Verfassungsschutzbericht 2021 Impressum Herausgeber: Ministerium für Inneres, Bau und Digitalisierung Mecklenburg-Vorpommern Redaktion: Abteilung Verfassungsschutz Postfach 11 05 52 19055 Schwerin 1. Auflage: 300 Exemplare Druck: LAiV Mecklenburg-Vorpommern Titelbild: "Die wehrhafte Demokratie" Manfred Diekmann, 2009 Diese Druckschrift ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums für Inneres und Europa Mecklenburg-Vorpommern. Sie wird kostenlos abgegeben und ist nicht zum Verkauf bestimmt. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Kommunal-, Landtags-, Bundestagsund Europawahlen. Missbräuchlich sind insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme des Ministeriums für Inneres und Europa Mecklenburg-Vorpommern zu Gunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Den Parteien ist es jedoch gestattet, die Druckschrift zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden. Vorwort Liebe Interessierte an der Arbeit des Verfassungsschutzes, sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich, Ihnen gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der Verfassungsschutzabteilung des Innenministeriums den Verfassungsschutzbericht des Landes Mecklenburg-Vorpommern für das Jahr 2021 vorstellen zu können. Kernaufgabe der Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern ist es, unsere freiheitliche demokratische Grundordnung zu schützen. Dazu zählen die im Grundgesetz verankerten Menschenrechte, das Wahlund Demonstrationsrecht, das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition genauso wie die Unabhängigkeit der Gerichte und der Ausschluss jeglicher Gewaltund Willkürherrschaft. Die alljährlichen Berichte tragen einerseits dazu bei, über die Arbeit unserer Verfassungsschützerinnen und -schützer zu informieren. Sie sind aber auch ein wichtiges Mittel, um Sie, die weit überwiegende Mehrheit von Menschen, die unsere demokratische Grundordnung schätzen und unterstützen, für die extremistischen Bestrebungen einiger weniger zu sensibilisieren, die die Grundpfeiler unserer Demokratie in Frage stellen. Dies ist in den zurückliegenden zwei Jahren mit der Corona-Pandemie und ihren vielfältigen Auswirkungen umso wichtiger geworden, als diese Extremisten versuchen, sich gerade solche Krisen zu Nutze zu machen. Solche Bemühungen haben wir insbesondere bei den zahlreichen Demonstrationen gegen die Maßnahmen, die gegen die Pandemie ergriffen wurden, leider auch immer wieder festgestellt. Ich möchte betonen, dass Kritik am staatlichen Handeln, an den Entscheidungen der demokratischen Mehrheit und andere Meinungen selbstverständlich legitim sind. Genau dies ist einer der Grundpfeiler unserer Demokratie. Deshalb ist das Demonstrationsrecht ein zentrales und im Grundgesetz verankertes Recht, das der Staat mit seinen Behörden schützen und ermöglichen soll. Unter diesen Schutz fallen aber keine menschenund verfassungsfeindlichen Haltungen und Handlungen sowie Gewalt! Die weit überwiegende Mehrheit der Menschen, die 2021 und 2022 gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße ging, bewegte sich unstreitig innerhalb des demokratisch legitimierten Rahmens - und die allermeisten Versammlungen verliefen friedlich und ohne nennenswerte Störungen. Unsere Sicherheitsbehörden beobachteten aber auch, dass verstärkt Menschen, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnen, versuchten, diese Proteste für ihre Zwecke zu vereinnahmen - auch wenn sie nur einen sehr kleinen Teil der Gesamtteilnehmerzahlen darstellten. Zu ihnen zählen Rechtsextremisten, aber auch Reichsbürger, Selbstverwalter und andere Verfassungsfeinde, die häufig keiner politischen Richtung eindeutig zuzuordnen sind. Ihnen gemein ist, dass sie die Proteste der Corona-Maßnahmen-Gegner als willkommene Bühne nutzen, um Zulauf zu bekommen. Sie versuchen bei jeder Gelegenheit, die sich ihnen bietet, Angst und Hass zu schüren. Das waren 2021 neben den Corona-Protesten auch die Aufnahme von afghanischen Ortskräften, das Flüchtlingsaufkommen an der polnisch-weißrussischen Grenze und natürlich auch die Bundesund Landtagswahlen. Ich gehe davon aus - und die neuesten Erkenntnisse unseres Verfassungsschutzes bestätigen dies - dass die Feinde unserer Demokratie sich bereits darauf vorbereiten, eine neue Bühne zu erobern: Die verschärfte globale Sicherheitslage infolge des Kriegs in der Ukraine, eine verstärke Inflation und Besorgnisse um die Sicherheit sowie Bezahlbarkeit der Energieversorgung führen zu spürbaren Beeinträchtigungen und Verunsicherungen bei vielen von uns. Es ist auch hier davon auszugehen, dass Demokratiegegner unterschiedlichster Couleur versuchen werden, diese Ängste und Sorgen für ihre Zwecke zu missbrauchen. Ich weiß aus vielen Gesprächen und Begegnungen, dass die breite Mehrheit der Menschen in Deutschland um den Wert der Demokratie weiß und bereit ist diese zu stärken. Unser aller Aufgabe ist es, demokratiefeindlichen Tendenzen gemeinsam vehement entgegenzutreten. Diese - und das ist durchaus Absicht - sind jedoch nicht immer sofort zu erkennen. Der vorliegende Bericht informiert, wo und wie welche Extremisten in unserem Bundesland agieren. Indem wir diese häufig geheimen Aktivitäten ans Licht holen, ermöglichen wir es, dagegen vorzugehen. Herzlichst Ihr Christian Pegel Minister für Inneres, Bau und Digitalisierung Mecklenburg-Vorpommern Inhaltsverzeichnis 1 "Wehrhafte Demokratie"Auftrag und Verpflichtung des Verfassungsschutzes 6 1.1 Grundsätzliches/Zweck des Verfassungsschutzes 6 1.2 Freiheitliche demokratische Grundordnung 8 1.3 Wesentliche gesetzliche Grundlagen im Überblick 9 1.4 Verfassungsschutzverbund von Bund und Ländern 9 1.5 Aufgaben des Verfassungsschutzes 10 1.6 Informationsbeschaffung 11 1.7 Kontrolle 12 1.8 Verhältnis von Verfassungsschutz und Polizei/Straftatenaufkommen PMK 13 2 Rechtsextremismus/-terrorismus 16 2.1 Lageüberblick 16 2.2 Personenpotenzial 18 2.3 Straftatenaufkommen 19 2.4 Militanter Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus 19 2.4.1 Fallkomplex "Nordkreuz"/"Gruppe G." 21 2.5 Aktivitäten von Rechtsextremisten im Kontext der Corona Pandemie 22 2.5.1 Internetveröffentlichungen von rechtsextremistischen Parteien und Vereinigungen 23 2.5.2 Einflussbemühungen von Anhängern rechtsextremistischer Personenzusammenschlüsse 25 2.6 Trefforte der rechtsextremistischen Szene 27 2.7 Weitgehend unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial/rechtsextremistische Subkultur 28 2.7.1 Rechtsextremistische Musikveranstaltungen 30 2.7.2 Szeneläden/Versandhandel 31 2.8 Parteiunabhängige bzw. parteiungebundene Strukturen 31 2.8.1 Einzelgruppierungen/regionale Entwicklungen 32 2.9 Neonazistisch geprägte Veranstaltungen und Aktivitäten 36 2.10 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 39 2.10.1 Bundestags und Landtagswahl 2021 39 2.10.2 Thematische Schwerpunkte der NPD MV im Jahr 2021 43 2.10.3 Kundgebungen, Gedenkveranstaltungen und Demonstrationen der NPD/JN 46 2.10.4 Rechtsextremistische Kreistagsfraktion "Heimat und Identität" 49 2.11 Partei "Der III. Weg" 50 2.12 Partei "DIE RECHTE" 54 2.13.1 Neue Rechte 54 2.13.2 "Identitäre Bewegung Deutschland e. V." 54 2.13.3 "Identitäre Bewegung MecklenburgVorpommern" 57 2.13.4 "Aktionsgruppe NordOst" 58 2.14 Rechtsextremisten im öffentlichen Dienst 58 3 "Reichsbürger und Selbstverwalter" 59 3.1 Lageüberblick 59 3.2 Personenpotenzial 60 3.3 Strukturen und Aktivitäten der "Reichsbürger und Selbstverwalter"Szene in MecklenburgVorpommern 60 3.3.1 "Preußisches Institut - Bismarcks Erben" 61 3.4 Sonstiges zu strukturierten und strukturlosen "Reichsbürgern und Selbstverwaltern" 70 4 Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates 71 5 Antisemitismus in Mecklenburg-Vorpommern 72 6 Waffenrechtliche Erlaubnisse 75 7 Linksextremismus 75 7.1 Lageüberblick 75 7.2 Linksextremistische Strukturen in MV 78 7.2.1 Gewaltorientierte Linksextremisten/Autonome 78 7.2.2 Dogmatischer Linksextremismus 81 7.3 Personenpotenzial 84 7.4 Straftatenaufkommen 85 7.5 Aktionsfelder 87 7.5.1 Aktionsfeld "Klimaschutz" 87 7.5.2 Aktionsfeld "Antifaschismus" 87 7.5.3 Aktionsfeld "Antirepression" 88 8 Islamismus/Islamistischer Terrorismus 89 8.1 Islamistische Bestrebungen 89 8.2 Entwicklung des Islamismus und islamistischen Terrorismus 92 8.2.1 Risiken durch Rückkehrende aus Syrien und Irak 93 8.2.2 Verhinderte islamistische Anschläge in Deutschland 94 8.2.3 Religiöser Wahn oder islamistische Motive - Herausforderungen bei der Einordnung von Gewaltstraftaten 95 8.3 Staatliche Maßnahmen gegen islamistischen Extremismus 96 8.3.1 Vereinsverbote 96 8.3.2 Aufenthaltsverfestigung ausländischer Islamisten 97 8.3.3 Islamismusprävention 98 8.4 Salafismus 100 8.5 Islamistische Nordkaukasische Szene (INS) 104 9 Sonstiger Ausländerextremismus 108 9.1 Personenpotenzial 108 9.2 Straftatenaufkommen 108 9.3 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 109 9.3.1 Allgemeines 109 9.3.2 Aktivitäten der PKK in MecklenburgVorpommern 112 9.3.3 Kooperation mit deutschen Linksextremisten 113 10 Spionageabwehr 117 10.1 Deutschland im besonderen Interessensfeld fremder Nachrichtendienste 117 10.2 Bedrohungen durch Cyberangriffe 120 10.3 Wirtschaftsschutz - eine Aufgabe der Spionageabwehr 123 10.4 Spionageabwehr MecklenburgVorpommern 125 11 Öffentlichkeitsarbeit 127 11.1 Aktivitäten 128 11.2 Informationsmaterialien 128 11.3 Aus und Fortbildung/Praktika 132 Abkürzungsverzeichnis 133 Glossar 137 Anlage 1 - Politisch motivierte Kriminalität (PMK) 159 Anlage 2 - Landesverfassungsschutzgesetz 162 1 "Wehrhafte Demokratie" - Auftrag und Verpflichtung des Verfassungsschutzes Grundsätzliches/Zweck des Verfassungsschutzes Der Verfassungsschutz ist eine entscheidende Säule der "Wehrhaften Demokratie". Darunter wird ein Bündel von verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen zusammengefasst, die den Kernbestand und die Grundprinzipien unserer Verfassungsordnung (siehe Abschnitt 1.2) - die freiheitliche demokratische Grundordnung - schützen sollen. Die "Wehrhafte Demokratie" ist durch folgende Wesensmerkmale gekennzeichnet: * Die Wertegebundenheit, d. h. unser Staat bekennt sich zu Werten, denen er eine besondere Bedeutung beimisst und die deshalb nicht zur Disposition stehen, * die Abwehrbereitschaft, d. h. der Staat ist gewillt, diese wichtigsten Werte gegenüber extremistischen Positionen zu verteidigen und * die Vorverlagerung der Beobachtung, d. h. der Staat reagiert nicht erst dann, wenn Extremisten gegen gesetzliche Normen verstoßen. Diese "Wehrhaftigkeit" ist eine Lehre aus der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, die auf legalistischem Wege durch Abschaffung der demokratischen Weimarer Republik entstanden ist. Politik und Staat sind daher aufgefordert, entschieden und entschlossen den unterschiedlichen totalitären Gefahren entgegenzutreten - bevor es zu spät ist! Als "Frühwarnsystem" soll der Verfassungsschutz in diesem Sinne aufklären, informieren, sensibilisieren, warnen und - soweit gesetzlich erlaubt - entsprechende Gefahren erforschen. 6 Dabei wird er unterhalb der Schwelle der konkreten Gefahr und des Anfangsverdachts einer Straftat tätig. Ihm kommt also die Funktion eines "Brandmelders" in Bezug auf politische Entwicklungen zu, die unsere freiheitliche demokratische Rechtsordnung und damit die Freiheit und Sicherheit der Menschen in diesem Land gefährden können. In diesem Sinne wird der Verfassungsschutz - anders als die Polizei - nur tätig, wenn ein politischer Bezug erkennbar ist. Seine Tätigkeit erstreckt sich daher auf entsprechende "Bestrebungen", die im Einzelnen als "Beobachtungsobjekte" festgelegt werden. Dies können rechtsextremistische Strukturen wie Parteien (z. B. die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD)) oder Neonazi-Kameradschaften, linksextremistische Strukturen wie gewalttätige Autonome oder islamistische Strukturen sein, die Freiheit und Sicherheit bedrohen. Dieser Handlungsauftrag des Verfassungsschutzes ist verfassungsrechtlich normiert.1 Er wird auf der Grundlage des Landesverfassungsschutzgesetzes (LVerfSchG M-V)2, also mit dem Willen des Landesgesetzgebers als Vertretung des Volkes, wahrgenommen und kontrolliert. Der Zweck des Verfassungsschutzes ist dementsprechend gesetzlich geregelt und im SS 1 des LVerfSchG M-V festgeschrieben: "Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder." Der Verfassungsschutz ist insoweit die maßgebliche Bewertungsinstanz für den politischen Extremismus in Deutschland. Er ist eine eigenständige Säule innerhalb der föderalen Sicherheitsarchitektur. Von der Tätigkeit des Verfassungsschutzes als Inlandsnachrichtendienst zu unterscheiden ist die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes (BND). Dieser beschafft außenund 1Vgl. Artikel 73 Nummer 10 b) und c) Grundgesetz. 2Siehe Anlage 2. 7 sicherheitspolitisch relevante Informationen über das Ausland. Das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) nimmt Verfassungsschutzaufgaben im Bereich der Bundeswehr wahr. Freiheitliche demokratische Grundordnung Der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (fdGO) ist Kernaufgabe der Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern. Damit ist aber nicht die Verfassung bzw. das Grundgesetz (GG) in seiner Gesamtheit gemeint, sondern die unabänderlichen obersten Wertprinzipien als Kernbestand der Demokratie. Diese fundamentalen Wertprinzipien bestimmen die Gesetzgebung des Bundes und der Länder, so auch der Verfassungsschutzgesetze. Zu diesen Grundsätzen gehören folgende Verfassungsprinzipien: * das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, * die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Recht und Gesetz, * das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, * die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, * die Unabhängigkeit der Gerichte, * der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft sowie * die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. 8 Nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)3 umfasst der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Artikel 21 Absatz 2 Grundgesetz nur jene zentralen Grundprinzipien, "die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind". Dazu zählen die Menschenwürde, das Demokratieprinzip und das Rechtsstaatsprinzip. Das BVerfG hat darüber hinaus klargestellt, dass neben der Verletzung der Menschenwürde, der Grundsätze der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auch eine Verächtlichmachung des Parlamentarismus sowie das Missachten des staatlichen Gewaltmonopols eine Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung darstellen. Wesentliche gesetzliche Grundlagen im Überblick Für die Arbeit des Verfassungsschutzes sind, neben dem Grundgesetz und der Verfassung des Landes MecklenburgVorpommern, insbesondere das * Landesverfassungsschutzgesetz Mecklenburg-Vorpommern (LVerfSchG M-V), * das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz) und * das Sicherheitsüberprüfungsgesetz MecklenburgVorpommern (SÜG M-V) für die Gewährleistung des materiellen und personellen Geheimschutzes maßgebend. Verfassungsschutzverbund von Bund und Ländern Der Verfassungsschutz in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) ist föderal organisiert. Dementsprechend existieren 17 Verfassungsschutzbehörden, also ein Bundesamt (Bundesamt für Verfassungsschutz) und 16 Landesbehörden für 3Vgl. Urteil im Verbotsverfahren gegen die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (2 BvB 1/13) vom 17.01.2017. 9 Verfassungsschutz (LfV). Die Verfassungsschutzbehörden der Länder sind entweder eine Abteilung des jeweiligen Innenressorts (zwölf Bundesländer) oder eine eigenständige Landesoberbehörde (vier Bundesländer). Der Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern ist seit 1991 eine Abteilung des Ministeriums für Inneres, Bau und Digitalisierung (Abteilung 5) und gliedert sich in fünf Referate. Für weitere Informationen zum Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern wird auf die Internetseite www.verfassungsschutz-mv.de hingewiesen. Aufgaben des Verfassungsschutzes Das Bundesamt für Verfassungsschutz und die LfV haben, ihrem gesetzlichen Auftrag folgend, Informationen, insbesondere sachund personenbezogene Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen zu sammeln und auszuwerten über: * Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes und eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben, * sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht, * Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt o- der darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden und * Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Absatz 2 GG) oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Absatz 1 GG) gerichtet sind. Diese Bestrebungen werden als sogenannte Beobachtungsobjekte bezeichnet, die auf der Grundlage der gesetzlichen Voraussetzungen bestimmt werden. 10 Ferner wirken das Bundesamt für Verfassungsschutz und die LfV mit * bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, * bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen sowie bei der Überprüfung von Personen in sonstigen gesetzlich bestimmten Fällen, * bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte und * bei Parteiund Vereinsverbotsverfahren. Informationsbeschaffung Den weitaus größten Teil ihrer Informationen (ca. 80 Prozent) gewinnen die Verfassungsschutzbehörden aus offenen, allgemein zugänglichen Quellen - also aus Druckerzeugnissen wie Zeitungen, Flugblättern, Programmen, Aufrufen und aus dem Internet. Die Beschäftigten der Verfassungsschutzbehörden besuchen öffentliche Veranstaltungen und befragen dort auch Personen, die sachdienliche Hinweise geben können. Bei diesen Gesprächen auf freiwilliger Basis treten die Beschäftigten des Verfassungsschutzes offen auf. Mit der Sammlung offenen Materials entsteht allerdings nicht immer ein vollständiges Bild. Gegenüber konspirativen Methoden versagen diese Mittel der Nachrichtengewinnung. Nicht alle Extremisten verfassen nach der Tat Bekennerschreiben oder nennen gar ihren wahren Namen. Spione veröffentlichen keine Programme und verteilen keine Flugblätter. Um auch getarnte oder geheim gehaltene Aktivitäten beobachten zu können, ist dem Verfassungsschutz im Rahmen gesetzlich festgelegter 11 Befugnisse und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Gebrauch nachrichtendienstlicher Mittel zur Informationsgewinnung gestattet. Zu diesen gesetzlich vorgesehenen Methoden der verdeckten Nachrichtenbeschaffung gehören insbesondere * die Observation, * der Einsatz von Vertrauenspersonen (VP) und Gewährspersonen, * Bildund Tonaufzeichnungen und * die Überwachung des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs nach Maßgabe des Artikel-10-Gesetzes. Kontrolle Für die Arbeit des Verfassungsschutzes gelten strenge rechtsstaatliche Maßstäbe. Eingriffe in die Privatund Freiheitsrechte der Bürger sind den Verfassungsschutzbehörden nur auf gesetzlicher Grundlage gestattet. Damit die Bürgerinnen und Bürger darauf vertrauen können, dass die Verfassungsschutzbehörden sich an ihren gesetzlichen Auftrag und an die für die Tätigkeit geltenden Rechtsbestimmungen halten, unterliegen sie der Kontrolle auf mehreren Ebenen: * der allgemeinen parlamentarischen Kontrolle durch die Abgeordneten des Landtages Mecklenburg-Vorpommern aufgrund von Berichtspflichten des Ministers für Inneres, Bau und Digitalisierung im Rahmen von Aktuellen Stunden, Kleinen und Großen Anfragen oder Petitionen, * einer besonderen parlamentarischen Kontrolle durch die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) des Landtages und ggf. durch einen Untersuchungsausschuss, * Postkontrollen und Telefonüberwachungen müssen durch die G 10-Kommission des Landtages genehmigt werden, * des Landesbeauftragten für den Datenschutz und Informationsfreiheit Mecklenburg-Vorpommern (LfDI M- 12 V) in Bezug auf die Einhaltung von Datenschutzvorschriften und sein Recht zur Akteneinsicht, * des Landesrechnungshofs Mecklenburg-Vorpommern (LRH M-V) in Bezug auf das Haushaltsrecht, * der justiziellen Überprüfung seines Handelns, soweit es dafür einen Anlass gibt sowie * der ständigen und intensiven Überwachung durch die Öffentlichkeit und Medien, die die Aufgaben und Arbeit des Verfassungsschutzes kritisch würdigen. Verhältnis von Verfassungsschutz und Polizei/Straftatenaufkommen PMK Verfassungsschutz und Polizeibehörden sind organisatorisch voneinander getrennt4. Somit steht die Ausübung polizeilicher oder strafprozessualer Eingriffsbefugnisse, zum Beispiel die Durchsuchung von Personen oder Sachen, die Beschlagnahme oder Festnahme von Personen, dem Verfassungsschutz nicht zu. Halten Beschäftigte des Verfassungsschutzes ein polizeiliches Eingreifen für geboten, unterrichten sie die Polizei. Diese entscheidet, ob und ggf. wie sie in eigener Zuständigkeit tätig wird. Der Verfassungsschutz unterliegt - im Gegensatz zu Polizei und Staatsanwaltschaft - nicht dem Legalitätsprinzip, so dass er nicht in jedem Fall Strafverfolgungsmaßnahmen initiieren muss, wenn er Kenntnis von einer Straftat erlangt. Die Kompetenzverteilung lässt sich im Überblick wie folgt darstellen: 4Vgl. SS 2 Absatz 2 LVerfSchG M-V. 13 Polizei Verfassungsschutz * Legalitätsprinzip bei * Opportunitätsprinzip Strafverfolgungsmaßnahmen, Opportunitätsprinzip bei Gefahrenabwehr * allgemeine Gefahrenab- * Aufklärung von politiwehr und Strafverfolschem Extremismus gung durch offene und durch offene und ververdeckte Informationsdeckte Informationsgegewinnung winnung * Eingriffsbefugnisse * keine polizeilichen Eingriffsbefugnisse * Einsatz von Zwangsmit- * keine Zwangsmittel teln Dieses organisatorische Trennungsgebot bedeutet jedoch nicht, dass Polizei, Strafverfolgungsbehörden und Verfassungsschutz nicht zusammenwirken dürfen. Im Gegenteil: Im Sinne eines notwendigen ganzheitlichen Aufklärungsund Bekämpfungsansatzes extremistischer Bedrohungen ist eine informationelle Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz im Rahmen der gesetzlichen Grundlagen unverzichtbar. Diese findet sowohl in der alltäglichen Arbeit zwischen den zuständigen Dienststellen als auch institutionalisiert mit allen Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern in zwei gemeinsamen Zentren statt: Für den Bereich des islamistischen Terrorismus seit 2004 im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) in Berlin und für die Bereiche Rechtsund Linksextremismus seit 2012 im Gemeinsamen Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) in Köln. Verfassungsschutz und Polizei aller Länder sind in den Zentren durch Verbindungsbeamte vertreten. 14 Für das Jahr 2021 hat das Landeskriminalamt MecklenburgVorpommern (LKA M-V) insgesamt 1.736 Fälle der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) erfasst. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies einen Anstieg um 350 Fälle. Insbesondere bei den Straftaten im Kontext der Corona-Pandemie wurde im Berichtszeitraum ein deutlicher Anstieg um 234 Fälle auf 292 Straftaten festgestellt. Insgesamt konnten 223 Straftaten keinem Phänomenbereich zugeordnet werden, darüber hinaus wurden 28 Gewaltdelikte in diesem Zusammenhang registriert, wovon 22 ohne Zuordnung zu einem Phänomenbereich der PMK verblieben. 15 2 Rechtsextremismus/-terrorismus 2.1 Lageüberblick Wie bereits im Verfassungsschutzbericht 2020 prognostiziert, bestand auch für das Jahr 2021 eine rechtsextremistische Bedrohungslage für Mecklenburg-Vorpommern fort. Dabei bilden, getragen von den gesellschaftlichen Einflüssen der COVID-19Pandemie, die weitere Individualisierung extremistischer und terroristischer Erscheinungsformen sowie Radikalisierungsprozesse bundesweit eine der größten Herausforderungen für die Sicherheitsbehörden. Diese sehen sich mit einem zunehmend digitalisierten wie auch internationalisierten Extremismus/Terrorismus konfrontiert. Hierbei lässt sich dieser analog einem Baukastensystem modular und höchstpersönlich nach Ideologie, Zielstellung, Feindbild sowie Modus Operandi konstruieren. Dabei wirken die zumeist geschlossenen Plattformen mit sich selbst bestätigenden Kommunikationsinhalten im Internet als Radikalisierungsspiralen innerhalb der rechtsextremistischen Szene. Wie bereits seit einigen Jahren festgestellt werden konnte, äußern sich die in der rechtsextremistischen Weltsicht vorhandenen Zukunftsdystopien insbesondere auch in entsprechenden Vorbereitungshandlungen. Das Trainieren für einen vermeintlichen Straßenkampf, das Sammeln von Waffen oder das bloße Anhäufen von Nahrung und sonstigen Gütern - der rechtsextremistische Blick in die Zukunft bildet die Grundlage für eine "persönliche Notfallvorsorge" im Lichte eines selbstdefinierten "Tag X"5. Insofern verwundert es nicht, dass auch im Jahr 2021 eine ideologisch aufgeladene Krisenvorsorge durch Rechtsextremisten festgestellt werden konnte. Insbesondere im Zuge der Verschärfung der Maßnahmen zur Eindämmung der CoronaPandemie und der einsetzenden Diskussion um eine mögliche Impfpflicht erstarkte die diesbezügliche Agitation aus dem rechtsextremistischen Spektrum. So wurde beispielsweise behauptet, dass eine "Hygiene"-bzw. "Gesundheits-Diktatur" 5Erläuterung siehe S. 19. 16 errichtet werden solle. Auch wurde unterstellt, dass es bei den Impfungen nicht um Gesundheitsschutz gehe, sondern um die "totale Macht des Staates über seine Bürger". Nichtextremistische Versammlungen, die im Kontext der Corona-Pandemie stattfanden, wurden genutzt, um eigene politische Botschaften zu verbreiten und einen Systemwechsel zu propagieren. Unter den Versammlungsteilnehmern der landesweit durchgeführten Demonstrationen wurden vermehrt auch Rechtsextremisten festgestellt. Darüber hinaus war zu verzeichnen, dass die Pandemie und gegensteuernde staatliche Maßnahmen durch Rechtsextremisten zum Anlass genommen wurden, um antisemitische Narrative und Einstellungen zu befördern. Zudem war eine Zunahme politisch motivierter Kriminalität gegen Amtsund Mandatsträger zu verzeichnen. Insbesondere kommunale Mandatsträger - als Vertreter des Staates vor Ort - rückten in den Fokus gewaltorientierter Rechtsextremisten. Besorgniserregend waren insbesondere auch gewaltbezogene Äußerungen in den sozialen Netzwerken und MessengerDiensten. 17 2.2 Personenpotenzial Rechtsextremismuspotenzial6 M-V M-V Bund Bund nach Organisations2020 2021 2020 2021 grad in Parteien: ca. 4007 ca. 4008 13.250 12.900 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" 170 160 3.500 3.150 (NPD) "DIE RECHTE" 10 10 550 500 "Der III. Weg" 20 30 600 650 in parteiunabhängigen bzw. parteiungebunde640 680 7.800 8.500 nen Strukturen weitgehend unstrukturiertes rechtsextremistisches 720 710 13.700 15.000 Personenpotenzial Gesamt9 1.760 1.790 33.300 35.000 davon gewaltorientierte 700 680 13.300 13.500 Rechtsextremisten 6Alle Zahlen sind Rundungswerte. 7Enthält Personenpotenzial hier nicht ausgewiesener Parteistrukturen, einschließlich Verdachtsfällen. 8Enthält Personenpotenzial hier nicht ausgewiesener Parteistrukturen, einschließlich Verdachtsfällen. 9Zahl nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften. 18 2.3 Straftatenaufkommen Im Jahre 2021 registrierte das Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern im Bereich der politisch motivierten Kriminalität im Phänomenbereich "Rechts" 971 Straftaten (2020: 1.012) von insgesamt 1.736. Davon wurden insgesamt 916 (2020: 981) als rechtsextremistisch klassifiziert, unter anderem, weil sie antisemitisch oder fremdenfeindlich motiviert waren. Den Schwerpunkt der Straftaten bildeten mit 655 Vorfällen (2020: 698) erneut die Propagandadelikte. Weiterhin wurden 49 (2020: 53) Gewalttaten mit rechtsextremistischer Motivation registriert, darunter 35 (2020: 28) mit einer fremdenfeindlichen Ausrichtung. Die Anzahl antisemitisch motivierter Straftaten ist im Jahr 2021 mit 71 gegenüber dem Vorjahr (72) in etwa gleichgeblieben. Darunter ist im Berichtsjahr ein Gewaltdelikt (2020: 2). 2.4 Militanter Rechtsextremismus / Rechtsterrorismus Mit Blick auf die Lageentwicklung in der Pandemie stellte der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern bereits zu Beginn des Jahres fest, dass im Spektrum verschwörungsideologischer Akteure ein besorgniserregendes Radikalisierungspotenzial existiert, das auch die Bereitschaft zur Begehung von Gewalttaten miteinschließt. So zeigte beispielsweise die Ermordung eines Tankstellenmitarbeiters am 18. September 2021 in Idar-Oberstein (Rheinland-Pfalz) die diesen Ideenwelten immanente Gefahr für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Gerade in dem von der COVID-19-Pandemie bestimmten verschwörungsideologischen Spektrum verschwimmen die Radikalisierungsprozesse zwischen den bekannten Phänomenbereichen zusehends. Dies erschwert eine präzise Prognose, da lediglich einzelne Teilnehmer der Anti-Corona-Demos als Extremisten einzustufen sind. Festzustellen bleibt jedoch, dass jede pandemische Lageverschärfung und damit einhergehende staatliche Maßnahmen zum Nachteil einzelner Interessengruppen als ein möglicher Ausgangspunkt für schwerste Gewalttaten gesehen werden 19 müssen. Hierbei ist festzustellen, dass der vermeintliche Gegner zusehends entmenschlicht wird. Daher werden alle für die Pandemiebekämpfung wirkenden Einzelpersonen als Teil des Gesamtsystems verstanden und bekämpft. Dies betrifft sowohl öffentliche Personen, als auch im Hintergrund wirkende Akteure oder Privatpersonen. Exemplarisch können hier die Umsturzfantasien in Bezug auf das "nicht reformierbare System" angeführt werden. Diese beziehen sich zum Beispiel auf einen "Rassenkrieg", welcher zur Vorherrschaft der weißen Rassen führen soll oder auf einen Umsturz zum Aufbau eines nationalsozialistischen Führerstaates. Gemein haben diese Ideenbilder jedoch die Legitimation der Gewaltanwendung und die Annahme, dass es einen "Zeitpunkt X" gäbe, welcher auch aktiv - durch terroristische Taten - herbeigeführt werden könnte. Diese seit jeher in der rechtsextremistischen Weltsicht verankerten Denkmuster erreichen durch die fortschreitende Digitalisierung einen größeren Personenkreis. Rechtsterroristische Attentäter werden glorifiziert und im Sinne eines weltumfassenden Rassenkrieges als Teil einer Bewegung verstanden. Dabei propagiert diese (digitale) Gemeinschaft das Prinzip des "führerlosen Widerstandes" und fördert damit einen Individualterrorismus, welcher im Nachgang der "Bewegung" zugerechnet werden kann - eine Handlungsform, die bislang zumeist im Bereich des islamistischen Terrorismus zu beobachten war. Eine zunehmende Gewaltbefürwortung fördert die Entmenschlichung des ideologischen Feindes und senkt in der Folge die moralischen Hemmschwellen weiter ab. Die hohe terroristische Bedrohungslage ist im Ergebnis auch mit Blick auf das Jahr 2022 eine maßgebliche Grundlage für die Arbeit des Verfassungsschutzes Mecklenburg-Vorpommern. Dabei bilden sowohl verschwörungsideologisch geprägte Gewalttaten mit besonderem Bezug auf die COVID-19-Pandemie, als auch Anschläge durch "klassische" rechtsterroristische Akteure mögliche Szenarien, welche es durch eine effektive Vorfeldaufklärung zu verhindern gilt. 20 2.4.1 Fallkomplex "Nordkreuz" / "Gruppe G." Der als Fallkomplex "Nordkreuz" bekannt gewordene Sachverhalt ist seit Jahren im Fokus der Sicherheitsbehörden auf Bundesund Länderebene. Neben anderen Gruppierungen innerhalb dieses Komplexes hat sich besonders für Mecklenburg ein rechtsextremistischer Personenzusammenschluss ("Gruppe G.") herauskristallisiert, der einen herausragenden Arbeitsschwerpunkt für den Verfassungsschutz im Land bildet. Die im Rahmen der geführten Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse legten dabei ein ideologisches Fundament der "Gruppe G." offen, welches auf einem klaren rechtsextremistischen Weltbild und einer ausgeprägten Ausländerund Muslimfeindlichkeit fußt. Das von Akteuren der "Gruppe G." propagierte, stark rassistisch geprägte und zugleich gewaltbefürwortende "Gut-Böse-Wertebild" orientiert sich unmittelbar an deren identifizierten Feindbildern, wie diese exemplarische Darstellung der multiund bilateralen Kommunikationsinhalte zeigt: Bilder, welche von Akteuren der "Gruppe G." geteilt wurden. 21 Getragen von einer verschwörungsideologischen Weltsicht und einer offenen Verherrlichung des historischen Nationalsozialismus formierte sich ein waffenaffiner Personenzusammenschluss, welcher sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richtet. Wenngleich die Ermittlungen des GBA den Anfangsverdacht der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nicht bestätigten, handelt es sich aus Sicht des Verfassungsschutzes Mecklenburg-Vorpommern weiterhin um eine rechtsextremistische Bestrebung. Eine besondere Bedeutung hat der Fallkomplex "Nordkreuz" dadurch, dass extremistische Akteure auch in (Sicherheits-)Behörden aktiv sind. In der Aufklärung von "Nordkreuz/der Gruppe G." stand der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern auch im Jahr 2021 in engem Kontakt mit anderen Sicherheitsbehörden, um die gewonnenen Erkenntnisse zu verdichten. Den Schwerpunkt bildete eine Vielzahl waffenrechtlicher Entzugsverfahren. Zur "Gruppe G." ist abschließend für das Jahr 2021 zu konstatieren, dass diese weiterhin aktiv ist und klandestin agiert. 2.5 Aktivitäten von Rechtsextremisten im Kontext der Corona-Pandemie Rechtsextremisten versuchten auch im Jahr 2021, die Gefährlichkeit des Coronavirus zu verharmlosen und das demokratische System zu diskreditieren, indem die angeordneten staatlichen Maßnahmen als überzogen dargestellt und eine unangemessene Einschränkung der Grundrechte kritisiert wurde. Hierzu wurde unter anderem zur Teilnahme an Protestveranstaltungen aufgerufen, Flugblätter verteilt oder themenbezogene Internetbeiträge verbreitet. Zudem wurde versucht, sich mit Gewerbetreibenden zu solidarisieren, deren Geschäfte von Schließungen betroffen waren. 22 2.5.1 Internetveröffentlichungen von rechtsextremistischen Parteien und Vereinigungen Der NPD-Landesverband MV veröffentlichte im Internet ein Plakat mit der Aufschrift "Die Regierenden zerstören unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft! Wehrt euch! NPD" und forderte dazu auf, dieses zu veröffentlichen. Darüber hinaus lag der Schwerpunkt aber in der Vereinnahmung des Protestpotenzials, was u.a. am Aufruf "Egal was ihr tut, setzt gegen diese menschenund volksfeindliche Politik Zeichen, vernetzt euch und werdet aktiv!"10 deutlich wird. Anfang und Mitte November 2021 kam es auch durch die neonazistischen Parteien "DIE RECHTE" und "Der III. Weg" zu immer häufigeren Internetveröffentlichungen auf ihren jeweiligen Webseiten. DIE RECHTE proklamierte unter den Titeln wie "Gesellschaftsspaltung durch 2G" und "Droht uns ein neuer Lockdown?" 11 die Unglaubwürdigkeit der Regierung, insbesondere durch das Aufzeigen vermeintlicher politischer Versäumnisse, Panikmache und falscher Versprechungen. "Der III. Weg" verbreitete unter Überschriften wie "Diskriminierung und nie endender Impfzwang: BRD-Herrschende wollen totale Impfdiktatur"12 Äußerungen, die Lesern u.a. eine "Impfdiktatur auf Lebenszeit" suggerieren sollten und die politischen Corona-Maßnahmen scharf kritisierten (siehe auch Abschnitt 4."Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates"). Wie rechtsextremistische Parteien die Corona-Pandemie für ihre politischen Ziele nutzen, wird am Beispiel des Vorsitzenden der rechtsextremistischen Kreistagsfraktion "Heimat und Identität" LudwigslustParchim, die NPD-Mitglieder in ihren Reihen 10Facebook-Seite "NPD-Landesverband MuP" vom 08.02.2021, abgerufen am 09.02.2021. 11Internetseite DIE RECHTE, abgerufen am 18.11.2021, 22.11.2021 und 23.11.2021. 12Internetseite Der III. Weg, abgerufen am 18.11.2021 und 22.11.2021. 23 hat, deutlich. Er nahm einen Pressebericht über die Einführung einer Impfpflicht in Österreich zum Anlass, von einem "Jahrhundertverbrechen" zu sprechen. Es sei in der Pandemie immer nur um die Impfung gegangen. Nunmehr zeige sich immer deutlicher, dass das "System" beseitigt werden müsse, "restlos und vollständig".13 Die Facebook-Seite des "Uecker-Randow"-Boten, für die ein ehemaliger NPD-Landtagsabgeordneter verantwortlich ist, veröffentlichte im Februar 2021 ein Video "Ein Licht gegen den Corona Wahnsinn". Darin waren einige der vielerorts vor geschlossenen Läden, Rathäusern und dem Wahlkreisbüro der Bundeskanzlerin aufgestellten Grabkerzen zu sehen. Es fanden sich Bezüge zu Aktionen in Burg Stargard, Stralsund, Neubrandenburg, Ueckermünde, Pasewalk, Eggesin und Anklam. 14 Der rechtsextremistische Verein "DML - Deutschland muss Leben - Nationales Hilfswerk e.V" teilte auf seiner Facebook-Seite einen Aufruf der Partei "Der III. Weg" zum Widerstand. In dem Beitrag hieß es: "DAS SYSTEM HAT KEINE FEHLER! ES IST DER FEHLER! VOM PROTEST ZUM WIDERSTAND! REIH DICH EIN UND WERDE AKTIV!"15 Darüber hinaus wurden von Rechtsextremisten weitere themenbezogene Grafiken in den sozialen Netzwerken veröffentlicht und öffentlich zum "Widerstand" aufgerufen: 13Facebook-Seite des Vorsitzenden der Fraktion "Heimat und Identität" vom 20.11.2021, abgerufen am 22.11.2021. 14Facebook-Seite "Der Uecker-Randow Bote" vom 09.02.2021, abgerufen am 09.02.2021. 15Facebook-Seite "DML-Deutschland-muss-Leben-NationalesHilfswerk-eV", abgerufen am 30.11.2021. 24 16 Im Ergebnis ist festzustellen, dass Rechtsextremisten die Verunsicherung von Menschen im Zusammenhang mit den Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie nutzten, um Misstrauen gegen staatliche Institutionen sowie etablierte Politiker und Medien zu schüren und neue Anhänger zu gewinnen. 