Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 1 Inhaltsverzeichnis 1 Zum Rechtsradikalismus ................................................................. 2 2 Zum Linksradikalismus.................................................................... 5 3 Öffentlicher Dienst ......................................................................... 16 4 Ausländer........................................................................................ 18 5 Maßnahmen im Bereich des Justizministers ............................... 28 Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 2 1 Zum Rechtsradikalismus Allgemeine Entwicklungstendenz Im Bereich des zersplitterten Rechtsradikalismus ist die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) trotz aller Mißerfolge bei den Wahlen nach 1969 die wesentliche politische Kraft geblieben. Wenn auch das Jahr 1974 nicht entsprechend den Erwartungen der Parteiführung ein "Jahr der Nationaldemokraten" geworden ist, so war es für die Partei doch ein Jahr der Konsolidierung. Organisationsstand und Aktivitäten der NPD und JN In Nordrhein-Westfalen haben die NPD und die "Jungen Nationaldemokraten" (JN) ihren Bestand von 2.300 bzw. 350 Mitgliedern halten können. Die Landesorganisation der NPD verfügt zur Zeit über 15 Bezirksund 54 intakte Kreisverbände. Den "Jungen Nationaldemokraten" gelang es, für Schulungszwecke neben ihrem Landesjugendzentrum auf Gut Barenbrauck bei Kamen weitere Jugendzentren in Köln, Bielefeld, Soest und Rösrath zu errichten. Die seit August 1973 verstärkte Propagandatätigkeit der NPD konnte durch den Einsatz der "Jungen Nationaldemokraten" bis heute unvermindert fortgesetzt werden. Sie wurde auch in den letzten Monaten wiederholt (z. B. am 27.07. und 10.08.1974 in Düsseldorf und am 23.11.1974 in Dortmund) durch linksextreme Gruppen gewaltsam gestört. Die Festigung der Organisation und die Belebung der Parteiarbeit sind fast ausschließlich auf das Wirken der "Jungen Nationaldemokraten" zurückzuführen, die sich dadurch auch in der Partei zunehmend Einfluß verschafften. Auf dem Landesparteitag der NPD am 23./24.11.1974 in Altena wurden der Landesvorsitzende und die meisten bisherigen Vorstandsmitglieder wiedergewählt. Mit dem Landesvorsitzenden der "Jungen Nationaldemokraten" und Mitglied des JN-Bundesvorstandes, der sozialreformerische und zum Teil auch sozialrevolutionäre Ideen vertritt, ist (neben zwei weiteren Stellvertretern) erstmals ein Funktionär der "Jungen Nationaldemokraten" zum stellvertretenden Landesvorsitzenden gewählt worden. Teilnahme der NPD an Landtagsund Kommunalwahlen Die NPD wird sich an der Landtagswahl und, soweit sie sich einen Erfolg verspricht, auch an den Kommunalwahlen 1975 beteiligen. Derzeitig ist sie nur in der Stadt Lüdenscheid durch drei Ratsmitglieder vertreten. 1970 erhielt die NPD bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 1,1 % (= 94.043) Stimmen (BTW 1965: 1,1 %, LTW 1966: nicht kandidiert, BTW 1969: 3,1 %, BTW 1972: 0,3 %). Bei den Landtagswahlen im Jahre 1974 erlangte die NPD Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 3 in Hamburg 0,8 % (1970: 2,4 %), in Niedersachsen 0,6 % (1970: 3,2 %), in Bayern 1,1 % (1970: 2,9 %) und in Hessen 1,0 % (1970: 3 %) der Stimmen. Die Tatsache, daß sich die NPD in Bayern und Hessen gegenüber dem Ergebnis der Bundestagswahl 1972 um jeweils 0,4 % verbessern konnte, führt die Parteileitung auf wachsenden Zuspruch bei den jungen Wählern zurück. Für die 1975 anstehenden Landtagsbzw. Bürgerschaftswahlen (am 09.03. in RheinlandPfalz, am 13.04. in Schleswig-Holstein, am 04.05. in Nordrhein-Westfalen und im Saarland, am 28.09. in Bremen) setzt die NPD als "Krisenpartei" auch auf zunehmende Unzufriedenheit der Wähler mit der wirtschaftlichen Entwicklung. Die Wahlkampfpropaganda der NPD richtet sich insbesondere gegen die derzeitige Wirtschaftspolitik (Arbeitslosigkeit), Finanzpolitik (inflationäre Entwicklung), Bildungspolitik und gegen angebliche Mißstände bei den Kommunen (z. B. Stadtbahnhöfe in Duisburg). Hierbei versucht sich die NPD als Partei aller schaffenden Menschen und als einzige Alternative zum Marxismus und zum "ausbeuterischen" Kapitalismus darzustellen. Ein NPD-Funktionär aus Mülheim/Ruhr hat vom Bundesvorstand den Auftrag erhalten, zur Sicherstellung wirksamer, auch zentral steuerbarer Aufklärungsaktionen und Ordnerdienste in allen Kreisverbänden 4 - 8 Mann starke motorisierte "Organisationsund Propagandagruppen" aufzustellen. In diese Gruppen sollen nur besonders ausgesuchte und geschulte Mitarbeiter aufgenommen werden. Entwicklungstendenzen rechtsradikaler Splittergruppen Neben der NPD konnte sich bisher im rechtsradikalen Lager keine Organisation oder Gruppe zu einer politisch richtunggebenden Kraft entwickeln. Zwei Tendenzen sind jedoch bemerkenswert: Die eine findet ihren Niederschlag in den verstärkten Bestrebungen von Einzelgängern und kleinen Gruppen, den Nationalsozialismus neu zu beleben. Es bestehen Verbindungen zu Gleichgesinnten im Ausland. Zu diesen Kreisen dürften auch die meisten Abnehmer des aus den USA bezogenen "NS Kampfruf", des Organs einer NSDAP-Auslandsorganisation, zu zählen sein. Dabei handelt es sich um etwa 200 Personen in der Bundesrepublik, davon ca. 40 in NW. Die andere Richtung zeichnet sich ab in den Bemühungen von überwiegend jungen Rechtsextremisten, einen Sozialismus rechter Prägung zu propagieren. Diese in der "Aktion Neue Rechte" (ANR) besonders hervorgetretenen Kräfte sind jedoch inzwischen in konkurrierende Organisationen mit sozialreformerischer oder nationalrevolutionärer Zielsetzung gespalten. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 4 außerhalb Nordrhein-Westfalens. Die weitere Entwicklung dieser Gruppen ist noch nicht abzusehen. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 5 2 Zum Linksradikalismus Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Die DKP hat erwartungsgemäß ihre vielgestaltigen Aktivitäten auf allen Organisationsstufen der Partei fortgesetzt. Auf seinen Tagungen im Mai und im Juni 1974 legte der DKP-Parteivorstand in Düsseldorf die Linie für die innenpolitische Agitation der kommenden Monate mit folgenden Schwerpunkten fest: * kontrollierter Preisund Mietstopp, * Teuerungszulagen und Inflationsausgleich * Verstaatlichung der Erdölkonzerne * Aufhebung der Berufsverbote. Kontakte zu kommunistischen Bruderparteien Gleichzeitig wurde beschlossen, die Beziehungen zu den kommunistischen Bruderparteien zu festigen. Im Blick auf diese Planung sind folgende Ereignisse von Bedeutung: Auf Einladung des DKP-Parteivorstandes weilte vom 27. Juni bis Anfang Juli 1974 eine Delegation des ZK der KPdSU unter Leitung des ZK-Mitgliedes TITARENKO in der Bundesrepublik. Die Vertreter der KPdSU besuchten u. a. die HoeschWestfalenhütte. In Dortmund, Essen und Gladbeck wurden sie von den Oberbürgermeistern empfangen. Auf einer sog. Freundschaftskundgebung am 2. Juli 1974 in Essen erklärte TITARENKO, daß zwischen den Kommunisten in der Sowjetunion und der Bundesrepublik Deutschland "stets Beziehungen brüderlicher und kämpferischer Solidarität" bestanden hätten. Am 3. Juli 1974 stattete der Leiter der Ständigen Vertretung der DDR, Dr. Michael Kohl, dem DKP-Vorsitzenden Herbert MIES in Düsseldorf einen Besuch ab. Der Vorsitzende der DKP würdigte dabei die "konstruktive Friedensund Entspannungspolitik" der DDR. Zum 65. Geburtstag des ehemaligen DKP-Vorsitzenden Kurt BACHMANN, jetzt Mitglied des DKP-Präsidiums, fand am 22.06.1974 in Düsseldorf ein Empfang des Parteivorstandes statt, an dem u. a. Valentin FALIN, Botschafter der UdSSR, Dr. Michael KOHL, Leiter der Ständigen Vertretung der DDR, und der Leiter der "Westabteilung" der SED teilnahmen. BACHMANN erhielt den sowjetischen Orden der Völkerfreundschaft und den Karl-Marx-Orden der DDR. Am 5. November traf der DKP-Vorsitzende Herbert MIES mit dem SEDVorsitzenden Erich HONECKER in Ostberlin zusammen. Das wesentlichste Ereignis für die DKP auf internationaler Ebene war die Teilnahme am Konsultativtreffen der "Kommunistischen und Arbeiterparteien" vom 16. bis 18.10.1974 in Warschau, wo die Einberufung einer europäischen KPKonferenz im Jahre 1975 mit dem Ziel beschlossen wurde, auf eine Weltkonferenz - die letzte fand 1969 in Moskau statt - hinzuwirken. