Ministerium für Inneres und Europa Verfassungsschutzbericht 2016 Verfassungsschutzbericht 2016 Impressum Herausgeber: Ministerium für Inneres und Europa Mecklenburg-Vorpommern Redaktion: Abteilung Verfassungsschutz Postfach 11 05 52 19005 Schwerin 1. Auflage: 1000 Exemplare Layout, Gestaltung und Herstellung: Digital Design Druck und Medien GmbH Titelbild: "Die wehrhafte Demokratie" Manfred Diekmann, 2009 Vorwort Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger, das Jahr 2016 war geprägt durch tiefgreifende politische Entwicklungen in Staaten, zu denen Deutschland im europäischen und transatlantischen Rahmen über Jahrzehnte eine enge Partnerschaft entwickelt hat - auch und gerade im sicherheitspolitischen Bereich. Oft konnte der Eindruck entstehen, die Welt sei aus den Fugen geraten: Viele politische Gewissheiten, beruhend auf Verträgen, Bündnissen sowie gemeinsamen Interessen und Werten, schienen plötzlich in Frage gestellt zu sein. Die seit mehreren Jahren zu beobachtenden Verwerfungen in der internationalen Ordnung, zu denen auch die Ausprägung des terroristischen "Islamischen Staates" (IS) gehört, haben Deutschland im Jahr 2016 aber auch ganz unmittelbar erschüttert: Der Massenmordanschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche, dem zwölf Menschen zum Opfer fielen, der Anschlagsversuch auf ein Volksfest in Ansbach oder die fehlgeschlagenen Versuche eines zwölfjährigen Jungen, selbstgefertigte Sprengsätze u.a. auf dem Weihnachtsmarkt in Ludwigshafen zur Explosion zu bringen, haben uns alle fassungslos gemacht - auch wenn die Sicherheitsbehörden seit Jahren vor derartigen Anschlägen gewarnt hatten. Diese Entwicklung wirft auch grundsätzliche Fragen zu den verbindenden und verbindlichen ideellen Grundlagen des Zusammenlebens, zur geistig-kulturellen und politischen Identität Deutschlands auf, deren Beantwortung nicht im tagespolitischen Geschehen erfolgen kann. Hier bedarf es einer gesamtgesellschaftlichen Diskussion, die offen geführt werden muss. Wichtig 5 ist dabei auch, dass der Verfassungsschutz und die Polizei den nötigen Rückhalt bekommen. Der anhaltende Zustrom an Menschen, die vor politischer Verfolgung, Terror und Bürgerkrieg in ihrer Heimat nach Europa flohen, hielt auch 2016 an und führte in seinem Gefolge Terroristen und Extremisten mit sich, deren Enttarnung die deutschen Sicherheitsbehörden weiterhin vor große Herausforderungen stellt. In Mecklenburg-Vorpommern war die Gesamtzahl der islamistischen Verdachtsfälle in diesem Zusammenhang auch 2016 hoch. Die Sicherheitsbehörden des Landes werden diesen Hinweisen weiter sehr konsequent nachgehen. Die Welle rechtsextremistischer Straftaten - Beleidigungen, Bedrohungen, Körperverletzungen, Brandstiftungen und versuchte Tötungsdelikte - erreichte 2016 ihren vorläufigen traurigen Höhepunkt. Der in der zweiten Jahreshälfte zu verzeichnende Rückgang derartiger Straftaten, aber auch die Wahlniederlage der NPD im Landtagswahlkampf sowie die ihr vom Bundesverfassungsgericht bescheinigte politische Bedeutungslosigkeit stellen keinen Grund zur Entwarnung dar: Auch zukünftig werden sich Polizei und Verfassungsschutz daher mit allen Facetten des Rechtsextremismus konsequent und intensiv auseinandersetzen. Und auch Linksextremisten sind ebenso gemeine Straftäter, wenn sie unter Berufung auf ihre vermeintlich tiefere Einsicht und höhere Moral Parteibüros, Autos, Häuser und öffentliche Einrichtungen beschädigen, um Menschen so einzuschüchtern, dass diese von ihrem Grundrecht auf Meinungsfreiheit keinen Gebrauch mehr machen. Ihre zunehmende Bereitschaft, bei tätlichen Angriffen auf politische Gegner und Polizeibeamte auch deren Tod billigend in Kauf zu nehmen, ist ein Anlass zu großer Sorge. Der Mord an einem - aus Mecklenburg-Vorpommern stammenden - Polizeibeamten durch einen "Reichsbürger" in Bayern hat diese Szene schlagartig in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt. Für die Sicherheitsbehörden ist das Phänomen der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" grundsätzlich nicht neu. Die nicht zuletzt durch den Mord erforderlich gewordene Neubewertung der von ihnen ausgehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung - aber auch für die freiheitliche demokra- 6 tische Grundordnung - hat die nachrichtendienstliche Beobachtung dieser Szene unumgänglich gemacht. In Mecklenburg-Vorpommern treten Angehörige dieses Milieus vor allem als Einzelpersonen und Kleinstgruppen auf und suchen hierbei bewusst die aggressive Konfrontation mit Vertretern staatlicher Autorität. Das Ministerium für Inneres und Europa hat auf die zunehmende Aggressivität der "Reichsbürger-Szene" reagiert und den Verfassungsschutz des Landes mit der Sammlung und Auswertung von Erkenntnissen über diese Szene beauftragt. Die Landkreise und kreisfreien Städte des Landes wurden ferner mit einem Runderlass dazu aufgefordert, jeden Fall der Kontaktaufnahme von erkennbaren "Reichsbürgern" mit den kommunalen Behörden unverzüglich dem Verfassungsschutz zu melden. Unsere freiheitliche demokratische Grundordnung ist von vielen Seiten bedroht und muss weiter täglich engagiert verteidigt werden. Der nun vorliegende Bericht kann hierbei eine wichtige Informationsgrundlage sein. Lorenz Caffier Minister für Inneres und Europa des Landes Mecklenburg-Vorpommern 7 Inhaltsverzeichnis 1 "Wehrhafte Demokratie" - Auftrag und Verpflichtung des Verfassungsschutzes 12 1.1 Der gesetzliche Auftrag des Verfassungsschutzes . . . . 12 1.2 Freiheitliche demokratische Grundordnung . . . . . . . 14 1.3 Weitere Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1.4 Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1.5 Informationsbeschaffung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1.6 Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1.7 Verhältnis von Verfassungsschutz und Polizei . . . . . . . 17 1.8 Änderung des Landesverfassungsschutzgesetzes . . . . 18 2 Rechtsextremismus 19 2.1 Lageüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.2 Personenpotenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2.3 Straftatenaufkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2.4 Rechtsterrorismus / "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) . . . . . . . . 22 2.5 Fortsetzung der "Antiasylkampagne" / "Islamfeindlichkeit". . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2.6 Trefforte der rechtsextremistischen Szene . . . . . . . . . 26 2.7 Subkultureller Rechtsextremismus . . . . . . . . . . . . . . 28 2.7.1 Rechtsextremistische Musikveranstaltungen . . . . . . . 29 2.7.2 Szeneläden/Versandhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2.8 Neonationalsozialismus (Neonazismus) . . . . . . . . . . 35 2.8.1 Neonazistische Publikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2.8.2 Neonazistische Veranstaltungen und Aktivitäten . . . . 45 2.9 Rechtsextremistische Parteien / "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD), Landesverband Mecklenburg-Vorpommern . . . . . . . . 48 2.9.1 NPD-Verbotsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2.9.2 Aktivitäten der NPD M-V im Jahr 2016. . . . . . . . . . . . 51 8 2.9.3 Fortsetzung der "Antiasylkampagne" der NPD im Rahmen des Wahlkampfes der NPD in Mecklenburg-Vorpommern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2.9.4 Islambzw. Muslimenfeindlichkeit in der NPD. . . . . . . 57 2.9.5 Einzelsachverhalte zum Wahlkampf der NPD / JN für die Landtagswahl 2016 . . . . . . . . . . 59 2.9.6 Ergebnis der NPD bei der Landtagswahl am 4. September 2016. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2.9.7 Herausragende Veranstaltungen und Aktionen des NPD-Landesverbandes und einzelner Kreisverbände . . 64 2.9.8 Publikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2.9.9 Zusammenarbeit auf europäischer Ebene . . . . . . . . . 70 2.10 "Junge Nationaldemokraten" (JN) . . . . . . . . . . . . . . 72 2.11 NPD-Frauenorganisation "Ring Nationaler Frauen" (RNF) . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2.12 Sonstige rechtsextremistische Parteien / "Die Rechte" und "Der III. Weg" . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2.13 Nutzung des Internets durch Rechtsextremisten . . . . . 78 2.14 Die "Konservative Revolution"eine verfassungsschutzrelevante Thematik ? . . . . . . . 79 3 "Reichsbürger und Selbstverwalter" 82 4 Linksextremismus 84 4.1 Lageüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 4.2 Linksextremismus in Mecklenburg-Vorpommern im Jahre 2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 4.2.1 Personenpotenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 4.2.2 Politisch motivierte Kriminalität. . . . . . . . . . . . . . . . 87 4.3 Wahrnehmung und Auswirkungen des gewaltbereiten Linksextremismus . . . . . . . . . . . . . . 88 4.4 Undogmatischer Linksextremismus . . . . . . . . . . . . . 90 4.4.1 Aktionsfeld "Antifaschismus". . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 4.4.2 Aktionsfeld "Antirassismus". . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 4.4.3 Aktionsfeld "Antirepression" . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 4.5 Dogmatischer Linksextremismus . . . . . . . . . . . . . 100 9 5 Islamismus / Islamistischer Terrorismus 101 5.1 Islamistische Bestrebungen - politischer Extremismus mit Rückgriff auf den Islam . . 101 5.2 Übersicht über die Entwicklung des Islamismus und islamistischen Terrorismus 2016. . . . . . . . . . . . 103 5.3 Salafismus - Hintergründe und aktuelle Entwicklung . . 110 5.4 Der Krieg in Syrien, der IS und "einsame Wölfe" - Verände-rung der Bedrohung im islamistischen Terrorismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 5.5 Islamistischer Extremismus in Mecklenburg-Vorpommern . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 5.6 Aktivitäten von Islamisten aus dem Nordkaukasus. . . 118 6 Sonstiger Ausländerextremismus 119 6.1 Personenpotenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 6.2 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) / "Volkskongress Kurdistans" (KONGRAGEL) . . . . . . . . 120 6.2.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 6.2.2 Aktivitäten der PKK in Deutschland . . . . . . . . . . . . 121 6.2.3 Internetaktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 6.2.4 Kooperationen mit deutschen Linken und Linksextremisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 7 Spionageabwehr 125 7.1 Aktivitäten fremder Nachrichtendienste in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 7.2 Wirtschaftsschutz - präventive Spionageabwehr. . . . 127 7.3 Bedrohungen durch Cyberangriffe . . . . . . . . . . . . . 128 7.4 Spionageabwehr - Ihr Ansprechpartner vor Ort . . . . 130 8 Öffentlichkeitsarbeit 131 8.1 Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 8.2 Informationsmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 8.3 Ausund Fortbildung / Hospitationen . . . . . . . . . . 139 10 Abkürzungsverzeichnis 141 Glossar 144 Registeranhang 157 Anlage 1 Politisch motivierte Kriminalität (PMK) Jahresübersicht 2015/2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Anlage 2 Gesetz über den Verfassungsschutz im Lande Mecklenburg-Vorpommern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 11 1 "Wehrhafte Demokratie" - Auftrag und Verpflichtung des Verfassungsschutzes 11 Der gesetzliche Auftrag des Verfassungsschutzes Der Verfassungsschutz hat die Aufgabe, Informationen über "Bestrebungen" zu sammeln und auszuwerten, die sich zielgerichtet gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, also die Grundprinzipien unseres Staates, richten. Dies ist in allen Verfassungsschutzgesetzen des Bundes und der Länder entsprechend geregelt (vgl. SSSS 5, 6 LVerfSchG M-V). Als "Frühwarnsystem" soll der Verfassungsschutz aufklären, informieren, sensibilisieren und warnen. Dabei wird er bereits unterhalb der Schwelle der konkreten Gefahr und des Anfangsverdachts einer Straftat tätig, allerdings nur bei sogenannten Beobachtungsobjekten, die im Einzelnen festgelegt sind. Dies können rechtsextremistische Strukturen wie die NPD oder Neonazi-Kameradschaften, linksextremistische Gruppierungen wie gewalttätige Autonome oder islamistische Organisationen sein, die Freiheit und Sicherheit bedrohen. Damit zeigt sich der demokratische Rechtsstaat "wehrhaft", eine Lehre aus der auf legalistischem Wege erfolgten Abschaffung der Weimarer Republik durch die Nationalsozialisten. Es gilt, entschlossen den drohenden totalitären Gefahren entgegenzutreten - bevor es zu spät ist! Die "Wehrhafte Demokratie" hat folgende Wesensmerkmale: * Die Wertegebundenheit, d. h. unser Staat bekennt sich zu Werten, denen er eine besondere Bedeutung beimisst und die deshalb nicht zur Disposition stehen, * die Abwehrbereitschaft, d. h. der Staat ist gewillt, diese wichtigsten Werte gegenüber extremistischen Positionen zu verteidigen und * die Vorverlagerung des Verfassungsschutzes, d. h. der Staat reagiert nicht erst dann, wenn Extremisten gegen gesetzliche Normen verstoßen. 12 Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und die Landesbehörden für Verfassungsschutz (LfV) haben ihrem gesetzlichen Auftrag folgend also Informationen, insbesondere sachund personenbezogene Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen zu sammeln und auszuwerten über: * Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes und eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben, * sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht, * Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden und * Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Absatz 2 des Grundgesetzes) oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Absatz 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind. Ferner wirken das BfV und die LfV mit * bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, * bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen sowie bei der Überprüfung von Personen in sonstigen gesetzlich bestimmten Fällen und * bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. 13 Der Verfassungsschutz ist die maßgebliche Bewertungsinstanz für den politischen Extremismus in Deutschland. Er ist und bleibt eine eigenständige Säule innerhalb der förderalen Sicherheitsarchitektur. Vorstellungen, dem Verfassungsschutz diese Stellung streitig zu machen und die Bewertung für den politischen Extremismus außerhalb des Staates anzusiedeln, ist die ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) entschieden entgegen getreten. Der weiteren Erosion des staatlichen Gewaltmonopols als wesentlichem Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips wurde damit Einhalt geboten. Von der Tätigkeit des Verfassungsschutzes als Inlandsnachrichtendienst zu unterscheiden ist die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes (BND). Dieser beschafft außenund sicherheitspolitisch relevante Informationen über das Ausland. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) nimmt Verfassungsschutzaufgaben im Bereich der Bundeswehr wahr. 12 Freiheitliche demokratische Grundordnung Der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist Kernaufgabe der Verfassungsschutzbehörden. Damit ist aber nicht die Verfassung bzw. das Grundgesetz in seiner Gesamtheit gemeint, sondern die unabänderlichen obersten Wertprinzipien als Kernbestand der Demokratie. Diese fundamentalen Wertprinzipien bestimmen die Gesetzgebung des Bundes und der Länder, so auch die Verfassungsschutzgesetze. Zu diesen Grundsätzen gehören folgende Verfassungsprinzipien: * das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, * die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, 14 * das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, * die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, * die Unabhängigkeit der Gerichte, * der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft sowie * die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. 13 Weitere Rechtsgrundlagen Für die Arbeit des Verfassungsschutzes sind neben dem Grundgesetz und der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern insbesondere das Landesverfassungsschutzgesetz (LVerfSchG M-V), das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz) und das Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG) maßgebend. 14 Struktur Der Verfassungsschutz in der Bundesrepublik Deutschland ist föderal organisiert. Dementsprechend existieren 17 Verfassungsschutzbehörden, ein Bundesamt (BfV) und 16 Landesbehörden für Verfassungsschutz (LfV). Die Verfassungsschutzbehörden der Länder sind entweder eine Abteilung des jeweiligen Innenressorts oder eine eigenständige Landesoberbehörde. In Mecklenburg-Vorpommern ist der Verfassungsschutz seit 1991 eine Abteilung des Ministeriums für Inneres und Europa (Abteilung 5), wie dies auch in acht weiteren Ländern der Fall ist. 15 Informationsbeschaffung Den weitaus größten Teil ihrer Informationen gewinnen die Verfassungsschutzbehörden aus offenen, allgemein zugänglichen Quellen - also aus Druckerzeugnissen wie Zeitungen, Flugblättern, Programmen, Aufrufen und dem Internet. Mitarbeiter der Verfassungsschutzbehörden besuchen öffentliche Veranstaltungen und sie befragen auch Personen, die sachdienliche Hinweise geben kön15 nen. Bei diesen Gesprächen auf freiwilliger Basis treten die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes offen auf. Mit der Sammlung offenen Materials entsteht allerdings nicht immer ein vollständiges Bild. Gegenüber konspirativen Methoden versagen diese Mittel der Nachrichtengewinnung. Nicht alle Extremisten verfassen nach der Tat Bekennerschreiben oder nennen gar ihren wahren Namen. Spione veröffentlichen keine Programme und verteilen keine Flugblätter. Um auch getarnte oder geheim gehaltene Aktivitäten beobachten zu können, ist dem Verfassungsschutz im Rahmen gesetzlich festgelegter Befugnisse und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Gebrauch nachrichtendienstlicher Mittel zur Informationsgewinnung gestattet. Zu diesen Methoden der geheimen, verdeckten Nachrichtenbeschaffung gehören insbesondere: * die Observation, * der Einsatz von Vertrauenspersonen (VP) und Gewährspersonen, * Bildund Tonaufzeichnungen und * die Überwachung des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs nach Maßgabe des Artikel 10-Gesetzes. 16 Kontrolle Für die Arbeit des Verfassungsschutzes gelten strenge rechtsstaatliche Maßstäbe. Eingriffe in die Privatund Freiheitsrechte der Bürger sind den Verfassungsschutzbehörden nur auf gesetzlicher Grundlage gestattet. Damit die Bürger darauf vertrauen können, dass die Verfassungsschutzbehörden sich an ihren gesetzlichen Auftrag und an die für die Tätigkeit geltenden Rechtsbestimmungen halten, unterliegen sie der Kontrolle auf mehreren Ebenen: * der allgemeinen parlamentarischen Kontrolle durch die Abgeordneten des Landtages Mecklenburg-Vorpommern aufgrund von Berichtspflichten des Ministers für Inneres und Europa im Rahmen von Aktuellen Stunden, Kleinen und Großen Anfragen oder Petitionen; * einer besonderen parlamentarischen Kontrolle durch die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) des Landtages und ggf. durch einen Untersuchungsausschuss; 16 * Postkontrollen und Telefonüberwachungen müssen durch die G-10-Kommission des Landtages genehmigt werden; * des Landesbeauftragten für den Datenschutz und Informationsfreiheit (LfDI M-V) in Bezug auf die Einhaltung von Datenschutzvorschriften und sein Recht zur Akteneinsicht; * des Landesrechnungshofs Mecklenburg-Vorpommern (LRH M-V) in Bezug auf das Haushaltsrecht; * der justiziellen Überprüfung seines Handelns, soweit es dafür einen Anlass gibt sowie * der ständigen und intensiven Überwachung durch die Öffentlichkeit und Medien, die die Aufgaben und Arbeit des Verfassungsschutzes kritisch würdigen. Parlamentarische Kontrolle Kontrolle durch PKK die Justiz G-10-Kommission Verfassungsschutz M-V Innerbehördliche Kontrolle Kontrolle durch Sonstige externe die Öffentlichkeit Kontrolle Bürger LfDI M-V Medien LRH M-V 17 Verhältnis von Verfassungsschutz und Polizei Verfassungsschutz und Polizeibehörden sind organisatorisch voneinander getrennt (vgl. SS 2 Absatz 2 LVerfSchG M-V). Somit steht die Ausübung polizeilicher oder strafprozessualer Eingriffsbefugnisse, z. B. die Durchsuchung von Personen oder Sachen, die Beschlagnahme oder Festnahme von Personen, dem Verfassungsschutz nicht zu. Halten Mitarbeiter des Verfassungsschutzes ein polizeiliches Eingreifen für geboten, unterrichten sie die Polizei. Diese entscheidet, ob und ggf. wie sie in eigener Zuständigkeit tätig wird. Der Verfassungsschutz unterliegt - im Gegensatz zu Polizei und Staatsanwaltschaft - nicht dem Legalitätsprinzip, so 17 dass er nicht in jedem Fall Strafverfolgungsmaßnahmen initiieren muss, wenn er Kenntnis von einer Straftat erlangt. Die Kompetenzverteilung lässt sich überblicksartig wie folgt darstellen: Polizei Verfassungsschutz Legalitätsprinzip bei Strafverfolgungsmaßnahmen, Opportunitätsprinzip Opportunitätsprinzip bei Gefahrenabwehr allgemeine Gefahrenabwehr Aufklärung von politischem und Strafverfolgung durch Extremismus durch offene und offene und verdeckte verdeckte InformationsInformationsgewinnung gewinnung Eingriffsbefugnisse keine polizeilichen Eingriffsbefugnisse Einsatz von Zwangsmitteln keine Zwangsmittel Dieses organisatorische Trennungsgebot bedeutet jedoch nicht, dass Polizei, Strafverfolgungsbehörden und Verfassungsschutz nicht zusammenwirken dürfen. Im Sinne eines notwendigen ganzheitlichen Aufklärungsund Bekämpfungsansatzes extremistischer Bedrohungen ist eine informationelle Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz im Rahmen der gesetzlichen Grundlagen unverzichtbar. Die notwendige Zusammenarbeit der verschiedenen Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder wird über die tägliche Arbeit hinaus auch über gemeinsame Zentren gewährleistet: * Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) seit dem 14. Dezember 2004 * Gemeinsames Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) seit dem 15. November 2012. 18 Änderung des Landesverfassungsschutzgesetzes Die Landesregierung hat im August 2015 einen Entwurf zur Änderung des Landesverfassungsschutzgesetzes und des Sicherheits18 überprüfungsgesetzes in den Landtag Mecklenburg-Vorpommern eingebracht. Der Gesetzentwurf setzt die bundesweite Reform des Verfassungsschutzes entsprechend den Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages und der Innenministerkonferenz in Landesrecht um. Das Änderungsgesetz orientiert sich inhaltlich eng an dem dann im November 2015 beschlossenen Gesetz zur Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes. Es wurde am 20. April 2016 nach der zweiten Lesung vom Landtag beschlossen und ist am 14. Mai 2016 in Kraft getreten. Ferner hat der Landtag in seiner Sitzung am 7. Dezember 2016 einem weiteren Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Landesverfassungsschutzgesetzes zugestimmt und damit die zukünftige Anzahl der Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission auf fünf festgelegt. Diese Änderung orientiert sich an den Regelungen anderer Bundesländer. 2 Rechtsextremismus 21 Lageüberblick Im Unterschied zum Vorjahr konnte in diesem Berichtszeitraum kein weiteres Anwachsen des rechtsextremistischen Personenpotenzials beobachtet werden. Es kam lediglich zu leichten szeneinternen Verschiebungen. So ging die Zahl der NPD-Anhänger zurück. Die Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene waren auch 2016 durch eine aggressive Fremdenfeindlichkeit geprägt. Neben einer in weiten Teilen menschenverachtenden Propaganda waren erneut zahlreiche Gewalttaten gegen Migranten und ihre Unterkünfte zu verzeichnen. Sie erreichten jedoch nicht ganz das außerordentlich hohe Niveau des Jahres 2015. Unabhängig davon ist auch weiterhin mit schweren Straftaten gegen Migranten zu rechnen. Hierbei muss die Gefahr der Herausbildung terroristischer Strukturen stets im Blick behalten werden. Besorgniserregend ist darüber hinaus der starke Anstieg antisemitischer Straftaten. Das Demonstrationsgeschehen ging deutlich zurück. Zu Beginn 19 des Sommers suchte die Szene mit Blick auf den Landtagswahlkampf allerdings wieder verstärkt die Öffentlichkeit. So kam es zu zahlreichen Wahlkampfauftritten der NPD, die von NPD-Kadern aus anderen Bundesländern unterstützt wurden. Auffällig war, dass die NPD trotz des laufenden Parteiverbotsverfahrens eine deutlich aggressivere Wahlkampagne durchführte als in den Wahlkämpfen zuvor. So wurde massiv und unter Einsatz martialischer Stilmittel gegen Flüchtlinge und die politisch Verantwortlichen in Bund und Land agitiert. Gleichwohl ist es der Partei auch mit der Unterstützung durch die rechtsextremistische Szene des Landes nicht gelungen, erneut in den Landtag einzuziehen. Darüber hinaus waren die jahreszeitüblichen Aktionen, beispielsweise zum 8. Mai oder zur Sommersonnenwende zu verzeichnen. 2016 waren unter dem Motto "Ein Volk hilft sich selbst" 1 Versuche zu beobachten, in der "Tradition" der "Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt" aus Sicht der Szene bedürftigen Deutschen insbesondere durch Sachspenden zu helfen. Ergänzend dazu gewann auch das Thema "Selbstversorgung" weiter an Bedeutung, da Rechtsextremisten sich durch die eigene Herstellung von Lebensmitteln und das Anlegen von Vorräten vor einer vermeintlich herannahenden Krisensituation schützen wollen. Hierzu wurden auch 2016 Vorträge gehalten, in denen Szeneangehörige entsprechende Verhaltensregeln erläuterten. Ursächlich für das wachsende Interesse ist die Vorstellung, immer stärker von "Feinden" umgeben zu sein, gegen die es sich zu wappnen gelte. In diesem Zusammenhang wird auch zu Selbstverteidigungskursen oder der Beschaffung legaler Bewaffnung aufgerufen.2 Festzustellen waren 2016 aber auch verstärkte Bemühungen von Aktivisten, die nicht dem für die rechtsextremistische Szene des Landes Mecklenburg-Vorpommern typischen Neonazismus anhängen. 1 Facebook-Seite "Ein Volk hilft sich selbst/Mecklenburg-Vorpommern", abgerufen am 28.12.2016 2 vgl. hierzu den Verfassungsschutzbericht Mecklenburg-Vorpommern 2015, S. 28f. 20 Sie richten sich gegen den "Großen Austausch", d.h. gegen eine von der "herrschenden Politik" zu verantwortende vermeintliche Auswechslung der jetzigen Bevölkerung durch Zuwanderer, wobei Migranten aus nichteuropäischen Kulturen als besondere Bedrohung für die eigene Ethnie und die eigene Kultur gesehen werden. Ziel der sich als "Identitäre" oder auch als "Kontrakultur" bezeichnenden Protagonisten ist es, dieser Entwicklung durch die Schaffung einer "Gegenkultur" entgegenzuwirken. Zu diesem Zweck werden öffentlichkeitswirksam Aktionen durchgeführt, die auch vereinzelt Rechtsverletzungen in Kauf nehmen. Ob und inwieweit die Programmatik dieser "Bewegung" tragende Grundsätze unserer verfassungsmäßigen Ordnung tatsächlich erheblich gefährdet und damit die gesetzlichen Voraussetzungen für eine auf Dauer angelegte Beobachtung durch den Verfassungsschutz des Landes vorliegen, ist Gegenstand einer fortlaufenden Prüfung.3 Näheres zum ideologischen Hintergrund ist dem Abschnitt 2.14 zu entnehmen. 22 Personenpotenzial M-V M-V Bund Bund 2015 2016 2015 2016 Subkulturell geprägte 580 580 8.200 8.500 Rechtsextremisten Neonazis 500 500 5.800 5.800 in Parteien: "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" 340 310 5.200 5.000 (NPD) "Die Rechte" <10 <10 650 700 Sonstige rechtsextremis30 50 3.200 3.500 tische Organisationen Gesamt4 1.450 ca. 1.450 22.600 23.100 davon gewaltorientier680 ca. 700 11.800 12.100 te Rechtsextremisten 3 Diese "Bewegung" steht seit August 2016 als rechtsextremistischer Verdachtsfall unter Beobachtung der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder. 4 Zahl nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften. Darüber hinaus enthält die Aufstellung zu den Bundeszahlen nur die auch in M-V aktiven Strukturen. 21 23 Straftatenaufkommen Im Jahre 2016 registrierte das Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern im Bereich der politisch motivierten Kriminalität im Phänomenbereich "Rechts" 1050 Straftaten (Vorjahr: 1032). Davon wurden insgesamt 955 (Vorjahr: 952) als rechtsextremistisch klassifiziert, u. a. weil sie antisemitisch oder fremdenfeindlich motiviert waren. Den Schwerpunkt der Straftaten bildeten mit 589 Vorfällen (Vorjahr: 565) erneut die Propagandadelikte. Weiterhin wurden 79 (Vorjahr: 94) Gewalttaten mit rechtsextremistischer Motivation registriert, darunter 53 (Vorjahr: 57) mit einer fremdenfeindlichen Ausrichtung. Dies ist im Zehnjahresvergleich weiterhin eine überdurchschnittlich hohe Zahl. Wenn auch die Gesamtzahl der extremistisch motivierten fremdenfeindlichen Straftaten von 311 im Jahr 2015 auf 304 im Berichtszeitraum zurückgegangen ist, so liegt diese Zahl nach wie vor sehr deutlich über dem langjährigen Durchschnitt. Angriffsziele waren im Berichtszeitraum sowohl Einzelpersonen mit Migrationshintergrund als auch Asylbewerberunterkünfte. So wurden 33 Übergriffe (2015: 48) auf bewohnte oder unbewohnte Flüchtlingsunterkünfte registriert. Die Palette reicht hier von Sachbeschädigungen über Bedrohungen bis hin zu einem Branddelikt. Die Anzahl antisemitischer Straftaten hat sich im Jahr 2016 mit 37 gegenüber dem Vorjahr (19) fast verdoppelt. Wenn darunter auch keine Gewalttat ist, so ist der Trend als Alarmzeichen zu werten. Offensichtlich gerät das Judentum hierzulande wieder verstärkt in das Zielfeld von Rechtsextremisten. Diese Entwicklung muss aufmerksam beobachtet werden. 24 Rechtsterrorismus / "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) Die Anstrengungen zur weiteren Aufklärung des NSU-Geschehens wurden auch 2016 auf vielen Ebenen fortgesetzt. In erster Linie sind hier der NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht in München 22 sowie der NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zu nennen. Der im November 2015 eingesetzte, inzwischen 2. Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zur Thematik verfolgt das Ziel, in Anknüpfung an die Feststellungen des NSU-Untersuchungsausschusses der vergangenen Legislaturperiode die noch offenen Fragen im Zusammenhang mit der Terrorgruppe NSU, den ihr zu Last gelegten Straftaten sowie zu ihrem Umfeld aufzuklären. Auch die Länderparlamente einiger Bundesländer haben entsprechende Untersuchungsausschüsse eingerichtet. Zum Teil konnten die Untersuchungen inzwischen abgeschlossen werden. Die Ergebnisse wurden entsprechend veröffentlicht. Obwohl der NSU in Mecklenburg-Vorpommern schwerste Straftaten begangen hat, sind trotz der vielfältigen Aufklärungsmaßnahmen weiterhin keine Erkenntnisse angefallen, die auf eine personelle oder organisatorische Verflechtung des "NSU-Trios" mit rechtsextremistischen Strukturen in Mecklenburg-Vorpommern hindeuten. Dem widersprechende journalistische Darstellungen sind daher weiterhin als reine Spekulationen zu klassifizieren. Unabhängig davon besteht im Landtag im Ergebnis Einigkeit darüber, dass die im Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages der vergangenen Legislaturperiode enthaltenen Handlungsempfehlungen für Justiz, Polizei und Verfassungsschutz, die insbesondere auf die Verbesserung des Informationsaustausches zwischen den Ermittlungsund Sicherheitsbehörden abzielen, landesspezifisch zu analysieren, auf Länderebene abzustimmen und in die Reformen von Ermittlungsund Sicherheitsbehörden einzubeziehen sind. Die Landesregierung wurde insoweit bereits mit Beschluss vom 30. Oktober 2013 verpflichtet, den Landtag zeitnah und regelmäßig über Reformschritte zu unterrichten (Drucksache 6/2346). Im Dezember 2016 wurde dem Landtag ein Dritter, diesbezüglicher Bericht vorgelegt. Der Bericht kann auf der Internetseite des Landtages M-V eingesehen werden.5 Er stellt gleichzeitig eine Ergänzung der kon- 5 www.landtag-mv.de, Drucksache 7/110 23 tinuierlichen Berichterstattung gegenüber der Parlamentarischen Kontrollkommission dar. Ferner hat der Landtag M-V im Februar 2017 den Innenund Europaausschuss gebeten, einen Unterausschuss einzusetzen, der das Agieren des NSU in Mecklenburg-Vorpommern näher untersuchen soll.6 Über das Ergebnis ist dem Innenausschuss bis zur Sommerpause 2019 Bericht zu erstatten. 25 Fortsetzung der "Antiasylkampagne" / "Islamfeindlichkeit" Obwohl die Zahl der Asylsuchenden im Berichtszeitraum signifikant zurückging7, war das Thema "Zuwanderung" für die rechtsextremistische Szene weiterhin von zentraler Bedeutung. Ursächlich hierfür ist das rassistische Weltbild der Rechtextremisten. Sie betrachten Menschen anderer Ethnien als minderwertig und sehen sie daher als "Gefahr" für die biologische Existenz des eigenen Volkes. Sie stehen damit weiterhin in der ideologischen Tradition des Nationalsozialismus. Vor diesem Hintergrund titulieren sie die Einwanderung als "Volkstod" 8 oder "Umvolkung". Dies sind Begrifflichkeiten, die dem Vokabular des Nationalsozialismus entstammen. Allerdings verstanden die Nationalsozialisten unter "Umvolkung" etwas gänzlich anderes, nämlich die "Eindeutschung rassisch wertvoller" Menschen, vorwiegend aus dem osteuropäischen Raum.9 Die auf rassistischen Vorstellungen beruhenden Ziele sind aus Sicht der Szene der breiten Öffentlichkeit weiterhin nicht vermittelbar. Daher werden zur Stigmatisierung von Migranten massiv Vorurteile geschürt und kriminelle Gefahren heraufbeschworen. 6 www.landtag-mv.de, Drucksache 7/291 7 Internetseite des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Jahresbilanz 2015 sowie Jahresbilanz 2016, Zugangszahlen EASY-System 8 vgl. hierzu den Verfassungsschutzbericht Mecklenburg-Vorpommern 2011, Seite 33 ff. 9 vgl. Schmitz-Berning, Cornelia: Vokabular des Nationalsozialismus, Berlin: Walter de Gruyter GmbH & Co KG 2000, S. 617f. 24 Auch werden Muslime generell mit einem Terrorismusverdacht überzogen und - wie die nachfolgende Abbildung zeigt - zur Selbstjustiz aufgerufen. 10 Für ihre zuwanderungsfeindliche Propaganda bedient sich die rechtsextremistische Szene weiterhin einer doppelten Kommunikationsstrategie. Zum einen erfolgt die Agitation über das Internet und hier insbesondere über diverse soziale Medien und zum anderen wird der "Protest" - auch in Mecklenburg-Vorpommern - auf die Straße gebracht. Allerdings ist die Zahl der durchgeführten Demonstrationen gegenüber dem Vorjahr von 150 auf 50 deutlich zurückgegangen. Auch die Teilnehmerzahlen waren rückläufig. Das Personenpotenzial dieser Veranstaltungen bestand dabei zum überwiegenden Teil aus Rechtsextremisten. Die rechtsextremistisch gesteuerte Bewegung "Mecklenburg-Vorpommern gegen die Islamisierung des Abendlandes" (MVGIDA), deren Organisationsteam der NPD oder deren Unterorganisationen zuzurechnen ist, führte nur noch am Anfang des Jahres De10 Facebook-Seite "Aktionsblog", abgerufen Januar 2017 25 monstrationen durch. Schon im April wurde eine "Sommerpause" ausgerufen, die ohne Angabe von Gründen bis zum Jahresende anhielt. Unabhängig davon setzte die NPD ihre "Antiasylkampagne" fort (vgl. Abschnitt 2.9.3). Ohne große Resonanz blieben Demonstrationen und kleinere Aktionen der neonazistischen Szene. In der Regel erreichte die Teilnehmerzahl maximal einen mittleren zweistelligen Bereich. Zudem hatten die Anmelder zuweilen auch mit dem starken Alkoholkonsum der angereisten Rechtsextremisten zu kämpfen, der mitunter auch zur Absage von Demonstrationen geführt hat. Regionale Schwerpunkte waren Güstrow/Bützow, Wismar, Schwerin und der Raum Stralsund. Eine in diesem Rahmen größere Veranstaltung wurde unter dem Motto "Asylantenstadt Güstrow? Nicht mit uns!" am 3. Dezember in Güstrow durchgeführt. Daran beteiligten sich 70 Personen. Teilnehmer führten ein Transparent mit der Aufschrift "Asylflut - Holocaust der Neuzeit NS durchsetzen" mit sich. Insgesamt hat die Szene ihr Ziel, Anschluss an den allgemeinen politischen Diskurs zu erhalten, erneut deutlich verfehlt. 26 Trefforte der rechtsextremistischen Szene Von besonderer Relevanz waren im Jahr 2016 folgende Objekte: * "Thinghaus" Grevesmühlen (Landkreis Nordwestmecklenburg) Die Bedeutung des "Thinghauses" als Treffund Veranstaltungsort für die rechtsextremistische Szene bleibt weiterhin hoch. Dort finden sich unter anderem der Sitz der NPD-Teilorganisationen "Ring Nationaler Frauen" (RNF) und der "Jungen Nationaldemokraten" (JN) auf Landesebene. Auch die Redaktion der Internetseite der bundesweit organisierten "Gemeinschaft Deutscher Frauen" (GDF) hat dort ihren Sitz. Das Gebäude steht der Szene als ständiger Veranstaltungsort zur Verfügung und bietet durch einen großen Saal entsprechenden Platz. Durch 26 die Abschottung des Gebäudes ist es möglich, Veranstaltungen ohne Außenwirkung durchzuführen. Das Veranstaltungangebot reicht über "Kneipenabende", Musikdarbietungen, Faschingsfeten bis hin zu ideologisch-politischen Vorträgen. Der Personenkreis um den für das "Thinghaus" verantwortlichen Rechtsextremisten Sven Krüger war zudem Veranstalter eines "Maifestes" am 30. April 2016 in dessen Wohnort Jamel, an dem sich ca. 200 Rechtsextremisten beteiligten. * "Nationales Begegnungszentrum" (NBZ) Anklam (Landkreis Vorpommern-Greifswald) Das NBZ stellt den Sitz des Landesverbandes der NPD dar. Anders als im "Thinghaus" werden dort in der Regel keine Musikveranstaltungen, sondern der Partei zuzurechnende Vortragsveranstaltungen und Mitgliederversammlungen durchgeführt. Die Eigentümer des Objektes sind NPD-Landesvorstandsmitglieder, die gleichzeitig den rechtsextremistischen Versandhandel "Pommerscher Buchdienst" und die "Volksbücherei" betreiben. * "Kulturraum" und Bundesgeschäftsstelle der "Jungen Nationaldemokraten" (JN) und Kreisgeschäftsstelle des NPD-Kreisverbandes Westmecklenburg in Lübtheen In Lübtheen befinden sich in unmittelbarer Nähe zueinander zwei Trefforte der NPD bzw. JN, in denen beispielsweise der JN-Bundesvorsitzende Sebastian Richter für den Verein "Sportfreunde Griese Gegend e. V." bzw. die JN sogenannte Selbstverteidigungsseminare veranstaltet, um dem Auftrag der "ganzheitlichen Ausbildung von Körper und Geist" nachzukommen. Darüber hinaus durchgeführte Parteiveranstaltungen entfalten in der Regel keine Außenwirkung. * "Ehemaliger Dorfkonsum" Klein Belitz (Landkreis Rostock) Es handelt sich um einen Treffort des NPD-Kreisverbandes Mecklenburg-Mitte, der in der Vergangenheit schon als Ver27 anstaltungsort für ein rechtsextremistisches Konzert genutzt worden ist. Im Jahr 2016 war dort das Wahlkampflager der JN angesiedelt. * "Braunes Haus" Waren (Müritz) Das Objekt der NPD-Stadtvertreterin Doris Zutt, früher bezeichnet als "Zutts Patriotentreff", wurde auch im Jahr 2016 als Treffort der rechtsextremistischen Szene genutzt. Dort führten beispielsweise die "Nationalen Sozialisten Waren" ihren Neujahrsempfang durch. Neben Zutt sind in dem Objekt weitere Angehörige der rechtsextremistischen Szene wohnhaft. 