2.5.2 Einflussbemühungen von Anhängern rechtsextremistischer Personenzusammenschlüsse auf das Demonstrationsgeschehen, Flugblattverteilungen und sonstige Aktivitäten Rechtsextremisten versuchten mit verschiedenen Aktivitäten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, aktiv-kämpferisch gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorzugehen. Hierzu einige Beispiele: - Am 4. Februar 2021 waren in Stralsund vielfach vor Einzelhandelsgeschäften, gastronomischen Betrieben, dem Wahlkreisbüro der Bundeskanzlerin und diversen Dienstleistern Grabkerzen und zum Teil schwarze Holzkreuze mit den Aufschriften "Einzelhandel, Gastronomie, Arbeitnehmer, Künstler und Tourismus" aufgestellt worden. Des Weiteren fiel ein Zettel mit dem 16Facebook-Seite "Deutschland gegen den Corona-Wahnsinn" vom 29.11.2021, abgerufen am 29.11.2021. 25 Hinweis "Hier ruht ein Opfer der völlig überspitzten Maßnahmen einer unfähigen Regierung" auf. Zuvor hatte die rechtsextremistische "Aktionsgruppe NordOst" ein Trauerplakat aus der Stralsunder Altstadt mit der Aufschrift "Hier ruht der Einzelhandel" veröffentlicht und von einem sichtbaren Zeichen "des allgegenwärtigen Verfalls unseres Landes" gesprochen.17 - Mitglieder der rechtsextremistischen Partei "Der III. Weg" verteilten Anfang Februar 2021 Flugblätter in Neustrelitz, Bützow und Steinhagen zum Thema "Das System ist gefährlicher als Corona!", wie schon am 23. Januar 2021 in der Hansestadt Rostock. Im November 2021 kam es unter dem Motto "Gegen die Coronadiktatur im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte" erneut zu Flugblattverteilaktionen der Partei "Der III. Weg" u. a. in Stavenhagen. Die Flugblätter trugen den Titel: "Freiheit statt Corona-Impfzwang; Selbstbestimmung-Volksgesundheit", mit denen die Stadt laut Internet-Beitrag des "III. Wegs" "komplett eingedeckt" wurde18. Darüber hinaus unterstützten Mitglieder des "III. Wegs" die Montagsproteste in Wolgast und Benz, indem sie u. a. die "Hysterie um Corona" nach eigenen Angaben satirisch aufgriffen und sich als "Pestdoktoren" verkleideten. - Der NPD-Landesverband mobilisierte auf seiner Facebook-Seite für die Teilnahme an einer Demonstration der bundesweiten Kampagne "Es reicht! WIR gestalten unsere Zukunft" am 17. April 2021 in Parchim. Auch die rechtsextremistische Kreistagsfraktion aus Ludwigslust-Parchim "Heimat und Identität" mobilisierte zu einer Teilnahme an der vorgenannten Versammlung. Im Nachgang veröffentlichte die NPD MV Bilder von der 17Facebook-Seite "Aktionsgruppe Nord-Ost" vom 28.01.2021, abgerufen am 03.02.2021. 18Internetseite Der III. Weg vom 07.11.2021, abgerufen am 18.11.2021. 26 Versammlung und sprach von mehr als 1.000 Teilnehmern, wobei sich nach eigenen Angaben "eine Vielzahl" von NPD-Mitgliedern am Protest beteiligt habe. Es war von "gewaltsamen Übergriffen der Polizei auf Demonstranten" die Rede, welche sich "nicht den unsinnigen Auflagen der Versammlungsbehörde unterwerfen wollten und ihr Recht auf Protest eigenständig" durchgesetzt hätten. 19 - Die "Identitäre Bewegung Mecklenburg-Vorpommern" (IB M-V) behauptete, dass die "allgegenwärtige Coronapolitik" den "Eliten" als "willkommener Anlass" diene, das Leben in der westlichen Welt in Richtung eines "globalen Ökosozialismus" radikal umzugestalten, und befestigte in Stralsund an einer Autobahnbrücke ein Transparent mit der Aufschrift "Great Reset stoppen".20 Die vorgenannten Beispiele zeigen, dass trotz gesteigerter Aktivitäten von Rechtsextremisten im Jahresverlauf im Kontext der Corona-Pandemie nur wenige Personen über die eigene Klientel hinaus erreicht werden konnten. 2.6 Trefforte der rechtsextremistischen Szene Beeinflusst durch die staatlichen Einschränkungen in der Corona-Pandemie wurden im Berichtszeitraum weniger Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene durchgeführt. Die durch Rechtsextremisten genutzten Immobilien wurden jedoch weiterhin als Treffund Veranstaltungsorte genutzt und blieben zentrale Anziehungspunkte in der Szene beispielsweise für Konzerte, Vernetzungstreffen und Kameradschaftsabende. Die wichtigsten Trefforte blieben - wie in den Vorjahren - das "Haus Jugendstil" (Sitz des NPD-Landesverbandes) in Anklam, 19Facebook-Seite "NPD-Landesverband MuP" vom 17.04.2021, abgerufen am 20.04.2021. 20Telegram-Seite "Identitäre Bewegung Mecklenburg-Vorpommern" vom 19.06.2021, abgerufen am 21.06.2021 27 Landkreis Vorpommern-Greifswald, sowie das "Thinghaus" in Grevesmühlen, Landkreis Nordwestmecklenburg. Hinzu kamen insbesondere Proberäume rechtsextremistischer Musikgruppen, Trefforte in Garagenkomplexen, private Trainingsräume o- der auch Bungalows in Kleingartenanlagen. Im Jahr 2021 wurden in der landesweit bekanntesten Immobilie "Thinghaus" rechtsextremistische Veranstaltungen im niedrigen einstelligen Bereich festgestellt. Die in den Jahren bis 2019 dort stattgefundenen Veranstaltungen, wie Kampfsporttrainings, Kneipenabende oder Konzerte der rechtsextremistischen Szene wurden zum Teil an anderen Orten oder aufgrund der staatlichen Einschränkungen zur Eindämmung der CoronaPandemie gar nicht durchgeführt. Viele kleinere Veranstaltungen, wie Grillfeste und Geburtstagsfeiern, wurden vorübergehend auf private Grundstücke oder in überwiegend zu Wohnzwecken genutzte Räumlichkeiten einzelner Rechtsextremisten verlagert. 2.7 Weitgehend unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial / rechtsextremistische Subkultur Die Szene der rechtsextremistischen Subkultur umfasst einzelne Personen, die zumeist durch politisch motivierte, fremdenfeindliche und antisemitische Straftaten oder auch Gewaltdelikte auffallen. Beispielhaft sind hier das Verwenden von Hakenkreuzen und SS-Runen sowie fremdenfeindliche Angriffe zu nennen. Das subkulturelle Personenpotenzial ist nur zum Teil in losen, örtlichen Personenzusammenschlüssen gebunden. Bei diesen Personen stehen vielmehr Aktivitäten mit Erlebnischarakter, wie rechtsextremistische Konzerte, Demonstrationen und Sportveranstaltungen im Vordergrund. Von ihnen geht nur selten eine politische Eigeninitiative aus, jedoch ist die Personengruppe leicht für (partei)politische Veranstaltungen wie zum Beispiel Demonstrationen und andere rechtsextremistische Aktionen mobilisierbar. 28 Beispielhaft sind folgende bei der Polizei angezeigte Delikte zu nennen, für die tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie aus dem subkulturellen Spektrum begangen wurden: - 1. Juni 2021 in Pasewalk: Der Beschuldigte versuchte der Geschädigten ihre Regenbogen-Flagge zu entreißen, die diese sich um die Hüfte gebunden hatte. Bei dieser Handlung stürzte die Geschädigte und verletzte sich. Weiterhin beleidigte der Beschuldigte die Geschädigte mit den Worten "Lesbe", "Transe" und "Abschaum für die Menschheit". Der Beschuldigte sagte selbst von sich, dass er ein Neonazi sei und die Fahne als "menschenverachtend" empfinde. - 5. Juni 2021 in Wismar: Der Geschädigte teilte mit, von zwei Männern ohne Grund ins Gesicht geschlagen worden zu sein. Dies wurde durch eine Zeugin bestätigt. Der Geschädigte wurde zuvor mit den Worten: "schwarzer Mann geh nach Hause, du schwarzer Affe" beleidigt. - 7. September 2021 in Rostock: Der Geschädigte aus Eritrea hielt sich an einem S-Bahn-Haltepunkt in Rostock/Lütten Klein auf, als er von einer männlichen Person mit den Worten "Verpiss dich in dein Land zurück" und "Scheiß Ausländer" angesprochen wurde. Anschließend erhielt er noch einen Schlag mit der flachen Hand ins Gesicht. - 16. Oktober 2021 in Güstrow: Der alkoholisierte Beschuldigte drohte ausländischen Jugendlichen aus einem Fenster heraus, dass er sie umbringen würde. Er bezeichnete sie als "Scheiß Ausländer", "Schmarotzer", sie sollen aus Deutschland "abhauen", sonst würde er ihnen die "Fresse einschlagen". Dabei wurden auch zwei Flaschen geworfen. 29 2.7.1 Rechtsextremistische Musikveranstaltungen Rechtsextremistische Konzerte dienen der Pflege des szeneinternen Milieus und der ideologischen Selbstvergewisserung und haben in der Szene einen hohen Stellenwert. Die Coronapandemie hat das rechtsextremistische Konzertgeschehen bzw. die Veranstaltungen mit Livemusik jedoch stark beeinträchtigt. Im Ersten Quartal 2021 wurden aufgrund von behördlichen Veranstaltungsuntersagungen und Corona-Schutzauflagen bundesweit viele Veranstaltungen mit Livemusik abgesagt oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Daher hat sich die Anzahl der stattgefundenen Veranstaltungen bundesweit seit Pandemiebeginn erheblich reduziert. Es wurden lediglich kleinere rechtsextremistische Musikveranstaltungen wie Liederabende mit geringen Besucherzahlen durchgeführt. Im Jahr 2021 fanden in Mecklenburg-Vorpommern lediglich zwei rechtsextremistische Konzerte mit Live-Auftritten (Vgl. zu 2020: 4, 2019: 10) und zwei Liederabende statt (Vgl. zu 2020: 0, 2019: 5). Die beiden Konzerte wurden im Landkreis Vorpommern-Greifswald mit einer Teilnehmerzahl von jeweils unter 100 Personen durchgeführt. Die Liederabende fanden in Schwerin bzw. Greifswald mit geringer Teilnehmerzahl statt. In der Vergangenheit wurden die Veranstaltungen meist in Szeneobjekten durchgeführt, coronabedingt in den Sommermonaten auch in den Gärten bzw. auf privaten Grundstücken von Szeneangehörigen. Die Zahl der regelmäßig öffentlich aktiven Bands aus Mecklenburg-Vorpommern lag seit 2019 unverändert bei zehn. Zu den bekanntesten rechtsextremistischen Musikgruppen zählten weiterhin "Path of Resistance", "Painful Awakening", "Thrima" und die "Die Liebenfels Kapelle"/"Skalinger". Auch 2021 gehörte der Liedermacher "F.i.e.L." ("Fremde im eigenen Land") aus dem Raum Grevesmühlen zu den bundesund europaweit aktivsten rechtextremistischen Musikern. 30 2.7.2 Szeneläden/Versandhandel Die Vertriebe sind eine wichtige Einnahmequelle für die rechtsextremistische Szene. Aufgrund der Corona-Pandemie wurden - wie im Jahr 2020 - keine rechtsextremistischen Verkaufsstände in der Öffentlichkeit bekannt. Die Tätigkeit der Vertriebe hat sich hierzulande nahezu ausschließlich ins Internet verlagert. Die rechtsextremistische Vertriebsszene in Mecklenburg-Vorpommern bietet in ihrem Sortiment rechtsextremistische Musik, Bekleidung sowie Gegenstände mit NS-verherrlichender Kunst an, ebenso Propagandamaterial wie Flyer, Aufkleber, Plakate und Fahnen. Im Raum Anklam existiert ein rechtsextremistischer Szeneladen namens "New Dawn Streetwear" mit dem dazugehörenden "4uvinyl-Versand". Der Onlineshop "Wehrmacht1945.de" bietet eine Reihe von Gegenständen zur Verherrlichung der Wehrmacht an und richtet sich in erster Linie an die gewaltorientierte Neonaziszene. Das Angebot des "Pommerschen Buchdienstes" im "Haus JugendStil" in Anklam enthält u.a. antiquarische Schriften aus der Zeit des Nationalsozialismus, aber auch Schmuck mit keltischen Motiven sowie Marschund Soldatenlieder. 2.8 Parteiunabhängige bzw. parteiungebundene Strukturen/Neonazis Das parteiungebundene rechtsextremistische Spektrum umfasst die sogenannten Kameradschaften, Bruderschaften und andere Vereinigungsformen außerhalb von Parteien, die zum größten Teil realweltlich, aber auch virtuell in Erscheinung treten. Sie stützen sich in ihrer politischen Ausrichtung auf den Nationalsozialismus, welcher sich durch die prägenden Ideologieelemente Rassismus, Nationalismus, Antisemitismus und Antipluralismus auszeichnet. Das Streben nach einer ethnisch homogenen "Volksgemeinschaft", ohne Einfluss anderer Kulturen und Ethnien, ist das Hauptziel. Die Rechte Einzelner, 31 Pluralismus und Meinungsvielfalt treten für das Streben nach dem neonazistischen Ziel, die Existenz des eigenen Volkes zu bewahren, zurück. Die parteiungebundenen Strukturen sind bedeutend für die gesamte rechtsextremistische Szene, da von ihnen kleinere und größere rechtsextremistische Veranstaltungen, wie "Aufmärsche", Konzerte, und jährlich wiederkehrende Jahrestage organisiert und zelebriert werden. Dies ist unter anderem wichtig für die Nachwuchsgenerierung und -förderung in der Szene und auch die unstrukturierte subkulturelle Szene. Ein steter Nachwuchs aus dem jugendlichen örtlichen Umfeld der neonazistischen Szenen kann in ganz Mecklenburg-Vorpommern festgestellt werden. Zumeist handelt es sich um die nachwachsende Generation des vorhandenen rechtsextremistischen Personenpotenzials. Eine zentral geführte parteiungebundene Struktur ist in Mecklenburg-Vorpommern nicht zu erkennen. Vielmehr sind in allen Landesteilen sogenannte Kameradschaften und Bruderschaften vertreten. Diese agieren in unterschiedlicher Weise regional und überregional. Eine überregionale Vernetzung einzelner rechtsextremistischer Strukturen über die Grenzen Mecklenburg-Vorpommerns hinaus ist vorhanden und entspricht dem Ziel, eine flächendeckende neonazistische Struktur zu etablieren. Vereinzelt konnte im Berichtszeitraum eine Teilnahme der örtlichen "Kameradschaftsszene" an den regelmäßig stattfindenden Anti-CoronaDemonstrationen festgestellt werden. 2.8.1 Einzelgruppierungen/regionale Entwicklungen Neonazistische Szene Rostock "Aktionsblog" Der "Aktionsblog", auch unter dem Namen "Nationale Sozialisten Rostock" (NSR) bekannt, wurde mit seiner Teilorganisation "Baltik Korps" am 24. Juni 2021 durch das 32 Ministerium für Inneres, Bau und Digitalisierung 21 auf Grundlage des Vereinsgesetzes verboten. 22 Auf das Verbot reagierte die rechtsextremistische Szene in unterschiedlicher Form. So wandten sich einzelne Kameradschaften von den Akteuren ab, um nicht in den Fokus staatlicher Behörden zu geraten. Andere solidarisierten sich offen über die sozialen Netzwerke mit dem verbotenen "Aktionsblog"23. Neonazistische Szene im Raum Güstrow (Landkreis Rostock) Die jährlichen, in der rechtsextremistischen Szene wiederkehrenden Aktionen, wie Kranzniederlegungen und Gedenkaktionen wurden auch im Jahr 2021 durchgeführt. Beispielhaft kann hier die Kranzniederlegung am 14. November zum "Heldengedenken" am Ehrenmal in Teterow genannt werden. 21Zum Zeitpunkt des Verbotes: Ministerium für Inneres und Europa. 22Telegram-Profil "Aktionsblog" vom 24.06.2021, abgerufen am 24.06.2021. 23Instagram-Profil "Pommerscher Jugendbund" vom 27.06.2021, abgerufen am 02.09.2021. 33 Neonazistische Szene im Raum Waren/Röbel (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte) Die staatlichen Beschränkungen zur Eindämmung der CoronaPandemie hielten die rechtsextremistische Szene im Raum Waren und Röbel nicht von ihren jährlichen Aktionen ab. Teils fanden diese im Verborgenen statt. Ein gemeinsames Agieren und Mobilisieren von mehreren Kameradschaften zu rechtsextremistischen Demonstrationen war erkennbar. Neonazistische Szene im Raum Stralsund (Landkreis VorpommernRügen) Die rechtsextremistische Szene um die "Initiative Vereint für Stralsund" zeigte im Jahr 2021 wenige nach außen sichtbare Aktivitäten. Gleichwohl ist das Personenpotenzial in etwa gleichgeblieben. Über soziale Netzwerke wie Facebook und Telegram war eine stete Aktivität der örtlichen rechtsextremistischen Szene erkennbar. Eine Beteiligung von Rechtsextremisten an den Demonstrationen gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der CoronaPandemie fand auch in Stralsund statt. Die "Artgemeinschaft - Germanische GlaubensGemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V." (AG-GGG) Die "Artgemeinschaft" mit ihrer völkischen, antisemitischen und rassistischen Ausrichtung hat auch im Jahr 2021 Verbindungen nach Mecklenburg-Vorpommern unterhalten, ohne selbst im Land präsent zu sein. Bedeutend für die derzeit größte, seit nunmehr 70 Jahren bestehende 24, deutsche neonazistische Vereinigung sind die regelmäßig im thüringischen Ihlfeld stattfindenden "Gemeinschaftstage". Diese dienen der Stabilisierung der geschlossenen Gemeinschaft und der Ideologievermittlung. Dabei sind diese Gemeinschaftstage Familienfeste, die mit "germanisch-heidnischen" Ritualen 24Gründung erfolgte am 01.08.1951. 34 verbunden werden. Die AG-GGG nimmt auch weiterhin eine bedeutende Stellung in dem bundesweiten Ausbau der Siedlungsbestrebungen der rechtsextremistischen Szene ein. 25 Weitere Neonazistische Strukturen auf regionaler Ebene Die rechtsextremistische Szene in Mecklenburg-Vorpommern umfasst weitere kleinere neonazistische Personenzusammenschlüsse, die oft nur geringe Außenwirkung entfalten, wenn auch ihre neonazistische Ideologie nicht weniger stark ausgeprägt ist. Nachfolgend genannte Gruppierungen waren im Berichtszeitraum des Jahres 2021 im Land aktiv. Landkreis Nordwestmecklenburg "Brigade 8" Aktionsgruppe "F.i.e.L." ("Fremde im eigenen Land") mit Unterorganisationen "Aktionsgruppe F.i.e.L. Pommern", und "Aktionsgruppe F.i.e.L. Mecklenburg" "Germanisches Bollwerk Mecklenburg" Landkreis Mecklenburgische Seenplatte "Freikorps Heimatschutz" "Aktionsgruppe F.i.e.L." ("Fremde im eigenen Land") mit Unterorganisationen "Aktionsgruppe F.i.e.L. Pommern", und "Aktionsgruppe F.i.e.L. Mecklenburg" "Hammerskins" 25Facebook "AG-GGG" vom 01.10.2020, abgerufen am 30.01.2022. 35 Landkreis Vorpommern-Greifswald "Arischer Widerstandsbund" "Nationales Bündnis Löcknitz" "Völkische Burschenschar Strasburg" "Aryan Warriors" "Kameradschaftsbund Anklam" (KBA) "Kameradschaft Borken" "Kameradschaftsbund Bargischow" (KBB) "Hammerskins" "Pommerscher Jugendbund" Hansestadt Rostock "Brigade 8" "Hammerskins" Landkreis Rostock "Freiheitliches Bündnis Güstrow" "Hammerskins" Landkreis Vorpommern-Rügen "Huskarlar MC Stralsund" "Bruderschaft Grimmen" "Hammerskins" 2.9 Neonazistisch geprägte Veranstaltungen und Aktivitäten Auch das Jahr 2021 war von neonazistisch geprägten Veranstaltungen durchzogen. Die jährlich wiederkehrenden Veranstaltungen "Tag der Ehre" im Februar in Budapest/Ungarn sowie der traditionelle "Tollensemarsch" der rechtsextremistischen Szene fanden nicht statt. Folgende neonazistisch geprägte Aktivitäten waren jedoch zu verzeichnen: 36 Neonazistische Aktionen zum 8. Mai Die rechtsextremistische Szene sieht in dem 8. Mai keinen Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus, sondern betrachtet ihn vielmehr als "Tag der Schande" oder sogar als "dunklen Tag in der Geschichte des deutschen Volkes". Rechtsextremisten gedenken an diesem Tag ausschließlich der deutschen Opfer des Krieges. Seit mehreren Jahren findet in Demmin ein von der NPD organisierter "Trauermarsch" statt, welcher jedoch aufgrund der staatlichen Einschränkungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie im Jahr 2021 abgesagt wurde. Stattdessen fanden viele kleinere örtliche, anlassbezogene Gedenkaktionen der rechtsextremistischen Szene, wie zum Beispiel Kranzniederlegungen, statt. Hevorzuheben ist eine Plakataktion der rechtsextremistischen Gruppierung "Pommerscher Jugendbund" anlässlich des 8. Mai 2021 in Pasewalk. "Aktion Schwarze Kreuze" am 13. Juli 2021 In der rechtsextremistischen Szene wird seit mehreren Jahren deutschlandweit dazu aufgerufen, am 13. Juli schwarze Kreuze zum Gedenken an Opfer von Gewalttaten, die vermeintlich von Migranten begangen wurden, aufzustellen. Auch im Jahr 2021 konnte in ganz Mecklenburg-Vorpommern das Aufstellen von schwarzen Kreuzen beobachtet werden. Einige wurden jedoch offenbar nur für die eigene fotografische Dokumentation aufgestellt und anschließend wieder entfernt. 2021 wurden in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt 66 (2020: 151) Kreuze festgestellt. Die überwiegende Anzahl von schwarzen Kreuzen stand in den Landkreisen Vorpommern-Rügen, VorpommernGreifswald und Mecklenburgische Seenplatte. Grenzgänge der rechtsextremistischen Szene an der deutsch-polnischen Grenze Im Herbst 2021 wurde die deutsch-polnische Grenze in Mecklenburg-Vorpommern Teil einer internationalen Fluchtroute. Dies nahmen Rechtsextremisten zum Anlass, an der gesamten deutsch-polnischen Grenze "Grenzgänge" 37 durchzuführen, um so ihren Unmut über den Zustrom von Flüchtlingen auszudrücken. Auch Rechtsextremisten aus Mecklenburg-Vorpommern berichteten in den sozialen Netzwerken über ihre Teilnahme an den sogenannten Grenzgängen.26 "Heldengedenken" der rechtsextremistischen Szene Am 14. November fanden wie üblich anlässlich des "Heldengedenkens" zum Volkstrauertag an verschiedenen Kriegsdenkmälern in Mecklenburg-Vorpommern, darunter in Teterow, Grimmen, Ludwigslust, Röbel und Waren/Müritz, sogenannte "Kranzniederlegungen" statt. Diese wurden zumeist durch das Verlesen von Gedichten und Texten und das Abhalten von Schweigeminuten begleitet. Kampfsport in der rechtsextremistischen Szene Die Kampfsportszene spielt innerhalb der rechtsextremistischen Szene eine bedeutende Rolle. Sie stellt sowohl in der subkulturellen als auch der organisierten neonazistischen Szene einen gemeinsamen, stabilisierenden Faktor dar. Bis zum Verbot des "Aktionsblogs" mit seiner Teilorganisation "Baltik Korps" am 24. Juni 2021 waren diese der aktivste Zusammenschluss in der rechtsextremistischen Kampfsportszene Mecklenburg-Vorpommerns. Der jährliche Höhepunkt in der Szene war bisher der "Kampf der Nibelungen", der jedoch aufgrund der ausgesprochenen behördlichen Verbote in den vergangenen Jahren auch 2021 nicht in seiner gewohnten Art und Weise stattgefunden hat. Krisenvorsorge durch Rechtsextremisten Die Vorbereitung auf den "Tag X", an dem das demokratische System zusammenbrechen soll und somit ein chaotisches bis desaströses Szenario bevorstehe, ist das leitende Motiv, 26Facebook-Profil "Kollektiv Seenplatte" vom 23.10.2021, abgerufen am 27.10.2021. 38 welches Rechtsextremisten zu einer Krisenvorsorge motiviert. Im Vordergrund steht dabei immer, den angeblich bereits zerfallenden Staat im Sinne der neonazistischen Ideologie zu lenken. Die Krisenvorsorge erstreckt sich dabei auf die persönliche Bevorratung mit Nahrung, Überlebensausrüstung und Waffen. Eine Radikalisierung konnte bereits in den vergangenen Jahren in der Szene festgestellt werden 27. 2.10 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Trotz eines auch für Mecklenburg-Vorpommern festzustellenden Mitgliederschwundes war die NPD Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2021 nach wie vor die größte neonazistisch ausgerichtete Partei im Land. Anders als "DIE RECHTE" und "Der III. Weg" trat sie erneut sowohl zur Bundestagswahl als auch zur Landtagswahl an. Der Wahlkampf konnte jedoch nicht mehr in Umfang oder Inhalt an das Niveau vergangener Wahlkämpfe anknüpfen. 2.10.1 Bundestagsund Landtagswahl 2021 In Mecklenburg-Vorpommern fand zeitgleich zur Bundestagswahl die Landtagswahl 2021 statt. Der NPD-Parteivorsitzende Frank FRANZ wurde als Spitzenkandidat nominiert, weshalb die NPD die hiesige Landtagswahl für sich als "Schwerpunktwahl" definierte.28 FRANZ meldete eigens für die Wahl seinen Wohnsitz in Mecklenburg-Vorpommern an. Wahlplakate der NPD, Internetveröffentlichungen und sonstige Wahlkampfaktivitäten Der NPD-Kreisverband Vorpommern-Rügen teilte auf seiner Facebook-Seite ein gegen den CDU-Spitzenkandidaten Armin Laschet gerichtetes Wahlplakat. Hierzu wurde den 27Vgl. VSB 2020 Seite 26/27. 28YouTube-Kanal der "Nationaldemokraten": "Der Wahlkampf beginnt JETZT" vom 13.08.2021. 39 "Politdarstellern" vorgeworfen, dass sie die Anwohner nicht gewarnt hätten oder sie nicht hätten warnen wollen. Außerdem wurde seitens der NPD folgender Aufruf verbreitet: "Deutsches Volk, erkenne endlich, dass das System volksfeindlich ist! Ihr werdet belogen, verblendet und abgeschafft! Schickt Lach-Laschet und die anderen Lachsäcke in die Wüste! Auf das ihnen das Lachen vergehen möge!". 29 Die NPD Mecklenburg-Vorpommern berichtete in den sozialen Netzwerken, "täglich" im Wahlkampf unterwegs zu sein und zeigte hierzu passend Lichtbilder von Plakatierungen und Flugblattverteilungen. 29Facebook-Seite "NPD-Kreisverband Vorpommern-Rügen" vom 30.07.2021, abgerufen am 02.08.2021. 40 30 Darüber hinaus präsentierte sich der Spitzenkandidat im Internet mit einem als "mobiles Wahlrad" umgerüsteten Fahrrad. 31 Der NPD-Landesvorsitzende veröffentlichte ein Lichtbild mit Wahlkampfzeitungen der NPD in Briefkästen und teilte mit, diese am 11. September 2021 in Lübz und Parchim verteilt zu haben.32 Zudem führte er mit dem ehemaligen NPD-Fraktionsvorsitzenden am 14. September 2021 Infostände der NPD in Schwerin (Weststadt und Lankow) sowie in Güstrow durch. Weitere Infostände der NPD fanden am 24. und 25. September 2021 in Grevesmühlen, Wismar, Boizenburg und Schwerin statt. Vereinzelt nahmen Wahlkampfunterstützer aus anderen Bundesländern an den Infoständen teil. 33 Darüber hinaus waren folgende Ereignisse im Rahmen des Wahlkampfes bedeutsam: 30Facebook-Seite "NPD-Landesverband MuP" vom 05.09.2021, abgerufen am 06.09.2021. 31Ebd. vom 03.09.2021, abgerufen am 06.09.2021. 32Facebook-Seite des NPD Landesvorsitzenden vom 12.09.2021, abgerufen am 13.09.2021. 33Facebook-Seite "NPD-Landesverband MuP" vom 14.09.2021, abgerufen am 15.09.2021. 41 - Bei einem Infostand der NPD am 21. September 2021 in Stralsund kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung (Schubsereien/Rangeleien) zwischen einem Landtagskandidaten der "Grünen" und Verantwortlichen des NPD-Wahlstandes. Die Beteiligten zeigten sich gegenseitig an. - Am 21. September 2021 fand eine Wahlkampfveranstaltung der CDU mit dem Bundeskanzlerkandidaten und der amtierenden Bundeskanzlerin in Stralsund statt. Mehrere Gegner der Politik der Bundesregierung mischten sich unter die Besucher der Wahlkampfveranstaltung und störten diese lautstark mit Trillerpfeifen und Rufen wie "Buh", "Haut ab" und "Merkel muss weg". Die Störaktion wurden von den rechtsextremistischen Vereinigungen "Initiative 'Vereint für Stralsund'" und "Aktionsgruppe Nord-Ost" gefilmt und am 22. September 2021 in den sozialen Medien geteilt. Insgesamt verstetigte sich der Eindruck, dass die NPD Mecklenburg-Vorpommern einen stark auf ihren Spitzenkandidaten zugeschnittenen personalisierten Wahlkampf führte und dabei ein seriöses Bild vermitteln wollte. Es erfolgte eine rege Nutzung der sozialen Netzwerke, um die Wahlkampfaktivitäten einem größeren Empfängerkreis zugänglich zu machen. Herausragende Straftaten mit schwerwiegenden Personenoder Sachschäden waren nicht zu verzeichnen. Wahlergebnis der NPD bei der Bundestagsund Landtagswahl und Reaktionen Die NPD kam bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern 2021 auf 0,8 Prozent der Zweitstimmen, einem Minus gegenüber der letzten Landtagswahl von 2,2 Prozentpunkten. Das beste Ergebnis landesweit erzielte die NPD mit 2,5 Prozent im Wahlkreis Vorpommern-Greifswald IV. Ein ähnliches Ergebnis war für die NPD bei der Bundestagswahl in Mecklenburg-Vorpommern zu verzeichnen. Hier kam sie landesweit auf 0,7 Prozent (2017: 0,9 Prozent), bundesweit 42 lediglich auf 0,1 Prozent. Somit hatte die NPD weder auf Landesnoch Bundesebene die notwendigen Prozentzahlen, die Voraussetzung für die staatliche Teilfinanzierung sind. Damit erhält die NPD für ihre Parteiarbeit keine staatlichen Gelder mehr und ist auf die Zuwendungen ihrer Mitglieder angewiesen. Der NPD-Bundesvorsitzende veröffentlichte am 30. September 2021 einen Livestream mit dem Titel "Entwicklung nach der Wahl 2021". Darin informiert er über "nun beginnende Veränderungsprozesse", die als Reaktion auf die "schlechten Wahlergebnisse" umgesetzt würden. Man sei übereingekommen, dass das Bild der NPD in der Öffentlichkeit eine entscheidende Rolle spiele. Vereinzelt repräsentierten Personen die NPD, die aufgrund ihres Erscheinungsbildes und ihrer Äußerungen zum schlechten Image der Partei beitragen würden. Künftig soll daher besser geprüft werden, wer Parteimitglied werde. Gegebenenfalls würden Mitglieder aus der Partei entfernt, sofern deren Tun rufschädigende Folgen habe. Darüber hinaus stellte der Bundesvorsitzende klar, dass "rechts der AfD kein Platz für eine andere Partei" sei. Daher sei die NPD für die nächsten "vier bis zehn Jahre raus als Wahlpartei". Dies bedeute aber nicht zwangsläufig, dass die Partei bei Wahlen nicht mehr antrete. Diskutiert wird nach eigenen Angaben erneut die Frage einer Umbenennung der Partei. Dies müsse einhergehen mit einer "Neuerfindung". Dabei ist denkbar, dass sich die Partei zu einer "außerparlamentarischen Bewegung mit Parteienprivileg" entwickelt. Es wird auch die Zusammenarbeit bzw. Fusion mit "Kräften aus Ostdeutschland" diskutiert. 2.10.2 Thematische Schwerpunkte der NPD M-V im Jahr 2021 Thematisierung einer möglichen neuen Flüchtlingskrise durch die NPD Der NPD-Landesverband thematisierte die Rettung von Ortskräften aus Afghanistan durch die Bundeswehr und problematisierte, dass unter den 3.849 ausgeflogenen Personen angeblich nur 138 Ortskräfte gewesen seien. Unter den "Fluggästen" 43 seien abgeschobene Straftäter, darunter zwei Vergewaltiger gewesen. Der "Islamische Staat" (IS) habe die Gelegenheit genutzt, Terroristen nach Deutschland zu schleusen.34 Auch über einen Internetbeitrag zu steigenden Krankenkassenbeiträgen wurde ein Zusammenhang zwischen Einwanderern aus Afghanistan und anstehenden Beitragserhöhungen hergestellt.35 Die Artikel sollten offenbar dazu beitragen, Fremdenfeindlichkeit und Wut auf die für Zuwanderung verantwortlich gemachten Entscheidungsträger zu schüren. 36 In der NPD-Publikation "Deutsche Stimme" wurde unter der Überschrift "Man kann die Probleme Afghanistans nicht in Deutschland lösen" dahingehend argumentiert, dass der 11. September 2001 instrumentalisiert worden sei, um militärisch gegen die Taliban vorzugehen. Letztlich sei es aber um den "geostrategischen Einfluss" vor allem der USA in der Region gegangen. Dass nunmehr Ortskräfte, also afghanische Staatsbürger, die der Bundeswehr und anderen deutschen Institutionen vor Ort geholfen haben sowie deren Familien nach Deutschland geholt werden sollen, stieß bei der NPD auf Kritik. 34Internetseite des NPD-Landesverbandes: "Was für Afghanen kommen da eigentlich? Zum Beispiel: Vergewaltiger!" vom 01.09.2021, abgerufen am 06.09.2021. 35Ebd. "Krankenkassenbeiträge sollen steigen - die Mitversorgung der vielen Asylanten verschlingt Milliarden Euro!" vom 31.08.2021, abgerufen am 06.09.2021. 36Facebook-Seite "NPD - Die soziale Heimatpartei" vom 18.08.2021, abgerufen am 18.08.2021. 44 Es gäbe keine genauen Angaben darüber, wie viele Ortskräfte für die Bundeswehr gearbeitet hätten. Hier wurde deutlich, dass selbst kleinere Flüchtlingsbewegungen genutzt werden, um vor einer vermeintlichen "Überfremdung" zu warnen. Bezugnahmen von Rechtsextremisten auf die "Antifa-Terrorwelle" Seit Jahresbeginn 2021 war es zu einer Reihe von Übergriffen gegen Rechtsextremisten sowie auf deren Immobilien in Thüringen und Sachsen-Anhalt gekommen. Ein Brandanschlag ereignete sich beispielsweise am 28. Mai 2021 in der Gaststätte eines Thüringer Rechtsextremisten. Es handelte sich bereits um den dritten Brand in diesem Objekt. Die Auswahl der Anschlagsziele und die Vorgehensweise ließen eine linksextremistische Tatmotivation möglich erscheinen. Der stellvertretende NPD-Landesvorsitzende teilte ohne eigenen Kommentar einen Pressebericht über den erneuten Vorfall. Der Geschäftsführer der Kreistagsfraktion "Heimat und Identität" verlinkte auf ein Internetvideo des NPD-Medienkanals "avosTV".37 Der stellvertretende NPD-Bundesvorsitzende aus Thüringen hatte bereits am 9. Mai 2021 zusammen mit weiteren Rechtsextremisten eine Erklärung abgegeben, wonach die "deutsche Opposition" als "Antwort auf den linken Terrorismus" in die "Offensive" gehe und sich über "Parteiund Organisationsgrenzen hinweg" vernetzen werde.38 Die Herbst-Ausgabe der neonazistischen Publikation "N.S. Heute" wählte unter der Überschrift "Bis einer auf der Strecke bleibt? Linker Terror und nationaler Selbstschutz" vermeintlichen Linksterrorismus als Titelthema. 37Facebook-Seite des Geschäftsführers der Kreistagsfraktion "Heimat und Identität" vom 28.05.2021, abgerufen am 01.06.2021. 38Facebook-Seite des stellvertretenden NPD Parteivorsitzenden vom 9. Mai 2021, abgerufen am 28.05.2021. 45 Die festgestellten Kommentierungen zeigten, dass die rechtsextremistische Szene die Anschlagsserie als besondere Bedrohung ansah und für eigene Vernetzungsbestrebungen bzw. "Anti-Antifa"-Aktivitäten nutzte. 2.10.3 Kundgebungen, Gedenkveranstaltungen und Demonstrationen der NPD/JN Im Jahr 2021 wurden folgende öffentliche Versammlungen der NPD festgestellt: - Der NPD-Landesverband berichtete im Internet über eine Transparentaktion am 24. Februar 2021 in Waren/Müritz gegen ein dort möglicherweise geplantes Atommüll-Endlager. Hierdurch wird deutlich, dass die NPD allgemeinpolitische Themen aufgreift, die ihr gesellschaftlich anschlussfähig erscheinen. - Anlässlich des Jahrestages der Bombardierung von Swinemünde führten die JN Pommern in den Abendstunden des 12. März 2021 an der Kriegsgräberstätte Golm in Kamminke ihre jährliche Gedenkveranstaltung mit Kranzniederlegung durch. Der NPD-Landesverband veröffentlichte auf seiner Facebook-Seite einen Bericht der JN Pommern über die Gedenkveranstaltung, die in der Aussage gipfelte, dass die Alliierten das deutsche Volk nicht vom Nationalsozialismus, sondern von "Freiheit, Glückseligkeit und Selbstbestimmung" befreit hätten.39 - Im Jahr 2021 fanden bundesweit mehrere dezentrale rechtsextremistische Versammlungen zum 1. Mai statt. Zur Teilnahme riefen sowohl der Bundesals auch die Landesverbände auf. 39Facebook-Seite "NPD-Landesverband MuP" vom 14.03.2021, abgerufen am 15.03.2021. 46 Innerhalb der rechtsextremistischen Szene im Land gab es keine eindeutige Festlegung auf eine bestimmte Versammlung. So fand sich bei den "Freien Kräften Mecklenburg-Vorpommern" ein Veranstaltungshinweis zu einer Kundgebung vor dem Reichstagsgebäude in Berlin 40, während Anhänger des "III. Wegs" auch aus Mecklenburg-Vorpommern in Leipzig (dortige Versammlung unter dem Motto: "Aufstehen gegen linken Terror") demonstrieren wollten.41 Ein zentraler Aufzug zum 1. Mai fand wie angemeldet in der Zeit von 14:00 Uhr bis 16:30 Uhr in der Hansestadt Greifswald unter dem Motto "Unser Land braucht Zukunft" mit ca. 170 Teilnehmern statt. Etwa 80 Anreisende aus Berlin und Brandenburg wurden aufgrund der Corona-Landesverordnung polizeilich an einer Einreise nach Mecklenburg-Vorpommern gehindert. Der Aufzug wurde nach etwa der Hälfte der geplanten Strecke durch Gegendemonstranten gestoppt und musste umkehren. 40Facebook-Seite "Freie Kräfte Mecklenburg-Vorpommern" vom 26.04.2021, abgerufen am 27.04.2021. 41Telegram-Seite "Der III. Weg" vom 28.04.2021, abgerufen am 29.04.2021. 47 42 Bezüge zur Corona-Pandemie wurden durch weitere handgeschriebene Transparente mit den Aufschriften "Deutschland sucht den Beipackzettel - Zwangsimpfung stoppen!!!" sowie "Das Virus geht nicht nachts spazieren, sondern tags arbeiten" hergestellt. Zusätzlich wurde ein Transparent der FacebookSeite "Deutschland gegen den Corona-Wahnsinn" mitgeführt. Als Redner trat u. a. der NPD-Landesvorsitzende auf, der zum Widerstand gegen das "politische Regime, das sein Volk verrät" aufrief.43 Während des Aufzuges wurden Parolen wie "Frei, sozial und national" skandiert. 44 - Im Vorfeld des 8. Mai machte der NPD-Landesverband auf die Bedeutung dieses geschichtsträchtigen Tages für die rechtsextremistische Szene aufmerksam, der "symbolisch für den Hass und die Vernichtungswut" stehe, die dem deutschen Volk im 20. Jahrhundert entgegengebracht worden seien. Der 8. Mai 1945 sei "kein Tag der Befreiung" gewesen. Vor dem Hintergrund der Absage des alljährlichen Trauermarsches wurde "jeder volkstreue Mecklenburger und Pommer aufgerufen, 42Facebook-Seite des NPD Parteivorsitzenden vom 01.05.2021, abgerufen am 04.05.2021. 43Facebook-Seite "NPD-Landesverband MuP" vom 02.05.2021, abgerufen am 04.05.202. 44YouTube DS-TV: "Heimatliebe trifft auf Hass. DS_TV vor Ort am 1. Mai in Greifswald" vom 03.05.2021, abgerufen am 04.05.2021. 48 sich an den Denkmälern und Ehrenhainen" einzufinden und der Toten des deutschen Volkes ehrenvoll zu gedenken.45 Eine Personengruppe um den NPD-Kreisvorsitzenden des Kreisverbandes Mecklenburg-Mitte wurde bei einer beabsichtigten Kranzniederlegung in die Peene von Gegendemonstranten gestört. Trotzdem veröffentlichte die NPD im Nachgang ein Video über den abgehaltenen "Ehrendienst" mit ca. 25 Personen. 46 2.10.4 Rechtsextremistische Kreistagsfraktion "Heimat und Identität" In der NPD-Publikation "Deutsche Stimme", Ausgabe Januar 2021, fand sich ein Interview mit zwei Angehörigen der im Jahr 2020 neu gebildeten Kreistagsfraktion Ludwigslust-Parchim "Heimat und Identität". Darin machte der frühere AfD-Landessprecher deutlich, dass aus seiner Sicht die AfD zukünftig eng mit der NPD zusammenarbeiten wolle. Darüber hinaus wurde behauptet, dass es im AfD-Landesverband eine "erhebliche Zahl" von Personen gäbe, die nur auf den "richtigen Moment für den Absprung" warten würden. Schon jetzt werde die Fraktion "von vielen Seiten" gebeten, "den nächsten Schritt zu gehen". Folgende Aktivitäten der Kreistagsfraktion wurden im Berichtszeitraum bekannt: - Die vom Geschäftsführer der Fraktion angemeldete Kundgebung unter dem Motto "Unser Land braucht Zukunft! Wir wählen die Freiheit!" fand am 22. Mai 2021 nicht wie angemeldet mit 200, sondern nur mit ca. 40 Teilnehmern auf dem Schweriner Marktplatz statt. Neben dem Fraktionsvorsitzenden trat der NPD-Spitzenkandidat als Redner auf. 45Facebook-Seite "NPD-Landesverband MuP" vom 07.05.2021, abgerufen am 10.05.2021. 46Ebd. vom 08.05.2021, abgerufen am 10.05.2021. 49 - Darüber hinaus führte die Fraktion in ihrer Kreisgeschäftsstelle in Ludwigslust mehrere "offene Bürgerstammtische" unter Beteiligung von NPD-Anhängern durch. - Zusätzlich fielen Bedrohungen demokratischer Politiker durch die Kreistagsfraktion auf. So wurde unterstellt, dass politische Akteure aus dem Kreistag gegen den Willen des eigenen Volkes Flüchtlinge ins Land lassen würden. Zudem würden sich diese durch die Umsetzung der Corona-Maßnahmen, inklusive der Impfungen, mitschuldig an einer vermeintlichen Entrechtung und Schädigung der Bevölkerung machen. Hierzu werde es in Zukunft eine politische und juristische Aufarbeitung geben. 