Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 1 Inhaltsverzeichnis 1 Lagebericht vor Mitgliedern des Landtags NRW ...............................................2 1.1 Linksradikalismus........................................................................................................2 1.1.1 Illegale KPD ................................................................................................................2 1.1.1.1 Organisation der KPD ..............................................................................................2 1.1.1.2 Schwerpunkte der Parteiarbeit .................................................................................4 1.1.2 Schwerpunkte der Parteiarbeit ....................................................................................8 1.1.3 Unterstützung der kommunistischen Aktivität aus der SBZ..........................................9 1.1.4 Einschätzung des Linksradikalismus ...........................................................................9 1.2 Rechtsradikalismus ...................................................................................................10 1.2.1 Entwicklung des Rechtsradikalismus.........................................................................10 1.2.2 Gründung der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD)..........................11 1.2.3 Arbeitsgemeinschaft Nationale Politik (ANP) .............................................................12 1.2.4 Aktionsgemeinschaft unabhängiger Deutscher (AUD)...............................................12 2 Berichterstattung vor dem Hauptausschuss des Landtages NRW................14 2.1 Beteiligung rechtsradikaler Parteien an Wahlen......................................................14 2.2 Beteiligung linksradikaler Parteien an Wahlen ........................................................14 2.3 Bundestagswahlergebnisse in NRW ........................................................................14 2.4 Bewertung ..................................................................................................................15 2.5 Rechtsradikale Sammlungsbestrebungen und Kleingruppen ................................15 2.6 Nationaldemokratische Partei Deutschland (NPD) ..................................................16 2.7 NPD in NordrheinWestfalen ....................................................................................17 2.8 Nationalistische Publizistik .......................................................................................17 2.9 Weitere rechtsradikale Organisationen ....................................................................18 2.10 Rechtsradikale Soldatenverbände ..........................................................................18 2.11 Störund Schmieraktionen......................................................................................19 2.12 Schlußbemerkung zum Rechtsradikalismus..........................................................19 2.13 Linksradikalismus....................................................................................................20 2.14 Kommunistische Partei Deutschland (KPD)...........................................................20 2.15 Schwerpunkte der Politik der KPD..........................................................................21 2.16 Die KPD im Untergrund ...........................................................................................21 2.17 Kampf um die Aufhebung des KPD-Verbotes ........................................................22 2.18 Finanzierung und Anleitung der KPD durch die SED ............................................22 2.19 Nordrhein-Westfalen Schwerpunkt der KPD-Arbeit...............................................23 2.20 Publikationen - Literatur - Schulung .......................................................................24 2.21 Kommunistische Betriebsarbeit - Betriebszeitungen............................................25 2.22 Schulung...................................................................................................................25 2.23 "Offene" Arbeit .........................................................................................................25 2.24 Infiltration anderer Verbände und Arbeit in den Tarnorganisationen...................27 2.25 Unterstützung der DFU vor der Bundestagswahl ..................................................28 2.26 Gesamtbetrachtung .................................................................................................29 Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 2 1 Lagebericht vor Mitgliedern des Landtags NRW (Berichtsstand: 7. Juli 1965) 1.1 Linksradikalismus Den Schwerpunkt unserer Arbeit bildet hier nach wie vor der Linksradikalismus - genauer gesagt: Die Arbeit der KPD und ihrer Hilfsorganisationen in der Bundesrepublik und die umfangreiche Unterstützung aus der SBZ, die die SED ihren Satelliten gewährt. 1.1.1 Illegale KPD Die illegale KPD, die nunmehr im neunten Jahre im Untergrund arbeitet (Urteil des Bundesverfassungsgerichts: 17.8.1956), verfügt heute - nach wie vor - über eine zwar kleine, aber straff gegliederte und handlungsfähige Organisation. Nach sehr vorsichtigen Schätzungen beläuft sich die Zahl ihrer aktiven Mitglieder auf etwa 7.000, von denen die Hälfte auf Nordrhein-Westfalen entfällt. Die entscheidende Ursache für den Fortbestand der KPD trotz langjähriger Illegalität ist nach unserer Überzeugung weniger in den umfangreichen materiellen und personellen Hilfsmaßnahmen von jenseits der Demarkationslinie zu suchen, als vielmehr in der alles und jeden beanspruchenden kommunistischen Ideologie, die der Partei die Rolle eines Werkzeuges der Geschichte zumißt - beauftragt, die Menschheit in den erlösenden Endzustand des Sozialismus/Kommunismus zu führen. Es ist daher auch kein Wunder, daß die Führung der KPD ihre Hauptaufgabe darin sieht, diese Ideologie durch die Verteilung von Schulungsmaterial und intensive Funktionärsschulung in der SBZ unter den Mitgliedern lebendig zu erhalten - in der Hoffnung so die Durststrecke bis zur geforderten und ersehnten Aufhebung des KPD-Verbotes zu überwinden. 1.1.1.1 Organisation der KPD Lassen Sie mich nach dieser Vorbemerkung kurz auf die Organisation der KPD eingehen, dem eigentlichen Träger der politischen Arbeit in der Bundesrepublik. Die Führungsspitze, gewählt auf dem 2. Parteitag in der Illegalität im Mai 1963, arbeitet nach wie vor in Ostberlin. Sie besteht, wie Sie wissen, aus dem ZentralKomitee, das überwiegend repräsentative Funktionen hat, dem Polit-Büro (unter Max Reimann), als dem eigentlichen "Gehirn der Partei", und dem Sekretariat, dem die praktische Durchführung der Beschlüsse des Zentral-Komitees und des Polit-Büros obliegt. KPD-Bezirksleitungen In der Bundesrepublik sind oberste Instanzen der illegalen Organisationen die KPD-Bezirksleitungen, deren Gesamtzahl im Bundesgebiet wahrscheinlich 15 beträgt. Nordrhein-Westfalen wurde nach dem KPD-Verbot zunächst in 2 KPDBezirke - Niederrhein und Ruhrgebiet - eingeteilt. Entsprechend der zunehmenden Bedeutung, die unser Land in der kommunistischen Taktik hat, ist die Zahl inzwischen auf 4 erhöht worden. Zur Zeit bestehen folgende KPD-Bezirke: Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 3 1. Niederrhein (in etwa Regierungsbezirk Düsseldorf ohne die Städte des Ruhrgebietes, dafür Teile des Reg.-Bezirks Arnsberg); 2. Mittelrhein (Reg.-Bez. Köln und Aachen, Teile des Reg.-Bezirks Arnsberg); 3. Ruhrgebiet (umfaßt das Ruhrgebiet und den westlichen Teil des Reg.Bezirks Münster); 4. Westfalen-Ost (Reg.-Bezirk Detmold, östlicher Teil der Reg.-Bezirke Münster und Arnsberg). Eine genauere Abgrenzung des räumlichen Wirkungsbereichs der Bezirksleitungen ist z.Zt.. noch nicht möglich, da Erkenntnisse hierüber natürlich nur sehr schwer zu erlangen sind. Im übrigen scheinen die Grenzen verschiedentlich geändert zu werden, je nach den Bedürfnissen der Tagespolitik und der personellen Situation in den Führungskadern. Die Bezirksleitungen setzen sich in der Regel aus mindestens 3 Funktionären zusammen. "Postkurier-Apparat" Die Verbindung zur Führungsspitze in Ost-Berlin - insbesondere zum Sekretariat des Zentralkomitees - wurde bisher durch einen sogenannten "Postkurier-Apparat" gehalten, der Berichte der Bezirksleitungen und Weisungen des Zentralkomitees auf konspirativem Wege den Empfängern zustellte. Dieser Apparat arbeitete nach einem sehr komplizierten, aber minuziös ausgearbeiteten und eingehaltenen System, vornehmlich über das westliche Ausland. Ein leitender Funktionär dieses Apparates (Leiter der Verkehrsabteilung des ZK der SED) ist kürzlich in Süddeutschland schwer verunglückt. Sein Fahrer, der übrigens aus Düsseldorf stammte, kam bei dem Unfall ums Leben. Er hatte Geldsorten aus Österreich, Belgien, Holland und Dänemark bei sich (Hinweis auf Umfang des Apparates). Neuerdings scheinen die Planungen dahin zu gehen, den Postkurierapparat einzustellen und die Verbindung durch periodische Reisen der Bezirksleitungsmitglieder nach Ost-Berlin aufrechtzuerhalten. KPD-Kreisleitungen Die nächste Instanz unterhalb der Bezirksleitungen bilden die Kreisleitungen. Zur Zeit sind in Nordrhein-Westfalen 15 solcher Kreisleitungen erkannt, weitere 11 werden vermutet. Die Verbindung zu den Bezirksleitungen wird durch "Instrukteure", auch "Berater" genannt, aufrechterhalten. Nach dem KPD-Statut sind als Zwischeninstanz zwischen Bezirken und Kreisen noch sogenannte "Gebietsleitungen" vorgesehen, die jedoch in NRW bisher nicht mit Sicherheit erkannt wurden. Wahrscheinlich werden die Funktionen der Gebietsleitungen von einigen Beratern mit wahrgenommen - eine Folge des allgemeinen Kadermangels in der KPD. Grundeinheiten der KPD Unterhalb der Kreisleitungen bestehen die sogenannten "Grundeinheiten", d.h. Betriebsgruppen und Wohngebietsgruppen. Ihre Klärung ist besonders schwierig, Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 4 weil sie sich häufig nur aus sehr wenigen Personen zusammensetzen und deshalb sehr schwer anzusprechen sind. Zur Zeit sind in Nordrhein-Westfalen 20 Betriebsgruppen erkannt, in weiteren 53 Betrieben werden solche Gruppen vermutet. Hinzu kommen etwa 35 Betriebe, in denen KPD-Stützpunkte - meist nur sehr wenige Einzelpersonen ohne feste Organisation - bestehen. Obwohl relativ wenige Grundeinheiten erkannt werden konnten, darf ihre Gesamtzahl doch nicht unterschätzt werden. Um ein Beispiel zu nennen: Das Gebiet einer Großstadt im Ruhrgebiet ist in 6 Stadtteilleitungen gegliedert, die wiederum in Wohngebietsgruppen unterteilt sind. Allein ein Stadtteil umfaßt z.B. 8 Wohngebietsgruppen, davon 2 noch im Aufbau befindlich. Ich erwähne dieses Beispiel um darzutun, daß fehlende Erkenntnismöglichkeiten nicht zu einer Unterschätzung der Gesamtstärke der KPD führen dürfen. Lit.-Vertriebs-Apparat Neben der eigentlichen politischen Organisation spielt der Lit.