Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1972 1 Inhaltsverzeichnis 1 Bericht an den Hauptausschuß des Landtags NRW...................... 2 1.1 Rechtsradikalismus .......................................................................................2 1.2 Linksradikalismus..........................................................................................5 1.3 Ausländer ....................................................................................................14 1.4 Gewaltandrohungen....................................................................................14 1.5 Maßnahmen im Geschäftsbereich des Justizministers ...............................14 2 Bericht über den Rechtsund Linksradikalismus in NRW .......... 16 2.1 Rechtsradikalismus .....................................................................................16 2.2 Linksradikalismus........................................................................................18 2.2.1 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) .........................................18 2.2.2 Maoistische Parteien .......................................................................19 2.2.3 Studierende Jugend.........................................................................20 2.2.4 Berufstätige Jugend.........................................................................23 2.2.5 Radikale im Schuldienst ..................................................................24 2.3 Arbeitsniederlegungen ................................................................................24 2.4 Gewaltandrohungen....................................................................................25 2.5 Maßnahmen im Geschäftsbereich des Justizministers ...............................25 Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1972 2 1 Bericht an den Hauptausschuß des Landtags NRW (Berichtsstand: 1. Februar 1972) 1.1 Rechtsradikalismus Entwicklungstendenzen Der Rechtsradikalismus befindet sich in ideologischer und organisatorischer Hinsicht in einer Übergangsphase. Dieser Entwicklungsprozeß deutete sich zwar schon seit einiger Zeit an, ist aber in den letzten Monaten beschleunigt vorangeschritten: Der konservative Nationalismus der Nachkriegszeit, der von zahllosen Gruppen mehr oder weniger auf der Grundlage nationalsozialistischer Leitbilder vertreten wurde und in der NPD gipfelte, ist in Verfall begriffen. Die jüngere im rechtsradikalen Kielwasser herangewachsene Generation sucht nach neuen Wegen. Trotz der kaum erfassbaren Vielfalt ihrer Denkmodelle - eine einheitliche Ideologie gibt es in diesem Bereich bekanntlich nicht - ist die nationalistische Grundeinstellung allen gemeinsam. Es bedeutet dabei keinen Widerspruch, wenn auf dieser Basis in ideologischer und agitatorischer Hinsicht überwiegend ein revolutionärer Sozialismus vertreten wird. Angriff, Widerstand, Revolution! Das ist die Devise der "Jungen Rechten", die in Konkurrenz zur sog. "Neuen Linken" um "systemüberwindende Reformen" kämpfen will. 1971 hatte man zum "Jahr des Angriffs" gegen die vermeintliche Bolschewisierung der Bundesrepublik erklärt, die angeblich durch die Bundesregierung mit ihrer Ostund Innenpolitik begünstigt wird. Es wurden Parolen ausgegeben, um die politische Hysterie der Rechtsradikalen zu mobilisieren: "Stoppt den roten Terror" "Wie lange noch" "5 Minuten vor zwölf" "Stürzt die Regierung" "Alle Macht dem Volke" "Wir die Zukunft". Nach eigenem Eingeständnis endete dieses "Jahr des Angriffs" wegen politischer Konzeptionslosigkeit auf dem Weg über blinden Aktionismus mit einem Desaster. Diese bisherige Erfolglosigkeit kann zu sicherheitsgefährdenden Kurzschlußreaktionen führen. Daher ist der neuen Entwicklung mit besonderer Aufmerksamkeit und entschlossener Abwehrbereitschaft zu begegnen. NPD im Stadium des Verfalls Über die vielfältigen Gründe, die den Verfall der NPD beschleunigt haben, ist bereits früher berichtet worden. Ein Grund war bekanntlich die Unzufriedenheit vor allem der jüngeren NPD-Mitglieder mit dem vermeintlich zu lahmen und konservativen Kurs der Partei. Die immer stärker werdende parteiinterne Opposition, die den Generationenkonflikt schließlich offen ausbrechen ließ, fand ihren lautstarken Sachwalter in dem ehemaligen stellvertretenden Bundesvorsitzenden, dem es mit Unterstützung des nordrhein-westfälischen NPD-Landesvorsitzenden gelang, den als konservativ eingeschätzten Parteivorsitzenden Adolf von Thadden auf dem Bundesparteitag am 20./21. November 1971 zum Rücktritt von einer erneuten Kandidatur zu bewegen. Vieles spricht dafür, daß von Thadden diesen Rückzieher Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1972 3 gemacht hat, ohne seinen Einfluß in der Partei aufgeben zu wollen. Das entspräche seinem in den letzten 25 Jahren schon wiederholt praktizierten taktischen Verhalten bei ähnlichen Situationen. Insbesondere spräche dafür seine Aktivität auf dem Parteitag bei der Gestaltung der Vorschlagsliste für die neue Führungsspitze, die nunmehr praktisch nur ihm ergebene Mitkämpfer aufweist. Viele sehen in dem neuen Parteivorsitzenden Martin Mussgnug, Stuttgart, nur eine galionsfigürliche Notlösung, die im Wege eines außerordentlichen Parteitags jederzeit bereinigt werden könnte, wenn von Thadden, der sich die Stelle eines Generalsekretärs schaffen und bisher offen halten ließ, dies als günstig für ein Comeback erachten sollte. Aktionsgemeinschaft Neue Rechte Zu einem weiteren Schlag gegen die NPD, den diese selbst verlegen als "erwünschte Selbstreinigung" bezeichnete, kam es auf dem Landesparteitag der NPD am 9. Januar 1972 in München. Der ehem. stellvertretende Bundesvorsitzende erklärte nach einem mit scharfen Angriffen gegen den Parteivorstand gespickten Rechenschaftsbericht seinen Austritt aus der NPD und verließ mit 400500 Anhängern den Parteitag. Noch am gleichen Tage gründete er mit diesen überwiegend jungen NPDDissidenten die "Aktionsgemeinschaft Neue Rechte" (ANR), die als "Arbeitsebene" zur Bildung einer "echten neuen Wahlpartei" vorgesehen ist. Sie soll auf der Basis eines "antimarxistischen Sozialismus" alle gleichgesinnten "Aktivisten" sammeln und Kontakte zu Gruppen mit ähnlicher politischer Auffassung herstellen. Partei der Arbeit Eine dieser Gruppen ist die am 17. Juni 1971 von einem ehemaligen NPDFunktionär in Krefeld gegründete "Partei der Arbeit" (PdA), die sich zum "Volkssozialismus gegen Kommunismus und Kapitalismus" bekennt. Nach allen seitherigen Erkenntnissen ist die PdA die radikalste aller sozialistischen Rechtsgruppen in Nordrhein-Westfalen. Im wesentlichen haben sich der PdA die Kreise angeschlossen, die Ende 1970/Anfang 1971 als "Deutsch Soziale Aktion" (DSA) in NordrheinWestfalen politischen Terror auszuüben suchten. Zwar ist die PdA zahlenmäßig nur klein (ca. 30-50 Mitglieder); die für Aktionen zu mobilisierende Anhängerschaft ist jedoch höher einzuschätzen. Aus den Trümmern der NPD entstanden bisher in allen Bundesländern eine große Zahl von Aktionszirkeln, die hier im einzelnen nicht analysiert werden sollen. Dieser "Jungen Rechten" ist das Bekenntnis zum Sozialismus/Aktionismus/Nationalismus bei sonst unterschiedlicher programmatischer und organisatorischer Ausrichtung gemeinsam. Unabhängige Arbeiterpartei Die sozialreformerischen Postulate der "Jungen Rechten" werden auch von der "linksnationalen", vorwiegend in Nordrhein-Westfalen bestehenden "Unabhängigen Arbeiterpartei" (UAP) - ca. 500 Mitglieder; Sitz Bochum/Essen - mit Nachdruck vertreten. Sie beruft sich in ihrem Selbstverständnis auf Ferdinand Lassalle, der ebenso wie die UAP den gleichmacherischen Internationalismus des Karl Marx Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1972 4 abgelehnt und einen nationalen Sozialismus verkündet habe. Ihr Organ ist die "Reichsarbeiterzeitung" (Auflage 1.000). Ideologische Arbeitskreise In der "Jungen Rechten" gibt es auch verschiedene kleinere Gruppen von Theoretikern. Zu den ideologischen Modellentwerfern eines rechten Sozialismus zählen besonders a) der Arbeitskreis "Junges Forum", Hamburg. Er verfolgt das Ziel, "Beiträge zum Selbstverständnis der "Jungen Rechten" und zu einem modernen Nationalismus europäischer Prägung" zu liefern. b) die Interessenund Seminargemeinschaft "Deutsch Europäische Gesellschaft" (DEG) (auch "Sababurgrunde" genannt). Die DEG steht dem rechtsradikalen "Deutschen Studenten-Anzeiger" (DSA), der DSA-Schriftenreihe "Junge Kritik" und der bekannten rechtsradikalen Monatsschrift "Nation Europa" nahe. c) die Diskussionsrunde "Deutsche Junge Akademie", Hamburg. Monatsmagazin "MUT" Die Monatsschrift "MUT" (Auflage ca. 8.000) ist eines der aggressivsten rechtsradikalen Blätter der "Jungen Rechten". Der 28jährige Herausgeber und Verleger aus dem Raum Bremen hat das von ihm 1965 gegründete Magazin zu einem radikalen Sprachrohr des Aktionismus entwickelt. Er fordert einen undogmatischen Sozialismus und eine übernationale Solidarität, um den "europäischen Befreiungskampf der europäischen Jugend" zu erreichen. In seinem Aktionsdrang bedient er sich der übelsten Diktion, um die Gesellschaftsform der Bundesrepublik und deren führende Repräsentanten anzugreifen. Deutsche Volksunion In der ihm eigenen Art und Weise setzt auch der Herausgeber der "Deutschen National-Zeitung" (DNZ) Dr. Frey seinen Kampf u.a. gegen die Bundesregierung fort. Mit der von ihm gegründeten "Deutschen Volksunion" (DVU) will er sich offensichtlich eine Hausmacht aufbauen, um mehr politischen Einfluß zu gewinnen. Die DVU hat inzwischen über 5.000 Mitglieder, und Dr Frey wird bei allen Sammlungsbestrebungen im rechtsradikalen Lager mitreden wollen und können; es sei denn, das Bundesverfassungsgericht hätte bis dahin dem Antrag der Bundesregierung entsprochen und ihm gemäß Art. 18 GG das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung entzogen oder entsprechend eingeschränkt. Aufruf "Marsch auf Bonn" Unabhängig von den in Theorie und Praxis vielgestaltigen Ausrichtungen sind sich nahezu alle rechtsradikalen Organisationen einig in der Bekämpfung der Ostpolitik der Bundesregierung. Die nationalistische Hetze gegen den außenpolitischen Kurs und entsprechende Anrufe zum "Widerstand" gegen diese Politik haben eine Radikalisierung des politischen Argumentationsund Agitationsstils bewirkt. Die Kampfmaßnahmen dürften im Zeitpunkt der Ratifizierungsdebatte über die Ostverträge einen Höhepunkt erreichen. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1972 5 Schon jetzt ruft Dr. Frey in ganzseitigen Anzeigen in der DNZ zur Teilnahme an einem "Marsch auf Bonn" auf. Gleichgezielte Aufrufe finden sich auch in anderen rechtsradikalen Blättern, vor allem in der Monatsschrift "MUT". Die NPD verhält sich offiziell zwar noch abwartend, läßt aber bereits Flugblätter herstellen, die diesem Anliegen indirekt entsprechen. sie wird sich zweifellos solidarisch verhalten. Dr. Frey kündigte bereits öffentlich an, die Demonstration werde etwa Anfang Mai 1972 erfolgen und die "spontanste Kundgebung" und "den machtvollsten Marsch" des nationalen Lagers in der Nachkriegszeit darstellen. Soweit der Bericht über den Rechtsradikalismus. 1.2 Linksradikalismus Allgemeine organisatorische Entwicklung der DKP Im Bereich des Linksradikalismus hat sich der politische und organisatorische Konzentrationsprozeß zugunsten der Deutsche Kommunistischen Partei (DKP) erwartungsgemäß fortgesetzt. Während im letzten Berichtszeitpunkt in den 84 Kreisbzw. Gebietsorganisationen ca. 12.000 Mitglieder organisiert waren, sind nach dem Stand von Mitte Januar 1972 in den beiden DKP-Bezirken "Rheinland-Westfalen" und "Ruhr-Westfalen" ca. 13.300 Mitglieder zusammengefaßt. Die Zahl der Betriebsgruppen hat sich von 85 auf 89 erhöht. Da die Zahl der DKP-Mitglieder im Bundesgebiet bei etwas über 30.000 liegt, sind allein in Nordrhein-Westfalen fast 45 % der Gesamtmitgliedschaft politisch tätig. Schwerpunkte der Parteiarbeit Das politische Wirken der DKP erstreckt sich im gegenwärtigen Zeitpunkt vordringlich darauf, * die innere Organisation in den Leitungsgremien personell weiter auszugestalten, * die Mitglieder der Partei auf der Grundlage der vom 2. DKP-Parteitag verabschiedeten "44 Thesen" ideologisch einheitlich auszurichten, * die Beziehungen zu den kommunistischen Bruderparteien zu festigen und * durch schwerpunktartige Aktionen, vornehmlich auf örtlicher Ebene, politischen Einfluß zu gewinnen. Als entscheidender Ausgangspunkt für die gegenwärtige Phase der Parteiarbeit ist der 2. DKP-Parteitag (25.-28.11.1971 in Düsseldorf) zu werten. Hier sollte der Öffentlichkeit deutlich gemacht werden, daß es sich bei der DKP um eine ständig wachsende international anerkannte Kraft handelt, mit der die "Herrschenden" in der Bundesrepublik zunehmend rechnen müßten. Die Parteispitze wurde insofern gestärkt, als neben dem 15köpfigen Parteipräsidium nunmehr ein 7köpfiges Sekretariat gebildet wurde, das unter der Leitung des stellvertretenden Parteivorsitzenden Herbert Mies für die "Durchführung der Beschlüsse des Parteivorstandes und für die Planung und Koordinierung der Parteiarbeit" zuständig ist. Da der 1. Parteivorsitzende Kurt Bachmann diesem Gremium nicht angehört, wird man Herbert Mies, der das besondere Vertrauen der SED und der KPdSU genießt, als den maßgeblichen Leiter der Parteiarbeit bezeichnen müssen. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1972 6 Veränderungen beim DKP-Zentralorgan "UZ" Auch im Bereich der zentralen DKP-Publizistik haben sich Umgestaltungen vollzogen, die die Tendenz zur Straffung der Partei in der Spitze deutlich werden lassen. Die bisherigen Chefredakteure des DKP-Zentralorgans "UZ" wurden abgelöst und u. a. durch den bisherigen Pressesprecher des Parteivorstandes ersetzt. Der Parteivorstand will Verlag und Redaktion nach dem Beispiel des SED-Zentralorgans "Neues Deutschland" neu ordnen, um die DKP-Journalisten noch enger an die Parteispitze zu binden. Gründung der "Progress-Presse-Agentur GmbH" Am 30.12.1971 wurde in Düsseldorf die "Progress-Presse-Agentur GmbH" mit Sitz in Düsseldorf gegründet. Bei den Gesellschaftern handelt es sich um in der Bundesrepublik wohnhafte Korrespondenten von Rundfunkanstalten und Nachrichtenagenturen der DDR. Gegenstand des Unternehmens ist angeblich, Zeitungsund Rundfunkredaktionen der Bundesrepublik mit Nachrichten zu beliefern. Das Personal der Gesellschaft setzt sich aus früheren Mitarbeitern der Korrespondentenbüros des DDR "Deutschlandsenders" zusammen. Aus den "44 Thesen" Um der Autorität der Parteiführung besonders Nachdruck zu verleihen, hat der DKP-Parteitag in den "44 Thesen" ausdrücklich festgestellt, daß die Beschlüsse der höheren Parteiorgane für die nachgeordneten Gliederungen absolut verbindlich sind. Diese Verbindlichkeit von Parteibeschlüssen gilt auch für jedes einzelne Mitglied. Ein Mitglied des Parteivorstandes erklärte dazu: "Es gibt in der Partei nur eine Disziplin, wobei dies bedeutet, daß die Beschlüsse für jedes Mitglied, ungeachtet seiner Stellung, verbindlich sind." In diesem Zusammenhang führte er noch weiter aus, daß es mit den Organisationsprinzipien der Partei auch nicht zu vereinbaren sei, mit einer eigenen, von der Parteilinie abweichenden politischen Plattform aufzutreten. Diese Regelungen werden von den Mitgliedern und Funktionären der Partei, auch von den jüngeren, fast ausnahmslos akzeptiert. Der Parteiführung ist es dadurch möglich, sich jederzeit in lokal begrenzte Aktionen (z.B. "Roter Punkt", Lohnbewegungen, Mietproteste) einzuschalten und jeder Teilorganisation der Partei und jedem Mitglied Weisungen zu erteilen. Die fortschreitende innere Disziplinierung der Partei steht in engem Zusammenhang mit der ideologischen Grundposition, deren revolutionärer Charakter nach dem 2. DKP-Parteitag auch für Außenstehende keinem Zweifel mehr unterliegen kann. Hierzu war bereits in der letzten Berichterstattung etwas gesagt worden. Bekenntnis zum Marxismus-Leninismus Mit dem Bekenntnis zum Marxismus-Leninismus und der hieraus resultierenden Einschätzung der Bundesrepublik als ein zu überwindendes System des staatsmonopolistischen Kapitalismus, mit der Verankerung leninistischer Organisationsprinzipien und der Anerkennung politischer Kampfformen, die den bewaffneten Aufstand unter bestimmten Voraussetzungen nicht ausschließen, hat die DKP die in Moskau verabschiedete Grundsatzerklärung der kommunistischen und Arbeiterparteien von Juni 1969 programmatisch nachvollzogen und sich als "echte" kommunistische Partei in die kommunistische Weltbewegung Moskauer Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1972 7 Richtung eingeordnet. Diese Entwicklung ist - wie die Teilnahme von Delegationen von 22 kommunistischen Bruderparteien am DKP-Parteitag zeigt - von der kommunistischen Weltbewegung anerkannt und vor allem von der SED und der KPdSU honoriert worden. Sie hatte überdies zwei bedeutsame Konsequenzen: * Die Notwendigkeit, an einer im Untergrund tätigen KPD festzuhalten, ist entfallen. Mit der Wahl Max Reimanns zum Ehrenpräsidenten der DKP hat die verbotene KPD auch offiziell aufgehört zu bestehen. Der vom ZK der KPD gesteuerte "Deutsche Freiheitssender 904" hat seine Sendungen eingestellt. Das Zentralorgan der KPD "Freies Volk" erscheint nicht mehr. * SED und FDGB sehen im Interesse einer von ihnen als notwendig angesehenen "Abgrenzungspolitik" nunmehr die Möglichkeit, sich aus der direkten "Westarbeit" zurückzuziehen. Sie gehen davon aus, daß eine von ihnen finanziell gestützte und von oben her gesteuerte DKP - nachdem die ideologischen und organisatorischen Grundsatzfragen abschließend geklärt sind - aus eigener Kraft in der Lage ist, die Interessen des Kommunismus auf dem Boden der Bundesrepublik zu vertreten. Vor diesem Hintergrund ist die bereits erwähnte Auflösung der Korrespondentenbüros des "Deutschlandsenders" und solcher Einrichtungen zu sehen, die noch Elemente unerwünschter gesamtdeutscher Beziehungen enthalten (Gesamtdeutsche Arbeiterkonferenzen des FDGB usw.) Aktivitäten in NW Die Kommunisten schätzen die Lage in der Bundesrepublik insofern realistisch ein als sie im Gegensatz zu den maoistischen, trotzkistischen und anarchistischen Gruppen eine