Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport Verfassungsschutzbericht 2009 Vorwort Liebe Bürgerinnen und Bürger! Mit der Vorlage des Verfassungsschutzberichtes für das Jahr 2009 kommt das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport seinem gesetzlichen Auftrag nach, die Öffentlichkeit über Aktivitäten zu informieren, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und damit das Fundament unseres Gemeinwesens richten. Der Verfassungsschutz ist Ausdruck einer wehrhaften Demokratie. "Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit!" - damit lässt sich treffend die Entscheidung des Grundgesetzes und der Niedersächsischen Verfassung umschreiben, extremistischen Bestrebungen, die auf eine Beseitigung des freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaats abzielen, nachdrücklich entgegenzutreten. Die Gefahren des politischen Extremismus sind vielfältig. Diese Gefahren müssen transparent gemacht werden - frühzeitig und umfassend. Das ist das zentrale Ziel des alljährlichen Verfassungsschutzberichts. Anhaltende Bedrohung durch Islamisten Niedersachsen lässt sich von der sicherheitspolitischen Lage, in der sich Deutschland und Europa befinden, nicht abkoppeln. Vor allem der islamistische Terrorismus stellt eine ernsthafte Bedrohung dar. Längst steht auch Deutschland in seinem Fadenkreuz. Wie konkret die Gefahrenlage werden kann, haben etwa die Aktivitäten der so genannten Sauerland-Gruppe gezeigt. Die im Jahr 2007 festgenommenen Mitglieder dieser Terrorzelle wollten in Deutschland aus politisch-religiöser Verblendung Bombenanschläge begehen; sie sind deshalb im März 2010 zu hohen Haftstrafen verurteilt worden. Die Spur der Terroristen führte auch nach Niedersachsen. Aus dem Raum Braunschweig hatten sie Unterstützung erhalten, zudem erwarb die "Sauerland-Gruppe" hier Material zur Sprengstoffherstellung. Im Jahr 2009 haben islamistische Terroristen versucht, über zahlreiche Drohvideos Einfluss auf die Bundestagswahlen zu nehmen. Wir wissen, dass auch Personen aus Niedersachsen in Terrorcamps ausgebildet wurden und wieder zu uns zurückgekehrt sind. Diese Entwicklung zeigt, wie real die Gefahr ist. Verfassungsschutz, Polizei und Justiz dürfen in ihrer Wachsamkeit nicht nachlassen. Der Nährboden für den Terrorismus ist der geistige Extremismus. Mit großer Sorge blicken wir deshalb auf salafistische Prediger, die in Moscheen, Vereinen und im Internet zahlreiche Anhänger finden. Salafisten lehnen die Demokratie ab und streben die Theokratie (Gottesherrschaft) an. In Braunschweig ist ein geistiges Zentrum der Salafisten entstanden, um das sich ein weit über die Landesgrenzen reichendes Netzwerk gebildet hat. Nicht jeder Salafist entwickelt sich zum Terroristen. Aber wir wissen, dass spätere Terroristen fast immer salafi- stische Seminare und Schulungen besucht haben. Diese Unterweisungen wirken radikalisierend. Auch das macht solche Schulungszentren gefährlich. Rechtsextremismus bleibt ernste Herausforderung Unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung wird nach wie vor von Rechtsund Linksextremisten bedroht. Erfreulich ist, dass der dem rechtsextremistischen Spektrum zuzurechnende Personenkreis in Niedersachsen im Jahr 2009 kleiner geworden ist. Allerdings gibt es keinerlei Grund zur Entwarnung. Der Rechtsextremismus unterliegt einem großen Wandel. Wir beobachten eine immer stärkere Vermischung von Parteimitgliedern der NPD mit so genannten "freien Nationalisten" sowie neonazistischen Kameradschaften. Auch die Grenzen zur Subkultur verwischen: Autonome Nationalisten erstarken und kooperieren mit anderen Rechtsextremisten. Zudem gibt es Versuche, die Jugendorganisation der NPD, die "Jungen Nationaldemokraten", zu reorganisieren. Insgesamt lässt sich feststellen: Rechtsextremisten werden jünger und unternehmen große Anstrengungen, Nachwuchs zu gewinnen. Sie verteilen gezielt Schülerzeitungen wie "Der Bock" oder versuchen mit einer raffinierten Strategie, über Internet-Netzwerke wie Facebook oder SchülerVZ gezielt Jugendliche anzusprechen und zu werben. Prävention durch Aufklärung Deswegen müssen wir Präventionsmaßnahmen verstärken. Mit der 2009 gegründeten Niedersächsischen Extremismus-Informations-Stelle (NEIS) haben wir unsere Präventionsarbeit gebündelt, fortentwickelt und um weitere Bausteine ergänzt. Dazu gehören das Aussteigerprogramm "Aktion Neustart" oder Bemühungen, die Schülerinnen und Schüler auf der Grundlage von Lehrerfortbildungen, Vortragsveranstaltungen, Ausstellungen und Planspielen sowie über eine Qualifizierung von Ehrenamtlichen gegen den Rechtsextremismus zu immunisieren. Unter der Federführung von NEIS hat der Niedersächsische Verfassungsschutz 2009 eine Reihe von Extremismus-Symposien veranstaltet, zunächst zum Links-, dann auch zum Rechtsextremismus. Sie fanden große Resonanz und Anerkennung als "gelungene Beispiele guter politischer Bildung". Für den niedersächsischen Verfassungsschutz gilt die Devise: Der Kampf gegen politischen Extremismus beginnt in den Köpfen. NEIS steht für eine moderne Präventionsund Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes, mit der wir auch künftig das geistige Fundament unserer Demokratie stärken und insbesondere junge Menschen gegen extremistisches Gedankengut immunisieren werden. Linksextremismus nicht verharmlosen Mit großer Sorge verzeichnen wir in Niedersachsen entsprechend einem bundesweiten Trend eine Zunahme linksextremistischer Gewalttaten. Brandanschläge - zumeist in Göttingen - und Straßenkrawalle bei Demonstrationen haben auch Menschenleben gefährdet. Opfer sind vor allem Polizeibeamtinnen und -beamte. Deshalb muss einmal mehr vor jeglicher Verharmlosung links gerichteter Gewalt gewarnt werden. Im Jahr 2009 hat der Verfassungsschutz seine anerkannte Präventionsarbeit um den Bereich Linksextremismus ergänzt. Ob Rechtsoder Linksextremismus: Das Leitprinzip einer wehrhaften Demokratie verlangt, jegli- cher Form des Kampfes gegen die Grundfesten unseres Gemeinwesens mit Nachdruck entgegenzutreten. Es ist deswegen auch keineswegs harmlos, wenn einzelne Mitglieder und Funktionäre der Partei DIE LINKE Beziehungen zum gewaltbereiten autonomen Linksextremismus unterhalten. Entgegen mancher Erwartungen hat die Vereinigung von PDS und WASG zur Partei DIE LINKE nicht zu einer Mäßigung, sondern eher zu einer Radikalisierung der Partei geführt. Vor derartigen Gefahren warnen keineswegs nur Verfassungsschutzämter, sondern auch Obergerichte. So urteilte das Oberwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen im Februar 2009, dass DIE LINKE Bestrebungen verfolgt, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Die Partei, so das Oberverwaltungsgericht, biete einen "Nährboden für verfassungsfeindliche Bestrebungen". Konsequenterweise halten die Richter eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz für erforderlich. Auch der niedersächsische Verfassungsschutz wird seinem gesetzlichen Auftrag weiterhin nachkommen und DIE LINKE als Beobachtungsobjekt einstufen. Schutz niedersächsischer Unternehmen vor Spionage Weitere Kernaufgaben des Verfassungsschutzes sind die Spionageabwehr und der Geheimschutz. Niedersachsen ist als Standort innovativer Unternehmen für Spitzentechnologien im Fokus zahlreicher fremder Nachrichtendienste. Der präventive Aspekt der Abwehrarbeit wird seit Jahren durch einen starken Wirtschaftsschutz geleistet. Er ist zu einem anerkannten Partner der niedersächsischen Unternehmen geworden. Diesem vorbeugenden Aspekt wird auch in Zukunft große Bedeutung zukommen. Mein herzlicher Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Niedersächsischen Verfassungsschutzes, an ihrer Spitze Präsident Günter Heiß, der Ende 2009 in das Bundeskanzleramt wechselte. Sein Nachfolger, Präsident HansWerner Wargel, wird die bewährte Arbeit fortsetzen und dafür Sorge tragen, dass der Verfassungsschutz in Niedersachsen weiterhin dem effektiven Schutz unserer freiheitlichen Ordnung dient. Für diese sicherheitspolitische Kernaufgabe wünsche ich ihm und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verfassungsschutzbehörde viel Erfolg. Uwe Schünemann Niedersächsischer Minister für Inneres und Sport 1. Verfassungsschutz in Niedersachsen 2. Vorbemerkungen 3. Ausländerextremismus 4. Rechtsextremismus 5. Linksextremismus 6. Scientology-Organisation 7. Spionageabwehr 8. Geheimund Wirtschaftsschutz 9. Anhang, Abkürzungs-, Personen-, Stichwortund Ortsverzeichnis INHALTSÜBERSICHT 1. DER VERFASSUNGSSCHUTZ IN NIEDERSACHSEN .................................................. 15 1.1 Verfassungsschutz und Demokratie............................................................................ 15 1.2 Gesetzliche Grundlagen............................................................................................... 17 1.3 Hauptaufgaben des Verfassungsschutzes .................................................................. 17 1.4 Organisation ................................................................................................................. 18 1.5 Informationsgewinnung .............................................................................................. 18 1.6 Keine polizeilichen Befugnisse .................................................................................... 19 1.7 Kontrolle ....................................................................................................................... 19 1.8 Verfassungsschutz als Nachrichtendienst ................................................................... 20 1.9 Beschäftigte .................................................................................................................. 20 1.10 Haushalt ........................................................................................................................ 20 1.11 Mitwirkungsaufgaben des Verfassungsschutzes........................................................ 21 1.12 Projektorganisation Gemeinsames Informationsund Analysezentrum Polizei und Verfassungsschutz Niedersachsen (GIAZ - Niedersachsen) .................... 22 1.13 Informationsverarbeitung ........................................................................................... 23 1.14 Auskunftsersuchen von Bürgerinnen und Bürgern ................................................... 24 1.15 Niedersächsische Extremismus-Informations-Stelle-NEIS ........................................... 25 1.151 Presseund Bürgerkontakt ............................................................................ 25 1.15.2 Vortragsund Informationsveranstaltungen ................................................ 26 1.15.3 Ausstellung "Unsere Demokratie schützen - Verfassungsschutz gegen Extremismus ........................................................................................ 26 1.15.4 Lehrerfortbildung ........................................................................................... 27 1.15.5 Beratung von Kommunen .............................................................................. 27 1.15.6 Symposium ...................................................................................................... 27 1.15.7 Informationsmaterialien von NEIS ................................................................. 27 1.15.8 Partner von NEIS ............................................................................................. 28 1.15.9 Ausstellung "Muslime in Niedersachsen - Probleme und Perspektiven der Integration" ....................................................................... 28 1.15.10 Kontaktdaten .................................................................................................. 29 2. VORBEMERKUNGEN ..................................................................................................... 31 2.1 Umfang der Berichterstattung .................................................................................... 31 2.2 Hinweis zur Rechtschreibung ...................................................................................... 31 3. AUSLÄNDEREXTREMISMUS............................................................................... 32 3.1 Mitglieder-/Anhänger-Potenzial ................................................................................. 32 3.2 Politisch motivierte Kriminalität (PMK) mit extremistischem Hintergrund .............. 34 3.3 Einführung.................................................................................................................... 38 3.3.1 Islamismus als politische Weltanschauung .................................................... 38 3.3.2 Die terroristische Dimension des Islamismus................................................. 42 3.3.3 Mediale Verbreitung islamistischer und fundamentalistischer Positionen ....................................................................................................... 47 3.3.4 Wegfall der Berichterstattung ....................................................................... 49 3.4 Muslimbruderschaft (MB) ............................................................................................ 50 3.4.1 Ursprung und Entwicklung ............................................................................ 50 3.4.2 Die Muslimbruderschaft in Deutschland und in Niedersachsen .................. 51 3.5 Tablighi Jama'at (TJ, Gemeinschaft der Missionierung und Verkündung) .............. 53 3.5.1 Ursprung und Entwicklung ............................................................................ 54 3.5.2 Aktivitäten von TJ-Anhängern in Deutschland und in Niedersachsen ........ 54 3.6 Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V. (IGMG) ..................................................... 56 3.6.1 Ursprung und Entwicklung ............................................................................ 56 3.6.2 Die IGMG in Deutschland und in Niedersachsen .......................................... 57 3.6.3 Aktivitäten in Deutschland und in Niedersachsen........................................ 58 3.6.4 Die Milli Gazete als Sprachrohr der Milli Görüs-Bewegung......................... 59 3.7 Schiitischer Islamismus ................................................................................................. 62 3.8 Hizb Allah (Partei Gottes) ............................................................................................ 63 3.8.1 Ursprung und Entwicklung ............................................................................ 64 3.8.2 Die Hizb Allah in Deutschland und in Niedersachsen .................................. 64 3.9 Nicht islamistische Ausländerorganisationen ............................................................. 65 3.10 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) / Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans (KADEK) / Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL) / Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan (KKK) / Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans (KCK) ..... 66 3.10.1 "EU-Terrorliste" .............................................................................................. 68 3.10.2 Organisatorische Strukturen .......................................................................... 68 3.10.3 Finanzierung ................................................................................................... 71 3.10.4 Newroz-Fest in Hannover ............................................................................... 71 3.10.5 Weitere Veranstaltungen in Niedersachsen ................................................. 72 3.10.6 Kommunalwahlen in der Türkei und deren angebliche Manipulation ...... 74 3.10.7 Friedenspläne zur Lösung des "Kurdenproblems" ....................................... 74 3.10.8 "Verschärfte" Haftbedingungen Abdullah ÖCALANs.................................. 75 3.10.9 Verbot der prokurdischen Partei DTP in der Türkei ..................................... 76 3.11 Devrimci Sol (Dev Sol) / DHKP-C und THKP-C-Devrimci Sol ....................................... 77 3.11.1 Ursprung und Entwicklung ............................................................................ 78 3.11.2 Aufruf zur Bewaffnung .................................................................................. 78 3.11.3 Struktur in Deutschland ................................................................................. 79 3.11.4 Aktivitäten in Niedersachsen ......................................................................... 79 3.12 Türkische Kommunistische Partei / Marxisten-Leninisten (TKP/ML).......................... 80 3.12.1 Ursprung und Entwicklung ............................................................................ 80 3.12.2 Aktivitäten in Deutschland und in Niedersachsen........................................ 81 3.13 Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE, Befreiungstiger von Tamil Eelam)............. 83 3.13.1 Ursprung und Entwicklung ............................................................................ 83 3.13.2 Aktivitäten in Deutschland ............................................................................ 84 3.13.3 Heldengedenktag 2009 .................................................................................. 85 4. RECHTSEXTREMISMUS....................................................................................... 86 4.1 Mitglieder-Potenzial .................................................................................................... 86 4.2 Politisch motivierte Kriminalität (PMK) mit extremistischem Hintergrund .............. 88 4.3 Einführung.................................................................................................................... 92 4.4 Überblick über die aktuellen Entwicklungen im Rechtsextremismus ....................... 94 4.5 Immobiliengeschäfte mit rechtsextremistischem Hintergrund ................................. 98 4.6 Rechtsextremistischer Geschichtsrevisionismus ........................................................ 101 4.6.1 Revisionistische Aktivitäten in Niedersachsen ............................................ 103 4.6.2 Revisionistische Einflussnahme an Schulen ................................................. 105 4.7 Rechtsextremistische Skinheads und sonstige gewaltbereite Rechtsextremisten ..................................................................................................... 106 4.7.1 Geschichte der Skinheads ............................................................................. 107 4.7.2 Skinheads in Deutschland ............................................................................ 108 4.7.3 Ideologie ....................................................................................................... 109 4.7.4 Erscheinungsbild ........................................................................................... 109 4.7.5 Rechtsextremistische Musikszene ................................................................ 110 4.7.6 Niedersächsische Vertriebe .......................................................................... 114 4.7.7 Rechtsextremistische Musik in Niedersachsen ............................................ 114 4.7.8 Rechtsextremistische Konzerte in Niedersachsen ....................................... 117 4.8 Rechtsextremistische Aktivitäten im Internet .......................................................... 118 4.9 Neonazistische Szene ................................................................................................. 120 4.9.1 Organisationsformen ................................................................................... 120 4.9.2 Irreführende Verwendung des Kameradschaftsbegriffs ............................ 122 4.9.3 Autonome Nationalisten .............................................................................. 122 4.9.4 Ideologie der neonazistischen Szene .......................................................... 123 4.9.5 Freie Nationalisten und die NPD ................................................................. 124 4.9.6 Autonome Nationalisten und die NPD ........................................................ 125 4.9.7 Neonazistische Kameradschaften und Aktionsgruppen in Niedersachsen und ihre Aktivitäten ............................................................ 126 4.9.8 Szeneveranstaltungen als Kontaktund Informationsbörsen ................... 139 4.9.9 Länderübergreifende Zusammenarbeit ...................................................... 140 4.10 Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V. (HNG) ............................................................................................. 141 4.10.1 JVA-Report .................................................................................................... 142 4.11 Heimattreue Deutsche Jugend e. V. (HDJ) ............................................................... 142 4.11.1 Verbot der HDJ ............................................................................................. 143 4.11.2 Entstehungsgeschichte und Organisation................................................... 144 4.11.3 Anklage wegen "Rasseschulung" ................................................................ 145 4.12 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) ................................................. 146 4.12.1 Geschichte und Entwicklung ........................................................................ 146 4.12.2 Organisationsund Mitgliederentwicklung ................................................ 147 4.12.3 Bundesparteitag ........................................................................................... 148 4.12.4 Ideologie und Strategie ............................................................................... 149 4.12.5 "Kampf um die Straße" ............................................................................... 150 4.12.6 "Kampf um die Parlamente" ....................................................................... 151 4.12.7 "Kampf um die Köpfe" ................................................................................ 152 4.12.8 "Kampf um den organisierten Willen" ....................................................... 153 4.12.9 Volksgemeinschaft ....................................................................................... 153 4.12.10 NPD kündigt "Deutschland-Pakt" mit der DVU auf ................................... 155 4.12.11 Finanzsituation ............................................................................................. 155 4.12.12 Landtagswahlen ........................................................................................... 156 4.12.13 Zusammenarbeit mit Freien Nationalisten - Volksfront von Rechts ......... 156 4.12.14 Ring Nationaler Frauen (RNF) ...................................................................... 157 4.12.15 Entwicklung in Niedersachsen ..................................................................... 157 4.12.16 Landesparteitag ............................................................................................ 159 4.12.17 Ergebnisse der NPD-Niedersachsen bei der Bundestagswahl .................... 161 4.12.18 Demonstrationen .......................................................................................... 161 4.13 Junge Nationaldemokraten (JN) ............................................................................... 163 4.13.1 Geschichte und Entwicklung ........................................................................ 163 4.13.2 Entwicklung in Niedersachsen ..................................................................... 164 4.14 Deutsche Volksunion (DVU) ...................................................................................... 165 4.14.1 Bundesparteitag ........................................................................................... 165 4.14.2 Landesparteitag ............................................................................................ 166 4.14.3 Organisationsstruktur .................................................................................. 166 4.14.4 Teilnahme an Wahlen .................................................................................. 167 4.14.5 Programmatik ............................................................................................... 167 4.14.6 Die Bedeutung der National-Zeitung für die DVU ..................................... 169 4.14.7 Zusammenarbeit mit anderen rechtsextremistischen Organisationen ..... 169 4.15 Intellektualisierungsbemühungen im Rechtsextremismus ...................................... 170 4.15.1 Gesellschaft für freie Publizistik e. V. (GFP) ................................................ 171 4.15.2 Kontinent Europa Stiftung (KES) ................................................................. 172 4.15.3 Thule-Seminar ............................................................................................... 172 4.15.4 Nation & Europa (N & E) .............................................................................. 173 4.15.5 Deutsche Akademie (DA) ............................................................................. 174 5. LINKSEXTREMISMUS ........................................................................................ 176 5.1 Mitglieder-Potenzial .................................................................................................. 176 5.2 Politisch motivierte Kriminalität (PMK) mit extremistischem Hintergrund ............ 178 5.3 Einführung.................................................................................................................. 182 5.4 Überblick über die aktuellen Entwicklungen im Linksextremismus ....................... 184 5.5 Autonome und sonstige gewaltbereite Linksextremisten ...................................... 186 5.5.1 Ursprünge und Ziele ..................................................................................... 186 5.5.2 Gewalttätige Aktionen in Niedersachsen ................................................... 199 5.5.3 Aktionsfeld "Antifaschismus" ...................................................................... 191 5.5.4 Aktionsfeld "Antirepression" ...................................................................... 196 5.5.5 Aktionsfeld "Antimilitarismus" ................................................................... 198 5.5.6 Aktionsfeld "Antirassismus" ........................................................................ 203 5.5.7 Einflussnahme von Linksextremisten auf die Proteste gegen Atomenergie und Castor-Tansporte ............................................................ 204 5.6 Gruppierung AVANTI - Projekt undogmatische Linke ............................................ 207 5.6.1 AVANTI Hannover ........................................................................................ 207 5.6.2 Vorbereitung der Gegendemonstration des linksextremistische8 Spektrums zum NPD-Aufmarsch am 1. Mai in Hannover ........................... 208 5.6.3 Agitation zur Weltklimakonferenz in Kopenhagen................................... 209 5.7 Linksextremistische Musikszene ................................................................................ 210 5.8 DIE LINKE. ................................................................................................................... 212 5.8.1 Verfassungsfeindlichkeit .............................................................................. 213 5.8.2 Programmentwurf ........................................................................................ 216 5.8.3 Globale Wirtschaftsund Finanzkrise .......................................................... 217 5.8.4 Gegenöffentlichkeit ..................................................................................... 218 5.8.5 Offen extremistische Zusammenschlüsse .................................................... 219 5.8.6 Der Jugendverband "Linksjugend ['solid]" ................................................. 221 5.8.7 Der Studentenverband DIE LINKE.SDS. ....................................................... 222 5.8.8 DIE LINKE. in Niedersachsen ........................................................................ 223 5.8.9 Bündnisund Kampagnenpolitik ................................................................. 225 5.9 Deutsche Kommunistische Partei (DKP).................................................................... 228 5.9.1 Bekenntnis zu Problemen mit der Bündnispolitik ...................................... 229 5.9.2 Gemeinsame Erklärung kommunistischer Parteien zum 60. Jahrestag der NATO ............................................................................... 230 5.9.3 Eckpunkte zur Bundestagswahl 2009 .......................................................... 231 5.9.4 Zusammenarbeit mit der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) und der Assoziation Marxistischer StudentInnen (AMS) ................ 233 5.10 "Antirevisionistische" Publikationen .......................................................... 235 5.10.1 RotFuchs ........................................................................................................ 235 5.11 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) ............................................ 237 5.12 Rote Hilfe e. V. (RH) ................................................................................................... 239 5.12.1 Struktur ......................................................................................................... 239 5.12.2 Aufgaben ...................................................................................................... 239 5.12.3 Niedersächsische Aktivitäten ....................................................................... 240 5.12.4 Bundesweite Aktivitäten .............................................................................. 240 5.13 Freie Arbeiterinnenund Arbeiter-Union/Internationale Arbeiterinnen Assoziation (FAU/IA,A) ............................................................................................... 240 5.13.1 Struktur ......................................................................................................... 241 5.13.2 Themenschwerpunkt Leiharbeit .................................................................. 241 6. SCIENTOLOGY - ORGANISATION (SO)............................................................ 243 6.1 Geschichte der SO ...................................................................................................... 243 6.2 Zielsetzung und verfassungsfeindliche Bestrebungen ............................................ 244 6.3 Organisation ............................................................................................................... 245 6.4 Scientology in Deutschland und Niedersachsen....................................................... 247 6.5 Hinweistelefon ........................................................................................................... 259 7. SPIONAGEABWEHR .......................................................................................... 250 7.1 Einführung.................................................................................................................. 250 7.2 Geheimdienste der Russischen Föderation ............................................................... 251 7.2.1 Vorsicht bei Reisen ....................................................................................... 253 7.3 Chinesische Geheimdienste ...................................................................................... 253 7.4 Proliferation ............................................................................................................... 256 7.5 Hilfe für Betroffene ................................................................................................... 257 8. GEHEIMUND WIRTSCHAFTSSCHUTZ............................................................. 258 8.1 Geheimschutz ............................................................................................................. 258 8.2 Wirtschaftsschutz ....................................................................................................... 259 8.2.1 Einleitung .................................................................................................... 259 8.2.2 Zahlen und Fakten ........................................................................................ 260 8.2.3 13. Sicherheitstagung für geheimschutzbetreute Unternehmen .............. 261 8.2.4 "AirIT Security Day" ..................................................................................... 262 8.2.5 Achte Wirtschaftsschutztagung des Niedersächsischen Verfassungsschutzes ..................................................................................... 262 8.2.6 Erreichbarkeit des Fachbereichs Wirtschaftsschutz .................................... 263 9. ANHANG ........................................................................................................... 264 9.1 Definition der Arbeitsbegriffe .................................................................................. 264 9.2 Niedersächsisches Verfassungsschutzgesetz (NVerfSchG) ....................................... 269 9.3 Übersicht Verbote neonazistischer Vereinigungen ................................................. 297 9.4 Abkürzungsverzeichnis .............................................................................................. 299 9.5 Personenund Stichwortverzeichnis ......................................................................... 303 9.6 Ortsverzeichnis (Niedersachsen) ................................................................................ 313 Verfassungsschutz in Niedersachsen 15 1. DER VERFASSUNGSSCHUTZ IN NIEDERSACHSEN 1.1 Verfassungsschutz und Demokratie Im Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik Deutschland wurde Wehrhafte nach den Erfahrungen mit der Zerstörung der Weimarer ReDemokratie publik das Prinzip der wehrhaften Demokratie verankert. Das bedeutet, dass der demokratische Staat in der Lage sein soll, sich gegen seine Feinde zu wehren. Elemente der wehrhaften Demokratie sind z. B. die Unabänderlichkeit elementarer Verfassungsgrundsätze (Artikel 79 Abs. 3 GG) und die Möglichkeit, Parteien und sonstige Vereinigungen (Artikel 9 Abs. 2 und Artikel 21 Abs. 2 GG) zu verbieten. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Urteilen zum Verbot der Sozialistischen Reichspartei (SRP) von 1952 (BVerfGE 2,1) und zum Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) von 1956 (BVerfGE 6, 300) die Wesensmerkmale der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes bestimmt. Dazu gehören (s. auch SS 4 Abs. 3 Niedersächsisches Verfassungsschutzgesetz - NVerfSchG): - das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und AbWesensmerkmale stimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgeder freiheitlichen bung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung demokratischen auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmitGrundordnung telbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, - die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, - das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, - die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, - die Unabhängigkeit der Gerichte, - der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und - die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder bezeichnen seit 1974 einheitlich politische Bestrebungen als extremistisch, die sich gegen diese Wesensmerkmale oder gegen den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten. Ihre Beobachtung dient dem Schutz der Verfassung. Da die Verfassungsschutzbehörden ihre Aufgaben im Vorfeld konkreter Gesetzesverstöße durchführen und frühzeitig 16 Verfassungsschutz in Niedersachsen verfassungsfeindliche Bestrebungen erkennen sollen, werden sie als ein "Frühwarnsystem" des demokratischen Staates bezeichnet. Feinde der DemoDie Hauptfeinde der Demokratie heute sind neben dem rekratie: Islamismus, ligiös motivierten Islamismus der politische Rechtsund LinksRechtsextremisextremismus. mus, LinksextreZwischen diesen Extremismusphänomenen gibt es fundamismus mentale Unterschiede. Der Islamismus setzt im Gegensatz zu tragenden Prinzipien der europäischen Aufklärung auf religiös-orthodoxe Ordnungsmodelle und zielt damit auf eine gegen den "Westen" gerichtete kulturelle Identität. Rechtsund Linksextremismus unterscheiden sich ideengeschichtlich durch ein unterschiedliches Verhältnis zum menschenrechtlichen Gleichheitsgebot. Während es Linksextremisten aufgrund der ökonomischen Kräfteverhältnisse ausschließen, dass die Gleichheit der Menschen in einer parlamentarischen Demokratie realisiert werden kann, negieren Rechtsextremisten das in Artikel 3 GG postulierte Gleichheitsprinzip grundsätzlich. Linksextremisten hingegen verabsolutieren das Gleichheitspostulat und schränken damit die universelle Gültigkeit der Freiheitsund Individualrechte ein. Gemeinsamkeiten Trotz dieser Unterschiede lassen sich Gemeinsamkeiten der Extremismen feststellen, wie sie für den modernen politischen Extremismus typisch sind: - Extremisten verfügen über ein geschlossenes Weltbild, das weder reflektiert noch fortentwickelt wird. In ihrem quasireligiösen Politikverständnis glauben sie, unfehlbar im Besitz der absoluten Wahrheit zu sein. - Aus diesem Absolutheitsanspruch heraus entwickeln sie ein Freund-Feind-Raster, das die Welt holzschnittartig in Gut und Böse einteilt und keine Differenzierung zulässt, um die als "Feinde" Gebrandmarkten kompromislos zu bekämpfen. - Nicht der Einzelne, sondern die Gemeinschaft steht im Mittelpunkt. Individuelle Freiheitsrechte werden den Interessen des Kollektivs untergeordnet. - Extremisten haben ein Bild vom Menschen, wonach nicht alle Menschen über die gleiche Würde verfügen (Artikel 1 GG). - Es gilt das Primat der Ideologie, die mit Politik gleichgesetzt wird. Extremisten lehnen Aus diesem Verständnis von Politik als einer alle Lebensbedemokratischen reiche regelnden Weltanschauung lehnen Extremisten den Pluralismus ab demokratischen Pluralismus ab. Zu demokratischen Prinzipien wie Meinungs-, Presseund Parteienvielfalt haben sie Verfassungsschutz in Niedersachsen 17 lediglich ein taktisches Verhältnis. Ihr gemeinsames Ziel ist die Überwindung der bestehenden, von Individualrechten geprägten Ordnung. Dahinter steht zumeist das Streben nach Sicherheit und nach Überschaubarkeit der Welt, in der der Mensch nicht länger vereinzelt ist. Extremismus ist auch eine zum Teil mit messianischem Eifer vertretene Reaktion auf die Komplexität moderner westlicher Gesellschaften. In diesem Weltbild wird die Gegenwart als desolat empfunden oder diffamiert, um die extremistische Alternative unter Leitung eines "Führers", einer "Partei" oder eines "religiösen Wächterrates" als einzigen Ausweg erscheinen zu lassen. Wer sich aus Sicht der Extremisten dagegen stellt, hat keinen Anspruch auf Toleranz, sondern muss bekämpft werden - nach Auffassung gewaltbereiter Extremisten notfalls auch mit Gewalt. 1.2 Gesetzliche Grundlagen Die Aufgaben und Befugnisse des Niedersächsischen VerfasRechtliche sungsschutzes sind gesetzlich festgelegt. Neben bundesgeGrundlagen setzlichen Vorschriften, welche im Wesentlichen die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und die Befugnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) regeln, bestehen in allen Bundesländern eigene Verfassungsschutzgesetze. In Niedersachsen regelt das im Anhang abgedruckte Gesetz über den Verfassungsschutz im Lande Niedersachsen in der Fassung vom 6. Mai 2009 (Niedersächsisches Verfassungsschutzgesetz - NVerfSchG) die Aufgaben und Befugnisse der niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde. 1.3 Hauptaufgaben des Verfassungsschutzes Hauptaufgabe des Verfassungsschutzes ist nach SS 3 NVerfSchG Hauptaufgaben die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondes Verfassungsdere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachschutzes richten und Unterlagen über - Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben, - sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland für eine fremde Macht, 18 Verfassungsschutz in Niedersachsen - Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, - Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 GG) oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 GG) gerichtet sind. 1.4 Organisation Innenministerium Im Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetz ist auch gereist Verfassungsgelt, dass die Verfassungsschutzbehörde in Niedersachsen das schutzbehörde Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport1 ist (SS 2 Abs. 1 NVerfSchG). Das Ministerium unterhält eine gesonderte Abteilung (Verfassungsschutzabteilung), welche allein die der Verfassungsschutzbehörde nach dem Verfassungsschutzgesetz und anderen Rechtsvorschriften obliegenden Aufgaben wahrnimmt. Diese Abteilung wird durch einen Verfassungsschutzpräsidenten geleitet. 1.5 Informationsgewinnung Erkenntnisse Der Niedersächsische Verfassungsschutz gewinnt die zur Erüberwiegend aus füllung seiner Aufgaben relevanten Informationen überwieoffen zugänglichen gend aus offen zugänglichen Quellen, die grundsätzlich jeQuellen dem Bürger auch zur Verfügung stehen, wie z. B. aus dem Internet, aus Zeitungen, Zeitschriften, Flugblättern, Programmen und Broschüren. Darüber hinaus können - im Rahmen gesetzlich festgelegter Befugnisse und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - nachrichtendienstliche Mittel zur Informationsbeschaffung eingesetzt werden. Nach SS 6 NVerfSchG darf der Verfassungsschutz zur Beschaffung der erforderlichen Informationen die hier abschließend aufgeführten nachrichtendienstlichen Mittel einsetzen, soweit dies für die Erkenntnisgewinnung unverzichtbar ist. Dazu gehören z. B. der Einsatz von verdeckt arbeitenden Vertrauensleuten (V-Leute), Observationen, verdeckte Bildund Tonaufzeichnungen und sonstige verdeckte Ermittlungen und Befragungen. Die näheren Voraussetzungen für den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel sind in den SSSS 6 bis 6 d NVerfSchG geregelt. Von den nachrichtendienstlichen Mitteln wurden im Berichtszeitraum im Wesentlichen V-Leute, verdeckte Bildauf- 1 Seit dem Beschluss der Landesregierung vom 26.04.2010 lautet die neue Behördenbezeichnung Ministerium für Inneres und Sport. Nur diese wird im folgenden Bericht verwendet. Verfassungsschutz in Niedersachsen 19 zeichnungen, verdeckte Ermittlungen und Befragungen sowie zeitlich befristete Observationen eingesetzt. Eingriffe in das Brief-, Postund Fernmeldegeheimnis G 10-Maßnahmen sind wegen der besonderen Bedeutung des Eingriffs in das im einstelligen Grundrecht des Artikel 10 GG (Brief-, Postund FernmeldeBereich geheimnis) nur unter besondern Voraussetzungen und unter Beachtung strenger Verfahrensvorschriften möglich, die im Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz - G 10) geregelt sind. So muss die Maßnahme durch den Niedersächsischen Innenminister oder seine Vertreterin angeordnet werden und bedarf vor ihrer Durchführung einer Zustimmung der G 10-Kommission des Niedersächsischen Landtages. Die Anzahl der G 10-Maßnahmen lag im Berichtszeitraum im einstelligen Bereich. Ähnliches gilt für die durch die Neufassung des NVerfSchG im Jahr 2004 eingeräumten erweiterten Auskunftsbefugnisse gegenüber Kreditinstituten, Luftfahrtunternehmen und Erbringern von Postoder Telekommunikationsdienstleistungen nach SS 5a NVerfSchG sowie für die Verwendung des so genannten IMSI-Catchers zur Feststellung unbekannter Mobiltelefonnummern. Auch von diesen Befugnissen, die an besondere rechtliche Voraussetzungen gebunden sind, hat der Verfassungsschutz nur in wenigen Fällen Gebrauch gemacht. 1.6 Keine polizeilichen Befugnisse Der Verfassungsschutzbehörde stehen bei der Erfüllung ihrer Keine polizeilichen Aufgaben keine polizeilichen Befugnisse zu, d. h. sie darf insBefugnisse besondere niemanden festnehmen, keine Durchsuchungen durchführen und keine Gegenstände beschlagnahmen (SS 5 Abs. 4 NVerfSchG). 1.7 Kontrolle Die Tätigkeit der Niedersächsischen VerfassungsschutzbehörUmfassende de unterliegt einer vielfältigen Kontrolle. Dazu gehören inKontrolle des nerbehördliche Maßnahmen, wie z. B. Kontrollen durch den Verfassungsinternen behördlichen Datenschutzbeauftragten, und exterschutzes ne Kontrollen durch den Niedersächsischen Datenschutzbeauftragten, dem ebenfalls umfangreiche Kontrollbefugnisse obliegen. Die parlamentarische Kontrolle, durch den Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes ausgeübt, erfolgt unbeschadet der Rechte des gesamten Landtages und seiner sonstigen Ausschüsse nach SS 23 NVerfSchG. Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport ist nach SS 25 NVerfSchG verpflichtet, diesen Ausschuss umfassend über sei- 20 Verfassungsschutz in Niedersachsen ne Tätigkeit als Verfassungsschutzbehörde im Allgemeinen sowie über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten. Bei Eingriffen in das Brief-, Postund Fernmeldegeheimnis entscheidet die G 10-Kommission des Landtages. Schließlich sind - wie bei allen anderen Behörden auch - Einzelmaßnahmen des Verfassungsschutzes gerichtlich nachprüfbar. 