2.11 Partei "Der III. Weg" 47 Die im Jahr 2013 gegründete Partei "Der III. Weg" trat 2021 erstmals zu einer Bundestagswahl an und erzielte hierbei 0,017 % bzw. 7.832 der Zweitstimmen. In Mecklenburg-Vorpommern trat die Partei nicht zur Wahl an. Die Partei versteht sich als nationalistische, aktivistische Bewegung, was sie durch eine thematische Vielfalt bundesweit und in Mecklenburg-Vorpommern deutlich macht. So engagiert sich 47Internetseite "Der III. Weg", auch 2021 genutztes Logo, abgerufen am 27.01.2022. 50 die Partei auch im sozialen Bereich wie beispielsweise Tierschutz, Hilfsund Sportangebote, um auch hierüber anschlussfähig zu sein. Die Parteiaktivitäten überwiegen in den südlichen und östlichen Bundesländern, jedoch waren im Berichtszeitraum auch Aktivitäten in Mecklenburg-Vorpommern zu verzeichnen. Ähnlich wie die Partei "Die Rechte" (siehe Abschnitt 2.12) erzeugte sie vorrangig Außenwirkung über Internetbeiträge, Flugblattverteilaktionen, Beteiligung an Demonstrationen und das Abhalten von Gedenkveranstaltungen. Auch hinsichtlich ihrer ideologischen Ausrichtung und ihres Menschenund Gesellschaftsbildes sind in wesentlichen Merkmalen Übereinstimmungen mit den anderen neonazistischen Parteien erkennbar: "Der III. Weg" bedient ebenso ausländerfeindliche, antisemitische und revisionistische Narrative. Am 1. August 2021 erschien das Buch "Wie weiter? Kritik und Doktrin des organisierten Nationalismus". Das Buch wird durch die Partei "Der III. Weg" im Eigenverlag vertrieben. Beworben wurde die Publikation als eine "kritische Bilanz des deutschen Nachkriegsaktivismus" und erhob gleichzeitig den Anspruch, eine Doktrin für eine "revolutionäre Bewegung des 21. Jahrhunderts" zu liefern.48 Führende Parteimitglieder wirkten an der Erstellung und Herausgabe des Buches mit. In ihm wird deutlich, dass es das erklärte Ziel der Partei ist, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen. Der Fokus der Partei lag im Jahr 2021 insbesondere auf der Kritik an der Migrationsund Corona-Politik der Bundesregierung. In Mecklenburg-Vorpommern ist sie, wenngleich aktuell noch keine Strukturen etabliert wurden, deutlich aktiver als die Partei "Die Rechte" (siehe Abschnitt 2.12). Ihr Betätigungsschwerpunkt liegt im östlichen Landesteil. 48Internetseite "Der III. Weg" vom 12.07.2021, abgerufen am 27.07.2021. 51 Auch im Jahr 2021 setzte die Partei ihre Kampagne "Das System ist gefährlicher als Corona" durch Flugblattverteilungen weiter fort. Entsprechende Aktionen fanden u.a. im Februar in Zinnowitz und Neustrelitz sowie in Bützow und in der benachbarten Gemeinde Steinhagen statt. 49 Im November erfolgten weitere Verteilaktionen u.a. in Stavenhagen 50 und Rostock.51 Weiter beteiligten sich Parteimitglieder aus Mecklenburg-Vorpommern an der bundesweiten Aktion "Türkgücü nicht willkommen", indem sie anlässlich des Drittligaspiels des "FC Hansa Rostock" bei "Türkgücü München" am 15. März 2021 2.000 Flugblätter im Rostocker Stadtteil Toitenwinkel verteilten. Die Flugblätter richteten sich nach eigenen Angaben "gegen die linksextremistische Unterwanderung ganzer Fankurven" sowie die "wachsende Anzahl von Migrantenvereinen". 52 Zusätzlich solidarisierte sich die Partei mit der von einem Vereinsverbot betroffenen rechtsextremistischen Gruppierung "Nationale Sozialisten Rostock". Unter der Überschrift "Wer keine Argumente hat, dem bleiben nur Verbote" erfolgte eine entsprechende Berichterstattung im Juli 2021. 53 Die Islamfeindlichkeit der Partei kommt unter anderem dadurch zum Ausdruck, dass sie den geplanten Moscheeneubau in Rostock kritisierte. Mit einer sogenannten Aufklärungskampagne erfolgte im Juli eine größere Flugblattverteilung in der Stadt. Sie bezeichnete ihren Widerstand gegen die Errichtung als "zwingend geboten" und informierte über Koran und Islam, wobei diese u.a. als "gewaltverherrlichend, totalitär und imperialistisch" bezeichnet wurden. 54 49Internetseite "Der III. Weg" vom 12.07.2021, abgerufen am 05.03.2022. 50Ebd. vom 15.11.2021, abgerufen am 18.11.2021. 51Ebd. vom 07.11.2021, abgerufen am 18.11.2021. 52Internetseite "Der III. Weg" vom 17.03.2021, abgerufen am 19.03.2021. 53Ebd. vom 05.07.2021, abgerufen am 20.07.2021. 54Ebd. vom 07.07.2021, abgerufen am 20.07.2021. 52 Ein Anzeichen für die fremdenfeindliche und militante Einstellung war weiterhin die im Jahr 2021 durchgeführte Kampagne "Werde Grenzgänger - Schütze deine Heimat vor illegal einreisenden Ausländern!". In einem entsprechenden Internetbericht hieß es, dass seit Wochen "tausende junge Männer" aus dem Irak, Syrien und dem Jemen über Minsk (Weißrussland) durch Litauen und Polen nach Deutschland kommen würden. Bei einem nächtlichen "Grenzgang" am 23. Oktober 2021 im Großraum Guben/Brandenburg wurden vor Ort etwa 50 Beteiligte aus dem Umfeld des "III. Wegs" polizeilich festgestellt. Die Teilnehmer seien aus Bayern, Sachsen, Berlin und MecklenburgVorpommern angereist. Die Polizei stellte Pfeffersprays, ein Bajonett, eine Machete und Schlagstöcke sicher. 55 Teilnehmer aus Mecklenburg-Vorpommern waren von der Sicherstellung nicht betroffen. In diesem Zusammenhang ist auch eine weitere Flugblattverteilung zu sehen, die im Dezember auf Usedom durchgeführt wurde. Unter der Überschrift "Grenzen dicht! Asylflut stoppen!" und "Kein zweites 2015! Grenzschließungen jetzt!" verurteilte die Partei die Situation, nach der "auch in Mecklenburg-Vorpommern regelmäßig illegale Ausländer aufgegriffen werden, die über Polen die Belarus-Route genutzt haben, um nach Deutschland zu gelangen."56 55"Polizei unterbindet rechtsextreme Grenzpatrouillen" vom 24.10.2021, veröffentlicht auf www.tagesspiegel.de, abgerufen am 25.10.2021. 56Internetseite "Der III. Weg" vom 10.12.2021, abgerufen am 14.12.2021. 53 2.12 Partei "DIE RECHTE" 57 In Mecklenburg-Vorpommern entfaltete die Partei "DIE RECHTE" im Berichtszeitraum nur einen kleinen Wirkungsradius. Unabhängig davon, dass der Bundesvorsitzende der Partei seinen Wohnsitz in Mecklenburg-Vorpommern hat, waren Strukturen der Partei während des Berichtszeitraums nicht feststellbar. Einzelmitglieder, wie zum Beispiel der Bundesvorsitzende, nahmen an verschiedenen Veranstaltungen teil, die auch von anderen Rechtsextremisten besucht wurden. Am 31. Januar 2021 wurde durch den Bundesvorsitzenden eine Protestkundgebung in Parchim unter dem Motto "Gegen die Seuchen-Diktatur" angemeldet, an der rund 20 Personen teilnahmen.58 2.13.1 Neue Rechte 2.13.2 "Identitäre Bewegung Deutschland e. V." (IBD) Im Spektrum der sogenannten Neuen Rechten ist weiterhin die IBD von Bedeutung, die sich ausdrücklich nicht auf die Ideologie des Nationalsozialismus bezieht, aber dennoch als rechtsextremistisch anzusehen ist. Die Unternehmen der IBD "Schanze Eins", "IB-Laden" bzw. "Phalanx Europa", "Okzident Media" und "GegenUni" hatten im Berichtszeitraum alle ihren 57Internetseite "Die Rechte" vom 16.07.2021, abgerufen am 02.02.2022. 58Presseartikel vom 31.01.2021, abgerufen am 28.01.2022. 54 Geschäftssitz in einem Büro in Rostock. Internetseiten wie "Feldzug Blog" sind über das "Okzident Media Portal" diesen Unternehmen zuzurechnen. Bei der "GegenUni" handelt es sich um eine 2021 neu ins Leben gerufene zahlungspflichtige "patriotische Digitalakademie". Die IBD sieht die Universität als Institution "am Ende", da diese zur "Brutstätte des linksliberalen Universalismus" geworden sei. Statt eine "nationale Elite" zu bilden, machten sich die deutschen Hochschulen zur "Schaltstelle der globalistischen Herrschaft". Vor diesem Hintergrund wurde das neue Projekt "GegenUni" ins Leben gerufen, mit dem der "Kampf um den geistigen Raum der Nation" wieder aufgenommen werden soll. Hierzu konnte durch Kunden der "GegenUni" ein Rundbrief abonniert werden, zudem wurden Twitterund Telegram-Profile eingerichtet.59 Die angebotenen Kurse bestanden im Berichtszeitraum hauptsächlich aus Lektüre-Seminaren zu theoretischen Standardwerken der neurechten Szene, so zum Beispiel von Autoren wie Carl Schmitt, Alain de Benoist oder Ernst Jünger. Die Einschreibung an der "GegenUni" ist kostenpflichtig. Das Angebot startete am 8. Juli 2021 mit einem ersten live übertragenen Seminar zum Thema "Totalitarismus", abgehalten vom ehemaligen Bundesvorsitzenden der "Identitären Bewegung Deutschland e. V." (IBD). Sitz des neuen Wirtschaftsunternehmens "GegenUni UG" ist laut Impressum das Büro der IBD in Rostock. Die besondere Verbindung von IBD und AfD wird daran deutlich, dass die vom IBD-Unternehmen "Okzident Media UG" mit Sitz in Rostock verantwortete Internetseite "Feldzug" in einem Thesenpapier Empfehlungen für die "strategische Vision einer AfD" in zehn Jahren gab. Im Osten werde es, so der Autor, in den nächsten Jahren die ersten AfD-Bürgermeister, Landräte und dominierende Kommunalfraktionen geben. Dies könnte 59Telegram-Seite "Identitäre Bewegung Mecklenburg-Vorpommern" vom 21.06.2021, abgerufen am 21.06.2021. 55 eine "normalisierende Ausstrahlungswirkung" auf den Westen zur Folge haben. Deshalb sollten Ost-Vertreter im kommenden Bundesvorstand eine "angemessene quantitative Vertretung" bekommen, auch wenn der Osten demographisch in absoluten Zahlen weniger Bedeutung habe. Die innerparteilichen Konflikte zu den Spannungsfeldern "Sozialismus vs. Kapitalismus" und "CDU 2.0 vs. NPD 2.0" müssten aufhören bzw. in offene "Diskursund Debattenplattformen" überführt werden. Zudem sollen "große Datenbanken" mit Strukturund Wählerdaten geschaffen, die "Junge Alternative" (JA) besser strukturell eingebunden sowie "Medienmacher des vorpolitischen Umfeldes" durch "Förderund Stipendienprogramme" in die Medienarbeit der AfD involviert werden. Auch thematisch werde es künftig nicht mehr reichen, die "zehnte Statistik über Ausländerkriminalität" auf Facebook zu posten, sondern das Migrationsthema müsse auf ein "insgesamt breiteres Fundament aus verwandten Themen" gestellt werden.60 Die Veröffentlichungen beinhalteten tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass Rechtsextremisten weiterhin versuchen, auf die Entwicklung der AfD in ihrem Sinne Einfluss zu nehmen. Der ehemalige AfD-Landessprecher aus Mecklenburg-Vorpommern verlinkte in seinem öffentlichen Facebook-Profil auf einen Strategiebeitrag des Verantwortlichen der "Identitären Bewegung Österreich" (IBÖ). In diesem Zusammenhang räumte er ein, als AfD-Funktionär mit dem "Spitzenpersonal" der IBD zusammengearbeitet zu haben. Die ehemaligen IBD-Anhänger hätten mittlerweile zum "Parlamentspatriotismus" gewechselt und würden versuchen, in die AfD "einzusickern".61 60Internetseite "Feldzug": "7 strategische Herausforderungen nach der Bundestagswahl", abgerufen am 18.10.2021. 61Facebook-Seite des Vorsitzenden der Fraktion "Heimat und Identität" vom 21.09.2021, abgerufen am 22.09.2021. 56 2.13.2 "Identitäre Bewegung Mecklenburg-Vorpommern" Für das Land Mecklenburg-Vorpommern liegen Erkenntnisse vor, dass die "Identitäre Bewegung Mecklenburg-Vorpommern" (IB M-V) auch im Jahr 2021 aktiv war. Die IB M-V berichtete beispielsweise auf ihrer eigenen öffentlichen Telegram-Seite oder auch unter der Bezeichnung "Heimwärts MV" bei Telegram und Instagram über durchgeführte Aktivitäten wie Plakatierungen und Demonstrationsteilnahmen. Sie setzte weiterhin primär auf eine propagandistische Breitenwirkung. Dies geschah insbesondere durch die Aufbereitung von durchgeführten Aktionen in den sozialen Medien. Adressaten waren dabei vor allem jüngere Menschen. Auch ließ die IB M-V verlautbaren, dass es kurz vor der Bundestagswahl "bedenklich ruhig" um die afghanischen Ortskräfte geworden sei. Das Rettungsvorhaben der Bundesregierung wurde als Vorwand bezeichnet, um - wie von "linken Initiativen" gefordert - so viele Afghanen wie möglich, auch ohne Pass o- der Nachweis, aufzunehmen. Vor diesem Hintergrund führte die IB M-V als "eindringliche Erinnerung" Ende September 2021 eine "Kunstaktion" am Rostocker Markt durch, bei der im Dunkeln ein Transparent mit der Aufschrift "KEIN NEUES 2015" zwischen zwei Hausdächer gespannt wurde und sich Aktivisten mit gezündeten Bengalo-Fackeln zeigten. Hierzu wurde über YouTube auch ein Video verbreitet. 62 62https://www.youtube.com/watch?v=v52jmZW7eul, abgerufen am 29.09.2021. 57 Weitere öffentlichkeitswirksame Aktivitäten der Gruppe wurden im Berichtszeitraum nicht bekannt. 2.13.4 "Aktionsgruppe Nord-Ost" Berichte über Aktivitäten der IB M-V nahmen bei der im Raum Stralsund ansässigen "Aktionsgruppe Nord-Ost" in den letzten Jahren einen breiten Raum ein. Durch die gegenseitige enge Unterstützung ist eine IB-Nähe der "Aktionsgruppe Nord-Ost" anzunehmen. Eine Personenidentität zwischen Mitgliedern beider Gruppen ist wahrscheinlich. Auf der Internetseite der "Aktionsgruppe Nord-Ost" fanden sich zudem mehrere Strategiebeiträge. Diese nahmen Bezug auf die Internetseiten der IBD, wie zum Beispiel den "Feldzug Blog" (Teil der identitären Medienagentur "Okzident Media") und das Immobilienunternehmen "Schanze Eins" sowie die "unabhängige" Nachrichtenplattform "Okzident News" der IBD. Darüber hinaus finden sich Links auf weitere "patriotische Projekte" wie "Compact", "Ein Prozent", die "Identitäre Bewegung" oder die "Junge Freiheit". 2.14 Rechtsextremisten im öffentlichen Dienst Für den Verfassungsschutz besteht nach wie vor ein hohes Aufklärungsinteresse von verfassungsfeindlichen Bestrebungen innerhalb des öffentlichen Dienstes. Im Rahmen ihres Informationsauftrages sensibilisiert der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern regelmäßig die Behörden im Land und trägt so zur Extremismusprävention bei. Sofern Kenntnis über tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb des öffentlichen Dienstes besteht, werden die Beschäftigungsbehörden durch die Verfassungsschutzabteilung hierüber informiert und leiten geeignete Maßnahmen in eigener Zuständigkeit ein. Der im Jahr 2020 erstmals erstellte bundesweite Lagebericht "Rechtsextremisten im öffentlichen Dienst" wurde in diesem Jahr weiterentwickelt und umfasst den Berichtszeitraum 1. Juli 58 2018 bis 30. Juni 2021. 63 Für das Land Mecklenburg-Vorpommern wurden im Berichtszeitraum 26 Verdachtsfälle erfasst. 3 "Reichsbürger und Selbstverwalter" 3.1 Lageüberblick Die als eigener extremistischer Phänomenbereich eingestufte Szene der "Reichsbürger und Selbstverwalter" lehnte auch im Jahr 2021 die Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland ab, inklusive ihrer Rechtsordnung sowie ihrer Institutionen. Diese Ablehnung resultiert aus unterschiedlichen ideologischen Positionen, die sich teilweise stark voneinander unterscheiden und somit auch eine Zusammenarbeit der verschiedenen Strukturen bzw. Gruppierungen verhindern. Das Spektrum der Ansichten reicht von einem verschwörungs-ideologischen Weltbild über die völlige Ablehnung bis hin zu einem regelrechten Hass auf den deutschen Staat. Im Jahr 2021 war zum wiederholten Male eine Zunahme des Personenpotenzials festzustellen. Immer noch bestand die Szene hauptsächlich aus Einzelpersonen, die nicht organisiert sind. Jedoch nimmt der Anteil der in Gruppen strukturierten "Reichsbürger und Selbstverwalter" von Jahr zu Jahr zu. Ein Grund dafür dürfte in der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Beschränkungen des alltäglichen Lebens liegen, die viele Anhänger in ihrem Unmut einte. Die coronabedingten Einschränkungen stießen bei bestimmten Bevölkerungsgruppen auf Ablehnung. Da diese Menschen der "staatlichen" Berichterstattung nicht mehr trauten, nutzten sie internetbasierte Informationskanäle außerhalb von Presse und Rundfunk. Durch diese kamen sie mit den Denkmustern der "Reichsbürger und Selbstverwalter" in Berührung, was den Zulauf zu dieser heterogenen Szene verstärkte. 63Lagebericht abrufbar unter www.verfassungsschutz.de. 59 Nur ein geringer Anteil der "Reichsbürger und Selbstverwalter" kann auch dem Phänomenbereich des Rechtsextremismus zugerechnet werden, obwohl die Tendenz seit 2020 leicht steigend ist. Überschneidungen lassen sich bei Themen erkennen, die den Gebietsund Geschichtsrevisionismus betreffen, völkisches und teilweise nationalsozialistisches Gedankengut enthalten sowie auch antisemitisch sind. 3.2 Personenpotenzial Personenpotenzial Bund 2020 Bund 2021 "Reichsbürger und MV MV Selbstverwalter"64 - 2020 2021 nach Organisationsgrad Gesamt 600 650 20.000 21.000 davon unstrukturiert 500 540 k.A. k.A. in Strukturen organi100 110 k.A. k.A. siert davon Rechtsextre45 50 1.000 1.150 misten davon gewaltorien150 160 2.000 2.100 tiert 3.3 Strukturen und Aktivitäten der "Reichsbürger und Selbstverwalter"-Szene in Mecklenburg-Vorpommern Auch im Jahr 2021 gab es teilweise aggressive Reaktionen von "Reichsbürgern und Selbstverwaltern" gegenüber Verwaltungsund Polizeibehörden, staatlichen und politischen Einrichtungen sowie auch gezielt gegenüber Politikern. Der direkte Kontakt 64Alle Zahlen sind Rundungswerte. 60 mündete nicht selten in Widerstandshandlungen gegen Polizisten und andere Amtsträger mit hoheitlichen Befugnissen. Ein Großteil der Angehörigen der "Reichsbürger und Selbstverwalter"-Szene konzentrierte sich - wie auch schon im Jahr 2020 - auf die Teilnahme an Protestveranstaltungen gegen die politischen Maßnahmen der Corona-Pandemie. In diesem Kontext nahm auch die Berichterstattung in den sozialen Medien immer mehr zu. Teilweise erschienen mehrere Berichte an einem Tag, wie z.B. durch das Online-Magazin "Volldraht.de". Ein weiteres prägendes Thema war die Flutkatastrophe im Juli 2021 in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. 3.3.1 "Preußisches Institut - Bismarcks Erben" Der Zusammenschluss "PI-BE" bestand ehemals aus zwei einzelnen Gruppierungen, die sich auf Grund von Überschneidungen ideologischer Ansichten zusammenschlossen. Aus diesem Grund konnte auch der "Ewige Bund" (EB) dieser Vereinigung zugerechnet werden. Die Motivation der Einzelgruppierungen "Preußisches Institut" (PI) und "Bismarcks Erben" (BE) besteht in der "Reorganisation des Staatsvolks Preußens" 65. Das PI "wurde mit dem Bewusstsein ins Leben gerufen, dass [...] der preußische Staat handlungsunfähig ist. Dies zu ändern ist [das] Ziel, das [sie] auf Grundlage gültigen staatlichen Rechts verfolgen und erreichen"66 (Schreibweise wie im Original) wollen. 65Internetseite "Bismarcks Erben/Preußisches Institut", abgerufen am 04.02.2022. 66Ebd., abgerufen am 04.02.2022. 61 67 Als Zweck der Einzelgruppierung EB wurde "der Schutz des Bundesgebietes, des innerhalb desselben gültigen Rechts sowie die Pflege der Wohlfahrt des deutschen Volkes" angegeben.68 Das gemeinsame Ziel der Gruppierungen ist die Abschaffung der staatlichen Strukturen und des Hoheitsgebietes der Bundesrepublik Deutschland. Es sollen nach dortiger Ansicht stattdessen die Grenzen des ehemaligen "Deutschen Kaiserreiches" unter der Führung des Hauses Hohenzollern wiederhergestellt werden. Die Angehörigen dieser Gruppierungen nehmen die Grenzen aus der Zeit des Staatenbundes als Vorbild, der 1871 aus 26 einzelnen Staaten bestand. Die damalige Rechtsordnung hätte heute immer noch Bestand. Folglich feierte die Gruppierung im Jahr 2021 hauptsächlich im Internet das 150-jährige Jubiläum der Verabschiedung der Verfassung des Deutschen Reiches.69 3.3.2 "Vaterländischer Hilfsdienst" (VHD) Zur Vorbereitung der Machtübernahme durch den vermeintlichen "Thronfolger" aus dem Hause Hohenzollern wurde durch die Einzelgruppierung Ewiger Bund die Untergruppierung VHD gegründet. 67Internetseite "Preußisches Institut, abgerufen am 04.02.2022. 68Internetseite "Ewiger Bund", abgerufen am 04.02.2022. 69Internetseite "Bismarcks Erben", abgerufen am 18.04.2021. 62 70 Der VHD besteht - ebenso wie der Staatenbund aus dem Jahr 1871 - aus 26 Teilgebieten, die als "Armeekorpsbezirke" (AKB) bezeichnet werden. Tatsächliche militärische oder militante Aktivitäten sind aber bisher nicht bekannt. In Mecklenburg-Vorpommern waren der II. AKB (östliche Landeshälfte/Vorpommern) sowie der IX. AKB (westliche Landeshälfte/Mecklenburg) angesiedelt, wobei die Korpsbezirksgrenzen in geschichtsrevisionistischer Weise über die Grenzen Deutschlands hinausgehen. Der II. AKB, der III. und der IX. AKB führten im September ein bundesweites "Nord-Ost-Herbsttreffen 2021" in Neubrandenburg durch, an dem "Teilnehmer aus 8 Armeekorpsbezirken des deutschen Bundesgebietes teilnahmen." 71 Neben einem Vortrag des sogenannten Generaldirektors, der über die Aufgaben des VHD referierte, wurde dieses Treffen unter anderem dazu genutzt, einen neuen Leiter des III. AKB zu ernennen. 72 3.3.3 "Penzliner Runde" (PR) Eine weitere Untergruppierung des Zusammenschlusses "Preußisches Institut - Bismarcks Erben" und "Ewiger Bund" ist die "Penzliner Runde" (PR). 70Internetseite Preußisches Institut, abgerufen am 04.02.2022. 71Internetseite VHD/II. AKB, abgerufen am 21.09.2021. 72Internetseite des IX. AKB, abgerufen am 21.09.2021. 63 73 Die Mitglieder dieser Gruppierung hoffen, "dass immer mehr Menschen die reichhaltigen Möglichkeiten für ein wirklich selbstbestimmtes Leben kennen und auch nutzen". 74 Sie vertreten die Meinung, dass die ehemals bestehenden Bundesstaaten des Zweiten Deutschen Reiches ab 1871 bis heute fortbestehen, und folgen damit der Argumentation des Gruppenzusammenschlusses PI-BE und EB. Die Gruppierung ist in Mecklenburg-Vorpommern ausschließlich im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte aktiv. Neben unregelmäßig stattfindenden Treffen wurden auch andere Veranstaltungen, wie zum Beispiel die stetige Bürgerversammlung der Penzliner Runde, durchgeführt. 3.3.4 "Freistaat Preußen" Die Gruppierung "Freistaat Preußen" lehnt die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland ab und ist bundesweit aktiv, d.h. auch in Mecklenburg-Vorpommern. Diese vertritt die Meinung, dass es notwendig sei, "mit [der] bis heute rechtsgültigen Verfassung vom 30. November 1920 als erster der Bundesstaaten mit [der] Reorganisation [zu beginnen], da der Freistaat Preußen gemäß Art. 11 der Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. April 1871 das Recht hat, das Deutsche Reich international nach Außen zu vertreten." 75 (Schreibweise wie im Original). 73Facebook-Seite "Penzliner Runde", abgerufen am 04.02.2022. 74Internetseite "Penzliner Runde, abgerufen am 04.02.2022. 75Internetseite "Freistaat Preußen", abgerufen am 04.02.2022. 64 76 Die Mitglieder dieser Gruppierung sind der Überzeugung, dass das ehemals existierende Kaiserreich niemals untergegangen ist. Seit der "Wiederherstellung der Staatlichkeit des Freistaats Preußens" im Sommer 2013 sehen die Mitglieder die BRD als "abgelöst" an und befinden sich selbst in der Regierungsverantwortung. Dies wurde deutlich durch unzählige Schreiben des "Freistaats Preußen", die unter anderem Beschwerden gegen das Grundgesetz beinhalteten. Es waren auch verschiedene Gemeinden und Landräte in Mecklenburg-Vorpommern betroffen. Ein Mitglied der Gruppierung hatte im Jahr 2021 zudem erfolglos versucht, in der Gemeinde Demmin Bürgermeister zu werden. 3.3.5 "Staatenlos.Info" Die Gruppierung "Staatenlos.Info" fiel insbesondere durch Veranstaltungen in Wittenburg (wöchentlich) und Berlin (monatlich) auf. 77 76Internetseite "Freistaat Preußen", abgerufen am 04.02.2022.. 77Schleifenband, das Mitglieder von "Staatenlos.Info" an der Kleidung tragen, Internetseite "Staatenlos.Info", abgerufen am 04.02.2022. 65 Die Mitglieder dieser Gruppierung sind der Auffassung, dass die Bundesrepublik Deutschland das nationalsozialistische "Dritte Reich" fortsetze und weiter eine faschistische Politik betreibe. Die dazugehörige Website will "künstlerisch-satirisch über die Ursache und Generallösung der bis heute offensichtlich nicht geklärten "Deutschen Frage" informieren". 78 Das Hauptziel der Gruppierung ist "Entnazifizierung = Einheit & Freiheit der Deutschen = Weltfrieden!"79 In dem satirischen Ansatz liegt das Ziel einer etwaigen Strafverfolgung zu entgehen. Besonders diese Gruppierung versuchte im Jahr 2021, die Veranstaltungen, die sich gegen die durch die Corona-Pandemie verursachten Beschränkungen für das tägliche Leben richteten, für eigene Zwecke zu nutzen. Dabei war jedoch festzustellen, dass bei öffentlichen oder Internet-Veranstaltungen die Resonanz in der Bevölkerung eher gering war und nicht über den niedrigen zweistelligen Bereich hinausging. 3.3.6 "Großherzogtum Friedrich Maik" Ziel des selbsternannten "Großherzogs Friedrich Maik" ist die Ablösung der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns und die Einführung einer Parlamentarischen Monarchie. 80 78Schleifenband, das Mitglieder von "Staatenlos.Info" an der Kleidung tragen, Internetseite "Staatenlos.Info", abgerufen am 04.02.2022. 79Ebd., abgerufen am 04.02.2022. 80Internetseite "Großherzog Friedrich Maik", abgerufen am 04.02.2022. 66 Der Zeitpunkt dieser Ablösung sei aus seiner Sicht gekommen, wenn 10 Prozent der Bevölkerung von Mecklenburg-Vorpommern ihre Ja-Stimme für die "Wahl" des "Großherzogs Friedrich Maik" abgegeben hätten. Der "Großherzog" sieht sich selbst als rechtmäßiger Monarch und "ist das Staatsoberhaupt vom Großherzogthum Mecklenburg-Strelitz, Großherzogthum Mecklenburg-Schwerin und dem Herzogthum Pommern. Gemeinsam mit dem Volk übt er die Staatsgewalt nach den Bestimmungen der großherzoglichen Verfassung vom Großherzogthum Mecklenburg-Strelitz und der übrigen Gesetze aus." (Schreibweise wie im Original). Im Jahr 2021 wurden die zuvor genannten Großund Herzogtümer "offiziell ausgerufen" bzw. "offiziell aktiviert", worüber auch in Regionalen Zeitungen berichtet wurde 81. Die Grenzen des sogenannten Staatsgebietes gehen auch hier - wie beim "Vaterländischen Hilfsdienst" - über die Grenzen des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern sowie von Deutschland hinaus. 3.3.7 "Volldraht Deutschland" (VD) Die Gruppierung "Volldraht Deutschland" (VD) war hauptsächlich im Internet aktiv. Im Jahr 2021 erschien zum vierten Mal die gleichnamige Zeitschrift mit angeblich 300.000 Exemplaren, von denen jedoch in Mecklenburg-Vorpommern nur wenige festgestellt wurden. VD beansprucht für sich, "unzensierte Nachrichten" zu verbreiten und "eine neue Form der deutschen Presse" zu sein.82 83 81Zeitung "Nordkurier", Artikel vom 24.05.2021. 82Zeitung "Volldraht Deutschland" vom April 2021. 83Internetseite von "Volldraht Deutschland", abgerufen am 04.02.2022. 67 VD kommentierte in ihrer Zeitung und auf ihrer Internetseite nahezu jedes tagespolitische Ereignis, jede Katastrophe, jede politische Entscheidung insbesondere im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Auch die bereits erwähnte Flutkatastrophe im Juli 2021 war ein Thema, das genutzt wurde, um eine vermeintliche Handlungsunfähigkeit der Regierung darzustellen. 3.3.8 "Geeinte deutsche Völker und Stämme" (GdVuSt) Die Gruppierung "Geeinte deutsche Völker und Stämme" (GdVuSt) wurde im März 2020 durch das Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat verboten. 84 85 Ungeachtet dieses Verbotes entfalteten ihre Funktionäre, Mitglieder und Anhänger bundesweit weiterhin Aktivitäten, um ihrem Ziel - der Abschaffung staatlicher Strukturen in Deutschland - näher zu kommen. 3.3.9 "S.H.A.E.F.-Regierungsinstitution Deutschland" Diese Gruppierung trat erstmalig im Frühjahr 2020 in Erscheinung. Die Aktivitäten endeten größtenteils mit der Verhaftung 84Pressemitteilung des BMI vom 19.03.2020, www.bmi.bund.de, abgerufen am 04.02.2022. 85Internetseite von "Endstation Rechts", abgerufen am 04.02.2022. 68 des selbsternannten "S.H.A.E.F.-Commander Major Jansen" im Dezember 2021. 86 Vor Gründung dieser Gruppierung gab es bereits diverse Anhänger der ehemaligen "S.H.A.E.F.-Gesetze" (S.H.A.E.F oder auch SHAEF ist die Abkürzung für "Supreme Headquarters Allied Expeditionary Forces", das Oberkommando der Alliierten Streitkräfte im Zweiten Weltkrieg." 87). Diese Personen vertreten die Meinung, dass die aktuellen deutschen Gesetze und Verordnungen nicht gelten, sondern die "S.H.A.E.F.-Gesetze" aus der Nachkriegszeit. Deshalb müssten Bußgelder, Steuern, Mieten, Gebühren etc. nicht gezahlt werden. Häufig gingen auch anonyme Schreiben bei Polizeidienststellen und Bürgermeistern ein, die die Aufforderung enthielten, sich an die "S.H.A.E.F.-Gesetze" zu halten. Ein Mitglied der "S.H.A.E.F-Regierungsinstitution Deutschland" wurde auch in Mecklenburg-Vorpommern aktiv. Diese Person bedrohte einen Bürgermeister, eine Lehrerin sowie einen Richter an einem der Amtsgerichte mit sogenannten "Todesurteilen", die zuvor von dem "S.H.A.E.F.-Commander Jansen" auf dessen Telegram-Kanal "verhängt" wurden. 86Internetseite "SHAEF-Gesetze", abgerufen am 04.02.2022. 87Internetseite des Deutschen Gerichtshofes, www.deutschergerichtshof.de, abgerufen am 04.02.2022. 69 3.3.10 "Verfassunggebende Versammlung" (VV) Die Gruppierung "Verfassunggebende Versammlung" (VV) war bisher nur sporadisch in MV aktiv. Im Jahr 2021 fanden vereinzelt Verteilaktionen von visitenkartengroßen Flyern statt. Auf ihrer Internetseite propagierte die VV: "(...) Die Verfassunggebende Versammlung ist eine überparteiliche, religionsunabhängige, außerparlamentarische und keine durch Eliten bestimmte politische Kraft, die durch höchstrichterliche Entscheidung weltweit, wie in der Bundesrepublik Deutschland durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde. Diese Bewegung [berief] sich auf das international anerkannte und gültige Vertragsund Völkergewohnheitsrecht [...]." 88 3.4 Sonstiges zu strukturierten und strukturlosen "Reichsbürgern und Selbstverwaltern" Der Erlass des Innenministeriums zu "Vorkommnissen mit Reichsbürgern und Selbstverwaltern in kommunalen Behörden"89 aus dem Jahr 2019 hat sich bewährt. Die Kommunen wissen, wie sie sich bei Personen verhalten müssen, bei denen die Anfangsvermutung besteht, dass sie der "Reichsbürger und Selbstverwalter"-Szene angehören. Die Umsetzung des Erlasses führte zu einem verbesserten Erkenntnisgewinn und damit auch zu einem Anstieg des erfassten Personenpotenzials in Mecklenburg-Vorpommern. 88Internetseite "Verfassunggebende Versammlung", abgerufen am 04.02.2022. 89Internetseite Verfassungsschutz MV, www.verfassungsschutz-mv.de, abgerufen am 04.02.2022. 70 4. Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates Kennzeichnend für das neue Sammel-Beobachtungsobjekt des Bundes ist das gemeinschaftliche Vorgehen gegen den Staat, seine Institutionen und das Gewaltmonopol mit dem Ziel der Überwindung demokratischer Grundprinzipien auf der Grundlage von Verschwörungstheorien und der Ablehnung von demokratischen Entscheidungen. Kriterien des Bundesamtes für Verfassungsschutz, die zu einer Einordnung in das Sammel-Beobachtungsobjekt führen können, sind beispielsweise folgende: - Agitatorische Verächtlichmachung des Staates, seiner Repräsentanten und demokratisch legitimierter Entscheidungen, - Gewaltdrohungen gegen Vertreter der parlamentarischen Demokratie, - Blockadeund Sabotageaktionen gegen staatliche Einrichtungen sowie lebenswichtige Infrastruktur und Versorgungseinrichtungen und/oder - Rekurs auf und Verbreitung von Verschwörungsideologien, die die Delegitimierung des Staates forcieren. Das erweiterte Radikalisierungspotenzial des Phänomenbereichs zeigte sich zum Jahresende 2021 in einer erheblich verschärften gesellschaftlichen und politischen Diskussion - vor allem in Bezug auf die mögliche Einführung einer COVID-Impfpflicht. Vielzählige Äußerungen in sozialen Netzwerken, allen voran Telegram, zeigten, dass teilweise aus Wut oder einem Ohnmachtsgefühl staatlichen Maßnahmen gegenüber auch Gewalttaten nicht mehr abgelehnt wurden. Bundesweit verdeutlichten verschiedene Brandstiftungen an Impfund Testeinrichtungen sowie die Gewalttat von Idar-Oberstein, als der Angestellte einer Tankstelle durch einen Gegner der staatlichen Maßnahmen im Kontext der Corona-Pandemie erschossen wurde, das vorhandene Gewaltpotential. 71 Die friedlichen Demonstrationen gegen eine mögliche Impfpflicht verliefen grundsätzlich verfassungskonform und waren vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Allerdings nutzten auch Rechtsextremisten sowie Reichsbürger und Selbstverwalter diesen Themenkomplex gezielt aus, um die eigene Sichtbarkeit und Reichweite zu erhöhen. Gerade auf diese extremistischen Personengruppen zielt das neue Beobachtungsobjekt ab. Besorgniserregend war zudem die bundesweit hohe Zahl von Drohungen gegen Amtsund Mandatsträger, die auch auf deren privates Umfeld abzielten. So fand beispielsweise am 6. Dezember 2021 vor der Schweriner Staatskanzlei eine unangemeldete Versammlung gegen die Coronaund Impfpolitik statt. Die circa 400 Teilnehmer bewegten sich in den frühen Abendstunden durch die Schweriner Innenstadt, wobei einzelne Teilnehmer versuchten, in den Bereich des Landtages und der Wohnung der Ministerpräsidentin vorzudringen. Dies konnte durch Einsatzkräfte unterbunden werden, wobei es zu Verstößen gegen das Versammlungsgesetz und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte kam. Auch nach einem Ende der Corona-Pandemie ist davon auszugehen, dass sich Teile der Szene dieses Phänomenbereichs auf die Suche nach neuen politischen Themenfeldern begeben, um ihre Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung fortzusetzen. 5 Antisemitismus in Mecklenburg-Vorpommern Die Zahl der durch das LKA MV registrierten antisemitisch motivierten Straftaten bewegte sich auf einem relativ niedrigen quantitativen und qualitativen Niveau. Dabei handelte es sich vor allem um Propagandadelikte und Sachbeschädigungen, die entweder der PMK - rechts - zugerechnet werden oder aber keinem PMK-/Phänomenbereich zugeordnet werden können. Dabei war seit Herbst 2021 ein Anstieg der Zahl der vom LKA MV festgestellten Straftaten mit eindeutig antisemitischem Hintergrund zu verzeichnen. 72 Im Rahmen der intensivierten Beobachtung islamistischer Bestrebungen in Folge der Anschläge vom 11. September 2001 wurden von der LfV MV regelmäßig Aufrufe zur "Tötung" von Juden im Rahmen von Freitagsgebeten in mehreren Moscheen Mecklenburg-Vorpommerns sowie Spendensammlungen zugunsten der HAMAS registriert. Zudem kam es im Kontext bewaffneter Konflikte zwischen den israelischen Verteidigungsstreitkräften mit der HAMAS bzw. der Hizbollah wiederholt zu anti-israelischen Demonstrationen - vor allem von in Deutschland lebenden muslimischen Migranten - in deren Verlauf auf emotionalisierende und antisemitische Art und Weise agitiert wurde. Durch die Beobachtung islamistischer Bestrebungen konnte die Art und der Umfang antisemitischer Propaganda im Rahmen islamischer Gottesdienste bestätigt werden. Es wurde darüber hinaus auch deutlich, dass diese auch von nicht-islamistischen Moscheebesuchern als "völlig normal" empfunden wurde. Auch wenn derzeit keine öffentlich wahrnehmbaren antisemitischen und israelfeindlichen Aktivitäten des islamistischen Spektrums zu verzeichnen sind, muss trotzdem davon ausgegangen werden, dass derartige Denkweisen weiterhin von vielen muslimischen Zuwanderern geteilt werden. Von besonderer Bedeutung ist der generell im Bundesgebiet bestehende israelbezogene Antisemitismus. Insbesondere seine umfassende Anschlussfähigkeit ermöglicht es dieser Variante des Antisemitismus, eine Scharnierfunktion wahrzunehmen. Diese besteht zwischen ausländerextremistischen, islamistischen Terrororganisationen und linksextremistischen Gruppen einerseits sowie vereinzelten nichtextremistischen Akteuren und Gruppen andererseits. Ein wesentliches Beispiel hierfür ist das Bündnis "Boycott, Divestment and Sanctions" (BDS) (siehe hierzu auch Abschnitt 9.4). Darüber hinaus wurden in mehreren Fällen von Gegnern der staatlichen Corona-Maßnahmen - insbesondere von Gegnern einer etwaigen Impfpflicht - Bezüge zur nationalsozialistischen Judenverfolgung hergestellt, vor allem durch das Tragen gelber 73 Davidsterne mit dem Aufdruck "ungeimpft". Ein Grundsatzurteil zu dieser Thematik steht bislang aus. Linksextremistisch motivierte antisemitische und antiisraelische Aktivitäten, auch unterhalb der Schwelle zur Strafbarkeit, wurden der LfV MV vor allem im Kontext des Konfliktes zwischen "antiimperialistischen" (antizionistischen) und "antinationalen" (prozionistischen) Linksextremisten sowie der o.g. Demonstrationen bekannt. Aufgrund der sich abzeichnenden ideologischen Dominanz des "antinationalen" Lagers scheinen diese Konflikte in Mecklenburg-Vorpommern mittlerweile jedoch unbedeutend geworden zu sein - und mit ihnen die öffentlich demonstrierte linksextremistische Israelfeindlichkeit. Auch für die in marxistisch-leninistischer Tradition stehenden Teile des linksextremistischen Lagers muss weiterhin von einer Sympathie für antisemitische Verschwörungstheorien, besonders durch Antiimperialisten, ausgegangen werden. Derartige Verschwörungstheorien dienen in diesem Zusammenhang hauptsächlich dazu, das Ausbleiben der von Karl Marx noch für das 19. Jahrhundert prognostizierten "sozialistischen Weltrevolution" durch eine andauernde Konspiration von "Macht" (Staat) und "Kapital" zu erklären. Dabei versuchen Linksextremisten dieser "Verschwörung gegen die Arbeiterklasse" ein Gesicht zu geben. Regelmäßig scheuen sie nicht davor zurück, sich antisemitischer Denkmuster zu bedienen. Repräsentative Untersuchungen zu antisemitischen Einstellungen in der Wohnbevölkerung MecklenburgVorpommerns liegen nicht vor. Für den Bereich des Rechtsextremismus ist weiterhin festzustellen, dass vor allem Rassenund Verschwörungs-Antisemitismus für dieses Spektrum ideologisch bestimmend ist. 74 6 Waffenrechtliche Erlaubnisse Ein Thema, welches Extremisten sämtlicher Phänomenbereiche betrifft, sind die waffenrechtlichen Erlaubnisse. Insbesondere Rechtsextremisten sowie Reichsbürger und Selbstverwalter sind häufig im Besitz eines Kleinen Waffenscheins, einer Standardoder einer Sportschützen-Waffenbesitzkarte (WBK). Nicht selten besitzen diese Personen auch Waffen. Durch das im Jahr 2020 in Kraft getretene "Dritte Waffenrechtsänderungsgesetz"90 haben die Waffenbehörden bei jedem Erstantrag auf Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis und bei jeder Folgeüberprüfung der Zuverlässigkeit bei der zuständigen Landesbehörde für Verfassungsschutz anzufragen, ob Erkenntnisse zu extremistischen Bestrebungen vorliegen. Die Bewertung dieser Erkenntnisse im Sinne einer waffenrechtlichen Zuverlässigkeit nehmen die Waffenbehörden vor. Der Vollzug dieses Gesetzes führte in M-V dazu, dass einige Personen, die als Extremisten bekannt waren, eine beantragte waffenrechtliche Erlaubnis nicht erhielten, ihnen eine Verlängerung versagt oder ein entsprechender Antrag abgelehnt wurde. Die Bemühungen, Extremisten vom legalen Waffenbesitz auszuschließen, werden stetig fortgeführt. 