Verfassungsschutzbericht 2011 Verfassungsschutzbericht 2011 Impressum Herausgeber: Ministerium für Inneres und Sport Mecklenburg-Vorpommern Redaktion: Abteilung Verfassungsschutz Postfach 11 05 52 19005 Schwerin 1. Auflage: 2.000 Layout und Gestaltung: Landesamt für Innere Verwaltung Mecklenburg-Vorpommern Titelbild: "Die wehrhafte Demokratie" Manfred Diekmann, 2009 Druck: Produktionsbüro TINUS Großer Moor 34 19055 Schwerin Vorwort Liebe Bürgerinnen, liebe Bürger, das Jahr 2011 war für die Verfassungsschutzbehörden kein gewöhnliches Jahr. Im Sommer die Anschläge von Oslo und Utoya, die auf bedrohliche Weise klar machten, wie angreifbar demokratische Systeme selbst durch die Taten von fanatischen Einzeltätern sind. Dann im November 2011 die erschreckende Erkenntnis über die mutmaßliche Verbrechensserie des "Nationalsozialistischer Untergrunds" (NSU). Die Frage, wie es möglich war, diese Straftaten in unserem Land zu begehen, ohne in den Focus der Polizeioder der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder zu geraten, beschäftigt die Öffentlichkeit zurecht und hat die Arbeitsweise und Zusammenarbeit der betroffenen Behörden ganz grundsätzlich auf den Prüfstand gestellt. Dies darf jedoch nicht den Blick auf die alltäglichen Herausforderungen durch den politischen Extremismus im Lande verstellen. Daher ist es mir gerade in diesem Jahr wichtig - wenn auch etwas später als sonst üblich - mit dem Verfassungsschutzbericht über die extremistischen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen in Mecklenburg-Vorpommern zu informieren und damit den Blick für solche Entwicklungen zu schärfen. Der Bericht gewährt aber auch Einblick in die Arbeit der Verfassungsschutzbehörde des Landes. Ihre Aufgabe ist die Aufklärung und Informationssammlung in allen Extremismusbereichen. Durch verantwortungsvolles Zusammenwirken sollen die anderen Sicherheitsbehörden, aber auch politische Verantwortungsträger, in die Lage versetzt werden, die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu treffen. Für die Erfüllung dieser Aufgaben gebührt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verfassungsschutzes meine ausdrückliche Anerkennung, gerade weil sie seit Ende letzten Jahres unberechtigten Anfeindungen ausgesetzt waren. Die Beobachtung des Rechtsextremismus ist ein Schwerpunkt der Arbeit des Verfassungsschutzes. Dabei muss es das gemeinsame Ziel aller Sicherheitsbehörden sein, weiterhin aktiv und konsequent allen rechtsextremistischen Umtrieben zu begegnen. Der erneute Einzug der NPD in den Landtag macht deutlich, dass rechtsextremistisches Gedankengut in Teilen der Bevölkerung weiterhin Anklang findet. Insoweit muss die Zurückdrängung des Rechtsextremismus weiterhin als gesamtge- sellschaftliche Aufgabe wahrgenommen werden. Unverzichtbar ist dabei der Erhalt und der Ausbau von Beratungsangeboten vor Ort. Um dies zu erreichen, ist ein Zusammenwirken aller öffentlichen und zivilgesellschaftlichen Kräfte erforderlich. Trotz aller skeptischen Stimmen setze ich mich weiterhin für ein neuerliches NPDVerbotsverfahren ein. Ich bin sicher, dass ein Verbot den Rechtsextremismus als Ganzes nachhaltig schwächen würde. Trotz der dominierenden öffentlichen Debatte um den Extremismus von Rechts zeigen die Entwicklungen im Linksextremismus, dass auch diesem eine hohe Aufmerksamkeit zukommen muss. Massive Gewaltakte wie Brandanschläge mit hohen Sachschäden und vorgeblich "antifaschistischer" Motivation zeigen, dass hier Szenen mit wachsender krimineller Energie agieren und den für eine Demokratie unverzichtbaren friedlichen Diskurs offensichtlich ablehnen oder unfähig sind, einen solchen zu führen. Die Bedrohung durch den internationalen Islamismus und Terrorismus stellt auch ein Jahrzehnt nach den Anschlägen des 11. September 2001 eine vorrangige Herausforderung für die deutschen Sicherheitsbehörden dar. In Deutschland gelangte im März 2011 erstmals ein islamistisch motivierter Terroranschlag auf zwei USSoldaten auf dem Frankfurter Flughafen zur Ausführung. Auch wenn sich Bezüge zum Islamismus in Mecklenburg-Vorpommern vornehmlich nur durch Einzelpersonen und weniger durch organisierte Strukturen herstellen lassen, wirkt das Land an den bundesweiten Bemühungen zur Erhöhung der Sicherheit mit. Liebe Bürgerinnen und Bürger, freiheitliche und demokratische Strukturen sind keine Selbstverständlichkeit. Ich danke allen, die sich dies immer wieder bewusst machen, sich für eine gelebte Demokratie, unser Gemeinwesen, eintreten und die Sicherheitsbehörden in ihrer Arbeit unterstützen. Auch dem vorliegenden Verfassungsschutzbericht wünsche ich, dass er in der erforderlichen Auseinandersetzung mit dem politischen Extremismus und Terrorismus die notwendige Orientierung geben kann. Lorenz Caffier Minister für Inneres und Sport Inhaltsverzeichnis Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern ................ 7 Rechtsextremismus - Lageüberblick ........................................................................................ 12 - Personenpotenzial ............................................................................... 15 - Straftatenaufkommen ........................................................................ 16 - Subkultureller Rechtsextremismus ................................................ 16 - Rechtsextremistische Musikveranstaltungen 2011 ................. 17 - Szeneläden/Versandhandel ............................................................. 19 - Trefforte der rechtsextremistischen Szene ................................. 20 - Neonazismus .......................................................................................... 22 - Neonazistische Gruppierungen ...................................................... 25 - Neonazistische Strategien und Kampagnen .............................. 33 - Aktivitäten unter maßgeblicher Beteiligung der neonazistischen und subkulturellen rechtsextremistischen Szene ......................................................................................................... 40 - Rechtsextremistische Parteien ........................................................ 48 - Beteiligung an den Landtagsund Kommunalwahlen .......... 51 - Wahlergebnisse ..................................................................................... 56 - Nutzung des Internets durch Rechtsextremisten ..................... 64 Linksextremismus - Lageüberblick ........................................................................................ 70 - Personenpotenzial ............................................................................... 72 - Linksextremistisch motivierte Straftaten ..................................... 72 - Undogmatischer Linksextremismus .............................................. 73 - Gewaltbereiter "Antifaschismus" .................................................... 73 - Kampagne gegen den Landtagswahlkampf der NPD ............ 75 - Linksextremistische Beteiligungen an Protesten gegen Rechtsextreme ....................................................................................... 76 - Autonome Gruppen ............................................................................ 83 - Dogmatischer Linksextremismus ................................................... 98 Islamismus - Weltweite Lageentwicklung ............................................................. 99 - Die islamistische Strömung des Salafismus ................................105 - Politischer Salafismus in Mecklenburg-Vorpommern .............107 Ausländerextremismus - Personenpotenzial ...............................................................................114 - Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)/Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL) .................................................................115 - YEK-KOM e.V. ..........................................................................................117 Spionageabwehr - Gesetzlicher Auftrag ............................................................................118 - Aktuelle Entwicklungen und Tendenzen .....................................118 - Empfehlungen für den Umgang mit sozialen Netzwerken .............................................................................................120 Öffentlichkeitsarbeit ............................................................................123 Abkürzungsverzeichnis ......................................................................127 Glossar .........................................................................................................130 Statistische Daten ..................................................................................143 Anlagen .......................................................................................................145 Bildnachweis .............................................................................................155 Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern Struktur Die Verfassungsschutzbehörde Mecklenburg-Vorpommern ist seit 1991 eine Abteilung des Innenministeriums des Landes (Abteilung 5). Sie bildet mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in Köln und den übrigen 15 Landesverfassungsschutzbehörden den Verfassungsschutzverbund von Bund und Ländern. Rechtsgrundlagen Für die Arbeit des Verfassungsschutzes sind neben dem Grundgesetz und der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern insbesondere das Landesverfassungsschutzgesetz , das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (G-10) und das Sicherheitsüberprüfungsgesetz maßgebend. Aufgaben Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder. Zu diesem Zweck sammelt er Informationen und wertet diese aus. Er informiert die Öffentlichkeit und die zuständigen Stellen, um diesen zu ermöglichen, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren zu treffen. Wesentliche Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder ist die Sammlung und Auswertung von Informationen über: * Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben; 7 * sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht; * Bestrebungen, die durch Anwendungen von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden und * Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind. Darüber hinaus wirkt der Verfassungsschutz beim Geheimund Sabotageschutz mit. Er ist ferner beteiligt an Überprüfungen nach dem Luftsicherheitsund dem Atomgesetz sowie bei ausländerund einbürgerungsrechtlichen Entscheidungen. Von der Tätigkeit des Verfassungsschutzes als Inlandsnachrichtendienst zu unterscheiden ist die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes (BND). Dieser beschafft außenund sicherheitspolitisch relevante Informationen über das Ausland. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) nimmt Verfassungsschutzaufgaben im Bereich der Bundeswehr wahr. Freiheitliche demokratische Grundordnung Die freiheitliche demokratische Grundordnung umfasst den unabänderlichen Kernbestand unserer verfassungsmäßigen Ordnung. Das Bundesverfassungsgericht hat insbesondere folgende Merkmale zu den obersten Wertprinzipien unserer Demokratie bestimmt (vgl. SS 6 LVerfSchG M-V): * Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten * Volkssouveränität * Verantwortlichkeit der Regierung * Gesetzmäßigkeit der Verwaltung * Gewaltenteilung * Unabhängigkeit der Gerichte * Mehrparteienprinzip und Chancengleichheit für alle politi- 8 schen Parteien mit dem Recht auf Opposition. * Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft Verhältnis von Verfassungsschutz und Polizei Verfassungsschutz und Polizeibehörden sind organisatorisch voneinander getrennt (vgl. SS 2 LVerfSchG M-V). Die Ausübung polizeilicher oder strafprozessualer Eingriffsbefugnisse, z. B. die Durchsuchung von Personen oder Sachen, die Beschlagnahme oder Festnahme von Personen, steht dem Verfassungsschutz nicht zu. Halten Mitarbeiter des Verfassungsschutzes ein polizeiliches Eingreifen für geboten, unterrichten sie die Polizei. Diese entscheidet, ob und ggf. wie sie in eigener Zuständigkeit tätig wird. Der Verfassungsschutz unterliegt - im Gegensatz zu Polizei und Staatsanwaltschaft - nicht dem Legalitätsprinzip, so dass er nicht in jedem Fall Strafverfolgungsmaßnahmen einleiten muss, wenn er Kenntnis von einer Straftat erlangt. Die Kompetenzverteilung lässt sich überblicksartig wie folgt darstellen: Verfassungsschutz Polizei * Opportunitätsprinzip * Legalitätsprinzip (grundsätzlich) * Vorfeldaufklärung * Gefahrenabwehr und Strafverfolgung * nachrichtendienstliche * Eingriffsbefugnisse Mittel, keine polizeilichen Eingriffsbefugnisse * keine Zwangsmittel * Einsatz von Zwangsmitteln Dieses organisatorische Trennungsgebot bedeutet jedoch nicht, dass Strafverfolgungsbehörden und Verfassungsschutz nicht zusammenwirken dürfen. Im Sinne eines notwendigen ganzheitlichen Aufklärungsund Bekämpfungsansatzes extremistischer Bedrohungen ist eine informationelle Zusammenarbeit insbesondere von Polizei und Verfassungsschutz im Rahmen der gesetzlichen Grundlagen unverzichtbar. 9 Die notwendige Zusammenarbeit wird über die tägliche Arbeit hinaus zunehmend auch durch gemeinsame Zentren gewährleistet. Das gemeinsame Abwehrzentrum Rechtsextremismus/ Rechtsterrorismus (GAR) wurde am 16. Dezember 2011 durch den Bundesminister des Innern eröffnet. Informationsbeschaffung Rund 80 % seiner Erkenntnisse gewinnt der Verfassungsschutz aus offen zugänglichen Quellen (Auswertung von Publikationen, z. B. Zeitungen und Parteiprogrammen sowie elektronischen Medien, freiwillige Auskünfte, Besuch von Veranstaltungen usw.). Die Sammlung offenen Materials ergibt allerdings nicht immer ein vollständiges Bild. Um auch verdeckte oder geheim gehaltene Aktivitäten mit besonderen Gefährdungen beobachten zu können, ist dem Verfassungsschutz - unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - auch die Anwendung so genannter nachrichtendienstlicher Mittel zur Informationsgewinnung erlaubt. Zu den "klassischen" Methoden der verdeckten (geheimen) Nachrichtenbeschaffung zählen z. B. die Observation, der Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen sowie Bildund Tonaufzeichnungen. Kontrolle des Verfassungsschutzes Für die Arbeit des Verfassungsschutzes gelten strenge rechtsstaatliche Maßstäbe. Eingriffe in die Privatund Freiheitsrechte des Bürgers sind dem Verfassungsschutz nur auf gesetzlicher Grundlage gestattet. Der Verfassungsschutz unterliegt - neben der eigenen, innerbehördlichen Kontrolle - der umfassenden Kontrolle unterschiedlicher Kontrollinstanzen: * der allgemeinen parlamentarischen Kontrolle durch die Abgeordneten des Landtages Mecklenburg-Vorpommern aufgrund von Berichtspflichten des Ministers für Inneres und Sport im Rahmen von Aktuellen Stunden, Kleinen und Großen Anfragen oder Petitionen; 10 * einer besonderen parlamentarische Kontrolle durch die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) des Landtages und ggf. durch einen Untersuchungsausschuss; * Postkontrollen und Telefonüberwachungen müssen durch die G-10-Kommission des Landtages genehmigt werden; * des Landesbeauftragten für den Datenschutz und Informationsfreiheit (LfDI) in Bezug auf die Einhaltung von Datenschutzvorschriften und sein Recht zur Akteneinsicht; * des Landesrechnungshofs Mecklenburg-Vorpommern (LRH M-V) in Bezug auf das Haushaltsrecht; * der justiziellen Überprüfung seines Handelns, soweit es dafür einen Anlass gibt; * der ständigen und intensiven Überwachung durch die Öffentlichkeit und Medien, die die Aufgaben und Arbeit des Verfassungsschutzes kritsch würdigen. Parlamentarische Kontrolle Kontrolle durch die PKK Justiz G-10-Kommission LVerfSch M-V Innerbehördliche Kontrolle Kontrolle durch die Sonstige externe Öffentlichkeit Kontrolle Bürger LfDI M-V Medien LRH M-V 11 Rechtsextremismus Lageüberblick Auch 2011 war im rechtsextremistischen Spektrum Mecklenburg-Vorpommerns kein personeller Zuwachs zu beobachten. Weiterhin können dieser Szene etwa 1.400 Personen zugerechnet werden. Die Verschiebungen innerhalb des Lagers haben sich - einem Bundestrend folgend - jedoch fortgesetzt. So ging die Zahl der Angehörigen rechtsextremistischer Subkulturen auf ca. 550 zurück. Die Zahl der Neonazis stieg demgegenüber auf ca. 400. Ähnlich wie 2010 dürfte die Ursache u. a. eine zunehmende Ideologisierung der Subkulturen sein. NPD 400 Neonazis 400 rechtsextreme Subkulturen 550 Insoweit deutet die zahlenmäßige Stagnation nicht auf eine Beruhigung der Lage hin. Die Tatsache, dass sich weitere Teile der rechtsextremistischen Szene im Lande im Sinne des nationalsozialistischen Gedankenguts politisieren lassen, ist eher ein Warnzeichen. Das Ausrichten an dieser Ideologie beinhaltet nicht nur eine Verfestigung des geistigen Nährbodens, sondern auch den "Willen zur Tat", der sich in zahlreichen öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten, aber eben auch in Straftaten, niederschlägt. Insoweit zeigte sich die rechtsextremistische Szene 2011 erneut motiviert und aktionsfähig. Fraglich ist, warum die in diesen Szenen agierenden meist jungen Menschen dem Nationalsozia12 lismus trotz der historischen Hypothek eines rassistisch motivierten Vernichtungskrieges und des Holocausts eine solche "Vorbildfunktion" beimessen. Hier gibt es bislang keine wirklich befriedigende Antwort. Die Lageentwicklung war im Berichtszeitraum maßgeblich durch den Landtagsund Kommunalwahlkampf geprägt. Erklärtes Ziel der Szene war der Wiedereinzug der NPD in den Schweriner Landtag und der Erhalt der kommunalpolitischen Einflussmöglichkeiten. Beide Ziele wurden in einer gemeinsamen Anstrengung aller rechtsextremistischen Lager erreicht. Hier liegt auch eine Ursache für die mittlerweile verfestigte Präsenz des rechtsextremistischen Spektrums in der politischen Landschaft Mecklenburg-Vorpommerns. Das im bundesweiten Vergleich bemerkenswert enge Zusammengehen zwischen Neonazistrukturen und der NPD eröffnet der Partei mit ihren weiterhin nur etwa 400 Mitgliedern eine deutlich über ihre eigene Stärke hinausgehende Präsenz in der Fläche. Auf der anderen Seite profitieren die "freien Kräfte" vom Parteiapparat der NPD, der sie logistisch und propagandistisch unterstützt. Dabei nutzt die Neonaziszene bewusst den rechtlichen "Schutzraum" aus, den eine nicht verbotene Partei bietet. 2011 war im Vergleich zu den Vorjahren ein Anstieg der Gewalttaten mit rechtsextremistischer Motivation zu verzeichnen. Dies dürfte nicht zuletzt auf das Wahlkampfgeschehen zurückzuführen sein. Aber auch außerhalb des Gewalttatengeschehens zeigte sich erneut ein erhebliches Aggressionspotenzial. Dies äußerte sich im Bereich der Internetpropaganda oder den fortgesetzten Sachbeschädigungen an Büros der Parteien, die von der rechtsextremistischen Szene als politischer Gegner wahrgenommen werden. Sorge bereiten weiterhin Droh-, Verleumdungsund "Outing-Aktionen" gegen Menschen, die sich besonders im Kampf gegen den Rechtsextremismus engagieren. Insgesamt verfolgt die rechtsextremistische Szene ihre Strategie der Verunsicherung des politischen Gegners hartnäckig. Hinweise auf eine gezielte Gewaltanwendung gegen den politi13 schen Gegner im Sinne einer terroristischen Bestrebung sind 1 hierzulande 2011 in diesem Zusammenhang nicht angefallen. Der dem nationalsozialistischen Weltbild innewohnende rassistische Vernichtungswille birgt jedoch die Gefahr der Begehung schwerster Straftaten zur Erreichung politischer Ziele in sich. Die Verfassungsschutzbehörden haben daher in der Vergangenheit die Möglichkeit eines terroristischen Szenarios nie ausgeschlossen. Konkrete Erkenntnisse zur Vorbereitung terroristischer Mordtaten sind in den vergangenen Jahren jedoch nicht angefallen. Vor diesem Hintergrund wurde die Lage bewertet und entsprechende Strukturen für wenig wahrscheinlich gehalten. Die Anfang November 2011 bekannt gewordene, mutmaßlich vom "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) verübte Mordserie an Menschen mit Migrationshintergrund und einer Polizistin haben diese Einschätzung nachhaltig widerlegt. Auch in Mecklenburg-Vorpommern ist ein Todesopfer zu beklagen. Im Februar 2004 wurde in der Hansestadt Rostock ein aus der Türkei stammender Mitarbeiter eines Imbissstandes ermordet. Fahndungsplakat des Bundeskriminalamtes vom Dezember 2011 Dass die Bildung einer derartigen Gruppierung den Sicherheitsbehörden trotz zahlreicher schwerster Straftaten und intensiver Beobachtung der rechtsextremistischen Szene verborgen geblieben ist, wirft zahlreiche Fragen auf, deren Beantwortung zu Recht 1 Terrorismus ist nach der Definition der Verfassungsschutzbehörden der nachhaltig geführte Kampf für politische Ziele, die mit Hilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum anderer Menschen durchgesetzt werden sollen; insbesondere auch durch schwere Straftaten, wie sie in SS 129a Abs. 1 StGB genannt sind oder durch andere Straftaten, die zur Vorbereitung solcher Straftaten dienen. 