichen Firmenniederlassung. Ähnlich verhält es sich auch bei der Briefanbahnung von Studenten: Angebliche DDR-Kommilitoninnen suchen Brieffreundschaften; eine Einladung nach OstBerlin folgt dann relativ schnell. Statt aber den erhofften näheren Kontakt mit der Studentin zu bekommen, trifft der Student mit einem angeblichen Bekannten oder Verwandten der Briefschreiberin zusammen. Die Entscheidung, dem Werbungsbemühen zu entsprechen, wird dem Besucher häufig durch eine monatliche Finanzzuwendung erleichtert. Fernziel einer derartigen Zusammenarbeit ist grundsätzlich die spätere Einschleusung in ein für den DDR-Nachrichtendienst interessantes Zielobjekt. Besonders beliebt ist die Anbahnung von Agenten bei Reisen in Ländern des kommunistischen Machtbereichs. Für die Einreise ist ein Visum mit entsprechenden Antragsunterlagen auszufüllen. Die dort gemachten Angaben werden daraufhin vom Staatssicherheitsdienst überprüft, ob die betreffende Person aufgrund ihres Wohnorts, ihres Berufs oder ihrer Arbeitsstelle nachrichtendienstlich interessant ist. Schon bei dieser oder auch bei späteren Einreisen erfolgt die Ansprache durch einen MfS-Angehörigen. Werbungen erscheinen dem gegnerischen Nachrichtendienst zudem günstig, wenn der Besucher verbotene Zahlungsmittel mitführt oder versucht, Embargowaren der Ostblockstaaten wie z. B. Jena-Glas, Schmuck, Ikonen mitzunehmen. Weiterhin sind hier zu nennen die Meldung über eine in der DDR erfolgte Straftat (z. B. Taschendiebstahl), Verstöße gegen die DDRStraßenverkehrsvorschriften (Unfälle, Abweichen von der vorgeschriebenen Reiseroute), Bemühungen um Familienzusammenführung. Nahezu allen Anbahnungsund Werbungsversuchen folgt eine Mahnung des Anwerbers, die nachrichtendienstliche Ansprache nicht zu melden. Diese Aufforderung wird oft mit der Androhung von Sanktionen im Verweigerungsfalle verknüpft. Dem Betroffenen wird z. B. angedeutet, die Beschäftigungsbehörde über seine angeblichen nachrichtendienstlichen Beziehungen zu informieren oder aber weitere Einreiseanträge abzulehnen. Auf jeden Fall werden ihm für die Bereitschaft einer Zusammenarbeit Vorteile und Vergünstigungen vielfältiger Art angeboten: Geld, Erleichterung von Einbzw. Ausreisen, Besichtigungstouren, Heiratserlaubnis, Befreiung von Zwangsumtausch. Einer nachrichtendienstlichen Verstrickung, strafbar gemäß SSSS 98, 99 StGB (Strafgesetzbuch), kann der Betroffene nur entgehen, wenn er freiwillig sein Verhalten aufgibt und sich umgehend einer Sicherheitsbehörde offenbart. Die in NordrheinWestfalen hierfür zuständige Dienststelle ist Der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen - Abteilung VI - Haroldstraße 5 4000 Düsseldorf 1 Telefon: (0211) 8 71-2821 55 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 6 Strafrechtspflege Die Justizbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen sind, wie schon in den Vorjahren, auch 1987 in erheblichem Maße mit Strafverfahren, deren Gegenstand Straftaten im Zusammenhang mit extremistischen Umtrieben waren, befaßt worden. 6.1 Verfahren wegen rechtsextremistischer Aktivitäten Bei den Staatsanwaltschaften des Landes Nordrhein-Westfalen sind im Jahre 1987 insgesamt 1250 einschlägige Verfahren neu anhängig geworden. In dieser Zeit ist in 137 Verfahren gegen 239 Personen Anklage erhoben bzw. Antrag auf Erlaß eines Strafbefehls gestellt worden. Rechtskräftig verurteilt wurden 102 Personen; 5 Angeklagte wurden freigesprochen. Gegen 51 Personen wurde das Verfahren von dem erkennenden Gericht eingestellt bzw. die Untersuchung auf nicht einschlägige Straftaten beschränkt. 