7 Linksextremismus 7.1 Lageüberblick Linksextremisten verfolgen das Ziel, die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung und damit auch die freiheitliche demokratische Grundordnung abzuschaffen, um an deren Stelle ein kommunistisches System (dogmatischer Linksextremismus) oder eine "herrschaftsfreie", anarchistische Gesellschaftsform zu errichten (undogmatischer Linksextremismus/Anarchisten). 90Internetseite des BMI, www.bmi.bund.de, abgerufen am 04.02.2022. 75 Ideologie Dogmatische Linksextremisten vertreten die klassische marxistisch-leninistische Ideologie des Kommunismus in ihren verschiedensten Ausprägungen (Stalinismus, Maoismus, Trotzkismus etc.). Als Übergangsstufe ist hiernach ein sozialistisches System mit der Staatsform der Diktatur des Proletariats als Instrument der Machtsicherung der "Arbeiterklasse" notwendig. Systeme, die sich auf die Lehren von Marx, Engels, Lenin, Trotzki, Stalin oder Mao Tse-tung berufen haben und heute noch berufen, sind antidemokratisch und Menschen verachtend. Dabei war und ist der Einzelne als Teil des Kollektivs einem strengen sozialen und politischen Überwachungssystem unterworfen, das Individualität, wie sie in Demokratien verfassungsrechtlich garantiert ist, nicht zulässt. Zuerst kommt das "System", dann der Mensch. Für die Folgen dieser Ideologie stehen Begriffe wie Berliner Mauer, Gulag 91, Holodomor92, Niederschlagung des Prager Frühlings oder auch das Tian'anmenMassaker 1989 in Peking. Undogmatische Linksextremisten (Aktionsorientierte Autonome und Anarchisten) hängen dagegen der Vorstellung an, dass es einen revolutionären Prozess geben könne, der unmittelbar in eine "herrschaftsfreie" Gesellschaft" münde. Dementsprechend werden alle staatlichen und gesellschaftlichen Normen, Institutionen und Manifestationen delegitimiert, diskreditiert und (häufig als faschistoid) stigmatisiert. 91Russische Abkürzung für "Hauptverwaltung der Erziehungsund Arbeitslager". Bezeichnung für stalinistische Strafund Zwangsarbeitslager in der Sowjetunion, in denen so genannte politische Häftlinge und Kriminelle im Zuge der Massenrepressionen interniert wurden. 92Ukrainisch für "Tötung durch Hunger" - große Hungersnot in der Sowjetrepublik Ukraine in den Jahren 1932/33 mit 6 bis 7 Mio. Todesopfern in Folge der Zerstörung der Landwirtschaft durch die Zwangskollektivierung, gezielt überhöhte Abgabepflichten für die Bauern und Verhinderung von Hilfsmaßnahmen unter der Regierung Stalins. 76 Einen gemeinsamen Schnittpunkt linksextremistischer Ideologien bildet die Bekämpfung des Kapitalismus. Linksextremisten verbinden mit diesem Begriff in der heutigen Zeit marktwirtschaftliche Volkswirtschaften in demokratischen Rechtsstaaten. Diese Systeme seien verantwortlich für eine weltweite soziale Ungerechtigkeit, Rassismus, Kriege und Umweltzerstörung und somit eine Form von staatlicher "struktureller Gewalt". Daher sei die Beseitigung dieser Verhältnisse durch einen revolutionären Prozess Voraussetzung für das Erreichen der eigenen Ziele, die eine Gesellschaft der "Freien und Gleichen" garantieren sollen. Auf dem Weg dorthin wird die Anwendung von Gewalt als legitimes Mittel angesehen. An dieser Vorstellung richten sich auch die Aktionsfelder der Szene aus. Linksextremisten sind regelmäßig bestrebt, tagespolitische und gesellschaftsrelevante Themen, Meinungsbildungsprozesse und politische Aktivitäten im Sinne ihrer Ideologie zu dominieren, zumindest in ihrem Sinne in der öffentlichen Wahrnehmung zu beeinflussen und ihr eigenes verfassungsfeindliches Handeln zu legitimieren. Hierzu greifen sie häufig Themen auf, die in der Öffentlichkeit auf großes Interesse und breite Akzeptanz stoßen. Sie versuchen hierbei zielgerichtet ein Auseinanderfallen der öffentlichen Meinung und der Entscheidungen und Handlungen staatlicher Akteure darzustellen. In den mit Beginn der Pandemiemaßnahmen aufkommenden Protesten zeigte sich zunächst auch die linksextreme Szene. Sie verknüpfte dabei ihre Kritik an der Beschränkung von Freiheitsrechten mit ihrer generellen Systemkritik. Im weiteren Verlauf der Pandemie veränderte sich das Profil des Protestklientels. Parallel dazu wandelte sich auch die Zielrichtung des Protests der linksextremistischen Szene in der Weise, dass sie sich zunehmend gegen die dem rechten Spektrum zugerechneten Proteste richtete. Insgesamt trat die linksextremistische Szene im Berichtszeitraum aufgrund der coronabedingten Einschränkungen weniger stark als in den Vorjahren in Erscheinung. Dominierende 77 Aktionsfelder waren die Themen Klimaschutz, Antifaschismus und Antirepression. 7.2 Linksextremistische Strukturen in MecklenburgVorpommern In Mecklenburg-Vorpommern konnten die linksextremistischen Strukturen im Berichtszeitraum keinen Zuwachs verzeichnen. Das linksextremistische Personenpotenzial bewegte sich weiterhin bei knapp 500. Dies dürfte aber auch mit der Zusammensetzung dieser Szene zusammenhängen. Parteien mit marxistisch-leninistischer Ausrichtung sind auch aufgrund der Erfahrungen mit dem "real existierenden Sozialismus" bundesweit wenig attraktiv. Das Bedürfnis, sich in gewaltbereiten Szenen zu bewegen, ist wenig ausgeprägt und beschränkt sich zumeist auf junge Menschen in städtischen, universitären Milieus. Mecklenburg-Vorpommern mit seinen großen ländlichen Räumen ist daher allein schon strukturell kein Schwerpunktland für linksextremistische Militanz. 7.2.1 Gewaltorientierte Linksextremisten/Autonome Sitz/Verbreitung lokale Schwerpunkte bilden die Universitätsstädte Rostock und Greifswald. Struktur Der gewaltorientierten Szene gehören in Mecklenburg-Vorpommern im Wesentlichen die "Autonomen" an, die ideologisch dem Anarchismus zuzurechnen sind. Sie sind für die Mehrzahl der linksextremistisch motivierten Straftaten, insbesondere die Gewalttaten, verantwortlich. In diesem Spektrum finden sich zudem die Vertreter der sogenannten Postautonomen, die im Unterschied zum harten Kern der Autonomen Szene eine größere Einflussnahme auf politische Prozesse in der Gesamtgesellschaft anstreben. Zur Gewalt haben diese Gruppierungen - in Mecklenburg78 Vorpommern zählt hierzu die "Interventionistische Linke" (IL) - ein taktisches Verhältnis: Gewalt wird zwar nicht selbst ausgeübt, deren Begehung durch Aktionsund Bündnispartner jedoch akzeptiert. Mitglieder Personenpotenzial ca. 240 in MV Ziele Abschaffung der bestehenden staatlichen Strukturen auch unter Anwendung von Gewalt (insbesondere gegen Sicherheitsbehörden und ihre Repräsentanten) und unter Bezugnahme auf tagespolitisch aktuelle Themen. "Rote Hilfe e.V." (RH) Sitz/Verbreitung Ortsgruppen in Rostock und Greifswald Struktur bundesweit agierender Verein Mitglieder ca. 260 in MV Ziele Vorrangiges Aktionsfeld der RH ist die rechtliche und finanzielle Unterstützung Szeneangehöriger in gerichtlichen Verfahren, insbesondere bei Strafprozessen im Themenfeld "Antirepression". Im Ergebnis bietet sie Aktivisten der Szene damit neben der sächlichen Unterstützung auch einen Legitimationsrahmen für die Begehung von Strafund Gewalttaten. Zudem versucht sie durch intensive Öffentlichkeitsarbeit Einfluss auf die Meinungsbildung zu nehmen und den demokratischen Rechtsstaat wegen dessen vermeintlich "repressiven Charakters" zu diskreditieren. 79 93 "Schwarz-Rote Hilfe" (SRH) Rostock Sitz/Verbreitung Rostock Struktur Im Raum Rostock aktiver, nicht eingetragener Verein Mitglieder (Mitgliederzahl nicht bekannt) Ziele Grundsätzlich verfolgt die SRH, anders als die RH, den Ansatz der aktionsorientierten, nach eigenem Bekunden "kreativen Antirepression". Damit will sie u.a. Linksextremisten ermutigen, die demokratisch legitimierte und rechtsstaatlich fundierte Arbeit von Behörden und Gerichten zu erschweren. Institutionen sollen so diskreditiert werden. Laut Eigenangaben ist die SRH selbstorganisierte Anti-Repressions-Arbeit, die unter anderem rechtliche, finanzielle und menschliche Unterstützung im Repressionsfall biete. 93Internetseiten der RH, abgerufen am 05.04.2022. 80 94 7.2.2 Dogmatischer Linksextremismus Deutsche Kommunistische Partei (DKP), Landesverband MV Sitz/Verbreitung Ansprechstellen in Stralsund, Schwerin und Rostock Struktur bundesweite Partei Mitglieder ca. 35 in MV Ziele Laut Parteiprogramm ist "der revolutionäre Bruch mit den kapitalistischen Machtund Eigentumsverhältnissen" als Ziel formuliert. Die von der Partei angestrebte Gesellschaft ist "der Sozialismus als erste Phase der kommunistischen Gesellschaftsformation". Die zur Erlangung dieser Ziele erforderliche Errichtung einer Diktatur des Proletariats steht in offenem Gegensatz zu den Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. 94Internetseite SRH, abgerufen am 05.04.2022. 81 95 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) Sitz/Verbreitung Ortsgruppen in Schwerin und Rostock Struktur bundesweit aktive, eigenständige Jugendorganisation, betrachtet sich als Nachwuchsorganisation der DKP. Mitglieder ca.10 in MV Ziele Abschaffung des Kapitalismus und die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft. Die Ziele kollidieren wie bei der Mutterorganisation DKP mit den Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. _________________________________________________ Marxistisch Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) Sitz/Verbreitung Ortsgruppen in Alt Schwerin, Rostock und Waren, Jugendverband "REBELL" mit einer Ortsgruppe in Rostock, MV gehört zum Landesverband Nord-Ost. Struktur bundesweite Partei Mitglieder ca. 15 in MV 95Logo der DKP, abgerufen auf der Internetseite Wikipedia, abgerufen am 05.04.2022. 82 Ziele Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft als Übergang zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft. Strenge Ausrichtung an maoistisch-stalinistischen Prinzipien, Verstaatlichung der Produktionsmittel, Diktatur des Proletariats und damit im direkten Gegensatz zu den Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. 96 Sozialistische Organisation Solidarität (SOL) Sitz/Verbreitung Rostock Struktur bundesweite Organisation, Die "Sozialistische Organisation Solidarität" ist 2019 aus der Spaltung der "Sozialistischen Alternative" (SAV) hervorgegangen. Mitglieder ca. 20 in MV Ziele Abschaffung des Kapitalismus und Schaffung einer sozialistischen Demokratie durch Vergemeinschaftung der Produktionsmittel. Die Ziele stehen im offenen Widerspruch zu den Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (entschädigungslose 96Internetseite der MLPD, abgerufen am 05.04.2022. 83 Enteignungen, Abschaffung des Parlamentarismus, der auf freien Wahlen basiert). 97 7.3 Personenpotenzial Das Personenpotenzial aller linksdogmatischen Organisationen in Mecklenburg-Vorpommern beläuft sich auf unter 100 Personen und bleibt damit im Vergleich zu 2020 unverändert niedrig, mit einer Tendenz zum (demographisch bedingten) weiteren Rückgang. Die geringe Bedeutung linksdogmatischer Parteien und Organisationen in Mecklenburg-Vorpommern wird auch durch das Ergebnis der Landtagswahlen im September 2021 unterstrichen. Die hier zur Wahl des Landtages MV und des Bundestages angetretene und zugelassene DKP erzielte in beiden Wahlen jeweils lediglich ein Ergebnis von 0,1% der abgegebenen Stimmen. Die nur zur Wahl des Bundestages angetretene MLPD erzielte ein Ergebnis von weniger als 0,1% der Wählerstimmen. Personenpotenzial der linksextremistischen Personenzusammenschlüsse 2021 in Mecklenburg-Vorpommern und bundesweit.98 97 Facebook-Seite SOL Rostock, abgerufen am 05.04.2022. 98Alle Zahlen sind Rundungswerte. 84 M-V M-V Bund Bund 2020 2021 2020 2021 Gewaltorientierte Linksext260 245 99 9.200 9.600 remisten "Rote Hilfe e.V."(RH) 250 250 10.500 11.000 "Deutsche Kommunistische 40 35 2.850 2.850 Partei"(DKP) "MarxistischLeninistische 20 15 2.800 2.800 Partei Deutschlands"(MLPD) "Sozialistische Organisa25 20 400 400 tion Solidarität"(SOL) "Sozialistische Deutsche 10 10 670 670 Arbeiterjugend"(SDAJ)100 Gesamt101 500 480 33.500 34.300 7.4 Straftatenaufkommen Insgesamt wurden durch das Landeskriminalamt MecklenburgVorpommern im Phänomenbereich "Links" der politisch motivierten Kriminalität 226 Straftaten erfasst. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet dies einen Zuwachs um 52 Fälle, die jedoch im Wesentlichen auf Sachbeschädigungen an Wahlplakaten im Kontext der Landtagswahlen 2021 und auf eine geringfügige Zunahme an Propagandadelikten zurückzuführen sind. Die Zahl als linksextremistisch bewerteter Straftaten sank von 69 auf 52 Fälle. Die Anzahl registrierter Gewaltdelikte sank ebenfalls gegenüber dem Vorjahr von 17 auf 12 Fälle, ebenso wie die Anzahl der Verstöße gegen das Versammlungsgesetz 99 Darin enthalten sind auch die Mitglieder / Anhänger der "interventionistischen Linken"(IL). Die IL ist als gewaltunterstützend einzustufen. 100 Die Anzahl der Mitglieder der SDAJ in Mecklenburg-Vorpommern ist in der Gesamtzahl der gewaltorientierten Linksextremisten in Mecklenburg-Vorpommern mit enthalten. 101 Gesamtzahl von Mecklenburg-Vorpommern und Bund um Mehrfachmitgliedschaften bereinigt. Die Gesamtzahl des Bundes umfasst auch Organisationen, die in Mecklenburg-Vorpommern nicht vertreten sind oder nicht beobachtet werden. 85 (von 17 auf 13 Fälle). Den Schwerpunkt bildeten auch in 2021 Sachbeschädigungen. Fallbeispiele Aktionsfeld "Klimaschutz" Im zeitlichen Zusammenhang mit einem Protestcamp des Bündnisses "Ende Gelände" in Brunsbüttel (S-H) kam es am 2. August 2021 zu zwei Sabotageanschlägen auf die Gasinfrastruktur in Mecklenburg-Vorpommern (bei den Ortschaften Reimershagen und Pustow). Aktionsfeld "Antifaschismus" In der Nacht vom 24. zum 25. November 2021 kam es zu drei Angriffen auf bekannte Angehörige der rechtsextremen Szene. Hierbei wurde ein PKW in Rostock komplett mit schwarzer Farbe besprüht. Am selben Morgen wurde die Hausfassade eines in Güstrow lebenden Neonazis ebenfalls großflächig mit schwarzer Farbe besprüht. Im dritten Fall wurden die Reifen des PKW eines in Rostock lebenden Neonazis zerstochen. Ein innerer Zusammenhang zwischen allen drei Taten ist anzunehmen. Aktionsfeld "Antirepression" In den Morgenstunden des 16. November 2021 wurde das Dienstgebäude der Polizeiinspektion Rostock in der Ulmenstraße Ziel eines Farbanschlags. Die Tat wurde mit angeblichem "strukturellem Rassismus" innerhalb der Polizei und polizeilicher "Repression gegen Linke" begründet. 86 7.5 Aktionsfelder 7.5.1 Aktionsfeld "Klimaschutz" Der Klimaschutz und die damit verbundenen Veränderungen für die Wirtschaft und die Lebensweise jedes Einzelnen nehmen in der gesamtgesellschaftlichen Diskussion über die Gestaltung der Zukunft einen zunehmend breiteren Raum ein. Linksextremisten versuchen hier, auch unter Inkaufnahme der Gefährdung Dritter und der Begehung von Straftaten mediale Aufmerksamkeit zu erregen und auf diese Weise Anschlussfähigkeit an ein breiteres politisches Spektrum zu erreichen. Im Kern geht es bei diesen Handlungen nicht um die tatsächliche Sensibilisierung von Politik und Öffentlichkeit für den Naturund Umweltschutz und die Reduzierung klimaschädlicher Faktoren, sondern um den Gewinn der Deutungshoheit über die Ausgestaltung der Politik. Deutlich wird das Missverhältnis zwischen dem propagierten Ziel des Klimaschutzes und dem eigenen Handeln der sogenannten "Klimaaktivisten" beispielsweise anhand der gefährlichen Besetzung des Greifswalder Blockheizkraftwerkes am 10. September 2021. Auch die bereits genannten Sabotageaktionen gegen die Gasinfrastruktur im August 2021 oder die medienwirksame Beteiligung an einem Hungerstreik vor dem Bundestag im August/September 2021 im Vorfeld der Wahlen zum Deutschen Bundestag stellen ein fragwürdiges Demokratieverständnis zur Schau, welches davon ausgeht, sich angesichts der Bedrohungen durch den Klimawandel über rechtliche Schranken und demokratische Diskursformen hinwegsetzen zu können. 7.5.2 Aktionsfeld "Antifaschismus" Eines der wichtigsten Themenfelder für Linksextremisten bildet im Land Mecklenburg-Vorpommern nach wie vor der "Antifaschismus". Hierbei werden regelmäßig zwei Ziele miteinander verknüpft, zum einen die Bekämpfung aller als politisch rechtsstehend eingeschätzter Personen und Organisationen, zum anderen der "bürgerlich-demokratische" Staat, der in der Lesart 87 von Linksextremisten den "Faschismus" als eine mögliche Herrschaftsform akzeptiert, fördert und ihn deshalb auch nicht ausreichend bekämpft. Letztlich, so wird argumentiert, wurzele der Faschismus in den gesellschaftlichen und politischen Strukturen des Kapitalismus. Die "Antifa-Arbeit" verbindet auf diese Weise ihren Kampf gegen Rechtsextremismus mit dem (gesellschaftlich schwerer vermittelbaren) Kampf gegen das kapitalistische System.102 In Bezug auf demonstrative Aktivitäten trat die linksextremistische Szene im Berichtszeitraum aufgrund der coronabedingten Einschränkungen nur vereinzelt in Erscheinung. Typisch war beispielsweise die Beteiligung an den Gegenprotesten anlässlich des Aufzuges der NPD am 1. Mai 2021 in Greifswald. Unter dem Deckmantel und dem Schutz des friedlichen bürgerlichen Protestaufzuges formierte sich hier ein "schwarzer Block" mit ca. 300 bis 400 Personen der linksautonomen/linksextremistischen Szene, aus dem u.a. Pyrotechnik gezündet und eingesetzte Polizeikräfte mit Böllern beworfen wurden. 7.5.3 Aktionsfeld "Antirepression" Als "Antirepression" bezeichnen Linksextremisten ihren Kampf gegen eine von ihnen behauptete, vielgestaltige Unterdrückung durch den (verhassten) Staat, welcher nicht nur jegliche revolutionären Ansätze im Keim ersticken wolle, sondern bereits die bloße allgemeine Ausübung von staatsbürgerlichen Grundrechten beeinträchtige. Zu den bevorzugten Zielobjekten gehören naturgemäß Polizeibeamte, aber auch Nachrichtendienste und andere staatliche Einrichtungen, wie Gerichte und Staatsanwaltschaften. In diesem Aktionsfeld engagieren sich neben gewaltorientierten Linksextremisten auch Organisationen wie etwa die "Rote Hilfe". 102Linksextremismus - Erscheinungsformen und Gefährdungspotenziale, S. 33, BfV 2016. 88 So wurde anlässlich der jährlichen linksextremistischen Kampagne zum "Tag des politischen Gefangenen" am 18. März 2021 in Rostock eine Kundgebung mit rd. 100 Personen abgehalten. In verschiedenen Redebeiträgen wurde auf die Situation Betroffener von - vermeintlich - politischer Gefangenschaft und Repression aufmerksam gemacht. Beendet wurden die Beiträge mit Formulierungen wie: "Scheiß Polizeigesetze!", "Scheiß Überwachung!", "Scheiß Knast!", "Scheiß Festung Europa!", "Solidarität ist eine Waffe!" sowie "Freiheit für alle politischen Gefangenen!"103 Der Begriff des "politischen Gefangenen" und die damit zusammenhängende Agitation stellt ein typisches Argumentationsmuster der linksextremistischen Szene dar. Mit diesem Begriff soll die Botschaft transportiert werden, dass der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat lediglich eine förmliche Fassade sei, hinter der sich in Wahrheit ein autoritärer Kern verberge, der darauf ausgerichtet sei, jeden Widerstand gegen "das System" zu kriminalisieren und zu brechen. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung soll damit diskreditiert und auf eine Stufe mit diktatorischen Regimes gestellt werden. 8 Islamismus / Islamistischer Terrorismus 8.1 Islamistische Bestrebungen - politischer Extremismus mit Rückgriff auf den Islam Das Phänomen des Islamismus wird begrifflich und inhaltlich von dem des Islam unterschieden. Der Islam ist eine Religion, deren Ausübung durch das im Artikel 4 des Grundgesetzes festgehaltene Recht auf Religionsfreiheit garantiert und die als solche nicht von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet wird. Der Islamismus ist hingegen dadurch gekennzeichnet, dass er einen explizit politischen Anspruch aus der Religion des Islam ableitet. Islamisten instrumentalisieren die Religion des Islam für politische und verfassungsfeindliche Zwecke. Sie 103de.indymedia.org/node/144709, abgerufen am 18.5.2022. 89 verfolgen das Ziel, ihre gesellschaftspolitischen Vorstellungen in Staat und Gesellschaft durchzusetzen und dies sowohl in muslimischen wie auch in säkular geprägten Gesellschaften. Islamisten wollen eine "Ordnung des Islam" errichten, in der mittels Anwendung "islamischer Rechtsnormen" der Geltungsanspruch der Scharia durchgesetzt und damit wesentliche Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung außer Kraft gesetzt werden sollen. Der Verfassungsschutz beobachtet deshalb unter der Überschrift Islamismus religiös motivierte extremistische Bestrebungen, die sich gegen westliche Wertund Ordnungsvorstellungen, insbesondere gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten. Der islamistische Extremismus ist kein einheitliches Phänomen, sondern weist zahlreiche Facetten auf. Diese unterscheiden sich zum einen in ihrer Reichweite und ihrem Anspruch; das Spektrum reicht hierbei von lokalen islamistischen Vereinen bis zu global agierenden Organisationen wie den Terrororganisationen "Islamischer Staat" (IS) oder "al-Qaida". Logo der verbotenen Terrororganisation IS Daneben gibt es islamistische Gruppierungen, deren Agenda sich auf bestimmte Regionen bezieht. Die islamistische "Harakat al-Muqawama al-Islamiya" (HAMAS) etwa richtet ihre Aktivitäten auf eine Islamisierung Palästinas. HAMAS ist für dieses Ziel aber weit über die Grenzen Palästinas hinaus aktiv. 90 Zum anderen unterscheiden sich die Mittel, die islamistische Gruppierungen einsetzen, um ihre Ziele zu erreichen. So gibt es islamistische Organisationen, die als legalistisch bezeichnet werden, weil ihre Zielsetzungen zwar extremistisch sind, sie sich aber bei ihren Aktionen innerhalb des vorgegebenen rechtlichen Rahmens bewegen. Andere islamistische Gruppierungen befürworten unter bestimmten Umständen den Einsatz von Gewalt als Mittel, um ihre Ziele durchzusetzen. Schließlich gibt es im Bereich des Islamismus terroristische Gruppierungen wie "al-Qaida" und den IS, deren primäres Ziel die Propagierung, die Androhung und der Einsatz von Gewalt ist. Diese Vielfalt hat zur Folge, dass der islamistische Extremismus auch keine Bewegung ist, die nach außen hin geschlossen auftritt. Teile dieses Spektrums bekämpfen einander, nicht zuletzt aufgrund religiöser Differenzen, auf das Heftigste. Das Personenpotenzial im islamistischen Extremismus bewegte sich im Berichtsjahr 2021 insgesamt auf einem gleichbleibenden Niveau: M-V M-V Bund Bund 2020 2021 2020 2021 Salafisten 160 180 12.150 11.900 Sonstige 30 20 16.565 16.390 Gesamt 190 200 28.715 28.290 Im Folgenden werden die "Entwicklung des Islamismus und islamistischen Terrorismus 2021" und die "Staatlichen Maßnahmen gegen islamistischen Extremismus in Deutschland" behandelt. Anschließend werden mit dem "Salafismus" und der "Islamistisch Nordkaukasischen Szene" die im Land MV dominierenden Strömungen des Islamismus beschrieben. 91 8.2 Entwicklung des Islamismus und islamistischen Terrorismus 2021 Der islamistische Terrorismus stellt nach dem Rechtsterrorismus weiterhin die größte Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik dar. Die angespannte Bedrohungslage blieb grundsätzlich auch 2021 bestehen, jedoch gab es in diesem Jahr in Deutschland, anders als in 2020, keine tödlichen islamistischen Anschläge. Auch im europäischen Ausland blieben 2021 im Gegensatz zu den Vorjahren islamistische Terroranschläge aus. Dessen ungeachtet muss darauf hingewiesen werden, dass es aus nachrichtendienstlicher Sicht keinen Grund zur Entwarnung bezüglich des islamistischen Terrorismus in Europa gibt. Auch 2021 waren vor allem in islamisch geprägten Ländern wie Afghanistan, Syrien und Irak wieder zahlreiche islamistische Anschläge zu beklagen, denen zahlreiche Menschen zum Opfer fielen. Das islamistisch-terroristische Personenpotenzial in Deutschland lag Ende 2021 bei rund 1.950 Personen (Dezember 2020: 2.040). Dieses Potenzial spiegelt eine permanente und erhebliche Gefährdung wider. Infolgedessen muss grundsätzlich damit gerechnet werden, dass es auch in Deutschland zu einem Anschlag islamistischer Terroristen kommen kann. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat auch 2021 ihre Aktivitäten in Syrien und im Irak fortgesetzt. Sie ist dort weiterhin als Terrororganisation im Untergrund aktiv und somit steht weiterhin zu befürchten, dass sie von dort aus Attentäter nach Westeuropa entsendet. Daneben strebt der IS an, dass seine bereits in Europa lebenden Anhänger dort Anschläge verüben, für die die Organisation dann die Verantwortung übernimmt und das Ereignis propagandistisch für sich nutzt. Insgesamt kann festgestellt werden, dass an vielen islamistischen Terroranschlägen der letzten Jahre Personen beteiligt waren, die in Europa lebten oder schon dort geboren wurden, sich aber nicht im Ausland an terroristischen Aktivitäten beteiligt 92 hatten (sogenannter "homegrown terrorism"). Die meisten dieser Täter wurden dabei ohne Anbindung an eine Terrororganisation tätig. Ein markantes Ereignis für den Phänomenbereich Islamismus/islamistischer Terrorismus im Jahr 2021 stellte der rasche Abzug der von den USA geführten Militärallianz aus Afghanistan im August dar. Obwohl sich dieser Militäreinsatz über fast zwanzig Jahre erstreckte, konnte er die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus, der von Afghanistan ausgeht, nicht beseitigen. Afghanistan ist, wie auch andere Regionen im Nahen und Mittleren Osten, weiterhin ein Krisenherd und damit auch ein Nährboden für islamistische Mobilisierung und Radikalisierung. Es ist zu erwarten, dass mit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan in 2021 auch weitere Impulse für die Entwicklung von Organisationen des islamistischen Terrorismus wie "al-Qaida" und dem "Islamischen Staat" ausgehen werden. 8.2.1 Risiken durch Rückkehrende aus Syrien und Irak Während des Bürgerkrieges in Syrien sind seit 2013 insgesamt rund 1.150 Islamisten aus Deutschland nach Syrien und in den Irak ausgereist. Im Jahr 2021 spielten solche Ausreisen keine Rolle mehr. Rund 37% der Ausgereisten sind mittlerweile wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Für die Sicherheitslage in Deutschland stellt diese Personengruppe weiterhin ein erhebliches Gefährdungspotenzial dar, da sie über umfangreiche Erfahrungen mit Krieg und Terrorismus verfügen und zudem stark ideologisch indoktriniert sind. Personen, die im Ausland aktiv am Jihad teilgenommen haben, genießen darüber hinaus in salafistischen und jihadistischen Kreisen - auch in Deutschland - oft ein besonderes Ansehen, werden auf Grund dieser Erfahrungen häufig zu Vorbildern und tragen mit ihren Jihad-Erfahrungen zur Stärkung und Radikalisierung der salafistischen Szene in Deutschland bei. Die Landesregierung verfügt derzeit über keine bestätigten Informationen zu Einund Ausreisefällen von Islamisten nach 93 Syrien oder in den Irak mit Bezug nach Mecklenburg-Vorpommern. 8.2.2 Verhinderte islamistische Anschläge in Deutschland Wie oben bereits angesprochen, gab es in 2021 keine Opfer durch islamistische Terroranschläge in Deutschland - hervorzuheben ist jedoch, dass es den Sicherheitsbehörden gelang, auch 2021 wieder mehrere Anschläge im Vorfeld zu verhindern. Vorbereitung eines islamistischen Sprengstoffanschlags in Hamburg Am 26. August 2021 wurde der deutsch-marokkanische Staatsangehörige Abdurrahman C. aus Hamburg festgenommen. C., welcher im Sommersemester 2021 in Wismar studierte, wird vorgeworfen im Raum Hamburg einen Sprengstoffanschlag im Zusammenhang mit dem zwanzigsten Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA geplant zu haben. Als Vorbild diente ihm dabei das Vorgehen der Attentäter auf den Boston-Marathon im April 2013. Abdurahman C. hatte sich bereits Materialien für den Bau von sogenannten unkonventionellen Sprengund Brandstoffvorrichtungen (USBV) beschafft, darunter größere Mengen an Chemikalien sowie mehrere Hundert Schrauben und Muttern aus Metall. Zudem hatte er versucht, über das Darknet eine Handgranate und eine halbautomatische Handfeuerwaffe zu erwerben. Die Bundesanwaltschaft hat am 10. März 2022 Anklage gegen Abdurrahman C. erhoben. Verhinderter Anschlag auf Synagoge in Hagen Gegen den syrischen Staatsangehörigen Oday J. (17) wurde am 27. Dezember 2021 vor dem Landgericht Hagen Anklage erhoben wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß SS 89 a Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 StGB. Oday J. wird unter anderem vorgeworfen, einen Anschlag auf eine Synagoge in Hagen an einem hohen jüdischen Feiertag geplant zu haben. Er soll hierzu im August 2021 von 94 einem Angehörigen der Terrororganisation IS instruiert worden sein. Bevor er sein Vorhaben umsetzen konnte, wurde er am 16. September 2021 festgenommen. 8.2.3 Religiöser Wahn oder islamistische Motive - Herausforderungen bei der Einordnung von Gewaltstraftaten Bei manchen Gewaltstraftaten gibt es beim Täter sowohl Bezüge zur Religion des Islam als auch Hinweise auf eine psychische Störung. In solchen Fällen stellt sich die Frage, ob der Täter radikalisiert war und aus islamistischen Motiven gehandelt hat oder ob bei ihm eine psychische Störung vorliegt, wie etwa ein religiöser Wahn. Am 6. November 2021 hatte ein 27-jähriger Syrer in einem ICE zwischen Regensburg und Nürnberg mehrere Fahrgäste mit einem Messer attackiert und dabei vier Männer zum Teil schwer verletzt. Nach der Tat stellte ein Sachverständiger beim Täter eine paranoide Schizophrenie fest, so dass dieser als nicht schuldfähig eingestuft wurde. Gleichwohl übernahm die Generalstaatsanwalt München die strafrechtlichen Ermittlungen. In der Folge kamen mehrere Gutachten zu dem Schluss, dass der Verdächtige doch schuldfähig sei. Zudem wurden bei ihm Propagandavideos der Terrororganisation Islamischer Staat gefunden. Bislang ist somit nicht geklärt, inwieweit tatsächlich eine islamistische Motivation bei der Messerattacke eine Rolle gespielt hat. Möglicherweise wird das anstehende Strafverfahren diesen Hintergrund aufklären. Am 25. Juni 2021 hatte ein Mann somalischer Herkunft in der Würzburger Innenstadt mehrere Personen mit einem Messer angegriffen, dabei drei Menschen getötet und fünf Menschen schwer sowie drei leicht verletzt. Zwei Gutachter kamen zu dem Ergebnis, dass der Somalier schuldunfähig sei, da er an paranoider Schizophrenie leide. In der Folge wurde er in die geschlossene Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses verlegt. Hinweise auf eine extremistische Orientierung des Täters im Vorfeld der Tat waren nicht bekannt. Die Ermittlungsbehörden hatten erklärt, dass es aufgrund von "Allahu akbar"95 Ausrufen während der Tat oder der Thematisierung des "Dschihad" in der Klinik, zumindest Anhaltspunkte für ein islamistisches Motiv der Tat gäbe. 8.3 Staatliche Maßnahmen gegen islamistischen Extremismus 8.3.1 Vereinsverbote Verbot von "Jama'atu Berlin" alias "Tauhid Berlin" Am 25. Februar 2021 hat die Senatsverwaltung für Inneres und Sport Berlin die jihadistisch-salafistische Vereinigung "Jama'atu Berlin" alias "Tauhid Berlin" verboten und aufgelöst. Das Verbot erging, da sich die Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtete. Sie hatte u.a. den bewaffneten Jihad und Terroranschläge auf Zivilisten befürwortet und für die Ideologie der verbotenen Terrororganisation "Islamischer Staat" geworben. Verbot von Nachfolgeorganisationen des "Waisenkinderprojekt Libanon e.V. (WKP) Am 15. April 2021 wurden durch den Bundesinnenminister die Vereine "Deutsche Libanesische Familie e.V." aus RheinlandPfalz, "Menschen für Menschen e.V." und "Gib Frieden e.V." (beide aus Niedersachsen) als Ersatzorganisationen des "Waisenkinderprojekt Libanon e.V. (WKP)" verboten. WKP war am 2. April 2014 verboten worden, da der Verein jahrelang und in beträchtlichem Umfang die libanesische Märtyrerstiftung unterstützt hatte, die der "Hizb Allah" zugerechnet wird und sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet (vgl. Verfassungsschutzbericht des Bundes 2014, S. 114). Verbot von "Ansaar International e. V." Am 5. Mai 2021 hat der Bundesinnenminister den Verein "Ansaar International e.V." verboten. Das Verbot erfolgte, da der Verein Zwecke verfolgte, die sich gegen die Strafgesetze und 96 gegen den Gedanken der Völkerverständigung sowie die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet hatten. Das Verbot umfasste auch die Vereine "World-Wide Resistance-Help e.V." (WWR Help), "Aktion Ansar Deutschland e.V.", "Somalisches Komitee Information und Beratung in Darmstadt und Umgebung e.V." (SKIB), "Frauenrechte ANS.Justice e.V.", "Änis BenHatira Help e.V./Änis Ben-Hatira Foundation", "Ummashop", "Helpstore Secondhand UG" sowie "Better World Appeal e.V.", die als Teilorganisation von "Ansaar International e.V." angesehen werden. Mit dem Verein "Ansaar International e.V." ist der bedeutendste salafistische Spendensammelverein im deutschsprachigen Raum einschließlich zahlreicher Teilorganisationen verboten worden. Der Verein warb damit humanitäre Hilfe zu betreiben, tatsächlich verbreitete der Verein ein salafistisches Weltbild und unterstützte terroristische Organisationen im Ausland. 8.3.2 Aufenthaltsverfestigung ausländischer Islamisten Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern ist nachdrücklich bestrebt, islamistischen Aktivitäten keinen Raum zu geben und diese - so sie bekannt werden - zurückzudrängen und zu unterbinden. Die Verfassungsschutzbehörde wirkt im Verbund mit den Ausländerbehörden des Landes daran mit, ausländischen Islamisten, wenn möglich, keinen gefestigten Aufenthaltsstatus zu gewähren und sie bei Vorliegen der Voraussetzungen in ihre Herkunftsländer zurückzuführen. Zu diesem Zweck wirken die Sicherheitsbehörden des Landes (LKA und Verfassungsschutzbehörde) gemeinsam mit dem Ausländerreferat des Innenministeriums an der beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) angesiedelten Arbeitsgruppe "Statusrechtliche Begleitmaßnahmen" (AG Status) mit. Ausdrückliches Ziel dieser AG ist es, Personen mit extremistischem/terroristischem Hintergrund zu erkennen und zu prüfen, inwieweit Maßnahmen wie 97 * ein Widerruf oder die Rücknahme einer Asyl-/Flüchtlingsanerkennung, * Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung, * Maßnahmen zur Überwachung gem. SS 56 AufenthG, * Maßnahmen zur Verhinderung der (Wieder-) Einreise, * Maßnahmen zur Verhinderung der Erteilung, des Widerrufs oder der Rücknahme einer Einbürgerung angezeigt sind. Die AG Status kann dabei für den Widerruf von Asylentscheidungen oder für die Empfehlung einer Ausweisungsverfügung auch auf solche Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden zurückgreifen, die unterhalb der Schwelle strafrechtlicher Normverletzungen liegen. Dabei kann es sich beispielsweise um Hinweise auf das Tätigwerden für einen als verfassungsfeindlich eingestuften Verein handeln. In diesem Zusammenhang ist jedoch hervorzuheben, dass islamistische Aktivitäten, die unterhalb der Schwelle von bedeutsameren Straftaten bleiben oder lediglich als "abstrakte Gefahr" im Sinne des Polizeiund Ordnungsrechts klassifiziert werden können, regelmäßig nicht ausreichen, um eine Aufenthaltsbeendigung zu begründen. Konkreter ausgedrückt kann beispielsweise ein vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) anerkannter Flüchtling den demokratischen Rechtsstaat offen ablehnen und den Vorrang der Scharia gegenüber den deutschen Gesetzen propagieren, ohne deswegen ausländerrechtliche Sanktionen befürchten zu müssen. 8.3.3 Islamismusprävention Staatliche Maßnahmen gegen islamistischen Extremismus umfassen neben den erforderlichen Repressionsmaßnahmen verstärkt auch Ansätze der Prävention. Die Beratungsstelle Radikalisierung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist ein bundesweiter Ansprechpartner, insbesondere für das private Umfeld von radikalisierten Personen (erreichbar unter der Rufnummer 0911/9434343). 98 Zur Umsetzung des "Nationalen Präventionsprogramms gegen islamistischen Extremismus" war 2017 in MV die Einrichtung einer interministeriellen Arbeitsgruppe "Islamismusprävention" und der Aufbau einer Fachstelle zur Prävention von religiös begründetem Extremismus mit Mitteln des Bundesprogramms "Demokratie leben!" beschlossen worden. Die Koordinierung dieser Präventionsmaßnahmen wurde der dem Wissenschaftsministerium unterstehenden "Landeszentrale für politische Bildung/Landeskoordinierungsstelle Demokratie und Toleranz" übertragen. Die Islamismusprävention im Land MecklenburgVorpommern wird seitdem unter der Mitwirkung der Ministerien für Inneres, für Bildung, Soziales und des Justizministeriums umgesetzt. Seit dem Frühjahr 2018 ist die Fachstelle für Prävention von religiös begründetem Extremismus mit dem Namen "Bidaya" (arab. für Start, Anfang) eingerichtet, die mittlerweile in Dahmen (Landkreis Rostock) angesiedelt ist. "Bidaya" steht staatlichen Stellen, zivilgesellschaftlichen Trägern und Einzelpersonen in Mecklenburg-Vorpommern als Beratungsstelle im Themenfeld Islamismus und Islamfeindlichkeit zur Verfügung. Neben der Beratung liegt ein Schwerpunkt auf der Fortbildung von Fachkräften. Die Fachstelle "Bidaya" ist sowohl im Internet unter www.bidaya-mv.de als auch telefonisch unter der Nummer 0160/8045287 erreichbar. 