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 6 Schulung in der DDR und in der UdSSR Nach wie vor unterstützten KPdSU und SED die DKP bei der Schulung ihrer Funktionäre. Am Franz-Mehring-Institut in Ostberlin, der von der SED eingerichteten Kaderschule für die DKP und die SDAJ, ging am 27.06.1974 der 11. Dreimonatslehrgang zu Ende. Daran nahmen etwa 50 Mitglieder der DKP und der SDAJ teil. Am 5. Jahreslehrgang (Januar bis Dezember 1974) wurden ebenfalls etwa 50 Mitglieder der DKP und der SDAJ geschult. Am Institut für Gesellschaftswissenschaften in Moskau, der Kaderschule der KPdSU für ausländische Kommunisten, endete im Juni 1974 der 5. Jahreslehrgang für Funktionäre der DKP und der SEW und der 5. Halbjahreslehrgang (Januar bis Juni 1974) für Funktionäre der DKP. An diesen beiden Lehrgängen nahmen insgesamt 15 DKP-Funktionäre und 5 Mitglieder der SEW teil. Unterstützung durch die SED Die Einreise von SED-Funktionären nach NW hat wieder zugenommen. Sie betätigen sich vornehmlich als Referenten in lokalen Veranstaltungen der "Marxistischen Arbeiterbildung" (MAB), einer von der DKP gegründeten Schulungseinrichtung. So nahmen SED-Mitglieder an MAB-Veranstaltungen in Bochum, Essen, Dortmund, Duisburg, Gelsenkirchen, Bielefeld, Münster, Mülheim/Ruhr, Castrop-Rauxel und Ahlen teil. Ebenso war auch eine erhöhte Reisetätigkeit von DKP-Mitgliedern und - Funktionären in die DDR zu verzeichnen. Es handelte sich vornehmlich um Delegationsreisen von Arbeitern aus dem Ruhrgebiet, denen Betriebe und kommunale Einrichtungen in Leipzig, Halle, Magdeburg und Dresden gezeigt wurden. Bei Ferienaufenthalten größerer DKP-Gruppen in FDGBoder SEDHeimen der DDR wurden für diese Urlauber Schulungen durchgeführt. Entscheidend für die politische Arbeit der DKP sind jedoch die finanziellen Mittel, die ihr durch die "Westabteilung" der SED regelmäßig zur Verfügung gestellt werden. Nach streng vertraulichen Informationen erhält die DKP von der SED z. Zt. regelmäßige Beträge von monatlich etwa 2 bis 2,5 Millionen DM, die im Hinblick auf die bevorstehenden Landtags-, Kommunalund Betriebsratswahlen im Jahre 1975 nicht unerheblich erhöht werden dürften. Sonderveranstaltungen Um die Öffentlichkeit auf sich aufmerksam zu machen, hat die DKP eine Reihe von Veranstaltungen z. T. spektakulären Charakters durchgeführt: Das zentrale Pressefest der DKP-Zeitung "Unsere Zeit" (UZ) am 21. und 22.09.1974 in Düsseldorf, das als Volksfest organisiert worden war, zog etwa 100.000 Besucher an. In Anbetracht dieses Erfolges beschloß der PV der DKP, solche Pressefeste jährlich in Düsseldorf zu wiederholen. Der Parteivorstand hatte zur Durchführung des Festes rd. 1 Million DM zur Verfügung gestellt. Am 19.10.1974 fand auf dem Marktplatz in Bottrop die Aktion "Preisstopp und Arbeitsplatzsicherung" statt. Die DKP verkaufte Lebensmittel zu Erzeugerpreisen Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 7 und ließ bei dieser Gelegenheit durch 500 Wahlhelfer Wahlmaterial verteilen. Der Verkauf billiger Lebensmittel fand bei der Bevölkerung lebhaftes Echo. Im November 1974 gab der DKP-Bezirk "Ruhr-Westfalen" bekannt, Anfang 1975 in Bottrop eine Nachmittagsschule einzurichten, in der gegen geringes Entgelt Nachhilfeunterricht für Kinder erteilt werden soll. Das Lehrerkollegium und der sog. Pädagogische Rat setzen sich aus bekannten DKP-Funktionären zusammen. In diesem Zusammenhang wurde bekannt, daß DKP-Mitglieder, die wegen ihrer DKP-Betätigung nicht in den öffentlichen Dienst übernommen wurden, Aufgaben in den DKP-Bildungseinrichtungen (MAB) übernehmen sollen. In Bochum, Duisburg, Dortmund, Bielefeld und Kleve sind Pädagogen und andere Personen bereits führend in diesen Bildungseinrichtungen tätig. Teilnahme an Landtagsund Kommunalwahlen Die gegenwärtigen organisatorischen und politischen Bemühungen konzentrieren sich auf die Vorbereitung der Wahlen 1975. Bei den Landtagswahlen im Jahre 1974 hat die DKP folgende Stimmenanteile erhalten: am 03.03.1974 in Hamburg = 2,2% (1970 = 1,7%) am 09.06.1974 in Niedersachsen = 0,4% (1970 = 0,4%) am 27.10.1974 in Bayern = 0,4% (1970 = 0,4%) am 27.10.1974 in Hessen = 0,9% (1970 = 1,2%) Bei der Landtagswahl in unserem Lande am 14.06.1970 erhielt die DKP einen Stimmenanteil von 0,9 %. Die DKP glaubt, daß sie zumindest bei den Kommunalwahlen örtliche Erfolge erzielen kann. Sie verweist dabei auf die letzte Wahl zur Stadtverordnetenversammlung in Marburg (Hessen). Hier erhielt die DKP 9,1 % der Stimmen (1972 = 5,3 %) und konnte damit 5 Mandate (1972 = 2 Mandate) erringen. Sie will deshalb ihren Wahlkampf u. a. auf Bottrop und Solingen konzentrieren (in Bottrop verfügt sie bereits über 2 Ratsmitglieder). Maoistisch-kommunistische Gruppen Die drei bedeutsamsten maoistischen Gruppierungen in NW, die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), die Kommunistische Partei Deutschlands/MarxistenLeninisten (KPD/ML) und der Kommunistische Bund Westdeutschland (KBW) sind im Berichtszeitraum durch eine Reihe größerer Aktionen in Erscheinung getreten: Aktionen anläßlich der Beisetzung Routhiers in Duisburg Am 5. Juni 1974 hat in Duisburg ein Arbeitsgerichtsprozeß gegen einen Funktionär der KPD/ML stattgefunden. Während der Verhandlung kam es zu tumultartigen Szenen und Widerstandsleistungen gegen die herbeigerufenen Polizeibeamten. Unter den vorläufig Festgenommenen befand sich der 45 Jahre Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 8 alte Günter ROUTHIER, der infolge eines Bluterleidens erwerbsunfähig war. Am 13.06.1974 wurde er wegen einer Gehirnblutung in ein Krankenhaus eingeliefert und verstarb am 18.06.1974. Die Obduktion der Leiche erbrachte keinerlei Hinweise auf äußere Gewalteinwirkung. Mit ungewöhnlich großem Propagandaaufwand versuchte die KPD/ML, ROUTHIER als Märtyrer darzustellen. Sie behauptete, R. sei bei einem "brutalen Polizeieinsatz" ermordet worden. Die KPD schloß sich den Propagandaaktionen an. Am Tage der Beerdigung (24.06.1974) trafen aus fast allen Bundesländern als Trauergäste getarnte Demonstranten in Duisburg ein. Ein geplanter Demonstrationszug wurde vom Polizeipräsidenten verboten. Trotzdem versammelten sich während dieses Tages bis in die späten Abendstunden an mehreren Stellen in Duisburg Gruppen der KPD/ML und der KPD. Im Zuge der notwendig gewordenen polizeilichen Maßnahmen wurden in größerer Anzahl Hieb-, Stichund Schlagwaffen sichergestellt, 96 Personen vorübergehend festgenommen. 14 Polizeibeamte sind bei den Einsätzen verletzt worden. Am Grabe hielten der Vorsitzende der KPD/ML Ernst AUST und ein Spitzenfunktionär der KPD Reden. AUST gab bekannt, daß ROUTHIER posthum in die KPD/ML aufgenommen worden sei. KPD-Parteitag Die KPD hat im Juni 1974 ihren ersten Parteitag durchgeführt. In ihren Presseorganen gab sie lediglich als Höhepunkt des Parteitages die Abschlußkundgebung am 29.06.1974 in Köln bekannt. Tatsächlich waren die Delegierten zu ersten Tagungen am 15., 16. und 17.06.1974 - als Sozialarbeiter getarnt - in einem katholischen Jugendheim in Walsum zusammengekommen. Weitere konspirative Zusammenkünfte hatten am 22. und 23.06.1974 in einem evangelischen Gemeindehaus - getarnt als Seminar für Erwachsenenbildung - in Leverkusen stattgefunden. An beiden Treffen nahmen ca. je 120 Delegierte und 20 Gäste teil, die ein neues Parteiprogramm verabschiedeten und die Mitglieder des neuen Zentral-Komitees und des "Ständigen Ausschusses" wählten. An der offiziellen Kundgebung am 29.06.1974 in der Sporthalle in Köln nahmen etwa 5.000 Anhänger der KPD aus dem gesamten Bundesgebiet teil. Die KPD hat zudem die Absicht bekundet, sich an der Landtagswahl zu beteiligen. Aktionen zum Tode von Holger Meins Auch der Tod des Anarchisten Holger MEINS am 09.11.1973 war, wie aus den zahlreichen Veröffentlichungen bekannt, von der KPD und KPD/ML zum Anlaß zahlreicher Propagandaaktionen genommen worden. Studierende Jugend An den Hochschulen des Landes zeichnet sich über einen längeren Zeitraum eine gewisse - zumindest äußere - Beruhigung ab. Es kommt kaum noch zu spektakulären öffentlichen Aktionen extremistischer Studentengruppen. Auch werden Störungen des internen Hochschulbetriebs in der Öffentlichkeit nur noch selten bekannt. Hierzu dürften folgende Gründe beigetragen haben: Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 9 * Höhere Studienbereitschaft infolge der Auswirkungen des numerus clausus * die Diskussion über ein schärferes Ordnungsrecht an den Hochschulen * die Diskussion über ein Verbot maoistischer Gruppen, die von diesen als "Verbotsdrohung" empfunden wird. Ungeachtet dessen wird es auch in nächster Zukunft nicht an Versuchen fehlen, die Studentenschaft im Einzelfall für Zwecke der extremen Linken zu mobilisieren. So steht z. Zt. auf der Tagesordnung der von Linksextremisten beherrschten studentischen Dachverbände - Verband Deutscher Studentenschaften (VDS) und Verband der Studentenschaften an Fachhochschulen (SVI) - der "Sozialkampf", der gegen die als ungenügend empfundene Erhöhung der Leistungen aus dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAFöG) gerichtet ist. Für den Bereich unseres Landes kommt verschärfend hinzu, daß das neue Studentenwerksgesetz (vom 27.02.1974) von den Studenten einen höheren Sozialbeitrag verlangt. Schon ausgangs des Sommersemesters 1974 wurde diese Frage hochgespielt und in mehreren Hochschulen über eine Verweigerung der Zahlung, die zwangsläufig eine Exmatrikulation zur Folge haben würde, abgestimmt. Die daraus erwachsene "Verweigerungskampagne" hat aber nicht zu dem erhofften Erfolg geführt und ist inzwischen abgebrochen worden. Die "Landesastenkonferenz" Nordrhein-Westfalen hatte in verschiedenen Sitzungen vor Beginn des Wintersemesters 1974/75 beschlossen, mit dem Thema "soziale Lage der Studenten" erneut an die Öffentlichkeit zu treten und für den 07.11.1974 zu einem "Sternmarsch" nach Düsseldorf aufgerufen. In die Vorbereitungen hatte sich besonders der MSB Spartakus eingeschaltet. Die Beteiligung ist mit ca. 8.000 Teilnehmern hinter den Erwartungen der Veranstalter, vor allem aber hinter den Vorstellungen des Bundesvorstandes