Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 1 Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung..................................................................................... 3 1 Rechtsextremismus ......................................................................... 4 1.1 Allgemeine Entwicklungstendenz....................................................................4 1.2 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD).......................................4 1.2.1 Zielsetzung .......................................................................................................4 1.2.2 Parteiorganisation.............................................................................................4 1.2.3 Publizistik .........................................................................................................5 1.2.4 Teilnahme an der Bundestagswahl 1976 .........................................................5 1.3 Junge Nationaldemokraten (JN).......................................................................5 1.4 Aktivitäten ..........................................................................................................6 1.5 Wirkung in der Öffentlichkeit............................................................................7 1.6 Neonazistische Gruppen ..................................................................................7 2 Linksextremismus.......................................................................... 10 2.1 Deutsche Kommunistische Partei (DKP).......................................................10 2.1.1 Allgemeine politische Entwicklung..................................................................10 2.1.2 Teilnahme an der Bundestagswahl 1976 .......................................................10 2.1.3 Wahlergebnisse..............................................................................................11 2.1.4 Organisatorische Entwicklung ........................................................................11 2.2 DKP-orientierte Jugendorganisationen.........................................................12 2.2.1 DKP-Kinderorganisation "Junge Pioniere"......................................................12 2.2.2 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) .............................................13 2.2.3 Schüler als Zielgruppe der DKP/SDAJ ...........................................................15 2.2.4 Marxistischer Studentenbund Spartakus (MSB Spartakus)............................15 2.3 Maoistische kommunistische Parteien..........................................................16 2.3.1 Allgemeine Entwicklungstendenzen ...............................................................16 2.3.2 Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten (KPD/ML)..........17 2.3.2.1 Kindergruppe der KPD/ML "Rote Pioniere" .................................................18 2.3.2.2 Jugendorganisation der KPD/ML "Rote Garde"...........................................18 2.3.2.3 Kommunistischer Studentenbund/Marxisten-Leninisten (KSB/ML) .............18 2.3.3 Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) .................................................18 2.3.3.1 Liga gegen den Imperialismus (Liga)...........................................................19 2.3.3.2 Kommunistischer Jugendverband Deutschlands (KJVD) ............................19 2.3.3.3 Kommunistischer Studentenverband (KSV) ................................................19 2.3.4 Kommunistischer Bund Westdeutschland (KBW)...........................................20 2.3.4.1 Jugendgruppen des KBW "Kommunistischer Jugendbund" (KJB) ..............20 2.3.4.2 KBW-orientierte Studentengruppen.............................................................21 2.3.5 Kommunistischer Bund (KB)...........................................................................21 2.3.5.1 Ziele.............................................................................................................21 Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 2 2.3.5.2 Organisatorische Ansätze in Nordrhein-Westfalen ......................................21 2.3.6 Kommunistischer Arbeiterbund Deutschlands (KABD)...................................22 2.3.6.1 Revolutionärer Jugendverband Deutschlands (RJVD) ................................22 2.3.6.2 Kommunistische Studentengruppen (KSG).................................................22 2.4 Trotzkisten .......................................................................................................22 2.5 Vereinigte Linke (VL).......................................................................................23 2.6 Europäische Arbeiterpartei (EAP)..................................................................23 2.7 Undogmatische Gruppen................................................................................23 2.7.1 Sozialistisches Büro (SB) ...............................................................................24 2.7.2 Andere "undogmatische Gruppen" .................................................................24 2.7.3 "Alternativ-Zeitungen".....................................................................................24 3 Situation an den Hochschulen ...................................................... 25 3.1 Allgemeine Lage und besondere Vorkommnisse in Nordrhein-Westfalen.25 3.2 Vereinigte Deutsche Studentenschaften (VDS) ............................................26 3.3 Studentische Selbstverwaltung .....................................................................27 3.4 Sozialistischer Hochschulbund (SHB) ..........................................................27 4 Ausländer........................................................................................ 28 4.1 Allgemeines .....................................................................................................28 4.2 Palästinenser und Araber ...............................................................................28 4.3 Iraner ................................................................................................................28 4.4 Kroaten.............................................................................................................29 4.5 Türken ..............................................................................................................30 4.6 Italiener, Spanier, Portugiesen und Griechen...............................................31 4.7 Sonstige Vereinigungen .................................................................................31 5 Terrorismus .................................................................................... 32 5.1 Allgemeines .....................................................................................................32 5.2 Revolutionäre Zelle (RZ) .................................................................................32 5.2.1 Zielsetzung .....................................................................................................32 5.2.2 Sprengstoffanschläge.....................................................................................32 5.2.3 Durchsuchung von Buchläden........................................................................32 5.3 Aktionen im Zusammenhang mit dem Tod der Ulrike MEINHOF ................33 5.4 Sonstige Gewaltakte .......................................................................................33 5.5 Zahl der politisch motivierten Gewalttaten ...................................................33 5.6 Sympathisanten und Unterstützer .................................................................34 6 Maßnahmen im Bereich des Justizministers ............................... 35 6.1 Verfahren..........................................................................................................35 6.2 Gesetzgeberische Maßnahmen ......................................................................35 Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 3 Vorbemerkung Der Inhalt des vorliegenden Berichts knüpft an die Darstellung der Landesregierung über den Rechtsund Linksextremismus im Vorjahr (vgl. Vorlage 8/303) sowie an die mündlich vorgetragene Ergänzung in der Sitzung des Hauptausschusses am 13. Mai 1976 (vgl. Ausschußprotokoll 8/250) an und schließt zeitlich mit dem Ende des Kalenderjahres 1976 ab. Ereignisse im Zusammenhang mit dem Wahlkampf zur Bundestagswahl sind nur erwähnt, soweit sie für die Entwicklung und Bedeutung des politischen Extremismus in unserem Lande auch heute noch etwas aussagen. Die Entwicklung extremistischer Bestrebungen im Bereich der Jugend ist eingehender dargestellt worden. Erstmalig wurde den politisch motivierten Gewalthandlungen ein ausführlicherer Beitrag gewidmet. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 4 1 Rechtsextremismus 1.1 Allgemeine Entwicklungstendenz Die rückläufige Entwicklung des organisierten Rechtsextremismus hat insgesamt gesehen auch im Jahre 1976 angehalten. Trotz ihres Mißerfolges bei der Bundestagswahl 1976 und trotz weiteren Rückgangs ihrer Mitgliederzahl kann in diesem Bereich die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) immer noch als die größte Vereinigung und stärkste Triebfeder im rechtsextremistischen Lager bezeichnet werden. Bestrebungen, die NPD aufzulösen, umzubenennen oder in einer Sammlungsbewegung einzubringen, blieben erfolglos. Von den übrigen rechtsextremistischen Gruppierungen ist die Deutsche Volksunion (DVU) durch mehrere spektakuläre Veranstaltungen hervorgetreten. Die im Juni 1976 gegründete "Konservative Vereinigung", deren Hauptinitiator der ehemalige langjährige NPD-Vorsitzende Adolf von Thadden ist, bemüht sich darum, die konservativen Kräfte aller Parteien und sonstiger politischer Einflußgruppen zu sammeln. Entgegen ihrer ursprünglichen Absicht ist sie jedoch nach der Bundestagswahl nicht durch Vortragsveranstaltungen mit prominenten Rednern an die Öffentlichkeit getreten. Die NPD, ihre Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN), die DVU sowie andere Rechtsextremisten verstärkten im Jahre 1976 ihre Beziehungen zu gleichgesinnten Organisationen und Personen im Ausland. 1.2 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 1.2.1 Zielsetzung Wegen ihrer geringen Resonanz in der Bevölkerung, ihrer Erfolglosigkeit bei der Bundestagswahl 1976 und wegen der Forderung der JN nach einem militanteren Kurs sieht sich die NPD vor die Notwendigkeit gestellt, ihre politischen Ziele neu zu formulieren. Auf ihrem 10. Bundesparteitag am 14. November 1976 in Frankfurt/Main bekräftigte der Parteivorsitzende Mussgnug vor etwa 1.200 Teilnehmern (darunter 279 Delegierte) den Willen der NPD, trotz der Wahlniederlage nicht aufzugeben. 1.2.2 Parteiorganisation Neben der beabsichtigten Überarbeitung des Parteiprogramms will die NPD ihre Organisation straffen. Gedacht ist an den Ausbzw. Aufbau von Organisationsund Propagandagruppen. Der im Oktober 1975 in den Bundesvorstand gewählte Vorsitzende der DVU, Dr. Gerhard Frey, hat inzwischen sein NPD-Vorstandsamt aufgegeben; er bleibt jedoch weiterhin Mitglied der Partei. Nach wie vor befindet sich die NPD in einer finanziellen Krise. Abgesehen von ihrer sonstigen Verschuldung ist sie vor allem zur Rückzahlung empfangener Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 5 Wahlkampfkosten-Vorschüsse verpflichtet. Ihre schlechte Finanzlage will sie durch eine auf dem Parteitag am 14. November 1976 beschlossene starke Erhöhung der Mitgliedsbeiträge (von 6,00 auf 10,00 DM beim Normalbeitrag) sowie durch Spenden verbessern. Die NPD hat zur Zeit insgesamt etwa 9.700 Mitglieder (Ende 1975: rund 10.800). Hiervon entfallen auf den Landesverband Nordrhein-Westfalen rund 1.800 (Ende 1975: rund 2.100). Der Landesparteitag der nordrhein-westfälischen NPD in Altena am 27. Mai 1976 diente in erster Linie der Vorbereitung der Bundestagswahl; auf ihm wurden die Kandidaten für die Landesliste gewählt. 