99 8.4 Salafismus Kurzporträt und Ziele Der Salafismus ist eine weltweite Bewegung, der zahlreiche unterschiedliche Strömungen, Organisationen und Persönlichkeiten angehören. In der Bundesrepublik, wie auch in Mecklenburg-Vorpommern, sind salafistische Bestrebungen in den städtischen Ballungsräumen festzustellen. Der Salafismus ist eine Ideologie und gleichzeitig eine besonders radikale Bewegung innerhalb des islamistischen Extremismus, die sich an den Ideen und Lebensweisen der ersten Muslime und der islamischen Frühzeit orientiert. Salafisten geben vor, ihre religiöse Praxis und Lebensführung ausschließlich an den Prinzipien des Koran und dem Vorbild des Propheten Mohammed und der frühen Muslime - der sogenannten rechtschaffenen Altvorderen (arabisch: al-salaf al-salih) - auszurichten. Um dies umzusetzen, streben Salafisten die bedingungslose Durchsetzung und Befolgung von islamischen Regeln an, die ihrer Auffassung nach in der frühislamischen Zeit gültig waren. Gründung Ein konkretes Gründungsdatum des Salafismus ist nicht bestimmbar. Es gibt innerhalb des Salafismus unterschiedliche Strömungen und Orientierungen, die sich auf diverse islamische Theoretiker und Gelehrte beziehen. Allen Salafisten ist jedoch gemein, dass sie die Handlungen und Aussprüche des Propheten Muhammad, seiner Gefährten und der ersten beiden nachfolgenden Generationen als Vorbild für alle nachfolgenden Zeiten ansehen. Struktur / Repräsentanten Organisierte Strukturen des Salafismus haben sich im Land bisher nur wenig etabliert. In MV agieren Salafisten vielmehr überwiegend als Einzelpersonen oder im Rahmen von losen, nicht formal organisierten Personennetzwerken. Rund die Hälfte der 100 Salafisten in Mecklenburg-Vorpommern stammt aus Syrien und rund ein Viertel aus dem Nordkaukasus. Mitglieder/Unterstützer Nachdem die Anhängerzahl im Bereich Salafismus in Deutschland über viele Jahre deutlich und kontinuierlich gestiegen ist, hat mittlerweile eine Konsolidierung eingesetzt. Insgesamt werden dem Salafismus in Deutschland mit Stand Dezember 2021 11.900 Personen zugerechnet (Vorjahr: 12.150). Wie die obige Tabelle ausweist (vgl. Kapitel 8.1) können neunzig Prozent des islamistischen Personenpotenzials im Land M- V dem Salafismus zugerechnet werden. Mit Stand Dezember 2021 belief sich dieses auf 180 Personen (Vorjahr: 160). Veröffentlichungen Der Salafismus ist eine Bestrebung, die in sich sehr vielfältig ist. Für viele Anhänger des Salafismus sind die verschiedenen Schriften der zahlreichen Gelehrten und Ideologen der Bewegung ein zentraler Referenzpunkt. Sie werden online und in gedruckter Form sowie in zahlreichen Sprachen weltweit und auch hier im Land verbreitet. Besonders hervorzuheben sind hier vor allem Videos und Texte, mit denen die salafistische Ideologie vermittelt wird und die in sozialen Netzwerken im Internet verbreitet werden. Finanzierung Die salafistischen Bestrebungen finanzieren sich vor allem über Spenden von Anhängern sowie von Organisationen im Inund Ausland. Grund der Beobachtung /Verfassungsfeindlichkeit Salafisten nehmen für sich eine alleinige Deutungsmacht über die islamischen Texte in Anspruch. Andere Meinungen und Positionen werden systematisch unterbunden. Wer divergierende 101 Positionen vertritt, wird gebannt, gegebenenfalls verfolgt oder sogar mit dem Tode bedroht. Für Salafisten ist der Islam deshalb nicht nur "Religion", sondern ein auf der wortgetreuen Befolgung des Koran und der Prophetentradition beruhendes System, welches sämtliche Lebensbereiche einschließlich Gesetzgebung und Politik regelt. In letzter Konsequenz streben Salafisten die Errichtung eines islamischen "Gottesstaates" an. Für Deutschland würde dieser Schritt bedeuten, dass wesentliche Grundrechte und Verfassungsprinzipien keine Geltung mehr hätten. Propaganda und Handlungsweisen von Salafisten zielen folglich nicht nur auf eine Beeinflussung religiöser Überzeugungen ab, sondern verfolgen einen totalitären Ansatz. Sie verwenden dabei zwar religiöse Begriffe, deuten diese jedoch politisch um und instrumentalisieren sie in ihrem Sinne. Die salafistische Ideologie ist daher mit Integration, religiöser Toleranz und den Grundlagen des demokratischen Rechtsstaates nicht vereinbar. Gleichwohl ist der Salafismus keine homogene Bewegung, sondern teilt sich in verschiedene Unterkategorien auf. Der Verfassungsschutz unterscheidet zwischen den Strömungen des politischen und des jihadistischen Salafismus. Beide Strömungen teilen zwar grundsätzlich die gleichen Glaubensvorstellungen, unterscheiden sich jedoch in der Wahl der Methoden, mit denen diese umgesetzt werden sollen. Politische Salafisten versuchen, ihre islamistische Ideologie durch intensive Propagandaaktivitäten zu verbreiten, welche sie als "Missionierung" (arabisch: da'wa) bezeichnen. Mit ihnen soll die Gesellschaft in einem langfristig angelegten Prozess nach salafistischen Vorstellungen verändert werden. Zu diesem Zweck veranstalten sie z.B. Kundgebungen in Innenstädten und "Islamseminare". Sie unterhalten ein umfangreiches Angebot im Internet, mit dem sie ihre Propaganda verbreiten. Nach außen wird dies als Informationsangebot zur korrekten Religionsausübung dargestellt, tatsächlich betreibt der politische Salafismus auf diesem Weg jedoch eine gezielte und systematische Indoktrination, die häufig den Ausgangspunkt für eine weitere Radikalisierung bildet. 102 Anhänger des politischen Salafismus positionieren sich zum Teil in bewusst herausfordernder Weise gegen Terrorismus, heben den friedfertigen Charakter des Islam hervor und vermeiden offene Aufrufe zur Gewalt. Zwischen den unterschiedlichen salafistischen Strömungen besteht Uneinigkeit, unter welchen Voraussetzungen Gewalt angewendet werden darf. Die Grenzziehung zwischen politischem und jihadistischem Salafismus erweist sich somit häufig als unklar. Insgesamt ist festzustellen, dass der politische Salafismus ein ambivalentes Verhältnis zur Gewalt als Mittel zur Durchsetzung seiner Ziele pflegt, da religiös legitimierte Gewalt häufig nicht prinzipiell ausgeschlossen wird (z. B. "zur Verteidigung des Islam"). Jihadistische Salafisten befürworten dagegen eine unmittelbare und sofortige Gewaltanwendung. Sie propagieren den bewaffneten Kampf auch gegen Machthaber in Ländern mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit, denen sie vorwerfen, vom Islam abgefallen und Handlanger des verhassten "Westens" zu sein. Bedeutendster Protagonist des jihadistischen Salafismus dürfte nach wie vor die Terrororganisation des IS sein. Hervorzuheben ist, dass sämtliche Personen mit Deutschlandbezug, die den gewaltsamen Jihad befürworten, zuvor mit salafistischen Einrichtungen in Kontakt standen. Es kann somit als gesichert gelten, dass das von Salafisten verbreitete Gedankengut den Nährboden für eine islamistische Radikalisierung bis hin zur Rekrutierung für den militanten Jihad bildet. Entwicklung der salafistischen Szene in Mecklenburg-Vorpommern Im September 2021 wurde ein 27-jähriger Syrer an seinem Wohnort in Rostock wegen des Verdachtes der Mitgliedschaft in der islamistischen Miliz "Harakat Ahrar al-Sham al-Islamiyya" festgenommen, die vom Generalbundesanwalt als ausländische terroristische Vereinigung eingestuft wird. Bei dieser syrischen Gruppierung handelt es sich um eine salafistische Organisation. Die Festnahme erfolgte, nachdem belastendes Dokumentationsmaterial aus Syrien aufgetaucht war und die 103 weiteren Ermittlungen den Tatverdacht erhärtet hatten. Der Syrer hatte bis dahin in Deutschland ein unauffälliges Leben geführt; für islamistische Aktivitäten in Deutschland gab es keinerlei Anhaltspunkte. Er war 2016 als Flüchtling nach Deutschland gekommen, hatte Deutsch gelernt und eine Ausbildung zum medizinischen Assistenten absolviert. Am 12.04.2022 wurde er vom Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und elf Monaten verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte im Jahr 2015 in Syrien Mitglied der "Harakat Ahrar al-Sham al-Islamiyya" war. 8.5 Islamistische Nordkaukasische Szene (INS) Kurzportrait / Ziele Charakteristisch für die INS in Mecklenburg-Vorpommern ist ihre Fragmentierung in mehrere Gruppen, deren Akteure örtlich unabhängig voneinander agieren. Verbindendes Element ist neben der religiösen Verbundenheit einerseits die Ablehnung der russischen Vorherrschaft über Tschetschenien und die angrenzenden Republiken sowie andererseits ein auf die eigene Ethnie bezogener, starker sozialer Zusammenhalt. Die Zugehörigkeit zu einem Clan und die hiermit einhergehende Loyalität mit dem eigenen Familienverbund ist für das Zusammenleben ebenfalls ein starker identitätsstiftender Faktor. Das Kaukasische Emirat, dessen Kämpfer sich seit 2012 als Jihadisten zunächst in noch eigenständigen nordkaukasischen Verbänden am Bürgerkrieg in Syrien beteiligten, wurde im Juni 2013 durch das Bundesministerium für Justiz als ausländische terroristische Vereinigung eingestuft und mit einer Strafverfolgungsermächtigung belegt. Sitz und Verbreitung Die "Islamistische Nordkaukasische Szene" (INS) verfügt in Deutschland über keine festen Strukturen, sondern wird 104 vornehmlich durch lose Netzwerke gebildet, deren Mitglieder sich bei Bedarf auch überregional vernetzen. Gründung / Bestehen Die INS besteht seit der Unabhängigkeitserklärung der Tschetschenischen Republik "Ischkerien" am 2. November 1991, wenige Wochen vor der Auflösung der Sowjetunion. Ursprüngliches Ziel war die Loslösung von Russland. In den ersten Jahren nach der Gründung befanden sich Islamisten innerhalb der INS noch in einer Minderheit. Dieses änderte sich im Verlauf der Jahre, insbesondere während des zweiten Tschetschenienkrieges (1999 bis 2009). Ein Ergebnis der fortschreitenden Radikalisierung war die Gründung des jihad-salafistisch orientierten "Kaukasischen Emirates" (KE) im Jahre 2007. Das KE versuchte mit einer Guerilla-Taktik gegen die staatlichen tschetschenischen Sicherheitskräfte vorzugehen, die von russischer Seite unterstützt wurden. Mit der Tötung des Rebellenführers und Ersten Emirs Dokku UMAROV im Jahr 2013 und nach einer Anschlagsserie in Wolgograd im Dezember 2013 kamen die Operationen des KE zum Erliegen. Mit dem Erstarken des Islamischen Staates (IS) und der Ausreise mehrerer Tausend Kämpfer aus dem Nordkaukasus in den Jihad nach Syrien/Irak verlor das KE zunehmend an Bedeutung. Spätestens mit der Ausrufung einer IS Provinz Kaukasus im Jahre 2015 löste sich das KE praktisch auf. Eine vergleichbare Entwicklung trat mehrere Jahre später bei der Terrororganisation "Islamischer Staat" selbst ein. Nach militärischen Niederlagen, dem Verlust des vormals kontrollierten Territoriums und der Tötung des selbsternannten Kalifen Abu Bakr Al-Baghdadi durch US-amerikanische Militärs im Oktober 2019 hatten die Anhänger des IS zunächst kein real existierendes Vorbild mehr. Die Folge dieser Orientierungslosigkeit war eine Fragmentierung in lose Netzwerkstrukturen. Diese Entwicklung lässt jedoch nicht den Rückschluss zu, dass die Anhängerschaft des vormaligen IS in Deutschland nicht wieder aktiver werden könnte. Eine weitere Gefahr besteht darin, dass ehemalige IS-Kämpfer aus dem Kaukasus Asyl in Deutschland mit der Begründung erwirken, sie würden von russischen Behörden politisch verfolgt. Als Beispiel hierfür sei auf einen im Jahr 2015 illegal nach Deutschland 105 eingereisten Tschetschenen verwiesen, der zuvor sowohl beim KE im Nordkaukasus als auch später als Jihadist in Syrien aktiv gewesen ist. Seine Klage gegen die vom BAMF festgestellte Ablehnung seines Asylantrages hatte zwar keinen Erfolg; trotzdem konnte die Person aber nicht in die Russische Föderation zurückgeführt werden, weil mit Verweis auf die Gefahr möglicher unmenschlicher Behandlung im Herkunftsstaat eine Abschiebung vorerst auf gerichtlichen Beschluss hin untersagt wurde. Struktur/Repräsentanten Die "Islamistische Nordkaukasische Szene" verfügt in Mecklenburg-Vorpommern über keine gefestigten Strukturen und erkennbare Hierarchien. Charakteristisch für die Szene ist ihre transnationale Ausrichtung; Kennund Unterstützernetzwerke erstrecken sich in die Nachbarstaaten Deutschlands, insbesondere nach Schweden, Polen, Frankreich, Belgien und Österreich. Mitglieder/Unterstützer In Mecklenburg-Vorpommern wird rund ein Viertel der 180 Salafisten der INS zugerechnet. Grund der Beobachtung/Verfassungsfeindlichkeit Das Kaukasische Emirat in Tschetschenien war zu seinen aktiven Zeiten eine mit dem Terrornetzwerk al-Qaida assoziierte Organisation. Das KE versuchte durch Anschläge und militante Überfälle auf die Sicherheitsstrukturen die einzelnen Kaukasusprovinzen zu vereinen. Dieser Versuch einer regional und national ausgerichteten Agenda schlug fehl, während gleichzeitig der Islamische Staat im nur 1500 km entfernten Syrien erstarkte. Für eine Vielzahl ehemaliger Kämpfer war die Aussicht auf einen erfolgreichen Kampf bei einer international beachteten Terrororganisation so attraktiv, dass sie ihre Heimat verließen, um sich dem IS anzuschließen. 106 Auch in MV ist eine deutliche ideologische Nähe der Anhänger der INS mit der Ideologie des IS erkennbar. Entwicklung der Islamistisch Nordkaukasischen Szene in Mecklenburg-Vorpommern Aus den zu Russland gehörenden Gebieten des Nordkaukasus sind in den vergangenen 20 Jahren kontinuierlich Personen nach MV gekommen; die meisten von ihnen als Asylbewerber. Das für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erkennt in der Regel die vorgebrachten Verfolgungsgründe nicht an und bescheidet die Asylgesuche daher abschlägig. Dennoch sind die Zahlen der nach Russland zurückgeführten Personen vergleichsweise klein. Ein Großteil dieser Asylbewerber stammt aus der Teilrepublik Tschetschenien, in der sich aus Widerstandsgruppen gegen die russlandfreundliche Politik des Präsidenten Ramsan Kadyrov die islamistisch-terroristische Organisation Kaukasisches Emirat gegründet hatte. Neben der islamistischen Ausrichtung dieses Personenkreises beeinflusst häufig auch ein fortbestehendes archaisches Werteverständnis die Lebensführung in Deutschland. Die damit einhergehenden Verhaltensweisen tragen, ebenso wie die Vorstellungen von einem ethnisch reinen Tschetschenentum, zur Abschottung und Etablierung von Parallelgesellschaften bei und wirken sich negativ auf den Integrationserfolg dieser Personen aus. 107 9 Sonstiger Ausländerextremismus 9.1 Personenpotenzial Die Stärke der in Mecklenburg-Vorpommern agierenden - nicht islamistischen - linksextremistischen Ausländerorganisationen stellt sich im Einzelnen wie folgt dar: 104 MV MV Bund Bund 2020 2021 2020 2021 "Arbeiterpartei Kur250 250 14.500 14.500 distans" (PKK) Türkische Linksext- < 20 < 20 2.550 2.550 remisten Gesamt105 < 270 < 270 17.050 17.050 Von den meisten dieser Organisationen wird Deutschland als gesicherter Rückzugsraum betrachtet, jedoch ist die Zahl der Anhänger der linksextremistischen Organisationen "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C), Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) und "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) - im Gegensatz zur Mitgliederzahl von "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) - im Land Mecklenburg-Vorpommern unbedeutend. 9.2 Straftatenaufkommen Im Bereich des sonstigen Ausländerextremismus registrierte das Landeskriminalamt 2021 24 Straftaten mit politischer Motivation (2020: 20). Sie wurden wie 2020 insgesamt als extremistisch eingestuft. 104 Alle Zahlen sind Rundungswerte. 105Die Gesamtzahl des Bundes der Mitglieder-/Anhängerzahlen von nicht islamistischen - linksextremistischen Ausländerorganisationen weicht von der vom Bundesamt für Verfassungsschutz veröffentlichten Gesamtstatistik insofern ab, als in der o.a. Tabelle ausschließlich die im Land Mecklenburg-Vorpommern agierenden Organisationen berücksichtigt worden sind. 108 9.3 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 9.3.1 Allgemeines Sitz/Verbreitung Türkei/Nordirak, in Europa ist die Organisation durch wenige weisungsberechtigte Funktionäre mit wechselnden Aufenthaltsorten durch den Kongress der KurdischDemokratischen Gesellschaft Kurdistan in Europa (KCDK-E) vertreten. 106 Gründung/Bestehen seit November 1978 Struktur/Repräsentanz Höchste Entscheidungsgremien: Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK, Präsident: Abdullah Öcalan, Co-Vorsitzende: Bese Hozat und Cemil Bayik) und die Generalversammlung Volkskongress Kurdistans (KONGRAGEL) Europa: autoritäre Führung mittels Kaderprinzip Deutschland: neun Regionen (Eyalet), 31 Gebiete (Bölge) M-V: zugehörig zum PKK-Gebiet "Kiel" mit einem leitenden Führungsfunktionär 106Wikipedia.de, abgerufen am 17.06.2022. 109 Mitglieder/Anhänger/ MV: ca. 250 Unterstützer 2021 Veröffentlichungen Publikationen: Serxwebun (Uabhängigkeit) (monatlich); Sterka Ciwan (Stern der Jugend) (monatlich); Newaja Jin (Melodie der Frauen) (monatlich); Kurdistan-Report (zwei-monatlich); Yeni Özgür Politika (Neue Freie Politik) (täglich) Fernsehen: Sterk TV; GerA(r)la TV Internet: zahlreiche Internetauftritte verschiedener regionaler Gruppierungen sowie mediale Präsenz in unterschiedlichen sozialen Netzwerken mit guten Ver-knüpfungen untereinander. Kurzportrait/Ziele Die PKK strebte ursprünglich einen eigenen kurdischen Nationalstaat an, der die Gebiete Südostanatoliens (Türkei), den Nordirak, Teile des westlichen Iran und Gebiete im Norden Syriens umfassen sollte. Die PKK bemüht sich weiterhin um einen länderübergreifenden Verbund aller Kurden im Nahen Osten. Darüber hinaus sind die Freilassung des inhaftierten Führers Abdullah Öcalan und die Aufhebung des Betätigungsverbots zentrale Ziele. Im Jahr 1993 hat das BMI ein Betätigungsverbot für die PKK und ihre Nebenorganisationen erlassen. Die PKK ist zudem seit 2002 von der EU auf der Liste von Personen, Vereinigungen und Körperschaften verzeichnet, die an Terrorhandlungen beteiligt waren und restriktiven Maßnahmen unterliegen sollen (EU-Terrorliste). Die in der Türkei unter Führung von Abdullah Öcalan gegründete "Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkeren Kurdistan - PKK)" kämpft seit Anfang der 1980er Jahre für die Unabhängigkeit bzw. größere Autonomie der Kurdengebiete im Osten der Türkei. Seitdem sind bei Anschlägen und Gefechten mehrere zehntausend Menschen getötet worden, darunter auch viele Zivilisten. Die PKK ist in Deutschland, was Anhängerzahlen, Organisationsgrad und Mobilisierungspotenzial betrifft, nach wie vor die 110 bedeutendste Kraft im Bereich des nicht religiös motivierten Extremismus mit Auslandsbezug. Die Aktivitäten der PKK in Deutschland waren im Jahr 2021 im Wesentlichen von folgenden Themen bestimmt: * dem Kampf der Kurden in Syrien und im Irak gegen die islamistische Terrororganisation IS, * den bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der PKK und dem türkischen Staat und der kurdischen KDP im Nordirak, * der Bekanntmachung und Verurteilung der angeblichen Giftgasangriffe des türkischen Militärs auf PKK-Stellungen im Nordirak, * der politischen Agitation zur Aufhebung des Betätigungsverbots der PKK in Deutschland und zur Verbesserung der Haftbedingungen des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan. Die PKK verfügt in Deutschland über einen konspirativ handelnden und streng hierarchisch organisierten Funktionärsapparat. Das gesamte Bundesgebiet ist dabei in Zuständigkeitsbereiche aufgeteilt, dem jeweils ein PKK-Führungsmitglied (sogenannter Gebietsverantwortlicher) vorsteht. Um sich der Verfolgung durch deutsche Sicherheitsbehörden zu entziehen, wechseln diese Führungskader regelmäßig und in kürzeren Zeitabständen europaweit ihr Zuständigkeitsgebiet. Eine der Hauptaufgaben dieser Führungskader ist die Beschaffung finanzieller Mittel zur Durchsetzung der Parteiziele, zur Verbreitung der PKK-Ideologie und zur Ausstattung und Unterhaltung der Guerillaeinheiten. Dies erfolgt überwiegend durch den Verkauf von Publikationen und durch Einnahmen aus Veranstaltungen. Ein großer Teil der Gelder wird darüber hinaus durch mehr oder weniger freiwillige "Spendensammlungen" in der PKK-Anhängerschaft erzielt. Entsprechende monatliche Sammlungen sowie gesonderte jährliche "Spenden"-Kampagnen finden auch landesweit in Mecklenburg-Vorpommern statt. 111 Im Rahmen der genannten Themen fanden im Jahr 2021 bundesund europaweit zahlreiche Resonanzaktionen der PKKAnhängerschaft, wie Kundgebungen, Hungerstreiks und Demonstrationsmärsche statt. Die insbesondere zu Beginn und Ende des Jahres im Zuge der Corona-Pandemie verhängten Kontaktund Veranstaltungsbeschränkungen haben diese PKK-Aktivitäten spürbar behindert. Durchgeführt wurde im norddeutschen Raum jedoch beispielsweise der Marsch in Schleswig-Holstein von Neumünster nach Kiel vom 6. bis 7. Februar 2021107 aus Anlass des Jahrestages der Festnahme des PKK-Vorsitzenden ÖCALAN im Jahre 1999. 108 In der Zeit vom 19. bis 21. März 2021 richteten Anhänger der PKK aus Anlass des kurdischen Neujahrsfestes Newroz deutschlandweit zahlreiche dezentrale Kundgebungen aus. Der kurdische Dachverband KON-MED gab für das Newroz-Fest 2021 im Zusammenhang mit der zu dieser Zeit stattfindenden türkischen Offensive das Moto aus: "Schluss mit Isolation, Faschismus und Unterdrückung! - Zeit für Freiheit!". 9.3.2 Aktivitäten der PKK in Mecklenburg-Vorpommern Der PKK werden in Mecklenburg-Vorpommern ca. 250 Personen zugerechnet. Obwohl diese auch im Jahr 2021 grundsätzlich keine größeren öffentlichkeitswirksamen politischen Aktivitäten im Land entfalteten, gelingt es der PKK immer wieder, eine beträchtliche Anzahl von Kurden aus Mecklenburg-Vorpommern zur Teilnahme an überregionalen Veranstaltungen zu mobilisieren. Wie in 2020 ist auch 2021nicht nur coronabedingt - ein eher rückläufiger Trend zu beobachten. Als Grund wird allgemein sowohl der Verfolgungsdruck durch deutsche Strafverfolgungsund Sicherheitsbehörden (es gab 2021 107Vgl. "Öcalan-Marsch von Neumünster nach Kiel", https://anfdeutsch.com; abgerufen am 08.02.2021. 108Vgl. "Zeit für Freiheit"-Marsch in Düsseldorf beendet", https://anfdeutsch.com, abgerufen am 15.02.2021. Am 15.02.1999 wurde ÖCALAN in Kenia festgenommen und sitzt seitdem in türkischer Haft. 112 bundesweit eine Reihe von Verurteilungen von PKK-Gebietsverantwortlichen nach SSSS 129 a, b StGB), Ausspähversuche seitens türkischer Sicherheitsbehörden als auch eine wachsende Frustration der Kurden über den Status quo in den kurdischen Siedlungsgebieten vermutet. Die Intensivierung der türkischen Militäroffensive im Nordirak im Februar und April 2021 trug dazu bei, die hiesigen Kurden insgesamt zu einen und zu Demonstrationen zu mobilisieren. Eine besondere Dimension erlangte dieses Ereignis dadurch, dass sich der - bereits 2020 absehbare - "Bruderkrieg" verfestigte, da sich die Türkei anlässlich der Militäroperationen "Adlerklaue 2" und "Krallenblitz" 109 mit den nordirakischen Kampfverbänden der kurdischen Regierungspartei KDP im Kampf gegen die PKK verbündet hatte und somit den innerkurdischen Konflikt weiter schürte. 9.3.3 Kooperation mit deutschen Linksextremisten Im Verlauf des syrischen Bürgerkrieges und insbesondere seit Beginn der Kampfhandlungen zwischen dem IS und den PKKnahen syrisch-kurdischen "Volksverteidigungseinheiten"' (YPG) solidarisierten sich deutsche Linksextremisten noch stärker als zuvor mit der kurdischen Autonomiebewegung. Diese Kurdistan-Solidarität deutscher Linksextremisten erhielt durch den Kampf der PKK gegen den IS erheblichen Auftrieb und nahm im Laufe der Zeit zunehmend konkretere Formen an. In der Folge bildeten sich nahezu bundesweit Aktionsbündnisse PKK-naher kurdischer, linker und linksextremistischer Gruppierungen sowie Solidaritätsgruppen mit linksextremistischer Beteiligung, die gegen den Fortbestand des PKK-Verbotes kämpfen. Zentrum diesbezüglicher Bestrebungen in MecklenburgVorpommern ist nach wie vor Rostock, auch in der Stadt Schwerin konnte eine zunehmende Resonanz festgestellt werden. 109Vgl. "Türkei startet neue Offensive gegen Kurden im Nordirak", www.faz.net, abgerufen am 04.05.2021 und "Türkei greift PKK-Ziele im Nordirak an", www.tagesschau.de, abgerufen am 04.05.2021. 113 Das für den 5. November bis 5. Dezember 2021 landesweit geplante Kurdistan-Solidaritätsfestival wurde von den Veranstaltern aufgrund der Corona-Lage kurzfristig abgesagt. Das vorgesehene Programm hatte auch explizite PKK-Bezüge, wie z.B. die Lesung eines Öcalan-Buches. Veranstaltungen waren in bekannten linksorientierten Szeneobjekten in Stralsund, Greifswald, Neubrandenburg, Ribnitz-Damgarten, Rostock, Wismar, Gadebusch und Schwerin vorgesehen. Vom 22. bis zum 27. November 2021 führte die PKK eine Aktionswoche110 anlässlich des 28. Jahrestags des gegen die Organisation 1993 verfügten Betätigungsverbots in Deutschland durch, in der sie mit Mahnwachen, Informationsveranstaltungen, Plakataktionen und Kundgebungen die Aufhebung des Verbots forderte. Zum Abschluss der Aktionswoche veranstaltete die PKK am 27. November 2021 in Berlin eine Demonstration unter dem Motto "PKK-Verbot aufheben! Krieg beenden - politische Lösung fördern!". Der Aufruf zur Demonstration wurde von Organisationen aus dem PKK-Spektrum, als auch durch linksextremistische Organisationen unterstützt (z.B. "North East Antifa" (NEA), eine zentrale "Antifa"-Gruppe aus Berlin, die postautonome "Interventionistische Linke" (IL) und die "Rote Hilfe e.V." 111 sowie die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD))."112 Auch das Kurdistan Solidaritätsfestival MV zählte zu den Unterstützern. 110Vgl. "Rise Up 4 Rojava" - "28 Jahre PKK-Verbot sind 28 Jahre zu viel!", https ://anfdeutsch.com, abgerufen am 26.11.2021. 111Vgl. "Rise Up 4 Rojava" - "28 Jahre PKK-Verbot sind 28 Jahre zu viel!", https ://anfdeutsch.com, abgerufen am 26.11.2021. 112"Die MLPD unterstützt die bundesweite Demonstration zur Aufhebung des PKK-Verbots" vom 26.11.2021, www.rfnews.de, abgerufen am 29.11.2021. 114 113 Die Demonstration umfasste in der Spitze 2.000 Teilnehmer. Während der Veranstaltung kam es zu zahlreichen Gesetzesverstößen, insgesamt wurde während der Demonstration die Freiheit von 22 Personen beschränkt und 21 Strafermittlungsverfahren eingeleitet, unter anderem wegen des Verdachts des besonders schweren Landfriedensbruchs, tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, versuchter Gefangenenbefreiung und versuchter gefährlicher Körperverletzung. Ermittelt wird zudem wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen. Mehrere Fahnen und Transparente mit verbotenen PKK-Symbolen wurden sichergestellt. Die aktive Beteiligung der gewaltorientierten linksextremistischen Szene beschränkte sich im Ergebnis auf eine eher geringe Demonstrationsbeteiligung im niedrigen dreistelligen Bereich. 9.4 Antiisraelische und propalästinensische Demonstrationen Aus Anlass des im Mai 2021 erneut aufgeflammten NahostKonfliktes (militärische Auseinandersetzungen zwischen Israel und der HAMAS) kam es zu bundesund europaweiten antiisraelischen und propalästinensischen Demonstrationen und Protestkundgebungen, die teilweise auch gewalttätig verliefen. 113https://kurdistanfestival.blackblogs.org, Links: PKK-Verbot aufheben, abgerufen am 17.06.2022. 115 114 Anmelder waren u.a. dem BDS115 nahestehende Vereine. Unter den Teilnehmern waren auch Anhänger der HAMAS und vereinzelt der PFLP sowie der ihr nahestehenden Bewegung Samidoun. Die Teilnehmer waren zum Teil stark emotionalisiert; einige Kundgebungen eskalierten rasch in Richtung religiös-fanatischer und antizionistischer Hetze. 116 Auch in Mecklenburg-Vorpommern fanden Veranstaltungen in diesem Kontext statt. So demonstrierten Mitte Mai 2021 vornehmlich Personen aus Syrien und Palästina wiederholt in Wismar, Schwerin und Rostock. In der landesweit größten Veranstaltung in Rostock am 15. Mai 2021 mit ca. 120 Teilnehmern wurden neben palästinensischen Fahnen auch antisemitische und antiisraelische Plakate gezeigt und entsprechende Parolen skandiert - was in der Folge zu Anzeigen wegen Volksverhetzung führte. Am 12. Mai 2021 wurde vor dem Rathaus Neubrandenburg eine - aus Solidarität mit dem angegriffenen Staat Israel offiziell dort 114Brennende Israelfahnen und Pfefferspray: Eskalation bei Free-Palestine-Demo in Mannheim, https://kommunalinomannheim.de/2021/05/16, abgerufen am 27.01.2022. 115Die internationale antiisraelische Initiative "Boycott, Divestment and Sanctions" wird vom BfV als Beobachtungsobjekt Verdachtsfall geführt. 116Brennende Israelfahnen und Pfefferspray: Eskalation bei Free-Palestine-Demo in Mannhei, https://kommunalinomannheim.de/2021/05/16, abgerufen am 27.01.2022. 116 angebrachte - Israel-Flagge demontiert, entwendet und das Staatssymbol öffentlich verächtlich gemacht. Das daraufhin gegen drei syrische Tatverdächtige eingeleitete Strafverfahren, u.a. wegen Volksverhetzung, war bei Redaktionsschluss noch nicht beendet. 10 Spionageabwehr 10.1 Deutschland Im besonderen Interesse fremder Nachrichtendienste Die Bundesrepublik Deutschland steht, bedingt durch die geopolitische Lage, ihre Einbindung und Funktion in verschiedenen internationalen Gremien und Organisationen, wie z. B. der Europäischen Union (EU) und der NATO sowie als bedeutender Wirtschaftsund Forschungsstandort im besonderen Fokus fremder Nachrichtendienste. Insoweit ist auch MecklenburgVorpommern betroffen. Deutschland nimmt eine bedeutende Stellung im internationalen Wirtschaftssektor ein und stellt somit ein Ziel für ausländische Nachrichtendienste dar. Das Interesse richtet sich im Wesentlichen auf relevante Themenfelder der Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung und des Militärs. Die in diesem Zusammenhang eingesetzten Mittel und Methoden der fremden Nachrichtenund Sicherheitsdienste reichen von der klassischen Anwerbung und Führung nachrichtdienstlich interessanter Zielpersonen bis hin zu offenen und/oder konspirativ durchgeführten hochwirksamen Cyberangriffen. In Deutschland obliegt die Beobachtung dieser sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Aktivitäten ausländischer Staaten - sofern nicht rein Belange der Bundeswehr berührt sind - den Verfassungsschutzbehörden des Bundes sowie der Länder und wird dort als gesetzlich normierte Kernaufgabe im Rahmen der Spionageabwehr wahrgenommen. 117 Hauptakteure der gegen Deutschland gerichteten Spionageaktivitäten sind auch weiterhin die Russische Föderation, die Volksrepublik China, die Islamische Republik Iran sowie die Republik Türkei. In diesem Zusammenhang gilt es jedoch anzuführen, dass auch sicherheitsrelevante Tätigkeiten anderer Staaten der entsprechenden Bearbeitung durch die Spionageabwehr unterliegen. Die seit einigen Jahren praktizierte Verzahnung klassischer geheimdienstlicher Vorgehensweisen mit sicherheits-, außenund handelspolitischen Drohkulissen, lässt einen zunehmend gefestigten hybriden Bedrohungscharakter erkennen. Auch meinungslenkende Desinformation und Propagandaaktivitäten sind Nährboden für moderne Konfliktszenarien mit globaler Tragweite. Insbesondere die Russische Föderation verfügt über ein umfängliches Repertoire, das - unter Einbindung dortiger Nachrichtendienste - zum Ausbau der Einflussnahme eingesetzt wird. Ziel ist vorrangig die Schwächung demokratischer Gesellschaften sowie die Auflösung westlicher Lebensformen und Allianzen. Der Schwerpunkt der Tätigkeiten der Nachrichtenund Sicherheitsdienste der Volksrepublik China liegt auch nach wie vor in dem Erhalt der uneingeschränkten Macht der dortigen "Kommunistischen Partei" sowie in der Unterstützung globalstrategischer Zielvorgaben. In der Gesamtschau ist dies die angestrebte Einnahme der Position als weltweit führende Wirtschaftsnation im Jahre 2049, dem 100. Jubiläum der chinesischen Staatsgründung. In außenund wirtschaftspolitischer Hinsicht ist hier insbesondere das Projekt der "Neuen Seidenstraße", auch als "Belt and Road Initiative" (BRI) bekannt, anzuführen. In der Islamischen Republik Iran kommt den dortigen Diensten ebenfalls eine bedeutende Funktion zur Absicherung bestehender staatlicher und religiöser Machtstrukturen zu. 118 Auch mit Blick auf Europa verdichtet sich seit einigen Jahren die Erkenntnislage hinsichtlich eines zunehmend praktizierten Staatsterrorismus. Einen Schwerpunkt hierbei bilden auch weiterhin die Bekämpfung und Ausspähung von im Iran und im Ausland lebenden oppositionellen Personen und dort tätigen Organisationen. Zudem sind die iranischen Nachrichtendienste weiterhin maßgeblich an der Proliferation in Deutschland, d. h. der illegalen Beschaffung von Materialien und Wissen zur Herstellung atomarer, biologischer oder chemischer Massenvernichtungswaffen (ABC-Waffen) bzw. entsprechender Trägersysteme (wie etwa Raketen usw.) und ihrer Weiterverbreitung, beteiligt. In diesem Zusammenhang der Proliferation sind als weitere Akteure im Wesentlichen auch Pakistan, Syrien sowie Nordkorea zu nennen. Die Russische Föderation ist in diesem Arbeitsfeld als neuer Aufklärungsschwerpunkt anzuführen. Wie bereits angeführt, ist die Türkei ein weiterer Hauptakteur. Als eindeutige Schwerpunkte sind die umfangreichen Aufklärungsund Bekämpfungsaktivitäten gegen die von der Türkei als langjährig extremistisch und/oder terroristisch eingestuften Personen und Organisationen, hier insbesondere die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) sowie seit 2016 die Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, festzustellen. Es konnten auch weiterhin Bemühungen und Versuche festgestellt werden, die in unserem Land lebende türkischstämmige Diaspora für Zwecke der Regierungspolitik der Türkei zu instrumentalisieren bzw. einzubinden. Insgesamt ist davon auszugehen, dass die geheimdienstlichen und sicherheitsgefährdenden Aktivitäten fremder Nachrichtendienste in Deutschland auch zukünftig auf einem konstant hohen Niveau verbleiben werden. 119 10.2 Bedrohungen durch Cyberangriffe Deutschland ist ein Industrieland mit einer offenen Informationsgesellschaft. Diese basiert auf Technologie, Wissen, Informationen und ist weltweit vernetzt. Digitale Kommunikation und der Informationsaustausch bestimmen unser Leben. Anders als Rohstoffe, können Informationen vervielfacht und verbreitet werden. Dieser enorme Vorteil stellt zugleich auch ein großes Problem dar, wenn Informationen geheimhaltungsbedürftig sind, jedoch Unberechtigten zugänglich gemacht werden. Daten müssen jederzeit verfügbar sein und vor unberechtigter Kenntnisnahme und Gebrauch geschützt werden. In der Informationssicherheit wird von den Schutzzielen Verfügbarkeit, Integrität und Vertraulichkeit gesprochen. Die Verpflichtung zur Geheimhaltung ergibt sich aus verschiedensten Vorschriften. Nicht nur der Datenschutz, sondern auch der Schutz von Betriebsgeheimnissen oder staatlichen Verschlusssachen verpflichten zur Geheimhaltung. Nicht zuletzt gehört die Gewährleistung der Sicherheit von Daten und Systemen mittlerweile zu den Grundsätzen ordnungsgemäßer Geschäftsführung. Ausspähaktivitäten haben sich in den letzten Jahren drastisch verändert. Obwohl die klassischen Methoden der Ausspähung auch weiterhin anzutreffen sind, hat die digitale Ausspähung von Informationen enorm an Bedeutung gewonnen. Sie hat entscheidende Vorteile, denn es ist nicht erforderlich, Menschen an den Einsatzort zu bringen und die Folgen bei einer Entdeckung sind gering. Dies hat dazu geführt, dass verschiedene Staaten ihre Fähigkeiten im Cyberraum kontinuierlich ausgebaut haben und dies auch weiterhin tun. Cyberkampagnen haben sich zu einem Standardwerkzeug vieler Nachrichtendienste entwickelt. In vielen Ländern gehört es sogar zum gesetzlichen oder staatlichen Auftrag der Nachrichtendienste, die eigene Volkswirtschaft durch die Beschaffung von Informationen zu unterstützen. Allein in Deutschland entstehen der Wirtschaft jährliche Schäden in Milliardenhöhe. 