14 eingefordert wird. Für eine endgültige Bewertung des Geschehens ist es jedoch noch zu früh. Hier müssen die Ermittlungen des Generalbundesanwaltes und der sonstigen Gremien abgewartet werden. Unabhängig davon findet in den zuständigen Behörden eine intensive Aufarbeitung der Geschehnissee statt. Als Konsequenz wurden sehr schnell sowohl gesetzgeberische als auch organisatorische Maßnahmen getroffen, um die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus zu stärken. Ob es Kontakte des "NSU" zur hiesigen rechtsextremistischen Szene gegeben hat, wird im Zuge des durch den Generalbundesanwalt geführten Ermittlungsverfahrens intensiv geprüft. Die im März 2012 durch die Medien bekannt gemachte Nennung der Abkürzung "NSU" in der zeitweilig vom jetzigen NPD-Landtagsabgeordneten David PETEREIT verantworteten Neonazipostille "Der Weisse Wolf" Anfang 2002 bedarf in diesem Zusammenhang sicherlich besonderer Aufmerksamkeit. Die Aufdeckung des "NSU" führte zu einer intensiven Diskussion innerhalb der rechtsextremistischen Szene. Dabei spannte sich der Bogen von einer grundsätzlichen Ablehnung von Gewalt, die offenbar auch taktisch motiviert war, über eine zynische Sympathie für die Täter bis hin zu Verschwörungstheorien, die eine Beteiligung des Staates an der Mordserie behaupten. Breiten Raum nahm die Diskussion im Internet ein, das damit noch einmal seine wachsende Bedeutung für die Kommunikation innerhalb des rechtsextremistischen Lagers aufzeigte. Personenpotenzial M-V M-V Bund Bund Personenpotenzial 2010/2011 2010 2011 2010 2011 Rechtsextremistische Subkulturen 600 550 8.300 7.600 Neonationalsozialisten (Neonazis) 300 400 5.600 6.000 Nationaldemokratische Partei 400 400 6.600 6.300 Deutschlands (NPD) Deutsche Volksunion (DVU) 60 25 3.000 1.000 Gesamt 2 1.360 1.375 25.600 22.400 2 incl. sonstiger Rechtextremisten, die hier nicht gesondert aufgeführt sind und ohne Mehrfachmitgliedschaften 15 Straftatenaufkommen Im Jahre 2011 registrierte das Landeskriminalamt MecklenburgVorpommern (LKA M-V) im Bereich der politisch motivierten Kriminalität im Phänomenbereich "rechts" 843 Straftaten (Vorjahr: 805). Davon wurden insgesamt 750 (Vorjahr: 757) als rechtsextremistisch klassifiziert, u. a. weil sie z. T. antisemitisch oder fremdenfeindlich motiviert waren. Den Schwerpunkt der Straftaten bildeten mit 565 Vorfällen (Vorjahr: 534) erneut die Propagandadelikte. Weiterhin wurden 37 (Vorjahr: 29) Gewalttaten mit rechtsextremistischer Motivation registriert, darunter sechs (Vorjahr: vier) mit einer fremdenfeindlichen Ausrichtung. Die weiteren Gewalttaten richteten sich wiederum vorrangig gegen den politischen Gegner oder Polizeibeamte. Subkultureller Rechtsextremismus Der subkulturelle Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern zeigte sich weiterhin überwiegend unstrukturiert und landesweit verbreitet. Typisch für diese Szene bleibt die örtliche Verankerung. Überregionale Kontakte finden - wenn überhaupt - vorrangig im Rahmen des rechtsextremistischen Konzertgeschehens statt. Viele Angehörige der rechtsextremistischen Subkulturen sind grundsätzlich gewaltbereit und fallen durch die Begehung von einschlägigen Straftaten auf. So ist dieses Spektrum für einen Großteil der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten verantwortlich, die meist spontan und häufig unter Alkoholeinfluss begangen werden. Nicht nur im Zuge des Gewaltgeschehens verüben subkulturelle Rechtsextremisten so genannte Propagandadelikte, die einen Rückschluss auf ihre Tatmotivation zulas16 sen. Zu benennen sind hierbei "Sieg Heil-Rufe", der "Hitlergruß" oder das Schmieren von NS-Symbolen. Häufig finden sich auch verfassungsfeindliche Parolen und Symbole auf Bekleidungsstücken oder als Bestandteil von offen sichtbaren Tätowierungen. Bedenklich ist, dass sich die sowohl bundesweit als auch hierzulande festzustellende zunehmende Ideologisierung fortsetzt, was zu einer Zuordnung vom Subkulturangehörigen zu den Neonazis führte. Hierbei darf jedoch nicht übersehen werden, dass die subkulturellen Rechtsextremisten trotz ihrer häufig eher rudimentären ideologischen Ausrichtung auch bisher schon für die Neonaziszene oder die NPD etwa für Demonstrationen mobilisierbar waren. Die zu beobachtenden Veränderungen dieser Szene dürften die Verfügbarkeit für politische Aktivitäten im Land noch steigern. Einen Schwerpunkt im subkulturellen Rechtsextremismus bildet jedoch nach wie vor das Konzertgeschehen. Rechtsextremistische Musikveranstaltungen 2011 Im Jahr 2011 fanden in Mecklenburg-Vorpommern 22 Musikveranstaltungen (2010: 19) 3 mit rechtsextremistischem Hintergrund statt: Darunter waren 16 Konzertveranstaltungen mit Live-Auftritten von rechtsextremistischen Bands sowie sechs Liederabende (2010: drei) bzw. Musikdarbietungen im Rahmen von politischen Veranstaltungen, etwa der NPD. Der Trend zu kleineren Konzerten hat sich 2011 nicht fortgesetzt. So wurden allein fünf Veranstaltungen mit deutlich mehr als 300 Teilnehmern registriert. An der größten Veranstaltung nahmen ca. 400 Personen teil. Die durchschnittliche Besucherzahl lag zwischen 100 und 200. Um Gegenmaßnahmen des Staates zu erschweren, wurden die Veranstaltungen auch 2011 konspirativ vorbereitet. Bei den Kon- 3 Das LKA M-V weist in seiner Statistik zusätzlich vier Szenepartys ohne Livemusik aus und zählt daher 26 Musikveranstaltungen. 17 zerten werden zudem meist Räumlichkeiten genutzt, die von Rechtsextremisten erworben wurden. Hierzu gehören das "ThingHaus" in Grevesmühlen, das "Nationale Wohnprojekt" in Salchow (Landkreis Vorpommern-Greifswald) und eine ehemalige Großbäckerei ("A-Back") in Anklam. Auffällig ist, dass die Eigentümer z. T. der "Hammerskinszene" zuzurechnen sind, deren Bedeutung zumindest im rechtsextremistischen Konzertgeschehen nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern zuzunehmen scheint 4. Damit ist die in der Vergangenheit angewandte Tarnstrategie gegenüber Gaststättenbetreibern, bei der der Vermieter über den wahren Charakter der Veranstaltung getäuscht und z. B. von "Geburtstagsoder Hochzeitsfeiern" gesprochen wurde, weitgehend überflüssig geworden. In Mecklenburg-Vorpommern sind gegenwärtig ca. 15 rechtsextremistische Bands aktiv, die z. T. bei Bedarf ihre Bandmitglieder untereinander austauschen. Des Weiteren existieren noch verschiedene Bandprojekte und örtliche Musikgruppen, die sporadisch auftreten. 4 Zum Thema "Hammerskins" siehe auch den Beitrag im Glossar. 18 Zu den bekanntesten Gruppen in Mecklenburg-Vorpommern gehörten auch 2011 "Skalinger" (Raum Wolgast) , "Path of Resistance" (Raum Rostock), "Painful Awakening" (Raum Güstrow) und "Thrima" (Raum Nordvorpommern). Welche politische Botschaft diese Bands verbreiten, zeigt beispielhaft die neueste CD der Band "Thrima", auf der Texte des nationalsozialistischen Dichters Kurt EGGERS vertont sind. Szeneläden/ Versandhandel Im rechtsextremistischen Vertriebswesen zeichnete sich 2011 eine Trendwende ab. Die Zahl der im Lande bekannten Szeneläden und Internetvertriebsdienste ist 2011 deutlich zurückgegangen. Die Vertriebstätigkeiten wurden offenbar insgesamt verstärkt in das Internet verlegt. Das angebotene Sortiment an rechtsextremistischen Musik-CDs, szenetypischen Textilien oder Propagandamaterialien hat sich demgegenüber nicht verändert. Deutlich wurde erneut, dass es den Händlern nicht nur ums Geschäft geht, sondern auch um die Vermittlung "politischer" Botschaften. So findet sich im Internetauftritt des laut Impressum mittlerweile in den USA angesiedelten "V7/ TTV"-Versandes, der zeitweilig in Nordwestmecklenburg ansässig war, als Vorbemerkung zum Angebot der Bekleidungsmarke "88 wear" 5 folgender Text: "Keine Heuchelei und Duckmäuserei, einfach nur gerade heraus in die Fresse der deutschen Scheindemokraten - auch Politiker genannt. Wem diese Meinung nicht passt, der ist hier falsch und sollte woanders seinen Kram suchen!" Eindeutig rechtsextremistische Aussagen mit einer unübersehbaren geistigen Nähe zum Nationalsozialismus finden sich auch im Sortiment des vom NPD-Landtagsabgeordneten PETEREIT ver- 5 Die Zahl 88 steht in der neonazistischen Szene für die Buchstaben HH ("Heil Hitler"). 19 antworteten "Levensboom"-Versandhandels in Neustrelitz. So wird dort u. a. ein Button mit der Aufschrift "Braune haben bessere Laune" und einem stilisierten Bild Adolf Hitlers vertrieben. Sicher nicht zufällig liegt der Preis bei 88 Cent. Trefforte der rechtsextremistischen Szene Wie bereits oben erwähnt, haben szeneeigene Objekte für das gemeinsame Ausleben der eigenen Subkultur im Rahmen von rechtsextremistischen Schulungsveranstaltungen, Feierlichkeiten und Konzerten eine herausragende Bedeutung. Schließlich wähnt man sich dort unter seinesgleichen. Im Berichtszeitraum waren die nachfolgenden Objekte von besonderer Relevanz: "Nationales Begegnungszentrum" in Anklam Im Osten des Landes war im Berichtszeitraum das "Nationale Begegnungszentrum" in einem ehemaligen Möbelstudio in Anklam eine wichtige Anlaufstelle. Dort finden weniger Konzerte - hierfür werden die bereits erwähnten Objekte in Salchow und Anklam ("A-Back") genutzt - als vielmehr Schulungen des NPD-Ordnungsdienstes und Volkstanzveranstaltungen des "Kulturkreises Pommern" statt. Die in dem Objekt bereits seit Jahren geplante "erste öffentliche, freie und deutschfreundliche Volksbücherei" 6 ist auch im Jahr 2011 nicht eröffnet worden. Im "Strelitzer Boten", Ausgabe 2/ 2011, wurde jedoch erneut um Spenden, auch Buchspenden, für den Aufbau der Bücherei gebeten. In diesem Objekt ist zudem der "Pommersche Buchdienst" zweier NPD-Kader ansässig, der sich als "Hauptförderer" des "Nationalen Begegnungszentrums" beschreibt. Der "Buchdienst" zeichnet sich durch ein