1.2.3 Publizistik 1976 erschien das neue Parteiorgan der NPD "Deutsche Stimme" in einer durchschnittlichen Monatsauflage von 100.000 Exemplaren. Ob die "Deutsche Wochenzeitung" - derzeitige Auflage 35.000 - weiterhin noch als Sprachrohr der NPD angesehen werden kann, erscheint zweifelhaft, nachdem diese Zeitung vor der Bundestagswahl ihren Lesern empfohlen hatte, die CDU/CSU zu wählen. Wohl auch aus diesem Grund wurde auf dem NPDParteitag im November 1976 beschlossen, für die ab Januar 1977 erhöhten Mitgliedsbeiträge auch die "Deutsche Stimme" mitzuliefern. 1.2.4 Teilnahme an der Bundestagswahl 1976 Als größte Partei des rechtsextremistischen Lagers beteiligte sich die NPD an der Bundestagswahl am 3. Oktober 1976. Sie kandidierte in 245 von 248 Wahlkreisen und hatte in allen Bundesländern Landeslisten aufgestellt. Sie erhielt im Bundesgebiet nur 136.028 Erststimmen (0,4 %) und 122.661 Zweitstimmen (0,3 %). In Nordrhein-Westfalen kandidierte die NPD in allen 73 Wahlkreisen. Hier erzielte sie 27.243 Erststimmen und - als niedrigsten Stimmenanteil von allen Bundesländern - 23.358 Zweitstimmen (jeweils 0,2 %). Die geringsten Stimmenanteile von 0,1 % hatte sie in 9 Wahlkreisen Westfalens und des Ruhrgebiets. Für die in Teilen Nordrhein-Westfalens gleichzeitig stattfindenden Kommunalwahlen kandidierte die NPD lediglich im Erftkreis. Sie erreichte dort 146 Stimmen (0,1 %). Damit verfehlte die NPD ihr Ziel, wenigstens einen - für die Wahlkampfkostenerstattung notwendigen - Stimmenanteil von 0,5 % zu erhalten. 1.3 Junge Nationaldemokraten (JN) Bei ihren Auftritten im Jahre 1976 zeigten sich die JN kampfbetonter als früher. Anders als der Mutterpartei gelang es ihnen, ihre Mitgliederzahl auf rund 1.800 zu steigern (Ende 1975: rund 1.500). Sie erheben - zumal nach dem auch für sie enttäuschenden Ausgang der Bundestagswahl - immer nachhaltiger die Forderung, die NPD zu einer "militanten Kampforganisation" umzugestalten. Um sich in der Öffentlichkeit wirkungsvoller darzustellen, verstärkten die JN - insbesondere seit Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 6 ihrem Bundeskongreß am 23. und 24. Oktober 1976 in Mannheim - ihre publizistische Arbeit, ihre Schulungstätigkeit sowie ihre Werbung innerhalb bestimmter Gruppen (Lehrlinge, Schüler, Soldaten). Der Mitgliederbestand des JN-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen hat sich gegenüber 1975 (rund 450 Mitglieder) im Jahre 1976 nicht wesentlich geändert. 1.4 Aktivitäten Entgegen ihrer ursprünglichen Absicht, am Tag der Deutschen Einheit getrennte Veranstaltungen durchzuführen, fanden sich NPD und DVU am 17. Juni 1976 zum gemeinsamen "Deutschlandtreffen" in Bonn zusammen. Hieran nahmen auch Angehörige anderer rechtsextremistischer Gruppen aus dem Inund Ausland teil. Insgesamt versammelten sich etwa 4.000 Personen. Das Treffen, das ähnlich wie das des Jahres 1975 ablief und bei der Bevölkerung wenig Resonanz fand, blieb ohne wesentliche Störungen. Allerdings mußten 13 Rechtsextremisten, die uniformähnliche Kleidung trugen bzw. Waffen bei sich führten, von der Polizei vorübergehend festgenommen werden. Am 7. August 1976 veranstaltete die NPD in Hamburg zur Eröffnung ihres Bundestagswahlkampfes einen "Kongreß der Nationalen Kräfte Europas", an dem insgesamt etwa 900 Personen teilnahmen. Von dem Auftreten von Abordnungen gleichgesinnter Organisationen aus mehreren westeuropäischen Ländern versprach sich die NPD eine Aufwertung in der Öffentlichkeit und damit eine wirksame Wahlkampfhilfe. Mit dem gleichen Ziel luden die nordrhein-westfälischen Landesverbände von NPD und JN zu einem "Kongreß Junger Europäischer Nationalisten" zum 25. September 1976 nach Dortmund ein. An den drei Einzelveranstaltungen des Kongresses, die im wesentlichen störungsfrei verliefen, nahmen zwischen 80 und 200 Personen teil. Abordnungen nationalistischer Organisationen aus Westeuropa riefen zur Wahl der NPD auf. Über die geringe Zahl der Teilnehmer und Interessenten zeigten sich die Veranstalter enttäuscht. Zu einer "Jochen Peiper-Ehrenkundgebung" hatte der DVU-Vorsitzende Dr. Frey - nach mehrwöchiger Kampagne in der von ihm herausgegebenen "Deutschen National-Zeitung" - für den 11. September 1976 nach Köln aufgerufen. (Peiper war Oberst der Waffen-SS; er fiel im Juli 1976 in Frankreich einem Attentat zum Opfer). Wegen Kündigung des angemieteten Saales und angekündigter Gegendemonstrationen mußten die bereits erschienenen Teilnehmer (etwa 400) kurzfristig in ein anderes Lokal ausweichen; es kam nicht zu der vorgesehenen Ehrung mit Denkmalsenthüllung. Die von der DVU daraufhin für den 14. November 1976 in Essen geplante "Heldengedenkfeier" für Peiper konnte ebenfalls nicht durchgeführt werden, weil die Stadt Essen sich weigerte, den Städtischen Saalbau zur Verfügung zu stellen. Eine Peiper-Ehrung fand schließlich am 7. November 1976 in Mannheim statt, nachdem das Verwaltungsgericht Karlsruhe ein Kundgebungsverbot der Stadt Mannheim wieder aufgehoben hatte, allerdings mit der Auflage an die DVU, den Gedenkstein nicht zu enthüllen. Der gleichwohl mitgebrachte Gedenkstein wurde von der Polizei beschlagnahmt. An der Mannheimer Kundgebung beteiligten sich Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 7 etwa 1.000 Personen, die aus allen Teilen der Bundesrepublik Deutschland sowie aus Frankreich und Belgien angereist waren. Es wurden zahlreiche Grußbotschaften verlesen. Nachdem das Amtsgericht Mannheim durch Beschluß vom 18. November 1976 den beschlagnahmten Gedenkstein mit der Aufschrift "Unsere Helden leben in unseren Herzen" freigegeben hatte, wurde dieser auf einer DVU-Kundgebung am 4. Dezember 1976 im "Bürgerbräukeller" in München von dem als "Ehrengast" anwesenden Oberst a. D. Rudel vor rund 1.200 Teilnehmern enthüllt. Auf der Veranstaltung wurde auch der mit 10.000 DM dotierte "Europäische Freiheitspreis" der "Deutschen National-Zeitung" (DNZ) an einen österreichischen Rechtsextremisten verliehen wegen seiner "Verdienste für das Deutschtum Österreichs". DVU-Vorsitzender Dr. Frey und die Sprecher der anwesenden ausländische Organisationen forderten eine Generalamnestie für alle ehemaligen Nationalsozialisten, Wehrmachtsund SS-Angehörigen. Dr. Frey bezeichnete Rudel als "Nationalhelden Deutschlands" und "Vorbild der deutschen Jugend", der "keinen Vergleich zu einem Landesverräter" zulasse. Zu einem Zwischenfall kam es zu Beginn der Veranstaltung, als sich der französische Rechtsanwalt (und E- hemann der im Zusammenhang mit Aktionen französischer Widerstandskämpfer bekanntgewordenen Beate Klarsfeld) Serge Klarsfeld ans Rednerpult begab. Er wurde von Ordnern ergriffen und aus dem Saal geprügelt, wobei Teilnehmer "Schlagt ihn tot!" riefen. 1.5 Wirkung in der Öffentlichkeit Die vorstehend geschilderten Aktivitäten blieben überwiegend nicht ohne die von den Veranstaltern erhoffte öffentliche Wirkung. Hierzu trugen vor allem das Auftreten militanter Teilnehmergruppen (Fanfarenzüge, schwarz-weiß-rote Fahnen, uniformähnliche Kleidung), verschiedener westeuropäischer Delegationen, aber auch zahlreiche Gegendemonstranten aus dem demokratischen und linksextremistischen Lager sowie starke Polizeiaufgebote bei. Außerdem fanden die Aktivitäten namentlich der DVU größere Beachtung in Presse, Rundfunk und Fernsehen. So waren bei der Münchener DVU-Veranstaltung am 4. Dezember 1976 über 100 Pressevertreter und Fernsehteams aus 11 Staaten (u. a. USA, UdSSR und Israel) anwesend, welche die tumultartigen Szenen aufnahmen. In einer wochenlangen Kampagne bereitete Dr. Frey in der "DNZ" die PeiperEhrenkundgebung publizistisch vor; dabei wurde u. a. der frühere Bundeskanzler Willy Brandt verunglimpft. Nach der "Rudel-Affäre" im Herbst 1976 polemisierte die "DNZ" verstärkt unter dem Motte "Kriegsheld Rudel oder Verräter Wehner". Vermutlich stießen diese Veröffentlichungen auf erhöhtes Interesse der Leserschaft; denn die "DNZ" vermochte ihre Auflage von rund 94.000 nicht unerheblich zu steigern. 1.6 Neonazistische Gruppen Der Gründer und Leiter der "Demokratischen National-Sozialistischen Gemeinschaft" (DNSG) gab in einem Rundschreiben vom 13. Juni 1976 die Auflösung seiner Vereinigung bekannt. Der Grund dürfte in der Erfolglosigkeit der DNSG liegen. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 8 Der im März 1976 in Deutschland festgenommene Leiter der US-amerikanischen NSDAP-Auslandsorganisation, Gerhard Lauck, wurde am 27. Juli 1976 vom Landgericht Koblenz wegen Verwendung nationalsozialistischer Propagandamittel (Einfuhr von Hakenkreuz-Aufklebern) zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten und zu einer Geldbuße von 1.000 DM verurteilt. Nach seiner Freilassung wurde er abgeschoben. Manfred Roeder, Leiter der Deutschen Bürgerinitiative, wurde am 27. Juli 1976 vom Amtsgericht Heilbronn zu 5.000 DM Geldstrafe verurteilt, weil er den 1945 im KZ Flossenbürg ermordeten Pfarrer Dietrich Bonhoeffer als einen "ehrlosen Vaterlandsverräter" bezeichnet hatte. Im August und September 1976 unternahm Roeder auf Einladung des Ku-Klux-Klan eine Reise in die USA, um dort seine Kontakte zu Gleichgesinnten zu vertiefen. In seinem 41. Rundbrief vom Oktober 1976, in dem er über die Amerika-Reise berichtet, erklärt er u. a.: "Wir müssen 'Ja' sagen zum Umbruch, zur Revolution, zum Chaos. Erst danach kann das Neue, das Gesunde kommen. Die große Abrechnung, das Gericht steht vor der Tür." Der Bundesgerichtshof (BGH) hob am 11. November 1976 das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 23. Februar 1976 gegen Roeder (7 Monate Freiheitsentzug mit Bewährung und 3.000 DM Geldstrafe wegen Volksverhetzung durch das Buch "Die Auschwitzlüge") auf und verwies die Strafsache zur erneuten Verhandlung an das LG Frankfurt. Der BGH beanstandete, das LG Darmstadt habe bei der Urteilsfindung geschichtliche Tatsachen (so die Massenvergasungen von Juden) unberücksichtigt gelassen, bei deren Beachtung die Strafe u. U. höher ausgefallen wäre. Die Beschwerde, die Roeder gegen das am 3. April 1976 gegen ihn verhängte vorläufige Berufsverbot eingelegt hatte, wurde vom Ehrengerichtshof für Rechtsanwälte beim Oberlandesgericht Frankfurt am 2. Dezember 1976 zurückgewiesen. Wilhelm Wübbels, einer der Initiatoren eines Sammlungsvorhabens "NSDAP", wurde am 5. August 1976 wegen Besitzes einer Sprengvorrichtung (Rohrbombe mit Zündschnur ohne Sprengsatz) festgenommen und 14 Tage in Untersuchungshaft gehalten. Das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde vom Generalbundesanwalt an die Staatsanwaltschaft Dortmund abgegeben. Im März 1976 wurden im Kreis Recklinghausen mehrfach Plakate und Klebezettel mit Hakenkreuzen angebracht. Gegen drei NS-Aktivisten, die als Täter ermittelt werden konnten, wurde im Juli 1976 Anklage erhoben. Zu zahlreichen NSPlakataktionen und -Schmierereien vornehmlich im Ruhrgebiet kam es auch im weiteren Verlauf des Jahres 1976, besonders vor der Bundestagswahl. In der Nacht zum 12. September nahm die Polizei Anhänger der NS-Gruppe WÜBBELS in Dorsten auf frischer Tat fest, als sie Wahlplakate der Bundestagsparteien, Laternenmaste, Verkehrsschilder und Wände mit Hakenkreuzplakaten überklebten. Die Festgenommenen werden verdächtigt, weitere Schmieraktionen im nördlichen Ruhrgebiet begangen zu haben; bei einer Hausdurchsuchung fand die Polizei umfangreiches NS-Propagandamaterial und andere NS-Druckerzeugnisse. Zum Jahrestag des "Marsches der NSDAP zur Feldherrnhalle" führten Rechtsextremisten in der Nacht zum 9. und 10. November 1976 in verschiedenen Städten der Bundesrepublik Deutschland, darunter in Dorsten, Gelsenkirchen und Krefeld, Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 9 Schmieraktionen durch. In Dorsten klebten unbekannte Täter Hakenkreuzplakate mit der Parole "Deutschland erwache" und mit der Aufschrift: "Ihr Toten vom 9. November, Ihr Toten wir schwören es Euch; Noch leben viel tausend Kämpfer Für das Dritte, das Großdeutsche Reich". In Krefeld stießen unbekannte Täter auf dem jüdischen Friedhof zahlreiche Grabsteine um und beschmierten sie mit Hakenkreuzen. Bei den jeweils verwendeten Plakaten und Aufklebern handelte es sich fast ausschließlich um solche der NSDAP-Auslandsorganisation. Von der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth wurde ein Ermittlungsverfahren gegen den Verleger und verantwortlichen Schriftleiter der Zeitschrift "Denk mit!" eingeleitet wegen Verbreitung nationalsozialistischer Propagandamittel, Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole, Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhaß. Bei Durchsuchungen der Geschäftsund Wohnräume am 12. September und 28. Oktober 1976 stellte die Polizei zahlreiche rechtsextremistische Druckschriften, Exemplare seiner Zeitschrift "Denk mit!" sowie Druckunterlagen und die gesamte Kundenund Interessentenkartei des "Denk mit!" - Verlags sicher. Auf Hinweise der Verfassungsschutzbehörden wurde gegen den Leiter der "Bauernund Bürgerinitiative e. V.". Thies Christophersen, in Mohrkirch (SchleswigHolstein) ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Verbreitens von NSPropagandamitteln eingeleitet. In dem Verfahren hat das Amtsgericht Flensburg durch Beschluß vom 22. Oktober 1976 die im "Kritik-Verlag" Christophersens erschienene Druckschrift "Der größte Verbrecher aller Zeiten" von Margarethe Wilhelm beschlagnahmt. Die Schrift verherrlicht nach Ansicht des Gerichts Adolf Hitler und den Führerstaat und propagiert die national-sozialistische Rassenpolitik. Am 6. November 1976 gelang es der Polizei, in Berlin die Bildung einer NSDAPOrtsgruppe zu verhindern. Es wurden vorübergehend 13 Personen festgenommen. Bei Wohnungsdurchsuchungen konnten umfangreiches NSPropagandamaterial sowie einzelne Waffen beschlagnahmt werden. Mit Sicherheit bestanden Kontakte der Berliner Gruppe zu Gleichgesinnten im Bundesgebiet. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 10 2 Linksextremismus 2.1 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 2.1.1 Allgemeine politische Entwicklung Die linksextremen Bestrebungen in Nordrhein-Westfalen wurden während des Berichtszeitraumes weiterhin entscheidend von der DKP und ihren Nebenorganisationen bestimmt. Die DKP ist mit 15.000 Mitgliedern, einem auf allen Organisationsstufen handlungsfähigen, finanzstarken Parteiapparat, ihren Publikationsorganen und Schulungseinrichtungen nach wie vor die mit Abstand bedeutungsvollste linksextreme Gruppierung geblieben. Ihre ideologischpolitischen Ausgangspositionen - d. h. ihr Bekenntnis zum Marxismus-Leninismus Moskauer Prägung und ihre Unterordnung unter die Politik der SED - sind durch aktuelle Ereignisse der letzten Monate - z. B. durch die lebhafter gewordene Diskussion um den sogenannten Eurokommunismus sowie den "Fall" Wolf Biermann - wiederum deutlich sichtbar geworden. So hat der DKP-Vorsitzende Herbert Mies auf der Konferenz der kommunistischen Parteien Europas Ende Juni 1976 in Ostberlin gemeinsam mit der SED den Führungsanspruch der KPdSU mit Nachdruck hervorgehoben und sich gegenüber abweichenden Auffassungen westeuropäischer kommunistischer Parteien klar abgegrenzt. Die DDR-Maßnahmen gegen Wolf Biermann wurden von der DKP-Führung mit der offiziellen Erklärung verteidigt, Biermann "habe mit allen gängigen antikommunistischen Klischees das sozialistische Aufbauwerk in der DDR diskriminiert". 2.1.2 Teilnahme an der Bundestagswahl 1976 Einen entscheidenden Ansatzpunkt, ihre Isolierung in der breiten Bevölkerung zu durchbrechen und sich in der Öffentlichkeit als die "wahre Interessenvertreterin der Werktätigen und der Jugend" zu profilieren, sah die DKP in einer aktiven Teilnahme am Bundestagswahlkampf 1976. Ausgehend von den Entschließungen des Bonner Parteitages (19.-21. März 1976) konzentrierten daher die DKP-Leitungsgremien in Nordrhein-Westfalen ab April 1976 ihre Bemühungen darauf, die personellen und organisatorischen Voraussetzungen für den von der Parteiführung geforderten "offensiven und bürgernahen" Wahlkampf zu schaffen. Am 16. Mai 1976 fand in Essen der Landeswahlkongreß der beiden DKP-Bezirke "Rheinland-Westfalen" und "Ruhr-Westfalen" statt, auf dem rund 400 Delegierte eine Wahlplattform sowie die 52 Personen umfassende Landesliste verabschiedeten. Zu Spitzenkandidaten wurden der DKPBundesvorsitzende Herbert Mies, Düsseldorf, und die beiden DKPBezirksvorsitzenden gewählt. Zum Schwerpunkt des Wahlkampfes wurde der Raum Bottrop, Gladbeck und Essen bestimmt; hier sollten der Bundestagswahlkampf und der Wahlkampf für die gleichzeitig stattfindenden Kommunalwahlen in Bottrop und Gladbeck zu einer einheitlichen Auseinandersetzung um bestimmte Wählergruppen verknüpft werden und der DKP zu einem spektakulärem Wahlerfolg verhelfen. Zu diesem Zweck hatte der DKP-Bezirksvorstand "Ruhr-Westfalen" einen umfassenden Wahlkampfplan erstellt, der eine eingehende Analyse der kommunalen Probleme vor allem in Bottrop enthielt und die übrigen Kreisorganisationen des Ruhrgebietes verpflichte- Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 11 te, den Wahlkampf im Schwerpunktgebiet mit 1.200 bis 1.500 Helfern aktiv zu unterstützen. Nach Aussagen des DKP-Vorsitzenden Herbert Mies hat die DKP für den Wahlkampf 3,7 Millionen DM aufgewandt von denen 1,5 Millionen durch den Verkauf von Spendenschecks und 2,2 Millionen durch die Aufnahme von Kleinkrediten in Höhe von 3.000,00 DM bis 5.000,00 DM durch die Bundestagskandidaten der DKP aufgebracht worden seien. In zwei Pressekonferenzen am 1. Juni 1976 in Bonn und am 14. Juni 1976 hat Mies energisch bestritten, Gelder aus der DDR zu erhalten. Er erklärte, daß die DKP in zunehmendem Maße Erbschaften aus dem westlichen Ausland (England, Holland, USA) und Israel erhalte und deshalb auch in Zukunft über ausreichende Mittel verfüge. Die tatsächlichen Aufwendungen für den Wahlkampf dürften den von Herbert Mies genannten Betrag von 3,7 Millionen DM nicht unerheblich übersteigen. In diesem Zusammenhang erscheint bemerkenswert, daß während der Wahlkampfzeit eine verstärkte Reisetätigkeit der im SED-Finanzierungsapparat eingesetzten Geldkuriere von Ost nach West beobachtet werden konnte. Aus SED-Kreisen verlautete, daß die Zuwendungen an die DKP - bisher ca. 30 Millionen jährlich - im Jahr 1976 beträchtlich, nämlich um mehrere zehn Millionen DM, erhöht worden seien. 2.1.3 Wahlergebnisse Bei der Bundestagswahl erhielt die DKP in Nordrhein-Westfalen 56.610 Erststimmen = 0,5 % (1972: 49.611 = 0,5 %) und 38.176 Zweitstimmen = 0,3 % (1972: 37.600 = 0,3 %). Sie hat damit gegenüber der Bundestagswahl 1972 bei den Zweitstimmen geringfügig, bei den Erststimmen um rund 7.000 Stimmen zugenommen. Die leichte Zunahme wurde von der Parteiführung nach außen hin als Erfolg gewertet. Intern hat das Wahlergebnis vor allem bei den jüngeren Mitgliedern Enttäuschung ausgelöst. Obwohl man eine Niederlage, d. h. ein Scheitern an der 5 % - Grenze einkalkuliert hatte, war doch mit einem höheren Stimmenanteil, insbesondere in den Städten des Ruhrgebietes gerechnet worden. Umso stärker wurden die Ergebnisse der Kommunalwahl in Bottrop (6.678 Stimmen = 8,5 % = 5 Sitze; bisher 4 Sitze) und Gladbeck (3.064 Stimmen = 5,61 % = 3 Sitze) als Erfolg eines konzentrierten und "basisorientierten" Wahlkampfes herausgestellt. 2.1.4 Organisatorische Entwicklung Die Erwartung der DKP-Führung, durch den Wahlkampf neue Mitglieder zu gewinnen und die Parteiorganisation auf örtlicher Ebene und in den Betrieben auszubauen, hat sich nicht erfüllt. Die Mitgliederzahl stagniert; die Zahl der Betriebsgruppen (121) und Hochschulgruppen (21) konnte nicht erhöht werden. Der DKP-Parteivorstand hat deshalb auf seiner 4. Tagung am 16. und 17. Oktober 1976 beschlossen, im Jahre 1977 wieder ein "Parteiaufgebot" zur Werbung neuer Mitglieder sowie "für die politisch-ideologische und organisatorische Stärkung der DKP" in Form eines parteiinternen Wettbewerbs durchzuführen. In der "KarlLiebknecht-Schule" in Essen sollen 1977 insgesamt 39 Lehrgänge (1976: 29) für Mitglieder und Funktionäre der DKP-Grundeinheiten stattfinden. Gleichzeitig soll im Hinblick auf die bevorstehenden Tarifverhandlungen die Tätigkeit der Betriebsgruppen und der DKP-Betriebsräte - die DKP verfügt in rund 100 Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 12 Schwerpunktbetrieben in Nordrhein-Westfalen über rund 140 Betriebsratsmitglieder - intensiviert werden. Einen propagandistischen Erfolg verspricht sich die DKP-Führung von dem nächsten UZ-Pressefest, das in der Zeit vom 1. - 3. Juli 1977 in Recklinghausen stattfinden soll. 2.2 DKP-orientierte Jugendorganisationen 2.2.1 DKP-Kinderorganisation "Junge Pioniere" In den beiden letzten Berichten wurde bereits auf die Absicht der DKP, mittels der 1974 geschaffenen Sozialistischen Kinderorganisation "Junge Pioniere" mit der ideologischen Indoktrinierung schon bei den 6 - 14-jährigen Kindern zu beginnen, hingewiesen und dies anhand von Zitaten aus den Schriften der DKP belegt. Der Aufbau der örtlichen Gruppen ist weitergegangen. Zur Zeit sind in NordrheinWestfalen 40 solcher Gruppen bekannt, 8 mehr als zur Zeit der letzten Berichterstattung. Es ist jedoch nicht zu verkennen, daß die Ausweitung der Organisation nicht in dem von der Partei gewünschten Ausmaß vonstatten geht. Weiterhin mangelt es an geeigneten Versammlungsräumen und qualifizierten Betreuern. Um diesem Mangel abzuhelfen, wurden DKPund SDAJ-Angehörige sowohl in Pionierleiter-Seminaren in der Bundesrepublik als auch auf Lehrgängen in der DDR für ihre Arbeit in den Pioniergruppen geschult. Auch 1976 veranstalteten die meisten örtlichen Gruppen wieder attraktiv gestaltete Kinderfeste, von denen sich die Führung eine besondere Werbewirkung auch auf Kinder aus nichtkommunistischen Familien verspricht. Die hier bekannten Teilnehmerzahlen reichen von 50 bis 600 und betragen im Durchschnitt etwa 220. Unter dem Werbeaspekt ist auch die Beteiligung der "Jungen Pioniere" an dem von SDAJ und MSB Spartakus gemeinsam ausgerichteten "Festival der Jugend" am 24. April 1976 in der Westfalenhalle in Dortmund zu sehen, über das bereits in der Sitzung am 13. Mai 1976 ausführlich berichtet wurde. Zum festen Programm der "Jungen Pioniere" gehören auch die alljährlichen Kinderferienreisen in die DDR. Veranstalter sind jeweils Ferienausschüsse aus Vertretern von DKP, "Jungen Pionieren", SDAJ und MSB Spartakus. Die Kinderferien-Aktion 1976 stand unter dem Motto: "Wir fahren in ein kinderfreundliches Land" und war wiederum durch Zuschüsse der DDR äußerst preisgünstig für die Teilnehmer. Die ca. 1.000 Kinder aus Nordrhein-Westfalen verbrachten 3-wöchige Ferienaufenthalte in 4 Pionierlagern in verschiedenen Teilen der DDR und zwar gemeinsam mit "Thälmann-Pionieren" der DDR, teilweise auch mit entsprechenden Kindergruppen aus anderen Ländern. Auf dem Programm standen - nach einer Verlautbarung der Bundesleitung der "Jungen Pioniere" - u.a. "Freundschaftstreffen mit Kindern der DDR, Besuche in volkseigenen Betrieben und Gespräche mit Arbeitern". Delegationen der "Jungen Pioniere" nahmen außerdem an Internationalen Pionierlagern in der Sowjet-Union, Polen, der CSSR, Bulgarien und in der sogenannten "Pionierrepublik Wilhelm Pieck" in der DDR teil. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 13 Während des Besuches einer Delegation der Freien Deutschen Jugend (FDJ) der DDR in der Bundesrepublik im Februar 1976 wurde zwischen den "Jungen Pionieren" und der FDJ ein Freundschaftsvertrag unterzeichnet. Entsprechende Freundschaftsverträge der "Jungen Pioniere" bestehen außerdem bereits mit den "Thälmann-Pionieren" der DDR und der Pionier-Organisation des Sozialistischen Jugendverbandes der CSSR. 2.2.2 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) Die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) stellt nach wie vor die zahlenmäßig größte linksextremistische Organisation für berufstätige Jugendliche und Schüler des entsprechenden Alters dar. Sie beteiligte sich auch im letzten Jahr an allen Schwerpunktaktionen des DKP-orientierten Lagers. Insbesondere unterstützte sie sehr intensiv den Bundestagswahlkampf der DKP, die, wie bei früheren Wahlen, in ihren Wahlvorschlägen auch Kandidaten aufwies, die als SDAJFunktionäre bekannt geworden sind. Die SDAJ gab eine eigene Wahlkampfzeitung heraus mit dem Motto: "Links abbiegen. Jugend will Arbeit und Bildung. Freiheit durch Sozialismus. DKP wählen". Außerdem veranstaltete die SDAJ zwei Wahltourneen zugunsten der DKP. Im übrigen stand die Tätigkeit der SDAJ im Zeichen von Parolen wie "Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit, für mehr Lehrstellen, für wirksame Mitbestimmung und demokratische Bildung, Kampf gegen Unternehmer-Willkür, Kampf für die Sicherung des Friedens und der Entspannung, für antiimperialistische Solidarität, Kampf für die Rechte der Jugend, gegen Berufsverbote". Solche Parolen spielten auch auf dem V. Bundeskongreß der SDAJ am 4. und 5. Dezember 1976 in Frankfurt/Main die beherrschende Rolle. Der Kongreß verabschiedete ein "Aktionsprogramm für die 5 Grundrechte der Jugend", das neben den konkreten Forderungen der SDAJ im Sinne der oben erwähnten Parolen auch die Vision einer "sozialistischen" Bundesrepublik Deutschland zeichnete, in der alle diese Forderungen selbstverständlich verwirklicht sind. An dem Bundeskongreß nahmen Abordnungen der DKP - mit dem Parteivorsitzenden an der Spitze -, des MSB Spartakus und der "Jungen Pioniere" sowie 29 Delegationen ausländischer Jugendorganisationen teil. Die SDAJ in Nordrhein-Westfalen beschloß auf ihrer V. Landeskonferenz am 15. Mai 1976 in Leverkusen eine regionale Neugliederung. Der bisherige Landesverband NRW wurde - in Angleichung an die Gliederung der DKP - aufgeteilt in die neuen Landesverbände Rheinland-Westfalen mit Sitz in Köln und den Schwerpunktgruppenbereichen Köln, Düsseldorf, Wuppertal, Solingen und Hagen, sowie Ruhr-Westfalen mit Sitz in Essen und den Schwerpunkten Essen, Dortmund, Duisburg, Gelsenkirchen, Münster und Bielefeld. Dem Landesverband RheinlandWestfalen gehören 75 örtliche Gruppen - einschließlich Stadtteilgruppen - an, dem Landesverband Ruhr-Westfalen 87. Die Zahl der Gruppen in ganz NordrheinWestfalen beträgt demnach 162 und hat sich damit gegenüber dem Stand von Anfang 1976 nur um 4 erhöht. Zwar wurden zahlreiche neue Gruppen gegründet, dafür aber andere aufgegeben oder zusammengelegt - eine Folge der für Jugendorganisationen typische Fluktuation. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 14 Die Zahl der Mitglieder wird für das Land Nordrhein-Westfalen auf etwa 6.000, für das Bundesgebiet auf ca. 13.500 geschätzt. Die Anzahl der SDAJ-Orts-, Betriebs-, Berufsschulund Schülerzeitungen stieg von 131 im Frühjahr 1976 auf jetzt 148. Davon sind betriebsbezogen 47 - Zunahme um 4-, Berufsschulzeitungen 13 - keine Veränderung - und Schülerzeitungen 18 - Zunahme um 7. Diese Zahlen verteilen sich auf die beiden Landesverbände wie folgt: Rheinland-Westfalen insgesamt 74 davon betriebsbezogen 24 Berufsschulzeitungen 5 Schülerzeitungen 10 Ruhr-Westfalen insgesamt 74 davon betriebsbezogen 23 Berufsschulzeitungen 8 Schülerzeitungen 8 Seit etwa zwei Jahren verstärkt die SDAJ ihre Aktivität gegenüber Schülern in allgemeinbildenden Schulen. Das zahlenmäßige Anwachsen der Schülerzeitungen in Nordrhein-Westfalen in zwei Jahren von 8 auf 18 unterstreicht die Anstrengung auf diesem Sektor. Im Frühjahr 1976 stellte der damalige Landesvorstand nach einem Umtausch der Mitgliedsbücher fest, daß in Nordrhein-Westfalen über 70 % der Mitglieder Lehrlinge, Arbeiter und Angestellte und 18 % Schüler sind. Bei dieser Gelegenheit wurde auch die Altersstruktur der SDAJ in Nordrhein-Westfalen bekanntgegeben: 13,6 % zwischen 14 und 16, 22 % zwischen 16 und 18, 44 % zwischen 18 und 23 Jahren und 20 % über 23 Jahre. Der Anteil der weiblichen Mitglieder betrug rund 32 %. Das Bestreben der SDAJ, in den Landesjugendring Nordrhein-Westfalen und in weitere örtliche Jugendringe des Landes aufgenommen zu werden, blieb auch im letzten Jahr ohne Erfolg. Die Vollversammlung des Landesjugendringes Nordrhein-Westfalen wies auf ihrer Tagung am 29. April 1976 - zum fünften Mal - einen entsprechenden Antrag der SDAJ ab. Örtlich ist sie auch weiterhin nur in 5 der 185 Stadtund Kreisjugendringe unseres Lande vertreten (Bergisch Gladbach, Bielefeld, Essen, Gevelsberg und Frechen). Der Deutsche Bundesjugendring lehnte auf seiner 48. Vollversammlung am 19. November 1976 in Frankfurt/Main erneut die Aufnahme der SDAJ ab. Die freundschaftlichen Kontakte der SDAJ zu den sogenannten "BruderOrganisationen" in den Ostblockländern werden weiterhin gepflegt. Das findet seinen Ausdruck in regem Delegationsaustausch mit den Jugendverbänden der Ostblockstaaten, der Beteiligung der SDAJ an "Freundschaftszügen" in die DDR Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 15 und die Sowjetunion, in der Teilnahme am X. Parlament der FDJ im Sommer und an der Konferenz der Kommunistischen Jugend Spaniens im Oktober 1976 in Barcelona. Als Mitglied des Büros des "Weltbundes der demokratischen Jugend" (WBDJ), des internationalen Dachverbandes der kommunistischen und prokommunistischen Jugendorganisationen, war die SDAJ an Delegationen des Weltbundes in zahlreiche Länder der Dritten Welt beteiligt. Die SDAJ gehört dem "Arbeitskreis Festival" an, in dem zur Zeit 23 überwiegend kommunistische und prokommunistische Jugendorganisationen der Bundesrepublik Deutschland ihre Teilnahme an den XI. Weltfestspielen der Jugend und Studenten 1978 in Kuba vorbereiten, während sich zur Zeit 24 nichtkommunistische Verbände in der "Koordinierungsgruppe XI. Weltfestspiele" zusammengeschlossen haben. Vier Vertreter des "Arbeitskreises Festival" und fünf der "Koordinierungsgruppe" bilden gemeinsam den "Initiativausschuß der Bundesrepublik Deutschland für die XI. Weltfestspiele", der die Jugendorganisationen der Bundesrepublik Deutschland im "Internationalen Vorbereitungskomitee" vertritt. Welche Vertreter dem Initiativausschuß angehören werden, ist bisher nicht bekannt. Beschlüsse des Initiativausschusses bedürfen der Zustimmung beider Partner. 2.2.3 Schüler als Zielgruppe der DKP/SDAJ Die DKP und die SDAJ bleiben weiterhin bemüht, ihren Einfluß unter den Schülern auszubauen. Sie konnten vor allem ihre Stellung in der Landesschülervertretung Nordrhein-Westfalen behaupten, die die Ermittlungen gegen den Landesverbindungslehrer wegen dessen DKP-Mitgliedschaft als gegen sich selbst gerichtet ansieht und mit einer vom Kultusminister verbotenen Plakettenaktion "Weg mit den verfassungswidrigen Berufsverboten" in letzter Zeit dagegen angeht. Der DKP-orientierte Marxistische Schülerbund (MSB) ist - ohne daß eine offizielle Auflösung der einzelnen Gruppen bekannt wurde - im Laufe des Jahres 1976 als ernstzunehmendes Instrument linksextremistischer Einflußnahme auf die Schülerschaft nicht mehr in Erscheinung getreten. 2.2.4 Marxistischer Studentenbund Spartakus (MSB Spartakus) Der Marxistische Studentenbund (MSB) Spartakus hielt zum 5. Jahrestag seiner Gründung am 22. Oktober 1976 in Köln eine Großveranstaltung mit über 4.000 Teilnehmern ab. Als Gast war u. a. auch der DKP-Vorsitzende Herbert Mies anwesend. In dem vom Bundesvorsitzenden, Mitglied des Parteivorstandes der DKP, vorgetragenen Referat des Bundesvorstandes wird die Bedeutung des außerparlamentarischen Kampfes besonders hervorgehoben: "Nicht das Starren auf knappe und immer knappere Mehrheiten im Parlament, sondern der massive außerparlamentarische Kampf kann die Dinge in Bewegung bringen. ... In den außerparlamentarischen Auseinandersetzungen sind die fortschrittlichen Kräfte stärker als die Reaktion. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 16 Der außerparlamentarische Kampf ist die Alternative zur Politik der kapitalistischen Gemeinsamkeiten in Bundesregierung und Bundestag..." Die Studentenbewegung könne zu diesem außerparlamentarischen Kampf einen wichtigen Beitrag leisten. Der außerparlamentarische Kampf werde "darüber entscheiden, ob Differenzierungen im gegnerischen Lager aufreißen und konkrete Erfolge durchsetzbar sind. Am Beispiel der Berufsverbote wird deutlich: Das internationale Kräfteverhältnis begünstigt heute schon unseren Kampf so stark, daß es uns gelungen ist, die herrschende Klasse in Ansätzen politisch in die Defensive zu drängen...". Über das Verhältnis zur DKP wurde gesagt: "Der MSB Spartakus arbeitet solidarisch mit der DKP zusammen. Wir sind davon überzeugt: Nur die DKP kann in der Bundesrepublik die praktische und geistige Kraft entfalten, die Konzeptionslosigkeit, Gehorsam und Resignation unter ... Linken durchbricht und so die Aktionseinheit der Arbeiterklasse ... entwickelt". In diesem Zusammenhang ist hinzuweisen auf eine in dem Referat später folgende Aussage über die Zusammenarbeit mit dem SHB und deren Bedeutung über den Hochschulbereich hinaus, wie der MSB Spartakus sie sieht: "... es entwickelte sich die freundschaftliche und solidarische Zusammenarbeit zwischen SHB und MSB, die seit der Verabschiedung des SHB - Grundsatzprogramms von der gemeinsamen Überzeugung beider Verbände untermauert ist, daß die Aktionseinheit von Sozialdemokraten und Kommunisten strategische Bedeutung für die Aktionseinheit der Arbeiterklasse hat ...". Der Vorsitzende der DKP Herbert Mies sagte in seinem Grußwort u. a. "Jeder Schritt, der dieses Bündnis voranbringt, jede Auseinandersetzung um eine demokratische Hochschule, vor allem um das politische Mandat der Verfaßten Studentenschaft, ohne die und gegen die an den Hochschulen kein Fortschritt erzielt werden kann, findet darum unsere aktive Unterstützung, unsere uneingeschränkte Hilfe, um eine breite Solidarität aus der Arbeiterklasse für diese Ziele zu erlangen". Der MSB Spartakus gab auf der Veranstaltung vom 22. Oktober 1976 seine Mitgliedstärke mit 5.298 "Genossinnen und Genossen" an. In Nordrhein-Westfalen wird die Zahl seiner Mitglieder auf knapp 1.400 geschätzt, die in 33 Gruppen organisiert sind. 2.3 Maoistische kommunistische Parteien 2.3.1 Allgemeine Entwicklungstendenzen Das Verhältnis der drei wichtigsten prochinesischen Parteien - KBW, KPD, KPD/ML - untereinander war auch im Jahre 1976 von ideologischen Auseinandersetzungen, persönlichen Anfeindungen und gegenseitigen Abwerbungsversuchen bestimmt, so daß gemeinsame Aktionen von Belang in Nordrhein-Westfalen nicht durchgeführt werden konnten. Auch innerhalb der einzelnen Parteien - insbeson- Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 17 dere im KBW - ist es zu Streitigkeiten über die Strategie und Taktik des politischen Kampfes gekommen, die von den Führungsgremien zum Teil mit Ausschlußmaßnahmen nur mühsam unterdrückt werden konnten. Ein zusätzliches Spannungselement ist dadurch entstanden, daß zwei weitere maoistisch orientierte Gruppen aus dem nordund dem süddeutschen Raum, der Kommunistische Bunde (KB; Schwerpunkt Hamburg) und der Kommunistische Arbeiterbund Deutschlands (KABD; Schwerpunkt Bayern, Baden-Württemberg, Saarland), zwischenzeitlich Stützpunkte in unserem Lande gegründet haben und als weitere Konkurrenten auf dem in den letzten Monaten erheblich verengten Operationsfeld der Maoisten - z. B. Universitäten, Betriebe, Gewerkschaften - in Erscheinung treten. Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand hat sich der KBW als mitgliedsstärkste und finanzkräftigste Organisation behaupten können. Seine Bemühungen gehen dahin, sich noch 1977 als Kommunistische Partei Westdeutschland zu etablieren und als Sammelbecken für alle maoistischkommunistischen Gruppierungen anzubieten. Sollte die erstrebte Zusammenfassung nicht gelingen - was nach den gescheiterten Fusionsbemühungen von KPD und KPD/ML zu erwarten ist - wird man in Nordrhein-Westfalen von der Existenz von fünf maoistischen Parteien und "Parteiansätzen" ausgehen müssen. KBW, KPD und KPD/ML ist es auch 1976 gelungen, ihren erheblichen Finanzbedarf aus relativ hohen Mitgliedsbeiträgen und Spenden zu decken. Der KBW konnte 1976 auf zusätzliche Spenden aus der Mitgliedschaft in Höhe von mehreren Millionen DM zurückgreifen. 