120 Neben der Ausspähung von Informationen sind im Cyberraum auch Angriffe zum Zweck der Sabotage festzustellen. Bei der Sabotage wird darauf abgezielt durch das Einschleusen von Schadsoftware Systeme zu zerstören, Abläufe zu behindern o- der die Kontrolle über die Systeme zu übernehmen. Hierbei wird davon ausgegangen, dass insbesondere die sogenannten "Kritischen Infrastrukturen" (KRITIS), wie z.B. die Stromund Wasserversorgung, Ziel der Angriffe sind. Über die Spionage und Sabotage hinaus hat in den letzten Jahren die Einflussnahme durch Desinformation stark an Bedeutung gewonnen. Durch gezielte Falschinformationen wird versucht auf die gesellschaftliche Meinungsbildung einzuwirken und sie im Interesse der Angreifer zu lenken. Desinformation fördert die Akzeptanz von Verschwörungstheorien und destabilisiert die Gesellschaft. Derartige Einflussnahme ist beispielsweise weltweit im Vorfeld von Wahlen zu beobachten gewesen. Durch einseitig gesteuerte Meinungen und Kommentare in den sozialen Medien sowie Falschinformationen über Kandidaten wurde dabei versucht, diese zu diskreditieren oder bestimmte Parteien zu schädigen. In Deutschland wurden 2021 gezielt Abgeordnete von Bundestag und Länderparlamenten mit Phishing-Mails angeschrieben, die der russischen Hackergruppe GHOSTWRITER zugeordnet werden. Das Ziel war Zugangsdaten zu E-Mail-Accounts zu erhalten. Auf dieser Phishing-Aktion beruhende Attacken konnten allerdings bisher nicht beobachtet werden. Die Gruppe ist in der Vergangenheit auch dadurch aufgefallen, dass sie Falschnachrichten auf gehackten Nachrichtenseiten und Blogs verbreitete. Im Cyberraum besonders aktiv sind Russland und China sowie der Iran, Nordkorea und auch die Türkei. Die Interessen sind unterschiedlich und spiegeln sich in den entsprechenden Zielen wieder. Auch die Methoden und Techniken unterscheiden sich. Während russische Angriffe beispielsweise vielfach auf politische Ziele oder die Rüstungsindustrie gerichtet sind, ist China besonders an Hochtechnologie in den für die Entwicklung als 121 besonders wichtig eingestuften zehn Schlüsseltechnologien interessiert. Methoden und Techniken werden kontinuierlich fortentwickelt. Ein Beispiel hierfür stellen die Supply-Chain-Angriffe dar. Hierbei werden die Ziele nicht mehr unmittelbar angegriffen, sondern beispielsweise der Softwarehersteller. Dies hat zur Folge, dass das Opfer der gelieferten Software vertraut und diese installiert, selbst wenn Sicherheitssysteme Alarm melden. Der digitale Datenraum hat sich zu einem Hochrisikoraum entwickelt. Die Abwehr von Cybergefahren kann nicht durch eine staatliche Stelle zentral erfolgen. Vom Bürger über die Firmen und Organisationen bis hin zu den Behörden ist es erforderlich, dass die möglichen Abwehrmaßnahmen getroffen werden. Cybersecurity ist eine allgemeine Aufgabe, die jeden überall fordert. Der Grundschutz aller Systeme ist eine Voraussetzung für die Abwehr der Gefahren. Systeme ohne technischen Grundschutz sind Angriffen gegenüber vollkommen schutzlos und stellen selbst eine Gefahr dar. Abgesehen davon ist generell umsichtiges Handeln eine weitere Grundvoraussetzung zur Erlangung von Sicherheit. Unbedachtes Handeln führt ebenso zu einer Gefährdung der eigenen Systeme und kann durch keine anderen Maßnahmen ausgeglichen werden. Zunehmend gewinnt auch die Cyber-Resilienz, also die Fähigkeit, auch in außergewöhnlichen Situationen weiterhin die Funktion aufrecht zu erhalten oder schnell wieder zu erlangen, zunehmend an Bedeutung. Vorsorge für den Fall eines erfolgreichen Angriffes kann die Folgen drastisch reduzieren und dafür sorgen, dass das eigentliche Ziel des Angriffes nicht erreicht wird. Die Abwehr der Angriffe verbunden mit umsichtigem Handeln und Vorsorge für den Fall eines erfolgreichen Angriffes kann die Gefahr und die Folgen jedoch deutlich reduzieren. 122 In Folge der skizzierten Entwicklungen insgesamt stellt die Cyberabwehr einen zunehmend wichtigen Bestandteil in der Aufgabenstellung der deutschen Sicherheitsbehörden dar. Während das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) technologische Unterstützung leistet und die Polizeibehörden für die Verfolgung von Straftaten zuständig sind, informieren, sensibilisieren und beraten die Verfassungsschutzbehörden im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeiten zur Vorbeugung und Abwehr der skizzierten von anderen Ländern ausgehenden Gefahren. Hierzu sammeln sie entsprechende Informationen und werten diese aus. 10.3 Wirtschaftsschutz - eine Aufgabe der Spionageabwehr Die strategische Ausforschung von Wirtschaftsunternehmen in Deutschland zählt neben der militärischen und politischen Aufklärung zu den klassischen Schwerpunkten der Aktivitäten fremder Nachrichtendienste. Deren Tätigkeit auf deutschem Boden hat im Kontext zunehmend global ausgerichteter wirtschaftsund handelspolitischer Beziehungen in den letzten Jahren stetig zugenommen. Für die Funktionsfähigkeit eines modernen Staatsund Gemeinwesens sind sichere Versorgungseinrichtungen, ausreichende Informationsund Kommunikationsstrukturen sowie eine leistungsfähige Verwaltung und Wirtschaft von elementarer Bedeutung. Dies begründet eine besondere Schutzwürdigkeit. Insofern ist es Auftrag und Selbstverständnis staatlichen Handelns zugleich, in geeigneter Form dieser bestehenden Verpflichtung nachzukommen. Im Rahmen des staatlichen Wirtschaftsschutzes nimmt die Spionageabwehr dabei eine gewichtige Funktion ein, gilt es doch, durch Sensibilisierung und Aufklärung präventiv tätig zu werden und Spionageaktivitäten bereits im Vorfeld zu erkennen und abzuwehren. Dies schließt auch die Betrachtung möglicher 123 extremistischer und/oder terroristischer Handlungen mit ein. Insofern fallen derart schädigende Angriffe gegen unsere heimische Wirtschaft in die Zuständigkeit der jeweiligen Verfassungsschutzbehörden. Darüber hinaus bearbeitet die Spionageabwehr Verdachtsfälle im Bereich der Wirtschaftsspionage und unterstützt auf Wunsch bei der Klärung entsprechender Anhaltspunkte vor Ort. In diesem Kontext gilt es ferner anzuführen, dass sich etwa die "Initiative Wirtschaftsschutz", die unter Beteiligung von Staat und Wirtschaft konzipiert wurde und federführend durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, betreut wird, zum Ziel gesetzt hat, zentrale Unternehmenswerte für Deutschland und seine Wirtschaft besser zu schützen. Diese Form des Zusammenwirkens definiert Handlungsfelder und Maßnahmen, die insgesamt auf die Verhinderung eines illegalen Informationsund Wissensabflusses in deutschen Wirtschaftsunternehmen und Forschungseinrichtungen ausgerichtet sind sowie der Abwehr von sonstigen Angriffshandlungen durch fremde Nachrichtendienste, Extremisten oder Terroristen dienen. Wesentliche Kernelemente sind dabei eine intensive, partnerschaftliche Zusammenarbeit, ein vertraulicher Informationsaustausch zwischen den beteiligten Akteuren in Behörden, Unternehmen und Verbänden, eine Stärkung des Bewusstseins hinsichtlich der Wahrnehmung der unternehmerischen Eigenverantwortung sowie eine Optimierung des betrieblichen Wirtschaftsschutzes. Das Informationsportal www.wirtschaftsschutz.info bündelt die Expertise aller Beteiligten im Internet und vermittelt zudem einen nutzbringenden Überblick hinsichtlich aktueller Themenfelder sowie fachbezogener Veröffentlichungen. Diese Aktivitäten werden in den einzelnen Bundesländern im Rahmen der dortigen länderspezifischen Ausrichtung und unter Zusammenarbeit der jeweiligen Behörden für 124 Verfassungsschutz und der Polizei mit der Wirtschaft sowie Verbänden begleitend unterstützt bzw. ergänzt. 10.4 Spionageabwehr Mecklenburg-Vorpommern - Ihr Ansprechpartner vor Ort Zur Erfüllung unserer Aufgaben sind wir auch auf Ihre Mithilfe angewiesen. Insofern würden wir uns freuen, wenn die eben beleuchteten Themenfelder Ihr Interesse geweckt haben. Möglicherweise sehen Sie Gegebenheiten des täglichen, persönlichen Wirkens, etwa als Privatperson, beruflich Selbständiger oder Beschäftigter in der Wirtschaft oder dem öffentlichen Dienst, im Kontext vorstehender Ausführungen mitunter in einem anderen, neuen Licht und Ihnen fallen Erlebnisse bzw. Umstände ein, die Sie bislang nicht genau einordnen konnten und die ggf. einen nachrichtendienstlichen Hintergrund aufweisen. Für die Wahrung deutscher Hoheitsrechte und eines wirksamen Schutzes der in Deutschland lebenden Menschen, in unserem Land ansässigen Unternehmen und sonstigen Institutionen gegen Aktivitäten fremder Nachrichtendienste ist es erforderlich, deren verdeckt agierende Mitarbeiter bzw. Agenten möglichst frühzeitig zu enttarnen und somit an der weiteren Ausübung ihrer illegalen Aktivitäten zu hindern. Im Rahmen einer vertraulichen Behandlung Ihrer Hinweise bzw. Verdachtsmomente können wir Ihnen auch für den Fall einer eigenen persönlichen Verstrickung ggf. individuelle Lösungsansätze aufzeigen. Bei der Wahrnehmung unserer Tätigkeit arbeiten wir nach dem Opportunitätsprinzip, unterliegen also im Gegensatz zur Polizei nicht der Pflicht zur Verfolgung von möglichen Straftaten. Darüber hinaus stehen wir Ihnen auch zur Klärung von Sachverhalten, die nicht unmittelbar in die Zuständigkeit der hiesigen Spionageabwehr fallen, auf Wunsch bei der Vermittlung von 125 weiteren kompetenten Ansprechpartnern anderer Dienststellen im Bundesgebiet selbstverständlich gern zur Verfügung. Wir sind für Sie da: Ministerium für Inneres, Bau und Digitalisierung Mecklenburg-Vorpommern Abteilung Verfassungsschutz - Spionageabwehr - Telefon: 0385/ 7420-0 Fax: 0385/ 714438 117 E-Mail: spionageabwehr@verfassungsschutz-mv.de 117Foto: Silke Kaiser/pixelio.de. 126 11 Öffentlichkeitsarbeit Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder. Wie zuvor aufgezeigt, ist diese verfassungsmäßige Ordnung vielfältigen Gefahren ausgesetzt. Auf Grundlage des Landesverfassungsschutzgesetzes M-V (LVerfSchG M-V)118 informiert der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern die zuständigen Stellen, wie z. B. die Polizei und andere Behörden sowie die Öffentlichkeit über diese Gefahren. Auf diese Weise können - durch die zuständigen Stellen - rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr dieser Gefahren getroffen werden und die Öffentlichkeit wird hinsichtlich der Bedrohungen der Demokratie aufgeklärt und sensibilisiert. Diese Aufgabe ist Verpflichtung aber zugleich auch Selbstverständnis für den Verfassungsschutz MecklenburgVorpommern. Zur Erfüllung dieser Aufgabe veröffentlicht der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern den jährlichen Verfassungsschutzbericht und Broschüren. Der Verfassungsschutzbericht informiert über die wesentlichen, während des Berichtsjahres gewonnenen Erkenntnisse, bewertet diese und gibt eine Prognose über die weitere Entwicklung der Bedrohungslage in unserem Bundesland ab. Er stellt keine abschließende Aufzählung aller verfassungsschutzrelevanten Personenzusammenschlüsse des Landes Mecklenburg-Vorpommern dar. Der Verfassungsschutzbericht sowie weitere Broschüren mit Informationen aus den Arbeitsfeldern des Verfassungsschutzes stehen allen Bürgerinnen und Bürgern sowohl als bestellbare gedruckte Ausgaben als auch in elektronischer Form auf der Internetseite des Verfassungsschutzes Mecklenburg-Vorpommern unter www.verfassungsschutz-mv.de zur Verfügung (siehe Kapitel 8.2). 118Vgl. SS 5 Abs. 2 LVerfSchG M-V. 127 11.1 Aktivitäten Die Verfassungsschutzbehörde Mecklenburg-Vorpommern ist Teil des Beratungsnetzwerks Demokratie und Toleranz Mecklenburg-Vorpommern (www.beratungsnetzwerk-mv.de). Bei diesem Netzwerk handelt es sich um einen Zusammenschluss aus staatlichen Behörden und nichtstaatlichen Beratungsorganisationen sowie Akteuren in freier Trägerschaft. Durch die Mitwirkung im landesweiten Beratungsnetzwerk sowie in den Regionalzentren für demokratische Kultur werden Einschätzungen zu extremistischen Entwicklungen in die Diskussionen eingebracht. Sofern Sie eine Vortrags-, Informationsveranstaltung oder eine Fachmesse vorbereiten, die Sachbezug zur Arbeit des Verfassungsschutzes aufweist, können Sie sich direkt an den Verfassungsschutz des Landes Mecklenburg-Vorpommern, unter der Telefon-Nummer 0385/7420-0, wenden oder hierzu Kontakt über die Internetseite www.verfassungsschutz-mv.de aufnehmen. 11.2 Informationsmaterialien Diese Informationsmaterialien können kostenlos beim Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern angefordert oder im Internet unter der Adresse www.verfassungsschutz-mv.de/publikationen heruntergeladen werden. Im Berichtsjahr 2021 wurden durch den Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern mehr als 300 Publikationen kostenfrei an interessierte Bürgerinnen und Bürger sowie an Einrichtungen im Land Mecklenburg-Vorpommern und über die Landesgrenzen hinaus versendet. 128 * Verfassungsschutzberichte der Jahre 2006 bis 2021 * Rituale und Symbole der rechtsextremistischen Szene (Historische und ideologische Hintergründe des Rechtsextremismus, Juli 2015) * Infoflyer "Reichsbürger und Selbstverwalter" in Mecklenburg-Vorpommern (Behördenund Bürgerinformation) * Infoflyer "Informationen zum Thema Islamismus" auch in russischer und arabischer Version verfügbar (Allgemeiner Info-Flyer, Stand Januar 2020) 129 * Islamistische Aktivitäten erkennen (Kompaktinformation zu Salafismus und anderen Formen des Islamismus für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Flüchtlingseinrichtungen, April 2016) * SPOC Magazin Nr. 1 2021/2022 * Wirtschaftsschutz - mehrteilige Faltblattserie (Gemeinschaftsproduktion der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern) Informationen zu den jeweiligen Einzelthemen der Faltblattserie stehen im Bereich Wirtschaftsschutz auf der Internetseite: www.verfassungsschutz.de des Bundesamtes für Verfassungsschutz bereit. 130 * Proliferation - Wir haben Verantwortung (Bundesamt für Verfassungsschutz für die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, Juli 2018) * Wirtschaftsspionage - Risiko für Unternehmen, Wissenschaft und Forschung (Gemeinschaftsproduktion der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern, Juli 2014) Darüber hinaus stellt das Ministerium für Inneres, Bau und Digitalisierung Mecklenburg-Vorpommern weitere Broschüren und Information bereit, die kostenlos unter folgender Internetadresse abgerufen werden können: www.regierung-mv.de/Landesregierung/im/Sicherheit/ Zusätzlich wird an dieser Stelle auch auf das umfassende Publikationsangebot des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu allen verfassungsschutzrelevanten Themenbereichen hingewiesen, welches unter www.verfassungsschutz.de als Download abgerufen oder bestellt werden kann. 131 11.3 Ausund Fortbildung/Praktika Im Rahmen von Ausund Fortbildungsveranstaltungen halten Beschäftigte des Verfassungsschutzes Mecklenburg-Vorpommern an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Polizei und Rechtspflege des Landes Mecklenburg-Vorpommern in Güstrow (FHöVPR) sowohl Vorträge mit fachlichem Bezug zu der Tätigkeit und den Aufgaben des Verfassungsschutzes als auch zu ausgesuchten, aktuellen sicherheitspolitischen Themen. Grundlage ist eine Kooperationsvereinbarung mit der FHöVPR, die seit 2010 Bestand hat. Um das gegenseitige Verständnis für die jeweiligen Aufgaben zu fördern und den Informationsaustausch zu verbessern, finden seit Juni 2014 gegenseitige mehrtägige Hospitationen zwischen dem Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern und dem Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern, Abteilung Staatsschutz, in verschiedenen Fachbereichen statt. Innerhalb der föderalen Strukturen des Verfassungsschutzverbundes besteht Einvernehmen, sich mit den unterschiedlichen Arbeitsweisen vertraut zu machen, um somit die Zusammenarbeit durch gegenseitiges Kennenlernen zu erleichtern oder auch, um seine eigenen Abläufe zu hinterfragen und gegebenenfalls zu verbessern. Die Verfassungsschutzschutzbehörde Mecklenburg-Vorpommern ist auch regelmäßig Praktikumsstation für Studierende des Bundesamtes für Verfassungsschutz am Zentrum für Nachrichtendienstliche Ausund Fortbildung. 132 Abkürzungsverzeichnis AfD Alternative für Deutschland AG GGG Artgemeinschaft Germanische-GlaubensGemeinschaft APT Advanced Persistent Threat BAMAD Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst BAMF Bundesamt für Migration und Flüchtlinge BfV Bundesamt für Verfassungsschutz BKA Bundeskriminalamt BMI Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat BND Bundesnachrichtendienst BRD Bundesrepublik Deutschland BRI Belt and Road Initiative BSI Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfSchG Bundesverfassungsschutzgesetz B&H Blood and Honour DHKP-C Devrimci Halk Kurtulus Partisi/Cephesi (Revolutionäre VolksbefreiungsparteiFront) DKP Deutsche Kommunistische Partei Dml Deutschland muss leben EB Ewiger Bund fdGO freiheitliche demokratische Grundordnung FFF Fridays for future F.i.e.L. Fremde im eigenen Land 133 G 10 Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses GBA Generalbundesanwalt GdVuST Geeinte deutsche Völker und Stämme GETZ Gemeinsames Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum GG Grundgesetz GTAZ Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum HAMAS Harakat al-Muqawama al-Islamiya IBD Identitäre Bewegung Deutschland IB M-V Identitäre Bewegung Mecklenburg-Vorpommern IBÖ Identitäre Bewegung Österreich IL Interventionistische Linke IS Islamischer Staat IT Informationstechnik JA Junge Alternative, Jugendorganisation der AfD JN Junge Nationalisten KADEK Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans (Arbeiterpartei Kurdistans) KCK Koma Civaken Kurdistan (Arbeiterpartei Kurdistans) KDP Partya Demokrata Kurdistane (Demokratische Partei Kurdistans) KKK Koma Komalen Kurdistan (Arbeiterpartei Kurdistans) KONGRA Kongra Gele Kurdistan (Arbeiterpartei KurGEL distans) KPCh Kommunistische Partei Chinas KRITIS Kritische Infrastrukturen 134 LfDI Landesbeauftragter für den Datenschutz und Informationsfreiheit LfV Landesbehörde für Verfassungsschutz LKA M-V Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern LRH M-V Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern LVerfSchG M- Landesverfassungsschutzgesetz Mecklen- V burg-Vorpommern MC Motorcycle Club MLKP Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei MLPD Marxistisch-Leninistische Partei Deutschland MuP Mecklenburg und Pommern NATO North Atlantic Treaty Organization (Nordatlantische Vertragsorganisation) NIAS Nachrichtendienstliche Informationsund Analysestelle NPD Nationaldemokratische Partei Deutschland NS Nationalsozialistisch NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NSR Nationale Sozialisten Rostock OVG Oberverwaltungsgericht PIAS Polizeiliche Informationsund Analysestelle PMK Politisch motivierte Kriminalität PI-BE Preußisches Institut - Bismarcks Erben PKK 1. Parlamentarische Kontrollkommission des Landtages Mecklenburg-Vorpommern 2. Partiya Karkeren Kurdistan (Arbeiterpartei Kurdistans) 135 PR Penzliner Runde RED Rechtsextremismusdatei RH Rote Hilfe RNF Ring Nationaler Frauen SAV Sozialistische Alternative SDAJ Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend sic Sic erat scriptum - wird bei wörtlichen Zitaten verwendet, die Rechtschreibfehler o- der andere Besonderheiten enthalten SOG M-V Sicherheitsund Ordnungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern SOL Sozialistische Organisation Solidarität SOO Soldiers of Odin Germany MecklenburgVorpommern SRH Schwarz-Rote-Hilfe SS Schutzstaffel der NSDAP StGB Strafgesetzbuch SÜG M-V Sicherheitsüberprüfungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern TKP/ML Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten VD Volldraht Deutschland VG Verwaltungsgericht VHD Vaterländischer Hilfsdienst VK vk.com - soziales Netzwerk aus Russland VP Vertrauensperson VV Verfassungsgebende Versammlung YPG Volksverteidigungseinheiten (Yekineyen Parastina Gel) 136 Glossar Anschlussfähigkeit Der Begriff Anschlussfähigkeit beschreibt politische Themen, die in der Gesellschaft breit diskutiert und akzeptiert sind, aber auch von extremistischen Gruppierungen mit dem strategischen Ziel aufgegriffen werden. Diese präsentieren sich auf diese Weise als ernstzunehmender politischer Akteur in der demokratischen Debatte und verfolgen gleichzeitig die eigene extremistische Agenda. Anti-Antifa Unter dem Begriff "Anti-Antifa" verfolgen Neonazis in Anlehnung an Terminologie und Vorgehensweise von Linksextremisten ein Konzept zur Erfassung und Veröffentlichung von Daten über politische Gegner. Deutlich wird dabei eine Bereitschaft zur Gewaltanwendung. Antifaschismus "Antifaschismus" als Begriff wird auch von Demokraten verwendet, um ihre Ablehnung des Rechtsextremismus zum Ausdruck zu bringen. Mehrheitlich nehmen jedoch Linksextremisten diesen Begriff für sich in Anspruch. Sie behaupten, dass der kapitalistische Staat den Faschismus hervorbringe, zumindest aber toleriere. Daher richtet sich der Antifaschismus nicht nur gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten, sondern immer auch gegen den Staat und seine Vertreter, insbesondere Angehörige der Sicherheitsbehörden. Anti-Terror-Datei (ATD) Die Anti-Terror-Datei (ATD) ist eine gemeinsame Datei des Bundes und der Länder zur Aufklärung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland auf Grundlage des Antiterrordateigesetzes (ATDG). Advanced Persistent Threat (APT) Der Begriff "Advanced Persistent Threat" wird im Bereich der Cyber-Bedrohungen (Cyberangriff) für einen komplexen, zielgerichteten und effektiven Angriff auf IT-Infrastrukturen und 137 vertrauliche Daten von Behörden und Unternehmen verwendet. Vielfach werden Angriffskampagnen vereinfacht mit APT und einer Nummer (z. B. APT28) versehen, um damit die Angriffskampagne zu kennzeichnen. Das Ziel eines solchen Angriffes ist insbesondere, die lang anhaltende Handlungsfähigkeit des Angreifers sicherzustellen. Dazu versucht dieser sich nach erfolgreichem Eindringen entweder möglichst unauffällig zu verhalten oder sich möglichst schnell und umfassend in den angegriffenen Systemen auszubreiten und festzusetzen. Der Angreifer geht i. d. R. sehr gezielt vor und nimmt auch großen Aufwand in Kauf, um sein Ziel zu erreichen. Ausländerextremismus Extremistische Ausländerorganisationen verfolgen in Deutschland Ziele, die typischerweise durch aktuelle Ereignisse und politische Entwicklungen in ihren Heimatländern bestimmt sind. Entsprechend ihrer politischen Ausrichtung handelt es sich dabei beispielsweise um linksextremistische Organisationen (z. B. die türkische "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C), soweit sie in ihren Heimatländern ein sozialistisches bzw. kommunistisches Herrschaftssystem anstreben oder um nationalistische Organisationen, die ein überhöhtes Selbstverständnis von der eigenen Nation haben und die Rechte anderer Völker missachten. Daneben gibt es separatistische Organisationen, die eine Loslösung ihres Herkunftsgebietes aus einem bereits bestehenden Staatsgebilde und die Schaffung eines eigenen Staates verfolgen. Die größte von den Verfassungsschutzbehörden beobachtete ausländerextremistische Organisation in Deutschland ist nach wie vor die unter der Bezeichnung PKK bekannte "Arbeiterpartei Kurdistans". Autonome Kennzeichnend für die Bewegung der Autonomen, die über kein einheitliches ideologisches Konzept verfügt, ist die Ablehnung staatlicher und gesellschaftlicher Normen und Zwänge, die Suche nach einem freien, selbstbestimmten Leben in herrschaftsfreien Räumen und der Widerstand gegen den demokratischen Staat und seine Institutionen, wobei Gewalt von Autonomen grundsätzlich als Aktionsmittel ("militante Politik") akzeptiert ist. Autonome bilden den weitaus größten Anteil des 138 gewaltbereiten linksextremistischen Personenpotenzials. Das Selbstverständnis der heterogenen autonomen Bewegung ist geprägt von Anti-Einstellungen ("antikapitalistisch", "antifaschistisch", "antipatriarchal"). Diffuse anarchistische und kommunistische Ideologiefragmente ("Klassenkampf", "Revolution" oder "Imperialismus") bilden den Rahmen ihrer oftmals spontanen Aktivitäten. Eine klassische Form autonomer Gewalt ist die sogenannte Massenmilitanz. Das sind Straßenkrawalle, die sich im Rahmen von Demonstrationen oder im Anschluss daran entwickeln. Hierbei kommt es regelmäßig auch zu Gewaltexzessen. Autonome Freiräume Als "autonome Freiräume" können vor allem besetzte Häuser, Wohnprojekte und selbstverwaltete Jugendund Kulturzentren gelten, deren Existenz und Erhalt Linksextremisten bedroht sehen, wenn sich die Besitzund Eigentumsverhältnisse ändern. Bestrebungen, extremistische Bestrebungen sind nach allgemeinem Sprachgebrauch alle auf ein Ziel gerichteten Aktivitäten. Extremistische Bestrebungen im Sinne der Verfassungsschutzgesetze sind im Wesentlichen politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, gegen den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes. Von Einzelpersonen gehen solche Bestrebungen nur dann aus, wenn sie auf die Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder eines der obigen Schutzgüter erheblich beschädigen können.119 Cyberangriffe - Elektronische Angriffe 119Vgl. SS 6 LVerfSchG M-V. 139 Elektronische Angriffe Mit dem Begriff "Elektronische Angriffe" werden Maßnahmen mit und gegen IT-Infrastrukturen bezeichnet. Neben der Informationsbeschaffung fallen darunter auch Aktivitäten, die zur Schädigung bzw. Sabotage dieser Systeme geeignet sind. Dazu gehören insbesondere das Ausspähen, Kopieren oder Verändern von Daten, die Übernahme einer fremden elektronischen Identität, der Missbrauch oder die Sabotage fremder ITInfrastrukturen sowie die Übernahme von computergesteuerten, netzgebundenen Produktionsund Steuereinrichtungen. Die Angriffe können dabei sowohl von außen über Computernetzwerke, wie z.B. das Internet, erfolgen als auch durch einen direkten, nicht netzgebundenen Zugriff auf einen Rechner, z. B. mittels manipulierter Hardwarekomponenten wie Speichermedien (z. B. USB-Sticks). Entgrenzung Der Begriff Entgrenzung beschreibt den Ansatz von Extremisten, ihre politischen Themen und Ziele so in das demokratische Spektrum der Gesellschaft zu transportieren, dass diese dort akzeptabel erscheinen und auf diese Weise die bestehende Abgrenzung der gesellschaftlichen Mitte gegenüber extremistischen Positionen einzuebnen. Fanzine Der Begriff setzt sich aus den Worten "Fan" und "Magazine" zusammen und bezeichnet Publikationen, die innerhalb einer subkulturellen Szene szeneinterne Informationen verbreiten. In der subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene informieren diese Publikationen über Musikgruppen, Tonträger, Konzerte sowie sonstige Szeneveranstaltungen. Aktivisten und rechtsextremistische Gruppierungen erhalten in Interviews Gelegenheit zur Selbstdarstellung und zur Verbreitung ihres extremistischen Gedankengutes. Gefährder Ein Gefährder ist eine Person, zu der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des 140 SS 100 a StPO, begehen wird. Die Einstufung einer Person als Gefährder erfolgt durch die Polizei (- Relevante Person). Gemeinsames Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) Das GETZ hat am 15. November 2012 seine Arbeit aufgenommen. Ziel ist die Bekämpfung des Rechts-, Links-, Ausländerextremismus/ -terrorismus, der Spionage und Proliferation. Ziel ist es, die Fachexpertise aller Behörden unmittelbar zu bündeln und einen möglichst lückenlosen und schnellen Informationsfluss sicherzustellen. Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) Das 2004 eingerichtete "Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum" (GTAZ) in Berlin-Treptow mit einer "Nachrichtendienstlichen Informationsund Analysestelle" (NIAS) sowie einer "Polizeilichen Informationsund Analysestelle" (PIAS) konzentriert die Experten für Terrorismusabwehr der deutschen Sicherheitsbehörden an einem Ort. Im GTAZ sind die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, das Bundeskriminalamt (BKA), die Landeskriminalämter (LKÄ) und der Bundesnachrichtendienst (BND) eingebunden. Weitere Teilnehmer sind die Bundespolizei (BPOL), das Zollkriminalamt (ZKA), das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD), das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und Vertreter der Generalbundesanwaltschaft. Die Abstimmung von Bewertungen und Maßnahmen bei sicherheitsrelevanten Sachverhalten mit Terrorismusbezug wird erleichtert und beschleunigt. Gentrifizierung Der Begriff beschreibt die Umstrukturierung ganzer Wohnviertel und Stadtteile zu hochwertigen Wohnquartieren und damit einhergehend die Veränderung der Wohnbevölkerung. Dieses Themenfeld kommt häufig in Ballungsräumen vor. Gulag Russische Abkürzung für "Hauptverwaltung der Erziehungsund Arbeitslager". Bezeichnung für stalinistische Strafund Zwangsarbeitslager in der Sowjetunion, in denen so genannte 141 politische Häftlinge und Kriminelle im Zuge der Massenrepressionen interniert wurden. Holodomor Ukrainisch für "Tötung durch Hunger" - große Hungersnot in der Sowjetrepublik Ukraine in den Jahren 1932/33 mit 6 bis 7 Mio. Todesopfern in Folge der Zerstörung der Landwirtschaft durch die Zwangskollektivierung, gezielt überhöhte Abgabepflichten für die Bauern und Verhinderung von Hilfsmaßnahmen unter der Regierung Stalins. Islamismus Der Begriff des Islamismus bezeichnet eine religiös motivierte Form des politischen Extremismus. Islamisten sehen in den Schriften und Geboten des Islam nicht nur Regeln für die Ausübung der Religion, sondern auch Handlungsanweisungen für eine islamistische Staatsund Gesellschaftsordnung. Ein Grundgedanke dieser islamistischen Ideologie ist die Behauptung, alle Staatsgewalt könne ausschließlich von Gott (Allah) ausgehen. Damit richten sich islamistische Bestrebungen gegen die Vorschriften des Grundgesetzes, insbesondere gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Islamisten halten die Etablierung einer islamischen Gesellschaftsordnung für unabdingbar. Dieser Ordnung sollen letztlich sowohl Muslime als auch Nicht-Muslime unterworfen werden. Sonderformen des Islamismus sind der Salafismus (-) und der islamistische Terrorismus (-). Islamistischer Terrorismus Mit dem Begriff "islamistischer Terrorismus" wird Terrorismus (-) bezeichnet, der unter Berufung auf den Islam bzw. dessen selektive Auslegung und politische Instrumentalisierung darauf abzielt, eine nach eigener Auffassung "islamische Ordnung" bzw. einen "islamischen Staat" zu errichten. Dem "islamistischen Terrorismus" werden sunnitische Gruppierungen, hierunter sowohl salafistische (z. B. "al-Qaida") als auch nicht-salafistische (z. B. HAMAS) sowie schiitische Gruppierungen (z. B. "Hizb Allah") zugerechnet. 142 Jihad Die wörtliche Übersetzung dieses Begriffs ist "Anstrengung" o- der "Bemühung". Es gibt zwei Formen des Jihad: die geistigspirituelle Bemühung des Gläubigen um das richtige religiöse und moralische Verhalten gegenüber Gott und den Mitmenschen (sogenannter großer Jihad) und den kämpferischen Einsatz zur Verteidigung oder Ausdehnung des islamischen Herrschaftsgebiets (sogenannter kleiner Jihad). Von militanten islamistischen (- Islamismus) Gruppen wird der Jihad häufig als religiöse Legitimation für Terroranschläge verwendet. Kameradschaften, rechtsextremistische Unter dem Begriff "Kameradschaften" werden i.d.R. neonazistische lokale Gruppierungen verstanden. Sie umfassen meist etwa 10 bis 20 Mitglieder und sind - im Gegensatz zu den Cliquen der subkulturell geprägten gewaltbereiten rechtsextremistischen Szene - deutlich durch den Willen zu politischer Aktivität geprägt. Obwohl sie meist nur gering ausgeprägte vereinsähnliche Strukturen aufweisen, sind sie durch eine verbindliche Funktionsverteilung dennoch deutlich strukturiert. Mitglieder von Kameradschaften rechnen sich in der Regel den neonazistisch geprägten sogenannten "Freien Nationalisten" zu. Kritische Infrastrukturen (KRITIS) Kritische Infrastrukturen (KRITIS) sind Organisationen oder Einrichtungen mit zentraler Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden. Linksextremismus Mit diesem Begriff werden Bestrebungen (-) von Personenzusammenschlüssen bezeichnet, für die alle oder einige der folgenden Merkmale charakteristisch sind: * Bekenntnis zum Marxismus-Leninismus als "wissenschaftliche" Anleitung zum Handeln; daneben - je 143 nach Ausprägung der Partei oder Gruppierung - Rückgriff auch auf Theorien weiterer Ideologen wie Stalin, Trotzki, Mao Tse-tung und andere, * Bekenntnis zur sozialistischen oder kommunistischen Transformation der Gesellschaft mittels eines revolutionären Umsturzes oder langfristiger revolutionärer Veränderungen, * Bekenntnis zur Diktatur des Proletariats oder zu einer herrschaftsfreien (anarchistischen) Gesellschaft, * Bekenntnis zur revolutionären Gewalt als bevorzugte oder - je nach den konkreten Bedingungen - taktisch einzusetzender Kampfform. Linksextremistische Parteien und Gruppierungen lassen sich grob in zwei Hauptströmungen einteilen: * dogmatische Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten: In Parteien oder anderen festgefügten Vereinigungen organisiert, verfolgen sie die erklärte Absicht, eine sozialistische bzw. kommunistische Gesellschaftsordnung zu errichten, * Autonome, Anarchisten und sonstige Sozialrevolutionäre (undogmatischer Linksextremismus): In losen Zusammenhängen, seltener in Parteien oder formalen Vereinigungen agierend, streben sie ein herrschaftsfreies, selbstbestimmtes Leben frei von jeglicher staatlichen Autorität an. NADIS Das NAchrichtenDienstliche InformationsSystem und WissensNetz (NADIS WN) ist das zentrale Hinweisund Verbundsystem der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder für Personen und Objekte. Dieses System ist eine technische Plattform, auf der Amtsund Verbunddateien von Bund und Ländern unter einer einheitlichen Anwendungsoberfläche betrieben werden können. 144 Neonationalsozialismus/Neonazismus Der Neonationalsozialismus bezieht sich auf die Weltanschauung des "Dritten Reiches" und macht diese zur Grundlage seiner politischen Zielvorstellungen. Elementare Bestandteile der neonationalsozialistischen Weltanschauung sind Rassismus und Nationalismus sowie die Forderung nach einem autoritären "Führerstaat" unter Ausschaltung der Gewaltenteilung. Neue Rechte Unter der Bezeichnung Neue Rechte wird ein informelles Netzwerk von Gruppierungen, Einzelpersonen und Organisationen gefasst, in dem nationalkonservative bis rechtsextremistische Kräfte zusammenwirken, um anhand unterschiedlicher Strategien teilweise antiliberale und antidemokratische Positionen in Gesellschaft und Politik durchzusetzen. Hierfür werden parlamentarische und außerparlamentarische Bewegungen, metapolitische Theoriebildung und Praxis - also die Einflussnahme auf den vorpolitischen Raum, die den Boden für die erfolgreiche politische Verwirklichung dieser antidemokratischen Positionen bereiten soll - mit Protestund Demonstrationsinitiativen eng verzahnt. Die Akteure füllen innerhalb dieses Netzwerks unterschiedliche und teils komplementäre Funktionen und Rollen aus, die dem gemeinsamen Ziel einer "Kulturrevolution von rechts" dienen sollen und sich jeweils an unterschiedliche Zielgruppen richten. Rechtsextremistische Bezüge ergeben sich aus Verstößen gegen die Menschenwürde, das Rechtsstaatsund/oder das Demokratieprinzip in unterschiedlicher Ausformung. Outing-Aktion Durch Outing-Aktionen werden politische Gegner extremistischer Gruppierungen mit ihren personenbezogenen Daten (z.B. Foto, Name, Wohnanschrift, Arbeitsstelle etc.) zumeist via Internet öffentlich bekannt gemacht, um sie zum einen an den "virtuellen Pranger" zu stellen, zum anderen aber auch, um sie damit einer erhöhten Gefahr auszusetzen, zum Opfer einer politisch motivierten Straftat durch die gegnerische extremistische Gruppe zu werden. 145 Proliferation Als Proliferation bezeichnet man die Weiterverbreitung von atomaren, biologischen oder chemischen Massenvernichtungswaffen und entsprechenden Waffenträgersystemen bzw. der zu deren Herstellung verwendeten Produkte einschließlich des dazu erforderlichen Know-how. Radikal Als radikal werden Bestrebungen bezeichnet, die zur Lösung politischer Probleme "bis auf die Wurzel gehen", diese jedoch ohne zielgerichteten Angriff auf die freiheitliche demokratische Grundordnung lösen wollen. Radikale politische Auffassungen haben in unserer pluralistischen Gesellschaftsordnung ihren legitimen Platz. Rechtsextremismus Der Rechtsextremismus ist eine Ideologie der Ungleichheit, deren Anhänger politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen zeigen, die darauf gerichtet sind, Grundsätze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung außer Geltung zu setzen oder zu beseitigen (- Bestrebung). Als Gegenentwurf zu einer modernen Demokratie und einer offenen Gesellschaft wollen Rechtsextremisten - auch unter Anwendung von Gewalt - ein autoritäres oder gar totalitäres staatliches System errichten, in dem nationalistisches und rassistisches Gedankengut die Grundlage der Gesellschaftsordnung bilden soll. Dementsprechend finden sich im deutschen Rechtsextremismus in unterschiedlicher und gruppenspezifischer Ausprägung folgende ideologische Vorstellungen bzw. Handlungsmuster: * Ein aggressiver, vielfach völkisch ausgerichteter Nationalismus, für den nur die deutschen Interessen als Richtschnur gelten und der andere Nationen als "minderwertig" betrachtet, * die häufige Forderung nach der Neugründung eines "Reiches", das zum "mächtigen Mittelpunkt Europas" werden müsse, 146 * der Wunsch nach einer Volksgemeinschaft auf "rassischer" Grundlage, die die Rechte des Einzelnen beliebig einschränkt und der pluralistischen Gesellschaft das Modell des "Volkskollektivismus" ("Du bist nichts, Dein Volk ist alles") entgegensetzt (Antiindividualismus, Antipluralismus, Antiliberalismus), * eine aggressive, extrem gewaltbereite Fremdenfeindlichkeit als Ergebnis rassistischen und damit verbunden antisemitischen Gedankenguts, * der Wunsch nach einem "Führerstaat" mit militärischen Ordnungsprinzipien, * eine Relativierung oder sogar Leugnung der Verbrechen des "Dritten Reiches" und damit verbunden eine Verharmlosung oder Verherrlichung des Nationalsozialismus und * eine ständige Diffamierung der demokratischen Institutionen und ihrer Repräsentanten. Rechtsextremismusdatei (RED) Die Rechtsextremismusdatei (RED) ist eine gemeinsame Datei des Bundes und der Länder zur Aufklärung und Bekämpfung des gewaltbereiten Rechtsextremismus auf Grundlage des Rechtsextremismus-Datei-Gesetzes (RED-G). Mit der RED soll der Informationsaustausch zwischen den beteiligten Behörden intensiviert und beschleunigt werden. Rechtsextremistische Konzerte Die Kriterien zur Bewertung rechtsextremistischer Musikveranstaltungen lauten wie folgt: * Live-Auftritt mindestens einer als rechtsextremistisch bewerteten Band, * Szeneöffentlichkeit (z. B. überregionale Mobilisierung, Erhebung von Eintrittsgeldern, Werbung für die Veranstaltung), * Vortrag rechtsextremistischer Liedtexte bzw. Feststellung rechtsextremistischer Aktivitäten der Interpreten 147 anlässlich der Veranstaltungen (insbesondere Propagandadelikte), * Organisation der Veranstaltung durch rechtsextremistische Gruppierungen oder Einzelpersonen. Es ist nicht erforderlich, dass Informationen zu allen Kriterien vorliegen. Mindestvoraussetzung sind der szeneöffentliche Live-Auftritt sowie Indizien für rechtsextremistische Inhalte, die sich insbesondere aus dem Auftritt einschlägiger Bands oder aus dem Vortrag entsprechender Lieder ergeben können. Reichsbürger Sogenannte Reichsbürger und Selbstverwalter sind Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen, unter anderem unter Berufung auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht, die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Sie sprechen den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation ab oder definieren sich als in Gänze außerhalb der Rechtsordnung stehend. Deshalb sind sie bereit, Verstöße gegen diese zu begehen. Für die Verwirklichung ihrer Ziele treten sie aktiv ein, z. B. mit Werbeaktivitäten oder mit aggressiven Verhaltensweisen gegenüber den Gerichten und Behörden der Bundesrepublik Deutschland. Zwischen Reichsbürgern und Selbstverwaltern fällt eine trennscharfe Unterscheidung schwer. Reichsbürger lehnen die Bundesrepublik Deutschland unter Berufung auf ein wie auch immer geartetes Deutsches Reich ab. Selbstverwalter hingegen fühlen sich dem Staat gänzlich nicht zugehörig. Sie behaupten, sie könnten durch eine Erklärung aus dem Staat austreten und seien deshalb nicht an dessen Gesetze gebunden. Oftmals berufen sie sich auf eine UN-Resolution, die es angeblich ermögliche, aus der Bundesrepublik Deutschland ausund in eine Selbstverwaltung einzutreten. Manche markieren ihr Wohnanwesen zum Beispiel durch Grenzziehungen, Schilder und Wappen, um ihren angeblich souveränen Verwaltungsraum zu kennzeichnen. Mitunter wird dieser unter Berufung auf ein Widerstandsrecht gewaltsam verteidigt. 