27 Subkultureller Rechtsextremismus Das Personenpotenzial sowie das Aktionsniveau der subkulturellen rechtsextremistischen Szene bewegten sich auf dem Niveau des Vorjahres. Dem subkulturellen Rechtsextremismus werden Personen zugerechnet, die ohne größeren Organisationsgrad zumeist auf örtlicher Ebene Aktivitäten entfalten. Subkulturelle Rechtsextremisten sind tendenziell gewaltund aktionsorientiert und treten mit typisch rechtsextremistisch motivierten Straftaten wie einschlägigen Propagandadelikten oder fremdenfeindlichen Gewalttaten in Erscheinung. Auch 2016 gehörte diese Szene zum Mobilisierungspotenzial für rechtsextremistische Konzerte und Demonstrationen. Im Rahmen des Demonstrationsgeschehens erfolgte auch ein Zusammenwirken mit dem organisierten Rechtsextremismus. So waren Angehörige dieser Szene regelmäßig bei asylund islamfeindlichen Veranstaltungen zu beobachten. Eine Ausnahme bei der üblicherweise fehlenden Strukturierung bilden die "Hammerskins", die sich im Grenzbereich zwischen subkulturellem Rechtsextremismus und der Neonaziszene bewegen. Sie sind ähnlich einer Rockergruppierung hierarchisch organisiert und nehmen nur ausgesuchte Mitglieder auf. Allerdings sind sie nicht an einer politischen Außenwirkung interessiert. Sie spielen 28 jedoch bei der Organisation von rechtsextremistischen Konzerten und dem internen Zusammenhalt der Szene eine nicht zu unterschätzende Rolle. Sorge bereiten aktuell zu beobachtende Verbindungen der rechtsextremistischen Szene in das Rockermilieu. So gehören dem Stralsunder Rockerclub "HUSKARLAR MC" 11 mehrere Personen an, die auch in der rechtsextremistischen Szene aktiv sind. Das Clubhaus in Stralsund diente bereits als Veranstaltungsort mindestens eines rechtsextremistischen Konzertes. 2 7 1 Rechtsextremistische Musikveranstaltungen Im Jahr 2016 fanden in Mecklenburg-Vorpommern zehn rechtsextremistische Konzerte mit Live-Auftritten statt (2015: 7). Liederabende wurden wie bereits im Jahr 2015 nicht festgestellt. Drei Veranstaltungen konnten im Vorfeld verhindert werden (2015: 2). 12 Somit ist erstmalig seit 2013 wieder ein leichter Anstieg der rechtsextremistischen Konzerte zu verzeichnen. Für die Durchführung von Musikveranstaltungen ist die Möglichkeit der Nutzung szeneeigener Objekte weiterhin von hoher Bedeutung, da sie dort weitgehend abgeschottet von der Öffentlichkeit stattfinden können. So wurden die besucherstärksten Konzerte auch 2016 auf dem Grundstück eines bekannten NPD-Funktionärs in Salchow im Landkreis Vorpommern-Greifswald durchgeführt, darunter das landesweit größte Konzert am 9. April 2016 mit 290 Teilnehmern und das Konzert am 29. Oktober 2016 mit 150 Teilnehmern. Auch das "Thinghaus" in Grevesmühlen ist weiterhin Austragungsort für Konzerte. Dort liegt jedoch eine behördliche Nutzungsbeschränkung vor, die nur eine begrenzte Teilnehmerzahl zulässt. Am 3. September 2016 kam es hier zu einem vorab beim Ord11 Der Name "Huskarlar" stammt offenbar aus dem Altnordischen und setzt sich aus den Elementen "hus" (Hausstand) und "karl" (freier, waffenfähiger Mann) zusammen. Huscarls (von altnordisch huskarlar; auch Huskarl) waren Krieger der persönlichen Leibgarde von skandinavischen Adligen und Königen. Insoweit ist hier eine für Rechtsextremisten typische Bezugnahme auf die nordische Mythologie erkennbar. 12 Das LKA M-V weist in seiner Statistik zusätzlich 10 Szenepartys (2015: 17) ohne Livemusik und vier sonstige Musikveranstaltungen aus. 29 nungsamt Grevesmühlen angemeldeten Konzert mit ca. 100 Teilnehmern unter Beteiligung verschiedener rechtsextremistischer Bands. Einem vom "Thinghaus" geteilten Facebook-Eintrag der rechtsextremistischen Gruppe "Gefangenenhilfe Freundeskreis" zufolge soll es im Verlauf der Veranstaltung zu Solidaritätsbekundungen für den Angeklagten im NSU-Prozess Ralf Wohlleben gekommen sein.13 Die Besucherzahl lag bei den übrigen Veranstaltungen zwischen 50 und 120 Teilnehmern und damit leicht unter der des Vorjahres. Zur Durchführung größerer Konzerte weicht die bundesdeutsche Szene regelmäßig in das Ausland aus. So fand am 15. Oktober 2016 in der Schweiz mit über 5.000 Teilnehmern eines der größten rechtsextremistischen Konzerte der letzten Jahre in Europa statt. Für die konspirative und hochprofessionelle Organisation zeichneten deutsche Rechtsextremisten verantwortlich, die jedoch nicht aus Mecklenburg-Vorpommern stammen. Von einer Teilnahme hiesiger Rechtsextremisten ist jedoch auszugehen. 13 Facebook-Seite des "Thinghauses" vom 06.09.2016, abgerufen am 04.10.2016 30 1KantaNirtepa1Krsonzert | 2MReucshik0tvxra1nesmtil6ucghen Skalnger, ofHaMSchoi ktsearl derWS:etrmg ltuneg, "KLV=OiAeRaPNbpSdMDlWeaKnetERlFiAfrgeiHsa-reIsÜgS'Niech ten MiRecukhlntsnbixrg-eVmaopsntidcher ][Threima a UGnageSPsbwtaeiSlBkn,atuiinlalgr,n [Du . a LFofRPesaitnhce, AMOKASMGlECKNLeFDFMLUAEBrEWhcMIGAShRDLUGaETKTa-IAnPSNRCHIEEHM RLAOSDTEORCIKE IELEHEYn NO R ÜD W M u E T A H - m G R L E F AN D GScehrlmachn$ekiirual,mobetn r -- Füm ernklang, In Mecklenburg-Vorpommern sind gegenwärtig 10 rechtsextremistische Bands bekannt, die mehr oder weniger regelmäßig öffentliche Auftritte im In-und Ausland absolvieren. Zu den bekanntesten zählen "Path of Resistance", "Painful Awakening", "Thrima" und die "Liebenfels Kapelle"/"Skalinger". Die Auftritte im Ausland haben auch 2016 Verbindungen zur internationalen und in Deutschland seit 2000 verbotenen "Blood and Honour"Bewegung (B&H) aufgezeigt. So war die Band "Thrima" aus Niepars auf einem Flyer für ein "B&H"-Konzert in Frankreich am 11. Juni 2016 ange14 kündigt worden. Auf ihren Facebookprofilen erinnern die Bands zudem regelmäßig an den Todestag (23. September 1993) des Gründers der "Blood und Honour"-Bewegung Ian Stuart Donaldson. Offenbar über rassistisch definierte ideologische Grenzen hinweg, findet das rechtsextremistische Konzertgeschehen unter Beteiligung hiesiger Bands auch in Osteuropa statt. Die Band "Ungebetene Gäs15 te" veröffentlichte in diesem Zusammenhang einen Flyer, der auf einen Auftritt bei einem Konzert am 8. Oktober 2016 zusammen mit "Painful Awakening" in der Tschechischen Republik hinweist. 14 Facebook-Seite der Band "H8Machine" vom 29.02.2016, abgerufen am 08.02.2017 15 Facebook-Seite der Band "Ungebetene Gäste" vom 08.09.2016, abgerufen am 08.02.2017 33 Rechtsextremistische Musik ist weiterhin von einer Gewaltorientierung und einer deutlichen Nähe zum Nationalsozialismus geprägt. Ein Beispiel ist die 2016 nach bisherigem Kenntnisstand nicht durch öffentliche Auftritte in Erscheinung getretene Band "Bataillon 500". Sie veröffentlichte Ende 2015 eine CD 16 mit dem Titel "Im Herzen treu", die auf Veranlassung der Polizei Brandenburg im Februar 2016 von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien als schwer jugendgefährdend eingestuft wurde, da sie kriegsverherrlichend ist und sich gegen die Gedanken der Völkerverständigung richtet. Neben den einschlägigen Bands sind auch immer wieder Bandprojekte zu beobachten, wie z. B. das im Verfassungsschutzbericht 2014 bereits erwähnte Projekt "Ahnenblut" mit Beteiligung von Musikern aus Mecklenburg-Vorpommern. Neben den Bands und Bandprojekten treten bei rechtsextremistischen Veranstaltungen im größeren oder kleineren Rahmen auch Liedermacher auf, wie etwa "Volkshammer" aus Schwerin oder ein Rechtsextremist aus dem Raum Grevesmühlen, der unter dem Namen "F.i.e.L." ("Fremde im eigenen Land") 2016 bei mehreren Veranstaltungen bundesweit in Erscheinung getreten ist. Gelegentlich gibt er auch Gastspiele in einem gleichnamigen Bandrahmen. 17 16 Internetseite "hammerstorm", abgerufen am am 10.02.2017 17 Facebook-Seite "FieL-Fremde im eigenen Land", abgerufen am 08.02.2017 34 2 7 2 Szeneläden/Versandhandel Der rechtsextremistische Versandhandel wurde auch 2016 weitgehend über das Internet abgewickelt, wie beispielsweise die Vertriebe "4uVinyl" und "Nordlicht-Gnoien-Weltnetzgeschäft" zeigen. Das Angebot reicht von szenetypischer Kleidung wie "T-Hemden" über Buttons, Aufkleber und Abwehr-Spray bis hin zu einem breiten Angebot an Musik-CDs. Die Orientierung am historischen Nationalsozialismus wird nicht nur anhand des Musikangebots deutlich: So hat "Nordlicht Gnoien" am 20. April 2016, dem Tag des Hitler-Geburtstages, 18 Prozent Rabatt auf Bekleidung gegeben. Die Zahl 18, d. h. der erste und achte Buchstabe des Alphabets, steht in der rechtsextremistischen Szene als Code bzw. Abkürzung für Adolf Hitler. Dazu hieß es "Alles Gute zum Geburtstag". 18 In Mecklenburg-Vorpommern hat das im letzten Jahresbericht erstmals erwähnte Anklamer Unternehmen "Leveler.Records" mit dem Musikproduktionslabel "Glaube, Wille, Tat" (GWT)19 an Bedeutung gewonnen. Eine besondere Nähe zeigt der Versandhandel zu den Bands "Thrima" und "Terrorsphära" aus Österreich. Die internationale Ausrichtung des Versandhandels zeigt sich auch an der angekündigten Teilnahme an dem bereits erwähnten Konzert am 11. Juni 2016 in Frankreich. 20 28 Neonationalsozialismus (Neonazismus) Die neonazistische Szene konnte sich stellenweise neu strukturieren sowie alte Strukturen, z. B. in Rostock, neu beleben. Aller18 Facebook-Seite "Nordlicht-Gnoien-Weltnetzgeschäft", abgerufen am 20.04.2016 19 Internetseite "Leveler.Records", abgerufen am 07.01.2016 20 Internetseite "Leveler.Records" vom 24.05.2016, abgerufen am 08.02.2017 35 dings ist die Szene in den sozialen Netzwerken weiterhin deutlich präsenter als auf der Straße. Insbesondere auf Facebook gibt es eine Vielzahl von Profilen, die der rechtsextremistischen Szene zuzurechnen sind und die auf lokale neonazistische Gruppierungen schließen lassen. Soweit sie gelöscht werden, werden sie in der Regel nach kurzer Zeit wieder neu angelegt. Im Berichtszeitraum war auffällig, dass in den sozialen Netzwerken neben der rassistischen Propaganda auch verstärkt der Ruf nach Beseitigung des kapitalistischen Systems und die Errichtung eines "völkischen Sozialismus" laut wurde. 21 Damit knüpfen Teile der hiesigen Neonaziszene offenbar erneut an die "Kampfgemeinschaft Revolutionärer Nationalsozialisten" an, die den sozialistischen Flügel der nationalsozialistischen Bewegung bildete und die sich im Konflikt mit den politischen Vorstellungen Hitlers von der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei" (NSDAP) abspaltete. Zugleich war damit der Versuch verbunden, Brücken zwischen "rechts" und links" zu schlagen.22 In diesem Zusammenhang ist daher sehr bemerkenswert, dass die "Müritzfunken" Rudi Dutschke (1940-1979) als seinerzeit prominenten Vertreter der politischen Linken mit den Worten zitieren: "Revolution ist nicht ein kurzer Akt, wo mal irgendwas geschieht und dann ist alles anders. Revolution ist ein langer komplizierter Prozess, wo der Mensch anders werden muss." 23 21 Facebook-Seite "Müritzfunken" vom 14.04.2016, abgerufen am 20.10.2016 22 vgl. hierzu Moreau, Patrick: Nationalsozialismus von links. Die "Kampfgemeinschaft Revolutionärer Nationalsozialisten" und die "Schwarze Front" Otto Straßers 1939-1935, Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1985 23 Facebook-Seite "Müritzfunken" vom 14.04.2016, abgerufen am 20.10.2016 36 Dies zeigt zum einen eine geistige Nähe dieser neonationalsozialistischen Gruppierung zu politischen Überlegungen des linken Spektrums und zum anderen die eigene Einschätzung, dass noch ein langer Weg bis zu einer "Nationalen Revolution" zurückzulegen ist. Ob und inwieweit diese Wanderung zwischen den ideologischen Welten auf Dauer Einfluss auf die Entwicklung des Neonationalsozialismus im Land hat, bleibt abzuwarten, sind doch die hiesigen Neonazis eher Anhänger des "Führers". Darüber hinaus sind folgende regionale Entwicklungen hervorzuheben: In der Hansestadt Rostock versuchte die neonazistische Szene nach einer Phase der Stagnation offenbar eine Wiederbelebung ehemals vorhandener Strukturen. Deutlich wurde dies an wieder zunehmenden Aktivitäten der "Nationalen Sozialisten Rostock", die mehrere Flugblätter zu den Themen "Völkischer Sozialismus" oder gegen Zuwanderer verteilten und szeneinterne Veranstaltungen durchführten. Im Aufruf zu einer Schulungsveranstaltung am 29. Oktober 2016 hieß es u. a. "Weil: ...der Knast kacke ist ... der Knast vermeidbar ist." , was die Bereitschaft impliziert, dass die Gruppe auch vor der Begehung von Straftaten, die regelmäßig mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden, nicht zurückschreckt. 24 24 Facebook-Seite "Aktionsblog" vom 19.10.2016, abgerufen am 20.10.2016 37 Auch wurde zunehmend wieder die Konfrontation mit dem politischen Gegner gesucht. So posierten offenbar am 18. Dezember 2016 ca. 15 Personen vor dem "Cafe Median" und verbrannten eine "Antifa"-Fahne. Einige Tage später wurde ein entsprechendes Bild veröffentlicht. 25 Die Gruppe betrieb mindestens drei verschiedene Facebook-Profile, auf denen über diese Veranstaltungen berichtet wurde und weltanschauliche Texte sowie die verteilten Flugblätter veröffentlicht wurden. Wurden einzelne Profile durch Facebook gelöscht, sind sie in der Regel kurz darauf wieder neu angelegt worden. Die "Rostocker Division" pflegte weiterhin ein Facebook-Profil und beteiligte sich regelmäßig an rechtsextremistischen Demonstrationen im Land. Vereinzelt führte die Gruppe auch Plakatierungen in Rostock durch. Mitte des Jahres kam es in Rostock Groß-Klein zu einer über mehrere Tage anhaltenden "Belagerung" einer Begegnungsstätte für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Diese hatte ihren Ausgangspunkt in der Verbreitung von angeblichen Problemen und Vorkommnissen im Stadtteil auf einschlägigen Facebookseiten der Szene. Insbesondere die "Patrioten Rostock/Rügen/Stralsund" stellten entsprechende Beiträge ein. 25 Facebook-Seite "Aktionsblog" vom 22.12. 2016, abgerufen am 23.12.2016 38 26 Im Raum Waren (Müritz) haben die Aktivitäten der neonazistischen Szene im Jahr 2016 weiter zugenommen, sowohl hinsichtlich der demonstrativen Aktivitäten auf der Straße als auch bezüglich der Verbreitung von Propaganda in den sozialen Netzwerken. In Waren (Müritz) hat sich rund um das Wohnobjekt der NPD-Stadtvertreterin Doris Zutt ein Schwerpunkt rechtsextremistischer Aktivitäten entwickelt, wobei die dortige Szene aufgrund interner Streitereien und Rivalitäten zersplittert ist und eine Reihe von teils konkurrierenden, jeweils nur wenige Personen umfassenden Gruppierungen hervorgebracht hat. Auch bestehen offenbar Differenzen zu Funktionären des NPD-Landesverbandes, die sich an Demonstrationen in Waren (Müritz) wiederholt nicht beteiligt haben. Zutt wiederum hatte bei der Wahl der Landesliste der NPD für die Landtagswahl 2016 lediglich den mehr als aussichtslosen letzten Listenplatz erhalten. Anders als in anderen Regionen des Landes war allerdings das schlechte Wahlergebnis der NPD hier nicht mit einem Rückgang der rechtsextremistischen Aktivitäten verbunden. Die NPD-Stadtvertreterin arbeitet bereits seit mehreren Jahren offen mit der örtlichen neonazistischen Szene zusammen und agiert dabei mehr oder weniger losgelöst von sonstigen NPD-Strukturen. Die NPD-Stadtvertreterin Doris Zutt trat bei ihren Aktivitäten nicht nur im Namen der NPD, sondern auch für den Verein "Deutschland muss leben e. V." sowie die "Nationalen Aktivisten MuP" auf. 26 Facebook-Seite " Patrioten Rostock/Rügen/Stralsund" vom 07.05.2016, abgerufen am 28.12.2016 39 Am 16. Juli 2016 fand eine u. a. von Doris Zutt organisierte Demonstration unter dem Motto "Gemeinsam gegen den linken Terror!" mit ca. 100 Teilnehmern in Waren (Müritz) statt, darunter die neonazistischen Gruppierungen "Nationale Sozialisten Stralsund", "Freie Pommern", "Rostocker Division", "Nationale Sozialisten Waren", "Freie Kräfte Parchim", "Deutschland muss leben e. V.", "Dachverband Deutschland wehrt sich" sowie die "Aktionsgruppe Freundeskreis MuP". Zudem waren Personen aus Hamburg, Sachsen und Thüringen angereist. Als Redner traten u. a. der Europaabgeordnete der NPD Udo Voigt sowie die RNF-Bundesvorsitzende Ricarda Riefling auf. Die Abwesenheit des NPD-Landesverbandes sei - so hieß es auf der Facebook-Seite der "Aktionsgruppe Freundeskreis MuP" am 18. Juli 2016 - für die Organisatoren allerdings "wahrlich ernüchternd" gewesen. "Anti-Antifa"-Aktivitäten waren offenbar nicht Bestandteil der Wahlkampfstrategie der NPD-Führung. Am 1. Oktober 2016 fand in Waren (Müritz) eine Demonstration unter dem Motto "Heimat und Tradition bewahren" mit etwa 70 Teilnehmern statt. Demonstranten und Gegendemonstranten beleidigten und provozierten sich im Verlauf der Veranstaltung mehrmals gegenseitig. Auch die anwesenden Polizeikräfte wurden durch die Veranstaltungsteilnehmer beleidigt. Die Forderung "Todesstrafe für Kinderschänder" wurde ebenfalls erneut aufgegriffen. Bei mehreren Kundgebungen "Gegen Kinderschänder und Kindesmissbrauch" am 29. Oktober, 5. November und 19. November 2016 in Malchow, Lalendorf und Waren (Müritz) mit bis zu 20 Teilnehmern war noch ein gemeinsames Wirken der "Nationalen Aktivisten MuP", denen u. a. die NPD-Stadtvertreterin Doris Zutt zugerechnet werden kann, gemeinsam mit dem "Kollektiv Müritzfunken" und den "Nationalen Sozialisten Waren" feststellbar. 27 27 Facebook-Seite "Müritzfunken" vom 14. April 2016, abgerufen am 08.02.2017 40 Danach haben die "Nationalen Sozialisten Waren" auf ihre Distanzierung von der NPD-Stadtvertreterin Doris Zutt hingewiesen. Diese sei wegen "dummer Kommentare" auf der Seite blockiert worden. Der Bruch war auch daran zu erkennen, dass zum "Heldengedenken an zwei aufeinanderfolgenden Tagen zwei verschiedene Gedenkveranstaltungen" durchgeführt wurden, wobei sich die Verantwortlichen der einen nicht an der Veranstaltung der jeweils anderen Gruppierung beteiligten. In der Barlachstadt Güstrow und Umgebung konnte die neonazistische Szene im Berichtszeitraum ihr in den vergangenen Jahren gezeigtes Aktionsniveau nicht erreichen. Sie hat jedoch mit einigen Aktionen auf sich aufmerksam gemacht. Die 2016 erstmals in Erscheinung getretene "Aktionsgruppe Lalendorf" führte mehrere Propagandaaktionen aus Anlass des "Heldengedenkens" im November 2016 durch und zeigte dabei ihre eindeutig neonazistische Ausrichtung und ein damit verbundenes Bekenntnis zu Adolf Hitler. Ende des Jahres beteiligte sie sich zusammen mit Gleichgesinnten aus Waren und Güstrow an einer Mahnwache aus Anlass des islamistischen Anschlages auf den Berliner Weihnachtsmarkt. 28 28 Facebook-Seite "Aktionsgruppe Lalendorf" vom 02.12.2016, abgerufen am 28.12.2016 41 Ihrem bisherigen Hauptaktionsfeld treu bleibend mobilisierte die "Kameradschaft Güstrow" zum Ende des Jahres 2016 noch einmal für eine Demonstration gegen Asylbewerber. Daran beteiligten sich ca. 70 Personen, die ausweislich der mitgeführten Banner mehrheitlich der neonazistischen Szene zuzurechnen waren. 29 Darüber hinaus beteiligten sich Angehörige der örtlichen Szene augenscheinlich an der Aktion "Ein Volk hilft sich selbst" (s. o.), indem sie u. a. Spielzeug einsammelten. 30 Für die Vernetzung und den Zusammenhalt der Szene sind weiterhin örtliche Strukturen von Bedeutung. Sie weisen jedoch einen 29 Facebook-Seite der "Kameradschaft Güstrow" vom 23.11.2016, abgerufen am 28.12.2016 30 Facebook-Seite "Ein Volk hilft sich selbst / Mecklenburg-Vorpommern" vom 05.12.2016, abgerufen am 28.12.2106 42 unterschiedlichen Organisationsund Stabilitätsgrad auf. Zudem erfolgen - auch um Sperrungen in sozialen Netzwerken zu umgehen - nicht selten Umbenennungen, so dass eine namentliche Aufstellung derartiger Strukturen immer nur temporär Gültigkeit besitzt. Vor diesem Hintergrund sind für 2016 noch folgende Gruppierungen im neonazistischen Spektrum zu nennen: * "Freie Kameradschaft Wismar" * "Rostocker Widerstand" * "Initiative Vereint für Stralsund" * "Freies Kollektiv Parchim" * "Germanisches Bollwerk Mecklenburg" * "Kameradschaft Schwerin" * "Kameradschaft Bützow" * "Nationale Offensive Gnoien" * "Autonome Nationalisten Amt Goldberg-Mildenitz" * "Arischer Widerstandsbund" Altentreptow * "Nationale Sozialisten Pommern", Netzwerk "Freies Pommern" Ueckermünde * "Freie Kräfte Greifswald/Nationale Sozialisten Greifswald" * "Völkische Burschenschar Strasburg" * "Kameradschaftsbund Anklam" * "Kameradschaftsbund Bargischow" * "Aryan Warriors" Ueckermünde * "Kameradschaft Borken" * "Pommern Division" * "Nationales Bündnis Löcknitz" * "Aktionsgruppe Freundeskreis MuP" * "Dorfgemeinschaft Jamel" * "Freundeskreis Thinghaus". Um eine überregionale oder gar internationale Vernetzung bemühten sich insbesondere die folgenden Strukturen: * Der Verein "Deutschland muss leben" (DML) mit Sitz in Greifswald setzte seine Aktivitäten auch 2016 fort. Der Verein unterhielt dabei Kontakte zu verschiedenen rechtsextremistischen 43 Organisationen, z. B. der NPD oder der neonazistischen Szene in Waren (Müritz). Vertreter des Vereins nahmen bundesweit an Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene teil, so an einer Heldengedenkveranstaltung am 13. November 2016 im sächsischen Hoyerswerda. * Wie das Konzert am 3. September 2016 im "Thinghaus" zeigt, setzt die rechtsextremistische Hafthilfeorganisation "Gefangenenhilfe Freundeskreis" ihre Werbungsaktivitäten in der Szene fort. Allerdings sind daraus hierzulande bislang keine erkennbaren Strukturen erwachsen. Gleichwohl muss die Entwicklung dieser Gruppierung im Hinblick auf die erkennbare Sympathie für den Angeklagten im NSU-Prozess Ralf Wohlleben aufmerksam im Auge behalten werden. * Die Aktivitäten der "Europäische Aktion" (EA) waren 2016 zumindest in Mecklenburg-Vorpommern durch Stagnation gekennzeichnet. Ihr ist es bislang hierzulande nicht gelungen, funktionierende Strukturen zu schaffen. Damit wurde sie ihrem selbstgesetzten Anspruch, Motor einer europäischen Vernetzung der rechtsextremistischen Szene zu werden, nicht gerecht. Allerdings ließen Aussagen in Bezug auf die Flüchtlingskrise wie "Ansturm fremdvölkischer Zivilokkuppanten", "feindselige Invasion Raumfremder" und "systematisch abgewickelter Völkermord" keinen Zweifel an ihrer rassistischen Ausrichtung.31 Die Internetpräsenz wurde zudem im Dezember 2016 modernisiert. Die "Artgemeinschaft-Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e. V." (AG GGG), kurz "Artgemeinschaft", war auch im Jahr 2016 nicht vordergründig an einer öffentlichen Präsenz interessiert, setzte aber ihre Strategie der regionalen Einflussnahme mit Schwerpunkt im Raum Güstrow/Krakow fort. Die "Artgemeinschaft" versteht unter Religion nach eigenen Angaben "das Vertrauen auf unsere Kraft und unsere angestamm31 Facebook-Seite der "Europäischen Aktion" vom 13.12.2016, abgerufen am 03.05.2017 44 te Art, die Erhaltung unserer Art, Verehrung der Natur, ihrer Gesetze und unserer Eltern und Ahnen". Der Glaube nach Art der "Artgemeinschaft" meine die "Bewusstwerdung unseres eigenen, nordentstammten Wesens".32 Demgemäß wird die Aufnahme in die "Artgemeinschaft bei fehlenden "nordischen Abstammungsmerkmalen" abgelehnt. 2 8 1 Neonazistische Publikationen Die Bedeutung der bereits seit mehreren Jahren verteilten "Boten" als Schriftpublikationen ging weiter zugunsten einer Verbreitung von einschlägigen Informationen im Internet zurück. 2016 sind in Papierform nur folgende "Boten" in mindestens einer Ausgabe bekannt geworden: * "Der Usedomer Bote" * "Der Anklamer Bote" * "De Meckelbörger Bote" (Nordwestmecklenburg). Darüber hinaus wurde auch der von der "Interessengemeinschaft ,Schöneres Strasburg'" verantwortete "Strasburger Beobachter" herausgegeben, der 2016 besonders gegen Asylsuchende agitierte. 2 8 2 Neonazistische Veranstaltungen und Aktivitäten * "Tollensemarsch" der rechtsextremistischen Szene am 27 Februar 2016 in Neubrandenburg An dem seit dem Jahre 2004 alljährlichen stattfindenden "Tollensemarsch" nahmen am 27. Februar 2016 ca. 50 Rechtsextremisten teil (Teilnehmer 2014: ca. 70, Teilnehmer 2015: ca. 20). Wie bereits in den Vorjahren waren wiederum auch bekannte Rechtsextremisten aus anderen Bundesländern zu dem als Sportveranstaltung deklarierten Marsch angereist. 32 Internetseite des "Thule Seminars", abgerufen am 03.05.2017 45 * Neonazistische Aktionen zum 8 Mai Auch 2016 veranstaltete die rechtsextremistische Szene am 8. Mai in Demmin ihren traditionellen "Trauermarsch" zum Jahrestag der deutschen Kapitulation 1945 und dem damit einhergehenden Ende des nationalsozialistischen Regimes. Angemeldet wurde die Veranstaltung mit ca. 200 Teilnehmern wieder von einem Mitglied des NPD-Landesvorstandes Mecklenburg-Vorpommern, als Privatperson. * "Aktion Schwarze Kreuze" am 13 Juli 2016 Zum inzwischen dritten Mal führte die rechtsextremistische Szene am 13. Juli 2016 bundesweit die "Aktion Schwarze Kreuze" zum Gedenken an "Deutsche Opfer von Ausländergewalt" durch. Dazu stellten Rechtsextremisten an verschiedenen Orten im Land schwarze Holzkreuze mit verschiedenen Aufschriften z. B. "Für deutsche Opfer" oder "7500 Opfer durch Migranten" auf. Die Aktionsorte konzentrierten sich dabei auf den westlichen und mittleren Teil des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Über eine Beteiligung an der Aktion berichtete beispielsweise der asylfeindliche Facebook-Auftritt "BWS - Bützow wehrt sich". Insgesamt ging die Resonanz jedoch deutlich zurück. * Aktionen zum Todestag von Rudolf Heß am 17 August Zum Gedenken an den Todestag von Rudolf Heß wurden im Jahr 2016 keine Aktionen festgestellt, was den Rückgang der Bedeutung dieses Tages innerhalb der rechtsextremistischen Szene verdeutlichte. Allerdings wurde im Rahmen anderer Anlässe auf Heß verwiesen. So trug mindestens eines der im Juli aufgestellten schwarzen Kreuze die Aufschrift "Rudolf Heß 1894 - 1987". Erst am 4. Oktober 2016 wurde auf der Internetseite "Der Staatsstreich" ein Text "Zur Erinnerung an Rudolf Heß" veröffentlicht, in dem über Transparente, die am 17. August 2016 in Güstrow angebracht worden seien, berichtet wurde.33 33 Internetseite "Der Staatsstreich", "Zur Erinnerung an Rudolf Heß", vom 04.10.2016, abgerufen am 17.10.2016 46 * Heldengedenken" der rechtsextremistischen Szene Am Volkstrauertag 2016 führten Rechtsextremisten im ganzen Land dezentrale Aktionen durch. Am Theodor-Körner-Denkmal in Rosenow (Landkreis Nordwestmecklenburg) fand eine Veranstaltung mit ca. 50 Teilnehmern statt, auf der der ehemalige NPD-Fraktionsvorsitzende im Schweriner Landtag Udo Pastörs eine Rede hielt. In Rostock beteiligten sich Rechtsextremisten an der Gedenkveranstaltung der Stadt. In einem anschließend auf Facebook veröffentlichten Bericht nahm die Gruppe einen direkten Bezug zum Nationalsozialismus. Dort hieß es, dass "[sich] auch im anschließenden engeren Kreis [...] ein politischer Soldat [...] ein Gedicht" vortrug34. 34 Facebook-Seite "Aufklärungsblog", vom 13.11.2016, abgerufen am 21.11.2016; "Politischer Soldat" war die Selbstbezeichnung von SA-Angehörigen 47 29 Rechtsextremistische Parteien / "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD), Landesverband Mecklenburg-Vorpommern 35 Gründung 1990 Landesvorstand Stefan Köster (Landesvorsitzender) David Petereit (stellv. Landesvorsitzender) Enrico Hamisch (stellv. Landesvorsitzender) Stefan Suhr (Schatzmeister) Norman Runge (Landesorganisationsleiter) Michael Gielnik (Beisitzer) Tino Müller (Beisitzer) Marko Müller (Beisitzer) Alexander Wendt (Beisitzer) Udo Pastörs (Mitglied kraft Amtes bis 4. September 2016) Publikationen "Der Ordnungsruf" (soweit Ausgaben "Kurz & Knapp, Nachrichten aus der Eggesiner im Jahr 2016 veröfStadtvertretung" fentlicht wurden) "Kurz & Knapp, Nachrichten aus der Friedländer Stadtvertretung" "Blickpunkt VG - Mitteilungsblatt der NPD-Fraktion im Kreistag Vorpommern-Greifswald 35 Facebook-Seite des NPD-Landesverbandes: Titelbild vom 30.03.2016, abgerufen am 18.10.2016 48 Internet und Internetseite des NPD-Landesverbandes, der soziale Netzwerke NPD-Landtagsfraktion (letzter Eintrag: 15. August 2016) sowie der NPD-Fraktion Kaiserbäder Facebook-Seiten des NPD-Landesverbandes, der NPD-Landtagsfraktion, der Kreistagsfraktion Vorpommern-Greifswald, der NPD in der Bürgerschaft Rostock, der NPD-Kreisverbände Westmecklenburg, Mecklenburgische Seenplatte, Mecklenburg-Mitte und Nordvorpommern Kreisverbände NPD-Kreisverband Westmecklenburg NPD-Kreisverband Mecklenburgische Seenplatte NPD-Kreisverband Ostvorpommern-Greifswald NPD-Regionalverband Uecker-Randow NPD-Kreisverband Mecklenburg-Mitte NPD-Kreisverband Nordwestmecklenburg NPD-Kreisverband Nordvorpommern UnterJugendorganisation "Junge Nationaldemoorganisationen kraten" (JN) Frauenorganisation "Ring Nationaler Frauen" (RNF) Interessenvertretung für kommunale Mandatsträger "Kommunalpolitische Vereinigung" (KPV) ohne Aktivitäten in Mecklenburg Vorpommern 2 9 1 NPD-Verbotsverfahren Vom 1. bis zum 3. März 2016 fand vor dem Bundesverfassungsgericht die mündliche Verhandlung zum NPD-Verbotsantrag des Bundesrates statt. Dort sollte Beweis dazu geführt werden, dass * der Verbotsantrag den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Staatsfreiheit der NPD genügt, * die NPD verfassungsfeindliche Ziele verfolgt und 49 * darauf ausgeht, durch aktives und planvolles Handeln eine Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung herbeizuführen. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Folge am 17. Januar 2017 seine einstimmig ergangene Entscheidung verkündet, die NPD wegen fehlender Anhaltspunkte für eine erfolgreiche Durchsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele nicht zu verbieten.36 Allerdings ist das Gericht der Argumentation des Antragstellers in wesentlichen Teilen gefolgt. So hat es die Voraussetzungen für die Sicherstellung eines rechtsstaatlichen Verfahrens, hierzu gehört u.a. der Nachweis der Quellenfreiheit des vorgelegten Beweismaterials, als gegeben angesehen. Des Weiteren hat das Gericht die Programmatik der NPD als verfassungsfeindlich bewertet und auch festgestellt, dass die Partei planmäßig auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung hinarbeitet. Allerdings fehle es aber derzeit an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es möglich erscheinen lassen, dass das Handeln gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung zum Erfolg führt. Eine Durchsetzung des verfassungsfeindlichen politischen Konzepts der NPD mit parlamentarischen oder außerparlamentarischen demokratischen Mitteln erscheine ausgeschlossen. Die NPD verfüge weder über die Aussicht, bei Wahlen eigene Mehrheiten zu gewinnen noch über die Option, sich durch die Beteiligung an Koalitionen eigene Gestaltungsspielräume zu verschaffen. Auch durch die Beteiligung am Prozess der politischen Willensbildung bestehe wegen des eingeschränkten Mobilisierungsgrades und ihrer geringen Wirkkraft in die Gesellschaft in absehbarer Zeit keine Möglichkeit erfolgreicher Verfolgung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele. Die Präsenz der NPD und damit die vom Verhalten ihrer Mitglieder und Anhänger ausgehende einschüchternde Wirkung weise lediglich lokale oder - seltener - einige wenige regionale Schwerpunkte auf. Auf Einschüchterung 36 vgl. Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 17.01.2017, Az.: 2 BvB 1/13 50 und Bedrohung sowie den Aufbau von Gewaltpotentialen könne mit den Mitteln des präventiven Polizeirechts und des repressiven Strafrechts rechtzeitig und umfassend reagiert werden. 2 9 2 Aktivitäten der NPD M-V im Jahr 2016 Die Aktivitäten der NPD in Mecklenburg-Vorpommern waren im Jahr 2016 auf den Wahlkampf und den Versuch des erneuten Einzuges in den Landtag konzentriert. Im laufenden Wahlkampf gab es einen erkennbaren Schulterschluss zwischen der Partei und den "freien Kräften". Die extremistischen Bestrebungen der NPD gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung blieben trotz des laufenden Verbotsverfahrens auf unverändert hohem Niveau. Die Wahlniederlage am 4. September 2016 war allerdings mit einem deutlichen Rückgang der Aktivitäten verbunden. In einem "Sommerinterview" mit DS-TV hatte sich der NPD-Fraktionsvorsitzende Udo Pastörs als Spitzenkandidat der NPD zu den inhaltlichen Schwerpunkten im Wahlkampf sowie den Themen Brexit, Abgrenzung der NPD von der AfD, "Leistungen" der NPD-Landtagsfraktion in der vergangenen Legislaturperiode ("Weckfunktion"), das NPD-Verbotsverfahren sowie Möglichkeiten der Wahlkampfunterstützung geäußert.37 Die NPD sehe Deutschland als eine "Kulturnation", als eine "Abstammungsgemeinschaft". Selbstverständlich sei die NPD auch gegen den Euro und wolle raus aus der EU, aber politischer Auftrag der NPD sei derjenige des "Volkserhaltes" auf der "Grundlage deutscher Kultur und historisch gewachsener Strukturen in unserer Heimat". Es sei, so Pastörs, ein "Versäumnis, das einer verbrecherischen politischen Handlung gleich" käme, "wenn man über Nacht Milli37 Facebook-Seite von Udo Pastörs vom 30.06.2016, abgerufen am 01.07.2016 51 arden zur Verfügung hat und auftreibt und druckt und irgendwo herausholt, um Fremde, die zu hunderttausenden und Millionen in unser Land strömen, hervorragend finanziell und sozial auszustatten". Das sei eine gezielte Benachteiligung der einheimischen Bevölkerung, dies werde im Wahlkampf ein großer Schwerpunkt sein. Obwohl nach eigenen Angaben soziale Themen wie Familienförderung und konkrete Probleme der kleinen und mittelständischen Wirtschaft aufgegriffen werden sollten, stand die bereits vor einigen Jahren gestartete "Antiasylkampagne" erneut im Zentrum des Wahlkampfes. Damit setzte die NPD einen deutlichen Schwerpunkt im Bereich der fremdenfeindlich/völkischen Agitation und vertrat dabei unverändert ihr geschlossen rechtsextremistisches Weltbild, dessen ideologisches Kernelement die kompromisslos verfolgte Idee einer ethnisch homogenen "Volksgemeinschaft" ist. 2 9 3 Fortsetzung der "Antiasylkampagne" der NPD im Rahmen des Wahlkampfes der NPD in MecklenburgVorpommern Die seit dem Jahr 2014 im Vordergrund stehende Anti-Asyl-Agitation wurde seitens der NPD erneut als Vehikel genutzt, um ihre mit dem Menschenrechtsverständnis des Grundgesetzes in keiner Weise zu vereinbarenden biologistischen Ideologeme zu verbreiten und Migranten pauschal zu verunglimpfen. Im Berichtszeitraum haben die innenund außenpolitischen Entwicklungen, insbesondere die Terroranschläge in Paris, Nizza, Ansbach und Berlin, der anhaltende Flüchtlingsstrom sowie die Übergriffe in der Silvesternacht in Köln und anderen Städten den fremdenfeindlichen Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene weiteren Auftrieb gegeben. Wenig überraschend nutzte insbesondere die NPD die Ereignisse, um in aggressiver Weise ausländerfeindliche Stimmungen anzuheizen. Es wurde versucht zu errei52 chen, dass Flüchtlinge pauschal mit Terror und Gewalt assoziiert werden, wie die folgende Grafik zeigt 38 Die Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht 2016 in Köln und anderen Großstädten wurden von der NPD als Symbol für das "Versagen des Rechtsstaates beim Schutz des eigenen Volkes" auserkoren. Diese wurden als Bestätigung dafür missbraucht, dass Ängste vor "Überfremdung" berechtigt seien. Der NPD-Landesverband M-V bezeichnete die Übergriffe als "Offensive der 'Flüchtlings'-Vergewaltiger", die von Behörden und Presse vertuscht und verharmlost worden sei. Der NPD-Landesvorsitzende Stefan Köster hat mit Blick auf den "Kölner Exzess zur Jahreswende" von "multikrimineller Gesellschaft" gesprochen und ein Ende der Integrationspolitik gefordert, denn, so Köster: "Integration ist Völkermord".39 In einem Beitrag des NPD-Bundesverbandes über einen weiteren Übergriff am Leipziger Hauptbahnhof wurde der Bundeskanzlerin die Schuld für die Vorfälle zugewiesen: "Merkel hat deutsche Frauen durch ihre irre Willkommenspolitik für Hunderttausende kulturfrem38 Facebook-Seite von Udo Pastörs vom 25.07.2016, abgerufen am 23.12.2016 39 Internetseite des NPD-Landesverbandes: "Grenzen dicht - auch bei uns!" vom 08.01.2016, abgerufen am 08.01.2016 53 de Asyl-Schwindler zu Freiwild gemacht!" 40 Ein Plakat des NPD-Parteivorsitzenden Frank Franz trug in Anspielung auf die Verhaltensregeln der Oberbürgermeisterin Reker die Aufschrift "NPD ...wenn eine Armlänge nicht ausreicht".41 Zudem fanden sich Aufrufe zur Selbstjustiz, da die staatlichen Institutionen die Sicherheit des eigenen Volkes und die körperliche Unversehrtheit der Bürger nicht mehr gewährleisten würden. Da das Volk auf sich allein gestellt sei "bei der Abwehr plündernder und vergewaltigender Horden, die sich als 'Flüchtlinge' ausgeben", hat der NPD-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern/NPD-Kreisverband Ostvorpommern Hinweise zum Besitz und Mitführen von Reizstoffsprühgeräten (CS-Gas, Pfefferspray) sowie Gas/Schreckschusspistolen sowie zur Beantragung des Kleinen Waffenscheins gegeben. Beim Mitführen von Reizstoffsprühgeräten solle man immer sagen, man habe sie dabei, um Hunde abzuwehren. Gas/ Schreckschusspistolen seien eher zu empfehlen, "weil sie mehr Druck entwickeln, so dass sie auch bei ungünstigen Windverhältnissen Wirkung zeigen." Es wurde der Wunsch geäußert, dass sich möglichst viele Bürger auf diese Weise bewaffnen, dann werde "Politikern wie Caffier vielleicht klar, dass es mit dem Personalabbau bei der Polizei nicht so weitergehen kann".42 Der NPD-Landesverband sprach zudem davon, dass "besonders gewalttätige Fremde in der Silvesternacht in vielen Städten bereits die Macht übernommen und ein Terrorregime errichtet" hätten. Zum Stoppen von illegaler Einwanderung wurde eine "allgemeine Grenzschutzpflicht", vergleichbar mit der früheren allgemeinen Wehrpflicht, für alle Männer von 18 bis 45 Jahren gefordert. Zudem sollen nach dem Willen der NPD entlang der "am meisten bedrohten Grenzen" zu Österreich und Tschechien "über 1.600 Kilometer hinweg hohe, massive Zäune" errichtet werden. Die Grenzschützer 40 Facebook-Seite des NPD-Landesverbandes: "NPD-Landesverband MuP hat NPD - Die soziale Heimatparteis Beitrag geteilt" vom 11.01.2016, abgerufen am 12.01.2016 41 Facebook-Seite von Stefan Köster; "Stefan Köster hat NPD - Die soziale Heimatparteis Foto geteilt" vom 10.01.2016, abgerufen am 12.01.2016 42 Internetseite des NPD-Landesverbandes: "Selbstschutz in Zeiten der 'Flüchtlings'-Lawine: Kleinen Waffenschein beantragen!" vom 13.01.2016, abgerufen am 14.01.2016 54 sollen bewaffnet werden und Gummiknüppel, Gummigeschosse, Tränengas, Hunde und an ausgewählten Orten auch Wasserwerfer einsetzen. In Notwehr müsse scharf geschossen werden.43 Es wurde auch vorgeschlagen, "zum Schutz des deutschen Volkes auf die in der DDR verwendete Technologie zurückzugreifen [...] Stacheldraht-, Stolperdrahtund Netzsperren, Scheinwerferanlagen, optische und akustische Signalstationen, Postensignalgeräte, Strom führende Zäune, Hundelaufanlagen mit Wachund Fährtenhunden, Beobachtungstürme und Führungsstellen". 