Sortiment aus, das eine deutliche Nähe zum Nationalsozialismus aufweist. Des Weiteren findet sich dort ein Bürgerbüro der NPD. 6 "Der Rostocker Bote", Ausgabe 1/2010, Seite 4 20 "Thing-Haus" in Grevesmühlen Das im April 2010 eröffnete "Thing-Haus" in Grevesmühlen hat sich inzwischen auch zu einem für die überregionale Szene wichtigen Treffund Versammlungsort entwickelt. Neben einem "Bürgerbüro" der NPD beherbergt das "Thing-Haus" außerdem den Sitz des rechtsextremistischen Internetportals "MUPINFO" sowie die "Regionalstelle Mecklenburg" des "Netzwerks für Tolerie und Demokranz", womit das Landesprogramm für "Demokratie und Toleranz" zur Bekämpfung des Rechtsextremismus verunglimpft werden soll. Die Aktivitäten sind maßgeblich dem NPD-Landtagsabgeordneten PETEREIT zuzurechnen (vgl. Seite 37). Auch die rechtsextremistische "Gemeinschaft Deutscher Frauen" (GDF) hat dort ihren Sitz. In dem Gebäude befindet sich ein großer Veranstaltungssaal, der mehrere hundert Personen fasst. Das gesamte Grundstück ist so eingezäunt, dass es von außen nicht einsehbar ist. Hauptsächlich wird das "Thing-Haus" für rechtsextremistische Veranstaltungen wie Konzerte, Liederabende, Vorträge und Parteiversammlungen der NPD genutzt, die aufgrund der örtlichen Gegebenheiten weitgehend unbeobachtet bleiben können. Die Bedeutung des "Thing-Hauses" für die rechtsextremistische Szene wird auch daran deutlich, dass die Aktivitäten trotz der im August 2011 erfolgten Verurteilung des Eigentümers Sven KRÜGER aus Jamel im Landkreis Nordwestmecklenburg zu einer mehrjährigen Haftstrafe wegen gewerbsmäßiger Hehlerei und unerlaubtem Waffenbesitzes unvermindert anhalten. KRÜGER war zeitweilig Mitglied im NPD-Landesvorstand und Vertreter der NPD im Kreistag Nordwestmecklenburg. Mehrere Personen aus dessen Umfeld haben die Verantwortung für die Fortführung der Aktivitäten in dem Objekt übernommen. Welcher Geist das "Thing-Haus" umweht, machen auch folgende Beispiele deutlich: Medienberichten zufolge wurde dort ein Grill benutzt, aus dem die Worte "Happy Holocaust" ausgeschnitten sind. Als der NPDLandesvorsitzende KÖSTER von den Medien auf dieses Thema angesprochen wurde, versuchte er, diese zynische Anspielung an 21 die millionenfache Ermordung von Juden während des NS-Regimes als Beitrag zur Debattenkultur zum Holocaust umzudeuten. "MUPINFO" bescheinigt dem NPD-Kader in diesem Zusammenhang "keine gute Figur" abgegeben zu haben. Im Internet findet sich ein Video, das wiederum KÖSTER bei einer Rede im "Thing-Haus" zeigt. Hinter ihm prangt ganz offensichtlich eine Abbildung der "Halle des Volkes", die in der von HITLER geplanten Hauptstadt "Germania" des nationalsozialistischen Reiches errichtet werden sollte. Vor dieser Kulisse treten auch immer wieder so genannte Zeitzeugen auf, die bei der Schilderung ihrer Erlebnisse im Dritten Reich keinen Zweifel an ihrer Sympathie für den Nationalsozialismus lassen. Entsprechenden Beiträgen im Internet ist zu entnehmen, dass das versammelte Publikum jeweils großes Interesse zeigt und reichlich Beifall spendet. Neonazismus Im Berichtszeitraum konnte erneut ein Anwachsen des neonazistischen Lagers im Lande beobachtet werden. Dies entspricht einem Bundestrend und ist offenbar wesentlich auf ein Hineinwachsen subkultureller Szenen in neonazistische Zusammenhänge zurückzuführen (s. o.). Der bereits im Verfassungsschutzbericht 2010 angedeutete Strukturwandel der neonazistischen Szene, der eine Abkehr von der Bildung klassischer Kameradschaften beinhaltet, hat sich 2011 fortgesetzt. Zunehmend sind informelle Zusammenhänge zu beobachten, die feste und insbesondere nachweisbare Strukturen meiden. Zur Hilfe kommt ihnen dabei der Rückgriff auf das Internet. Dadurch werden Interaktionsformen ermöglicht, die ohne eine feste Organisation auskommen. Eigene Fotos und Videos oder auch im Selbstverlag produzierte Publikationen können auf entsprechenden Webseiten oder in sozialen Netzwerken hochgeladen werden. Die Neonazis verfügen damit in viel größerem Umfang als früher über Möglichkeiten, ihre politischen Botschaften einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Der Einfluss, den diese Propagandaform entfaltet, lässt sich derzeit nicht abschätzen. Es finden sich aber auch noch klassische Kameradschaften, die 22 über einen abgegrenzten Aktivistenstamm mit beabsichtigter geringer Fluktuation und lediglich regionaler Ausdehnung verfügen. Darüber hinaus liegt bei diesen eine zumindest rudimentäre Struktur und die Bereitschaft zu gemeinsamer politischer Arbeit auf Basis der neonazistischen Grundorientierung vor. Um den Zusammenhalt auch nach außen zu präsentieren, wird z. B. Bekleidung mit dem Logo und dem Namen der Kameradschaft getragen. Die Zusammenarbeit der NPD mit den Neonazis hat sich im Wahljahr 2011 fortgesetzt und weiter verfestigt. Die "Nationalen Sozialisten Rostock" (NSR) haben sich in einem Internetbeitrag zur Zusammenarbeit mit der NPD Mecklenburg-Vorpommern bei Demonstrationen wie folgt geäußert: "Es gibt auf Landesebene einen funktionierenden und vor allem bei den Demonstrationsteilnehmern akzeptierten Ordnerdienst. Außerdem ist immer ein komplettes Medienteam vor Ort. Ansprechende Videos und Bilder können so sehr zeitnah veröffentlicht werden. Auch der Rechtskampf wird zumeist erfolgreich geführt. Letztenendes sind eben diese Vorraussetzungen für erfolgreiche Demonstrationen hier vor Ort gegeben, da die NPD-MV und freie Nationalisten eine vorbildliche Zusammenarbeit praktizieren." 7 (Schreibweise wie im Original) Hier wird die gegenseitige Abhängigkeit des NPD-Landesverbandes sowie der "freien Kräfte" besonders deutlich. Die Kameradschaften profitieren bei der Durchführung von Demonstrationen vom "starken Partner" NPD, weil dieser "das komplette DemoKnow-How, von Lautsprecherwagen, Ordnerdienst bis zum Informationsmaterial mitbringt" und "die Parteistrukturen für landesweite 7 Internetseite der NSR, "Zur Diskussion: "Demonstrationen - Nützliches politisches Kampfmittel oder Verschwendung der eigenen Kraft?" vom 06.10.2011, abgerufen am 07.10.2011 23 Mobilisierung" 8 sorgen. Den Kameradschaften fällt es damit nur noch zu, in ihrem Gebiet Plakate zu kleben sowie Flugblätter und sonstige Infomaterialien zu verteilen. Die NPD wiederum kann bei ihren Demonstrationen auf das Mobilisierungspotenzial aus der neonazistischen und subkulturellen Szene zurückgreifen und darüber hinaus auch mit sonstiger Unterstützung aus der Szene rechnen, was insbesondere im Wahljahr 2011 besonders bedeutsam war. Im Ergebnis kann die rechtsextremistische Szene in Mecklenburg-Vorpommern nach außen als homogene Masse auftreten und auf eine "vorbildliche Zusammenarbeit" verweisen. Häufig werden von Neonazis Konfrontationen mit dem politischen Gegner gesucht, wobei auch vor der Anwendung von Gewalt nicht zurückgeschreckt wird. Im Vorfeld der Demonstration der NPD zum 1. Mai 2011 in Greifswald, die unter dem Motto "Unsere Heimat - unsere Arbeit! Fremdarbeiterinvasion stoppen" stand, kam es zu einigen Zwischenfällen, die der rechtsextremistischen Szene zugerechnet werden und in Verbindung mit der Versammlung stehen dürften. So wurde in der Nacht zum 1. Mai 2011 in Greifswald aus einer Gruppe von ca. fünf Personen, die mutmaßlich der rechtsextremistischen Szene angehören, drei Jugendliche mit gegensätzlicher politischer Orientierung angegriffen, getreten und geschlagen. Auch im Zusammenhang mit dem Anbringen und Entfernen von NPD-Wahlplakaten bzw. Aufklebern durch Personen des "linken Spektrums" waren gewalttätige Auseinandersetzungen mit Schwerpunkten in den Hansestädten Rostock und Greifswald zu verzeichnen. So wurden beispielsweise in den Abendstunden des 27. Juli 2011 in der Hansestadt Greifswald vier Personen, die NPDWahlplakate rechtswidrig entfernen wollten, von acht bis zehn unbekannten Personen aus zwei anhaltenden PKW mit Holzbrettern sowie einem Baseballschläger attackiert. 8 ebenda 24 Neonazistische Gruppierungen Die nachfolgend näher beschriebenen Strukturen entfalteten auch 2011 z. T. öffentlichkeitswirksame Aktivitäten. Darüber hinaus gibt es landesweit Kleingruppen, die öffentlich wenig oder nur durch - z. T. inaktuelle Internetauftritte - in Erscheinung getreten sind und daher hier keine Erwähnung finden. "Autonome Nationalisten" Die neonazistische Strukturbzw. Aktionsform 9 "Autonome Nationalisten" hat sich mittlerweile auf niedrigem Niveau im Lande etabliert. Vertreter dieses Lagers bewegen sich in MecklenburgVorpommern meist im Rahmen von Personenzusammenschlüssen, die eher als klassische Kameradschaften zu betrachten sind und im Unterschied zu anderen Bundesländern eine große Nähe zur NPD aufweisen: * "Nationale Sozialisten Rostock" (NSR) Die NSR sehen sich selbst als "revolutionäre Jugend", die sich für den "Nationalen Sozialismus" einsetzt. Sie seien "national im Herzen, sozialistisch im Geist, revolutionär im Handeln". 10 Die Gruppe ordnet sich selbst dem Spektrum der "Autonomen Nationalisten" zu. Ungeachtet dessen bestehen gute Kontakte zur NPD Mecklenburg-Vorpommern. Die rechtsextremistische Partei wurde von den NSR auch bei ihrem Wahlkampf für die Landtagswahl und Kommunalwahlen 2011 unterstützt. Beim Besuch des Bundespräsidenten am 15. Oktober 2011 in der Hansestadt Rostock entrollten Angehörige der NSR auf dem Universitätsplatz ein zehn Meter breites Transparent mit der Aufschrift "DEMOKRATIE = VOLKSTOD". Darüber hinaus skandierten sie Parolen wie "Wer hat uns verraten? Die Demokraten! Wer macht den Demokraten Dampf? Nationaler Freiheitskampf!". Dabei näherten sie sich 9 vgl. u. a. hierzu den Verfassungsschutzbericht Mecklenburg-Vorpommern 2008, S. 91ff. 10 Selbstbeschreibung auf der Internetseite der NSR, abgerufen am 15.12.2011 25 bis auf ca. zehn Meter dem Bundespräsidenten und mussten durch Polizeikräfte zurückgedrängt werden. Der "Drang nach Freiheit und Daseinsberechtigung für ihr Volk" habe die Aktivisten "auf die Straße gedrängt". "Trotz enormer Sicherheitsvorkehrungen" sei man "sehr dicht an das 'Ziel' heran" gekommen. 