1.8 Verfassungsschutz als Nachrichtendienst Die Verfassungsschutzbehörden verstehen sich als Nachrichtendienste (ND). Sie sind gesetzlich auf die Beschaffung und Auswertung von Informationen beschränkt. Im Gegensatz zu Geheimdiensten unterliegen sie der Kontrolle durch unabhängige Instanzen und unterrichten die Öffentlichkeit über wesentliche Ergebnisse ihrer Arbeit. Als Geheimdienste hingegen werden staatliche Organisationen fremder Mächte verstanden, die nicht nur politisch, wirtschaftlich, wissenschaftlich oder militärisch bedeutsame Nachrichten beschaffen und für ihre Auftraggeber auswerten, sondern auch aktive Handlungen zur Störung oder Beeinflussung "politischer Gegner" im Inund Ausland vornehmen. Dabei streben sie ein Höchstmaß an Geheimhaltung an. 1.9 Beschäftigte Im Haushaltsplan 2009 standen der niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde wie im Vorjahr 204 Planstellen für Beamtinnen und Beamte (2008: 204) und 58 Beschäftigungsmöglichkeiten für das Tarifpersonal (2008: 58) zur Verfügung. Insgesamt Das Beschäftigungsvolumen, d. h. die Grundlage für die 262 Mitarbeiter Berechnung der Personalkosten für die in der Verfassungsschutzbehörde Beschäftigten, betrug im Haushaltsjahr 2009 246,77 Vollzeiteinheiten (VZE). Im Haushaltsjahr 2008 betrug es 248,47 VZE. 1.10 Haushalt Ausgabevolumen Im Haushalt der niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde von 15.600.000 EUR waren im Haushaltsjahr 2009 für Personalausgaben 11.300.000 EUR (2008: 11.200.000 EUR) und für Sachausgaben 4.300.000 EUR (2008: 3.575.000 EUR) veranschlagt. Damit ergab sich ein Ausgabevolumen von 15.600.000 EUR. Verfassungsschutz in Niedersachsen 21 1.11 Mitwirkungsaufgaben des Verfassungsschutzes Zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Sicherheit des Bundes und der Länder nimmt der Verfassungsschutz neben seinem Beobachtungsund Aufklärungsauftrag auch gesetzlich geregelte Mitwirkungspflichten gegenüber anderen Behörden wahr (SS 1 Satz 2 Nr. 3 NVerfSchG). Im Rahmen dieser Mitwirkung wird geprüft, ob den Verfassungsschutzbehörden zu bestimmten, von den anfragenden Behörden näher bezeichneten Personen Erkenntnisse vorliegen, die bei den Entscheidungen der anfragenden Behörden eine sicherheitsbezogene Relevanz haben. Im Jahr 2009 wurden mehr als 35.400 (Vorjahr 32.665) sol35.400 Mitwircher Mitwirkungsanfragen an den Verfassungsschutz gerichkungsanfragen tet. Die anfragestärksten Prüfungsbereiche (hierbei handelt es sich um Regelanfragen) werden statistisch erfasst. Hier sind insbesondere zu nennen: - Beteiligungen bei Einbürgerungen (10.164 Anfragen), - Beteiligungen bei Aufenthaltstiteln (8.757), - Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem Luftsicherheitsgesetz (7.381), - Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem Atomgesetz (6.122), - Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem Sprengstoffgesetz (635). Zu den Mitwirkungsaufgaben des Verfassungsschutzes zählen des weiteren Einzelanfragen nach dem Waffengesetz, Häftlingshilfegesetz, Ordensgesetz, Hafensicherheitsgesetz, Bundesvertriebenengesetz, der Bewachungsverordnung und der Überfallund Einbruchmelderichtlinie sowie zur Dolmetscherdatei des Landeskriminalamts Niedersachsen (LKA NI). Übermittlungen sicherheitsrelevanter Erkenntnisse erfolgten im Jahr 2009 in weniger als einem Prozent der Fälle. Die Gesamtzahl der Anfragen hat sich entgegen dem Trend Wieder mehr Mitder letzten Jahre nicht weiter verringert. Dies begründet sich wirkungsanfragen in erster Linie durch Gesetzesänderungen im Luftsicherheitsbereich, die Nachberichtspflichten der Sicherheitsbehörden regeln und damit einhergehend Verlängerungen der Wiederholungsüberprüfungsintervalle vorsehen. Steigende Zahlen sind bei Zuverlässigkeitsüberprüfungen in den Bereichen Atomgesetz und Luftsicherheitsgesetz und bei Regelanfragen im Aufenthaltsrecht zu verzeichnen. 22 Verfassungsschutz in Niedersachsen Entwicklung der Gesamtzahl der Mitwirkungsanfragen 27.866 28.574 37.808 37.221 33.198 32.665 35.400 40.000 35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 1.12 Projektorganisation Gemeinsames Informationsund Analysezentrum Polizei und Verfassungsschutz Niedersachsen (GIAZ - Niedersachsen) GIAZ - Niedersachsen Mit dem am 10.01.2005 eingerichteten Projekt "Gemeinsames seit 2005 in Betrieb Informationsund Analysezentrum Polizei und Verfassungsschutz Niedersachsen" (GIAZ - Niedersachsen) wurde die Zusammenarbeit in den wichtigsten Bereichen der Extremismusund Terrorismusbekämpfung optimiert. Der schnelle Austausch und die umfassende Analyse und Bewertung aller verfügbaren Informationen bei sehr kurzen Kommunikationswegen sind entscheidende Voraussetzungen für die effektive Beobachtung und Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus. Zu den Aufgaben des GIAZ - Niedersachsen gehören die Zusammenführung, Analyse und Bewertung von polizeilichen und nachrichtendienstlichen Informationen aus den Themenfeldern - Internationaler Terrorismus und Extremismus, insbesondere islamistischer Extremismus - Rechtsextremismus und - Autonome und sonstige gewaltbereite Linksextremisten. GIAZ erstellt Das GIAZ fasst diese Informationen in einer gemeinsamen DaLagebilder und tei zusammen. Zudem werden im GIAZ - Niedersachsen LaAnalyseprojekte gebilder erstellt, neue Analyseprojekte initiiert und operative Maßnahmen, die von Polizei und Verfassungsschutz in jeweils eigener Zuständigkeit durchgeführt werden, koordiniert. Diese Zusammenführung und einvernehmliche Bewertung von Verfassungsschutz in Niedersachsen 23 Erkenntnissen zu Sachverhalten, Objekten und Personen hat sich als sehr hilfreich erwiesen. Ein wichtiger Beitrag zur ganzheitlichen Terrorismusbekämpfung ist der fortlaufende Aufgabenschwerpunkt "Brennpunkte des Islamismus in Niedersachsen" des GIAZ - Niedersachsen. Ziel dieses Projektes sind die weitere Aufhellung islamistischer Strukturen und das frühzeitige Erkennen von Schlüsselfiguren der islamistischen Szene. Die analytische Betrachtung soll Aufschluss geben über Anzahl, Verteilung und Zuordnung islamistischer Brennpunkte in Niedersachsen. Es geht darum, Erkenntnisse über Radikalisierung im und Rekrutierung für den Islamismus, insbesondere den islamistischen Terrorismus, zu gewinnen. Das GIAZ - Niedersachsen hat zum Thema "Politisch motivierte Konfrontationen zwischen Rechtsund Linksextremisten in Niedersachsen" die Schwerpunkte der Konfrontation zwischen Linksund Rechtsextremisten in den Städten Braunschweig, Göttingen, Hannover, Lüneburg, Oldenburg und Osnabrück analysiert. Darüber hinaus fertigte das GIAZ - Niedersachsen im AufGemeinsame trage der "Nord-IMK"2 sowohl ein "Gemeinsames Lagebild norddeutsche des Staatsund Verfassungsschutzes zum RechtsextremisLagebilder zum mus", als auch zum "Linksextremismus im Bereich der nordRechtsund Linksdeutschen Küstenländer". extremismus 1.13 Informationsverarbeitung Der Verfassungsschutz Niedersachsen ist - wie die anderen Vorschriften zur Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder auch Speicherung, - gesetzlich befugt, die zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Sperrung und personenbezogenen Daten zu erheben und in Akten und DaLöschung von teien zu speichern. Das NVerfSchG und detaillierte DienstvorDaten schriften schreiben bestimmte Speicherungsvoraussetzungen sowie Regelungen zur Sperrung und Löschung der Daten vor. Deren Beachtung unterliegt insbesondere der Kontrolle durch den Landesbeauftragten für den Datenschutz (LfD) und den im Verfassungsschutz bestellten behördlichen Datenschutzbeauftragten. Aufgrund der in Artikel 73 Nr. 10 GG und im BundesverfasNADIS - Gemeinsungsschutzgesetz (BVerfSchG) normierten Verpflichtung zur same Datenbank Zusammenarbeit und gegenseitigen Unterrichtung unterhalvon Bund und Länten alle Verfassungsschutzbehörden gemäß SS 6 BVerfSchG dern eine gemeinsame beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) eingerichtete Datenbank, das so genannte Nachrichtendienstliche Informationssystem (NADIS). Alle teilnehmenden Behörden dürfen dort nach Maßgabe der jeweiligen eigenen 2 Konferenz der Innenminister und Senatoren der norddeutschen Länder 24 Verfassungsschutz in Niedersachsen rechtlichen Befugnisse personenbezogene Daten speichern sowie auf den gesamten NADIS-Datenbestand zugreifen und Daten abrufen. Die gemeinsame Datenbank von Bund und Ländern, NADIS, ist ein Aktenfundstellensystem, in dem nur der Name der gespeicherten Person, die zu ihrer Identifizierung erforderlichen Merkmale z. B. Wohnanschrift, Staatsangehörigkeit, Kraftfahrzeug sowie die speichernde Behörde und deren nach einem einheitlichen Aktenplan vergebenen Aktenzeichen enthalten sind. Nicht gespeichert ist der Inhalt der jeweiligen Information, die Anlass zur Vergabe des Aktenzeichens gewesen ist. Benötigt eine Verfassungsschutzbehörde zur eigenen Aufgabenerfüllung die Informationen einer anderen Verfassungsschutzbehörde über eine gespeicherte Person, so fragt sie in der Regel auf elektronischem Wege bei ihr an. Der Informationsübermittlung ist eine Relevanzprüfung durch die speichernde Stelle vorgeschaltet. Bedeutsam ist, dass sich die im NADIS gespeicherten personenbezogenen Daten nur teilweise auf Personen beziehen, die verfassungsfeindliche, sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Aktivitäten (vgl. SS 3 Abs. 1 NVerfSchG) entfaltet haben. Im NADIS werden auch Angaben zu Personen erfasst, bei denen eine Sicherheitsüberprüfung mit dem Ergebnis einer Ermächtigung zum Umgang mit Verschlusssachen durchgeführt wurde oder die als Zielpersonen terroristischer oder geheimdienstlicher Aktivitäten gelten. Anstieg der Vom Niedersächsischen Verfassungsschutz waren am NADIS-Speicherungen 31.12.2009 folgende personenbezogene NADIS-Speicherungen veranlasst (Vorjahreszahlen in Klammern): - im Zusammenhang mit Sicherheitsüberprüfungen 28.015 (25.303) - im Zusammenhang mit originären Aufgaben des Verfassungsschutzes im Bereich Extremismus,Terrorismus, Spionageabwehr 10.668 (10.307) 1.14 Auskunftsersuchen von Bürgerinnen und Bürgern Im Jahr 2009 wurden 64 Auskunftsersuchen (2008: 236) geNur noch 64 mäß SS 13 NVerfSchG beantwortet. In 54 Fällen hatte der VerAuskunftsersuchen fassungsschutz keine Erkenntnisse gespeichert. Einem Anfragenden wurde der seiner Erfassung zugrunde liegende Sachverhalt uneingeschränkt mitgeteilt. In neun Fällen wurde den Auskunftssuchenden der ihrer Erfassung zugrunde liegende Sachverhalt eingeschränkt mitgeteilt und im Übrigen gemäß SS 13 Abs. 3 NVerfSchG an den LfD verwiesen. Verfassungsschutz in Niedersachsen 25 1.15 Niedersächsische Extremismus-Informations-Stelle - NEIS Unsere freiheitliche Verfassung zu schützen bedeutet nicht nur, extremistische Aktivitäten zu beobachten, sondern auch die Öffentlichkeit darüber zu informieren, so dass extremistische Ideologien von den Bürgerinnen und Bürgern als verfassungsfeindlich erkannt werden können. Diese Information ist eine gesetzliche Aufgabe: Gemäß SS 3 Abs. 4 NVerfSchG klärt die Verfassungsschutzbehörde die Öffentlichkeit auf der Grundlage ihrer Auswertungsergebnisse durch zusammenfassende Berichte und andere Maßnahmen über verfassungsfeindliche Bestrebungen und sicherheitsgefährdende bzw. geheimdienstliche Tätigkeiten auf. Zu den zusammenfassenden Berichten zählt insbesondere der jährliche Niedersächsische Verfassungsschutzbericht. "Verfassungsschutz durch Aufklärung" ist ein wichtiges Ziel, Verfassungsschutz um die Demokratie vor ihren Feinden zu schützen. durch Aufklärung Um die vielfältigen Aufgaben der Presse-, Öffentlichkeitsarbeit und Prävention besser aufeinander abzustimmen, wurde von Innenminister Uwe Schünemann 2009 die Niedersächsische Extremismus-Informations-Stelle - NEIS - beim Niedersächsischen Verfassungsschutz ins Leben gerufen. NEIS ist eine Anlaufstelle für die Öffentlichkeit. Sie bietet Informationen über - Rechtsextremismus - Linksextremismus - Ausländerextremismus, insbesondere Islamismus. Die gesammelten Informationen des Verfassungsschutzes werden ausgewertet, analysiert und dokumentiert. Sie stehen NEIS als Grundlage für die Aufklärung zur Verfügung. 1.15.1 Presseund Bürgerkontakt NEIS ist Ansprechpartner für die Presse in allen Fragen zum Extremismus. Die Bürgerund Presseanfragen an die Verfassungsschutzbehörde spiegeln thematisch alle Arbeitsfelder Schwerpunkt der Bürdes Verfassungsschutzes wider. Ein Schwerpunkt dabei war gerund Presseanfraneben Anfragen zu islamistischen Organisationen vor allem gen zu islamistischen der Informationsbedarf über rechtsextremistische Strukturen Organisationen und in Niedersachsen. Dabei wird häufig eine Einschätzung erberechtsextremistischen ten, ob beschriebene Phänomene als extremistisch zu werten Strukturen sind. 26 Verfassungsschutz in Niedersachsen 1.15.2 Vortragsund Informationsveranstaltungen Angebote von NEIS NEIS hat erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Auseinandersetzung mit Extremismus. Sie können zu allen Themen des Extremismus als Referenten eingeladen werden, z. B. von Schulen und anderen Bildungseinrichtungen, Kommunen, Vereinen, Parteien. NEIS begleitet Projekttage, Seminare und Workshops. Auch 2009 wurde dieses Angebot in umfangreicher Weise genutzt. Vor allem Vorträge und Informationen zum Rechtsextremismus wurden nachgefragt, zunehmend aber auch zu den Themen Islamismus und Linksextremismus. Mehrfach besuchten auch Gruppen das Dienstgebäude des Verfassungsschutzes, um sich über die Arbeit der Behörde zu informieren. 1.15.3 Ausstellung "Unsere Demokratie schützen - Verfassungsschutz gegen Extremismus" Bereits 25.000 Ein wesentliches Element der Öffentlichkeitsarbeit von NEIS Schüler bei ist die Wanderausstellung "Unsere Demokratie schützen - Wanderausstellung Verfassungsschutz gegen Extremismus". So sind mittlerweile gegen Rechtsextrein Alfeld, Aurich, Bersenbrück, Braunschweig, Buchholz, Celmismus le, Cloppenburg, Cuxhaven, Delmenhorst, Dörverden, Emden, Garbsen, Gifhorn, Göttingen, Goslar, Hameln, Hannover, Helmstedt, Herzberg, Hildesheim, Kropp (Schleswig-Holstein), Lehrte, Munster, Nienburg, Nordhorn, Northeim, Osnabrück, Osterode, Papenburg, Peine, Schneverdingen, Stade, Stuhr, Syke, Walsrode, Westerstede, Wildeshausen, Wolfenbüttel und Wunstorf mehr als 25.000 Schüler durch die Ausstellung geführt worden. 2009 gab es ca. 165 Führungen. Darüber hinaus wurde die Ausstellung im Rahmen einer Fachtagung des Verfassungsschutzes in Oldenburg (2006) und auf den Deutschen Präventionstagen in Nürnberg (2006) und Hannover (2009) präsentiert. Anfang 2010 wurde die bisherige Ausstellung um das Thema Linksextremismus ergänzt, jedoch liegt der thematische Schwerpunkt weiterhin beim Thema Rechtsextremismus. Diese Wanderausstellung unter dem neuen Titel "Verfassungsschutz gegen Extremismus - Unsere Demokratie schützen vor Rechtsund Linksextremismus" kann überall in Niedersachsen gezeigt werden. Sie vermittelt grundlegende Informationen über rechtsund linksextremistische ErscheiAusstellung um nungsformen und Werbemethoden. Sie gibt Einblicke in die Linksextremismus rechtsextremistische Musikszene und in den Gebrauch des Inerweitert ternets durch Extremisten. Für Schulklassen und andere Gruppen werden fachkundige Führungen angeboten. Verfassungsschutz in Niedersachsen 27 1.15.4 Lehrerfortbildung In Zusammenhang mit der Ausstellung bietet NEIS in KoopeLehrerfortbildung ration mit dem Kultusministerium eine Lehrerfortbildung an. Sie soll dazu anregen, in den Schulen z. B. Projekttage gegen Extremismus und für Demokratie durchzuführen. Ergänzt wird dieses Qualifizierungsangebot durch Arbeitsmaterialien, die im Unterricht eingesetzt werden können. 1.15.5 Beratung von Kommunen In Kommunen entsteht oft die Frage, wie man sich vor allem Beratung von gegen rechtsextremistische Aktivitäten vor Ort wehren kann. Kommunen NEIS bietet eine auf die jeweilige lokale Situation eingehende Information und Beratung an. In Strategiegesprächen werden Möglichkeiten der Prävention und des Umgangs mit Rechtsextremisten aufgezeigt. Bei NEIS ist auch der 2004 bestellte Beauftragte für Immobiliengeschäfte mit rechtsextremistischem Hintergrund tätig. Er berät betroffene Kommunen und wird koordinierend tätig. 1.15.6 Symposien Seit 2009 veranstaltet NEIS öffentliche Symposien zum Thema Symposien Extremismus, an denen anerkannte Experten teilnehmen und aus unterschiedlichen Blickwinkeln Fragen diskutieren. Die Inhalte werden jeweils in einem Tagungsband zusammengefasst. Im Mai 2009 wurde das 1. Extremismus-Symposium unter dem Titel "Linksextremismus - Die unterschätzte Gefahr?" durchgeführt. Im September folgte das 2. Symposium zum Thema "Neue Entwicklungen im Rechtsextremismus". 1.15.7 Informationsmaterialien von NEIS Bei NEIS können Broschüren und andere Informationsmaterialien zum Extremismus bestellt werden, wie z. B. - Broschüre "Neonazistische Kameradschaften - Rechtsextremistische Skinheads - Rechtsextremistische Musik", - Schulungs-CD mit Hintergrundinformationen zum Rechtsextremismus, die besonders für Lehrkräfte und Multiplikatoren geeignet ist, - jährlicher Verfassungsschutzbericht, der einen detailierten Überblick über extremistische Entwicklungen in Niedersachsen gibt. - Dokumentationen der Extremismus-Symposien. 28 Verfassungsschutz in Niedersachsen 1.15.8 Partner von NEIS NEIS unterstützt alle demokratischen Handlungsansätze und Bündnisse gegen Extremismus. Sie arbeitet mit anderen Präventionsstellen zusammen. Partner von NEIS NEIS ist eingebunden in das Beratungsnetzwerk des Niedersächsischen Landespräventionsrates (LPR). Der LPR koordiniert Experten aus unterschiedlichen Bereichen zum Thema Rechtsextremismus und kann "Mobile Interventionsteams" (MIT) zusammenstellen, an denen auch NEIS beteiligt ist. Auch mit der Arbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt (ARUG) in Braunschweig arbeitet NEIS eng zusammen. NEIS versteht sich als Ergänzung vorhandener Aktivitäten, die sie fördern und unterstützen will. 1.15.9 Ausstellung "Muslime in Niedersachsen - Probleme und Perspektiven der Integration" Wanderausstellung Die komplett überarbeitete Wanderausstellung "Muslime in "Muslime in Niedersachsen - Probleme und Perspektiven der IntegratiNiedersachsen" in on" wurde am 26.11.2007 in Braunschweig eröffnet. Die 31 25 Orten zu sehen Tafeln umfassende Ausstellung beleuchtet das Thema der Integration von Musliminnen und Muslimen in Niedersachsen aus der Sicht der Integrationsbeauftragten, des Sports, des Landespräventionsrates, aber auch der Polizei und des Verfassungsschutzes. Sie gibt einen Überblick über integrationshemmende und integrationsfördernde Aspekte. Die Ausstellung wirbt dafür, die gesellschaftlichen, aber auch die individuellen Anstrengungen für eine bessere Integration zu intensivieren. Sie war bisher in Bersenbrück, Damme, Ganderkesee, Garbsen, Gifhorn, Göttingen, Goslar, Hameln, Hildesheim, Holzminden, Langenhagen, Leer, Melle, Osterholz, Papenburg, Peine, Quakenbrück, Salzgitter, Stadtoldendorf, Verden, Weyhe, Wilhelmshaven, auf dem Deutschen Präventionstag in Hannover und an der Polizeiakademie Nienburg zu sehen. Für 2010 ist sie bis auf wenige freie Zeiten ausgebucht. Weitere Anfragen für das Jahr 2011 liegen bereits vor. Die Wanderausstellung kann landesweit von interessierten Kommunen und Institutionen angefordert werden. Verfassungsschutz in Niedersachsen 29 1.15.10 Kontaktdaten Wünsche für Vortragsund Diskussionsveranstaltungen könKontaktnummern: nen per Post (Büttnerstraße 28, 30165 Hannover), telefonisch 0511/6709-217, (0511/6709-217), per Fax (0511/6709-380) oder per E-Mail -569, -510 (oeffentlichkeitsarbeit@abt6.mi.niedersachsen.de) an das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport, Abteilung Verfassungsschutz - NEIS -, gerichtet werden. Informationen zur Wanderausstellung "Verfassungsschutz gegen Extremismus - Unsere Demokratie schützen vor Rechtsund Linksextremismus", wie aktuelle Ausstellungsorte, Termine für Führungen, Voraussetzungen für die Präsentation etc. erhalten Sie unter der Telefonnummer 0511/6709-569 oder der o. a. E-Mail-Adresse. Für Informationen zur Wanderausstellung "Muslime in Niedersachsen - Probleme und Perspektiven der Integration" wenden Sie sich bitte an die Telefonnummer 0511/6709-510 oder per E-Mail gleichfalls an oeffentlichkeitsarbeit@abt6.mi.niedersachsen.de. Die weiterhin unter Federführung des Niedersächsischen Verfassungsschutzes im Internet eingestellte und komplett neu erarbeitete gemeinsame Präsentation der norddeutschen Verfassungsschutzbehörden www.verfassungsschutzgegenrechtsextremismus.de stellt die Situation des Rechtsextremismus für ganz NordGemeinsame deutschland dar. Neben ideologischen Begriffserklärungen norddeutsche Seite und grundlegenden Erläuterungen zu rechtsextremistischen gegen RechtsextreErscheinungsformen finden sich auch Antworten auf die Framismus ge "Was kann ich tun?" und weiterführende Links für den Bereich der Prävention. Die beteiligten Ländern Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, SachsenAnhalt und Schleswig-Holstein haben mit dieser Internetseite die Möglichkeit, aktuelle Entwicklungen im Rechtsextremismus länderübergreifend umgehend online darzustellen. Der Niedersächsische Verfassungsschutz informiert umfassend Aktuelle unter der Adresse Informationen unter www.verfaswww.verfassungsschutz.niedersachsen.de sungsschutz.nieüber Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes und dersachsen.de aktuelle Entwicklungen des politischen Extremismus sowie der Spionageabwehr mit der Schwerpunktsetzung auf Niedersachsen. Insbesondere in der Rubrik "Aktuelle Meldungen" werden zeitnah Berichte und Analysen veröffentlicht und Veranstaltungen des Niedersächsischen Verfassungsschutzes angekündigt. 30 Verfassungsschutz in Niedersachsen Auf den Internet-Seiten des Ministeriums für Inneres und Sport www.mi.niedersachsen.de (Service \ Publikationen) Download von sind die Verfassungsschutzberichte der letzten Jahre sowie Broschüren die Broschüren "Neonazistische Kameradschaften - Rechtsextremistische Skinheads - Rechtsextremistische Musik" und "NEIN - Förderung politischer Handlungsmöglichkeiten gegen Rechtsextremismus in den Kommunen" veröffentlicht. Verfassungsschutz in Niedersachsen 31 2. VORBEMERKUNGEN 2.1 Umfang der Berichterstattung Im folgenden Bericht wird ausschließlich über nachweislich extremistische Bestrebungen berichtet. Beobachtungsobjekte, zu denen lediglich tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht extremistischer Bestrebungen vorliegen, werden in diesem Bericht nicht genannt. 2.2 Hinweis zur Rechtschreibung: Im Bericht wird die deutsche Rechtschreibung entsprechend der aktuell gültigen Auflage des Duden verwendet. Sofern in Zitaten davon abgewichen wird, liegt es daran, dass die Originalschreibweise der dem Zitat zugrunde liegenden Quelle übernommen wurde. Daneben können in Zitaten auch Namen anders geschrieben sein, als im übrigen Bericht. Ein gesonderter Hinweis auf die Abweichung erfolgt jedoch nicht. 32 Ausländerextremismus 3. AUSLÄNDEREXTREMISMUS 3.1 Mitglieder-/Anhänger-Potenzial Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt, weil es eine dem deutschen Vereinsrecht entsprechende Organisierung in diesem Bereich in der Regel nicht gibt. Mitglieder-/Anhänger-Potenzial extremistischer Aus2008 2009 länderorganisationen Bundesrepublik Deutschland Islamistisch-extremistische Gruppen3 34.720 36.270 Extrem-nationalistische Gruppen 7.880 7.880 Linksextremistische Gruppen 16.870 16.870 Summe 59.470 61.470 Niedersachsen 2008 2009 Islamistisch-extremistische Gruppen 3.180 3.170 Extrem-nationalistische Gruppen 600 600 Linksextremistische Gruppen 1.900 1.900 Summe 5.680 5.670 3 Nicht alle Mitglieder islamistisch-extremistischer Organisationen verfolgen oder unterstützen extremistische Zielsetzungen. Ausländerextremismus 33 Entwicklung der Mitgliederzahlen extremistischer Ausländerorganisationen 70.000 57.300 57.520 57.420 57.400 58.420 59.470 61.470 60.000 50.000 40.000 Bund 30.000 Land 20.000 5.730 5.730 5.655 5.610 5.610 5.680 5.670 10.000 0 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Entwicklung der Mitgliederzahlen islamistisch-extremistischer Gruppen 40.000 36.720 30.950 31.800 32.100 32.150 33.170 34.720 35.000 30.000 25.000 20.000 Bund 15.000 Land 10.000 3.120 3.120 3.145 3.150 3.150 3.180 3.170 5.000 0 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 34 Ausländerextremismus 3.2 Politisch motivierte Kriminalität4 (PMK) mit extremistischem Hintergrund - Ausländer Die Politisch motivierte Kriminalität wird seit dem Jahr 2001 durch die Polizei nach dem von der Innenministerkonferenz beschlossenen "Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK)" bundeseinheitlich erfasst. Im Jahr 2009 wurden im Bereich der Politisch motivierten Ausländerkriminalität insgesamt 107 Straftaten mit extremistischem Hintergrund registriert. Die Anzahl hat sich damit im Vergleich zu dem sehr hohen Wert des Vorjahres (703 Delikte) relativiert. Dieser starke Rückgang liegt insbesondere an den im Jahr 2008 registrierten Strafverfahren (ca. 580 Taten) im Zusammenhang mit einem Ermittlungskomplex wegen des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz und der vor diesem Hintergrund durchgeführten Durchsuchung des Vereins "Kurdistan Volkshaus - Mala Gel" in Hannover im Februar 2008. Mit einem Anteil von ca. 68 % (73 Straftaten) der Gesamtstraftaten treten Verstöße gegen das Vereinsgesetz (SS 20 VereinsG) besonders hervor. Diese Delikte wurden in erster Linie während Versammlungen, insbesondere dem Newroz-Fest am 21.03.2009 in Hannover, begangen. Insgesamt wurden 17 Sachbeschädigungen gem. SS 303 StGB polizeilich bekannt, welche einem Anteil von ca. 16 % am extremistischen Gesamtstraftatenaufkommen in diesem Phänomenbereich entsprechen. Bei den meisten Zuwiderhandlungen handelt es sich um Graffitis an und in privaten und öffentlichen Gebäuden. In vier Fällen kam es zu Störungen des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten sowie drei Bedrohungen. Zusammen entspricht dies einem Anteil von ca. 6,5 %. Hinter diesen Delikten verbergen sich verbale und schriftliche Drohungen mit Körperverletzungen bis hin zum Tode. Insgesamt wurden zu den Straftaten 84 Tatverdächtige5 ermittelt. In der Altersstruktur hat sich eine deutliche Veränderung zum Vorjahr ergeben. Während im Jahr 2008 (insgesamt 205 Tatverdächtige) noch die meisten Täter in der Altersgruppe der 31bis 50-Jährigen festgestellt wurden (103 im Jahr 2008; 16 im Jahr 2009), wurde im Jahr 2009 die größte Anzahl der Täter bei den 14bis 17-Jährigen (12 im Jahr 2008; 38 im Jahr 2009) registriert. Die Steigerung ist in Verfahren wegen des Verstoßes gegen den SS 20 VereinsG begründet. Hierbei handelt es sich vorwiegend um Jugendliche bzw. Heranwachsende, die Bilder mit verbotenen Flaggen und Zeichen der mit einem Betätigungsverbot belegten PKK öffentlich zeigten. Im Jahr 2009 wurden drei Gewaltdelikte polizeilich bekannt. Im Vergleich zum Vorjahr ist damit ein Rückgang um 4 Delikte festzustellen. In einem Fall warf ein Teilnehmer einer Versammlung aus einer Personengruppe heraus einen Stein in Richtung von Polizeibeamten (SS 125 StGB Landfriedensbruch). 4 Der PMK werden Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten, durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden oder sich gegen eine Person, insbesondere aufgrund ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung oder Herkunft richten und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht. 5 Die Angaben zu den Tatverdächtigen basieren auf der so genannten Tatverdächtigenechtzählung. Dabei werden Tatverdächtige, auch wenn sie mehrere Delikte begangen haben, in der Statistik nur einmal gezählt. Ausländerextremismus 35 Außerdem kam es zu einem schweren Raub (SS 250 StGB), bei dem drei maskierte unbekannte Täter unter Vorhalt einer Schusswaffe das Opfer in seiner Wohnung überfielen und einen Laptop sowie Fahrzeugschlüssel samt PKW entwendeten. Die Tat steht vermutlich im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Opfers, welches als Streetworker für die Integration türkischer Jugendlicher verantwortlich ist. Im Vorfeld der Tat haben bereits Anfeindungen stattgefunden. Ein weiterer Fall von Gewaltkriminalität (Körperverletzung gem. SS 223 StGB) stand im Zusammenhang mit einer Auseinandersetzung zwischen einem Kurden und einem nationalistisch eingestellten Türken. Die Strafverfahren im Bereich des islamistischen Extremismus und Terrorismus bewegen sich wie bereits im Vorjahr auf einem weiterhin niedrigen Niveau. Gleichwohl konnten insbesondere in diesem Bereich durch strafprozessuale und präventivpolizeiliche Maßnahmen wertvolle Erkenntnisse zu mehreren islamistischen bzw. islamistisch-terroristischen Netzwerken in Niedersachsen gewonnen werden. Übersicht der Gewalttaten und sonstigen Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Ausländerkriminalität"6 in Niedersachsen Gewalttaten: 2008 2009 Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 0 0 Körperverletzungen 4 1 Brandstiftungen 0 0 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 0 0 Landfriedensbrüche 0 1 Gefährl. Eingriffe in Bahn-, Luft-, Schiffsoder Straßen- 0 0 verkehr Freiheitsberaubung 0 0 Raub 0 1 Erpressung 0 0 Widerstandsdelikte 3 0 Insgesamt 7 3 Sonstige Straftaten: Sachbeschädigungen 11 17 Nötigungen/Bedrohungen 4 3 Andere Straftaten 681 84 Insgesamt 696 104 Straftaten insgesamt 703 107 6 Die Zahlen basieren auf Angaben des Landeskriminalamtes Niedersachsen (LKA NI). Die Darstellung der niedersächsischen Zahlen in Übersichten des Bundes kann davon abweichen, da das LKA NI eine so genannte lebende Statistik führt. Um die ständige Aktualität der Statistik sicherzustellen, werden dabei ggf. Nacherfassungen/Aktualisierungen auch für Vorjahre vorgenommen, so dass der Zahlenbestand noch Veränderungen unterliegen kann. 36 Ausländerextremismus Übersicht der Gewalttaten und sonstigen Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Ausländerkriminalität" in der Bundesrepublik Deutschland7 Gewalttaten: 2008 2009 Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 3 0 Körperverletzungen 63 56 Brandstiftungen 11 7 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 0 2 Landfriedensbrüche 12 16 Gefährl. Eingriffe in Bahn-, Luft-, Schiffsoder Straßen- 2 2 verkehr Freiheitsberaubung 1 1 Raub 3 8 Erpressung 11 6 Widerstandsdelikte 7 4 Sexualdelikte 0 0 Insgesamt 113 102 Sonstige Straftaten: Sachbeschädigungen 205 162 Nötigungen/Bedrohungen 27 41 Propagandadelikte 29 24 Störung der Totenruhe 0 1 Volksverhetzung 41 49 Verstoß gg. das Versammlungsgesetz 26 19 Verstoß gg. das Waffengesetz 2 1 Andere Straftaten 869 308 Insgesamt 1.199 605 Straftaten insgesamt 1.312 707 7 Die Zahlen basieren auf Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA). Ausländerextremismus 37 Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Ausländerkriminalität"8 Gewalttaten: 2008 2009 Baden-Württemberg 41 29 Bayern 5 1 Berlin 14 29 Brandenburg 1 0 Bremen 1 4 Hamburg 7 1 Hessen 2 6 Mecklenburg-Vorpommern 0 0 Niedersachsen 6 1 Nordrhein-Westfalen 27 22 Rheinland-Pfalz 27 0 Saarland 1 0 Sachsen 0 3 Sachsen-Anhalt 3 0 Schleswig-Holstein 2 2 Thüringen 1 2 Gesamt 113 102 8 Die Zahlen basieren auf Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA). In dieser Tabelle weicht die Zahl für Niedersachsen im Jahr 2008 von Angaben in der niedersächsischen Übersicht ab, da Niedersachsen eine so genannte lebende Statistik führt, bei der im Bedarfsfall Nacherfassungen/Aktualisierungen für Vorjahre vorgenommen werden. 38 Ausländerextremismus 3.3 Einführung In diesem Kapitel wird die Entwicklung in den Bereichen des Islamistischen Extremismus und sonstigen Ausländerextremismus zusammengefasst dargestellt. Detaillierte Berichte finden sich in den jeweils folgenden Kapiteln. Die Erläuterung der Begrifflichkeiten erfolgt ebenfalls in den jeweiligen Kapiteln. Unter Ausländerextremismus verstehen die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder politische Aktivitäten von Personen, wenn - sich diese gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung wenden, z. B. eine islamistische Ordnung für Staat und Gesellschaft durchsetzen wollen, - Auseinandersetzungen mit Gewalt auf deutschem Boden ausgetragen werden und dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet wird, - vom Bundesgebiet aus Gewaltaktionen in anderen Staaten durchgeführt oder vorbereitet und dadurch auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden oder - Bestrebungen verfolgt werden, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind. Maßgeblich ist nicht der ausländerrechtliche Status der Person, sondern der Bezug zum Ausland. 3.3.1 Islamismus als politische Weltanschauung Der Islamismus ist eine politische Ideologie, die in erheblichen Teilen der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland widerspricht. Im Gegensatz zu dieser Form des politischen Extremismus ist der Islam eine unter dem Schutz des Grundgesetzes stehende Religion. Anders als säkulare antidemokratische Ideologien wie Marxismus oder Nationalsozialismus leitet der Islamismus seine politischen Ordnungsvorstellungen aus der Religion des Islams ab. Erstmals seit der Islamischen Revolution im Iran 1979 rückte mit den terroristischen Anschlägen vom 11.09.2001 in den westlichen Staaten mit dem Islamismus eine ideologische Strömung in den Fokus der Öffentlichkeit, die in der islamischen Welt bereits seit Jahrzehnten die Politik mitbestimmte. Ziel des Islamismus ist es, eine politische Ordnung auf Basis des islamischen Rechtssystems, der Scharia, zu errichten. Die Scharia umfasst einerseits die Beziehungen zwischen dem Ausländerextremismus 39 Gläubigen und Gott (Gottesdienst und Kultus), andererseits auch die Beziehungen zwischen den Gläubigen untereinander (Recht). So beinhaltet die Scharia nicht nur genaue Anweisungen für religiöse Rituale und Pflichten, sondern auch Regelungen für Familienrecht, Strafrecht, Erbrecht etc. Problematisch ist vor allem das politische Verständnis der Politisches Scharia durch den Islamismus. Islamistischen Organisationen Verständnis und Bewegungen ist bei aller Unterschiedlichkeit gemeinsam, der Scharia dass sie Gesellschaften anstreben, die streng nach der Rechtsordnung der Scharia organisiert sein sollen. Diese Rechtsordnung unterteilt die Menschen entsprechend ihrem Glauben, ihrem Geschlecht und ihrem Verhältnis zum islamischen Staat in verschiedene rechtliche Kategorien, die den Rechtsstatus einer Person festlegen. Nach der Scharia besitzen lediglich Muslime alle Rechte und Pflichten, wobei muslimische Frauen gegenüber muslimischen Männern, etwa im Hinblick auf das Erbund Familienrecht, benachteiligt sind. Juden und Christen, die die Herrschaft des islamischen Staates akzeptieren, dürfen ihre Religion ausüben, müssen aber Sondersteuern bezahlen. Auch eine demokratisch legitimierte Regierungsgewalt von Nichtmuslimen über Muslime wird von der Scharia abgelehnt. Daher richtet sich der Islamismus mit seinem Bekenntnis zur Scharia gegen das Grundgesetz mit den dort verbürgten Rechten von Freiheit, Gleichheit und Menschenwürde und ist mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht vereinbar. Ebenso drängen Islamisten auf die unbedingte Gültigkeit der so genannten Hadd-Strafen, die für Vergehen wie "Unzucht" (außerehelichen bzw. homosexuellen Geschlechtsverkehr) oder Diebstahl Sanktionen bis hin zur Todesstrafe bzw. die Amputation der rechten Hand vorsehen. Dies verstößt gegen die in Artikel 1 des Grundgesetzes (GG) verankerte Unantastbarkeit der Menschenwürde. Die Genese des modernen Islamismus ist ohne den Kolonialismus europäischer Mächte und den starken Einfluss westlich-säkularer Ordnungsmodelle in islamischen Ländern im 19./20. Jahrhundert kaum zu verstehen. Im Vorfeld des 1. Weltkrieges stand praktisch die gesamte islamische Welt unter direkter kolonialer Herrschaft oder - wie im Fall des Osmanischen Reiches und Persiens - zumindest unter einem starken politisch-ökonomischen Einfluss durch europäische Mächte. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges nahm diese direkte Einflussnahme zwar ab, aber immer noch bestimmten im Westen entstandene Weltanschauungen wie Liberalismus, Nationalismus, Kommunismus etc. den politischen Diskurs in der islamischen Welt und 40 Ausländerextremismus die im islamischen Bereich vorherrschenden Staatsmodelle. Die islamistischen Vordenker entwickelten vor allem in der Zeit der direkten wie indirekten europäischen Einflussnahme ihre grundlegenden ideologischen Vorstellungen. Sie setzten im Gegensatz zu tragenden Prinzipien der europäischen Aufklärung auf religiös-orthodoxe Ordnungsmodelle und zielten damit auf eine gegen den "Westen" gerichtete kulturelle Identität der islamischen Länder. Die zwei wesentlichen Säulen der Aufklärung, Rationalismus und Toleranz, werden vom Islamismus grundsätzlich abgelehnt. Eine kritische Reflexion islamisch-orthodoxer Glaubenslehren gilt als Sakrileg; die Ermordung entsprechend agierender Intellektueller wird von den meisten Islamisten gutgeheißen. Toleranz gegenüber anderen Religionen wird, wenn überhaupt, nur in engen Grenzen praktiziert. Mit der Abschaffung des Kalifats9 im Jahre 1924, das weithin zumindest ideell als eine alle Muslime zusammenhaltende Klammer verstanden wurde, durch den türkischen Staatsmann und Nationalisten Atatürk verstärkte sich in fundamentalistischen Kreisen die Befürchtung, der Islam sei durch den Westen und durch Muslime, die sich westlichen Ideen verschrieben hatten, bedroht. Vor diesem Hintergrund gründete der ägyptische Grundschullehrer Hasan al-Banna 1928 die bis heute einflussreichste islamistische Organisation, die derzeit in über 70 Staaten präsente Muslimbruderschaft. Antiwestliche Die Gründung des Staates Israel 1948 wurde von weiten VerschwörungsTeilen der arabischen und muslimischen Welt neben der Abtheorien schaffung des Kalifats als eine weitere westliche Verschwörung aufgefasst. Die Etablierung des Staates Israel habe demnach das Ziel gehabt, einen Keil in die islamische Welt zu treiben und diese auch geografisch zu teilen. Dieser Vorgang führte Anfang der fünfziger Jahre in Jordanien zur Gründung der islamistischen Islamischen Befreiungspartei, der Hizb utTahrir al-Islami (HuT). Diese Organisation bekämpft den Nationalismus, dessen Eindringen in die islamische Welt sie als Versuch der Spaltung der Muslime ansieht und dem sie das Konzept eines alle Muslime umfassenden Reichs, des wiederzuerrichtenden Kalifats, entgegensetzt. Seit einigen Jahren bildet sich in Deutschland eine in engem Kontakt mit islamischen Kernländern stehende religiöse Lehrund Bildungsinfrastruktur heraus, die unter salafistischen Vorzeichen steht. Der Salafismus ist eine politisierte Islamauffas- 9 Das Kalifat stellte bis zur Abschaffung durch Atatürk die islamische Herrschaftsform dar, bei der weltliche und religiöse Führerschaft in der Person des Kalifen (des Nachfolgers des Propheten Muhammad) vereint waren. Der Kalif war als legitimer Nachfolger Muhammads mit der politischen und religiösen Führung der umma, der Gemeinschaft aller gläubigen Muslime, betraut. Ausländerextremismus 41 sung, die dem saudi-arabischen Wahhabismus nahe steht 10 Religiöse Lehrund und die "frommen Altvorderen" (as-salaf as-salih; der ProBildungsinfrastrukphet Muhammad und seine zeitgenössischen Anhänger) als tur unter salafiverbindliches Vorbild für alle Zeiten postuliert. Die oben bestischen Vorzeichen schriebenen verfassungsfeindlichen Aspekte des Islamismus treffen auf den Salafismus in verstärktem Maße zu; dies geht mitunter soweit, dass - im Gegensatz zu den anderen Islamisten - in salafistischen Kreisen über die schariarechtlichen Bedingungen der Versklavung so genannter Ungläubiger diskutiert wird. Zu den Kernpunkten des Salafismus gehört die Reinigung der Religion von "unislamischen" Elementen (tasfiyya) und die Erziehung der Muslime zu einem islamgemäßen Leben (tarbiyya). Der Salafismus setzt zur Propagierung von tasfiyya und tarbiyya auf zwei wesentliche Säulen: Religiöse Vorträge und Seminare sowie das Internet. Mindestens seit 2002 lassen sich verschiedene salafistische Seminaraktivitäten in Deutschland nachweisen. Eine besondere Rolle kommt dabei den überregionalen Grundlagenseminaren Lerne-den-Islam zu. Eine besondere Bedeutung hinsichtlich der Weitergabe salafistisch geprägten "Wissens" hat für Niedersachsen und Deutschland der in Braunschweig ansässige Verein "Einladung zum Paradies e. V." Dieser Verein steht in direkter Verbindung zu einer Moschee mit angeschlossener Islamschule. Hier erhalten über 200 Personen nach Lehrplänen der Universität Medina (Saudi-Arabien; eine der bedeutendsten Universitäten in der islamischen Welt) eine umfangreiche Ausbildung in Islamstudien in deutscher Sprache. Das Studium wird ganz überwiegend als Fernstudium über das Internet betrieben. Neben der Islamschule in Braunschweig kann man die Prüfungen auch in Moscheen in Mönchengladbach und Stuttgart ablegen. Obwohl sich die Schule auf ihrer Internetseite sichtbar darum bemüht, sich von gewalttätigen Formen des Islamismus abzugrenzen, lässt sich immer wieder an im Internet abrufbaren Videos der islamistische Charakter der Ausbildung erkennen. So erklärte der Leiter der Schule, Muhamed CIFTCI, in einem mittlerweile nicht mehr im Internet zur Verfügung stehenden Video, dass für den Abfall vom Islam die Enthauptung die angemessene Strafe sei. In einer anderen Vorlesung 10 Wie beim Salafismus handelt es sich beim Wahhabismus um eine so genannte islamische Reformbewegung. Reform in diesem Sinne bedeutet jedoch ein Zurückgehen auf einen imaginierten Urislam des 7. Jahrhunderts. Alles was danach kam, wie etwa liberalere Ausprägungen des Islams, Frauenrechte, Demokratie etc., wird abgelehnt. 42 Ausländerextremismus zum Thema "Vermännlichung der Frau" erklärte er, dass die Bedeckung der Frau mit einem Kopftuch nicht genüge, sondern dass die Frau außerhalb ihres Hauses auch Gesicht und Hände zu verhüllen habe. Weiterhin dürfe die Frau nicht wie sie wolle ohne Begleitung ihr Haus verlassen. Auch machte Muhamed CIFTCI in seinem Vortrag klar, dass das Ausüben bestimmter Sportarten den Frauen zu untersagen sei. Die besondere Gefahr, die von dieser Schule ausgeht, liegt darin, dass in wenigen Jahren viele Absolventen diese "salafistische Fernuniversität" verlassen werden und mit ihrem umfangreichen Wissen Tätigkeiten etwa als Freitagsprediger anstreben könnten. In diesem Fall würden sie als Multiplikatoren salafistischer Vorstellungen in der muslimischen Bevölkerung Deutschlands wirken. Braunschweig ein Neben dieser Schule betreibt auch eine salafistisch ausgeZentrum des richtete Moschee in Hannover ein Lehrprogramm, das aus reSalafismus in gelmäßig stattfindenden Schulungen und Vorträgen besteht. Deutschland Über den Leiter der Islamschule in Braunschweig, der regelmäßig an dieser Moschee in Hannover Vorträge hielt, besteht eine Anbindung der Hannoveraner Moschee an das salafistische Bildungsund Gelehrtennetzwerk. 