des MSB Spartakus (30.000 Teilnehmer) zurückgeblieben und machte deutlich, daß selbst Themen, die unmittelbar studentische Interessen betreffen, keine übermäßige Resonanz finden. Studentische Selbstverwaltung In der studentischen Selbstverwaltung verfügen die linksextremen Studentengruppen, d. h. im wesentlichen die Koalition MSB Spartakus/SHB, weiterhin über Mehrheiten, wenn auch in jüngster Zeit an einigen großen wissenschaftlichen Hochschulen die gemäßigten Studentenorganisationen an Boden gewinnen und die Führung der Leitungsgremien der studentischen Selbstverwaltung wieder übernehmen konnten. In den Allgemeinen Studentenausschüssen zeigt sich das Übergewicht der Linksextremen darin, daß der MSB Spartakus - vorwiegend in Koalitionen mit dem SHB - z. B. an 7 der 13 Universitäten und Gesamthochschulen des Landes die Asten beherrscht, und zwar an den Universitäten Bielefeld, Dortmund, Düsseldorf und Münster und den Gesamthochschulen Duisburg, Essen und Wuppertal. Dem stehen nur 4 Allgemeine Studentenausschüsse in Aachen, Bonn, Bochum und Köln gegenüber, die von gemäßigten Studentenorganisationen getragen werden. Der von einer Koalition MSB/Juso beherrschte AStA der Universität Münster hat übrigens Mitte Oktober 1974 in Moskau "gegründet auf die Prinzipien der internationalen antiimperialistischen Bewegung" einen Partnerschaftsvertrag zwischen der Studentenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 10 und dem Rat der Jugendorganisationen der Moskauer Hochschule für Energetik geschlossen. Studentische Dachverbände Die bereits erwähnten studentischen Dachverbände, der Verband Deutscher Studentenschaften (VDS) und der Verband der Studentenschaften an Fachhochschulen (SVI) stehen weiterhin unter orthodox-kommunistischem (VDS) bzw. maoistischem (SVI) Einfluß. Verband Deutscher Studentenschaften (VDS) Im Vorstand des VDS sind in jüngster Zeit allerdings Spannungen aufgetreten und den Vertretern des MSB Spartakus/SHB wird von den übrigen Vorstandsmitgliedern (Juso-Hochschulgruppen und Liberaler HochschulverbandLHV-) vorgeworfen, eine gemeinsame Politik abzublocken, die Arbeit zu lähmen und dadurch der Studentenbewegung zu schaden. Entzündet haben sich diese Auseinandersetzungen an der Frage, ob z. Zt. Aktionen gegen das BAFöG, gegen das Hochschulrahmengesetz bzw. zur Neuordnung der studentischen Krankenversicherung im Vordergrund studentischer Politik zu stehen hätten. Das Bündnis MSB Spartakus/SHB ist dagegen ungestört. So heißt es in jüngsten Verlautbarungen des SHB zur Aktionseinheit von Sozialdemokraten und Kommunisten "Es ist den Herrschenden auch nicht verborgen geblieben, daß die Kampfkraft der Studentenbewegungen und ihres demokratischen Dachverbandes VDS maßgeblich von der Stärke und Geschlossenheit derjenigen politischen Studentenverbände abhängt, die den VDS rekonstruiert haben, dem Sozialistischen Hochschulbund und dem MSB Spartakus. Und sie haben zur Kenntnis nehmen müssen, daß die Aktionseinheit der Studenten, namentlich die von Sozialdemokraten und Kommunisten, ihre Hochschulformierungskonzepte erschwert." Verband der Studentenschaften an Fachhochschulen (SVI) Der maoistische Einfluß in der derzeitigen Führung des SVI hat die Bundesregierung im Rahmen der Haushaltsberatungen für 1975 veranlaßt, die finanzielle Unterstützung dieses Verbandes vorläufig einzustellen und dessen Förderungswürdigkeit zu überprüfen. Die Mitgliederversammlungen der beiden studentischen Dachverbände haben im Frühjahr 1974 beschlossen, bis zum April 1975 einen einheitlichen studentischen Dachverband zu gründen. Gegen die Beschlüsse stimmte der MSB Spartkus/SHB-Block, der damit rechnen muß, in einem Einheitsverband in der Minderheit zu sein. Nach SVI-Verlautbarungen soll eine Kommission mit den Vorarbeiten der Gründungskonferenz befaßt sein. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 11 Politische Studentenorganisationen MSB Spartakus Der MSB Spartakus mit jetzt über 4.800 Mitgliedern, davon ca. 1.000 in NordrheinWestfalen, paßt sich zwar dem gegenwärtigen Trend zur Mäßigung aus taktischen Gründen spürbar an. Anderen Gruppen wirft er aber vor, prinzipiell die Entwicklung an den Hochschulen "in gemäßigtere Bahnen" lenken zu wollen. Sozialistischer Hochschulbund (SHB) Der Sozialistische Hochschulbund (SHB) veranstaltete vom 15. - 17.11.1974 in Köln seine 15. ordentliche Bundesdelegiertenversammlung (BDV) mit ca. 140 Delegierten, die 3.200 Mitglieder repräsentierten. Die Grundsatzbeschlüsse des SHB-BDV aus dem Jahre 1972 wurden nicht revidiert. Insofern ist die zum DKP-nahen Marxistischen Studentenbund Spartakus tendierende ideologische Basis erhalten geblieben, die den SHB in vielen Fragen in die Nähe seines Bündnispartners MSB Spartakus rückte. Im Verlauf der Debatten zeichnete sich aber ab, daß eine Minderheit im SHB die betonte Bindung an - im weitesten Sinne - kommunistische Organisationen nicht billigt. Sie konnte sich aber nicht durchsetzen. Kommunistischer Studentenverband (KSV) Trotz der z. Zt. auch durch den Kommunistischen Studentenverband (KSV) - ca. 1.100 Mitglieder, davon 500 in NW - eingehaltenen Mäßigung im äußeren Auftreten hat er bisher keine Abstriche von seinen auf der ideologischen Basis der KPD stehenden revolutionären Thesen vorgenommen. Noch am 31.10.1974 wurde von einem führenden KSV-Funktionär unterstrichen, daß der KSV es ablehnt, sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland zu bekennen. Im übrigen müsse der KSV noch enger an die KPD herangeführt werden, womit nur eine stärkere personelle Verflechtung und engere Abstimmung gemeinsamer Aktionen gemeint sein kann. So sollen auch Vertreter des KSV bei den bevorstehenden Wahlen in Nordrhein-Westfalen im Mai 1975 für die KPD kandidieren. Übrige maoistische Studentengruppen Im Bereich der übrigen - neben dem KSV und dem relativ unbedeutenden Kommunistischen Studentenbund/ Marxisten-Leninisten (KSB/ML) - etwa 12 - 15 örtlich selbständig arbeitenden maoistischen Studentengruppen zeichnet sich eine Konzentration zum maoistisch-kommunistischen Bund Westdeutschlands (KBW) hin ab. Trotz des Verzichts des KBW auf eine eigene überregionale Studentenorganisation, wie er in einem Beschluß des Zentralen Komitees des KBW über die kommunistischen Massenorganisationen unter den Studenten vom 15.12.1973 zum Ausdruck kommt, bekennen sich zunehmend die verschiedensten Gruppen zum Programm des KBW. Inzwischen ist der KBW in NordrheinWestfalen an den meisten Hochschulorten tätig. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 12 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) Die DKP-orientierte Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) hat auch in diesem Jahr ihre Organisation weiter ausbauen können. Die Zahl ihrer örtlichen Gruppen - einschließlich Stadtteilgruppen - stieg in Nordrhein-Westfalen im letzten Jahr von 104 auf 142. Gleichzeitig konnte die SDAJ die Zahl der - von ihr selbst als wesentliches Propagandainstrument angesehenen - örtlichen Lehrlingsund Jungarbeiterzeitungen von 81 in 38 Städten auf 108 in 47 Städten erhöhen. Die Zahl der betriebsbezogenen Zeitungen stieg von 30 auf 40, die der Berufsschulzeitungen von 11 auf 13. Daneben gibt die SDAJ 8 Schülerzeitungen - eine mehr als im Vorjahr - heraus. Wie bisher, war die SDAJ auch im letzten Jahr an allen Schwerpunktaktionen des DKP-orientierten kommunistischen Lagers beteiligt. Daneben veranstaltete sie selbst eine Reihe von Kampagnen zu jugendspezifischen Themen, wie z. B. zum Jugendschutzgesetz, zum Berufsausbildungsgesetz und zum Jugendhilfegesetz. Hier wurden die entsprechenden Gesetzentwürfe in einseitig negativer Weise verurteilt, verbunden mit extremen Forderungen auf diesen Gebieten. Die SDAJ ist ständig bemüht, sich in die vielen örtlich gebildeten Initiativen zur Schaffung oder Gestaltung von sogenannten Unabhängigen Jugendzentren einzuschalten und dort ihren Einfluß geltend zu machen. Der Förderung dieser Bestrebungen diente die vom Landesverband Nordrhein-Westfalen der SDAJ veranstaltete II. Aktionskonferenz "Jugend und Freizeit" am 10. November 1974 in Gevelsberg (ca. 130 Teilnehmer), mit der eine Aktionswoche "Jugendzentrum 74" eröffnet wurde. Von jeher ist die SDAJ bestrebt, in den "Deutschen Bundesjugendring" (DBJR) sowie in die Landes-, Stadtund Kreisjugendringe aufgenommen zu werden, einmal wegen des damit erhofften Prestigegewinns, zum anderen aber auch wegen der den Jugendringen zuteil werdenden Förderung aus öffentlichen Mitteln. Die bisherigen Erfolge der SDAJ auf diesem Gebiet waren verhältnismäßig gering. Der DBJR lehnte auf seiner 46. Vollversammlung im November 1974 zum neunten Male einen Aufnahmeantrag der SDAJ ab (16 Ja-, 42 Neinstimmen, 3 Enthaltungen). Die SDAJ ist nur in den Landesjugendringen Bremens und des Saarlandes vertreten. Der Landesjugendring Nordrhein-Westfalen wies kürzlich auf seiner letzten Vollversammlung zum vierten Mal einen Aufnahmeantrag der SDAJ (19 Ja-, 32 Neinstimmen, 2 Enthaltungen) ab. Von den 185 Stadtund Kreisjugendringen des Landes Nordrhein-Westfalen haben bisher nur 8 = 4,3 % die SDAJ aufgenommen. Im übrigen Bundesgebiet ist die SDAJ zumindest in 41 von ca. 355 örtlichen Jugendringen vertreten, das