11 In einem Artikel mit dem Titel "Spalterei", der im November 2011 u. a. auf der Homepage der "Nationalen Sozialisten Rostock" veröffentlicht wurde, heißt es, dass der "Nationale Widerstand vom (hitlerischen) Nationalsozialismus sowohl gedanklich, als auch ikonisch-ästhetisch enorm beeinflusst" sei. Die Bezeichnung "Nationaler Widerstand" bezieht sich dabei auf das gesamte Spektrum der rechtsextremistischen Szene, vom subkulturellen bis hin zum parteigebundenen Rechtsextremismus. Damit wird in seltener Offenheit deutlich, dass sich alle Rechtsextremisten direkt oder indirekt auf das nationalsozialistische Weltbild und noch konkreter auf Adolf HITLER als dessen Quasi-Personifizierung beziehen. Quelle: Internetseite der NSR 11 Internetseite der NSR, "Stasi-Methoden beim Besuch des Bundespräsidenten in Rostock!" vom 15.10.2011, abgerufen am 15.10.2011 26 * "Nationale Offensive Teterow" (NOT) Quelle: Internetseite der NOT Auch die "Nationale Offensive Teterow" (NOT) wird den "Autonomen Nationalisten" zugerechnet, da sie die typischen Merkmale wie ein aktionsorientiertes Selbstverständnis und insgesamt ein aggressives Auftreten zeigt. Für eine am 5. März 2011 durchgeführte NPD-Demonstration unter dem Motto "Zukunft statt Hartz IV - Volkstod stoppen" in Teterow mobilisierte die NOT mit einem eigenen Videoaufruf. 12 Bei der Demonstration marschierte die NOT mit dem Plakat "BILDUNG WEG... TASCHE LEER... BRD - DANKE SEHR! nationale offensive teterow..." auf. 13 Der auf ihrer Internetseite eingestellte Demonstrationsbericht schloss mit den Worten "Somit konnte dem Volkstod wieder entgegen gewirkt werden und dem System fehlen noch ein paar Rädchen mehr, ohne die es einfach zum Einsturz kommen wird." 14 12 Internetseite der NOT, abgerufen am 18.02.2011 13 Screenshot aus dem "Demovideo aus Teterow, Zukunft statt Hartz IV - Volkstod stoppen! by NSRostock", abgerufen am 07.03.2011 14 Internetseite der NOT "Demonstrationsbericht", abgerufen am 06.04.2011 27 Quelle: youtube Ein entsprechendes Plakat wurde auch bei dem am 25. März 2011 von der NOT initiierten "Aktionstag für bessere Bildung, gegen miserable Schulpolitik und Bildungsnotstand" 15 gezeigt. Die NOT hat den Wahlkampf der NPD unterstützt und in der Zeit vor den Landtagsund Kommunalwahlen eigene Aktivitäten zurückgestellt. Sonstige neonazistische Gruppierungen "Freie Kameradschaft Wismar" Die Kameradschaft hat sich vermutlich im zweiten Halbjahr 2010 neu gegründet. Sie unterhält offenbar Beziehungen zum "ThingHaus" in Grevesmühlen. In einem Flugblatt, das mit den Worten "Schluß mit der Überfremdung! Schluß mit Auslandseinsätzen der Bundeswehr für fremde Interessen! Nein zum Asylantenheim in Wismar!" schließt, hat sich die Kameradschaft zu Beginn des Jahres 2011 an die Wismarer Bürger gewandt. Am 29. Mai 2011 haben einzelne Angehörige der Kameradschaft offenbar in provokativer Absicht am "Fest der Demokratie" in der Hansestadt Wismar teilgenommen. 15 Internetseite der NOT: "Aktionstag für bessere Bildung!", abgerufen am 06.04.2011 28 "Sport und Kultur Wiese e. V." in Viereck, Landkreis Vorpommern-Greifswald Der Verein hat für seine Vereinstätigkeit - Ziel ist u. a. die "Förderung von Musikveranstaltungen und Jugendarbeit" - einen alten Schweinestall gepachtet, der als Veranstaltungsort der rechtsextremistischen Szene genutzt wird. Nachdem die Nutzung baurechtlich untersagt worden war, wurde auf dem Gelände ein Zelt aufgestellt. Das Objekt wird auch für rechtsextremistische Musikveranstaltungen genutzt. "Kulturkreis Pommern" Der "Kulturkreis Pommern" trat zunächst als Untergliederung des rechtsextremistischen Vereins "Heimatbund Pommern e. V." seit April 2003 u. a. durch öffentliche Volkstanzveranstaltungen in Erscheinung. Nach eigener Darstellung auf der zwischenzeitlich abgeschalteten Internetseite versteht sich der Kulturkreis als "Volkstanzgruppe" und "Gesangskreis", der das Tanzen und Singen "nach deutscher Art" pflegt. Entsprechende Volkstanzveranstaltungen waren auch im Jahr 2011 zu verzeichnen. Personelle Überschneidungen mit der NPD sind unverkennbar. "Nationale Sozialisten Greifswald" (NSG) Die NSG sind z. T. studentisch geprägt, was sich u. a. darin äußert, dass sie auch als "NS-Hochschulgruppe Greifswald" in Erscheinung treten und beispielsweise "wichtige Informationen für Erstsemester" veröffentlichen. Im "Greifswalder Boten", Ausgabe 1/ 2011, wird Studenten ausdrücklich die "Weltnetzseite" der Gruppierung für "aktuelle und unzensierte Informationen" über die Hansestadt Greifswald empfohlen. Die Internetseite wird regelmäßig aktualisiert. 29 In einer sechs Teile umfassenden Serie hat sich die Gruppierung mit der gegen Rechtsextremismus gerichteten und linksextremistisch beeinflussten Kampagne "Wake Up - Stand Up" 16 auseinandergesetzt. 17 Dort finden sich beispielsweise folgende Passagen, die den neonazistischen Hintergrund der NSG deutlich werden lassen : "Denn, geht man vom wahren Nationalsozialismus aus, so ist die NS-Zeit keine Diktatur, wie im BRD-Sinne. Denn dabei wird der 'Sozialismus' außer Acht gelassen, ist eben kein Faschismus. Der Nationalsozialismus war damals vom Führerprinzip geprägt, welcher jedem deutschen Menschen die Möglichkeit gab, sich nach Intelligenz und Charakter einen Platz in der Volksgemeinschaft zu erarbeiten." "Eine multikulturelle Gesellschaft führt zwangsläufig zu einer aufdiktierten Vermischung der unterschiedlichen Volksangehörigen, woraus ein Einheitsmensch hervorgeht, der weder Heimat, noch Indentität besitzt." (Schreibweise wie im Original) Quelle: Internetseite der "Nationalen Offensive Teterow" 16 vgl. unter "Linksextremismus", Seite 75 17 Internetseite der NSG: "2. Teil - Wake up - Stand up - Think up" vom 07.09.2011, abgerufen am 08.09.2011 30 "freies-pommern", "Nationale Sozialisten Pommern", Landkreis Vorpommern-Greifswald Die "Nationalen Sozialisten Pommern" (Internetauftritt "freiespommern") entfalten in erster Linie, aber nicht ausschließlich, Internet-Aktivitäten. Bei Demonstrationen der NPD tauchen Transparente der "Nationalen Sozialisten Pommern" regelmäßig auf. Bei der Vereinigung handelt es sich um "freie Kräfte" mit im Vergleich zu Kameradschaften nochmals reduzierten Strukturen und loser netzwerkartiger Verbindungen, die gleichwohl ein gemeinsames Vorgehen ermöglichen. 18 Es werden Werbemittel in Form von Plakaten und Aufklebern herausgegeben, die auch über die Internetseite bezogen werden können. Auf Trauerkränzen, wie sie für Gedenkveranstaltungen verwendet werden, taucht die Bezeichnung regelmäßig auf. So wurde beispielsweise am Gedenkstein für die Opfer des Bombenangriffs vom 9. Oktober 1943 in Anklam ein Kranz festgestellt, der die Aufschrift "Im stillen Gedenken der Opfer der Wilhelm Gustloff" auf der einen und "freies-pommern" auf der anderen Seite trug. Der vom NPD-Landtagsabgeordneten Tino MÜLLER verantwortete Internetauftritt wird regelmäßig aktualisiert und enthält deutliche ideologische Anklänge an den Nationalsozialismus. Im Juli 2011 zeigte "freies-pommern" anlässlich des Todes des rechtsextremistischen Szeneaktivisten Herbert SCHWEIGER dessen Bild mit der Unterschrift "Unvergessen". Daneben befindet sich ein Zitat des SCHWEIGER, in dem es heißt: "Wenn ich heute Bilanz ziehe, würde ich alles wieder genauso machen, wie ich es gemacht habe. Ich bereue nichts, was ich getan habe." 18 Bei Demonstrationen der rechtsextremistischen Szene in Mecklenburg-Vorpommern werden häufig die Bezeichnungen "Nationale Sozialisten Pommern" oder "Nationale Sozialisten Mecklenburg" sowie "Nationale Sozialisten Mecklenburg und Pommern gezeigt". Diese Bezeichnungen sollen vorrangig die gemeinsame ideologische Ausrichtung und weniger einen organisatorischen Gesamtzusammenhang dokumentieren. 31 Der Österreicher SCHWEIGER war Offizier der Waffen-SS und hat in seinem Buch "Mythos Waffen-SS" 19 die nationalsozialistische Herrschaft gerechtfertigt. Das Ende des Dritten Reiches beschreibt SCHWEIGER in diesem Zusammenhang als Zusammenbruch eines "idealistischen Kosmos". Diesem "Kosmos" ist er auch nach Kriegsende treu geblieben. So forderte er in den "Grundsätzen der europäischen Kampfgemeinschaft" u. a. die Sicherung der Existenz "der weißen Rasse" und gesetzliche Regelungen zu "erbhygienischen Maßnahmen". 20 In Österreich wurde er u. a. anderem wegen des Verstoßes gegen das NS-Wiederbetätigungsverbotsgesetz verurteilt. Außerdem ist er zusammen mit Holocaustleugnern aufgetreten 21 und war in der bundesdeutschen Neonaziszene gern gesehener Zeitzeuge des Dritten Reiches. Quelle: youtube 19 Schweiger, Herbert: Mythos Waffen-SS. Militärische Leistung und weltanschauliches Fundament einer europäischen Elitetruppe, Dresden: Winkelried-Verlag 2007 20 a.a.O., S. 96ff. 21 http://www.verfassungsschutz.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c 32 "Jugendbund Pommern" Die Gruppierung aus dem Raum Vorpommern-Greifswald ist bei Demonstrationen der NPD auch 2011 mit eigenen T-Shirts und Transparenten aufgetreten. Es bestehen Verbindungen und personelle Überschneidungen zum Verein "Sport und Kultur Wiese e.V." Darüber hinaus traten 2011 folgende Gruppierungen - z. T. sporadisch - in Erscheinung: - "Nationale Aktivisten Waren", Waren - "Arischer Widerstandsbund", Altentreptow - "Nationale Sozialisten Friedland", Friedland - "Stargarder Freundeskreis", Burg Stargard - "Kameradschaft Neubrandenburg", Neubrandenburg - "Nationale Offensive Gnoien", Gnoien - "Völkische Burschenschar Strasburg", Strasburg. Die "Aktionsgruppe Boizenburg", die "Nationale und soziale Aktionsgruppe Güstrow" sowie die "Nationalen Sozialisten Malchin" fielen lediglich durch inaktuelle Internetauftritte auf. Klare Strukturen vermeiden offenbar die im Jahresbericht 2010 erwähnten "Nationalen Sozialisten Mecklenburg". Diese Bezeichnung soll - wie bereits ausgeführt - eher einen ideologischen denn einen organisatorischen Zusammenhalt dokumentieren. Neonazistische Strategien und Kampagnen Thematisierung des "Volkstodes", Aktion "Werde unsterblich" Der demographische Wandel in Deutschland wird von Neonazis - genauso wie von der NPD - nach wie vor unter dem Stichwort "Volkstod" thematisiert. Der rechtsextremistische Internetauftritt "freies-pommern.de" stellte in einem dort eingestellten Video "Handeln oder untergehen" dar, dass in spätestens 50 Jahren mehr als 50 Prozent der deutschen Bevölkerung einen Migrationshintergrund haben 33 würden. Dies sei kein demographischer "Wandel", sondern vielmehr die "Abschaffung des deutschen Volkes". Vordergründig wird auf diese Weise versucht, in populistischer Weise Ängste vor einer angeblichen "Überfremdung" und damit möglicherweise verbundenen sozialen Problemen zu schüren. Der eigentliche ideologische Kern dieser Kampagne liegt jedoch tiefer und kann unmittelbar aus der nationalsozialistischen Rassenideologie abgeleitet werden. Für Neonazis bilden Zuwanderer eine "genetische" Gefahr für den deutschen "Volkskörper". Damit folgen sie ihrem Vorbild HITLER, der glaubte, dass ein Volk, das nicht auf "Rassereinheit" achte, dem Untergang geweiht sei. So findet sich in "Mein Kampf" folgendes Zitat: "Jegliche Rassenkreuzung führt zwangsläufig früher oder später zum Untergang des Mischproduktes." 