44 Weitere fremdenfeindlich motivierte Äußerungen und Veröffentlichungen sollten ebenfalls dazu dienen, auf eine vermeintliche Gefahr für das "deutsche Volk" durch "Überfremdung" hinzuweisen. Die Agitation gegen Flüchtlinge und den Islam wurde auch dafür verwendet, den Rücktritt von verantwortlichen Politikern zu fordern * Der NPD-Fraktionsvorsitzende Udo Pastörs hat im Rahmen seiner Stellungnahme zum Mord an zehn Deutschen in der Türkei dem "Umvolkungsprogramm" den politischen Kampf angesagt und zum Widerstand gegen Überfremdung aufgerufen, "zur Selbstverteidigung und damit zur Selbstbehauptung". Die europäischen Nationen wurden darüber hinaus aufgefordert, "ihre Peiniger aus ihren Ämtern zu jagen".45 * Der NPD-Landesverband berichtete über gewaltsame Übergriffe von Flüchtlingen auf "deutsche Bürger" bei der Lebensmittelausgabe der Tafel in Crivitz, auf die zu spät reagiert worden sei. In diesem Zusammenhang sei es gerechter, "Caffier 43 Internetseite des NPD-Landesverbandes: "Illegale Einwanderung stoppen: Allgemeine Grenzschutzpflicht einführen" vom 01.02.2016, abgerufen am 02.02.2016 44 Internetseite des NPD-Landesverbandes: "Natürlich kann Deutschland einen vernünftigen Grenzzaun bauen" vom 16.02.2016, abgerufen am 23.02.2016 45 Facebook-Seite von Udo Pastörs: "Mord an 10 Deutschen in der Türkei" vom 13.01.2016, abgerufen am 19.01.2016 55 und Sellering aus den Ämtern zu fegen" als einen Polizisten zu versetzen.46 * Im Lichte aktueller Entwicklungen verschärfte die NPD ihre Agitation gegen die Zuwanderungspolitik der Bundesrepublik jeweils deutlich. Nach dem Anschlag eines Syrers am 25. Juli 2016 in Ansbach war auf der Facebookseite des Landesverbandes der NPD ein Foto zum bisherigen Anschlagsgeschehen eingestellt, mit dem unter der Überschrift "DER TERROR IST LÄNGST IN DEUTSCHLAND ANGEKOMMEN" die Bundeskanzlerin diskreditiert werden sollte.47 * Bereits kurz nach den ersten Presseberichten über den terroristischen Anschlag am Abend des 19. Dezember 2016 in Berlin reagierte die rechtsextremistische Szene auf Facebook. In einer Stellungnahme des NPD-Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern wurden die Vorfälle des Mordes an einer Freiburger Studentin durch einen Flüchtling sowie die aktuellen Geschehnisse in Berlin zusammengefasst. "Merkels Rechtsbrüche" (Aussetzung des Dublin-III-Abkommens) hätten diese Verbrechen begünstigt. Es sei "eine Schande, dass diese Frau noch Bundeskanzlerin ist". 48 46 Internetseite des NPD-Landesverbandes: "Asylantenprügel für Deutsche in Crivitz - ein Einzelfall?" vom 15.05.2016, abgerufen am 17.05.2016 47 Facebook-Seite NPD-Landesverband MuP, abgerufen am 25.07.2016 48 Internetseite des NPD-Landesverbandes: "Merkels Rechtsbrüche ebnen Mördern und Terroristen den Weg" vom 20.12.2016, abgerufen am 20.12.2016 56 Die NPD zeigte noch kurz vor Beginn der mündlichen Verhandlung im NPD-Verbotsverfahren deutlich ihre Absicht, mit Hilfe ihrer "Antiasylkampagne" einen "Systemwechsel" herbeizuführen. Der NPD-Parteivorsitzende Frank Franz wandte sich mit bundesweitem Schreiben vom 15. Februar 2016 u. a. an das Polizeirevier Friedland mit einem Aufruf "an jede/n Angehörige/n deutscher Sicherheitsbehörden und Streitkräfte". In dem Schreiben ist von der "Duldung eines gigantischen Missbrauchs unseres Asylrechts", einem "Volksaustausch" sowie "die Abwicklung unserer Eigenstaatlichkeit durch den souveränitätsfeindlichen EU-Integrationsprozess" die Rede, die Tagespolitik würde sich von den Grundlagen der staatlichen Ordnung entfernen. Erstmals in der Geschichte der Republik sei überhaupt eine Situation denkbar, dass sich Bürger auf Artikel 20 Abs. 4 des Grundgesetzes berufen könnten. Die Sicherheitskräfte wurden indirekt aufgefordert, sich dem "Widerstandsrecht" anzuschließen und sich gegen den Staat und den eigenen Dienstherrn zu stellen. Mit den Worten "NPD verteilt CS-Gas!" kündigte die NPD auf ihrer Internetseite und in sozialen Medien eine "bundesweite Verteilaktion" von CS-Gas im Dezember 2016 an. Sie werde das CS-Gas vom 12. bis 18. Dezember 2016 "in größeren Stückzahlen bundesweit vor allem an Frauen" verteilen. Frank Franz begründete in einer Pressemitteilung diese Aktion mit dem "Versagen des Rechtsstaats beim Schutz des eigenen Volkes". Franz verwies auf Ausländerkriminalität und beklagte, dass Deutschland zum Paradies für "kriminelle Fremde" geworden sei. Letzteres knüpfte an die in der Ideologie der Partei fest verankerte Unterscheidung zwischen dem Fremden und dem ethnisch Deutschen an. 2 9 4 Islambzw Muslimenfeindlichkeit in der NPD Die Agitation gegen die Religion des Islam bzw. Muslime stand lange Zeit nicht im Fokus der NPD im Land. Der Kampf gegen die "Überfremdung" betraf zunächst alle Minderheiten, die nach Auffassung der NPD nicht zur "Volksgemeinschaft" gehören. Allerdings fanden sich auch bei der NPD im Jahr 2016 vermehrte Warnungen vor "Islamisierung" sowie eine pauschale Verunglimpfung von Muslimen: 57 * Der NPD-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern hat einen Presseartikel über eine kleine radikale Gruppe, die seit Wochen versuche, das "Kommando" in der Moschee in der Erich-Schlesinger-Straße in Rostock zu übernehmen und bereits an gewaltsamen Auseinandersetzungen beteiligt war, in Facebook geteilt und zum Anlass genommen vor der "schleichenden Islamisierung Europas" zu warnen. Zu dem Beitrag fanden sich Kommentare wie "Wir brauchen keine Moscheen oder den scheiß Islam, die sollen dorthin gehen wo sie herkommen dieses Pack!".49 * Der NPD-Kreisverband Nordvorpommern, der mit seinem Kreisvorsitzenden und Stralsunder NPD-Bürgerschaftsmitglied Dirk Arendt als einziger Kreisverband der NPD im Land nach der Landtagswahl noch wahrnehmbare politische Aktivitäten entfaltete, hatte Gerüchte über die Einrichtung einer Moschee im Zentrum der Hansestadt Stralsund aufgegriffen. Der NPD-Kreisverband werde sich weiter diesem überaus wichtigen Thema annehmen und dem "Bau bzw. der Einrichtung einer Moschee im Herzen Stralsunds entschieden entgegenwirken. Parlamentarisch und demonstrativ!". 50 49 Facebook-Seite des NPD-Landesverbandes vom 31.05.2016, abgerufen am 01.06.2016 50 Facebook-Seite des NPD-Kreisverbandes Nordvorpommern vom 21.11.2016, abgerufen am 22.11.2016 58 2 9 5 Einzelsachverhalte zum Wahlkampf der NPD / JN für die Landtagswahl 2016 Da der Landtagswahlkampf für die Gesamtpartei von zentraler Bedeutung war, wurde er mit einem entsprechend hohen Aufwand und bundesweiter Unterstützung geführt. Im Rahmen einer landesweiten Plakatund Materialverteilungskampagne war Udo Pastörs als Spitzenkandidat besonders hervorgehoben worden. Unter seiner Leitung wurden während der Kundgebungstour zahlreiche Infostände durchgeführt, bei denen Pastörs und zumeist auch der Bundesvorsitzende der NPD Frank Franz als Redner auftraten. Zum Einsatz kamen ein Lautsprecherfahrzeug, ein Infomobil sowie eigens für den Wahlkampf präparierte "Wahlkampffahrräder". Ihrem politischen Gegner näherte sich die Partei provokativ, indem sie Bundespolitiker bei ihren Besuchen im Land direkt propagandistisch attackierte. Im Zentrum der Agitation standen die Begriffe "Volk und Heimat", die die gesamte Wahlwerbung durchzogen und für deren "konsequenten Erhalt" Udo Pastörs in einem Radiospot warb. Dieser Programmatik folgend setzte die NPD einen deutlichen Schwerpunkt im Bereich der fremdenfeindlichen völkischen Agitation. Im Einzelnen: Die NPD hatte nach eigener Aussage in einigen Städten und Ämtern, vor allem im Landkreis Ludwigslust-Parchim, bereits drei Monate vor dem Wahltag die Genehmigung für sogenannte Wahlsichtwerbung erhalten und damit begonnen, Wahlplakate aufzuhängen. Nachdem Plakate der NPD in einigen Gemeinden von offizieller Seite wieder entfernt worden waren, hat die NPD erfolgreich vor dem Verwaltungsgericht Schwerin geklagt und einen Amtsvorsteher mit Gerichtsbeschluss verpflichtet, die Plakate wieder an den ursprünglichen Standorten anzubringen. 59 Im Verlauf des Wahlkampfes führte die Partei landesweit etwa 70 Infostände durch, die unter dem Motto "Für Volk und Heimat" standen. Am 20. August 2016 war Udo Pastörs zudem an einer symbolischen Sperrung des Büros der Arbeiterwohlfahrt in Güstrow beteiligt, um auf die "AWO-Affäre" aufmerksam zu machen. Außerdem hat er sich in Güstrow auf dem NPD-Wahlkampffahrrad gezeigt. Beim Tag der offenen Tür im Schweriner Landtag am 19. Juni 2016 nutzte die NPD-Landtagsfraktion zum letzten Mal die Möglichkeit, Besucher zu empfangen und Werbematerial zu verteilen. An einer rund zweistündigen Podiumsdiskussion in den Fraktionsräumen nahm neben den NPD-Landtagsabgeordneten erneut auch der NPD-Parteivorsitzende aus dem Saarland Frank Franz teil. Pastörs zeigte sich in einem kurzen Fazit in einem Internetvideo über die "Vielzahl interessierter Besucher" und die Stimmung zufrieden.51 Der Umstand, dass im "Programm" der "Schweriner Volkszeitung" alle Landtagsfraktionen mit Ausnahme der NPD-Fraktion genannt worden waren, kommentierte der NPD-Landesvorsitzende Köster auf seiner Facebook-Seite mit den Worten "Abteilung Lügenpresse" 52. Der NPD-Landesverband rief mit Blick auf die einbehaltene Parteienfinanzierung öffentlich zu Spenden für den Landtagswahlkampf auf. Jeder Spender, der dem Landesverband mindestens 123 EUR - der Betrag nimmt Bezug auf das Motto den Spendenaufrufs: "1-2-3 - Wieder mit dabei" - als Spende zukommen lasse, erhalte eine Münze mit dem Leitspruch des Wahlkampfes "Für Volk und Heimat" als Prägung. Mit einer Spende von 250 EUR könne man Pate für einen Großaufsteller werden.53 51 www.youtube.com: "Erfolgreicher 'Tag des offenen Schlosses' für die NPD-Fraktion" vom 21.06.2016, abgerufen am 21.06.2016 52 Facebook-Seite von Stefan Köster vom 20.06.2016, abgerufen am 21.06.2016 53 Internetseite des NPD-Landesverbandes: "Helfen Sie mit - Unterstützen Sie unseren Landtagswahlkampf für Volk und Heimat!" vom 07.07.2016, abgerufen am 07.07.2016 60 * Landesweit wurden ca. 60.000 NPD-Wahlplakate verteilt und angebracht. Es wurden ca. 200 genehmigte Großaufsteller aufgestellt. Ein Großflächenmotiv der NPD mit der Aufschrift "Touristen willkommen! Asylbetrüger und Islamisten abschieben" sprach anstelle von Refugees von "Rapefugees". Beim Polizeihauptrevier Schwerin wurde am 29. Juli 2016 Strafanzeige wegen eines Wahlplakates der NPD mit dem Aufdruck "Familien brauchen Sicherheit - Keine Rapefugees" erstattet. Die Staatsanwaltschaft Schwerin kam am 15. August 2016 zu dem Ergebnis, dass eine strafrechtliche Relevanz nicht besteht. * Der zentrale Wahlwerbespot der NPD zur Landtagswahl 2016, der auch im NDR-Fernsehen ausgestrahlt wurde ("Wahlfilm MV 2016 - Für Volk und Heimat")54, war im Einstieg deutlich aggressiver als der Wahlfilm des Wahljahres 2011. Darin wurde eine Frau gezeigt, die von Männern in Kapuzenshirts mit der Aufschrift "Rapefugee" beobachtet und verfolgt wird. Bei Einblendung des Wortes "Notwehr" nahm sie eine Schusswaffe aus ihrer Handtasche. Danach ertönte ein Schuss. Aufgrund des Videos ermittelte die Staatsanwaltschaft Neubrandenburg wegen des Verdachts einer Straftat gemäß SS 130 StGB. Die Frau wurde dargestellt von DS-TV-Moderatorin Emma Stabel, die unter diesem Pseudonym regelmäßig in NPD-Medien in Erscheinung tritt. * Pastörs führte am 29. Juli 2016 in Boizenburg beim Besuch des Bundesaußenministers Steinmeier eine Gegenveranstaltung durch, bei der von etwa 20 Personen u. a. "Kriegstreiber Steinmeier" und mit Pfiffen in aggressiver Weise lautstark "Hau ab" skandiert wurde. * Mit seiner Kundgebungsmannschaft versuchte Pastörs auch den Besuch der Bundeskanzlerin in der "Hanse Yacht AG" am 54 Facebook-Seite NPD-Landesverband MuP: "WAHLFILM MV 2016 - FÜR VOLK UND HEIMAT" vom 8. August 2016, abgerufen am 9. August 2016 61 30. August 2016 in Greifswald zu stören und in unmittelbarer Nähe eine Gegendemonstration durchzuführen. Nachdem sein Fahrzeug von Polizeibeamten aufgehalten und das Lautsprecherkabel durchtrennt worden war, rief er auf dem Dach seines Fahrzeugs mit der Parole "Merkel muss weg" zum Widerstand auf. Im Anschluss führten die Beteiligten in Greifswald eine Eilversammlung gegen "Polizeiwillkür" an der Europakreuzung durch. * Pastörs ließ sich auf Facebook unter anderem auch mit Flüchtlingen bzw. Schwarzafrikanern ablichten und führte mit diesen Interviews, um sie vorzuführen, was durch die schlechten Sprachkenntnisse der Personen befördert wurde. Er wollte wohl auch suggerieren, dass diese Personen lediglich aus wirtschaftlichen Interessen geflohen seien. Zu einem entsprechenden Lichtbild der JN gab es rassistische Kommentare wie "Aus den deutschen Schutzgebieten für den Wahlkampf im Reich ausgeliehen?". 55 56 55 Facebook-Seite der JN, Kommentar Mac Alexander Bischoff, abgerufen am 26.08.2016 56 Facebook-Seite der JN "...später hatte die Mannschaft Kontakt mit drei (Mohrenköpfen)" vom 26.08.2016, abgerufen am 29.08.2016 62 2 9 6 Ergebnis der NPD bei der Landtagswahl am 4 September 2016 Bei der Landtagswahl erreichte die NPD insgesamt 24.322 Stimmen und kam damit auf ein Ergebnis von 3,0 Prozent (2011: 6,0 Prozent). Dies entspricht in etwa dem Ergebnis, das bei der Bundestagswahl 2013 (2,7 Prozent) und der Europawahl 2014 (3 Prozent) erzielt worden war. Auch wenn somit weiterhin ein Stammwählerpotential vorhanden ist, ging der Verlust der letzten Landtagsfraktion auch mit einem für die Gesamtpartei beeinträchtigenden Verlust von logistischen, finanziellen und personellen Ressourcen einher. Demgemäß zeigte sich der NPD-Landesverband in seiner Stellungnahme vom 4. September 2016 enttäuscht. Der NPD-Parteivorsitzende Frank Franz gab sich zumindest nach außen hin nach einem "engagierten Wahlkampf" zuversichtlich, auch ohne Landtag unvermindert weitermachen und an den Tiefen wachsen zu wollen. Die besten Ergebnisse landesweit erzielte die NPD erneut in ihren Hochburgen Vorpommern-Greifswald (z. B. Wahlkreis 35 Vorpommern-Greifswald IV: 8,7 Prozent) und Ludwigslust-Parchim (Wahlkreis 17 Ludwigslust-Parchim I: 5,7 Prozent). Gleiches gilt für einzelne Gemeinden wie Lassan (23,1 Prozent), Postlow (19,5 Prozent), Koblentz (15,9 Prozent) oder Usedom (13,2 Prozent). Allerdings waren auch hier Verluste von teilweise mehr als 10 Prozentpunkten zu verzeichnen. Für ihre politische Arbeit verblieben der NPD im Land zunächst noch ihre kommunalen Mandate sowie die einzige Fraktion auf Kreisebene im Landkreis Vorpommern-Greifswald. Allerdings war die politische Aktivität der NPD - wohl insbesondere auch durch den Wegfall der bezahlten Fraktionsmitarbeiter - seit der Wahl nahezu zum Erliegen gekommen. Udo Pastörs gab etwa eine Woche nach der Wahl bekannt, dass sich an der Zielsetzung der NPD nichts ändern und auch er sich weiter aktiv einbringen werde. Aufgrund der "wirtschaftlichen und personellen Stärke" der NPD in Mecklenburg-Vorpommern 63 würde es nicht zu nennenswerten Abstrichen der in den letzten fünfzehn Jahren geschaffenen Strukturen kommen. Auch finanziell sei der NPD-Landesverband in geordneten Bahnen. In seinen weiteren Ausführungen nahm Pastörs u. a. Bezug auf die nach SS 86a StGB verbotene Losung der SS "Meine Ehre heißt Treue/ Unsere Ehre heißt Treue", indem er formulierte, "unsere Ehre ist die Treue (zu unserer Heimat und zu unserem Volk)." 57 Eine Strafbarkeit dieser Abwandlung war allerdings nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft Schwerin nicht gegeben. Der NPD-Landesverband suchte im Nachgang der Wahl nach Ursachen für das schlechte Abschneiden der NPD und sah in diesem Zusammenhang eine massive Beeinflussung der Landtagswahl durch die "Ex-SED-Presse". Die NPD sei weitgehend totgeschwiegen worden, "weil sie eine echte, in das deutschfeindliche System nicht integrierbare Kraft" sei. Die AfD sei dagegen hochgejubelt worden, was einer Wahlempfehlung gleichgekommen sei. Dies hätten die "Ex-Honecker-Blätter" gemacht, um das "System" zu schützen und die AfD weiter in Richtung der CDU zu drängen.58 Insgesamt führte die NPD die erzielten Ergebnisse überwiegend auf externe Faktoren zurück, stellte aber weder ihr strategisches Grundkonzept noch ihre ideologische Ausrichtung in Frage. 2 9 7 Herausragende Veranstaltungen und Aktionen des NPD-Landesverbandes und einzelner Kreisverbände * Landesparteitag der NPD am 19 März 2016 in Anklam Der Landesparteitag der NPD mit der Wahl der Landesliste zur Landtagswahl 2016 fand am 19. März 2016 im "Nationalen Begegnungszentrum" Anklam statt. Bei der Wahl der Landesliste waren keine Überraschungen zu verzeichnen. Pastörs wurde 57 Internetseite des NPD-Landesverbandes: "Ziel, Auftrag und Verpflichtung" vom 13.09.2016, abgerufen am 14.09.2016 58 Internetseite des NPD-Landesverbandes: "Wie die Ex-SED-Presse die AfD hochschrieb und nun in Richtung Merkel drängt" vom 19.09.2016, abgerufen am 20.09.2016 64 ohne Gegenkandidat von den Delegierten mit über 90 Prozent der Stimmen erneut als Spitzenkandidat gewählt. Auch die nächsten vier Plätze wurden von den bisherigen NPD-Landtagsabgeordneten belegt. Auf den Plätzen 11, 18 und 20 befanden sich drei Frauen, die von vornherein keine realistische Chance auf einen Einzug in den Landtag hatten. Insoweit räumte die Partei den Frauen weiterhin eine nachgeordnete Rolle ein. * Störung einer Veranstaltung mit polnischen Bürgern durch Löcknitzer NPD-Gemeindevertreter Am 6. April 2016 fand eine öffentliche Veranstaltung im Bürgerhaus in Löcknitz zur Flüchtlingssituation in Deutschland statt. An dieser nahmen auch polnische Bürger teil. Fünf Personen der rechtsextremistischen Szene, darunter die örtlichen NPD-Gemeindevertreter, störten die Veranstaltung und traten dabei äußerst aggressiv auf. Bezüglich der polnischen Gäste fielen Bezeichnungen wie "keine Volksdeutschen, alles Parasiten, polnischer Pöbel". Es wurde zudem damit gedroht, weitere Personen zu holen, verbunden mit der Forderung "Polen raus - die sollen diese Veranstaltung in Polen machen". Das aggressive Verhalten setzte sich gegenüber den Polizeibeamten fort. Polizeilich wurden Platzverweise gegen die Störer ausgesprochen. Zudem wurden Anzeigen wegen des Verdachts der Volksverhetzung, der Nötigung und des Hausfriedensbruchs aufgenommen. * Demonstration zum 1 Mai Am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, begehen Rechtsextremisten den von den Nationalsozialisten 1933 eingeführten "Tag der nationalen Arbeit". Es handelt sich um die bedeutsamste Veranstaltung des NPD-Landesverbandes im Jahresverlauf. Mit Ausnahme des Jahres 2013 wurden in den letzten fünf Jahren regelmäßig entsprechende Versammlungen mit 300 bis 500 Teilnehmern durchgeführt. 65 Die Demonstration am 1. Mai 2016 stand unter dem Wahlkampfmotto: "Für Volk und Heimat" und wurde in der Schweriner Innenstadt durchgeführt. Daran nahmen bis zu 450 Personen teil. Als Redner traten unter anderem der NPD-Fraktionsvorsitzende Udo Pastörs, der Landesvorsitzende Stefan Köster, der Parteivorsitzende Frank Franz sowie der in englischer Sprache referierende schwedische Neonazi und Generalsekretär der "Alliance for Peace and Freedom" (APF) Stefan Jacobsson auf. Inhaltlich ging es um die Zusammenarbeit mit den "Bürgerbewegungen", die Bedeutung der NPD-Landtagsfraktion, die Betonung der Wichtigkeit des "Kampfes um die Straße" sowie eine Warnung vor "Überfremdung" durch "liberal-linke Einwanderungspolitik".59 Wie in der Vergangenheit wurde die Versammlung durch neonazistische Demonstrationsteilnehmer unterstützt. Die "Nationale Sozialisten Waren", die "Nationale Sozialisten Rostock"/"Infoflut Rostock" (NSR), die "Freien Pommern" und die "Rostocker Division" traten mit eigenen Transparenten bzw. Fahnen auf. Es wurden auch Fahnen mit der Aufschrift "Islam - Nein Danke" mitgeführt. Zudem traten kostümierte Personen auf, die in einem Wagenanhänger gezogen wurden. Eine Frau mit einer Burka, eine weitere Person in den Farben der US-amerikanischen Flagge sowie die RNF-Landesvorsitzende Antje Mentzel mit einer Maske von Angela Merkel. Es wurden Transparente mit den Aufschriften "Wir sollen knechten, sie wollen feiern!" und "Arbeiten! Steuern zahlen! Angela huldigen! Schnauze halten!" gezeigt. 59 Internetseite des NPD-Landesverbandes: "Für Volk und Heimat: Erfolgreiche 1. Mai Kundgebung und Demonstration in Schwerin" vom 02.05.2016, abgerufen am 03.05.2016 66 Von den rechtsextremistischen Veranstaltern und Beteiligten wurde die Versammlung als Erfolg gewertet: "Gutes Wetter, eine ordentliche Teilnehmerzahl, schwächelnde Antideutsche und eine erstaunlich kooperative und konsequent durchgreifende Polizei machten diesen Arbeiterkampftag zu einer runden Sache. [...] Dieser 1. Mai in Schwerin kann ohne Übertreibungen als kämpferisches Signal an das BRD-Regime verstanden werden und als Aufruf, die Bewegung im Wahlkampf zu unterstützen." 60 Die Versammlung hat belegt, dass die Mobilisierungsfähigkeit auf einem im Vergleich zu den Vorjahren gleichbleibend hohen Niveau lag. Die NPD konnte auf eine breite Unterstützung relevanter Neonazi-Gruppierungen im Land zählen. Gleiches galt für die Verantwortlichen von "MVGIDA" und anderen asylgegnerischen Bewegungen im Land (z. B. "Dachverband Deutschland wehrt sich"), die sich - entgegen anderslautender Behauptungen in der Vergangenheit - erneut als Anhänger der NPD präsentiert haben. * Thematisierung der Einladung des NPD-Landtagsabgeordneten David Petereit durch Schüler eines Rostocker Gymnasiums im Rahmen eines Geschichtsprojektes Die Bundes-NPD thematisierte die Einladung des NPD-Landtagsabgeordneten David Petereit durch Gymnasiasten einer 9. Klasse in Rostock und löste damit zahlreiche zustimmende Kommentare aus. So hieß es von einzelnen Nutzern "Unsere Deutsche Jugend weiß schon was zu tun ist", oder "Immer merken Volksverhetzer/Volksverräter = MERKEL&Co". 61 Auch die Landes-NPD nutzte die Einladung für propagandistische Zwecke, indem sie unverzüglich ein entsprechendes Plakat mit der 60 Facebook-Seite "JN - Die Jugend für Deutschland": "1. Mai in Norddeutschland - 'Antifa versagt mal wieder" vom 01.05.2016, abgerufen am 02.05.2016 61 Facebook-Seite der NPD vom 09.06.2016, abgerufen am 10.06.2016 67 Aufschrift fertigte. "Ich komme auch gerne zu Euch/Ihnen an die Schule, um den Unterricht zu beleben. Habt Ihr den Mut mit, statt nur über uns zu sprechen?". Der NPD-Landesvorsitzende Stefan Köster sprach in diesem Zusammenhang von einer "Werbekampagne".62 * Kinderfeste der NPD Die drei öffentlichen Kinderfeste der NPD im Jahr 2016 - am 11. Juni 2016 in Neustrelitz (5. Kinderfest), am 18. Juni 2016 in Ueckermünde (9. Kinderfest) und am 14. August 2016 in Stralsund (15. Kinderfest) - seien gut besucht gewesen und hätten "zahlreiche Attraktionen" für Kinder geboten. Dort war zum wiederholten Male das NPD-Maskottchen "Fuchs Reinar" mit Wahlwerbung der NPD im Einsatz. Neben dem stellvertretenden NPD-Fraktionsvorsitzenden Tino Müller war in Ueckermünde auch der "JN Beauftragte für den Bereich Pommern" an einem Informationsstand der NPD vertreten.63 Um die Bedeutung des Themas Kinderschutz im NPD-Landtagswahlkampf zu unterstreichen, nutzten der NPD-Parteivorsitzende Frank Franz sowie der Landesvorsitzende Stefan Köster das am 14. August 2016 durchgeführte alljährliche Kinderfest des NPD-Kreisverbandes Nordvorpommern in Stralsund nach eigenen Angaben als Gelegenheit für "zahlreiche politische Gespräche mit Mitgliedern und Interessenten". In einem dazugehörigen Filmbeitrag warben sowohl der Bundesals auch der Landesvorsitzende vor der Kulisse des Kinderfestes um Wählerstimmen. 2 9 8 Publikationen Die NPD-Landtagsfraktion hat im Jahr 2016 mit der Ausgabe 20 die letzte Ausgabe ihrer Fraktionszeitschrift "Der Ordnungsruf" herausgebracht, die in verschiedenen Beiträgen insbesondere an die 62 Facebook-Seite des NPD-Landesverbandes vom 10.06.2016, abgerufen am 10.06.2016 63 Facebook-Seite der JN Pommern: "Gestern in Ueckermünde beim Kinderfest der NPD" vom 19.06.2016, abgerufen am 21.06.2016 68 Antiasylkampagne der NPD anknüpfte ("Schützt unsere Frauen und Töchter!", "Das Märchen von den armen 'minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen" usw.). Diese wurde im Internet veröffentlicht und parallel an Haushalte verteilt, beispielsweise in Pinnow bei Schwerin und in Schwerin selbst. Hinzu kamen zahlreiche neue Faltblätter wie beispielsweise: * "NPD-Fraktion besucht 'Flüchtlings'unterkunft - Asylbetrug offensichtlich!" * "Menschenversuch 'Inklusion' beenden - Förderschulen erhalten!" * "Wir fordern den sofortigen Stopp von Tierversuchen!" * "Hände weg von unseren Kindern - Frühsexualisierung stoppen!" Vom NPD-Kreisverband Mecklenburgische Seenplatte erschien eine neue Ausgabe der Publikation "Kurz & Knapp, Nachrichten aus der Friedländer Stadtvertretung", für die der damalige Friedländer NPD-Stadtvertreter Hannes Welchar verantwortlich zeichnete. Neben der üblichen Agitation gegen Asylbewerber fand sich unter der Überschrift "Friedland im Würgegriff der Energiewende" ein größerer Beitrag gegen den weiteren Ausbau der Windenergie und die Errichtung von Windkraftund Photovoltaikanlagen. Die NPD würde die Proteste in und um die Friedländer "Große Wiese" unterstützen und verwies auf die Bürgerinitiative "Freie Friedländer Wiese". 64 Die im Frühling 2016 von Janette Krüger (RNF) herausgegebene Publikation "De Meckelbörger Bote, Volkstreues Mitteilungsblatt für Nordwestmecklenburg" enthielt neben einer Veröffentlichung von Udo Pastörs zum Freihandelsabkommen TTIP einen Beitrag der 87-jährigen Holocaustleugnerin aus Nordrhein-Westfalen Ursula Haverbeck-Wetzel zu der Frage "Wem gehört eigentlich Deutschland". Demnach solle "das deutsche Volk nach Plan genetisch entdeutscht werden", die stecke hinter der "Asylokkupanten64 Internetseite des NPD-Landesverbandes, "Kurz & Knapp", Sommer 2016, abgerufen am 12.06.2017 69 flut". Die "angeblichen 'Deutschlandbesitzer" (gemeint sind Regierung und Politiker von CDU, CSU, Grüne, FDP, SPD) seien "Feinde des deutschen Volkes". Eine nachhaltige friedliche Gesellschaftsordnung sei "nur bei homogenen Völkern möglich".65 2 9 9 Zusammenarbeit auf europäischer Ebene Bürgerbüro des MdEP Udo Voigt in Wismar Am 11. Juni 2016 eröffnete der Europaabgeordnete der NPD Udo Voigt in Wismar sein zweites Bürgerbüro. Hierzu fand eine Veranstaltung der NPD Mecklenburg-Vorpommern mit etwa 45 Teilnehmern statt. Udo Pastörs zeigte sich bei diesem Anlass im Gespräch mit der mehrfach verurteilten Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel.66 "Freiheitlicher Kongress" 2016 Der "Freedom Congress" 2016 der rechtsextremistischen Stiftung "Europa Terra Nostra" fand am 22./23. Oktober 2016 in einem Tagungshotel in Gägelow statt. Als Redner traten u. a. die ausländischen Rechtsextremisten Nick Griffin (Großbritannien), Dan Eriksson und Daniel Friberg (Schweden), Dr. Milan Uhrik (Slowakei) sowie Dr. Tomislav Sunic (Kroatien) auf. Der als Antisemit bekannte Professor Kevin MadDonald (USA) sprach zum Thema "Europäische Identität und die populistische Revolte in den USA und Europa: Die feindlichen Eliten stürzen". Der Abschlussredner war Hassan Sakr, Auslandsbeauftragter der Syrischen Sozial-Nationalistischen Partei (SSNP). Auf Youtube wurde während der Veranstaltung ein Live-Stream zur Verfügung gestellt. Der NPD-Europaabgeordnete Udo Voigt, der bereits am 21. Oktober 2016 im Rahmen einer Fotoausstellung Einzelheiten seiner 65 "De Meckelbörger Bote, Volkstreues Mitteilungsblatt für Nordwestmecklenburg", Ausgabe Frühling 2016, Seite 3 66 www.flickr.com, Veröffentlichung von ENDSTATION RECHTS, Album "NPD-Bürgerbüro Wismar" 70 beiden Syrien-Reisen bekannt gegeben hatte, referierte zum Thema "Wer sind die Feinde Europas?". Für das musikalische Rahmenprogramm war der rechtsextremistische Liedermacher Frank Rennicke zuständig. Zum Gedenken an den kurz zuvor verstorbenen stellvertretenden NPD-Parteivorsitzenden Frank Schwerdt stimmte dieser das Lied "Ich hatt' einen Kameraden" an. Der Vorsitzende Dan Eriksson hat die professionelle Durchführung des Kongresses gelobt. Der Veranstalter "Europa Terra Nostra e.V.", Stiftung des europäischen Parteienbündnisses "Alliance for Peace und Freedom" (APF), wurde nach eigenen Angaben unterstützt vom NPD-Presseorgan "Deutsche Stimme" sowie dem "Bildungswerk für Heimat und nationale Identität e.V." und dem Magazin "Gegenlicht". Die Stiftung hat ihren Vereinssitz in Berlin, Seelenbinderstraße 42, der Adresse der NPD-Parteizentrale. Im Nachgang wurde zudem ein Interview mit dem schwedischen Autor Daniel Friberg sowohl auf der Facebook-Seite der NPD als auch in der "Deutschen Stimme" veröffentlicht, der bei der Veranstaltung als Redner aufgetreten war. Unter den Begriff der "echten" Rechte fasst Friberg all jene rechten Strömungen, Bewegungen, Personen und Volksvertreter gefasst werden, "die sich zu traditionellen Werten, ethnischem Bewusstsein und der Bewahrung unserer Zivilisation" bekennen. Die "falsche" Rechte sei die liberale "Rechte", die für Globalisierung und gegen Nationalismus ist, die Einwanderung befürwortet und sich vor allem für die Wirtschaft, für freie Märkte und Freihandel stark macht. Er betonte in diesem Zusammenhang auch das Erfordernis der Bildung internationaler Netzwerke "europäischer Patrioten" über Staatsgrenzen hinweg. Der Auftritt des Redners Friberg bei der NPD-nahen Veranstaltung ist deshalb bemerkenswert, weil die in der Vergangenheit festgestellte Abgrenzung der "Neuen Rechten" von der dem historischen Nationalsozialismus verhafteten "Alten Rechten" und die Fokussie71 rung auf das "gehobene intellektuelle Milieu" offenbar zunehmend aufgeweicht wird. Vor diesem Hintergrund bestehen folgerichtig auch keine Berührungsängste im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Neonazis, wie nicht zuletzt Fribergs Verbindung zur Stiftung "Europa Terra Nostra" zeigt. Dieser Ansatz, sollte er auch von anderen Protagonisten der "Neuen Rechten" geteilt werden, führt möglicherweise zu neuen Formen von Kooperationen. 2 10 "Junge Nationaldemokraten" (JN) Mit den "Jungen Nationaldemokraten" (JN) verfügte die NPD auch im Berichtszeitraum über eine vergleichsweise gut ausgebaute und aktionsorientierte Jugendorganisation. 67 Die JN mit dem in Mecklenburg-Vorpommern wohnhaften Bundesvorsitzenden Sebastian Richter haben sich im Jahr 2016 darauf konzentriert, den Wahlkampf der NPD in Mecklenburg-Vorpommern zu unterstützten. Auch wenn ihr nach eigenen Angaben politische Jugendarbeit wichtiger ist als parlamentarische Arbeit, sieht sie im "Stimmenfang" der AfD, der "vom BRD-System initiierten 'Alternative'", eine Schwächung der "volkstreuen Bewegung". Der herbeizuführende Systemwechsel bedürfte "radikaler Lösungsansätze, welche derzeit nur die NPD mit ausreichender Durchschlagskraft" besitze.68 Beim "Frontdienst" der JN konnte ein "Aufkleber - Arabisch" bestellt werden, der in arabischer Schrift mit englischen und französischen Untertiteln die Aufschrift trug: "Unser Land - unsere Regeln - kein Platz für euch" ("Our country - our rules - no place for you").69 Verantwortlicher im Sinne des Presserechts ist der JN-Bundesvor67 Facebook-Seite der JN vom 17.11.2016, abgerufen am 23.12.2016 68 Facebook-Seite der JN: "Revolution oder Reaktion!" vom 04.07.2016, abgerufen am 05.07.2016 69 Internetseite des JN-Bundesverbandes: "Frontdienst - Aufkleber-Arabisch", abgerufen am 18.05.2016 72 sitzende. Hier knüpften die JN unmittelbar an die Antiasylkampagne der NPD und den Schwerpunkt im Landtagswahlkampf an. Die JN führten weiterhin ab dem 15. August 2016 für zwei Wochen ein JN-Wahlkampflager in einem von der NPD genutzten Objekt in Klein Belitz im Landkreis Rostock durch, um sich mit "kreativen Aktionen" in den Wahlkampf einzubringen. In Rostock und Bad Doberan präsentierten sich verschleierte Personen mit einem Transparent, das die Aufschrift trug "Heute leben wir von eurem Geld. Morgen nehmen wir uns euer Land!". Eine Person im "Fuchs-Reinar"-Kostüm zeigte sich mit dem Transparent "Wehrt euch gegen Asylchaos, Ausbeutung und Migrantenterror! Schlaue Füchse wählen NPD". Am 16. August 2016 wurde die Aktion mit den "Burka-Frauen" und "Fuchs Reinar" in Wismar, Grevesmühlen und Gadebusch mit "Straßentheater", einer Neuplakatierung der zerstörten Plakataufsteller sowie Lautsprecherrundfahrten fortgesetzt. Betont wurde seitens der JN, dass neben dem Bürgerbüro des MdEP Udo Voigt in Wismar und dem "Dorfgemeinschaftsprojekt Jamel" auch das Büro der "Mauermörderparteinachfolge Die Linke" aufgesucht worden sei.70 71 70 Facebook-Seite der JN vom 17.08.2016, abgerufen am 17.08.2016 71 Facebook-Seite der JN vom 15.08.2016, abgerufen am 16.08.2016 73 Die Polizei konnte am 17. August 2016 in Schwerin sieben Männer und eine Frau (19 bis 35 Jahre) der JN, darunter Teilnehmer aus anderen Bundesländern sowie den Bundesvorsitzenden Richter, mit den typischen roten T-Shirts des NPD Landesverbandes M-V sowie diversen mitgeführten Wahlplakaten feststellen. Die beiden Vollverschleierungen, drei Gesichtsmasken und das Faschingskostüm mit der Fuchsmaske sowie die verwendeten weißen Plakate wurden sichergestellt und den Personen Platzverweise erteilt. Am 16. August 2016 wurden aus Ästen gebastelte "JN-Knüppel", ca. 40 cm langen Holzknüppel, unter dem Motto "Knüppel aus dem Sack" an einem bislang unbekannten Ort an Haushalte verteilt, die symbolisch für den Selbstschutz stehen und auf die "Wehrlosigkeit unseres Volkes gegenüber kriminellen Ausländern" hinweisen sollen. Seitens der Staatsanwaltschaft Schwerin wurde eine Strafbarkeit dieser Aktion verneint. Es handele sich um ein geschickt gewähltes Propagandamittel der NPD in ihrer Stimmungsmache gegen Ausländer, das jedoch noch nicht den Grad der Strafbarkeit erreichte. 72 Nach polizeilicher Sicherstellung ihrer Kostümierungen in Schwerin setzten die JN ihre Wahlkampfbemühungen durch Verteilung der JN-Knüppel im Bereich Ludwigslust-Parchim fort, sie selbst verwendeten das Wort "Knüppeltour". 72 Facebook-Seite der JN vom 16.08.2016, abgerufen am 23.12.2016 74 Weiterhin wurde versucht, auf Wahlkampfaktivitäten demokratischer Parteien negativen Einfluss zu nehmen. So störten die JN am 23. und 27. August 2016 Informationsstände von "Bündnis 90/ Die Grünen" in Parchim und Schwerin, indem sie in unmittelbarer Nähe Schilder hochhielten, die als Sprechblasen gestaltet waren: "Bitte gehen Sie weiter! Hier gibt es nichts zu sehen außer Volksverräter!" und "Hier gibt es nichts zu sehen als antideutsche Politiker!"(sic)73 Ein angekündigtes Selbstverteidigungsseminar am 13. August 2016 für Kinder und Frauen ist vom Bundesvorsitzenden der JN in Lübtheen nach eigenen Angaben "mit einem Dutzend Frauen" durchgeführt worden, die sich nach Ausstrahlung des Wahlwerbefilms bei der NPD gemeldet hätten. Hier wurde in einem Internetvideo erneut ein Zusammenhang mit den "Rapefugees" hergestellt. An der JN-Bundesgeschäftsstelle bzw. dem NPD-Bürgerbüro am Ernst-Thälmann-Platz in Lübtheen wurde ein großes NPD-Banner mit der Aufschrift "Unsere Heimat braucht die NPD - Zweitstimme entscheidet!" befestigt. Nach der verlorenen Wahl kün74 digte Sebastian Richter an, in den nächsten Wochen die Thematik "Siedeln" aufgreifen zu wollen. Schon immer sei für die JN "Graswurzelarbeit wichtiger als Parlamentssitze" gewesen.75 73 Facebook-Seite der JN vom 23.08.2016, abgerufen am 24.08.2016 74 Facebook-Seite der JN vom 22.08.2016, abgerufen am 23.08.2016 75 Facebook-Seite der JN vom 13.09.2016, abgerufen am 20.09.2016 75 2 11 NPD-Frauenorganisation "Ring Nationaler Frauen" (RNF) Die NPD-Frauenorganisation "Ring Nationaler Frauen" (RNF) wurde im September 2006 gegründet und soll als Sprachrohr und Ansprechpartner für alle "nationalen" Frauen, unabhängig von einer Parteimitgliedschaft in der NPD, dienen. Führungskräfte des RNF, darunter die damalige Bundesvorsitzende Ricarda Riefling sowie die Landesvorsitzende Antje Mentzel, präsentieren sich auf Lichtbildern im Internet beim Verteilen von NPD-Wahlkampfmaterialien in Mecklenburg-Vorpommern. Darüber hinaus wurden im Jahr 2016 keinerlei öffentlichkeitswirksame Aktivitäten des RNF festgestellt. Für interne Treffen wurde wie bisher das "Thinghaus" in Grevesmühlen genutzt. Mentzel trat zudem bei einem Infostand am 28. Mai 2016 beim "Eichsfeldtag" im thüringischen Leinefelde, einer regelmäßigen Veranstaltung des NPD-Kreisverbandes Eichsfeld, als Standbetreuerin in Erscheinung.76 2 12 Sonstige rechtsextremistische Parteien / "Die Rechte" und "Der III Weg" 77 Die Partei "DIE RECHTE" wurde am 27. Mai 2012 durch mehrheitlich ehemalige Mitglieder der "Deutschen Volksunion" (DVU) auf Initiative des heutigen Bundesvorsitzenden der Partei Christian Worch in Hamburg gegründet. "DIE RECHTE" gliedert sich in neun Landesverbände, den Gebietsverband Südwest und eine Landesgruppe (Bremen) mit insgesamt ca. 30 Kreisverbänden (Stand: November 2016). 