sind 11,5 %. Die Zahlen für Nordrhein-Westfalen haben sich seit September 1973 nicht geändert. Sozialistische Kinderorganisation "Junge Pioniere" Auf diese Organisation ist die Landesregierung in der Plenarsitzung des Landtages am 13.11.1974 in Beantwortung einer Mündlichen Anfrage vom 5. November 1974 bereits kurz eingegangen. Hier noch einmal wegen der Bedeutung des Themas eine ausführlichere und die seinerzeitigen Ausführungen ergänzende Darstellung: Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 13 Die Sozialistische Kinderorganisation "Junge Pioniere" wurde am 1. Juni 1974 in Bottrop als Vereinigung auf Bundesebene gegründet, nachdem der Hamburger Parteitag der DKP im November 1973 dem Parteivorstand einen entsprechenden Auftrag erteilt hatte. Die Errichtung dieser Organisation für 6- bis 14-jährige Kinder dient ganz offensichtlich dem Bestreben der DKP, nunmehr auch diese Altersgruppe organisatorisch zu erfassen und sie unter Anwendung altersspezifischer Methoden im Sinne der kommunistischen Ideologie (DKPRichtung) zu erziehen und damit einen nahtlosen Bogen von den "Jungen Pionieren" über SDAJ und ggf. MSB Spartakus zur Partei herzustellen. Obwohl "Junge Pioniere", DKP und SDAJ in ihren für die Öffentlichkeit bestimmten Verlautbarungen für die Gründung der Kinderorganisation in erster Linie jugendpflegerische Gründe anführen, wird in parteiinternen Schriften das für die DKP wesentliche Motiv deutlich. In einer vom Parteivorstand der DKP herausgegebenen Broschüre "Jugend im Klassenkampf - Studienmaterial für das 2. Thema im Bildungsjahr der DKP 1974/75" heißt es zum Thema "Junge Pioniere": "Wir wissen, daß die Erziehung der Arbeiterjugend im Sinne ihrer Klasse bei den Kindern anfangen muß. Der Hamburger Parteitag faßte den Beschluß, den Aufbau einer 'sozialistischen Kinderorganisation Junge Pioniere' mit allen Kräften zu unterstützen. Die Arbeiterbewegung kann es nicht hinnehmen, daß das Großkapital in hohem Maße über Erziehung und Entwicklung der Kinder der Arbeiter und Angestellten bestimmt. Bereits bei Kindern muß daher politischprogressives Denken und Handeln, ein fröhliches Leben in der Gemeinschaft entwickelt werden". Ebenso deutlich äußert sich der Referent für Jugendpolitik beim Parteivorstand der DKP, gleichzeitig Mitglied des Bundesvorstandes der SDAJ und der Bundesleitung der "Jungen Pioniere" in einem Aufsatz zum Aufbau der sozialistischen Kinderorganisation "Junge Pioniere" in der Zeitschrift "praxis Erfahrungen und Beispiele des demokratischen Kampfes", ebenfalls herausgegeben vom Parteivorstand der DKP: "Und wir müssen deutlich machen: Es ist nicht möglich, in dieser Gesellschaft ein Kind "neutral" und unpolitisch zu erziehen - und wir wollen das auch nicht. Denn alle Erziehung ist nach Karl MARX vor allem gesellschaftliche Erziehung, und diese liegt, solange die ausgebeuteten Klassen und Schichten sich nicht dagegen wehren, ausschließlich in der Hand der herrschenden Klasse, ihres Staates und ihres Meinungsapparates. Das bekommen gerade die Kinder zu spüren. Unsere Orientierung für die Arbeit mit Kindergruppen muß daher auf eine politische Klassenerziehung im Sinne der Arbeiterklasse gerichtet sein." Und an anderer Stelle: "Wir wollen nicht irgendeine Kinderorganisation gründen, sondern eine Organisation der marxistischen Arbeiterbewegung. Diese Organisation ist kein Dienstleistungsbetrieb zur Unterhaltung von Kindern und keine Bewahranstalt, die die Mängel dieses Systems irgendwie ausbügelt oder kittet. Diese Organisation muß Teil der klassenbewußten Arbeiterbewegung sein und bewußt am Kampf gegen die Verbrechen und Gebrechen des Systems Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 14 teilnehmen. Davon müssen wir in jeder Hinsicht ausgehen: bei der Namensgebung ebenso wie bei der Aufgabenstellung und Programmgestaltung". Die enge Verbindung der neuen Kinderorganisation zu DKP, SDAJ und MSB Spartakus wurde auf der Gründungsversammlung von dem zum 1. Vorsitzenden gewählten betont und fand auch in einer "Erklärung der Gründungsversammlung" ihren Ausdruck. Die Besetzung der maßgeblichen Führungspositionen bei den "Jungen Pionieren" unterstreicht die Annahme, daß die DKP die Kinderorganisation praktisch als eine ihrer Gliederungen auffaßt. Die aus 35 Personen bestehende Bundesleitung setzt sich vorwiegend aus Angehörigen und Funktionären von DKP, SDAJ und MSB Spartakus zusammen, darunter allein zwei Mitglieder des Parteivorstandes der DKP sowie der bereits erwähnte Jugendreferent im Parteivorstand. Die tatsächliche Führung der Organisation liegt aber bei dem dreiköpfigen Sekretariat, dem der 1. Vorsitzende, Mitglied des geschäftsführenden Bundesvorstandes der SDAJ und DKP-Mitglied, die 2. Vorsitzende, Funktionärin des MSB Spartakus, sowie ein SDAJ-Funktionär und DKP-Angehöriger angehören. Ebenso wie in der Spitze liegt auch örtlich die Organisation in den Händen von DKP und SDAJ. Alle Veranstaltungen finden unter Förderung und maßgeblicher Beteiligung der jeweils zuständigen DKP-Einheit statt. In Nordrhein-Westfalen wurden bisher 22 örtliche Gruppen der "Jungen Pioniere" festgestellt. In weiteren acht Orten wurden Vorbereitungen zu Bildung solcher Gruppen bekannt. Die Anzahl der bisher den "Jungen Pionieren" beigetretenen Kinder dürfte 350 bis 400 betragen. Diese Zahlen können nur als vorläufig angesehen werden, da sich die Organisation noch im Aufbau befindet und örtlich häufig auf Schwierigkeiten stößt, hervorgerufen insbesondere durch den Mangel an geeigneten Betreuern und das Fehlen von Räumlichkeiten. Zu den Aktivitäten der "Jungen Pioniere" gehören neben Gruppennachmittagen, Spielund Bastelstunden vor allem die als sehr werbewirksam angesehenen Kinderfeste, die in diesem Sommer beinahe alle Gruppen veranstalteten und die - nach den hier vorliegenden Angaben - von jeweils 120 bis 500 Kindern besucht wurden. An den teils von der DKP, teils aber auch schon von den "Jungen Pionieren" selbst organisierten Reisen zu Ferienlagern in der DDR nahmen aus Nordrhein-Westfalen etwa 1.800 bis 2.000 Kinder teil. Die "Jungen Pioniere" verstehen sich als Teil der weltweiten kommunistischen Pionierbewegung. Sie haben bei der kommunistisch orientierten internationalen Pionierorganisation CIMEA (Comite International des Mouvements d'Enfants et Adolescents) einen Antrag auf korporative Mitgliedschaft gestellt. In der Zeit vom 15. bis 18. Oktober 1974 weilte der 1. Vorsitzende zusammen mit dem Bundesvorsitzenden der SDAJ in Moskau, wo sie mit dem 1. Sekretär des "Leninschen Komsomol" und dem Vorsitzenden der "Leninschen Pioniere" Gespräche über die Vertiefung der Beziehungen zwischen den genannten deutschen und sowjetischen Jugendorganisationen führten und "für 1975 einen wesentlichen Ausbau der politischen und jugendtouristischen Aktivitäten" vereinbarten. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 15 Aktionen linksextremer Schülergruppen Aus dem Bereich der Schulen sind im Laufe des letzten Jahres nur vereinzelt Aktionen linksextremer Schülergruppen bekanntgeworden. Sie beschränken sich in der Regel auf die Herausgabe von Flugblättern und sporadisch erscheinenden Zeitungen. Der dabei erkennbar werdende organisierte Linksextremismus wird im Landesbereich getragen einmal von Gruppen der maoistischen Richtung, und zwar dem Kommunistischen Oberschülerverband (KOV) mit acht Zellen und Sympathisantengruppen und KBW-orientierten Gruppen unterschiedlicher Bezeichnung in sechs Orten, zum anderen solchen der orthodox-kommunistischen Richtung, nämlich dem Marxistischen Schülerbund (MSB) mit sechs Gruppen und der SDAJ durch eigene örtliche Schülerzeitungen und Mitarbeit in der Schülermitverwaltung (SMV). Aus dem Bereich der Schülermitverwaltung (SMV) ist kürzlich durch Pressemeldungen bekanntgeworden, daß die bisher auf Landesebene getrennt arbeitenden Schülermitverwaltungen an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen sich zu einem einheitlichen Verband zusammengeschlossen haben. Da die SMV nach den Erfahrungen der letzten Jahre Austragungsort der politischen Gegensätze unter der Schülerschaft war, muß abgewartet werden, ob sich aus dieser neuen Situation Änderungen der Mehrheitsverhältnisse nach links oder zur Mitte hin ergeben. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 16 3 Öffentlicher Dienst Um dem politischen Extremismus mit der erforderlichen Intensität zu begegnen, ist es von besonderer Bedeutung, daß der öffentliche Dienst mit rechtsstaatlichen Mitteln von Verfassungsfeinden freigehalten wird. Dies bedeutet, daß bei der Einstellung von Bewerbern für den öffentlichen Dienst mit besonderer Sorgfalt geprüft wird, ob der Bewerber bereit ist, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten. Der Bewerber hat einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung. Deshalb ist jeder Einzelfall für sich zu prüfen. Um eine einheitliche Einstellungspraxis im Land sicherzustellen, sind von der Landesregierung Durchführungsrichtlinien zum Beschluß der Regierungschefs des Bundes und der Länder vom 28. Januar 1972 über verfassungsfeindliche Bestrebungen und öffentlicher Dienst erlassen und, wie aus der Beantwortung der Großen Anfrage 24 der CDU-Fraktion ersichtlich, in den einzelnen Ressorts bekanntgegeben worden. In Ergänzung dieser Richtlinien hat die Landesregierung am 24. September 1974 beschlossen, bei der Entscheidung über die Einstellung von Bewerbern, bei denen Zweifel an der Verfassungstreue bestehen, eine Kommission zu beteiligen. Darüber hat der Herr Ministerpräsident anläßlich der Erörterung der Großen Anfrage 24 der CDU-Fraktion am 26. September 1974 im Landtag berichtet. Der Beteiligung dieser aus besonders sachkundigen und erfahrenen Beamten der obersten Landesbehörden bestehenden Kommission liegt der Gedanke zugrunde, bei den zu prüfenden Einzelfällen eine einheitliche Behandlung zu sichern. Nur so kann hinsichtlich der Beantwortung der Frage, wann bestehende Zweifel als ausgeräumt angesehen werden können, ein Höchstmaß an Gerechtigkeit verwirklicht werden. Die Kommission besteht aus 1. einem Vertreter des Innenministeriums als Vorsitzender, 2. einem Vertreter des Justizministeriums, 3. einem Vertreter der obersten Dienstbehörde, in deren Geschäftsbereich die Einstellung erfolgen soll. Hinzutreten ein Beamter der Abteilung VII des Innenministeriums mit beratender Stimme, sowie - auf Wunsch der obersten Dienstbehörde - ein Beamter der Einstellungsbehörde mit beratender Stimme. Die Mitglieder der Kommission sowie deren Stellvertreter sind mit Beschluß der Landesregierung vom 19. November 1974 bestellt worden. Die Kommission wird durch die oberste Landesbehörde, in deren Geschäftsbereich die Einstellung erfolgen soll, beteiligt, nachdem die Tatsachen, die die Zweifel begründen, bei der Einstellungsbehörde abgeklärt worden sind. Sie gibt dem Bewerber in der Regel Gelegenheit, sich in einem Gespräch zu äußern, und spricht eine Empfehlung aus, ob die Zweifel an der Verfassungstreue als ausgeräumt angesehen werden können. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 17 Bei ihrer Tätigkeit sind die Mitglieder der Kommission an Weisungen nicht gebunden. Wird die Empfehlung von der zuständigen obersten Dienstbehörde, dem Ministerpräsidenten oder dem Innenminister nicht gebilligt, so können diese eine Entscheidung der Landesregierung herbeiführen. Im Dezember 1974 hat die Kommission ihre Tätigkeit aufgenommen. Ihr sind bisher vom Kultusminister 9 Fälle zugeleitet worden. In naher Zukunft stehen aus dem Bereich des Kultusministers weitere Fälle an. Denn Bewerber, zu denen Erkenntnisse im Sinne des Ministerpräsidentenbeschlusses vom 28. Januar 1972 vorliegen, versuchen überwiegend bei den Lehrberufen in den öffentlichen Dienst zu gelangen. Insgesamt gesehen kommen die Bewerber aus allen Bereichen des politischen Extremismus, wobei der Schwerpunkt, besonders bei den Lehrberufen, nach wie vor fast ausschließlich beim Linksextremismus liegt. Nach der Erkenntnislage vom 1. Januar 1975 befinden sich im Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen 25 Rechtsextremisten und 81 Linksextremisten. Die Erhöhung der Zahlen gegenüber dem Stichtag 31. März 1974 für die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 24 der Fraktion der CDU (23 Rechtsextremisten, 61 Linksextremisten) ergibt sich daraus, daß von der Verfassungsschutzabteilung weitere Bedienstete, die bereits seit längerem im öffentlichen Dienst sind, wegen ihrer extremistischen Betätigung erfaßt werden konnten. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 18 4 Ausländer Allgemeines In der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) leben zur Zeit (Stichtag 30.09.1974) rd. 4,13 Mio. Ausländer. Davon halten sich 1,2 Mio. in Nordrhein-Westfalen auf. Mit 323.300 Personen bilden in Nordrhein-Westfalen die Türken die stärkste Ausländergruppe; ihnen folgen die Italiener mit 169.000, die Jugoslawen mit 151.000 und die Griechen mit 141.000 Personen. Der restliche Anteil setzt sich im wesentlichen aus 97.600 Spaniern, 51.500 Portugiesen, 28.000 Angehörigen kommunistischer Staaten (außer Jugoslawien), 27.000 Staatsangehörigen arabischer Länder sowie rd. 207.000 Staatsangehörigen der übrigen, insbesondere westeuropäischen Welt zusammen. Nur ein geringer Bruchteil der Ausländer ist in politisch extremen Ausländervereinigungen tätig, sympathisiert mit ihnen oder gewährt ihnen Unterstützung. Zuverlässige Angaben über die Gesamtzahl der Mitglieder, aktiven Anhänger oder Sympathisanten aller extremen Ausländervereinigungen in Nordrhein-Westfalen liegen nur in beschränktem Umfang vor. Allgemein versuchen diese Vereinigungen, vornehmlich unter den ausländischen Arbeitnehmern und Studenten, Anhänger für ihre Ziele zu gewinnen. In ihrer Agitation - beispielsweise durch Demonstrationen und sonstige Veranstaltungen, Flugblattaktionen, die Herausgabe von Zeitungen und periodischen Zeitschriften - wenden sie sich nicht nur gegen die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse ihrer Herkunftsländer, sondern polemisieren auch gegen die hiesigen politischen Gegebenheiten; hierbei knüpfen sie an vorgebliche Mißstände, wie etwa die von ihnen als ungerecht dargestellte Kindergeldregelung für ausländische Arbeitnehmer, das "reaktionäre" Ausländergesetz sowie die konsequente Anwendung der dem Staatsschutz dienenden gesetzlichen Vorschriften durch die zuständigen Behörden an. Organisationen mit terroristischen oder extremistischen Tendenzen Besonderes Augenmerk verdienen solche Bestrebungen von Ausländern, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Bereits in der Plenarsitzung vom 14. Dezember 1972 ist ausgeführt worden, daß es schätzungsweise 12 bis 15 ausländische Organisationen gebe, die Gewalt als geeignetes Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele propagieren. Damit waren vor allem folgende Vereinigungen angesprochen: 1. von den in der "Palästinensischen Befreiungs-Organisation" (PLO) zusammengeschlossenen Kampforganisationen * die sozialrevolutionär-nationalistische "Fata" mit der von ihr gesteuerten, im Oktober 1972 vom Bundesminister des Innern verbotenen "Generalunion Palästinensischer Studenten" (GUPS) und der "Generalunion Palästinensischer Arbeiter" (GUPA), * die "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) und * die "Demokratische Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PDFLP); 2. die Arabischen Studentenvereinigungen (ASV) in NordrheinWestfalen; 3. unter den Italienern: Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 19 * die militant sozialrevolutionäre Gruppe "Lotta Continua" (Ständiger Kampf); 4. die vom Bundesminister des Innern 1968 verbotene "Kroatische Revolutionäre Bruderschaft" (HRB) sowie 5. unter den Spaniern: * die separatistische Befreiungsbewegung "Freies Baskenland"(ETA), * die anarchistisch-terroristische "Gruppe 1. Mai" und * die anarchistische "Freiheitliche Iberische Jugendorganisation" (FIJL). Außerdem waren damals vier griechische Widerstandsorganisationen aktiv, die - wenn auch mit unterschiedlicher ideologischer Zielrichtung - auf den gewaltsamen Sturz des Athener Obristenregimes hinarbeiteten. Nach dem Regierungswechsel in Griechenland haben sich diese Gruppierungen aufgelöst oder ihre Tätigkeit eingestellt. Die Vermutung, daß Anhänger der verbotenen kroatischen HRB in NordrheinWestfalen weiterhin tätig sind, hat sich bisher nicht bestätigt. Gleiches gilt für Aktivitäten der baskischen Separatistenorganisation ETA, die "Gruppe 1. Mai" und die Jugendorganisation FIJL. In seiner 45. Sitzung hat der Hauptausschuß an die Landesregierung den Wunsch herangetragen, in einem kommenden weiteren Bericht über den Radikalismus in Nordrhein-Westfalen die Frage der Ausländer, der Gewalttäter, der Kriminalität usw. etwas differenzierter darzustellen. Daher ist es angebracht, auf die obengenannten Organisationen und sonstige extremistische Ausländervereinigungen sowie deren ideologische Ausrichtung jeweils in gedrängter Kürze einzugehen: Palästinenser: Kennzeichnend für die palästinensischen Organisationen ist, daß sie konspirativ arbeiten und Aktionen von Zentralstellen des Nahen Ostens aus planen und durchführen. "Fata" Die bereits genannte "Fata" bildet mit etwa 7.000 "Kämpfern" die weitaus stärkste und einflußreichste Organisation. Unter ihrem Führer, der gleichzeitig den Vorsitz im Exekutivkomitee der PLO innehat, bejaht sie Terroranschläge im palästinensischen Raum als Mittel des bewaffneten Kampfes gegen Israel. Aktionen außerhalb dieses Raumes werden zu Zeit von der "Fatah"-Führung abgelehnt. Die Gruppe "Schwarzer September" hat ihre Terrorakte wahrscheinlich mit Wissen und Billigung der "Fatah" ausgeführt. Im Berichtszeitraum sind nennenswerte Aktivitäten der "Fatah" in unserem Lande nicht bekanntgeworden. Die "Fatah" hat Kontaktstellen in zwei rheinischen Großstädten. "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) Die maoistische "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) strebt die Vernichtung des israelischen Staates mit allen Mitteln des bewaffneten Kampfes, und zwar auch außerhalb des nahöstlichen Raumes, an. Zahlreiche Terrorakte, insbesondere die Entführung und Sprengung von Flugzeugen der internationalen Zivilluftfahrt, weisen auf die besondere Gefährlichkeit dieser im Gegensatz zur "Fatah" kleineren Organisation hin. Die PFLP lehnt jedwede politische Lösung des Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 