3.3.2 Die terroristische Dimension des Islamismus Bereits in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts verfügte die Muslimbruderschaft über eine Geheimorganisation, die Attentate auf politische Gegner ausführte. Das Phänomen der durch Selbstmordattentäter durchgeführten Anschläge, denen mitunter Hunderte von Menschen zum Opfer fallen, entstand jedoch erst in den 1980er Jahren und breitete sich allmählich über das schiitische Hizb Allah-Millieu hinaus in den Bereich des sunnitischen11 Islamismus aus. Seit dem Jahr 2000 gelang es den deutschen Sicherheitsbehörden in mehreren Fällen, islamistische Terroranschläge zu verhindern: 11 Schiiten sind diejenigen Muslime, die Ali, den Vetter und Schwiegersohn Muhammads als dessen ersten rechtmäßigen Nachfolger anerkennen und in diesem Sinne Schiat Ali, Anhänger Alis heißen. Dieses Bekenntnis unterscheidet sie von den Sunniten, die in Abu Bakr (gest. 634), Umar (gest. 644), Osman (gest. 656) und dann erst Ali (gest. 661), die ersten rechtmäßigen Kalifen sehen. Die Sunniten bilden mit ca. 85 - 90 % die größte Glaubensrichtung im Islam. Sunniten stellen in vielen islamischen Ländern die Mehrheit der Muslime, so beispielsweise in Ägypten, Tunesien, Jordanien, Syrien oder der Türkei. Zweitgrößte Glaubensrichtung des Islam sind mit ca. 10 - 15 % die Schiiten. ("Lexikon der Islamischen Welt", Hrsg. Klaus Kreiser, Rotraud Wielandt, 1992). Ausländerextremismus 43 - So wurde im Dezember 2000 ein in Straßburg geplanter Anschlag einer Frankfurter islamistischen Zelle verhindert. Nach Angaben der vier im März 2003 verurteilten Täter sollte ein Sprengsatz in der Straßburger Synagoge gezündet werden. - Mitglieder der islamistischen al-Tawhid-Bewegung in Deutschland schmiedeten Pläne für Anschläge auf ein jüdisches Gemeindezentrum in Berlin sowie auf eine Diskothek in Düsseldorf. Diese Mitglieder wurden von den Sicherheitsbehörden im April 2002 festgenommen. - Im September 2002 nahm die Polizei einen 25-jährigen Türken und seine 23-jährige Verlobte, eine Amerikanerin türkischer Abstammung, wegen geplanter Anschläge auf US-Militäreinrichtungen und die Heidelberger Innenstadt fest. In der Wohnung des Paares wurden Sprengsätze sichergestellt. - Im März 2003 kam es zur Festnahme eines Tunesiers in Berlin unter Terrorismusverdacht. Der Mann soll Kontakte zu einem Unterstützer der Terroranschläge vom 11.09.2001 in den USA gehabt haben, als Ausbilder in einem Terrorcamp tätig gewesen sein und gemeinsam mit anderen Islamisten während des Irak-Krieges einen Anschlag in Deutschland geplant haben. In seiner Wohnung fand die Polizei eine Schusswaffe, verdächtige Cheimikalien sowie Computer-Programme für Flugsimulatoren. - Im Dezember 2004 konnte ein Anschlag der islamistischen Terrorgruppe Ansar al-Islam auf den damaligen irakischen Ministerpräsidenten Allawi bei dessen Besuch in Berlin vereitelt werden. - Im Juli 2006 scheiterten Anschläge auf zwei Regionalzüge in Nordrhein-Westfalen ("Kofferbomber" von Köln). Zwei Libanesen hatten am Kölner Hauptbahnhof mit Sprengsätzen präparierte Koffer in zwei Zügen nach Koblenz und Hamm platziert. Die Sprengsätze kamen wegen handwerklicher Fehler nicht zur Zündung. - Die 2007 festgenommenen Mitglieder der so genanten Sauerlandgruppe hatte in Niedersachsen über 700 kg chemischer Grundstoffe für die Sprengstoffherstellung erworben und weitere logistische Unterstützung (Beschaffung von Zündern) durch Islamisten aus dem Raum Braunschweig erhalten. Der Terrorismus islamistischer Prägung gilt heute überwieTerrorismus islamigend als salafistisch inspiriert. So bestand etwa über persönstischer Prägung liche Bekanntschaften eine Anbindung der so genannten Sauüberwiegend salafierlandgruppe an ein im Raum Braunschweig/Wolfsburg agiestisch inspiriert 44 Ausländerextremismus rendes salafistisches Netzwerk. Dieses Netzwerk wiederum ist eingebunden in internationale Zusammenhänge des islamistischen Terrorismus im Hinblick auf Werbung, Finanzierung und Rekrutierung. So wurden seit etwa Anfang 2003 mehrere Personen aus Niedersachsen an Kriegsschauplätze im Irak und Libanon vermittelt. Weiterhin konnten propagandistische Aktivitäten hinsichtlich der Legitimierung des Jihads gegen so genannte Ungläubige festgestellt werden. Wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, Vorbereitung eines Sprengstoffanschlages und Verabredung zum Mord wurden die Angeklagten am 04.03.2010 vom Oberlandesgericht Düsseldorf zu Haftstrafen zwischen fünf und zwölf Jahren verurteilt. Die Vernehmungen der Angeklagten und die im Laufe des Prozesses gewonnenen Informationen brachten neue Erkenntnisse hinsichtlich des Radikalisierungsbzw. des Rekrutierungsprozesses terroristischer Gruppierungen. So scheint das salafistische Bildungsnetzwerk durch die Durchführung von so genannten Islamseminaren eine wichtige Rolle im Radikalisierungsprozess zu spielen. In diesen mehrtägigen Veranstaltungen werden einer großen Zahl (häufig im dreistelligen Bereich) vorwiegend junger Menschen die Grundsätze des salafistisch verstandenen Islams nahegebracht. Damit korrespondiert die Erkenntnis, dass am Anfang des Radikalisierungsprozesses eine ausgeprägte Beschäftigung mit Glaubensfragen stand. Diese wurde so intensiv betrieben, dass damit ein partieller Ausstieg aus dem sozialen Umfeld verbunden war. "Self-MadeWeiterhin lässt das Beispiel der Sauerlandgruppe vermuIdeologie" ten, dass die Bedeutung einer Art "Self-Made-Ideologie" größer ist als bislang vermutet. Die Mitglieder der Gruppe stellten sich aus dem salafistischen Angebot - vermittelt durch Moscheen, Vereine, Islamseminare und Internetangebote - baukastenartig ihre eigene radikale Ideologie zusammen. Diese "Self-Made-Ideologie" in Kombination mit persönlichen Schlüsselerlebnissen ließ in ihnen - teilweise unabhängig voneinander - den Wunsch entstehen, sich selbst aktiv am militanten Jihad zu beteiligen. Zielgerichtet bereiteten sich die Mitglieder der Gruppe auf den Anschlag vor: Zwar erfüllten die Angeklagten zunächst nicht das Anforderungsprofil für die Teilnahme am "Jihad" (körperliche Fitness, arabische Sprachkenntnisse, Vertrautheit mit dem islamischen Kulturkreis), waren dann aber bestrebt, diese Defizite zielgerichtet zu beheben (u. a. durch Sprachaufenthalt an einem Institut in Damaskus/Syrien). Bemerkenswert ist auch die undogmatische Herangehensweise an die Aufgabe, die sie sich selbst gestellt haben. Es bestand ursprünglich Ausländerextremismus 45 der Wunsch, direkt als Kämpfer am Jihad in Tschetschenien bzw. im Irak teilzunehmen. Dass die Mitglieder der Gruppe sich letztendlich auf eine Ausbildung in Pakistan und die versuchte Begehung eines Anschlages in Deutschland einließen, zeugt von unbedingter Entschlossenheit und operativer Flexibilität. Der Prozess gegen die vier Beschuldigten belegte noch einmal, dass sich islamistische Radikalisierungsprozesse bis hin zur Bereitschaft, Massenmorde zu begehen, in verhältnismäßig kurzer Zeit vollziehen können. Die terroristische Bedrohungslage Seit Jahresbeginn 2009 versuchen terroristische Gruppierungen mit zuvor nicht bekannter Intensität, auf Deutschland und auf in Deutschland aufgewachsene Muslime einzuwirken. Insbesondere im Zuge der Wahl zum Deutschen Bundestag am 27. September unternahmen verschiedene islamistische Terrororganisationen durch zahlreiche Videoverlautbarungen mit Deutschlandbezug Anstrengungen, auf die Wahl Einfluss zu nehmen. In über 20 Audiound Videobotschaften von al-Qaida oder anderen jihadistischen Gruppierungen mit Bezügen zu Deutschland wurden 2009 verschiedene Themen behandelt. Zu diesen gehörten insbesondere: - das Afghanistanengagement der Bundesrepublik Deutschland, - Aufrufe an in Deutschland lebende Muslime, sich am Jihad gegen die westliche Welt zu beteiligen und - Angriffe gegen deutsche Medien und Politiker. So wurde mit dem Video des Bekkay HARRACH "Sicherheit - ein geteiltes Schicksal", welches am 18. September im Internet festgestellt werden konnte, den Deutschen ultimativ eine Forderung gestellt. Die mit Bezug auf den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr "falsche" Wahlentscheidung bei der Bundestagswahl sollte in den beiden Folgewochen mit einem terroristischen Anschlag "quittiert" werden. In einem am 25. September veröffentlichten Video wendet sich ein vermummter Sprecher, der als Ayyub Almani vorgestellt wird, in deutscher Sprache an die deutsche Bevölkerung. Diese solle sich von seiner politischen Elite nicht erneut durch ein kriegerisches Engagement - diesmal in Afghanistan - in den Abgrund führen lassen: 46 Ausländerextremismus "Mit dieser Botschaft richten wir uns an diejenigen aus dem deutschen Volk, die bereit sind, ihren Verstand zu benutzen. Unsere Motivation ist es, die Heuchelei und die Falschheit eurer Medien, eurer Regierung, eurer Politiker und eurer feigen Truppen aufzudecken. Deutschland ist im Krieg, doch das Volk ist im Tiefschlaf, genau wie damals bei der industriellen Vernichtung der Juden." "PropagandaDas Bedrohungsszenario für Deutschland wurde durch die offensive" im Einblendung von Bildern aus deutschen Städten (u. a. Berlin, Internet Frankfurt/Main, Hannover, München) in diesem Video konkretisiert. Mit dieser "Propagandaoffensive", die in den Monaten um die Bundestagswahl ihren Höhepunkt fand und danach in der Intensität deutlich nachgelassen hat, ist Deutschland in bisher nicht dagewesenem Maße in das Zielspektrum islamistisch-terroristischer Kreise geraten. Mittlerweile stellen Sicherheitsbehörden regelmäßig Ausreisebewegungen von Personen aus dem islamistischen Spektrum in Deutschland fest, welche sich vermutlich zur Ausbildung in "Terrorcamps" im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet begeben haben bzw. wollten. Hierbei kommt neben jungen, in Deutschland aufgewachsenen Muslimen ("homegrown-terrorism") auch Konvertiten eine besondere Bedeutung zu. AusreisebeAktuell liegen den Sicherheitsbehörden Informationen zu wegungen von insgesamt rund 215 Personen mit Deutschland-Bezug (deutPersonen des sche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund bzw. Kongewaltbereiten vertiten sowie Personen anderer Staatsangehörigkeit, die in islamistischen Deutschland waren) und islamistisch-terroristischem HinterSpektrums grund vor, die seit Beginn der neunziger Jahre eine paramilitärische Ausbildung erhalten haben sollen bzw. eine solche beabsichtigten. Zu ca. 65 dieser 215 Personen existieren konkrete Hinweise, die für eine absolvierte paramilitärische Ausbildung sprechen. Es wird davon ausgegangen, dass sich weniger als ein Drittel dieser 65 Personen aktuell wieder in Deutschland aufhält, davon ist ca. die Hälfte derzeit inhaftiert. Von den insgesamt 215 Personen, bei denen eine Teilnahme an einer paramilitärischen Ausbildung zumindest angenommen wird bzw. die eine solche beabsichtigen, halten sich derzeit vermutlich ca. 100 Personen (wieder) in Deutschland auf, davon sind ca. 15 Personen inhaftiert. Ca. 40 Personen haben sich mutmaßlich seit Beginn des Jahres 2001 an Kampfhandlungen in Krisenregionen beteiligt. Ausländerextremismus 47 Von den oben beschriebenen 215 Personen halten sich etwa 20 Personen in Niedersachsen auf. Die Bandbreite der Aktivitäten reicht dabei von islamistisch geprägten Äußerungen der Kampfbereitschaft bis hin zur konkreten Beteiligung an Kampfhandlungen in Krisengebieten. Auch wenn konkrete Erkenntnisse zu Anschlagsplanungen derzeit nicht vorliegen, ist in der Gesamtschau weiterhin von einer anhaltend hohen Sicherheitsund Gefährdungslage für deutsche Interessen im Ausland, aber auch für das Gebiet der Bundesrepublik auszugehen. Dies gilt uneingeschränkt auch für Niedersachsen. 3.3.3 Mediale Verbreitung islamistischer und fundamentalistischer Positionen Zahlreiche Fernsehsender des nahund mittelöstlichen Raumes, die über Internet und Satellit auch in Niedersachsen zu empfangen sind, vermitteln ein Weltbild, das häufig im Widerspruch steht zum friedlichen Zusammenleben religiös verschieden geprägter Bevölkerungsgruppen. Stehen bei türkischen Sendern eher nationalistische Botschaften im Vordergrund, so propagieren arabischsprachige Programme mitunter religiös sehr konservative bis hin zu islamistischen Einstellungen. Breiten Raum finden in Predigtsendungen oder in den beliebten Gesprächsrunden über den islamischen Glauben Themen, die direkt das Leben des einzelnen Muslims berühren, so etwa die Frage nach dem Verhältnis der Geschlechter. Häufig werden dabei Positionen vertreten, die mit einem verfassungskonNahöstliche TVformen Verständnis, insbesondere mit den Menschenrechten Sender auch in unvereinbar sind. So rechtfertigte Scheich Masoud Anwar am Niedersachsen 13. März auf Al-Rahma TV mit Verweis auf angebliche Dekaempfangbar denzerscheinungen im Westen das Recht eines muslimischen Mannes auf bis zu vier Ehefrauen: "Brüder, es ist nun völlig abwegig, dass Orientalisten und ignorante Muslime die Polygamie als unrecht betrachten. In Europa kritisiert niemand die Vielzahl von Sexpartnern. Man sagt dort, dass es halt persönliche Freiheiten seien. Amerika, Europa, alles was wir dort sehen sind Huren und Prostituierte. Das ist die Kultur der Promiskuität, die Kultur von Sexmagazinen, Pornofilmen und der Homosexualität. Es gibt sogar Gesetze, dass Männer Männer heiraten können." Viele konservative arabische Fernsehsender propagieren nicht nur ein bedenkliches Frauenbild, sondern geben auch 48 Ausländerextremismus Hasspropaganda gegenüber Minderheiten ein Forum. Am 10.12.2007 nutzte der kuwaitische Islamist Saad Al-Inzi ein Interview auf al-Rai TV, um drakonische Maßnahmen gegenüber Homosexuellen zu fordern: "Al-Inzi: Wenn eine Person einen abscheulichen Akt wie Homosexualität bzw. Lesbianismus begeht, dann erfüllt es nach islamischer Rechtsauffassung den Straftatbestand der "Verbreitung von Korruption auf Erden", und dies sollte mit dem Tod bestraft werden. Interviewer: Abgesehen von lebenslänglicher Haft und Todesstrafe, was kann noch gemacht werden? Al-Inzi: Nach dem islamischen Recht sollte ein Homosexueller von einem hohen Gebäude geworfen werden. Interviewer: Was würden Sie mit ihnen tun? Al-Inzi: Um ehrlich zu sein, der einfache Tod ist zu gut für sie. Sie sollten auf einem öffentlichen Platz versammelt werden, wo sie geprügelt und gefoltert würden, so dass die Wahrheit über diese Leute offenbar würde und sie als abschreckendes Beispiel für andere dienten." Antisemitische Immer wieder finden auch antisemitische Feindbilder Eingang Feindbilder in die arabische Fernsehberichterstattung. Nach Ansicht des syrischen Wirtschaftswissenschaftlers Muhammad Sharif Mazloum, geäußert am 10.10.2008 auf Al-Kawthar-TV, stecke das "internationale Judentum" hinter verschiedenen bislang ungeklärten Verbrechen. "In den sechziger Jahren beschloss Präsident Kennedy staatliche Banken zu gründen, um das nach Amerika hineinströmende Gold zu verwahren und somit den Dollar zu stärken. Was wurde aus Kennedy? Er wurde im Auftrag der zionistischen Lobby ermordet." Auch in einer Predigt, die am 22. Mai durch den irakischen Sender Al-Furat TV verbreitet wurde, bezichtigt der Bagdader Scheich Jalal al-Din al-Saghir jüdische Kreise eines infamen Komplotts gegen die Muslime: "In der Nähe der Bagdader Universität werden Hormonpräparate kostenlos an Jugendliche verteilt... Die Zahl der Alkoholgeschäfte steigt dramatisch. Eine internationale Organisation gibt jedem, der einen Schnapsladen aufmacht, $ 20.000 und jedem, der einen Nachtclub eröffnet, sogar $ 30.000. Ich schwöre, dass der israelische Mossad dahintersteckt." Ausländerextremismus 49 Im Gegensatz zum Fernsehen kann im Internet ganz offen für jihadistische Positionen geworben werden. So sind dort neben zahlreichen Schriften islamistischer Ideologen und gewaltverherrlichender Videos auch regelrechte Jihad-Magazine einsehund herunterladbar. Waren bislang diese Magazine überwiegend in arabischer Sprache verfasst und somit für Muslime in westlichen Gesellschaften nur eingeschränkt zugänglich, so existiert seit 2009 mit "Jihad Recollections" ein englischsprachiges Jihad-Magazin, das bislang in vier Ausgaben vorliegt und problemlos heruntergeladen werden kann. In einer Ausgabe der "Recollections" wird ausführlich das 1.600-Seiten Opus "The Global Islamic Resistance Call" behandelt, dass von militanten Islamisten als wichtigstes Buch des Jahrzehnts gepriesen wurde, da hier gezeigt werde, wie man die militärische Auseinandersetzung mit dem dekadenten Westen langfristig gewinnen könne. Da dieses englischsprachige Magazin sich primär an im Westen lebende Muslime wendet, werden ebenso psychologische Ratschläge erteilt, wie man jüngst zum Islam übergetretene Konvertiten Schritt für Schritt in gewaltbereite Mujahedin verwandeln kann. 3.3.4 Wegfall der Berichterstattung Im Gegensatz zu den Verfassungsschutzberichten der Vorjahre werden aus dem Bereich des Islamismus die Organisationen Kalifatsstaat und Islamische Befreiungspartei (HuT) und aus dem Bereich der nicht islamistischen Ausländerorganisationen die iranische Oppositionsgruppe "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK/NWRI) aufgrund ihrer nachlassenden Relevanz in Niedersachsen nicht mehr erwähnt. 50 Ausländerextremismus 3.4 Muslimbruderschaft (MB) Gegründet: 1928 in Ägypten Sitz in Deutschland: München/Aachen Sitz: Kerpen (NRW) Mitglieder/Anhänger12 2008 2009 Bund: 1.700 1.700 Niedersachsen: 160 160 Publikationen: Risalat ul-Ikhwan (Rundschreiben der Bruderschaft) Al-Islam mit Al-Islam aktuell (der Islam) Al-Rai'id (Der Kundschafter) Die auch als "ideologische Mutterorganisation des politischen Islam" bezeichnete Muslimbruderschaft (MB) versucht, mit ihrer Strategie der kulturellen Durchdringung der islamischen Staaten die gesellschaftlichen Voraussetzungen zur Etablierung islamistischer Staatsmodelle zu schaffen. Der MB zugerechnete Gruppen haben sich in der Vergangenheit auch an gewaltsamen Erhebungen gegen die jeweiligen Machthaber in Syrien 1982 und in Algerien während der neunziger Jahre beteiligt. Den in das international verflochtene Netzwerk eingebundenen deutschen Zweigen der MB ist der gleiche Auftrag gestellt wie den nahöstlichen Zweigen der Bruderschaft: Die Durchdringung von Staat und Gesellschaft durch die Ideologie des Islamismus mit der Scharia als alleingültiger Ordnung. Damit verfolgt die MB Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des SS 3 Abs. 1 Nr. 1 NVerfSchG. 3.4.1 Ursprung und Entwicklung Die sunnitische MB ging 1928 aus einer kleinen Gruppe von Männern um Hasan al-Banna hervor, die sich als "Brüder im Dienste des Islam" verstanden. Als älteste und bis heute wichtigste islamistische Organisation ist sie nach eigenen Angaben in über 70 Ländern präsent. Trotz dieser internationalen Ausrichtung zeigt die Bruderschaft noch heute eine deutliche arabische Prägung. Ihre wichtigste Basis ist weiterhin Ägypten, wo sie verboten ist. 12 Potenzial der Mitglieder/Anhänger der verschiedenen Zweige der MB einschließlich der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e. V. (IGD), der HAMAS und der "Islamischen Avantgarden". Ausländerextremismus 51 Auf ihrer fünften Generalkonferenz 1939 in Kairo legte die Neuerungen MB ihre bis heute gültige Doktrin fest. Darin tritt ein entschiewerden als den islamistischer Wesenszug zu Tage. Indem sich die Muslim"Verunreinigungen" brüder auf das Wirken und die Tradition des Propheten und angesehen seiner Gefährten berufen, grenzen sie sich von allen "Verunreinigungen" des Islam ab, die die islamische Welt seit dem 7. Jahrhundert heimgesucht hätten. Die MB ist eine hierarchisch strukturierte Organisation. Als ihr Oberhaupt fungiert der Murschid Amm, der "Allgemeine Führer", dem sich das einzelne Mitglied durch ein Gelöbnis zur Gefolgschaft verpflichtet. Für den Gründer al-Banna trug die Bruderschaft deutlich politische Züge. Darüber hinaus sei sie durch den als allumfassend angesehenen Charakter des Islam eine "der körperlichen Ertüchtigung dienende Gruppe", ein "kultureller und wissenschaftlicher Verband", eine "soziale Idee" und sogar ein "Wirtschaftsunternehmen". Der Wahlspruch der Bruderschaft verdeutlicht den universalen Anspruch: "Gott ist unser Ziel, der Prophet unser Führer, der Koran unsere Verfassung und der Kampf unser Weg. Der Tod um Gottes Willen ist unsere höchste Gnade. Gott ist groß." (nach Franz Kogelmann: "Die Islamisten Ägyptens in der Regierungszeit von Anwar as-Sadat [1970-1981]"; Berlin 1994, S. 29) 3.4.2 Die Muslimbruderschaft in Deutschland und in Niedersachsen In Deutschland verbreitet die panislamisch orientierte MusMB übt Einfluss limbruderschaft ihre islamistischen Vorstellungen über eine auf den Zentralrat Reihe von Gruppierungen. Unter anderem übt die MB über der Muslime in ihre Unterorganisationen Einfluss auf den Zentralrat der MusDeutschland aus lime in Deutschland (ZMD)13 aus. Vorrangiges Ziel ist es, die in Deutschland lebenden Muslime von der "wahren", d. h. von ihrer Interpretation des Islam zu überzeugen. Verschiedene islamische Zentren dienen diesem Ziel als organisatorische Stützpunkte. Gewaltaktivitäten der MB auf deutschem Boden wurden bisher nicht festgestellt. Bereits 1960 gründete sich in der Bundesrepublik Deutschland die Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V. (IGD), die heute zu den größeren MB-Gruppen in Deutschland gehört. Sie hat ihren Sitz im Islamischen Zentrum München (IZM). Im Januar 2010 wurde Samir FALAH zum neuen Präsi13 Der ZMD ist eine Zusammenschluss von 19 Verbänden, denen ca. 12.000 Muslime zumeist arabischer Herkunft angehören. Etwa die Hälfte der Mitgliedsorganisationen des ZMD, u. a. die der Muslimbruderschaft zuzurechnende Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V., sind als islamistische Organisationen einzustufen. 52 Ausländerextremismus denten der IGD gewählt. Er folgt dem seit 2002 amtierenden Ibrahim EL-ZAYAT, welcher nach zwei Amtsperioden nicht mehr zur Wiederwahl zur Verfügung stand. Regionale Strömungen der Muslimbruderschaft14 Dem syrischen Zweig der MB zuzurechnen sind die Anfang der achtziger Jahre vom Leiter des Islamischen Zentrums Aachen (IZA), Issam EL-ATTAR, gegründeten Islamischen Avantgarden. IGD und Islamische Avantgarden finanzieren sich in Deutschland im Wesentlichen über Mitgliedsbeiträge, Spendensammlungen in Moscheen und sonstige private Spenden. Untergruppierungen des syrischen Zweiges sind die Union Muslimischer Studentenorganisationen in Europa e. V. (UMSO) und die Union für die in den europäischen Ländern arbeitenden Muslime e. V. (UELAM). HAMAS - Die Islamische Widerstandsbewegung HAMAS, palästinenPalästinensischer sischer Zweig der Muslimbruderschaft, ist über eine UnterorZweig der ganisation in Deutschland vertreten. Es handelt sich hierbei Muslimbruderschaft um den im Mai 1981 im IZM gegründeten Islamischen Bund Palästina (IBP). In Niedersachsen sind nur einzelne Mitglieder und Funktionäre dieser Vereinigung ansässig. Darüber hinaus 14 Abgewandelte Darstellung aus dem Verfassungsschutzbericht 2006, S. 41, Bayerisches Staatsministerium des Inneren. Ausländerextremismus 53 ist hier ein Verein angemeldet, von dem einige Mitglieder der En-Nahda15 zuzurechnen sind. Ihrem Ansatz der kulturellen Durchdringung entsprechend finden auch in niedersächsischen Moscheen, die der MB zuzurechnen sind, Korankurse dieser ideologischen Ausrichtung statt. Hingegen sind öffentliche Aussagen von der Bruderschaft nahe stehenden Predigern mit antiwestlicher und/ oder antijüdischer Tendenz vor dem Hintergrund verstärkter staatlicher Überwachungsmaßnahmen nicht mehr in früherer Schärfe wahrnehmbar. Anhänger der MB verfügen über niedersächsische Moscheen in Braunschweig, Göttingen, Hannover und Osnabrück. 3.5. Tablighi Jama'at (TJ, Gemeinschaft der Missionierung und Verkündigung) Gegründet: 926 in Britisch-Indien Sitz: Weltzentrum in Lahore/Pakistan, europäisches Zentrum in Dewsbury (Großbritannien), in Deutschland keine offizielle Niederlassung Mitglieder/Anhänger 2008 2009 Bund: 700 700 Niedersachsen: 70 70 Die Tablighi Jama'at (TJ, "Gemeinschaft der Missionierung und Verkündung") wurde im letzten Jahrhundert als Missionsbewegung gegründet. Sie vertritt ein äußerst konservatives Islamverständnis, das die Ausgrenzung der Frau und die Abgrenzung gegenüber Nichtmuslimen beinhaltet. Die Anhänger dieser internationalen islamischen Massenbewegung sind bestrebt, die überlieferte Lebensweise des Propheten Muhammad in Kleidung und täglichen Verrichtungen möglichst genau nachzuempfinden. Koran und Sunna16 werden strenggläubig und wortgenau befolgt und sollen als Richtschnur für jedes gesellschaftliche Miteinander gelten. Durch die Propa15 Neben dem hier gemeldeten Vereinssitz ist in Niedersachsen auch der 1. stellvertretende Vorsitzende ansässig, während die übrigen Vereinsmitglieder über verschiedene Bundesländer verteilt sind. Bei der En-Nahda handelt es sich um den tunesischen Zweig der Muslimbruderschaft. 16 Der Begriff Sunna bezeichnet die überlieferten Taten, Ansichten und Unterlassungen des Propheten Muhammad in ihrer Gesamtheit und gilt als Richtschnur auch für den Muslim der heutigen Zeit. Nach dem Koran ist die Sunna des Propheten die zweitwichtigste Quelle des islamischen Rechts. 54 Ausländerextremismus gierung der Scharia als Grundlage ihres Gesellschaftsmodells verfolgt die TJ Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des SS 3 Abs. 1 Nr. 1 NVerfSchG. 3.5.1 Ursprung und Entwicklung Angesichts der Dominanz der europäischen Kolonialmächte propagierten so genannte islamische Reformbewegungen wie die TJ, die im indo-pakistanischen Bereich ihren Ursprung hatten, die Säuberung des Islams von vermeintlichen geistigen und kulturellen Verunreinigungen.17 Heute zählt die TJ nach Zahl und Verbreitung ihrer Anhänger weltweit zu den bedeutendsten islamischen Bewegungen. Ihre Anhänger fühlen sich nicht einer festen Gruppierung zugehörig, sondern sehen sich als Muslime mit missionarischem Auftrag. Obwohl sich die TJ selbst als unpolitisch und gewaltlos darstellen, muss dies aus Sicht der Sicherheitsbehörden anders bewertet werden. Das strikte Koranverständnis führt zu einer Befürwortung der Scharia, des aus Koran und Sunna hergeleiteten islamischen Rechts, und damit in letzter Konsequenz zu einer Islamisierung der Gesellschaft. Das Bemühen um eine, im Sinne der TJ vorbildliche, Glaubenspraxis schließt eine weitgehend wortgetreue und streng konservative Interpretation des Korans und seiner Rechtsvorschriften ein, so dass damit der Erfüllung religiöser Vorschriften grundsätzlich Vorrang gegenüber einer an staatlichen Gesetzen orientierten Lebensführung eingeräumt wird. 3.5.2 Aktivitäten von TJ-Anhängern in Deutschland und in Niedersachsen Intensive Die Anhänger der TJ reisen in der Regel in Gruppen, um eimissionarische nerseits den Glauben zu verbreiten und andererseits die Arbeit Frömmigkeit der Prediger selbst zu stärken. Zielgruppe sind in erster Linie Muslime mit einer vermeintlich unzureichenden Beachtung der Glaubensriten, erst in zweiter Linie Nichtmuslime. Zu den Pflichten eines Mitglieds gehört die freiwillige und unbezahlte missionarische Tätigkeit, die 40 Tage im Jahr betragen soll. 17 Die Muslime Indiens sahen sich einer zweifachen Bedrohung ausgesetzt: Einerseits hatten sie die politische Macht an die christlichen Briten verloren, andererseits überwog in Indien zahlenmäßig die hinduistische Bevölkerungsgruppe. Während aufklärerische muslimische Kreise die Meinung vertraten, dass vor diesem Hintergrund nur mit westlichen Erkenntnissen, nicht gegen sie, der Aufbruch der Muslime Indiens in die Moderne gelingen könne, lehnten konservativ ausgerichtete sunnitische Rechtsgelehrte sowohl hinduistische als auch westliche Einflüsse ab und forderten deren Eliminierung. Ausländerextremismus 55 Der Schwerpunkt der Aktivitäten der TJ liegt auf dem indischen Subkontinent. In den letzten Jahrzehnten hat diese islamische Massenbewegung ihre Aktivitäten jedoch auf Nordafrika und auf die muslimische Diaspora in Europa, Nordamerika und Australien ausgeweitet. Die TJ führt jährliche Treffen auf dem indischen Subkontinent durch, an denen Hunderttausende in Indien, Pakistan und Bangladesch teilnehmen. Diese Treffen entwickeln sich zu Anziehungspunkten von Islamisten, die die strenggläubige islamische Massenbewegung als Rekrutierungsfeld betrachten. Niedersächsische Anhänger der TJ sind seit einigen Jahren an das globale Netzwerk der TJ angeschlossen. Von Niedersachsen ausgehende Missionsreisen werden aus der Masjid El Ummah Moschee im Pakistanzentrum in Hannover nach entsprechender Vorgabe koordiniert. Die niedersächsischen TJAnhänger beteiligen sich insbesondere an regelmäßig stattfindenden bundesund europaweiten Treffen, auf denen u. a. organisatorische Entscheidungen der Bewegung getroffen werden. Grundlegende Entscheidungen werden jedoch von den Führungszentren der TJ in Pakistan und Indien bestimmt. In Niedersachsen fand ein größeres Treffen von TJ-Anhängern zuletzt im Oktober 2007 in der Masjid El Umma Moschee in Hannover statt. Unter den rund 100 Teilnehmern befanden sich neben regionalen Entscheidungsträgern aus dem Bundesgebiet auch Teilnehmer aus Österreich, Frankreich und dem europäischen Zentrum der TJ in Dewsbury/Großbritannien. Im Rahmen dieser Treffen wird regelmäßig durch die Führung dazu aufgerufen, die Missionstätigkeit zu intensivieren. TJ-Anhänger sind aufgrund der durchzuführenden missionarischen Reisen auch regelmäßig in niedersächsischen Moscheen festzustellen, die nicht originär der TJ zuzurechnen sind. So wurden Missionierungsgruppen u. a. in Göttingen, Osnabrück und der Region Braunschweig/Wolfsburg festgestellt. Die Bewegung ist bestrebt, ihre missionarischen Aktivitäten ständig zu intensivieren und ihre Anhängerzahl weltweit, somit auch in Niedersachsen, zu erhöhen. 56 Ausländerextremismus 3.6 Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V. (IGMG) Gegründet: 1985 in Köln (als Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europae. V. - AMGT) Vorsitzender: Yavuz Celik KARAHAN Sitz: Kerpen (NRW) Mitglieder/Anhänger 2008 2009 Bund: 27.500 29.000 Niedersachsen: 2.600 2.600 Publikation: Perspektif (monatlich) Die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) ist im Wesentlichen bestrebt, türkischstämmigen Muslimen eine eigenständige Identität auf der Basis islamistischer wie auch türkisch-nationalistischer Anschauungen zu vermitteln. Diese Identität definiert sich in Abgrenzung zur freiheitlichen Werteordnung der Bundesrepublik Deutschland und propagiert die islamische Rechtsund Lebensordnung, die Scharia, als Grundlage ihres Gesellschaftsmodells. Damit trägt die IGMG zur Bildung von Parallelgesellschaften in Deutschland maßgeblich bei. Durch die Propagierung der Scharia verfolgt die IGMG Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des SS 3 Abs. 1 Nr. 1 NVerfSchG. 3.6.1 Ursprung und Entwicklung Die Geschichte und Ideologie der IGMG ist untrennbar mit dem türkischen Islamistenführer Necmettin ERBAKAN verbunden, der in den 1970er Jahren seine Vorstellungen zur Lösung der politischen und gesellschaftlichen Probleme in der Türkei in der Schrift "Milli Görüs" ("nationale Sicht") darlegte. ERBAKAN beschreibt die westliche Welt als "nichtige Ordnung" ("Batil Düzen"), die durch eine islamische "gerechte Ordnung" ("Adil Düzen"), d. h. die Scharia als Grundlage für Staat und Gesellschaft, zu ersetzen sei. Als Teil der von ERBAKAN bis heute angeführten Bewegung ist auch die IGMG von dieser Weltanschauung geprägt. Die IGMG ist in Deutschland das Sammelbecken der Anhänger der Milli Görüs-Bewegung. Ihre Vorläuferorganisation, die Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e. V. (AMGT), Ausländerextremismus 57 konstituierte sich 1985 in Köln. 1995 spaltete sich die AMGT in die IGMG, deren Aufgaben sich auf die Bereiche Religion, Sozialwesen und Kultur konzentrieren, und in die Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft e. V. (EMUG), die für die Verwaltung des umfangreichen Immobilienbesitzes der Organisation zuständig ist. Die IGMG erhebt den Anspruch, einen Großteil der außerGrößte islamistische halb der Türkei lebenden Menschen türkischer Abstammung Organisation in zu repräsentieren. Deutschland 3.6.2 Die IGMG in Deutschland und in Niedersachsen Die IGMG ist mit verschiedenen islamischen Organisationen und Dachverbänden in Deutschland verflochten. Verbindungen bestehen zum Islamrat (IR) für die Bundesrepublik Deutschland18, zum Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD), zur Islamischen Gemeinschaft in Deutschland (IGD) und zur Muslim Studentenvereinigung in Deutschland (MSV). Auch im "Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland" (KRM), der am 10.04.2007 seine Gründung bekannt gegeben hat und aus den vier islamischen Verbänden Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V. (DITIB), Verband der Islamischen Kulturzentren e. V. (VIKZ), IR und ZMD besteht, ist Milli Görüs vertreten. Verflechtungen der IGMG VIKZ IR KRM DITIB MSV IGMG ZMD IGD Stand: 31.12. 2009 Grafik: MI Nds. Abt.6 Die IGMG bestreitet, eine Form des Islams zu propagieren, die gegen die politisch-gesellschaftliche Integration der in der Bundesrepublik lebenden Menschen türkischer Abstammung gerichtet sei. Tatsächlich versucht die IGMG jedoch, über 18 Im Islamrat sind eigenen Angaben zufolge über 30 Organisationen zusammengeschlossen, die derzeit über mehr als 130.000 Mitglieder verfügen sollen. Der Islamrat wird von der IGMG dominiert. 58 Ausländerextremismus Vielgestaltige umfangreiche Angebote wie Korankurse, HausaufgabenbeAktivitäten treuung, Ferienlager oder Sportaktivitäten Muslime durch der IGMG ein möglichst alle Lebensbereiche umfassendes Angebot an sich zu binden und intensiv mit der politischen Ideologie der "Adil Düzen" zu indoktrinieren. Dabei nutzt die IGMG auch das Internet, indem sie auf ihrer deutschsprachigen Internetseite über eigene und politische Themen informiert und diese auch kommentiert. Zu der von der IGMG organisierten "Betreuung" gehören u. a. eine Wallfahrtsorganisation, ein Vertrieb für religiöse Literatur, ein muslimisches Sozialwerk, ein Bestattungsfonds sowie Handelsgesellschaften für den Imund Export von Lebensmitteln. Die IGMG ist jedoch kein durchgehend homogener Verband. Vielmehr scheinen einige Führungsfunktionäre bemüht zu sein, eine größere Eigenständigkeit der Organisation gegenüber der türkischen "Milli Görüs" zu erreichen und sich allmählich vom strikt islamistischen Kurs ERBAKANs zu lösen. An der Basis gibt es jedoch eine zahlenmäßig nicht zu unterschätzende Fraktion von ERBAKAN-treuen Mitgliedern. Insbesondere große Teile der Jugendorganisation stehen weiterhin zu ERBAKAN. Keine interne Auf Niedersachsen bezogen liegen keine Erkenntnisse über RichtungsStrömungen vor, die sich von der Person ERBAKAN und seidiskussion nen politischen und ideologischen Vorgaben lösen wollen. In in Niedersachsen den niedersächsischen Ortsvereinen wird eine Diskussion über Präferenzen hinsichtlich der Leitlinien der IGMG-Deutschland nach hiesigen Erkenntnissen nicht geführt. Es ist bislang keine Tendenz erkennbar, sich von der von ERBAKAN vorgegebenen Linie trennen zu wollen. 35 Ortsvereine in In Niedersachsen besteht ein Landesverband, zu dem minNiedersachsen destens 35 Ortsvereine gehören. In zahlreichen Ortsvereinen waren dabei nur wenige Aktivitäten zu verzeichnen. Eine sehr aktive Einrichtung ist dagegen das Braunschweiger Kulturund Bildungszentrum, das neben Nachhilfeunterricht und Hausaufgabenbetreuung auch Koranunterricht speziell für Kinder anbietet. 3.6.3 Aktivitäten in Deutschland und in Niedersachsen Im Gegensatz zum Vorjahr führte die IGMG im Jahre 2009 keine Jahresversammlung durch; die letzte hatte am 31.05.2008 in Hasselt (Belgien) unter dem Motto "Tag der Brüderlichkeit und Solidarität" stattgefunden. Angesichts der Tatsache, dass viele Mitglieder in den Wahlkampf für die Kommunalwahlen in der Türkei am 29. März eingebunden waren und bereits am 4. April in Dortmund mit dem "Uniday" sowie am 25. April in Wuppertal mit dem "Tag der Verwaltungsangestellten" Groß- Ausländerextremismus 59 veranstaltungen mit mehreren Tausend Teilnehmern durchgeführt wurden, wurde auf den "Tag der Brüderlichkeit und Solidarität" in diesem Jahr verzichtet. In Niedersachsen wurden von mehreren Ortsvereinen eigene gesellschaftliche und religiöse Veranstaltungen durchgeführt. So organisierte der IGMGOrtsverein Osnabrück zusammen mit anderen muslimischen Verbänden eine gemeinsame Veranstaltung am 13. April anlässlich des Jahrestages der Geburt des Propheten Muhammad. Eine gleichartige Veranstaltung, die von der IGMG Hannover durchgeführt wurde, fand am 2. Mai im Star Event Center Hannover statt. Der Ortsverein in Salzgitter veranstaltete am 23. Mai einen Wohltätigkeitsbasar unter dem Motto "Tag der Familien". Der IGMG-Ortsverein Braunschweig beging vom 12. bis 14. Juni seine 8. Islamwoche. Diese Veranstaltung wurde zusammen mit dem "2. Familientag der IGMG-Hannover" in Braunschweig durchgeführt. Unter den Referenten war auch der Generalsekretär der IGMG, Oguz ÜCÜNCÜ. An der Veranstaltung der IGMG-Hannover zum Tag der deutschen Einheit nahm auch der Vorsitzende des IR, Ali KIZILKAYA, teil. Anlässlich einer erweiterten Gebietsvorsitzendenversammlung der IGMG im März in Goslar war auch der Generalvorsitzende der IGMG, Yavuz Celik KARAHAN, anwesend. Das Ausbildungszentrum "Neue Generation" in Hannover feierte sein zehnjähriges Bestehen. Nach einem Bericht in der Zeitung "IMAJ"19 von Juni 2009, lernten dort 2009 insgesamt 230 Schüler unter der Anleitung von 15 Assistenten und zehn Lehrern. 3.6.4 Die Milli Gazete als Sprachrohr der Milli Görüs-Bewegung IGMG-Funktionäre nutzen ihren Einfluss in den Moscheen der Sprachrohrfunktion Milli Görüs, um für die türkischsprachige Tageszeitung Milli der Milli Gazete Gazete (Nationalzeitung) zu werben. Aufgrund ideologischer Nähe erfüllt die Milli Gazete eine Sprachrohrfunktion für die IGMG. Über den Bücherkatalog der IGMG werden Publikationen von Milli Gazete-Kolumnisten vertrieben. Die Anbindung der Milli Gazete an die IGMG wird deutlich, wenn man die die IGMG betreffende Berichterstattung heranzieht. Die Fülle von Berichten über IGMG-Veranstaltungen geht weit über das Maß hinaus, das man bei einer offiziell 19 "IMAJ" ist eine kostenlose Montaszeitung, die hauptsächlich in türkischen Geschäften ausgelegt wird. Sie enthält neben Werbung auch Berichte über IGMGVeranstaltungen und -Themen. Die Zeitung wird von Personen herausgegeben, die der IGMG-Hannover zugerechnet werden können. 60 Ausländerextremismus politisch neutralen Zeitung erwarten würde. In der Berichterstattung wird die Verbindung zwischen Milli Gazete und IGMG offen dargelegt. Auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg bestätigt in einem am 15. September ergangenen Urteil den Sprachrohrcharakter der Milli Gazete. Nach Auffassung der Richter ist zwar nicht zu verkennen, dass die Milli Gazete als Zeitung - jedenfalls inzwischen - von der IGMG personell und redaktionell getrennt ist und dass die IGMG eine eigene Monatszeitschrift ("Perspektif") herausgibt und unter ihren Mitgliedern verteilt. Dies ändere jedoch nichts daran, dass die Milli Gazete als Tageszeitung großen publizistischen Einfluss auf die Mitgliederschaft der IGMG ausübt. Sie ist nach Auffassung des Gerichts auch ohne offiziellen IGMG-Publikationscharakter als Sprachrohr der Milli Görüs-Bewegung zu werten und insofern auch der IGMG zuzurechnen. Die Zeitung Milli Gazete selbst bekennt in ihrer Ausgabe vom 12./13.01.2008 auf Seite 1 unter der Überschrift "Wir sind seit 35 Jahren an Ihrer Seite", dass sie am 12.01.1973 ihre Berichterstattung mit dem Ziel gestartet habe, "eine Stimme für die Milli Görüs zu bilden". Weiter führt sie aus: "Die Milli Görüs ist viel mehr als der Slogan einer politischen Partei. Sie legt uns dar, warum wir auf diesem Boden leben." Als Diener Gottes müsse man seine Pflichten erfüllen. Dies fange mit dem Jihad an. Dieser fasse alle Bemühungen zusammen, wonach alle Gebote und Verbote Gottes befolgt werden. Das Hauptziel des Jihad sei die Bildung einer gerechten Welt. Wenn die Milli Görüs von einer "neuen Welt" spreche, meine sie dieses Ziel. Weiter heißt es wörtlich: "Die Milli Gazete ist die Vorkämpferin der Ideologie unserer Ahnen, die uns diesen Boden anvertraut haben. Sie haben 600 Jahre lang die Basis für ein Leben in einer gerechten Welt geschaffen. Früher waren wir großartig. Daher sagen wir: 'Wieder eine Großtürkei'. Dafür bedarf es einer "neuen Welt". Um wiederum eine neue Großtürkei zu errichten, bedarf es Leidenschaft, Enthusiasmus und schließlich Mühe und Anstrengung." So fordert der Kolumnist der Zeitung Milli Gazete, Mehmet Sevket Eygi, in der Ausgabe vom 27. März (Seite 5) unter der Überschrift "Das ging mir über die Hutschnur" die Menschen auf, den Islam als Errettung und Ordnung anzunehmen, ihren Glauben nicht für Geld zu verkaufen und zu verraten, diese Ausländerextremismus 61 diesseitige Welt nur als eine Prüfung anzusehen, sich an die Verbote und Gebote des Islam und an die Scharia zu halten. In weiteren Artikeln nimmt Eygi diesen Gedanken immer wieder auf. So setzt er unter der Überschrift "Erklärung" in der Milli Gazete vom 25. März (Seite 4) bestimmte Maßstäbe für einen aufrichtigen Umgang mit der Religion und dem Islam. Unter anderem vertritt er die Thesen, - dass die Muslime nicht berechtigt seien, Zugeständnisse bei ihrer Religion zu machen, da der Islam eine Religion sei, die auf Gottheit, Überlieferung und Offenbarung basiere; - dass alles, was nicht durch die Scharia gedeckt ist oder ihr entspricht, nichtig sei; - dass im Islam nicht einmal die kleinste Reform und Veränderung zulässig sei. In einer Kolumne in der Milli Gazete vom 6. Mai mit der Überschrift "Lasst uns Lesen und Schreiben lernen" wendet sich Eygi massiv gegen Reformer, deren Ansichten in seinen Augen zum Teil an Ketzerei grenzen. Diese Ungläubigen, die erklärten, dass es andere Religionen neben dem Islam gebe und für ein historisches Verständnis des Koran plädierten, seien "gefährliche Phantasten". Auch ihre Behauptung, der Koran rufe die Juden und Christen nicht zum Islam und Monotheismus auf, sei unhaltbar. In der Milli Gazete vom 31. August (Seite 4) stellt Eygi unter der Überschrift "33 Artikel" insgesamt 33 Thesen auf. Dazu gehören unter anderem die Aussagen, dass: - "der osmanische Staat und das osmanische Kalifat zwar in ihrer letzten Phase nicht mehr auf einem hundertprozentigen idealen islamischen System basierten, den Muslimen jedoch Sicherheit, Freiheit und ein Leben nach den Gesetzen ihres Glaubens geboten hätten"; - "sämtliche Bewegungen, die die Grundwerte des Islams mit der Moderne zu verbinden versuchten und sich nicht auf den Koran, die Sunna, die einheitliche Ansicht der islamischen Gelehrten, die islamischen Rechtswissenschaften, die Scharia und die einwandfreie Glaubenslehre stützten, falsch und nichtig gewesen seien"; - "der Islam eine göttliche Religion sei. Daher könne er nicht reformiert, verändert oder erneuert werden. Sämtliche Ideen, Bewegungen und Versuche, den Glau- 62 Ausländerextremismus ben zu reformieren, seien null und nichtig und unvereinbar"; - "die Behauptung und die Überzeugung, die kategorischen Bestimmungen, Vorschriften, Gebote und Verbote des Korans und der Sunna sind heute nicht mehr gültig, gottlos seien. Die Bestimmungen des Islams seien bis zum Jüngsten Tag gültig"; - "die Aussagen von Koran, Sunna und Scharia über die Frauen richtig und wahr seien." Das Frauenbild der IGMG tritt in einem Artikel in der Milli Gazete vom 9. Juni (Seite 4) deutlich hervor. Hier schreibt Ali Atik unter der Überschrift "Rücksichtnahme auf den Ehemann" in seiner Kolumne über die Rechte von Frauen und Männern im Islam. Dabei zitiert er den Hadith (Überlieferung des Propheten) "Die sterbende Frau kehrt ins Paradies ein, wenn ihr Ehemann diesem zustimmt." Zur Erläuterung führt Atik weiter aus: "Hier wird deutlich, dass es das Ziel der Frau sein soll, mit ihrem Ehemann gut auszukommen. Intelligente Frauen sind dabei behilflich, dass ihre Ehemänner sich mit ihnen begnügen und ein zufriedenes Leben führen. Für Frauen ist das Paradies nicht schwer zu erlangen. Um es sich zu verdienen, reicht es aus, wenn ihre Ehemänner mit ihnen zufrieden sind... Im Islam hat die Frau kein Recht, ihre Freunde oder Familie zu besuchen, einzukaufen oder irgendwohin zu gehen, ohne ihren Mann zuvor informiert zu haben. Sie muss sich in jedem Fall mit ihrem Ehemann absprechen und seine Erlaubnis einholen. Auf Frauen, die sich nicht daran halten, wartet große Schande... Eine intelligente Frau pflegt sich, achtet auf ihre Wortwahl, lächelt, hat Moral, gute Essmanieren und ist reinlich. Vor allem macht sie Dinge, die ihr Mann mag, bindet ihn ans Haus und macht ihn glücklich." 3.7 Schiitischer Islamismus Die religiöse und politische Führung der Islamischen Republik Iran, dem Land mit der größten Zahl von schiitischen Gläubigen, hat maßgeblichen Einfluss auf die extremistischen Aktivitäten schiitischer Muslime. Seit der "Islamischen Revolution" von 1979 ist der islamische Oberste Rechtsgelehrte, der "Revolutionsführer", die höchste Autorität im Iran. Nach der iranischen Verfassung ist Ausländerextremismus 63 alle staatliche Gewalt der religiösen Führung untergeordnet. Der schiitische Islam ist die Staatsreligion des Iran. Die religiöse Führung bestimmt die innenund außenpolitischen Leitlinien. Die Politik der Staatsführung ist antiwestlich und antizionistisch ausgerichtet. Im September bekräftigte der iranische Präsident Ahmadinedschad diese Orientierung, als er auf der UNO-Vollversammlung in seiner Rede gegen Israel polemisierte und das Vorgehen gegen die Palästinenser "Völkermord" nannte. Wiederholt zog Ahmadinedschad den Holocaust in Zweifel, zuletzt im September in Teheran. Die weltweite Verbreitung der iranisch-schiitischen Vorstellungen von einer "Islamischen Revolution" ist maßgebliches Ziel der Politik des Iran. Zur Umsetzung dieses Ziels dient in Deutschland insbesondere das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) als zentraler Anlaufpunkt der schiitischen Muslime. Auch auf niedersächsischem Gebiet, so in Delmenhorst und in Langenhagen, richten sich verschiedene islamistische Vereine auf das IZH aus, teilweise werden Satzungsfragen und andere wesentliche Entscheidungen von dessen Zustimmung abhängig gemacht. Im folgenden Kapitel wird aus dem Bereich des schiitischen Islamismus ausschließlich über die Hizb Allah berichtet. Das Vorhandensein weiterer schiitisch-islamistischer Strukturen in Niedersachsen wird dadurch nicht ausgeschlossen. 3.8 Hizb Allah (Partei Gottes) Gegründet: 1982 im Libanon Sitz: Beirut Generalsekretär: Hassan NASRALLAH Mitglieder/Anhänger 2008 2009 Bund: 900 900 Niedersachsen: 140 140 Publikation: Al-Ahd (Die Verpflichtung) Die libanesisch-schiitische Organisation Hizb Allah (Partei Gottes) bekämpft mit terroristischen Mitteln den Staat Israel, richtet ihre Propaganda aber auch gegen westliche Institutionen. Mit diesem Bestreben gefährdet die Hizb Allah auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland und wird daher nach SS 3 Abs. 1 Nr. 3 NVerfSchG beobachtet. 64 Ausländerextremismus 3.8.1 Ursprung und Entwicklung Der iranische Die "Partei" Hizb Allah wurde 1982 unter maßgeblicher SteuEinfluss erung der Islamischen Republik Iran als Vertretung des radikalsten Teils der libanesischen Schiitengemeinde gegründet. Vorbild für die Hizb Allah ist der revolutionäre Iran; die Lehren des iranischen Revolutionsführers Khomeini gelten als richtungweisend. Nach dem Tode Khomeinis lockerten sich zunehmend die früher engen Beziehungen. Ihren politischen Einfluss stützt die schiitische Organisation wie andere islamistische Organisationen auch auf die soziale und karitative Betreuung ihrer Anhängerschaft. Dieses umfassende Betreuungssystem hatte die Hizb Allah mit finanzieller Unterstützung Irans aufbauen können. Im Emblem der Hizb Allah kommt die politische Ausrichtung zum Ausdruck. Es zeigt in arabischer Schrift den Namen der Organisation. Eine aus diesem Schriftzug erwachsende Faust hält eine Kalaschnikow, über der das Koranzitat "Die auf Gottes Seite stehen, werden Sieger sein" steht. Dies kann aber auch politisch als "Die Hizb Allah wird Sieger sein" gelesen werden. Die Unterzeile unter diesem Signet verweist auf die politische Zielrichtung: "Islamische Revolution im Libanon!". 3.8.2 Hizb Allah in Deutschland und in Niedersachsen Ungeachtet einer verbreiteten Sympathie unter den hier lebenden Libanesen für die politischen und ideologischen Ziele der Hizb Allah tritt diese Organisation in der deutschen Öffentlichkeit kaum mit Aktivitäten in Erscheinung. Veranstaltungen, für die bundesweit geworben wird, haben in der Regel nur geringen Zulauf. In Niedersachsen sind Anhänger und Sympathisanten der Hizb Allah in mehreren Vereinen organisiert, die die Pflege und Verbreitung der libanesischen Kultur und die Ausübung ihrer Religion als Zweck und Ziel in der Satzung angegeben haben. So unter anderem in Hannover, Osnabrück, Uelzen und in Südniedersachsen. Aktivitäten sind auch im niedersächsischen Umland Bremens zu beobachten. Die Vereine finanzieren sich hauptsächlich durch Mitgliedsbeiträge und Spendensammlungen. Die Anbindung an die Hizb Allah erfolgt über Funktionäre, die aus dem Libanon immer wieder zu herausragenden Anlässen, wie zum Beispiel dem Jahrestag des Abzugs der israelischen Armee aus dem Südlibanon oder zu hohen muslimischen Feiertagen, anreisen. Ausländerextremismus 65 3.9 Nicht islamistische Ausländerorganisationen In Niedersachsen sind neben islamistisch geprägten Organisationen weitere Ausländerorganisationen aktiv. Die Aktivitäten dieser nichtislamistisch-extremistischen Ausländerorganisationen werden im Wesentlichen von den aktuellen Ereignissen und Entwicklungen in den jeweiligen Herkunftsländern bestimmt. Die Organisationen betrachten Deutschland als sicheren Rückzugsraum, von dem aus gewaltsame Aktionen im Heimatland vorbereitet werden können. Dies geschieht z. B. durch Aufrufe zu Gewalt oder durch die Beschaffung finanzieller und sonstiger Mittel. Im Folgenden werden die für Niedersachsen bedeutsamen Organisationen näher vorgestellt. 66 Ausländerextremismus 3.10 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) / Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans (KADEK) / Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL) / Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan (KKK) / Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans (KCK) Gegründet: 1978 in der Türkei Leitung: Abdullah ÖCALAN Sitz: Nord-Irak Mitglieder/Anhänger 2008 2009 Bund: 11.500 11.500 Niedersachsen: 1.550 1.550 Publikation: Yeni Özgür Politika (Neue Freie Politik), werktäglich Serxwebun (Unabhängigkeit), monatlich Sterka Ciwan (Stern der Jugend) vormals Ciwanen Azad (Freie Jugend), monatlich Medien: u. a. ROJ TV20 Betätigunsverbot: seit dem 26.11.1993 für die PKK21 Die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) wurde 1978 von Abdullah ÖCALAN in der Türkei gegründet. Sie nannte sich 2002 in "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK) und 2003 in "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA GEL) um. Ab 2005 trat die PKK unter der Bezeichnung "Gemeinschaften der Kommunen in Kurdistan" (KKK) und seit 2007 unter "Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans" (KCK) auf. Trotz zahl20 Am 19.06.2008 wurde ein Organisationsverbot gegen den Sender ROJ TV durch das Bundesministerium des Inneren verfügt und zugestellt. Die Verbotsverfügung beschränkt sich auf den Geltungsbereich des deutschen Vereinsgesetzes. Das Bundesverwaltungsgericht stellte nach Anfechtungsklagen der Betreibergesellschaft am 18. Mai in einem Eilverfahren die aufschiebende Wirkung gegen die o. a. Verbotsverfügung bezüglich ROJ TV wieder her. Somit darf ROJ TV bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren sein Programm auch in Deutschland wieder ausstrahlen. 