2.3.2 Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten (KPD/ML) Die KPD/ML konnte die Anzahl ihrer Ortsleitungen von 5 um eine in Aachen erweitern. Darüber hinaus erhöhte sich die Zahl der Stützpunkt von 11 um 7 auf 18. Eine wesentliche Vergrößerung ihres Mitgliederoder Sympathisantenkreises war allerdings nicht zu beobachten. Mitte 1976 brachte die KPD/ML einen Programmentwurf heraus, der keine Änderungen gegenüber bisherigen programmatischen Aussagen beinhaltet. Dieser Entwurf soll auf dem für Februar 1977 geplanten 3. Parteitag verabschiedet werden. Die Aktivitäten der KPD/ML in der Öffentlichkeit sind während des Berichtszeitraumes erheblich zurückgegangen. Die politische Arbeit beschränkte sich überwiegend auf Zusammenkünfte in geschlossenen Räumen und Schulungsund Bildungsveranstaltungen für Mitglieder und Sympathisanten. Im Gegensatz zum KBW und zur KPD hat sich die KPD/ML an der Bundestagswahl 1976 nicht beteiligt. Sie hat vielmehr in einer Flugblattaktion zum Boykott der Wahl aufgerufen. Unter dem Slogan: "Was die Wähler wollen, ist eine Sache ... was die gewählten Politiker tun, eine ganz andere", versuchte sie, die Abgeordneten der staatstragenden Parteien zu diffamieren. Der Bundestag wurde als "Bonner Schwatzbude" bezeichnet. Ihre Angriffe richteten sich ferner gegen die DKP und gegen die Machthaber in der Sowjetunion und in der DDR. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 18 Nach hiesiger Einschätzung ist der wirkliche Grund des Aufrufes zum Wahlboykott darin zu sehen, daß die KPD/ML nicht in der erforderlichen Zahl Kandidaten stellen und die erforderlichen Unterschriften aus der Bevölkerung erbringen konnte. 2.3.2.1 Kindergruppe der KPD/ML "Rote Pioniere" Dem Beispiel der DKP folgend, die mit der Gründung der "Jungen Pioniere" ihre Kinderarbeit intensiviert hat, sind nun auch die maoistischen Parteien auf diesem Sektor aktiv geworden. Im Herbst 1976 wurde in Bochum - erstmals in NordrheinWestfalen - eine Kindergruppe der KPD/ML unter dem Namen "Rote Pioniere" geschaffen. 2.3.2.2 Jugendorganisation der KPD/ML "Rote Garde" Bei der Jugendorganisation der KPD/ML "Rote Garde" hat sich die seit etwa 3 Jahren festzustellende Organisationserweiterung auch im letzten Jahr fortgesetzt. Zum Landesverband NW mit Sitz in Dortmund gehören 19 örtliche Gruppen bzw. Stützpunkte, 3 mehr als im Frühjahr 1976. Die "Rote Garde" gibt in NordrheinWestfalen 12 örtliche Zeitungen heraus, 8 davon sind betriebsbezogen und drei Schülerzeitungen. Auch hier ist eine Zunahme um 4 - davon 2 Schülerzeitungen - zu verzeichnen. Im Sommer reiste eine Delegation der "Roten Garde" nach Albanien. Die Gesamtmitgliederzahl in Nordrhein-Westfalen wird zu Zeit auf etwa 100 geschätzt. 2.3.2.3 Kommunistischer Studentenbund/Marxisten-Leninisten (KSB/ML) Der kommunistische Studentenbund/Marxisten-Leninisten - eine Sektion der "Roten Garde" und wie diese organisiert - ist in der letzten Zeit nur noch vereinzelt mit Aktivitäten in Aachen, Bielefeld, Bochum, Dortmund, Essen und Köln bekannt geworden. Die Mitgliederzahl in Nordrhein-Westfalen dürfte weniger als 100 betragen. 2.3.3 Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) Die KPD hat eine weitere Ortsleitung in Bielefeld errichtet und verfügt in Nordrhein-Westfalen nunmehr über 7 Ortsleitungen. Eine Vergrößerung ihres Mitgliederbestandes (NW: ca. 500) konnte jedoch nicht festgestellt werden. Ihre politischen Aktionen beschränkten sich auf die Durchführung örtlicher Demonstrationen und Informationsstände. Eine größere Veranstaltung fand im Mai 1976 in Köln mit einer Beteiligung von etwa 5.000 Anhängern aus dem Bundesgebiet statt. Im Gegensatz zu früheren öffentlichen Versammlungen der KPD, die oft zu Konfrontationen mit der Polizei geführt hatten, versuchte sie hier, wie auch in mehreren später folgenden kleineren Wahlveranstaltungen, ihre politischen Vorstellungen in "zivilerer" Form dazustellen. Sie kandidierte in 10 Wahlkreisen und über die Landesliste mit folgendem Resultat: Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 19 Erststimmen 2.426 = 0,0 % Zweitstimmen 6.179 = 0,1 % Dieses Ergebnis läßt keinen Rückschluß auf die tatsächliche Anhängerschaft der KPD zu. Es konnte wiederholt festgestellt werden, daß in der Bevölkerung zwischen dem orthodoxen Kommunismus und dem der "MAO-Linie" nicht unterschieden worden ist. So kann durchaus unterstellt werden, daß vor allem ältere KPD-Anhänger die KPD in dem Glauben gewählt haben, daß die maoistische Gruppe die Nachfolge der alten KPD angetreten habe. 2.3.3.1 Liga gegen den Imperialismus (Liga) Die Liga betrachtet sich seit jeher als Hilfsorganisation der KPD. Seit der außerordentlichen Delegiertenkonferenz vom März 1975 verzichtet sie auf ein eigenes Programm. Sie verweist auf das Programm der KPD, das sie zu ihrem eigenen macht. Auch bekennt die "Liga gegen den Imperialismus" offen, daß sie ihre Ziele nur durch Anwendung von Gewalt erreichen kann. Im Statut der Liga heißt es: "Der Kampf der Arbeiter und Völker aller Länder hat deshalb ein Ziel - die Vernichtung des Imperialismus. Der Imperialismus wird nicht freiwillig abtreten, er muß gewaltsam beseitigt werden - und er wird beseitigt werden!". Die Liga hat in Nordrhein-Westfalen nach eigenen Angaben ca. 750 Mitglieder. 2.3.3.2 Kommunistischer Jugendverband Deutschlands (KJVD) Der "Kommunistische Jugendverband Deutschlands" (KJVD), die Jugendorganisation der KPD, verfügt in Nordrhein-Westfalen über ein "Regional-Komitee RheinRuhr" in Dortmund und 18 örtliche Gruppen bzw. Stützpunkte. Mitte 1976 hat die KPD den KJVD mit dem Aufbau von Kindergruppen beauftragt. Das Zentralorgan der KPD "Rote Fahne" erklärte dazu in seiner Ausgabe vom 28. Juli 1976, die Kinder müßten in den "proletarischen Klassenkampf" eingereiht werden. Der KJVD erziehe sie für den "bewaffneten Sturz der Bourgeoisie", für die Errichtung der "Diktatur des Proletariats" und für den Kommunismus. Außerdem gelte es, die "revisionistische Kinderarbeit" anzugreifen. Gemeint ist hiermit die DKP-Inderorganisation "Junge Pioniere". In Köln wurde bereits Mitte 1976 eine solche Kindergruppe gegründet, die sich "Kindergruppe des KJVD" nennt. Die Gründung weiterer Gruppen in NordrheinWestfalen wird geplant. An den diesjährigen drei Jugendferienlagern des KJVD in Bayern, im Schwarzwald und an der Nordsee nahmen auch sogenannte "Pionierbrigaden", d. h. Kinder bis zu 14 Jahren, teil. 2.3.3.3 Kommunistischer Studentenverband (KSV) Das Regionalkomitee Nordrhein-Westfalen des Kommunistischen Studentenverbandes (KSV) wandte sich in einer durch Flugblätter verbreiteten Erklärung "gegen die politische Unterdrückung in der BRD und DDR - Weg mit dem reaktio- Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 20 nären Rau-Erlaß!". Die (in dem die Feststellung der Verfassungstreue der wissenschaftlichen Hilfskräfte betreffenden Runderlaß des Ministers für Wissenschaft und Forschung vom 28. April 1976) "geforderte Kettung der Studenten an die FdGO = freiheitliche demokratische Grundordnung ist zentraler Bestandteil der augenblicklichen Angriffe der Bourgeoisie auf die Studenten ... Insgesamt ist der Rau-Erlaß Teil der verschärften politischen Unterdrückung und der drohenden faschistischen Gefahr in der BRD ... FdGO - das ist die Einführung des Faschismus auf halbem Weg ...". Der KSV hat gegenwärtig in Nordrhein-Westfalen weniger als 500 Mitglieder in 18 Gruppen, die zu einem Regionalkomitee zusammengefaßt sind. 2.3.4 Kommunistischer Bund Westdeutschland (KBW) Der KBW hat inzwischen in Nordrhein-Westfalen einen Mitgliederbestand von ca. 900 Personen (Bundesgebiet: ca. 2.500) erreicht. Dies bedeutet gegenüber 1975 einen Mitgliederzuwachs von ca. 300 Personen in Nordrhein-Westfalen (Bundesgebiet ca: 900 Personen). Der KBW hat damit seine führende Position im Bereich der maoistischen Gruppierungen weiter ausbauen können. Der KBW trat 1976 in Nordrhein-Westfalen in verstärktem Maße durch örtliche Werbeaktionen in Erscheinung. Insbesondere hat der KBW Infostände errichtet und hierbei versucht, Passanten zu Diskussionen zu bewegen. Auffallend ist, daß die Errichtung von nicht genehmigten Infoständen zugenommen hat. Bei der Räumung dieser Infostände durch die Polizei ist es wiederholt zu Widerstandshandlungen gekommen. Nachdem der KBW die Zahl seiner Ortsverbände von 21 (1975) auf 39 erhöhen konnte, wurde in der zweiten Hälfte des Jahres 1976 eine umfassende Neugliederung der Organisation vorgenommen. Die Ortsverbände wurden zu größeren Bezirken zusammengefaßt. Gleichzeitig wurden Bezirksleitungen eingerichtet, denen die Anleitung der Basisgruppen (Stadtteilgruppen, Zellen usw.) obliegt. In Nordrhein-Westfalen konnten bisher folgende Bezirksleitungen festgestellt werden: Aachen, Düsseldorf, Köln, Münster, Ost-Westfalen (Sitz Bielefeld), RheinRuhr (Sitz Essen) sowie Westliches Westfalen (Sitz Dortmund). Oberhalb der Bezirke hat der KBW für das gesamte Bundesgebiet drei Regionalleitungen Nord, Mitte und Süd eingerichtet. Die für Nordrhein-Westfalen zuständige Regionalleitung Mitte hat ihren Sitz in Köln. Der KBW hat im Jahre 1976 erstmals an der Bundestagswahl teilgenommen und in Nordrhein-Westfalen in 18 Wahlkreisen 3.038 Erststimmen = 0,0 % (Bundesgebiet: 21.414 = 0,1 %) und über die Landesliste 3.903 Zweitstimmen = 0,0 % (Bundesgebiet: 20.018 = 0,1 %) erringen können. Die Zahl der Stimmen spiegelt in etwa den Kreis der Sympathisanten wider, der in Nordrhein-Westfalen auf ca. 2.000 Personen geschätzt wird. 2.3.4.1 Jugendgruppen des KBW "Kommunistischer Jugendbund" (KJB) Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 21 Der KBW hat seine Jugendarbeit im letzten Jahr ausweiten können. Während in der Zeit von 1973 bis 1975 in Nordrhein-Westfalen nur drei örtliche KBWorientierte Jugendgruppen, dazu noch unter verschiedenen Namen, festzustellen waren, wurden seit Anfang 1976 6 weitere Gruppen gegründet. Gleichzeitig wurde für alle Jugendgruppen die einheitliche Bezeichnung "Kommunistischer Jugendbund" (KJB) festgelegt. Auf Betreiben des Zentralen Komitees des KBW von April 1976 schlossen sich auch die KBW-orientierten Schülerorganisationen "Kommunistischer Oberschülerbund" (KOB) und "Kommunistische Schülergruppe" (KSG) dem KJB an. Die KJBGruppen besitzen jedoch weiterhin keine Führungsgremien auf Bundesoder regionaler Ebene. Sie werden von den jeweils örtlich zuständigen KBW-Gruppen angeleitet. 2.3.4.2 KBW-orientierte Studentengruppen Die vorgenannten, unter verschiedenen Bezeichnungen operierenden Gruppen, die sich auch in der Zwischenzeit nicht zu einer überregionalen Organisation gefunden haben, sind weiterhin aktiv. Sie konnten ihre Basis jedoch nicht mehr erweitern. Ihr Einfluß in der Studentenschaft - insbesondere in der studentischen Selbstverwaltung - blieb unbedeutend. 2.3.5 Kommunistischer Bund (KB) 2.3.5.1 Ziele Der "Kommunistische Bund" (KB) ist nach seinem Statut ein Zusammenschluß von kommunistischen Organisationen - unter vorläufiger Beibehaltung der organisatorischen Selbständigkeit - auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus und seiner "Weiterentwicklung durch Mao Tsetung". Er kämpft für die Zersetzung und die Beseitigung des Staatsapparates und für den Aufbau des Sozialismus unter der "Klassenherrschaft des Proletariats". Der KB unterhält Gruppen in Norddeutschland, Berlin und Hessen und baute 1975 Stützpunkte in Süddeutschland auf. 2.3.5.2 Organisatorische Ansätze in Nordrhein-Westfalen Seit etwa Frühjahr 1976 versuchen - überwiegend aus dem Raume Hamburg stammende KB-Angehörige - in Nordrhein-Westfalen Mitglieder und Sympathisanten zu werben. Es ist ihnen gelungen, in Nordrhein-Westfalen 4 Stützpunkte zu schaffen, und zwar in Bielefeld, Bochum, Duisburg und Mönchengladbach. Die Anleitung dieser Stützpunkte erfolgt zur Zeit noch von Funktionären aus dem norddeutschen Raum. Darüber hinaus ist der KB noch in folgenden Städten in Erscheinung getreten: Essen, Wuppertal, Köln, Münster, Düsseldorf. Die bisherigen Aktivitäten erstrecken sich im wesentlichen auf die Verteilung von Schriften des KB. Veranstaltungen und sonstige Aktionen sind nur in geringem Umfange durchgeführt worden. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 22 Da die Werbungen unvermindert weiterbetrieben werden, ist damit zu rechnen, daß demnächst feste Gruppen des KB in Nordrhein-Westfalen gebildet werden. 