6.2 Verfahren wegen linksextremistischer Aktivitäten Wegen Straftaten, deren Ursprung dem Bereich des Linksextremismus zuzuordnen ist, haben die Staatsanwaltschaften im Jahre 1987 insgesamt 1.103 Verfahren neu eingeleitet. In der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1987 ist in 168 Verfahren gegen 209 Personen Anklage erhoben bzw. Antrag auf Erlaß eines Strafbefehls gestellt worden. 75 Angeklagte wurden rechtskräftig verurteilt; 11 Angeklagte wurden freigesprochen. Gegen 34 Personen wurde das Verfahren von dem erkennenden Gericht eingestellt bzw. die Untersuchung auf nicht einschlägige Straftaten beschränkt. 6.3 Demonstrationsstraftaten Wie bereits in früheren Jahren sind die Justizbehörden des Landes NordrheinWestfalen auch im Jahre 1987 mit zahlreichen Ermittlungsund Strafverfahren befaßt worden, die anläßlich von Demonstrationen aller Art entstanden sind. Wie in den früheren Berichten dargelegt, ist es bei Veranstaltungen der genannten Art zu strafrechtlich relevanten Übergriffen sowohl der Veranstaltungsteilnehmer als auch von Außenstehenden gegenüber Teilnehmern und von Teilnehmern einer Gegendemonstration gekommen. Ferner hat es Ausschreitungen gegenüber den eingesetzten Polizeikräften gegeben. Nach einer statistischen Erhebung der Polizei sind 1987 44 von insgesamt 2.010 Demonstrationen unfriedlich verlaufen; das sind 2,19 %. Im Jahre 1987 hatten die Staatsanwaltschaften des Landes insgesamt 931 einschlägige Verfahren zu bearbeiten. Insgesamt 646 der genannten Verfahren sind in der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1987 abgeschlossen worden. Am 31. Dezember 1987 waren noch 285 Verfahren gegen 319 Personen anhängig, wobei in 98 Verfahren gegen 137 Personen bereits Anklage erhoben bzw. der Erlaß eines Strafbefehls beantragt worden ist. Die weiteren Verfahren befinden sich noch im Ermittlungsstadium. 56 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 7 Anhang 7.1 Übersicht über erwähnenswerte rechtsextremistische Parteien, nebenund beeinflußte Organisationen sowie deren Presseerzeugnisse Organisation Mitglieder Presse (einschließlich (einschließlich Sitz) Erscheinungsweise und Auflage) 1987 (1986) Deutsche Volksunion (DVU) 12.500 (12.000) "Deutscher Anzeiger" 8000 München (wöchentlich) NRW 2.500 (2.500) Einschließlich Aktion Deutsche Einheit AKON e.V. 8000 München Aktion Deutsches Radio und Fernsehen (ARF) 8000 München Initiative für Ausländerbegrenzung (I.f.A.) 8000 München Volksbewegung für Generalamnestie (VOGA) 8000 München Ehrenbund Rudel (ER) Deutscher Schutzbund für Volk und Kultur Deutsche Volksunion - Liste D 2.500 (-) (DVU-Liste D) NRW 400 (-) "Die Bewegung" (500) (-) "Die neue Front" NRW 150 (-) (monatlich) 57 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpar520 (430) "FAP-Intern" tei (FAP) (monatlich) NRW 180 (170) Hilfsorganisation für nationale poli220 (200) Nachrichten der HNG tische Gefangene und deren Angehörige (HNG) 4800 Bielefeld NRW 40 (40) Junge Nationaldemokraten (JN) 750 (600) "Junge Deutsche Stimme" 5000 Köln (unregelmäßig) Landesverband NRW 120 (120) "Junge Stimme" 4630 Bochum-Wattenscheid (unregelmäßig) Nationaldemokratische Partei 6.200 (6.100) "Deutsche Stimme" Deutschlands (NPD) (monatlich) 7000 Stuttgart "Neuer Politischer Dienst" (unregelmäßig) Landesverband NRW 1.000 (1.000) "NPD-Landesspiegel Nord4630 Bochum-Wattenscheid rhein-Westfalen" (monatlich) NRW: 54 Kreisverbände "NPD-Organisationsspiegel Nordrhein-Westfalen" (monatlich) NSDAP-Auslandsund Aufbauor100 (100) "NS-Kampfruf" ganisation (NSDAP-A0) (unregelmäßig) Lincoln/USA Nationalistische Front (NF) 80 (-) 4800 Bielefeld NRW 40-50 (-) Wiking-Jugend (WJ) 380 (380) "Wikinger" 5190 Stolberg (vierteljährlich) NRW 100 (90-100) Anmerkung: Die Aufnahme von extremistisch beeinflußten Organisationen in die vorstehende Übersicht bedeutet nicht, daß die eigene Zielsetzung einer solchen Organisation als extremistisch zu beurteilen ist. 7.2 Übersicht über erwähnenswerte linksextremistische Parteien, nebenund beeinflußte Organisationen sowie deren 58 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 Presseerzeugnisse Organisation Mitglieder Presse (einschließlich (einschließlich Sitz) Erscheinungsweise und Auflage) 1987 (1986) Deutsche Friedens-Union (DFU) 1.000 (1.000) "Pressedienst DFU" Landesverband NRW 400 (400) (unregelmäßig) 4300 Essen "DFU betr. Politik" (unregelmäßig) "Pressedienst DFU NRW (unregelmäßig) Deutsche Friedensgesellschaft - 11.000 (11.000) "nrw-postille" Vereinigte Kriegsdienstgegner (unregelmäßig) (DFG-VK) NRW 4.300 (4.300) Deutsche Kommunistische 38.000 (42.000) "Unsere Zeit" (UZ) Partei (DKP) Tagesausgaben: 25.000 Parteivorstand: Wochenendausgaben: Prinz-Georg-Str. 79 45.000 4000 Düsseldorf "DKP-Pressedienst" NRW 12.000 (12.500) (täglich) "Marxistische Blätter" (monatlich) Zentrale Einrichtungen "Nachrichten" - für Gewerk"Institut für Marxistische Studien schaftsfunktionäre und Forschungen" (monatlich) 6000 Frankfurt/Main "Verein zur Förderung der For"Landrevue" - Informationen schung und des Studiums der für die Landbevölkerung - Sozialwissenschaften e.V." (unregelmäßig) 6000 Frankfurt/Main "PRAXIS" (zweimonatlich) "Karl-Liebknecht-Schule" 5090 Leverkusen Marxistische Arbeiterbildung e.V. (MAB) Vereinigung zur Verbreitung des wissenschaftlichen Sozialismus 5600 Wuppertal "Marx-Engels-Stiftung e.V." "Probleme des Friedens und (früher: "Friedrich-EngelsSozialismus" - deutschspraZentrum") chige Ausgabe der in der 5600 Wuppertal CSSR hergestellten Schrift - (monatlich) "infodienst" - für DKPBetriebszeitungen, Wohngebietsund Hochschulzeitungen (unregelmäßig) 59 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 Bezirk Ruhr-Westfalen 6.500 (6.800) Hoffnungstr. 18 4300 Essen Bezirk Rheinland-Westfalen 5.500 (5.700) Ackerstr. 3 4000 Düsseldorf NRW: 42 Kreisorganisationen ca. 80 Kreisund Stadtteilca. 150 Betriebsund zeitungen Hochschulgruppen ca. 130 Betriebsund Hochca. 350 Wohngebietsschulzeitungen gruppen Junge Pioniere (JP) 4.000 (4.000) "pionier" 4600 Dortmund (monatlich) Landesverband Ruhr-Westfalen "Pionierleiter-Info" 4300 Essen (monatlich) Landesverband Rheinland"Mach-mit-Reihe" Westfalen (unregelmäßig) 5000 Köln NRW 1.500 (1.500) Marxistische Gruppe 1.800 (1.700) "Marxistische Arbeiterzeitung" (MAZ) "Marxistische Hochschulzeitung" "MSZ-Gegen die Kosten der Freiheit" (Zentralblatt) (monatlich) Marxistisch-Leninistische Partei 1.300 (1.300) "Rote Fahne" Deutschlands (MLPD) (10.000 wöchentlich) 4300 Essen NRW 600 (600) Marxistischer Studentinnenund 5.000 (6.000) "rote Blätter" Studentenbund Spartakus (MSB) 5300 Bonn NRW 1.400 (1.400) Sozialistische Deutsche Arbeiter15.000 (15.000) "elan" (inoffiziell) jugend (SDAJ) (35.000 monatlich) 4600 Dortmund Landesverband "Treffpunkt Gruppenleiter" Ruhr-Westfalen (monatlich) 4300 Essen örtliche Zeitungen örtliche Zeitungen Landesverband RheinlandWestfalen 5000 Köln 60 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1987 NRW 4.600 (4.600) Vereinigte Sozialistische Partei 500 (600) "Sozialistische Zeitung" (VSP) (SOZ) 5000 Köln (vierzehntägig) NRW ca. 180 Anmerkung: Die Aufnahme von extremistisch beeinflußten Organisationen in die vorstehende Übersicht bedeutet nicht, daß die eigene Zielsetzung einer solchen Organisation als extremistisch zu beurteilen ist. 61