21 Gleiches gilt für die Organisationen Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans (KADEK), Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL), Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan (KKK) und Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans (KCK), bei denen es sich nach der Auffassung des Bundesministeriums des Innern um reine Umbenennungen handelt, für die das Verbot fortbesteht. Ausländerextremismus 67 reicher Umbenennungen der PKK ist allen vorgenannten Organisationen gemein, dass der inhaftierte Abdullah ÖCALAN als ihr Führer gilt. Ursprünglich durch marxistisch-leninistische Programmatik geprägt, änderte sich die Ideologie der Partei im Laufe der Jahre in eine kurdisch-nationale Richtung. Sie verfolgte das Ziel, einen politisch autonomen Kurdenstaat auf türkischem, teilweise auch auf iranischem, irakischem, syrischem und armenischem Gebiet zu gründen. Abdullah ÖCALAN erkämpfte sich in den Folgejahren gewaltsam den Aufstieg zur maßgeblichen Führungsfigur der Organisation. Nach seiner Verhaftung am 15.02.1999 in Nairobi wurde Abdullah ÖCALAN in der Türkei zu einer lebenslangen Haftstrafe wegen Hochverrats verurteilt, die er in einem Hochsicherheitsgefängnis auf der Insel Imrali im Marmarameer verbüßt. Von hier aus beeinflusst er über seine Anwälte die PKK immer noch maßgeblich. Die PKK kämpft in der Türkei seit 1984 mit einem militäAlleinvertretungsrischen Arm, den "Volksverteidigungseinheiten" (HPG), für anspruch der PKK einen unabhängigen Kurdenstaat. Der bewaffnete Kampf der PKK-Guerilla richtete sich zunächst gegen türkische Gendarmerieund Militäreinheiten. In den Folgejahren kam es zudem zu gewaltsamen Übergriffen der PKK gegen Teile der kurdischen Bevölkerung in der Türkei, aber auch in Deutschland, wenn diese sich der Programmatik der PKK und ihrem Alleinvertretungsanspruch widersetzte. In der Türkei verfolgt die PKK ihre Ziele bis heute mit Waffengewalt. Dies zeigen die bis in das Jahr 2009 andauernden Auseinandersetzungen zwischen türkischen Sicherheitskräften und der PKK-Guerilla sowie terroristische Anschläge in der Türkei. Damit gefährdet die Organisation die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland, so dass eine Beobachtung nach SS 3 Absatz 1 Nr.3 NVerfSchG erforderlich ist. In Europa begann die Führung der PKK, die Situation in der Türkei durch politische Veranstaltungen und Kundgebungen in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen und ihren bewaffneten Kampf als Freiheitskampf darzustellen. Auch in Deutschland versuchte die PKK, mit gewalttätigen Aktionen den Kampf in der Türkei zu unterstützen und ist nach wie vor bereit, militante Aktionen ihrer Anhänger wie z. B. Brandanschläge auf türkische Einrichtungen zumindest zu billigen. Damit stellt die Organisation eine Bedrohung für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar (SS 3 Absatz 1 Nr.1 NVerfSchG). 68 Ausländerextremismus Aus diesen Gründen untersagte das Bundesministerium des Innern der PKK, sich im Bundesgebiet zu betätigen. Das Betätigungsverbot umfasst auch den KADEK, den KONGRA GEL, die KKK und die KCK. 3.10.1 "EU-Terrorliste" Nach einem Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 02.05.2002 wurde die PKK in die Liste terroristischer Organisationen ("EU-Terrorliste") aufgenommen. Die Sanktionsliste wird seit 2002 halbjährlich überprüft und aktualisiert. Dadurch ist die beklagte und durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) 2008 zunächst aufgehobene erstmalige Listung der PKK und ihrer Nachfolgeorganisationen ohne tatsächliche Auswirkung. Die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen bleiben in der "EU-Terrorliste" aufgeführt. 3.10.2 Organisatorische Strukturen CDK Der politische Arm der PKK in Europa, die "Civata Demokratik Kurdistan22", unterliegt auch dem für die PKK geltenden vereinsrechtlichen Betätigungsverbot. Trotzdem unterhält sie ein verzweigtes Netz verdeckt handelnder Funktionäre, die 22 Deutschsprachige Übersetzung etwa: "Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa". Ausländerextremismus 69 Anordnungen und Vorgaben der Organisationsspitze an die nachgeordneten Hierarchieebenen zur Umsetzung weitergeben. An der Spitze dieser hierarchischen Strukturen stehen Funktionäre, die in der Regel von der Europaleitung der Organisation für einen begrenzten Zeitraum eingesetzt werden. YEK-KOM Deutschlandweit gibt es ca. 45 kurdische Ortsvereine, die der der PKK nahe stehenden "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e. V." (YEK-KOM) angehören. Die YEK-KOM ist eingebettet in die europäische Dachorganisation "Konföderation der kurdischen Vereine in Europa" (KON-KURD). Die YEK-KOM initiiert regelmäßig über ihre Ortsvereine öffentlichkeitswirksame Aktionen, die sich jeweils auf aktuelle Geschehnisse (z. B. die Haftbedingungen Abdullah ÖCALANs) oder bestimmte Jahrestage (etwa den Gründungstag der PKK) beziehen. Die YEK-KOM ist nicht vom bestehenden PKK-Betätigungsverbot betroffen. Ihre Ortsvereine agieren aber häufig als Anmelder von Veranstaltungen mit Bezug zur politisch-ideologischen Zielsetzung der PKK. In Niedersachsen existieren YEK-KOM Vereine in Hannover, YEK-KOM Vereine in Peine, Salzgitter und Vechta/Lohne. Hannover, Peine, Die YEK-KOM organisierte mit Hilfe der Ortsvereine auch Salzgitter und 2009 zahlreiche Veranstaltungen. Hier ist besonders das KurVechta/Lohne distan-Festival anzuführen. Es fand am 12. September auf der Trabrennbahn in Gelsenkirchen unter dem Motto "Eine freie Führung, eine freie Identität und eine demokratische Autonomie" statt. Unter den ca. 40.000 Besuchern befanden sich auch zahlreiche Personen aus Niedersachsen. In einem Fernsehbericht auf ROJ TV über das Festival war zu sehen, wie etwa 50 Jugendliche im Gleichschritt mit Fahnen des KCK und Abdullah ÖCALANs in das Stadion einzogen. Im Namen der KOMALEN CIWAN, der Jugendorganisation der PKK, wurde anschließend eine Rede verlesen: "Es lebe die Fackel des Widerstandes in den Bergen Kurdistans, die Opferbereiten des Vorsitzenden Apos23, die HPG24..." 23 "Apo", zu deutsch "Onkel", ist in PKK-Kreisen ein Synonym für Abdullah ÖCALAN. 24 Volksverteitigungskräfte, PKK-Guerrillaeinheiten. 70 Ausländerextremismus Massenorganisationen Des Weiteren organisieren sich die Anhänger der PKK in so genannten Massenorganisationen, die bestimmte Bevölkerungsund Interessengruppen repräsentieren. - Jugendorganisationen Der KOMALEN CIWAN ist das "12. Mazlum-Dogan Jugend-, Kulturund Sportfestival" zum Thema "Die Jugend ist die Garantie für ein freies Kurdistan. Die Jugendlichen sind die Fedayin25 Apo's" zuzurechnen. Das Festival soll an den gleichnamigen Funktionär der PKK erinnern, der sich 1982 in türkischer Haft das Leben nahm und seitdem als Märtyrer verehrt wird. In diesem Jahr fand die Propagandaveranstaltung am 11. Juli im Südstadion in Köln mit etwa 6.500 Teilnehmern statt. Ende Januar/Anfang Februar wurden auf der Internetseite der KOMALEN CIWAN Tatbezichtigungen zu Brandanschlägen veröffentlicht. Eine Tatbezichtigung bezieht sich z. B. auf einen Molotowcocktailanschlag auf das türkische Generalkonsulat in Düsseldorf, der in der Nacht vom 2. auf den 3. Februar durch kurdische Jugendliche verübt wurde. Darin heißt es, dies seien Proteste im Zusammenhang mit der verschärften "Bunkerhaft"26 Abdullah ÖCALANs und dem Jahrestag des internationalen Komplotts27. Obwohl die PKK grundsätzlich an ihrem Kurs, in der Bundesrepublik Deutschland friedlich vorzugehen, festhält, besteht jedoch der Anschein, dass gewaltsame Aktionen von Jugendlichen zumindest gebilligt werden. Auch für Rekrutierungsprozesse innerhalb Deutschlands sind die KOMALEN CIWAN von großer Bedeutung. So werden Jugendliche über das Internet und Zeitschriften dazu aufgerufen, sich dem Guerillakampf im türkisch-irakischen Grenzgebiet anzuschließen. - Frauenorganisationen Am 6. Juni fand in Gelsenkirchen das "5. ZILAN-Frauenfestival"28 25 Die Übersetzung des arabischen Ausdrucks Fedajin bedeutet etwa: "Der sich Opfernde". 26 Gegen ÖCALAN wurde laut Meldung der YENI ÖZGÜR POLITIKA vom 23. Januar zum wiederholten Male eine Disziplinarstrafe verhängt. 27 Auf massiven Druck der Türkei hin hatte die syrische Regierung seinerzeit Abdullah ÖCALAN ihre Unterstützung entzogen und ihn veranlasst, am 09.10.1998 sein Exil in Damaskus aufzugeben. Nach Auffassung der PKK markiert dieser Tag den Beginn eines "internationalen Komplotts", das schließlich zur Festnahme ÖCALANs am 15.02.1999 in Kenia und dessen Verurteilung in der Türkei führte. 28 Namensgeberin des Festivals war Zeynep KINACI (alias ZILAN), die von PKK-Anhängern als Märtyrerin verehrt wird, weil sie sich am 30.06.1996 in Tunceli während einer Militärparade mit einer Bombe in die Luft sprengte und mehrere türkische Soldaten mit in den Tod riss. Ausländerextremismus 71 mit ca. 4.000 Teilnehmerinnen statt. Die Veranstaltung wurde in diesem Jahr unter dem Motto "Wir sind niemandes Ehre, unsere Ehre ist unsere Freiheit" durchgeführt. Neben Tanz-, Folkloreund Musikdarbietungen wurden auch politische Reden gehalten. - Sonstige Massenorganisationen Weitere PKK-nahe Massenorganisationen geben vor, die Interessen etlicher gesellschaftlicher Gruppen zu vertreten, so beispielsweise die der kurdischen Lehrer ("Union der kurdischen Lehrer"/YMK), der Journalisten ("Union der Journalisten Kurdistans"/YRK), der Juristen ("Union der Juristen Kurdistans"/ YHK) sowie der Muslime ("Islamische Gemeinde Kurdistans"/ CIK). Diese Organisationen sind auch in Niedersachsen aktiv. 3.10.3 Finanzierung Die Beschaffung von Geld stellt nach wie vor eine der größ"Spenden" ten Herausforderungen der PKK dar. Der Propagandaappazentral für rat, wie der Fernsehsender ROJ TV oder die Publikationen, Finanzierung die politischen Kampagnen, die Unterorganisationen und der bewaffnete Arm müssen finanziert werden. Hierzu dient vor allem die jährlich stattfindende Spendenkampagne. Überdies werden Einkünfte auch durch Mitgliedsbeiträge, den Verkauf von Zeitschriften und den Erlös aus dem Verkauf von Eintrittskarten zu Großveranstaltungen erzielt. 3.10.4 Newroz-Fest in Hannover Anhänger der PKK führten anlässlich des traditionellen kurdischen Neujahrsfestes Newroz (21. März)29 europaweit Kundgebungen und Aufzüge durch. Höhepunkt der diesjährigen Newroz-Feiern in Deutschland war eine zentrale Demonstration am 21. März in Hannover, an der offiziellen Angaben zufolge etwa 15.000 Personen - vorwiegend Kurden aus dem gesamten 29 Das Newroz-Fest bedeutet "neuer Tag" und wird als Beginn eines neuen Jahres und des Frühlings gefeiert. Newroz geht historisch auf die Legende eines kurdischen Schmiedes zurück, der zum Widerstand gegen einen Tyrannen aufgerufen und diesen in der Nacht vom 20. auf den 21. März im Jahre 612 v. Chr. erschlagen haben soll. Newroz wird daher auch als Fest des Widerstandes gegen Tyrannei und als Symbol für den "kurdischen Freiheitskampf" verstanden. Von der PKK wird das traditionelle Fest, das sich in die von ihr propagierten Themen "Widerstand" und "Befreiungskampf" einfügt, instrumentalisiert, um ein breites Spektrum kurdischer Volkszugehöriger anzusprechen und auf ihre politischen Anliegen, insbesondere die Haftbedingungen sowie den Gesundheitszustand von Abdullah ÖCALAN, aufmerksam zu machen. 72 Ausländerextremismus Bundesgebiet - teilnahmen. Die YENI ÖZGÜR POLITIKA (YÖP) sprach von insgesamt 50.000 Teilnehmern und bezeichnete die Newroz-Feier in Hannover "als die prunkvollste in Europa". In ihrer Ausgabe vom 20. März forderte die YÖP, dass Hannover in eine kurdische Stadt verwandelt werden soll. Zu der Veranstaltung unter dem Motto "Freiheit für Abdullah ÖCALAN - Frieden in Kurdistan" hatten die YEK-KOM, das Kurdistan Volkshaus e. V. Hannover sowie der Verband der Studierenden aus Kurdistan e. V. (YXK) aufgerufen. Während der zentralen Abschlusskundgebung und -feier wurde ein mehrstündiges kulturelles Programm dargeboten. Ferner wurde eine Videobotschaft des hochrangigen PKKFunktionärs Murat KARAYILAN gezeigt. Als der kurdische Sänger Sivan Perwer Grüße an die "Guerillas in den Bergen" und "den Held von Imrali" schickte, skandierte die Menge "Biji Serok APO"30. Während der Veranstaltung brachten zahlreiche Teilnehmer ihre Sympathie für die PKK und Abdullah ÖCALAN offen zum Ausdruck, indem sie entsprechende Fahnen zeigten bzw. Parolen skandierten. Die eigentliche Demonstration verlief überwiegend störungsfrei. Im Verlauf eines Demonstrationszuges kam es jedoch zu einer Sachbeschädigung, als ein Demonstrationsteilnehmer die Scheibe eines türkischen Kulturvereins einwarf. Im Vorfeld und während der Veranstaltung wurden mehr als 2.000 Fahnen, 60 Teppiche sowie je etwa 3.500 Handytaschen und Pins mit verbotenen Symbolen sichergestellt. Es wurden 70 Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das Vereinsgesetz eingeleitet. Zudem wurden 26 Personen vorläufig festgenommen. Bereits am 18. März wurden die Räumlichkeiten des Kurdistans Volkshauses e. V. Hannover durchsucht. Dabei wurden weitere 1.169 Fahnentücher des KCK beschlagnahmt. Die YÖP berichtet in ihrer Ausgabe vom 23. März, dass die Menge der Demonstranten trotz der "Repressalien seitens der deutschen Polizei" ruhig geblieben sei. Ihrer Meinung nach resultierte "die Angriffslust der deutschen Polizei aus der Intoleranz gegenüber dem Siegesmarsch des kurdischen Volkes". 3.10.5 Weitere Veranstaltungen in Niedersachsen Mit einer Presseerklärung vom 10. Juni rief die YEK-KOM dazu auf, demokratischen Widerstand gegen die Durchsuchung von kurdischen Vereinen und Festnahmen von kurdischen Politikern und Vereinsmitgliedern zu zeigen. 30 "Hoch lebe der Führer ÖCALAN". Ausländerextremismus 73 Hintergrund des Aufrufes dürften u. a. die propagierten Festnahmen zweier hochrangiger Funktionäre des "Kurdistan Nationalkongresses" (KNK)31 Ende März in Spanien sowie deren drohende Auslieferung an die Türkei gewesen sein. Das Kurdistan Volkshaus e. V. Hannover führte vom 23. bis 27. Juni unter dem Motto "Stoppt die Kriminalisierung der Kurden und Kurdischen Vereine in Deutschland und Europa!" einen Hungerstreik in Hannover durch. Der Hungerstreik endete in einer Demonstration mit Abschlusskundgebung am 27. Juni. An dem Hungerstreik haben etwa 15 Personen dauerhaft Hungerstreik in teilgenommen. Hannover Die Hungerstreikenden hielten sich in Zelten auf, die unter anderem mit einem Banner mit der Aufschrift: "Freiheit für Öcalan, Frieden in Kurdistan" und Fahnen mit dem Bildnis Abdullah ÖCALANs geschmückt waren. An der Abschlusskundgebung nahmen nach Polizeiangaben ca. 240 Personen, laut kurdischer Presse 40032 Personen, teil. In diesem Zusammenhang ist eine Äußerung zur Strategie der PKK in Europa zu sehen: "Wenn sie gegen unsere Slogans sind, müssen wir beharrlich unsere Slogans skandieren. Wenn sie dagegen sind, dass wir Bilder unseres Führers tragen, werden wir sie erst recht tragen. Wenn sie die Farben und Fahnen der Freiheitsbewegung verbieten, tragen wir sie erst recht. Wenn wir das zu Tausenden und Zehntausenden tun, überwinden wir de facto ihr Recht und Gesetz." (Zeitschrift SERXWEBUN, Ausgabe Nr. 331, Juli 2009, Seite 53ff) Am 15. August jährte sich der Tag der Aufnahme des bewaffneten Kampfes der PKK (15.08.1984) gegen den türkischen Staat. Aus diesem Anlass fanden bundesweit Veranstaltungen statt. Das Kurdistan Volkshaus e. V. Hannover führte eine Kundgebung am 14. August auf dem Steintorplatz mit etwa 100 Personen durch. Im Vorfeld wurde über ROJ TV33 für die Veranstaltung "anlässlich des 25. Jahrestages des Vorstoßes vom 15. August" in Hannover geworben. 31 Der KNK mit Hauptsitz in Brüssel versteht sich nach seiner Gründungsdeklaration als die höchste Interessenvertretung aller Kurden. Der KNK setzt sich aus zahlreichen politischen Parteien, Organisationen und Einzelvertretern zusammen, gilt aber als von der PKK dominiert. 32 YÖP vom 29. Juni, Seite 1+5. 33 Nachrichtensendung ROJ TV vom 13. August. 74 Ausländerextremismus Zum 31. Jahrestag der Gründung der PKK (27.11.1978) plante der YEK-KOM-Verein Medya Kulturzentrum II e. V. aus Vechta/ Lohne am 29. November eine Veranstaltung in Visbek. Diese, wie auch eine für den 6. Dezember geplante Ersatzveranstaltung, wurden aufgrund des eindeutigen PKK-Bezuges durch die örtlichen Behörden verboten. In Peine fand am 22. November eine entsprechende Feier statt, über die in der YÖP vom 24. November berichtet wurde. 3.10.6 Kommunalwahlen in der Türkei und deren angebliche Manipulation Am 29. März fanden in der Türkei Kommunalwahlen statt. Die "Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung" (AKP) des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan musste Verluste in Höhe von acht Prozentpunkten gegenüber der Parlamentswahl 2007 hinnehmen. Die der PKK nahe stehende "Partei für eine demokratische Gesellschaft" (DTP)34 verzeichnete deutliche Erfolge in acht Provinzen im Südosten der Türkei, in denen die kurdische Bevölkerungsminderheit ihre Hochburgen hat. In einer Erklärung des Exekutivrats der KCK heißt es: "Bei den Kommunalwahlen am 29. März hat das kurdische Volk einmal mehr deutlich gemacht, dass es die PKK und den Volksführer [gemeint ist ÖCALAN, d. V.] als Ansprechpartner für die Lösung des Kurdenproblems betrachtet." (YÖP vom 9. April, Seite 1u. 3) Kundgebungen Trotz der Erfolge für die DTP werden die türkischen Behörden in Hannover durch PKK-nahe Medien und auch auf der Internetseite der YEK-KOM beschuldigt, in verschiedenen kurdisch besiedelten Städten Wahlzettel unterschlagen und damit der DTP geschadet zu haben. Aus Anlass der angeblichen Wahlmanipulationen führte das Kurdistan Volkshaus e. V. Hannover zwei Kundgebungen am 8. und am 11. April in Hannover durch. 3.10.7 Friedenspläne zur Lösung des "Kurdenproblems" Seit einigen Monaten wird in der Türkei über die Lösung des "Kurdenproblems" geredet. Die türkische Regierung und der inhaftierte Abdullah ÖCALAN haben jeweils einen "Friedensplan" ausgearbeitet. Keiner der beiden Pläne ist bislang tatsächlich veröffentlicht worden. 34 Die DTP wurde mit Urteil vom 11. Dezember vom türkischen Verfassungsgericht verboten. Ihr wird vorgeworfen, der politische Arm der PKK zu sein. Siehe hierzu auch die Ausführungen auf Seite 76. Ausländerextremismus 75 Mit Hilfe des "Friedensplans" von Abdullah ÖCALAN möchte die PKK in Verhandlungen mit der türkischen Regierung eintreten und als Verhandlungspartner offiziell anerkannt werden. Das "Friedensangebot" wird für den Fall, dass sich die türkische Regierung nicht auf das PKK-Angebot einlässt, von Drohgebärden begleitet. Das Sprachrohr der KOMALEN CIWAN äußert sich wie folgt: "Die Kurden werden unter allen Umständen für den Sieg kämpfen. Auch wenn es Dutzenden blutjungen Menschen das Leben kostet, werden die Kurden für ihre Friedensforderungen nicht auf die Spielchen der Türkei eingehen. Wenn man jedoch Krieg wünscht, ist die kurdische Jugend dazu bereit." (Zeitschrift Sterka Ciwan, Ausgabe Nr. 75 vom Juli 2009, Editorial) 3.10.8 "Verschärfte" Haftbedingungen Abdullah ÖCALANs Im Rahmen eines Umbaus und der Verlegung weiterer Häft"Verschärfung" der linge auf die Gefängnisinsel Imrali35 bezog Abdullah ÖCALAN Haftbedingungen eine neue Gefängniszelle. Während türkische Medien dies als ÖCALANs führt zur Zugeständnis an die PKK werten, entfachen kurdische MediAnhängeren eine Kampagne gegen angeblich verschärfte Haftbedinmobilisierung gungen Abdullah ÖCALANs. In Gesprächen mit seinen Rechtsanwälten betonte Abdullah ÖCALAN: "In Bezug auf meine Haftbedingungen sind keine Verbesserungen eingetreten. Meine frühere Zelle war 12 qm groß. Meine jetzige Zelle misst lediglich 6 qm. Die Belüftung ist schlecht. Das Fenster ist schlecht. Um frische Luft zu bekommen, muss ich direkt am Fenster stehen. Durch das Fenster scheint die Sonne genau in mein Gesicht. ... Die Bedingungen führen zu einer Verschlechterung meiner Situation. Ich lebe hier in einem halb ohnmächtigen und halb toten Zustand." (YÖP vom 20. November, S. 1u. 3) Der regierenden AKP wird von kurdischer Seite vorgeworfen, mit der Verlegung Abdullah ÖCALANs den Friedensprozess in der Türkei zu sabotieren. In einer Erklärung kritisiert der KCK die schlechten Haftbedingungen scharf und ruft alle Kurden dazu auf, Widerstand zu leisten. Vor diesem Hintergrund kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen in der Türkei und Protestveranstaltungen in Europa. Das Kurdistan Volkshaus 35 Bislang war ÖCALAN der einzige Insasse. 76 Ausländerextremismus e. V. Hannover veranstaltete am 4. Dezember eine Demonstration in Hannover. Die Veranstaltung wurde zu der Thematik "Wir begrüßen die Eröffnung des Friedensplans von Herrn Öcalan und fordern Rechte für die kurdischen Gefangenen in Syrien"36 angemeldet. Bedingt durch die Berichterstattung über die angeblichen Haftbedingungen Abdullah ÖCALANs traten die ursprünglichen Kundgebungsthemen jedoch in den Hintergrund. Entgegen der Erwartungen des Veranstalters von 100 - 150 Teilnehmern nahmen tatsächlich ca. 350 Personen an der Demonstration teil. Von den Veranstaltungsteilnehmern wurden Fahnen mit dem Konterfei Abdullah ÖCALANs mitgeführt und emotional aggressiv PKK-Parolen wie z. B. "Biji PKK, Biji Serok APO"37 skandiert. 3.10.9 Verbot der prokurdischen Partei DTP in der Türkei Die prokurdische Partei DTP wurde am 11. Dezember durch das türkische Verfassungsgericht verboten. Ihr wird vorgeworfen, der politische Arm der PKK zu sein. Nach der einstimmigen Verbotsentscheidung des Verfassungsgerichts kam es in der Türkei in zahlreichen Städten zu anhaltenden Protesten und gewalttätigen Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften, bei denen auch zwei Menschen erschossen wurden. Die PKK kritisierte laut der Berichterstattung des ihr nahestehenden Fernsehsenders ROJ TV massiv das Verbot der DTP und bezeichnete es als "politischen Lynchmord". Nachdem nun Abdullah ÖCALAN "in die Todeszelle gesperrt" und die von Millionen Kurden gewählte Partei einfach verboten worden sei, dürfte niemand erwarten, dass man weiter tatenlos zusehe. Sowohl die Haftbedingungen Abdullah ÖCALANs als auch das Verbot der DTP waren Anlass für mehrere emotionalagressiv geprägte Demonstrationen im gesamten Bundesgebiet sowie im benachbarten Ausland. In Stuttgart musste am 19. Dezember eine Versammlung nach Steinwürfen auf Polizisten, Böllerschüssen sowie anderen Störungen und Straftaten (z. B. Zeigen von Transparenten und Fahnen mit verbotenen Symbolen) aufgelöst werden. 36 Seit Ende Oktober befinden sich kurdische Gefangene, die der PKK oder Schwesterorganisationen angehören und in Syrien im Gefängnis einsitzen, im Hungerstreik. Der Protest richtet sich gegen die Haftbedingungen, die Isolationshaft und gegen die syrische Politik hinsichtlich der Aberkennung der syrischen Staatsbürgerschaft zum Nachteil der kurdischen Bevölkerungsgruppe in Syrien. Aus Solidarität mit den Hungerstreikenden in Syrien wurden u. a. eine zweitägige Protestaktion am Brandenburger Tor in Berlin sowie ein Solidaritätshungerstreik in Düsseldorf durchgeführt. 37 Siehe Fußnoten 23, 30. Ausländerextremismus 77 In Niedersachsen fanden Demonstrationen oder Informationsstände zu den o. a. Themen mit bis zu 240 Personen in Stadthagen am 12. Dezember, in Hannover am 16. Dezember, in Hameln am 18. Dezember und in Oldenburg am 19. Dezember statt. 3.11 Devrimci Sol (Dev Sol)/DHKP-C und THKP-C-Devrimci Sol Gegründet: 1978 in der Türkei Die Organisation ist Revolutionäre Volksbefreiungsgespalten in: partei-Front (DHKP-C) "KARATASFlügel" sowie Türkische VolksbefreiungsparteiFront - Revolutionäre Linke (THKPC-Devrimci Sol) "YAGAN-Flügel" Mitglieder/Anhänger 2008 2009 Bund: 650 650 Niedersachsen: 50 50 Publikationen: Yürüyüs (Marsch) Devrimci Sol Verbote: Devrimci Sol (Dev Sol) seit dem 27.01.1983 DHKP-C seit dem 13.08.1998 THKP-C seit dem 13.08.1998 Betätigungsverbot Die in zwei Flügel gespaltene Organisation Devrimci Sol (Dev Sol; Revolutionäre Linke) gilt als eine der militantesten Gruppierungen der linksextremistischen Szene der Türkei. Die in Deutschland verbotene Organisation verfolgt das Ziel, den bestehenden türkischen Staat zu zerschlagen und ein sozialistisches System zu errichten. Mit diesem Bestreben gefährden die Dev Sol und ihre ebenfalls in Deutschland verbotenen Nachfolgeorganisationen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland. Sie wird daher nach SS 3 Abs. 1 Nr. 3 NVerfSchG beobachtet. Im Mai 2002 nahm die Europäische Union die DHKP-C in ihre Liste terroristischer Organisationen ("EU-Terrorliste") auf. 78 Ausländerextremismus 3.11.1 Ursprung und Entwicklung Die Dev Sol hat ihren Ursprung in der THKP-C (Türkische Volksbefreiungspartei-Front), die seit Ende der sechziger Jahre zusammen mit anderen Linksextremisten den bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat führte. Nach ihrer Zerschlagung 1972 und einer sich anschließenden Phase der Neuorganisation wurde 1978 die Dev Sol gegründet. Sie ist bestrebt, den aus ihrer Sicht "faschistisch-oligarchischen" türkischen Staat auf revolutionärem Wege durch ein marxistisches Gesellschaftssystem zu ersetzen. Im September 1980 wurde die Organisation wegen zahlreicher von ihr zu verantwortender Terroranschläge in der Türkei verboten. Am 27.01.1983 erging in der Bundesrepublik Deutschland gegen die Dev Sol als erster Ausländerorganisation ein Verbot nach dem Vereinsgesetz. Die Dev Sol setzte ihre Aktivitäten im Verborgenen fort. Interne Richtungskämpfe führten 1993 dazu, dass sich Dev Sol in zwei Flügel aufspaltete: in den KARATAS-Flügel38, aus dem die 1994 in Syrien gegründete Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) hervorging, und in den in Deutschland weniger bedeutsamen YAGAN-Flügel, der sich nach der historischen Vorgängerorganisation Türkische Volksbefreiungspartei-Front - Revolutionäre Linke (THKP-C-Devrimci Sol) benannte. In der Türkei agiert die DHKP-C mit einem politischen Arm, der Revolutionären Volksbefreiungspartei (DHKP), und mit einem militärischen Zweig, der Revolutionären Volksbefreiungsfront (DHKC). 3.11.2 Aufruf zur Bewaffnung In ihrer Publikation ruft die DHKP-C zur Bewaffnung auf, um "unseren Krieg zu intensivieren". In dem Artikel heißt es: "Das Niveau des bewaffneten Kampfes ist an zahlreiche objektive und subjektive Faktoren gebunden. Aber unabhängig davon auf welchem Niveau sich der bewaffnete Kampf befindet, sollte man nicht vergessen, dass die Waffe ein nicht zu trennender Teil des Befreiungskampfes ist und sich daran erinnern, dass die Bewaffnung zu jeder Zeit eine Pflicht ist. Unabhängig davon, auf welcher Stufe sich die Strategie des bewaffneten Kampfes befindet, sollte jeder Revolutionär immer daran denken, dass das Volk und die Bewegung bewaffnet sein müssen. Die Waffe ist der Ausdruck für unseren Anspruch auf die Herr38 Die Flügel sind nach den jeweiligen Führungsfunktionären Dursun KARATAS und Bedri YAGAN benannt. Ausländerextremismus 79 schaft und das Ziel der Revolution. Die Waffe ist notwendig, um den Imperialismus zu vertreiben und die Volksherrschaft zu gründen sowie die erlangte Volksherrschaft zu erhalten. Aus diesem Grund ist die Waffe ein vom Krieg zwischen dem Imperialismus und dem Volk nicht zu trennender Teil." (Devrimci Sol Nr. 20 vom April 2009, Seite 25) 3.11.3 Struktur in Deutschland Neben der Türkei ist Deutschland ein wichtiges Betätigungsgebiet der DHKP-C. In den festen Strukturen sind dem Deutschlandverantwortlichen Gebietsverantwortliche nachgeordnet. Vereine, deren Satzung keinerlei Rückschluss auf die Organisation zulassen, dienen der DHKP-C als örtliche Basis. Seit dem 17.03.2008 findet vor dem Oberlandesgericht in Prozess in Stuttgart Stuttgart der Prozess gegen fünf Mitglieder der DHKP-C statt. Nach der Trennung des Prozesses am 20. Juli in zwei Verfahren wurden drei der Angeklagten nach SS 129 b StGB am 7. August zu Freiheitsstrafen zwischen zwei Jahren und elf Monaten und fünf Jahren verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Angeklagten als hochrangige Führungsfunktionäre der DHKP-C in Europa Mitglieder der innerhalb der DHKP-C bestehenden terroristischen Vereinigung in der Türkei waren und deren Ziele aktiv unterstützten. In allen drei Fällen wurde Revision eingelegt. Unter den Verurteilten befindet sich auch der bis zu seiner Verhaftung am 15.11.2006 in Niedersachsen lebende Mustafa ATALAY. Seine Verhaftung und Haftbedingungen waren aufgrund seines Gesundheitszustandes in den vergangenen Jahren immer wieder Anlass für demonstrative Aktionen türkischer und deutscher Linksextremisten. 3.11.4 Aktivitäten in Niedersachsen Anhänger der DHKP-C in Niedersachsen sind insbesondere in den Bereichen Hannover und Nordniedersachsen bekannt. 80 Ausländerextremismus 3.12 Türkische Kommunistische Partei/ Marxisten-Leninisten (TKP/ML) Gegründet: 1972 in der Türkei Die Organisation ist gespalten in: * Maoistische Kommunistische Partei (MKP), * ehemals Ostanatolisches Gebietskomitee, sowie * Partizan-Flügel (TKP/ML) Weitere Abspaltung: Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) Mitglieder/Anhänger 2008 2009 Bund: 1.300 1.300 Niedersachsen: 70 70 Publikationen: Halk Icin Devrimci Demokrasi (Revolutionäre Demokratie für das Volk) - MKP Halk Savasi (Der Volkskampf) - MKP Isci Köylü Kurtulusu (Arbeiterund Bauernbefreiung) - TKP/ML Bületin (Das Bulletin) - TKP/ML Komünist (Der Kommunist) - TKP/ ML Die Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) verfolgt das Ziel, die bestehende Staatsordnung der Türkei abzuschaffen und durch ein kommunistisches System maoistischer Prägung zu ersetzen. Die Gruppierung befürwortet ausdrücklich den Einsatz von Gewalt in ihrem Heimatland und gefährdet daher die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland. Die TKP/ML wird nach SS 3 Abs. 1 Nr. 3 NVerfSchG beobachtet. 3.12.1 Ursprung und Entwicklung Die in der Türkei verbotene TKP/ML wurde 1972 von Ibrahim KAYPAKKAYA gegründet. Die Organisation vertritt die Lehren des Marxismus-Leninismus, ergänzt durch einen maoistischen Ansatz, nach dem der Volkskrieg vom Land in die Städte zu tragen sei. Ziel der TKP/ML ist es, mittels einer bewaffneten Ausländerextremismus 81 Revolution eine klassenlose kommunistische Gesellschaft in der Türkei zu errichten. Dazu gründete die TKP/ML einen militärischen Arm, die Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee (TIKKO). Seit Anfang der 1990er Jahre führten interne, nur zum Teil ideologisch bedingte Auseinandersetzungen zu mehreren Fraktionsbildungen, Abspaltungen und veränderten Organisationsbezeichnungen. 3.12.2 Aktivitäten in Deutschland und in Niedersachsen Sowohl TKP/ML als auch MKP treten in Deutschland bzw. Europa öffentlich nur durch ihre so genannten Basisorganisationen in Erscheinung. Sie bemühen sich um politische Kontakte und Einfluss, wobei sie die Zugehörigkeit zur jeweiligen Mutterorganisation zu verschleiern versuchen. Die Anhänger der TKP/ML sind auf europäischer Ebene in dem Dachverband Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa (ATIK) organisiert. Diesem Verband gehört in Deutschland die Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e. V. (ATIF) an. Die MKP gründete 1997 ebenfalls zwei Basisorganisationen, um sich von dem Partizan-Flügel abzugrenzen - die Konföderation für demokratische Rechte in Europa (ADHK) und die Föderation für demokratische Rechte in Deutschland e. V. (ADHF). Die Finanzierung der Organisationen erfolgt vor allem über Spendensammlungen und den Verkauf von Publikationen. Die Einnahmen decken allerdings kaum den Finanzbedarf der Organisationen. In einem deutschsprachigen Internetartikel rief die ATIK zu Protestaktionen gegen den für den 3. und 4. April in Straßburg und Baden-Baden geplanten NATO-Gipfel auf. Unter der Überschrift "Lasst uns gegen den NATO-Gipfel 2009 eine Widerstandsbewegung bilden!" heißt es, die NATO sei der "Feind der Natur" und ein "Feind der Menschheit, da sie der Mörder von Millionen von Menschen ist". Sie sei zudem "Feind der Unabhängigkeit" und "Feind der Freiheit". Aus diesem Grund müsse die als "Kriegsmaschine" bezeichnete NATO sofort zerschlagen werden. Weiter wird in der Verlautbarung ausgeführt: "Lasst uns den antiimperialistischen, massenhaften und internationalistischen Widerstand gegen die Kommandozentrale des Staatsterrorismus, die NATO, gemeinsam organisieren und uns an den Massenaktionen gegen den NATO-Gipfel vom 1. - 5. April beteiligen." (Internetseite der ATIK, Ausdruck vom 5. Januar) Die Erklärung schließt mit den Aufrufen: 82 Ausländerextremismus "Nieder mit dem Imperialismus und zerschlagt die Kriegsmaschine NATO! Nein zu kapitalistischen Monopolen und Herrschern des Kapitals!" (Internetseite der ATIK, Ausdruck vom 5. Januar) Protest gegen An den zum Teil gewalttätigen Protesten gegen den NATONATO-Gipfel Gipfel am 4. April in Straßburg haben sich sowohl Anhänger der ATIK wie auch der ADHK beteiligt. Wie auch in den Vorjahren beteiligten sich die türkischlinksextremistischen Organisationen an den Kundgebungen zum 1. Mai, so wurden beispielsweise am zentralen Kundgebungsort des DGB in Hannover Flugblätter der ATIF verteilt Führerkult um Die jährlich zum Gedenken an den verstorbenen ParteiKAYPAKKAYA gründer organisierte Veranstaltung führte die TKP/ML am 9. Mai in Ludwigshafen durch. Die Überschrift der Einladung zu der Veranstaltung lautete: "Wir gedenken unseres Genossen, des kommunistischen Führers Ibrahim Kaypakkaya, im 36. Jahr seiner Ermordung." Die Veranstaltung wurde von rund 2.200 Personen besucht. An einer aus demselben Anlass durchgeführten Veranstaltung der MKP am 23. Mai in Köln nahmen rund 1.200 Personen teil. Beide Veranstaltungen wurden mit Plakaten in Hannover beworben und von Anhängern aus Hannover besucht. In einer gemeinsamen Erklärung vom 3. September, die u. a. die ATIF sowie die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschland (MLPD) abgegeben haben, wird dem deutschen Staat eine bewusste Benachteiligung von Ausländern vorgeworfen und das Wahlrecht für alle Migranten gefordert. In der Erklärung heißt es: "Für alle Menschen ohne deutschen Pass gelten die reaktionären Ausländergesetze. Die gesamten Ausländergesetze sind erlassen worden, um Menschen ohne deutschen Pass in rechtlicher, sozialer und politischer Hinsicht zu benachteiligen. Wir sehen in den reaktionären Ausländergesetzen eine regierungsamtliche Grundlage für Rassismus und der Diskriminierung in Deutschland." (Internetseite der ATIK, Ausdruck vom 23. September) Die Erklärung endet mit der Aufforderung: Kampagne "Unterstützt die Wahlkampagne der MLPD zu den Bun"Wahlrecht für destagswahlen - wählt die revolutionäre Alternative alle Migranten" MLPD! Für die Einheit von deutschen und migrantischen Arbeitern! Hoch die internationale Solidarität!" (Internetseite der ATIK, Ausdruck vom 23. September) Ausländerextremismus 83 Für den 12. September wurden zu dieser Kampagne Kundgebungen in Göttingen und Hannover angekündigt. In Niedersachsen sind Anhänger der TKP/ML sowie der MKP vornehmlich in Göttingen, Hannover und Nordniedersachsen aktiv. 3.13 Liberation Tigers of Tamil Eelam ( LTTE ) Gegründet: 1972 1972 in Sri Lanka Leitung: Velupillai PRABHAKARAN - Wahrscheinlich im Mai 2009 im Bürgerkrieg getötet Vorsitzender in Deutschland: Vivikanendra VIJANA SRIRASA, alias VAKISAN Mitglieder/Anhänger 2008 2009 Bund: 800 1.300 Niedersachsen: 150 150 Publikationen: Tamil - Land An der Front Das Land ist der Nabel Vulkan Die Befreiungstiger von Tamil Eelam verfolgen das Ziel, ein von ihnen kontrolliertes Staatsgebilde ("Tamil Eelam") im Nordosten Sri Lankas zu errichten. Dabei gehen sie auf gewaltsame Weise gegen srilankische und indische Ziele vor. Sie gehören zu den extremistischen Gruppen, die besonders häufig von Selbstmordattentaten Gebrauch machen. Die LTTE ist seit Mai 2006 auf der EU-Liste terroristischer Organisationen ("EU-Terrorliste") verzeichnet. Durch diese terroristischen Aktivitäten im Ausland gefährdet die LTTE die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland und wird daher nach SS 3 Abs. 1 Nr. 3 NVerfSchG beobachtet. 3.13.1 Ursprung und Entwicklung Der 1983 begonnene militärische Konflikt geht auf die britische Kolonialzeit zurück, in der sich die in Sri Lanka, dem früheren Ceylon, dominierende singhalesisch-buddhistische Mehrheitsbevölkerung (72 Prozent) und die Minderheit der 84 Ausländerextremismus überwiegend hinduistischen Tamilen (18 Prozent) feindlich gegenüberstanden. Nach der 1948 erlangten Unabhängigkeit dominierten zunehmend die Singhalesen Regierung und Verwaltung und erklärten den Buddhismus zur Staatsreligion. Der 1976 aus einer revolutionär-marxistischen Organisation hervorgegangenen LTTE gelang es, tamilische Konkurrenzorganisationen in blutigen Auseinandersetzungen auszuschalten und sich gleichzeitig als Verteidiger der Tamilen gegen Übergriffe der singhalesischen Mehrheit zu profilieren. In dem anschließenden, sich bis Mai 2009 hinziehenden Bürgerkrieg zwischen Zentralregierung und LTTE kamen über 80.000 Menschen ums Leben. Nach der Ausschaltung der gesamten LTTE-Führungsebene endete der Bürgerkrieg. 3.13.2 Aktivitäten in Deutschland Finanzierung Veranstaltungen der LTTE, die im Bundesgebiet durch das Tadurch Spenden mil Coordination Committee (TCC) mit Sitz in Oberhausen vertreten wird, orientieren sich häufig an der Zielsetzung, finanzielle Unterstützung für den politischen und militärischen Kampf, aber auch für humanitäre Zwecke in Sri Lanka zu erhalten. So fordert die LTTE die in Deutschland lebenden ca. 61.000 Tamilen, davon 5.000 in Niedersachsen, immer wieder zu Spenden auf. Um Strafverfolgungsmaßnahmen zu vermeiden, wird bei diesen Aktionen auf Gewaltanwendung verzichtet. Bei ihren Spendensammlungen, die von den örtlichen Repräsentanten geleitet werden, bedient sich die LTTE der folgenden, ihr nahe stehenden Organisationen: - Tamil Youth Organization (TYO), Sitz in Hamm; - Tamil Rehabilitation Organization (TRO), Sitz in Wuppertal; - Tamil Student Organization (TSO), Sitz in Neuss; - Tamilische Bildungsvereinigung (TBV), Sitz in Stuttgart. Nach dem Ende des Bürgerkrieges werden allerdings die Spendensammlungen vornehmlich durch Mitglieder des TCC nur noch in eingeschränktem Maße und mit geringerem Spendenaufkommen durchgeführt. Auch 2009, insbesondere bis zum Ende des Bürgerkrieges im Mai 2009, führten die Nebenorganisationen der LTTE - TCC, TYO und Tamilischer Frauenverband - zahlreiche Demonstrationen und Mahnwachen in Berlin und in Düsseldorf sowie in weiteren Großstädten und im europäischen Ausland durch. In deren Verlauf wurde die Einhaltung der Menschenrechte, die Gründung des eigenständigen Staates Tamil Eelam Ausländerextremismus 85 und die Streichung aus der "EU-Terrorliste" gefordert. Anlässlich einer Demonstration in Berlin am 24. April kam es durch Steinwürfe zu leichten Sachbeschädigungen am Botschaftsgebäude Sri Lankas. Ein Tamile führte am 12. Februar vor dem UNO-Gebäude in Genf eine Selbstverbrennung durch. Eine weitere Verbrennung am 12. April in London konnte verhindert werden. Am 11. Mai verurteilten ca. 500 Teilnehmerinnen im Rahmen einer vom Tamilischen Frauenverband organisierten Demonstration in Hannover Menschenrechtsverletzungen in den Internierungslagern auf Sri Lanka. Ca. 3.000 Demonstranten setzten sich am 20. Juni in Hannover für die Gründung des Staates Tamil Eelam ein. 3.13.3 Heldengedenktag 2009 Am 27. November fand der jährliche Heldengedenktag in der Essener Grugahalle mit etwa 8.000 Besuchern statt. Einige Redner beklagten den angeblichen Völkermord am tamilischen Volk und betonten, dass "der Kampf noch nicht zu Ende sei". Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen kulturelle Darbietungen. Die an der Basis in den Regionen Niedersachsens uneingeschränkt tätigen tamilischen Organisationen haben darüber hinaus zahlreiche kulturelle, sportliche und schulische Veranstaltungen in den Schwerpunkten Göttingen, Hannover und Salzgitter durchgeführt. 86 Rechtsextremismus 4. RECHTSEXTREMISMUS 4.1 Mitglieder-Potenzial Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und gerundet. Rechtsextremismus-Potenzial Bundesrepublik 2008 2009 Deutschland Subkulturell geprägte und sonstige gewaltbereite 9.500 9.000 Rechtsextremisten39 Neonazis40 4.800 5.000 Parteien: 13.000 11.300 NPD 7.000 6.800 DVU 6.000 4.500 Sonstige Organisationen 3.800 2.500 Summe 31.100 27.800 Nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften41 30.000 26.600 Niedersachsen42 2008 2009 Subkulturell geprägte und sonstige gewaltbereite 870 845 Rechtsextremisten Neonazis 355 350 Parteien: 1.220 935 NPD 600 535 DVU 620 400 Sonstige Organisationen 43 425 44 16545 Summe 2.870 2.295 Nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften 2.780 2.195 39 Die meisten subkulturell geprägten und sonstigen gewaltbereiten Rechtsextremisten (hauptsächlich Skinheads) sind nicht in Gruppen organisiert. In die Statistik sind nicht nur tatsächlich als Täter/Tatverdächtige festgestellte Personen einbezogen, sondern auch solche Rechtsextremisten, bei denen lediglich Anhaltspunkte für Gewaltbereitschaft gegeben sind. 40 Nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften innerhalb der Neonazi-Szene. Bei der Anzahl der Gruppen werden nur diejenigen neonazistischen Gruppierungen und diejenigen der rund 160 Kameradschaften erfasst, die ein gewisses Maß an Organisierung aufweisen. 41 Die Mehrfachmitgliedschaften im Bereich der Parteien und sonstigen rechtsextremistischen Organisationen wurden vom gesamten Personenpotenzial abgezogen. 42 Die für den Bund eingefügten Fußnoten 39 bis 40 gelten entsprechend auch für Niedersachsen. 43 Seit dem Jahr 2009 werden die Mitglieder der REP generell nicht mehr erfasst. 44 Das Potenzial setzt sich zusammen aus Mitgliedern der REP, der HDJ, der HNG, der DP und der Exilregierung. 45 Gegenüber dem Jahr 2008 sind hier nicht mehr erfasst die Mitglieder der REP (die seit dem Jahr 2009 generell nicht mehr erfasst werden) und der HDJ (wegen des Verbots am 31.03.2009). Rechtsextremismus 87 Entwicklung des Rechtsextremismus-Potenzials im Bund 41.500 40.700 39.000 38.600 31.000 30.000 26.600 45.000 40.000 35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Entwicklung des Rechtsextremismus-Potenzials in Nds. 3500 3.190 3.130 2.825 2.805 2.740 2.780 2.195 3000 2500 2000 1500 1000 500 0 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 88 Rechtsextremismus 4.2 Politisch motivierte Kriminalität46 (PMK) mit extremistischem Hintergrund - rechts Die Politisch motivierte Kriminalität wird seit dem Jahr 2001 durch die Polizei nach dem von der Innenministerkonferenz beschlossenen "Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK)" bundeseinheitlich erfasst. Die Gesamtzahl der von der Polizei erfassten Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund betrug im Jahre 2009 in Niedersachsen 1.775 Delikte und bewegte sich damit auf dem Vorjahresniveau (1.816 Straftaten). Bei den Gewaltdelikten ist hinsichtlich des Straftatenaufkommens in den Jahren 2008 und 2009 mit jeweils 113 rechtsextremistisch motivierten Taten keine Veränderung eingetreten. Der Anteil der Körperverletzungsdelikte liegt bei ca. 81,4 % (92 Fälle). Die Straftaten wurden insbesondere im Rahmen von Konfrontationen zwischen Angehörigen der linken und rechten Szene oder mit einer fremdenfeindlichen Motivation verübt. Die Zahl der gefährlichen Körperverletzungen ist deutlich von 68 auf 57 Fälle im Jahr 2009 zurückgegangen. Im Zusammenhang mit der Begehung von rechtsextremistischen Gewaltdelikten hat der Alkohol nach wie vor einen hohen Einfluss als tatauslösendes Element. Es wurden 36 Taten (ca. 32 %) unter Alkoholeinfluss begangen. Im Jahr 2008 lag der Anteil noch bei ca. 43 % (49 Delikte). Hinsichtlich der sonstigen extremistischen Straftaten dieses Phänomenbereiches ist eine geringfügige Abnahme von 1.703 im Jahr 2008 auf 1.662 Delikte für das Jahr 2009 festzustellen. Entgegen diesem Trend ergeben sich für das Jahr 2009 bei den Sachbeschädigungen (2008: 98; 2009: 145) und den Nötigungen/Bedrohungen (2008: 13; 2009: 29) Zunahmen. Der Anstieg der Sachbeschädigungen ist auf die Beschädigung von Wahlkampfplakaten und Farbschmierereien im Zusammenhang mit den Wahlen zum 17. Deutschen Bundestag am 27.09.2009 zurückzuführen. Bei den Nötigungen und Bedrohungen handelt es sich zumeist um verbale Angriffe sowie Veröffentlichungen im Internet vorwiegend im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung zwischen Angehörigen der linken und rechten Szene sowie Straftaten mit einem fremdenfeindlichen Hintergrund. Nach wie vor ist der Anteil von Propagandadelikten bei den Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund sehr hoch. Insgesamt wurden 1.137 Propagandadelikte verübt, das entspricht einem Anteil von ca. 64 % (ca. 67 % im Jahr 2008). Über die Hälfte derartiger Delikte wurde im öffentlichen Verkehrsraum in Form von Schmier-/Sprühaktionen oder verbalen Angriffen verübt. Insgesamt wurden im Jahr 2009 zu den Straftaten 845 Täter47 (797 im Jahr 2008) festgestellt. Nach wie vor werden Straftaten im Phänomenbereich der PMK - rechts maßgeblich von jüngeren Tätern begangen. In der Altersgruppe der 21bis 30-Jährigen wurden 296 Täter (2008: 251 Täter), der 18bis20-Jäh46 Siehe Fußnote 4. 47 Die Angaben zu den Tatverdächtigen basieren auf der so genannten Tatverdächtigenechtzählung. Dabei werden Tatverdächtige, auch wenn sie mehrere Delikte begangen haben, in der Statistik nur einmal gezählt. Rechtsextremismus 89 rigen 170 Täter (2008: 172 Täter) und der 14bis 17-Jährigen 132 Täter (2008: 178 Täter) polizeilich bekannt. Ein regionaler Brennpunkt rechtsextremistisch motivierter Straftaten hat sich im Jahr 2009 im Landkreis Harburg ergeben. Hier wurde im Vergleich zu anderen Regionen in Niedersachsen ein starker Anstieg der Straftaten mit einer rechtsextremistischen Motivation registriert. Diese Zunahme basiert im Wesentlichen auf Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen der örtlichen rechten und linken Szene. Die Polizei hat darauf entsprechend reagiert und eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die eine auf die örtlichen Verhältnisse entwickelte Rahmenkonzeption zur Bekämpfung des Rechtsextremismus erstellt hat und unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung gezielt gegen die rechtsextremistischen Aktivitäten vorgeht. Übersicht der Gewalttaten und sonstigen Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - rechts" in Niedersachsen48 Gewalttaten: 2008 2009 Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 0 0 Körperverletzungen 104 92 Brandstiftungen 1 2 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 0 0 Landfriedensbrüche 0 5 Gefährl. Eingriffe in Bahn-, Luft-, Schiffsoder Straßenver- 1 2 kehr Freiheitsberaubung 0 2 Raub 0 2 Erpressung 1 0 Widerstandsdelikte 6 8 Insgesamt 113 113 Sonstige Straftaten: Sachbeschädigungen 98 145 Nötigungen/Bedrohungen 13 29 Propagandadelikte 1.216 1.137 Störung der Totenruhe 4 5 Andere Straftaten, insbesondere Volksverhetzung 372 346 Insgesamt 1.703 1.662 Straftaten insgesamt 1.816 1.775 48 Die Zahlen basieren auf Angaben des Landeskriminalamtes Niedersachsen (LKA NI). Die Darstellung der niedersächsischen Zahlen in Übersichten des Bundes kann davon abweichen, da das LKA NI eine so genannte lebende Statistik führt. Um die ständige Aktualität der Statistik sicherzustellen, werden dabei ggf. Nacherfassungen/Aktualisierungen auch für Vorjahre vorgenommen, so dass der Zahlenbestand noch Veränderungen unterliegen kann. 90 Rechtsextremismus Übersicht der Gewalttaten und sonstigen Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität-rechts" in der Bundesrepublik Deutschland49 Gewalttaten: 2008 2009 Tötungsdelikte 2 1 Versuchte Tötungsdelikte 4 5 Körperverletzungen 893 738 Brandstiftungen 29 18 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 0 0 Landfriedensbrüche 46 44 Gefährl. Eingriffe in Bahn-, Luft-, Schiffsoder Straßenver- 4 4 kehr Freiheitsberaubung 1 3 Raub 10 16 Erpressung 6 5 Widerstandsdelikte 47 57 Sexualdelikte 0 0 Insgesamt 1.042 891 Sonstige Straftaten: Sachbeschädigungen 1.197 1.453 Nötigungen/Bedrohungen 144 146 Propagandadelikte 14.262 13.280 Störung der Totenruhe 32 24 Volksverhetzung 2.173 1.997 Verstoß gg. das Versammlungsgesetz 360 244 Verstoß gg. das Waffengesetz 12 32 Andere Straftaten 672 683 Insgesamt 18.852 17.859 Straftaten insgesamt 19.894 18.750 49 Die Zahlen basieren auf Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA). Rechtsextremismus 91 Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität -rechts"50 Gewalttaten: 2008 2009 Baden-Württemberg 56 47 Bayern 68 53 Berlin 78 56 Brandenburg 71 69 Bremen 10 6 Hamburg 45 30 Hessen 25 22 Mecklenburg-Vorpommern 42 36 Niedersachsen 111 113 Nordrhein-Westfalen 165 163 Rheinland-Pfalz 28 38 Saarland 8 13 Sachsen 126 84 Sachsen-Anhalt 100 60 Schleswig-Holstein 45 60 Thüringen 64 41 Gesamt 1.042 891 50 Die Zahlen basieren auf Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA). In dieser Tabelle weicht die Zahl für Niedersachsen im Jahr 2008 von Angaben in der niedersächsischen Übersicht ab, da Niedersachsen eine so genannte lebende Statistik führt, bei der im Bedarfsfall Nacherfassungen/Aktualisierungen für Vorjahre vorgenommen werden. 