20 Palästina-Problems ab. Sie faßt die derzeitige Politik der PLO als Verrat an der palästinensischen Sache auf und ist deshalb aus dem Exekutivkomitee der PLO ausgeschieden. Die PFLP verfügt nach hier vorliegenden Hinweisen in Nordrhein-Westfalen über einige Kontaktpersonen im Rhein/Ruhr-Raum. "Demokratische Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PDFLP) Die ebenfalls maoistisch ausgerichtete "Demokratische Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PDFLP) hat sich 1968 von der PFLP abgespalten; sie ist für den Überfall auf eine Schule in Maalot (Nordisrael) am 15.05.1974 verantwortlich, der mit einem Blutbad endete. Im Gegensatz zur PFLP lehnt die PDFLP bisher Terroraktionen im außerpalästinensischen Raum als politisch nicht zweckmäßig ab. Eine Führungsgruppe befindet sich in einer rheinischen Großstadt unseres Landes. Griechen: "Kommunistische Partei Griechenlands/Marxisten-Leninisten" Neuerdings trat die Anfang November 1974 in Griechenland gegründete "Kommunistische Partei Griechenlands/Marxisten-Leninisten" (KKE/ML) durch einen am 20. November 1974 in Neuss wild plakatierten Gründungsaufruf in Erscheinung. Die neue maoistische Partei will "die Zusammenführung der revolutionären Volkskräfte und ihre einheitliche Organisierung" erreichen. Sie setzt sich für die Unterstützung des Kampfes des zypriotischen Volkes ein, fordert die Vertreibung "aller Imperialisten und Faschisten" von der Insel und plädiert für den "Anschluß eines freien Zypern an ein freies volksdemokratisches Griechenland". Türken: Die Organisationen türkischer maoistischer und sozialrevolutionärer Ausländervereinigungen der "Neuen Linken" haben nach den Verhaftungen führender Funktionäre im November 1973 in Frankfurt, im Februar 1974 in Saarbrücken sowie am 4. Mai 1974 in Köln einen Rückschlag erfahren. Dieser verstärkte sich, als ein Türke im September 1974 in Köln wegen Verdachts der politisch motivierten Erpressung eines türkischen Kaufmanns verhaftet wurde. Das Mitglied der konspirativ arbeitenden "Volksbefreiungsarmee der Türkei" (THKO) befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. Als Wortführer der türkischen Arbeiter trat er bereits im August 1973 während des wilden Streiks bei den Ford-Werken in Köln in Erscheinung. Hervorzuheben sind folgende Organisationen: "Revolutionäre Arbeiterund Bauern-Partei der Türkei" (RABPdT) Die maoistische "Revolutionäre Arbeiterund Bauern-Partei der Türkei" (RABPdT) besteht illegal in der Türkei. In der Bundesrepublik Deutschland tritt sie durch ihre Kaderorganisation, die "Patriotische Einheitsfront der Türkei" (PEFT), in Erscheinung. Einer ihrer Funktionäre wurde am 04.05.1974 in Köln wegen Verdachts der Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung vorläufig festgenommen und anschließend verhaftet. Die PEFT hat in Nordrhein-Westfalen ca. 20 Anhänger. In der Bundesrepublik Deutschland sind der PEFT die Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 21 "Studentenföderation der Türkei in Deutschland e. V.(ATÖF) und die "Proletarischen Revolutionäre der Türkei" (TPD) angeschlossen. "Proletarische Revolutionäre der Türkei" (TPD) Der Verband maoistischer türkischer Organisationen "Proletarische Revolutionäre der Türkei" (TPD) strebt die Volksdemokratie in der Türkei durch Massenaufstand an. Sitz ist Nürnberg. Nach vorliegenden Erkenntnissen bestehen Zweiggruppen in zwei Städten unseres Landes. In Nordrhein-Westfalen dürfte er über etwa 80 Mitglieder verfügen. Organ der Vereinigung ist "Yurtsever" (Der Patriot). "Volksbefreiungsarmee der Türkei" (THKO) Die konspirativ arbeitende "Volksbefreiungsarmee der Türkei" (THKO) ist sozialrevolutionär ausgerichtet und strebt den gewaltsamen Umsturz in der Türkei durch individualistischen Terror an. Einige führende Mitglieder halten sich in Nordrhein-Westfalen auf. Die Organisation dürfte in Nordrhein-Westfalen über etwa 70, im Bundesgebiet insgesamt über 300 Mitglieder verfügen. "Föderation der Demokratischen Arbeitervereine der Türkei in Europa e. V." (TDF) Am 15.06.1974 wurde in Recklinghausen die "Föderation der Demokratischen Arbeitervereine der Türkei in Europa e. V." (TDF) gegründet. Dieser Dachorganisation gehören inzwischen 21 türkische Vereine, davon 11 im Land Nordrhein-Westfalen, an, und zwar in Bochum, Castrop-Rauxel, Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Paderborn, Recklinghausen, Düsseldorf, Krefeld und Münster. Sitz der Föderation ist Essen. Nach bisherigen Erkenntnissen steht die TDF ideologisch dem orthodoxen Kommunismus nahe. Organ der TDF ist die türkische Zeitung "Isci Gazetesi" (Arbeiterzeitung). Ein Sonderdruck dieser Zeitung erschien in deutscher Sprache zu dem UZ-Pressefest der DKP am 21./22.09.1974 in Düsseldorf. Daneben trat die TDF bisher als Veranstalter von Demonstrationen im Zusammenhang mit der geplanten Neuregelung der Zahlung von Kindergeld an ausländische Arbeitnehmer in Erscheinung. Die der TDF im Land Nordrhein-Westfalen angeschlossenen Vereine haben schätzungsweise 1.000 Mitglieder. Jugoslawen: Jugoslawische Gastarbeitervereinigungen mit extremistischer oder terroristischer Ausrichtung sind nicht bekannt. Zwar versuchen Anhänger jugoslawischer Emigrantenorganisationen weiterhin, unter den jugoslawischen Gastarbeitern Einfluß zu gewinnen; jedoch sind auffällige Aktivitäten in unserem Lande nicht erkennbar. Dagegen ist unter den jugoslawischen Emigranten auch 1974 eine Neigung zur Gewaltkriminalität, häufig mit Waffenund Sprengstoffdelikten verbunden, festzustellen. Folgende Beispiele mögen dies verdeutlichen: Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 22 Im Zusammenhang mit dem Besuch des jugoslawischen Staatspräsidenten Marschall Tito wurde am 15. Juni 1974 in Altena die Wohnung einer Funktionärs des "Bundes der Vereinigten Kroaten in Deutschland" (UHNj) polizeilich durchsucht. Neben verschiedenen Rundschreiben der UHNj wurde die Broschüre in kroatischer Sprache "Handbuch für schnelles Lernen konspirativer guerillischer Aktivität" gefunden. In dieser Broschüre wird zum Kampf gegen den jugoslawischen Staat aufgefordert, daneben werden konspiratives Wissen und Guerillatechniken vermittelt. Am 11. August 1974 wurden in Düsseldorf bei der Durchsuchung der Wohnung eines Exilkroaten Waffen und Sprengstoff sowie zahlreiche Schriftstücke gefunden, die auf eine Tätigkeit des Exilkroaten für eine nationalistische kroatische Organisation schließen lassen. Am 13.11.1974 wurden bei der Durchsuchung der Wohnungen zweier Exilkroaten in Köln und in Bensberg neben Waffen auch zahlreiche Nebelhandgranaten sichergestellt, die wahrscheinlich aus der Beute eines Waffenund Munitonsdiebstahls in dem US-Munitionsdepot Miesau bei Kaiserslautern stammen. Nach eigenen Erkenntnissen und nach Erkenntnissen einer anderen Verfassungsschutzbehörde sind einige Organisationen der jugoslawischen Emigration auch im Land Nordrhein-Westfalen vertreten. Bei den Kroaten sind der autoritär-nationalistische "Bund der Vereinigten Kroaten in Deutschland" (UHNj) und die nationalistische Vereinigung "Kroatischer Nationaler Widerstand - Freunde der Drina" zu erwähnen. Beide Organisationen streben die Wiederherstellung eines unabhängigen Staates Kroatien an. Führende Funktionäre dieser Gruppierungen leben in Nordrhein-Westfalen. Beide Vereinigungen verfügen in Nordrhein-Westfalen zusammen über etwa 90 Mitglieder. Nationalistische Ziele vertreten unter den Serben der "Serbische Nationalbund in der Bundesrepublik Deutschland" (SNO) sowie die "Vereinigung der Kämpfer der königlich-jugoslawischen Armee 'Draza Mihajlovic'". Beide Vereinigungen setzen sich für ein vom Kommunismus befreites Serbien ein. Zusammen haben sie in Nordrhein-Westfalen etwa 170 Mitglieder. Spanier: Folgende Organisationen sind von Bedeutung: Revolutionäre antifaschistische und Patriotische Front "Frente Revolucionario Antifascista y Patriota" (FRAP) Die FRAP, eine 1971 in Madrid gegründete marxistisch-leninistisch ausgerichtete spanische Organisation mit Volksfrontcharakter, strebt den Sturz der spanischen Regierung unter Einschluß von Gewalt an. Die FRAP ist in der Bundesrepublik und auch in unserem Lande durch Flugblattaktionen, Demonstrationen, Veranstaltungen und Schmieraktionen in Erscheinung getreten. Anlaß dazu waren innerspanische Angelegenheiten wie zuletzt die Hinrichtung des spanischen Anarchisten Puig Antich. Flugblattaktionen und Demonstrationen führt die FRAP Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 23 oft zusammen mit Organisationen der deutschen "Neuen Linken" durch. Über Gewaltmaßnahmen der FRAP im Land Nordrhein-Westfalen und anderen Ländern der Bundesrepublik liegen bisher keine Erkenntnisse vor. Kommunistische Partei Spaniens (PCE) Die in Spanien verbotene Kommunistische Partei Spaniens "Partido Comunista de Espana" (PCE) begann im Jahre 1963 ihren Parteiapparat in der Bundesrepublik Deutschland aufzubauen. Die Partei wird durch einen Bundesvorstand (Comite Federal) geleitet. Diesem unterstehen Kontaktpersonen in verschiedenen Teilen des Landes, denen wiederum Zweiggruppen nachgeordnet sind. Führungsgremium und Agitationsund Propagandaabteilung befinden sich im Ausland. Die