148 Relevante Person Eine Person ist als relevant anzusehen, wenn sie innerhalb des extremistischen/terroristischen Spektrums die Rolle einer Führungsperson, eines Unterstützers/Logistikers oder eines Akteurs einnimmt und objektive Hinweise vorliegen, die die Prognose zulassen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des SS 100 a Strafprozessordnung (StPO), fördert, unterstützt, begeht oder sich daran beteiligt oder es sich um eine Kontaktoder Begleitperson eines Gefährders, eines Beschuldigten oder eines Verdächtigen einer politisch motivierten Straftat von erheblicher Bedeutung, insbesondere einer solchen im Sinne des SS 100 a StPO, handelt. Die Einstufung als relevante Person erfolgt durch die Polizei (- Gefährder). Scharia Die Scharia bezeichnet die im Koran von Gott gesetzte Ordnung, eine Art juristische Grundlage. Die Scharia enthält neben rituellen Vorschriften privat-, strafund öffentlich-rechtliche Regelungen. Die Scharia ist kein ausformuliertes Regelwerk, sondern eine Quelle der Rechtsfindung. Verbindlichkeit und Handhabung der Scharia in den einzelnen islamischen Ländern sind bis heute sehr unterschiedlich. Innerhalb der islamischen Welt wird die Rolle der Scharia kontrovers beurteilt. Einig ist man sich aber darin, dass die Scharia eine für alle Bereiche wichtige Rechtsquelle darstellt. Salafismus Der "Salafismus" ist eine Strömung des sunnitischen Islamismus, die sich auf die Urzeit des Islam und die sogenannten "rechtschaffenen Altvorderen" (arab. al-salaf al-salih) bezieht und die Rückkehr zu den damaligen Herrschaftsund Rechtsformen anstrebt. Diese ist u.a. gekennzeichnet durch eine fundamentalistische Koranauslegung, die Ablehnung westlicher Wertevorstellungen und die Propagierung des Kampfes gegen die "Ungläubigen". 149 Schwarzer Block Der sogenannte Schwarze Block, vermummte Aktivisten in einheitlicher "Kampfausrüstung", ist eine Aktionsform, die ursprünglich im linksextremistischen autonomen Spektrum entwickelt wurde und vor allem bei Demonstrationen angewandt wird. Der "Schwarze Block" ist keine zentral organisierte und koordinierte Organisationsform, sondern ein punktueller Zusammenschluss gewaltorientierter Linksextremisten. Ziel dieses Auftretens ist die erschwerte Zuordnung von Strafund Gewalttaten zu Einzelpersonen durch die Polizei. Jeder "Schwarze Block" beinhaltet jedoch ein einzelfallbezogenes Gewaltpotenzial, das sich je nach Lageentwicklung ausleben kann. Selbstverwalter - Reichsbürger Spionage Als Spionage wird die Tätigkeit für den Nachrichtendienst einer fremden Macht bezeichnet, die auf die Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet ist. Die Beschaffung von Informationen, vor allem aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Militär, erfolgt zumeist unter Anwendung geheimer Mittel und Methoden. Soweit Spionage gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet ist, kommt eine Strafbarkeit gemäß SSSS 93 ff. StGB in Betracht. Spionageabwehr Die Spionageabwehr beschäftigt sich mit der Aufklärung und Abwehr bzw. Verhinderung von Spionageaktivitäten fremder Nachrichtendienste. Dazu sammelt sie Informationen über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Nachrichtendienste in der Bundesrepublik Deutschland und wertet sie mit dem Ziel aus, Erkenntnisse über Struktur, Aktivitäten, Arbeitsmethoden, nachrichtendienstliche Mittel und Zielobjekte dieser Nachrichtendienste zu gewinnen. Die Spionageabwehr gehört gemäß SS 3 Abs. 1 Nr. 2 Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) zu den Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder. 150 Staatsfreiheit Der Begriff der "Staatsfreiheit" ist ein innerhalb des ersten NPDVerbotsverfahren geprägter Begriff. Danach hat das BVerfSchG die Forderung aufgestellt, dass während eines laufenden Verbotsverfahrens keine Vertrauenspersonen (VP) und Verdeckten Ermittler (VE) auf den Führungsebenen einer Partei tätig sein dürfen. Damit wird sichergestellt, dass deren Willensbildung und Selbstdarstellung unbeobachtet und selbst bestimmt erfolgen kann. Die Begründung des Verbotsantrags darf nicht auf Beweismaterialien gestützt werden, deren Entstehung zumindest teilweise auf das Wirken von VP oder VE zurückzuführen ist. Die Beobachtung einer Partei während eines laufenden Verbotsverfahrens darf außerdem nicht dem Ausspähen ihrer Prozessstrategie dienen. Zudem ist die privilegierte Stellung der Verfahrensbevollmächtigten der betroffenen Partei zu beachten. Terrorismus Der "Terrorismus" ist der nachhaltig geführte Kampf für politische Ziele, die mit Hilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum anderer Menschen durchgesetzt werden sollen, insbesondere durch schwere Straftaten, wie sie in SS 129 a Abs. 1 StGB genannt sind, oder durch andere Straftaten, die zur Vorbereitung solcher Straftaten dienen. "Vier-Säulen-Strategie" der NPD Die Strategie der NPD wurde auf dem Bundesparteitag 1998 im mecklenburgischen Stavenhagen zunächst als "Drei-SäulenStrategie" konzipiert: Kampf um die Straße: Durchführung von Demonstrationen, Zeigen von Präsenz in der Öffentlichkeit, Massenmobilisierung, Kampf um die Köpfe: Ziel ist die Meinungsführerschaft in der rechtsextremistischen Szene, aber ganz wesentlich auch das Erreichen von Personen außerhalb ihrer politischen Klientel, 151 Kampf um die Parlamente: Wahlerfolge konnte die NPD in Mecklenburg-Vorpommern 2006 und 2009 vorweisen. Auf dem Bundesparteitag 2004 in Leinefeld/Thüringen wurde eine vierte Säule ergänzt: Kampf um den organisierten Willen: Die NPD sieht sich als "Speerspitze der nationalen Erneuerung" und versucht, alle "nationalen Kräfte" zu einem Bündnis zu bewegen - natürlich unter ihrer Führung. Wirtschaftsschutz Als Wirtschaftsschutz werden staatliche Maßnahmen bezeichnet, die dem Schutz deutscher Unternehmen und Forschungseinrichtungen vor einem durch Spionage betriebenen Knowhow-Abfluss sowie vor Bedrohungen durch Rechtsund Linksextremisten, durch ausländische Extremisten sowie durch islamistische Terroristen dienen. Wirtschaftsspionage Wirtschaftsspionage ist Teil der Spionage, der die staatlich gelenkte oder gestützte, von fremden Nachrichtendiensten ausgehende Ausforschung von Wirtschaftsunternehmen und Forschungseinrichtungen beinhaltet. Betreibt hingegen ein konkurrierendes Unternehmen eine private Ausforschung, handelt es sich um Konkurrenzausspähung, die häufig auch Industriespionage genannt wird. In den Zuständigkeitsbereich der Verfassungsschutzbehörden fällt ausschließlich die Wirtschaftsspionage. 152 Registeranhang Im Textteil erwähnte Personenzusammenschlüsse Seitenzahl A Aktionsblog 32 f., 38 Aktionsgruppe F.i.e.L. ("Fremde im eigenen 30, 35 Land") mit Unterorganisationen "Aktionsgruppe F.i.e.L. Pommern" und "Aktionsgruppe F.i.e.L. Mecklenburg" Aktionsgruppe Nord-Ost 26, 42, 58 Alternative für Deutschland (AfD) 42, 48, 54 f. al-Qaida 90 f., 95, 106, 142 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 108-119, 123 Arischer Widerstandsbund 36 Artgemeinschaft-Germanische Glaubens34 Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e. V. (AG-GGG) Aryan Warriors 36 Autonome 7, 76-81 B Baltik Korps 32, 38 Brigade 8 35 f. Bruderschaft Grimmen 36 D Der III. Weg 18, 23-27, 40, 51, 52 Deutschland muss leben - Nationales 24 Hilfswerk e.V. (Dml) Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 81, 84 153 Die Liebenfels-Kapelle/Skalinger 30 DIE RECHTE 18, 23, 39, 55 E Ewiger Bund (EB) 62 f. F Freistaat Preußen 61, 64 f. Fremde im eigenen Land (F.i.e.L.) 30, 35 Freikorps Heimatschutz 35 Freiheitliches Bündnis Güstrow 36 G Geeinte deutsche Völker und Stämme 68 (GdVuST) Germanisches Bollwerk Mecklenburg 35 Großherzogtum Friedrich Maik 66 H Hammerskins 36 f. Haus JugendStil 31 Heimat und Identität 23, 26, 45, 49 Harakat al-Muqawama al-Islamiya (HA19, 24, 27, 46, MAS) 50, 73, 90, 115, 142 Hizb Allah 73, 96, 142 HUSKARLAR MC Stralsund 36 I Identitäre Bewegung Deutschland (IBD) 54-59 Identitäre Bewegung Mecklenburg-Vor27, 57 f. pommern (IB MV) Identitäre Bewegung Österreich (IBÖ) 56 154 Initiative "Vereint für Stralsund" 34, 42 Interventionistische Linke (IL) 79, 114 Islamischer Staat (IS) 90, 92, 95 f. J Junge Alternative (JA) 56 K Kameradschaft Borken 36 Kameradschaftsbund Anklam 36 Kameradschaftsbund Bargischow 36 M Marxistisch-Leninistische Kommunistische 108 Partei (MLKP) Marxistisch-Leninistische Partei Deutsch82-85, 114 lands (MLPD) N Nationaldemokratische Partei Deutsch7, 18, 23 f., 27 lands (NPD) f., 37, 40-50, 56, 88 Nationales Bündnis Löcknitz 36 New Dawn Streetwear/4uvinyl-Versand 31 Nordkreuz / Gruppe G. 21 f. O Okzident Media 55 f., 58 P Painful Awakening/Baltic Storm 30 Path of Resistance 30 Penzliner Runde (PR) 63 Phalanx Europa 54 155 Pommerscher Buchdienst 31 Pommerscher Jugendbund 36 f. Preußisches Institut - Bismarcks Erben 61 ff. (PI-BE) R Reichsbürger und Selbstverwalter 59-62, 70, 72, 75 Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front 108 (DHKP-C) Rote Hilfe e. V. (RH) 80, 85, 88, 90, 114 REBELL 82 S Schwarz-Rote-Hilfe 80f. Skalinger 30 Sozialistische Alternative (SAV) 83 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend 85 (SDAJ) Sozialistische Organisation Solidarität 83, 85 f. (SOL) Staatenlos.Info - Comedian e.V. 65 f. T Thinghaus 28 Thrima 30 Türkische Kommunistische Partei/Marxis108 ten-Leninisten (TKP/ML) U V Völkische Burschenschar Strasburg 36 Vaterländischer Hilfsdienst (VHD) 62 f. 156 Volldraht Deutschland (VD) 67 f. Verfassungsgebende Versammlung 70 W Wehrmacht1945.de 31 157 Anlagen 158 Anlage 1 - Politisch motivierte Kriminalität (PMK) Politisch motivierte Kriminalität -Rechts2020 2021 Straftaten Gesamt 1012 971 davon extremistisch 981 916 Propagandadelikte 698 655 davon extremistisch 698 655 Gewaltdelikte 53120 49 davon extremistisch 53 49 Fremdenfeindliche 258 247 Straftaten davon extremistisch 258 247 davon Gewaltdelikte 28 35 Antisemitische Strafta72 71 ten 2 1 davon Gewaltdelikte Politisch motivierte Kriminalität -Links2020 2021 Straftaten Gesamt 174 226 davon extremistisch 69 52 Propagandadelikte 0 9 davon extremistisch 0 9 Gewaltdelikte 17 12 davon extremistisch 17 12 Fremdenfeindliche 0 0 Straftaten davon extremistisch 0 0 davon Gewaltdelikte 0 0 Antisemitische Strafta- 0 0 ten 120 Zusätzlich 4 Gewalttaten durch "Reichsbürger und Selbstverwalter". 159 Politisch motivierte Politisch motivierte Politisch motivierte Politisch motivierte Kriminalität - religiKriminalität - religiKriminalität - auslänKriminalität - auslänöse Ideologie öse Ideologie dische Ideologie dische Ideologie 2020 2021 2020 2021 2021 8 8 20 26 8 Straftaten Gesamt davon ext- 8 8 20 24 8 remistisch Propagand- 0 0 2 1 0 adelikte 0 Gewaltde- 0 0 7 1 likte davon ext- 0 remistisch 0 0 7 5 2 Fremden- 2 2 17 21 2 feindliche Straftaten 0 davon ext- 2 2 17 21 0 remistisch davon Gewaltdelikte 0 0 6 5 Antisemiti- 0 1 0 sche Straf- 0 1 taten davon Gewaltdelikte 0 0 0 0 Quelle: LKA M-V 160 161 Anlage 2 - Landesverfassungsschutzgesetz Amtliche AbkürLVerfSchG M-V zung: Ausfertigungsda11.07.2001 tum: Textnachweis ab: 01.01.2005 Dokumenttyp: Gesetz Quelle: Fundstelle: GVOBl. M-V 2001, 261 Gliederungs-Nr.: 12-4 Gesetz über den Verfassungsschutz im Lande Mecklenburg-Vorpommern (Landesverfassungsschutzgesetz - LVerfSchG M-V) Vom 11. Juli 2001 Fundstelle: GVOBl. M-V 2001, S. 261 Stand: letzte berücksichtigte Änderung: zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. Januar 2017 (GVOBl. M-V S. 2) Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen: 162 Inhaltsübersicht Abschnitt 1 Aufgaben und Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS1 Zweck des Verfassungsschutzes SS2 Organisation SS3 Bedienstete SS4 Zusammenarbeit SS5 Aufgaben des Verfassungsschutzes SS6 Begriffsbestimmungen SS7 Rahmen für die Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde SS8 Funktionelle Trennung von Polizei und Verfassungsschutzbehörde SS9 Formen der Datenerhebung SS 10 Informationsbeschaffung mit nachrichtendienstlichen Mitteln SS 10a Vertrauensleute und Verdeckte Mitarbeiter SS 11 Mitteilung an betroffene Personen SS 12 Registereinsicht durch die Verfassungsschutzbehörde Abschnitt 2 Datenverarbeitung SS 13 Begriff der Datei und der Akte SS 14 Dateianordnung SS 15 Voraussetzung der Speicherung SS 16 Erfassung personenbezogener Daten von Minderjährigen SS 17 Speichern, Berichtigen, Löschen und Sperren personenbezogener Daten 163 Abschnitt 3 Informationsübermittlung und Auskunftserteilung SS 18 Informationsübermittlung zwischen den Verfassungsschutzbehörden SS 19 Informationsübermittlung an Bundesnachrichtendienst und Militärischen Abschirmdienst SS 20 Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde an Polizei, Staatsanwaltschaft und andere Stellen SS 20a Projektbezogene gemeinsame Dateien SS 21 Informationsübermittlung an ausländische Stellen SS 22 Informationsübermittlung an die Öffentlichkeit SS 23 Dokumentation und Grundlage der Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde SS 24 Informationsübermittlung durch öffentliche Stellen an die Verfassungsschutzbehörde SS 24a Informationsübermittlung durch nicht-öffentliche Stellen an die Verfassungsschutzbehörde SS 24b Weitere Auskunftsverlangen SS 25 Übermittlungsverbote, Nachberichtspflicht SS 26 Auskunft an betroffene Personen Abschnitt 4 Kontrolle der Verfassungsschutzbebörde SS 27 Parlamentarische Kontrollkommission SS 28 Geheimhaltung SS 29 Kontrollrechte der Parlamentarischen Kontrollkommission Abschnitt 5 Schlussvorschriften SS 30 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes SS 31 (weggefallen) SS 32 In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten 164 Abschnitt 1 Aufgaben und Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS1* Zweck des Verfassungsschutzes Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder. Fußnoten *) SS 1 geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 16. April 2004. SS2 Organisation (1) Die Aufgaben des Verfassungsschutzes werden von der Verfassungsschutzbehörde wahrgenommen. Verfassungsschutzbehörde ist das Innenministerium. Es unterhält für diese Aufgaben eine besondere Abteilung. (2) Die Verfassungsschutzbehörde darf Dienststellen der Polizei, Dienststellen der Polizei dürfen der Verfassungsschutzbehörde nicht angegliedert werden. SS3 Bedienstete Mit Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde dürfen nur Personen betraut werden, die nach ihrer Persönlichkeit und nach ihrem Verhalten die Gewähr dafür bieten, dass 165 sie jederzeit für die Sicherung und Erhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung eintreten. SS4 Zusammenarbeit (1) Die Verfassungsschutzbehörde ist verpflichtet, mit Bund und Ländern in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. Die Zusammenarbeit besteht insbesondere in gegenseitiger Unterstützung und Information sowie in der Unterhaltung gemeinsamer Einrichtungen. (2) Die Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen, der Bund nach Maßgabe bundesrechtlicher Vorschriften nur im Benehmen mit der Verfassungsschutzbehörde Mecklenburg-Vorpommerns tätig werden. SS5 Aufgaben des Verfassungsschutzes (1) Zur Erfüllung ihrer Aufgabe sammelt und wertet die Verfassungsschutzbehörde sachund personenbezogene Daten, insbesondere Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen aus über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht im Geltungsbereich dieses 166 Gesetzes, 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, 4. Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung ( Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes ) oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker ( Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes ) gerichtet sind. (2) Die Verfassungsschutzbehörde informiert die zuständigen Stellen und die Öffentlichkeit über Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder. Sie kann dazu insbesondere Verfassungsschutzberichte veröffentlichen und Prävention im Rahmen von Öffentlichkeitsarbeit leisten. Den staatlichen Stellen soll ermöglicht werden, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr der Gefahren nach Satz 1 zu treffen. (3) Die Verfassungsschutzbehörde wirkt mit 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen nach Maßgabe des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes vom 22. Januar 1998 (GVOBl. M-V S. 114, 195), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 28. Januar 2009 (GVOBl. M-V S. 82), sowie bei Zuverlässigkeitsüberprüfungen in den übrigen gesetzlich bestimmten Fällen, 2. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. 167 (4) Die Verfassungsschutzbehörde ist an die allgemeinen Rechtsvorschriften gebunden ( Artikel 20 des Grundgesetzes ). SS6 Begriffsbestimmungen (1) Im Sinne dieses Gesetzes sind 1. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, die darauf gerichtet sind, einen der in Absatz 3 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen o- der außer Geltung zu setzen, 2. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes o- der eines Landes solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, die darauf gerichtet sind, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihnen gehörendes Gebiet abzutrennen, 3. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes o- der eines Landes solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, die darauf gerichtet sind, den Bund, die Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen. (2) Eine Bestrebung im Sinne des Gesetzes ist insbesondere dann gegeben, wenn sie auf Gewaltanwendung gerichtet ist oder sonst ein kämpferisches und aggressives Verhalten gegenüber den in Absatz 3 genannten Grundsätzen erkennen lässt. 168 (3) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen: 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 6. der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und 7. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. (4) Für einen Personenzusammenschluss handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln, sind Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu beschädigen. 169 (5) Betroffene Personen sind Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für Tätigkeiten oder Bestrebungen gemäß SS 5 Abs. 1 vorliegen. Dritte sind Personen, bei denen keine derartigen Anhaltspunkte vorliegen. (6) Gewalt im Sinne dieses Gesetzes ist die Anwendung körperlichen Zwanges gegen Personen und die gewalttätige Einwirkung auf Sachen. SS7 Rahmen für die Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf sachund personenbezogene Daten nur erheben, verarbeiten und nutzen, soweit sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich sind. Voraussetzung für die Sammlung von Informationen im Sinne des SS 5 Abs. 1 ist das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte, die, insgesamt betrachtet und unter Einbeziehung nachrichtendienstlicher Erfahrungen, den Verdacht einer der in SS 5 Abs. 1 genannten Bestrebungen oder Tätigkeiten rechtfertigen. Die Art und der Umfang des Umgangs mit Daten richtet sich nach den Vorschriften dieses Gesetzes. Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, gilt das Landesdatenschutzgesetz von Mecklenburg-Vorpommern. (2) Zur Erfüllung ihrer Aufgaben darf die Verfassungsschutzbehörde nur die dazu erforderlichen Maßnahmen ergreifen; dies gilt insbesondere für den Umgang mit personenbezogenen Daten. Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat sie diejenige zu treffen, die den einzelnen, insbesondere in seinen Grundrechten, und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. Sie ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann. 170 SS8 Funktionelle Trennung von Polizei und Verfassungsschutzbehörde Polizeiliche Befugnisse stehen der Verfassungsschutzbehörde nicht zu; sie darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen sie selbst nicht befugt ist. SS9 Formen der Datenerhebung (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbezogene Daten der betroffenen Person auch ohne deren Kenntnis bei ihr und bei Dritten erheben, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten gemäß SS 5 Abs. 1 vorliegen, 2. dies für die Erforschung und Bewertung von gewalttätigen Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 1 Nr. 2 erforderlich ist oder 3. dies zur Schaffung oder Erhaltung nachrichtendienstlicher Zugänge über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 1 erforderlich ist. Werden personenbezogene Daten bei der betroffenen Person mit ihrer Kenntnis erhoben, so ist sie über die Freiwilligkeit der Mitwirkung und den Verwendungszweck aufzuklären. Die Aufklärungspflicht umfasst bei einer beabsichtigten Übermittlung auch den Empfänger der Daten. Die Aufklärung kann unterbleiben, wenn die Tatsache, dass die Erhebung für Zwecke des Verfassungsschutzes erfolgt, aus besonderen Gründen nicht bekannt werden soll. (2) Personenbezogene Daten von Dritten dürfen ohne 171 deren Kenntnis nur erhoben werden, wenn 1. dies für die Erforschung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 1 vorübergehend erforderlich ist, 2. die Erforschung des Sachverhaltes auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre und 3. überwiegende schutzwürdige Belange der betroffenen Personen nicht entgegenstehen. Daten Dritter dürfen auch erhoben werden, wenn sie mit zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Informationen untrennbar verbunden sind. Daten, die für das Verständnis der zu speichernden Informationen nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu löschen. Dies gilt nicht, wenn die Löschung nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist. In diesem Fall sind die Daten zu sperren; die gesperrten Daten dürfen nicht mehr genutzt werden. (3) Ist zum Zwecke der Sammlung von Informationen die Weitergabe personenbezogener Daten unerlässlich, so dürfen schutzwürdige Interessen der betroffenen Person o- der Dritter nur im unvermeidbaren Umfang beeinträchtigt werden. SS 10 Informationsbeschaffung mit nachrichtendienstlichen Mitteln (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur verdeckten Informationsbeschaffung, insbesondere zur verdeckten Erhebung personenbezogener Daten, nur folgende nachrichtendienstliche Mittel anwenden: 1. Inanspruchnahme von Vertrauensleuten nach Maßgabe des SS 10a, sonstigen Informanten und 172 Gewährspersonen; 2. Einsatz von Verdeckten Mitarbeitern nach Maßgabe des SS 10a; 3. Observationen; 4. Bildaufzeichnungen (Fotografieren, Filmen und Videografieren) außerhalb des Schutzbereiches des Artikels 13 des Grundgesetzes; 5. verdeckte Ermittlungen und Befragungen; 6. verdecktes Mithören ohne Inanspruchnahme technischer Mittel; 7. verdecktes Mithören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes unter Einsatz technischer Mittel außerhalb des Schutzbereiches des Artikels 13 des Grundgesetzes; 8. Beobachtung des Funkverkehrs auf nicht für den allgemeinen Empfang bestimmten Kanälen; 9. Verwendung fingierter biographischer, beruflicher oder gewerblicher Angaben (Legenden) mit Ausnahme solcher beruflicher Angaben, die sich auf die in Satz 3 genannten Personen beziehen; 10. Beschaffung, Herstellung und Verwendung von Tarnpapieren und Tarnkennzeichen; 11. Überwachung des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs nach Maßgabe des aufgrund von Artikel 10 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes erlassenen Bundesgesetzes; 173 12. verdecktes Beobachten und sonstiges Aufklären des Internets, ohne dass der Schutzbereich des Artikels 10 des Grundgesetzes (Brief-, Postund Fernmeldegeheimnis) berührt ist, insbesondere die verdeckte Teilnahme an den Kommunikationseinrichtungen des Internets sowie die Suche nach ihnen. (2) Die Mittel nach Absatz 1 dürfen nur angewendet werden, wenn 1. die Voraussetzungen des SS 9 Abs. 1 Nr. 1, 2 oder 3 vorliegen, 2. sich ihr Einsatz gegen Dritte richtet, deren Einbeziehung in eine solche Maßnahme unumgänglich ist, um auf diese Weise Erkenntnisse über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder Bestrebungen zu gewinnen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die im SS 5 Abs. 1 Nr. 1 und 3 genannten Schutzgüter gerichtet sind oder 3. dies zur Abschirmung der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Nachrichtenzugänge des Verfassungsschutzes gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. Die Mittel nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 9 und 10 dürfen auch für Vertrauensleute angewendet werden, wenn dies zur Erfüllung eines dienstlichen Auftrags oder zu ihrem Schutz erforderlich ist. (3) Die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel gemäß Absatz 1 ist unzulässig, wenn die Informationsbeschaffung auf andere, die betroffene Person weniger beeinträchtigende Weise möglich ist. Eine geringere Beeinträchtigung 174 ist in der Regel anzunehmen, wenn die Daten aus allgemein zugänglichen Quellen oder durch Übermittlung nach SS 24 gewonnen werden können. Die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel darf nicht außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhaltes stehen. Die Verfassungsschutzbehörde darf die mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhobenen Daten nur für die in SS 9 Abs. 1 genannten Zwecke nutzen. Daten, die für diese Zwecke nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu löschen. Sind diese Daten mit anderen, für die in SS 9 Abs. 1 genannten Zwecke erforderlichen Daten derart verbunden, dass sie nicht oder nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand getrennt werden können, so sind diese Daten zu sperren; sie dürfen nicht mehr genutzt werden. (4) Wirkt die Verfassungsschutzbehörde an Sicherheitsüberprüfungen im Sinne des SS 5 Abs. 3 Nr. 1 mit, so darf sie nur das nachrichtendienstliche Mittel der Tarnung von Mitarbeitern anwenden. (5) Die Behörden des Landes sowie die Kommunalbehörden sind verpflichtet, der Verfassungsschutzbehörde Hilfe für Tarnungsmaßnahmen zu leisten. (6) Die Anwendung des nachrichtendienstlichen Mittels nach Absatz 1 Nr. 7 bedarf im Einzelfall der Zustimmung des Innenministers, im Falle seiner Verhinderung der des Staatssekretärs, und der Zustimmung der nach dem Ausführungsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern zu dem aufgrund von Artikel 10 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes erlassenen Bundesgesetzes gebildeten Kommission; bei Gefahr im Verzug ist unverzüglich die Genehmigung dieser Kommission nachträglich einzuholen. Die durch solche Maßnahmen erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nur nach Maßgabe des aufgrund von Artikel 10 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes erlassenen Bundesgesetzes verwendet werden. (7) Die Verfassungsschutzbehörde darf unter den Voraussetzungen des SS 24a Abs. 2 technische Mittel zur 175 Ermittlung des Standortes eines aktiv geschalteten Mobilfunkendgerätes und zur Ermittlung der Geräteoder Kartennummer einsetzen. Die Maßnahme ist nur zulässig, wenn ohne Einsatz technischer Mittel nach Satz 1 die Ermittlung des Standortes oder die Ermittlung der Geräteo- der Kartennummer aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Sie darf sich nur gegen die in SS 24a Abs. 3 Nr. 1 und 2 Buchstabe b bezeichneten Personen richten. Für die Verarbeitung der Daten ist SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. Personenbezogene Daten eines Dritten dürfen anlässlich solcher Maßnahmen nur erhoben werden, wenn dies aus technischen Gründen zur Erreichung des Zweckes nach Satz 1 unvermeidbar ist. Sie unterliegen einem absoluten Verwendungsverbot und sind nach Beendigung der Maßnahme unverzüglich zu löschen. SS 24a Abs. 4 bis 6 gilt entsprechend. Das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes ) wird insoweit eingeschränkt. SS 10a Vertrauensleute und Verdeckte Mitarbeiter (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf 1. Privatpersonen, deren planmäßige, dauerhafte Zusammenarbeit mit ihr Dritten nicht bekannt ist (Vertrauensleute), und 2. eigene Mitarbeiter unter einer ihnen verliehenen und auf Dauer angelegten Legende (Verdeckte Mitarbeiter) zur Aufklärung von Bestrebungen unter den Voraussetzungen des SS 10 Absatz 2 einsetzen. Ein dauerhafter Einsatz zur Aufklärung von Bestrebungen nach SS 5 Absatz 1 Nummer 1 und 4 ist nur bei Bestrebungen von erheblicher Bedeutung zulässig, insbesondere, wenn sie darauf gerichtet sind, Gewalt anzuwenden oder Gewalt vorzubereiten. 176 (2) Vertrauensleute und Verdeckte Mitarbeiter dürfen weder zur Gründung von Bestrebungen nach SS 5 Absatz 1 Nr. 1, 3 oder 4 noch zur steuernden Einflussnahme auf derartige Bestrebungen eingesetzt werden. Sie dürfen in solchen Personenzusammenschlüssen oder für solche Personenzusammenschlüsse, einschließlich strafbarer Vereinigungen, tätig werden, um deren Bestrebungen aufzuklären. Im Übrigen ist im Einsatz eine Beteiligung an Bestrebungen nur zulässig, wenn sie 1. nicht in Individualrechte eingreift, 2. von den an den Bestrebungen Beteiligten derart erwartet wird, dass sie zur Gewinnung und Sicherung der Informationszugänge unumgänglich ist, und 3. nicht außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts steht. Sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Vertrauensleute oder Verdeckte Mitarbeiter rechtswidrig einen Straftatbestand von erheblicher Bedeutung verwirklicht haben, soll der Einsatz unverzüglich beendet und die Strafverfolgungsbehörde unterrichtet werden. Über Ausnahmen nach Satz 4 entscheidet der Leiter der Verfassungsschutzabteilung oder sein Vertreter. (3) Über die Verpflichtung von Vertrauensleuten entscheidet der Leiter der Verfassungsschutzabteilung oder sein Vertreter. Als Vertrauensleute dürfen Personen nicht angeworben und eingesetzt werden, die 1. nicht voll geschäftsfähig, insbesondere minderjährig sind, 2. von den Geldoder Sachzuwendungen für die Tätigkeit auf Dauer als alleinige Lebensgrundlage abhängen würden, 177 3. an einem Aussteigerprogramm teilnehmen, 4. im Bundeszentralregister mit einer Verurteilung wegen eines Verbrechens oder zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist, eingetragen sind, 5. Mitglied des Europäischen Parlaments, des Deutschen Bundestages, eines Landesparlaments oder Mitarbeiter eines solchen Mitglieds sind oder 6. berechtigt sind, in Strafsachen aus beruflichen Gründen das Zeugnis zu verweigern ( SSSS 53 und 53a der Strafprozessordnung ), wenn sie zur Beschaffung von Informationen über Sachverhalte eingesetzt werden sollen, auf die sich ihr Zeugnisverweigerungsrecht bezieht; Informationen, die diese Personen unter Verletzung des SS 203 des Strafgesetzbuches rechtswidrig an die Verfassungsschutzbehörde weiterzugeben beabsichtigen, dürfen von dieser nicht entgegengenommen werden. Der Leiter der Verfassungsschutzabteilung kann eine Ausnahme von Nummer 4 zulassen, wenn die Verurteilung nicht als Täter eines Totschlags ( SSSS 212 , 213 StGB ) oder einer allein mit lebenslanger Haft bedrohten Straftat erfolgt ist und der Einsatz zur Aufklärung von Bestrebungen, die auf die Begehung von in SS 3 Absatz 1 des Artikel 10-Gesetzes bezeichneten Straftaten gerichtet sind, unerlässlich ist. Im Falle einer Ausnahme nach Satz 3 ist der Einsatz nach höchstens sechs Monaten zu beenden, wenn er zur Erforschung der in Satz 3 genannten Bestrebungen nicht zureichend gewichtig beigetragen hat. Auch im Weiteren ist die Qualität der gelieferten Informationen fortlaufend zu bewerten. Das Ministerium für Inneres und Sport trägt der Parlamentarischen Kontrollkommission mindestens einmal im Jahr einen Lagebericht zum Einsatz von Vertrauensleuten vor. 178 (4) Zum Absehen von der Verfolgung von im Einsatz begangenen Vergehen oder der Rücknahme einer bereits erhobenen Klage und der Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft findet SS 9a Absatz 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes Anwendung. SS 11 Mitteilung an betroffene Personen Betroffenen Personen sind Maßnahmen nach SS 10 Abs. 6 Satz 1 nach ihrer Beendigung mitzuteilen, sobald eine Gefährdung des Zweckes des Eingriffs ausgeschlossen werden kann. Lässt sich im Zeitpunkt der Beendigung der Maßnahme noch nicht abschließend beurteilen, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, unterbleibt die Mitteilung so lange, bis eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Die nach dem Ausführungsgesetz zu dem aufgrund von Artikel 10 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes gebildete Kommission ist über die Gründe, die einer Mitteilung entgegenstehen, zu unterrichten; hält sie eine Mitteilung für geboten, so ist diese unverzüglich zu veranlassen. SS 12 Registereinsicht durch die Verfassungsschutzbehörde (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Aufklärung 1. von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, 2. von Bestrebungen im Sinne des SS 5 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 bei öffentlichen Stellen geführte Dateien, Akten und 179 Register einsehen. (2) Eine solche Einsichtnahme ist nur zulässig, wenn 1. die Aufklärung auf andere Weise nicht möglich erscheint, insbesondere durch eine Übermittlung der Daten durch die registerführende Stelle der Zweck der Maßnahme gefährdet würde, 2. die betroffenen Personen durch eine anderweitige Aufklärung unverhältnismäßig beeinträchtigt werden würden und 3. eine besondere gesetzliche Geheimhaltungsvorschrift oder ein Berufsgeheimnis der Einsichtnahme nicht entgegensteht. (3) Die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse dürfen nur zu den in Absatz 1 genannten Zwecken verwendet werden. Daten, die für diese Zwecke nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu löschen. Sind diese Daten mit anderen, für die in Absatz 1 genannten Zwecke erforderlichen Daten derart verbunden, dass sie nicht oder nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand getrennt werden können, so sind diese Daten zu sperren; sie dürfen nicht mehr genutzt werden. (4) Über die Einsichtnahme ist ein gesonderter Nachweis zu führen, aus dem ihr Zweck, die in Anspruch genommene Stelle sowie die Namen der betroffenen Person, deren Daten für eine weitere Verwendung erforderlich sind, hervorgehen. Diese Aufzeichnungen sind gesondert aufzubewahren, durch technische und organisatorische Maßnahmen zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Erstellung folgt, zu vernichten. Dieser Nachweis ist der Parlamentarischen Kontrollkommission auf Wunsch vorzulegen. 180 Abschnitt 2 Datenverarbeitung SS 13 Begriff der Datei und der Akte (1) Eine Datei im Sinne dieses Gesetzes ist 1. eine Sammlung personenbezogener Daten, die durch automatisierte Verfahren verarbeitet und ausgewertet werden kann (automatisierte Datei) o- der 2. jede sonstige Sammlung gleichartig aufgebauter personenbezogener Daten, die nach bestimmten Merkmalen geordnet und ausgewertet werden kann (nicht-automatisierte Datei). (2) Eine Akte ist jede sonstige Sammlung von amtlichen oder dienstlichen Zwecken dienenden Unterlagen, die in einem inhaltlichen Bezug zueinander stehen und auch personenbezogene Daten enthalten können. Dazu zählen auch Bildund Tonmedien. Akten oder Auszüge aus Akten dürfen auch in elektronischer Form geführt werden. Eine Abfrage personenbezogener Daten mittels automatisierter Verarbeitung ist nur zulässig, wenn für sie die Voraussetzungen der Speicherung nach SS 15 Absatz 1 oder SS 16 Absatz 1 vorliegen. Der automatisierte Abgleich dieser personenbezogenen Daten ist nur beschränkt auf Akten eng umgrenzter Anwendungsgebiete zulässig. Bei jeder Abfrage sind für Zwecke der Datenschutzkontrolle der Zeitpunkt, die Angaben, die die Feststellung der abgefragten Daten ermöglichen, sowie Angaben zur Feststellung des Abfragenden zu protokollieren. Die protokollierten Daten dürfen nur für Zwecke der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebs der Datenverarbeitungsanlage verwendet werden. Die Protokolldaten sind am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Protokollierung folgt, zu löschen. 