revolutionäre Umgestaltung der Bundesrepublik im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht für möglich halten. Schwerpunkte ihrer gegenwärtigen Arbeit sind daher folgende: Sie versuchen, in die "staatlichen Institutionen" einzudringen. Hier sind vorrangig die Lehrkörper an den Schulen, die Fachhochschulen und Universitäten sowie der Bereich der öffentlichen Verkehrsund Versorgungseinrichtungen zu nennen. Im Bereich der Stahlund Metallindustrie, in der Chemie und im Bergbau sollen das Netz der vorhandenen Betriebsgruppen ausgebaut, die Herausgabe von weiteren Betriebszeitungen intensiviert und der Versuch unternommen werden, stärker in die Betriebsräte einzudringen. Im Mittelpunkt stehen die Betriebsratswahlen, die nach dem neuen Betriebsverfassungsgesetz im gesamten Bundesgebiet durchgeführt werden. Die Kommunisten sehen in den erweiterten Mitwirkungsund Mitbestimmungsrechten für die Arbeitnehmer einen hervorragenden Ansatzpunkt, ihre Plattform in den Betrieben zu verbessern. Die DKP unterstützt die Einheitslisten der Gewerkschaften und hat ihre Mitglieder aufgefordert, im Rahmen der Gewerkschaftslisten zu kandidieren. Die DKP will auch die lokalen Protestbewegungen weiterhin unterstützen. Zum Jahresende 1971 und im Januar 1972 führte die "Aktion Roter Punkt" wieder Protestdemonstrationen gegen Fahrpreiserhöhungen bei Nahverkehrsbetrieben durch. In Essen, Köln, Bonn, Münster und Mülheim a.d. Ruhr kam es in dieser Zeit zu insgesamt 9 vorwiegend von kommunistischen Organisationen, insbesondere Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1972 8 DKP und SDAJ, gelenkten Demonstrationen. An ihnen haben pro Veranstaltung im Durchschnitt 600 Personen teilgenommen. Der Polizeieinsatz betrug im Durchschnitt 300 Beamte pro Veranstaltung. In Essen wurden bei der Demonstration am 22.1.1972 139 Personen festgenommen, weil sie den Straßenbahnverkehr an verschiedenen Stellen erheblich störten. Überdies ist die DKP bemüht, auf der Grundlage konkreter Nahziele mit den Jugendorganisationen demokratischer Parteien, vor allen Dingen mit den Jungsozialisten, zusammenzuarbeiten. Das Verhältnis der DKP zu den Jungsozialisten ist ambivalent. Dabei werden bestimmte Positionen der Jungsozialisten innerhalb der SPD zwar begrüßt. Soweit sich jedoch die Jungsozialisten mit dem Marxismus befassen, sieht man in einer eigenständigen Interpretation Elemente, die der ideologischen Homogenität der DKP gefährlich werden können. Schließlich will sie die Delegationsreisen in die DDR verstärken. Für März 1972 sind solche Reisen für Arbeiter der Firmen Mannesmann, Thyssen, Hoesch, Krupp und der Ruhrkohle AG geplant. Im April 1972 sollen zudem Studentendelegationen der Universitäten Dortmund und Bochum und in den weiteren Monaten Studenten der Universitäten Münster und Bielefeld in die DDR reisen. Zusammenfassend kommt man zu dem Ergebnis, daß die DKP in NordrheinWestfalen die potenteste Gruppierung im linksradikalen Bereich darstellt. Eine intensive Beobachtung nicht nur der Spitzengremien, sondern auch des relativ weitverzweigten Netzes auf Ortsund Bezirksebene wird deshalb auch in der Folgezeit unerläßlich sein, um rechtzeitig konkreten Gefahren für die demokratische Grundordnung in unserem Land zu begegnen. Studierende Jugend Vorherrschendes Thema an den Universitäten und Hochschulen des Landes waren im Wintersemester 1971/72 die abschließenden Beratungen über die neuen Hochschulsatzungen, die nach dem nordrhein-westfälischen Hochschulgesetz bis zum April 1972 zu erlassen sind. Hier setzten die Bestrebungen der linksextremen Studentengruppen schon bei den Vorentscheidungen ein, um für ihr weiteres Vorgehen günstige Ausgangspositionen zu schaffen, so u.a. bei der Wahl der Satzungskonvente. Dabei hat sich gezeigt, daß ihre Bereitschaft zur Mitarbeit an der Neuorganisation der Hochschulen da endet, wo für sie eine Mehrheit zur Durchsetzung der eigenen Ziele nicht zu finden war. Ein typisches Beispiel hierfür boten die mehrfachen Sprengungen von Sitzungen des Satzungskonvents an der Universität Bonn durch studentische Linksradikale; diese können es sich inzwischen offenbar auch leisten, unverblümt zu erklären, daß sie nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. So sagt ein vom "Vorstand der Studentenschaft" (- Allgemeiner Studentenausschuß - AStA -) der Universität Bochum herausgegebener und mit vielen Inseraten aus Politik und Wirtschaft ausgestatteter "Universitätsführer": "So muß der Kampf der Studenten ... notwendig ein antikapitalistischer sein, d.h. auch, das er nicht demokratisch - auf dem Boden unserer Verfassung - sein kann, sondern von vornherein mit sozialistischer Perspektive geführt werden muß." Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1972 9 Auch auf Bundesebene haben die Fragen der Neuordnung des Hochschulwesens eine wesentliche Rolle gespielt. So kam es Anfang Dezember 1971 auf Initiative des von einer linksradikalen Koalition aus Sozialdemokratischem Hochschulbund (SHB) und Marxistischem Studentenbund (MSB) - Spartakus beherrschenden Verbandes Deutscher Studentenschaften (VDS) zu Aktionen gegen den in der parlamentarischen Beratung befindlichen Entwurf eines Hochschulrahmengesetzes. Ferner wurde das aktuelle Problem der Beschäftigung von Mitgliedern linksbzw. rechtsradikaler Parteien und Organisationen im öffentlichen Dienst vom VDS schwerpunktmäßig unter dem Motto: "Gegen den Abbau demokratischer Rechte! Gegen die verfassungswidrigen und antidemokratischen Berufsverbote!" aufgegriffen. Der fortschreitende Einfluß der linksradikalen Studentengruppen ist nur zu verstehen vor dem Hintergrund des fehlenden Engagements der Masse der Studentenschaft und der Konzentration auf dem linksradikalen Sektor. Der VDS, einer der Hauptträger der linksradikalen Aktivitäten im Hochschulbereich, kann sich stützen auf den überwiegenden Teil der ihm angeschlossenen Allgemeinen Studentenausschüsse (AStA) und die ihn tragenden, oben bereits genannten Organisationen, * den ständig stärker hervortretenden MSB-Spartakus * den SHB, der sich nach den Auseinandersetzungen auf seiner letzten Bundesdelegiertenversammlung im Dezember 1971 in der Mehrheit für das Bündnis mit dem MSB-Spartakus entschieden hat. Die Bedeutung der vorwiegend am maoistischen Kommunismus orientierten Studentengruppen klingt dagegen weiter ab. Studentische Dachverbände Der VDS ist mit ca. 80 angeschlossenen Studentenschaften der einzelnen Hochschulen wieder alleiniger offizieller Sprecher der Studentenschaft. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß zur Zeit elf Hochschulen durch verwaltungsgerichtliche Entscheidungen aufgrund von Klagen einzelner Studenten keine Mitgliedsbeiträge an den VDS abführen, weil ihnen als Zwangskorporationen ein allgemein-politisches Mandat abgesprochen wurde, das auch der VDS für sich in Anspruch nimmt. Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang seine Kontakte zum kommunistischen Internationalen Studentenbund (IUS = International Union of Students), die sich u.a. in einem gemeinsamen Seminar vom 3.-6.2.1972 in Hamburg über das Thema "Europäische Sicherheitskonferenz" äußern. Im Verband der Studentenschaften an Fachhochschulen (SVI) zeichnet sich der schon im Sommer 1971 erwartete Führungswechsel, d.h. die Übernahme der Führung auch dieses Verbandes durch eine Koalition aus MSB-Spartakus und SHB, für die nächste Zukunft ab. Die in diesem Verband bis Ende 1971 maßgebenden Vertreter einer "ML"Richtung (ML = marxistisch-leninistisch in der maoistischen Version) sollen die an sich gute Finanzbasis - Etat von 1,4 Millionen DM - erschüttert haben. Ihnen wird vorgeworfen, mit Geldern des Verbandes maoistische Gruppierungen zu unter- Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1972 10 stützen. Angesichts dieser Angriffe sah sich der Vorstand des SVI im Dezember 1971 veranlaßt, zurückzutreten. Die Geschäfte werden bis zur nächsten Mitgliederversammlung nur noch kommissarisch weitergeführt. Damit ist der Weg frei für eine Übernahme durch den MSBSpartakus und den SHB. Sollte es so weit kommen, ergibt sich automatisch eine engere Zusammenarbeit mit dem VDS, wodurch der gesamte studentische Bereich bis hin zu den Fachhochschulen von dieser Koalition beherrscht würde. Im Gegensatz zum SVI zeigen Spartakus und SHB im Landesverband des SVI, dem Verband Integrierter Studentenschaften Nordrhein-Westfalen (VIS), aber kein Interesse an einer Übernahme des Verbandes. Marxistischer Studentenbund (MSB) - Spartakus Der MSB-Spartakus hat sich trotz seines erst kurzen Bestehens - wie die vorangestellten Ausführungen bereits deutlich machten - zu einem entscheidenden Faktor innerhalb der Studentenschaft entwickelt. Er wird diese Position, wenn nicht alle Zeichen täuschen, in der Zukunft eher ausbauen, denn verlieren können. Mit angeblich ca. 2.000 Mitgliedern in rund 40 Gruppen zählt er sich selbst zu den zur Zeit stärksten politischen Studentenorganisationen. Er hat seinen Organisationsstand in Nordrhein-Westfalen auf ca. 20 Gruppen mit geschätzt etwa 400 Mitgliedern erweitern können. Die neuen Fachhochschulen