22 Verantwortlich für diesen "drohenden Untergang" machten die Nationalsozialisten auch damals schon die demokratische Staatsordnung. So heißt es bei HITLER mit Blick auf die Weimarer Demokratie: "Wie grenzenlos unideal ist doch dieses ganze System! Man bemüht sich nicht mehr, das Beste für die Nachwelt heranzuzüchten, sondern lässt die Dinge laufen wie sie eben laufen." Der "Völkische Staat" habe demgegenüber die Aufgabe "die Ehe aus dem Niveau einer dauernden Rassenschande herauszuheben" sei sie doch berufen "Ebenbilder des Herrn zu zeugen und nicht Missgeburten zwischen Mensch und Affe. 23 Diese "Rassentheorie" war letztlich ideologische Grundlage der Massenmordaktionen des Holocaust, aber auch der Maßnahmen der Nationalsozialisten gegen Menschen, die aus ihrer Sicht sonst "lebensunwert" waren. Nach HITLERS Vorstellung sollte die Zeugungsfähigkeit "körperlich Degenerierter und geistig Erkrankter" verhindert und "die Fruchtbarkeit der gesündesten Träger des Volkstums" 24 verwirklicht werden. 22 Hitler, Adolf: Mein Kampf, 17. Auflage, München: Zentralverlag der NSDAP/ Verlag Franz Eher Nachfolger 1943, S. 443 23 Hitler, Adolf: Mein Kampf, 17. Auflage, München: Zentralverlag der NSDAP/ Verlag Franz Eher Nachfolger 1943, S. 445 24 Hitler, Adolf: Mein Kampf, 17. Auflage, München: Zentralverlag der NSDAP/ Verlag Franz Eher Nachfolger 1943, S. 448 34 Diese Rassenideologie wurde im Dritten Reich mit Unterstützung von Medizinern radikal umgesetzt. Menschen, denen das Menschenrecht auf Fortpflanzung abgesprochen wurde, wurden nach richterlichem Beschluss mit nicht selten tödlichen Folgen zwangssterilisiert oder im Rahmen von "Euthanasieaktionen" ermordet. 25 Um dem von den Nationalsozialisten propagierten "Volkstod" 26 entgegenzuwirken, wurden nicht nur die menschenverachtenden "rassenhygienischen" Mordtaten vollzogen, sondern auch die von HITLER gewünschten Maßnahmen zur Förderung des "rassereinen" Nachwuchses umgesetzt, etwa durch eine "erbbiologisch und rassenhygienisch" orientierte "Wohlfahrtspflege". 27 Dass diese historische Herleitung der heutigen Nutzung des Begriffs "Volkstod" durch die neonazistische Szene zutreffend ist, zeigen die nachfolgend beschriebenen Propagandaaktionen. So war die Parole "BRD=Volkstod" 2011 in mehreren Graffiti und auf Transparenten zu lesen. Wie bereits erwähnt, entrollten Angehörige der "Nationalen Sozialisten Rostock" (NSR) am 15. Oktober 2011 beim Rundgang des Bundespräsidenten durch die Rostocker Innenstadt auf dem Universitätsplatz ein zehn Meter breites Transparent mit der Aufschrift "DEMOKRATIE = VOLKSTOD". Neonazistische Personenzusammenschlüsse wie die "Nationale Offensive Teterow", die "Nationalen Sozialisten Rostock" sowie die "Nationalen Sozialisten Pommern" griffen das Thema des demographischen Wandels in Deutschland 2011 auf ihren Internetseiten auf. Auch in verschiedenen Regionalboten der ehemaligen "Initiative für Volksaufklärung" spielte das Thema eine Rolle. Entsprechende Aktionen waren sowohl seitens der NPD als auch der "freien Kräfte" zu beobachten, die teilweise zeitgleich und aufeinander abgestimmt durchgeführt wurden. 25 vgl. Friedlander, Henry: Der Weg zum Genozid - Von der Euthanasie zur Endlösung, Berlin: Berlin Verlag 1997, S. 61ff. 26 vgl. Ausstellung des Deutschen Hygiene Museums Dresden 2006/ 2007: Tödliche Medizin - Rassenwahn im Nationalsozialismus in: http://dhmd.de/index.php?id=1151, abgerufen am 13.04.2012 27 zitiert nach: Janka, Franz: Die braune Gesellschaft - Ein Volk wird formatiert, Stuttgart: Quell Verlag 1997, S. 382 ff. 35 Die rechtsextremistische Kampagne, "Werde unsterblich" thematisiert ebenfalls den "Volkstod". Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang, dass auch der von den Rechtsextremisten verwendete Begriff der "Unsterblichkeit" auf geistige Väter im Nationalsozialismus zurückgeführt werden kann. So äußerte der Reichsführer SS Heinrich HIMMLER auf einer Besprechung höherer SS-Führer im Jahr 1938 im Zusammenhang mit der "Ahnenverehrung", dass die Vergänglichkeit des Individuums in die "Unsterblichkeit" des Volkes eingebunden sei. 28 Hierzu hatte in der Nacht zum 1. Mai 2011 in Bautzen (Sachsen) ein Fackelmarsch mit ca. 200 Teilnehmern, die schwarz gekleidet und ihre Gesichter durch weiße Masken verhüllt hatten, stattgefunden. Dieses Ereignis hat Rechtsextremisten in anderen Bundesländern offenbar zur Nachahmung angeregt, so auch in Mecklenburg-Vorpommern. "MUPINFO" berichtete über das Auftauchen von "jungen Menschen", deren "Angesicht durch einfache, weiße Masken verhüllt" war, auf dem Umzug zum Abschluss des Hechtfestes in Teterow am 5. Juni 2011. Diese hätten ein Transparent mit der Aufschrift "Die Demokraten bringen uns den Volkstod!" entrollt und seien vor dem Eintreffen der Polizei wieder verschwunden. 29 In der Nacht vom 25. auf den 26. Juni 2011 wurden in Waren (Müritz) zehn bis zwölf Personen mit weißen Kapuzen und schwarzen Umhängen festgestellt, die Fackeln und Fahnen bei sich trugen und verschiedene Parolen mit Bezug zur NPD gerufen haben sollen. In der entsprechenden Berichterstattung auf "MUPINFO" 30 wird deutlich, dass durch die getragenen Masken das Image des "Geheimnisvollen" transportiert werden soll, zudem wird betont, dass eine "eindeutige Zuordnung der Dissidenten" nicht möglich sei. Außerdem zieht "MUPINFO" einen Vergleich zu den "Männern vom Ku-Klux-Klan". Dieser Artikel wurde 28 vgl. Longerich, Peter: Heinrich Himmler - Biographie, München: Pantheon Verlag 2010, S. 277 29 Internetseite "MUPINFO": "Die Unsterblichen kommen" vom 07.06.2011, abgerufen am 07.06.2011 30 Internetseite "MUPINFO": "Die Unsterblichen in Waren (Müritz)" vom 27.06.2011, abgerufen am 27.06.2011 36 auch auf der Internetseite der "Nationalen Aktivisten Waren" eingestellt. Bei beiden Aktionen achteten die Teilnehmer darauf, sich nur für kurze Zeit zusammenzufinden und die Demonstration bereits vor dem Eintreffen der Polizei wieder aufzulösen. Vergleichbare Zusammenkünfte wurden in der Folge im Jahre 2011 nicht mehr festgestellt. Sowohl der ideologische Hintergrund als auch die Aktionsform, die eine erhebliche öffentliche Aufmerksamkeit erzeugt, könnten auch hierzulande durchaus zu weiteren Aktionen führen. Allerdings scheint die NPD kein gesteigertes Interesse an derartigen "Bürgerschreck"-Aktivitäten zu zeigen. Sie verfolgt die "Volkstod"Kampagne mit herkömmlichen Propagandamitteln. Insoweit dürften die "Unsterblichen" auch weiterhin eher im Rahmen kleinerer, von "freien Kräften" getragenen Aktionen auftreten. "Netzwerk für Tolerie und Demokranz" Mit dem im Jahr 2010 ins Leben gerufenen und auch 2011 in Erscheinung getretenen "Netzwerk für Tolerie und Demokranz" soll der Kampf gegen Rechtsextremismus und für Demokratie ins Lächerliche gezogen werden. Auf der Internetseite heißt es zum Netzwerk in Anlehnung an bestehende Bekenntnisse gegen Rechtsextremismus: "Wir sind der Zusammenschluss von Demokrat_innen. Wir stellen uns bedingungslos gegen die unreflektierte Akzeptanz von sog. Demokratischen Figuren des öffentlichen Lebens. Den Anfängen zu wehren, erfordert gerade dort ein genaues Hinsehen." 31 Der für die NPD in den Landtag gewählte David PETEREIT ist Domaininhaber der Internetadresse und als maßgeblicher Initiator der Aktion anzusehen. 31 Internetseite Tolerie & Demokranz, "Willkommen beim Netzwerk für Tolerie & Demokranz" vom 20.10.2011, abgerufen am 20.10.2011 37 Neonazistische Publikationen Als neonazistische Publikationen sind in Mecklenburg-Vorpommern insbesondere die "Boten" der ehemaligen "Initiative für Volksaufklärung e. V." (IfV) bedeutsam, die u. a. mit den Schlagworten "unabhängig, volkstreu, deutsch" oder "National aus sozialer Verantwortung" aufwarten. Zum Jahresbeginn 2011 wurden diese noch vom rechtsextremistischen Verein IfV herausgegeben. Nach Auflösung des Vereins im ersten Halbjahr 2011 wird als Verantwortlicher jeweils nur noch eine Einzelperson bzw. - im Bereich des ehemaligen Landkreises Uecker-Randow 32 - die "Bürgerinitiative Schöner und sicherer Wohnen" mit der Postfachadresse des NPD-Kreisverbandes Uecker-Randow genannt. Inhaltlich hat sich an der Publikation im Vergleich zum Vorjahr nichts geändert. Die meisten Ausgaben werden mittlerweile in Farbe gedruckt. Von den folgenden Regionalboten sind im Jahr 2011 eine oder mehrere Neuausgaben erschienen: "Der Anklamer Bote", "Der Demminer Bote", "Der Greifswalder Bote", "Der Insel Bote", "Der Lassaner Bote", "Der Stralsunder Bote", "Strelitzer Bote", "Der Uecker-Randow-Bote" und "De Meckelbörger Bote". Keine Neuausgaben gab es im Jahr 2011, soweit ersichtlich, beim "Rostocker Boten". In allen Ausgaben wurden typische NPD-Themen behandelt wie Kindesmissbrauch ("Kinderschänder"), Hartz IV mit Hinweis auf die Hartz-IV-Beratung durch den Rechtsanwalt (und NPD-Landtagsabgeordneten) Michael ANDREJEWSKI im NPD-Bürgerbüro Anklam/ Ueckermünde, Asylantenheime, Anti-Polen-Kampagne in Bezug auf die Öffnung des Arbeitsmarktes, Grenzkriminalität und polnische Kernkraftwerke sowie die demographische Entwicklung ("Volkstod"). Oftmals finden sich in verschiedenen Regionalboten die gleichen Artikel, die wiederum auch im Internet auf der Seite der NPD eingestellt sind. Die "Boten" wurden auch dafür genutzt, NPD-Direktkandidaten für die Landtagswahlen vorzustellen und zur Wahl der NPD bei 32 "Der Uecker-Randow-Bote", Ausgabe 2/2011, S. 4 38 der Landtagswahl aufzurufen. Hauptziel der "Boten" ist es weiterhin, den demokratischen Rechtsstaat als handlungsunfähig und nicht an den "Interessen des Volkes" orientiert, darzustellen. Die NPD Mecklenburg-Vorpommern hielt damit ihre Strategie, die inhaltlich der Partei zuzurechnenden kostenlosen Mitteilungsblätter als "unabhängige Boten" zu präsentieren, auch im Jahr 2011 aufrecht. Das Festhalten an der Organisationsform des eingetragenen Vereins war jedoch für die Verantwortlichen offenbar mit zu vielen Risiken in Bezug auf ein mögliches Vereinsverbot behaftet. Zugleich macht die enge Anlehnung der NPD an die ursprünglich aus der neonazistischen Kameradschaftsszene stammenden "Boten" sehr deutlich, wie stark die Verflechtung der personellen Zusammenhänge ist. Ein ähnliches Ziel wie die "Boten" verfolgt offenbar auch die "Interessengemeinschaft Schöneres Strasburg". Sie möchte nach eigenen Angaben mit ihrer Publikation, dem "Strasburger Beobachter", "alle wichtigen Hintergrundinformationen aus Politik, Wirtschaft und Kultur" aus Strasburg liefern. 