76 Facebook-Seite des NPD-Bundesverbandes vom 28.05.2016, abgerufen am 30.05.2016 77 Internetseite "Die Rechte", Logo abgerufen am 23.12.2016 76 Ende November 2015 war erstmals eine regionale Struktur der Partei "Die Rechte" in Mecklenburg-Vorpommern festgestellt worden, der Kreisverband Schwerin. Dieser wies Verbindungen und personelle Überschneidungen zu den neonazistischen "Freien Kräften Parchim" sowie den "Nationalen Sozialisten Schwerin" auf. Nach Auflösung dieser Struktur traten die Protagonisten wieder als sogenannte Freie Kräfte, unter anderem unter der Bezeichnung "Dachverband Deutschland wehrt sich" (DWS) auf. 78 Die Partei "Der III. Weg" wurde am. 28. September 2013 in Heidelberg gegründet. Funktionäre der Partei sind seit Jahren fest im rechtsextremistischen Spektrum verankert. Sie waren zuvor zum Teil in der NPD aktiv bzw. stammen aus der neonazistischen Szene, insbesondere aus dem "Freien Netz Süd". In Mecklenburg-Vorpommern hat sich die Partei erneut nicht an der Landtagswahl am 4. September 2016 beteiligt. Strukturen der Partei konnten auch im Jahr 2016 in Mecklenburg-Vorpommern nicht festgestellt werden, lediglich einzelne Aktionen von einem oder mehreren Unterstützern. Mitte 2016 ist polizeilich ein Sachverhalt bekannt geworden, bei dem es offenbar zu einer Klebeaktion einer oder mehrerer Personen des "III. Wegs" in Neustrelitz gekommen ist. Einzelpersonen haben sich zudem an dem alljährlichen Gedenkmarsch der rechtsextremistischen Szene zum "Heldengedenken" am 12. November 2016 in Wunsiedel beteiligt, die durch den "III. Weg" veranstaltet worden war. 78 Facebook-Seite "Der III. Weg" vom 07.04.2015, abgerufen am 23.12.2016 77 2 13 Nutzung des Internets durch Rechtsextremisten In Mecklenburg-Vorpommern hat es in den letzten Jahren eine sprunghafte Entwicklung im Bereich der Internetnutzung durch Rechtsextremisten gegeben. Im Zeichen der "Flüchtlingskrise" 2015 erfuhr dieser Trend eine zusätzliche Dynamik. Dieser Trend setzte sich im Jahr 2016 fort. Im Berichtszeitraum wurden zeitweise etwa 35 Facebookseiten unter der Überschrift "...wehrt sich" eingestellt, die im Bezug zu Mecklenburg-Vorpommern standen. Ihr vorrangiges Ziel war es, eine feindliche Stimmung gegen Zuwanderer zu erreichen. Hierbei wurde vielfach eine gegenseitige Verlinkung vorgenommen, um Aktualität herzustellen. Im zweiten Halbjahr 2016 war allerdings ein Rückgang dieser Kampagne zu verzeichnen. Einige Initiativen wie "Güstrow wehrt sich gegen Asylmissbrauch 2.0", die über die Administratoren weiterhin der rechtsextremistischen Szene zugerechnet werden können, agieren mittlerweile als geschlossene Gruppen. 79 Insgesamt hat sich die Nutzung sozialer Netzwerke innerhalb der rechtsextremistischen Szene mittlerweile etabliert. Klassische Internetseiten werden, soweit sie überhaupt noch gepflegt werden, durch Facebook-Auftritte ergänzt, die für eine höchstmögliche Aktualität sorgen sollen. 79 Facebook-Seite "Teterow wehrt sich" vom 26.01.2016 , abgerufen am 23.12.2016 78 Alternativ zu Facebook wird vereinzelt auch das russische Netzwerk "vk-com" genutzt. Allerdings sind der Zuspruch und die Nutzung nicht in dem Maße wie bei Facebook zu bemerken. Als weitere Formen der Kommunikation sind insbesondere verschlüsselte Wege das Mittel der Wahl. Hierbei werden technische Mittel sowie Messengerdienste genutzt. 2 14 Die "Konservative Revolution" - eine verfassungsschutzrelevante Thematik ? Bereits in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts gab es eine intensive Debatte darüber, ob und inwieweit eine "Neue Rechte" im politischen Raum an Einfluss gewinnt.80 Allerdings ist diese Diskussion wegen der seinerzeit anhaltenden politischen Wirkungslosigkeit dieses Spektrums wieder eingeschlafen. In jüngster Zeit ist mit dem Auftreten der "Identitären" oder der "Kontrakulturellen" jedoch eine erneute Diskussion zu diesem Thema entflammt. Sie umfasst auch den ideologischen Hintergrund dieser "Neuen Rechten", der - wie in den neunziger Jahren auch - offenbar vom Gedankengut der "Konservativen Revolution" beeinflusst ist. Zumindest beziehen sich einzelne Protagonisten der "Identitären" und der "Kontrakulturellen" auf Vertreter der "Konservativen Revolution". Zur Erläuterung dieses paradoxen81 Begriffs muss der Blick auf die Entwicklung in der Weimarer Republik gerichtet werden. Dort hatte es seinerzeit eine eher als literarische Strömung zu bezeichnende Bewegung gegeben, die ihren Ursprung aus der Ablehnung der sozialen und politischen Ergebnisse der Französischen Revolution herleitete.82 Mit ihr verbinden sich Namen wie Edgar Julius Jung, Arthur Moeller van den Bruck, Oswald Spengler, 80 vgl. hierzu u.a. Gessenharter, Wolfgang / Fröchling, Helmut (Hrsg): Rechtsextremismus und Neue Rechte in Deutschland - Neuvermessung eines politisch-ideologischen Raumes, Opladen: Leske und Budrich 1998 81 vgl. Bracher, Karl Dietrich: Zeit der Ideologien, Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1982, S.173 82 vgl. Bracher, Karl Dietrich: Die deutsche Diktatur, Frankfurt/M.: Verlag Ullstein 1980, S. 155 79 Carl Schmitt oder Ernst Jünger, auf die sich z. T. auch die "Identitären" berufen. Ziel dieser Bewegung war es, eine Gegenrevolution zu entfachen, die unter deutscher Führung die Errichtung einer "neuen Ordnung" 83 im "Abendland" herbeiführen sollte. Wie sollte diese "neue Ordnung" aussehen? Sie lehnte eine demokratische und liberale Staatsform ab und wollte an ihre Stelle eine Staatsordnung setzen, die auf dem Führerprinzip beziehungsweise einer "Herrschaft der Besten" basiert und ständestaatlich organisiert ist. Das Menschenrecht auf natürliche Gleichheit wurde abgelehnt. An dessen Stelle sollte eine "gestufte Gesellschaft" auf völkischer Grundlage treten.84 Interessanterweise spielte bei den Vertretern dieses Spektrums auch ein spezifisch deutscher, preußisch-nationalistischer Sozialismus eine Rolle, der auf das Mannschaften und Offiziere nivellierende Fronterleben im Grabenkrieg der Jahre 1915-1918 zurückzuführen war, aber eigentlich nur in der Kapitalismuskritik, die zudem vielfach antisemitisch unterlegt war, Ähnlichkeiten mit dem ursprünglichen und internationalistisch ausgerichteten Sozialismus aufwies. Die konservativen Revolutionäre lehnten den "Klassenkampf" zugunsten einer Volksgemeinschaft ab, die durch eine kulturelle oder auch biologisch definierte Identität zwischen Herrschern und Beherrschten gekennzeichnet sein sollte. Die hier erkennbare Diskrepanz zwischen der deutlich antiegalitären Ausrichtung und dem gleichzeitigen Aufgreifen sozialistischen Gedankengutes lässt den "nebelhaften" Charakter dieser ideologischen Strömung deutlich werden. Insoweit wird ihren Vertretern eine "politikfremde Romantik" 85 attestiert. Trotzdem blieben diese geistigen Entwürfe nicht ohne Folgen. Die "Konservative Revolution" war als Denkmodell sehr wohl ein geistiger Faktor innerhalb der Demokratiekritik von rechts an der Weimarer Republik und hat so zumindest dazu beigetragen, dass dem demokratischen System in der ersten deutschen Republik geistig 83 vgl. Sontheimer, Kurt: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik, München: Deutscher Taschenbuchverlag 1978, S.118ff. 84 vgl. Sontheimer, Kurt, a.a.O 85 vgl. Herzfeld, Hans: Die Weimarer Republik, Frankfurt/M.: Ullstein Verlag 1978, S.133 und Sontheimer, Kurt, a.a.O. 80 der Boden entzogen und auf diese Weise der Nationalsozialismus erst möglich wurde.86 Aus der Sicht der Verfassungsschutzbehörden werden solche Bestrebungen als rechtsextremistisch bezeichnet, die auf der Grundlage einer unterschiedlich ausgeprägten nationalistischen, rassistischen oder staatsautoritären bis totalitären Weltanschauung ein System errichten wollen, das im Gegensatz zu den grundlegenden Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung steht.87 Der im Kern antidemokratische und insbesondere antiegalitäre Charakter der "Konservativen Revolution" lässt auf die Ablehnung des Verfassungsgrundsatzes der Volkssouveränität (Art. 20 Abs. 2 GG) schließen, aber auch auf ein sehr gespanntes Verhältnis zu Art. 1 Abs.1 GG, der der Würde des Menschen den höchsten verfassungsrechtlichen Rang einräumt. Der Staat ist vor dem Hintergrund dieses Menschenbildes verpflichtet, grundsätzlich Jedem in der Gemeinschaft einen Eigenwert zuzuerkennen, der ihn zum gleichberechtigten Mitglied werden lässt88. Eine ständestaatliche Ordnung lässt die Verwirklichung dieser für die Bundesrepublik fundamentalen Verfassungsnorm wohl kaum zu. Ziel dieses politischen Spektrums ist es zunächst, in der Gesellschaft auf einen geistigen Wandel im Sinne der eigenen Vorstellungen hinzuwirken. In diesem Zusammenhang spricht die "Neue Rechte" auch von einer "Kulturrevolution von rechts". Hier findet eine bewusste Anlehnung an eine Konzeption des italienischen Kommunisten Gramsci statt, der für einen erfolgreichen Kampf um die Macht zunächst einen "Kampf um die Köpfe" für notwendig erachtete.89 Nur wer das Bewusstsein der Menschen politisch prägen könne, könne im 86 vgl. Jaschke, Hans-Gerd: Nationalismus und Ethnopluralismus. Zum Wiederaufleben von Ideen der "konservativen Revolution", in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B3-4/92 S. 3 - 10 und Bracher, Karl Dietrich: Zeit der Ideologien,a.a.O. 87 vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 1994, S.15 88 vgl. Katz, Alfred : Grundkurs im öffentlichen Recht I - Staatsrecht, Königstein/Ts.: Athenäum Verlag 1981, S. 298 89 vgl. Priester, Karin: Gramsci, in: Meyer, Thomas u.a.(Hrsg): Lexikon des Sozialismus, Köln: Bund -Verlag 1986; S. 239f 81 zweiten Schritt einen grundlegenden politischen Wandel erringen. Auch wenn sich die "Identitären" und "Kontrakulturellen" grundsätzlich gegen totalitäre Ideologien stellen, so bleiben bei der erkennbaren Bezugnahme auf Denker der "Konservativen Revolution" begründete Zweifel, ob dieses Bekenntnis Gültigkeit hat oder ob hier der Versuch unternommen wird, antidemokratische Zielsetzungen zu verschleiern. Nicht zuletzt deswegen bedarf es hier einer weiteren Prüfung durch die Verfassungsschutzbehörden. 3 "Reichsbürger und Selbstverwalter" Ausgelöst durch zwei bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen "Reichsbürgern" und der Polizei gewann dieses Phänomen 2016 dramatisch an Bedeutung. Im August des Jahres kam es zu einem Schusswechsel zwischen einem "Reichsbürger" und polizeilichen Sondereinsatzkräften in Sachsen-Anhalt, bei dem Personen verletzt wurden. In Bayern endete eine polizeiliche Maßnahme mit der Abgabe tödlicher Schüsse durch einen Reichsbürger auf einen Polizisten. Als Konsequenz wurden die "Reichsbürger und Selbstverwalter" zum Beobachtungsobjekt der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder erklärt. Definiert wird dieser Personenkreis wie folgt: "Reichsbürger und Selbstverwalter sind Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen, unter anderem unter Berufung auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen, den demokratisch gewählten Repräsentanten die 82 Legitimation absprechen oder sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend definieren und deshalb bereit sind, Verstöße gegen die Rechtsordnung zu begehen. Für die Verwirklichung ihrer Ziele treten sie aktiv ein, z. B. mit Werbeaktivitäten oder mit aggressiven Verhaltensweisen gegenüber den Gerichten und Behörden der Bundesrepublik Deutschland." Diese Bewegung ist gegenwärtig als extremistische Bestrebung "sui generis" (eigener Art) zu beschreiben und kann nur teilweise dem Rechtsextremismus zugeordnet werden. Allerdings gibt es auch Überschneidungen mit dem rechtsextremistischen Spektrum. "Reichsbürger" agieren zumeist als Einzelpersonen oder in Kleinstgruppen. Es gibt aber auch größere Strukturen, die auch untereinander konkurrieren. Dabei sind diese Zusammenschlüsse nicht nur von lokaler Bedeutung, sondern teilweise besteht eine bundesweite Vernetzung. Die Aktivitäten reichen u. a. von selbsterstellten Phantasiedokumenten, der Rückgabe des Bundespersonalausweises oder der Proklamation von Selbstverwaltungen über die Gründung eigener "Königreiche" oder Regierungen bis zur Errichtung eigener Banken und Krankenkassen und der Einführung einer "Reichsbürgerwährung". 90 In Mecklenburg-Vorpommern setzt sich dieses Milieu vor allem aus Einzelpersonen und Kleinstgruppen zusammen. Nennenswerte Strukturen im Land sind die "Staatenlosen" im Raum Wittenburg (Landkreis Ludwigslust-Parchim) und die "Provinzverwaltung" des "Freistaates Preußen" in Demmin. 90 Internetseite "friedensvertrag.info", abgerufen am 13.12.2016 83 Das Ministerium für Inneres und Europa hat auf die zunehmende Aggressivität der "Reichsbürger-Szene" reagiert und alle Landkreise und kreisfreien Städte mit einem Runderlass vom 27. Januar 2017 aufgefordert, jeden Fall der Kontaktaufnahme von sogenannten "Reichsbürgern" mit den kommunalen Behörden, bei dem Gedankengut der "Reichsbürger" erkennbar den Anlass eines Antrages oder Begehrens bildet oder sonst als Hintergrund seines Handelns erkennbar wird, der Verfassungsschutzbehörde des Landes zur Kenntnis zu geben und Straftaten wie Drohungen, Gewaltanwendungen oder Beleidigungen unverzüglich von Amts wegen zur Anzeige zu bringen. 4 Linksextremismus 41 Lageüberblick Die Aktivitäten der linksextremistischen Szene im Jahr 2016 waren vorrangig geprägt von der Flüchtlingspolitik und den Ereignissen rund um die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern. Dabei hat sowohl die Kandidatur der rechtsextremistischen Partei "Nationaldemokratische Partei Deutschland" (NPD) als auch die der "Alternative für Deutschland" (AfD) zu einer deutlich höheren Mobilisierung der linksextremistischen Szene und zu einem Anstieg der Gewalttaten geführt. Wichtigstes Aktionsfeld der Linksextremisten in Mecklenburg-Vorpommern ist demzufolge weiterhin der "Antifaschismus", in dessen Vordergrund Protestdemonstrationen gegen Aufzüge der genannten Parteien stehen, sowie gegen "Nazis" und sonstige als "rechts" gebrandmarkte Personen gerichtete "Outingaktionen". Mit Sorge ist zu beobachten, dass durch bundesweit agierende Bündnisse der übliche Rahmen der Auseinandersetzung im demokratischen Wettbewerb bewusst verlassen wird, was sich auch durch gezielte Aufrufe zu Aktionen gegen die AfD zeigt. 84 So hat das bundesweite Bündnis "Nationalismus ist keine Alternative" (NIKA), an dem neben demokratischen Zusammenschlüssen auch linksextremistische Organisationen entscheidend beteiligt sind, vor den verschiedenen Landtagswahlen im Jahr 2016 zu einer Kampagne gegen die AfD aufgerufen und damit die linksextremistische 91 Szene emotionalisiert. Ein bundesweites "Aktionswochenende gegen AfD und völkische Koalition", zu dem das Bündnis NIKA im Frühjahr 2016 aufgerufen hatte, hat bundesweit zu umfangreichen Sachbeschädigungen zum Nachteil der Partei, aber auch einzelner Mitglieder und unbeteiligter Dritter - auch in Mecklenburg-Vorpommern - geführt. Besorgniserregend ist dabei, dass derartige Aufrufe und Taten nicht nur die linksextremistische Einflussnahme auf die Zivilgesellschaft belegen, sondern auch zeigen, dass "Gewalt gegen rechts" verharmlost wird. Im Zuge der Aufrufe, sich gegen "Nationalismus" und eine "völkische Koalition" zu widersetzen, kam es im Jahr 2016 wiederum zu Straftaten gegen Mitglieder von Studentenverbindungen in Rostock und Greifswald. Den Mitgliedern solcher Verbindungen wird von Linksextremisten häufig pauschal ein rechtsextremistisches 92 Weltbild unterstellt. Neben Sachbeschädigungen an den Gebäuden kam es im Mai 2016 auch zu einer Körperverletzung von vermeintlichen Mitgliedern eines Studentencorps in Greifswald. 91 Internetseite "Nationalismus ist keine Alternative", abgerufen am 19.01.2017 92 Internetseite "scharf-links.de", abgerufen am 19.01.2017 85 Mit Blick auf die Entwicklung des linksextremistischen Spektrums in Mecklenburg-Vorpommern ist darüber hinaus hervorzuheben, dass sich im Januar 2016 in Rostock eine Ortsgruppe der linksextremistischen Organisation "Interventionistische Linke" (IL) gegründet hat. Die "Interventionistische Linke" (IL) besteht bundesweit seit 2005 mit dem Ziel einer Vernetzung und verbindlicheren Organisierung autonomer Gruppierungen und Aktivisten. Die IL bemüht sich um eine Zusammenführung linksextremistischer Akteure unterschiedlicher ideologischer Prägung. Darüber hinaus 93 beansprucht die IL eine "Scharnierfunktion" zwischen der linksextremistischen Szene und nicht extremistischen Bereichen. Ziel bleibt der "revolutionäre Bruch mit dem nationalen und dem globalen Kapitalismus, mit der Macht des bürgerlichen Staates" 94. 42 Linksextremismus in Mecklenburg-Vorpommern im Jahre 2016 Das Bild des deutschen Linksextremismus wird im Wesentlichen durch zwei Hauptströmungen geprägt, die aktionsorientierten Autonomen (= undogmatischer Linksextremismus) und die orthodoxen Kommunisten, die sich in Parteien und sonstigen Gruppierungen organisieren (= dogmatischer Linksextremismus). 93 Internetseite "Interventionistische Linke", abgerufen April 2015 94 Internetseite "Interventionistische Linke - Zwischenstandspapier", abgerufen April 2015 86 4 2 1 Personenpotenzial Personenpotenzial der linksextremistischen Organisationen 2016 in Mecklenburg-Vorpommern M-V M-V Bund Bund 2015 2016 2015 2016 Gewaltbereite 270 280 7.700 8.50096 Linksextremisten95 Rote Hilfe e. V. 170 170 7.000 8.000 Deutsche Kommunisti40 40 3.000 3.000 sche Partei (DKP) Marxistisch-Leninistische 20 20 1.800 1.800 Partei Deutschlands (MLPD) Sozialistische Alternative 25 25 300 300 (SAV) Sozialistische Deutsche 10 10 500 750 Arbeiterjugend (SDAJ) Gesamt97 430 440 28.000 28.500 4 2 2 Politisch motivierte Kriminalität Auch im Jahr 2016 kam es in Mecklenburg-Vorpommern zu Strafund Gewalttaten mit linksextremistischem Hintergrund. Insgesamt wurden durch das Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern im Phänomenbereich "Links" der politisch-motivierten Kriminalität 482 Straftaten (Vorjahr: 165) festgestellt, darunter 64 (Vorjahr: 76) linksextremistische Taten und davon 24 Gewalttaten (Vorjahr: 63). 95 Die Begriffe "gewaltbereite Linksextremisten" und "Autonome" werden weitgehend synonym verwendet. 96 Seit 2014 wird beim Bund die Anzahl gewaltorientierter Linksextremisten angegeben, in der die Zahl der gewaltbereiten Linksextremisten als Teilmenge enthalten ist. 97 Gesamtzahl von Mecklenburg-Vorpommern und Bund um Mehrfachmitgliedschaften bereinigt. Die Gesamtzahl des Bundes umfasst auch Organisationen, die in Mecklenburg-Vorpommern nicht vertreten sind bzw. nicht beobachtet werden. 87 Trotz der deutlichen Zunahme des politisch motivierten Straftatgeschehens im Bereich "Links" ist das Potenzial der Linksextremisten insgesamt und auch der gewaltbereiten Linksextremisten in Mecklenburg-Vorpommern in etwa gleich geblieben, siehe Tabelle 4.2.1 - Personenpotenzial. Es ist erkennbar, dass die politisch motivierten Straftaten "Links" zwar deutlich anstiegen, die linksextremistischen und die Gewalttaten hingegen abnahmen. Bei 450 dieser politisch motivierten Straftaten handelt es sich vor allem um Sachbeschädigungen, Diebstahl, Verstöße gegen das Versammlungsgesetz sowie Beleidigungen. Der starke Anstieg der politisch motivierten Straftaten resultiert hauptsächlich aus der im September 2016 stattgefundenen Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern, zu der auch die NPD antrat. Im Vorfeld der Landtagswahl wurde häufig Wahlkampfmaterial beschädigt oder zerstört, wodurch die Straftatenstatistik gestiegen ist. Auch bietet der politische Gegner, wie beispielsweise die NPD oder AfD, durch Wahlkampfauftritte größere Präsenz und damit Angriffsfläche. Größere Veranstaltungen des politischen Gegners bieten ferner einen willkommenen Anlass für Proteste, die sich zum Teil in der Statistik als versammlungstypische Straftaten wiederfinden. Konfrontationen zwischen Linksund Rechtsextremisten werden ausgetragen, wenn es zu einer tatsächlichen Begegnung kommt. Im Berichtszeitraum waren dies beispielsweise Aktionen am 1. Mai 2016 gegen eine Demonstration der NPD in Schwerin und am 8. Mai 2016 gegen einen rechtsextremistischen Aufmarsch in Demmin. 43 Wahrnehmung und Auswirkungen des gewaltbereiten Linksextremismus Obwohl die Anwendung von Gewalt ein Strategieelement der linksextremistischen Szene zur Erkämpfung politischer Ziele ist, gerät dieser Aspekt meist nur im Zusammenhang mit gewalttätigen Protesten anlässlich von Großereignissen, wie der Demonst88 ration gegen die Eröffnung der Europäischen Zentralbank im Jahr 2015 in das Blickfeld der Öffentlichkeit. Die zahlreichen sonstigen, z.T. schweren Gewalttaten, die sich vorrangig gegen die Polizei oder den politischen Gegner richten, bleiben in der Regel unbeachtet. Dabei drohen unserem demokratischen Gemeinwesen durch ein solches Vorgehen erhebliche Gefahren: * Eine durch die eigene ideologische Überzeugung vermeintlich legitimierte Anwendung von Gewalt gegen den Staat und den politischen Gegner untergräbt das staatliche Gewaltmonopol und ist damit eindeutig verfassungsfeindlich. Dies hatte das Bundesverfassungsgericht im NPD-Verbotsverfahren ausdrücklich hervorgehoben. Nach dessen Feststellung ist das staatliche Gewaltmonopol Teil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. * Straftaten der linksextremistischen Szene und hier insbesondere die der anarchistischen "Antifa" richten sich nicht ausschließlich gegen den politischen Gegner auf rechtsextremistischer Seite, sondern auch gegen Personen und Parteien, die aus Sicht der Linksextremisten eine "rechte" und damit "falsche" Einstellung haben. Wissenschaftler, die nicht auf "Antifa-Niveau" argumentieren, werden bei ihren Vorlesungen gestört oder es kommt zu Übergriffen in deren Privatbereich. Auf diese Weise entsteht ein zunehmend repressives Meinungsklima, das mit der vom Grundgesetz garantierten Freiheit der geistigen Auseinandersetzung und der Wissenschaftsfreiheit unvereinbar ist. Es kann darüber spekuliert werden, warum diese demokratiefeindliche Entwicklung kaum öffentliche Aufmerksamkeit erregt. Aufschluss könnte hier möglicherweise eine Studie der Freien Universität Berlin geben. Im Rahmen eines mehrjährigen Forschungsprojekts sind die "demokratiegefährdenden Potenziale des Linksextremismus" wissenschaftlich untersucht wor89 den98. Ziel war es, herauszuarbeiten, welche Gesellschaftsund Menschenbilder die linksextreme Szene prägen und wie hoch die Akzeptanz verschiedener linksextremer Einstellungsmuster in der Bevölkerung ist. Die Ergebnisse wurden im Februar 2015 und im Juli 2016 der Öffentlichkeit vorgestellt. Zentrale Feststellung derWissenschaftler war, dass ein Sechstel der Bevölkerung eine linksradikale/ linksextreme Einstellung zeigte. Besonders bedenklich ist, dass sich nur knapp die Hälfte der Befragten für die Beibehaltung des staatlichen Gewaltmonopols ausgesprochen hat. 60 % der Ostdeutschen und 37 % der Westdeutschen hielten zudem den Sozialismus / Kommunismus für eine "gute Idee, die bisher nur schlecht ausgeführt worden" sei. Bei aller Vorsicht hinsichtlich der Aussagekraft solcher Studien wird doch deutlich, dass Linksextremisten mit ihren Gesellschaftmodellen in beachtlichen Teilen der Gesellschaft anschlussfähig sind. Diese Einstellungsmuster könnten die Wahrnehmung der von Linksextremisten drohenden Gefahren durchaus trüben. Hier bedarf es einer stärkeren öffentlichen Diskussion und einer Ausweitung der politischen Bildung im Hinblick auf den ideologischen Hintergrund des Linksextremismus. 44 Undogmatischer Linksextremismus Die aktionsorientierten Autonomen, die sich keinen festen Regeln und Lehren ("Dogmen") unterwerfen wollen, engagieren sich in zahlreichen typischen Aktionsfeldern, um die von ihnen gewünschte Umgestaltung der Gesellschaft zu erreichen. 4 4 1 Aktionsfeld "Antifaschismus" Wie eingangs dargestellt, verkörpert der "Antifaschismus" weiterhin das wichtigste Aktionsfeld der Linksextremisten in Mecklenburg-Vorpommern. Entsprechende Aktionen richten sich dabei vornehmlich gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten. Die Taten reichen über Sachbeschädigungen an Parteige98 Prof. Dr. Klaus Schroeder, Monika Deutz-Schroeder: "Gegen Staat und Kapital - für die Revolution! Linksextremismus in Deutschland - eine empirische Studie", Februar 2015 sowie "Linksextreme Einstellungen und Feindbilder", Juli 2016 90 bäuden und Privathäusern über Brandanschläge an Fahrzeugen bis hin zu Bedrohungen und Veröffentlichungen von privaten Daten. Im Rahmen des "antifaschistischen Kampfes" wurden im Jahr 2016 in Mecklenburg-Vorpommern diverse Personen geschädigt, die als politische Gegner angesehen wurden. Besonders hervorzuheben ist an dieser Stelle ein neues Phänomen, dass nämlich zunehmend auch Dritte, die nicht Mitglieder der AfD sind, sondern mit dieser lediglich in geschäftlichen Verbindungen stehen, zum Zielobjekt linksextremistischer Attacken werden. Eine solche Entwicklung verdeutlicht, dass Linksextremisten die rechtlichen Regeln des demokratischen Wettbewerbs für sich als irrelevant ansehen und stattdessen eine Strategie verfolgen, die mit Mitteln der Gewalt und der Rufschädigung auf Einschüchterung und Rückzug des politisch Andersdenkenden setzt. Beispielhaft seien die folgenden Ereignisse dargestellt: * Sachbeschädigungen an Pkw In Rostock wurden am 3. Juni 2016 zwei Autos durch Brandbeschleuniger in Brand gesetzt, von denen eines einem Rechtsextremisten gehörte. In einem Internetbeitrag wurde zu weiteren Aktionen aufgerufen: "Direkte antifaschistische Interventionen sind eine klares Zeichen! (...) Sachund Personenschäden sind ein probates Mittel!".99 Am 3. Oktober 2016 wurden die Scheiben vom Pkw eines AfD-Mitglieds in Greifswald zerschlagen und der Fahrzeughalter beleidigt. Ein mit Wahlwerbung der CDU versehener Pkw wurde am 25. August 2016 in 100 99 Internetseite "linksunten.Indymedia" abgerufen am 07.06.2016 100 Internetseite "linksunten.Indymedia" abgerufen am 10.10.2016 91 Ueckermünde mit Hakenkreuzen beschmiert und mittels Brandbeschleuniger angezündet. Das Auto brannte vollständig aus, zudem wurde durch die Hitzeeinwirkung ein weiterer Pkw beschädigt. * Sachbeschädigung am Partei-Büro der AfD in Neubrandenburg Unbekannte warfen am 5. März 2016 in Neubrandenburg eine Fensterscheibe des Büros der AfD-Kreistagsfraktion ein und sprühten Graffiti an das Gebäude, u.a. "Fuck AFD". Die Tat passierte im zeitlichen Zusammenhang zum "Bundesweiten Aktionswochenende gegen AfD und völkische Koalition", zu dem die Kampagne "Nationalismus ist keine Alternative" aufgerufen hatte. * Sachbeschädigung an Wohngebäuden von AfD-Mitgliedern Unbekannte bewarfen am 13./14. März 2016 in Rostock das Wohnhaus eines Mitglieds des AfD-Landesvorstands mit Farbgläsern. Im Internet wurde die Tat zynisch als "Wahlgeschenk" bezeichnet. Zudem wurde die Aktion von dem sich "antifa" nennenden Verfasser als "Startschuss" für weitere Handlungen im Kontext der Landtagswahl in MV bezeichnet: "Rassisten aus der Deckung holen! Keinen ruhigen Sommer für die AfD und ihre Repräsentant_innen!" 101 Am 5. Juni 2016 wurde in Greifswald das Küchenfenster des Wohnhauses eines AfD-Mitgliedes eingeworfen. Name und Anschrift dieses AfD-Mitglieds waren auf den am 30. April und 1. Mai 2016 widerrechtlich im Internet veröffentlichten Listen der Teilnehmer an AfD-Parteitagen in Bremen und Stuttgart enthalten. 101 Internetseite "linksunten.Indymedia" abgerufen am 14.03.2016 92 Am 16./ 17. Juli 2016 bewarfen Unbekannte das Wohnhaus eines Mitglieds des AfD-Landesvorstands in Wackerow (Landkreis Vorpommern-Greifswald) mit Pflastersteinen und zerschlugen dabei eine Fensterscheibe. Im Briefkasten des AfD-Politikers wurde ein Schreiben mit dem 102 Logo der "Antifaschistische Aktion" gefunden. * Sachbeschädigungen zum Nachteil unbeteiligter Dritter Am Veranstaltungsgebäude des Sonderparteitags der AfD in Binz wurden am 25. Mai 2016 großflächige Parolen aufgesprüht. Auf einer einschlägigen Internetseite wurde ein Selbstbezichtigungsschreiben veröffentlicht und u. a. ausgeführt: "das hotel sollte es sich gut überlegen menschenverachtenden meinungen eine plattform zu bieten. außer sich das deutsche pack ins haus zu holen, schadet das anscheinend auch dem image und ist teuer, für sich und die nachbar_innen". 103 Eine ähnliche Sachbeschädigung wurde darüber hinaus am 6. Juni 2016 am Gebäude einer Greifswalder Gaststätte begangen, in deren Räumlichkeiten ebenfalls eine AfD-Veranstaltung durchgeführt werden sollte. 102 Logo der "Antifaschistischen Aktion" 103 Bild und Text: Internetseite "Linksunten.Indymedia" vom 26.05.2016, abgerufen am 19.01.2017 93 Auch ein Anzeigenverlag wurde Opfer der Anti-AfD-Aktionen, indem dessen Gebäudefassade am 24. August 2016 in Rostock mit Farbe beschmiert und die Parole "WER AFD DRUCKT IST UNSER FEIND" angebracht wurde. * Veröffentlichung von persönlichen Daten tatsächlicher oder vermeintlicher Rechtsextremisten Über das wichtigste Internetportal der linksextremistischen Szene wurden am 30. April 2016 und 1. Mai 2016 umfangreiche Listen mit persönlichen Daten der Teilnehmer der AfD-Bundesparteitage veröffentlicht, wobei auch Personen aus Mecklenburg-Vorpommern betroffen waren. Stellvertretend für die AfD ist daraufhin Anzeige bei der Polizei wegen Ausspähens von Daten gem. SS 202a StGB erstattet worden. Entsprechend dem Ziel der Veröffentlichung, Anhänger der AfD zu "outen", kam es in Folge dann auch zu vereinzelten Sachbeschädigungen an den widerrechtlich veröffentlichten Wohnsitzadressen sowie zu nächtlichen Drohanrufen und Beschimpfungen bei Personen, die in den Listen aufgeführt waren. Am 1. November 2016 wurden in Rostock mehrere Plakate festgestellt, auf denen persönliche Angaben zu einer vermeintlichen Angehörigen der sogenannten Identitären veröffentlicht wurden. Neben dem Foto und den Angaben zur Wohnanschrift wurden auch die aktuelle Beschäftigung und die Verbindung zur IB dargestellt. Auf diese Weise soll der politische Gegner eingeschüchtert und der Boden für anschließende Übergriffe gewaltbereiter Linksextremisten bereitet werden. Neben den gezielten Einzelaktionen gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten nahmen Linksextremisten auch an den gewalttätigen Auseinandersetzungen anlässlich der jährlichen Großdemonstrationen der NPD teil: 94 * Auseinandersetzungen bei NPD-Demonstration am 1 Mai 2016 in Schwerin 104 An den von demokratischen Parteien und Bündnissen organisierten Gegenveranstaltungen zur NPD-Demonstration im Schweriner Stadtgebiet nahmen zahlreiche Linksextremisten aus M-V und den angrenzenden Bundesländern teil. Während der unter dem Motto "Time to say goodbye! - Die NPD verabschieden!" veranstalteten antifaschistischen Kundgebung am Schweriner Pfaffenteich kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Linksextremisten und der Polizei. * Ausschreitungen bei Protesten gegen den "Trauermarsch" am 8 Mai 2016 in Demmin Bereits im Vorfeld kam es zu diversen Graffitischmierereien im Stadtgebiet; mit Aussagen, wie "8. Mai Nazis in die Peene jagen" oder "8. Mai Nazis boxen", wurde die Stimmung aggressiv aufgeladen. Am Veranstaltungstag selbst demonstrierten etwa 550 Personen aus dem zivilgesellschaftlichen Bereich zumeist friedlich gegen den von der NPD initiierten "Trauermarsch" in Demmin. Unter den Demonstrierenden befanden sich jedoch auch gewaltbereite Linksextremisten, welche während der Veranstaltung versuchten, sich gewaltsam Zugang zum Aufzug der rechtsextremistischen Versammlungsteilnehmer zu verschaffen. Die Polizei nahm Anzeigen wegen Widerstandes gegen 104 Internetseite "ino.blogsport.de", abgerufen am 18.01.2017 95 Vollstreckungsbeamte, versuchter Körperverletzungsdelikte und mehrfachem Verstoß gegen das Versammlungsgesetz (u. a. Mitführen von Messern, Sägeblättern, Vermummungen) auf. Am Rande der Versammlungen kam es zu einer Sachbeschädigung an einem Polizeifahrzeug. 4 4 2 Aktionsfeld "Antirassismus" Die von Linksextremisten bewusst vorgenommene Verknüpfung verschiedener Aktionsfelder verfolgt das Ziel, sich in gesellschaftliche Protestbewegungen noch stärker einzubringen und auch nichtextremistische Gruppen für eigene Zwecke zu instrumentalisieren. Besonders deutlich wird dieses Phänomen bei der Verknüpfung der Themenfelder "Antirassismus" und "Antikapitalismus". Nach linksextremistischer Ideologie ist "der Kapitalismus" nicht nur der nahezu alleinige Grund für Armut, Ausbeutung, soziale Ungerechtigkeit, Umweltzerstörung und die Kriege in der Welt, sondern auch für gesellschaftspolitische Erscheinungen wie den vermeintlich flächendeckend vorhandenen "Rassismus" in den kapitalistischen Staaten. Dem bürgerlich geprägten Verfassungsstaat wird unterstellt, dass "Rassismus" ein notwendiger Bestandteil seines "Unterdrückungsund Ausbeutungssystems" ist und er mit seiner vermeintlich rassistischen Grundausrichtung sogar rechtsextremistische Strukturen bewusst fördert ("Nazis morden, der Staat schiebt ab; es ist das gleiche Rassistenpack").105 Ein Beispiel für das genannte Aktionsmuster ergab sich im Nachgang zu einer Straftat gegen Flüchtlinge. Nachdem Anfang Oktober in Neubrandenburg ein Brandanschlag vor der Wohnungstür einer syrischen Familie verübt worden war, riefen zivilgesellschaftliche Organisationen zu einer Solidaritätskundgebung am 8. Oktober 2016 auf. 105 Häufig verwendete Parole auf linksextremistisch geprägten Kundgebungen 96 106 Solche nichtextremistischen Solidaritätskundgebungen werden regelmäßig auch von Linksextremisten zu eigenen Zwecken genutzt. So wurde der Aufruf zur Kundgebung durch die linksextremistische IL Rostock (vgl. 4.1) wie folgt ausgedehnt: "Lasst uns gemeinsam nach Neubrandenburg fahren und dort unsere Solidarität auf die Straße tragen - unsere Solidarität mit denen, die Zuflucht suchen und wieder Gewalt finden, aber auch mit denen, die von Lohnarbeit oder Hartz abhängig sind, ausgebeutet werden und über Jahre und Jahrzehnte auch von der Linken vergessen worden sind! Wir erwarten eine kraftvolle und entschlossene Demonstration, die trotzdem anschlussfähig ist und klar macht, dass unsere Solidarität all jenen gilt, die unter den Zuständen des kapitalistischen Systems leiden." 107 Das Zitat belegt, wie Linksextremisten die in breiten Bevölkerungsteilen vorhandene Ablehnung von Fremdenfeindlichkeit nutzen, um ihre ideologischen Botschaften im Kampf gegen den Kapitalismus zu verbreiten. 106 Internetseite "Linksunten.Indymedia" vom 10.10.2016, abgerufen am 27.01.2017 107 Facebook-Seite "IL Rostock" vom 07.10.2016, abgerufen am 27.01.2017 97 4 4 3 Aktionsfeld "Antirepression" Als "Antirepression" bezeichnen Linksextremisten ihren Kampf gegen eine von ihnen behauptete, vielgestaltige Unterdrückung durch den (verhassten) Staat, welcher nicht nur jegliche revolutionäre Ansätze im Keim ersticken will, sondern vermeintlich auch schon die allgemeine Ausübung von staatsbürgerlichen Grundrechten beeinträchtigt. Zu den bevorzugten Zielen der Antirepressionsaktionen gehören naturgemäß Polizeibeamte, aber auch Nachrichtendienste und andere staatliche Einrichtungen wie Gerichte und Staatsanwaltschaften. 108 Im Zuge der linksextremistischen Aktivitäten gegen Rechtsextremisten (Antifaschismus) kommt es häufig zu der Konstellation, dass die Polizei eine rechtmäßige, angemeldete Demonstration von Rechtsextremisten schützen muss, um deren Ausübung des Grundrechts auf Demonstrationsfreiheit zu sichern. Wenn Linksextremisten dann die Demonstration der Rechtsextremisten zu stören versuchen, führt dies nahezu zwangsläufig zu Konfrontationen mit der Polizei, was daraufhin von linker Seite als gezielte staatliche Repression gegen Links und "gewollte staatliche Unterstützung rechtsextremer Umtriebe" gebrandmarkt sowie als "Beweis" für eine "faschistische Haltung" des deutschen Staates ins Feld geführt wird. 108 Internetseite "nazifrei berlin" vom 05.11.2016, abgerufen am 19.01.2017 98 Die Polizeibeamten, die das Demonstrationsund Versammlungsrecht auch des politischen Gegners wahren, die Justizbediensteten, die an asylrechtlichen Vollzugsmaßnahmen beteiligt sind, sowie die Mitarbeiter der Verfassungsschutzbehörden, die im Sinne eines "Frühwarnsystems" Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung analysieren, werden dabei pauschal als Bestandteil des Repressionsapparates verunglimpft. Dabei bilden Parolen wie "Niemand muss Bulle sein" oder "Gegen die Nazimörder und ihre Komplizen vom Verfassungsschutz" den verbalen Ausgangspunkt für körperliche Angriffe und Attacken bei Veranstaltungen. In Mecklenburg-Vorpommern kam es im Jahr 2016 u. a. zu folgenden Einzelereignissen: * Farbanschlag auf Justizgebäude am 15 Januar 2016 in Rostock Mehrere Unbekannte begaben sich lautstark zum Haus der Justiz in Rostock. Dort entzündeten sie Bengalische Fackeln und warfen Gläser mit roter Farbe gegen die am Haus angebrachte Gedenktafel für die Opfer der Kommunistischen Gewaltherrschaft von 1945 bis 1989. Auf der einschlägigen Internetseite "Linksunten.Indymedia" erschien am 19. Januar 2016 ein Artikel, in dem sich die "einige Antifaschist*innen" nennenden Verfasser zu der Begehung der Tat bekannten. * Farbanschlag auf Polizeiwache am 4 Februar 2016 in Rostock Unbekannte warfen zwei Flaschen mit roter Farbe gegen das Dienststellengebäude des Polizeihauptreviers Reutershagen und bekannten sich über das Internet als "wütende Rostocker*innen" zu der Tat. Als bedeutendste linksextremistische Organisation im Themenfeld Antirepression tritt der bundesweit agierende Verein "Rote Hilfe e. V." auf, der in Mecklenburg-Vorpommern mit zwei Ortsgruppen in Rostock und Greifswald vertreten ist. 99 109 Den beiden Ortsgruppen werden in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt etwa 170 Mitglieder zugerechnet; bundesweit werden rund 8.000 Mitgliedern/Anhänger dem linksextremistischen Verein "Rote Hilfe e. V." zugerechnet. 45 Dogmatischer Linksextremismus Linksextremistische Parteien und Gruppierungen bemühen sich nach wie vor mittels der bekannten Argumentationsmuster an den "herrschenden Verhältnissen" ihren sozialistischen und kommunistischen Zielen näher zu kommen. In Mecklenburg-Vorpommern ist es dem dogmatischen Linksextremismus auch in 2016 nicht gelungen, eine größere politischer Bedeutung zu erlangen. Die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) verfügt zwar über Ortsgruppen in Schwerin, Greifswald, Neubrandenburg, Rostock, Stralsund und auf Rügen, jedoch ist das Personenpotenzial insgesamt gering. Die "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ)110 hat Ortsgruppen in Schwerin, Rostock sowie Nordvorpommern und wird koordiniert durch den "SDAJ-Landesverband Waterkant". Die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) verfügt über Ortsgruppen in Alt-Schwerin und Rostock. Der Jugendverband REBELL der MLPD ist mit einer Ortsgruppe in Rostock in Mecklenburg-Vorpommern vertreten, ebenso die Sozialistische Alternative (SAV). Daneben bestehen in Mecklenburg-Vorpommern einige Regionalgruppen des "RotFuchs-Fördervereins", der zum Bereich der orthodoxen Kommunisten zählt. 