im Lande bieten ihm weitere Ausbaumöglichkeiten, die er nach Andeutungen führender Funktionäre auch zu nutzen gedenkt. Wie weit seine Einflußnahme im Hochschulbereich gediehen ist, zeigt seine im September 1971 beschlossene Aufgabe in die "Studentische Zentralstelle für den Bundesjugendplan e.V.", wonach ihm ein Mitspracherecht bei der Verteilung öffentlicher Mittel für die Studentenorganisationen eingeräumt ist, obwohl er selbst auf diesem Wege keine öffentlichen Zuwendungen erhält. Seinen schnellen Aufschwung und seine Erfolge hätte der MSB sicherlich nicht erzielen können, hätte ihm nicht die Bündnisbereitschaft des SHB im Ergebnis die Möglichkeit verschafft, in kürzester Zeit in der studentischen Selbstverwaltung und Mitbestimmung Fuß zu fassen. Dieses Bündnis findet in den Gremien und Organen der studentischen Selbstverwaltung und bei der Mitwirkung der Studenten in Einrichtungen der Hochschulen sowie ihrer Fachbereiche nachhaltigen Niederschlag. Soweit es um seine Mitarbeit in den Allgemeinen Studentenausschüssen geht, ist er in Nordrhein-Westfalen eine Koalition mit dem SHB eingegangen, an den Universitäten Bonn und Münster, im Gesamt-AStA der Pädagogischen Hochschule (PH) Rheinland sowie an den PH-Abteilungen Bonn, Duisburg und Essen. Mit anderen linken Gruppen trägt er die ASten der Universität Düsseldorf und der PHAbteilung Wuppertal. Sozialdemokratischer Hochschulbund (SHB) Im SHB hat das Bündnis mit dem MSB Spartakus Spannungen und Gegensätze hervorgerufen, die sich seit Beginn des Wintersemesters laufend steigerten und auf der Bundesdelegiertenversammlung Anfang Dezember 1971 in Bonn zu ers- Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1972 11 ten Spaltungserscheinungen führten. Einige Gruppen lehnten die Politik der "Mehrheitsfraktion" ab und schlossen sich zu einer "Sozialistischen Fraktion" (SF) innerhalb des SHB zusammen, die inzwischen bereits mit einem eigenen "Zentralrat der Sozialistischen Fraktion" dem Bundeszentralrat des SHB gegenübertritt. Ideologisch-politische Äußerungen der SHB-Mehrheit sind so vieldeutig abgefaßt, daß sie unschwer sowohl einen MSB-Spartakus-freundlichen und damit DKPnahen Kurs tragen als auch gegenüber der Sozialdemokratischen Partei und staatlichen Stellen eine zwar betont kritische, aber doch prinzipiell positiv erscheinende Einstellung zum Ausdruck bringen können. Sie machen jedoch deutlich, das bei einzelnen Gruppen innerhalb des SHB ein Demokratieverständnis herrscht, das eher in der Nähe orthodox-marxistisch-leninistischer Vorstellungen anzusiedeln ist, als in der politischen Vorstellungswelt, in der das Grundgesetz wurzelt. Dem SHB ist in den schärfer werdenden Auseinandersetzungen mit seinen politischen Gegnern in der Studentenschaft in den letzten Monaten vorgeworfen worden, die Übereinstimmung mit dem MSB-Spartakus gehe so weit, das es zu Doppelmitgliedschaften und zu gemeinsamen Schulungsseminaren in der DDR komme. Der SHB hat dies zunächst bestritten, später aber doch zugeben müssen. Tatsache ist auch, daß der MSB-Spartakus aktiv an der Gründung von SHBGruppen beteiligt war, nachdem er erfahren mußte, daß er bei Wahlen nur im Verein mit dem SHB erfolgversprechende Mehrheiten an Hochschulen oder in einzelnen Hochschulbereichen erringen kann. Maoistische Gruppierungen Die - oben schon angedeutete - nachlassende Bedeutung der maoistischen Gruppierungen darf angesichts der beherrschenden Positionen der MSBSpartakus/SHB-Koalition nur auf den Gesamtzusammenhang bezogen werden. Die maoistischen Gruppen, seien es nun die Roten Zellen, die Basisund Projektgruppen sowie sonstige Gruppierungen, sind nämlich in ihren Fachbereichen örtlich weiterhin aktiv und dort in Einzelfällen immer noch tonangebend. So konnte die Rote Zelle Germanistik Münster zum Beginn des Wintersemesters die Bildung weiterer Roter Zellen an der Universität Münster melden. Treffen Gruppen dieser Art bei Wahlen auf bündnisbereite Partner, so sind sie - wie an den Universitäten Bochum und Köln - durchaus in der Lage, Mitverantwortung in den studentischen Gremien zu übernehmen. Schülergruppen Auf einem Seminar des Bundes "Freiheit der Wissenschaft" ist kürzlich vor dem zunehmenden Linksextremismus an den Schulen, womit vor allem die höheren Schulen gemeint sein dürften, gewarnt worden. Soweit hierüber Erkenntnisse aus dem Landesbereich vorliegen, können diese Feststellungen nur bedingt bestätigt werden. Die vereinzelt sich bildenden linksextremen Schülergruppen sind in der Regel von kurzer Lebensdauer. Dies gilt auch für entsprechende Schülerzeitungen. Es gibt allerdings von dieser allgemeinen Situation einige Ausnahmen. Beispielhaft sei auf die Verhältnisse in Düsseldorf und Bielefeld hingewiesen. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1972 12 In Düsseldorf legen zwei Schülergruppen eine recht lebhafte Aktivität an den Tag. Es handelt sich um den "Zentralrat der Düsseldorfer Oberschüler", der eine Reihe von Basisgruppen an einzelnen Gymnasien repräsentiert und nach seinen Äußerungen und seinen Verbindungen als maoistisch angesehen werden Mus. Er gibt die Schülerzeitung "Düsseldorfer Schülerkorrespondenz" heraus; und den im Herbst 1971 in Düsseldorf gegründeten Marxistischen Schülerbund (MSB), der - wie schon die Bezeichnung verrät - in Richtung des MSB-Spartakus und damit in Richtung der DKP tendiert. Er stützt sich ebenfalls auf Basisgruppen in einzelnen Schulen. Wie aus der Grundsatzerklärung des MSB hervorgeht, ist an einen Ausbau auf Landesebene gedacht. Es soll auch bereits eine Gruppe dieses Namens in Bielefeld bestehen. Weiter sind Bemühungen um die Gründung einer solchen Gruppe in Mülheim bekannt. Demgegenüber steht die Tatsache, daß auch die DKP-nahe Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) ihre Arbeit unter Schülern in letzter Zeit forciert. Hier ist nicht bekannt, ob und inwieweit diese Erscheinungen auf die letztlich hinter beiden Organisationen stehende DKP zurückgehen. Es darf aber bezweifelt werden, daß sie im Schülerbereich eine Konkurrenz zwischen SDAJ und einer besonderen Schülerorganisation gutheißen wird; denn beim Landesverband der SDAJ wurde ein "Arbeitskreis Schülerpolitik" gebildet. Der maoistische kommunistische Studentenbund Marxisten/Leninisten (KSB/ML) machte sich durch ein Teach-in im Westfalen-Kolleg in Bielefeld bemerkbar. Zum Zeitpunkt dieser Aktion (15.12.1971) fand in dem Institut, das die Hochschulreife im zweiten Bildungsweg vermittelt, gerade die Reifeprüfung statt. Die Maoisten richteten dabei scharfe Angriffe nicht nur gegen SPD und Gewerkschaften, sondern auch von ihrem Standpunkt aus gegen die DKP. Wie der Kultusminister in einer Reihe von Gesprächen mit Gymnasialschulleitern entnommen hat, besteht der Eindruck, daß sich in zunehmendem Maße Schülergruppen aus der Mitarbeit in der Schülermitverwaltung (SMV) zurückziehen und Gruppen mit linksradikalen Zielsetzungen bilden. Dabei soll es sich gerade um die begabtesten Schülern handeln. Berufstätige Jugend Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) Die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ), die aufgrund ihrer engen ideologischen, politischen und personellen Verbindung zur DKP als die bedeutendste kommunistische Jugendorganisation in der Bundesrepublik anzusehen ist, hat auch im letzten halben Jahr die Anzahl ihrer örtlichen Gruppen in NW erhöhen und dabei ihre absolute Spitzenstellung unter den vorwiegend die berufstätige Jugend ansprechenden linksradikalen Jugendorganisationen halten können. Von den 74 örtlichen Gruppen, über die sie nach eigenen Angaben in NW verfügt, sind hier bisher 64 bekannt. Davon sind 14 als besonders aktiv zu bezeichnen. Die Mitgliederzahl in unserem Lande kann auf etwa 8.000 geschätzt werden. Am 30.10.1971 veranstaltete die SDAJ von NW in Essen ihre 3. Landeskonferenz. Ein Mitglied des DKP-Bezirksvorstandes Ruhr-Westfalen, der später zum neuen Landesvorsitzenden der SDAJ von NW gewählt wurde, hielt das Hauptreferat. Da- Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1972 13 bei machte er erneut den ideologischen und politischen Standort der SDAJ deutlich, als er u.a. ausführte: "In unserem täglichen Kampf zeigen wir der Arbeiterjugend Wege und Möglichkeiten zur Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung auf. Wir wissen, daß der Sozialismus die einzig mögliche Perspektive in diesem Kampf ist. Für uns ist dabei entscheidend die weltanschauliche Grundlage - die Lehren von Marx, Engels und Lenin. Für uns, wie für jeden Sozialisten, ist weiterhin entscheidend das Verhältnis, das wir zur Sowjetunion, zu der sozialistischen Staatengemeinschaft und zu der DDR haben. An diesem Verhältnis erkennt man nach wie vor einen Sozialisten." Die personelle Verflechtung zwischen SDAJ und DKP findet besonders in der Zusammensetzung des neuen Landesvorstandes NW ihren Ausdruck. Von den insgesamt 54 Mitgliedern dieses Gremiums gehören zumindest 30 gleichzeitig der DKP an, darunter alle acht Mitglieder der Geschäftsführung des Landesverbandes. Bei den örtlichen Gruppen sind die Verhältnisse ähnlich. Die Wahl des SDAJBundesvorsitzenden