-Vertriebs-Apparat eine besondere Rolle, in erster Linie, um die Mitglieder mit Schulungsmaterial zu versorgen. Er wird relativ oft umgebaut, seine Klärung ist daher besonders schwierig. Der Zentrale Apparat versorgte Nordrhein-Westfalen bis etwa Juli 1965 monatlich mit etwa 6.000 Exemplaren des KP-Zentralorgans "Freies Volk" und in zweimonatigem Rhythmus mit etwa 2.500 Exemplaren des Schulungsbriefs "Wissen und Tat". Nordrhein-Westfalen bildete hierbei einen eigenen Verteilungsraum, vermutlich mit einer eigenen Druckerei für "Freies Volk", die jedoch nicht ermittelt werden konnte. Für das übrige Bundesgebiet besteht ein nördlicher Verteilerraum für Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen und ein südlicher Verteilerraum für Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg, Bayern und das Saargebiet. Die Tatsache, daß Nordrhein-Westfalen in der Versorgung mit zentralem Material "autark" ist, kann als weiteres Indiz für die besondere Bedeutung unseres Landes in der kommunistischen Taktik gelten. Neben dem zentralen Material wird örtliches Material verteilt, das meist in Eigenfabrikation primitiv hergestellt wird und auch für Außenstehende bestimmt ist. Hierzu zählen einmal die Kreisund Ortszeitungen, von denen seit dem KPDVerbot 41 erschienen sind. Sie treten seit 1963 jedoch nicht mehr in Erscheinung. Wichtiger sind die Betriebszeitungen, von denen seit dem KPD-Verbot 122 erfaßt wurden. Im Jahre 1963 erschienen 40, im Jahre 1964 35 und im Jahre 1965 insgesamt 13 verschiedene Betriebszeitungen. Hier ist aber ein deutlicher Rückgang festzustellen. 1.1.1.2 Schwerpunkte der Parteiarbeit Die Parteiarbeit richtet sich - entsprechend den Bedingungen der Illegalität - in erster Linie auf die Festigung der Organisation. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 5 Mitgliederwerbung Zweifellos macht der KPD Sorge, daß ihr Mitgliederbestand veraltet und Zuwachs insbesondere junger Mitglieder nur sehr schwer zu gewinnen ist. Wie Ihnen erinnerlich sein wird, hatte die KPD im Jahre 1962 ein sogenanntes "Parteiaufgebot" durchgeführt, das aber nur einen Teilerfolg erbrachte. Auf der 3. ZK-Tagung im Mai 1964 wurde ein erneutes Aufgebot beschlossen, das "Karl-LiebknechtAufgebot" hieß und bis zum 15.1.1965 (dem 46. Todestag Karl Liebknechts) gelaufen ist. In der April-Ausgabe des Zentralorgans "Freies Volk" ist eine Erklärung des Polit-Büros abgedruckt, wonach das Aufgebot beendet sei und besondere Erfolge in Hamburg, Bayern und NRW erzielt worden seien. Soweit es sich beurteilen läßt, dürfte jedoch auch dieses 2. Aufgebot erheblich hinter dem gesteckten Ziel - es sollten 2.000 junge Mitglieder geworben werden - zurückgeblieben sein. "Offene" Parteiarbeit Lassen Sie mich die Darstellung der KPD mit einem Wort zu ihrer besonderen Taktik abschließen, die allgemein als "Offene Arbeit" bezeichnet wird. Die KPD sieht - wenn man einmal von der Infiltration anderer Verbände und der Arbeit der Tarnorganisationen absieht - in dieser Taktik das einzig wirksame Mittel, nicht nur ihre politische Agitation - relativ gefahrlos übrigens - zu verbreiten, sondern auch das angebliche Problem des KPD-Verbotes ständig im Gespräch und im Bewußtsein der Öffentlichkeit zu halten. Sie hat daher schon seit längerem ihre Mitglieder immer wieder darauf hingewiesen, daß es nicht genüge, konspirativ in der Organisation zu arbeiten. Ebenso wichtig sei, unter Ausnutzung aller in einem demokratischen Rechtsstaat gegebenen legalen Möglichkeiten, die politische Zielsetzung der KPD in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Auf dem letzten Parteitag der KPD im Mai 1963 prägte Max Reimann die Faustregel: "Illegal soviel wie nötig, legal soviel wie möglich." Formen dieser Taktik sind Ihnen allen bekannt. Ich erinnere beispielsweise an das Auftreten angeblich "unabhängiger" Kandidaten zu den Landtagswahlen 1958 in Nordrhein-Westfalen und den Bundestagswahlen 1961 und an die Herausgabe der in Duisburg erscheinenden Zeitung "tatsachen", die von der KPD NordrheinWestfalens intern allgemein als "unsere offene Zeitung" bezeichnet wird. Dementsprechend gleichen auch die Pressefeste des Verlages - beurteilt nach der Art ihrer Teilnehmer - KPD-Veranstaltungen der legalen Zeit. Weitere Beispiele offener Arbeit sind * das Einsenden von Leserbriefen an Tageszeitungen; * Unterschriftensammlungen und Petitionen - meist zum Thema "Aufhebung des KPD-Verbotes", wie die zur Zeit laufende Aktion des hauptamtlichen Geschäftsführers des BdD; * Umfragen zur angeblichen Meinungserforschung, wie z.B. die Fragebogenaktion eines ehem. KPDund FDJ-Funktionärs aus Bottrop, dem es gelang, von einer Anzahl profilierter Persönlichkeiten eine Stellungnahme zur Frage des KPD-Verbotes zu bekommen und das Ergebnis seiner Aktion in verschiedenen Tageszeitungen unterzubringen; * und schließlich der "Versand offener Briefe", die Ihnen sicherlich allen schon zugegangen sind. Zur Zeit sind beim Landesamt für Verfassungsschutz Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 6 Nordrhein-Westfalen 93 solcher Briefe erfaßt (davon 27 im Jahr 1965), die eindeutig als Aktionen der KPD angesehen werden müssen. Öffentliche Veranstaltungen In letzter Zeit hat in diesem Zusammenhang die Durchführung öffentlicher Veranstaltungen besondere Bedeutung gewonnen. Nach den schon erwähnten Pressefesten der Zeitung "tatsachen" bildete den äußerlich sichtbaren Auftakt die Ihnen sicherlich aus der Presse bekannte "Bewegung von Arbeitnehmern aus ganz Deutschland" am 20.2.1965 in Mannheim. Hier folgte am 12.5.1965 in Düsseldorf ein öffentliches Diskussionsforum zum Thema "KPD - morgen legal?". Ein für den 10.6.1965 in Aachen geplantes Diskussionsforum unter dem Thema "Freie Wahlen ohne legale KPD" ist verboten worden. Die Tatsache, daß die KPD die Düsseldorfer Veranstaltung durchführen konnte, wird von ihr als großer Erfolg betrachtet. Sie beabsichtigt daher, auch in anderen Bundesländern ähnliche Forums-Diskussionen zu veranstalten. Der Ausgang des Verbotsverfahrens in Aachen - die KPD hat die Verfügung des Polizeipräsidenten inzwischen angefochten - wird als Test dafür zu werten sein, in welchem Umfang es der KPD möglich ist, verfassungsmäßig garantierte demokratische Grundrechte für ihre Zwecke zu mißbrauchen. Inzwischen fand in Mainz ein öffentliches Forum über die politische Strafjustiz und die Problematik des KPD-Verbotes statt. Es wurde veranstaltet von einem Petitionskreis für politische Amnestie und Aufhebung des KPD-Verbotes. In der Diskussion ergriff auch ein ehem. KPD-Bundestagsabgeordneter das Wort. Ich will Ihnen nicht vorenthalten, daß die Abwehr gerade dieser Formen der offenen Arbeit besonders schwierig ist, weil die Initiatoren der Veranstaltungen es geschickt verstehen, Grundrechte wie Pressefreiheit, Meinungsfreiheit usw. für ihre Zwecke zu mißbrauchen und den gewünschten politischen Effekt zu erzielen, ohne daß der organisatorische Zusammenhang zur KPD oder die kommunistische Steuerung, Lenkung oder Finanzierung usw. nachgewiesen werden kann. Politische Arbeit im Hinblick auf die Bundestagswahl 1965 Gegenwärtig ist die politische Arbeit der KPD und ihrer Hilfsorganisationen - wie könnte es anders sein? - fast ausschließlich auf die kommenden Bundestagswahlen ausgerichtet. Allerdings befindet sie sich hierbei, wie gleich deutlich werden wird, in einer schwierigen Situation. Die Führungsspitzen der SED/KPD gehen von folgender, etwas vergröbert dargestellten politischen Lage aus (ich referiere hier die kommunistische Auffassung): 1. Das politische Kräfteverhältnis hat sich allgemein zugunsten des sogenannten Sozialismus verändert - das Ansehen der DDR ist auch in der westlichen und neutralen Welt gestiegen. Der Ulbricht-Besuch in Ägypten und die sich hieran anschließenden Auseinandersetzungen zwischen der Bundesrepublik und der arabischen Welt haben die SBZ weiter aufgewertet. 2. Demgegenüber hat sich die innenpolitische Lage in der Bundesrepublik weiter zugespitzt. Die geplante Notstandsgesetzgebung hat breite Protestbewegungen vor allem in der Arbeiterschaft ausgelöst. Preissteigerungen, Mieterhöhungen usw. haben den Lebensstandard der Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 7 Werktätigen in der Bundesrepublik weiter verschlechtert und zu einer allgemeinen Unzufriedenheit geführt. Von dieser politischen Analyse ausgehend versucht die KPD, sich in die Bundestagswahlen einzuschalten. Konkretes Nahziel ist, die gegenwärtige Bundesregierung zu stürzen. Hierüber hinaus allerdings bleibt die Agitation der KPD völlig offen, und das aus gutem Grund: 1. Zu den Bundestagswahlen 1957 hatte die KPD dazu aufgefordert, die SPD zu unterstützen. Diese Taktik wurde alsbald als Fehler erkannt und auch anläßlich der Bundestagswahlen 1961 nicht wiederholt. Sofern noch vereinzelt dahingehende Überlegungen bestanden haben mögen, wurde ihnen durch den Verlauf und die Beschlüsse des Karlsruher Parteitages der SPD der Boden entzogen. 2. Als zweite Möglichkeit bot sich die Aufstellung eigener Kandidaten an, die als sogenannte "Unabhängige" auftreten, wie es zu den Landtagswahlen 1958 in Nordrhein-Westfalen und zu den Bundestagswahlen 1961 versucht wurde. Bisher sprechen keine Anzeichen dafür, daß die KPD versuchen wird, auch zu den diesjährigen Bundestagswahlen mit eigenen Kandidaten aufzutreten. 3. So bleibt als dritte Möglichkeit nur, zur Stimmabgabe für eine kommunistische Tarnorganisation - im vorliegenden Falle für die "Deutsche Friedens-Union" (DFU) - aufzufordern. Auch hier bestehen allerdings - zumindest in einsichtigen Kreisen der SED/KPD-Führung - Bedenken gegen ein allzu starkes Engagement, weil festgestellt wurde, daß die starke Unterstützung, die die DFU zu den Bundestagswahlen 1961 erfahren hatte, ihr eher geschadet als genützt hat. Bei dieser Sachlage wundert es nicht, daß die Stellungnahme der SED/KPD zunächst noch zurückhaltend war. Intern wurden die Mitglieder angewiesen, die Zweitstimme der DFU zu geben, während die Erststimme im Einzelfalle auch anderen - sogenannten "fortschrittlichen" - Kandidaten gegeben werden kann, wenn hierdurch erreicht wird, den Kandidaten der CDU zu schlagen. Wahlprogramm Die offizielle Stellungnahme der KPD zu den Bundestagswahlen 1965 erfolgte in einem Wahlprogramm, das im April 1965 als Sonderausgabe des KPDZentralorgans "Freies Volk" verbreitet wurde und den Titel trägt: "Für eine friedliche und demokratische Bundesrepublik". Es zeichnet sich durch eine Zurückhaltung aus, die selbst unter Berücksichtigung der taktischen Schwierigkeiten der KPD bemerkenswert erscheint. Das Wahlprogramm erschöpft sich in oft sehr allgemein gehaltener Agitation gegen die Politik der Bundesregierung und der CDU, verbunden mit einer Ablehnung der beiden anderen großen Parteien, enthält jedoch keine konkrete Aussage darüber, welcher Partei nun die Stimme des Wählers gegeben werden soll. Statt dessen werden die Wähler aufgefordert, in Versammlungen und Kundgebungen, in persönlichen Aussprachen oder auf andere Weise jedem Kandidaten und jeder Partei folgende drei Fragen vorzulegen: 1. Sind Sie für die Sicherung des Friedens durch Verhinderung einer atomaren Aufrüstung der Bundesrepublik in jeder Form? Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 8 2. Sind Sie für eine Abrüstungsinitiative der Bundesrepublik und für die Verwendung der eingesparten Mittel im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Interesse des werktätigen Volkes? 3. Sind Sie für den Schutz des Grundgesetzes, für den Ausbau der parlamentarischen Demokratie und darum gegen alle Notstandsgesetze? In diesem Wahlprogramm ist zweierlei bemerkenswert, nämlich: 1. Daß es - obwohl die DFU nicht namentlich erwähnt wird - genau auf die politische Argumentation der DFU abgestellt ist. Das Wahlprogramm der DFU, beschlossen auf dem Bundesparteitag am 13./14. März 1965 in Duisburg, ermöglicht es, alle drei der eben zitierten Fragen positiv zu beantworten. 2. Zum zweiten fällt auf, daß das Wahlprogramm von jeglicher Agitation "entschärft" ist, die die eigentliche kommunistische Zielsetzung deutlich werden läßt. Es konzentriert sich ausschließlich auf allgemeine politische Forderungen und umfaßt alle Formen der klassischen kommunistischen Bündnispolitik. Neben allgemeintaktischen Erwägungen dürfte das Bemühen, sich im Hinblick auf die angestrebte Wiederzulassung als demokratische Partei zu präsentieren, hierfür bestimmend gewesen sein. 1.1.2 Schwerpunkte der Parteiarbeit Ob die DFU - als einzige kommunistische Tarnorganisation, die zu den Bundestagswahlen auftritt - allerdings wesentliche Erfolge erzielen wird, erscheint mehr als zweifelhaft. Bei den vergangenen Bundestagswahlen konnte die DFU im Bundesgebiet 1,9% der abgegebenen Stimmen auf sich vereinen, in Nordrhein-Westfalen 2%. Alle Anzeichen sprechen dafür, daß sie auch in diesem Jahr die 5%-Klausel nicht ü- berspringen wird. Die Tatsache, daß sie bei den Kommunalwahlen 1964 in ganz Nordrhein-Westfalen lediglich 8 kommunale Mandate erringen konnte, die zum Teil noch auf das Konto ihrer Schwesterpartei, der "Demokratischen WählerUnion" (DWU) gingen, ist nur ein Indiz für diese Voraussage. So ist denn auch allgemein innerhalb der DFU wenig Zuversicht festzustellen - trotz allem nach außen zur Schau getragenen Optimismus. DWU: Bottrop 5% = 2 Mandate Neviges 5% = 1 Mandat DFU: Solingen 6,1% = 3 Mandate Gevelsberg 5,2% = 1 Mandat Gescher 5,98% = 1 Mandat In der - wahrscheinlich vergeblichen - Hoffnung, mehr Resonanz zu gewinnen, versucht die DFU, nach außen hin den sogenannten Unionscharakter wieder stärker hervortreten zu lassen, um darzutun, daß sich in ihr "alle echten oppositionellen Kräfte" der Bundesrepublik vereinen. Diesem Ziel diente der Versuch, auch außerhalb der DFU stehende Persönlichkeiten zur Kandidatur für die DFU zu bewegen, die insbesondere aus Kreisen der oppositionellen Publizistik gewonnen werden sollten. Das Vorhaben blieb jedoch bisher ohne Erfolg. Allerdings sollen sich unter den Direkt-Kandidaten, die inzwischen in allen Wahlkreisen aufgestellt wurden, nach einer Pressenotiz (Aachener-Nachrichten vom 22.6.1965) 25 Nichtmitglieder der DFU befinden. Nach dem Erkenntnisstand des Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 9 Landesamtes für Verfassungsschutz kann diese Information zur Zeit weder bestätigt noch bestritten werden. Demgegenüber steht jedoch fest, daß ca. 14 der Kandidaten ehemalige KPD-Mitglieder und ca. 37 durch Verbindungen zu kommunistisch beeinflußten Organisationen oder SBZ-Kontakte in Erscheinung getreten sind. 1.1.3 Unterstützung der kommunistischen Aktivität aus der SBZ Noch ein kurzes Wort zur Unterstützung der kommunistischen Aktivität aus der SBZ: Daß vor allem die KPD - aber auch ihre Hilfsorganisationen - ihre Kraftreserven aus dem Gebiet jenseits der Demarkationslinie beziehen ist allgemein bekannt und bedarf keiner weiteren Ausführungen. Ich erinnere nur als Beispiel an die systematisch betriebene Schulung von KPD-Funktionären in der SBZ (Jahreslehrgänge in der KP-Zentralschule "Ernst Thälmann" im Edgar-Andre Heim bei GrossDölln in der Schorfheide; Wochenund Kurzlehrgänge in Oderberg/ Kreis Freienwalde) oder die zahlreichen Propaganda-Veranstaltungen wie die "Deutschen Arbeiterkonferenzen" und den zu Pfingsten (5. bis 7.6.1965) durchgeführten VII. Deutschen Arbeiterjugendkongress in Magdeburg. (Etwa 1800 Teilnehmer aus der Bundesrepublik). Auffällig und erwähnenswert ist jedoch, daß sich in letzter Zeit die Einreise von einzelnen Funktionären und Delegationen aus der SBZ zu verstärken scheint. So erschienen z.B. FDJ-Gruppen in Münster (Kontakte mit SDS-Gruppe Münster im Februar, Mai und Juni 1965), Düsseldorf (Kontakte mit Club 59 am 28.5.1965) und Bonn (3köpfige Delegation des FDJ-Zentralrats nahm am Studentenkongreß "Die Demokratie vor dem Notstand" am 30.5.1965 teil). Frauendelegationen kamen nach Dortmund (gemeinsame Veranstaltung der IFFF und WFFB im Mai 1965), Köln und Düsseldorf und zum Bundeskongreß der VVN am 28./30.5.1965 in Duisburg erschien eine Delegation, der u.a. der frühere Volksbildungsminister und ein Mitglied des ZK der SED angehörten. Die Beurteilung und Klärung solcher Kontakte im Aufgabenbereich des Landesamtes für Verfassungsschutz ist besonders schwierig, weil sicherlich nicht grundsätzlich alle Ost-West-Kontakte dem Verdacht antidemokratischer Betätigung anheim fallen dürfen. Im Gegenteil; sie sind wünschenswert, wenn die uns verbliebenen Verbindungen über den Eisernen Vorhang hinweg nicht völlig abreißen sollen. In den genannten Fällen handelte es sich jedoch sämtlich um Kontakte zu Organisationen und Personengruppen, die dem SBZ-Regime sympathisierend gegenüberstehen. Wenn auch eine endgültige Beurteilung noch nicht möglich ist, scheint es doch, als ob die Westarbeit durch Entsenden von Funktionären in die Bundesrepublik, die mit Errichtung der Mauer am 13.8.1961 fast völlig eingestellt wurde, nunmehr wieder aufzuleben beginnt. 1.1.4 Einschätzung des Linksradikalismus Abschließend zum Gebiet des Linksradikalismus möchte ich noch einen grundsätzlichen Gedanken herausstellen: Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 10 Bei einer Einschätzung des Linksradikalismus in der Bundesrepublik wird man die Tatsache berücksichtigen müssen, daß sich gerade im letzten Jahr im sogenannten "sozialistischen Lager" Veränderungen vollzogen bzw. fortgesetzt haben, die nicht ohne Einfluß auf die KPD und ihre Hilfsorganisationen geblieben sind. Chruschtschow wurde im Herbst 1964 gestürzt. Der machtpolitische und ideologische Konflikt zwischen Moskau und Peking mit seinen permanenten Rückwirkungen auf den Ostblock hat sich eher vertieft als gemildert. Im unmittelbaren Machtbereich der Sowjets setzt sich - wenn wir an Polen und heute vor allem an Rumänien denken - ein bemerkenswerter Differenzierungsprozeß fort und auch die kommunistischen Parteien Westeuropas sind bestrebt, zumindest in taktischen Fragen eigenständige Vorstellungen zu entwickeln. An sich kann man diesen Prozeß begrüßen, weil er eine Reihe von Ansatzpunkten für eine Auseinandersetzung mit dem Kommunismus bietet. Es darf aber hierbei keinesfalls übersehen werden, daß im Zuge dieser Entwicklung auch das SEDRegime zwangsläufig mehr politische Handlungsfreiheit erhalten hat. Zwar wird man auch für die Zukunft davon ausgehen können, daß in den Bereichen der großen Politik, in denen eine unmittelbare Konfrontation mit der Weltmacht USA möglich ist, die Sowjetunion sich die Entscheidungen nach wie vor vorbehält. Unterhalb dieser Ebene aber - d.h. in der Deutschlandfrage und in der politischen und wirtschaftlichen Auseinandersetzung mit der Bundesrepublik - hat die SED heute mehr als bisher freie Hand. (Ich möchte die letzten Störaktionen Ulbrichts gegen West-Berlin als ein Zeichen dieser erweiterten Handlungsfreiheit werten). Die SED aber - und das darf nicht vergessen werden - zählt zu denjenigen kommunistischen Parteien, deren politische Konzeption auch heute noch überwiegend stalinistisch ist. Die KPD muß sich als Werkzeug der SED diesem Kurs zwangsläufig anpassen; ihre faktische Abhängigkeit von der SED läßt eine eigene Politik nicht zu. Diese Tatsache zwingt den Verfassungsschutz in unserem Lande auch dann zu erhöhter Wachsamkeit, wenn sich in größerem Maßstab begrüßenswerte Entspannungstendenzen zeigen. Damit möchte ich die Darstellung des Linksradikalismus abschließen, um noch kurz einige Erkenntnisse zum Lager des Rechtsradikalismus vorzutragen. 1.2 Rechtsradikalismus Ich darf hier zunächst den Bericht des Bundesinnenministeriums über den "Rechtsradikalismus in der Bundesrepublik im Jahre 1964" in Erinnerung bringen, der Ihnen in seinen wesentlichen Inhalt aus der Presse bekannt sein wird. 1.2.1 Entwicklung des Rechtsradikalismus Wie sich hieraus ergibt, war die Entwicklung des Rechtsradikalismus in zurückliegender Zeit durch fortschreitende Zersplitterung und daraus resultierenden Mitgliederschwund gekennzeichnet. Die meisten rechtsextremen Parteien vegetierten außerhalb des Blickfeldes der Öffentlichkeit dahin. Versuche, durch intensive Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 11 Werbung für Parteizeitungen und durch eine verstärkte Jugendarbeit neue Interessenten zu gewinnen, blieben so gut wie erfolglos. Inzwischen haben mehr oder weniger alle sog. "Führer" rechtsradikaler Gruppierungen erkannt, daß die alten Argumente und Symbole ihre Zugkraft weitgehend verloren haben und der Rechtsradikalismus ohne eine grundlegende Änderung der Taktik zur politischen Sterilität verurteilt ist. 1.2.2 Gründung der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) Die Konsequenzen aus dieser Einsicht hat als erste die "Deutsche Reichs-Partei" (DRP) gezogen, deren Parteivorstand sich auf dem Parteitag 1963 in Karlsruhe eine umfassende Vollmacht für das Zustandebringen einer Sammlungsbewegung erteilen ließ. Nach umfangreichen Vorbereitungen gelang dann am 28.11.1964 in Hannover die Gründung der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD), die in erster Linie von der DRP getragen wird. Im April 1965 konstituierte sich die NPD auch in Nordrhein-Westfalen. Auf dem Landesparteitag in Bergkamen am 25.4.1965 wurde der Vorstand gewählt. 