109 Internetseiten der "Rote Hilfe e. V." Ortsgruppen Rostock und Greifswald, abgerufen am 18.01.2017 110 Die SDAJ ist die Jugendorganisation der DKP, von dieser aber organisatorisch unabhängig. 100 111 112 113 Die Organisationen und Parteien des dogmatischen Linksextremismus entfalteten im Berichtszeitraum nur eine schwache Außenwirkung. Im Wesentlichen veranstalteten sie Mitgliedertreffen und interne Schulungen. Darüber hinaus beteiligten sie sich neben anderen parteipolitischen und zivilgesellschaftlichen Akteuren an Protestveranstaltungen gegen Versammlungen der NPD. Insgesamt ist festzustellen, dass die politischen Ziele der dogmatischen Linksextremisten so gut wie keine nennenswerte Anziehungskraft auf die Bevölkerung ausüben, was sich nicht zuletzt auch in den Ergebnissen bei Wahlen niederschlägt. So war die DKP mit drei Listenkandidaten zur diesjährigen Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern angetreten und erhielt im Ergebnis 1.315 Zweitstimmen, was 0,2 Prozent aller abgegebenen gültigen Stimmen entspricht. 5 Islamismus / Islamistischer Terrorismus 51 Islamistische Bestrebungen - politischer Extremismus mit Rückgriff auf den Islam Das Phänomen des Islamismus wird begrifflich und inhaltlich von dem des Islam unterschieden. Der Islam ist eine Religion, deren Ausübung durch das im Art. 4 Grundgesetz festgehaltene Recht auf Religionsfreiheit garantiert wird und nicht von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet wird. Der Islamismus ist hingegen dadurch gekennzeichnet, dass er einen explizit politischen Anspruch aus der Religion des Islam ableitet. Islamisten instrumentalisieren die Religion des Islam für politische und 111 Internetseite "Deutsche Kommunistische Partei", abgerufen am 22.12.2016 112 Internetseite "Sozialistische Alternative", abgerufen am 22.12.2016 113 Internetseite "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands", abgerufen am 22.12.2016 101 verfassungsfeindliche Zwecke. Sie verfolgen das Ziel, ihre gesellschaftspolitischen Vorstellungen in Staat und Gesellschaft durchzusetzen und dies sowohl in muslimischen wie auch in säkular geprägten Gesellschaften. Islamisten wollen eine "Ordnung des Islam" errichten, in der mittels Anwendung "islamischer Rechtsnormen" der Geltungsanspruch der Schari'a durchgesetzt und damit wesentliche Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung außer Kraft gesetzt werden sollen. Der Verfassungsschutz beobachtet deshalb unter der Überschrift "Islamismus" religiös motivierte extremistische Bestrebungen, die sich gegen westliche Wertund Ordnungsvorstellungen und insbesondere gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten. Der islamistische Extremismus ist kein einheitliches Phänomen, sondern weist verschiedene Facetten auf. Diese unterscheiden sich zum einen in ihrer Reichweite und ihrem Anspruch; das Spektrum reicht hierbei von lokalen islamistischen Vereinen bis zu global agierenden Organisationen wie der Terrororganisation "al-Qaida". Daneben gibt es islamistische Gruppierungen, deren Agenda sich auf bestimmte Regionen bezieht. Die islamistische "Harakat al-Muqawama al-Islamiya" (HAMAS) etwa richtet ihre Aktivitäten auf eine Islamisierung Palästinas. HAMAS ist für dieses Ziel aber weit über die Grenzen Palästinas hinaus aktiv. Zum anderen unterscheiden sich die Mittel, mit denen islamistische Gruppierungen ihre Ziele zu erreichen suchen. So gibt es islamistische Organisationen, die als legalistisch bezeichnet werden, weil ihre Zielsetzungen zwar extremistisch sind, sie sich aber bei ihren Aktionen innerhalb des vorgegebenen rechtlichen Rahmens bewegen. Andere islamistische Gruppierungen befürworten unter bestimmten Umständen den Einsatz von Gewalt als Mittel, um ihre Ziele durchzusetzen. Schließlich gibt es im Bereich des Islamismus ter102 roristische Gruppierungen wie "al-Qaida" und den "Islamischen Staat" (IS), deren primäres Ziel die Propagierung, die Androhung und der Einsatz von Gewalt sind. Diese Vielfalt hat zur Folge, dass der islamistische Extremismus auch keine Bewegung ist, die nach außen hin geschlossen auftritt. Teile dieses Spektrums bekämpfen einander aufs heftigste. Deutlich wird das beispielsweise in Angriffen von Salafisten (also Sunniten, siehe unten) gegen schiitische Extremisten. 52 Übersicht über die Entwicklung des Islamismus und islamistischen Terrorismus 2016 Deutschland steht weiterhin im Zielspektrum von islamistisch-terroristischen Bestrebungen. Wie die Anschläge im Jahr 2016 zeigen, auf die im Folgenden noch näher eingegangen wird, stellt der islamistische Terrorismus im Bereich des politischen Extremismus weiterhin die größte Gefahr für die innere Sicherheit Deutschlands dar. Schlugen islamistische Anschläge in Deutschland in den letzten Jahren fehl oder wurden durch die Sicherheitsbehörden vereitelt, so erfolgten 2016 die ersten islamistische Anschläge in Deutschland, denen auch deutsche Staatsbürger zum Opfer fielen. 2016 hatte die Flüchtlingsbewegung aus dem Nahen und Mittleren Osten erhebliche Auswirkung auf den Phänomenbereich des Islamismus in Deutschland. Bundesweit erlangten die Sicherheitsbehörden in diesem Zusammenhang eine deutlich zunehmende Zahl von Hinweisen zur Einreise mutmaßlicher Jihadisten unter den Flüchtlingen. Sehr häufig stammen diese Hinweise selbst von Flüchtlingen. Ein Großteil dieser zumeist unspezifischen Meldungen lässt sich derzeit weder eindeutig verifizieren noch falsifizieren und bleibt Gegenstand nachrichtendienstlicher Ermittlungen. Islamistische Organisationen und Zusammenschlüsse traten auch 2016 an Bewohnerinnen und Bewohner von Flüchtlingsunterkünften heran. Vordergründig boten sie den Flüchtlingen materielle Leistungen und religiöse Seelsorge an. Im Kern zielten diese 103 Aktivitäten jedoch darauf ab, Flüchtlinge für islamistische Zwecke zu missionieren und zu mobilisieren. Weltweit gab es 2016 eine große Zahl von islamistischen Terroranschlägen, die größtenteils der Terrororganisation IS zuzurechnen waren. Neben verschiedenen Anschlägen in Deutschland und Europa gab es eine hohe Zahl von islamistischen Anschlägen in Syrien, Irak, Somalia und Afghanistan. In diesem Zusammenhang war für Deutschland vor allem der Sprengstoffanschlag gegen das deutsche Generalkonsulat in Masar-e Scharif am 10. November 2016 von Relevanz. Bei diesem Anschlag der islamistischen Gruppierung der Taliban kamen sechs Menschen ums Leben und mindestens 128 Personen wurden verletzt. In Deutschland, Europa und den USA konnten 2016 in erster Linie folgende islamistische Anschläge verzeichnet werden: Anschläge in Deutschland * Messerattacke gegen einen Polizeibeamten am 26 Februar 2016 in Hannover Am 26. Februar 2016 stach die 15-jährige Schülerin Safia S. am Hauptbahnhof Hannover bei einer Polizeikontrolle auf den Beamten ein und verletzte ihn lebensgefährlich. Ende Januar 2017 wurde die Angeklagte zu einer Jugendhaftstrafe von sechs Jahren 114 wegen versuchten Mordes, Safia S. im gefährlicher KörperverletOberlandesgericht Celle zung und Unterstützung einer 114 Foto: Oberlandesgericht Celle, (wurde durch das OLG Celle am Verhandlungstag an Vertreter der Öffentlichkeit herausgegeben) 104 ausländischen terroristischen Vereinigung verurteilt, da sie nach Überzeugung des Gerichts im Auftrag der Terrororganisation IS gehandelt hatte. Bereits als Siebenjährige war sie als Koranrezitatorin an der Seite des bekannten salafistischen Predigers Pierre Vogel in Videos aufgetreten, die im Internet kursieren. * Anschlag auf einen Tempel der Sikh-Gemeinde in Essen am 20 April 2016 Am 20. April 2016 kam es zu einem Sprengstoffanschlag auf einen Sikh-Tempel in Essen, bei dem drei Personen verletzt wurden, eine davon schwer. Zur Tatzeit hatten sich rund 150 Menschen zu einer Hochzeitszeremonie in der Gebetsstätte der aus Indien stammenden Religion aufgehalten. Die Tatverdächtigen, zwei 16-jährige türkische Staatsangehörige, haben Bezüge zum IS und begingen die Tat allem Anschein nach aus islamistischen Motiven. * Angriff im Regionalzug bei Würzburg am 18 Juli 2016 Ein 17-jähriger Afghane verletzte am 18. Juli 2016 bei einem Angriff in einem Regionalzug in der Nähe von Würzburg mit einem Beil und einem Messer vier Menschen lebensgefährlich. Auf seiner anschließenden Flucht verletzte er eine weitere Person schwer und wurde schließlich von der Polizei erschossen, nachdem er die Beamten mit seinen Waffen angegriffen hatte. Nach der Tat wurde durch die IS-nahe Agentur A'MAQ ein Video veröffentlicht, in dem sich der Täter zur Terrororganisation IS bekannte. * Sprengstoffanschlag in Ansbach am 24 Juli 2016 Ein 27-jähriger syrischer Flüchtling löste am 24. Juli 2016 vor einer Weinstube in der Altstadt von Ansbach (Bayern) die Detonation eines Sprengsatzes aus, den er in seinem Rucksack versteckt hatte. Durch die Explosion wurden 14 Menschen verletzt, vier davon schwer. Der Attentäter selbst kam bei dem Anschlag ums Leben. Auf einem Mobiltelefon des Attentäters 105 wurde ein Video gesichert, in dem ein Vermummter dem Anführer des IS, Abu Bakr al-Baghdadi, seine Loyalität bekundete. * Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt am 19 Dezember 2016 Am 19. Dezember 2016 steuerte der tunesische Islamist Anis Amri einen Lkw in den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin-Charlottenburg und tötete dadurch elf Besucher des Weihnachtsmarktes, 55 weitere Personen wurden verletzt. Der 24-jährige Attentäter hatte das Fahrzeug zuvor geraubt und dabei den Fahrer des Lkw unter Anwendung einer Schusswaffe getötet. Vier Tage später wurde er bei einer Routinekontrolle in Norditalien von einer Polizeistreife erschossen, nachdem er bei der Ausweiskontrolle sofort das Feuer auf die beiden Polizisten eröffnet hatte. Anis Amri hatte in einem Bekennervideo für den Anschlag in Berlin seine Loyalität gegenüber Abu Bakr AL-Baghdadi bekundet. Das Video wurde nach dem Anschlag von der Nachrichtenagentur 115 A'MAQ veröffentlicht. Die IS-nahe Nachrichtenagentur A'MAQ teilte am 19. Dezember 2016 über ihre Internetseite mit, dass der Attentäter als "Soldat des IS" gehandelt habe. Amri war von der Polizei als Gefährder eingestuft worden. Er war im Juli 2015 nach Deutschland eingereist und den Sicherheitsbehörden seitdem bekannt, unter anderem, weil er regelmäßig im Netzwerk der Moschee des "Deutschsprachigen Islamkreises Hildesheim" (DIK) des Salafisten-Predigers und IS-Rekruteurs Abu Walaa verkehrte. 115 Fahndungsfoto des Bundeskriminalamtes 106 Anschläge in Europa und den USA * Belgien Am 22. März 2016 ereigneten sich am Flughafen und in einer U-Bahn-Station in Brüssel zwei Anschläge, bei denen 38 Menschen starben und mehr als 100 verletzt wurden. Zwei Explosionen ereigneten sich in der Abflughalle des Flughafens, eine in einer Metrostation in der Innenstadt. Bei den vier Attentätern soll es sich um Angehörige des Netzwerkes handeln, das auch für die Anschläge in Paris am 13. November 2015 in Paris verantwortlich war. Der IS bekannte sich zu den Anschlägen, zudem konnten auch Kontakte der Attentäter zum IS belegt werden. Unter den Todesopfern befand sich auch eine deutsche Staatsangehörige. * Frankreich Am 13. Juni 2016 tötete ein Attentäter in Magnanville im Großraum Paris einen Polizisten und dessen ebenfalls im Polizeidienst stehende Ehefrau mit einem Messer. Der Täter bekannte sich in einem "livestream" bei Facebook zum IS. Die Terrororganisation übernahm die Verantwortung für die Tat. Bei den Feierlichkeiten anlässlich des französischen Nationalfeiertages kam es am 14. Juli 2016 zu einem schweren Anschlag in Nizza, bei dem 84 Menschen ums Leben kamen und über 200 verletzt wurden. Unter den Opfern befanden sich auch drei deutsche Staatsangehörige. Ein 31 Jahre alter Franzose tunesischer Herkunft hatte mit einem Lkw auf der Strandpromenade der südfranzösischen Stadt wahllos Passanten überfahren. Der Täter war den Behörden zuvor nur wegen allgemeinkrimineller Delikte bekannt. Auch nach dem Anschlag in Nizza hatte sich der IS zur Tat bekannt. Knapp zwei Wochen später drangen zwei Attentäter während des Gottesdienstes in die Kirche der Kleinstadt Saint-Etienne-du-Rouvray nahe Rouen ein und töteten den Pfarrer. Zu der 107 Tat bekannte sich die dem IS nahe stehende Nachrichtenagentur A'MAQ. * Türkei Am 12. Januar 2016 sprengte sich ein Attentäter auf dem Platz vor der "Blauen Moschee" im Stadtteil Sultanahmet in Istanbul in die Luft und tötete dabei zwölf Menschen. Unter den Toten befanden sich elf deutsche Staatsangehörige. Der IS bekannte sich zu dieser Tat. Bei einem Selbstmordanschlag in einer Einkaufsstraße in Istanbul am 19. März 2016 kamen fünf Menschen ums Leben, mehr als 36 wurden bei der Explosion der Bombe verletzt. Es wird vermutet, dass der Täter dem IS angehörte. Bei einem mittels Sprengstoff und Schusswaffen begangenen Anschlag auf den Atatürk-Flughafen in Istanbul kamen am 28. Juni 2016 45 Menschen ums Leben und 239 wurden verletzt. Am 20. August 2016 verloren durch einen Selbstmordanschlag in Gaziantep in der Südtürkei mehr als 54 Personen ihr Leben. Nach Angaben der türkischen Behörden handelte es sich bei dem minderjährigen Attentäter um einen Angehörigen des IS. * Vereinigte Staaten von Amerika Am 12. Juni 2016 ermordete ein islamistisch motivierter Attentäter in Orlando/USA in einer Diskothek 49 Menschen. Der IS übernahm nach der Tat die Verantwortung für die Tat. Der Attentäter hatte in den Jahren vor der Tat wiederholt seine Sympathie für verschiedene Terrororganisationen ausgedrückt und sich auch während des Anschlages zum IS und anderen Terrororganisationen bekannt. Es gibt jedoch keine Hinweise dafür, dass der Täter im direkten Auftrag des IS gehandelt hat. 5 2 1 Staatliche Gegenmaßnahmen Staatliches Handeln umfasst ein breites Spektrum von Maßnahmen gegen islamistischen Extremismus. So führte die deutsche 108 Justiz 2016 eine erhebliche Zahl von Strafverfahren im Zusammenhang mit islamistischem Terrorismus. Gleichzeitig wurden die Präventionsmaßnahmen gegen Islamismus intensiviert und diversifiziert. Daneben wurden auch 2016 in Deutschland wieder Verbote gegen islamistische Vereine ausgesprochen. Der Iraker Abu Walaa ist einer der zahlreichen Islamisten die 2016 in der Bundesrepublik festgenommen wurde. Abu Walaa war bis zu seiner Festnahme am 8. November 2016 in einer Hildesheimer Moschee und bei der Onlineplattform 116 "Dawa Pics" aktiv. Anis Amri, der den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt durchgeführt hatte, gehörte zum Netzwerk Abu Walaas. Abu Walaa gilt als einer der zentralen Figuren des IS in Deutschland. Verbote islamistischer Vereine in Deutschland Am 15. November 2016 wurde die salafistische Organisation "Die Wahre Religion" (DWR) durch das Bundesinnenministerium verboten, da sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie den Gedanken der Völkerverständigung richtete. Sie vertrat eine Ideologie, die die verfassungsmäßige Ordnung ersatzlos verdrängte, befürwortete den bewaffneten Jihad und stellte ein bundesweit einzigartiges Rekrutierungsund Sammelbecken für jihadistische Islamisten sowie für solche Personen dar, die aus jihadistisch-islamistischer Motivation nach Syrien bzw. in den Irak ausreisen wollen. DWR war 2005 von Ibrahim Abou Nagie gegründet worden und hatte seit 2011 ihre Aktivitäten im Wesentlichen in Form der 116 Youtube-Kanal "Abu Walaa", Video "Soorah al Asr / Abu Walaa" abgerufen am 4.1.2017 109 "LIES!"-Kampagne entfaltet. Aus diesem Grund umfasst das Verbot auch die "LIES!"-Kampagne über die bundesund europaweit und teilweise auch außerhalb Europas kostenlose Koranexemplare verteilt werden. DWR hatte diese Kampagne aber vor allem genutzt, um neue Anhänger zu rekrutieren. In einer Reihe von Fällen führte die Anwerbung bis hin zur aktiven Beteiligung an Kampfhandlungen für den IS in Syrien/ Irak. Das Verbot erfasst auch die Bildung von Ersatzund Nachfolgeorganisationen. Im Zuge der Vollstreckung des bundesweiten Verbotes fanden am 15. November 2016 in zehn Bundesländern insgesamt rund 190 Durchsuchungen und Beschlagnahmen statt. Im Saarland und in den ostdeutschen Flächenländern kam es zu keinen solchen Maßnahmen. Mit Wirkung zum 16. Februar 2016 wurde der "Islamische Förderverein Bremen e.V." (IFB) durch den Bremer Innensenator verboten. Das Verbot war ergangen, weil sich der IFB als eine Nachfolgeorganisation des bereits 2014 verbotenen salafistischen Kulturund Familienverein (KuF) erwiesen hatte 53 Salafismus - Hintergründe und aktuelle Entwicklung Der Salafismus ist in Deutschland und zahlreichen anderen Ländern Europas nach wie vor die am dynamischsten wachsende islamistische Bewegung. Ihm werden in Deutschland ca. 9.700 Personen (Stand: Dezember 2016) zugerechnet. Im Dezember 2015 hatte der Verfassungsschutz die Zahl der Salafisten bundesweit noch auf 8.350 veranschlagt. 110 Der Salafismus ist eine besonders radikale Bewegung innerhalb des islamistischen Extremismus, die sich an den Ideen und Lebensweisen der ersten Muslime und der islamischen Frühzeit orientiert. Salafisten geben vor, ihre religiöse Praxis und Lebensführung ausschließlich an den Prinzipien des Koran und dem Vorbild des Propheten Muhammad und der frühen Muslime - der so genannten rechtschaffenen Altvorderen (arabisch al-salaf al-salih) - auszurichten. Um dies umzusetzen, streben Salafisten die bedingungslose Durchsetzung und Befolgung von islamischen Regeln an, die ihrer Auffassung nach in der frühislamischen Zeit gültig waren. Salafisten nehmen für sich in Anspruch, die alleinige Deutungsmacht über die islamischen Texte zu haben. Andere Meinungen und Positionen werden von ihnen systematisch unterbunden. Wer divergierende Positionen vertritt, wird verbannt, gegebenenfalls verfolgt oder sogar mit dem Tode bedroht. Für Salafisten ist der Islam deshalb nicht nur "Religion", sondern ein auf der wortgetreuen Befolgung des Koran und der Prophetentradition beruhendes System, welches sämtliche Lebensbereiche, einschließlich Gesetzgebung und Politik regelt. In letzter Konsequenz streben Salafisten die Errichtung eines islamischen "Gottesstaates" an. Für Deutschland würde dieser Schritt bedeuten, dass wesentliche Grundrechte und Verfassungsprinzipien keine Geltung mehr hätten. Propaganda und Handlungsweisen von Salafisten zielen folglich nicht nur auf eine Beeinflussung religiöser Überzeugungen ab, sondern verfolgen einen totalitären Ansatz. Sie verwenden dabei zwar religiöse Begriffe, deuten sie jedoch politisch um und instrumentalisieren sie in ihrem Sinne. Die salafistische Ideologie ist daher mit Integration, religiöser Toleranz und den Grundlagen des demokratischen Rechtsstaates nicht vereinbar. Gleichwohl ist der Salafismus keine homogene Bewegung, sondern in verschiedene Unterkategorien zu gliedern. Der Verfassungsschutz unterscheidet zwischen den Strömungen des politischen und des jihadistischen Salafismus. Beide Strömungen teilen zwar grundsätzlich die gleichen Glaubensvorstellungen, unterscheiden sich jedoch in der Wahl der Methoden, mit denen diese 111 Glaubensvorstellungen zur Anwendung gebracht werden sollen. Politische Salafisten versuchen, ihre islamistische Ideologie durch intensive Propagandaaktivitäten zu verbreiten, welche sie als "Missionierung" (arabisch da'wa) bezeichnen. Mit ihnen soll die Gesellschaft in einem langfristig angelegten Prozess nach salafistischen Vorstellungen verändert werden. Politische Salafisten veranstalten Kundgebungen in Innenstädten und "Islamseminare". Sie unterhalten ein umfangreiches Angebot im Internet, mit dem sie ihre Propaganda verbreiten. Nach außen wird diese Propaganda als Informationsangebot zur korrekten Religionsausübung dargestellt, tatsächlich betreibt der politische Salafismus auf diesem Weg jedoch eine systematische Indoktrination, die in vielen Fällen den Anfangspunkt für eine weitere Radikalisierung bildet. Salafisten sind bei der Ansprache von Jugendlichen häufig erfolgreich, da sie eine jugendtypische Sprache verwenden und ihnen eine vermeintlich klare Orientierung in einer als unübersichtlich empfundenen Welt aufzeigen können. Zudem bieten sie ihnen das Zusammengehörigkeitsgefühl einer eingeschworenen Gemeinschaft, reduzieren Komplexität, indem sie Sachverhalte vereinfacht in Gut und Böse einteilen, stellen klare Gebote und Verbote für alle Bereiche des Lebens auf und entlasten den Jugendlichen davon, eigene Entscheidungen fällen zu müssen. Häufig nutzen sie auch den Idealismus der Jugendlichen und deren altersbedingte Protesthaltung, um sie für die Ziele des Salafismus einzuspannen. Insgesamt ist festzustellen, dass der politische Salafismus ein ambivalentes Verhältnis zur Gewalt als Mittel zur Durchsetzung seiner Ziele pflegt, da religiös legitimierte Gewalt häufig nicht prinzipiell ausgeschlossen wird (z. B. "zur Verteidigung des Islam"). Anhänger des politischen Salafismus positionieren sich zum Teil ostentativ gegen Terrorismus, heben den friedfertigen Charakter des Islam hervor und vermeiden offene Aufrufe zur Gewalt. Zwischen den unterschiedlichen salafistischen Strömungen besteht Uneinigkeit, unter welchen Voraussetzungen Gewalt angewendet werden darf. Die Grenzziehung zwischen politischem und jihadistischem Salafismus erweist sich somit häufig als unklar. 112 Am 26. Juli 2017 wurde der deutsche Konvertit Sven Lau alias Abu Adam wegen Unterstützung der ausländischen terroristischen Vereinigung Jaish al-Muhadschirin wal-Ansar (JAMWA) vom Oberlan117 desgericht Düsseldorf zu einer Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren verurteilt. Lau hat nach Überzeugung des Gerichts unter anderem als Bindeglied zu der syrischen Gruppierung fungiert und schon 2013 Kriegsmaterial für islamistische Kämpfer in Syrien besorgt. Er ist seit rund zehn Jahren als Vertreter des politischen Salafismus bekannt und war lange Zeit ein Vertrauter des bekannten Salafisten Pierre Vogel. Mittlerweile ist Lau als ein Beispiel für den Übergang vom politischen zum jihadistischen Salafismus zu werten. Jihadistische Salafisten befürworten dagegen eine unmittelbare und sofortige Gewaltanwendung. Sie propagieren den bewaffneten Kampf auch gegen Machthaber in Ländern mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit, denen sie vorwerfen, vom Islam abgefallen und Handlanger des verhassten "Westens" zu sein. Hervorzuheben ist hier, dass sämtliche Personen mit Deutschlandbezug, die den gewaltsamen Jihad befürworten, zuvor mit salafistischen Einrichtungen in Kontakt standen. Es kann somit als gesichert gelten, dass das von Salafisten verbreitete Gedankengut den Nährboden für eine islamistische Radikalisierung bis hin zur Rekrutierung für den militanten Jihad bildet. 117 Youtube-Kanal "Sven Lau fuer Gehoerlose", Video "Abu Adam / Sven Lau - Mein Weg zum Islam", abgerufen am 02.03.2016 113 54 Der Krieg in Syrien, der IS und "einsame Wölfe" - Veränderung der Bedrohung im islamistischen Terrorismus In den letzten Jahren war der Krieg in Syrien und im Irak der wichtigste Anziehungspunkt für Jihadisten aus Deutschland. So lagen Ende 2016 Erkenntnisse zu mehr als 880 Islamisten aus Deutschland vor, die in Richtung Syrien ausgereist sind, um dort an Kampfhandlungen teilzunehmen oder den Widerstand gegen das Assad-Regime in sonstiger Weise zu unterstützen. Ein Fünftel dieser Personen ist weiblich. Im Dezember 2015 lag die Zahl der Ausgereisten noch bei 780. Rund ein Drittel der Ausgereisten ist mittlerweile nach Deutschland zurückgekehrt. In den meisten Fällen ist schwer einzuschätzen, ob diese Personen in Syrien bzw. im Irak als Islamisten an Kampfhandlungen teilgenommen haben. Gleichzeitig liegen zu mehr als 140 Personen Hinweise vor, dass sie im Rahmen von Kampfhandlungen in Syrien oder im Irak zu Tode gekommen sind. Die Sicherheitsbehörden sind in diesem Zusammenhang bestrebt, Ausreiseplanungen von Islamisten nach Syrien frühzeitig zu erkennen und Ausreisen zu unterbinden. So soll verhindert werden, dass Islamisten in Syrien weiter radikalisiert werden und dort Erfahrungen und Fertigkeiten erwerben, die ihr Gefahrenpotenzial nach einer Rückkehr nach Europa erheblich erhöhen. Nach Einschätzung der Bundessicherheitsbehörden ist die Zahl der Jihad-Ausreisenden zuletzt deutlich langsamer angewachsen. 2016 konnten im Durchschnitt nur noch deutlich weniger als zehn Ausreisen pro Monat festgestellt werden. Im Vergleich dazu waren beispielsweise 2014 in manchen Monaten 50 Ausreisen festgestellt worden. Es gibt auch keine Anzeichen dafür, dass es in absehbarer Zukunft wieder zu massiven Ausreisebewegungen in den Jihad nach Syrien, in den Irak oder andere Orte kommen wird. Diese Entwicklung ist vor allem darauf zurück zu führen, dass Syrien und Irak ihre Anziehungskraft für Jihadisten aus Deutschland verloren haben, was wiederum eng mit den militärischen Rückschlägen zusammen114 hängt, die der IS 2016 erlitten hat. Zusätzlich haben umfassende repressive und präventive Maßnahmen dazu beigetragen, dass Ausreisen in diese Länder zurückgehen. Für die Bundesrepublik gibt es aber trotz des Rückgangs der Zahl der Jihad-Ausreisen keine erhebliche Veränderung der Risikosituation. Denn das größte Gefährdungspotential des Syrien-Krieges geht von Personen aus, die dort Kampferfahrung gesammelt haben, mit diesem Erfahrungshintergrund nach Europa zurückkehren und hier möglicherweise Anschläge verüben. Personen, die im Ausland aktiv am Jihad teilgenommen haben, genießen darüber hinaus in salafistischen und jihadistischen Kreisen ein besonderes Ansehen und werden zu Vorbildern. Auf diese Weise tragen ihre Jihad-Erfahrungen zur Stärkung und Radikalisierung der salafistischen Szene in Deutschland bei. Die islamistischen Aktivitäten, die 2016 in Deutschland und Europa zu beobachten waren (siehe auch Kapitel 5.2), gingen zumeist nicht von Jihad-Rückkehrer aus sondern von sogenannten einsamen Wölfen. Dabei handelt es sich um Personen, die nicht unmittelbar in terroristische Strukturen eingebunden sind und sich selbst im Verborgenen und über das Internet radikalisiert haben. Gleichwohl gibt es augenscheinlich Ansätze des IS, solche Taten im Nachhinein als gezielte Aktionen des IS erscheinen zu lassen und daraus einen propagandistischen Erfolg zu ziehen. Die Tatbekennungen, die über A'MAQ oder andere Kanäle des IS im Netz verbreitet werden, sind ein zentraler Bestandteil seiner Propagandakampagnen. Es ist davon auszugehen, dass der IS sich von seinen propagandistischen Anstrengungen nicht nur verspricht, das angestrebte Bedrohungsgefühl in der Bevölkerung anwachsen zu lassen, sondern außerdem unter der wachsenden Zahl von Salafisten in Deutschland neue Attentäter zu rekruLogo der IS-nahen tieren und radikalisieren. Nachrichtenagentur A'MAQ 115 55 Islamistischer Extremismus in Mecklenburg-Vorpommern Auch 2016 konnten wieder Aktivitäten aus verschiedenen Bereichen des islamistischen Extremismus und von verschiedenen Organisationen in Mecklenburg-Vorpommern festgestellt werden. Von besonderer Bedeutung waren erneut Aktivitäten von Anhängern des Salafismus. Mit Stand Ende 2016 wurde das Personenpotential des Salafismus mit einer Zahl im hohen zweistelligen Bereich veranschlagt und ist 2016 somit um rund 30 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Dieses Personenpotenzial umfasst sowohl politische als auch jihadistische Salafisten, es wird jedoch nicht nach beiden Untergruppen separat ausgewiesen. Explizit salafistische Objekte (Moscheevereine) konnten im Land in 2016 nicht festgestellt werden. Bis zum Verbot der salafistischen Organisation DWR am 15. November 2016 durch das Bundesinnenministerium (siehe auch Kapitel 5.2.1) hatten im ersten Halbjahr 2016 in Rostock und im zweiten Halbjahr in Schwerin LIES!-Stände stattgefunden. 2016 gab es keine Aktivitäten von möglichen Nachfolgeorganisationen der "Lies!"-Kampagne im Land. Bis zum Verbot von DWR fanden auch in Schwerin "LIES!"-Stände statt.118 Das Land Mecklenburg-Vorpommern war auch 2016 von der starken Zuwanderungsbewegung aus dem Nahen Osten betroffen. Die Gesamtzahl islamistischer Verdachtsfälle war in diesem Zu118 Facebook-Seite "Die wahre Religion", abgerufen am 16.10.2016 116 sammenhang auch 2016 hoch. So gab es deutlich mehr Hinweise darauf, dass sich unter den einreisenden Flüchtlingen Personen befinden, die Verbindungen zu jihadistischen Organisationen wie dem IS aufweisen, als noch in 2015. Die Sicherheitsbehörden des Landes gehen diesen Hinweisen konsequent nach. Aktivitäten von Salafisten, die darauf abzielen, Flüchtlinge für ihre Ideologie zu rekrutieren, sind in Mecklenburg-Vorpommern - im Gegensatz zu insbesondere westlichen Bundesländern - bislang nicht festgestellt worden. Der Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern sensibilisiert die Betreiber von Flüchtlingseinrichtungen für das mögliche Auftreten von Islamisten, die versuchen, Flüchtlinge für ihre Zwecke zu mobilisieren sowie für islamistische Tendenzen, die innerhalb der Einrichtungen auftreten. Zu diesem Zweck wurde unter anderem die Broschüre "Islamistische Aktivitäten erkennen" aufgelegt und eine gesonderte Rufnummer für Fragen oder Hinweise auf Aktivitäten von Islamisten unter Flüchtlingen eingerichtet. Zur Teilnahme von Personen aus dem Land Mecklenburg-Vorpommern am Bürgerkrieg in Syrien/Irak liegen auch für das Jahr 2016 keine belastbaren Erkenntnisse vor. Es gibt jedoch zahlreiche Hinweise zu Einzelpersonen, welche Bezüge zum Bürgerkrieg in Syrien/Irak aufweisen, etwa in Form von Ausreiseabsichten oder dortigen Aktivitäten vor der Einreise nach Deutschland. Da von einer mehr oder weniger großen Dunkelziffer auszugehen ist - jede Türkeireise kann zumindest theoretisch auch eine Weiterreise nach Syrien beinhalten - ist eine seriöse Zahlenangabe an dieser Stelle nicht möglich. Wie oben ausgeführt, hat sich die Zahl der Ausreisen aus Deutschland in Richtung syrischem Bürgerkrieg 2016 deutlich reduziert. Demnach geht auch aktuell das größte Risiko von den Personen aus, die aus den Kampfgebieten Syriens zurückkehren. In diesem Zusammenhang gab es 2016 Hinweise darauf, dass sich Personen in Mecklenburg-Vorpommern aufhalten, die an der Seite islamistischer Organisationen in Syrien gekämpft haben. Dieser Kreis umfasst auch Personen, die nicht aus der Region Syrien/Irak stammen. 117 Der Krieg in Syrien sowie die Aktionen und Propagandaaktivitäten der Terrororganisation IS stießen auch bei Personen in Mecklenburg-Vorpommern auf positive Resonanz, was typischerweise in Form von Sympathiebekundungen in den sozialen Netzwerken des Internets zum Ausdruck kommt. Wenn solche Fälle bekannt werden und es gelingt, den Urheber zu identifizieren, kann dies als Verstoß gegen SS 20 Vereinsgesetz strafrechtlich verfolgt werden, was in 2016 im Land auch der Fall war. Einzelne Personen in Mecklenburg-Vorpommern lassen sich darüber hinaus islamistischen Organisationen wie der HAMAS, der "Hizb Allah", den "Murabitun" und der "Türkischen Hizbollah" (TH) zuordnen. 56 Aktivitäten von Islamisten aus dem Nordkaukasus Die nordkaukasische Islamistenszene wird im überwiegenden Maße als salafistisch und gewaltbereit eingestuft. Ihre Anhänger wurden in den vergangenen Jahren überwiegend dem "Kaukasischen Emirat" (KE) zugerechnet. Diese ursprünglich an al-Qaida angelehnte Separatistenbewegung im Nordkaukasus, die u. a. mit Terroranschlägen die russischen Sicherheitskräfte bekämpft und einen islamischen Gottesstaat auf Basis der Schari'a anstrebt, ist bei gleichzeitigem Erstarken der Terrororganisation IS zunehmend in den Hintergrund gedrängt worden. Die Mehrheit der Anhänger des KE scheint mittlerweile mit dem IS zu sympathisieren. Insbesondere im syrischen Bürgerkrieg sind aus dem Nordkaukasus stammende Jihadisten zu einem Machtfaktor innerhalb der Jihadistenszene geworden, welche vornehmlich auf Seiten des IS kämpfen. Die Anhänger des KE bezeichnen sich selbst auch als "Wahabiten", was wiederum eine Unterart des Salafismus darstellt. Die Übergänge zwischen der nordkaukasischen Separatistenbewegung, dem Salafismus und dem IS sind somit zunehmend fließend. Die salafistische Szene In Mecklenburg-Vorpommern weist einen überproportional hohen Anteil an Nordkaukasiern auf. 118 6 Sonstiger Ausländerextremismus 61 Personenpotenzial Die Stärke der in Mecklenburg-Vorpommern agierenden - nicht islamistischen - linksextremistischen Ausländerorganisationen stellt sich im Einzelnen wie folgt dar: M-V M-V Bund Bund 2015 2016 2015 2016 Arbeiterpartei 250 250 14.000 14.000 Kurdistans (PKK) Revolutionäre Volks<10 <10 650 650 befreiungspartei-Front (DHKP-C) Ehemalige Türkische <10 <10 1.300 1.300 Kommunistische Partei/ Marxisten-Leninisten (TKP/ML) und Maoistische Kommunistische Partei (MKP) Marxistisch-Leninistische <10 <10 600 600 Kommunistische Partei (MLKP) Gesamt: < 280 < 280 16.550119 16.550 Von den meisten dieser Organisationen wird Deutschland als gesicherter Rückzugsraum betrachtet, jedoch ist die Zahl der Anhänger von DHKP-C, TKP/ML und MLKP - im Gegensatz zur Mitgliederzahl von PKK - im Land Mecklenburg-Vorpommern unbedeutend. 119 Die Gesamtzahl (hier: Bund) der Mitglieder-/Anhängerzahlen von nicht islamistischen - linksextremistischen Ausländerorganisationen weicht von der seitens des Bundesamtes für Verfassungsschutz veröffentlichten Gesamtstatistik insofern ab, als in der o. a. Tabelle ausschließlich die im Land Mecklenburg-Vorpommern agierenden Organisationen berücksichtigt worden sind. 119 62 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) / "Volkskongress Kurdistans" (KONGRAGEL) N - O TE B ER -V 120 6 2 1 Allgemeines Die im Jahr 1978 in der Türkei unter Führung von Abdullah Öcalan gegründete "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) kämpft seit Anfang der 1980er Jahre für die Unabhängigkeit und größere Autonomie der Kurdengebiete im Osten der Türkei. Seitdem sind bei Anschlägen und Gefechten mehrere zehntausend Menschen getötet worden, darunter auch viele Zivilisten. Die PKK ist in Deutschland, was Anhängerzahlen, Organisationsgrad und Mobilisierungspotenzial betrifft, nach wie vor die bedeutendste Kraft im Bereich des nicht religiös motivierten Extremismus mit Auslandsbezug. Sie wurde von der Europäischen Union in die Liste der terroristischen Vereinigungen aufgenommen und unterliegt in Deutschland unter allen von ihr benutzten Bezeichnungen wie KADEK, KONGRA GEL, KKK und KCK - einschließlich verschiedener Teilund Nebenorganisationen - seit 1993 einem vereinsrechtlichen Betätigungsverbot. Der Aktionsradius der PKK erstreckt sich über die Grenzen Deutschlands hinaus auf ganz Europa. Dabei verfolgt die PKK seit Jahren eine Doppelstrategie, die einerseits einen weitgehend gewaltfreien Kurs im westlichen Europa verfolgt, andererseits aber - insbesondere in der Türkei - auch den bewaffneten Kampf der Guerillaverbände sowie die Aktionen des terroristischen Arms, der "Freiheitsfalken Kurdistans" (TAK) umfasst. 120 Internetseite www.wikipedia.de, abgerufen am 20.01.2016 120 Die Aktivitäten der PKK in Deutschland waren im Jahr 2016 im Wesentlichen von folgenden Themen bestimmt: * Kampf der Kurden in Syrien und im Irak gegen die islamistische Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) * Bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen der PKK und dem türkischen Staat nach dem Scheitern der Friedensverhandlungen im Jahr 2015 * Politische Agitation zur Aufhebung des Betätigungsverbots der PKK in Deutschland Im Rahmen der genannten Themen fanden auch im Jahr 2016 europaweit zahlreiche Resonanzaktionen der PKK-Anhängerschaft, wie Kundgebungen und Hungerstreiks, statt. In Mecklenburg-Vorpommern werden der PKK ca. 250 Personen zugerechnet. Obwohl diese auch im Jahr 2016 keine öffentlichkeitswirksamen politischen Aktivitäten im Land entfalteten, gelingt es der PKK immer wieder, eine relativ große Zahl von Kurden aus Mecklenburg-Vorpommern zur Teilnahme an überregionalen Veranstaltungen zu mobilisieren. 6 2 2 Aktivitäten der PKK in Deutschland Die PKK verfügt in Deutschland über einen konspirativ handelnden und streng hierarchisch organisierten Funktionärsapparat. Das gesamte Bundesgebiet ist dabei in Zuständigkeitsbereiche aufgeteilt, dem jeweils ein PKK-Führungsmitglied (so genannter Gebietsverantwortlicher) vorsteht. Um sich der Verfolgung durch deutsche Sicherheitsbehörden zu entziehen, wechseln diese Führungskader regelmäßig und in kürzeren Zeitabständen europaweit ihr Zuständigkeitsgebiet. Mecklenburg-Vorpommern bildet zusammen mit dem größten Teil Schleswig-Holsteins das "Gebiet Kiel", das zum "Saha Nord" gehört und wiederum in einzelne Teilgebiete aufgeteilt ist. 121 Eine der Hauptaufgaben dieser Führungskader ist die Beschaffung finanzieller Mittel zur Durchsetzung der Parteiziele und zur Verbreitung der PKK-Ideologie. Dies erfolgt überwiegend durch den Verkauf von Publikationen und durch Einnahmen aus Veranstaltungen. Ein großer Teil der Gelder wird darüber hinaus durch mehr oder weniger freiwillige "Spendensammlungen" in der PKK-Anhängerschaft erzielt. Entsprechende monatliche Sammlungen sowie gesonderte jährliche "Spenden"-Kampagnen finden auch in Mecklenburg-Vorpommern statt. Die Geldmittel werden überwiegend zur Aufrechterhaltung der konspirativen wie auch der "offenen" Organisationsstrukturen der PKK, für die PKK-nahen Medien und für die Ausrüstung und den Lebensunterhalt der Guerillatruppen in den Kampfgebieten im Nahen Osten verwendet. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der angespannten Lage in den kurdischen Siedlungsgebieten in Syrien und im Irak setzt die PKK ihre Rekrutierungsaktivitäten in allen Teilen Deutschlands fort und fordert ihre Anhänger auf, sich den bewaffneten Einheiten der PKK anzuschließen. Überwiegend Jugendliche und junge Erwachsene werden nach einer erfolgreichen Rekrutierung und vor einem Einsatz auf ihre Tauglichkeit für entsprechende Aufgaben geprüft. Teilweise werden diese Personen im Nordirak ausgebildet und im Kampf eingesetzt. Solange die Kämpfe sowohl zwischen dem IS und der PKK als auch zwischen PKK und den türkischen Sicherheitskräften andauern, dürften sich die Rekrutierungsbemühungen in ganz Europa fortsetzen. Trotz des seit 1993 bestehenden PKK-Verbots führten deren Anhänger auch im Jahr 2016 erneut europaweit zentrale Propagandaveranstaltungen mit teilweise mehreren zehntausend Teilnehmern durch, an denen ebenfalls Personen aus Mecklenburg-Vorpommern teilnahmen. Mittelpunkt der Veranstaltungen waren u. a. die Auseinandersetzungen in den kurdischen Siedlungsgebieten, das Schicksal des seit 1999 inhaftierten PKK-Führers Öcalan und das PKK-Betätigungsverbot in Deutsch122 land. Wesentliche Elemente der Propaganda sind Podiumsdiskussionen, Unterschriftenkampagnen, Hungerstreiks und Mahnwachen. Organisiert wurden die Veranstaltungen in der Regel nicht unmittelbar durch die PKK, sondern durch die überwiegend örtlichen kurdischen Vereine und das "Demokratische Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland" (NAV-DEM e. V.), welches als Dachverband dieser Vereine in Deutschland fungiert. Die Vereine haben die Bestimmung, die Politik der PKK unter den Anhängern zu verbreiten und stellen sich in der Öffentlichkeit in der Regel als reine Kulturvereine dar. NAV-DEM e. V. ist zurzeit nicht vom Betätigungsverbot gegen die PKK und deren Nachfolgeorganisationen erfasst. Nach seinem Selbstverständnis vertritt er jedoch gleichwohl die politischen Interessen der PKK. Für eine Abkehr der PKK von ihrem sogenannten "Friedenskurs" im westlichen Teil Europas gibt es derzeit keine Hinweise. Die PKK versucht vielmehr, kurdische Demonstranten zu einem gewaltfreien Verhalten zu verpflichten, um die günstige öffentliche Wahrnehmung "der Kurden" nicht zu trüben und für eine Aufhebung des PKK-Verbots zu werben. Gleichwohl ist die PKK nach wie vor die mitgliederstärkste ausländerextremistische Organisation in Deutschland. Die aktuelle Lage in der Türkei und in den kurdischen Siedlungsgebieten ist dazu angetan, Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der PKK und nationalistischen Türken beziehungsweise Islamisten zu entfachen. Ein Aufeinandertreffen dieser Gruppierungen kann insofern jederzeit zu Gewalteskalationen führen und stellt damit einen beständigen Gefahrenherd für die innere Sicherheit in Deutschland dar. 6 2 3 Internetaktivitäten Auch für die PKK spielt das Internet eine immer wichtigere Rolle. Insbesondere die PKK-Jugend nutzt vorwiegend Videoportale (z. B. YouTube) oder soziale Netzwerke (z. B. Facebook), um Propaganda für die Guerillaeinheiten der PKK zu verbreiten, kurzfristig für 123 Demonstrationen oder sonstige Protestaktionen zu mobilisieren oder um Nachwuchs für ihre Guerillaeinheiten zu rekrutieren. 6 2 4 Kooperation mit deutschen Linken und Linksextremisten Im Verlauf des syrischen Bürgerkriegs und insbesondere seit Beginn der Kampfhandlungen zwischen dem "Islamischen Staat" (IS) und den kurdischen "Volksverteidigungseinheiten" (YPG) solidarisierten sich deutsche Linksextremisten verstärkt mit der kurdischen Autonomiebewegung. Diese Kurdistan-Solidarität deutscher Linksextremisten erhielt durch den Kampf der PKK gegen den IS erheblichen Auftrieb und nahm im Laufe der Zeit zunehmend konkretere Formen an. In der Folge haben sich nahezu bundesweit lose Aktionsbündnisse PKK-naher kurdischer, linker und linksextremistischer Gruppierungen sowie Solidaritätsgruppen mit linksextremistischer Beteiligung gebildet, die gegen den Fortbestand des PKK-Verbotes kämpfen. Bereits im Mai 2010 hatten PKK-nahe linksextremistische Gruppen ein bundesweites Aktionsbündnis unter der Bezeichnung "Tatort Kurdistan" gegründet. An dem Bündnis sind von PKK-Seite insbesondere die YEK-KOM, die sich im Juni 2014 in NAV-DEM umbenannte, sowie auf linksext121 remistischer Seite u. a. die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) beteiligt. Die Kampagne zielt darauf ab, angebliche Verwicklungen deutscher Behörden sowie der Industrie in den "Krieg der Türkei gegen die kurdische Zivilbevölkerung" aufzuzeigen. Zudem fordert die Kampagne die Aufhebung des Betätigungsverbots gegen die PKK in Deutschland. 121 Internetseite "Indymedia.org", abgerufen am 23.01.2017 124 Die MLPD ist darüber hinaus maßgeblich in die Organisation der "Kobane-Solidaritätsbrigaden" eingebunden, einer Initiative der linksextremistischen "Internationalistischen 122 Organisation revolutionärer Parteien und Organisationen" (ICOR), der weltweit 48 Gruppierungen angehören. So wirbt die MLPD um Freiwillige für die Mitwirkung an diesen "Solidaritätsbrigaden", deren Ziel u. a. die Errichtung eines Gesundheitszentrums in Nordsyrien ist. Zur Unterstützung dieses Projekts sind auch deutsche Linksextremisten in die kurdisch kontrollierten Kampfgebiete Syriens gereist. 7 Spionageabwehr 71 Aktivitäten fremder Nachrichtendienste in Deutschland Wissen ist Macht. Regierungen fast aller Staaten dieser Welt sind an genauen und umfassenden Erkenntnissen, insbesondere aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Forschung und Militär, aus dem Ausland interessiert. Rechtzeitig erlangt, können diese Informationen einen entscheidenden Vorteil bei aktuellen Entscheidungsprozessen sowie strategisch ausgerichteten Handlungsfeldern dieser Staaten darstellen. Zu diesem Zweck werden weltweit verdeckt tätige, zum Teil sehr personalstarke Nachrichtendienste eingesetzt, deren Aufgaben122 Internetseite "rebell.info", abgerufen am 23.01.2017 125 stellungen sich an den politisch definierten Vorgaben und Interessen ihrer jeweiligen Regierungen ausrichten. Die Beobachtung solcher sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Aktivitäten fremder Staaten in der Bundesrepublik Deutschland liegt in der gesetzlich normierten Zuständigkeit der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder und wird im Rahmen der Spionageabwehr als Verbundaufgabe wahrgenommen. Im Fokus des Aufklärungsfeldes von Nachrichtendiensten fremder Staaten stehen dabei im Wesentlichen Informationen aus den Bereichen Politik, Militär, Wissenschaft, Forschung und Entwicklung sowie Wirtschaft. So sind vor allem technologisch-innovativ ausgerichtete deutsche Wirtschaftsunternehmen und Forschungseinrichtungen weiterhin im hohen Maße Spionageaktivitäten ausgesetzt. Insofern dürften auch entsprechende Firmen, Universitäten und Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern im Blickfeld eines nachrichtendienstlichen Interesses stehen. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Gewinnung von Erkenntnissen über in Deutschland lebende Personen und Organisationen, die sich in Opposition zu den jeweiligen Regierungen in ihren Heimatländern befinden. So gab es im Zusammenhang mit den Flüchtlingsbewegungen nach Deutschland im Berichtszeitraum auch Hinweise auf mögliche Tätigkeiten syrischer Nachrichtendienste. Fremde Nachrichtendienste sind ferner in die Informationsbeschaffung auf dem Sektor der Proliferation, also der Weiterverbreitung atomarer, biologischer oder chemischer Massenvernichtungswaffen (ABC-Waffen) beziehungsweise der zu ihrer Herstellung erforderlichen Materialien sowie entsprechender Trägersysteme (z. B. Raketen) einschließlich des hierfür notwendigen Wissens, maßgeblich eingebunden. Insofern liegt auch die Bearbeitung und Aufklärung von derartigen Sachverhalten - im Zusammenwirken mit weiteren zuständigen Dienststellen - im Aufgabenspektrum der Spionageabwehr. 126 In Deutschland sind nach wie vor die Russische Föderation, die Volksrepublik China sowie die Islamische Republik Iran als Hauptträger von Spionageaktivitäten anzusehen. Aber auch die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten weiterer Staaten unterliegen der Beobachtung durch den Verfassungsschutz. 72 Wirtschaftsschutz - präventive Spionageabwehr Zur Funktionsfähigkeit eines modernen Staatsund Gemeinwesens sind sichere Versorgungseinrichtungen, ausreichende Informationsund Kommunikationsstrukturen sowie eine leistungsfähige Verwaltung und Wirtschaft von elementarer Bedeutung. Dies begründet eine besondere Schutzwürdigkeit. Insofern ist es Auftrag und Selbstverständnis staatlichen Handelns zugleich, in geeigneter Form dieser bestehenden Verpflichtung nachzukommen. Schädigende Angriffe gegen unsere heimische Wirtschaft, die einen nachrichtendienstlichen Hintergrund aufweisen, fallen in die Zuständigkeit der jeweiligen Verfassungsschutzbehörden und werden auch im Rahmen eines präventiv ausgerichteten Wirtschaftsschutzes durch die Spionageabwehr bearbeitet. Unter Beteiligung von Staat und Wirtschaft wurde federführend durch das Bundesministerium des Innern die "Nationale Strategie für den Wirtschaftsschutz" konzipiert. Diese definiert Handlungsfelder und Maßnahmen, die insgesamt auf die Verhinderung eines illegalen Informationsund Wissensabflusses in deutschen Wirtschaftsunternehmen und Forschungseinrichtungen ausgerichtet sind sowie der Abwehr von sonstigen Angriffshandlungen durch fremde Nachrichtendienste, Extremisten oder Terroristen dienen. Wesentliche Kernelemente sind dabei eine intensive, partnerschaftliche Zusammenarbeit, ein vertraulicher Informationsaustausch zwischen den beteiligten Akteuren in Behörden, Unterneh127 men und Verbänden sowie eine weitere Optimierung bestehender Fähigkeiten des betrieblichen Wirtschaftsschutzes. Im Rahmen der Prävention durch Aufklärung sensibilisiert und berät der Verfassungsschutz über die Gefahren von Spionage und Sabotage und leistet so einen wichtigen Beitrag, mögliche nachrichtendienstlich relevante Aktivitäten bereits im Vorfeld zu erkennen und abzuwehren. Darüber hinaus bearbeitet die Spionageabwehr Verdachtsfälle im Bereich der Wirtschaftsspionage und unterstützt auf Wunsch bei der Klärung entsprechender Anhaltspunkte vor Ort. 73 Bedrohungen durch Cyberangriffe Cyberbzw. Hackerangriffe sind ein allgemeines Phänomen, das mittlerweile in allen Bereichen des digitalen Datenverkehrs auftritt. Dementsprechend vielfältig sind die Vorgehensweisen, Motive und Ziele der Angreifer sowie deren Herkunft. Ein in den letzten Jahren stetig zunehmendes Gefährdungspotential stellen Cyberangriffe auf deutsche Regierungsstellen, Behörden, Wirtschaftsunternehmen und Forschungseinrichtungen dar. Daten sind die Rohstoffe unserer Zeit, und die Abhängigkeit moderner Gesellschaften von der Informationstechnologie (IT) hat ein kaum vorstellbares Maß erreicht. Der Schutz von Daten vor Ausspähung oder Verfälschung ist eine wichtige Aufgabe, deren Bedeutung in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen hat. Das Meldungsaufkommen der letzten Jahre führt jedem vor Augen, welche Bedeutung und welches Ausmaß derartige Angriffe mittlerweile erreicht haben. In diesem Zusammenhang rücken auch die Bemühungen zur Abwehr entsprechender Attacken, die eine mögliche Schädigung bzw. Sabotage von "kritischen Infrastrukturen" zur Folge haben könnten, zunehmend in den Fokus der behördlichen Betrachtung. Die gesetzlichen Grundlagen zum 128 Schutz von Daten und IT-Systemen wurden in Deutschland an die skizzierten Entwicklungen weiter angepasst und unterliegen einer fortwährenden Beurteilung. Cyberangriffe bieten für den Angreifer, im Gegensatz zu herkömmlichen Mitteln und Methoden der Spionage und Sabotage, insgesamt erhebliche Vorteile. So erfolgen sie im Allgemeinen von beliebigen, "unbekannten" Orten aus und unterliegen einem wesentlich geringeren Enttarnungsund Gefährdungsrisiko für die handelnden Personen und Organisationen. Nicht wenige Staaten und mittlerweile auch terroristische Gruppierungen verfügen über eigene Fähigkeiten und Kapazitäten auf diesem Gebiet. Aufgrund der Vielfalt von Cyberangriffen sind einerseits breitflächige technische Vorkehrungen zu treffen, die ein unberechtigtes Eindringen in digitale Systeme möglichst verhindern. Andererseits ist durch allgemeine und spezifische Aufklärung entgegenzuwirken, dass arglos potentiellen Angreifern der Zugriff auf digitale Kommunikationssysteme gewährt wird. Der allgemeine Schutz von IT gegen "Cyber-Attacken" mit Hilfe von Virenscannern und Firewalls sollte auch im privaten Bereich mittlerweile Standard sein. Der ständigen allgemeinen Flut von "ungezielten" Angriffen wird mit diesen Techniken relativ zuverlässig entgegengewirkt. Präzise, hochwertig durchgeführte Angriffe auf ausgewählte Ziele hingegen können hiermit kaum noch sicher abgewehrt werden. Daher ist es wesentlich, derartige Attacken überhaupt aufzudecken und ihnen zielgerichtet entgegen zu wirken. Die Sammlung und Auswertung relevanter Erkenntnisse ermöglicht die bedarfsgerechte Unterrichtung möglicher Adressaten solcher Angriffe und trägt somit zu einer stetigen Optimierung bestehender Schutzmechanismen sowie strategischen Handlungsüberlegungen bei. Auf diesem weiten Feld der Abwehr von möglichen Cyberangriffen ist auch der Verfassungsschutz, in enger und vertraulicher Zu129 sammenarbeit mit anderen Behörden, präventiv und repressiv im Rahmen seiner Aufgabenbeschreibung - Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder - tätig. 74 Spionageabwehr - Ihr Ansprechpartner vor Ort Warum benötigt der Verfassungsschutz Informationen zu nachrichtendienstlichen Aktivitäten fremder Staaten in der Bundesrepublik Deutschland? Für die Wahrung deutscher Hoheitsrechte und eines wirksamen Schutzes der in Deutschland lebenden Menschen gegen Aktivitäten der Nachrichtendienste fremder Staaten ist es erforderlich, deren verdeckt agierende Mitarbeiter bzw. Agenten schnellstmöglich zu enttarnen und somit an der weiteren Ausübung ihrer nachrichtendienstlichen Aktivitäten zu hindern. Zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben ist der Verfassungsschutz auch auf Ihre Mithilfe angewiesen! Sollten Sie Kenntnis von möglichen nachrichtendienstlichen Aktivitäten oder Hinweise auf Mitarbeiter ausländischer Nachrichtendienste haben bzw. erlangen, bitten wir Sie, sich diesbezüglich - auf der Grundlage einer vertraulichen Behandlung Ihrer Informationen - mit uns in Verbindung zu setzen. Auch für den Fall einer eigenen, persönlichen Verstrickung können wir Ihnen ggf. Lösungsansätze aufzeigen. Bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben arbeitet der Verfassungsschutz nach dem sogenannten Opportunitätsprinzip, unterliegt also im Gegensatz zur Polizei nicht der Pflicht zur Verfolgung von möglichen Straftaten. Zur Klärung von Sachverhalten, die nicht unmittelbar in die Zuständigkeit der hiesigen Spionageabwehr fallen, stehen wir Ihnen auf Wunsch bei der Vermittlung von (weiteren) kompetenten An130 sprechpartnern anderer Dienststellen selbstverständlich gern zur Verfügung. Darüber hinaus bieten wir Ihnen unsere Unterstützung in Form von Beratungsund Vortragsveranstaltungen zur Sensibilisierung und Aufklärung über die Gefahren von Spionage an. Wir sind für Sie da! Ministerium für Inneres und Europa Mecklenburg-Vorpommern Abteilung Verfassungsschutz - Spionageabwehr - Postfach 11 05 52 19005 Schwerin Telefon: 0385/7420-0 Fax: 0385/714438 E-Mail: spionageabwehr@verfassungsschutz-mv.de 8 Öffentlichkeitsarbeit 81 Aktivitäten Unsere freiheitliche demokratische Grundordnung wird täglich durch Extremismus, Terrorismus, Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit oder Gewalt bedroht. Sie zu schützen, bedeutet nicht nur, diese Bedrohungen zu beobachten, sondern auch die Öffentlichkeit darüber zu informieren und ihr damit Gelegenheit zu geben, sich wehrhaft zu zeigen und eine Aushöhlung unserer Demokratie nicht zuzulassen. Diese Information der Öffentlichkeit ist letztlich auch eine gesetzliche Aufgabe. Gemäß SS 5 Absatz 2 des Landesverfassungsschutzgesetzes Mecklenburg-Vorpommern hat die Verfassungsschutz131 behörde die zuständigen Stellen und die Öffentlichkeit durch zusammenfassende Berichte und präventive Maßnahmen über Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder zu informieren. Dies ist der beste Schutz für die Demokratie! Zu diesen zusammenfassenden Berichten zählt insbesondere der jährliche Verfassungsschutzbericht des Ministeriums für Inneres und Europa Mecklenburg-Vorpommern, der allen Bürgerinnen und Bürgern sowohl als gedruckte Broschüre zur Verfügung steht als auch in elektronischer Form von der Internetseite des Verfassungsschutzes heruntergeladen werden kann. Er informiert über die wesentlichen, während des Berichtsjahres gewonnenen Erkenntnisse des Verfassungsschutzes, bewertet diese und gibt eine Prognose über die weitere Entwicklung der extremistischen Bedrohungslage in unserem Bundesland ab. Zusätzlich zum Verfassungsschutzbericht informierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verfassungsschutzbehörde Mecklenburg-Vorpommern die Öffentlichkeit im vergangenen Jahr aber auch auf zahlreichen landesund bundesweiten Fachtagungen und Veranstaltungen. Sie stellten sich dort den aktuellen Diskussionen über die Arbeit und die Aufgaben der Sicherheitsbehörden, über neue Entwicklungen im Verfassungsschutz sowie über die Entwicklungen in den unterschiedlichen Bereichen des politischen Extremismus und Terrorismus. Im Jahr 2016 wurden insbesondere folgende Veranstaltungen mitgestaltet: 3 März Podiumsdiskussion zum Thema "Wohin steuert Putin?" in der IHK zu Schwerin 16 März Buchvorstellung und Podiumsdiskussion "Rechts oben - II. Demokratie und Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern" im Schleswig-Holstein-Haus Schwerin 132 26 - 28 April Danziger Gespräche 10 Mai Jugendpolitiktag in Neustrelitz 14 Juni Regionalkonferenz Mecklenburg-Vorpommern "Wir sind das Volk - Wer ist das Volk?" in Schwerin 6 September Informationsveranstaltung zu den Arbeitsschwerpunkten des Verfassungsschutzes mit den Staatsanwaltschaften des Landes in Schwerin 19 Oktober Seminar "Rechtsextremismus - Ausländerextremismus" in Bad Doberan Ferner war die Verfassungsschutzbehörde auf der Festwiese zum Mecklenburg-Vorpommern-Tag vom 8. bis 10. Juli 2016 mit ihrem Informationsstand vertreten. Viele Bürgerinnen und Bürger nutzten die Möglichkeit sich anhand von Broschüren oder im Gespräch mit Mitarbeitern des Verfassungsschutzes über aktuelle extremistische Bestrebungen zu informieren. Zur Aufklärung der Fachöffentlichkeit führt die Verfassungsschutzbehörde ferner zusammen mit den Polizeibehörden in den Landkreisen und kreisfreien Städten unseres Landes Sicherheits133 konferenzen durch und informiert über die einzelnen Phänomenbereiche in der jeweiligen Region. Darüber hinaus reagiert der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern auf ein neues Phänomen, das nicht zuletzt auch durch viele Meldungen in der bundesweiten Presse für Schlagzeilen gesorgt hat. Gemeint ist das zunehmende Auftreten von sogenannten "Reichsbürgern" oder auch "Selbstverwaltern" im öffentlichen Raum. Diese erkennen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland nicht an und treten zunehmend aggressiv und gewalttätig gegen deutsche Hoheitsträger auf. Der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern hat daher sein Beratungsangebot kurzfristig erweitert und informierte im zurückliegenden Berichtszeitraum zahlreiche Bedarfsträger aus der öffentlichen Verwaltung oder Hoheitsträger mit Vollstreckungsaufgaben zum richtigen Umgang mit diesem neuen Phänomen. Im Rahmen der Sicherheitskooperation der fünf neuen Bundesländer und Berlin war die Behörde am 20. Juni 2016 Mitausrichter einer gemeinsamen Fachtagung zum Thema "Migration und Sicherheit" - Wie Extremisten Flüchtlingsbewegungen zu instrumentalisieren versuchen". Diese durch das Land Thüringen ausgerichtete Veranstaltung hat bei den Teilnehmern aus Sicherheitskreisen, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft große Resonanz gefunden. Eine vergleichbare Gemeinschaftsveranstaltung mit einer anderen thematischen Ausrichtung wird auch 2017 in Sachsen stattfinden. Die Verfassungsschutzbehörde Mecklenburg-Vorpommern ist Teil des Beratungsnetzwerks Demokratie und Toleranz Mecklenburg-Vorpommern (www.demokratie-mv.de). Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss aus staatlichen Behörden und nichtstaatlichen Beratungsorganisationen sowie Akteuren in freier Trägerschaft. Durch die Mitwirkung im landesweiten Beratungsnetzwerk sowie in den Regionalzentren für demokratische Kultur werden Einschätzungen zu extremistischen Entwicklungen in die Diskussionen eingebracht. 134 Sofern Sie eine Vortrags-, Informationsveranstaltung oder eine Fachmesse vorbereiten, die Sachbezug zur Arbeit des Verfassungsschutzes aufweist, können Sie sich direkt an den Verfassungsschutz des Landes Mecklenburg-Vorpommern, unter der Telefon-Nummer 0385/7420-0, wenden oder hierzu Kontakt über die Internetseite www.verfassungsschutz-mv.de aufnehmen. 82 Informationsmaterialien Informationsmaterialien können kostenlos beim Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern angefordert oder im Internet unter der Adresse www.verfassungsschutz-mv.de herunter geladen werden: * Verfassungsschutzberichte der Jahre 2006 bis 2016 * Rituale und Symbole der rechtsextremistischen Szene (Historische und ideologische Hintergründe des Rechtsextremismus, Juli 2015) 135 * Islamistische Aktivitäten erkennen (Kompaktinformation zu Salafismus und anderen Formen des Islamismus für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Flüchtlingseinrichtungen, April 2016) * Faltblatt "Reichsbürger - Eine Information des Verfassungsschutzes Mecklenburg-Vorpommern" (Definition, Erscheinungsformen und Handlungsempfehlungen im Umgang mit dem Phänomen der sogenannten "Reichsbürger", Juli 2017) 136 * Proliferation - Wir haben Verantwortung (Gemeinschaftsproduktion der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern, März 2014) * Wirtschaftsschutz - mehrteilige Faltblattserie (Gemeinschaftsproduktion der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern, März 2016), zu den folgenden Einzelthemen: 137 * Unsere Themen: Das sollten Sie wissen * Know-how-Schutz: Identifizieren, Bewerten, Schützen * Geschäftsreisen: Sicherheit bei Auslandsreisen * Personalauswahl: Loyalität als Sicherheitsgewinn * Sicherheitslücke Mensch: Gefahr durch Innentäter * Social Engineering: Informationsbeschaffung durch soziale Manipulation * Social Media: Risiken durch soziale Netzwerke * Besuchermanagement: Umgang mit Besuchern und Fremdpersonal * Elektronische Angriffe: Gefahren für Informationsund Kommunikationstechnik * Wirtschaftsspionage - Risiko für Unternehmen, Wissenschaft und Forschung (Gemeinschaftsproduktion der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern, Juli 2014) 138 * Weiß ist keine Farbe (Comic des Ministeriums für Inneres und Sport über die Gefahren des Rechtsextremismus, Juli 2008) Darüber hinaus sind Informationsblätter erhältlich, die ebenfalls kostenlos als Download beim Ministerium für Inneres und Europa Mecklenburg-Vorpommern zum Thema Rechtsextremismus unter der Adresse www.regierung-mv.de zur Verfügung stehen: * Informationsblatt für Vermieter von Veranstaltungssälen * Merkblatt zum Kauf von Immobilien durch Rechtsextremisten 83 Ausund Fortbildung / Hospitationen Mit der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Polizei und Rechtspflege Güstrow (FHöVPR) besteht seit 2010 eine Kooperationsvereinbarung. Auf dieser Grundlage werden durch Mitarbeiter der Verfassungsschutzbehörde, im Rahmen von Ausund Fortbildungsveranstaltungen, Vorträge mit fachlichem Bezug zu der Tätigkeit und den Aufgaben des Verfassungsschutzes als auch zu ausgesuchten, aktuellen sicherheitspolitischen Themen gehalten. Die bereits 2015 durchgeführten mehrtägigen gegenseitigen Hospitationen in der Abteilung Verfassungsschutz und im Landeskriminalamt, Abteilung Staatsschutz, wurden auch 2016 fortge139 führt. Dies trägt zweifelsfrei zu einer Verbesserung des Informationsaustausches zwischen den Behörden und zur Förderung des Verständnisses für ihre jeweiligen Aufgaben bei. Die Verfassungsschutzschutzbehörde Mecklenburg-Vorpommern ist auch regelmäßig Praktikumsstation für Studierende an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung im Fachbereich Nachrichtendienste. Das Studium wird traditionell um Praktika in nationalen Sicherheitsbehörden ergänzt. 140 Abkürzungsverzeichnis Abs. Absatz AG GGG Artgemeinschaft Germanische-Glaubens-Gemeinschaft BAMF Bundesamt für Migration und Flüchtlinge BfV Bundesamt für Verfassungsschutz B&H Blood and Honour BKA Bundeskriminalamt BND Bundesnachrichtendienst BRD Bundesrepublik Deutschland BVerfSchG Bundesverfassungsschutzgesetz DHKP-C Devrimci Halk Kurtulus Partisi/Cephesi (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) DKP Deutsche Kommunistische Partei DML Deutschland muss Leben DWR Die wahre Religion EA Europäische Aktion G-10 Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses GETZ Gemeinsames Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum GfbAV Gesellschaft für biologische Anthropologie und Verhaltensforschung e. V. GTAZ Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum Hrsg. Herausgeber IL Interventionistische Linke IS Islamischer Staat JN Junge Nationaldemokraten KADEK Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans KCK Koma Civaken Kurdistan KE Kaukasisches Emirat KKK Koma Komalen Kurdistan KONGRA GEL Kongra Gele Kurdistan (Arbeiterpartei Kurdistans) 141 LfDI Landesbeauftragter für den Datenschutz und Informationsfreiheit LfV Landesamt für Verfassungsschutz LKA M-V Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern LRH M-V Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern MAD Militärischer Abschirmdienst MdL Mitglied des Landtages MLKP Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei MLPD Marxistisch-Leninistische Partei Deutschland MVGIDA Mecklenburg-Vorpommern gegen die Islamisierung des Abendlandes NATO North Atlantic Treaty Organization (Nordatlantische Vertragsorganisation) NAV-DEM e. V. Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland NBZ Nationales Begegnungszentrum NIAS Nachrichtendienstliche Informationsund Analysestelle NPD Nationaldemokratische Partei Deutschland NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NSU Nationalsozialistischer Untergrund OSS Oldschool Society PIAS Polizeiliche Informationsund Analysestelle PMK Politisch motivierte Kriminalität PKK 1. Parlamentarische Kontrollkommission des Landtages Mecklenburg-Vorpommern 2. Partiya Karkeren Kurdistan (Arbeiterpartei Kurdistans) PYD Partei der demokratischen Union (Partiya YekitA(r)ya Demokrat) RED Rechtsextremismusdatei RH e. V. Rote Hilfe e. V. RNF Ring Nationaler Frauen SAV Sozialistische Alternative SDAJ Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend 142 StGB Strafgesetzbuch SS Schutzstaffel der NSDAP TKP/ML Türkische Kommunistische Partei/ Marxisten-Leninisten VA Veranstaltung V. i. S. d. P. Verantwortlich im Sinne des Presserechts YPG Volksverteidigungseinheiten (Yekineyen Parastina Gel) ZKA Zollkriminalamt 143 Glossar Anti-Antifa Unter dem Begriff "Anti-Antifa" verfolgen Neonazis in Anlehnung an Terminologie und Vorgehensweise von Linksextremisten ein Konzept zur Erfassung und Veröffentlichung von Daten über politische Gegner. Antifaschismus "Antifaschismus" als Begriff wird auch von Demokraten verwendet, um ihre Ablehnung des Rechtsextremismus zum Ausdruck zu bringen. Mehrheitlich nehmen jedoch Linksextremisten diesen Begriff für sich in Anspruch. Sie behaupten, dass der kapitalistische Staat den Faschismus hervorbringe, zumindest aber toleriere. Daher richtet sich der Antifaschismus nicht nur gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten, sondern immer auch gegen den Staat und seine Vertreter, insbesondere Angehörige der Sicherheitsbehörden. Anti-Terror-Datei (ATD) Die Anti-Terror-Datei (ATD) ist eine gemeinsame Datei des Bundes und der Länder zur Aufklärung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland. Ausländerextremismus Extremistische Ausländerorganisationen verfolgen in Deutschland Ziele, die typischerweise durch aktuelle Ereignisse und politische Entwicklungen in ihren Heimatländern bestimmt sind. Entsprechend ihrer politischen Ausrichtung handelt es sich dabei beispielsweise um linksextremistische Organisationen (z. B. die türkische "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C)), soweit sie in ihren Heimatländern ein sozialistisches bzw. kommunistisches Herrschaftssystem anstreben oder um nationalistische Organisationen, die ein überhöhtes Selbstverständnis von der eigenen Nation haben und die Rechte anderer Völker missachten. Daneben 144 gibt es separatistische Organisationen, die eine Loslösung ihres Herkunftsgebietes aus einem bereits bestehenden Staatsgebilde und die Schaffung eines eigenen Staates verfolgen. Die größte von den Verfassungsschutzbehörden beobachtete ausländerextremistische Organisation in Deutschland ist nach wie vor die unter der Bezeichnung PKK bekannte "Arbeiterpartei Kurdistans". Autonome Kennzeichnend für die Bewegung der Autonomen, die über kein einheitliches ideologisches Konzept verfügt, ist die Ablehnung staatlicher und gesellschaftlicher Normen und Zwänge, die Suche nach einem freien, selbstbestimmten Leben in herrschaftsfreien Räumen und der Widerstand gegen den demokratischen Staat und seine Institutionen, wobei Gewalt von Autonomen grundsätzlich als Aktionsmittel ("militante Politik") akzeptiert ist. Autonome bilden den weitaus größten Anteil des gewaltbereiten linksextremistischen Personenpotenzials. Das Selbstverständnis der heterogenen autonomen Bewegung ist geprägt von Anti-Einstellungen ("antikapitalistisch", "antifaschistisch", "antipatriarchal"). Diffuse anarchistische und kommunistische Ideologiefragmente ("Klassenkampf", "Revolution" oder "Imperialismus") bilden den Rahmen ihrer oftmals spontanen Aktivitäten. Eine klassische Form autonomer Gewalt ist die so genannte Massenmilitanz. Das sind Straßenkrawalle, die sich im Rahmen von Demonstrationen oder im Anschluss daran entwickeln. Hierbei kommt es regelmäßig auch zu Gewaltexzessen. Autonome Freiräume Als "autonome Freiräume" können vor allem besetzte Häuser, Wohnprojekte und selbstverwaltete Jugendund Kulturzentren gelten, deren Existenz und Erhalt Linksextremisten bedroht sehen, wenn sich die Besitzund Eigentumsverhältnisse ändern. Bestrebungen, extremistische Bestrebungen sind nach allgemeinem Sprachgebrauch alle auf ein Ziel gerichteten Aktivitäten. Extremistische Bestrebungen im Sinne des Verfassungsschutzgesetzes sind politisch zielgerichtete Aktivitäten, die Grundwerte der freiheitlichen Demokratie zu 145 beseitigen. Dazu gehören Vorbereitungshandlungen, Agitation und Gewaltakte. Es ist zu unterscheiden zwischen Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes, Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes und Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Elektronische Angriffe Mit dem Begriff "Elektronische Angriffe" werden gezielte Maßnahmen mit und gegen IT-Infrastrukturen bezeichnet. Neben der Informationsbeschaffung fallen darunter auch Aktivitäten, die zur Schädigung bzw. Sabotage dieser Systeme geeignet sind. Dazu gehören das Ausspähen, Kopieren oder Verändern von Daten, die Übernahme einer fremden elektronischen Identität, der Missbrauch oder die Sabotage fremder IT-Infrastrukturen sowie die Übernahme von computergesteuerten, netzgebundenen Produktionsund Steuereinrichtungen. Die Angriffe können dabei sowohl von außen über Computernetzwerke, wie z. B. das Internet, erfolgen als auch durch einen direkten, nicht netzgebundenen Zugriff auf einen Rechner, z. B. mittels manipulierter Hardwarekomponenten wie Speichermedien (z. B. USB-Sticks). Fanzine Der Begriff setzt sich aus den Worten "Fan" und "Magazine" zusammen und bezeichnet Publikationen, die innerhalb einer subkulturellen Szene szeneinterne Informationen verbreiten. In der subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene informieren diese Publikationen über Musikgruppen, Tonträger, Konzerte sowie sonstige Szeneveranstaltungen. Aktivisten und rechtsextremistische Gruppierungen erhalten in Interviews Gelegenheit zur Selbstdarstellung und zur Verbreitung ihres extremistischen Gedankengutes. Gemeinsames Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) Das GETZ hat am 15. November 2012 seine Arbeit aufgenommen. Ziel ist die Bekämpfung des Rechts-, Links-, Ausländerextremismus/-terrorismus, Spionage und Proliferation. Ziel ist es, die 146 Fachexpertise aller Behörden unmittelbar zu bündeln und einen möglichst lückenlosen und schnellen Informationsfluss sicherzustellen. Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) Das 2004 eingerichtete "Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum" (GTAZ) in Berlin-Treptow mit einer "Nachrichtendienstlichen Informationsund Analysestelle" (NIAS) sowie einer "Polizeilichen Informationsund Analysestelle" (PIAS) konzentriert die Experten für Terrorismusabwehr der deutschen Sicherheitsbehörden an einem Ort. Im GTAZ sind die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, das Bundeskriminalamt (BKA), die Landeskriminalämter und der Bundesnachrichtendienst (BND) eingebunden. Weitere Teilnehmer sind Bundespolizei, Zollkriminalamt (ZKA), Militärischer Abschirmdienst (MAD), Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und Vertreter der Generalbundesanwaltschaft. Die Abstimmung von Bewertungen und Maßnahmen bei sicherheitsrelevanten Sachverhalten mit Terrorismusbezug wird erleichtert und beschleunigt. Gentrifizierung Der Begriff beschreibt die Umstrukturierung ganzer Wohnviertel und Stadtteile zu hochwertigen Wohnquartieren und damit einhergehend die Veränderung der Wohnbevölkerung. Dieses Themenfeld kommt häufig in Ballungsräumen vor. Islamismus Der Begriff des Islamismus bezeichnet eine religiös motivierte Form des politischen Extremismus. Islamisten sehen in den Schriften und Geboten des Islam nicht nur Regeln für die Ausübung der Religion, sondern auch Handlungsanweisungen für eine islamistische Staatsund Gesellschaftsordnung. Ein Grundgedanke dieser islamistischen Ideologie ist die Behauptung, alle Staatsgewalt könne ausschließlich von Gott (Allah) ausgehen. Damit richten sich islamistische Bestrebungen gegen die Vorschriften des Grundgesetzes, insbesondere gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Islamisten halten die Etablierung einer isla147 mischen Gesellschaftsordnung für unabdingbar. Dieser Ordnung sollen letztlich sowohl Muslime als auch Nicht-Muslime unterworfen werden. Sonderformen des Islamismus sind der Salafismus ( )ß ß und der islamistische Terrorismus ( ) . Islamistischer Terrorismus Islamistischer Terrorismus ist der nachhaltig geführte Kampf für ß islamistische ( Islamismus) Ziele, die mit Hilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum anderer Menschen durchgesetzt werden sollen, insbesondere durch schwere Straftaten, wie sie in SS 129 a Abs. 1 StGB genannt sind, oder durch andere Straftaten, die zur Vorbereitung solcher Straftaten dienen. ß Islamistische Terroristen nennen ihren Kampf Jihad ( ), sie legitimieren ihre Gewalt mit Vorschriften des Islam und argumentieren, dass Gott ihnen den Befehl gegeben hat, diesen Kampf zu führen. Die Ziele und Mittel des islamistischen Terrorismus sind unterschiedlich, gemein ist ihm ein Kampf gegen die vermeintlichen Gegner des Islam. Ein typisches Handlungsmuster islamistischer Terroristen ist der Selbstmordanschlag. Er ist nach Auffassung der islamitischen Terroristen eine gottgewollte Aktion, die den Selbstmordattentäter herausragende Anerkennung im Diesseits und einen privilegierten Zugang zum Jenseits ermöglichen soll. Handlungen und Argumentationsmuster der Protagonisten des islamistischen Terrorismus stehen in Widerspruch zu den Interpretationen und Überzeugungen der religiösen Autoritäten des lslam, die v. a. Mord und Selbstmord ablehnen und den religiös begründeten Kampf nur unter eng definierten Bedingungen erlauben, Terrorismus als schwere Gewalttaten jedoch ablehnen. Jihad Die wörtliche Übersetzung dieses Begriffs ist "Anstrengung" oder "Bemühung". Es gibt zwei Formen des Jihad: die geistig-spirituelle Bemühung des Gläubigen um das richtige religiöse und moralische Verhalten gegenüber Gott und den Mitmenschen (so 148 genannter großer Jihad) oder der kämpferische Einsatz zur Verteidigung oder Ausdehnung des islamischen Herrschaftsgebiets (so genannter kleiner Jihad). Von militanten islamistischen ( ß Islamismus) Gruppen wird der Jihad häufig als religiöse Legitimation für Terroranschläge verwendet. Islamistische Terroristen ß ( Islamistischer Terrorismus) führen unter dem Leitprinzip dieses Jihad ihren gewalttätigen Kampf/"heiligen Krieg" gegen die angeblichen Feinde des Islam. "Kameradschaften", rechtsextremistische Unter dem Begriff "Kameradschaften" werden i. d. R. neonazistische lokale Gruppierungen verstanden. Sie umfassen meist etwa 10 bis 20 Mitglieder und sind - im Gegensatz zu den Cliquen der subkulturell geprägten gewaltbereiten rechtsextremistischen Szene - deutlich durch den Willen zu politischer Aktivität geprägt. Obwohl sie meist nur geringe vereinsähnliche Strukturen aufweisen, sind sie durch eine verbindliche Funktionsverteilung dennoch deutlich strukturiert. Mitglieder von Kameradschaften rechnen sich in der Regel den neonazistisch geprägten sog. "Freien Nationalisten" zu. Linksextremismus Mit diesem Begriff werden Bestrebungen von Personenzusammenschlüssen bezeichnet, für die alle oder einige der folgenden Merkmale charakteristisch sind: * Bekenntnis zum Marxismus-Leninismus als "wissenschaftliche" Anleitung zum Handeln; daneben, je nach Ausprägung der Partei oder Gruppierung, Rückgriff auch auf Theorien weiterer Ideologen wie Stalin, Trotzki, Mao Zedong und andere, * Bekenntnis zur sozialistischen oder kommunistischen Transformation der Gesellschaft mittels eines revolutionären Umsturzes oder langfristiger revolutionärer Veränderungen, * Bekenntnis zur Diktatur des Proletariats oder zu einer herrschaftsfreien (anarchistischen) Gesellschaft, 149 * Bekenntnis zur revolutionären Gewalt als bevorzugte oder - je nach den konkreten Bedingungen - taktisch einzusetzende Kampfform. Linksextremistische Parteien und Gruppierungen lassen sich grob in zwei Hauptströmungen einteilen: * dogmatische Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten: In Parteien oder anderen festgefügten Vereinigungen organisiert verfolgen sie die erklärte Absicht, eine sozialistische bzw. kommunistische Gesellschaftsordnung zu errichten, * Autonome, Anarchisten und sonstige Sozialrevolutionäre: In losen Zusammenhängen, seltener in Parteien oder formalen Vereinigungen agierend, streben sie ein herrschaftsfreies, selbstbestimmtes Leben frei von jeglicher staatlicher Autorität an. NADIS Das NAchrichtenDienstliche