33 Dementsprechend beschäftigt sich die Vereinigung nahezu ausschließlich mit regionalen Themen. Im Jahr 2011 sind fünf Ausgaben des kostenlosen Faltblattes erschienen. Agitation in Hochschulen Im Berichtszeitraum wurde eine verstärkte Agitation neonazistischer Personenzusammenhänge an den Universitäten der Hansestädte Rostock und Greifswald beobachtet, an denen einzelne Mitglieder der lokalen neonazistischen Strukturen selbst studieren. Ziel ist es offenbar, weitere Personen für rechtsextremistisches Gedankengut zu gewinnen und ggf. die Öffentlichkeit und den politischen Gegner, der sich ebenfalls im studentischen und universitären Milieu bewegt, herauszufordern. 33 Internetseite der "Interessengemeinschaft Schöneres Strasburg", abgerufen am 08.11. 2011 39 Aktivitäten unter maßgeblicher Beteiligung der neonazistischen und subkulturellen rechtsextremistischen Szene Demonstrationen Auch im Jahr 2011 waren Demonstrationen eine der wichtigsten Aktionsformen der rechtsextremistischen Szene, um der Öffentlichkeit in Mecklenburg-Vorpommern politische Botschaften zu vermitteln. Neben NPD-Angehörigen waren zahlreiche Teilnehmer aus dem neonazistischen oder subkulturellen Spektrum an den Demonstrationen zu beobachten. Während die meisten angemeldeten Demonstrationen vom NPD-Landesverband oder den NPD-Kreisverbänden veranstaltet werden, kam es aus dem neonazistischen Spektrum heraus im Jahr 2011 wiederum zu einigen unangemeldeten Spontandemonstrationen: Am 4. Februar 2011 marschierten ca. 20 Personen der rechtsextremistischen Szene mit einer rot-weiß-schwarzen Flagge und brennenden Fackeln durch Laage (Landkreis Rostock). Dort wurden am "Blücher Denkmal" zwei abgelegte Blumengebinde mit Schleife vorgefunden. Auf den Schleifen war u. a. der Schriftzug: "Wir gedenken den Toten der Wehrmacht und Waffen SS" aufgedruckt. In den Abendstunden des 6. Mai 2011 führten ca. 20 schwarz gekleidete, vermummte Personen in Neubrandenburg einen unangemeldeten Aufzug mit Fackeln durch. Sie waren mit Kapuzen, Sonnenbrillen und Sturmhauben vermummt und führten ein Transparent mit der Aufschrift "66 Jahre Demokraten, Diktatur endlich beenden, NS" mit. Am 1. Juni 2011 sammelten sich ca. 20 schwarz gekleidete Personen an der Justizvollzugsanstalt in Bützow und entrollten ein Transparent mit der Aufschrift "Du bist nicht allein". Hier liegt der Verdacht nahe, dass die Teilnehmer ihre Solidarität mit dem dort einsitzenden Verantwortlichen für das Grevesmühlener "ThingHaus" Sven KRÜGER bekunden wollten. 40 Beteiligung an den Trauermärschen anlässlich des 66. Jahrestages der Bombardierung Dresdens Rechtsextremisten aus Mecklenburg-Vorpommern beteiligten sich wie in den Vorjahren an den größeren Demonstrationen in anderen Bundesländern. Von besonderer Bedeutung war 2011 erneut der Zeitraum der Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg (13.-15.02.1945). Die rechtsextremistische "Junge Landsmannschaft Ostdeutschland" hatte "Trauermärsche" am 13. und 19. Februar 2011 angemeldet. Nach Aussagen des rechtsextremistischen Internetportals "MUPINFO". handelt es sich hierbei um "die letzte große und deutschlandweit beworbene nationale Demonstration". 34 Am 13. Februar 2011 wurden insgesamt ca. 1.500 Teilnehmer der rechtsextremistischen Szene festgestellt, darunter zahlreiche Personen aus Mecklenburg-Vorpommern. Der Trauermarsch am 19. Februar 2011 konnte wie im Vorjahr aufgrund von Blockaden nicht durchgeführt werden. 34 Internetseite "MUPINFO": "Dresden 2011 endet mit Niederlage" vom 19.02.2011, abgerufen am 19.02.2011. 41 Beteiligung von Rechtsextremisten an der Neubrandenburger "Fight Night" am 5. Februar 2011 Auf dem Ankündigungsplakat für die Veranstaltung waren zwei bekannte Rechtsextremisten mit freiem Oberkörper und verschiedenen rechtsextremistischen Tätowierungen abgebildet. Einer von ihnen trug ein auf die Brust tätowiertes Kameradschaftslogo. Nachdem das Plakat für beträchtliche mediale Aufmerksamkeit im Vorfeld der Veranstaltung gesorgt hatte, ließen die Veranstalter ein Bekenntnis gegen Hass und Gewalt verlesen, und beide Rechtsextremisten trugen T-Shirts, so dass die Tätowierungen nicht sichtbar waren. "Tollensemarsch" der rechtsextremistischen Szene am 26. Februar 2011 in Neubrandenburg Der "Tollensemarsch" wurde am 26. Februar 2011 bereits zum achten Mal durchgeführt. Die Teilnehmerzahl sinkt allerdings seit dem Jahr 2008, als der Marsch noch von der zwischenzeitlich verbotenen Kameradschaft "Mecklenburgische Aktionsfront" (MAF) organisiert wurde und knapp über 100 Teilnehmer aufweisen konnte, kontinuierlich und lag 2011 nur noch bei ca. 40 Personen. Neonazistische Aktionen zum 1. Mai 2011 Neben der zentralen NPD-Demonstration in der Hansestadt Greifswald, an der sich ca. 350 Personen - darunter zahlreiche Neonazis - beteiligten, waren nur vereinzelt eigene Aktionen der neonazistischen Szene feststellbar: Anhänger des rechtsextremistischen "Netzwerks für Tolerie und Demokranz" erschienen am 1. Mai 2011 beim "Demokratiefest" in Neubrandenburg. Ihnen wurde ein Platzverweis für den Marktplatz ausgesprochen. Daraufhin wurden nach eigenen Angaben in der Innenstadt einige hundert Flugblätter verteilt. Die "Nationalen Aktivisten Waren" haben auf ihre Internetseite 42 ein "Aktionsvideo zum 1. Mai 2011" eingestellt, in dem eine Flugblattaktion der Gruppierung gezeigt wird. In Waren, Röbel und Malchow wurden offenbar Flugblätter zum Thema "Fremdarbeiterinvasion stoppen" verteilt. Darüber hinaus ist erkennbar, dass vielerorts auch themenbezogene Aufkleber angebracht wurden. Neonazistische Aktionen zum 66. Jahrestag des 8. Mai 1945 Für Neonazis markiert der "Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus und der Beendigung des Zweiten Weltkrieges" den Untergang des von ihnen favorisierten politischen Systems und damit das "schwärzeste Datum der jüngeren deutschen Geschichte" 35 . Vor diesem ideologischen Hintergrund versucht die neonazistische Szene, aber auch die NPD, den Focus an diesem Gedenktag ausschließlich auf das Schicksal der deutschen Bevölkerung in den letzten Kriegstagen zu richten. Die Rolle des nationalsozialistischen Deutschlands und dessen Verantwortung für Völkermord und einen rassistisch motivierten Angriffskrieg wird dabei völlig ausgeblendet. Der jährlich stattfindende Trauermarsch am 8. Mai in Demmin wird seit dem Jahr 2009 traditionell vom "Nationalen Widerstand Landkreis Demmin" veranstaltet, der keine erkennbare Struktur aufweist. Die Protagonisten (Anmelder/ Redner) sind in der Regel NPD-Kader. Der Marsch unter dem Motto "8. Mai 1945 - Kein Grund zum Feiern. Vergessen wir Tod, Leid und Besatzung nicht" fand 2011 lediglich eine Woche nach der Demonstration der NPD in der Hansestadt Greifswald statt. Diese in sehr kurzem Abstand erfolgte Mobilisierung zeigt, wie wichtig der Szene dieser Termin ist. Als Anmelder fungierte der stellvertretende NPDLandesvorsitzende Michael GIELNIK. Insgesamt wurden etwas mehr als 200 Teilnehmer der rechtsextremistischen Szene registriert. Reden hielten u. a. GIELNIK und der NPD-Landtagsabgeordnete Tino MÜLLER. Nach einer Schweigeminute wurde ein Kranz in die Peene geworfen. Landesweit waren anlässlich des 66. Jahrestages des 8. Mai 1945 - neben dem o. a. Trauermarsch in Demmin - zahlreiche rechtsextremistische Aktivitäten feststellbar: 35 vgl. Internetseite "freies-pommern": "Nachgereicht: 8. Mai - Kein Tag der Befreiung in Uecker-Randow" vom 17.05.2011, abgerufen am 18.05.2011 43 So wurden u. a. im Zeitraum vom 6. - 9. Mai 2011 in Pasewalk, Löcknitz, Strasburg, Eggesin und Ueckermünde im Landkreis Uecker-Randow durch unbekannte Täter über 70 Holzkreuze aufgestellt sowie Bettlaken und Plakate mit Aufschriften wie "8. Mai 1945 - Raub, Mord, Vertreibung" oder "8. Mai 1945 - kein Grund zum Feiern! Vergessen wir Tod, Leid und Besatzung nicht. Freie Kameradschaften Pommern" angebracht. In Grevesmühlen wurden am 8. Mai 2011 drei in Altkleider gehüllte Strohpuppen mit den Aufschriften "GESCHÄNDET", "VERSCHLEPPT", "ERMORDET" sowie "8. MAI WIR FEIERN NICHT" aufgefunden. Aktionen zum Todestag von Rudolf Heß am 17. August Der Jahrestag des Todes des HITLER-Stellvertreters Rudolf HEß war auch 2011 Anlass für Propagandaaktionen der rechtsextremistischen Szene. So wurden entsprechende Graffiti und Transparente u. a. in Neustrelitz, Waren, Anklam, Rostock, Schwerin und Greifswald festgestellt. Vereinzelt wurden auch kleinere Gedenkveranstaltungen abgehalten. So z. B am 17. August 2011 in Anklam. Insgesamt fielen die Aktivitäten zum Todestag von Rudolf HEß 2011 im Vergleich zu den Vorjahren geringer aus. Gedenkveranstaltung für die "Opfer des Marsches auf die Feldherrnhalle" am 9. November 2011 auf Usedom Beim "Marsch auf die Feldherrnhalle" in München am 9. November 1923, einem nationalistischen Putschversuch u. a. durch Adolf HITLER und Erich LUDENDORFF, kamen insgesamt 16 Putschisten ums Leben. HITLER widmete sein Werk "Mein Kampf" diesen getöteten Nationalsozialisten, die in der NS-Zeit als "Blutzeugen der Bewegung" geehrt und denen der "Gedenktag für die Gefallenen der Bewegung" gewidmet wurde. Wie 2010 berichtete der rechtsextremistische Internetauftritt "freies-pommern" über eine Gedenkveranstaltung am 9. November 2011 auf der Insel Usedom. Hierbei