in den Parteivorstand der DKP auf dem DKP-Parteitag im November 1971 in Düsseldorf ist ein weiteres Indiz für den Charakter der SDAJ als Jugendund Nachwuchsorganisation der DKP. Einen Schwerpunkt ihrer Tätigkeit sieht die SDAJ weiterhin in der Herausgabe von örtlichen - meist betriebsbezogenen - Lehrlingsund Jungarbeiterzeitungen, deren Anzahl auch in den letzten Monaten weiter angestiegen ist. Zur Zeit sind hier 40 Zeitungen dieser Art bekannt, die sich auf 23 Städte des Landes verteilen. Als großen Erfolg verbuchte die SDAJ eine von ihr organisierte Gastspielreise des Kölner Polit-Kabaretts "Floh de Cologne" in den Monaten September und Oktober 1971. Das Kabarett trat in 17 Städten des Landes mit der sogenannten Rock-Oper "Profitgeier" auf, in der die Behandlung der Lehrlinge in den westdeutschen Betrieben kabarettmäßig einseitig-kritisch und agitatorisch dargestellt wird. Die Vorstellungen waren vielfach ausverkauft, und es wurden Zuschauerzahlen bis zu 2.500 (in Dortmund) festgestellt. Die Aufführungen boten der SDAJ willkommene Gelegenheit zur intensiven Eigenwerbung. Zu erwähnen ist noch, daß sich auch die SDAJ lebhaft an der öffentlichen Diskussion über die Zulassung von Angehörigen extremer Parteien und Organisationen zum öffentlichen Dienst - und hier insbesondere zum Schuldienst - beteiligt. Hierzu erklärte der SDAJ-Landes-vorsitzende auf der Landeskonferenz: "Uns ist es als Arbeiterjugend nicht gleichgültig, wer uns bildet und ausbildet. Die Forderung unserer Genossen Studenten: 'Marx an die Uni' entspricht auch den Interessen der Arbeiterjugend. Wir fordern: Marx in die Schulen und Berufsschulen." Den Bemühungen der SDAJ, eine Zusammenarbeit mit anderen Jugendorganisationen oder staatstragenden Parteien zu erreichen, war auch weiter nur geringer Erfolg beschieden. Der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) lehnte auf seiner Vollversammlung am 24.11.1971 in Bonn zum viertenmal einen Aufnahmeantrag der SDAJ ab. In den Bundesländern ist die SDAJ nur in den Landesjugendringen von Hamburg, Bremen und des Saarlandes vertreten. In NW gehört die SDAJ - soweit hier bekannt ist - nur den örtlichen Jugendringen in Bielefeld, Essen, Vier- Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1972 14 sen und Westerholt an. In Essen wurde sie außerdem in die "Arbeitsgemeinschaft Essener Jugendverbände" aufgenommen. In Dortmund hat der Jugendwohlfahrtsausschuß der Stadt beschlossen, die SDAJ als förderungswürdige Jugendgemeinschaft nach SS 9 JWG anzuerkennen, jedoch hat der Oberstadtdirektor verfügt, diesen Beschluß vorerst nicht zu vollziehen, indem der Verwaltungsakt über die Anerkennung noch nicht erlassen wird. Maoistische und Trotzkistische Jugendorganisationen Die meisten marxistischen und trotzkistischen Jugendorganisationen konnten in NW in den letzten sechs Monaten neue örtliche Gruppen bzw. Stützpunkte errichten. Dennoch konnte keine dieser Organisationen wirkliche Bedeutung erlangen, nicht zuletzt wegen der andauernden Uneinigkeit und Zersplitterung dieser Vereinigungen. 1.3 Ausländer In der Zeit vom 1.7. bis 31.12.1971 haben Ausländer 28 Straftaten mit politischem Hintergrund begangen. Demgegenüber wurden im 1. Halbjahr 1971 nur 20 und im ganzen Jahr 1970 nur 23 derartige Straftaten bekannt. An den Straftaten (überwiegend Körperverletzungen, Bedrohungen und Nötigungen) waren Türken in 7 und Jugoslawen in 6 Fällen am stärksten beteiligt. Die Serie der Drohungen mit Bombenattentaten oder Entführungen zum Nachteil ausländischer Missionen oder Diplomaten hielt im 2. Halbjahr 1971 an. Es wurden 5 anonyme Bombendrohungen und 2 beabsichtigte bzw. angedrohte Entführungen bekannt. In allen Fällen dürften in Deutschland lebende Ausländer, die im politischen Gegensatz zu den Regierungen in ihren Heimatländern stehen, die Täter sein. Die Anzahl der Demonstrationen und sonstigen politischen Veranstaltungen, die bereits im 1. Halbjahr 1971 gegenüber dem 2. Halbjahr 1970 zurückgegangen war, ist weiter um 12 auf 27 gesunken. Griechen und Türken traten wegen ihrer Nationalfeiertage am 28.10. und 30.10.71 mit je 7 Veranstaltungen am häufigsten in Erscheinung. Auch die Iraner entwickelten eine besondere Aktivität. Anlaß war die Feier zum 2.500jährigen Bestehen des Kaiserreiches in Persien im Oktober 1971. 1.4 Gewaltandrohungen Die Gewaltandrohungen, meist anonyme Anrufe mit der Drohung, ein Sprengstoffattentat zu verüben, haben in der 2. Jahreshälfte 1971 erneut um 10 auf 90 zugenommen. Damit ergibt sich einschließlich der durch Ausländer begangenen Taten für das Jahr 1971 gegenüber dem Vorjahr ein Anstieg um 27 %. Die Drohungen richteten sich wieder gegen Einrichtungen der Bundesbahn und des Luftverkehrs sowie gegen Schulen, Kaufhäuser, Rathäuser, Polizeigebäude und Gebäude diplomatischer Vertretungen und von Politikern. 1.5 Maßnahmen im Geschäftsbereich des Justizministers Im Berichtszeitraum haben sich keine Vorgänge von überörtlicher Bedeutung ereignet, die Anlaß zu Koordinierungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaften auf Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1972 15 Grund der Rundverfügung des Justizministers vom 14. März 1971 (4100 - III A. 198) gegeben hätten. Wegen Straftaten, die durch Demonstrationen oder im Zusammenhang hiermit begangen worden sind, sind in der Zeit vom 1. September 1971 bis zum 15. Januar 1972 72 staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gegen 93 namentlich bekannte sowie gegen weitere nicht bekannte Personen eingeleitet worden. 9 Verfahren haben im Rahmen der Protestbewegung "Roter Punkt", 6 Verfahren im Hochschulbereich begangene Straftaten zum Gegenstand. In der Zeit vom 1. September 1971 bis zum 15. Januar 1972 haben 310 Verfahren wegen Straftaten, die seit dem 1. Januar 1970 durch Demonstrationen oder im Zusammenhang hiermit begangen worden sind, ihren Abschluß gefunden, und zwar: a) 172 Verfahren durch Einstellung oder Absehen von der Verfolgung, b) 100 Verfahren durch rechtskräftige Urteile gegen 106 Angeklagte, c) 28 Verfahren durch rechtskräftige Strafbefehle gegen 28 Beschuldigte, d) 10 Verfahren durch Verbindung mit anderen Verfahren oder durch Abgabe an andere Staatsanwaltschaften. Am 15. Januar 1972 waren wegen Straftaten, die seit dem 1. Januar 1970 begangen worden sind, noch 268 Verfahren gegen 322 namentlich bekannte Personen anhängig. In 158 dieser Verfahren ist gegen 171 Personen Anklage erhoben oder der Erlaß eines Strafbefehls beantragt worden. Die übrigen Verfahren befinden sich noch im Ermittlungsstadium. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1972 16 2 Bericht über den Rechtsund Linksradikalismus in NRW (Berichtsstand: Dezember 1972) 2.1 Rechtsradikalismus Die rechtsradikalen Bestrebungen im Lande Nordrhein-Westfalen sind seit dem letzten Bericht, der, wie sie sich erinnern werden, am 18 April 1972 erstattet worden ist, durch eine Abwärtsentwicklung der NPD gekennzeichnet. Diese einstmals stärkste Partei des organisierten Rechtsradikalismus befindet sich in anhaltendem Verfall. Harte interne Auseinandersetzungen und schwindendes Interesse ihrer Sympathisanten ließen sie in ein ihre Existenz schlechthin bedrohendes krisenhaftes Stadium geraten. Mit dem Ausscheiden des sich "national-konservativ" gebenden ehemaligen Parteivorsitzenden Adolf von Thadden aus der Führungsmannschaft (Bundesparteitag am 20./ 21.11.1971 in Holzminden), der die NPD als "seriöse Wahlpartei" repräsentieren wollte, ist die Partei praktisch "kopflos" geworden. Sein Gegenspieler, der mit sozial-reformerischen, zum Teil sogar sozialrevolutionären Aussagen eine Profilierung der Partei durch aufsehenerregende Aktionen forderte, hat ihr mit seinem Anhang ebenfalls den Rücken gekehrt. Der jetzige Bundesvorsitzende Martin Mussgnug (Tuttlingen) konnte sich bisher nicht überzeugend profilieren und der Partei neuen Auftrieb verleihen. NPD in Nordrhein-Westfalen Der Immobilismus der NPD in Nordrhein-Westfalen hat sich seit der Übernahme des Landesvorsitzes durch Udo Walendy (Landesparteitag am 8.5.1971 in Lüdenscheid) verstärkt. Die NPD ist im Berichtszeitraum nur noch wenig nach außen hin in Erscheinung getreten. Im wesentlichen beteiligte sie sich - zusammen mit anderen Landesverbänden - lediglich am 7.5.1972 in Form einer Sternfahrt an einer Kundgebung des Bundes der Vertriebenen in Bonn und am 17./18.6.1972 an der alljährlichen Sonnenwendfeier des rechtsradikalen "Deutschen Kulturwerks Europäischen Geistes" (DKEG), die diesmal in Niederschönhagen (bei Detmold) unter Beteiligung von ca. 300 Personen stattfand. In Detmold veranstaltete die NPD außerdem zur gleichen Zeit selbst einen Protestmarsch mit anschließender Mahnkundgebung gegen die Ostpolitik der Bundesregierung (Teilnehmer ca. 1.000 Personen). An größeren internen Veranstaltungen fanden ein Landesparteitag am 10./11.6.1972 in Gladbeck und am 9./10.9.1972 in Recklinghausen statt. Beide verliefen ohne besondere Höhepunkte. Auch der Bundesparteitag am 21.10.1972 in Düsseldorf war ohne Anziehungskraft. Der NPD gelang es nicht, neue Akzente zu setzen. Die NPD in und nach dem