InformationsSystem und WissensNetz (NADIS WN) ist das zentrale Hinweisund Verbundsystem der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder für Personen und Objekte. Dieses System ist eine technische Plattform, auf der Amtsund Verbunddateien von Bund und Ländern unter einer einheitlichen Anwendungsoberfläche betrieben werden können. Neonationalsozialismus/Neonazismus Der Neonationalsozialismus bezieht sich auf die Weltanschauung des "Dritten Reiches" und macht diese zur Grundlage seiner politischen Zielvorstellungen. Elementare Bestandteile der neonationalsozialistischen Weltanschauung sind Rassismus und Nationalismus sowie die Forderung nach einem autoritären "Führerstaat" unter Ausschaltung der Gewaltenteilung. Proliferation Als Proliferation bezeichnet man die Weiterverbreitung von atomaren, biologischen oder chemischen Massenvernichtungswaf150 fen und entsprechenden Waffenträgersystemen bzw. der zu deren Herstellung verwendeten Produkte einschließlich des dazu erforderlichen Know-how. Radikal Als radikal werden Bestrebungen bezeichnet, die zur Lösung politischer Probleme "bis auf die Wurzel gehen", diese jedoch ohne zielgerichteten Angriff auf die freiheitliche demokratische Grundordnung lösen wollen. Radikale politische Auffassungen haben in unserer pluralistischen Gesellschaftsordnung ihren legitimen Platz. So ist z. B. die Forderung nach Wiedereinführung der Todesstrafe durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Rechtsextremismus Der Rechtsextremismus ist eine Ideologie der Ungleichheit, deren Anhänger politisch bestimmte, zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen zeigen, die darauf gerichtet sind, Grundsätze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung außer Geltung zu setzen oder zu beseitigen (vgl. SS 6 LVerfSchG M-V). Als Gegenentwurf zu einer modernen Demokratie und einer offenen Gesellschaft wollen Rechtsextremisten - auch unter Anwendung von Gewalt - ein autoritäres oder gar totalitäres staatliches System errichten, in dem nationalistisches und rassistisches Gedankengut die Grundlage der Gesellschaftsordnung bilden soll. Dementsprechend finden sich im deutschen Rechtsextremismus in unterschiedlicher und gruppenspezifischer Ausprägung folgende ideologische Vorstellungen bzw. Handlungsmuster: * Ein aggressiver, vielfach völkisch ausgerichteter Nationalismus, für den nur die deutschen Interessen als Richtschnur gelten und der andere Nationen als "minderwertig" betrachtet, * die häufige Forderung nach der Neugründung eines "Reiches", das zum "mächtigen Mittelpunkt Europas" werden müsse, * der Wunsch nach einer Volksgemeinschaft auf "rassischer" Grundlage, die die Rechte des Einzelnen beliebig einschränkt und der pluralistischen Gesellschaft das Modell des "Volkskol151 lektivismus" ("Du bist nichts, Dein Volk ist alles") entgegensetzt (Antiindividualismus, Antipluralismus, Antiliberalismus), * eine aggressive, extrem gewaltbereite Fremdenfeindlichkeit als Ergebnis rassistischen und damit verbunden antisemitischen Gedankenguts, * der Wunsch nach einem "Führerstaat" mit militärischen Ordnungsprinzipien, * eine Relativierung oder sogar Leugnung der Verbrechen des "Dritten Reiches" und damit verbunden eine Verharmlosung oder Verherrlichung des Nationalsozialismus und * eine ständige Diffamierung der demokratischen Institutionen und ihrer Repräsentanten. Rechtsextremismusdatei (RED) Die Rechtsextremismusdatei (RED) ist eine gemeinsame Datei des Bundes und der Länder zur Aufklärung und Bekämpfung des gewaltbereiten Rechtsextremismus. Mit der RED soll der Informationsaustausch zwischen den beteiligten Behörden intensiviert und beschleunigt werden. Rechtsextremistische Konzerte Die Kriterien zur Bewertung rechtsextremistischer Musikveranstaltungen lauten wie folgt: * Live-Auftritt mindestens einer als rechtsextremistisch bewerteten Band, * Szeneöffentlichkeit (z. B. überregionale Mobilisierung, Erhebung von Eintrittsgeldern, Werbung für die Veranstaltung), * Vortrag rechtsextremistischer Liedtexte bzw. Feststellung rechtsextremistischer Aktivitäten der Interpreten anlässlich der Veranstaltungen (insbesondere Propagandadelikte), * Organisation der Veranstaltung durch rechtsextremistische Gruppierungen oder Einzelpersonen. Es ist nicht erforderlich, dass Informationen zu allen Kriterien vorliegen. Mindestvoraussetzung sind der szeneöffentliche Live-Auftritt sowie Indizien für rechtsextremistische Inhalte, die sich ins152 besondere aus dem Auftritt einschlägiger Bands oder aus dem Vortrag entsprechender Lieder ergeben können. Reichsbürger Reichsbürger und Selbstverwalter sind Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen, unter anderem unter Berufung auf das historische Deutsche Reich, verschwörungs-theoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen, den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation absprechen oder sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend definieren und deshalb bereit sind, Verstöße gegen die Rechtsordnung zu begehen. Für die Verwirklichung ihrer Ziele treten sie aktiv ein, z. B. mit Werbeaktivitäten oder mit aggressiven Verhaltensweisen gegenüber den Gerichten und Behörden der Bundesrepublik Deutschland. Salafismus Salafismus ist eine rückwärtsgewandte Strömung innerhalb des ß Islamismus ( ), die sich an der islamischen Frühzeit orientiert. Salafisten geben vor, ihre religiöse Praxis und Lebensführung ausschließlich an den Prinzipien des Koran und der Prophetentradition (arab. Sunna), d. h. den vom Propheten Muhammad überlieferten Aussagen und Handlungen, auszurichten. Dabei kommt bei der Bestimmung dessen, was "wahrhaft islamisch" ist, den so genannten "rechtschaffenen Altvorderen" (arab. Al-salaf al-salih, daher der Begriff Salafismus) eine entscheidende Rolle zu. Das Streben der Salafisten nach Wiederherstellung der "ursprünglichen" und "reinen" Religion nach dem Modell der islamischen Frühzeit geht mit der Forderung nach vollständiger Umsetzung der Scharia einher. Nach der salafistischen Ideologie ist die Scharia von Gott gesetztes Recht. Sie ist die Gesamtheit der Regeln und Bestimmungen, die im Koran und der Prophetenüberlieferung niedergelegt sind und nach salafistischer Ansicht das Leben der Muslime in allen Aspekten leiten und bestimmen sollen. 153 Schwarzer Block Der so genannte Schwarze Block, vermummte Aktivisten in einheitlicher "Kampfausrüstung", ist eine Aktionsform, die ursprünglich im linksextremistischen autonomen Spektrum entwickelt wurde und vor allem bei Demonstrationen angewandt wird. Der "Schwarze Block" ist keine zentral organisierte und koordinierte Organisationsform, sondern ein punktueller Zusammenschluss gewaltorientierter Linksextremisten. Ziel dieses Auftretens ist die erschwerte Zuordnung von Strafund Gewalttaten zu Einzelpersonen durch die Polizei. Jeder "Schwarze Block" beinhaltet jedoch ein einzelfallbezogenes Gewaltpotenzial, das sich je nach Lageentwicklung verändern kann. Wenngleich der "Schwarze Block" überwiegend ein Ausdruck linksextremistischer Massenmilitanz (Straßenkrawalle im Rahmen von Demonstrationen) ist, schließt die Teilnahme eines "Schwarzen Blocks" an einer Demonstration keinesfalls einen friedlichen Demonstrationsverlauf aus. Selbstverwalter ß Reichsbürger Spionage Als Spionage wird die Tätigkeit für den Nachrichtendienst einer fremden Macht bezeichnet, die auf die Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet ist. Die Beschaffung von Informationen, vor allem aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Militär, erfolgt zumeist unter Anwendung geheimer Mittel und Methoden. Soweit Spionage gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet ist, kommt eine Strafbarkeit gemäß SSSS 93 ff. StGB in Betracht. Spionageabwehr Die Spionageabwehr beschäftigt sich mit der Aufklärung und Abwehr bzw. Verhinderung von Spionageaktivitäten fremder Nachrichtendienste. Dazu sammelt sie Informationen über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Nachrichtendienste in der Bundesrepublik Deutschland und wertet sie aus, mit dem Ziel, Erkenntnisse über Struktur, Aktivitäten, 154 Arbeitsmethoden, nachrichtendienstliche Mittel und Zielobjekte dieser Nachrichtendienste zu gewinnen. Die Spionageabwehr gehört gemäß SS 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG zu den Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder. "Vier-Säulen-Strategie" der NPD Die Strategie der NPD wurde auf dem Bundesparteitag 1998 im mecklenburgischen Stavenhagen zunächst als "Drei-Säulen-Strategie" konzipiert: Kampf um die Straße: Durchführung von Demonstrationen, Zeigen von Präsenz in der Öffentlichkeit, Massenmobilisierung, Kampf um die Köpfe: Ziel ist die Meinungsführerschaft in der rechtsextremistischen Szene, aber ganz wesentlich auch das Erreichen von Personen außerhalb ihrer politischen Klientel, Kampf um die Parlamente: Wahlerfolge konnte die NPD in Mecklenburg-Vorpommern 2006 und 2009 vorweisen. Auf dem Bundesparteitag 2004 in Leinefeld/Thüringen wurde eine vierte Säule ergänzt: Kampf um den organisierten Willen: Die NPD sieht sich als "Speerspitze der "nationalen Erneuerung" und versucht, alle "nationalen Kräfte" zu einem Bündnis zu bewegen - natürlich unter ihrer Führung. Wirtschaftsschutz Als Wirtschaftsschutz werden staatliche Maßnahmen bezeichnet, die dem Schutz deutscher Unternehmen und Forschungseinrichtungen vor einem durch Spionage betriebenen Know-how-Abfluss sowie vor Bedrohungen durch Rechtsund Linksextremisten, durch ausländische Extremisten sowie durch islamistische Terroristen dienen. Wirtschaftsspionage Wirtschaftsspionage ist Teil der Spionage, der die staatlich gelenkte oder gestützte, von fremden Nachrichtendiensten ausgehende Ausforschung von Wirtschaftsunternehmen und Forschungsein155 richtungen beinhaltet. Betreibt hingegen ein konkurrierendes Unternehmen eine private Ausforschung, handelt es sich um Konkurrenzausspähung, die häufig auch Industriespionage genannt wird. In den Zuständigkeitsbereich der Verfassungsschutzbehörden fällt ausschließlich die Wirtschaftsspionage. 156 Registeranhang Extremistische Organisationen Gruppierungen/Versandhandel Seitenzahl A Ahnenblut 34 Aktionsblog 25, 37, 38 Aktionsgruppe Freundeskreis MuP 40, 43 Aktionsgruppe Lalendorf 41 al-Qaida 102, 103, 118 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)/ KONGRA GEL 119, 120, 141, 145 Arischer Widerstandsbund 43 Artgemeinschaft-Germanische Glaubens44, 141 Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e. V. Aryan Warriors 43 Autonome Nationalisten 43 B Bataillon 500 34 Bildungswerk für Heimat und nationale 71 Identität e. V. Blood and Honour 33, 157 BWS - Bützow wehrt sich 46 D Dachverband Deutschland wehrt sich (DWS) 40, 67, 77 Der III. Weg 76, 77 Demokratisches Gesellschaftszentrum der 142 KurdInnen in Deutschland (NAV-DEM e. V.) Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 87, 100, 101, 157 Deutschland muss leben e. V. (DML e. V.) 39, 40, 43, 157 157 Die Rechte 21, 76, 77, 144, 151 Die Liebenfels-Kapelle/Skalinger 33 Die wahre Religon (DWR) 109, 116 E Europa Terra Nostra e. V. 70, 71, 72 Europäische Aktion 44, 141 F Freie Kameradschaft Wismar 43 Freie Kräfte Greifswald/ 43 Nationale Sozialisten Greifswald Freie Kräfte Parchim 40 Freie Pommern 40 Freies Kollektiv Parchim 43 Fremde im eigenen Land (F.i.e.L.) 34 Freundeskreis Thinghaus 43 G Gemeinschaft Deutscher Frauen (GDF) 26 Germanisches Bollwerk Mecklenburg 43 Gefangenenhilfe Freundeskreis 30, 44 Güstrow wehrt sich gegen Asylmissbrauch 2.0 78 H Harakat al-Muqawama al-Islamiya (HAMAS) 102, 118 Hammerskins 28 Hizb Allah 118 I Infoflut Rostock 66 Initiative "Vereint für Stralsund" 43 Interessengemeinschaft Schöneres Strasburg 45 Interventionistische Linke 86, 141 Islamischer Staat (IS) 121, 141 J Junge Nationaldemokraten (JN) 49, 72, 141 158 K Kameradschaft Borken 43 Kameradschaft Bützow 43 Kameradschaft Güstrow 42 Kameradschaftsbund Anklam 43 Kameradschaftsbund Bargischow 43 Kameradschaft Schwerin 43 Kaukasisches Emirat (KE) 141 Kulturund Familienverein e. V. (KuF) 110 L Leveler Records 35 M Maoistische Kommunistische Partei (MKP) 119 Marxistisch-Leninistische Kommunistische 87, 119, 142 Partei (MLKP) Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands 100, 101, 124 (MLPD) Mecklenburg-Vorpommern gegen die 25, 67, 142 Islamisierung des Abendlandes (MVGIDA) Mit erhobener Stimme 32 Müritzfunken / Kollektiv Müritzfunken 36, 40 N Nationaldemokratische Partei 6, 12, 19-21, 25, 26, Deutschlands (NPD) 27, 39, 40, 44, 4852, 142,155, 159 Nationale Aktivisten MuP 39, 40, 54 Nationale Offensive Gnoien 43 Nationales Bündnis Löcknitz 43 Nationale Sozialisten Waren 40, 66 Nationale Sozialisten Rostock 66 Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) 19, 22-24 Nationale Sozialisten Pommern 43 Nordlicht Gnoien Weltnetzgeschäft 35 159 P Painful Awakening 33 Path of Resistance 33 Patrioten Rostock / Rügen / Stralsund 38, 39 Pommern Division 43 Pommerscher Buchdienst 27 R Reichsbürger und Selbstverwalter 67, 82-84, 134, 136, 153, 154 Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front 119, 141, 146 (DHKP-C) Ring Nationaler Frauen (RNF) 26, 49, 76 Rostocker Division 38, 40, 66 Rostocker Widerstand 43 Rote Hilfe e. V. (RH) 87, 99, 100 RotFuchs-Förderverein 100 S Sozialistische Alternative (SAV) 87, 100, 101, 142 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 87, 100, 142 T Terrorsphära 35 Thrima 33 Türkische Hizbollah 118 Türkische Kommunistische Partei/ 119, 143 Marxisten-Leninisten (TKP/ML) U Ungebetene Gäste 33 V Völkische Burschenschar Strasburg 43 Volkshammer 34 Y Yekineyen Parastina Gel (YPG) 124, 143 "Volksverteidigungseinheiten" 160 Anlage 1 Politisch motivierte Kriminalität (PMK) Jahresübersicht 2015/2016 Politisch motivierte Kriminalität -Rechts2015 2016 Straftaten Gesamt 1032 1050 davon extremistisch 952 955 Propagandadelikte 565 589 davon extremistisch 55 589 Gewaltdelikte 93 79 davon extremistisch 93 79 Fremdenfeindliche Straftaten 313 304 davon extremistisch 311 304 davon Gewaltdelikte 57 53 Antisemitische Straftaten 19 37 davon Gewaltdelikte 0 0 Politisch motivierte Kriminalität -Links2015 2016 Straftaten Gesamt 165 482 davon extremistisch 76 64 Propagandadelikte 2 8 davon extremistisch 2 8 Gewaltdelikte 63 24 davon extremistisch 63 24 Fremdenfeindliche Straftaten davon extremistisch 0 0 davon Gewaltdelikte Antisemitische Straftaten 0 0 davon Gewaltdelikte 161 Politisch motivierte Kriminalität -Ausländer2015 2016 Straftaten Gesamt 12 22 davon extremistisch 11 19 Propagandadelikte 0 3 Gewaltdelikte 4 3 davon extremistisch 4 3 Fremdenfeindliche Straftaten 0 1 Antisemitische Straftaten 0 1 davon Gewaltdelikte 0 0 Quelle: LKA Mecklenburg-Vorpommern 162 Anlage 2 Amtliche Abkürzung: LVerfSchG M-V Fundstelle: GVOBl. M-V 2001, 261 Gesetz über den Verfassungsschutz im Lande Mecklenburg-Vorpommern (Landesverfassungsschutzgesetz - LVerfSchG M-V) Vom 11. Juli 2001 Stand: letzte berücksichtigte Änderung: SS 27 geändert durch Gesetz vom 13. Januar 2017 (GVOBl. M-V S. 2) Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen: Inhaltsübersicht Abschnitt 1 Aufgaben und Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS1 Zweck des Verfassungsschutzes SS2 Organisation SS3 Bedienstete SS4 Zusammenarbeit SS5 Aufgaben des Verfassungsschutzes SS6 Begriffsbestimmungen SS7 Rahmen für die Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde SS8 Funktionelle Trennung von Polizei und Verfassungsschutzbehörde SS9 Formen der Datenerhebung SS 10 Informationsbeschaffung mit nachrichtendienstlichen Mitteln SS 10a Vertrauensleute und Verdeckte Mitarbeiter 163 SS 11 Mitteilung an betroffene Personen SS 12 Registereinsicht durch die Verfassungsschutzbehörde Abschnitt 2 Datenverarbeitung SS 13 Begriff der Datei und der Akte SS 14 Dateianordnung SS 15 Voraussetzung der Speicherung SS 16 Erfassung personenbezogener Daten von Minderjährigen SS 17 Speichern, Berichtigen, Löschen und Sperren personenbezogener Daten Abschnitt 3 Informationsübermittlung und Auskunftserteilung SS 18 Informationsübermittlung zwischen den Verfassungsschutzbehörden SS 19 Informationsübermittlung an Bundesnachrichtendienst und Militärischen Abschirmdienst SS 20 Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde an Polizei, Staatsanwaltschaft und andere Stellen SS 20a Projektbezogene gemeinsame Dateien SS 21 Informationsübermittlung an ausländische Stellen SS 22 Informationsübermittlung an die Öffentlichkeit SS 23 Dokumentation und Grundlage der Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde SS 24 Informationsübermittlung durch öffentliche Stellen an die Verfassungsschutzbehörde SS 24a Informationsübermittlung durch nicht-öffentliche Stellen an die Verfassungsschutzbehörde SS 24b Weitere Auskunftsverlangen SS 25 Übermittlungsverbote, Nachberichtspflicht SS 26 Auskunft an betroffene Personen Abschnitt 4 Kontrolle der Verfassungsschutzbehörde SS 27 Parlamentarische Kontrollkommission SS 28 Geheimhaltung SS 29 Kontrollrechte der Parlamentarischen Kontrollkommission 164 Abschnitt 5 Schlussvorschriften SS 30 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes SS 31 (weggefallen) SS 32 In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten Abschnitt 1 Aufgaben und Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde SS 1 *) Zweck des Verfassungsschutzes Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder. Fußnoten *) SS 1 geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 16. April 2004. SS2 Organisation (1) Die Aufgaben des Verfassungsschutzes werden von der Verfassungsschutzbehörde wahrgenommen. Verfassungsschutzbehörde ist das Innenministerium. Es unterhält für diese Aufgaben eine besondere Abteilung. (2) Die Verfassungsschutzbehörde darf Dienststellen der Polizei, Dienststellen der Polizei dürfen der Verfassungsschutzbehörde nicht angegliedert werden. SS3 Bedienstete Mit Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde dürfen nur Personen betraut werden, die nach ihrer Persönlichkeit und nach ihrem Verhalten die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit für die Sicherung und Erhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung eintreten. 165 SS4 Zusammenarbeit (1) Die Verfassungsschutzbehörde ist verpflichtet, mit Bund und Ländern in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. Die Zusammenarbeit besteht insbesondere in gegenseitiger Unterstützung und Information sowie in der Unterhaltung gemeinsamer Einrichtungen. (2) Die Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen, der Bund nach Maßgabe bundesrechtlicher Vorschriften nur im Benehmen mit der Verfassungsschutzbehörde Mecklenburg-Vorpommerns tätig werden. SS5 Aufgaben des Verfassungsschutzes (1) Zur Erfüllung ihrer Aufgabe sammelt und wertet die Verfassungsschutzbehörde sachund personenbezogene Daten, insbesondere Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen aus über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht im Geltungsbereich dieses Gesetzes, 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, 4. Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind. (2) Die Verfassungsschutzbehörde informiert die zuständigen Stellen und die Öffentlichkeit über Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder. Sie kann dazu insbesondere Verfassungsschutzberichte veröffentli166 chen und Prävention im Rahmen von Öffentlichkeitsarbeit leisten. Den staatlichen Stellen soll ermöglicht werden, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr der Gefahren nach Satz 1 zu treffen. (3) Die Verfassungsschutzbehörde wirkt mit 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen nach Maßgabe des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes vom 22. Januar 1998 (GVOBl. M-V S. 114, 195), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 28. Januar 2009 (GVOBl. M-V S. 82), sowie bei Zuverlässigkeitsüberprüfungen in den übrigen gesetzlich bestimmten Fällen, 2. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. (4) Die Verfassungsschutzbehörde ist an die allgemeinen Rechtsvorschriften gebunden ( Artikel 20 des Grundgesetzes). SS6 Begriffsbestimmungen (1) Im Sinne dieses Gesetzes sind 1. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, die darauf gerichtet sind, einen der in Absatz 3 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen, 2. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihnen gehörendes Gebiet abzutrennen, 3. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, die darauf gerichtet sind, den Bund, die Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen. 167 (2) Eine Bestrebung im Sinne des Gesetzes ist insbesondere dann gegeben, wenn sie auf Gewaltanwendung gerichtet ist oder sonst ein kämpferisches und aggressives Verhalten gegenüber den in Absatz 3 genannten Grundsätzen erkennen lässt. (3) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen: 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 6. der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und 7. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. (4) Für einen Personenzusammenschluss handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln, sind Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu beschädigen. (5) Betroffene Personen sind Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für Tätigkeiten oder Bestrebungen gemäß SS 5 Abs. 1 vorliegen. Dritte sind Personen, bei denen keine derartigen Anhaltspunkte vorliegen. 168 (6) Gewalt im Sinne dieses Gesetzes ist die Anwendung körperlichen Zwanges gegen Personen und die gewalttätige Einwirkung auf Sachen. SS7 Rahmen für die Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf sachund personenbezogene Daten nur erheben, verarbeiten und nutzen, soweit sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich sind. Voraussetzung für die Sammlung von Informationen im Sinne des SS 5 Abs. 1 ist das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte, die, insgesamt betrachtet und unter Einbeziehung nachrichtendienstlicher Erfahrungen, den Verdacht einer der in SS 5 Abs. 1 genannten Bestrebungen oder Tätigkeiten rechtfertigen. Die Art und der Umfang des Umgangs mit Daten richtet sich nach den Vorschriften dieses Gesetzes. Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, gilt das Landesdatenschutzgesetz von Mecklenburg-Vorpommern. (2) Zur Erfüllung ihrer Aufgaben darf die Verfassungsschutzbehörde nur die dazu erforderlichen Maßnahmen ergreifen; dies gilt insbesondere für den Umgang mit personenbezogenen Daten. Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat sie diejenige zu treffen, die den einzelnen, insbesondere in seinen Grundrechten, und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. Sie ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann. SS8 Funktionelle Trennung von Polizei und Verfassungsschutzbehörde Polizeiliche Befugnisse stehen der Verfassungsschutzbehörde nicht zu; sie darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen sie selbst nicht befugt ist. SS9 Formen der Datenerhebung (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbezogene Daten der betroffenen Person auch ohne deren Kenntnis bei ihr und bei Dritten erheben, wenn 169 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten gemäß SS 5 Abs. 1 vorliegen, 2. dies für die Erforschung und Bewertung von gewalttätigen Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 1 Nr. 2 erforderlich ist oder 3. dies zur Schaffung oder Erhaltung nachrichtendienstlicher Zugänge über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 1 erforderlich ist. Werden personenbezogene Daten bei der betroffenen Person mit ihrer Kenntnis erhoben, so ist sie über die Freiwilligkeit der Mitwirkung und den Verwendungszweck aufzuklären. Die Aufklärungspflicht umfasst bei einer beabsichtigten Übermittlung auch den Empfänger der Daten. Die Aufklärung kann unterbleiben, wenn die Tatsache, dass die Erhebung für Zwecke des Verfassungsschutzes erfolgt, aus besonderen Gründen nicht bekannt werden soll. (2) Personenbezogene Daten von Dritten dürfen ohne deren Kenntnis nur erhoben werden, wenn 1. dies für die Erforschung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 1 vorübergehend erforderlich ist, 2. die Erforschung des Sachverhaltes auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre und 3. überwiegende schutzwürdige Belange der betroffenen Personen nicht entgegenstehen. Daten Dritter dürfen auch erhoben werden, wenn sie mit zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Informationen untrennbar verbunden sind. Daten, die für das Verständnis der zu speichernden Informationen nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu löschen. Dies gilt nicht, wenn die Löschung nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist. In diesem Fall sind die Daten zu sperren; die gesperrten Daten dürfen nicht mehr genutzt werden. (3) Ist zum Zwecke der Sammlung von Informationen die Weitergabe personenbezogener Daten unerlässlich, so dürfen schutzwürdige Interessen der betroffenen Person oder Dritter nur im unvermeidbaren Umfang beeinträchtigt werden. 170 SS 10 Informationsbeschaffung mit nachrichtendienstlichen Mitteln (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur verdeckten Informationsbeschaffung, insbesondere zur verdeckten Erhebung personenbezogener Daten, nur folgende nachrichtendienstliche Mittel anwenden: 1. Inanspruchnahme von Vertrauensleuten nach Maßgabe des SS 10a, sonstigen Informanten und Gewährspersonen; 2. Einsatz von Verdeckten Mitarbeitern nach Maßgabe des SS 10a; 3. Observationen; 4. Bildaufzeichnungen (Fotografieren, Filmen und Videografieren) außerhalb des Schutzbereiches des Artikels 13 des Grundgesetzes; 5. verdeckte Ermittlungen und Befragungen; 6. verdecktes Mithören ohne Inanspruchnahme technischer Mittel; 7. verdecktes Mithören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes unter Einsatz technischer Mittel außerhalb des Schutzbereiches des Artikels 13 des Grundgesetzes; 8. Beobachtung des Funkverkehrs auf nicht für den allgemeinen Empfang bestimmten Kanälen; 9. Verwendung fingierter biographischer, beruflicher oder gewerblicher Angaben (Legenden) mit Ausnahme solcher beruflicher Angaben, die sich auf die in Satz 3 genannten Personen beziehen; 10. Beschaffung, Herstellung und Verwendung von Tarnpapieren und Tarnkennzeichen; 11. Überwachung des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs nach Maßgabe des aufgrund von Artikel 10 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes erlassenen Bundesgesetzes; 12. verdecktes Beobachten und sonstiges Aufklären des Internets, ohne dass der Schutzbereich des Artikels 10 des Grundgesetzes (Brief-, 171 Postund Fernmeldegeheimnis) berührt ist, insbesondere die verdeckte Teilnahme an den Kommunikationseinrichtungen des Internets sowie die Suche nach ihnen. (2) Die Mittel nach Absatz 1 dürfen nur angewendet werden, wenn 1. die Voraussetzungen des SS 9 Abs. 1 Nr. 1, 2 oder 3 vorliegen, 2. sich ihr Einsatz gegen Dritte richtet, deren Einbeziehung in eine solche Maßnahme unumgänglich ist, um auf diese Weise Erkenntnisse über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder Bestrebungen zu gewinnen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die im SS 5 Abs. 1 Nr. 1 und 3 genannten Schutzgüter gerichtet sind oder 3. dies zur Abschirmung der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Nachrichtenzugänge des Verfassungsschutzes gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. Die Mittel nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 9 und 10 dürfen auch für Vertrauensleute angewendet werden, wenn dies zur Erfüllung eines dienstlichen Auftrags oder zu ihrem Schutz erforderlich ist. (3) Die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel gemäß Absatz 1 ist unzulässig, wenn die Informationsbeschaffung auf andere, die betroffene Person weniger beeinträchtigende Weise möglich ist. Eine geringere Beeinträchtigung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Daten aus allgemein zugänglichen Quellen oder durch Übermittlung nach SS 24 gewonnen werden können. Die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel darf nicht außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhaltes stehen. Die Verfassungsschutzbehörde darf die mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhobenen Daten nur für die in SS 9 Abs. 1 genannten Zwecke nutzen. Daten, die für diese Zwecke nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu löschen. Sind diese Daten mit anderen, für die in SS 9 Abs. 1 genannten Zwecke erforderlichen Daten derart verbunden, dass sie nicht oder nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand getrennt werden können, so sind diese Daten zu sperren; sie dürfen nicht mehr genutzt werden. 172 (4) Wirkt die Verfassungsschutzbehörde an Sicherheitsüberprüfungen im Sinne des SS 5 Abs. 3 Nr. 1 mit, so darf sie nur das nachrichtendienstliche Mittel der Tarnung von Mitarbeitern anwenden. (5) Die Behörden des Landes sowie die Kommunalbehörden sind verpflichtet, der Verfassungsschutzbehörde Hilfe für Tarnungsmaßnahmen zu leisten. (6) Die Anwendung des nachrichtendienstlichen Mittels nach Absatz 1 Nr. 7 bedarf im Einzelfall der Zustimmung des Innenministers, im Falle seiner Verhinderung der des Staatssekretärs, und der Zustimmung der nach dem Ausführungsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern zu dem aufgrund von Artikel 10 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes erlassenen Bundesgesetzes gebildeten Kommission; bei Gefahr im Verzug ist unverzüglich die Genehmigung dieser Kommission nachträglich einzuholen. Die durch solche Maßnahmen erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nur nach Maßgabe des aufgrund von Artikel 10 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes erlassenen Bundesgesetzes verwendet werden. (7) Die Verfassungsschutzbehörde darf unter den Voraussetzungen des SS 24a Abs. 2 technische Mittel zur Ermittlung des Standortes eines aktiv geschalteten Mobilfunkendgerätes und zur Ermittlung der Geräteoder Kartennummer einsetzen. Die Maßnahme ist nur zulässig, wenn ohne Einsatz technischer Mittel nach Satz 1 die Ermittlung des Standortes oder die Ermittlung der Geräteoder Kartennummer aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Sie darf sich nur gegen die in SS 24a Abs. 3 Nr. 1 und 2 Buchstabe b bezeichneten Personen richten. Für die Verarbeitung der Daten ist SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. Personenbezogene Daten eines Dritten dürfen anlässlich solcher Maßnahmen nur erhoben werden, wenn dies aus technischen Gründen zur Erreichung des Zweckes nach Satz 1 unvermeidbar ist. Sie unterliegen einem absoluten Verwendungsverbot und sind nach Beendigung der Maßnahme unverzüglich zu löschen. SS 24a Abs. 4 bis 6 gilt entsprechend. Das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt. 173 SS 10a Vertrauensleute und Verdeckte Mitarbeiter (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf 1. Privatpersonen, deren planmäßige, dauerhafte Zusammenarbeit mit ihr Dritten nicht bekannt ist (Vertrauensleute), und 2. eigene Mitarbeiter unter einer ihnen verliehenen und auf Dauer angelegten Legende (Verdeckte Mitarbeiter) zur Aufklärung von Bestrebungen unter den Voraussetzungen des SS 10 Absatz 2 einsetzen. Ein dauerhafter Einsatz zur Aufklärung von Bestrebungen nach SS 5 Absatz 1 Nummer 1 und 4 ist nur bei Bestrebungen von erheblicher Bedeutung zulässig, insbesondere, wenn sie darauf gerichtet sind, Gewalt anzuwenden oder Gewalt vorzubereiten. (2) Vertrauensleute und Verdeckte Mitarbeiter dürfen weder zur Gründung von Bestrebungen nach SS 5 Absatz 1 Nr. 1, 3 oder 4 noch zur steuernden Einflussnahme auf derartige Bestrebungen eingesetzt werden. Sie dürfen in solchen Personenzusammenschlüssen oder für solche Personenzusammenschlüsse, einschließlich strafbarer Vereinigungen, tätig werden, um deren Bestrebungen aufzuklären. Im Übrigen ist im Einsatz eine Beteiligung an Bestrebungen nur zulässig, wenn sie 1. nicht in Individualrechte eingreift, 2. von den an den Bestrebungen Beteiligten derart erwartet wird, dass sie zur Gewinnung und Sicherung der Informationszugänge unumgänglich ist, und 3. nicht außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts steht. Sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Vertrauensleute oder Verdeckte Mitarbeiter rechtswidrig einen Straftatbestand von erheblicher Bedeutung verwirklicht haben, soll der Einsatz unverzüglich beendet und die Strafverfolgungsbehörde unterrichtet werden. Über Ausnahmen nach Satz 4 entscheidet der Leiter der Verfassungsschutzabteilung oder sein Vertreter. 174 (3) Über die Verpflichtung von Vertrauensleuten entscheidet der Leiter der Verfassungsschutzabteilung oder sein Vertreter. Als Vertrauensleute dürfen Personen nicht angeworben und eingesetzt werden, die 1. nicht voll geschäftsfähig, insbesondere minderjährig sind, 2. von den Geldoder Sachzuwendungen für die Tätigkeit auf Dauer als alleinige Lebensgrundlage abhängen würden, 3. an einem Aussteigerprogramm teilnehmen, 4. im Bundeszentralregister mit einer Verurteilung wegen eines Verbrechens oder zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist, eingetragen sind, 5. Mitglied des Europäischen Parlaments, des Deutschen Bundestages, eines Landesparlaments oder Mitarbeiter eines solchen Mitglieds sind oder 6. berechtigt sind, in Strafsachen aus beruflichen Gründen das Zeugnis zu verweigern (SSSS 53 und 53a der Strafprozessordnung), wenn sie zur Beschaffung von Informationen über Sachverhalte eingesetzt werden sollen, auf die sich ihr Zeugnisverweigerungsrecht bezieht; Informationen, die diese Personen unter Verletzung des SS 203 des Strafgesetzbuches rechtswidrig an die Verfassungsschutzbehörde weiterzugeben beabsichtigen, dürfen von dieser nicht entgegengenommen werden. Der Leiter der Verfassungsschutzabteilung kann eine Ausnahme von Nummer 4 zulassen, wenn die Verurteilung nicht als Täter eines Totschlags (SSSS 212, 213 StGB) oder einer allein mit lebenslanger Haft bedrohten Straftat erfolgt ist und der Einsatz zur Aufklärung von Bestrebungen, die auf die Begehung von in SS 3 Absatz 1 des Artikel 10-Gesetzes bezeichneten Straftaten gerichtet sind, unerlässlich ist. Im Falle einer Ausnahme nach Satz 3 ist der Einsatz nach höchstens sechs Monaten zu beenden, wenn er zur Erforschung der in Satz 3 genannten Bestrebungen nicht zureichend gewichtig beigetragen hat. Auch im Weiteren ist die Qualität der gelieferten Informationen fortlaufend zu bewerten. Das Ministerium für Inneres und Sport trägt der Parlamentarischen Kontrollkommission mindestens einmal im Jahr einen Lagebericht zum Einsatz von Vertrauensleuten vor. 175 (4) Zum Absehen von der Verfolgung von im Einsatz begangenen Vergehen oder der Rücknahme einer bereits erhobenen Klage und der Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft findet SS 9a Absatz 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes Anwendung. SS 11 Mitteilung an betroffene Personen Betroffenen Personen sind Maßnahmen nach SS 10 Abs. 6 Satz 1 nach ihrer Beendigung mitzuteilen, sobald eine Gefährdung des Zweckes des Eingriffs ausgeschlossen werden kann. Lässt sich im Zeitpunkt der Beendigung der Maßnahme noch nicht abschließend beurteilen, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, unterbleibt die Mitteilung so lange, bis eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Die nach dem Ausführungsgesetz zu dem aufgrund von Artikel 10 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes gebildete Kommission ist über die Gründe, die einer Mitteilung entgegenstehen, zu unterrichten; hält sie eine Mitteilung für geboten, so ist diese unverzüglich zu veranlassen. SS 12 Registereinsicht durch die Verfassungsschutzbehörde (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Aufklärung 1. von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, 2. von Bestrebungen im Sinne des SS 5 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 bei öffentlichen Stellen geführte Dateien, Akten und Register einsehen. (2) Eine solche Einsichtnahme ist nur zulässig, wenn 1. die Aufklärung auf andere Weise nicht möglich erscheint, insbesondere durch eine Übermittlung der Daten durch die registerführende Stelle der Zweck der Maßnahme gefährdet würde, 2. die betroffenen Personen durch eine anderweitige Aufklärung unverhältnismäßig beeinträchtigt werden würden und 176 3. eine besondere gesetzliche Geheimhaltungsvorschrift oder ein Berufsgeheimnis der Einsichtnahme nicht entgegensteht. (3) Die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse dürfen nur zu den in Absatz 1 genannten Zwecken verwendet werden. Daten, die für diese Zwecke nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu löschen. Sind diese Daten mit anderen, für die in Absatz 1 genannten Zwecke erforderlichen Daten derart verbunden, dass sie nicht oder nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand getrennt werden können, so sind diese Daten zu sperren; sie dürfen nicht mehr genutzt werden. (4) Über die Einsichtnahme ist ein gesonderter Nachweis zu führen, aus dem ihr Zweck, die in Anspruch genommene Stelle sowie die Namen der betroffenen Person, deren Daten für eine weitere Verwendung erforderlich sind, hervorgehen. Diese Aufzeichnungen sind gesondert aufzubewahren, durch technische und organisatorische Maßnahmen zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Erstellung folgt, zu vernichten. Dieser Nachweis ist der Parlamentarischen Kontrollkommission auf Wunsch vorzulegen. Abschnitt 2 Datenverarbeitung SS 13 Begriff der Datei und der Akte (1) Eine Datei im Sinne dieses Gesetzes ist 1. eine Sammlung personenbezogener Daten, die durch automatisierte Verfahren verarbeitet und ausgewertet werden kann (automatisierte Datei) oder 2. jede sonstige Sammlung gleichartig aufgebauter personenbezogener Daten, die nach bestimmten Merkmalen geordnet und ausgewertet werden kann (nicht-automatisierte Datei). (2) Eine Akte ist jede sonstige Sammlung von amtlichen oder dienstlichen Zwecken dienenden Unterlagen, die in einem inhaltlichen Bezug zueinander stehen und auch personenbezogene Daten enthalten können. Dazu zählen auch Bildund Tonmedien. Akten oder Auszüge aus Akten dürfen auch in elektronischer Form geführt werden. Eine Abfrage personenbezo177 gener Daten mittels automatisierter Verarbeitung ist nur zulässig, wenn für sie die Voraussetzungen der Speicherung nach SS 15 Absatz 1 oder SS 16 Absatz 1 vorliegen. Der automatisierte Abgleich dieser personenbezogenen Daten ist nur beschränkt auf Akten eng umgrenzter Anwendungsgebiete zulässig. Bei jeder Abfrage sind für Zwecke der Datenschutzkontrolle der Zeitpunkt, die Angaben, die die Feststellung der abgefragten Daten ermöglichen, sowie Angaben zur Feststellung des Abfragenden zu protokollieren. Die protokollierten Daten dürfen nur für Zwecke der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebs der Datenverarbeitungsanlage verwendet werden. Die Protokolldaten sind am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Protokollierung folgt, zu löschen. SS 14 Dateianordnung (1) Für jede automatisierte Datei der Verfassungsschutzbehörde sind in einer Dateianordnung durch die Verfassungsschutzbehörde festzulegen: 1. Bezeichnung der Datei, 2. Zweck der Datei, 3. Inhalt, Umfang, Voraussetzungen der Speicherung, Übermittlung und Nutzung, 4. Berechtigung zur Eingabe von Daten, 5. Zugangsberechtigung, 6. Überprüfungsfristen und Speicherungsdauer, 7. Protokollierung. (2) Der Landesbeauftragte für den Datenschutz ist vor Erlass der Dateianordnung anzuhören. 