181 SS 14 Dateianordnung (1) Für jede automatisierte Datei der Verfassungsschutzbehörde sind in einer Dateianordnung durch die Verfassungsschutzbehörde festzulegen: 1. Bezeichnung der Datei, 2. Zweck der Datei, 3. Inhalt, Umfang, Voraussetzungen der Speicherung, Übermittlung und Nutzung, 4. Berechtigung zur Eingabe von Daten, 5. Zugangsberechtigung, 6. Überprüfungsfristen und Speicherungsdauer, 7. Protokollierung. (2) Der Landesbeauftragte für den Datenschutz ist vor Erlass der Dateianordnung anzuhören. SS 15 Voraussetzung der Speicherung (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben personenbezogene Informationen in Dateien nur speichern, wenn die Voraussetzungen ihrer Erhebung gemäß SS 9 Absatz 1 oder 2 vorliegen. (2) Unterlagen, die nach Absatz 1 gespeicherte Angaben belegen, dürfen auch gespeichert werden, wenn in ihnen weitere personenbezogene Daten Dritter enthalten sind. 182 Eine Abfrage von Daten Dritter ist unzulässig. (3) Bundesgesetzliche Vorschriften über die Datenverarbeitung in gemeinsamen Dateien der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder bleiben unberührt. SS 16 Erfassung personenbezogener Daten von Minderjährigen (1) Personenbezogene Daten von Minderjährigen dürfen in Dateien und Akten nur erfasst werden, wenn 1. diese zu dem Zeitpunkt, auf den sich die Daten beziehen, das 16. Lebensjahr vollendet haben und 2. der Verdacht einer geheimdienstlichen Tätigkeit ( SS 5 Absatz 1 Nummer 2 ) oder einer Bestrebung im Sinne des SS 5 Absatz 1 Nummer 1 oder 3 besteht, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen verfolgt wird. (2) Personenbezogene Daten über Minderjährige nach Vollendung des 16. und vor Vollendung des 18. Lebensjahres sind nach zwei Jahren auf die Erforderlichkeit der Erfassung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu löschen, es sei denn, dass nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse nach SS 5 Absatz 1 angefallen sind. SS 17 Speichern, Berichtigen, Löschen und Sperren personenbezogener Daten (1) Umfang und Dauer der Speicherung personenbezogener Daten sind auf das für die Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörde erforderliche Maß zu beschränken. 183 (2) Wird die Richtigkeit von personenbezogenen Daten von betroffenen Personen bestritten, so ist dies in der Akte und Datei zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten. Personenbezogene Daten sind zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind. Dabei muss nachvollziehbar bleiben, in welchem Zeitraum und aus welchem Grund sie unrichtig waren. Die Daten sind zu ergänzen, wenn sie unvollständig sind und dadurch schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt sein können. (3) Personenbezogene Daten in Dateien sind zu löschen, wenn ihre Erhebung oder Speicherung unzulässig war o- der ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. Bei jeder Einzelfallbearbeitung und nach festgesetzten Fristen, spätestens aber nach fünf Jahren, sind die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten auf ihre Erforderlichkeit zu überprüfen. Soweit die Daten Bestrebungen nach SS 5 Absatz 1 Nummer 1 betreffen, sind sie spätestens zehn Jahre, soweit sie Bestrebungen nach SS 5 Absatz 1 Nummer 3 oder 4 betreffen, spätestens fünfzehn Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten relevanten Information zu löschen, es sei denn, der Leiter der Verfassungsschutzabteilung oder sein Vertreter trifft im Einzelfall ausnahmsweise eine andere Entscheidung. (4) Personenbezogene Daten sind in Dateien zu sperren, soweit durch ihre Löschung schutzwürdige Belange der betroffenen Person oder von Dritten beeinträchtigt würden. Ein schutzwürdiges Interesse liegt auch vor, wenn die betroffene Person einen Antrag nach SS 26 Absatz 1 Satz 1 gestellt hat. Anstelle der Löschung tritt auch dann eine Sperrung, wenn die nach Absatz 3 zu löschenden Daten mit anderen Daten derart verbunden sind, dass sie nicht oder nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand getrennt werden können. Die gesperrten Daten dürfen ohne Einwilligung der betroffenen Person nicht mehr genutzt werden. (5) Eine Akte ist zu vernichten, wenn sie insgesamt zur Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörde nicht oder 184 nicht mehr erforderlich ist. Die Erforderlichkeit ist bei der Einzelfallbearbeitung und nach festgesetzten Fristen, spätestens nach fünf Jahren, zu prüfen. Eine Vernichtung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass durch sie schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt würden. Dies ist auch dann gegeben, wenn eine betroffene Person einen Antrag nach SS 26 Absatz 1 Satz 1 gestellt hat. In diesen Fällen ist die Akte zu sperren und mit einem entsprechenden Vermerk zu versehen. Sie darf nur für den Zweck verwendet werden, für den sie gesperrt worden ist oder wenn es zur Abwehr einer erheblichen Gefahr unerlässlich ist. Eine Vernichtung der Akte erfolgt nicht, wenn sie nach den Vorschriften des Landesarchivgesetzes dem Landesarchiv zur Übernahme anzubieten und zu übergeben ist. (6) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen nur für diesen Zweck verwendet werden. 185 Abschnitt 3 Informationsübermittlung und Auskunftserteilung SS 18 Informationsübermittlung zwischen den Verfassungsschutzbehörden Die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Verfassungsschutzbehörden der Länder über alle Angelegenheiten, deren Kenntnis zur Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Stellen erforderlich ist. SS 19 Informationsübermittlung an Bundesnachrichtendienst und Militärischen Abschirmdienst Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt dem Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst die ihr bekannt gewordenen Informationen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Stelle erforderlich ist. Handelt die Verfassungsschutzbehörde auf Ersuchen, so ist sie zur Übermittlung nur verpflichtet und berechtigt, wenn sich die tatsächlichen Anhaltspunkte aus den Angaben der ersuchenden Behörde ergeben. SS 20 Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde an Polizei, Staatsanwaltschaft und andere Stellen (1) Die im Rahmen der gesetzlichen Aufgaben gewonnenen Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörde, die nicht personenbezogen sind, können an andere Behörden und Stellen, insbesondere an die Polizei und Staatsanwaltschaften, übermittelt werden, wenn sie für die 186 Aufgabenerfüllung der empfangenden Stellen erforderlich sein können. (2) Personenbezogene Daten übermittelt die Verfassungsschutzbehörde von sich aus an die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizei, sofern aufgrund der bei der Verfassungsschutzbehörde vorliegenden Informationen tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von Staatsschutzdelikten erforderlich ist. Delikte nach Satz 1 sind die in SS 74a Abs. 1 und SS 120 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 19. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1756), genannten Straftaten sowie sonstige Straftaten, bei denen aufgrund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die in Artikel 73 Nr. 10 Buchstabe b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind. (3) Personenbezogene Daten darf die Verfassungsschutzbehörde vorbehaltlich des Absatzes 4 übermitteln 1. an die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizei, sofern aufgrund der bei der Verfassungsschutzbehörde vorliegenden Informationen tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine Straftat plant oder begangen hat, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bedroht ist, oder wenn es zum Schutz vor Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 1 erforderlich ist, 2. an andere staatliche Behörden und an die der Aufsicht des Landes unterstellten Gebietskörperschaften, wenn dies zum Schutz vor Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 1 erforderlich ist, 187 3. an Stellen, die mit dem Überprüfungsverfahren nach SS 5 Absatz 3 Nummer 1 befasst sind, 4. an andere Stellen, wenn es zum Schutz vor Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes unverzichtbar ist. In den Fällen der Nummer 4 entscheidet der Leiter der Verfassungsschutzabteilung oder sein Vertreter. (4) Personenbezogene Daten, die mit den nachrichtendienstlichen Mitteln nach SS 10 Absatz 1 erhoben wurden, darf die Verfassungsschutzbehörde an die Staatsanwaltschaften, die Finanzbehörden nach SS 386 Absatz 1 der Abgabenordnung , die Polizei, die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden, die Behörden des Zollfahndungsdienstes sowie anderer Zolldienststellen, soweit diese Aufgaben nach dem Bundespolizeigesetz wahrnehmen, nur übermitteln, soweit dies erforderlich ist zur 1. Erfüllung eigener Aufgaben der Informationsgewinnung, 2. Abwehr einer im Einzelfall bestehenden Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben, Gesundheit o- der Freiheit einer Person oder für Sachen von erheblichem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten ist, 3. Verhinderung oder sonstigen Verhütung von Straftaten von erheblicher Bedeutung oder 4. Verfolgung von Straftaten von erheblicher Bedeutung. 188 (5) Soweit es zur Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten gemäß Absatz 2 erforderlich ist, können die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizei die Übermittlung personenbezogener Daten im Einzelfall verlangen. Das Ersuchen bedarf der Schriftform, ist zu begründen und zu dokumentieren. Eine Übermittlung unterbleibt, sofern übergeordnete Bedenken aus den Aufgaben des Verfassungsschutzes der Übermittlung entgegenstehen. Die Entscheidung trifft der Leiter der Verfassungsschutzabteilung oder sein Vertreter. Die Ablehnung ist zu dokumentieren und zu begründen. Nach Wegfall der Ablehnungsgründe ist die Auskunft auf Verlangen nachzuholen. (6) Die nach Absatz 2 bis 4 oder 5 übermittelten personenbezogenen Daten darf die empfangende Stelle nur zu dem Zweck verwenden, zu dessen Erfüllung sie ihr übermittelt wurden. Auf diese Einschränkung ist die empfangende Stelle hinzuweisen. SS 20a Projektbezogene gemeinsame Dateien (1) Die Verfassungsschutzbehörde kann für die Dauer einer befristeten projektbezogenen Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz, den übrigen Landesbehörden für Verfassungsschutz, dem Militärischen Abschirmdienst, dem Bundesnachrichtendienst, dem Zollkriminalamt sowie den Polizeibehörden des Bundes und der Länder eine gemeinsame Datei errichten. Die projektbezogene Zusammenarbeit soll nach Maßgabe der Aufgaben und Befugnisse der in Satz 1 genannten Behörden den Austausch und die gemeinsame Auswertung von Erkenntnissen zu Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 5 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 4 genannten Schutzgüter gerichtet sind, bewirken. Personenbezogene Daten zu Bestrebungen nach Satz 2 dürfen unter Einsatz der gemeinsamen Datei durch die an der 189 projektbezogenen Zusammenarbeit beteiligten Behörden im Rahmen ihrer Befugnisse verwendet werden, soweit dies in diesem Zusammenhang zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Bei der weiteren Verwendung der personenbezogenen Daten finden für die beteiligten Behörden die jeweils für sie geltenden Vorschriften über die Verwendung von Daten Anwendung. (2) SS 22a Absatz 2 bis 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes findet entsprechende Anwendung. SS 21 Informationsübermittlung an ausländische Stellen Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbezogene Daten im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz an ausländische öffentliche Stellen sowie an überund zwischenstaatliche Stellen übermitteln, soweit die Übermittlung in einem Gesetz, einem Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaften oder in einer internationalen Vereinbarung geregelt ist. Eine Übermittlung darf auch erfolgen, wenn sie 1. zum Schutz von Leib oder Leben erforderlich ist o- der 2. zur Erfüllung eigener Aufgaben, insbesondere in Fällen grenzüberschreitender Tätigkeiten der Verfassungsschutzbehörde, unumgänglich ist und im Empfängerland gleichwertige Datenschutzregelungen gelten. Die Übermittlung unterbleibt, wenn ihr auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person, insbesondere deren Schutz vor einer rechtsstaatswidrigen Verfolgung, entgegenstehen. SS 20 Abs. 5 gilt entsprechend; 190 die empfangende Stelle ist darüber hinaus darauf hinzuweisen, dass sich die Verfassungsschutzbehörde vorbehält, Auskunft über die Verarbeitung der übermittelten Daten zu verlangen. SS 22 Informationsübermittlung an die Öffentlichkeit Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit, einschließlich der Medien, über Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörde ist die Übermittlung von personenbezogenen Daten nur zulässig, wenn es zu einer sachgemäßen Information erforderlich ist und schutzwürdige Interessen der betroffenen Person nicht entgegenstehen. Werden von der Verfassungsschutzbehörde personenbezogene Daten an die Öffentlichkeit gegeben, so ist im Einzelfall zu prüfen, ob vorab eine Benachrichtigung der betroffenen Person oder des Dritten geboten ist. SS 23 Dokumentation und Grundlage der Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde Die Übermittlung von personenbezogenen Daten ist zu dokumentieren. Vor der Datenübermittlung soll der Akteninhalt gewürdigt und der Datenübermittlung zugrunde gelegt werden. Erkennbar unvollständige Daten sind vor der Übermittlung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit durch Einholung zusätzlicher Auskünfte zu vervollständigen, anderenfalls ist auf die Unvollständigkeit hinzuweisen. SS 24 * Informationsübermittlung durch öffentliche Stellen an die Verfassungsschutzbehörde 191 (1) Die Verfassungsschutzbehörde kann von den Behörden des Landes und den der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur die Übermittlung von Daten verlangen, die diesen Stellen im Rahmen ihrer Aufgaben vorliegen und die zur Erfüllung der Aufgaben des Verfassungsschutzes erforderlich sind. Voraussetzung hierfür ist, dass die betreffenden Daten nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit übermäßigem Aufwand oder nur durch eine die betroffene Person stärker belastende Maßnahme erhoben werden können. (2) Die Verfassungsschutzbehörde braucht Ersuchen nicht zu begründen, soweit dies dem Schutz der betroffenen Person dient oder eine Begründung den Zweck der Maßnahme gefährden würde. (3) Die in Absatz 1 genannten Stellen übermitteln von sich aus der Verfassungsschutzbehörde alle ihnen im Rahmen ihrer Aufgaben vorliegenden Daten über Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen verfolgt werden, und über geheimdienstliche Tätigkeiten. Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizei übermitteln darüber hinaus auch andere ihnen im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung bekannt gewordene Daten über Bestrebungen im Sinne des SS 5 Abs. 1 . Die Übermittlung personenbezogener Daten, die aufgrund einer Maßnahme nach SS 100a der Strafprozessordnung bekannt geworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine der im aufgrund von Artikel 10 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes erlassenen Bundesgesetz als Voraussetzung für eine Beschränkungsmaßnahme genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. Die Übermittlung personenbezogener Daten, die aufgrund anderer strafprozessualer Zwangsmaßnahmen bekannt geworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für geheimdienstliche oder sicherheitsgefährdende Tätigkeiten oder gewalttätige Bestrebungen bestehen. Auf die nach Satz 3 192 übermittelten Daten und die dazugehörenden Unterlagen finden die im aufgrund von Artikel 10 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes erlassenen Bundesgesetz enthaltenen Bestimmungen über die Nutzung, Übermittlung und Vernichtung von Daten entsprechende Anwendung. Die nach Satz 4 übermittelten Daten dürfen nur zur Erforschung geheimdienstlicher oder sicherheitsgefährdender Tätigkeiten oder gewalttätiger Bestrebungen genutzt werden. (4) Vorschriften zur Datenübermittlung an die Verfassungsschutzbehörde nach anderen Gesetzen bleiben unberührt. (5) Die Verfassungsschutzbehörde hat die übermittelten Daten nach ihrem Eingang unverzüglich darauf zu überprüfen, ob sie für die Erfüllung ihrer in SS 5 genannten Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, dass sie nicht erforderlich sind, sind die Unterlagen unverzüglich zu vernichten. Die Vernichtung unterbleibt, wenn die Unterlagen von anderen Daten, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand getrennt werden können; in diesem Fall sind die Daten gesperrt und entsprechend zu kennzeichnen. (6) Soweit andere gesetzliche Vorschriften nicht besondere Regelungen über die Dokumentation treffen, haben die Verfassungsschutzbehörde und die übermittelnde Stelle die Datenübermittlung zu dokumentieren. Fußnoten*) SS 24 Überschrift neu gefasst durch Artikel 3 des Gesetzes vom 16. April 2004. SS 24a Informationsübermittlung durch nicht-öffentliche Stellen an die Verfassungsschutzbehörde (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall bei 193 denjenigen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen oder Telemediendienste erbringen oder daran mitwirken, Auskunft über Daten einholen, die für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung, Änderung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses über Postdienstleistungen oder Telemediendienste (Bestandsdaten) gespeichert worden sind, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. (2) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall Auskunft einholen bei 1. Luftfahrtunternehmen zu Namen und Anschriften des Kunden sowie zur Inanspruchnahme und den Umständen von Transportleistungen, insbesondere zum Zeitpunkt von Abfertigung und Abflug und zum Buchungsweg, 2. Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen zu Konten, Konteninhabern und sonstigen Berechtigten sowie weiteren am Zahlungsverkehr Beteiligten und zu Geldbewegungen und Geldanlagen, insbesondere über Kontostand und Zahlungseinund -ausgänge, 3. denjenigen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen erbringen oder daran mitwirken, zu den Umständen des Postverkehrs, 4. denjenigen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringen oder daran mitwirken, zu Verkehrsdaten nach SS 96 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 sowie SS 113a des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3198) geändert worden ist, und sonstigen zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung der Telekommunikation notwendigen Verkehrsdaten und 5. denjenigen, die geschäftsmäßig 194 Telemediendienste erbringen oder daran mitwirken, zu a) Merkmalen zur Identifikation des Nutzers eines Telemediums, b) Angaben über Beginn und Ende sowie über den Umfang der jeweiligen Nutzung und c) Angaben über die vom Nutzer in Anspruch genommenen Telemediendienste, soweit dies zur Aufklärung von Bestrebungen oder Tätigkeiten erforderlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwerwiegende Gefahren für die in SS 5 Abs. 1 genannten Schutzgüter vorliegen. Im Falle des SS 5 Abs. 1 Nr. 1 gilt dies nur für Bestrebungen, die bezwecken oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, 1. zu Hass oder Willkürmaßnahmen gegen Teile der Bevölkerung aufzustacheln oder deren Menschenwürde durch Beschimpfen, böswilliges Verächtlichmachen oder Verleumden anzugreifen und dadurch die Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt zu fördern und den öffentlichen Frieden zu stören oder 2. Gewalt anzuwenden oder vorzubereiten einschließlich dem Befürworten, Hervorrufen oder Unterstützen von Gewaltanwendung, auch durch Unterstützen von Vereinigungen, die Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten oder androhen. (3) Anordnungen nach Absatz 2 dürfen sich nur gegen Personen richten, bei denen 1. tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie die schwerwiegenden Gefahren nach Absatz 2 195 nachdrücklich fördern oder 2. aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist a) bei Auskünften nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 1, 2 und 5, dass sie die Leistung für eine Person nach Nummer 1 in Anspruch nehmen oder b) bei Auskünften nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 und 4, dass sie für eine Person nach Nummer 1 bestimmte oder von ihr herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 4, dass eine Person nach Nummer 1 ihren Anschluss benutzt. (4) Die Zuständigkeit für Anordnungen nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 ist in einer Dienstvorschrift zu regeln, die der Zustimmung des Innenministers bedarf. Anordnungen nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 bis 5 werden vom Leiter der Verfassungsschutzbehörde oder seinem Vertreter schriftlich beantragt und begründet. Im Falle der Auskunft nach Nummer 2 kann der Antrag auch von einem Bediensteten der Verfassungsschutzbehörde gestellt werden, der die Befähigung zum Richteramt hat. Zuständig für Anordnungen nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 bis 5 ist der Innenminister. Die Anordnung einer Auskunft über künftig anfallende Daten ist auf höchstens drei Monate zu befristen. Die Verlängerung dieser Anordnung um jeweils nicht mehr als drei Monate ist auf Antrag zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung fortbestehen. Anordnungen nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 hat die Verfassungsschutzbehörde dem Betroffenen mitzuteilen, sobald eine Gefährdung des Zweckes des Eingriffs ausgeschlossen werden kann. (5) Über Anordnungen nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5 unterrichtet der Innenminister monatlich die Kommission 196 nach SS 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes vom 17. Juli 1992 (GVOBl. M-V S. 486), das zuletzt durch das Gesetz vom 30. Juli 2007 (GVOBl. M-V S. 278) geändert worden ist, vor deren Vollzug. Bei Gefahr im Verzug kann er den Vollzug der Entscheidung auch bereits vor der Unterrichtung der Kommission anordnen. Die Kommission prüft von Amts wegen oder aufgrund von Beschwerden die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Einholung von Auskünften. SS 15 Abs. 5 des Artikel 10-Gesetzes vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 18. Februar 2007 (BGBl. I S 106) geändert worden ist, ist mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass die Kontrollbefugnis der Kommission sich auf die gesamte Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5 erlangten personenbezogenen Daten erstreckt. Entscheidungen über Auskünfte, die die Kommission für unzulässig oder nicht notwendig erklärt, hat der Innenminister unverzüglich aufzuheben. Die Daten unterliegen in diesem Falle einem absoluten Verwendungsverbot und sind unverzüglich zu löschen. Für die Verarbeitung der nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5 erhobenen Daten ist SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. SS 12 Abs. 1 und 3 des Artikel 10-Gesetzes findet entsprechend Anwendung. (6) Der Innenminister unterrichtet im Abstand von höchstens sechs Monaten die Parlamentarische Kontrollkommission über Anordnungen nach Absatz 2; dabei ist insbesondere ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen zu geben. (7) Anordnungen sind dem Verpflichteten insoweit schriftlich mitzuteilen, als dies erforderlich ist, um ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung zu ermöglichen. Anordnungen und übermittelte Daten dürfen dem Betroffenen oder Dritten vom Verpflichteten nicht mitgeteilt werden. (8) Der Innenminister unterrichtet das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundes jährlich über Anordnungen 197 nach Absatz 2 nach Maßgabe des SS 8b Absatz 3 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes . (9) Das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses ( Artikel 10 des Grundgesetzes ) wird nach Maßgabe des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5 und der Absätze 3 bis 5 eingeschränkt. SS 24b Weitere Auskunftsverlangen (1) Soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde erforderlich ist, darf von demjenigen, der geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, im Einzelfall Auskunft über die nach den SSSS 95 und 111 des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Juni 2013 (BGBl. I S. 1602) geändert worden ist, erhobenen Daten verlangt werden ( SS 113 Absatz 1 Satz 1 des Telekommunikationsgesetzes ). Bezieht sich das Auskunftsverlangen nach Satz 1 auf Daten, mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder auf Speichereinrichtungen, die in diesen Endgeräten oder hiervon räumlich getrennt eingesetzt werden, geschützt wird ( SS 113 Absatz 1 Satz 2 des Telekommunikationsgesetzes ), darf die Auskunft nur verlangt werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Nutzung der Daten vorliegen. (2) Die Auskunft nach Absatz 1 darf auch anhand einer zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesenen Internetprotokoll-Adresse verlangt werden ( SS 113 Absatz 1 Satz 3 des Telekommunikationsgesetzes ). (3) Von einer Beauskunftung nach Absatz 2 ist die betroffene Person zu benachrichtigen. Die Benachrichtigung erfolgt, soweit und sobald eine Gefährdung des Zwecks der Auskunft und der Eintritt übergreifender Nachteile für das Wohl des Bundes oder eines Landes ausgeschlossen 198 werden können. Sie unterbleibt, wenn ihr überwiegende schutzwürdige Belange Dritter oder der betroffenen Person selbst entgegenstehen. Wird die Benachrichtigung nach Satz 2 zurückgestellt oder nach Satz 3 von ihr abgesehen, sind die Gründe aktenkundig zu machen. (4) Aufgrund eines Auskunftsverlangens nach Absatz 1 o- der Absatz 2 hat derjenige, der geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, die zur Auskunftserteilung erforderlichen Daten unverzüglich, vollständig und richtig zu übermitteln. (5) Die Verfassungsschutzbehörde hat für ihr erteilte Auskünfte eine Entschädigung zu gewähren, deren Umfang sich nach SS 23 und Anlage 3 des Justizvergütungsund - entschädigungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 776), das zuletzt durch Artikel 13 des Gesetzes vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2418) geändert worden ist, bemisst. Die Vorschriften über die Verjährung in SS 2 Absatz 1 und Absatz 4 des Justizvergütungsund -entschädigungsgesetzes finden entsprechend Anwendung. (6) Das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses ( Artikel 10 des Grundgesetzes ) wird nach Maßgabe des Absatzes 2 eingeschränkt. SS 25 Übermittlungsverbote, Nachberichtspflicht (1) Die Übermittlung von Daten unterbleibt, wenn 1. die Daten zu löschen oder für die empfangende Stelle nicht bedeutsam sind, 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern, 3. erkennbar ist, dass unter Berücksichtigung der Art 199 der Daten und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen, 4. es sich um personenbezogene Daten aus der engeren Persönlichkeitssphäre oder solche über Minderjährige unter 16 Jahren handelt, es sei denn, die empfangende Stelle der Daten benötigt diese zum Schutz vor Gewalt oder vor Vorbereitungshandlungen zur Gewalt oder vor geheimdienstlichen Tätigkeiten, 5. die Daten gesperrt sind und ihre Trennung nicht o- der nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand von anderen zu übermittelnden Daten möglich ist oder 6. besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen entgegenstehen; die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt. (2) Erweisen sich Daten nach ihrer Übermittlung als unrichtig, unvollständig, unzulässig gespeichert oder erhoben, so hat die übermittelnde Stelle den Empfänger unverzüglich darauf hinzuweisen, es sei denn, dass dies für die Beurteilung eines Sachverhaltes ohne Bedeutung ist. Unrichtige oder unvollständige Daten sind durch die übermittelnde Stelle gegenüber dem Empfänger zu berichtigen oder zu ergänzen, wenn durch die unrichtige oder unvollständige Übermittlung schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt sein können. Die Benachrichtigung sowie Ergänzung sind aktenkundig zu machen und in der entsprechenden Datei zu vermerken. SS 26 Auskunft an betroffene Personen 200 (1) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt betroffenen Personen auf schriftlichen Antrag unentgeltlich Auskunft über zu ihrer Person gespeicherte Daten. Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich nicht auf die Herkunft der Daten und die Empfänger von Übermittlungen. Über Daten aus Akten, die nicht zu der betroffenen Person geführt werden, wird Auskunft nur erteilt, soweit Daten, namentlich aufgrund von Angaben der betroffenen Person, mit angemessenem Aufwand auffindbar sind. Die Verfassungsschutzbehörde bestimmt Verfahren und Form der Auskunftserteilung nach pflichtgemäßem Ermessen. (2) Die Auskunftserteilung kann nur abgelehnt werden, soweit 1. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden o- der sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde, 2. die Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder wegen der berechtigten Interessen von Dritten geheimgehalten werden müssen oder 3. durch die Auskunftserteilung Informationsquellen gefährdet würden oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise der Verfassungsschutzbehörde zu befürchten ist. Die Entscheidung trifft der Leiter der Verfassungsschutzabteilung oder ein besonders von ihm beauftragter Mitarbeiter, der die Befähigung zum Richteramt besitzen soll. (3) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind zu dokumentieren. (4) Wird die Auskunftserteilung abgelehnt, ist dem 201 Antragsteller die Rechtsgrundlage dieser Ablehnung mitzuteilen. Die antragstellende Person ist auf ihr Recht hinzuweisen, sich an den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden zu können. Dem Landesbeauftragen für den Datenschutz ist auf sein Verlangen Auskunft zu erteilen. Stellt der Innenminister oder im Verhinderungsfall der Staatssekretär im Einzelfall fest, dass durch die Erteilung der Auskunft die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet würde, so darf die Auskunft nur dem Landesbeauftragten persönlich erteilt werden. Mitteilungen des Landesbeauftragten an die antragstellende Person dürfen keine Rückschlüsse auf den Kenntnisstand der Verfassungsschutzbehörde zulassen, sofern diese nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt. 202 Abschnitt 4 Kontrolle der Verfassungsschutzbehörde SS 27 Parlamentarische Kontrollkommission (1) In Angelegenheiten des Verfassungsschutzes des Landes unterliegt die Landesregierung unbeschadet der Rechte des Landtages der Kontrolle durch die Parlamentarische Kontrollkommission. Die Kontrolle der Durchführung des aufgrund von Artikel 10 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes erlassenen Bundesgesetzes bleibt den aufgrund von Artikel 10 Abs. 2 des Grundgesetzes von dem Landtag bestellten Organen und Hilfsorganen vorbehalten. (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission besteht aus fünf Mitgliedern, die zu Beginn jeder Wahlperiode vom Landtag aus seiner Mitte einzeln mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt werden. Zwei Mitglieder sollen der parlamentarischen Opposition angehören. Die Mitglieder dürfen nicht der Landesregierung angehören. (3) Die Parlamentarische Kontrollkommission gibt sich eine Geschäftsordnung. Sie übt ihre Tätigkeit auch über das Ende der Wahlperiode des Landtages solange aus, bis der nachfolgende Landtag die Mitglieder neu gewählt hat. Der Parlamentarischen Kontrollkommission ist die für die Erfüllung ihrer Aufgaben notwendige Personalund Sachausstattung zur Verfügung zu stellen. (4) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder aus der Fraktion, die ihn zur Wahl vorgeschlagen hat, aus, so verliert es seine Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Kontrollkommission. Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu wählen; das Gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus anderen Gründen aus der Parlamentarischen Kontrollkommission ausscheidet. (5) Die Parlamentarische Kontrollkommission tritt 203 mindestens einmal im Vierteljahr zusammen. (6) Jedes Mitglied kann die Einberufung und die Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission verlangen. SS 28 Geheimhaltung (1) Die Parlamentarische Kontrollkommission tagt in nichtöffentlicher Sitzung, über die jeweils ein Protokoll anzufertigen ist. Die Mitglieder sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen bei ihrer Tätigkeit in der Parlamentarischen Kontrollkommission bekannt geworden sind. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus der Parlamentarischen Kontrollkommission. (2) Auf Antrag eines Mitgliedes beschließt die Parlamentarische Kontrollkommission über die Herstellung der Öffentlichkeit oder die Aufhebung der Vertraulichkeit nach Absatz 1, soweit öffentliche Geheimschutzinteressen, insbesondere die Aufrechterhaltung des Nachrichtenzuganges, oder berechtigte Interessen eines Einzelnen dem nicht entgegenstehen. Der Beschluss bedarf der Mehrheit der gesetzlichen Mitglieder der Kommission. Der Innenminister, im Falle seiner Verhinderung der Staatssekretär, kann einem Beschluss nach Satz 1 widersprechen, wenn die Voraussetzungen der Aufhebung der Vertraulichkeit gemäß Satz 1 nicht vorliegen. Der Innenminister, im Falle seiner Verhinderung der Staatssekretär, hat die Gründe hierfür darzulegen. Die Aufhebung der Vertraulichkeit von Beratungsgegenständen, die in die Verantwortlichkeit des Bundes oder eines Landes fallen, ist nur mit deren Zustimmung möglich. (3) Sitzungsunterlagen und Protokolle verbleiben im Gewahrsam der Verfassungsschutzbehörde und können nur dort von den Mitgliedern der Kommission oder dem Innenminister, im Falle seiner Verhinderung dem Staatssekretär, 204 eingesehen werden, es sei denn, der ordnungsgemäße Umgang mit diesen Unterlagen gemäß der Verschlusssachenanweisung für das Land Mecklenburg-Vorpommern ist nach Überzeugung der Parlamentarischen Kontrollkommission auf andere Weise gewährleistet. SS 29 Kontrollrechte der Parlamentarischen Kontrollkommission (1) Das Innenministerium hat die Parlamentarische Kontrollkommission umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde, das Lagebild und über die Vorgänge von besonderer Bedeutung, insbesondere Einzelfälle, in denen eine Datenübermittlung gemäß SS 20 Abs. 4 Satz 3 unterblieben ist, sowie auf Verlangen der Kommission über sonstige Einzelfälle zu unterrichten. Ferner unterrichtet es über den Erlass und die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften sowie über den Verfassungsschutz betreffende Eingaben einzelner Bürger (Petenten), sofern der Petent der Unterrichtung nicht widersprochen hat. (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission kann von dem Innenministerium alle für ihre Kontrollaufgaben erforderlichen Auskünfte, Unterlagen, Aktenund Dateneinsicht, Stellungnahmen und den Zutritt zur Verfassungsschutzbehörde verlangen sowie bei besonderem Aufklärungsbedarf Bedienstete und Auskunftspersonen zum Sachverhalt befragen, sofern dem nicht überwiegende öffentliche (zum Beispiel Aufrechterhaltung des Nachrichtenzugangs) oder private Belange entgegenstehen; das Innenministerium hat dies vor der Parlamentarischen Kontrollkommission zu begründen. Die Parlamentarische Kontrollkommission kann ferner den Landesbeauftragten für den Datenschutzbeauftragen, die Rechtmäßigkeit einzelner Maßnahmen, welche die Verfassungsschutzbehörde durchgeführt hat, zu überprüfen und der Kommission das Ergebnis der Überprüfung mitzuteilen. Die Befugnisse des 205 Landesbeauftragten für den Datenschutz richten sich nach dem Landesdatenschutzgesetz von Mecklenburg-Vorpommern. Wird der Landesbeauftragte für den Datenschutz nach SS 26 Abs. 4 tätig, so kann er von sich aus die Parlamentarische Kontrollkommission unterrichten, wenn sich Beanstandungen ergeben, eine Mitteilung an die betroffene Person aber aus Geheimhaltungsgründen unterbleiben muss. (3) Die Parlamentarische Kontrollkommission kann mit der Mehrheit ihrer gesetzlichen Mitglieder nach Anhörung des Innenministeriums im Einzelfall einen Sachverständigen beauftragen, zur Wahrnehmung ihrer Kontrollaufgaben Untersuchungen durchzuführen. Der Sachverständige hat der Parlamentarischen Kontrollkommission über das Ergebnis seiner Untersuchungen zu berichten; SS 28 Abs. 1 und 2 gelten entsprechend. (4) Die Angaben über Ausgaben aus dem der Abteilung zugewiesenen Titel werden der Parlamentarischen Kontrollkommission im Ansatz vor Beratung des Haushaltsplanes zur Stellungnahme überwiesen. Das Innenministerium unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission über den Vollzug des Haushaltsplanes, soweit es die der Verfassungsschutzbehörde zugewiesenen Titel betrifft. Abschnitt 5 Schlussvorschriften SS 30 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes Bei der Erfüllung der Aufgaben nach SS 5 durch die Verfassungsschutzbehörde finden SS 3 Abs. 2 und 3 , SSSS 9 , 10 Abs. 1 bis 4 , SSSS 11 , 13 Abs. 1 bis 4,6 und 7 , SSSS 14 , 15 , 16 , 18 , 24 und 25 des Landesdatenschutzgesetzes keine Anwendung. 206 SS 31 (aufgehoben) SS 32 In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten (1) Dieses Gesetz tritt mit Ausnahme des SS 30 am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt das Landesverfassungsschutzgesetz vom 18. März 1992 (GVOBl. M-V S. 194) außer Kraft. (2) SS 30 tritt an dem Tag in Kraft, an dem das Landesdatenschutzgesetz in Kraft tritt. Der Tag des In-Kraft-Tretens ist vom Innenministerium im Gesetzund Verordnungsblatt für Mecklenburg-Vorpommern bekannt zu geben. Das vorstehende Gesetz wird hiermit verkündet. Schwerin, den 11. Juli 2001 Der Ministerpräsident Der Innenminister Dr. Harald Ringstorff Dr. Gottfried Timm 207