92 Rechtsextremismus 4.3 Einführung Eine in sich geschlossene rechtsextremistische Ideologie gibt es nicht. Vielmehr werden mit dem Begriff Rechtsextremismus Ideologieelemente erfasst, die in unterschiedlicher Intensität und mit unterschiedlicher Stoßrichtung der weltanschaulichen Überzeugung von einer Ungleichwertigkeit der Menschen Ausdruck verleihen. Zu nennen sind im Einzelnen: - Aggressive menschenverachtende Fremdenfeindlichkeit, - Antisemitismus, - Rassismus, - Unterscheidung von "lebenswertem" und "lebensunwertem" Leben, - Überhöhung des eigenen Volkes bei gleichzeitiger Abwertung anderer Nationen und Völker (Nationalismus), - Vorstellung einer rassisch verstandenen homogenen Volksgemeinschaft (Volksgemeinschaftsdenken), - Individualrechte verneinendes, dem Führerprinzip verpflichtetes Kollektivdenken (völkischer Kollektivismus), - Behauptung "natürlicher" Hierarchien (Biologismus), - Betonung des Rechts des Stärkeren (Sozialdarwinismus), - Ablehnung demokratischer Regelungsformen bei Konflikten, - Übertragung militärischer Prinzipien auf die zivile Gesellschaft (Militarismus), - Geschichtsrevisionismus (Relativierung der Verbrechen des Nationalsozialismus), - Ethnopluralismus (Forderung nach strikter räumlicher und kultureller Trennung verschiedener Ethnien). FremdenDie Ideologieelemente Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und feindlichkeit Antisemitismus sind die zentralen Begriffe des Rechtsextremismus. Mit "fremdenfeindlich" wird die Ablehnung all dessen bezeichnet, was als fremd bewertet und aus der Gesellschaft ausgegrenzt wird. Die Sozialmerkmale variieren: Ausländer, insbesondere Muslime, und Obdachlose können ebenso Opfer fremdenfeindlicher Ablehnung und Aggression werden wie Menschen mit Behinderungen und Homosexuelle. Fremdenfeindliche Positionen sind bei jeder rechtsextremistischen Organisation nachweisbar; sie bilden das Grundelement rechtsextremistischen Denkens. Rassismus Die in Deutschland gebräuchliche Verwendung des Begriffes Rassismus nimmt Bezug auf die Rassenideologie des Nationalsozialismus, die die "Selektion" und Vernichtung von Rechtsextremismus 93 Millionen Menschen biologisch begründete. Rassisten leiten aus den genetischen Merkmalen der Menschen eine naturgegebene soziale Rangordnung ab. Sie unterscheiden zwischen "wertvollen und minderwertigen menschlichen Rassen". Der Antisemitismus tritt im Rechtsextremismus in verschiedenen Varianten in Erscheinung. Antisemitische Positionen werden sowohl religiös als auch kulturell und rassistisch begründet. Häufig korrespondieren sie mit verschwörungstheoretischen Ansätzen. Vor dem historischen Hintergrund der systematischen Judenvernichtung durch den Nationalsozialismus (Holocaust)51 sind antisemitische Einstellungsmuster ein Gradmesser für die Verfestigung eines rechtsextremistischen Weltbildes. Sie zeugen von ideologischer Nähe zum historischen Nationalsozialismus und treten häufig in Verbindung mit revisionistischen Positionen auf. Antisemitische Positionen sind ein Kennzeichen fast aller rechtsextremistischen Organisationen. Der Begriff Neonazismus, eine Abkürzung für Neooder Neonazismus neuer Nationalsozialismus, der häufig fälschlicherweise als Synonym für Rechtsextremismus verwendet wird, steht für Bestrebungen, die sich weltanschaulich auf den historischen Nationalsozialismus beziehen. Hierzu zählen in erster Linie die neonazistischen Kameradschaften und Organisationen wie die Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige (HNG). Innerhalb der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) ist der neonazistische Flügel ständig stärker geworden, seitdem sich die Partei gegenüber Freien Nationalisten geöffnet hat. Ausdruck dieser Entwicklung sind die Eintritte zahlreicher führender Protagonisten der Neonaziszene, die zudem Führungsämter in der NPD übernommen haben. Die ebenfalls als Synonym für rechtsextremistische BeFaschismus strebungen verwendeten Begriffe faschistisch oder neofaschistisch sind in zweifacher Hinsicht ungeeignet. Zum einen handelt es sich um Kampfbegriffe aus den Zeiten des Kalten Krieges, mit denen die Bundesrepublik Deutschland von der DDR in die Tradition des Nationalsozialismus gerückt worden war. Zum anderen verbindet sich mit diesen Begriffen die Vorstellung vom italienischen Faschismus Mussolinis, der als antidemokratische Bewegung ohne Rassismus vom deutschen Nationalsozialismus erheblich abwich. 51 Der Begriff bedeutet Massenvernichtung (vom griech. holocaustos = "völlig verbrannt"). 94 Rechtsextremismus 4.4 Überblick über die aktuellen Entwicklungen im Rechtsextremismus In diesem Kapitel wird die Entwicklung im Rechtsextremismus zusammengefasst dargestellt. Detaillierte Berichte finden sich in den jeweils folgenden Kapiteln. Die Erläuterung der Begrifflichkeiten erfolgt ebenfalls in den jeweiligen Kapiteln. Die rechtsextremistische Subkultur, die neonazistische Kameradschaftsszene, die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) und die Wechselbeziehungen zwischen diesen Bereichen sind zwar nach wie vor maßgeblich für das Erscheinungsbild des Rechtsextremismus. Eine Analyse der Entwicklung über einen längeren Zeitraum hinweg jedoch zeigt, dass sich diese Phänomenbereiche des Rechtsextremismus unter dem Einfluss der sich wandelnden gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen verändert haben. Dies gilt sowohl für die thematische Schwerpunktsetzung als auch für die Wahl der Aktionsformen. Rechtsextremisten Seit einigen Jahren konzentrieren Rechtsextremisten ihre konzentrieren Propaganda auf soziale Themenfelder. Sie greifen Folgen der Propaganda auf Globalisierung und der Wirtschaftskrise - Arbeitslosigkeit, soziale Themenprekäre Arbeitsverhältnisse, Streit um Hartz IV usw. - auf, felder um ihre rassistische Vorstellung von einer Volksgemeinschaft als ein Modell erscheinen zu lassen, das die innergesellschaftlichen Gegensätze aufhebt. Zu einer organisationsübergreifenden Klammer hat sich die Islamfeindlichkeit, der Kampf gegen Moscheen und Minarette entwickelt. Rechtsextremisten fällen ein Pauschalurteil über Muslime, sprechen ihnen das Aufenthaltsrecht in Deutschland ab und setzen Islamismus systematisch mit der islamischen Religion gleich. Jeder Muslim wird auf diese Weise zu einem potenziellen Terroristen und damit zum Feind erklärt. Weitreichende Veränderungen haben sich in den letzten Jahren auch in Hinsicht auf die rechtsextremistischen Aktionsformen vollzogen. So ist im Bereich des Neonazismus mit den Autonomen Nationalisten eine neue Erscheinungsform entstanden, bei der nicht die ideologische Überzeugung, sondern der Wille zur Aktion im Vordergrund steht. Mit ihren militanten Kampfformen, ihrem modernen Erscheinungsbild und ihrer dem politischen Gegner entlehnten Symbolik sprechen die Autonomen Nationalisten fremdenfeindlich eingestellte Jugendliche an, die etwas erleben wollen, z. B. bei Demonstrationen, ohne sich in feste Strukturen einbinden zu müssen. Zunahme des Das Gewaltpotenzial rechtsextremistischer DemonstratiGewaltpotenzials bei onen hat durch das Auftreten Autonomer Nationalisten deutDemonstrationen lich zugenommen. Die von Neonazis für den 1. Mai in Hannover geplante Demonstration wurde verboten, weil mehrere Rechtsextremismus 95 hundert Autonome Nationalisten an der Veranstaltung teilnehmen wollten. Ein Jahr zuvor waren von diesem Teilnehmerkreis bei der neonazistischen Mai-Demonstration in Hamburg schwere gewalttätige Ausschreitungen ausgegangen. Als Folge dieser Entwicklung sind ideologisch wenig gefestigte Aktionsgruppen neben die herkömmlichen neonazistischen Kameradschaften mit politischem Anspruch getreten, die sich nach den Verboten neonazistischer Organisationen in den neunziger Jahren herausgebildet haben. Während das "klassische" Kameradschaftsmodell im Nordosten Niedersachsens dominiert, haben die Aktionsgruppen ihre regionalen Schwerpunkte in westlich davon gelegenen Landesteilen, z. B. im Raum Delmenhorst. Der Anteil der Autonomen Nationalisten an der bundesweit 5.000 Rechtsextremisten umfassenden Neonazi-Szene wird auf zehn bis 20 Prozent geschätzt. In Niedersachsen können ihnen 40 bis 50 Personen des insgesamt 350 Personen starken neonazistischen Spektrums zugerechnet werden. Die Abgrenzung der vorwiegend in Kameradschaften organisierten Neonazi-Szene von der rechtsextremistischen Subkultur macht nicht zuletzt wegen des Phänomens der Autonomen Nationalisten wachsende Schwierigkeiten. Im Grunde genommen sind die Autonomen Nationalisten Grenzgänger zwischen beiden Bereichen. Ihre Symbolik und ihr Erscheinungsbild sind typische Insignien einer Subkultur, während ihr Selbstverständnis und ihr geschlossenes Auftreten bei Demonstrationen eher auf den Bereich der Neonazis verweisen. Parallel zum Aufstieg der Autonomen Nationalisten verliert die Skinhead-Szene, die über viele Jahre hinweg die öffentliche Wahrnehmung des Rechtsextremismus geprägt hat, an Bedeutung. Der Skinhead mit dem für ihn typischen Auftreten - Glatze, Springerstiefel, Bomberjacke - ist in Niedersachsen weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwunden. Wenn dennoch von rechtsextremistischer Subkultur gesprochen wird, so bezieht sich dies vor allem auf die rechtsextremistische Musik und die Symbolik. Zu einem nicht unerheblichen Teil hat sich die Subkultur in Subkultur verlagert das Internet verlagert. Rechtsextremisten nutzen das Internet sich zum großen ausgiebig. Sie betreiben eigene Internetseiten und InformatiTeil ins Internet onsdienste wie Altermedia, unterhalten eigene Internetvertriebe, tauschen sich in Foren und Chatrooms aus und verbreiten über Videoplattformen wie YouTube Demonstrations-, Werbeund Musikvideos. Der Verfassungsschutz zählt gut 1.000 deutschsprachige rechtsextremistische Internet-Seiten. Eine effektive Kontrolle, gar eine Unterbindung dieser Aktivitäten mit repressiven Mitteln ist kaum möglich, da Seiten mit brisanten oder strafbaren Inhalten in der Regel vom Ausland aus ins Internet gestellt werden. 96 Rechtsextremismus Der Verbreitungsgrad rechtsextremistischer Botschaften via Internet reicht weit über das vom Verfassungsschutz registrierte Personenpotenzial hinaus. Hinzu kommt, dass sich die Kommunikationsstrukturen und vermutlich auch die Formen politischer Willensbildung durch den explosionsartig gestiegenen Nutzungsgrad des Internets grundlegend verändert haben. Im Hinblick auf die Bekämpfung des Rechtsextremismus gehört es deshalb zu den vordringlichen Aufgaben der niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde, die Strategien und Inhalte des Rechtsextremismus in Zusammenhang mit der Nutzung des Internets aufzuklären und hieraus Präventionsansätze abzuleiten. NPD weiterhin Der parteigebundene Rechtsextremismus wird unverändie dominierende dert von der NPD dominiert, auch wenn die Partei im zweiten rechtsextremiJahr nacheinander Mitglieder verloren hat. Die NPD zählte stische Partei Ende des Jahres 2009 noch 6.800 Mitglieder gegenüber 7.000 im Vorjahr. In Niedersachsen fiel der prozentuale Rückgang noch größer aus. Mit 535 Mitgliedern gehören dem Landesverband 65 Personen weniger an als 2008. Diese Entwicklung ist eine Folge der Finanzkrise der NPD und der persönlichen Auseinandersetzungen auf der Vorstandsebene. Der seit 1996 amtierende Parteivorsitzende Udo VOIGT, dem eine Mitschuld an den diversen Finanzaffären der NPD gegeben wird, ist nicht mehr unumstritten. Auf dem Bundesparteitag im April kandidierte der Fraktionsvorsitzende der NPD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern Udo PASTÖRS gegen ihn und vereinigte immerhin ein Drittel der Stimmen auf sich. Die Finanzprobleme stellen die NPD nicht vor eine Existenzkrise, aber sie schränken den operativen Handlungsspielraum des Bundesverbandes ein. Die Schwächung des Bundesverbandes bedeutet zugleich eine Aufwertung der NPDFraktionen in den Landtagen von Mecklenburg-Vor-pommern und Sachsen. Die Fraktionen verfügen über Geld, Fraktionsmitarbeiter und können in den Landtagen politische Akzente setzen. Vor allem die Landtagsfraktion der NPD in Sachsen hat sich zu einem Gravitationszentrum der Partei entwickelt. Eine zusätzliche Aufwertung erfuhr die sächsische NPD, als es ihr bei der Landtagswahl am 30. August als bislang einzigem Landesverband gelang, den Einzug in ein Landesparlament zu wiederholen. Allerdings fiel das Wahlergebnis mit 5,6 Prozent der Stimmen gegenüber 9,2 Prozent deutlich schlechter aus als im Jahr 2004. Gestärkt wurde dennoch die Position des sächsischen Fraktionsvorsitzenden Holger APFEL, der die Wählerwirksamkeit der NPD durch rechtspopulistische Forderungen erhöhen möchte. Dieser "sächsische Weg" steht im Gegensatz zu dem vom verstorbenen stellvertretenden Parteivorsitzenden Jürgen RIEGER propagierten "deutschen Weg", der das Bekenntnis zu einem nationalen Sozialismus und die Rechtsextremismus 97 Bündnispartnerschaft mit der neonazistischen Szene offen herausstellt. Hinter den beiden Ansätzen verbergen sich aber keineswegs ideologische Grundsatzdifferenzen, sondern unterschiedliche strategische Auffassungen über den Weg, das gemeinsame politische Ziel, eine ethnisch homogene Volksgemeinschaft, zu verwirklichen. Der niedersächsische Landesverband ist für die EntwickNeuer NPD-Lanlung der NPD auf Bundesebene von nachrangiger Bedeutung. desvorsitzender Der im Mai neugewählte niedersächsische Landesvorsitzende bringt keine neuen Adolf DAMMANN, der den langjährigen Vorsitzenden Ulrich Impulse EIGENFELD ablöste, konnte der zerstrittenen niedersächsischen NPD bislang keine neuen Impulse verleihen. Der Wahl Adolf DAMMANNs war das Zerwürfnis zwischen Andreas MOLAU, Spitzenkandidat der NPD bei der Landtagswahl im Jahr 2008, und dem Landesverband vorausgegangen. Noch im Februar bestimmten die Delegierten eines Wahlparteitages Andreas MOLAU zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl. Bereits im März trat er der DVU bei - die Parteistatuten erlaubten eine Doppelmitgliedschaft - und stellte sich damit im Landesverband ins Abseits. Einem Parteiausschluss schließlich kam er im Oktober durch Austritt zuvor. Während des Bundestagswahlkampfes zeigte sich, dass Reorganisation die niedersächsische NPD in großen Teilen des Landes nicht des JN-Landesverkampagnefähig ist. Entsprechend niedrig fiel das Wahlerbandes gebnis auf Landesebene mit 1,2 Prozent der Stimmen aus. Ohne den Einsatz der Freien Nationalisten wären selbst die wenigen Wahlkampfaktivitäten nicht möglich gewesen. Der Einfluss, den sie mittlerweile auf den Landesverband erlangt haben, dokumentiert sich in der Wahl von Matthias BEHRENS, dem Kameradschaftsführer der Snevern Jungs, zum stellvertretenden Landesvorsitzenden. Als tendenzielle Stärkung des neonazistischen Einflusses kann außerdem die Reorganisation eines Landesverbandes der Jungen Nationaldemokraten (JN) im August bewertet werden. Die JN verfügten Ende 2009 über die vier im Laufe des Jahres gegründeten Stützpunkte Delmenhorst, Lüneburg, Osnabrück und Verden. Die zweite rechtsextremistische Partei, die Deutsche VolksDVU vor Fall union (DVU), befindet sich vor dem Fall in die Bedeutungsin die Bedeutungslosigkeit. Die Aufgabe des Parteivorsitzes durch den Münlosigkeit chener Verleger Gerhard FREY war eine tiefe Zäsur. Gerhard FREY hatte die DVU 1987 gegründet und seither autokratisch geführt. Sein Nachfolger Matthias FAUST verfügt nicht über die Reputation und die Verbindungen, vor allem aber auch nicht über die Finanzkraft seines Vorgängers. Ohne die Finanzmittel Gerhard FREYs ist die DVU nicht kampagnefähig. In aller Deutlichkeit zeigte sich dies bei der Landtagswahl in Brandenburg, bei der die DVU, die zwei Legislaturperioden nacheinander im Parlament vertreten gewesen war, nur 98 Rechtsextremismus noch 1,1 Prozent der Stimmen gegenüber 6,1 Prozent im Jahr 2004 erreichte. Die NPD zog bereits vor der Landtagswahl in Brandenburg die Konsequenzen aus der Schwäche der DVU, indem sie den so genannten Deutschland-Pakt aufkündigte. Hierbei handelte es sich um eine Vereinbarung der Parteivorsitzenden Udo VOIGT und Gerhard FREY, die die Konkurrenz von NPD und DVU bei Europa-, Bundesund Landtagswahlen verhindern sollte. Die Versuche des neuen Vorsitzenden Matthias FAUST, die DVU zu modernisieren, sind in den Anfängen stecken geblieben. Die Gründung einer Jugendorganisation namens "Junge Rechte", ein Novum für die DVU, hat ebenso wenig zur Steigerung der Attraktivität der Partei beigetragen wie die neugeschaffene Funktion eines Pressesprechers, die von Andreas MOLAU ausgeübt wird. Die gleiche Aussage trifft auf die Bemühungen des neuen niedersächsischen Landesvorsitzenden Hans-Gerd WIECHMANN zu, der zugleich als Strukturbeauftragter der DVU für den norddeutschen Raum fungiert. Der niedersächsische Landesverband verfügt nach wie vor über keine funktionsfähigen Strukturen. Ein Parteileben findet nicht statt, die Mitgliederzahl hat sich gegenüber dem Vorjahr von 620 auf 400 stark verringert. Angesichts ihres desolaten Zustandes ist die DVU nicht in der Lage, das rechtspopulistische Wählerpotenzial an sich zu binden. Die NPD versucht zwar, sich auch in dieser Hinsicht zu positionieren ("sächsischer Weg"), ihre strikt neonazistische Ausrichtung jedoch dürfte die Erfolgsaussichten begrenzen. In Hinsicht auf die künftige Entwicklung des Rechtsextremismus stellt sich deshalb die Frage, welche Organisation rechtspopulistische Forderungen politisch wählerwirksam vertreten kann. Dem Aufgreifen und der Zuspitzung islamfeindlicher Strömungen in der Bevölkerung dürfte hierbei eine besondere Bedeutung zukommen. 4.5 Immobiliengeschäfte mit rechtsextremistischem Hintergrund Beauftragter für Bereits im Jahr 2004 hat das Niedersächsische Ministerium Immobiliengefür Inneres und Sport einen Beauftragten für Immobiliengeschäfte berät schäfte mit rechtsextremistischem Hintergrund bestellt. Die Kommunen Tätigkeit des Beauftragten ist seit 2007 eingebunden in das Beratungskonzept des Niedersächsischen Verfassungsschutzes zur "Förderung von Handlungsmöglichkeiten gegen Rechtsextremismus in den Kommunen". Der Beauftragte wird seit 2009 im Rahmen der Niedersächsischen Extremismus-Informations-Stelle (NEIS) tätig. Rechtsextremismus 99 Seit einer Reihe von Jahren versuchen Rechtsextremisten ImRechtsextremisten mobilien zu erwerben, die geeignet sind, Schulungen und Vernutzen Bekanntanstaltungen durchzuführen und die als örtliche Treffpunkte werden von oder Anlaufstellen dienen können. Nicht immer steht hinter Kaufabsichten medem Interesse an einer Immobilie auch eine reale Kaufabsicht. dienwirksam aus Häufig nutzen Rechtsextremisten das Bekanntwerden ihrer angeblichen Kaufabsicht, um sich in den Medien zu profilieren und um finanzielle Vorteile zu erzielen. Denn oftmals führt der öffentliche Protest gegen einen Immobilienkauf durch Rechtsextremisten dazu, dass Kommunen sich gezwungen sehen, ihr Vorkaufsrecht auszuüben oder das Objekt freihändig zu erwerben - nicht selten zu einem unangemessenen, hohen Preis. Bei solchen politisch motivierten Scheingeschäften kann es vorkommen, dass der Verkäufer an die Rechtsextremisten für ihre "Bemühungen" eine Provision zahlt. ImmobiliengeReale Kaufabsichten und Scheingeschäfte sind im Einzelfall schäfte von Jürgen schwer zu unterscheiden. Auch die rechtlichen Möglichkeiten RIEGER auch 2009 der Kommunen und staatlichen Stellen variieren von Fall zu im Blickpunkt Fall. Wesentliche Aufgaben des Beauftragten für Immobiliengeschäfte mit rechtsextremistischem Hintergrund sind daher die Weitergabe vorhandener Erfahrungswerte, die rechtliche Beratung der betroffenen Kommunen, die Koordinierung der beteiligten Behörden und die Vermittlung von Kontakten zu sachverständigen Stellen. Auch das Jahr 2009 war geprägt durch die Immobiliengeschäfte des rechtsextremistischen Aktivisten, Rechtsanwalts und NPD-Bundesvorstandsmitglieds Jürgen RIEGER aus Hamburg. Allerdings hat der überraschende Tod Jürgen RIEGERs am Tod RIEGERs führte 29. Oktober auf dem Gebiet rechtsextremistischer Immobilizu einer Entspanengeschäfte zu einer Entspannung geführt. Dies gilt insbenung auf dem sondere vor dem Hintergrund, dass eine mit Jürgen RIEGER Gebiet rechtextrevergleichbare führungsund finanzstarke Person, welche die mistischer ImmobiImmobiliengeschäfte in seinem Sinne weiterführen könnte, liengeschäfte gegenwärtig nicht in Sicht ist. Auch Jürgen RIEGERs Erben scheinen an der Fortführung der Immobiliengeschäfte nach seinem Vorbild kein Interesse zu haben. Trotz dieser gegenwärtig entspannten Situation besteht nach wie vor Bedarf an der beratenden und koordinierenden Tätigkeit durch den Beauftragten für Immobiliengeschäfte mit rechtsextremistischem Hintergrund. Dies wird zum einen durch weiterhin regelmäßig auftretende Verdachtsfälle bestätigt. Zum anderen treffen Rechtsextremisten schon bei Anmietungsversuchen von geeigneten Räumlichkeiten für ihre Veranstaltungen regelmäßig auf Widerstand, so dass auch in Zukunft Kaufabsichten für geeignete Immobilien zu erwarten sind. Dies gilt insbesondere für den ländlichen Raum, wo rechtsextremistische Immobiliengeschäfte mit geringem finanziellem Aufwand realisiert werden könnten. Es besteht nach wie vor 100 Rechtsextremismus die nicht zu unterschätzende Gefahr, dass sich Rechtsextremisten für dort günstig angebotene Immobilien - teilweise werden entsprechende Objekte deutlich unter 100.000 Euro angeboten - interessieren werden. Inwieweit Personen der rechtsextremistischen Szene finanziell und organisatorisch tatsächlich befähigt sind, Immobilienkäufe in entsprechender Dimension anzustreben, bleibt abzuwarten. Erfolgreiche VerIm Mittelpunkt des Interesses stand 2009 das Schicksal des hinderung der "Landhauses Gerhus" in der Gemeinde Faßberg im LandNutzung einer Imkreis Celle. Obwohl der Erwerb der Immobilie durch Jürgen mobilie für rechtsRIEGER für die Wilhelm-Tietjen-Stiftung Limited (WTS Ltd.) extremistische Ende 2008 gescheitert war, bemühte er sich nach wie vor Zwecke am Beispiel nachhaltig um das Objekt. Im Mai 2009 wurde neben dem "Landhaus Gerhus" bereits laufenden Zwangsversteigerungsverfahren durch das (Faßberg) Amtsgericht (AG) Celle die Zwangsverwaltung des "Landhauses Gerhus" angeordnet. Eine bundesweite Medienberichterstattung erfolgte, als sich Mitte Juli mehrere Angehörige der rechtsextremistischen Szene unter der Führung durch die Kameradschaft 73 Celle unbefugten Zutritt zu dem Objekt verschafften, dieses in Besitz nahmen, verschlossen, bestreiften und angaben, die Immobilie für Jürgen RIEGER renovieren zu wollen. Zuvor hatte Jürgen RIEGER mit der Eigentümerin des "Landhauses Gerhus" einen Pachtvertrag über das Objekt geschlossen. Der eingesetzte Zwangsverwalter beantragte daraufhin eine einstweilige Verfügung, die auf Räumung und Herausgabe der Immobilie gerichtet war. Das Landgericht Lüneburg gab diesem Antrag Anfang August statt, worauf die Rechtsextremisten um die Kameradschaft 73 Celle das "Landhaus Gerhus" noch am selben Tag räumten. Zwischenzeitlich terminierte das AG Celle die Zwangsversteigerung des Landhauses auf den 16. Dezember. Jürgen RIEGER verstarb jedoch am 29. Oktober. Das "Landhaus Gerhus" wurde schließlich einer Investorin, die als einzige Bietinteressentin ein Gebot abgab, zugeschlagen. Die Immobilie soll zukünftig als Pflegeeinrichtung für seelisch behinderte Menschen genutzt werden. Durch den Fall Faßberg wird deutlich, dass durch eine intensive Zusammenarbeit aller Beteiligten (Behörden, Kommunen, Landkreis etc.) unter Koordination der Verfassungsschutzabteilung des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport die Nutzung einer Immobilie für rechtsextremistische Zwecke erfolgreich verhindert und darüber hinaus ihre Nutzung als soziale Einrichtung erreicht werden konnte. Die Auswirkungen von Jürgen RIEGERs Tod auf die ImmoAbwicklung bilie "Heisenhof" (Dörverden) sind gegenwärtig noch nicht "Heisenhof" nach absehbar. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, Tod RIEGERs noch dass er dieses Objekt als "Director" der britischen Kapitalgeungewiss Rechtsextremismus 101 sellschaft Wilhelm-Tietjen-Stiftung für Fertilisation Limited (WTSF Ltd.) für diese Gesellschaft erworben hatte. Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stade, welche die Abrissverfügung bzgl. des "Heisenhofs" als rechtmäßig bestätigt hatte, beantragte Jürgen RIEGER im März 2009 die Zulassung der Berufung zum Oberverwaltungsgericht Lüneburg. Das Verfahren ruht derzeit. Wer nach deutschem Recht berechtigt sein wird, den Rechtsstreit ggf. fortzuführen, ist noch nicht geklärt. Nach dem Tod Jürgen RIEGERs ist auch das Schicksal des eheVerkauf des ehemaligen Kinos und früheren Hotels "Monopol" in Hameln unmaligen Kinos und geklärt. Jürgen RIEGER hatte dieses Objekt mit der Absicht erfrüheren Hotels worben, dort ein rechtsextremistisches Tagungszentrum ein"Monopol" in zurichten. Das Gebäude steht gegenwärtig zum Großteil Hameln durch leer. Ein Verkauf dieser Immobilie durch die Erben Jürgen RIEGERs Erben RIEGERs scheint allerdings beabsichtigt zu sein. beabsichtigt Auch beabsichtigte Jürgen RIEGER im Jahr 2009 am Rande der Wolfsburger Innenstadt eine Immobilie zu erwerben, Eröffnung eines um dort ein "Kraft durch Freude" (KdF)-Museum zu eröffnen; KdF-Museums dies wurde letztlich durch dessen plötzlichen Tod vereitelt. in Wolfsburg Anfang 2010 erwarb die Stadt Wolfsburg die Immobilie und gescheitert beabsichtigt, dort ein Sozialkaufhaus und eine Beratungsstelle für Demokratie zu eröffnen.52 4.6 Rechtsextremistischer Geschichtsrevisionismus Der Begriff rechtsextremistischer Geschichtsrevisionismus bezeichnet die Leugnung oder Relativierung der nationalsozialistischen Verbrechen und der deutschen Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Revisionistische Positionen sind in unterschiedlicher Ausprägung bei nahezu allen rechtsextremistischen Organisationen nachweisbar. Sie sind ideologisches Bindeglied zwischen den verschiedenen Strömungen des Rechtsextremismus. Der Revisionismus will den historischen Nationalsozialismus zumindest tendenziell rehabilitieren und die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland delegitimieren. Revisionisten im engeren Sinne sind bestrebt, die Erkenntnisse der seriösen Geschichtswissenschaft von einem vermeintlich wissenschaftlichen Standpunkt aus zu widerlegen. Dieser um eine wissenschaftliche Diktion bemühte Geschichtsrevisionismus, der rechtsextremistischen Organisationen die Argumentationsbasis liefert, ist eine internationale Erscheinung. Viele Revisionisten sind Ausländer oder agieren vom Ausland aus. Die ideologische Klammer ihrer Zusammenarbeit bildet 52 Siehe hierzu auch Seite 136f. 102 Rechtsextremismus eine eng mit revisionistischen Positionen verbundene antisemitische Grundeinstellung.53 Internet wichtigste Das Internet ist die wichtigste Agitationsplattform der ReAgitationsplattform visionisten. Hier pflegen sie ihre weltweiten Kontakte und der Revisionisten steuern ihre Aktivitäten. In der Regel nutzen sie ausländische Internetprovider, um einer möglichen Strafverfolgung in Deutschland zu entgehen. Daneben werden revisionistische Schriften in Druckform durch hierauf spezialisierte Verlage verbreitet. Zu den bekanntesten revisionistischen Dokumenten zählen der "Leuchter-Report" und das "Rudolf-Gutachten". Beide pseudowissenschaftlichen Studien wurden zur Verteidigung angeklagter Revisionisten erstellt. Der deutschstämmige USAmerikaner Fred A. LEUCHTER behauptet in seiner 1988 veröffentlichten Schrift, dass die massenhafte Vernichtung von Juden in Auschwitz technisch nicht möglich gewesen sei. Zum gleichen Ergebnis kommt der deutsche Chemiker Germar RUDOLF, der in seinem seit 1991 verbreiteten und 1995 wegen Volksverhetzung beschlagnahmten "Gutachten" die Existenz von Gaskammern in Auschwitz bestreitet. Am 5. Juli wurde Germar RUDOLF nach Verbüßung einer 30-monatigen Haftstrafe aus der Justizvollzugsanstalt Rottenburg am Neckar entlassen. Germar RUDOLF hat neben dem "Rudolf-Gutachten" u. a. das Buch "Vorlesungen über den Holocaust - Strittige Fragen im Kreuzverhör" verfasst, welches als "Kompendium von Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Holocaust" bezeichnet wird. Am 01.03.2010 wurde der Revisionist Ernst ZÜNDEL aus der Haft entlassen, nachdem er im Februar 2007 durch das Landgericht Mannheim wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt worden war. Ernst ZÜNDEL hatte in der Vergangenheit eine zentrale Funktion in der Verbreitung den Holocaust leugnender Schriften. Vereinsverbote Die vom Bundesministerium des Innern am 18.04.2008 aushaben revisionisgesprochenen Verbote der Vereine Internationales Studientische Szene werk - Collegium Humanum e. V. (CH; Vorsitzende war Ursula geschwächt HAVERBECK-WETZEL), Bauernhilfe e. V. und Verein zur Rehabilitierung des wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten (VRBHV; Vorsitzende waren bis Herbst 2007 der Schweizer 53 Ausführliche Informationen über die Vorgehensweise der Revisionisten und Porträts der wichtigsten Revisionisten finden sich auf der für den Schulunterricht empfehlenswerten Internetseite www.h-ref.de. Das besondere Anliegen der Initiatoren dieser Internetseite ist es, die revisionistischen Thesen durch eine detaillierte Darlegung der historischen Fakten zu widerlegen. Rechtsextremismus 103 Revisionist Bernhard SCHAUB, anschließend Udo WALENDY) haben zu einer Schwächung der revisionistischen Szene beigetragen. Am 5. August hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig die Klagen des CH und der Bauernhilfe e. V. gegen die Verbotsverfügung abgewiesen. Der Verein Bauernhilfe e. V. wurde wegen seiner vielgestaltigen Verbindungen zum CH als Teilorganisation eingestuft, so dass er von dem Verbot des CH erfasst wird. Das Verbot ist damit bestandskräftig. Der VRBHV hatte keine Rechtsmittel eingelegt. Das CH und der VRBHV waren Sammelbecken organisierter Holocaustleugner. Die strafrechtliche Verfolgung revisionistischer Autoren in Deutschland, aber auch im benachbarten Ausland hat die Aktivitäten der revisionistischen Szene in den letzten Jahren stark beeinträchtigt, aber nicht zerstört. Es werden weiterhin revisionistische Vorträge gehalten und den Holocaust leugnende Artikel veröffentlicht. 4.6.1 Revisionistische Aktivitäten in Niedersachsen Wegen Leugnung des Holocaust in seiner Auswertung zu den Gedenkbüchern der Bundesregierung über die Opfer der Judenverfolgung im Deutschen Reich von 1933 - 1945 (1. und 2. Auflage) verurteilte das Amtsgericht Springe den Teilnehmer an der Holocaust-Konferenz 2006 in Teheran und Schatzmeister des im Mai 2008 verbotenen VRBHV, Arnold HÖFS, am 02.12.2008 zu vier Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe. Arnold HÖFS ist unter seinem Pseudonym Herbert HOFF Autor der revisionistischen, antisemitischen Schriftenreihe mit dem Titel "Faktenspiegel". In der Stimme des Reiches warb er für seine Schrift "Faktenspiegel VI" und führte zum 70. Gedenktag des deutschen Überfalls auf Polen aus: "Mit den Verdrehungen der Geschichte, ja den massiven Lügen über die Hintergründe des Kriegsausbruches, haben die Politiker bei den verschiedenen Gedenkveranstaltungen dem Deutschen Volk geschadet, Frieden und Versöhnung unmöglich gemacht und die Geschichtsschreibung entweder zur Lügnerin degradiert oder zur Hure einer antideutschen Politik gemacht." (Stimme des Reiches, Nr. 5, September - Oktober 2009, S. 2) In der beworbenen Ausgabe des "Faktenspiegel" versuchte er Hitler zu rehabilitieren: 104 Rechtsextremismus "Hitlers Verbrechen? Sie bestanden darin, schneller zu handeln als seine Widersacher und ihren Zerstörungsplänen zuvorzukommen. Aus der Sicht derjenigen, deren Pläne er verdarb, ist der grenzenlose Hass auf ihn daher sogar verständlich. Die Zerstörung hat er dennoch nicht verhindern können. Deutschland wurde zerstückelt und restlos ausgeplündert, heute zynisch als 'Befreiung' bezeichnet" (Faktenspiegel VI, Seite 33-34) Die Publikation "Stimme des Reiches" weist in Inhalt und Schriftbild eine starke Ähnlichkeit mit der Schrift "Lebensschutz-Informationen LSI - Stimme des Gewissens" des am 07.05.2008 verbotenen CH auf. Für die Schrift ist Heinrich MOCK (Hannover) neben dem Schriftleiter Reinhold LEIDENFROST (Bad Sulza/Thüringen) verantwortlich. Zu den regelmäßig vertre-tenen Autoren gehören Arnold HÖFS, die frühere CH-Vorsitzende Ursula HAVERBECK-WETZEL (Vlotho) sowie das frühere VRBHV-Mitglied Rigolf HENNIG, der für die NPD dem Kreistag Verden angehört. Unter dem Titel "Götterdämmerung" führte Ursula HAVERBECK-WETZEL zum Holocaust aus: "Bisher haben wir wie hypnotisiert auf dieses Fremdwort Holocaust gestarrt. Doch plötzlich fällt es uns wie Schuppen von den Augen: es gibt tatsächlich ein solches, über alle Maßen schreckliches und nicht in Zweifel zu ziehendes Verbrechen, eben ein offenkundiges und unvergleichbares Verbrechen. Das wurde aber nicht von den Deutschen, sondern an den Deutschen begangen. Es ist die Vertreibung von 14 oder 15 oder mehr Millionen Deutscher aus ihrer angestammten, uralten Heimat in Ostdeutschland, das nicht Mitteldeutschland ist." (Ausgabe Nr. 1, Januar - Februar 2009, S. 1f.) Rigolf HENNIG propagiert unter dem Titel: "Die todkranke Gesellschaft" die Wiederherstellung der Volksgemeinschaft: "Das Heil für die Menschen läge ... in der Wiederherstellung einer wirklichen ' Gemeinschaft' anstelle einer anonymen, seichten und durchmischten 'Gesellschaft', also in der bewährten Volksgemeinschaft ... Es gilt also, unsere deutsche Volksgemeinschaft wiederherzustellen, rasch und zielbewußt." (Ausgabe Nr. 3, Mai - Juni 2009, S. 4) Rechtsextremismus 105 Rigolf HENNIG gehört der Schriftleitung der Publikation "Volk in Bewegung & Der Reichsbote" an. Zum 70. Jahrestag des Kriegsausbruchs wurde eine Sondernummer zur Kriegsschuldfrage herausgegeben, in der "ein Kontrapunkt zur staatlich verordneten Geschichtsauffassung" unter dem Leitthema: "Wer war Schuld am 2. Weltkrieg?" gesetzt werden sollte. 4.6.2 Revisionistische Einflussnahme an Schulen Mit dem Ziel, junge Menschen zu indoktrinieren, wurde 2009 anonym bundesweit die Schrift "Amalia Hinterwäldlerin vor Gericht und andere Geschichten. Man kann nicht immer weinen ... SS 130 StGB" von Ursula HAVERBECK-WETZEL per Post an Schulen/Schüler verschickt. Mit der Präsentation fiktiver Gerichtserlebnisse einer Amalia soll der Holocaust als jüdische Fälschung "entlarvt" werden. Thesen rechtsextremistischer Ho"Amalia locaustleugner sollen als Beleg für die Beweisführung dienen. Hinterwäldlerin" Textauszüge waren zunächst in der Publikation Stimme des Gewissens abgedruckt. Die Buchausgabe erschien im Eigenverlag Georg Wiesholler - 85521 Ottobrunn. Das Amtsgericht München ordnete am 26. November die Beschlagnahme der Schrift an. In den Texten finden sich durchgängig den Holocaust verharmlosende, antisemitische Äußerungen. Die Autoren lassen die Titelfigur u. a. ausführen: "SA: Kann man etwas leugnen, was es nicht gegeben hat?" (Seite 4, a. a. O.) "Am: Aber ich habe doch gar nichts geleugnet. Es heißt in diesem Paragraphen, es ist strafbar, von den Nationalsozialisten begangene Straftaten zu leugnen. Und das ist auch logisch. Ich bin aber der Ansicht, daß diese Straftat Holocaust von den Nationalsozialisten gar nicht begangen worden ist. Worin soll denn nun mein Verbrechen bestehen? Wollen Sie etwa behaupten, ich hätte die sechs Millionen vergast?" (Seite 31, a. a. O.) "Am: Wie oft soll ich noch erklären, daß ich nie eine vom NS begangene Straftat geleugnet habe, sondern lediglich feststelle, auf Grund meines derzeitigen Wissenstandes, daß es den Holocaust, so wie uns jüdischerseits unterstellt wird, nicht gegeben hat." (Seite 35, a. a. O.) 106 Rechtsextremismus Einen rein revisionistischen Charakter haben die seit dem Sommer 2009 unter der Leitung von Meinolf SCHÖNBORN (Herzebrock/Nordrhein-Westfalen) herausgegebene Zweimonatsschrift "Recht und Wahrheit - Das aufrichtige Zweimonatsmagazin (RuW)" und die vom ehemaligen NPD-Vorsitzenden Günter DECKERT in Ilfeld/Thüringen durchgeführten "Tage Deutscher Gemeinschaft - Begegnung der Generationen". 4.7 Rechtsextremistische Skinheads und sonstige gewaltbereite Rechtsextremisten Der Terminus Rechtsextremistische Skinheads und sonstige gewaltbereite Rechtsextremisten ist ein von den Verfassungsschutzbehörden einheitlich verwendeter Arbeitsbegriff. Das mit diesem Begriff erfasste Personenpotenzial gibt Aufschluss über die Militanz des Rechtsextremismus. In diese Kategorie fallen rechtsextremistische Skinheads mit latenter oder offener Gewaltbereitschaft sowie Straftäter, die rechtsextremistisch motivierte Gewaltdelikte zu verantworten haben. Die rechtsextremistische SkinheadPersonenpotenzial Bewegung bildet die dominierende Gruppe innerhalb des in Niedersachsen gewaltbereiten rechtsextremistischen Spektrums.54 Auf Bunseit Jahren desebene lag ihr Potenzial im Jahr 2009 bei 9.000 Personen. rückläufig In Niedersachsen ist die Zahl der rechtsextremistischen Skinheads und sonstigen gewaltbereiten Rechtsextremisten seit Jahren leicht rückläufig. Gegenüber dem Vorjahr hat sie sich 2009 von 870 auf 845 Personen reduziert. Das Phänomen rechtsextremistisch motivierter Gewaltbereitschaft ist in Niedersachsen landesweit zu beobachten. Regionale Schwerpunkte bilden die Räume Braunschweig/Salzgitter, das Bremer Umland, Einbeck/Northeim, die Region Hannover, Lüneburg, Soltau/Schneverdingen, Tostedt sowie Uelzen. 54 Die von den Verfassungsschutzbehörden verwendeten Kategorien "Rechtsextremistische Skinheads und sonstige gewaltbereite Rechtsextremisten" sowie "neonazistisches Personenpotenzal" sind nicht trennscharf zu unterscheiden. Unter den Neonazis, zu denen auch die Autonomen Nationalisten gerechnet werden, befindet sich ebenfalls ein erheblicher Anteil gewaltbereiter Rechtsextremisten. Die Verfassungsschutzbehörden haben sich darauf geeinigt, das gewaltbereite rechtsextremistische Spektrum in künftigen Verfassungsschutzberichten differenzierter und transparenter darzustellen. Bei der Kategorisierung wird auch der Tatsache Rechnung zu tragen sein, dass Skinheads, die über viele Jahre hinweg das Bild des Rechtsextremismus bestimmt haben, aus der Öffentlichkeit weitgehend verschwunden sind. Rechtsextremismus 107 Rechtsextremistische Skinheads und sonstige gewaltbereite Rechtsextremisten Tostedt Lüneburg Bremer SchneverUmland dingen Soltau Uelzen Region Hannover Braunschweig Salzgitter Einbeck Northeim Stand: 31.12.2009 Grafik: MI Nds. Abt.6 4.7.1 Geschichte der Skinheads Die Skinhead-Bewegung hat ihren Ursprung in GroßbritanSkinhead-Bewegung nien. Aus der Arbeiterschicht stammende Jugendliche forkommt ursprünglich mierten sich dort Ende der sechziger Jahre zu einer Protestbeaus der wegung, die sich gegen soziale Ausgrenzung zur Wehr setzte. Arbeiterschicht Im Laufe der Zeit entwickelte sich hieraus eine im ArbeiterGroßbritanniens milieu verankerte Subkultur. Das äußere Erscheinungsbild (schwere Stiefel, Jeans und T-Shirt) symbolisierte die soziale Herkunft, zu der sich Skinheads auch heute noch mit elitärem Stolz bekennen, wie ein Interview mit einem Skinhead im Fanzine55 "Violence" (Nr. 19/2006, S. 28) verdeutlicht: "In unseren Augen geht es beim Skinhead sein um Patriotismus, stolz auf sich zu sein, auf Deine Stadt, Dein Land und stolz zu sein, dass wir die Arbeiterklasse sind ..." 55 Der Begriff Fanzine ist der englischen Sprache entlehnt und setzt sich aus den Worten "Fan" und "Magazine" zusammen. 108 Rechtsextremismus Ihre Wesensmerkmale - ein gegen die bestehende Gesellschaftsordnung gerichteter Antiintellektualismus, ein offen zur Schau gestellter Männlichkeitskult, eine aggressive Gewaltbereitschaft und eine latent fremdenfeindliche Grundeinstellung - machten die ursprünglich unpolitische Skinhead -Bewegung anfällig für die Einflussnahme und die Instrumentalisierung durch rechtsextremistische Organisationen. Zunächst gelang es der 1967 gegründeten neonazistischen National Front, die Skinheads in ihre politischen Aktivitäten einzubinden. Anschließend bemühten sich die noch radikaleren Gruppierungen British Movement und Blood & Honour erfolgreich um deren Rekrutierung. 4.7.2 Skinheads in Deutschland Ende der siebziger Jahre, als die neonazistische Beeinflussung in Großbritannien bereits vollzogen war, trat die Skinhead-Bewegung erstmals in Deutschland in Erscheinung. Sie gelangte über Angehörige der hier stationierten britischen Streitkräfte in das Bundesgebiet und wurde zunächst von deutschen Punks adaptiert, die sich für die Berichterstattung von Fanzines der britischen Skinhead-Bewegung interessierten. Anders als in Großbritannien war die deutsche Skinhead-Szene nicht allein im Arbeitermilieu verankert, sondern rekrutierte sich aus verschiedenen sozialen Randgruppen. Teil der SkinheadUngeachtet der für Skinheads typischen Aversion geBewegung unter gen politische Arbeit geriet auch in Deutschland ein Teil der rechtsextremiSkinhead-Bewegung unter rechtsextremistischen Einfluss. stischem Einfluss Rechtsextremistische Organisationen wie die Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten (ANS/NA) des 1991 verstorbenen Neonazis Michael KÜHNEN und die verbotene Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP), deren damaliger niedersächsischer Landesvorsitzender Thorsten HEISE selbst Skinhead war, hatten das neu entstandene Rekrutierungspotenzial erkannt. Heute bildet die rechtsextremistische Skinhead-Bewegung ein Rekrutierungsfeld für die NPD und die neonazistischen Kameradschaften. Viele Skinheads wechseln in ihren Aktivitäten zwischen der Teilnahme an szenetypischen Veranstaltungen wie Konzerten, der Zugehörigkeit zu rechtsextremistischen Kameradschaften sowie der Unterstützung von NPD und JN. Dieses Verhalten macht die eindeutige Zuordnung von Personen zur Skinheadszene immer schwerer. Gleichwohl ist festzustellen, dass die Skinheadszene für die Darstellung des Rechtsextremismus in Niedersachsen deutlich an Bedeutung verloren hat. Dies wird auch durch die Tatsache verdeutlicht, dass die von nationalsozialistischem Gedanken- Rechtsextremismus 109 gut und dem Glauben an die Überlegenheit der weißen Rasse geprägte Blood & Honour-Bewegung, die bis zu ihrem Verbot am 14.08.2000 in Niedersachsen mit drei Sektionen vertreten war, keine Strukturen mehr aufweist. Die nationalsozialistisch und rassistisch ausgerichteten Hammerskins entfalten in Niedersachsen ebenfalls keine Aktivitäten. 4.7.3 Ideologie Die Denkweise rechtsextremistischer Skinheads ist geprägt von Rassismus, hemmungsloser Gewaltbereitschaft sowie einer unreflektierten Verherrlichung des Nationalsozialismus. Konflikte mit Angehörigen von ihnen verachteter sozialer Gruppen wie Ausländer, Obdachlose, Menschen mit Behinderungen, Homosexuelle und als "Zecken" titulierte linksorientierte politische Gegner werden bevorzugt gewalttätig auf der Straße ausgetragen. In einem Interview mit dem Fanzine "Ratatösk" (Ausgabe 4/2004, S. 38) verlieh ein Skinhead der Gewaltaffinität mit folgenden Worten Ausdruck: "Gewalt ist keine Lösung, aber ein verdammt gutes Argument!" In Niedersachsen ereigneten sich im Berichtsjahr mehrere Gewalttätige gewalttätige Übergriffe von Skinheads. Am 18. Januar verletzÜbergriffe in ten in Oldenburg drei Rechtsextremisten ohne Anlass einen Niedersachsen indischen Staatsbürger durch Schläge in das Gesicht und auf den Rücken. Am 18. Juni ereignete sich ein ähnlicher Fall in Langwedel (Landkreis Verden). Zwei Skinheads griffen einen türkischen Staatsbürger rücklings an, hielten ihm ein Messer an die Kehle und beleidigten ihn als "Kanake". Anschließend verletzten sie ihn durch mehrere Faustschläge in das Gesicht. Am 12. Oktober erfolgte ein fremdenfeindlicher Übergriff in Langenhagen. Vier Personen schlugen auf einen deutschen Staatsbürger türkischer Herkunft ein, weil dieser ihnen die Herausgabe von Zigaretten verweigert hatte. 4.7.4 Erscheinungsbild Das Erscheinungsbild der meisten Skinheads wurde anfangs wesentlich durch die szenetypische Kleidung und den kahl rasierten Kopf bzw. extrem kurz geschorene Haare geprägt. An die Stelle des klassischen Skinhead-Outfit sind inzwischen Kleidungsstücke und Marken getreten, die sich an allgemeinen Trends der Jugendmode, am Kleidungsstil der Hooliganszene oder der Autonomen Nationalisten orientieren. Außerdem verzichten inzwischen nicht wenige rechtsextremistische Skinheads wegen der Anfeindungen, die sie dadurch in der 110 Rechtsextremismus Öffentlichkeit auf sich ziehen, darauf, sich ihren Kopf rasieren zu lassen. Ihre Verbundenheit mit dem Nationalsozialismus bringen rechtsextremistische Skinheads durch entsprechende Tätowierungen zum Ausdruck. Sie verwenden häufig Zahlencodes wie 18, 28 oder 8856 und Abkürzungen wie "14 words" oder ZOG57, um ihre neonazistische Weltanschauung zu verklausulieren. Szenehändler haben die Verdienstmöglichkeiten längst erkannt und vertreiben Artikel mit entsprechenden Aufdrucken in speziellen Läden bzw. über das Internet. Innerhalb der Skinhead-Bewegung wird ein übersteigerter Männlichkeitskult gepflegt, der u. a. in exzessivem Alkoholkonsum und einer offen zur Schau gestellten Frauenfeindlichkeit seinen Ausdruck findet. Das Durchschnittsalter der Skinheads beträgt etwa 15 bis 20 Jahre, das Einstiegsalter liegt teilweise noch darunter. Der Anteil von Männern beträgt nahezu 90 Prozent. Neben den rechtsextremistischen Skinheads gibt es nichtextremistische Strömungen mit entgegengesetzter politischer Ausrichtung sowie die große, vorrangig "spaßorientierte" Gruppe der Oi!-Skins58. Die Oi!-Skin-Bewegung und die rechtsextremistische Skinhead-Szene sind nicht trennscharf zu unterscheiden. Oi!-Skin-Konzerte werden auch von rechtsextremistischen Skinheads besucht. Unter den Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes fallen ausschließlich rechtsextremistische Skinheads. 