2.3.6 Kommunistischer Arbeiterbund Deutschlands (KABD) Der KABD will "die" kommunistische Partei aufbauen und bekennt sich zu den "Lehren von Marx, Engels, Lenin, Stalin und den Ideen Mao Tsetung's". Wie andere maoistische Organisationen kämpft er für die "Diktatur des Proletariats" und bejaht den "bewaffneten Kampf", den die herrschende Klasse durch ihre Gewaltanwendung dem Proletariat aufzwinge. Die Aktivität des KABD beschränkte sich bisher weitgehend auf den süddeutschen Raum (Bayern, Baden-Württemberg und Saarland). In Nordrhein-Westfalen trat er nur vereinzelt auf. Mitte 1976 hat der KABD beschlossen, seine Zentrale Leitung in das Ruhrgebiet zu verlegen. Dieser Umzug wurde zwischenzeitlich vollzogen. In Haan bei Düsseldorf wurden ein Büro und eine Druckerei eingerichtet. Die Redaktion des Zentralorgans "Rote Fahne" nahm ihren Sitz in Duisburg, wohin führende Funktionäre aus dem süddeutschen Raum verzogen sind. Die Mitgliederzahl liegt bei ca. 100 (Nordrhein-Westfalen ca. 20). 2.3.6.1 Revolutionärer Jugendverband Deutschlands (RJVD) Als Jugendorganisation des KABD dient der RJVD, der erklärtermaßen "unter Führung des KABD" für die gemeinsamen Ziele kämpft. Zentralorgan des RJVD ist die Zeitschrift "Rebell", Tübingen. In Nordrhein-Westfalen wurden bisher Gruppen bzw. Stützpunkte des RJVD in Aachen, Düsseldorf, Duisburg und Viersen festgestellt. Die Duisburger Gruppe gibt eine Betriebszeitung "Roter-Demag-Kurier" heraus. 2.3.6.2 Kommunistische Studentengruppen (KSG) Unter dieser Bezeichnung sind an einigen Hochschulen des Landes Studentengruppen des KABD tätig, die jedoch bisher keinerlei Einfluß haben. Örtlich bestehen Gruppen der KSG in Aachen, Bielefeld, Bochum, Bonn und Köln. 2.4 Trotzkisten Die trotzkistischen Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland sind nach wie vor zahlenmäßig schwach und ihre Zersplitterung in mehrere konkurrierende Gruppen spiegelt die Verhältnisse im internationalen Trotzkismus wider. Einig sind sie in der Ablehnung sowohl der parlamentarischen Demokratie als auch des "orthodoxen" (Moskau-orientierten) und des maoistischen Kommunismus. Die zahlenmäßig größte trotzkistische Organisation in der Bundesrepublik Deutschland, die "Gruppe Internationale Marxisten, deutsche Sektion der IV. Internationale" (GIM), beteiligte sich an der Bundestagswahl 1976 in drei Bundesländern mit Landeslisten und erzielte insgesamt 4.759 Zweitstimmen. In Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 23 Nordrhein-Westfalen, wo sie lediglich in den Wahlkreisen Köln I und Düsseldorf II Direktkandidaten aufstellte, kam sie auf 143 Erstund 1.770 Zweitstimmen. Der Vollständigkeit halber werden noch die übrigen in unserem Lande tätigen trotzkistischen Organisationen genannt: * Spartacusbund * Bund Sozialistischer Arbeiter (BSA) mit seiner Jugendorganisation Sozialistischer Jugendbund (SJB) * Trotzkistische Liga Deutschlands und ein Kreis um die trotzkistische Zeitung * "Internationale Arbeiterkorrespondenz". Alle trotzkistischen Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland sind international verflochten und pflegen rege Kontakte zu entsprechenden ausländischen und internationalen Verbänden. Bemerkenswert ist das Verhältnis der meisten trotzkistischen Organisationen zum Terrorismus. Sie billigen zwar offiziell terroristische Aktionen nicht, erweisen aber den Tätern weitgehende Solidarität. 2.5 Vereinigte Linke (VL) Die VL hat sich im Februar 1976 aus mehreren linksextremen Gruppen im Raum Köln gebildet, um als Partei bei den Bundestagswahlen auftreten zu können. Sie erstrebt eine Rätedemokratie und tritt ein * für einen "Sozialismus ohne Bonzen und Bürokraten" * für ein "neutrales, antifaschistisches und wiedervereinigtes Deutschland, in dem die Arbeiter und das Volk den Frieden garantieren und sich aus eigener Kraft gegen jeden Angreifer verteidigen". Die VL trat zu den Bundestagswahlen nur in Nordrhein-Westfalen an und erhielt 701 (0,0 %) Stimmen. 2.6 Europäische Arbeiterpartei (EAP) Die EAP hat an Aktivität nicht verloren. Sie ist angesichts der Mobilität der meist jugendlichen Anhänger jederzeit in der Lage, kurzfristig an den verschiedensten Orten agitatorisch aufzutreten. Es mehren sich allerdings die Anzeichen, daß die finanziellen Verhältnisse der Partei sich ständig verschlechtern und der aufwendige Organisationsapparat nicht beibehalten werden kann. In Dortmund und in Düsseldorf mußten die Büros aufgegeben werden. Damit verfügt die Partei in Nordrhein-Westfalen nur noch in Köln über eine eigene Geschäftsstelle. Die EAP hat bei der Bundestagswahl 1976 kandidiert. Sie erhielt 6.811 = 0,0 % (NordrheinWestfalen: 1.428 = 0,0 %) Stimmen. 2.7 Undogmatische Gruppen Kurz ist noch auf Gruppen hinzuweisen, die unter der Bezeichnung "undogmatische Linke" zusammengefaßt werden. Gemeinsam ist ihnen die Ablehnung dogmatischer Ideologien und bürokratischer Organisationsformen. Typisch ist ihre kollektivistische Orientierung und ihre Ansicht, eine Veränderung der gesellschaftlichen Zustände könne nur im Zusammenhang mit der Revolutionierung persönlicher Lebensformen stattfinden. Das ideologisch-politische Spektrum die- Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 24 ser Gruppen ist sehr breit. Hier sind nur solche unter ihnen zu berücksichtigen, die sich zu linksextremistischen politischen Ideen bekennen oder in denen auch solche Ideen vertreten werden oder die linksextremistische Gruppierungen unterstützen. 2.7.1 Sozialistisches Büro (SB) In erster Linie ist das "Sozialistische Büro" (SB) Offenbach, ein Sammelbecken von Gruppierungen und Zirkeln außerhalb der DKP und der organisierten maoistischen bzw. trotzkistischen extremen Linken zu erwähnen. Das SB akzeptiert in einem Thesenentwurf von 1974/75 die Anwendung von Gewalt: "Die Gewalt wird jeder sozialistischen Politik durch den Zwang der Verhältnisse aufgezwungen". In der letzten Zeit zeigen sich Sympathien für "eurokommunistische" Vorstellungen. In Nordrhein-Westfalen sind kleine, dem SB zuzuordnende oder ihm nahestehende Gruppen in Aachen, Bielefeld, Bochum, Bonn, Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Köln, Münster und Wuppertal bekanntgeworden. 2.7.2 Andere "undogmatische Gruppen" Andere Gruppen der "undogmatischen Linken" sind die * Initiative für eine kommunistische Gruppe in Bonn, * Gruppe Rheinische Zeitung, Bonn * Kommunistische Gruppe Bochum/Essen, * Kommunistische Arbeitergruppe Essen. 2.7.3 "Alternativ-Zeitungen" Weiter sind in diesem Zusammenhang zu nennen die "Alternativ-Zeitungen", die eine "Gegenöffentlichkeit" zur etablierten Presse darstellen sollen. Sie haben allerdings eine sehr unterschiedliche Ausrichtung und nur zum Teil einen extremistischen Hintergrund. Im Zusammenhang mit linksextremistischen Bestrebungen steht namentlich der "Informationsdienst zur Verbreitung unterbliebener Nachrichten" (ID). Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 25 3 Situation an den Hochschulen An den Hochschulen unseres Lande sind das Vordringen und ein wachsender Einfluß von Gruppierungen festzustellen, die den demokratischen Parteien zuzuordnen sind, wenngleich nicht zu übersehen ist, daß der Hochschulbereich nach wie vor auch einer der bevorzugten Zielpunkte des Linksextremismus ist. Ferner ist unter den Studenten die Bereitschaft zurückgegangen, ihre besonderen Probleme und Interessen solchen Gruppen anzuvertrauen, von denen sie den Eindruck haben, daß sie unter einem umfassenden ideologischen Blickwinkel sozialrevolutionäre Ziele vertreten. Hauptanliegen für studentische Aktionen mit Aussicht auf eine breite Solidarisierungsbasis sind nach wie vor: * die materielle und soziale Lage der Studenten, * der Fortbestand des numerus clausus für viele Studien zweige. Hinzu kommen Fragen, die besonders von politischen Studentenorganisationen in den Themenkreis von Aktionen im studentischen Bereich eingebracht werden, so vor allem * Auswirkungen des Hochschulrahmengesetzes (HRG) des Bundes auf das Hochschulrecht in den Ländern, * die Forderung nach Erhalt der "Verfaßten Studentenschaft mit Satzungsund Beitragsautonomie" und * die Forderung nach dem allgemein politischen Mandat. Die extremistischen Gruppen - wie der MSB Spartakus - sehen in ihrem Engagement zu diesen Fragen eine Ansatzmöglichkeit, für ihre weitergesteckten politischen Ziele die Masse der Studenten zu aktivieren. Von zunehmender Bedeutung ist auch der Komplex sog. "Berufsverbote", der in einem "Berufsverbote-Tribunal" im Januar 1977 zu einem Höhepunkt studentischer Protestaktionen im Wintersemester 1976/77 werden sollte. 3.1 Allgemeine Lage und besondere Vorkommnisse in NordrheinWestfalen Während des Sommersemesters 1976 ist es bis auf wenige Einzelfälle - so namentlich den Sternmarsch auf Bonn im Juni 1976 - nicht zu großen, herausragenden studentischen Protestaktionen gekommen. Allerdings nutzten die linksextremistischen Kräfte alle sich ihnen im internen Hochschulbetrieb geeignet erscheinenden Gelegenheiten zu Störungen von Lehrveranstaltungen, zur Sprengung der Sitzungen von Seminaren und Klausuren aus, um sie ihren weitergehenden politischen Zielen dienlich zu machen: * In Köln war es die Erhöhung der Mensapreise, die im Oktober 1976 zum Boykott der Mensa und zu öffentlichen Demonstrationen führte. * An der Ruhruniversität Bochum löste im Oktober 1976 ein notwendig werdendes zentrales Anmeldeverfahren für das Studium der Erziehungswissenschaft Boykottmaßnahmen der Studenten aus, die sich bis zum massiven Druck durch die Besetzung von Dienstzimmern pp. steigerten. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 26 * In Aachen und Münster brach der seit langem schwelende Mietstreit erneut auf. * Ebenfalls in Aachen wurden wegen der angeblichen Verzögerung in den Vorauszahlungen auf die Leistungen aus dem BAFöG im November 1976 für 10 Tage Räume des Studentenwerks besetzt. Eine solche Aktion war auch in Bielefeld geplant. * In Bonn drangen im November 1976 zweimal linksextremistische Studenten in die Räume des AStA ein, um eine Urabstimmung zu erzwingen. * In der Universität Köln mußte Anfang November 1976 ein Vortrag des Finanzministers vor Hochschullehrern der Wirtschaftsund Sozialwissenschaftlichen Fakultät und vor Gästen aus Wissenschaft und Wirtschaft vorzeitig abgebrochen werden, weil er von linksextremistischen Kräften aus dem Lager des MSB Spartakus und der DKP-Hochschulgruppe gestört wurde. * Am Abend des 4. Dezember 1976 überfielen zwei unbekannte Männer die Dekanin der Philosophischen Fakultät der Universität Köln, Frau Prof. Dr. Stroker, beim Verlassen ihrer Diensträume, um sie zu einer Stellungnahme zu Fakultätsentscheidungen zu zwingen. Auch die von den VDS propagierten Aktionstage in der Zeit vom 29. November bis 4. Dezember 1976 fanden in den Hochschulen starke Beachtung. Es kam zu Vorlesungs-"Streiks" und zahlreichen örtlichen Demonstrationen. Die Studentenschaften der Fachhochschulen veranstalteten am 2. Dezember 1976 eine Demonstration in Düsseldorf, an der 1.200 Studenten teilnahmen. 3.2 Vereinigte Deutsche Studentenschaften (VDS) Die VDS haben im Laufe des Jahres 1976 versucht, den Anliegen der Studentenschaft auch in bundesweiten Aktionen Ausdruck zu verleihen. Sie organisierten im Juni 1976 den Sternmarsch nach Bonn. Für die Zeit vom 29. November bis 4. Dezember 1976 propagierten sie die oben bereits erwähnten Aktionstage. Auf ihr Betreiben ist auch der "Streik" an den Fachhochschulen zurückzuführen. Die Vorbereitungen der Aktionen des Wintersemesters 1976/77 ließen die Spannungen im Vorstand der VDS erneut deutlich werden. Während er MSB Spartakus, der SHB und die "Basisgruppen" die für die Aktionen erarbeitete "Plattform" unterstützten, lehnten die Hochschulgruppen der Jungsozialisten diese mit der Begründung ab, daß Zweifel bestünden, ob für Aktionstage ein "hochschulpolitischer Warenhauskatalog" sinnvoll sei. Als Antwort hierauf forderten MSB Spartakus, SHB und "Basisgruppen" die Jungsozialisten in einer gemeinsamen Erklärung auf, "zu einer konstruktiven Zusammenarbeit auf der Basis der Hauptresolution der letzten VDS-MV zurückzukehren". Diese Auseinandersetzungen müssen vor dem Hintergrund gesehen werden, daß die Hochschulgruppen der Jungsozialisten darauf hoffen, bei der nächsten Mitgliederversammlung der VDS im Frühjahr 1977 gemeinsam mit dem Liberalen Hochschulverband (LHV) und den "Basisgruppen" eine tragfähige Mehrheit in den VDS zu erhalten und alleine den Vorstand übernehmen zu können. Der MSB Spartakus wendet in dem Bemühen, in den Auseinandersetzungen um die politische Führung und Richtung der VDS seine Position zu verbessern, ebenfalls den "Basisgruppen" verstärkte Aufmerksamkeit zu. Diesen Gruppen, die dem dogmatischen Linksextremismus kritisch gegenüber stehen und, sofern sie über Allgemeine Studentenausschüsse Delegierte für die VDS-Mitgliederversammlung Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 27 stellen konnten, für die Mehrheitsbildung in den VDS wichtig sind, will der MSB Spartakus "eine aktive und konstruktive Haltung gegenüber" einnehmen. "Unsere Aufgabe besteht darin, die bei ihnen vorhandenen Tendenzen der Erarbeitung wirklich revolutionärer Positionen, die Tendenzen einer größeren Aufgeschlossenheit gegenüber der kommunistischen Weltbewegung zu verstärken". 