178 SS 15 Voraussetzung der Speicherung (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben personenbezogene Informationen in Dateien nur speichern, wenn die Voraussetzungen ihrer Erhebung gemäß SS 9 Absatz 1 oder 2 vorliegen. (2) Unterlagen, die nach Absatz 1 gespeicherte Angaben belegen, dürfen auch gespeichert werden, wenn in ihnen weitere personenbezogene Daten Dritter enthalten sind. Eine Abfrage von Daten Dritter ist unzulässig. (3) Bundesgesetzliche Vorschriften über die Datenverarbeitung in gemeinsamen Dateien der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder bleiben unberührt. SS 16 Erfassung personenbezogener Daten von Minderjährigen (1) Personenbezogene Daten von Minderjährigen dürfen in Dateien und Akten nur erfasst werden, wenn 1. diese zu dem Zeitpunkt, auf den sich die Daten beziehen, das 16. Lebensjahr vollendet haben und 2. der Verdacht einer geheimdienstlichen Tätigkeit (SS 5 Absatz 1 Nummer 2) oder einer Bestrebung im Sinne des SS 5 Absatz 1 Nummer 1 oder 3 besteht, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen verfolgt wird. (2) Personenbezogene Daten über Minderjährige nach Vollendung des 16. und vor Vollendung des 18. Lebensjahres sind nach zwei Jahren auf die Erforderlichkeit der Erfassung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu löschen, es sei denn, dass nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse nach SS 5 Absatz 1 angefallen sind. SS 17 Speichern, Berichtigen, Löschen und Sperren personenbezogener Daten (1) Umfang und Dauer der Speicherung personenbezogener Daten sind auf das für die Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörde erforderliche Maß zu beschränken. 179 (2) Wird die Richtigkeit von personenbezogenen Daten von betroffenen Personen bestritten, so ist dies in der Akte und Datei zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten. Personenbezogene Daten sind zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind. Dabei muss nachvollziehbar bleiben, in welchem Zeitraum und aus welchem Grund sie unrichtig waren. Die Daten sind zu ergänzen, wenn sie unvollständig sind und dadurch schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt sein können. (3) Personenbezogene Daten in Dateien sind zu löschen, wenn ihre Erhebung oder Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. Bei jeder Einzelfallbearbeitung und nach festgesetzten Fristen, spätestens aber nach fünf Jahren, sind die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten auf ihre Erforderlichkeit zu überprüfen. Soweit die Daten Bestrebungen nach SS 5 Absatz 1 Nummer 1 betreffen, sind sie spätestens zehn Jahre, soweit sie Bestrebungen nach SS 5 Absatz 1 Nummer 3 oder 4 betreffen, spätestens fünfzehn Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten relevanten Information zu löschen, es sei denn, der Leiter der Verfassungsschutzabteilung oder sein Vertreter trifft im Einzelfall ausnahmsweise eine andere Entscheidung. (4) Personenbezogene Daten sind in Dateien zu sperren, soweit durch ihre Löschung schutzwürdige Belange der betroffenen Person oder von Dritten beeinträchtigt würden. Ein schutzwürdiges Interesse liegt auch vor, wenn die betroffene Person einen Antrag nach SS 26 Absatz 1 Satz 1 gestellt hat. Anstelle der Löschung tritt auch dann eine Sperrung, wenn die nach Absatz 3 zu löschenden Daten mit anderen Daten derart verbunden sind, dass sie nicht oder nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand getrennt werden können. Die gesperrten Daten dürfen ohne Einwilligung der betroffenen Person nicht mehr genutzt werden. (5) Eine Akte ist zu vernichten, wenn sie insgesamt zur Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörde nicht oder nicht mehr erforderlich ist. Die Erforderlichkeit ist bei der Einzelfallbearbeitung und nach festgesetzten Fristen, spätestens nach fünf Jahren, zu prüfen. Eine Vernichtung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass durch sie schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt würden. Dies ist auch dann gegeben, wenn eine betroffene Person einen Antrag nach SS 26 Absatz 1 Satz 1 gestellt hat. In diesen Fällen ist die Akte zu sperren und mit einem entsprechenden Vermerk zu versehen. Sie darf nur für den Zweck ver180 wendet werden, für den sie gesperrt worden ist oder wenn es zur Abwehr einer erheblichen Gefahr unerlässlich ist. Eine Vernichtung der Akte erfolgt nicht, wenn sie nach den Vorschriften des Landesarchivgesetzes dem Landesarchiv zur Übernahme anzubieten und zu übergeben ist. (6) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen nur für diesen Zweck verwendet werden. Abschnitt 3 Informationsübermittlung und Auskunftserteilung SS 18 Informationsübermittlung zwischen den Verfassungsschutzbehörden Die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Verfassungsschutzbehörden der Länder über alle Angelegenheiten, deren Kenntnis zur Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Stellen erforderlich ist. SS 19 Informationsübermittlung an Bundesnachrichtendienst und Militärischen Abschirmdienst Die Verfassungsschutzbehörde übermittelt dem Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst die ihr bekannt gewordenen Informationen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Stelle erforderlich ist. Handelt die Verfassungsschutzbehörde auf Ersuchen, so ist sie zur Übermittlung nur verpflichtet und berechtigt, wenn sich die tatsächlichen Anhaltspunkte aus den Angaben der ersuchenden Behörde ergeben. SS 20 Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde an Polizei, Staatsanwaltschaft und andere Stellen (1) Die im Rahmen der gesetzlichen Aufgaben gewonnenen Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörde, die nicht personenbezogen sind, können 181 an andere Behörden und Stellen, insbesondere an die Polizei und Staatsanwaltschaften, übermittelt werden, wenn sie für die Aufgabenerfüllung der empfangenden Stellen erforderlich sein können. (2) Personenbezogene Daten übermittelt die Verfassungsschutzbehörde von sich aus an die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizei, sofern aufgrund der bei der Verfassungsschutzbehörde vorliegenden Informationen tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von Staatsschutzdelikten erforderlich ist. Delikte nach Satz 1 sind die in SS 74a Abs. 1 und SS 120 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 19. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1756), genannten Straftaten sowie sonstige Straftaten, bei denen aufgrund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die in Artikel 73 Nr. 10 Buchstabe b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind. (3) Personenbezogene Daten darf die Verfassungsschutzbehörde vorbehaltlich des Absatzes 4 übermitteln 1. an die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizei, sofern aufgrund der bei der Verfassungsschutzbehörde vorliegenden Informationen tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine Straftat plant oder begangen hat, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bedroht ist, oder wenn es zum Schutz vor Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 1 erforderlich ist, 2. an andere staatliche Behörden und an die der Aufsicht des Landes unterstellten Gebietskörperschaften, wenn dies zum Schutz vor Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 5 Abs. 1 erforderlich ist, 3. an Stellen, die mit dem Überprüfungsverfahren nach SS 5 Absatz 3 Nummer 1 befasst sind, 4. an andere Stellen, wenn es zum Schutz vor Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes unverzichtbar ist. 182 In den Fällen der Nummer 4 entscheidet der Leiter der Verfassungsschutzabteilung oder sein Vertreter. (4) Personenbezogene Daten, die mit den nachrichtendienstlichen Mitteln nach SS 10 Absatz 1 erhoben wurden, darf die Verfassungsschutzbehörde an die Staatsanwaltschaften, die Finanzbehörden nach SS 386 Absatz 1 der Abgabenordnung, die Polizei, die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden, die Behörden des Zollfahndungsdienstes sowie anderer Zolldienststellen, soweit diese Aufgaben nach dem Bundespolizeigesetz wahrnehmen, nur übermitteln, soweit dies erforderlich ist zur 1. Erfüllung eigener Aufgaben der Informationsgewinnung, 2. Abwehr einer im Einzelfall bestehenden Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder für Sachen von erheblichem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten ist, 3. Verhinderung oder sonstigen Verhütung von Straftaten von erheblicher Bedeutung oder 4. Verfolgung von Straftaten von erheblicher Bedeutung. (5) Soweit es zur Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten gemäß Absatz 2 erforderlich ist, können die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizei die Übermittlung personenbezogener Daten im Einzelfall verlangen. Das Ersuchen bedarf der Schriftform, ist zu begründen und zu dokumentieren. Eine Übermittlung unterbleibt, sofern übergeordnete Bedenken aus den Aufgaben des Verfassungsschutzes der Übermittlung entgegenstehen. Die Entscheidung trifft der Leiter der Verfassungsschutzabteilung oder sein Vertreter. Die Ablehnung ist zu dokumentieren und zu begründen. Nach Wegfall der Ablehnungsgründe ist die Auskunft auf Verlangen nachzuholen. (6) Die nach Absatz 2 bis 4 oder 5 übermittelten personenbezogenen Daten darf die empfangende Stelle nur zu dem Zweck verwenden, zu dessen Erfüllung sie ihr übermittelt wurden. Auf diese Einschränkung ist die empfangende Stelle hinzuweisen. 183 SS 20a Projektbezogene gemeinsame Dateien (1) Die Verfassungsschutzbehörde kann für die Dauer einer befristeten projektbezogenen Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz, den übrigen Landesbehörden für Verfassungsschutz, dem Militärischen Abschirmdienst, dem Bundesnachrichtendienst, dem Zollkriminalamt sowie den Polizeibehörden des Bundes und der Länder eine gemeinsame Datei errichten. Die projektbezogene Zusammenarbeit soll nach Maßgabe der Aufgaben und Befugnisse der in Satz 1 genannten Behörden den Austausch und die gemeinsame Auswertung von Erkenntnissen zu Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in SS 5 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 4 genannten Schutzgüter gerichtet sind, bewirken. Personenbezogene Daten zu Bestrebungen nach Satz 2 dürfen unter Einsatz der gemeinsamen Datei durch die an der projektbezogenen Zusammenarbeit beteiligten Behörden im Rahmen ihrer Befugnisse verwendet werden, soweit dies in diesem Zusammenhang zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Bei der weiteren Verwendung der personenbezogenen Daten finden für die beteiligten Behörden die jeweils für sie geltenden Vorschriften über die Verwendung von Daten Anwendung. (2) SS 22a Absatz 2 bis 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes findet entsprechende Anwendung. SS 21 Informationsübermittlung an ausländische Stellen Die Verfassungsschutzbehörde darf personenbezogene Daten im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz an ausländische öffentliche Stellen sowie an überund zwischenstaatliche Stellen übermitteln, soweit die Übermittlung in einem Gesetz, einem Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaften oder in einer internationalen Vereinbarung geregelt ist. Eine Übermittlung darf auch erfolgen, wenn sie 1. zum Schutz von Leib oder Leben erforderlich ist oder 2. zur Erfüllung eigener Aufgaben, insbesondere in Fällen grenzüberschreitender Tätigkeiten der Verfassungsschutzbehörde, unumgäng184 lich ist und im Empfängerland gleichwertige Datenschutzregelungen gelten. Die Übermittlung unterbleibt, wenn ihr auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person, insbesondere deren Schutz vor einer rechtsstaatswidrigen Verfolgung, entgegenstehen. SS 20 Abs. 5 gilt entsprechend; die empfangende Stelle ist darüber hinaus darauf hinzuweisen, dass sich die Verfassungsschutzbehörde vorbehält, Auskunft über die Verarbeitung der übermittelten Daten zu verlangen. SS 22 Informationsübermittlung an die Öffentlichkeit Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit, einschließlich der Medien, über Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörde ist die Übermittlung von personenbezogenen Daten nur zulässig, wenn es zu einer sachgemäßen Information erforderlich ist und schutzwürdige Interessen der betroffenen Person nicht entgegenstehen. Werden von der Verfassungsschutzbehörde personenbezogene Daten an die Öffentlichkeit gegeben, so ist im Einzelfall zu prüfen, ob vorab eine Benachrichtigung der betroffenen Person oder des Dritten geboten ist. SS 23 Dokumentation und Grundlage der Informationsübermittlung durch die Verfassungsschutzbehörde Die Übermittlung von personenbezogenen Daten ist zu dokumentieren. Vor der Datenübermittlung soll der Akteninhalt gewürdigt und der Datenübermittlung zugrunde gelegt werden. Erkennbar unvollständige Daten sind vor der Übermittlung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit durch Einholung zusätzlicher Auskünfte zu vervollständigen, anderenfalls ist auf die Unvollständigkeit hinzuweisen. SS 24 *) Informationsübermittlung durch öffentliche Stellen an die Verfassungsschutzbehörde (1) Die Verfassungsschutzbehörde kann von den Behörden des Landes und den der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur die Übermittlung von Daten verlangen, die 185 diesen Stellen im Rahmen ihrer Aufgaben vorliegen und die zur Erfüllung der Aufgaben des Verfassungsschutzes erforderlich sind. Voraussetzung hierfür ist, dass die betreffenden Daten nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit übermäßigem Aufwand oder nur durch eine die betroffene Person stärker belastende Maßnahme erhoben werden können. (2) Die Verfassungsschutzbehörde braucht Ersuchen nicht zu begründen, soweit dies dem Schutz der betroffenen Person dient oder eine Begründung den Zweck der Maßnahme gefährden würde. (3) Die in Absatz 1 genannten Stellen übermitteln von sich aus der Verfassungsschutzbehörde alle ihnen im Rahmen ihrer Aufgaben vorliegenden Daten über Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen verfolgt werden, und über geheimdienstliche Tätigkeiten. Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizei übermitteln darüber hinaus auch andere ihnen im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung bekannt gewordene Daten über Bestrebungen im Sinne des SS 5 Abs. 1. Die Übermittlung personenbezogener Daten, die aufgrund einer Maßnahme nach SS 100a der Strafprozessordnung bekannt geworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine der im aufgrund von Artikel 10 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes erlassenen Bundesgesetz als Voraussetzung für eine Beschränkungsmaßnahme genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. Die Übermittlung personenbezogener Daten, die aufgrund anderer strafprozessualer Zwangsmaßnahmen bekannt geworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für geheimdienstliche oder sicherheitsgefährdende Tätigkeiten oder gewalttätige Bestrebungen bestehen. Auf die nach Satz 3 übermittelten Daten und die dazugehörenden Unterlagen finden die im aufgrund von Artikel 10 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes erlassenen Bundesgesetz enthaltenen Bestimmungen über die Nutzung, Übermittlung und Vernichtung von Daten entsprechende Anwendung. Die nach Satz 4 übermittelten Daten dürfen nur zur Erforschung geheimdienstlicher oder sicherheitsgefährdender Tätigkeiten oder gewalttätiger Bestrebungen genutzt werden. (4) Vorschriften zur Datenübermittlung an die Verfassungsschutzbehörde nach anderen Gesetzen bleiben unberührt. (5) Die Verfassungsschutzbehörde hat die übermittelten Daten nach ihrem Eingang unverzüglich darauf zu überprüfen, ob sie für die Erfüllung 186 ihrer in SS 5 genannten Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, dass sie nicht erforderlich sind, sind die Unterlagen unverzüglich zu vernichten. Die Vernichtung unterbleibt, wenn die Unterlagen von anderen Daten, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand getrennt werden können; in diesem Fall sind die Daten gesperrt und entsprechend zu kennzeichnen. (6) Soweit andere gesetzliche Vorschriften nicht besondere Regelungen über die Dokumentation treffen, haben die Verfassungsschutzbehörde und die übermittelnde Stelle die Datenübermittlung zu dokumentieren. Fußnoten * SS 24 Überschrift neu gefasst durch Artikel 3 des Gesetzes vom 16. April 2004. SS 24a Informationsübermittlung durch nicht-öffentliche Stellen an die Verfassungsschutzbehörde (1) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall bei denjenigen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen oder Telemediendienste erbringen oder daran mitwirken, Auskunft über Daten einholen, die für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung, Änderung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses über Postdienstleistungen oder Telemediendienste (Bestandsdaten) gespeichert worden sind, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. (2) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall Auskunft einholen bei 1. Luftfahrtunternehmen zu Namen und Anschriften des Kunden sowie zur Inanspruchnahme und den Umständen von Transportleistungen, insbesondere zum Zeitpunkt von Abfertigung und Abflug und zum Buchungsweg, 2. Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen zu Konten, Konteninhabern und sonstigen Berechtigten sowie weiteren am Zahlungsverkehr Beteiligten und zu Geldbewegungen und Geldanlagen, insbesondere über Kontostand und Zahlungseinund -ausgänge, 187 3. denjenigen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen erbringen oder daran mitwirken, zu den Umständen des Postverkehrs, 4. denjenigen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringen oder daran mitwirken, zu Verkehrsdaten nach SS 96 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 sowie SS 113a des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3198) geändert worden ist, und sonstigen zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung der Telekommunikation notwendigen Verkehrsdaten und 5. denjenigen, die geschäftsmäßig Telemediendienste erbringen oder daran mitwirken, zu a) Merkmalen zur Identifikation des Nutzers eines Telemediums, b) Angaben über Beginn und Ende sowie über den Umfang der jeweiligen Nutzung und c) Angaben über die vom Nutzer in Anspruch genommenen Telemediendienste, soweit dies zur Aufklärung von Bestrebungen oder Tätigkeiten erforderlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwerwiegende Gefahren für die in SS 5 Abs. 1 genannten Schutzgüter vorliegen. Im Falle des SS 5 Abs. 1 Nr. 1 gilt dies nur für Bestrebungen, die bezwecken oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, 1. zu Hass oder Willkürmaßnahmen gegen Teile der Bevölkerung aufzustacheln oder deren Menschenwürde durch Beschimpfen, böswilliges Verächtlichmachen oder Verleumden anzugreifen und dadurch die Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt zu fördern und den öffentlichen Frieden zu stören oder 2. Gewalt anzuwenden oder vorzubereiten einschließlich dem Befürworten, Hervorrufen oder Unterstützen von Gewaltanwendung, auch durch Unterstützen von Vereinigungen, die Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten oder androhen. (3) Anordnungen nach Absatz 2 dürfen sich nur gegen Personen richten, bei denen 188 1. tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie die schwerwiegenden Gefahren nach Absatz 2 nachdrücklich fördern oder 2. aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist a) bei Auskünften nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 1, 2 und 5, dass sie die Leistung für eine Person nach Nummer 1 in Anspruch nehmen oder b) bei Auskünften nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 und 4, dass sie für eine Person nach Nummer 1 bestimmte oder von ihr herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 4, dass eine Person nach Nummer 1 ihren Anschluss benutzt. (4) Die Zuständigkeit für Anordnungen nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 ist in einer Dienstvorschrift zu regeln, die der Zustimmung des Innenministers bedarf. Anordnungen nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 bis 5 werden vom Leiter der Verfassungsschutzbehörde oder seinem Vertreter schriftlich beantragt und begründet. Im Falle der Auskunft nach Nummer 2 kann der Antrag auch von einem Bediensteten der Verfassungsschutzbehörde gestellt werden, der die Befähigung zum Richteramt hat. Zuständig für Anordnungen nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 bis 5 ist der Innenminister. Die Anordnung einer Auskunft über künftig anfallende Daten ist auf höchstens drei Monate zu befristen. Die Verlängerung dieser Anordnung um jeweils nicht mehr als drei Monate ist auf Antrag zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung fortbestehen. Anordnungen nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 hat die Verfassungsschutzbehörde dem Betroffenen mitzuteilen, sobald eine Gefährdung des Zweckes des Eingriffs ausgeschlossen werden kann. (5) Über Anordnungen nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5 unterrichtet der Innenminister monatlich die Kommission nach SS 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes vom 17. Juli 1992 (GVOBl. M-V S. 486), das zuletzt durch das Gesetz vom 30. Juli 2007 (GVOBl. M-V S. 278) geändert worden ist, vor deren Vollzug. Bei Gefahr im Verzug kann er den Vollzug der Entscheidung auch bereits vor der Unterrichtung der Kommission anordnen. Die Kommission prüft von Amts wegen oder aufgrund von Beschwerden die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Einholung von Auskünften. SS 15 Abs. 5 des Artikel 10-Gesetzes vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 18. Februar 189 2007 (BGBl. I S 106) geändert worden ist, ist mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass die Kontrollbefugnis der Kommission sich auf die gesamte Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5 erlangten personenbezogenen Daten erstreckt. Entscheidungen über Auskünfte, die die Kommission für unzulässig oder nicht notwendig erklärt, hat der Innenminister unverzüglich aufzuheben. Die Daten unterliegen in diesem Falle einem absoluten Verwendungsverbot und sind unverzüglich zu löschen. Für die Verarbeitung der nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5 erhobenen Daten ist SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. SS 12 Abs. 1 und 3 des Artikel 10-Gesetzes findet entsprechend Anwendung. (6) Der Innenminister unterrichtet im Abstand von höchstens sechs Monaten die Parlamentarische Kontrollkommission über Anordnungen nach Absatz 2; dabei ist insbesondere ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen zu geben. (7) Anordnungen sind dem Verpflichteten insoweit schriftlich mitzuteilen, als dies erforderlich ist, um ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung zu ermöglichen. Anordnungen und übermittelte Daten dürfen dem Betroffenen oder Dritten vom Verpflichteten nicht mitgeteilt werden. (8) Der Innenminister unterrichtet das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundes jährlich über Anordnungen nach Absatz 2 nach Maßgabe des SS 8b Absatz 3 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. (9) Das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird nach Maßgabe des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5 und der Absätze 3 bis 5 eingeschränkt. SS 24b Weitere Auskunftsverlangen (1) Soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde erforderlich ist, darf von demjenigen, der geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, im Einzelfall Auskunft über die nach den SSSS 95 und 111 des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Juni 2013 (BGBl. I S. 1602) geändert worden ist, erhobenen Daten verlangt werden (SS 113 Absatz 1 Satz 1 des Telekommunikationsgesetzes). 190 Bezieht sich das Auskunftsverlangen nach Satz 1 auf Daten, mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder auf Speichereinrichtungen, die in diesen Endgeräten oder hiervon räumlich getrennt eingesetzt werden, geschützt wird (SS 113 Absatz 1 Satz 2 des Telekommunikationsgesetzes), darf die Auskunft nur verlangt werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Nutzung der Daten vorliegen. (2) Die Auskunft nach Absatz 1 darf auch anhand einer zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesenen Internetprotokoll-Adresse verlangt werden (SS 113 Absatz 1 Satz 3 des Telekommunikationsgesetzes). (3) Von einer Beauskunftung nach Absatz 2 ist die betroffene Person zu benachrichtigen. Die Benachrichtigung erfolgt, soweit und sobald eine Gefährdung des Zwecks der Auskunft und der Eintritt übergreifender Nachteile für das Wohl des Bundes oder eines Landes ausgeschlossen werden können. Sie unterbleibt, wenn ihr überwiegende schutzwürdige Belange Dritter oder der betroffenen Person selbst entgegenstehen. Wird die Benachrichtigung nach Satz 2 zurückgestellt oder nach Satz 3 von ihr abgesehen, sind die Gründe aktenkundig zu machen. (4) Aufgrund eines Auskunftsverlangens nach Absatz 1 oder Absatz 2 hat derjenige, der geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, die zur Auskunftserteilung erforderlichen Daten unverzüglich, vollständig und richtig zu übermitteln. (5) Die Verfassungsschutzbehörde hat für ihr erteilte Auskünfte eine Entschädigung zu gewähren, deren Umfang sich nach SS 23 und Anlage 3 des Justizvergütungsund -entschädigungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 776), das zuletzt durch Artikel 13 des Gesetzes vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2418) geändert worden ist, bemisst. Die Vorschriften über die Verjährung in SS 2 Absatz 1 und Absatz 4 des Justizvergütungsund -entschädigungsgesetzes finden entsprechend Anwendung. (6) Das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird nach Maßgabe des Absatzes 2 eingeschränkt. SS 25 Übermittlungsverbote, Nachberichtspflicht (1) Die Übermittlung von Daten unterbleibt, wenn 191 1. die Daten zu löschen oder für die empfangende Stelle nicht bedeutsam sind, 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern, 3. erkennbar ist, dass unter Berücksichtigung der Art der Daten und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen, 4. es sich um personenbezogene Daten aus der engeren Persönlichkeitssphäre oder solche über Minderjährige unter 16 Jahren handelt, es sei denn, die empfangende Stelle der Daten benötigt diese zum Schutz vor Gewalt oder vor Vorbereitungshandlungen zur Gewalt oder vor geheimdienstlichen Tätigkeiten, 5. die Daten gesperrt sind und ihre Trennung nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand von anderen zu übermittelnden Daten möglich ist oder 6. besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen entgegenstehen; die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt. (2) Erweisen sich Daten nach ihrer Übermittlung als unrichtig, unvollständig, unzulässig gespeichert oder erhoben, so hat die übermittelnde Stelle den Empfänger unverzüglich darauf hinzuweisen, es sei denn, dass dies für die Beurteilung eines Sachverhaltes ohne Bedeutung ist. Unrichtige oder unvollständige Daten sind durch die übermittelnde Stelle gegenüber dem Empfänger zu berichtigen oder zu ergänzen, wenn durch die unrichtige oder unvollständige Übermittlung schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt sein können. Die Benachrichtigung sowie Ergänzung sind aktenkundig zu machen und in der entsprechenden Datei zu vermerken. SS 26 Auskunft an betroffene Personen (1) Die Verfassungsschutzbehörde erteilt betroffenen Personen auf schriftlichen Antrag unentgeltlich Auskunft über zu ihrer Person gespeicherte Daten. Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich nicht auf die Her192 kunft der Daten und die Empfänger von Übermittlungen. Über Daten aus Akten, die nicht zu der betroffenen Person geführt werden, wird Auskunft nur erteilt, soweit Daten, namentlich aufgrund von Angaben der betroffenen Person, mit angemessenem Aufwand auffindbar sind. Die Verfassungsschutzbehörde bestimmt Verfahren und Form der Auskunftserteilung nach pflichtgemäßem Ermessen. (2) Die Auskunftserteilung kann nur abgelehnt werden, soweit 1. die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde, 2. die Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder wegen der berechtigten Interessen von Dritten geheimgehalten werden müssen oder 3. durch die Auskunftserteilung Informationsquellen gefährdet würden oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise der Verfassungsschutzbehörde zu befürchten ist. Die Entscheidung trifft der Leiter der Verfassungsschutzabteilung oder ein besonders von ihm beauftragter Mitarbeiter, der die Befähigung zum Richteramt besitzen soll. (3) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind zu dokumentieren. (4) Wird die Auskunftserteilung abgelehnt, ist dem Antragsteller die Rechtsgrundlage dieser Ablehnung mitzuteilen. Die antragstellende Person ist auf ihr Recht hinzuweisen, sich an den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden zu können. Dem Landesbeauftragen für den Datenschutz ist auf sein Verlangen Auskunft zu erteilen. Stellt der Innenminister oder im Verhinderungsfall der Staatssekretär im Einzelfall fest, dass durch die Erteilung der Auskunft die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet würde, so darf die Auskunft nur dem Landesbeauftragten persönlich erteilt werden. Mitteilungen des Landesbeauftragten an die antragstellende Person dürfen keine Rückschlüsse auf den Kenntnisstand der Verfassungsschutzbehörde zulassen, sofern diese nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt. 193 Abschnitt 4 Kontrolle der Verfassungsschutzbehörde SS 27 Parlamentarische Kontrollkommission (1) In Angelegenheiten des Verfassungsschutzes des Landes unterliegt die Landesregierung unbeschadet der Rechte des Landtages der Kontrolle durch die Parlamentarische Kontrollkommission. Die Kontrolle der Durchführung des aufgrund von Artikel 10 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes erlassenen Bundesgesetzes bleibt den aufgrund von Artikel 10 Abs. 2 des Grundgesetzes von dem Landtag bestellten Organen und Hilfsorganen vorbehalten. (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission besteht aus fünf Mitgliedern, die zu Beginn jeder Wahlperiode vom Landtag aus seiner Mitte einzeln mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt werden. Zwei Mitglieder sollen der parlamentarischen Opposition angehören. Die Mitglieder dürfen nicht der Landesregierung angehören. (3) Die Parlamentarische Kontrollkommission gibt sich eine Geschäftsordnung. Sie übt ihre Tätigkeit auch über das Ende der Wahlperiode des Landtages solange aus, bis der nachfolgende Landtag die Mitglieder neu gewählt hat. Der Parlamentarischen Kontrollkommission ist die für die Erfüllung ihrer Aufgaben notwendige Personalund Sachausstattung zur Verfügung zu stellen. (4) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder aus der Fraktion, die ihn zur Wahl vorgeschlagen hat, aus, so verliert es seine Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Kontrollkommission. Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu wählen; das Gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus anderen Gründen aus der Parlamentarischen Kontrollkommission ausscheidet. (5) Die Parlamentarische Kontrollkommission tritt mindestens einmal im Vierteljahr zusammen. (6) Jedes Mitglied kann die Einberufung und die Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission verlangen. 194 SS 28 Geheimhaltung (1) Die Parlamentarische Kontrollkommission tagt in nichtöffentlicher Sitzung, über die jeweils ein Protokoll anzufertigen ist. Die Mitglieder sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen bei ihrer Tätigkeit in der Parlamentarischen Kontrollkommission bekannt geworden sind. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus der Parlamentarischen Kontrollkommission. (2) Auf Antrag eines Mitgliedes beschließt die Parlamentarische Kontrollkommission über die Herstellung der Öffentlichkeit oder die Aufhebung der Vertraulichkeit nach Absatz 1, soweit öffentliche Geheimschutzinteressen, insbesondere die Aufrechterhaltung des Nachrichtenzuganges, oder berechtigte Interessen eines Einzelnen dem nicht entgegenstehen. Der Beschluss bedarf der Mehrheit der gesetzlichen Mitglieder der Kommission. Der Innenminister, im Falle seiner Verhinderung der Staatssekretär, kann einem Beschluss nach Satz 1 widersprechen, wenn die Voraussetzungen der Aufhebung der Vertraulichkeit gemäß Satz 1 nicht vorliegen. Der Innenminister, im Falle seiner Verhinderung der Staatssekretär, hat die Gründe hierfür darzulegen. Die Aufhebung der Vertraulichkeit von Beratungsgegenständen, die in die Verantwortlichkeit des Bundes oder eines Landes fallen, ist nur mit deren Zustimmung möglich. (3) Sitzungsunterlagen und Protokolle verbleiben im Gewahrsam der Verfassungsschutzbehörde und können nur dort von den Mitgliedern der Kommission oder dem Innenminister, im Falle seiner Verhinderung dem Staatssekretär, eingesehen werden, es sei denn, der ordnungsgemäße Umgang mit diesen Unterlagen gemäß der Verschlusssachenanweisung für das Land Mecklenburg-Vorpommern ist nach Überzeugung der Parlamentarischen Kontrollkommission auf andere Weise gewährleistet. SS 29 Kontrollrechte der Parlamentarischen Kontrollkommission (1) Das Innenministerium hat die Parlamentarische Kontrollkommission umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde, das Lagebild und über die Vorgänge von besonderer Bedeutung, insbesondere Einzelfälle, in denen eine Datenübermittlung gemäß SS 20 Abs. 4 Satz 3 unterblieben ist, sowie auf Verlangen der Kommission über sonstige Einzelfälle zu unterrichten. Ferner unterrichtet es über den Erlass und 195 die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften sowie über den Verfassungsschutz betreffende Eingaben einzelner Bürger (Petenten), sofern der Petent der Unterrichtung nicht widersprochen hat. (2) Die Parlamentarische Kontrollkommission kann von dem Innenministerium alle für ihre Kontrollaufgaben erforderlichen Auskünfte, Unterlagen, Aktenund Dateneinsicht, Stellungnahmen und den Zutritt zur Verfassungsschutzbehörde verlangen sowie bei besonderem Aufklärungsbedarf Bedienstete und Auskunftspersonen zum Sachverhalt befragen, sofern dem nicht überwiegende öffentliche (zum Beispiel Aufrechterhaltung des Nachrichtenzugangs) oder private Belange entgegenstehen; das Innenministerium hat dies vor der Parlamentarischen Kontrollkommission zu begründen. Die Parlamentarische Kontrollkommission kann ferner den Landesbeauftragten für den Datenschutzbeauftragen, die Rechtmäßigkeit einzelner Maßnahmen, welche die Verfassungsschutzbehörde durchgeführt hat, zu überprüfen und der Kommission das Ergebnis der Überprüfung mitzuteilen. Die Befugnisse des Landesbeauftragten für den Datenschutz richten sich nach dem Landesdatenschutzgesetz von Mecklenburg-Vorpommern. Wird der Landesbeauftragte für den Datenschutz nach SS 26 Abs. 4 tätig, so kann er von sich aus die Parlamentarische Kontrollkommission unterrichten, wenn sich Beanstandungen ergeben, eine Mitteilung an die betroffene Person aber aus Geheimhaltungsgründen unterbleiben muss. (3) Die Parlamentarische Kontrollkommission kann mit der Mehrheit ihrer gesetzlichen Mitglieder nach Anhörung des Innenministeriums im Einzelfall einen Sachverständigen beauftragen, zur Wahrnehmung ihrer Kontrollaufgaben Untersuchungen durchzuführen. Der Sachverständige hat der Parlamentarischen Kontrollkommission über das Ergebnis seiner Untersuchungen zu berichten; SS 28 Abs. 1 und 2 gelten entsprechend. (4) Die Angaben über Ausgaben aus dem der Abteilung zugewiesenen Titel werden der Parlamentarischen Kontrollkommission im Ansatz vor Beratung des Haushaltsplanes zur Stellungnahme überwiesen. Das Innenministerium unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission über den Vollzug des Haushaltsplanes, soweit es die der Verfassungsschutzbehörde zugewiesenen Titel betrifft. 196 Abschnitt 5 Schlussvorschriften SS 30 Geltung des Landesdatenschutzgesetzes Bei der Erfüllung der Aufgaben nach SS 5 durch die Verfassungsschutzbehörde finden SS 3 Abs. 2 und 3, SSSS 9, 10 Abs. 1 bis 4, SSSS 11, 13 Abs. 1 bis 4,6 und 7, SSSS 14, 15, 16, 18, 24 und 25 des Landesdatenschutzgesetzes keine Anwendung. SS 31 (aufgehoben) SS 32 In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten (1) Dieses Gesetz tritt mit Ausnahme des SS 30 am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt das Landesverfassungsschutzgesetz vom 18. März 1992 (GVOBl. M-V S. 194) außer Kraft. (2) SS 30 tritt an dem Tag in Kraft, an dem das Landesdatenschutzgesetz in Kraft tritt. Der Tag des In-Kraft-Tretens ist vom Innenministerium im Gesetzund Verordnungsblatt für Mecklenburg-Vorpommern bekannt zu geben. Das vorstehende Gesetz wird hiermit verkündet. Schwerin, den 11. Juli 2001 Der Ministerpräsident Der Innenminister Dr. Harald Ringstorff Dr. Gottfried Timm 197 198