2. Vorsitzender wurde ein DRP-Funktionär. Ihr politisches Programm unterbreitete die NPD der Öffentlichkeit auf ihrem Bundesparteitag, der vom 7. bis 9. Mai 1965 in Hannover stattfand, nachdem vorherige Planungen für Frankfurt/Main und Düsseldorf an der Raumfrage gescheitert waren. Die NPD setzt sich aus Mitgliedern vor allem der "Deutschen Reichs-Partei" (DRP) zusammen, die ihrerseits jedoch bisher als Organisation bestehen geblieben ist. Daneben sind zu ihr Anhänger kleinerer rechtsgerichteter Parteien wie der "Deutschen Partei" (DP), des "BHE", der "Gesamtdeutschen Partei" (GDP) und der "Deutschnationalen Volkspartei" (DNVP), aber auch Mitglieder anderer Parteien (FDP, CDU) und bisher Parteilose gestoßen. Parteivorsitzender ist ein Mitglied der DP, der auch der Bremer Bürgerschaft angehört; stellvertretender Vorsitzender der DRP-Vorsitzende Adolf von Thadden. In der Gründung dieser Partei wird allgemein ein Versuch der DRP gesehen, sich vom Anschein der Rechtsradikalität zu befreien, um auf diese Weise bei den Bundestagswahlen erfolgreicher abzuschneiden als vor 4 Jahren. Damals erhielt die DRP nur 0,8% der abgegebenen Stimmen. Schlüsselstellungen im NPD-Bundesvorstand von DRP-Funktionären Für die These, die NPD sei im Grunde genommen nur eine Neuauflage der DRP, sprechen einige Umstände: So sind von den 17 Mitgliedern des Bundesvorstandes 8 ehemalige DRPFunktionäre, 2 Vorstandsmitglieder betätigten sich früher in der als verfassungswidrig verbotenen SRP. Vor allem aber werden alle wichtigen Schlüsselstellungen im Bundesvorstand (Propaganda, Organisation, Geschäftsführung und Kassenwesen) von DRP-Funktionären gehalten. Das Parteiorgan der NPD, die "Deutschen Nachrichten" ist praktisch identisch mit dem ehemaligen "Reichsruf" der DRP. Besonders kennzeichnend ist die Zusammensetzung des Präsidiums, des Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 12 politischen Führungsorgans der Partei. Mit Ausnahme des Parteivorsitzenden haben alle übrigen 8 Präsidiumsmitglieder der NSDAP angehört, 6 davon als "Alte Kämpfer". Analyse der NPD-Vorstände in NRW Andererseits ist jedoch nicht zu verkennen, daß die NPD beachtlichen Zulauf aus Kreisen erhalten hat, die bisher nicht der DRP oder sonstigen rechtsextremen Organisationen angehört haben. Eine vorläufige Analyse über 218 Vorstandsmitglieder aus 51 Kreisverbänden in Nordrhein-Westfalen hat folgendes Bild ergeben: DRP 98 = 45% Sonstige rechtsextreme Organisationen 11 = 5% Bisher nicht einschlägig in Erscheinung getreten 109 = 50% 218 = 100% Wenn auch dieses Zwischenergebnis noch nicht als repräsentativ gelten kann, so zeigt es doch, daß die Hoffnung ihrer Gründer auf einen Einbruch in die Kreise, die gegenwärtig noch außerhalb des organisierten Rechtsradikalismus stehen, offenbar nicht völlig unbegründet ist. Die NPD setzt daher auch alles daran, sich der Öffentlichkeit als eine Partei darzustellen, in der sich die gesamte sogenannte "nationale Opposition" vereinigt und die mit Sicherheit bei den Bundestagswahlen die 5%-Klausel überspringen werde. Die Chancen hierfür sind allerdings nach wie vor gering. Einmal schon deshalb, weil es der NPD bisher nicht gelungen ist, den gesamten organisierten Rechtsradikalismus, dessen Mitgliederzahl auf etwa 23.000 geschätzt wird, in sich aufzunehmen und so als die eine Dachorganisation aller rechtsextremen Verbände attraktiv zu werden. 1.2.3 Arbeitsgemeinschaft Nationale Politik (ANP) Die im März 1964 in Kiel gegründete "Arbeitsgemeinschaft Nationale Politik" (ANP) beteiligte sich nämlich nicht an der geplanten Sammlungsbewegung, da sie der Meinung ist, die Zeit sei hierfür noch nicht reif. Ungeachtet des Einigungsrufes der DRP/NPD baute sie eine eigene Organisation auf, dessen am 7.2.1965 in Düsseldorf gegründeter Landesverband Nordrhein-Westfalen im wesentlichen von der "Deutschen Freiheits-Partei" (DFP) getragen wird - dem abgespaltenen "rechten Flügel" der DRP. Inzwischen hat die ANP beschlossen, ihre Tätigkeit bis zu den Bundestagswahlen ruhen zu lassen. 1.2.4 Aktionsgemeinschaft unabhängiger Deutscher (AUD) Inzwischen hat sich noch eine dritte Dachorganisation gebildet, die - im Gegensatz zur ANP - ebenfalls zu den diesjährigen Bundestagswahlen kandidieren will und damit in Konkurrenz zur NPD tritt. Der am 15./16.5.1965 in Bad Homberg gegründeten "Aktionsgemeinschaft unabhängiger Deutscher" (AUD) gehören die "Deutsche Gemeinschaft" (DG), die national-neutralistische "Vereinigung Deutsche Nationalversammlung" (VDNV) und die bereits in der ANP engagierte "Deutsche Freiheits-Partei" (DFP) an. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 13 Wie sich nunmehr das Verhältnis der DFP zur ANP entwickeln wird, ist zur Zeit noch völlig offen. Sollte die DFP aus der ANP ausscheren, so wäre die ANP zumindest in Nordrhein-Westalen damit ihrer stärksten Stütze beraubt. Andererseits ist durchaus möglich, daß DFP und DG versuchen werden, die ANP in ihre Pläne einzubeziehen. Der ANP-Bundesvorsitzende müßte dann allerdings von seiner bisher erklärten Absicht, erst im Jahre 1969 den Sprung in den Bundestag zu versuchen, abgehen. Kaum Aussicht auf Erfolg bei der Bundestagswahl Allerdings wurden die Fusionsversuche der DFP, DG und VDNV zweifellos zu spät vorgenommen, um noch eine politisch gewichtige Organisation hieraus entstehen zu lassen. Die Gründung und Konsolidierung der beabsichtigten Bewegung dürfte erheblich mehr Zeit beanspruchen, als bis zu den Bundestagswahlen noch zur Verfügung steht. Sollte sich diese Einsicht durchsetzen, so ist nicht auszuschließen, daß die bisher noch abseits stehenden Organisationen sich schließlich doch noch in der NPD zusammenfinden, deren Mitgliederstamm dann erheblich verstärkt würde. Allerdings läßt die in der ANP, der DG und vor allem in der DFP fest verwurzelte Abneigung gegen den DRP-Bundesvorsitzenden von Thadden eine solche Lösung als nicht wahrscheinlich gelten. Wie immer die Entwicklung auch laufen mag: Es gehört keine Prophetengabe dazu, auch für den unwahrscheinlichen Fall einer Einigung aller rechtsradikalen Organisationen der Sammlungsbewegung kaum eine Chance für die Bundestagswahlen einzuräumen. Sie würde, um die Hürde der 5%-Klausel zu überspringen, mindestens 1,5 Millionen Stimmen für sich verbuchen müssen. Demgegenüber erscheint die Mitgliederzahl des organisierten Rechtsradikalismus (23.000) doch zu klein. Dies selbst dann, wenn man berücksichtigt, daß die rechtsradikale Publizistik - ich erinnere z.B. nur an die "Deutsche National-Zeitung und Soldaten-Zeitung" mit einer Auflage von 84.000 Exemplaren - sicherlich das ihre dazu beitragen wird, für die Gedankengänge der "nationalen Opposition" zu werben. Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß es der NPD und den ihr verwandten Organisationen nicht doch noch in letzter Minute gelingt, ihre rechtsradikalen Wurzeln zu verbergen und sich der Öffentlichkeit als eine demokratisch legitimierte Bewegung zu repräsentieren. Ich halte eine solche Möglichkeit für unwahrscheinlich, aber nicht für unmöglich. Ihr zu begegnen wird in erster Linie Aufgabe der Politiker sein. Die Verfassungsschutzbehörden werden das ihre dazu tun, durch laufende Informationen über die weitere Entwicklung erforderliche Abwehrmaßnahmen zu ermöglichen. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 14 2 Berichterstattung vor dem Hauptausschuss des Landtages NRW (Berichtsstand: 13. Januar 1966) 2.1 Beteiligung rechtsradikaler Parteien an Wahlen Die Wahlen zum Fünften Bundestag am 19. September 1965 sind ein sehr eindeutiges Bekenntnis der Bevölkerung der Bundesrepublik zu unserer demokratischen Staatsform gewesen. Sie waren zugleich eine Absage an alle Parteien rechtsoder linksradikaler Prägung. Ich darf noch einmal in Ihr Gedächtnis zurückrufen, daß von den rechtsradikalen Parteien die NPD (DRP) im Bundesgebiet mit 664.187 Zweitstimmen sogar nur 2% der Gesamtstimmenzahl erreichen konnte. Die zweite rechtsradikale Partei, die AUD, hat mit 52.637 Zweitstimmen sogar nur 0,2% der Stimmen erhalten. Insgesamt konnte also das gesamte rechtsradikale Lager in der Bundesrepublik Deutschland lediglich 2,2% Wählerstimmen auf sich vereinigen, obwohl maßgebende Funktionäre dieses Lagers in aller Öffentlichkeit verkündet hatten, sie rechneten mit einem Stimmenanteil von 15%. 2.2 Beteiligung linksradikaler Parteien an Wahlen Auch die linksradikale DFU hat am 19.September 1965 eine vernichtende Niederlage hinnehmen müssen. Während es ihr bei den Bundestagswahlen des Jahres 1961 und auch bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen 1962 gelungen war, jeweils wenigstens 2% aller Stimmen zu erhalten, sank ihr Stimmenanteil bei der letzten Bundestagswahl auf 1,3 %. Die Zahl der Stimmen der übrigen Parteien auf dem Linkssektor(UAD, FSU) ist überhaupt nicht mehr erwähnenswert. Sie erreichten noch nicht einmal den zehnten Teil eines Prozents. 2.3 Bundestagswahlergebnisse in NRW Die Wähler des Landes Nordrhein-Westfalen haben den extremistischen Parteien sogar eine noch deutlichere Absage erteilt. Die NPD erreichte nur 1,1 % die AUD nur 0,1 % beide Parteien also 1,2 % der Wählerstimmen. Sie lagen damit um ein volles Prozent unter dem Bundesdurchschnitt. Ähnlich erging es der DFU. Sie kam hier im Land mit1,3 % der Stimmen nur auf den Bundesdurchschnitt. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 15 2.4 Bewertung So beruhigend vielleicht die Zahlen, die aus dem Ergebnis der Bundestagswahl sprechen, sein mögen, man sollte dennoch nicht verkennen, daß - und die Erfahrungen unserer unheilvollen Vergangenheit einerseits und die weltweiten Spannungen des Ost-West-Konflikts der Gegenwart andererseits lehren uns dies - die Bedrohung unserer Demokratie anhält. Wir sind gezwungen, wachsam die Feinde unserer Freiheit zu beobachten, um so dem Willen des Grundgesetzes - keine Freiheit für die Feinde der Freiheit - zu genügen. Und noch ein Zweites möchte ich einleitend zu dem Ergebnis der Bundestagswahl im Hinblick auf die genannten Parteien sagen. Die etwa gleiche Anzahl der Wählerstimmen auf der rechtsund auf der linksradikalen Seite läßt nicht auch auf einen etwa gleichen Grad der Gefährdung, die von beiden Seiten ausgeht, schließen. Je nach der politischen Auffassung und nach persönlichem Erleben oder persönlichen Erfahrungen wird der eine geneigt sein, dem Rechtsradikalismus die größere Gefährlichkeit beizumessen, während der andere im Linksradikalismus eine schwerwiegendere Gefahr sieht. Auch dem, der von Berufe wegen täglich die Erscheinungsformen des politischen Radikalismus zu beobachten hat, fällt es nicht leicht, insoweit ein sicheres Urteil zu treffen. Ich darf jedoch zu bedenken geben, daß der Rechtsradikalismus auch heute noch im wesentlichen von den e- wig Gestrigen getragen wird, die ohne erhebliche finanzielle Mittel, ohne jegliche Hilfe vom Ausland her und ohne Zuwachs durch die Jugend ihren Ideen nachhängen. Hinter den Kommunisten in der Bundesrepublik dagegen steht die ganze politische Macht des Ostblocks mit seinen - so scheint es wenigstens - unerschöpflichen finanziellen Reserven und der Ideologie des Marxismus - Leninismus, gegen die - das ist immer wieder festzustellen - insbesondere auch gewisse, z. Zt. zwar bedeutungslose Kreise unserer Jugend nicht unanfällig sind (z.B. Ostermarsch, SDS). Beide Bestrebungen mögen z.Zt. keine akute Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland bedeuten, sie bilden jedoch eine latente Gefährdung. In wirtschaftlich schlechten Zeiten hoffen die Funktionäre aller extremistischen Organisationen auf ihre Sternstunde. Dann kann sowohl der Rechtswie der Linksextremismus zu einer offenen Gefahr für den Bestand unserer Staatsform werden. Nach diesen einleitenden Worten darf ich mir erlauben, auf die wichtigsten Geschehnisse des Jahres 1965 auf rechtswie auf linksradikaler Seite einzugehen. 