Mitgliederzahl der PCE im Bundesgebiet liegt bei etwa 1 200. Die Partei, die die illegale Tätigkeit der PCE in Spanien durch finanzielle Hilfe und durch Demonstrationen unterstützt, arbeitet weitgehend konspirativ. Das Organ der PCE ist "Mundo Obrero". Zu den wichtigsten Hilfsorganisationen der PCE zählen in Nordrhein-Westfalen sowie in anderen Bundesländern die von ihr häufig unterwanderten spanischen Kulturclubs (C.C.E.) sowie die Solidaritätskommissionen für die spanischen Arbeiterkommissionen (CC.00.), denen auch nichtkommunistische Gegner des Franco-Regimes angehören. Nationaler Arbeiterbund "Confederacion Nacional del Trabajo" (C.N.T.) Die C.N.T. ist eine spanische anarchistische Exilgewerkschaft, die die spanische Regierung bekämpft. Sie arbeitet in der Bundesrepublik konspirativ und wendet sich bei ihren Agitationen nur an die eigenen Landsleute. Sie dürfte im Bundesgebiet insgesamt etwa 500 Mitglieder haben, davon 150 in NordrheinWestfalen. In der Bundesrepublik Deutschland haben sich in den letzten Jahren spanische Gastarbeiter der C.N.T. angeschlossen. Mitglieder der C.N.T. nahmen in den vergangenen Jahren an verschiedenen Demonstrationen spanischer Arbeitnehmer in der Bundesrepublik gegen das "Franco-Regime" teil. Demonstrationen wurden teilweise unter Teilnahme der KPD/ML sowie anderer inund ausländischer Organisationen durchgeführt. Flugblattaktionen fanden in den Jahren 1972/73 in Nordrhein-Westfalen im Raum Köln statt. Gewalttätigkeiten und Terrorismus konnten bisher der C.N.T. ebenfalls nicht nachgewiesen werden. Italiener: "Lotta Continua" - Ständiger Kampf - (LC) Mit etwa 20.000 bis 30.000 Mitgliedern ist die "Lotta Continua" (LC) die bei weitem stärkste italienische APO-Organisation in Italien. Sie entwickelte sich Ende der 60er Jahre aus der Potere-Operaio-Gruppe in den Industriezentren Norditaliens. Die militant sozialrevolutionär eingestellte Organisation lehnt den Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 24 Parlamentarismus ab und wendet anarchistische Kampfformen (Produktionssabotage und wilde Streiks) an. Eine kontinuierliche Beobachtung der in der Bundesrepublik Deutschland wirkenden LC-Anhänger ist wegen ihres sporadischen Auftretens sehr schwierig. Im April 1974 tauchte zum erstenmal die Bezeichnung "Deutscher Zweig der Lotta Continua" auf. Ob es sich dabei um deutsche Gesinnungsgenossen oder um Italiener in Deutschland handelt, konnte bisher nicht festgestellt werden. Anhänger dieser Organisation gibt es nach den bisherigen Erkenntnissen in unserem Lande in Köln. Antifaschistische Front "Fronte Antifascista e di Rinascita Popolare" (FARP) Die Ende 1973 in Mailand gegründete FARP hat ihren Sitz wahrscheinlich in Nordrhein-Westfalen. Es handelt sich um eine in ihrer politischen Zielsetzung nach chinesisch-albanischem Muster ausgerichtete Dachorganisation verschiedener italienischer Parteien und politischer Vereinigungen. Als Aufgabe hat sich die FARP den Sturz der italienischen Regierung und die Übernahme der Regierungsverantwortung durch eine "Einheitsfront" gesetzt, in der alle außerparlamentarischen und revolutionären Organisationen der italienischen Linken vertreten sind. In letzter Zeit hat sie wiederholt durch Plakataktionen im Raum Hagen auf sich aufmerksam gemacht. Verband ausgewanderter italienischer Arbeiter "Federazione Italiani Lavoratori Emigrati" (FILE) Der "Verband ausgewanderter italienischer Arbeiter" (FILE) setzt sich - wie bereits bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage Nr. 1414 vom 12.03.1974 ausgeführt wurde - für die sozialen Belange der italienischen Arbeiter in der Bundesrepublik Deutschland ein und meldet grundsätzlich alle Aktionen bei der Polizei an. Er steht unter dem Einfluß der "Kommunistischen Partei Italiens /Marxisten /Leninisten" (PC-ML-I) und unterhält in der Bundesrepublik Deutschland enge Kontakte u. a. zur KPD und zum "Kommunistischen Bund Westdeutschlands" (KBW). Der Verband verfügt im Bundesgebiet schätzungsweise über 1 200, in NordrheinWestfalen über 350 Mitglieder. Im November 1974 hat sich die FILE u. a. durch Einwirkung der "Liga gegen den Imperialismus" gespalten. Trikolore-Komitee der Italiener in der Welt "Comitato Tricolore per gli Italiani nel Mondo" (CTIM) Bei der CTIM handelt es sich um eine Gesellschaft für die soziale und kulturelle Betreuung italienischer Gastarbeiter im Ausland im Sinne der rechtsextremen italienischen Partei "Movimento Sociale Italiano" (MSI). Organ der CTIM ist die in Stuttgart erscheinende "Oltreconfine". Ein Betreuungsbüro befindet sich in Köln; Ortsgruppen bestehen in Bergisch Gladbach und Neheim-Hüsten sowie vermutlich weiteren Städten unseres Landes. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 25 Ausländische Studentenvereinigungen An den Hochschulen des Landes waren im Sommer 1974 rd. 11.700 ausländische Studenten eingeschrieben. Mit ca. 1.400 Studenten bildeten die Türken die stärkste ausländische Gruppe. Stark vertreten waren außerdem Indonesier (998), Griechen (845), Iraner (809), Niederländer (760) sowie 823 Studenten aus den arabischen Ländern. Während die Aktivitäten türkischer, iranischer und arabischer Studentenvereinigungen hervorzuheben sind, hat die Tätigkeit anderer ausländischer Studentengruppen kaum Bedeutung. "Studentenföderation der Türkei in Deutschland e. V." (ATÖF) Die bereits erwähnte "Studentenföderation der Türkei in Deutschland e. V." (ATÖF) mit Sitz in Stuttgart ist als Mitgliederorganisation der obengenannten "Patriotischen Einheitsfront der Türkei" (PEFT) vorwiegend maoistisch geprägt. Über den Einfluß auf türkische Studenten hinaus versucht sie, Anhang unter den türkischen Gastarbeitern zu gewinnen. Am 13.07.1974 demonstrierte die ATÖF in Köln mit Beteiligung deutscher und ausländischer Gruppen der "Neuen Linken" gegen die "politische Unterdrückung fortschrittlicher Ausländer" in der Bundesrepublik Deutschland. Auf mitgeführten Transparenten agitierten etwa 1.800 bis 2.000 Demonstrationsteilnehmer - darunter rd. 300 Türken und andere Ausländer - mit radikalen Parolen u. a. gegen das "reaktionäre Ausländergesetz", das Verbot von GUPS und GUPA, den "Abschiebeterror" und "Polizeiterror" sowie den "westdeutschen Imperialismus". Die ATÖF trat in Nordrhein-Westfalen mehrfach auch durch Flugblätter in Erscheinung. Der Verband dürfte im Bundesgebiet insgesamt etwa 900 Mitglieder, in Nordrhein-Westfalen etwa 200 Mitglieder zählen. Er gibt die Zeitschrift "Birlik" (Die Einheit) heraus. "Iranische Studentenvereinigungen" (ISV) An die iranischen Studenten wenden sich die "Iranischen Studentenvereinigungen" (ISV); sie bestehen, wie bereits in der Antwort zur Kleinen Anfrage 1414 vom 12.03.1974 ausgeführt wurde, an fast allen deutschen Hochschulen. Auf Bundesebene sind sie in der "Föderation der Iranischen Studenten in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin e. V." (FIS) mit dem Sitz in Kiel zusammengeschlossen. Ihr internationaler Dachverband ist die "Conföderation Iranischer Studenten-National-Union" (CISNU). Im Bundesgebiet haben sie etwa 800 bis 900, davon in Nordrhein-Westfalen rd. 150 Mitglieder. Obwohl insbesondere die Dachorganisation CISNU maoistisch-kommunistisch unterwandert ist und sich an den meisten Demonstrationen der iranischen Studenten maoistische Organisationen in der Bundesrepublik (z. B. Rote Hilfe, Kommunistischer Studentenverband, Kommunistische Partei Deutschlands - Marxisten-Leninisten) beteiligen, beschränken sich die politischen Aktivitäten der iranischen Studentenverbände darauf, durch Flugblattaktionen und Demonstrationen die politischen Verhältnisse im Iran anzuprangern, um die öffentliche Meinung in der Bundesrepublik entsprechend zu beeinflussen. Anläßlich der vom 2. bis 9.12.1974 von der Iranischen Botschaft in Köln veranstalteten "Iran-Woche" beteiligte sich die CISNU an einer von deutschen Gruppen der "Neuen Linken" getragenen Demonstration in Köln. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 26 "Arabische Studentenvereinigungen" (ASV) Die sozial-revolutionär ausgerichteten "Arabischen Studentenvereinigungen" (ASV) sympathisieren mit dem palästinensischen Widerstand. Nach außen sind die ASV in Nordrhein-Westfalen bisher im wesentlichen durch Flugblätter, die sich mit den politischen Verhältnissen im Nahen Osten, dem Verbot von GUPS und GUPA sowie dem "reaktionären" Ausländergesetz beschäftigen, in Erscheinung getreten. Arabische Studentenvereine bestehen in Bonn, Münster und Aachen. Neuerdings beabsichtigen die ASV, sich auf Bundesebene zu einer Generalunion Arabischer Studentenvereinigungen - GUASV - zusammenzuschließen. Sonstige Gruppierungen Außer den genannten Ausländervereinigungen gibt es in Nordrhein-Westfalen weitere Gruppierungen von Ausländern, die teilweise ebenfalls extremistische Ziele verfolgen, nach ihrer Mitgliederzahl oder im Hinblick auf die bisher feststellbaren Aktivitäten jedoch von geringerer Bedeutung sind. In diesem Zusammenhang seien die zahlreichen Clubs erwähnt, in denen sich Ausländer hauptsächlich zur Pflege des Sports, der Kultur und der Geselligkeit zusammengeschlossen haben. Politisch motivierte Gewalttaten Bei den politisch motivierten Gewalttaten ergibt sich folgender Überblick: Ausgeführte Gewalttaten Seit Januar 1974 wurden 18 politisch motivierte Gewalttaten erfaßt (1973:11), bei denen zum Teil erheblicher Sachschaden eingetreten ist. Hervorzuheben sind * ein Bombenanschlag auf das "Haus der Deutschen Industrie" in Köln am 10.02.1974, * eine Brandstiftung zum Nachteil der Firma ITT - Schaub-Lorenz in Essen am 24.03.1974, die einen Sachschaden von mehreren Millionen DM verursachte, und * ein Brandanschlag auf die Iranische Botschaft in Köln am 10.06.1974. Die Täter werden in linksextremistischen Kreisen gesucht. Für den Bombenanschlag auf das "Haus der Deutschen Industrie" in Köln werden Angehörige einer Hamburger Anarchistengruppe verantwortlich gemacht. In zwei weiteren Fällen gaben sich die noch unbekannten Täter als Angehörige einer anarchistischen Organisation aus. In zwei Fällen haben Ausländer Sprengstoffanschläge versucht bzw. vorbereitet. Von einer Polizeistreife wurden am 04.03.1974 drei Spanier überrascht, als sie versuchten, mit Molotow-Cocktails einen Sprengstoffanschlag auf das "Ibero"-Reisebüro in Düsseldorf zu verüben. Am 04.05.1974 wurden in Köln 10 Türken wegen verbotenen Waffenbesitzes und Verdachts der Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung festgenommen. Unter sichergestellten Unterlagen befanden sich u. a. Anleitungen zur Durchführung von Terrorakten. Durch die Festnahme eines Japaners in Paris am 26. Juli 1974 wurde eine japanische Terroristengruppe mit der Bezeichnung "Arabische Rote Armee" (ARA) aufgedeckt, deren Führung aus Mitgliedern der Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 27 seit 1969 wiederholt international in Erscheinung getretenen japanischen Terroristengruppe "Red Army" (Rote Armee) besteht. Ermittlungen haben ergeben, daß die mit der bereits erwähnten Palästinensischen Widerstandsorganisation PFLP zusammenarbeitende japanische ARA Attentate gegen japanische Ziele in verschiedenen europäischen Ländern plante. Die Gruppe hatte auch Geiselnahmen in Nordrhein-Westfalen vorbereitet. Als mögliche Tatorte waren Bonn, Düsseldorf und Köln vorgesehen. Angedrohte Gewalttaten Im Berichtszeitraum stieg die Zahl der Androhungen politischer Gewalttaten auf fast das Fünffache an. 1974 wurden 235 Fälle registriert. Es handelt sich überwiegend um telefonische Androhungen von Sprengstoffanschlägen insbesondere gegen Politiker, Richter, Staatsanwälte und höhere Polizeibeamte sowie gegen öffentliche Einrichtungen. In sieben Fällen wurden Attentate mit Schußwaffen angedroht. Etwa 25 % der Anrufer gaben sich als Angehörige oder Sympathisanten der Baader-Meinhof-Gruppe aus. Eine erhebliche Zunahme der Drohanrufe ist seit dem Tode (09.11.1974) des zum harten Kern der BaaderMeinhof-Gruppe gerechneten Holger Meins festzustellen. Obwohl in den statistisch erfaßten Fällen von der Ernsthaftigkeit der Drohung auszugehen war, ist nicht auszuschließen, daß es sich bei einem Teil der Anrufer um Nachahmer ohne politische Zielsetzung handelt. Den Ausländern sind 42 politisch motivierte Androhungen von Gewalttaten zuzurechnen. Davon entfallen auf Araber 9, Spanier 9, Türken 7, Jugoslawen 3, Iraner 3, Iren 2 und 7 auf Ausländer anderer Nationalitäten. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 28 5 Maßnahmen im Bereich des Justizministers Vorgänge von überörtlicher Bedeutung, die Anlaß zu Koordinierungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaften aufgrund der Rundverfügung des Justizministers vom 14. März 1971 (4100-III A.198) hätten geben können, haben sich im Berichtszeitraum nicht ereignet. Wegen Straftaten, die durch Demonstrationen oder im Zusammenhang hiermit begangen worden sind, sind in der Zeit vom 1. September 1973 bis zum 30. November 1974 830 staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gegen 1068 namentlich bekannte sowie gegen weitere nicht gekannte Personen eingeleitet worden. 56 Verfahren haben im Hochschulbereich begangene Straftaten zum Gegenstand. In der Zeit vom 1. September 1973 bis 30. November 1974 haben 810 Verfahren wegen Straftaten, die seit dem 1. Januar 1970 durch Demonstrationen oder im Zusammenhang hiermit begangen worden sind, ihren Abschluß gefunden, und zwar a) 382 Verfahren durch Einstellung oder Absehen von der Verfolgung, b) 135 Verfahren durch rechtskräftige Urteile gegen 148 Angeklagte, c) 137 Verfahren durch rechtskräftige Strafbefehle gegen 137 Beschuldigte, d) 156 Verfahren durch Verbindung mit anderen Verfahren oder durch Abgabe an andere Staatsanwaltschaften. Am 30. November 1974 waren wegen Straftaten, die seit dem 1. Januar 1970 begangen worden sind, noch 544 Verfahren gegen 756 namentlich bekannte Personen anhängig. In 357 dieser Verfahren ist gegen 433 Personen Anklage erhoben oder der Erlaß eines Strafbefehls beantragt worden. Die übrigen Verfahren befinden sich noch im Ermittlungsstadium. Gesetzgeberische Maßnahmen Zur wirksameren Bekämpfung von Gewalttaten ist es erforderlich, auch der Propagierung von Gewalt mit strafrechtlichen Mitteln entgegentreten zu können. Das gilt namentlich dann, wenn die Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung in Erscheinung tritt. Mit dem Ziel, der Ausbreitung von Gewalttaten entgegenzuwirken und dadurch zur Stärkung der inneren Sicherheit beizutragen, hat der Bundesrat am 8. November 1974 den Entwurf eines Gesetzes zum Schutze des Gemeinschaftsfriedens beschlossen. Der Entwurf sieht Änderungen des Strafgesetzbuches namentlich im Abschnitt "Straftaten gegen die öffentliche Ordnung" sowie eine Verschärfung der Bestimmungen des Versammlungsgesetzes vor. In strafrechtlicher Hinsicht sollen die Tatbestände des Landfriedensbruchs (SS 125 StGB), des Landzwangs (SS 126 StGB), der Belohnung und Billigung von Straftaten (SS 140 StGB) und der Bedrohung (SS 241 StGB) erweitert sowie ein neuer SS 130 a in das Strafgesetzbuch eingefügt werden, durch den die öffentliche Befürwortung von Gewalttätigkeiten und die Verbreitung von Anleitungen hierzu unter Strafe gestellt werden sollen. Dadurch würde es z. B. ermöglicht werden, auch die Verbreitung von Handbüchern und Druckschriften mit genauen Anleitungen zu den verschiedenen Methoden der Gewaltanwendung mit strafrechtlichen Mitteln, wozu nicht zuletzt auch die Einziehung solcher Schriften gehört, zu bekämpfen. Die vorgeschlagene Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1974 29 Erweiterung des Tatbestandes des Landfriedensbruches zielt darauf ab, auch denjenigen wieder bestrafen zu können, der sich einer Menschenmenge, von der Gewalttätigkeiten ausgehen oder drohen, nur anschließt oder bei ihr verweilt. Insbesondere die Bombendrohungen in der vergangenen Zeit haben Anlaß gegeben, den Tatbestand des Landzwanges zu ergänzen und damit zugleich die Lücken zu schließen, die sich bei der Anwendung dieser Strafvorschrift auf Fälle fälschlicher Ankündigung bestimmter schwerer Straftaten ergeben haben. Vom Bundesrat verabschiedet und ebenfalls dem Bundestag zugeleitet worden ist ferner der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Dreizehnten Strafrechtsänderungsgesetzes, der, soweit es sich um die Änderungen von Vorschriften des Strafgesetzbuches handelt, weitgehend die gleiche Materie wie der erwähnte Bundesrats-Entwurf eines Gesetzes zum Schutze des Gemeinschaftsfriedens betrifft. Die Landesregierung hat sich bei der Beratung der beiden Gesetzentwürfe in den Ausschüssen des Bundesrates mit einer Reihe von Verbesserungsvorschlägen darum bemüht, die Vorschriften der SSSS 126, 130 a, 140 und 241 StGB so wirksam wie möglich zu gestalten, und darüber hinaus vorgeschlagen, denjenigen, der sich einer gewalttätigen Menge anschließt oder sich nicht aus ihr entfernt, nicht - wie in dem Entwurf des Bundesrates vorgesehen - durch die wenig praktikabel erscheinende Erweiterung des Tatbestandes des Landfriedensbruchs, sondern durch einen besonderen Tatbestand des Auflaufs (SS 115 StGB) unter Strafe zu stellen. Nach diesem Vorschlag soll mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden, wer sich einer gewalttätigen Menschenmenge anschließt oder sich nicht aus ihr entfernt, obwohl ein Träger von Hoheitsbefugnissen die Menge dreimal unter Hinweis auf die Gewalttätigkeiten zum Auseinandergehen aufgefordert hat. Am 01.01.1975 ist das Gesetz zur Ergänzung des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafverfahrensrechts in Kraft getreten, durch das Vorschriften über die Ausschließung von Verteidigern in die Strafprozeßordnung eingefügt worden sind. Danach kann ein Verteidiger unter anderem dann von der Mitwirkung im Verfahren ausgeschlossen werden, wenn er der Beteiligung an der den Gegenstand der Untersuchung bildenden Tat hinreichend verdächtig ist oder wenn er in dringendem Verdacht steht, den Verkehr mit dem nicht auf freiem Fuß befindlichen Beschuldigten zur Begehung von schweren Straftaten zu mißbrauchen. Durch diese Regelung wird es Angehörigen radikaler Gruppierungen erschwert, ihre kriminelle Tätigkeit mit Hilfe ihrer Verteidiger und womöglich noch aus der Untersuchungshaft heraus fortzusetzen. Gleichzeitig ist durch eine Ergänzung der Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Hauptverhandlung der Schutz der Rechtspflege vor Störungen verstärkt worden.