Bundestagswahlkampf Der Bundestagswahlkampf, an dem sich die NPD schon aus Gründen der bereits verbrauchten Vorschüsse aus der Wahlkampfkostenerstattung beteiligen mußte, um dem drohenden finanziellen Ruin zu entgehen, sollte dazu genutzt werden, die Talsohle zu überwinden. In Nordrhein-Westfalen war die Partei jedoch nicht einmal in der Lage, in allen Wahlkreisen die nach dem Verlust aller Landtagsmandate im Bundesgebiet erfor- Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1972 17 derlichen Unterschriften für eine Zulassung zu sammeln, so daß in 7 Wahlkreisen auf die Nominierung eines Direktkandidaten verzichtet werden mußte. Während die Kundgebungen mit dem Parteivorsitzenden Martin Mussgnug noch relativ gut besucht waren (200-250 Personen), sank die Teilnehmerzahl bei etwa 30 anderen öffentlichen Wahlversammlungen im Lande Nordrhein-Westfalen auf durchschnittlich 50. Das sich damit bereits abzeichnende Debakel der NPD wurde durch den Ausgang der Wahl vom 19.11.1972 in einem Maße bestätigt, wie es selbst die pessimistischen Stimmen im eigenen Lager nicht erwartet hatten. Mit nur 37.499 Zweitstimmen (1969: 295.972 = 3,1 %) - das sind 0,3 % aller abgegebenen Stimmen - erreichte die NPD im Land einen absoluten Tiefstand (im Bundesgebiet etwa 207.000 = 0,6 %). Auch der Landesvorsitze Udo Walendy konnte nicht mehr als 0,5 % der Stimmen auf sich vereinigen. Selbst in ihren ehemaligen ostwestfälischen Hochburgen (wie vor allem Herford, Minden, Bielefeld, Detmold) ging der Stimmenanteil von etwa 5 % auf 0,5 % zurück. Einigungsbestrebungen im rechtsradikalen Lager Bei der gegenwärtigen Zerrissenheit des rechtsradikalen Lagers fehlt es nicht an erneuten Einigungsbestrebungen einiger führender Repräsentanten. Nachdem sich der Herausgeber der "Deutschen National-Zeitung" (DNZ), Dr. Frey, mit dem von ihm gegen die Ostpolitik der Bundesregierung organisierten "Marsch auf Bonn" (Teilnehmer ca. 3.000) am 30.4.1972 hervorgetan hat, fühlt er sich legitimiert, auch insoweit initiativ zu werden. Er führte u.a. mit dem Ex-NPDVorsitzenden von Thadden und dem jetzigen Vorsitzenden Mussgnug mehrere Kontaktgespräche mit dem Ziele, eine "neue und große national-freiheitliche Partei" zu bilden. Während das hierüber am 28.7.1972 verfaßte Kommunique in seinen Publikationsorganen groß herausgestellt wurde, veröffentlichte es das NPD-Parteiorgan "Deutsche Nachrichten" (DN) ohne jeden Kommentar. Aktionismus der Gruppierung "Neue Rechte" Im übrigen wird vor allem in jüngeren rechtsradikalen Kreisen der Versuch einer "Synthese zwischen Nationalismus und Sozialismus" nach wie vor lebhaft diskutiert und propagiert. Das angestrebte Gesellschaftsmodell wird "Solidarismus" genannt und soll als dritter Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus "den arbeitenden Menschen von der Ausbeutung befreien". Allerdings sind die mit dem Schlagwort "Neue Rechte" gekennzeichneten Gruppierungen bisher meistens ohne überregionale Bedeutung geblieben. Durchweg haben sich diese in kleinen Kaderund Basiszirkeln organisierten Kreise in ihrem Drang zu spektakulären Aktionismus nach kurzer Lebensdauer selbst wieder zerstört. Die Einleitung von Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Begehung von strafbaren Handlungen wirkte sich hierbei förderlich aus. So beispielsweise bei der "Deutsch Sozialen Aktion" (DSA), die durch zahlreiche Aktionen, u.a. gegen die russische Botschaft in Rolandseck und vor dem Privathaus des Herrn Ministerpräsidenten in Köln, in Erscheinung getreten war. Auch die sich "sozialistisch-revolutionär" gebärdende sog. "Partei der Arbeit" (PdA) ist zerstritten und inzwischen weitgehend inaktiv geworden. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1972 18 2.2 Linksradikalismus 2.2.1 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Organisation (Mitglieder, Betriebsgruppen, Betriebszeitungen) Seit der letzten Berichterstattung haben sich politisch bedeutsame Änderungen im Bereich dieser Partei kaum ergeben. Die Organisation der DKP - insbesondere auf örtlicher Ebene - ist intakt. Die Zahl der DKP-Betriebsgruppen hat sich von 89 auf 93, die Zahl der Betriebszeitungen von 141 auf 152 erhöht. Auch die Mitgliederzahl ist - allerdings in geringerem Umfang als in den Vorjahren - angestiegen und dürfte nunmehr bei 13.600 (bisher 13.300) liegen. Teilnahme an Betriebsratswahlen Als besonderer Schwerpunkt kommunistischer Aktivitäten sind die Betriebsratswahlen zu werten, die vom 1.3. bis zum 31.5.1972 durchzuführen waren. Die Parteileitungen haben erhebliche Anstrengungen unternommen, die Ausgangsposition der DKP, vor allem bei der gewerkschaftlichen Kandidatenwahl, zu verbessern. Da sich die Zahl der Betriebsräte nach dem neuen Betriebsverfassungsgesetz erheblich erhöht hat, ist eine exakte Analyse des DKP-Einflusses in diesen Gremien außerordentlich schwierig. Eine Überprüfung von 171 Unternehmen der Metallindustrie, des Bergbaus und der Chemie, in denen entweder DKPBetriebsgruppen bestehen oder sonstige kommunistische Aktivitäten festgestellt werden konnten, führte zu dem Ergebnis, daß von den in diesen Betrieben gewählten 2.507 Betriebsratsmitgliedern 76 der DKP angehören. Dies entspricht einem Anteil von 3,03 %. Diese Zahl kann naturgemäß nicht als repräsentativ angesehen werden. Andererseits wird deutlich, daß die DKP in Betrieben, in denen sie über gewerkschaftlich aktive Parteimitglieder verfügt, bei Betriebsratswahlen in der Regel einen höheren Stimmenanteil als bei politischen Wahlen zu erzielen vermag. Insgesamt gesehen kann jedoch von einer Zunahme des kommunistischen Einflusses in den Betrieben keine Rede sein. Teilnahme an der Bundestagswahl Der PV der DKP hatte auf seiner 4. Tagung am 24./25.6.1972 in Düsseldorf den Beschluß gefaßt, daß sich die DKP an den Bundestagswahlen beteiligt. Die DKP hatte daraufhin in den 248 Wahlkreisen und auf den Landeslisten insgesamt 567 Kandidaten aufgestellt. Die DKP-Landesliste NW wurde von dem DKPVorsitzenden Kurt Bachmann angeführt.. Als Direktkandidat für den Wahlkreis Solingen wurde der frühere KPD-Vorsitzende Max Reimann aufgestellt. Trotz eines mit großem Propagandaaufwand geführten Wahlkampfes konnte sich die DKP in NW im Hinblick auf die sich zuspitzende Polarisierung zwischen den großen Parteien kaum Gehör verschaffen. Ihr wurde u.a. in der Öffentlichkeit vorgehalten, daß sie mit ihrer Kandidatur die Opposition unterstütze. Die DKP hat bei der Bundestagswahl am 19.11.1972 in NW 49.567 Erststimmen = 0,5 % und 37.615 Zweitstimmen = 0,3 % erhalten. Sie hat damit gegenüber der Bundestagswahl 1969, bei der die Kommunisten im Rahmen der Wahlpartei "Akti- Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1972 19 on Demokratischer Fortschritt" (ADF) kandidierten, 16.859 Erststimmen = 0,2 % und 27.209 Zweitstimmen = 0,4 % verloren. Mehr als 1 % der Erststimmen konnte die DKP lediglich in den Wahlkreisen Solingen (1,1 %), Gelsenkirchen (1,1 %) und Bottrop-Gladbeck (1,4 %) erreichen. Das Ausmaß der Wahlniederlage wird deutich, wenn man berücksichtigt, daß die DKP bei den Landtagswahlen in NW am 14.6.1970 noch 0,9 % der Stimmen auf sich vereinigen und in 11 Wahlkreisen 2 % und mehr Stimmen erreichen konnte. Zusammenfassende Bewertung Eine zusammenfassende Wertung der Tätigkeit der DKP in Nordrhein-Westfalen während des Berichtszeitraumes führt zu dem Ergebnis, daß die DKP im linksradikalen Lager auch nach der Bundestagswahl die politisch und organisatorisch stärkste Gruppierung darstellt. Im Gegensatz zu den maoistischen, trotzkistischen und anarchistischen Organisationen wird ihre Politik von der Taktik bestimmt, Schritt für Schritt und möglichst ohne spektakuläre Aktionen Einfluß auf die politischen Geschehnisse in der Bundesrepublik zu gewinnen. 2.2.2 Maoistische Parteien Die links von der DKP angesiedelten Parteigruppierungen maoistischer und trotzkistischer Richtung sowie die anarchistischen Organisationen haben während des Berichtszeitraums eine lebhafte Agitation entwickelt. Die Vielzahl dieser Gruppen, die oft nur von wenigen Personen getragen werden, macht es schwer, einen umfassenden und jeweils dem neuesten Stand entsprechenden Überblick zu erhalten. Die gefährlichste Gruppierung in diesem Bereich war zweifelsfrei die "BaaderMeinhof-Bande", die durch die Festnahmen von Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin u.a. in ihrem "harten Kern" zerschlagen werden konnte. In diesem Zusammenhang darf auf den ausführlichen Bericht verwiesen werden, den der Innenminister am 15.6.1972 dem Innenausschuß erstattet hat. Z.Zt. werden noch 12 Personen gesucht und eine Reihe Spuren verfolgt. Die Gefahren scheinen deshalb noch nicht ausgeräumt, weil Kontakte zu maoistischen und anarchistischen Gruppen in NW nicht auszuschließen sind. Kommunistische Organisationen prochinesischer Richtung In Nordrhein-Westfalen bestehen z.T. 5 kommunistische Parteien prochinesischer Richtung. Davon sind die KPD/ML (Marxisten-Leninisten; Gruppe Roter Morgen), die KPD/ML (Gruppe Rote Fahne mit dem Zentralbüro in Bochum) und die KPD (früher KPD/Aufbauorganisation mit der Organisationszentrale in Dortmund) die bedeutendsten, weil sie immer wieder durch Herausgabe von Zeitungen, Flugblättern, Betriebszeitungen und Schulungsheften - es werden 3 periodische Zentralzeitschriften und 27 Betriebszeitungen verbreitet - sowie durch örtliche Demonstrationen in der Öffentlichkeit in Erscheinung treten. Obwohl ihre Mitgliederzahl nur mehrere Hundert betragen dürfte, stellen sie mit den kleinen anarchistischen Gruppen (Schwarzkreuz Köln, Anarchosyndikat Köln) deshalb eine latente Gefahr dar, weil eine Tendenz zum gewaltsamen Handeln nicht auszuschließen ist. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1972 20 Anläßlich einer von der KPD/ML und der KPD durchgeführten Demonstration am 8.10.1972 in Dortmund gegen die Handhabung des Ausländergesetzes konnten 8.000 Teilnehmer (darunter einige Hundert Ausländer, bes. Griechen und Spanier) festgestellt werden, wobei es sich größtenteils um Sympathisanten handelte. Obwohl die während des Berichtszeitraums durchgeführten Aktionen gegen die Baader-Meinhof-Bande die Aktivitäten der Maoisten und Anarchisten zurückgedrängt haben, ist für die Zukunft eine ausreichend intensive Beobachtung gerade dieser Gruppierungen geboten. 2.2.3 Studierende Jugend Die Situation an Hochschulen und Universitäten des Landes wurde auch im Sommersemester 1972 weitgehend von Problemen bestimmt, die mit dem Erlaß der neuen Hochschulsatzungen verbunden sind. Proteste der Studenten richteten sich außerdem gegen das im Mai 1972 erlassene Gesamthochschulentwicklungsgesetz (GHEG). Angegriffen wurden vor allem die in der vorläufigen Grundordnung der Gesamthochschulen enthaltenen Bestimmungen über die Stellung der Studentenschaft innerhalb der Hochschulgremien und der Wegfall der "Beitragshoheit", die als "Liquidierung der verfaßten Studentenschaft" angesehen werden. Anfang November sind deshalb auf Beschluß einer nordrhein-westfälischen Konferenz der Allgemeinen Studentenausschüsse an fast allen Hochschulen Urabstimmungen und sonstige Aktionen zu diesem Thema durchgeführt worden. Bei Wahlbeteiligungen von unter 50 % sprachen sich fast überall 90 % und mehr für die Beibehaltung der "verfaßten Studentenschaft" aus. Gewaltsame Eingriffe in den Lehrbetrieb waren im Sommersemester 1972 zahlenmäßig relativ gering. Von den radikalen Gruppen wird heute die Arbeit in den Institutionen bevorzugt, um den erstrebten Einfluß zu gewinnen. Auf diese Weise wird versucht, politisch unerwünschte Bewerber einzuschüchtern oder ihnen Zusagen abzuringen. An sämtlichen Hochschulen in Nordrhein-Westfalen sind Allgemeine Studentenausschüsse und - soweit vorhanden - Studentenparlamente von linksextremen Gruppen stark beeinflußt. An der Mehrzahl der Hochschulen stellen diese Gruppen (meist: SHB und Spartakus, in Bochum: Sozialistische Abteilungsgruppen - SAG) zusammengenommen die weitaus meisten Mandatsträger und Funktionäre. Etwas günstigere Verhältnisse herrschen lediglich an den Universitäten Köln, Düsseldorf und Bochum. Linksextreme Gruppen beherrschen auch die Allgemeinen Studentenausschüsse der meisten pädagogischen Hochschulen. Um eine einheitliche Vertretung der Studentenschaften auf Bundesebene zu erreichen, sind in den letzten Jahren - vor allem von den Vertretern der MSB-SHBKoalition - wiederholt Versuche unternommen worden, die Dachverbände der Studentenschaften * den Verband Deutscher Studentenschaften (VDS) * den Verband der Studentenschaften an Fachhochschulen und Höheren Fachschulen in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin (SVI) zu einer engeren Zusammenarbeit, wenn nicht zu einen Zusammenschluß zu bringen. Ein Erfolg war diesen Bemühungen jedoch bisher nicht beschieden, da im Gegensatz zu dem orthodox-kommunistischen Einfluß im VDS die Führung des Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1972 21 SVI - zumindest bei einigen ihrer Mitglieder - mehr maoistisch-kommunistisch orientiert ist. Die Spannungen zwischen den verschiedenen kommunistischen Richtungen waren auch Anlaß zu den internen Auseinandersetzungen im VDS, die auf dessen Mitgliederversammlungen im März und im Mai 1972 ausgetragen wurden. Erst auf der Mitgliederversammlung im Mai gelang es, für die den VDS tragende MSB/SHB-Koalition erneut eine Mehrheit zu erzielen und einen neuen Vorstand zu wählen. Der VDS hat, wie zum Ende des Sommersemesters angekündigt, mit Beginn des Bundestagswahlkampfes eine Kampagne gestartet, in der an den Hochschulen und durch überregionale Aktionen auf die "materielle Hochschulmisere" aufmerksam gemacht wurde. Er plant für das Wintersemester Kampfmaßnahmen für eine Verbesserung der Ausbildungsförderung. Zwischen VDS und Sozialistischer Deutscher Arbeiterjugend (SDAJ) bahnt sich eine engere Zusammenarbeit an. Die Vorstände beider Organisationen haben auf einer gemeinsamen Tagung im Juli 1972 Einzelfragen ihrer Arbeit erörtert und ü- bereinstimmend die nach ihrer Ansicht "gleichgerichteten Interessen der Arbeiterjugend und der Studenten" betont. Von weitreichender Bedeutung für die weitere Arbeit dürfte auf die Dauer die Finanzsituation des VDS sein. Die seit längerem von einzelnen Studenten erwirkten "Einstweiligen Verfügungen", mit denen ca. 15 Hochschul-Asten untersagt wurde, weiter Beiträge an den VDS zu zahlen, haben die finanziellen Möglichkeiten des VDS stark eingeschränkt. Nunmehr hat im Juli 1972 der Kultusminister in Bayern die Hochschulen seines Landes angewiesen, die Beitragszahlungen an den VDS einzustellen. Im SVI mit seinem nordrhein-westfälischen Landesverband, dem "Verband Integrierter Studentenschaften" (VIS), ist der Einfluß von SHB und MSB-Spartakus vergleichsweise gering. Das hat dazu geführt, daß diese sich mit ihrer ablehnenden Haltung zum jüngsten Streik der Fachhochschüler nicht durchsetzen konnten. Sie hielten ihn für politisch ungenügend vorbereitet und rügten seinen - von ihrem Standpunkt aus - "relativ unpolitischen" Verlauf. Marxistischer Studentenbund (MSB)-Spartakus Der MSB Spartakus ist weiter offenbar mit Erfolg bemüht, seine Position in den Hochschulen auszubauen. Die Mitgliederzahl im gesamten Bundesgebiet wurde noch im Juni 1972 mit 2.000 angegeben, hat sich aber inzwischen weiter erhöht. Allein in unserem Lande treten mindestens 20 Gruppen auf, die jetzt insgesamt etwa 400 bis 500 Mitglieder in sich vereinigen. Der MSB-Spartakus sucht dazu neben dem SHB auch außerhalb der Universität Bündnispartner und wendet sich dabei zwar, wie erwähnt, in erster Linie an die kommunistische SDAJ, aber auch an die Gewerkschaften, Jungsozialisten und Jungdemokraten. Die Kampagne gegen die "Berufsverbote" durch den Beschluß der Ministerpräsidenten vom 28.1.1972 wird den MSB auch in Zukunft nachdrücklich beschäftigen. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1972 22 "Sozialdemokratischer Hochschulbund" (SHB) Die programmatisch bedingten internen Schwierigkeiten im SHB, die zur Bildung einer "Sozialistischen Fraktion" (SHB/SF) (seit etwa Juli d.J. mit dem Namen Sozialistischer Hochschulbund/Sozialistische Front) mehr links von der MSBSpartakus-freundlichen Mehrheitsfraktion führten, hatten im Berichtszeitraum zur Folge, daß eine Reihe von SHB/SF-Gruppen im Bundesgebiet vom SHB ausgeschlossen wurden oder ihren Austritt aus dem SHB bekanntgegeben haben. Eine weitere Belastung traf den SHB durch den Beschluß des Parteivorstandes der SPD, die 1961 unter Widerrufsvorbehalt erteilte Genehmigung der Namensführung "sozialdemokratisch" zu widerrufen. Das Landgericht in Bonn hat, wie in den letzten Tagen bekannt wurde, inzwischen durch Urteil die Maßnahme bestätigt. Auf der Bundesdelegiertenversammlung vom 3.-5.11.1972 in Bonn wurden ein Grundsatzprogramm sowie eine kurzgefaßte Grundsatzerklärung, ein Aktionsprogramm und eine neue Satzung verabschiedet. Der Verlauf der Versammlung ließ eine gewisse Konsolidierung des Verbandes auf der Basis der von der bisherigen Mehrheitsfraktion eingeschlagenen Linie erkennen. Dabei soll aber auch - neben der bekräftigten Koalitionspolitik mit dem MSB-Spartakus - die Zusammenarbeit mit den Jungsozialisten gesucht bzw. vertieft werden. Situation an den Schulen Die Situation an den Schulen ist gekennzeichnet durch den Versuch linksextremer Gruppen - vor allem an den Gymnasien -, in den institutionalisierten Schülervertretungen ihren Einfluß geltend zu machen. So gehören dem Vorstand der Landes-Schülermitverwaltung (SMV) und dem SMV-Konvent (Verwaltung und Finanzen) vier Vertreter des maoistischkommunistischen "Schülerkollektivs/Marxisten-Leninisten" (SK/ML) am KonradSchlaun-Gymnasium in Münster an, die versuchen, die Arbeit dieser Institution zu blockieren bzw. umzufunktionieren. Als erste Maßnahme gegen diese erkennbar werdende politische Radikalisierung ist inzwischen die Finanzierung des vom Landesvorstand der allgemeinbildenden Schulden herausgegebenen Publikationsorgans "smv-press" vorläufig eingestellt worden. Auch die Materialien der Schülermitverwaltung an den berufsbildenden Schulen e.V. vermitteln den Eindruck, daß sie von geschulten Propagandisten zur Zersetzung einer freiheitlich-demokratischen Ordnung verfaßt und zur Aufwiegelung noch unreifer Jugendlicher gegen die bestehende Gesellschaftsordnung bestimmt sind. Der im April 1972 wegen seiner extremen Linkstendenzen in der Öffentlichkeit bekanntgewordene "Politische Arbeitskreis Schulen" (PAS) behält - auch nach der Sperrung der öffentlichen Zuschüsse - seinen linksradikalen Kurs bei. In einem im Bereich des Schulkollegiums Düsseldorf verteilten Flugblatt fordert er die Schüler zur Gründung fiktiver Gruppen auf, um in den Genuß der entsprechenden Bundeszuschüsse zu kommen. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1972 23 Die geschilderte Entwicklung sollte vor dem Hintergrund gesehen werden, daß die verschiedenen kommunistischen Parteien sich neuerdings im Rahmen ihrer Jugendarbeit speziell den Schülern zuwenden und die Absicht erkennen lassen, in diesem Bereich wirksame eigene Organisationen zu schaffen. Von besonderer Bedeutung dürften derartige Pläne der DKP sein, die darin eine Möglichkeit sieht, den Nachwuchs für den MSB-Spartakus schon in den Schulen zu erfassen. Ein vorliegender Entwurf des DKP-Bezirks Nordbayern mit Vorschlägen zur Entwicklung der Schülerarbeit macht dies besonders deutlich. Darin wird ganz bewußt eine eigene bundesweite Schülerorganisation gefordert, die nur in ihren Kadern in der SDAJ und der DKP verankert, aber sonst spezifisch auf die Bedürfnisse der Schüler abgestellt sein soll. In NW sind die Ansätze zur Bildung eines Marxistischen Schülerbundes als Versuch in dieser Richtung zu werten. Die verschiedenen maoistisch-kommunistischen Parteien operieren bereits seit längerem mit eigenen Schülerorganisationen, so etwa die KPD (früher KPD/Aufbauorganisation), deren Studentenverband, der KSV, eine sog. Oberschülerkommission unterhält, die als eigene Zeitung die "Kommunistische Schülerpresse" herausgibt. 2.2.4 Berufstätige Jugend Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) baut ihre Organisation aus Die DKP-orientierte "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) konnte auch im letzten halben Jahr ihre Organisation in NW durch Gründung neuer Ortsund Stadtteilgruppen ausbauen. Inzwischen sind hier 86 örtliche Gruppen - einschließlich Stadtteilgruppen - bekannt. Gleichzeitig stieg auch die Anzahl der von der SDAJ herausgegebenen örtlichen Lehrlingsund Jungarbeiterzeitungen weiter an. Zur Zeit erscheinen in NW 64 dieser Zeitungen, verteilt auf 33 Städte, 22 Zeitungen werden schon in Titel oder Untertitel als betriebsbezogen ausgewiesen, 9 sind Berufsschulzeitungen. Daneben wurden hier bisher 5 SDAJ-Schülerzeitungen in NW festgestellt. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, daß die SDAJ - nach Angabe ihres Bundesvorsitzenden auf dem diesjährigen Bundeskongreß - sich zu etwa 35 % aus Schülern zusammensetzt, neben ca. 60 % Lehrlingen, Jungarbeitern und jungen Angestellten und ca. 4 % Studenten. Die Zahl der Schülerzeitungen steht also in sehr geringem Verhältnis zum Anteil der Schüler an der Gesamtmitgliederzahl. Diese Tatsache unterstreicht die Priorität, welche die SDAJ-Führung der Arbeit unter den berufstätigen Jugendlichen - und hier besonders der Betriebsarbeit - einräumt. Sie paßt darüber hinaus auch zu den bereits erwähnten Erwägungen, eine eigene DKP-orientierte Schülerorganisation zu gründen. Maoistische und trotzkistische Jugendorganisationen Während die "Rote Garde", die Jugendorganisation der KPD/ML, Richtung: Zentralkomitee Hamburg mit Zentralorgan "Roter Morgen" in NW kaum noch in Erscheinung tritt, konnte der "Kommunistische Jugendverband Deutschlands" (KJVD), die Jugendorganisation der KPD/ML, Richtung: Zentralbüro Bochum mit Zentralorgan "Rote Fahne", die Zahl der örtlichen Gruppen in unserem Land weiter erhöhen. Der KJVD verfügt hier z. Zt über 19 Ortsgruppen. Im Vordergrund auch seiner Tätigkeit steht die Betriebsarbeit. Seine sämtlichen 12 örtlichen Zei- Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1972 24 tungen in NW erscheinen denn auch als Betriebszeitungen, 8 davon als reine Lehrlingsund Jungarbeiterzeitungen, die restlichen 4 als gemeinsame Publikationen der Betriebsgruppen des KJVD und der KPD/ML. Wenn auch der KJVD rein zahlenmäßig keinen Vergleich etwa mit der SDAJ aushält, so hat er es doch verstanden, hin und wieder durch spektakuläre Aktionen - zuletzt mit Demonstrationen während der Olympischen Spiele in München - Aufsehen in der Öffentlichkeit zu erregen. Bei den trotzkistischen Jugendorganisationen hat die für diese Richtung typische Neigung zur Uneinigkeit und Zersplitterung auch in den vergangenen Monaten wieder zu Spaltungen und Neugründungen geführt. Z.T. sind in NW 5 trotzkistische Jugendorganisationen tätig, von denen jede einzeln von sich behauptet, die reine Lehre des trotzkistischen Kommunismus zu vertreten. 2.2.5 Radikale im Schuldienst Einen großen Einfluß auf das Verhältnis der heranwachsenden Jugend zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung können naturgemäß die Lehrer ausüben. Deshalb ist es die besondere Sorge aller hierfür verantwortlichen Kräfte und zuständigen Stellen, ein mögliches Eindringen von Verfassungsfeinden in den Schuldienst zu verhindern. Die Landeszentrale für politische Bildung hat bei ihren zahlreichen Tagungen für Lehramtsanwärter festgestellt, daß rechtsradikale Standpunkte nicht vertreten werden. Linksradikale Ansichten werden weniger laut. Allerdings nehmen an Tagungen nur Freiwillige teil. Die bei den Studientagungen auftretenden Marxisten kommen gewöhnlich gut vorbereitet und zeigen sich als sehr fleißige Arbeiter. Ein mindestens marxistischer und auch "systemüberwindender" Grundzug ist bei der großen Mehrzahl der Teilnehmer festzustellen. Sehr stark ist die Ablehnung des Ministerpräsidenten-Beschlusses über die Beschäftigung von Radikalen im öffentlichen Dienst. Es bleibt die Tatsache bestehen, daß an den Universitäten sehr aktive radikale Minderheiten vorhanden sind, die eine große Anzahl von Sympathisanten als Gefolge bei zeitlich und sachlich begrenzten Anlässen haben. Das betrifft besonders hochschulpolitische Fragen und den studentischen Sozialbereich. 2.3 Arbeitsniederlegungen Aus politischen Gründen und anläßlich betriebsinterner und tariflicher Auseinandersetzungen kam es seit dem 1.1.1972 zu 48 Arbeitsniederlegungen, an denen sich etwa 30.000 Personen beteiligten. Einer Welle von 19 Streiks im Januar, deren Ursache überwiegend tarifrechtlicher Natur war, folgten vom 25. bis 27.4.1972 14 Arbeitsniederlegungen, die mit der parlamentarischen Behandlung der Ostverträge und mit dem Mißtrauensantrag gegen den Bundeskanzler im Zusammenhang standen. Weitere 15 Streiks in diesem Berichtszeitraum richteten sich z.T. gegen beabsichtigte Werksstillegungen. In einigen Fällen versuchten DKP, KPD/ML und KPD, die Streiksituation für ihre politischen Ziele auszunutzen und in Diskussionen mit Flugblättern und Betriebszeitungen auf die Streikenden Einfluß zu gewinnen. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1972 25 2.4 Gewaltandrohungen Ingesamt wurden in den ersten 8 Monaten des Jahres 1972 1.321 Fälle von Gewaltandrohungen registriert. In dieser Zahl sind 1.299 Bombenandrohungen enthalten. Sie richteten sich überwiegend gegen öffentliche Einrichtungen und Wirtschaftsunternehmen, und es wurden dabei Pseudonyme wie "RAF, BaaderMeinhof-Bande, Kommando Petra Schelm" usw. verwandt. Viele Drohbriefe an Politiker und Drohanrufe bei Politikern standen im Zusammenhang mit der Ratifizierung der Ostverträge. 2.5 Maßnahmen im Geschäftsbereich des Justizministers Im Berichtszeitraum haben sich keine Vorgänge von überörtlicher Bedeutung ereignet, die Anlaß zu Koordinierungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaften aufgrund der Rundverfügung des Justizministers vom 14 März 1971 (4100-III A. 198) gegeben hätten. Wegen Straftaten, die durch Demonstrationen oder im Zusammenhang hiermit begangen worden sind, sind in der Zeit vom 1. Januar 1972 bis zum 31. August 1972 311 staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gegen 395 namentlich bekannte sowie gegen weitere nicht bekannte Personen eingeleitet worden. 267 Verfahren haben im Rahmen der Protestbewegung "Roter Punkt", 9 Verfahren im Hochschulbereich begangene Straftaten zum Gegenstand. In der Zeit vom 16. Januar 1972 bis zum 31. August 1972 haben 435 Verfahren wegen Straftaten, die seit dem 1. Januar 1970 durch Demonstrationen oder im Zusammenhang hiermit begangen worden sind, ihren Abschluß gefunden, und zwar a) 269 Verfahren durch Einstellung oder Absehen von der Verfolgung, b) 130 Verfahren durch rechtskräftige Urteile gegen 137 Angeklagte, c) 10 Verfahren durch rechtskräftige Strafbefehle gegen 10 Beschuldigte d) 26 Verfahren durch Verbindung mit anderen Verfahren oder durch Abgabe an andere Staatsanwaltschaften. Am 31. August 1972 waren wegen Straftaten, die seit dem 1. Januar 1970 begangen worden sind, noch 144 Verfahren gegen 268 namentlich bekannte Personen anhängig. In 98 dieser Verfahren ist gegen 161 Personen Anklage erhoben worden oder der Erlaß eines Strafbefehls beantragt worden. Die übrigen Verfahren befinden sich noch im Ermittlungsstadium.