4.7.5 Rechtsextremistische Musikszene Schulhof-CD Rechtsextremistische Musik ist ein wesentlicher Faktor für die vorwiegend für Ausprägung eines Gemeinschaftsgefühls bei den SzeneangeJugendliche und hörigen. Darüber hinaus dient sie dem Zweck, rechtsextremiJungwähler stische Ideologie - auch an Außenstehende - zu vermitteln. Die Liedinhalte formulieren in plakativer, häufig hetzerischer Form die rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Einstellung der Szeneangehörigen. Von eingängigen oder aufputschenden Melodien getragen, entwickeln die Liedtexte eine suggestive Wirkung. 56 Die Ziffern bezeichnen die Stelle eines Buchstabens im Alphabet. Mit 18 werden die Initialen von Adolf Hitler wiedergegeben, mit 88 verbinden Eingeweihte die verbotene nationalsozialistische Grußformel "Heil Hitler", und 28 steht für die in Deutschland verbotene Organisation Blood & Honour. 57 Die "14 words", häufig nur mit der Zahl 14 wiedergegeben, sind der Code für eine 14 Wörter umfassende Losung des amerikanischen Rechtsextremisten David Lane von der Gruppe The Order. In deutscher Übersetzung lautet der Satz: "Wir müssen die Existenz unseres Volkes sichern und eine Zukunft für unsere weißen Kinder". ZOG ist eine antisemitische Formel und bedeutet "Zionist Occupied Government" (zionistisch beherrschte Regierung). 58 Der Name leitet sich von einem Slang-Ausdruck aus dem Londoner East End her. Mit "Oi, Oi, Oi" anstelle des traditionellen "one, two, three" zählte die SkinheadBand "Cockney Rejects" ihre Songs an. Rechtsextremismus 111 Rechtsextremistische Musik hat sowohl in der rechtsextremistischen Subkultur, als auch in der neonazistischen Kameradschaftsszene und auch in der NPD große Bedeutung. Von ihrem Ursprung her sind die rechtsextremistischen Bands eher dem subkulturellen Bereich, Liedermacher eher der Kameradschaftsszene und der NPD zuzuordnen. Das Hören der Musik und auch das sich Nutzbarmachen erfolgt aber in allen drei Bereichen. So nutzt die NPD für die von ihr verteilten Schulhof-CDs vorwiegend auch Lieder rechtsextremistischer Musikbands, um hiermit insbesondere die Jugendlichen und Jungwähler zu erreichen. Seit einigen Jahren reagieren rechtsextremistische Bands und Musikproduzenten durch die Verwendung verschiedener Musikstilrichtungen verstärkt auf das ausdifferenzierte Hörerspektrum. So gibt es rechtsextremistische Musik im Stil des Black Metal, des Schlagers und der Balladenmusik. Feststellbar ist dennoch, dass der Anteil der traditionellen rechtsextremistischen Musikstilrichtungen des "Rock against Communism" (RAC) und des "Hatecore" am größten ist. Gerade bei jüngeren Szeneangehörigen - wie den Autonomen Nationalisten - ist ein Trend hin zum "Hatecore", einem schnellen und aggressiven Musikstil, erkennbar. Dabei werden Texte mit üblichen rechtsextremistischen Inhalten wie Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Verherrlichung des Nationalsozialismus vermieden, um aktuelle Themen wie Anti-Globalisierung oder Umweltschutz im rechtsextremistischen Kontext aufzugreifen. Bei den Bands zeigen Namen wie "Blitzkrieg", "Sturmtrupp", "Bataillon 500", "Kommando Ost" oder "Reichswehr" einen deutlichen Bezug zum Nationalsozialismus. Andere Bandnamen sind der germanisch-heidnischen Mythologie entnommen. Zu nennen sind hier beispielsweise Bezeichnungen wie "Einherjer", "Sleipnir", "Projekt Aaskereia", "Sigil", "Valhalla Patriots" oder "Legion of Thor". Die Anzahl rechtsextremistischer Musikgruppen ist bundesweit in den letzten Jahren nahezu gleich geblieben (2009: 151, 2007/2008: je 146). Dabei handelt es sich nicht um einen permanent gleichbleibenden Kreis von Musikgruppen. Viele Bands bestehen nur für kurze Zeit oder sind Projekte von Mitgliedern mehrerer Bands, die sich - mitunter nach nur einer gemeinsamen Produktion - wieder auflösen. 112 Rechtsextremismus Tonträger werden vor der Veröffentlichung durch Anwälte der Szene überprüft Szene-Anwälte Die Produzenten lassen Tonträger vor ihrem Erscheinen durch prüfen neue CDs Rechtsanwälte auf mögliche Rechtsverstöße überprüfen, um einerseits strafrechtliche Verfahren zu vermeiden. Andererseits sollen so die drohenden Geschäftsverluste durch Indizierungen, die einen Verkauf an Jugendliche unter 18 Jahren untersagen, oder Beschlagnahmeund Einziehungsbeschlüsse, die ein generelles Veräußerungsverbot nach sich ziehen, vermieden werden. Strafrechtlich relevante CDs - ihr Anteil beträgt weniger als zehn Prozent - werden bis auf wenige Ausnahmen im Ausland produziert. Neben offen systemablehnenden Positionen sind zunehmend verklausulierte rechtsextremistische Texte festzustellen. Die beiden nachfolgenden Beispiele stehen dagegen für die nach wie vor in der Szene verbreiteten strafrechtlich relevanten Tonträger. Die Band "Sturm 5" veröffentlichte den Tonträger "In den Pharussälen"59 , auf dem der Titel "Wie einst" den Bezug zum Nationalsozialismus verdeutlicht: "Wie einst, wie einst die Waffen-SS, geeint durchs Blut, der schwarze Orden, sind wir das arische Bollwerk, Nordlands Deich! Wie einst, wie einst unsere Ahnen, die Großväter auf dem Felde starben, mit der Waffe in der Hand fürs Großdeutsche Reich!" Der Tonträger wurde von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) indiziert. Das Beiheft enthält historische Aufnahmen mit strafrechtlich relevanter Symbolik wie dem Hakenkreuz oder dem Hitler-Gruß. Die Band "Autonom" veröffentlichte 2009 den mittlerweile indizierten Tonträger "Die Ewigen". Die Texte beinhalten fremdenfeindliche, insbesondere islamfeindliche Aussagen, wie nachfolgendes Beispiel belegt: 59 Im Berliner Bezirk Wedding wurden Anfang des 20. Jahrhunderts die Pharussäle eröffnet. Sie entwickelten sich zu einem bevorzugten Versammlungslokal, welches in den 1920er Jahren von der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) genutzt wurde. 1927 kam es in den Pharussälen bei einer von Joseph Goebbels und der NSDAP durchgeführten Veranstaltung zu einer Saalschlacht mit der KPD. Die Pharussäle wurden im 2. Weltkrieg zerstört. Rechtsextremismus 113 "Ich sehe so gerne Türkenblut, denn das tut meiner Seele gut, sein offener Kopf und sein Gedärm, ja das ist wovon ich schwärme. Türkenschwein, ich hack dich klein, ja da redet mir keiner rein, deine Sippe und dein Pack gehen mir tierisch auf den Sack. " Der sich dynamisch entwickelnde Bereich der rechtsextremistischen Musik ist seit mehreren Jahren ein Schwerpunkt der präventiven Verfassungsschutzarbeit, weil der Wirkungsradius der rechtsextremistischen Musik über das registrierte rechtsextremistische Personenpotenzial weit hinausreicht. Besonders angesprochen fühlen sich Jugendliche, die sich und ihre soziale Situation in den Liedtexten wiederfinden und nach Integration in eine Gruppe Gleichgesinnter streben. Die Konfrontation mit der rechtsextremistischen Musik kann den Beginn einer Entwicklung markieren, in deren Verlauf sich Jugendliche zunehmend mit der rechtsextremistischen Szene identifizieren. Der Besuch von Konzerten rechtsextremistischer Bands, die die Möglichkeit bieten, Kontakte zu knüpfen, spielt eine wichtige Rolle bei einer allmählichen Einbindung in die Szene. Wichtig für das Zusammengehörigkeitsgefühl sind darüber hinaus die Angebote rechtsextremistischer Musikvertriebe. Die Angebotspalette umfasst neben CDs, T-Shirts und anderen Kleidungsstücken auch Aufkleber und Devotionalien. Über das Internet und bei Konzerten ist die gesamte Bandbreite des einschlägigen Angebots zugänglich. Die Indizierung von Tonträgern sowie juristisches Vorgehen gegen strafrechtlich relevante Produktionen erschweren den Zugang zu solchen Erzeugnissen erheblich. Jedoch bieten im Ausland ansässige Vertriebe diese Produkte weiterhin in Deutschland an. Zu nennen sind Werwolf Records und die amerikanischen Versandhändler Free Your Mind, ISD Records, Micetrap Distribution, NS 88 und NSM 88. Der australische Vertrieb Scythian Services hat sein Angebot stark ausgeweitet und verbreitet eine Vielzahl volksverhetzender, in Deutschland strafrechtlich relevanter Produktionen. Darunter finden sich beispielsweise die Tonträger der Bands "Landser" (Berlin) und "Race War" (Baden-Württemberg), deren Mitglieder in Deutschland wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung verurteilt worden sind. Am 4. März wurden im gesamten Bundesgebiet über 200 Wohnund Geschäftsräume durchsucht. Betroffen waren Anbieter und Käufer strafrechtlich relevanter Propagandamaterialien, die in den Jahren 2006 und 2007 über die Internetplattform "Unser Auktionshaus" verbreitet wurden. Die Durchsuchungen, bei denen rund 90.000 Tonträger sicherge- 114 Rechtsextremismus stellt wurden, richteten sich auch gegen Inhaber rechtsextremistischer Vertriebe und kommerzielle Anbieter rechtsextremistischer Musik. Diese Durchsuchungen und Beschlagnahmungen schränkten die Liefermöglichkeiten der überwiegend über das Internet agierenden Vertriebe stark ein, wodurch es zu Verunsicherungen bei den Käufern gekommen ist. Musik als idenDie nahezu unverändert hohe Anzahl an Vertrieben im titätsstiftendes Vergleich zum Vorjahr zeigt aber die nach wie vor herausraMedum im Rechtsgende Bedeutung der Musik als identitätsstiftendes Medium extremismus im gesamten Rechtsextremismus. Wichtige deutsche Vertriebe sind Front Records, PC Records (beide Sachsen), der WB Versand (Thüringen) und der Wikinger Versand (Bayern). 4.7.6 Niedersächsische Vertriebe In Niedersachsen sind elf Vertriebe ansässig: Adler-Versand (Diekholzen), Der Versand (Bovenden), EOK-Versand (Bockenem), Hatecore Lüneburg (Lüneburg), Max H8 (Cremlingen), Multiplex Musica (Hannover), Nordic Flame (Seevetal), Ragnarök (Seesen), Streetwear Tostedt (Tostedt), Unsere Musik.de (Hollenstedt) und Das Zeughaus (Lingen/Ems). Sie spielen in der Szene eine eher untergeordnete Rolle, weil sie Produktionen weniger namhafter Musikbands vertreiben und damit auch einen geringeren Umsatz verzeichnen. 4.7.7 Rechtsextremistische Musik in Niedersachsen Die Anzahl niedersächsischer rechtsextremistischer Musikbands ist gegenüber dem Vorjahr mit sieben Musikgruppen konstant geblieben Die niedersächsischen Bands "Gigi/Stahlgewitter" (Meppen), "Cherusker" (Osnabrück) und "Nordfront" (Hannover) finden in ganz Deutschland große Beachtung in der rechtsextremistischen Musikszene. - Gigi/Stahlgewitter Nach der Messerattacke gegen den Passauer Polizeidirektor Alois Mannichl veröffentlichte Daniel GIESE, der Kopf der Band "Stahlgewitter", mit seinem Projekt "Gigi und die Braunen Stadtmusikanten" zunächst über die Internetseite des rechtsextremistischen Musikvertriebs PC-Records (Chemnitz/Sachsen) den Titel "Lebt denn der alte Mannichl noch". Für das lediglich im MP3-Format angebotene Lied nutzte Daniel GIESE zum wiederholten Male die Melodie eines bekannten Schlagers und präsentierte dazu einen rechtsextremistischen Text: Übersicht über rechtsextremistische Skinheadbands, Liedermacher und Vertriebe in Niedersachsen Seevetal/ Tostedt, (r) . Hollenstedt wi (r)@ " Meppen Hannover " Diekhol& . Sockeam gesen Bad Lauterberg Bovenden # (r) Nordic Flame (Seevetal) (r) Terroritorium (Hannover) /} (r) Streetwear Tostedt &I MaxH8 (Cremlingen) & @(r) Unsere Musik.de (Hollenstedt) &I (r) Adler-Versand (Dieckholzen) &JI (r) Hatecore Lüneburg (Lüneburg) & 350.000 Mitarbeiter) SWR = Slushba Wneschnej Raswedkij (13.000 Mitarbeiter) GRU = Glawnoje Raswediwatelnoje Uprawlenije (12.000 Mitarbeiter) 252 Spionageabwehr Im militärischen Bereich galt das Interesse Veranstaltungen, bei denen die Umgestaltung und Umrüstung der Bundeswehr oder die Schaffung gemeinsamer europäischer Streitkräfte sowie die technischen Anforderungen an die Verteidigungsindustrie thematisiert wurden. Außerdem interessierten sich die Dienste für die militärische Infrastruktur in Deutschland, für wehrtechnische Neuentwicklungen und aktuelle Rüstungsprodukte sowie militärisch nutzbare Zivilschutztechnik. Im wissenschaftlich-technologischem Sektor lag der Schwerpunkt der Aktivitäten auf der Beschaffung von Informationen über Computer-, Telekommunikationsund Sicherheitstechnik sowie von Produkten aus den Bereichen Messtechnik, Luftund Raumfahrt. Die Informationsbeschaffung erfolgt zum einen durch die Auswertung offener Quellen wie das Internet oder anderer Medien und den Besuch von Industriemessen und öffentlichen Vortragsveranstaltungen, zum anderen aber auch konspirativ aus den diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Russischen Föderation (RF) mit ihren Legalresidenturen155. In Niedersachsen gibt es keine Konsulate der RF. Für das Landesgebiet ist die Legalresidentur in Berlin zuständig. Die unter diplomatischer Abdeckung getarnten hauptamtlichen Mitarbeiter der russischen Geheimdienste steuern aus diesen Residenturen heraus ihre Aktivitäten. Vor allem der privilegierte völkerrechtliche Status der offiziellen Auslandsvertretungen bietet den Angehörigen der Geheimdienste ausgezeichnete Rahmenbedingungen für Spionageaktivitäten in Deutschland. Dazu zählen z. B. der Diplomatenstatus als "Türöffner" bei der Aufnahme von Kontakten aller Art sowie die diplomatische Immunität und der damit verbundene Schutz vor Strafverfolgung. Die Bandbreite der entwickelten Aktivitäten reicht von der offenen Informationsgewinnung über die Führung vertraulicher Verbindungen bis hin zur geheimen Agentenführung. Anbahnungsversuch Kennzeichnend für den Beginn einer "vertraulichen Verbindung" ist der von dem Geheimdienst-Offizier bewusst informell gestaltete Rahmen. Ein Anbahnungsversuch kann wie folgt aussehen: Zunächst wird ein Treffen "auf neutralem Boden" (z. B. in Restaurants) arrangiert. Der Geheimdienst-Offizier bietet der Zielperson häufig bereits nach wenigen Treffen das vertrauliche "Du" an. Vielfach gibt er vor, im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Diplomat Studien erstellen zu müssen und bittet die Zielperson, ihn bei dieser Tätigkeit zu unterstützen. Dafür erhält sie kleinere Geschenke oder eine Aufwandsent155 Stützpunkt eines fremden Geheimdienstes in einer offiziellen (z. B. Botschaft, Generalkonsulat) oder halboffiziellen (z. B. Presseagentur, Fluggesellschaft) Vertretung seines Landes im Gastland. Spionageabwehr 253 schädigung. Nach und nach werden konspirative Elemente in die Verbindung eingeführt. So fordert er die Zielperson auf, ihn unter keinen Umständen an seinem Arbeitsplatz anzurufen. Termine für künftige Treffen werden beim jeweiligen Treffen vereinbart. In manchen Fällen versucht der Geheimdienst-Offizier die berufliche Entwicklung der Zielperson perspektivisch zu steuern, indem er sie auffordert, sich bei für ihn interessanten Zielobjekten (z. B. Ministerien, Behörden, Parteien) zu bewerben. Nicht selten mündet eine "vertrauliche Verbindung" in eine "klassische" Agentenverbindung. 7.2.1 Vorsicht bei Reisen Besonderen Gefahren sind auch Bürger ausgesetzt, die nach Russland reisen. Dazu gehören sowohl Touristen, Geschäftsreisende als auch das Personal von Hilfsorganisationen oder deutschstämmige Aussiedler. Die Daten dieser Personen werden bereits bei Visabeantragung erfasst, so dass jeder Reisende stets damit rechnen muss, von russischen Geheimdiensten überwacht, in geheimdienstliche Sachverhalte verstrickt und als Agent angeworben zu werden. Reisende sollten bei ihren Visumsund Zollformalitäten präzise Angaben machen, da Ungenauigkeiten von russischen Nachrichtendiensten aufgebauscht und gegen sie Verwendung finden könnten. Weiterhin müssen Reisende davon ausgehen, dass russische Geheimdienste ungehinderten Zugriff auf alle Telefonund Internetdaten (Telefonanlagen und Hotspots in Hotels etc.) haben und die Kommunikation überwachen. 7.3 Chinesische Geheimdienste156 Niedersachsen verfügt über vielfältige Kontakte zur VolksreFirmenkooperatipublik (VR) China. Es gibt eine große Anzahl von Kooperaonen/Hochschultionen und Hochschulpartnerschaften zwischen chinesischen partnerschaften und niedersächsischen Firmen und Universitäten, einschließlich eines regen Austausches von Wissenschaftlern und Studenten. Über Kooperationen chinesischer und deutscher Universitäten wurden seit 2006 Konfuzius-Institute157 errichtet. 156 Relevante chinesische Geheimdienste: - Ministerium für Staatssicherheit (MSS) - Ministerium für öffentliche Sicherheit (MÖS) - Militärischer Nachrichtendienst (MID) 157 In der Bundesrepublik Deutschland bestehen außer in Hannover noch KonfuziusInstitute in Berlin, Düsseldorf, Duisburg, Frankfurt/M., Hamburg, Leipzig, München, Nürnberg-Erlangen und Trier. Zwei weitere Institute (Freiburg und Heidelberg) sind geplant. 254 Spionageabwehr Hierbei handelt es sich um von der chinesischen Regierung betriebene, staatliche Einrichtungen, die insbesondere zum Ziel haben, die chinesische Kultur und Chinesisch als Fremdsprache zu verbreiten. Das hannoversche Konfuzius-Institut im Chinesischen Zentrum Hannover e. V. wurde 2007 gegründet. Es ist das einzige Konfuzius-Institut in Deutschland, das vom chinesischen Staatsbüro für die internationale Verbreitung von Chinesisch geleitet wird und keiner deutschen Universität untersteht. China hat sich zum Ziel gesetzt, seine Volkswirtschaft in ein "Marktwirtschaftssystem sozialistischer Prägung" zu verwandeln. Es geht darum, den Anschluss an die führenden Industrienationen zu erreichen. Transfer von Westliche Wirtschaftsexperten sind übereinstimmend der Spitzentechnologie Auffassung, dass dieses ehrgeizige Ziel nur mit massivem Transfer von Spitzentechnologie aus den hoch entwickelten Industriestaaten zu erreichen ist. Dazu bedient sich China weltweit seiner Geheimund Sicherheitsdienste und betreibt auch in Niedersachsen geheimdienstliche Aufklärung einschließlich des Einsatzes geheimdienstlicher Quellen. Es besteht ein permanentes Interesse an wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, technischen und militärischen Informationen. Aber auch die klassischen Aufklärungsbereiche der Spionage stehen im Zielspektrum der chinesischen Dienste. So haben die Dienste die Aufgabe, die chinesische Staatsführung möglichst frühzeitig mit Informationen zu versorgen, die für Entscheidungen in der Außenund Sicherheitspolitik von Bedeutung sind. Falun-Gong Eine weitere Aufgabe der chinesischen Geheimdienste ist und Uiguren die Überwachung und die Beeinflussung der außerhalb Chinas lebenden oder sich vorübergehend aufhaltenden Landsleute. Hierzu zählen insbesondere diejenigen Personen, die dem politischen System ihres Heimatlandes kritisch gegenüberstehen158 und in der Regel in zahlreichen Vereinen organisiert sind. Namentlich handelt es sich hauptsächlich um die in China seit 1999 verbotene buddhistisch-taoistische FalunGong-Bewegung sowie um die nach "Selbstbestimmung" strebenden islamischen Uiguren, deren Heimat die ölreiche autonome Region Xinjiang im Nordwesten Chinas ist. Die Aktivitäten der Uiguren werden von China pauschal als terroristisch eingestuft. 158 Aus Sicht der Kommunistischen Partei Chinas fallen hierunter die Anhänger der Demokratiebewegung, die Befürworter einer Eigenstaatlichkeit Taiwans, die nach Erlangung tatsächlicher Autonomie strebenden und deshalb des Separatismus verdächtigten Angehörigen der tibetischen und uigurischen Minderheiten sowie die Mitglieder der Meditationsbewegung Falun Gong. Sie alle werden als "größte Gefahr" für den Bestand des politischen Systems der VR Chinas angesehen und als "Fünf Gifte" bezeichnet. Die zu den "Fünf Giften" zählenden Vereinigungen und Einzelpersonen werden in China unterdrückt und im Ausland sowohl mit diplomatischen als auch mit geheimdienstlichen Mitteln aufgeklärt und bekämpft. Spionageabwehr 255 Niedersachsen ist hiervon allerdings nur am Rande betroffen, weil die überwiegende Anzahl der Uiguren in Süddeutschland lebt. Die methodische Arbeitsweise der chinesischen GeheimVorgehensweise dienste besteht bevorzugt in der offenen Abschöpfung von chinesischer Kontaktpersonen in nahezu allen gesellschaftlichen BereiGeheimdienste chen. Genutzt werden vorrangig eigene sprachlich ausgebildete Landsleute. Sie unterhalten im Rahmen ihrer offiziellen Tätigkeit vielfältige Kontakte zu niedersächsischen Institutionen oder besuchen Veranstaltungen zu den sie interessierenden Bereichen, um mit den dort vertretenen Zielgruppen Kontakte zu knüpfen. Hierbei wird eine Politik des "langen Atems" mit einer "Offensive des Lächelns" verbunden, indem die Beziehungen zu geheimdienstlich interessanten Personen regelrecht kultiviert werden. Wiederholte Einladungen zum Essen, gemeinsamer Besuch kultureller Veranstaltungen, Empfänge in der Botschaft bis hin zu Einladungen nach China inklusive der Kostenübernahme vermitteln das Bemühen, eine "Freundschaftsbeziehung" aufzubauen. Hierbei handelt es sich um eine Arbeitsweise, die insbesondere im Rahmen von Geschäftsbeziehungen angewandt wird. Dabei lassen die verdeckt arbeitenden GeheimdienstangeWahre Absichten hörigen ihre wahren Absichten nicht erkennen. nicht sofort Eine weitere Informationsabschöpfung erfolgt durch in erkennbar Niedersachsen ständig oder vorübergehend lebende Chinesen159, die als hoch qualifizierte Mitarbeiter bei bedeutenden Firmen, in wissenschaftlichen Instituten oder als postgraduierte Studenten160 tätig sind. Diese Personen werden von den diplomatischen Vertretungen oder anderen staatlichen Stellen Chinas unter Hinweis auf das nationale Bewusstsein und den "Dienst am Vaterland" angehalten, die erworbenen Kenntnisse der Entwicklung Chinas zur Verfügung zu stellen. Elektronische Angriffe mit mutmaßlich chinesischem Ursprung gegen Regierungsstellen und Wirtschaftsunternehmen gab es auch im Jahre 2009. Die mittels E-Mail durchgeführten Angriffe verwenden eine angehängte Schadsoftware (so genannte Trojaner) mit der Rechner infiziert werden, um sie ausspionieren, verändern und auch sabotieren zu können. Wichtigster Träger der geheimdienstlichen Aufklärung ist Überwachung von mit mehr als 800.000 Mitarbeitern der zivile Inlandsund AusChina-Reisenden landsdienst; in China ist der Dienst für die Spionageabwehr 159 Am 31.12.2008 waren in Niedersachsen 5.297 chinesische Staatsangehörige erfasst (Quelle: Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen). Deutsche Staatsangehörige chinesischer Herkunft sind in diesen Zahlen nicht enthalten. 160 Als "Postgraduierte" bezeichnet man diejenigen Studenten, die bereits über einen Hochschulabschluss verfügen und in einem Aufbaustudium mit Ziel Master oder der Promotion an einer Universität eingeschrieben sind. 256 Spionageabwehr zuständig und überwacht im Land lebende sowie einreisende Ausländer. Es ist davon auszugehen, dass auch niedersächsische Besucher, vorrangig Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Wissenschaft, in China einer umfassenden Überwachung unterliegen und in Hotels und Konferenzräumen abgehört werden. Der wachsende Informationsfluss aus dem Ausland wird in China ebenfalls überwacht. Ausländische Online-Anbieter wie Google, Microsoft und Yahoo akzeptieren die staatliche Zensur.161 7.4 Proliferation Interesse an Großes Interesse besteht an der Beschaffung von Informatiniedersächsischen onen aus niedersächsischen Hochtechnologieunternehmen. HochtechnologieWesentliches Merkmal der Proliferation - also der Weiterunternehmen verbreitung von ABC-Waffen und Trägersystemen - ist, dass sie nicht von einer einzelnen kriminellen Person oder Gruppe betrieben wird, sondern von so genannten proliferationsrelevanten Staaten wie Iran, Nordkorea, Pakistan und Syrien unter Einbeziehung ihrer Geheimdienste. Proliferation erfolgt Da einsatzfähige ABC-Waffenund Trägersysteme nicht durch Staaten und komplett auf dem Weltmarkt zu beschaffen sind, richtet nicht durch Einzelsich das Streben der genannten Länder auf den Erwerb von personen Produkten, die den Fortbestand und die Weiterentwicklung der bereits vorhandenen Waffenbestände sichern und die es ermöglichen, neue Waffensysteme zu entwickeln. Im Mittelpunkt des Interesses stehen dabei solche Ausfuhrprodukte, Erwerb von Dualdie als so genannte Dual-use-Güter sowohl im zivilen als auch use-Gütern und im militärischen Bereich Anwendung finden können. Ziel der Know-how Bemühungen ist aber auch der Erwerb von Wissen, um die von ihnen betriebenen Programme auch zur eigenen Herstellung von Massenvernichtungswaffen nutzen zu können. Die Bundesrepublik Deutschland versucht, den proliferationsrelevanten Beschaffungsbemühungen durch eine restriktive Exportkontrolle entgegen zu wirken. Trotzdem gibt es für die deutschen Sicherheitsbehörden bei der Proliferationsbekämpfung erhebliche Schwierigkeiten. BekämpfungsproDurch den Einsatz von Tarnfirmen/-organisationen sowie blem durch Nutdurch falsche Angaben über die Ware selbst, ihren tatsächzung von lichen Bestimmungsort und -zweck ist es oftmals sehr schwieTarnfirmen rig, geheimdienstlich gesteuerte Beschaffungsaktivitäten als solche zu erkennen. 161 Nach massiven Hacker-Angriffen aus der Volksrepublik China im Dezember ist Google laut Firmenblog nicht länger bereit, seine Suchergebnisse auf Google.cn zu zensieren. Google kündigte an, mit der Regierung in Peking zu verhandeln, ob der ungefilterte Betrieb einer Suchmaschine mit dem chinesischen Recht vereinbar ist. Sollten Chinas Behörden nicht einlenken, würde Google auch einen Abzug aus dem chinesischen Internetmarkt in Kauf nehmen. Spionageabwehr 257 Der Niedersächsische Verfassungsschutz führt zahlreiche ErPrävention durch mittlungen und Sensibilisierungsgespräche in entsprechenSensibilisierung den niedersächsischen Firmen durch und trägt somit zur Proliferationsbekämpfung bei. Zudem werden Wissenschaftler an niedersächsischen Forschungseinrichtungen und Universitäten für die Proliferationsproblematik im Zusammenhang mit Gastwissenschaftlern sensibilisiert. 7.5 Hilfe für Betroffene Von einem Anwerbungsversuch fremder Geheimdienste betroffenen Personen wird deshalb geraten, sich vertrauensvoll an das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport, Verfassungsschutzabteilung, Postfach 44 20, 30044 Hannover, Tel. 0511/6709-0, zu wenden. 258 Geheimund Wirtschaftsschutz 8. GEHEIMUND WIRTSCHAFTSSCHUTZ 8.1 Geheimschutz Informationen und Vorgänge, deren Bekanntwerden den Bestand oder lebenswichtige Interessen, die Sicherheit oder die Interessen des Bundes oder eines Landes gefährden können, müssen geheim gehalten und als Verschlusssache (VS) vor unbefugter Kenntnisnahme geschützt werden. Je nach Schutzbedürftigkeit erfolgt eine Einstufung der VS in unterschiedliche Geheimhaltungsgrade (VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH, VS-VERTRAULICH, GEHEIM oder STRENG GEHEIM), wobei der Schutz durch vorbeugende und wirkungsvolle Maßnahmen des personellen und materiellen Geheimschutzes erzielt wird. VS ab dem Geheimhaltungsgrad VS-VERTRAULICH dürfen nur Personen zugänglich sein, die sich einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen haben. Dieses zentrale Instrument des personellen Geheimschutzes ist in Niedersachsen im Niedersächsischen Sicherheitsüberprüfungsgesetz (Nds. SÜG) geregelt. Die in diesem Gesetz vorgeschriebenen Überprüfungsverfahren stellen sicher, dass nur Personen, deren Zuverlässigkeit festgestellt worden ist, eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausüben. Dazu gehören auch Tätigkeiten an sicherheitsempfindlichen Stellen innerhalb von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen (Sabotageschutz, z. B. Rechenzentren des Landes, polizeiliche und kooperative Leitstellen). Zuständig für die Einleitung einer Sicherheitsüberprüfung ist die jeweilige Beschäftigungsdienststelle; die Verfassungsschutzbehörde wirkt bei der Durchführung der Überprüfung mit. Im Jahr 2009 hat die Verfassungsschutzbehörde als mitwirkende Behörde insgesamt 625 Sicherheitsüberprüfungen (2008: 566) bearbeitet. Der materielle Geheimschutz umfasst technische und organisatorische Maßnahmen gegen die unbefugte Kenntnisnahme von VS in schriftlicher oder elektronischer Form. In der Verschlusssachenanweisung (VSA) des Landes sowie ergänzenden Richtlinien ist geregelt, wie als VS eingestuftes Schriftgut sicher bearbeitet, verwahrt und verwaltet wird. Die Verfassungsschutzbehörde wirkt gemäß SS 60 Abs. 1 VSA bei der Durchführung der VSA und der sie ergänzenden Richtlinien mit und berät die Dienststellen des Landes. Beratungsschwerpunkte sind die Einrichtung und der Betrieb von besonders gesicherten Aktensicherungsräumen oder Stahlschränken (VS-Verwahrgelasse), in denen VS unter Beachtung baulicher, mechanischer, elektronischer und organisatorischer Sicherheitsvorkehrungen aufbewahrt werden können. Dabei ist festgestellt worden, dass die Anzahl der verschlusssachen- Geheimund Wirtschaftsschutz 259 verwaltenden Dienststellen weiterhin rückläufig ist, da das Aufkommen an VS zunehmend geringer wird und Altbestände konsequent vernichtet werden. Einen weiteren Beratungsschwerpunkt bildet der personelle Geheimschutz. Neben individuellen Beratungsgesprächen mit Geheimschutzbeauftragten oder VS-Verwaltern an deren Arbeitsplätzen werden Schulungen für Geheimschutzbeauftragte niedersächsischer Behörden durchgeführt, in denen Grundlagen des personellen und materiellen Geheimschutzes vermittelt wurden. Geheimschutz findet nicht nur in Behörden statt, sondern auch in Unternehmen, die im Auftrag des Staates mit VS umgehen und demzufolge die Regelungen des personellen und materiellen Geheimschutzes beachten müssen. Geheimschutzbetreute Unternehmen sind z. B. Kernkraftwerke oder Betriebe der Rüstungsindustrie. 8.2 Wirtschaftsschutz 8.2.1 Einleitung Der Arbeitsbereich Wirtschaftsschutz in der niedersächsischZehnjähriges Been Verfassungsschutzbehörde konnte 2009 auf sein zehnjähstehen des Wirtriges Bestehen zurückblicken und für diese Dekade Bilanz zieschaftsschutzes hen: Dieses präventive Element der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr ist als Dienstleister in der niedersächsischen Wirtschaft fest verankert und wird als Gesprächspartner von den Unternehmen anerkannt und stark nachgefragt. Ende der 1990er Jahre vermuteten die SicherheitsbehörPWC-Studie 2009 den eine hohe Dunkelziffer im Bereich der Wirtschaftsspionage. Auch die Wirtschaft beklagte eine zunehmende Betroffenheit, so dass ein entsprechender Arbeitsbereich im niedersächischen Verfassungsschutz eingerichtet wurde. Die aktuelle Studie von PriceWaterhouseCoopers (PWC) zur Wirtschaftskriminalität 2009 bestätigt, dass die Wirtschaftsspionage bis heute im großen Umfang erfolgt: 61 Prozent der Unternehmen sind danach von WirtschaftsDurchschnittlich kriminalität betroffen, wobei Verstöße gegen Patentund 5,85 Millionen Markenrechte 23 Prozent, Diebstahl vertraulicher KundenEuro Schaden je und Unternehmensdaten 21 Prozent, wettbewerbswidrige Unternehmen Absprachen 10 Prozent und Wirtschaftsund Industriespionage 7 Prozent ausmachen. Wettbewerbsdelikte verursachen die höchsten durchschnittlichen Schäden in Höhe von 5,85 Millionen Euro je Unternehmen. Wirtschaftsschutz ist daher nach wie vor eine notwendige Aufgabe bei der Bewältigung dieses Problems. Einerseits müssen Wirtschaftsunternehmen fortlaufend über ihre Gefährdung durch Spionage und drohenden Know-how-Verlust 260 Geheimund Wirtschaftsschutz aufgeklärt werden, andererseits brauchen die Firmen vertrauenswürdige Ansprechpartner, wenn es zu Sicherheitsvorfällen kommt, die sie alleine nicht bewältigen können. Fälle werden Noch gibt es allerdings eine große Lücke zwischen den benicht bemerkt kannten Wirtschaftsspionagefällen und den wahrscheinlichen Fallzahlen. Umso wichtiger ist es, dass die Mitteilungsbereitschaft der Unternehmen gegenüber den Sicherheitsbehörden verbessert wird. Erfahrungen zeigen, dass erst während oder nach der Beratung durch den Wirtschaftsschutz Geschehnisse aus der Vergangenheit als Ausspähungsaktivität erkannt werden. Verfassungsschutz Dem Wirtschaftsschutz der Verfassungsschutzbehörde gekeine Strafverfollingt es immer mehr, vertrauensvolle Kontakte zur Wirtschaft gungsbehörde herzustellen. Die Tatsache, dass der Verfassungsschutz nicht dem Strafverfolgungszwang unterliegt und somit Hinweise vertraulich behandeln kann, ist häufig entscheidend für die Kontaktaufnahme. 8.2.2 Zahlen und Fakten 561 betreute Im Jahr 2009 wurden 561 Unternehmen betreut. Das bedeuUnternehmen tet einen Zuwachs gegenüber dem Vorjahr von fast 20 Prozent. Beratungen 132 bilaterale Insgesamt gab es 132 bilaterale Beratungen und BesprechunKontakte gen mit Firmen vor Ort. Durch die Beratungen erzielt der Wirtschaftsschutz nicht nur einen Sensibilisierungseffekt für das Thema Wirtschaftsspionage und Know-how-Verlust, sondern erfährt auch eine Vielzahl von Sicherheitsvorfällen aus den Unternehmen, wobei sich immer wieder zeigt, dass Fälle von Wirtschaftsspionage in der Beweisführung nur sehr schwer zu belegen sind. In der Folge sind einige typische Fallbeispiele niedersächsischer Unternehmen aufgeführt: - Zahlreiche Diebstähle von Speichermedien (Notebooks, USB-Sticks, Festplatten und Mobiltelefone) mit teilweise sehr sensiblem Firmenwissen (Verluste durch simples Liegenlassen dieser Gegenstände nicht einbezogen). - Gezielter Einbruch in ein Unternehmen und dabei Diebstahl von Know-how über modernste Niedrig-EnergieTechnologie. - Bewerbungen von Personen (auch Praktikanten) für sensible Unternehmensbereiche mit auffälliger Vita und teilweise nachrichtendienstlichem Anfangsverdacht. Geheimund Wirtschaftsschutz 261 - Verdächtige Ansprachen von Geschäftsreisenden im Ausland mit offensichtlichem Interesse am Firmen-Know-how des Betroffenen. - Illegales Verwenden von Firmenwissen durch eigene Mitarbeiter für andere Unternehmen. Über das Thema Wirtschaftsspionage hinaus erstrecken sich die Beratungsinhalte des Wirtschaftsschutzes auch auf andere Verfassungsschutzthemen, wie z. B. politischer Extremismus. Vorträge Die Mitarbeiter des Wirtschaftsschutzes hielten 79-mal Vorträ79 Vorträge ge auf Tagungsveranstaltungen mit verschiedenen Multiplikatorengruppen. Die Industrieund Handelskammern in Niedersachsen, aber auch in anderen Bundesländern, haben großes Interesse an Vorträgen des Wirtschaftsschutzes, da die Informationen des Verfassungsschutzes besonders in den Außenwirtschaftsbereichen der Kammern gefragt sind. Wirtschaftsspionage Eine erfreuliche Entwicklung ist auch an den niedersächErfreuliche sischen Hochschulen zu verzeichnen, die vermehrt MaßnahEntwicklung an men zum Know-how-Schutz ergreifen. den Hochschulen Netzwerk Einen hohen Stellenwert hat die Netzwerkarbeit des Wirt84 Netzwerkschaftsschutzes, denn Know-how-Schutz kann nur in Zusamkontakte menarbeit mit den verschiedenen Akteuren erfolgreich sein. In 84 Netzwerkkontakten ging es sowohl um Sicherheitsfragen von Firmen und Partnern als auch um Problemlösungen bei Fragen des Wirtschaftsschutzes. Die nachfolgend beschriebenen Tagungen sind Beispiele dafür, wie der Wirtschaftsschutz Unternehmen mit Informationen versorgt und gleichzeitig Kommunikationsforen schafft und nutzt, um den Transport des Themas Sicherheit in der Wirtschaft zu gewährleisten. 8.2.3 13. Sicherheitstagung für geheimschutzbetreute Unternehmen Im Juni 2009 fand in Bad Lauterberg die Tagung für SicherDas Motto: heitsbevollmächtigte der geheimschutzbetreuten Unterneh"Terrorismus, Extremen in Niedersachsen statt, an der rund 60 Vertreter von mismus & OrganiWirtschaftsunternehmen teilnahmen. Unter den Gästen besierte Kriminalität fanden sich auch Mitarbeiter der Verfassungsschutzbehörden - Gefahren für die aus Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Die Tagung deutsche Wirtschaft" stand unter dem Motto "Terrorismus, Extremismus & Organisierte Kriminalität - Gefahren für die deutsche Wirtschaft". 262 Geheimund Wirtschaftsschutz Die zu dieser Thematik abgegebenen Lagebilder des Bundesnachrichtendienstes, des Bundeskriminalamtes und des Landeskriminalamtes Niedersachsen sowie des Verfassungsschutzes stießen bei den Unternehmensvertretern auf großes Interesse. Im weiteren Verlauf referierte der Terrorismusexperte, Leiter des "Instituts für Terrorismusforschung und Sicherheitspolitik (IFTUS)" und freiberufliche Journalist Rolf Tophoven unter dem Titel "Taliban und Al-Qaida - Netzwerke des islamistischen Terrors" über Organisation, Struktur und Zielsetzung des Terrornetzwerkes. Die positive Resonanz dieser Veranstaltung bestätigt die Organisatoren, die Sicherheitstagung als partnerschaftliche Hilfestellung auch zukünftig anzubieten und auf diesem Wege die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden mit den Wirtschaftsunternehmen weiter auszubauen und zu vertiefen. 8.2.4 "AirIT Security Day" Rund 100 Firmen Am 23. September veranstaltete die AirIT Systems GmbH, die aus der Region u. a. für die IT-Sicherheitsstruktur des Flughafens Hannover verantwortlich ist, bereits zum fünften Mal den "AirIT Security Day", bei dem sich rund 100 Firmen aus der Region Hannover über aktuelle Standards im Bereich Objektschutz, IT-Sicherheit und organisatorische Sicherheit informierten. Schwerpunkt: Der Fachbereich Wirtschaftsschutz informierte über PräDas Phänomen ventionsmaßnahmen und Handlungsempfehlungen gegen des Innentäters Know-how-Verlust in Unternehmen. Schwerpunkt des Vortrages war das Phänomen des Innentäters, bei dem viele Sicherheitsmaßnahmen versagen, insbesondere wenn ein langjähriger Firmenmitarbeiter mit Zugang zu allen Bereichen des Unternehmens das Know-how entwendet. Außerdem wurden einige Beispiele von sicherheitsrelevanten Vorfällen aus der Praxis beschrieben. Darüber hinaus wurde ein Informationsstand unter dem Motto "Schützen Sie Ihr Know-how - Verfassungsschutz gegen Wirtschaftsspionage" präsentiert. Das Auftreten des Wirtschaftsschutzes und seine Informationen fanden eine positive Resonanz, sowohl bei den Veranstaltern als auch bei den beteiligten Unternehmen. 8.2.5 Achte Wirtschaftsschutztagung des Niedersächsischen Das Motto: Verfassungsschutzes "Markenund Produktpiraten Am 26. November fand in Hannover die diesjährige Wirtauf dem Vormarsch schaftsschutztagung unter dem Motto "Markenund Pro- - Ihr Produkt aus duktpiraten auf dem Vormarsch - Ihr Produkt aus fremder fremder Hand" Hand" statt. Kernaussage der von rund 100 Teilnehmern be- Geheimund Wirtschaftsschutz 263 suchten Tagung war, dass nahezu alle Produkte von Produktund Markenpiraterie betroffen sind und häufig Schutzrechte nicht oder nur unvollständig angemeldet werden. Die dadurch verursachten Schäden für niedersächsische Unternehmen sind immens. Der Verfassungsschutz stellte hierzu fest, dass gerade kleine und mittelständische Unternehmen ihr geistiges Eigentum nur unzureichend schützen lassen und verwies zudem auf den Zusammenhang zur Wirtschaftsspionage. Im Bereich der Wirtschaftsspionage beobachten die Verfassungsschutzbehörden einen engen Zusammenhang von Produktund Markenpiraterie sowie Ausspähungsbemühungen ostasiatischer, aber auch europäischer Länder. Der volkswirtschaftliche Gesamtschaden wird nach der PWC-Studie allein in Deutschland auf rund 30 Milliarden Euro jährlich geschätzt. Mit Vorträgen kompetenter Referenten aus Wirtschaft und Behörden gelang es den Veranstaltern, Informationen zu vermitteln, die Nutzbarkeit der gewerblichen Schutzrechte zur Sicherung geistigen Eigentums aufzuzeigen und Handlungsmöglichkeiten bei deren Verletzung darzustellen. Der Niedersächsische Verfassungsschutz zeigte sich nach übereinstimmender Meinung der Teilnehmer mit dieser Tagung erneut als wichtiger Partner für die niedersächsische Wirtschaft. 8.2.6 Erreichbarkeit des Fachbereichs Wirtschaftsschutz - Telefon: 0511/6709-247 oder -248 - Fax: 0511/6709-393 - Internetseite: www.verfassungsschutz.niedersachsen.de 264 Anhang 9. ANHANG 9.1 Definition der Arbeitsbegriffe AusländerExtremistische Ausländerorganisationen verfolgen in Deutextremismus schland Ziele, die häufig durch aktuelle Ereignisse und politische Entwicklungen in ihren Heimatländern bestimmt sind. Entsprechend ihrer politischen Ausrichtung handelt es sich dabei zum Beispiel um linksextremistische Organisationen (z. B. die türkische "Revolutionäre VolksbefreiungsparteiFront (DHKP-C)), soweit sie in ihren Heimatländern ein sozialistisches bzw. kommunistisches Herrschaftssystem anstreben oder um nationalistische Organisationen, die ein überhöhtes Selbstverständnis von der eigenen Nation haben und die Rechte anderer Völker missachten. Daneben gibt es separatistische Organisationen, die eine Loslösung ihres Herkunftsgebietes aus einem bereits bestehenden Staatsgebilde und die Schaffung eines eigenen Staates verfolgen. Die größte von den Verfassungsschutzbehörden beobachtete ausländerextremistische Organisation in Deutschland ist nach wie vor die unter der Bezeichnung PKK bekannte "Arbeiterpartei Kurdistans". Derartige Organisationen unterliegen der Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden, wenn: - sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland richten, indem sie hier z. B. versuchen, eine ihren Grundsätzen entsprechende Parallelgesellschaft zu errichten, - sie ihre politischen Auseinandersetzungen mit Gewalt auf deutschem Boden austragen und dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährden, - sie vom Bundesgebiet aus Gewaltaktionen in anderen Staaten durchführen oder unterstützen und dadurch auswärtige Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu diesen Staaten gefährden, - sich ihre Aktivitäten gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere das friedliche Zusammenleben der Völker, richten. Extremismus Die Verfassungsschutzbehörden unterscheiden zwischen "Extremismus" und "Radikalismus", obwohl beide Begriffe oft synonym gebraucht werden. Bei "Radikalismus" handelt es sich zwar auch um eine überspitzte, zum Extremen neigende Denkund Handlungsweise, die gesellschaftliche Probleme und Konflikte bereits "von der Wurzel (lat. radix) her" anpacken will. Im Unterschied zum "Extremismus" sollen jedoch Anhang 265 weder der demokratische Verfassungsstaat noch die damit verbundenen Grundprinzipien unserer Verfassungsordnung beseitigt werden. So sind z. B. Kapitalismuskritiker, die grundsätzliche Zweifel an der Struktur unserer Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung äußern und sie von Grund auf verändern wollen, noch keine Extremisten. Radikale politische Auffas-sungen haben in unserer pluralistischen Gesellschaftsordnung ihren legitimen Platz. Auch wer seine radikalen Zielvorstellungen realisieren will, muss nicht befürchten, dass er vom Verfassungsschutz beobachtet wird, jedenfalls nicht, so lange er die Grundprinzipien unserer Verfas-sungsordnung anerkennt. Als extremistisch werden dagegen die Aktivitäten bezeichnet, die darauf abzielen, die Grundwerte der freiheitlichen Demokratie zu beseitigen. Islamismus Der Begriff des Islamismus bezeichnet eine religiös motivierte Form des politischen Extremismus. Islamisten sehen in den Schriften und Geboten des Islam nicht nurRegeln für die Ausübung der Religion, sondern auch Handlungsanweisungen für eine islamistische Staatsund Gesellschaftsordnung. Ein Grundgedanke dieser islamistischen Ideologie ist die Behauptung, alle Staatsgewalt könne ausschließlich von Gott (Allah) ausgehen. Damit richten sich islamistische Bestrebungen gegen die Wertvorstellungen des GG, insbesondere gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Islamisten halten die Etablierung einer islamischen Gesellschaftsordnung für unabdingbar. Dieser Ordnung sollen letztlich sowohl Muslime als auch Nicht-Muslime unterworfen werden. Islamistische Organisationen - mit Ausnahme islamistischterroristischer Organisationen - lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: - Organisationen, die in ihren Herkunftsländern die konsequente Umgestaltung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnungen nach ihrem Verständnis der islamischen Rechtsordnung (Scharia) anstreben. In Deutschland liegt ihr Schwerpunkt auf propagandistischen Aktivitäten sowie der Sammlung von Spendengeldern, um die Mutterorganisationen in den Herkunftsländern zu unterstützen. - Andere islamistische Gruppierungen in Deutschland verfolgen eine umfassendere, auch politisch motivierte Strategie. Auch sie streben eine Änderung der Staatsund Gesellschaftsordnung in ihren Herkunftsländern zugunsten eines islamischen Staatswesens an. Sie bemühen sich jedoch im Rahmen einer legalistischen Strategie, ihren Anhängern in Deutschland größere Freiräume für ein schariakonformes Leben zu schaffen. 266 Anhang LinksMit dem Arbeitsbegriff werden die linksextremistischen verextremismus fassungsfeindlichen Bestrebungen von deutschen Personenzusammenschlüssen bezeichnet, die sich auf der Grundlage einer marxistisch-leninistischen, revolutionär-marxistischen oder anarchistischen Ideologie in Deutschland gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und ihre tragenden Grundsätze richten. Für Linksextremisten vielfach kennzeichnend ist ein grundsätzliches Bekenntnis zur "revolutionären Gewalt", obgleich sie tagespolitisch auf "legale" Kampfformen setzen. RechtsAls rechtsextremistisch werden von den Verfassungsschutzbeextremismus hörden alle verfassungsfeindlichen oder extremistischen Bestrebungen bezeichnet, die auf der ideologischen Grundlage einer nationalistischen oder rassistischen Weltanschauung in Deutschland von deutschen Personenzusammenschlüssen ausgehen und sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten. Rechtsextremistischem Denken liegt vielfach die Vorstellung menschlicher Ungleichwertigkeit (Ideologie der Ungleichheit) zugrunde. Rechtsbzw. Bis 1974 wurden die Begriffe Extremismus sowie "RadikalisLinksmus" bzw. "Rechtsoder Linksradikalismus" von den Verfasradikalismus sungsschutzbehörden nebeneinander als Synonyme zur Kennzeichnung verfassungsfeindlicher Bestrebungen verwendet. Der Radikalismusbegriff wird seitdem von den Verfassungsschutzbehörden nicht mehr für verfassungsfeindliche Bestrebungen benutzt, da er in der politischen Tradition der Aufklärung positiv besetzt ist und im Rechtssinne nur der Extremismusbegriff "der Tatsache Rechnung (trägt), dass politische Aktivitäten oder Organisationen nicht schon deshalb verfassungsfeindlich sind, weil sie eine ... 'radikale', das heißt eine bis an die Wurzel einer Fragestellung gehende Zielsetzung haben. Sie sind 'extremistisch' und damit verfassungsfeindlich im Rechtssinne nur dann, wenn sie sich gegen den ... Grundbestand unserer freiheitlichen rechtsstaatlichen Verfassung richten." (Verfassungsschutzbericht des Bundesinnenministeriums 1974, S. 4). Wenn die Verfassungsschutzbehörden überhaupt noch den Terminus "rechtsbzw. linksradikal" verwenden, werden damit in Abgrenzung zu dem verfassungsfeindlichen Rechtsbzw. Linksextremismus politische Aktivitäten und Zielsetzungen bezeichnet, die sich (noch) nicht gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mit dem Ziel einer revolutionären Systemüberwindung richten. Anhang 267 Spionage Als Spionage wird die Tätigkeit für den Nachrichtendienst einer fremden Macht bezeichnet, die auf die Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet ist. Die Beschaffung von Informationen, vor allem aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Militär, erfolgt zumeist unter Anwendung geheimer Mittel und Methoden. Soweit Spionage gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet ist, kommt eine Strafbarkeit gemäß SSSS 93 ff. StGB in Betracht. Terrorismus Terrorismus ist nach der Definition der Verfassungsschutzbehörden der nachhaltig geführte Kampf für politische Ziele, die mit Hilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum anderer Menschen durchgesetzt werden sollen, insbesondere durch schwere Straftaten, wie sie in SS 129a Abs. 1 StGB genannt sind, oder durch andere Straftaten, die zur Vorbereitung solcher Straftaten dienen. VerfassungsVerfassungsfeindlich (= extremistisch) sind politische Aktivifeindliche/ täten, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet extremistische sind und darauf abzielen, die freiheitliche demokratische Bestrebungen Grundordnung zu beseitigen. Verfassungswidrig ist umgangssprachlich häufig synonym mit "verfassungsfeindlich" zu finden. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit einer Partei entscheidet das Bundesverfassungsgericht (Art. 21 Abs. 2 GG; SSSS 13 Nr. 2, 43 ff. BVerfGG). Parteien sind verfassungswidrig, wenn sie nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Es genügt nicht, wenn die Partei die freiheitliche demokratische Ordnung nicht anerkennt, sie ablehnt oder ihr andere Prinzipien entgegenhält. Es muss vielmehr eine aktiv-kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden verfassungsmäßigen Ordnung hinzukommen. Die Organisation muss also planvoll das Funktionieren dieser Ordnung beeinträchtigen und im weiteren Verlauf diese Ordnung selbst beseitigen wollen. Verbot verfasEin Verbot eines Vereins ist nach Art. 9 Abs. 2 GG möglich, sungsfeindlicher wenn der Zweck der Tätigkeit des Vereins den Strafgesetzen Organisationen/ zuwiderläuft oder sich gegen die verfassungsmäßige OrdVerfassungs nung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet. widrigkeit Erst wenn dies durch Verfügung der Ver-botsbehörde festgestellt ist, wird nach SS 3 Abs. 1 Vereinsgesetz der Verein als verboten (Art. 9 Abs. 2 GG) behandelt. Ein Vereinsverbot wird durch den Landesbzw. Bundesinnenminister erlassen. 268 Anhang Nach Art. 21 Abs. 2 GG sind Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht (Art. 21 Abs. 2 GG; SSSS 13 Nr. 2, 43 ff. BVerfG Die Hürden für ein Parteiverbot sind hoch. In der Bundesrepublik wurden bisher zwei Parteien verboten: 1952 die "Sozialistische Reichspartei" (SRP) und 1956 die "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD). Zuletzt wurde 2003 ein von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat angestrengtes Verfahren zum Verbot der NPD eingestellt. Laut Bundesverfassungsgericht konnte zum Zeitpunkt der Einleitung des Verbotsverfahrens auf Grund der Beobachtung durch V-Leute der Verfassungsschutzbehörden, die als Mitglieder in Landesund Bundesvorständen der NPD fungieren, unmittelbar vor und während des Verbotsverfahrens nicht mehr von der Staatsfreiheit der NPD-Führung ausgegangen werden. Solange verfassungsfeindliche Parteien und sonstige Organisationen nicht verboten sind, dürfen sie sich im Rahmen der für alle geltenden Gesetze frei betätigen. Anhang 269 9.2 Gesetz über den Verfassungsschutz im Lande Niedersachsen (Niedersächsisches Verfassungsschutzgesetz - NVerfSchG -) in der Fassung vom 6. Mai 2009 (Nds. GVBl. S. 154) Inhaltsübersicht Erster Abschnitt Allgemeine Vorschriften SS 1 Zweck und Auftrag des Verfassungsschutzes SS 2 Zuständigkeit SS 3 Aufgaben SS 3a -- aufgehoben -- SS 4 Begriffsbestimmungen Zweiter Abschnitt Befugnisse, nachrichtendienstliche Mittel, Datenverarbeitung SS 5 Allgemeine Befugnisse SS 5a Besondere Auskunftspflichten SS 5b Verfahrensvorschriften für Besondere Auskunftspflichten SS 6 Informationsbeschaffung mit nachrichtendienstlichen Mitteln SS 6a Einsatz technischer Mittel in Wohnungen SS 6b Verfahrensvorschriften für den Einsatz technischer Mittel in Wohnungen SS 6c Verfahrensvorschriften für das heimliche Mithören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes unter Einsatz technischer Mittel SS 6d Einsatz technischer Mittel nach SS 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 SS 7 -- aufgehoben -- SS 8 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten SS 9 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten von Minderjährigen SS 10 Berichtigung, Löschung und Sperrung von personenbezogenen Daten in Dateien SS 11 Berichtigung, Löschung und Sperrung von personenbezogenen Daten in Akten SS 12 Dateibeschreibungen 270 Anhang Dritter Abschnitt Auskunft SS 13 Auskunft an Betroffene Vierter Abschnitt Informationsübermittlung SS 14 Grenzen der Übermittlung personenbezogener Daten SS 15 Übermittlung von Informationen an die Verfassungsschutzbehörde SS 16 Registereinsicht SS 17 Übermittlung personenbezogener Daten durch die Verfassungsschutzbehörde SS 18 Übermittlung von Informationen durch die Verfassungsschutzbehörde an Strafverfolgungsund Sicherheitsbehörden in Angelegenheiten des Staatsund Verfassungsschutzes SS 19 Übermittlung personenbezogener Daten an die Öffentlichkeit SS 20 Übermittlungsverbote, Minderjährigenschutz SS 21 Pflichten der empfangenden Stelle SS 22 Nachberichtspflicht Fünfter Abschnitt Parlamentarische Kontrolle SS 23 Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes SS 24 Zusammensetzung SS 25 Kontrollrechte des Ausschusses SS 26 Verfahrensweise SS 27 Hilfe vonseiten der oder des Landesbeauftragten für den Datenschutz S e c h s t er A b s c h n i t t Schlussvorschriften SS 28 Geltung des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes SS 29 Änderung des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz SS 30 Änderung des Niedersächsischen Beamtengesetzes SS 31 Änderung des Personalvertretungsgesetzes für das Land Niedersachsen SS 32 Inkrafttreten Anhang 271 Erster Abschnitt Allgemeine Vorschriften SS1 Zweck und Auftrag des Verfassungsschutzes 1 Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder. 2Er erfüllt diesen Auftrag durch 1. die Sammlung und Auswertung von Informationen über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1, 2. die Unterrichtung der Landesregierung und die Aufklärung der Öffentlichkeit über diese Bestrebungen und Tätigkeiten, 3. die Wahrnehmung der in diesem Gesetz geregelten sonstigen Mitwirkungsaufgaben sowie 4. den in diesem Gesetz oder in anderen Rechtsvorschriften vorgesehenen Informationsaustausch mit anderen Stellen. SS2 Zuständigkeit (1) 1Verfassungsschutzbehörde ist das für Inneres zuständige Ministerium (Fachministerium). 2Das Fachministerium unterhält eine gesonderte Abteilung (Verfassungsschutzabteilung), die allein die der Verfassungsschutzbehörde nach diesem Gesetz und anderen Rechtsvorschriften obliegenden Aufgaben wahrnimmt. (2) 1Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Land Niedersachsen nur im Einvernehmen mit der Verfassungsschutzbehörde tätig werden. 2Ihre Befugnisse bestimmen sich dabei nach den Vorschriften dieses Gesetzes. 3Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf im Land Niedersachsen nur im Benehmen mit der Verfassungsschutzbehörde tätig werden (SS 5 Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes). (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf andere Verfassungsschutzbehörden nicht um Maßnahmen ersuchen, zu denen sie selbst nicht befugt ist. SS3 Aufgaben (1) 1Aufgabe der Verfassungsschutzbehörde ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, 272 Anhang 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland für eine fremde Macht, 3. Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, 4. Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind. 2 Die Leiterin oder der Leiter der Verfassungsschutzabteilung oder die Vertreterin oder der Vertreter bestimmt die Objekte, die zur Erfüllung der Aufgaben nach Satz 1 Nrn. 1, 3 und 4 planmäßig zu beobachten und aufzuklären sind (Beobachtungsobjekte). 3SS 5 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend. 4Die Bestimmung eines Beobachtungsobjektes ist regelmäßig zu überprüfen. 5Sie ist aufzuheben, wenn die Voraussetzung des SS 5 Abs. 1 Satz 2 entfallen ist. 6Die Bestimmung eines Beobachtungsobjektes bedarf der Zustimmung der Fachministerin oder des Fachministers oder der Vertreterin oder des Vertreters. (2) 1Die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet die zuständigen Stellen über Art und Ausmaß von Bestrebungen und Tätigkeiten nach Absatz 1. 2Die Unterrichtung soll die zuständigen Stellen in die Lage versetzen, die erforderlichen Abwehrmaßnahmen zu treffen. (3) Die Verfassungsschutzbehörde wirkt mit 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen nach Maßgabe des Niedersächsischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes, 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte, 4. bei der Überprüfung von Personen in sonstigen gesetzlich vorgesehenen Fällen, 5. bei einer im öffentlichen Interesse liegenden Überprüfung von Personen mit deren Einverständnis. (4) 1Die Verfassungsschutzbehörde klärt die Öffentlichkeit auf der Grundlage ihrer Auswertungsergebnisse durch zusammenfassende Berichte und andere Maßnahmen über Bestrebungen und Tätigkeiten nach Absatz 1 Satz 1 auf. 2Über tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen solcher Bestrebungen und Tätigkeiten darf aufgeklärt werden, wenn die Anhaltspunkte unter Berücksichtigung der Interessen der oder des Betroffenen hinreichend gewichtig sind. 3Zur Aufklärung gehört ein jährlicher Verfassungsschutzbericht, in dem auch die Summe Anhang 273 der Haushaltsmittel sowie die Gesamtzahl der in der Verfassungsschutzabteilung Tätigen nach Stellen und Beschäftigungsvolumen darzustellen sind. 4Ferner sind in dem Bericht allgemein die Einholung von Auskünften nach SS 5 a, die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel, die Auskunftsersuchen nach SS 13 und die Strukturdaten der von der Verfassungsschutzbehörde in Dateien im Sinne des SS 6 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes gespeicherten Personendatensätze darzustellen. SS3a -- aufgehoben -- SS4 Begriffsbestimmungen (1) 1Bestrebungen im Sinne des SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3 und 4 sind politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss. 2Für einen Personenzusammenschluss handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt. 3Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln, sind Bestrebungen im Sinne des SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3 oder 4, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu beschädigen. (2) Im Sinne des SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 sind 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes: solche, die darauf gerichtet sind, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihnen gehörendes Gebiet abzutrennen; 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes: solche, die darauf gerichtet sind, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen; 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung: solche, die darauf gerichtet sind, einen der in Absatz 3 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. (3) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 zählen: 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, 274 Anhang 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 6. der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und 7. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. (4) Eine Gefährdung auswärtiger Belange im Sinne des SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 liegt nur dann vor, wenn die Gewalt innerhalb der Bundesrepublik Deutschland angewendet oder vorbereitet wird und sie sich gegen die politische Ordnung oder Einrichtungen anderer Staaten richtet oder richten soll. (5) Gewalt im Sinne dieses Gesetzes ist die Anwendung körperlichen Zwanges gegen Personen und die gewalttätige Einwirkung auf Sachen. (6) Sammlung von personenbezogenen Daten ist das Erheben im Sinne des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes. Zweiter Abschnitt Befugnisse, nachrichtendienstliche Mittel, Datenverarbeitung SS5 Allgemeine Befugnisse (1) 1Die Verfassungsschutzbehörde darf die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben und weiter verarbeiten, soweit dieses Gesetz oder andere Rechtsvorschriften nicht besondere Regelungen treffen. 2Voraussetzung für die Sammlung von Informationen im Sinne des SS 3 Abs. 1 Satz 1 ist das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte, die, insgesamt betrachtet und unter Einbeziehung nachrichtendienstlicher Erfahrungen, den Verdacht einer der in SS 3 Abs. 1 Satz 1 genannten Bestrebungen oder Tätigkeiten rechtfertigen. (2) 1Werden personenbezogene Daten bei Betroffenen mit deren Kenntnis erhoben, so ist der Erhebungszweck anzugeben, es sei denn, dass die Erhebung für Zwecke des Verfassungsschutzes nicht bekannt werden darf. 2Die Betroffenen sind auf die Freiwilligkeit ihrer Angaben hinzuweisen. (3) Ist zum Zwecke der Sammlung von Informationen die Weitergabe personenbezogener Daten unerlässlich, so dürfen schutzwürdige Interessen der betroffenen Person nur im unvermeidbaren Umfang beeinträchtigt werden. (4) 1Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen der Verfassungsschutzbehörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht zu. 2Sie darf die Polizei nicht um Maßnahmen ersuchen, zu denen sie selbst nicht befugt ist, auch nicht im Wege der Amtshilfe. (5) 1Die Verfassungsschutzbehörde ist an die allgemeinen Rechtsvorschriften Anhang 275 gebunden. Bei der Sammlung und Verarbeitung von Informationen hat sie von 2 mehreren geeigneten Maßnahmen diejenige zu wählen, die Betroffene voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. 3Eine Maßnahme darf keinen Nachteil herbeiführen, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. SS5a Besondere Auskunftspflichten (1) 1Diejenigen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen erbringen oder Telemedien anbieten oder daran mitwirken, sind verpflichtet, der Verfassungsschutzbehörde auf Anordnung unentgeltlich Auskünfte über Daten zu erteilen, die für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung, Änderung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses über Postdienstleistungen oder Telemedien gespeichert worden sind. 2Auskünfte dürfen nur im Einzelfall und unter der Voraussetzung eingeholt werden, dass sie zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 erforderlich sind. (2) 1Luftfahrtunternehmen sind verpflichtet, der Verfassungsschutzbehöde auf Anordnung unentgeltlich Auskünfte zu Namen und Anschriften von Kundinnen und Kunden sowie zur Inanspruchnahme und den Umständen von Transportleistungen, insbesondere zum Zeitpunkt von Abfertigung und Abflug und zum Buchungsweg, zu erteilen. 2Auskünfte dürfen nur im Einzelfall und unter der Voraussetzung eingeholt werden, dass sie zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 erforderlich sind und dass tatsächliche Anhaltspunkte für eine schwerwiegende Gefahr für ein in SS 3 Abs. 1 Satz 1 genanntes Schutzgut vorliegen. (3) 1Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und Finanzunternehmen sind verpflichtet, der Verfassungsschutzbehörde auf Anordnung unentgeltlich Auskünfte zu Konten und Geldanlagen, insbesondere zu Kontoständen, Zahlungseinund -ausgängen und sonstigen Geldbewegungen, sowie zu Kontoinhaberinnen, Kontoinhabern, sonstigen Berechtigten und weiteren am Zahlungsverkehr Beteiligten zu erteilen. 2Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. (4) 1Diejenigen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen erbringen oder daran mitwirken, sind auch verpflichtet, der Verfassungsschutzbehörde auf Anordnung unentgeltlich Auskünfte zu Namen und Anschriften von Absendern und Empfängern, Größe und Gewicht von Postsendungen sowie zu sonstigen Umständen des Postverkehrs zu erteilen. 2Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. (5) 1Diejenigen, die geschäftsmäßig Telemedien anbieten oder daran mitwirken, sind auch verpflichtet, der Verfassungsschutzbehörde auf Anordnung unentgeltlich Auskünfte zu Merkmalen zur Identifikation der Nutzerin oder des Nutzers von Telemedien,Angaben über Beginn und Ende sowie über den Umfang der jeweiligen Nutzung und Angaben über die von der Nutzerin oder dem Nutzer in Anspruch genommenen Telemedien zu erteilen. 2Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. 276 Anhang (6) Diejenigen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringen 1 oder daran mitwirken, sind verpflichtet, der Verfassungsschutzbehörde auf Anordnung unentgeltlich Auskünfte zu Verkehrsdaten nach SS 96 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 und SS 113 a des Telekommunikationsgesetzes und sonstigen zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung der Telekommunikation notwendigen Verkehrsdaten zu erteilen. 2Auskünfte dürfen nur im Einzelfall zur Erfüllung der Aufgaben nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 und unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes eingeholt werden. (7) Auskünfte nach den Absätzen 2, 3 und 5 dürfen nur über Personen eingeholt werden, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie die schwerwiegende Gefahr nachdrücklich fördern oder bei denen aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie die Leistung für solche Personen in Anspruch nehmen. (8) Auskünfte nach Absatz 4 dürfen nur über Personen eingeholt werden, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie die schwerwiegende Gefahr nachdrücklich fördern oder bei denen aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für solche Personen bestimmte oder von diesen herrührende Postsendungen entgegennehmen oder weitergeben. (9) Auskünfte nach Absatz 6 dürfen nur über Personen eingeholt werden, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass sie eine Straftat nach SS 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes planen, begehen oder begangen haben, aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie über ihren Teilnehmeranschluss für Personen nach Nummer 1 bestimmte oder von ihnen herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben, oder aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass Personen nach Nummer 1 deren Teilnehmeranschluss nutzen. SS5b Verfahrensvorschriften für Besondere Auskunftspflichten (1) 1Anordnungen nach SS 5 a Abs. 2 bis 6 werden von der Leiterin oder dem Leiter der Verfassungsschutzabteilung oder der Vertreterin oder dem Vertreter schriftlich beantragt. 2Die Anordnungen trifft die Fachministerin oder der Fachminister oder die Vertreterin oder der Vertreter. 3Die Anordnung der Erteilung einer Auskunft über künftig anfallende Daten ist auf höchstens drei Monate zu befristen. 4Die Verlängerung dieser Anordnung um jeweils nicht mehr als drei Monate ist auf Antrag zulässig. 5Auskunftsersuchen nach SS 5 a und die übermittelten Daten dürfen weder den Betroffenen noch Dritten vom Auskunftsgeber mitgeteilt werden. (2) 1Anordnungen nach SS 5 a Abs. 2 bis 6 sowie deren Verlängerungen bedürfen der Zustimmung der nach SS 2 Abs. 1 des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes (Nds. AG G 10) bestehenden Kommission (G 10-Kommission). 2Bei Gefahr im Verzuge kann die Fachministerin oder der Fach- Anhang 277 minister oder die Vertreterin oder der Vertreter anordnen, dass die Anordnung vor der Zustimmung der G 10-Kommission vollzogen wird. 3In diesem Fall ist die nachträgliche Zustimmung unverzüglich einzuholen. (3) 1Die G 10-Kommission prüft im Rahmen der Erteilung der Zustimmung nach Absatz 2 Satz 1 sowie aufgrund von Beschwerden die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Einholung von Auskünften nach SS 5 a Abs. 2 bis 6. 2SS 4 Abs. 2 Nds. AG G 10 ist entsprechend anzuwenden. 3Anordnungen über Auskünfte, die die G 10-Kommission für unzulässig oder nicht notwendig erklärt, hat die Fachministerin oder der Fachminister oder die Vertreterin oder der Vertreter unverzüglich aufzuheben; die bereits erhobenen Daten dürfen nicht verwendet werden und sind unverzüglich zu löschen. 4Wird die nachträgliche Zustimmung im Fall des Absatzes 2 Satz 2 versagt, so ist Satz 3 entsprechend anzuwenden. (4) 1Für die aufgrund von Anordnungen nach SS 5 a Abs. 2 bis 6 erhobenen personenbezogenen Daten gelten die SSSS 4 und 12 Abs. 1 und 3 des Artikel 10-Gesetzes sowie SS 4 Abs. 5 und 6 Nds. AG G 10 entsprechend. 2Soweit aufgrund von Anordnungen nach SS 5 a Abs. 1 bei denjenigen, die geschäftsmäßig Telemedien anbieten oder daran mitwirken, personenbezogene Daten erhoben worden sind, gilt für die Unterrichtung der Betroffenen SS 6 Abs. 9. (5) 1Das Fachministerium unterrichtet im Abstand von höchstens sechs Monaten den Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes über die Durchführung des SS 5 a Abs. 2 bis 6; dabei ist insbesondere ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen zu geben. 2Der Ausschuss erstattet dem Landtag jährlich einen Bericht über die Durchführung sowie Art, Umfang und Anordnungsgründe der Maßnahmen nach SS 5 a Abs. 2 bis 6. (6) Das Fachministerium unterrichtet das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundes jährlich über die nach SS 5 a Abs. 2 bis 6 durchgeführten Maßnahmen; dabei ist ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen zu geben. (7) Das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird nach Maßgabe der Absätze 1 bis 4 sowie des SS 5 a Abs. 4 bis 9 eingeschränkt. SS6 Informationsbeschaffung mit nachrichtendienstlichen Mitteln (1) 1Die Verfassungsschutzbehörde darf zur heimlichen Informationsbeschaffung, insbesondere zur heimlichen Erhebung personenbezogener Daten, nur folgende nachrichtendienstliche Mittel anwenden: 1. Inanspruchnahme von Vertrauensleuten, sonstigen geheimen Informantinnen und Informanten und Gewährspersonen, vorbehaltlich Satz 2; 2. Einsatz von verdeckt ermittelnden Beamtinnen und Beamten; 278 Anhang 3. Observationen, auch mit besonderen für Observationszwecke bestimmten technischen Mitteln; 4. Bildaufzeichnungen; 5. verdeckte Ermittlungen und Befragungen; 6. heimliches Mithören ohne Inanspruchnahme technischer Mittel; 7. heimliches Mithören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes unter Einsatz technischer Mittel; 8. Beobachtung des Funkverkehrs auf nicht für den allgemeinen Empfang bestimmten Kanälen; 9. Verwendung fingierter biografischer, beruflicher oder gewerblicher Angaben (Legenden) mit Ausnahme solcher beruflicher Angaben, die sich auf die in Satz 2 genannten Personen beziehen; 10. Beschaffung, Herstellung und Verwendung von Tarnpapieren und Tarnkennzeichen; 11. Überwachung des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs nach Maßgabe des Artikel 10-Gesetzes; 12. technische Mittel, mit denen zur Ermittlung der Geräteund der Kartennummern aktiv geschaltete Mobilfunkendeinrichtungen zur Datenabsendung an eine Stelle außerhalb des Telekommunikationsnetzes veranlasst werden. 2 Die nachrichtendienstlichen Mittel dürfen auch angewendet werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden. (2) Die Mittel nach Absatz 1 dürfen nur angewendet werden, wenn 1. sich ihr Einsatz gegen Personenzusammenschlüsse, in ihnen oder für sie tätige Personen oder gegen Einzelpersonen richtet, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 vorliegen, 2. sich ihr Einsatz gegen Personen richtet, von denen aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für eine der in Nummer 1 genannten Personen bestimmte oder von ihr herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben, 3. ihr Einsatz gegen andere als die in den Nummern 1 und 2 genannten Personen unumgänglich ist, um Erkenntnisse über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder über Bestrebungen zu gewinnen, die sich unter Anwendung von Gewalt oder durch darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 3 genannten Schutzgüter wenden, 4. durch sie die zur Erforschung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 erforderlichen Quellen in den in Nummer 1 genannten Personenzusammenschlüssen gewonnen oder überprüft werden können oder 5. dies es zum Schutz der in der Verfassungsschutzabteilung Tätigen, der Einrichtungen und Gegenstände der Verfassungsschutzabteilungund der Quellen der Verfassungsschutzbehörde vor Bestrebungen gegen die Sicherheit des Anhang 279 Bundes oder eines Landes oder vor sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht erforderlich ist. (3) 1Bei der Anwendung der Mittel nach Absatz 1 dürfen keine Straftaten begangen werden. 2Es dürfen nur folgende Straftatbestände verwirklicht werden: 1. SS 84 Abs. 2, SS 85 Abs. 2, SS 86 Abs. 1, SSSS 86 a, 98, 99, 129 a, 129 b Abs. 1 Satz 1, soweit er auf SS 129 a verweist, SSSS 267, 271 und 273 des Strafgesetzbuchs, 2. SSSS 23, 27 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 Buchst. b und c und SS 28 des Versammlungsgesetzes sowie 3. SS 20 des Vereinsgesetzes. 3 Dabei darf weder auf die Gründung einer strafbaren Vereinigung hingewirkt noch eine steuernde Einflussnahme auf sie ausgeübt werden. 4Erlaubt sind nur solche Handlungen, die unter besonderer Beachtung des Übermaßverbots unumgänglich sind. (4) 1Eine Informationsbeschaffung mit den Mitteln nach Absatz 1 ist unzulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere, die Betroffenen weniger beeinträchtigende Weise möglich ist; dies ist in der Regel anzunehmen, wenn die Information aus allgemein zugänglichen Quellen oder durch ein Ersuchen nach SS 15 Abs. 3 gewonnen werden kann. 2Die Anwendung eines Mittels nach Absatz 1 darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts stehen, insbesondere nicht außer Verhältnis zu der Gefahr, die von der jeweiligen Bestrebung oder Tätigkeit nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 ausgeht oder ausgehen kann. 3Die Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er nicht oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann. (5) 1Die Anwendung der Mittel nach Absatz 1 Satz 1 Nrn. 1, 2 und 4 bedarf der Anordnung durch die Leiterin oder den Leiter der Verfassungsschutzabteilung oder die Vertreterin oder den Vertreter. 2Dies gilt auch für Mittel nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3, wenn diese innerhalb einer Woche insgesamt länger als 24 Stunden oder über einen Zeitraum von einer Woche hinaus durchgeführt werden sollen (längerfristige Observation) oder besondere für Observationszwecke bestimmte technische Mittel eingesetzt werden. (6) 1Die mit Mitteln nach Absatz 1 erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nur für den Zweck gespeichert, verändert und genutzt werden, zu dem sie erhoben worden sind. 2Eine Speicherung, Veränderung, Übermittlung oder Nutzung zu anderen Zwecken ist nur zulässig, wenn das zur Erhebung verwendete Mittel auch für den anderen Zweck hätte angewendet werden dürfen und die Daten im Fall der Übermittlung zur Erfüllung der Aufgaben des Empfängers erforderlich sind. 3Sind mit den Daten nach Satz 1 sonstige Daten der betroffenen Personen oder von Dritten so verbunden, dass eine Trennung nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist, so dürfen sie gemeinsam mit den Daten nach Satz 1 gespeichert und übermittelt werden; sie sind zu sperren. 280 Anhang (7) Werden den in Absatz 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 genannten Personen Daten 1 aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung bekannt, so dürfen diese nicht gespeichert, verändert oder genutzt werden; sie sind unverzüglich zu löschen. 2 Die Tatsache, dass Daten aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erhoben wurden, und die Löschung der Daten sind zu dokumentieren. (8) 1Personenbezogene Daten, die durch Maßnahmen nach Absatz 1 erhoben wurden, sind entsprechend zu kennzeichnen. 2Sie dürfen an eine andere Stelle nur übermittelt werden, wenn diese die Kennzeichnung aufrechterhält. (9) 1Die Verfassungsschutzbehörde hat die Betroffenen über eine Maßnahme nach Absatz 1 Satz 1 Nrn. 1, 2, 4 und 7 nach ihrer Beendigung zu unterrichten. 2 Das gilt auch für eine Maßnahme nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3, wenn es sich um eine längerfristige Observation handelt oder besondere für Observationszwecke bestimmte technische Mittel eingesetzt werden. 3Die Unterrichtung wird zurückgestellt, solange 1. eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme nicht ausgeschlossen werden kann, 2. durch das Bekanntwerden der Maßnahme Leib, Leben, Freiheit oder ähnlich schutzwürdige Belange einer Person gefährdet werden, 3. ihr überwiegende schutzwürdige Belange einer anderen betroffenen Person entgegenstehen oder 4. durch das Bekanntwerden der Maßnahme die weitere Verwendung der in Absatz 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 genannten Personen gefährdet wird. 4 In der Unterrichtung ist auf die Rechtsgrundlage der Maßnahme und das Auskunftsrecht nach SS 13 hinzuweisen. 5Die Zurückstellung der Unterrichtung über eine Maßnahme ist spätestens nach Ablauf von zwei Jahren unter Angabe des Grundes der oder dem Landesbeauftragten für den Datenschutz mitzuteilen. 6Einer Unterrichtung bedarf es endgültig nicht, wenn 1. die Voraussetzung der Zurückstellung auch fünf Jahre nach Beendigung der Maßnahme noch nicht entfallen ist, 2. sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht entfallen wird, 3. die Voraussetzungen für eine Löschung vorliegen und 4. die oder der Landesbeauftragte für den Datenschutz zustimmt. (10) 1Die Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 4 dürfen sich nicht gegen Personen richten, die in Strafverfahren aus beruflichen Gründen zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt sind (SSSS 53 und 53 a der Strafprozessordnung - StPO), soweit Sachverhalte betroffen sind, auf die sich ihr Zeugnisverweigerungsrecht bezieht. 2Die Verfassungsschutzbehörde darf solche Personen nicht von sich aus nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 in Anspruch nehmen. Anhang 281 (11) Tarnpapiere und Tarnkennzeichen dürfen auch zu dem in Absatz 2 Nr. 5 1 genannten Zweck hergestellt und verwendet werden. 2Die Behörden des Landes, der Gemeinden und der Landkreise sind verpflichtet, der Verfassungsschutzbehörde technische Hilfe für Tarnungsmaßnahmen (Absatz 1 Satz 1 Nr. 10) zu leisten. (12) 1Die näheren Voraussetzungen für die Anwendung der Mittel nach Absatz 1 und die Zuständigkeit für ihre Anordnung sind in Dienstvorschriften des Fachministeriums umfassend zu regeln. 2Vor Erlass solcher Dienstvorschriften ist der Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes rechtzeitig zu unterrichten. SS6a Einsatz technischer Mittel in Wohnungen (1) 1Der Einsatz technischer Mittel zur Informationsbeschaffung aus Wohnungen ist nur zulässig zur Abwehr der Gefahr, dass jemand eine besonders schwerwiegende Straftat begehen wird, die im Einzelfall geeignet ist, eines der in SS 3 Abs. 1 Satz 1 genannten Schutzgüter zu gefährden. 2Besonders schwerwiegende Straftaten sind 1. Straftaten des Friedensverrats und des Hochverrats nach den SSSS 80, 81 und 82 des Strafgesetzbuchs, 2. Straftaten des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit nach den SSSS 94, 95 Abs. 3 und SS 96 Abs. 1, jeweils auch in Verbindung mit SS 97 b, sowie nach den SSSS 97 a, 98 Abs. 1 Satz 2, SS 99 Abs. 2 und den SSSS 100, 100 a Abs. 4 des Strafgesetzbuchs, 3. Bildung terroristischer Vereinigungen nach SS 129 a, ausgenommen die Fälle des SS 129 a Abs. 3, jeweils auch in Verbindung mit SS 129 b, des Strafgesetzbuchs, 4. Straftaten gegen das Leben nach den SSSS 211 und 212 des Strafgesetzbuchs, 5. Völkermord nach SS 6 des Völkerstrafgesetzbuchs, 6. Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den SSSS 234, 234 a Abs. 1, SS 239 a und 239 b des Strafgesetzbuchs, 7. Gemeingefährliche Straftaten nach den SSSS 306 a, 306 b, 307 Abs. 1 und 2, SS 308 Abs. 1, SS 309 Abs. 1, SS 310 Abs. 1 Nr. 1, SS 313 Abs. 1, SS 314 Abs. 1, SS 315 Abs. 3, SS 316 b Abs. 3 und SS 316 c des Strafgesetzbuchs sowie 8. Straftaten nach SS 19 Abs. 2 Nr. 2 und SS 20 Abs. 1, jeweils auch in Verbindung mit SS 21, des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen. 3 Die Maßnahme ist nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. (2) 1Die Maßnahme darf sich nur gegen die verdächtige Person richten und nur in der Wohnung der verdächtigen Person durchgeführt werden. 2In der 282 Anhang Wohnung einer anderen Person ist die Maßnahme nur zulässig, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die verdächtige Person sich dort aufhält und die Maßnahme in der Wohnung der verdächtigen Person nicht möglich oder allein zur Erforschung des Sachverhalts nicht ausreichend ist. 3Die Maßnahme darf nicht in einer Wohnung durchgeführt werden, die von einer nach SS 53 oder SS 53 a StPO zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Person zur Ausübung ihres Berufs genutzt wird. (3) 1Die Maßnahme darf nur angeordnet werden, soweit aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte, insbesondere zu der Art der zu überwachenden Räumlichkeiten und zum Verhältnis der zu überwachenden Personen zueinander, anzunehmen ist, dass durch die Überwachung Vorgänge, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, nicht erfasst werden. 2Gespräche in Betriebsoder Geschäftsräumen sind in der Regel nicht dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen. (4) 1Die Maßnahme ist unverzüglich zu unterbrechen, wenn sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Kernbereich privater Lebensgestaltung von der Datenerhebung erfasst wird. 2Werden durch die Maßnahme Daten aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erfasst, so dürfen diese nicht gespeichert, verändert oder genutzt werden; entsprechende Aufzeichnungen sind unverzüglich zu löschen. 3Die Tatsache, dass Daten aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erhoben wurden, und die Löschung der Daten sind zu dokumentieren. (5) Der Einsatz technischer Mittel zur Informationsbeschaffung aus Wohnungen ist auch zulässig, soweit dieser Einsatz zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit oder Freiheit der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen unerlässlich ist. SS6b Verfahrensvorschriften für den Einsatz technischer Mittel in Wohnungen (1) 1Maßnahmen nach SS 6 a Abs. 1 Satz 1 bedürfen der richterlichen Anordnung. 2Zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Verfassungsschutzbehörde ihren Sitz hat. 3Die Anordnung ist auf höchstens einen Monat zu befristen. 4 Sie ergeht schriftlich. 5Sie muss die Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, Art und Umfang der zu erhebenden Daten sowie die betroffenen Wohnungen bezeichnen und ist zu begründen. 6Das gerichtliche Verfahren richtet sich nach den Vorschriften des Niedersächsischen Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit. 7Gegen eine Entscheidung, durch welche der Antrag der Verfassungsschutzbehörde abgelehnt wird, steht dieser die Beschwerde zu. 8Die Anordnung kann um jeweils höchstens einen weiteren Monat verlängert werden. 9Ist die Dauer der Anordnung einer Maßnahme auf insgesamt sechs Monate verlängert worden, so entscheidet über weitere Verlängerungen das Landgericht; über eine Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Anhang 283 (2) Bei Gefahr im Verzuge kann die Leiterin oder der Leiter der Verfassungs- 1 schutzabteilung oder die Vertreterin oder der Vertreter die Maßnahme anordnen. 2Absatz 1 Sätze 3 bis 5 gilt entsprechend; in der Begründung ist auch darzulegen, dass Gefahr im Verzuge vorliegt. 3Eine richterliche Bestätigung der Anordnung ist unverzüglich zu beantragen. 4Die Anordnung nach Satz 1 tritt spätestens mit Ablauf des dritten Tages nach ihrem Erlass außer Kraft, wenn sie bis dahin nicht bestätigt wird; die bereits erhobenen Daten dürfen nicht gespeichert, verändert, übermittelt oder genutzt werden und sind unverzüglich zu löschen. (3) 1Der Vollzug der Anordnung erfolgt unter Aufsicht einer oder eines in der Verfassungsschutzabteilung Tätigen, die oder der die Befähigung zum Richteramt hat. 2Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor, so ist die Maßnahme unverzüglich zu beenden. (4) 1Gegen die Anordnung der Maßnahme steht der betroffenen Person nur die sofortige Beschwerde zu. 2Die Frist beginnt mit Zugang der Unterrichtung nach SS 6 Abs. 9. 3In der Unterrichtung ist auf die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes und die dafür vorgesehene Frist hinzuweisen. 4Die sofortige weitere Beschwerde ist nur statthaft, wenn das Landgericht sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung zulässt oder das Landgericht die Anordnung im Beschwerdeverfahren erlassen hat. (5) 1Maßnahmen nach SS 6 a Abs. 5 bedürfen der Anordnung durch die Leiterin oder den Leiter der Verfassungsschutzabteilung oder durch die Vertreterin oder den Vertreter. 2Absatz 1 Sätze 4 und 5 sowie Absatz 3 gelten entsprechend. (6) 1Daten, die aufgrund einer Anordnung nach SS 6 a Abs. 5 erhoben worden sind, dürfen zu anderen als den dort genannten Zwecken unter den Voraussetzungen des SS 6 Abs. 6 Satz 2 gespeichert, verändert, übermittelt und genutzt werden, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; Absatz 1 Sätze 2, 6 und 7 gilt entsprechend. 2Wird die Rechtmäßigkeit der Maßnahme nicht richterlich festgestellt, so dürfen die bereits erhobenen Daten nicht gespeichert, verändert und genutzt werden; sie sind unverzüglich zu löschen. 3SS 4 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes gilt entsprechend. (7) Von einer Maßnahme nach SS 6 a Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 5 ist der Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes in der nächsten nach der Anordnung stattfindenden Sitzung zu unterrichten. (8) 1Nach Beendigung einer Maßnahme nach SS 6 a Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 5 teilt das Fachministerium abweichend von SS 6 Abs. 9 Satz 5 dem Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes innerhalb von sechs Monaten die Unterrichtung der Betroffenen oder die Gründe für eine Zurückstellung nach SS 6 Abs. 9 Satz 3 mit. 2Dem Ausschuss sind jeweils nach einem Jahr eine weitere 284 Anhang Zurückstellung der Unterrichtung und deren Gründe mitzuteilen. Soll die Unter- 3 richtung endgültig unterbleiben, so bedarf es abweichend von SS 6 Abs. 9 Satz 6 Nr. 4 der Zustimmung des Ausschusses. (9) Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) wird nach Maßgabe der Absätze 1 bis 6 sowie des SS 6 a eingeschränkt. SS6c Verfahrensvorschriften für das heimliche Mithören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes unter Einsatz technischer Mittel (1) Für die Anordnung des Einsatzes eines nachrichtendienstlichen Mittels nach SS 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 außerhalb einer Wohnung gilt SS 5 b Abs. 1 bis 3 entsprechend. (2) 1Werden durch eine Maßnahme nach Absatz 1 Daten aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erfasst, so dürfen diese nicht gespeichert, verändert oder genutzt werden; entsprechende Aufzeichnungen sind unverzüglich zu löschen. 2Die Tatsache, dass Daten aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erhoben wurden, und die Löschung der Daten sind zu dokumentieren. (3) Für personenbezogene Daten, die durch Maßnahmen nach Absatz 1 erhoben wurden, gelten die SSSS 4 und 12 Abs. 1 und 3 des Artikel 10-Gesetzes sowie SS 4 Abs. 5 und 6 Nds. AG G 10 entsprechend; SS 6 Abs. 6, 8 und 9 findet keine Anwendung. (4) Das Fachministerium unterrichtet den Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes im Abstand von höchstens sechs Monaten über Maßnahmen nach Absatz 1. SS6d Einsatz technischer Mittel nach SS 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 (1) 1Technische Mittel nach SS 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 darf die Verfassungsschutzbehörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 einsetzen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine schwerwiegende Gefahr für ein in SS 3 Abs. 1 Satz 1 genanntes Schutzgut vorliegen. 2Die Maßnahme ist nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. 3Die Maßnahme darf sich nur gegen Personen richten, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie die schwerwiegende Gefahr nachdrücklich fördern. 4Gegen sonstige Personen darf das Mittel eingesetzt werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass diese für Personen nach Satz 3 bestimmte oder von ihr herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder dass ihre Mobilfunkendeinrichtungen von Personen nach Satz 3 benutzt werden. 5SS 5 b Abs. 1 bis 3 gilt entsprechend. (2) 1Für personenbezogene Daten, die durch Maßnahmen nach Absatz 1 erhoben wurden, gelten die SSSS 4 und 12 Abs. 1 und 3 des Artikel 10-Gesetzes sowie Anhang 285 SS 4 Abs. 5 und 6 Nds. AG G 10 entsprechend; SS 6 Abs. 6, 8 und 9 findet keine Anwendung. 2SS 5 b Abs. 5 gilt entsprechend. SS7 -- aufgehoben -- SS8 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten (1) 1Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 personenbezogene Daten speichern, verändern und nutzen, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass die betroffene Person an Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 beteiligt ist, und dies für die Beobachtung der Bestrebung oder Tätigkeit erforderlich ist, 2. dies für die Erforschung und Bewertung gewalttätiger Bestrebungen nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3 und 4 oder von Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 erforderlich ist oder 3. dies zur Schaffung nachrichtendienstlicher Zugänge zu Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 erforderlich ist. 2 In Akten dürfen über Satz 1 Nr. 2 hinaus personenbezogene Daten auch gespeichert, verändert und genutzt werden, wenn dies sonst zur Erforschung und Bewertung von Bestrebungen nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3 und 4 erforderlich ist. (2) Personenbezogene Daten dürfen nur dann in Dateien gespeichert werden, wenn sie aus Akten ersichtlich sind. (3) Die Speicherung von personenbezogenen Daten aus der engeren Persönlichkeitssphäre in Dateien ist unzulässig. (4) Die Verfassungsschutzbehörde hat die Speicherungsdauer auf das für ihre Aufgabenerfüllung erforderliche Maß zu beschränken. SS9 Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten von Minderjährigen (1) 1Die Verfassungsschutzbehörde darf unter den Voraussetzungen des SS 8 Daten über das Verhalten Minderjähriger aus der Zeit vor Vollendung des 14. Lebensjahres in Akten, die zu ihrer Person geführt werden, nur speichern, verändern oder nutzen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die betroffene Person eine der in SS 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. 2In Dateien dürfen Daten über das Verhalten Minderjähriger nur gespeichert, verändert oder genutzt werden, wenn 1. die oder der Minderjährige zu dem Zeitpunkt, auf den sich die Daten beziehen, das 14. Lebensjahr bereits vollendet hatte und 286 Anhang 2. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer Tätigkeit nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder einer Bestrebung nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3 oder 4 bestehen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshand lungen verfolgt wird. (2) 1Die nach Absatz 1 über Personen vor Vollendung des 16. Lebensjahres gespeicherten Daten sind zwei Jahre nach der Speicherung zu löschen, es sei denn, dass weitere Informationen im Sinne des SS 3 Abs. 1 Satz 1 hinzugekommen sind. 2 Die nach Absatz 1 über Personen nach Vollendung des 16. und vor Vollendung des 18. Lebensjahres gespeicherten Daten sind zwei Jahre nach der Speicherung auf die Erforderlichkeit einer weiteren Speicherung zu überprüfen. 3Sie sind spätestens nach fünf Jahren zu löschen, es sei denn, dass nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Informationen über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 hinzugekommen sind. SS 10 Berichtigung, Löschung und Sperrung von personenbezogenen Daten in Dateien (1) Die Verfassungsschutzbehörde hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind; sie hat sie zu ergänzen, wenn sie unvollständig sind und dadurch schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt sein können. (2) 1Die Verfassungsschutzbehörde hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn 1. ihre Speicherung unzulässig war oder 2. ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. 2 Die Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass durch sie schutzwürdige Interessen von Betroffenen beeinträchtigt würden. 3In diesem Fall sind die Daten zu sperren. 4Sie dürfen nur noch mit Einwilligung der Betroffenen weiterverarbeitet werden. (3) 1Die Verfassungsschutzbehörde prüft bei der Einzelfallbearbeitung und nach festgesetzten Fristen, spätestens nach fünf Jahren, ob gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen oder zu ergänzen, zu löschen oder zu sperren sind. 2Gespeicherte personenbezogene Daten über Bestrebungen nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 sind spätestens zehn Jahre, über Bestrebungen nach Nr. 3 oder 4 spätestens 15 Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten Speicherung einer Information über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 zu löschen. (4) 1In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2 und des Absatzes 3 Satz 2 tritt an die Stelle der Löschung der personenbezogenen Daten durch die Verfassungsschutzbehörde die Abgabe an das Landesarchiv. 2Die Nutzung archivierter Daten durch die Verfassungsschutzbehörde ist ausgeschlossen, solange diese nicht allgemein zugänglich sind. Anhang 287 (5) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen nur für diese Zwecke oder zur Verfolgung von Straftaten nach dem Niedersächsischen Datenschutzgesetz weiterverarbeitet werden. SS 11 Berichtigung, Löschung und Sperrung von personenbezogenen Daten in Akten (1) Stellt die Verfassungsschutzbehörde fest, dass in Akten gespeicherte personenbezogene Daten unrichtig sind, oder wird ihre Richtigkeit von Betroffenen bestritten, so ist dies in der Akte zu vermerken. (2) 1Für Akten, die zu einer bestimmten Person geführt werden, gilt SS 10 Abs. 2 und 3 entsprechend. 2Im Übrigen hat die Verfassungsschutzbehörde personenbezogene Daten zu sperren, wenn sie bei der Einzelfallbearbeitung feststellt, dass ohne die Sperrung schutzwürdige Interessen von Betroffenen beeinträchtigt würden, und die Daten für die künftige Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich sind. 3Gesperrte Daten sind mit einem entsprechenden Vermerk zu versehen; sie dürfen nicht mehr weiterverarbeitet werden. 4Eine Aufhebung der Sperrung ist möglich, wenn ihre Voraussetzungen nachträglich entfallen. (3) 1Sind Akten der Verfassungsschutzbehörde für ihre Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich, so tritt an die Stelle ihrer Vernichtung die Abgabe an das Landesarchiv. 