2.5 Rechtsradikale Sammlungsbestrebungen und Kleingruppen Auf dem rechtsradikalen Sektor verstärkten sich im Jahre 1965 die Sammlungsbestrebungen. Das seit Jahren in zahlreichen Parteien, Gruppen und Grüppchen zersplitterte sogenannte rechtsradikale Lager ist sich seiner Ohnmacht und ggf. auch Macht bewußt geworden. Es ist allgemein das Bedürfnis festzustellen, sich zusammenzuschließen, um in einer nationalen Aktionseinheit an der politischen Willensbildung mitzuwirken. Diese Tendenz zeigte sich bereits im Jahre 1964 mit der in Kiel gegründeten "Arbeitsgemeinschaft für Nationale Politik" (ANP). Allerdings gelang es dem Vorsitzenden nicht, in größerem Rahmen eine Einigung herbeizuführen. Die ANP blieb bisher völlig unbedeutend, weil ihr ein überzeugendes Konzept fehlte und nicht zu- Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 16 letzt, weil sie ihre Planungen auf lange Sicht abstellte. In Nordrhein-Westfalen e- xistiert nur noch eine kleine Anhängerschaft. Auch die "Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher" (AUD) - ein Zusammenschluß aus dem Splitterparteien "Deutsche Gemeinschaft" (DG), "Deutsche Freiheitspartei" (DFP) und der "Vereinigung deutsche Nationalversammlung" (VDNV) - fand trotz eines erstaunlichen Werbeaufwandes weder in rechtsgerichteten Kreisen noch in der Öffentlichkeit die erhoffte Resonanz. Ich habe bereits erwähnt, daß die AUD bei der Bundestagswahl nur 52.637 der Stimmen = 0,2 % erzielte. Die besonders in Nordrhein-Westfalen sehr aktiv aufgetretene "Deutsche Freiheitspartei" zerfällt nunmehr. Sie mußte ihr Parteiorgan "Freie Nation" wegen zunehmender Verschuldung verkaufen. Die DFP hat vor wenigen Wochen beschlossen, nach außen nicht mehr als selbständige Partei aufzutreten, sondern nur noch als eine Aktionsgruppe innerhalb der AUD. In Nordrhein-Westfalen ist im Augenblick kein echter organisatorischer Zusammenhalt mehr festzustellen. Viele damalige Mitglieder treten der NPD bei, weil sie auch der AUD keine hinreichende Chance einräumen. 2.6 Nationaldemokratische Partei Deutschland (NPD) Anders verhält es sich jedoch mit der am 28. November 1964 in Hannover gegründeten "Nationaldemokratischen Partei Deutschland" (NPD), die praktisch als Nachfolgeorganisation der inzwischen aufgelösten "Deutschen Reichspartei" (DRP) anzusehen ist. Ihr ist es unter der aktiven Geschäftsführung des früheren DRP-Vorsitzenden Adolf von Thadden innerhalb eines knappen Jahres gelungen, ca. 15.000 Mitglieder zu erfassen und - wie erwähnt - bei der Bundestagswahl 664.187 Stimmen = 2 % zu erhalten. Die Partei hat ihre relative Wahlniederlage verhältnismäßig gut überstanden und es muß damit gerechnet werden, daß sie sowohl im Aufbau als auch bei kommenden Landtagsund Kommunalwahlen weitere Erfolge erzielen wird. Das vor allem, wenn es ihr gelingen sollte, als "demokratische Alternative auf dem nationalen Sektor" zu den bestehenden staatstragenden Parteien in das Bewußtsein der Öffentlichkeit einzudringen. Darauf will sie ihre geschickt gezielte Werbung konzentrieren, die schon bei der Bundestagswahl beachtlich und spektakulär war. Nach außen hin möchte sie alles vermeiden, was zu einem Verbot bzw. zu einer Abstempelung als reaktionäre und revanchistische Partei führen könnte. Dem Parteipräsidium gehören jedoch eine Reihe alter Nationalsozialisten an. Dem Gesellschafterkreis des Parteiorgans "Deutsche Nachrichten" (DN) (Auflage ca. 26 - 30.000) gehörten bisher nur ehemalige DRP-Funktionäre an; nunmehr sind jedoch der NPD-Vorsitzende Thielen und ein Mitglied des NPD-Präsidiums einbezogen worden. Offensichtlich aus taktischen Erwägungen setzt sich das Parteiorgan DN auch nicht mehr unmittelbar mit Fragen der "Bewältigung der Vergangenheit" im nationalistisch verstandenen Sinne auseinander, überläßt dieses vielmehr der im wesentlichen unter gleicher Federführung erscheinenden "Deutschen Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 17 Wochenzeitung" (DWZ) (Auflage ca. 28.000), zu deren Redaktionsstab ebenfalls überwiegend ehemalige Nationalsozialisten gehören, die sich ehedem an führender Stelle (Reichsleitung, Propagandaministerium usw.) betätigt haben. Stets wird mit viel demagogischem Geschick taktiert und argumentiert. Es kann mit einiger Wahrscheinlichkeit wohl schon jetzt gesagt werden, daß sich die NPD zu einem Sammelbecken des bisher zersplitterten Rechtsradikalismus entwickeln wird. Das zeigen die Mitgliederbewegungen - besonders auch nach der Bundestagswahl. 2.7 NPD in NordrheinWestfalen In Nordrhein-Westfalen konnte die NPD bisher noch keine besonderen Erfolge verbuchen. Ich betonte bereits, daß sie bei der Bundestagswahl nur 110.299 = 1,1 % der abgegebenen Zweitstimmen erhielt. Ihren Mitgliederbestand hat sie bei ca. 50 Kreisverbänden bisher nicht über 3.000 steigern können. Es bestehen offensichtlich interne Führungskämpfe, die sich bisher auf die Entwicklung hemmend ausgewirkt haben. Der Landesverband beabsichtigt einstweilen nicht, sich an der Landtagswahl 1966 zu beteiligen. Die endgültige Entscheidung hierüber dürfte jedoch erst fallen, wenn das Ergebnis der Landtagswahl in Schleswig-Holstein, der Senatswahl in Hamburg und der Kommunalwahl in Bayern im Frühjahr 1966 feststeht. Die übrigen rechtsradikalen Parteien sind, soweit sie in Nordrhein-Westfalen ihren Sitz haben oder sich hier betätigen (z.B. FSVP = 80 Mitglieder, DG = ca. 500 Mitglieder in NW), mehr oder weniger bedeutungslos. 2.8 Nationalistische Publizistik Auf dem Gebiete der nationalistischen Publizistik lag auch im Jahre 1965 ein besonderer Schwerpunkt. In der Bundesrepublik befassen sich etwa 40 bis 50 organisationsungebundene Verlage und Buchdienste - zumindest teilweise - mit der Herausgabe oder Verbreitung rechtsextremer Publizistik. Nordrhein-Westfalen schneidet hierbei insofern günstig ab, als in diesem Lande nur 3 bedeutungslose Verlage bzw. Buchdienste ihren Sitz haben. Zu diesen etwa 40 bis 50 organisationsungebundenen Verlagen und Buchdiensten kommen etwa 10 freie Verlage mit regelmäßig erscheinenden Wochenzeitungen, Magazinen und Informationsdiensten. Weiter hinzuzurechnen sind die Organe und Schriften von einschlägigen Organisationen, die allerdings durchweg nur in einer geringen Auflage für die Mitgliederschaft herausgegeben werden. Im Jahre 1965 dürfte der Publikationsumschlag - von dem auch NordrheinWestfalen betroffen wird - voraussichtlich wiederum gestiegen sein. Vor allem bei der "Deutschen National-Zeitung und Soldaten-Zeitung" (DNZSZ), deren regelmäßige Druckauflage nunmehr zwischen 90.000 und 100.000 Exemplaren liegt. Die Staatsschutzorgane müssen diese Entwicklung durchweg hinnehmen, da sie im Rahmen der weitgesteckten Pressefreiheit mit den gegenwärtigen Strafbestimmungen nur schwer eingedämmt werden kann. Wo Straftatbestände erfüllt schienen, wurde die Staatsanwaltschaft jeweils unterrichtet. Es unterliegt keinem Zweifel, daß gewisse Organe unter geschickter Ausnutzung der Pressefreiheit der Bundesrepublik im Inund Ausland schaden. Sie zielen in Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 18 ihrer Berichterstattung offensichtlich darauf ab, Emotionen zu wecken und Hassgefühle aufrechtzuerhalten. Alles in allem liegt in der rechtsextremen Publizistik - eingeschlossen die Kriegsund sonstigen Memoirenliteratur - zwar keine akute, aber auf lange Sicht doch eine potentielle Gefahr, die niemand im voraus kalkulieren kann. Auch unter den obwaltenden stabilen Verhältnissen in der Bundesrepublik sollte sie ernst genommen werden. 2.9 Weitere rechtsradikale Organisationen Als weitere Erscheinungsform auf dem nationalistischen Sektor sind die etwa 50 bis 60 rechtsradikalen Organisationen zu erwähnen, deren Schwerpunkte - soweit sie bedeutsam sind - zwar nicht in Nordrhein-Westfalen liegen, die sich jedoch auch hier teilweise mehr oder weniger stark bemerkbar machen. Ich darf mich darauf beschränken, auf diese Organisationen nur einzugehen, soweit sie auf kulturellem Gebiet und auf dem Gebiet der Jugendarbeit tätig werden. Von den zahlreichen kulturellen Organisationen, die sich u.a. der Pflege "deutscher Wesensart" annehmen, wäre das "Deutsche Kulturwerk Europäischen Geistes" (DKEG) zu nennen. Es ist hinreichend bekannt, daß die etwa 50 Pflegestätten im Bundesgebiet - davon 17 in Nordrhein-Westfalen - zu einem großen Teil von alten NS-Parteimitgliedern geleitet und die Veranstaltung bevorzugt auch von solchen besucht werden. Die Gesamtmitgliederzahl in der Bundesrepublik dürfte zwischen 1.500 und 2.000 liegen (NRW etwa 1/10). Im Jahre 1965 wurde ein "Arbeitskreis Volkstreuer Verbände" (AVV) gegründet, der als Dachorganisation gedacht ist und den Einwirkungsbereich des DKEG verbreitern soll. Die einschlägigen Jugendund Studentenorganisationen entfalteten im Jahre 1965 keine nennenswerte Tätigkeit, schrumpften vielmehr stark zusammen. In den nur noch bestehenden ca. 10 Verbänden sind weniger als 1.000 Mitglieder erfaßt. Hier haben sich besonders die Verbote und Uniformverbote der letzten Jahre ausgewirkt. In Nordrhein-Westfalen gibt es keine eigenständige nationalistische Jugendbewegung mehr; jedoch sind Mitglieder überregionaler Jugendorganisationen auch hier ansässig und treten gelegentlich bei Veranstaltungen hervor (WikingJugend, Bund Heimattreuer Jugend, Kameradschaftsring Nationaler Jugend usw.). 2.10 Rechtsradikale Soldatenverbände Von den als einschlägig anzusehenden Soldatenverbänden dürfte besonders die HIAG interessieren. Ihr Mitgliederbestand ist inzwischen auf unter 5.000 gesunken. Die Zeitschrift "Der Freiwillige" kann nur noch in einer Auflage von etwa 9.000 Exemplaren abgesetzt werden. Die HIAG-Führung beteuert immer wieder, den demokratischen Staat zu bejahen und es gehe ihr lediglich um eine Rehabilitierung der kämpfenden Truppe. Es konnte tatsächlich auch festgestellt werden, daß die Führung radikalen Tendenzen entgegentrat. Die Veranstaltungen, u.a. in Rendsburg, unterlagen - wie immer - einer unterschiedlichen Kritik. Hervorzuheben ist, daß fast an jeder größeren öffentlichen Veranstaltung Abgeordnete aller politischen Parteien teilnahmen. Es konnte nicht festgestellt werden, daß die HIAG ihren Mitgliedern im Bundestagswahlskampf 1965 irgendeine Partei besonders Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 19 empfohlen hat. - Gleichwohl muß die weitere Entwicklung beachtet werden, zumal einige mittlere Funktionäre mit dem "weichen" Kurs der HIAG-Bundesführung nicht einverstanden sind. Im Gegensatz zur HIAG vertritt der etwa 300 Mitglieder zählende "Reichsverband der Soldaten" (RdS), der sich als "nationaler Kampfverband" bezeichnet, vorwiegend politische Thesen, wobei die Themen zur Frage der "Bewältigung der NSVergangenheit" den breitesten Raum einnehmen. Der von einem ehem. SSOberführung geleitete RdS setzt sich für die "geschichtliche Wahrheit" im Sinne einer Rechtfertigung der nazistischen Vergangenheit und den "Reichsgedanken" ein. Demgegenüber werden soziale Belange des Verbandes als zweitrangig erklärt. In dem Verbandsorgan "Soldat und Reich" (Auflage etwa 600 Exemplare) und den "Kameradschaftsbriefen" wird das Hitler-Regime unverhüllt verherrlicht und die heutige Staatsform in der Bundesrepublik angegriffen. Während die Führung des RdS sich offiziell zur Bundestagswahl 1965 nicht äußerte, empfahlen örtliche Funktionäre ihren Mitgliedern, die NPD zu wählen. Der RdS unterhält enge Beziehungen zum "Deutschen Kulturwerk Europäischen Geistes" (DKEG) und will künftig in dem geplanten völkisch-nationalen Jugendarbeitskreis mitarbeiten. 