3.3 Studentische Selbstverwaltung Insgesamt gibt es zur Zeit unter den berücksichtigten 34 ASten noch 25, in denen der Block MSB Spartakus/ SHB oder eine dieser Gruppen vertreten sind. Die maoistischen Gruppierungen, die sich bei den in frage kommenden Wahlen weitgehend hinter Listenverbindungen (Demokratische Liste, Rote Liste pp.) verbergen, haben keine Beteiligung an ASten erringen können. 3.4 Sozialistischer Hochschulbund (SHB) Im Zusammenhang mit linksextremistischen Bestrebungen im Hochschulbereich bedarf es noch eines Hinweises auf den Sozialistischen Hochschulbund (SHB). Er bildet dort seit langem einen festen Bündnisblock mit dem MSB Spartakus. Der SHB setzt sich auf der Grundlage des "wissenschaftlichen Sozialismus" ein für eine "antimonopolistische Demokratie" als Öffnung des "Weges zum Sozialismus". Diese dem MSB Spartakus durchaus verwandt erscheinende ideologische Grundposition und politische Linie wurde durch die 17. ordentliche Delegiertenkonferenz des SHB, die am 30. und 31. Oktober 1976 in Münster stattfand, erneut bestätigt. Das ergibt sich namentlich aus dem politischen Bericht des alten Bundesvorstandes, der von der anschließend wiedergewählten Bundesvorsitzenden vorgetragen wurde. Z. B. heißt es darin, gegen Kritik am SHB wegen seiner Zusammenarbeit mit Kommunisten gerichtet: "Die Einheit der Arbeiterbewegung und ihrer Hauptströmungen, der Sozialdemokraten und der Kommunisten, ist eine mächtige Waffe der Arbeiterklasse ... das ist der Grund, warum die Rechte sie derart fürchtet. Das Verhältnis zu den Kommunisten ist für uns deshalb auch immer ein Gradmesser dafür, welche Position im Klassenkampf eingenommen wird". Zusammenfassend läßt sich sagen, daß Entwicklung und Position extremistischer Gruppen im Hochschulbereich nach wie vor Anlaß zu sorgfältiger Beobachtung geben. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 28 4 Ausländer 4.1 Allgemeines Die Zahl der im Bundesgebiet und in Berlin (West) lebenden Ausländer hat sich im Berichtszeitraum auf knapp 3.950.000 (im Vorjahr 4,1 Mio.) Personen verringert. Rund 1,2 Mio. Ausländer leben in Nordrhein-Westfalen; im Vergleich zum Vorjahr hat sich diese Zahl nicht geändert. Die Türken, deren Stärke im Gegensatz zu anderen Ausländergruppen in Nordrhein-Westfalen auf rund 372.000 (Vorjahr: rund 358.000) Personen angestiegen ist, nehmen unter den ausländischen Bevölkerungsteilen weiterhin die erste Stelle ein. Ihnen folgen die Italiener (rund 156.000), Jugoslawen (rund 146.000), Griechen (rund 124.000), Spanier (rund 81.000) und Portugiesen (rund 50.000); der Rest setzt sich aus Ausländern anderer Nationalitäten, darunter rund 31.000 Staatsangehörigen der Ostblockländer (außer Jugoslawien) und rund 31.000 Staatsangehörigen der arabischen Länder zusammen. Die Tätigkeit extremer Ausländergruppen im Land Nordrhein-Westfalen hat sich auch in diesem Berichtszeitraum fortgesetzt. Die politische Agitation dieser Gruppen reicht über Flugblattaktionen, Solidaritätsveranstaltungen und Demonstrationen hinaus bis zu Gewaltaktionen und Terrorakten. Im einzelnen ergibt sich folgende Übersicht: 4.2 Palästinenser und Araber Das sogenannte Sinaiabkommen sowie die sich zuspitzende Bürgerkriegssituation im Libanon lösten einerseits Protestdemonstrationen und andererseits Solidaritätsveranstaltungen, Geldund Medikamentensammlungen zur Unterstützung der Palästinenser im Libanon aus. So demonstrierten Anhänger der sozialrevolutionären, den palästinensischen Widerstand unterstützenden "Generalunion Arabischer Studenten in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin" (GUAS) am 30. März 1976 in Bonn gegen das Sinaiabkommen und am 21. Juni 1976 gegen den Einmarsch syrischer Truppen. Protestresolutionen wurden von der ägyptischen Botschaft angenommen, während die syrische Botschaft die Annahme einer solchen Resolution verweigerte. Die GUAS unterhält in Nordrhein-Westfalen Sektionen an den Universitäten Aachen, Bonn, Köln und Münster. Einen besonderen Sicherheitsfaktor stellen nach wie vor konspirative palästinensische Widerstandgruppen dar, die auch in Nordrhein-Westfalen über Mitglieder und Sympathisanten verfügen. Als besonders gefährlich ist die maoistischterroristische "Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP)" zu nennen; sie ist ofenbar auch in die Entführung des Air-Busses der "Air-France" vom 27. Juni bis zum 30. Juli 1976 verwickelt, der mit der Befreiung der Geiseln in Entebbe durch ein israelisches Kommando endete. Die PFLP ist auch verantwortlich für den Terroranschlag auf dem Flughafen in Istanbul/Türkei am 11. August 1976. 4.3 Iraner Die Anhänger der bereits im letzten Bericht erwähnten "Konföderation Iranischer Studenten - National-Union (CISNU)" und der ihr angeschlossenen "Föderation I- ranischer Studenten in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin" (FIS) Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 29 führten ihre heftige Agitation gegen das Schahregime in Persien weiter. So demonstrierten CISNU-Anhänger am 26. Mai 1976 durch einen Protestmarsch von Köln nach Bonn gegen das Regierungssystem in Persien, bei dem die anwesenden Iraner fast ausnahmslos Pappmasken mit der Aufschrift "Schutz vor SAVAK" trugen. Bei der Schlußkundgebung in Bonn stürmten Demonstranten ein Polizeifahrzeug. Vier Demonstranten wurden vorübergehend festgenommen. Am 14. November 1976 führten etwa 20 CISNU-Anhänger und deutsche Sympathisanten eine Spontandemonstration vor dem französischen Generalkonsulat in Düsseldorf durch. Sie übergaben dem Konsul einen "offenen Brief" zur Weiterleitung an die französische Regierung und einige Flugblätter der CISNU, in denen die Freilassung zweier iranischer Studenten gefordert wird, die im Zusammenhang mit einem mißglückten Mordanschlag auf den Kulturattache der Iranischen Botschaft in Paris am 2. November 1976 festgenommen worden waren. Bei den festgenommenen Tätern, die den Attache schwer verletzt hatten, handelt es sich um Mitglieder der CISNU. Erwähnenswert ist noch ein Demonstrationsmarsch, den die FIS in der Zeit vom 23. bis zum 27. November 1976 mit Unterstützung der maoistischen "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) von Dortmund nach Köln durchführte. Der Marsch, an dem etwa 100 Personen teilnahmen, sollte der Forderung nach Erteilung der "Einreisegenehmigung für die internationale Medizinerund Juristendelegation in den Iran" Nachdruck verleihen; zugleich diente er dem Protest gegen die Inhaftierung politischer Oppositioneller im Iran, deren bedingungslose Freilassung aus den "Gefängnissen und Folterhöllen des faschistischen Schah-Regimes" gefordert wurde. 4.4 Kroaten Die politische Tätigkeit extremer kroatischer Emigrantengruppen äußert sich nach wie vor in Gewaltakten, von denen auch Nordrhein-Westfalen betroffen ist: Am 15. Mai 1976 explodierte eine Sprengladung am Gebäude des jugoslawischen Kulturinstituts in Köln, bei dem erheblicher Sachschaden entstand. Die Täter werden in kroatischen Extremistenkreisen gesucht. Am 28. Juni 1976 verübten zwei Exilkroaten einen Mordversuch mit Schußwaffen an dem jugoslawischen Vizekonsul in Düsseldorf. Der Vizekonsul, der sich dem Konsulatsgebäude näherte, konnte in eine nahegelegene Garage flüchten und blieb unverletzt. Die auf frischer Tat verfolgten Täter wurden festgenommen. Bei dem einen Täter handelte es sich um den Schwager eines in Köln wohnhaften E- xilkroaten, der Hauptvertrauensmann der am 9. Juni 1976 vom Bundesminister des Innern verbotenen rechtsextremistischen kroatischen Ausländervereinigung "Kroatischer Nationaler Widerstand" (HNOtpor) war.(Der Bundesminister des Innern hat das Verbot u. a. darauf gestützt, daß die Vereinigung die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährde. "Durch ständige Revolutionsund Gewaltpropaganda ... sowie durch Resolutionen und Äußerungen" (ihrer) "führenden Repräsentanten" werde "fortwährend zu Gewaltaktionen gegen Jugoslawien und jugoslawische Einrichtungen in aller Welt aufgerufen". Dies schaffe "unter den Kroaten in der Bundesrepublik Deutschland ein Klima des Hasses und der Aktionsbereitschaft, das die Gefahr von Gewaltanwendungen gegen jugoslawische Einrichtungen und offizielle Repräsentanten im Bundesgebiet" erhöhe.) Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 30 Der andere war in beschlagnahmten Unterlagen des HNOtpor als regelmäßiger Empfänger von mehreren Exemplaren des Verbandsorgans "OTPOR" (Widerstand) aufgeführt. Am 21. Dezember 1976 gelang es einem der Täter, anläßlich einer gerichtlichen Vorführung in Köln zu entfliehen. Am 21. September 1976 betraten vier Männer das jugoslawische Kulturzentrum in Dortmund, rissen plötzlich sämtliche Bilder - u. a. Fotografien des Staatspräsidenten Tito - sowie das jugoslawische Wappen von den Wänden und richteten weiteren Sachschaden an. Einer der Täter, ein Kroate, konnte am folgenden Tag festgenommen werden. Er gab die Tat zu und bezeichnete sich als Gegner des Staatspräsidenten Tito. 4.5 Türken Im vergangenen Jahr berichteten die Massenmedien mehrmals über Gewalttätigkeiten, die Mitglieder der türkischen "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP) und ihrer Jugendorganisation, der sog. Grauen Wölfe, gegenüber politisch anders eingestellten Türken in der Bundesrepublik begangen haben sollen. Bei der MHP handelt es sich um eine nationalistische türkische Partei mit ausgeprägt antikommunistischer Zielsetzung. Zur Zeit ist sie mit drei Abgeordneten in der türkischen Nationalversammlung vertreten. In der Bundesrepublik Deutschland war die MHP, die 1973 beim Amt für öffentliche Ordnung im Kempten/Allgäu als ausländischer Verein angemeldet wurde, in mehrere autonome Sektionen gegliedert. Eine Sektion hatte ihren Sitz in Köln. Nachdem das türkische Verfassungsgericht der MHP im Juni 1976 aufgrund des türkischen Parteiengesetzes untersagt hatte, Organisationen im Ausland zu unterhalten, meldete der ehemalige Vorsitzende der MHP in der Bundesrepublik am 28. Juli 1976 die Partei ab. Die MHP verfügt auch in unserem Lande weiterhin über Mitglieder, die sich - soweit bisher erkennbar - teilweise in "türkischen Kulturvereinen" sowie anderen türkischen Vereinen mit ähnlicher Bezeichnung organisieren und dort die türkischen Gastarbeiter im Sinne der MHP zu beeinflussen suchen. In einer hauptsächlich von linksextremen türkischen Gruppen betriebenen Kampagne haben diese der MHP vorgeworfen, ihre Mitglieder versuchten, türkische Landsleute mit entgegengesetzter politischer Gesinnung mit Gewalt und Pression einzuschüchtern. Eine abschließende Beurteilung der Aktivitäten der MPH ist noch nicht möglich. Zwar haben in einigen Fällen tätliche Auseinandersetzungen zwischen türkischen Gastarbeitern unterschiedlicher politischer Auffassung stattgefunden, an denen teilweise Mitglieder der MHP beteiligt gewesen sein sollen. Nach den bisher angestellten Ermittlungen ist jedoch nicht erwiesen, daß in unserem Lande Mitglieder dieser Partei oder ihrer Jugendorganisation politisch andersdenkende Türken gezielt in gewaltsame Auseinandersetzungen verwickeln. Insbesondere gibt es bisher keine Beweise dafür, daß in unserem Lande organisierte Schlägertrupps der MHP existieren. Als Träger der Agitation türkischer linksextremer Gruppen gegen die MHP und die Politik der derzeitigen türkischen Regierung sind im wesentlichen folgende Dachverbände zu nennen: Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 31 * die orthodox-kommunistische "Föderation türkischer Sozialisten in Europa" (ATTF), * die im wesentlichen kommunistisch ausgerichtete "Föderation der Demokratischen Arbeitervereine der Türkei in Europa e. V." (TDF), * das orthodox-kommunistische "Türkische Europakomitee für Frieden und Freiheit" (TBÖK), * die maoistisch beherrschte "Studentenföderation der Türkei in Deutschland e.V." (ATÖF) und * die am 28. März 1976 in Darmstadt gegründete "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e. V." (ATIF), die ihren Sitz in Duisburg hat und der bereits 3 türkische Vereine aus Nordrhein-Westfalen angehörden. Die ATIF läßt eine maoistische Zielsetzung erkennen. Diese Organisationen führten u.a. Demonstrationen am 3. April 1976 in Gelsenkirchen, am 9. Oktober 1976 in Köln und am 16. Oktober 1976 in Hagen durch oder waren, soweit sie selbst formal als Veranstalter nicht auftraten, doch mit ihren Anhängern beteiligt. Bei der Demonstration in Hagen am 16. Oktober 1976, die sich gegen die "Beibehaltung der Staatsschutzgerichte in der Türkei" richtete, kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen linksextremen Türken und ihren politischen Gegnern. Der Demonstrationszug mußte schließlich von der Polizei aufgelöst werden. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu erwähnen, daß die türkische Regierung bereits einige Tage zuvor die Abschaffung dieser Gerichte beschlossen hatte. Neben den auch öffentlich in Erscheinung getretenen Organisationen sind noch die konspirativ arbeitende "Volksbefreiungsarmee der Türkei" (THKO), die "Türkische Kommunistische Partei - Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) und deren Frontorganisation, die "Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee" (TIKKO) zu erwähnen, die sich weiterhin um Einfluß unter den türkischen Staatsangehörigen bemühen. Die "Patriotische Einheitsfront der Türkei" (PEFT) ist nicht mehr in Erscheinung getreten. Sie hat sich offenbar, wie im Vorbericht bereits angedeutet, aufgelöst. 4.6 Italiener, Spanier, Portugiesen und Griechen Unter den italienischen, spanischen, portugiesischen und griechischen Gastarbeitern versuchen insbesondere die traditionellen kommunistischen Parteien dieser Länder weiterhin Einfluß zu gewinnen. Dabei ist ihr Bemühen auch auf die Unterwanderung der zahlreichen Freizeitund Kulturklubs gerichtet. 4.7 Sonstige Vereinigungen Außerdem gibt es zahlreiche Ausländervereine, deren Zielsetzung sich auf gesellschaftlichen, kulturellen und sportlichen Kontakt unter den Ausländern richtet, ohne daß eine sicherheitsgefährdende Tätigkeit dieser Vereine zu erkennen ist. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 32 5 Terrorismus 5.1 Allgemeines Nach der weitgehenden Zerschlagung der Terrorgruppen "Baader-Meinhof" (RoteArmee-Fraktion/RAF) und "Bewegung 2. Juni" machen insbesondere Terroraktionen der linksextremistischen "Revolutionären Zellen" deutlich, daß politisch motivierte Gewalttäter weiterhin versuchen, die freiheitlich demokratische Grundordnung unseres Staatswesens mit Gewalt und Terror zu zerstören. 5.2 Revolutionäre Zelle (RZ) Eine "Revolutionäre Zelle" bezeichnet sich in sogenannten "Bekennerbriefen" an die Presse und durch ihre Zeitung "Revolutionärer Zorn", von der bisher 1975 und 1976 je eine Ausgabe erschienen ist, seit Ende 1973 als Urheberin einer Serie von Sprengstoffund Brandanschlägen im Bundesgebiet und Westberlin, von denen der Sprengstoffanschlag auf das Bundesverfassungsgericht am 4. März 1975 in Karlsruhe besonderes Aufsehen erregte. 5.2.1 Zielsetzung In einem Interview, das die Gruppe einer österreichischen Untergrundzeitung gab, werden ihre terroristischen Zielsetzungen deutlich. Wörtliches Zitat: "Was wir wollen, ist Gegenmacht, in kleinen Kernen organisieren, die autonom in den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen arbeiten, kämpfen, intervenieren, schützen, die Teil von der politischen Massenarbeit sind. Und irgendwann mal, wenn wir ganz viele Kerne sind, ist die Stoßrichtung für die Stadtguerilla als Massenperspektive geschaffen". 5.2.2 Sprengstoffanschläge bisher unbekannter Mitglieder der Revolutionären Zelle in Nordrhein-Westfalen: 15. Mai 1976 Sprengstoffanschlag auf das Oberlandesgericht Hamm; Sachschaden von rund 15.00,00 DM. 16. September 1976 Sprengstoffanschlag auf die Privatwohnung eines Kölner Steuerbevollmächtigten; erheblicher Sachschaden. In beiden Fällen liegen Selbstbekenntnisse der Gruppe zu den Anschlägen vor. 5.2.3 Durchsuchung von Buchläden Am 18. und 19. August 1976 sind im Rahmen der Ermittlungen des Generalbundesanwalts gegen die "Revolutionäre Zelle" u.a. in Bochum, Essen und Köln Buchhandlungen durchsucht worden, die hauptsächlich linksextreme Literatur anbieten. Die Verantwortlichen dieser Buchläden wurden verdächtigt, die RZ zu unterstützen. Die Durchsuchungen zielten darauf, Beweismittel über die personelle Zusammensetzung der RZ, über Herstellung, Vertrieb und Empfänger ihrer Zeitschrift "Revolutionärer Zorn" zu erlangen und die zuvor in den Buchläden ver- Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 33 triebene Zeitung "Revolutionärer Zorn" - Ausgabe Mai 1976 -, in der erneut zum "bewaffneten Kampf" aufgefordert wird, sicherzustellen. Im Zuge dieser exekutiven Maßnahmen wurde der Geschäftsführer der "Politischen Buchhandlung" in Bochum und der "Politischen Buchhandlung Kibbelstraße" GmbH im "Spanischen Zentrum" in Essen wegen des dringenden Verdachts von Straftaten nach SSSS 88a und 129 StGB vorübergehend festgenommen. Bei ihm waren zuvor über 3.000 Aufkleber mit der Aufschrift "Unterstützt den Kampf der "Revolutionären Zelle", der "Bewegung 2. Juni", der "Roten Armee Fraktion", Keinerlei Hinweise an die Polizei" sichergestellt worden. Das erwähnte Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts ist noch nicht abgeschlossen. 5.3 Aktionen im Zusammenhang mit dem Tod der Ulrike MEINHOF Am 9. Mai 1976 verübte, wie bekannt, die in der Justizvollzugsanstalt StuttgartStammheim einsitzende Ulrike Meinhof Selbstmord. Wie anderswo im Inund Ausland, so wurden auch in Nordrhein-Westfalen durch wilde Plakatierungen, Schmiererein und anonyme Bombendrohungen staatliche Stellen des Mordes an Ulrike Meinhof bezichtigt bzw. ihnen Rache angedroht. In Nordrhein-Westfalen wurden in diesem Zeitraum folgende Sprengstoffund Brandanschläge gemeldet: * In der Nacht zum 13. Mai 1976 warfen bisher unbekannte Täter eine Brandflasche durch ein Parterrefenster des Landgerichts Wuppertal. Der Inhalt der Flasche verbrannte ohne wesentlichen Schaden anzurichten. * Am 15. Mai 1976 fand der schon erwähnte Sprengstoffanschlag auf das Oberlandesgericht Hamm statt (vergleiche 5.2.2). * Am 18. Mai 1976 erfolgte ein Sprengstoffanschlag auf ein Schuhgeschäft in Hagen. 5.4 Sonstige Gewaltakte Im Berichtszeitraum sind außer den bereits genannten Gewaltakten noch mehrere Sprengstoffund Brandanschläge ausgeführt worden, die zeitlich nicht mit dem Tod von Ulrike Meinhof im Zusammenhang stehen. 5.5 Zahl der politisch motivierten Gewalttaten a) ausgeführte Insgesamt wurden 33 versuchte bzw. vollendete politisch motivierte Gewalttaten registriert, die z.T. erheblichen Sachschaden zur Folge hatten (vergleiche z.B. Ziffer 4.4 und 5.2.2). b) angedrohte Vom 1. Januar 1976 bis 30. Dezember 1976 wurden 337 Gewalttaten, bei denen ein politisches Motiv erkennbar war oder behauptet wurde, angedroht. Es handelte sich überwiegend (227 Fälle) um Androhungen von Sprengstoffanschlägen gegen öffentliche Einrichtungen, zum geringeren Teil um Bedrohung von Politikern und anderen Personen. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 34 5.6 Sympathisanten und Unterstützer Die Zahl der 1974/1975 festgestellten tätigen Sympathisantenund Unterstützungsgruppen im Vorfeld des Terrorismus ("Rote Hilfen", "Schwarze Hilfen", "Folterkomitees", "Knastund Gefangenenhilfegruppen") hat sich verringert. Solche Gruppen sind jedoch weiterhin teils legal teils illegal tätig. Als Beispiel sei erwähnt die "Solidaritätsbewegung Karl-Heinz Roth", die durch Unterschriftensammlungen, zahlreiche Eingaben an den Justizminister unseres Lande, "Aufklärungsaktionen" auf der Straße, die Gründung von K.H. ROTH-Komitees u.a. im Ruhrgebiet und in Düsseldorf, sowie einen vom 26. bis 28. März 1976 von Unbekannten in Düsseldorf durchgeführten Hungerstreik hervortrat. Der als Linksextremist bekannte Assistenzarzt Dr. Karl-Heinz Roth war am 9. Mai 1975 in Köln bei der polizeilichen Überprüfung verdächtiger PKW-Insassen, der sich die Betroffenen durch den Gebrauch von Waffen zu entziehen versuchten, lebensgefährlich verletzt festgenommen worden. Ein Polizeibeamter wurde bei der Schießerei tödlich, ein anderer ebenfalls lebensgefährlich verletzt. Roth befand sich in Begleitung des bei dem Schußwechsel mit der Polizei ums Leben gekommenen Terroristen Werner Sauber, der wegen Verdachts der Teilnahme an Banküberfallen der "Bewegung 2. Juni" in Berlin gesucht wurde und sich in Köln unter falschem Namen eine neue Existenz aufgebaut hatte, sowie des seit Anfang 1974 aus der Strafhaft entwichenen und ebenfalls festgenommenen Terroristen Roland Otto. Roth und Otto werden von der Anklagebehörde u. a. gemeinschaftlicher Mord und Mordversuch vorgeworfen. Ziel der Aktionen der "Solidaritätsbewegung ..." ist, Haftverschonung für Roth zu erreichen. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1976 35 6 Maßnahmen im Bereich des Justizministers 6.1 Verfahren Vorgänge von überörtlicher Bedeutung, die Anlaß zu Koordinierungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaften aufgrund der RV des Justizministers vom 24. März 1971 (4100 - III A. 198) hätten geben können, haben sich im Berichtszeitraum nicht ereignet. Wegen Straftaten, die durch Demonstrationen oder im Zusammenhang hiermit begangen worden sind, wurden in der Zeit vom 1. Januar 1976 bis zum 31. Dezember 1976 554 staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gegen 1.038 namentlich bekannte sowie gegen weitere nicht bekannte Personen eingeleitet, 16 Verfahren haben im Hochschulbereich begangene Straftaten zum Gegenstand. In der Zeit vom 1. Januar 1976 bis zum 31. Dezember 1976 haben 664 Verfahren wegen Straftaten, die seit dem 1. Januar 1970 durch Demonstrationen oder im Zusammenhang hiermit begangen worden sind, ihren Abschluß gefunden, und zwar a) 337 Verfahren durch Einstellung oder Absehen von der Verfolgung, b) 201 Verfahren durch rechtskräftige Urteile gegen 301 Angeklagte, c) 66 Verfahren durch rechtskräftige Strafbefehle gegen 82 Beschuldigte, d) 60 Verfahren durch Verbindung mit anderen Verfahren oder durch Abgabe an andere Staatsanwaltschaften. Am 31. Dezember 1976 waren wegen Straftaten, die seit dem 1. Januar 1970 begangen worden sind, noch 446 Verfahren gegen 903 namentlich bekannte Personen anhängig. In 314 dieser Verfahren ist gegen 523 Personen Anklage erhoben oder der Erlaß eines Strafbefehls beantragt worden. Die übrigen Verfahren befinden sich noch im Ermittlungsstadium. 6.2 Gesetzgeberische Maßnahmen Das in den beiden letzten Berichten der Landesregierung erwähnte Gesetzgebungsverfahren zu dem vom Deutschen Bundestag am 16. Januar 1976 beschlossenen 14. Strafrechtsänderungsgesetz ist abgeschlossen. Das Gesetz ist im Bundesgesetzblatt vom 24. April 1976 Teil I S. 1056 verkündet worden und nach seinem Art. 3 am 1. Mai 1976 in Kraft getreten. Am 20. September 1976 ist das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes, der Bundesrechtsanwaltsordnung und des Strafvollzugsgesetzes vom 18. August 1976 (BGBl. Teil I S. 2181) in Kraft getreten. Das Gesetz soll eine wirksame Bekämpfung terroristischer Vereinigungen ermöglichen.