2Für Akten, die zu einer bestimmten Person geführt werden, oder andere Akten, die personenbezogene Daten enthalten, gilt SS 10 Abs. 4 Satz 2 entsprechend. SS 12 Dateibeschreibungen (1) 1Für jede Datei bei der Verfassungsschutzbehörde sind in einer Dateibeschreibung festzulegen: 1. die Bezeichnung der Datei, 2. der Zweck der Datei, 3. Inhalt, Umfang, Voraussetzungen und Rechtsgrundlage der Speicherung, Übermittlung und Nutzung (betroffener Personenkreis, Arten der Daten), 4. Überprüfungsfristen, Speicherungsdauer, 5. die nach dem Niedersächsischen Datenschutzgesetz erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen, 6. bei automatisierten Verfahren die Betriebsart des Verfahrens, die Art der Geräte, die Stellen, bei denen sie aufgestellt sind, sowie das Verfahren zur Übermittlung, Sperrung, Löschung und Auskunftserteilung. 2 Satz 1 gilt nicht für Dateien, die aus ausschließlich verarbeitungstechnischen Gründen vorübergehend vorgehalten werden. 288 Anhang (2) Vor dem Erlass einer Dateibeschreibung ist die oder der Landesbeauftragte für den Datenschutz anzuhören. (3) 1Die Speicherung personenbezogener Daten ist auf das erforderliche Maß zu beschränken. 2In angemessenen Abständen ist die Notwendigkeit der Weiterführung oder Änderung der Dateien zu überprüfen. (4) In der Dateibeschreibung über personenbezogene Textdateien ist die Zugriffsberechtigung auf Personen zu beschränken, die unmittelbar mit Arbeiten in dem Gebiet betraut sind, dem die Textdateien zugeordnet sind; Auszüge aus Textdateien dürfen nicht ohne die dazugehörenden erläuternden Unterlagen übermittelt werden. Dritter Abschnitt Auskunft SS 13 Auskunft an Betroffene (1) 1Die Verfassungsschutzbehörde erteilt Betroffenen auf Antrag unentgeltlich Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten. 2Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich nicht auf die Herkunft der Daten und die Empfänger von Übermittlungen. 3Über Daten aus Akten, die nicht zur Person der Betroffenen geführt werden, wird Auskunft nur erteilt, soweit die Daten, namentlich aufgrund von Angaben der Betroffenen, mit angemessenem Aufwand auffindbar sind. 4Die Verfassungsschutzbehörde bestimmt Verfahren und Form der Auskunftserteilung nach pflichtgemäßem Ermessen. (2) 1Die Auskunftserteilung kann nur abgelehnt werden, soweit 1. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde, 2. die Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder wegen der berechtigten Interessen von Dritten geheim gehalten werden müssen oder 3. durch die Auskunftserteilung Informationsquellen gefährdet würden oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise der Verfassungsschutzbehörde zu befürchten ist. 2 Die Entscheidung trifft die Leiterin oder der Leiter der Verfassungsschutzabteilung unter Abwägung der in Satz 1 Nrn. 1 bis 3 genannten Interessen mit dem Interesse der antragstellenden Person an der Auskunftserteilung. 3Die Leiterin oder der Leiter der Verfassungsschutzabteilung kann eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter damit beauftragen, ebenfalls Entscheidungen nach Satz 1 zu treffen. Anhang 289 (3) Die Ablehnung einer Auskunft bedarf keiner Begründung, soweit durch 1 die Begründung der Zweck der Ablehnung gefährdet würde. 2Die Gründe der Ablehnung sind aktenkundig zu machen. 3Wird der antragstellenden Person keine Begründung für die Ablehnung der Auskunft gegeben, so ist ihr die Rechtsgrundlage dafür zu nennen. 4Ferner ist sie darauf hinzuweisen, dass sie sich an die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann. 5Der oder dem Landesbeauftragten ist auf Verlangen Auskunft zu erteilen. 6Stellt die Fachministerin oder der Fachminister oder die Vertreterin oder der Vertreter, fest, dass durch die Erteilung der Auskunft nach Satz 5 die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet würde, so darf die Auskunft nur der oder dem Landesbeauftragten persönlich erteilt werden. 7Mitteilungen der oder des Landesbeauftragten an die antragstellende Person dürfen keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der Verfassungsschutzbehörde zulassen, sofern diese nicht einer weitergehenden Mitteilung zustimmt. Vierter Abschnitt Informationsübermittlung SS 14 Grenzen der Übermittlung personenbezogener Daten Wird nach den Bestimmungen dieses Abschnitts um die Übermittlung personenbezogener Daten ersucht, so dürfen nur solche Daten übermittelt werden, die bei der ersuchten Behörde oder Stelle bereits bekannt sind oder von ihr aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können. SS 15 Übermittlung von Informationen an die Verfassungsschutzbehörde (1) Die Behörden des Landes, insbesondere die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizeibehörden, sowie die der ausschließlichen Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts unterrich-ten von sich aus die Verfassungsschutzbehörde über die ihnen bekannt gewordenen Tatsachen, die sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland erkennen lassen, die sich unter Anwendung von Gewalt oder durch darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3 und 4 genannten Schutzgüter wenden. (2) Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizeibehörden sowie die Ausländerbehörden übermitteln darüber hinaus von sich aus der Verfassungsschutzbehörde auch alle anderen ihnen bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten über Bestrebungen nach SS 3 Abs. 1 Satz 1, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde erforderlich ist. 290 Anhang (3) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben die 1 in Absatz 1 genannten Stellen um Übermittlung der zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten ersuchen, wenn diese nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit übermäßigem Aufwand oder nur durch eine die betroffene Person stärker belastende Maßnahme erhoben werden können. 2Die Ersuchen sind aktenkundig zu machen. (4) 1Die Übermittlung personenbezogener Daten, die aufgrund einer Maßnahme nach SS 100 a StPO bekannt geworden sind, ist nach den Absätzen 1 bis 3 nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. 2Auf die der Verfassungsschutzbehörde nach Satz 1 übermittelten personenbezogenen Daten findet SS 4 Abs. 1 und 2 Satz 1 sowie Abs. 4 bis 6 des Artikel 10-Gesetzes entsprechende Anwendung. (5) 1Die Übermittlung personenbezogener Daten, die aufgrund anderer strafprozessualer Zwangsmaßnahmen (SSSS 94 bis 100, 100 c bis 111 p, 163 e und 163 f StPO) bekannt geworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für gewalttätige Bestrebungen nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3 oder 4 oder von Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bestehen. 2Die nach Satz 1 übermittelten personenbezogenen Daten dürfen nur zur Erforschung solcher Bestrebungen oder Tätigkeiten genutzt werden. SS 16 Registereinsicht (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Gewinnung von Informationen über gewalttätige Bestrebungen nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3 oder 4 oder über Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 die von öffentlichen Stellen geführten Register, insbesondere Grundbücher, Personenstandsbücher, Melderegister, Personalausweisregister, Passregister, Führerscheinkartei, Waffenscheinkartei, einsehen. (2) 1Die Einsichtnahme ist nur zulässig, wenn 1. eine Übermittlung der Daten durch die registerführende Stelle den Zweck der Maßnahme gefährden würde oder 2. die betroffene Person durch eine anderweitige Informationsgewinnung unverhältnismäßig beeinträchtigt würde. 2 Die Einsichtnahme ist unzulässig, wenn ihr eine gesetzliche Geheimhaltungsvorschrift oder eine Pflicht zur Wahrung von Berufsgeheimnissen entgegensteht. (3) Die Einsichtnahme ordnet die Leiterin oder der Leiter der Verfassungsschutzabteilung oder die Vertreterin oder der Vertreter an. (4) 1Die durch Einsichtnahme in Register gewonnenen Informationen dürfen nur zu den in Absatz 1 genannten Zwecken verwendet werden. 2Gespeicherte Anhang 291 Informationen sind zu löschen und Unterlagen zu vernichten, sobald sie für diese Zwecke nicht mehr erforderlich sind. (5) 1Über jede Einsichtnahme ist ein gesonderter Nachweis zu führen, aus dem ihr Zweck, das eingesehene Register und die registerführende Stelle sowie die Namen der Betroffenen hervorgehen, deren Daten für eine weitere Verarbeitung erforderlich sind. 2Diese Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Anfertigung folgt, zu vernichten. SS 17 Übermittlung personenbezogener Daten durch die Verfassungsschutzbehörde (1) 1Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbezogene Daten an inländische Behörden übermitteln, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist oder der Empfänger die Daten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder sonst für Zwecke der öffentlichen Sicherheit oder der Strafverfolgung benötigt. 2Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. 3 Die empfangende Behörde darf die übermittelten Daten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck weiterverarbeiten, zu dem sie ihr übermittelt wurden. (2) 1Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbezogene Daten an Dienststellen der alliierten Streitkräfte übermitteln, soweit dies im Rahmen der Zusammenarbeit nach Artikel 3 des Zusatzabkommens vom 3. August 1959 zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages vom 19. Juni 1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen (BGBl. 1961 II S. 1183, 1218) erforderlich ist. 2Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. (3) 1Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbezogene Daten im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz an ausländische öffentliche Stellen sowie an überund zwischenstaatliche Stellen übermitteln, soweit die Übermittlung in einem Gesetz, einem Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaften oder einer internationalen Vereinbarung geregelt ist. 2Eine Übermittlung darf auch erfolgen, wenn sie 1. zum Schutz von Leib oder Leben erforderlich ist oder 2. zur Erfüllung eigener Aufgaben, insbesondere in Fällen grenzüberschreitender Tätigkeiten der Verfassungsschutzbehörde, unumgänglich ist und im Empfängerland gleichwertige Datenschutzregelungen gelten. 3Die Übermittlung unterbleibt, wenn ihr auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen der Betroffenen, insbesondere deren Schutz vor einer rechtsstaatswidrigen Verfolgung, entgegenstehen. 4 Die Übermittlung der von einer Ausländerbehörde empfangenen personenbezogenen Daten unterbleibt, es sei denn, die Übermittlung ist völkerrechtlich ge 292 Anhang boten. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. Die empfangende Stelle 5 6 darf die übermittelten Daten nur für den Zweck weiterverarbeiten, zu dem sie ihr übermittelt wurden. 7Sie ist auf die Verarbeitungsbeschränkung und darauf hinzuweisen, dass sich die Verfassungsschutzbehörde vorbehält, Auskunft über die Verarbeitung der Daten zu verlangen. (4) 1Personenbezogene Daten dürfen an einzelne Personen oder an andere als die in den Absätzen 1 bis 3 genannten Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, dass dies zum Schutz vor Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 oder zur Gewährleistung der Sicherheit von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen (SS 1 Abs. 4 und 5 des Niedersächsischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes) erforderlich ist und die Fachministerin oder der Fachminister oder die Vertreterin oder der Vertreter der Übermittlung zugestimmt hat. 2Die Verfassungsschutzbehörde führt über jede Übermittlung personenbezogener Daten nach Satz 1 einen gesonderten Nachweis, aus dem der Zweck der Übermittlung, ihre Veranlassung, die Aktenfundstelle und der Empfänger hervorgehen. 3Die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Anfertigung folgt, zu vernichten. 4Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur für den Zweck weiterverarbeiten, zu dem sie ihm übermittelt wurden. 5Er ist auf die Verarbeitungsbeschränkung und darauf hinzuweisen, dass sich die Verfassungsschutzbehörde vorbehält, Auskunft über die Verarbeitung der Daten zu verlangen. 6Die Übermittlung der personenbezogenen Daten ist der betroffenen Person durch die Verfassungsschutzbehörde mitzuteilen, sobald eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Mitteilung nicht mehr zu besorgen ist. 7Die Zustimmung nach Satz 1 und das Führen eines Nachweises nach Satz 2 sind nicht erforderlich, wenn personenbezogene Daten durch die Verfassungsschutzbehörde zum Zweck von Datenerhebungen an andere Stellen übermittelt werden. SS 18 Übermittlung von Informationen durch die Verfassungsschutzbehörde an Strafverfolgungsund Sicherheitsbehörden in Angelegenheiten des Staatsund Verfassungsschutzes (1) Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, den Polizeibehörden von sich aus die ihr bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von folgenden Straftaten erforderlich ist: 1. die in SS 74 a Abs. 1 und SS 120 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Straftaten, 2. Straftaten, bei denen aufgrund ihrer Zielrichtung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation anzunehmen ist, dass sie sich gegen die in SS 3 Abs. 1 Satz 1 genannten Schutzgüter wenden. Anhang 293 (2) Die Polizeibehörden dürfen zur Verhinderung von Straftaten nach Abs. 1 die Verfassungsschutzbehörde um Übermittlung der erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten ersuchen. SS 19 Übermittlung personenbezogener Daten an die Öffentlichkeit Bei der Aufklärung der Öffentlichkeit einschließlich der Medien über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 3 Abs. 1 Satz 1 dürfen personenbezogene Daten nur bekannt gegeben werden, wenn die Bekanntgabe für das Verständnis der Darstellung, insbesondere von Organisationen oder unorganisierten Gruppierungen, erforderlich ist und das Interesse der Allgemeinheit das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person überwiegt. SS 20 Übermittlungsverbote, Minderjährigenschutz (1) Die Übermittlung von Informationen nach den Vorschriften dieses Abschnitts unterbleibt, wenn 1. die Informationen zu löschen sind, 2. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass die Informationen für die empfangende Stelle nicht erforderlich sind, 3. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass unter Berücksichtigung der Art der Informationen, insbesondere ihres Bezuges zu der engeren Persönlichkeitssphäre der betroffenen Person, und der Umstände ihrer Erhebung das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person das Interesse der Allgemeinheit an der Übermittlung überwiegt, 4. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern oder 5. besondere Regelungen in Rechtsvorschriften, in Standesrichtlinien oder Verpflichtungen zur Wahrung besonderer Amtsgeheimnisse der Übermittlung entgegenstehen. (2) Personenbezogene Daten Minderjähriger dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelt werden, solange die Voraussetzungen der Speicherung nach SS 9 erfüllt sind. (3) 1Personenbezogene Daten Minderjähriger über ihr Verhalten vor Vollendung des 14. Lebensjahres dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht an ausländische oder an überoder zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. 2Dasselbe gilt für Informationen über Personenzusammenschlüsse, deren Mitglieder überwiegend Minderjährige sind, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. SS 21 Pflichten der empfangenden Stelle 1 Die empfangende Stelle prüft, ob die ihr nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelten personenbezogenen Daten für die Erfüllung ihrer Aufgaben er- 294 Anhang forderlich sind. Ergibt die Prüfung, dass dies nicht der Fall ist, so hat sie die 2 entsprechenden Unterlagen zu vernichten und gespeicherte Daten zu löschen. 3 Die Vernichtung und die Löschung können unterbleiben, wenn die Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist; in diesem Fall sind die Daten zu sperren. SS 22 Nachberichtspflicht 1 Erweisen sich personenbezogene Daten nach ihrer Übermittlung als unvollständig oder unrichtig, so sind sie gegenüber der empfangenden Stelle unverzüglich zu ergänzen oder zu berichtigen, es sei denn, dass der Mangel für die Beurteilung des Sachverhalts offensichtlich ohne Bedeutung ist. 2Werden personenbezogene Daten nach ihrer Übermittlung gesperrt, so ist dies der empfangenden Stelle unter Angabe der Gründe, die zu der Sperrung geführt haben, unverzüglich mitzuteilen. Fünfter Abschnitt Parlamentarische Kontrolle SS 23 Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes Die parlamentarische Kontrolle auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes übt unbeschadet der Rechte des Landtages und seiner sonstigen Ausschüsse ein besonderer, vom Landtag gebildeter Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes aus. SS 24 Zusammensetzung (1) 1Der Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes soll aus mindestens sieben Abgeordneten des Landtages bestehen. 2Mitglieder der Landesregierung können dem Ausschuss nicht angehören. (2) 1Jede Fraktion erhält mindestens einen Sitz. 2Die Verteilung aller Sitze bestimmt sich nach der Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtages. SS 25 Kontrollrechte des Ausschusses (1) Das Fachministerium ist verpflichtet, den Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes umfassend über seine Tätigkeit als Verfassungsschutzbehörde im Allgemeinen sowie über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten. (2) Der Ausschuss hat das Recht, Auskunftspersonen anzuhören, wenn mindestens ein Fünftel der Ausschussmitglieder dies verlangt. Anhang 295 (3) Das Fachministerium kann das Anhörungsverlangen nach Absatz 2 in entsprechender Anwendung des Artikels 24 Abs. 3 der Niedersächsischen Verfassung ablehnen; die Gründe sind dem Ausschuss darzulegen. (4) 1Die in der Verfassungsschutzabteilung Tätigen dürfen in dienstlichen Angelegenheiten Eingaben an den Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes richten. 2Solche Eingaben und die Verhandlungen des Ausschusses über sie sind vertraulich im Sinne der Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtages. SS 26 Verfahrensweise (1) 1Für die Verhandlungen des Ausschusses für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes gelten die Vorschriften der Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtages. 2Jedoch bedarf ein Beschluss, durch welchen die Vertraulichkeit von Akten oder sonstigen Unterlagen oder von Verhandlungen des Ausschusses aufgehoben wird, einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen seiner Mitglieder. 3Ist zu einem solchen Beschluss das Einvernehmen der Landesregierung erforderlich und weigert diese sich, es zu erteilen, so hat sie die Gründe dafür vor dem Ausschuss darzulegen. 4Dient die Vertraulichkeit dem Schutz von Informationen, deren Geheimhaltung in die Verantwortung einer Behörde des Bundes oder eines anderen Landes fällt, so bedarf die Aufhebung der Vertraulichkeit des Einvernehmens dieser Behörde. (2) 1Der Ausschuss gibt sich für die Wahrnehmung der Aufgaben nach SS 2 Abs. 1 Nds. AG G 10 eine besondere Geschäftsordnung. 2Zu deren Geheimschutzregelungen ist die Landesregierung zu hören. 3Die Geschäftsordnung bedarf der Bestätigung durch den Landtag. (3) Der Ausschuss berichtet dem Landtag in der Mitte und am Ende jeder Wahlperiode über seine Tätigkeit. (4) Der Ausschuss übt seine Tätigkeit auch über das Ende einer Wahlperiode des Landtages so lange aus, bis der nachfolgende Landtag den Ausschuss nach SS 24 neu gebildet hat. SS 27 Hilfe vonseiten der oder des Landesbeauftragten für den Datenschutz (1) 1Der Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes hat auf Antrag von mindestens einem Viertel seiner Mitglieder die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten für den Datenschutz zu beauftragen, die Rechtmäßigkeit einzelner Maßnahmen der Verfassungsschutzbehörde zu überprüfen. 2 Die Befugnisse der oder des Landesbeauftragten richten sich nach den Bestimmungen des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes. (2) Wird die oder der Landesbeauftragte für den Datenschutz nach SS 13 Abs. 3 tätig, so kann sie oder er den Ausschuss von sich aus unterrichten, wenn 296 Anhang sich Beanstandungen ergeben, eine Mitteilung an die betroffene Person aber aus Geheimhaltungsgründen unterbleiben muss. Sechster Abschnitt Schlussvorschriften SS 28 Geltung des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes Bei der Erfüllung der Aufgaben nach SS 3 durch die Verfassungsschutzbehörde finden die Vorschriften des SS 4 Abs. 1 sowie der SSSS 9 bis 17 a des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes keine Anwendung. SS 29 Änderung des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz*) SS 30 Änderung des Niedersächsischen Beamtengesetzes162) SS 31 Änderung des Personalvertretungsgesetzes für das Land Niedersachsen*) SS 32 Inkrafttreten**) (1) Dieses Gesetz tritt 14 Tage nach seiner Verkündung in Kraft. (2) Gleichzeitig tritt das Niedersächsische Verfassungsschutzgesetz vom 12. Juli 1976 (Nds. GVBl. S. 181), geändert durch Gesetz vom 24. März 1980 (Nds. GVBl. S. 67), außer Kraft. 162 Diese Vorschrift des Gesetzes in der ursprünglichen Fassung vom 3. November 1992 (Nds. GVBl. S. 283) wird hier nicht abgedruckt. **) Diese Vorschrift betrifft das Inkrafttreten des Gesetzes in der ursprünglichen Fassung vom 3. November 1992 (Nds. GVBl. S. 283). Der Zeitpunkt des Inkrafttretens der späteren Änderungen ergibt sich aus den in den Bekanntmachungen vom 30. März 2004 (Nds. GVBl. S. 117) und vom 19. November 2007 (Nds. GVBl. S. 641) sowie den in der vorangestellten Bekanntmachung näher bezeichneten Gesetzen. Anhang 297 9.3 Übersicht Verbote neonazistischer Vereinigungen Verbotsverfüg. Vereinigung Verbotsbehörde Bundesministerium 26.11.1992 Nationalistische Front (NF) des Innern Bundesministerium 08.12.1992 Deutsche Alternative (DA) des Innern Deutscher Kameradschaftsbund Niedersächsisches 18.12.1992 (DKB) Innenministerium Bundesministerium 21.12.1992 Nationale Offensive (NO) des Innern Bayerisches Staatsministerium 07.06.1993 Nationaler Block (NB) des Innern Heimattreue Vereinigung Innenministerium des Landes 08.07.1993 Deutschlands (HVD) Baden-Württemberg Freundeskreis Freiheit für Innenministerium des Landes 25.08.1993 Deutschland (FFD) Nordrhein-Westfalen Bundesministerium des Innern 10.11.1994 Wiking Jugend e.V. (WJ) (auf Initiative des Niedersächsischen Innenministeriums) Bundesministerium des Innern Freiheitliche Deutsche Arbeiter24.02.1995 (auf Initiative des Niedersächpartei (FAP) sischen Innenministeriums) Behörde für Inneres 24.02.1995 Nationale Liste (NL) Hamburg Direkte Aktion/MitteldeutschInnenministerium des 05.05.1995 land (JF) Landes Brandenburg Bayerisches Staatsministerium 22.07.1996 Skinheads Allgäu des Innern Innenministerium des 14.08.1997 Kameradschaft Oberhavel Landes Brandenburg Heide-Heim e.V. und Heideheim Niedersächsisches 09.02.1998 e.V. Innenministerium Behörde für Inneres 10.08.2000 Hamburger Sturm Hamburg 298 Anhang Blood & Honour -Division 12.09.2000 Bundesministerium Deutschland mit Jugendorganides Innern sation White Youth Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) mit Skinheads Sächsische Sächsisches Staatsministerium 02.04.2001 Schweiz - Aufbauorganisatides Innern onen und Nationaler Widerstand Pirna Bündnis nationaler Sozialisten Innenministerium des 07.03.2003 für Lübeck Landes Schleswig-Holstein Bayerisches Staatsministerium 19.12.2003 Fränkische Aktionsfront des Innern Kameradschaft Tor Innensenator des 07.03.2005 "Mädelgruppe" der KameradLandes Berlin schaft Tor Berliner Alternative Süd-Ost Innensenator des 07.03.2005 (BASO) Landes Berlin Kameradschaft Hauptvolk mit 06.04.2005 Innenministerium des Untergruppierung "Sturm 27" Landes Brandenburg Alternative Nationale Straus04.07.2005 Innenministerium des berger DArtPiercing und Tattoo Landes Brandenburg Offensive (ANSDAPO) Innenministerium des 26.06.2006 Schutzbund Deutschland Landes Brandenburg Sächsisches Staatsministerium 23.04.2007 Kameradschaft Sturm 34 des Innern Blue White Street Elite (BWSE) Innenministerium des Landes 01.04.2008 rechtsextremistisch beeinflusste Sachsen-Anhalt Hooligan-Vereinigung Bundesministerium 07.05.2008 Collegium Humanum des Innern Bundesministerium 07.05.2008 VRBHV des Innern Heimattreue Deutsche Jugend Bundesministerium 31.03.2009 e.V. (HDJ) des Innern Innenministerium des Landes 28.05.2009 Mecklenburgische Aktionsfront Mecklenburg-Vorpommern 05.11.2009 Frontbann 24 Innensenator des Landes Berlin Abkürzungsverzeichnis 299 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS AAA/AA AutonomerAntimilitariATIF Föderation der Arbeiter stischer Arbeitsausschuss/ aus der Türkei in DeutschAbteilung Aufklärung land e. V. [AAH] Antifaschistische Aktion ATIK Konföderation der Arbeiter Hannover aus der Türkei in Europa ABLE Association for better Living AZADI Rechtshilfefonds der RH und and Education der Föderation der ADHF Föderation für demokraKurdischen Vereine in tische Rechte in Deutschland Deutschland e. V. ADHK Konföderation für demokraB&H Blood & Honour tische Rechte in Europa BPjM Bundesprüfstelle für jugendAKL Antikapitalistische Linke gefährdende Medien A.L.I. Antifaschistische Linke International CCHR Citizens Commission on AMAK Antimilitaristischer AktionsHuman Rights kreis Hannover CDK Koordination der kurdischen AMG Antimilitaristische Gruppe demokratischen Gesellschaft Celle in Europa ("Civata DemokraAMGT Vereinigung der Neuen Welttik Kurdistan") sicht e. V. CH Collegium Humanum - Akaamip Antimilitäristische Perspektidemie für Umwelt und ve Lebensschutz e. V. AMS Assoziation Marxistischer CSI Church of Scientology InterStudentInnen national AN Autonome Nationalisten AnGrY Anarchist Group of Young DA Deutsche Akademie People DA Direkte Aktion (Zeitung der ANNW Autonome Nationalisten FAU/IAA) Nordwest Dev Sol Devrimci Sol ANO Autonome Nationalisten DHKP-C Revolutionäre VolksbefreiOstfriesland ungspartei-Front (KARATASANS Autonome Nationalisten Flügel) Soltau DITIB Türkisch-Islamische Union ANS/NA Autonome Nationalsoziader Anstalt für Religion e.V. listen/Nationale Aktivisten DK Deutsches Kolleg ApS Applied Scholastics DeutschDKP Deutsche Kommunistische land Partei ATF Deutsche Türk-Föderation DRP Deutsche Reichspartei 300 Abkürzungsverzeichnis DSFI Deutsches SolidaritätskomiGIAZ Projekt "Gemeinsames tee für einen freien Iran Informationsund AnalyseDSZDSZ - Druckschriftenund zentrum Polizei und VerfasVerlag Zeitungsverlag sungsschutz Niedersachsen" DVU Deutsche Volksunion GRU Russischer militärischer Nachrichtendienst ("Glawnoje Raswediwatelnoje UprawEMUG Europäische Moscheebaulenije") und UnterstützungsgemeinG10 Artikel 10-Gesetz schaft e. V. EU Europäische Union HAMAS Islamische WiderstandsbeEuGH Europäischer Gerichtshof wegung (Sitz in Luxemburg) HCOPL Hubbard Communication Office Policy Letter FAP Freiheitliche Deutsche ArbeiHDJ Heimattreue Deutsche Juterpartei gend e. V. FAU/IAA Freie Arbeiterinnenund HMI Hilfswerk für MenschenArbeiter-Union / Internatiorechte im Iran e. V. nale ArbeiterInnen Assoziation HNG Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene fdGO freiheitliche demokratische und deren Angehörige Grundordnung HPG Volksverteidigungseinheiten FIOE Föderation der Islamischen Organisation in Europa HuT Hizb ut-Tahrir al-Islami FIS Islamische Heilsfront FKO Freie Kräfte Oldenburg IAS International Association of Scientologist FSB Russischer Inlandsnachrichtendienst ("Federalnaja IBP Islamischer Bund Palästina Slushba Besopasnosti") ICCB Verband der islamischen FZFZ - Freiheitlicher Buchund Vereine und Gemeinden e. Verlag Zeit schriftenverlag GmbH V., Köln IGD Islamische Gemeinschaft in GD Geraer Dialog Deutschland e. V. GfbV Gesellschaft für bedrohte IGMG Islamische Gemeinschaft Völker Milli Görüs e. V. GFP Gesellschaft für Freie PubliIL Interventionistische Linke zistik e. V. IR Islamrat für die BundesrepuGG Grundgesetz für die Bundesblik Deutschland republik Deutschland IZA Islamisches Zentrum Aachen GGB Gewerkschaft GesundheitsIZH Islamisches Zentrum Hamberufe burg IZM Islamisches Zentrum München Abkürzungsverzeichnis 301 IWF Internationaler WährungsMÖS Ministerium für öffentliche fonds Sicherheit, China MSB Marxistischer StudentenJN Junge Nationaldemokraten bund Spartakus MSS Ministerium für Staatssicherheit, China KADEK Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans MSV Muslim-Studentenvereinigung in Deutschland KES Kontinent Europa Stiftung [K.I.S.] Kritische Initiative Schaumburg NADIS Nachrichtendienstliches Informationssystem KONKonföderation der kurKURD dischen Vereine in Europa NL Nationale Liste KONGRA Volkskongress Kurdistans NLA National Liberation Army GEL (Nationale Befreiungsarmee) KPD Kommunistische Partei NATO North Atlantic Treaty OrganDeutschlands ization (Nordatlantikvertrag) KPF Kommunistische Plattform NPD Nationaldemokratische Parder Partei DIE LINKE. tei Deutschlands KRM Koordinierungsrat der MusliNWRI Nationaler Widerstandsrat me in Deutschland Iran KVPM Kommission für Verstöße der NVerf Niedersächsisches VerfasPsychiatrie gegen MenschenSchG sungsschutzgesetz rechte NZ National-Zeitung / Deutsche Wochen-Zeitung LTTE Befreiungstiger von Tamil N&E Nation & Europa - Deutsche Eelam ("Liberation Tigers of Monatshefte Tamil Eelam") Org Organisation/Kirche (im ZuMB Muslimbruderschaft sammenhang mit Scientology) MEK Volksmodjahedin Iran-Organisation OSA Office of Special Affairs MF Marxistisches Forum mg militante gruppe PDS Partei des Demokratischen Sozialismus MID Chinesischer militärischer Nachrichtendienst PKK Arbeiterpartei Kurdistans MKP Maoistische Kommunistische PMK Politisch motivierte KriminaPartei lität MLKP Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei [RAK] Rote Aktion Kornstraße MLPD Marxistisch-Leninistische REP Die Republikaner Partei Deutschlands RF Rote Fahne 302 Abkürzungsverzeichnis RF Russische Föderation VS Verschlusssache RH Rote Hilfe e. V. VSA Verschlusssachenanweisung RHD Rote Hilfe Deutschland [rk] radikale kritik WASG Partei Arbeit & Soziale GeRTC Religious Technology Center rechtigkeit - Die Wahlalternative WDC Watchdog Committee SD Sozialistischer Dialog WISE World Institute of ScientolSDAJ Sozialistische Deutsche Arogy Enterprises beiterjugend WTO World Trade Organization Sea Org Sea Organization (Welthandelsorganisation) SL Sozialistische Linke WTS Wilhelm-Tietjen-Stiftung SO Scientology-Organisation Ltd. Limited SRP Sozialistische Reichspartei WTSF Wilhelm-Tietjen-Stiftung für SWR Russischer Dienst für AusLtd. Fertilisation Limited landsaufklärung ("Slushba Wneschnej Raswedkij") YEKFöderation kurdischer VerKOM ein in Deutschland e. V. THKP-C Türkische VolksbefreiungsYHK Union der Juristen Kurdipartei-Front - Revolutionäre stans Linke YMK Union der kurdischen Lehrer (YAGAN-Flügel) YRK Union der Journalisten KurTIKKO Türkische Arbeiterund Baudistans ernbefreiungsarmee TJ Tablighi Jama'at ZMD Zentralrat der Muslime in TKP/ML Türkische Kommunistische Deutschland Partei / Marxisten-Leninisten ZOG Zionist Occupied Government UELAM Union für die in den europäischen Ländern arbeitenden Muslime e. V. UMSO Union Muslimischer Studentenorganisationen in Europa e. V. VIKZ Verband der Islamischen Kulturzentren e. V. VR Volksrepublik VRBHV Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten Personenund Stichwortverzeichnis 303 PERSONENUND STICHWORTVERZEICHNIS A Adler-Versand * 114 AG Wiking * siehe Aktionsgruppe Wiking Wilhelmshaven Aktionsbüro Norddeutschland * 122, 134 Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten (ANS/NA) * 108 Aktionsgruppe Delmenhorst * 126, 129f., 135, 165 Aktionsgruppe Wiking Wilhelmshaven (AG Wiking) * 116, 161, 167 al-Banna, Hasan * 40, 50f. al-Qaida * 45, 262 Alhambra * 186, 211 Altermedia * 95, 156 Anarchismus * 182f. Antifa [rk] Wunstorf * 193 Antifaschismus * 187, 191f., 194, 203, 205, 207, 242 Antifaschistische Aktion Hannover * 193f., 199 Antifaschistische Aktion Lüneburg/Uelzen * 193 Antifaschistische Linke International (A.L.I.) * 195, 226 Antifaschistisches Aktionsbündnis Hannover * 194 Antikapitalistische Linke * 214, 219 Antimilitarismus * 187, 198f., 201, 207, 242 Antirassismus * 203f., 207 Antisemitismus (Begriff) * 92f., 111, 145 APFEL, Holger * 96, 149 Applied Scholastics Deutschland (ApS) * 248 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) * siehe Volkskongress Kurdistans Artikel 10-Gesetz * 19, 270, 276-278, 283-285, 290, 296 Association for better Living and Education (ABLE) * 246 Assoziation Marxistischer StudentInnen (AMS) * 233f. ATALAY, Mustafa * 79 Atomenergie (Proteste gegen die - ) * 204 Autonome * 22, 176, 185-187, 189-192, 194-198, 203, 206, 226 Autonome Nationalisten * 4, 95, 122, 125, 128f., 140 Autonome Nationalisten Nordwest (ANNW) * 129f. Autonome Nationalisten Ostfriesland * 129f., 140 304 Personenund Stichwortverzeichnis B BISKY, Lothar * 212, 216 Blood & Honour (B&H) * 108-110, 298 BÖRM, Manfred * 149, 159 BRANDES-STEGGEWENTZ, Gisela * 212 BRÄUNIGER, Eckardt * 83 BRINKMANN, Peter * 172 BÜHRIG, Dennis * 128, 134, 138, 193 Bürgerinitiative für Zivilcourage Hildesheim * 127 Bürgerinitiative für Zivilcourage Wolfsburg * 127f. Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien * 112, 116 C CASTOR-Transport (Aktionen gegen den - ) * 196, 204-206 Cherusker * 114, 116 Church of Scientology International (CSI) * 245 Citizens Commission on Human Rights (CCHR) * 246 Collegium Humanum - Akademie für Umwelt und Lebensschutz e. V. (CH) * 102-104, 298 COURAGE * 238 Criminon * 246 D DAMMANN, Adolf * 97, 146, 157, 159 DEHM, Dr. Diether * 212, 217f., 223 Der Revolutionäre Weg * 237 Der Versand * 114 Deutsche Akademie (DA) * 174 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) * 183, 193, 199, 212, 214, 228-235 Deutsche Stimme (DS) * 146, 149, 155, 160 Deutsche Volksunion (DVU) * 86, 97f., 147, 155, 158-171 Deutsche Wochen-Zeitung * siehe National-Zeitung Deutsches Kolleg (DK) * 175 Deutschland-Pakt * 98, 147, 155, 169 Devrimci Sol (Dev Sol) * 77-80 DIE LINKE. * 5, 176f., 182-185, 190, 193, 199, 212-228, 232 Die Linkspartei.PDS * siehe DIE LINKE. Die Republikaner (REP) * 86, 165-167 Personenund Stichwortverzeichnis 305 Die Rote Spindel * 228 Direkte Aktion * 29, 241 DISPUT * 212 DITIB * 57 Dschihad/Dschihadismus * siehe Jihad Düütsche Deerns * 132 E EIGENFELD, Ulrich * 97, 149, 157-159 EL-ATTAR, Issam * 52 EL-ZAYAT, Ibrahim * 52 ENGEL, Stefan * 237 En-Nahda * 53 EOK-Versand * 114 ERBAKAN, Necmettin * 56, 58 Ethnopluralismus * 92, 171 Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft e. V. (EMUG) * 57 EU-Terrorliste * 68, 77, 83, 85 F Fanzines * 108 Fight Back! * 186 FISCHER, Christian * 145, 161f., 164 Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e. V. (ATIF) * 81f. Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e. V. (YEK-KOM) * 69, 72, 74, 240 Föderation für demokratische Rechte in Deutschland e. V. (ADHF) * 81 Frauenfeindlichkeit * 110 Freie Arbeiterinnenund Arbeiter-Union / Internationale ArbeiterInnen Assoziation (FAU/IAA) * 193f., 199, 240-242 Freie Nationalisten * 120, 124, 132 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) * 108, 120, 297 Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans (KADEK) * siehe Volkskongress Kurdistans Fremdenfeindlichkeit (Begriff) * 92, 111, 168, 226 FREY, Dr. Gerhard * 97f., 165, 167f., 170 FRICKE, Detlef * 228 Front Records * 114 306 Personenund Stichwortverzeichnis G Geheimschutz * 5, 258f. Geraer Dialog/Sozialistischer Dialog (GD/SD) * 214, 219 Geschichtsrevisionismus * 92, 101 Gesellschaft für Freie Publizistik e. V. (GFP) * 171f. GIESE, Daniel * 114 Gigi und die Braunen Stadtmusikanten * 114, 116 Globalisierung (Proteste gegen die - ) * 94, 111, 122, 160, 182, 187 göttinger Drucksache * 186, 195 G8 * 182f., 195, 200 H HAMAS * siehe Islamische Widerstandsbewegung Hannoversches VolksBlatt * 228 Hatecore * 111, 114, 133, 193 HAVERBECK-WETZEL, Ursula * 102, 104f., 171 Heide-Heim e. V. und Heideheim e. V. * 297 HEISE, Thorsten * 108, 120, 149 Heisenhof * 100 Heß, Rudolf (Gedenkaktionen für - ) * 138, 142 Hilafet Devleti * siehe Kalifatsstaat Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige (HNG) * 86, 93, 141f. Hizb Allah * 42, 63f. Hizb ut-Tahrir al-Islami (HuT) * 40, 49 Holocaust (Leugnung/Relativierung) * 63, 93, 102-105, 130, 171, 173 HUBBARD, Lafayette Ron * 243-245, 248 I INTERIM * 186 International Association of Scientologists (IAS) * 246 Interventionistische Linke (IL) * 182, 195, 199 Islamische Avantgarden * 50, 52 Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V. (IGD) * 50-52, 57 Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V. (IGMG) * 56-60, 62 Islamische Widerstandsbewegung HAMAS * 50, 52 Islamischer Bund Palästina (IBP) * 52 Islamisches Zentrum Aachen (IZA) * 52 Personenund Stichwortverzeichnis 307 Islamisches Zentrum Hamburg (IZH) * 63 Islamisches Zentrum München (IZM) * 51f. Islamismus (Begriff) * 16, 23, 25f., 38-42, 49, 62f., 265 Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland * 57 J Jihad/Jihadismus * 44f., 49, 60 Junge Nationaldemokraten (JN) * 97, 108, 132, 136, 138f., 145, 150-155, 159164, 174 JVA-Report * 142 K Kalifatsstaat (vormals ICCB) * 49 Kameradschaft 73 Celle * 100, 127-129, 132f., 135, 138, 161 KARAHAN, Yavuz Celik * 56, 59 KAYPAKKAYA, Ibrahim * 80, 82 KOMALEN CIWAN * 69f., 75 Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte (KVPM) * 246 Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) * 15, 112, 224, 228, 235, 239, 268 Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE. (KPF) * 176, 212, 214, 219f. Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa (ATIK) * 81f. Konföderation für demokratische Rechte in Europa (ADHK) * 81f. Konföderation der kurdischen Vereine in Europa (KON-KURD) * 69 Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa (CDK) * 68 Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland (KRM) * 57 KREBS, Pierre * 151, 172 KRÜGER, Lasse * 162 L Landser * 113 LEUCHTER, Fred A. * 102 Leuchter-Report * 102 Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) * 83f. Linkes Forum * 212 Linksextremismus (Begriff) * 4, 16, 23, 25f., 176f., 182ff., 266 Linksruck * 214 LSI * siehe Stimme des Gewissens - Lebensschutz-Informationen 104-105 308 Personenund Stichwortverzeichnis M Maoistische Kommunistische Partei (MKP) * 80 - 83 marx21 * 212 Marxismus * 182 Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) * 80 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) * 82, 183, 237-238 Marxistische Blätter * 228 Marxistisches Forum (MF) * 214, 219 Max H8 * 114 Mazlum-Dogan-Festival * 70 MEENEN, Uwe * 175 militante gruppe (mg) * 189 Militanzdebatte * 189f. Milli Gazete * 59-62 MISCAVIGE, David * 243, 245 MOLAU, Andreas * 97f., 148, 152,158 f., 166f., 171f. MONACO, Julian * 162f., 164 MÜLLER, Annett (früher MOECK) * 116 MÜLLER, Michael * 116f. MÜLLER, Ursula * 141 Multiplex-Musica * 114 Muslim Studentenvereinigung in Deutschland (MSV) * 57 Muslimbruderschaft * 40, 42, 50-53 N Nachrichten der HNG * 141 NAHRATH, Wolfram * 151 NAHTZ, Joachim * 128, 135f. NASRALLAH, Hassan * 65 Nation & Europa (N&E) * 160, 173f. Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) * 4, 10-12, 86, 94, 96-99, 104, 106, 108, 111, 116, 121, 123-126, 128, 130, 132, 136, 138, 139, 144-167, 169-171,174, 178, 192, 194, 208, 268 Nationale Liste (NL) * 120, 297 Nationale Sozialisten Oldenburg * 131 Nationale Sozialisten Niedersachsen * 132 Nationale Sozialisten SHG/OWL * 137 Nationalismus * 39f., 92, 123, 126, 150, 160, 174, 184 Personenund Stichwortverzeichnis 309 National-Zeitung / Deutsche Wochen-Zeitung (NZ) * 165, 169 Neonazismus (Begriff) * 93f., 122 Neonazistische Kameradschaften * 10, 27, 30, 126 Neue Rechte * 170f. Nordfront * 116 Nordic Flame * 114 O OBERLERCHER, Reinhold * 175 ÖCALAN, Abdullah * 66f., 69-76 Office of Special Affairs (OSA) * 246 Oi!-Skin * 110 Özgür Politika * siehe Yeni Özgür Politika P Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) * siehe DIE LINKE. PASTÖRS, Udo * 96, 148, 154, 161 PC Records * 114 PDS * siehe DIE LINKE. Phase 2 - Zeitschrift gegen die Realität * 186 PKK * siehe Volkskongress Kurdistans Politisch motivierte Kriminalität * 8, 10f., 34, 88-91, 178-182 PRABHAKARAN, Velupillai * 83 Proliferation * 13, 250f., 256f. Pulverturm * 228 R Race War * 113 radikal * 186 Ragnarök * 114 Ratatösk * 109 Rassismus (Begriff) * 82, 92f., 109, 192, 203f., 226, REBELL (MLPD-Jugendverband) * 238 Rechtsextremismus (Begriff) * 92-98 Religious Technology Center (RTC) * 243 REP * siehe Die Republikaner Revisionismus * siehe Geschichtsrevisionismus Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front, KARATAS-Flügel (DHKP-C) * 77-79 310 Personenund Stichwortverzeichnis RICHTER, Karl * 149 RIEFLING, Dieter * 129, 136, 138 RIEFLING, Ricarda * 129, 157f. RIEGER, Jürgen * 96, 99-101, 136-139, 149, 151f., 155f. Ring Nationaler Frauen (RNF) * 129 Rock against Communism (RAC) * 111, 157f. Rote Aktion Kornstraße [RAK] * 195, 199 Rote Fahne * 237 Rote Hilfe e. V. (RH) * 12, 196f., 239 RotFuchs * 235-238 Rotfüchse * 238 RUDOLF, Germar * 102 Rudolf-Gutachten * 102 S Salafismus * 41ff. Scharia * 38f., 41, 50, 54, 56, 61-62, 265 SCHAUB, Bernhard * 103 Schiitischer Islamismus * 62 SCHMIDT, Edda * 157 SCHÜßLER, Gitta * 157 SCHWAB, Jürgen * 160, 174 SCHWERDT, Frank * 149 Scientology-Organisation * 243-249 Sea Organization * 246 Skinhead-Konzerte * 121 Skinheads * 108-110, 121, 127, 147, 297f. Sleipnir * 111 Snevern Jungs * 97, 127f., 132, 135, 138, 158, 161 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) * 193, 199, 233f. Sozialistische Linke (SL) * 214, 219 Sozialistische Reichspartei (SRP) * 15, 146, 268 Stahlgewitter * 114, 116 STEHR, Heinz * 231 Stimme des Gewissens - Lebensschutz-Informationen (LSI) * 104f. Streetwear Tostedt * 114, 133 Sturmtrupp * 111 Personenund Stichwortverzeichnis 311 T TABULA RASA * 186 Tablighi Jama'at (TJ) * 9, 53-55 Tamil Coordination Committee (TCC) * 84 Terrorismus * 22f., 43f., 202, 242, 261f., 276 Thiazi Forum * 118, 132, 136 Tietjen, Wilhelm * 100f. Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee (TIKKO) * 81 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) * 80-83 Türkische Volksbefreiungspartei-Front, YAGAN-Flügel (THKP-C) * 77f. U Union für die in den europäischen Ländern arbeitenden Muslime e. V. (UELAM) * 52 Union der Journalisten Kurdistans (YRK) * 71 Union der Juristen Kurdistans (YHK) * 71 Union der kurdischen Lehrer (YMK) * 71 Union Muslimischer Studentenorganisationen in Europa e. V. (UMSO) * 52 Unsere Musik.de * 114 Unsere Zeit (UZ) * 229-243 V VAKISAN * 83 Verband der Islamischen Kulturzentren e. V. (VIKZ) * 57 Verbote neonazistischer Vereinigungen * 297 Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten (VRBHV) * 102-104, 171, 298 Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e. V. (AMGT) * 56f. vers beaux temps * 186 Violence * 107 VOIGT, Udo * 96, 98, 146-149, 154, 163, 169 Volksfront von rechts * 11, 124, 147, 156 Volksgemeinschaft * 92, 94, 104, 123f., 135f., 138, 143, 153, 160, 171, Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL) * 9, 66, 68 Volksmodjahedin Iran-Organisation (MEK) / Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) * 49 Volksverteidigungseinheiten (HPG) * 67, 69 312 Personenund Stichwortverzeichnis W WALENDY, Udo * 103 Watchdog Committee (WDC) * 246 WB Versand * 114 Werwolf Records * 113 Wiking-Jugend e. V. (WJ) * 297 Wikinger Versand * 114 Wilhelm Tietjen Stiftung für Fertilisation Limited (WTSF Ltd.) * 101 Wilhelm Tietjen Stiftung Limited (WTS Ltd.) * 100 Wirtschaftsschutz * 5, 13, 258-263 Wirtschaftsspionage * 259-263 WORCH, Christian * 120 World Institute of Scientology Enterprises (WISE) * 246 WULFF, Thomas * 120, 136, 149, 156 Y Yeni Özgür Politika * 66, 70, 72 Z Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) * 51, 57 ZÜNDEL, Ernst * 102 Ortsverzeichnis 313 ORTSVERZEICHNIS (Niedersachsen) Ammerland * 130 Aurich * 26 Bad Lauterberg * 261 Bad Nenndorf * 135, 137f., 196 Bad Salzdetfurth * 143 Bersenbrück * 26, 28 Bockenem * 114 Bovenden * 114 Braunschweig * 28, 41-43, 53, 55, 58f., 106f., 117f., 129, 133f., 137-139, 158-161, 186, 195-197, 211, 227f., 234, 238ff. Buchholz idN * 26, 129 Celle * 26, 100f., 127f., 132f., 135, 138f., 161f., 164, 201, 211 Cloppenburg * 26, 161 Cremlingen * 114 Dannenberg * 204-206 Delmenhorst * 26, 63, 97, 126, 129, 135f., 139f., 160, 163-165, 174 Diekholzen * 114 Dörverden * 26, 100 Einbeck * 106f., 129, 139f. Emden * 26 Emsland * 159 Eschede * 128, 135f., 164 Essel * 139 Friesland * 159 Ganderkesee * 28 Garbsen * 26, 28, 248f. Gifhorn * 26, 28, 133f. Gorleben * 187, 205f. Goslar * 26, 28, 59, 159, 161 Göttingen * 4, 23, 26, 28, 53, 55, 83, 85, 116, 159, 161, 178f., 184-186, 190, 192, 195-198, 200, 203, 211, 226f., 234f., 239 Grafschaft Bentheim * 130 Georgsmarienhütte * 143, 145 Hameln * 26, 28, 77, 101, 239 Handorf * 149, 159 314 Ortsverzeichnis Hannover * 9, 12, 23, 26, 28f., 34, 42, 46, 53, 55, 59, 64, 69, 71-74, 76f., 79, 82f., 85, 94, 104, 106f., 114, 116, 129f., 134, 136-139, 146, 158f., 162, 171, 178f., 183, 186, 189, 192-203, 207-209, 211f., 225, 227f., 230, 233-235, 238ff., 248, 253f., 257, 262 Harburg * 89 Harz * 116, 129, 172 Herzberg * 26, 116 Hildesheim * 26, 28, 127-129, 132f., 135, 138-140, 162 Hollenstedt * 114 Holzminden * 28 Langenhagen * 28, 63, 109 Leer * 28 Lingen * 114, 228 Lüneburg * 23, 60, 97, 100f., 106f.,129, 133f, 136, 139, 143, 149, 159, 161f., 164, 179, 184, 192-196, 201, 211 Melle * 28 Meppen * 114, 211 Munster * 26 Nienburg * 26, 28 Nordhorn * 26, 130, 228 Northeim * 26, 106f., 132 Oldenburg * 23, 26, 77, 109, 130, 149, 159, 186, 195-197, 200, 203, 211, 228, 233-235, 238, 241 Osnabrück * 23, 26, 53, 55, 59, 64, 97, 114, 116, 132, 154, 158, 160-162, 164, 174, 192, 197, 228, 235, 239 Osterholz * 28, 201 Osterode * 26, 159, 161 Ostfriesland * 125, 129f., 134, 139f., 159 Papenburg * 26, 28 Peine * 26, 28, 69, 74, 117 Quakenbrück * 128 Rotenburg * 134, 166, 194, 201 Salzgitter * 28, 59, 69, 85, 106f., 117, 130, 133, 137f., 140, 162, Schaumburg * 135, 137 Schneverdingen * 26, 106f., 127, 139,162 Seesen * 114 Seevetal * 114 Soltau * 106f., 139 Soltau-Fallingbostel * 139 Ortsverzeichnis 315 Springe * 103 Stade * 26, 101, 139, 146, 159ff., 174 Stadtoldendorf * 28 Syke * 26 Tostedt * 106f., 114, 129f., 133, 139 Uelzen * 64, 106f., 117, 193, Vechta * 69, 74, 145, 161, 164 Verden * 28, 97, 100, 104, 109, 164, 194 Walsrode * 26, 162 Wendland * 204-206 Weser-Ems * 157 Westerstede * 26 Weyhe * 28 Wildeshausen * 26 Wilhelmshaven * 28, 116, 161, 167, 238 Wittmund * 142 Wolfenbüttel * 26, 130, 133, 140, 187, 227 Wolfsburg * 43, 55, 101, 127-129, 132f., 135-138, 140, 162 Wunstorf * 26, 140, 193 316 Notizen Herausgeber: Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport Presseund Öffentlichkeitsarbeit Lavesallee 6, 30169 Hannover Telefon: 0511 120-6255 Fax: 0511 120-6555 E-Mail: pressestelle@mi.niedersachsen.de Internet: www.mi.niedersachsen.de Diese Broschüre darf, wie alle Broschüren der Landesregierung, nicht zur Wahlwerbung in Wahlkämpfen verwendet werden. 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