2.11 Störund Schmieraktionen Der internationale Faschismus wirkt sich nur am Rande nach Nordrhein-Westfalen aus, wie bspw. bei einer Person aus Aachen, die mit Unterstützung der "Europafront" an zahlreiche Bundestagsabgeordnete mit einem Hakenkreuz versehene Flugblätter versandte, in denen die Todesstrafe für den Fall angedroht wurde, daß sie für eine Verlängerung der Verjährung stimmen würden. Diese Person konnte mit Hilfe des Verfassungsschutzes gestellt werden und wurde inzwischen vom Landgericht in Köln verurteilt. Die antisemitischen und neonazistischen Schmierund Störaktionen waren 1965 nicht wesentlich stärker als in früheren Jahren. Hervorzuheben ist jedoch, daß die Bamberger Affäre - ähnlich wie 1959 die Synagogenschändung in Köln - wegen ihrer Publizierung eine gewisse Kettenreaktion ausgelöst hat. Vor allem bei den jugendlichen Tätern waren die Motive aber unterschiedlichster Art. 2.12 Schlußbemerkung zum Rechtsradikalismus Das trotz dieser Fülle an Tatbeständen für das Land Nordrhein-Westfalen verhältnismäßig positive Ergebnis dürfte - jedenfalls zu einem beträchtlichen Teil - darauf zurückzuführen sein, daß die Staatsschutzorgane im Lande die nationalistischen Außenseiter der Demokratie nicht aus den Augen gelasen haben. Es wirken sich sowohl die verschiedenen Verbote der vergangenen Jahre wie auch die Strafanzeigen im Falle von Gesetzesübertretungen, die Überwachungsmaßnahmen, die Versagung öffentlicher Räume für Veranstaltungszwecke usw. aus. Das Jahr 1966 wird zeigen, ob sich die vom nationalistischen Lager angestrebte Konzentration fortsetzt. Selbst wenn das der Fall wäre, würde sich eine unmittel- Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 20 bare Gefahr für die Bundesrepublik daraus wohl nicht herleiten, da die Anhängerschaft rechtsradikaler Gedankengänge zu gering erscheint und es sich teilweise auch um ein Generationsproblem handeln dürfte. Man wird die als lästige Randerscheinung der Demokratie zu verstehende Tätigkeit der in Betracht kommenden Kräfte aber im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten einengen und ihr auch weiterhin intensiv entgegenwirken müssen. Das ist eine vielseitige Aufgabe nicht nur des Staates, sondern auch der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit. 2.13 Linksradikalismus Erlauben Sie mir, daß ich mich nunmehr dem Linksradikalismus zuwende. Er bildet, soweit es sich um die Überwachung politisch-subversiver Bestrebungen handelt, nach wie vor den Schwerpunkt unserer Arbeit - genauer gesagt; die Arbeit der KPD und ihrer Hilfsorganisationen in der Bundesrepublik und die umfangreiche Unterstützung aus der SBZ, die die SED ihren Satelliten gewährt. 2.14 Kommunistische Partei Deutschland (KPD) Im Mittelpunkt der linksradikalen Bestrebungen in unserem Land steht auch heute die illegale KPD. Sie ist der Träger der gesamten kommunistischen Arbeit in der Bundesrepublik. Sie hat daher nicht nur die Funktion, die früheren Mitglieder der Partei zusammenzufassen, neue - möglichst jüngere - Mitglieder zu werben und nach außen hin kommunistische Politik zu betreiben; zumindest ebenso wichtig ist ihre Aufgabe, die verschiedenen im Bundesgebiet existierenden kommunistischen Hilfsorganisationen anzuleiten und die Unterwanderung nichtkommunistischer Organisationen zu lenken. In dieser Tätigkeit handelt die KPD nach den Weisungen ihrer Führungsspitze, des Zentralkomitees in Ostberlin, und auf der Grundlage der von der SED entwickelten "Generallinie". Sie geht von der These aus, daß in der Bundesrepublik der Monopol-Kapitalismus sich mit den Organen der Staatsgewalt zu einem "Staatsmonopolitischen" Machtgebilde verschmolzen habe, dessen Politik nicht nur im Widerspruch zu den Interessen der Arbeiterschaft, sondern der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung - bis hinein in die Kreise des nichtmonopolitischen Bürgertums - stehe. Die in dieser Generallinie begründete taktische Linie ist deshalb so angelegt, daß sie - unter geschickter Anpassung an die jeweilige Tagespolitik und unter Ausnutzung möglichst allgemein zugänglicher Losungen wie Frieden, soziale Sicherheit usw. - breite Kreise der Bevölkerung anzusprechen versucht. Die Kommunisten gehen davon aus, daß das kapitalistische System in der Bundesrepublik mit seiner Entwicklung zum staatsmonopolitischen Kapitalismus seine höchste Stufe und damit sein Endstadium erreicht habe. Nach ihrer Auffassung wird sich der Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus in naher Zukunft vollziehen. Allerdings ist dieser Entwicklungsprozeß mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, weil die herrschende Ausbeuterschicht ihre Macht nicht freiwillig abgibt und die breiten Bevölkerungsschichten die Entwicklungstendenzen zu einer neuen Gesellschaftsordnung auf Grund ihrer "Bewußtseinslage" im Augenblick noch nicht zu erkennen vermag. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 21 2.15 Schwerpunkte der Politik der KPD Die Politik der KPD ist deshalb durch folgende Schwerpunkte gekennzeichnet: 1. Die Notwendigkeit des Fortbestandes der KPD als der Partei der Arbeiterklasse, die unverrückbar auf dem Boden des Marxismus/Leninismus steht, also an den Prinzipien der proletarischen Revolution, der Diktatur des Proletariats und des demokratischen Zentralismus festhält. Der Kampf um die Wiederzulassung der KPD wird daher grundsätzlich unter Beibehaltung der bisherigen Zielsetzung geführt. Kompromißvorschläge, werden als ein Versuch zurückgewiesen, die "Avantgarde" der Arbeiterklasse in der Bundesrepublik auf eine antimarxistische Position zu bringen (Erklärung des Polit-Büros des ZK der KPD vom 20.12.1965). 2. Unlösbare Verbundenheit mit dem sogenannten "sozialistischen Lager", weil nur eine echte kommunistische Partei die großen Zusammenhänge in der künftigen Entwicklung zu übersehen und die ausgebeuteten Volksmassen zu führen vermag. 3. Anerkennung der führenden Rolle der KPdSU innerhalb des sozialistischen Lagers - also Ablehnung des chinesischen Standpunktes als "linkssektiererisch" - und der SED im nationalen Rahmen. Der Weg der "DDR", insbesondere die von der SED festgelegten Etappen auf dem Weg zum Sozialismus, werden als beispielhaft für die künftige Entwicklung in der Bundesrepublik angesehen. 4. Überwindung der politischen Spaltung der Arbeiterschaft durch die Politik der "Aktionseinheit der Arbeiterklasse". Das bedeutet, daß die Infiltrationsarbeit der KPD sich auch weiterhin vorzugsweise gegen die SPD und vor allem die Gewerkschaften richtet. Veranlaßt durch die bisherigen Mißerfolge ist die KPD dazu übergegangen, alle Meinungsverschiedenheiten zurückzustellen und die angeblich gemeinsamen Anliegen in den Vordergrund zu rücken. Auf der 6. Tagung des Zentralkomitees, die im November 1965 stattfand, wurden die Funktionäre der KPD angewiesen, bei Diskussionen mit Gewerkschaftern entgegenkommend zu argumentieren und alles zu vermeiden, was die "Aktionseinheit" negativ beeinflussen könnte. Unter Zurückstellung strittiger Grundsatzfragen soll sich die Diskussion auf aktuelle Tagesereignisse (Kündigung von Lohntarifen, drohende Kurzarbeit, Preissteigerung usw.) konzentrieren. 5. Über die Aktionseinheit hinaus: Zusammenschluß aller antimonopolitischen Kräfte zu einer breiten Volksbewegung für die Erhaltung des Friedens und die Sicherung der bürgerlichen Demokratie; d.h. die erklärte grundsätzliche Bereitschaft der KPD, mit allen oppositionellen Kreisen in der Bundesrepublik "ein Stück Weges gemeinsam" zu gehen - selbstverständlich unter Aufrechterhaltung des Führungsanspruches der KPD. 2.16 Die KPD im Untergrund Die Organisation der KPD arbeitet heute im 10. Jahre im Untergrund - in der "Illegalität", wie die Kommunisten bezeichnenderweise selbst sagen (Urteil des Bundesverfassungsgerichts: 17.8.1956). Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 22 Ihr Bestand wird zur Zeit auf etwa 7.000 - 8.000 Mitglieder geschätzt; eine relativ kleine Zahl, wenn man sie absolut nimmt, verhältnismäßig bedeutend hingegen, wenn man bedenkt, daß es sich hier um eine straff gegliederte und autoritätshörige Organisation handelt, deren Arbeitstaktik in 10-jähriger Untergrundarbeit sich immer mehr verbessert hat. Gleichwohl ist die KPD ständig bemüht, ihren Mitgliederbestand zu vergrößern. Dem dienten das Ihnen sicherlich bekannte "Parteiaufgebot" vom 1.1. - 31.12.1962, mit dem 3.000 neue Mitglieder gewonnen werden sollten und das von Mai 1964 bis zum 15. Januar 1965 durchgeführte "Karl-Liebknecht-Aufgebot" (Ermordung Karl Liebknechts: 15.1.1919), das der KPD 2.000 neue Mitglieder zuführen sollte. Nach neuesten Informationen soll Anfang d.J. ein weiteres Aufgebot anlaufen, über das Einzelheiten noch nicht bekannt geworden sind. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, daß auch hier die Mitgliederwerbung im Vordergrund stehen wird. 2.17 Kampf um die Aufhebung des KPD-Verbotes In diesem Zusammenhang ist eine weitere "Aktion" zu erwähnen, die der Festigung der Organisation dient: Auf der 6. Tagung des Zentralkomitees der KPD (November 1965) wurde beschlossen, anläßlich des 10. Jahrestages des KPD-Verbotes (17.8.1966) einen "Kampffonds" zur Stärkung des Kampfes um die "Legalität" der Partei zu schaffen. Der Beschluß des Zentralkomitees ist in der Januar-Ausgabe 1966 des KPDZentralorgans "Freies Volk" veröffentlicht worden und verpflichtet jedes Mitglied, "in den sieben Monaten bis zum 10. Jahrestag des Verbots 50,DM für den Kampffonds zu sammeln". Darüber hinaus ruft das Zentralkomitee dazu auf, "unsere Bemühungen zu verstärken, damit jedes Mitglied es als eine Ehrenpflicht betrachtet, seinen Parteibeitrag regelmäßig und in voller Höhe zu entrichten". Ganz offenbar soll dieser Beschluß weniger den Zweck verfolgen, die finanziellen Mittel der KPD zu erhöhen. Das derzeitige Beitragsaufkommen der KPD (3,bis 4,DM je Mitglied) deckt nur einen sehr geringen Teil des tatsächlichen Aufwandes, der monatlich mehrere Millionen DM betragen dürfte. Auch der "Kampffonds", selbst wenn er 100.000,DM erbringen sollte, würde diese Situation nur unwesentlich verändern. 2.18 Finanzierung und Anleitung der KPD durch die SED In Wahrheit dürfte hinter dem Beschluß die Absicht der KPD-Führung stehen, die Mitglieder durch regelmäßige Beitragszahlung und zusätzliche Spenden mehr an die Organisation zu binden und das "Solidaritätsbewußtsein" zu erhöhen. Darüber hinaus soll hiermit die finanzielle Unterstützung der KPD durch die SED, die den größten Teil des Aufwandes bestreitet, verschleiert werden. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 23 2.19 Nordrhein-Westfalen Schwerpunkt der KPD-Arbeit Das Land Nordrhein-Westfalen als das industriereichste und bevölkerungsreichste Land der Bundesrepublik bildet in der Arbeit der KPD selbstverständlich einen besonderen Schwerpunkt. Das war schon in der legalen Zeit so und gilt heute unverändert. Wie stark die Konzentration der Kommunisten auf unser Land ist, ergibt sich z.B. daraus, daß die Hälfte aller Mitglieder der illegalen KPD in Nordrhein-Westfalen zu Hause ist. Dementsprechend stammen auch die Hälfte der Mitglieder des PolitBüros, des "Gehirns der KPD", aus Nordrhein-Westfalen. In gleicher Weise bestehen in Nordrhein-Westfalen - im Vergleich zu anderen Bundesländern - vier der insgesamt sechzehn KPD-Bezirksleitungen, die höchsten Instanzen der KPD im Bundesgebiet unterhalb der in Ostberlin arbeitenden Führungsspitze, nämlich 1. Niederrhein (in etwa Regierungsbezirk Düsseldorf ohne die Städte des Ruhrgebiets, dafür Teile des Reg.-Bezirks Arnsberg); 2. Mittelrhein (Reg.-Bez. Köln und Aachen, Teile des Reg.-Bezirks Arnsberg); 3. Ruhrgebiet (umfaßt das Ruhrgebiet und den westlichen Teil des Reg.-Bezirks Münster); 4. Westfalen-Ost (Reg.-Bezirk Detmold, östlicher Teil der Reg.-Bezirke Münster und Arnsberg). Eine genauere Abgrenzung des räumlichen Wirkungsbereichs der Bezirksleitungen ist z. Zt. noch nicht möglich, da Erkenntnisse hierüber natürlich nur sehr schwer zu erlangen sind. Im übrigen scheinen die Grenzen verschiedentlich geändert zu werden, je nach den Bedürfnissen der Tagespolitik und der personellen Situation in den Führungskadern. Organisation und Zusammensetzung der Führungskader Die "Bezirksleitungen" setzen sich in der Regel aus mindestens 3 Funktionären zusammen. Die Nr. 1 ist der politische Führungsmann, Nr. 2 ist für Agitation und Propaganda und damit für den gesamten Literaturvertrieb verantwortlich, während der Nr. 3 die Anleitung der Hilfsorganisation und der Infiltrationsarbeit, insbesondere die sogenannte "Gewerkschaftsarbeit", obliegt. Die nächste Instanz unterhalb der Bezirksleitungen bilden die Kreisleitungen. Zur Zeit sind in Nordrhein-Westfalen 15 solcher Kreisleitungen erkannt, weitere 11 werden vermutet (geschätzte Gesamtzahl in NW: etwa 50 - 60). Die Verbindung zu den Bezirksleitungen wird durch "Instrukteure", auch "Berater" genannt, aufrechterhalten. Nach dem KPD-Statut sind als Zwischeninstanz zwischen Bezirken und Kreisen noch sogenannte "Gebietsleitungen" vorgesehen, die jedoch in NordrheinWestfalen bisher nicht mit Sicherheit erkannt wurden. Wahrscheinlich werden die Funktionen der Gebietsleitungen von einigen Beratern mit wahrgenommen - eine Folge des allgemeinen Kadermangels in der KPD. Unterhalb der Kreisleitungen bestehen die sogenannten "Grundeinheiten", d.h. Betriebsgruppen und Wohngebietsgruppen. Ihre Klärung ist besonders schwierig, Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 24 weil sie sich häufig nur aus sehr wenigen Personen zusammensetzen und deshalb sehr schwer anzusprechen sind. Zur Zeit sind in Nordrhein-Westfalen 20 Betriebsgruppen erkannt, in weiteren 53 Betrieben werden solche Gruppen vermutet (geschätzte Gesamtzahl in NW: etwa 120. Hinzu kommen etwa 35 Betriebe, in denen KPD-Stützpunkte - meist nur sehr wenige Einzelpersonen ohne feste Organisation - bestehen. Obwohl relativ wenige Grundeinheiten erkannt werden konnten, darf ihre Gesamtzahl doch nicht unterschätzt werden. Um ein Beispiel zu nennen: Das Gebiet einer Großstadt im Ruhrgebiet ist in 6 Stadtteilleitungen gegliedert, die wiederum in Wohngebietgruppen unterteilt sind. Allein ein Stadtteil umfaßt z.B. 8 Wohngebietsgruppen, davon 2 noch im Aufbau befindlich. Ich erwähne dieses Beispiel um darzutun, daß fehlende Erkenntnismöglichkeiten nicht zu einer Unterschätzung der Gesamtstärke der KPD führen dürfen. 2.20 Publikationen - Literatur - Schulung Neben der eigentlichen politischen Organisation spielt der Lit.-Vertriebs-Apparat eine besondere Rolle, in erster Linie, um die Mitglieder mit Schulungsmaterial zu versorgen. Er wird relativ oft umgebaut, seine Klärung ist daher besonders schwierig. Der Zentrale Apparat versorgte Nordrhein-Westfalen bis etwa Juli 1965 monatlich mit etwa 6.000 Exemplaren des KP-Zentralorgans "Freies Volk" und in zweimonatigem Rhythmus mit etwa 2.500 Exemplaren des Schulungsbriefes "Wissen und Tat". Nordrhein-Westfalen bildete hierbei einen eigenen Verteilungsraum, vermutlich mit einer eigenen Druckerei für "Freies Volk". Etwa im Juni vergangenen Jahres ist die Verteilungstechnik des zentralen Apparates umgestellt worden - offensichtlich aus der Erkenntnis heraus, daß das bisher geübte "von Hand zu Hand-System" zuviel Ansatzpunkte für Maßnahmen des Verfassungsschutzes und der Strafverfolgungsbehörden bot. Man ging nunmehr dazu über, an Hand von Adressenlisten, die beim Zentralkomitee der KPD in Ostberlin zusammengestellt wurden, das Material mit der Post zu schicken. An die Stelle des Kuriers trat also der Briefträger der Deutschen Bundespost. Allerdings zeigte auch dieses System alsbald seine erheblichen Mängel. Durch Observationen von Verfassungsschutzämtern gelang es, am 31.10.1965 in Schleswig-Holstein einen KPD-Funktionär zu stellen, in dessen Besitz sich 2.700 bereits adressierte Briefsendungen befanden. Fast die Hälfte dieser Briefe -1.126waren übrigens an Empfänger in Nordrhein-Westfalen gerichtet, ein weiterer Hinweis auf die besondere Bedeutung unseres Landes in der kommunistischen Arbeit. Wenn auch diese Sendungen keine Grundlage für strafrechtliche Maßnahmen gegen die Empfänger bieten, sind sie doch in nachrichtendienstlicher Hinsicht von erheblichem Wert, weil sie eine gute Übersicht über den in der illegalen KP tätigen Personenkreis geben. Das hat, wie geheime Informationen erkennen lassen, auch die KPD erkannt und es wird daher abzuwarten sein, ob sie wieder zu ihrer alten Verteilungstechnik zurückkehrt. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 25 Neben dem zentralen Material wird örtliches Material verteilt, das meist in Eigenfabrikation primitiv hergestellt wird und auch für Außenstehende bestimmt ist. Hierzu zählen einmal die Kreisund Ortszeitungen, von denen seit dem KPDVerbot 41 erschienen sind. Sie treten seit 1963 jedoch nicht mehr in Erscheinung. 2.21 Kommunistische Betriebsarbeit - Betriebszeitungen Wichtiger sind die Betriebszeitungen, von denen seit dem KPD-Verbot 122 erfaßt wurden. Im Jahre 1963 erschienen 40, im Jahre 1964 35 und im Jahre 1965 insgesamt 13 verschiedene Betriebszeitungen .Hier ist also ein deutlicher Rückgang festzustellen. Die Partei-Arbeit richtet sich im wesentlichen auf 2 Schwerpunkte: Einmal auf die Werbung neuer Mitglieder - ich habe dies bereits vorhin erwähnt - und zum anderen auf die systematische Schulung vor allem der Funktionäre, weil unter den Bedingungen der Illegalität nur ein gründlich geschulter Kommunist wirksame politische Arbeit leisten kann. 2.22 Schulung Ein wirksames Schulungsmittel ist der Vertrieb des schon erwähnten zentralen Schrifttums. Hierin ist auch der Grund dafür zu suchen, daß die KPD trotz zahlreicher Rückschläge durch Polizeiaktionen den Literaturvertriebsapparat immer wieder aufzubauen versucht. Die zweite Form ist die Individualschulung des einzelnen Funktionärs und Mitglieds in Seminaren und Lehrgängen. Allerdings setzen hier die Bedingungen der Illegalität erhebliche Grenzen. Die KPD kann daher Schulungsseminare in der Bundesrepublik nur in sehr kleinem und nicht ausreichendem Maße durchführen. Die eigentliche Schulungsarbeit wurde deshalb in die SBZ verlegt. Hier werden für Mitglieder und untere Funktionäre einoder mehrwöchige Schulungen in einer Parteischule in Oderberg (nördlich von Freienwalde am Marienwerder-Kanal) durchgeführt. Funktionäre, die für mittlere Führungsfunktionen vorgesehen sind - etwa auf Bezirksoder Gebietsebene oder in zentralen Apparaten - werden in Jahresschulungen in der ZentralSchule der KPD "Ernst Thälmann" im Edgar-Andre-Heim bei Groß-Dölln in der Schorfheide auf ihre Aufgaben vorbereitet. Spitzenfunktionäre erhalten zusätzlich eine Ausbildung in der Sowjetunion, wo Schulungen von einem halben bis zu 2 Jahren durchgeführt werden. In den Grenzgebieten - also z.B. in den Regierungsbezirken Aachen und Münster - werden ergänzende Schulungen aus Sicherheitsgründen häufig im westlichen Ausland durchgeführt, wobei Mitglieder der belgischen oder holländischen KPD bei der Beschaffung geeigneter und sicher erscheinender Tagungsstätten Hilfe leisten. 2.23 "Offene" Arbeit Lassen Sie mich die Darstellung der KPD mit einem Wort zu ihrer besonderen Taktik abschließen, die allgemein als "Offene Arbeit" bezeichnet wird. Die KPD sieht - in der Taktik der sog. "Offenen Arbeit" das einzig wirksame Mittel, nicht nur ihre politische Agitation - relativ gefahrlos übrigens - zu verbreiten, sondern auch das angebliche Problem des KPD-Verbotes ständig im Gespräch und im Bewußtsein der Öffentlichkeit zu halten. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 26 Sie hat daher schon seit längerem ihre Mitglieder immer wieder darauf hingewiesen, daß es nicht genüge, konspirativ in der Organisation zu arbeiten. Ebenso wichtig sei, unter Ausnutzung aller in einem demokratischen Rechtsstaat gegebenen legalen Möglichkeiten die politische Zielsetzung der KPD in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Auf dem letzten Parteitag der KPD im Mai 1963 prägte ein hoher Funktionär die Faustregel: "Illegal soviel wie nötig, legal soviel wie möglich." Formen dieser Taktik sind Ihnen allen bekannt. Ich erinnere beispielsweise an das Auftreten angeblich "unabhängiger" Kandidaten zu den Landtagswahlen 1958 in Nordrhein-Westfalen und den Bundestagswahlen 1961 und an die Herausgabe der in Duisburg erscheinenden Zeitung "tatsachen" (Auflage etwa 15.000), die von der KPD Nordrhein-Westfalens intern allgemein als "unsere offene Zeitung" bezeichnet wird. Dementsprechend gleichen auch die Pressefeste des Verlages - beurteilt nach der Art ihrer Teilnehmer - KPD-Veranstaltungen der legalen Zeit. Weitere Beispiele offener Arbeit sind * das Einsenden von Leserbriefen an Tageszeitungen; * Unterschriftensammlungen und Petitionen - meist zum Thema "Aufhebung des KPD-Verbotes" -, wie die Aktion des hauptamtlichen Geschäftsführers des BdD * Umfragen zur angeblichen Meinungsforschung, wie z.B. die Fragebogenaktion eines ehem. KPDund FDJ-Funktionärs aus Bottrop, dem es gelang, von einer Anzahl profilierter Persönlichkeiten eine Stellungnahme zur Frage des KPDVerbotes zu bekommen und das Ergebnis seiner Aktion in verschiedenen Tageszeitungen unterzubringen und * schließlich der "Versand offener Briefe", die Ihnen sicherlich allen schon zugegangen sind. Zur Zeit sind beim Landesamt für Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen 93 solcher Briefe erfaßt (davon 27 im Jahre 1965), die eindeutig als Aktionen der KPD angesehen werden müssen. In letzter Zeit hat in diesem Zusammenhang die Durchführung öffentlicher Veranstaltungen besondere Bedeutung gewonnen. Nach den schon erwähnten Pressefesten der Zeitung "tatsachen" bildete den äußerlich sichtbaren Auftakt die Ihnen sicherlich aus der Presse bekannte "Begegnung von Arbeitnehmern aus ganz Deutschland" am 20.2.1965 in Mannheim. Hier folgte am 12.5.1965 in Düsseldorf ein öffentliches Diskussionsforum zum Thema "KPD - morgen legal?". Ein für den 10.6.1965 in Aachen geplantes Diskussionsforum unter dem Thema "Freie Wahlen ohne legale KPD" ist verboten worden. Am 9.10.1965 wurde in Würselen (Landkreis Aachen) ein "Gesamtdeutsches Bergarbeitertreffen" durchgeführt, an dem auch FDGB-Funktionäre aus der SBZ teilnehmen sollten. Auf Grund vorher durchgeführter Maßnahmen der zuständigen Staatsanwaltschaft blieben diese Funktionäre jedoch aus. Ich will Ihnen nicht vorenthalten, daß die Abwehr gerade dieser Formen der offenen Arbeit besonders schwierig ist, weil die Initiatoren der Veranstaltungen es geschickt verstehen, Grundrechte wie Pressefreiheit, Meinungsfreiheit usw. für ihre Zwecke zu mißbrauchen und den gewünschten politischen Effekt zu erzielen, ohne daß der organisatorische Zusammenhang zur KPD oder die kommunistische Steuerung, Lenkung oder Finanzierung usw. nachgewiesen werden kann. Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 27 Fast immer weisen diese Veranstaltungen jedoch folgende Merkmale auf: 1. Kommunisten sind Träger der Aktionen. 2. Die Träger bekennen sich offen als Kommunisten. 3. Kommunistische Thesen oder Ziele werden vertreten, wie Aufhebung des KPD-Verbotes, Anerkennung der "DDR", Aktionseinheit der Arbeiterklasse u.a. 4. In kommunistischen Publikationsmitteln wird über diese Aktionen und ihre Vorbereitung berichtet. 5. Zur Teilnahme an Veranstaltungen und zu anderen politischen Zwecken reisen Personen aus der SBZ an. Führen solche Personen DM-West mit sich, so ist das ein zusätzliches Indiz. 6. Die Aufwendungen übersteigen offensichtlich das wirtschaftliche Vermögen der Träger. Die Beurteilung, ob das Vorliegen solcher Indizien des Tätigwerden von Strafverfolgungsoder Verwaltungsbehörden veranlaßt und begründet, ist nicht meines Amtes. In der Sicht des Landesamtes für Verfassungsschutz kann jedoch davon ausgegangen werden, daß Veranstaltungen, die alle oder doch die meisten dieser Indizien aufweisen, eindeutig als offene Arbeit der KPD anzusprechen sind. 2.24 Infiltration anderer Verbände und Arbeit in den Tarnorganisationen Neben der sogenannten "offenen Arbeit" ist die Infiltration anderer Verbände und die Arbeit in den Tarnorganisationen das Hauptanliegen der illegalen KPD, d.h. dieser fortlaufende Einwirkungsprozeß auf Verbände und Organisationen, mit dem Endziel, die bestehende legale Staatsund Gesellschaftsordnung nach den Grundsätzen der Ideologie des Marxismus-Leninismus zu ersetzen. Die Infiltration und die Arbeit in den Tarnorganisationen gehören zu den Methoden, mit deren Unterstützung unmerklich und auf die Dauer mit einer zersetzenden Wirkung eine geschlossene Abwehr gegen den Bolschewismus gespalten und untergraben werden soll. Es ist ganz unverkennbar, daß die Gewerkschaften dieser Infiltration durch die KPD in immer stärkerem Maße ausgesetzt werden, zumal die in diesen Organisationen diskutierten Themen sich für ein agitatorisches Vorgehen geradezu anbieten. Man kann aufgreifen, was der DGB sowieso diskutiert, z.B. die Ablehnung der Notstandsgesetzgebung und die atomare Rüstung, das Gesetz über die Partnerschaft zwischen den sozialen Gruppen, das sich zur Verbreitung klassenkämpferischer Argumente ausnutzen läßt und eine Reihe anderer Themen, die geeignet sind, kommunistische Gedanken zu infiltrieren. Die Methoden, mit denen dieses Eindringen in die Gewerkschaften versucht wird, sind deshalb nicht ganz wirkungslos, weil sie im Sinne eines Leninschen Lehrsatzes die demokratischen Rechte ausnutzen, gleichzeitig aber die illegale Verwurzelung im konspirativen Apparat verschleiern. Das illegale, jedoch legal Aussehende liegt darin, das Beschluß, Planung, Vorbereitung, Anweisung und Finanzierung aus dem konspirativen Untergrund stammen und nur die Verwirklichung an die Öffentlichkeit tritt. Es ist Pflicht eines jeden illeg. KP-Mitgliedes in der Bundesrepublik, Mitglied einer Gewerkschaft zu sein. Das Recht jedes arbeitenden Bundesbürgers wird somit zu einer konspirativ gesteuerten Machenschaft, die darauf abzielt, die Gewerkschaften kommunistisch zu unterwandern. In Diskussionsbeiträgen und Antrags- Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 28 formulierungen sollen kommunistische Gedankengänge hochgespielt werden und gleichzeitig soll das KP-Mitglied nach gewerkschaftlichen Funktionen streben und funktionelle Hebel in den Griff bekommen. Unterstützung und Anleitung durch den Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) - Westarbeit der SED In diesem Rahmen nimmt die Westarbeit des FDGB eine wichtige Stelle ein. 1. Etwa seit Mai 1965 reisen in zunehmenden Maße FDGB-Funktionäre mit dem Auftrag, Kontakte zu Gewerkschaftsorganisationen herzustellen, in die BRD ein. In NRW wurden bisher mehr als 30 solcher FDGB-Funktionäre namentlich erfaßt. Bei der Einreise tarnen sich diese Funktionäre zum Teil als "Reisende mit Dienstauftrag", die angeblich westdeutsche Firmen besuchen wollen, zum Teil geben sie aber auch bei den westdeutschen Grenzschutzorganen - oft in provozierender Weise - den wahren Zweck ihrer Reise, nämlich die Kontaktaufnahme mit Funktionären des DGB, offen an. Wie bisher festgestellt wurde, haben diese Kontaktversuche recht unterschiedliche "Erfolge". In zahlreichen Fällen sind die Funktionäre von den Gewerkschaftsorganen abgewiesen worden. Es wurden jedoch auch Fälle bekannt, wo es nicht nur zu der gewünschten Kontaktaufnahme kam, sondern IG-Funktionäre im DGB der Einladung zu einem Gegenbesuch Folge leisteten. Es handelte sich dabei jedoch ausnahmslos um Personen, die bereits einschlägig in Erscheinung getreten waren. 2. Seit Herbst 1965 finden in verstärktem Maße in der SBZ Veranstaltungen mit überwiegend westdeutschen Teilnehmern statt, die häufig von Dozenten der FDGB-Hochschule "Fritz Heckert" in Bernau oder FDGBSpitzenfunktionären geleitet werden. Hauptbzw. Rahmenthemen dieser Veranstaltungen ist "Die Lage der Arbeiterklasse in West-Deutschland". 2.25 Unterstützung der DFU vor der Bundestagswahl Die kommunistischen Tarnorganisationen sowie die mehr oder weniger unter kommunistischem Einfluß stehenden Organisationen hatten sich vor der Bundestagswahl für die "Deutsche Friedensunion" (DFU) stark gemacht, allerdings keineswegs mit geschlossener Kraft und aus der inneren Überzeugung aller führenden Funktionäre, sondern oft genug aus "Einsicht in die Notwendigkeit", die mit dem Einfluß der KPD/SED gegeben ist. Die KPD unterstützte vor der Bundestagswahl offiziell die DFU; jedoch trat diese Unterstützung in der letzten Zeit vor der Wahl hinter der Parole zurück, daß es in erster Linie gelte, der CDU/CSU eine Niederlage zu bereiten. Von den nordrhein-westfälischen Wahlkreiskandidaten der DFU waren ca. 70 %, von den Kandidaten der Landesreserveliste ca. 67 % einschlägig im Sinne der Zuständigkeit des Verfassungsschutzes in Erscheinung getreten. (Hierunter ist im einzelnen zu verstehen: Als ehem. KPD-Funktionäre bzw. Mitglieder, als Mitglieder der illegalen KPD, als Funktionäre oder Mitglieder von verbotenen kommunistischen Tarnorganisationen oder bestehenden Organisationen unter kommunistischem Einfluß sowie Kontakte zur KPD oder den genannten Organisationen oder zur SBZ.) Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 29 Die DFU hat einen Rückgang zu verzeichnen. Dieser Rückgang zeigt sich besonders deutlich in den DFU-"Hochburgen" Solingen und Remscheid, wo diese Partei bei den Bundestagswahlen 1961 noch 6,7 % bzw. 5,1 % gegenüber 4,5 % bzw. 2,9 % bei den letzten Bundestagswahlen erzielen konnte. Daraus läßt sich auf eine ständig abnehmende Resonanz der DFU in der alten kommunistischen Stammwählerschicht schließen. Eine "Volksfront"-Partei findet in diesen Kreisen wenig Anklang. Das bedeutet freilich nicht, daß der Volksfrontgedanke als solcher bei diesen Wählern abgelehnt würde. Man kann annehmen, daß die SED/KPD das Experiment mit der "Volksfront"Partei DFU nunmehr als gescheitert ansieht. Das schließt nicht aus, daß die DFU zu den kommenden Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen wieder Kandidaten aufstellt bzw. eine politische Gruppierung auf DFU-Basis unter neuem Namen zur Wahl antritt. Eine Beteiligung der DFU an den Landtagswahlen ist zur Zeit allerdings noch völlig offen. In einem Grundsatzbeschluß des geschäftsführenden Bundesvorstandes der DFU heißt es zu diesem Thema: "Zum Auftreten der Deutschen Friedens-Union bei den bevorstehenden Landtagsund Kommunalwahlen weist der geschäftsführende Vorstand darauf hin, daß die DFU unbeschadet der Form ihres Auftretens überall aktiv in den politischen Wahlkampf eingreifen wird. Die DFU wird zu den Landtagsund Kommunalwahlen jedoch nur eigene Listen aufstellen, wenn gewichtige Gesichtspunkte, gute Kandidaten, eine kräftige Führung und bisherige Wahlergebnisse dies rechtfertigen. ..." 2.26 Gesamtbetrachtung Abschließend zum Gebiet des Linksradikalismus möchte ich noch einen grundsätzlichen Gedanken herausstellen: Bei einer Einschätzung des Linksradikalismus in der Bundesrepublik wird man die Tatsache berücksichtigen müssen, daß sich gerade im letzten Jahr im sogenannten "sozialistischen Lager" Veränderungen vollzogen bzw. fortgesetzt haben, die nicht ohne Einfluß auf die KPD und ihre Hilfsorganisationen geblieben sind. Chruschtschow wurde im Herbst 1964 gestürzt. Der machtpolitische und ideologische Konflikt zwischen Moskau und Peking mit seinen permanenten Rückwirkungen auf den Ostblock hat sich eher vertieft als gemildert. Im unmittelbaren Machtbereich der Sowjets setzt sich - wenn wir an Polen und heute vor allem an Rumänien denken - ein bemerkenswerter Differenzierungsprozeß fort und auch die kommunistischen Parteien Westeuropas sind bestrebt, zumindest in taktischen Fragen eigenständige Vorstellungen zu entwickeln. An sich kann man diesen Prozeß begrüßen, weil er eine Reihe von Ansatzpunkten für eine Auseinandersetzung mit dem Kommunismus bietet. Es darf aber hierbei keinesfalls übersehen werden, daß im Zuge dieser Entwicklung auch das SEDRegime zwangsläufig mehr politische Handlungsfreiheit erhalten hat. Zwar wird man auch für die Zukunft davon ausgehen können, daß in den Bereichen der großen Politik, in denen eine unmittelbare Konfrontation mit der Welt- Extremismus-Berichte des Innenministeriums NRW an den Landtag oder Landesbehörden 1965 30 macht USA möglich ist, die Sowjetunion sich die Entscheidungen nach wie vor vorbehält. Unterhalb dieser Ebene aber - d.h. in der Deutschlandfrage und in der politischen und wirtschaftlichen Auseinandersetzung mit der Bundesrepublik - hat die SED heute mehr als bisher freie Hand. Die SED aber - und das darf nicht vergessen werden - zählt zu denjenigen kommunistischen Parteien, deren politische Konzeption auch heute noch überwiegend stalinistisch ist. Die KPD muß sich als Werkzeug der SED diesem Kurs zwangsläufig an-passen; ihre faktische Abhängigkeit von der SED läßt eine eigene Politik nicht zu. Diese Tatsache zwingt den Verfassungsschutz in unserem Lande auch dann zu erhöhter Wachsamkeit, wenn sich in größerem Maßstab begrüßenswerte Entspannungstendenzen zeigen.