seien vor einem Gedenkkreuz 16 Grablichter aufgestellt sowie eine Rede über den 9. November als "schicksalsträchtigen Tag in der Geschichte des 44 deutschen Volkes" gehalten worden. Rechtsextremistische Gedenkveranstaltungen anlässlich des Volkstrauertages am 13. November 2011 ("Heldengedenken") Rechtsextremisten nutzen den Volkstrauertag, um die Taten der deutschen Wehrmacht zu verherrlichen und die NS-Verbrechen zu relativieren. Ähnlich wie bei den Aktionen zum 8. Mai wird ausschließlich der deutschen Opfer der Weltkriege gedacht. Die neonazistische Szene begeht ihren "Heldengedenktag" sowohl im März 36 als auch am nationalen Feiertag, dem Volkstrauertag, im November. Am 12. November 2011 bewegten sich ca. 30 Personen durch Löcknitz und legten auf dem Friedhof einen Kranz mit der Aufschrift "NPD - Die Not der Heimat war ihr Befehl" nieder. Kranzniederlegungen der Szene fanden u. a. auch bei Goldenbaum/ Carpin, in Ferdinandshof, Blumenthal, Ueckermünde, Eggesin, Bargischow, Straßburg und Koblentz bei Pasewalk statt. Am Denkmal Theodor Körners in Lützow führten ca. 50 Personen mit Fackeln eine Gedenkveranstaltung durch. Auf dem Golm auf Usedom sei "trotz des neuen Gräberstättengesetzes und einer seit Freitag andauernden Polizeipräsenz" eine Kranzniederlegung durchgeführt worden. "Die volkstreue Jugend" habe damit gezeigt, "daß sie sich von niemand vorschreiben lässt, wann und wo sie Totenehrungen durchführt" 37. (Schreibweise wie im Original) 36 Im Februar 1939 verlegten die Nationalsozialisten den ehemaligen "Volkstrauertag" als "Heldengedenktag" auf den 16. März (Tag der Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht im Jahre 1935) bzw. auf den Sonntag davor. Damit sollte offenbar das Wiedererstarken des Deutschen Reiches symbolisiert werden sowie eine klare Ablösung vom christlichen Kalender erfolgen. 37 Internetseite "freies-pommern.de": "Ehre, wem Ehre gebührt!" vom 14.11.2011, abgerufen am 15.11.2011 45 Sonstige Veranstaltungen Über die oben beschriebenen Aktionen hinaus wurden durch die rechtsextremistische Szene auch wieder Veranstaltungen mit heidnischem bzw. nationalsozialistischem Hintergrund durchgeführt. Hierzu gehören insbesondere Feste zum Jahreslauf, die sich auf vermeintliche germanische Traditionen beziehen, wie z. B. Sonnenwendoder Julfeiern. Rechtsextremisten aus Mecklenburg-Vorpommern an Demonstration in Schweden beteiligt Rechtsextremisten aus Deutschland, darunter Personen aus Mecklenburg-Vorpommern, beteiligten sich am 10. Dezember 2011 an einer Demonstration der rechtsextremistischen Szene in der Nähe von Stockholm. Diese wurde bislang regelmäßig zum Gedenken an den schwedischen Rechtsextremisten Daniel WRETSTRÖM, der am 9. Dezember 2000 durch jugendliche Migranten getötet wurde, veranstaltet. In diesem Jahr stand die Veranstaltung unter dem Motto "Stoppt die Schwedenfeindlichkeit". Teilgenommen hätten insgesamt etwa 80 Deutsche. Das rechtsextremistische "Nordische Hilfswerk" (NHW) veröffentlichte einen Bericht über die Teilnahme deutscher Rechtsextremisten an der Veranstaltung. Es wird von einem in Schweden lebenden Deutschen verantwortet und sieht sich als "länderübergreifendes Netzwerk", das sowohl Veranstaltungen organisiert als auch Unterstützung jeglicher Art für Rechtsextremisten anbietet. Als deutsche Partner werden u. a. die NPD-Fraktionen in Schwerin und Dresden genannt. Vor diesem Hintergrund ist auch erklärlich, warum Rechtsextremisten aus Mecklenburg-Vorpommern an Veranstaltungen in Schweden teilnehmen. Der NPD-Fraktionsvorsitzende Udo 46 PASTÖRS hatte beim letztjährigen "Wretström-Marsch" eine von der Szene gelobte Rede gehalten. Die Einbindung der Schweriner NPD-Landtagsfraktion in das NHW bestätigt erneut deren zentrale Rolle bei der Vernetzung der rechtsextremistischen Szene sowie die deutliche Verbindung der hiesigen NPD zu auch internationalen neonazistischen Strukturen. Angriffe auf Wahlkreisbüros und Sachbeschädigungen an Wahlplakaten demokratischer Parteien Im Jahr 2011 wurden wieder zahlreiche Sachbeschädigungen an Wahlkreisbüros von im Landtag vertretenen Parteien registriert. Insgesamt zählte das Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern 46 derartige Übergriffe (2010: 44). So wurden beispielsweise im März 2011 in Anklam an die Außenfassade und an den Außenrollläden des Parteibüros "DIE LINKE" mit schwarzem Sprühlack der Schriftzug "Nationaler Sozialismus" sowie ein Hakenkreuz und eine Sigrune 38 geschmiert. Dasselbe Wahlkreisbüro wurde im Februar und Juni 2011 durch unbekannte Täter beschädigt. Zudem wurden in derselben Nacht in der Anklamer Innenstadt die in Gehwege eingelassenen "Stolpersteine", die als Gedenktafeln an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern sollen, mit dem Schriftzug "Lüge" verunstaltet. Ein rechtsextremistischer Hintergrund ist jedoch nicht bei allen registrierten Straftaten unmittelbar ersichtlich, sondern lediglich grundsätzlich zu vermuten. Auffällig war, dass die Zahl der Angriffe seit Ende Juli 2011 mit Beginn der "heißen Phase" des Landtagswahlkampfes zurückging. Dafür waren vielerorts Sachbeschädigungen an Wahlplakaten demokratischer Politiker und Parteien im Rahmen des Wahlkampfes für die Landtagswahl 2011 zu verzeichnen. Auch bei diesen gab es teilweise - durch aufgebrachte "Heß-Aufkleber", Graffiti mit Symbolen verfassungswidriger Organisationen oder das Überkleben mit NPD-Wahlplakaten - Hinweise auf einen rechtsextremistischen Hintergrund. Insgesamt sind die Übergriffe auf Wahlkreisbzw. Bürgerbüros der im Landtag vertretenen Parteien (ohne NPD) als Teil einer Ver38 siehe Glossar 47 unsicherungsstrategie gegenüber dem politischen Gegner zu bewerten. Die rechtsextremistische Szene will offenbar deutlich machen, dass sie weiß, wo ihr "Feind" sitzt und dass dieser jederzeit angreifbar ist. Rechtsextremistische Parteien Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) Bund M-V Gründung 1964 1990 Sitz Berlin Hagenow Mitglieder 2011 6.300 400 2010 6.600 400 Publikationen "Deutsche Stimme", "Der Ordnungsruf", (Periodika) monatlich Publikation der Landtagsfraktion, kommunalpolitische Broschüre "Kurz und Knapp" Internet Die NPD ist auf allen organisatorischen Ebenen (Bundesverband, Landes-und Kreisverbände, Landtagsfraktionen, Kommunalvertretungen) flächendeckend im Internet vertreten. Struktur Die NPD weist weiterhin etwa 400 Mitglieder auf und verfügte 2011 über die Kreisverbände: * Westmecklenburg * Mecklenburg-Mitte * Nordvorpommern * Mecklenburg-Strelitz * Ostvorpommern * Uecker-Randow. 48 Erneut lagen die Schwerpunkte der Parteiarbeit in Westmecklenburg und in den ehemaligen Landkreisen Ostvorpommern und Uecker-Randow. Von besonderer - auch bundesweiter - Bedeutung ist weiterhin die NPD-Landtagsfraktion. Ihr provokantes Auftreten garantiert der Partei regelmäßig eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit. Die der Fraktion zur Verfügung stehenden Möglichkeiten (Bürgerbüros, Propagandamittel) sind zwischenzeitlich fester Bestandteil der rechtsextremistischen Infrastruktur im Lande geworden. Darüber hinaus nimmt die Fraktion aktiv die Rolle eines Impulsgebers für die ganze Szene wahr, etwa bei der Setzung von Themen oder der Organisation von Demonstrationen. Vor diesem Hintergrund erklären sich auch die nachfolgend beschriebenen Anstrengungen im Landtagswahlkampf 2011. Strategie / ideologische Ausrichtung Insgesamt blieb die NPD in Mecklenburg-Vorpommern 2011 ihrer "Vier-Säulen-Strategie" 39 treu. Im Vordergrund stand mit Blick auf die Landtagsund Kommunalwahlen jedoch der "Kampf um die Parlamente". Im "Kampf um den organisierten Willen" machte die Partei erneut ihren Führungsanspruch innerhalb des rechtsextremistischen Lagers im Land deutlich. Im "Kampf um die Köpfe" setzte die NPD auf eine umfassende Propaganda, die sowohl regionale wie auch überregionale Aspekte aufgreift und weiterhin das Ziel verfolgt, die Demokratie der Bundesrepublik verächtlich zu machen. So seien die "bundesdeutschen Parlamentsdebatten...Eine einziges und vor allem trauriges Schmierentheater" (Text wie im Original). 40 Der "Kampf um die Straße" wurde durch regelmäßige Infostände und Demonstrationen geführt. 39 siehe Glossar 40 NPD-Landtagsfraktion: Der Ordnungsruf- 5 Jahre fundamentale Oppositionsarbeit für FAMILIE, VOLK UND HEIMAT, Schwerin 2011, S. 2 49 Auch 2011 zeigte der hiesige NPD-Landesverband seine Nähe zum Gedankengut des Nationalsozialismus. Deutlich wurde dies durch die enge Zusammenarbeit mit der neonazistischen Kameradschaftsszene oder den Ereignissen im Grevesmühlener "ThingHaus" (s. o.) sowie der Beteiligung an der "Volkstodkampagne". Augenfällig war in diesem Zusammenhang auch die auf "MUPINFO" 41 erwähnte Grußbotschaft des NPD-Fraktionsvorsitzenden Udo PASTÖRS für die bekennende "Holocaust-Leugnerin" Sylvia STOLZ, in der er nach deren Haftentlassung (13. April 2011) deren "Bemühungen um Meinungsfreiheit" gewürdigt und "die Anstrengungen seiner Fraktion um Beseitigung des Maulkorbparagraphen 130 StGB" betont habe. Karsten MÜNCHOW, NPD-Kreistagsmitglied im Kreistag Vorpommern-Rügen und Landtagskandidat der NPD, zeigt sich im Internetportal "MySpace" 42 mit einem T-Shirt, auf dem die Worte "Support your local Einsatzkommando" und eine Maschinenpistole aufgedruckt sind. Die Farben des Aufdruckes (weiß, rot und schwarz) sind sicherlich nicht zufällig gewählt. Sie sind Teil der NS-Symbolik. In diesem Zusammenhang gewinnt auch das deutsche Wort "Einsatzkommando" eine spezifische Bedeutung. Es deutet auf die von der SS eingesetzten "Einsatzkommandos" hin, die Massenmordaktionen im Zuge des rassistischen Vernichtungsfeldzuges gegen die Sowjetunion durchgeführt haben. 43 Die Nähe zur NSDAP wird auch durch ein vom NPD-Landesverband angebotenes T-Shirt deutlich, auf dem zum Stoppen der "Fremdarbeiterinvasion" aufgefordert wird, wobei die Parole durch eine Arbeiterabbildung unterlegt wird, die von einem Wahlplakat der NSDAP aus dem Jahr 1932 stammt 44. 41 Internetseite "MUPINFO": "Sylvia Stolz entlassen - auch Pastörs ließ Grußworte übermitteln" vom 16.04.2011, abgerufen am 18. 04. 2011 42 Internetportal My Space vom 07.09.2011 43 vgl. Longerich, Peter: Heinrich Himmler - Biographie, München: Pantheon Verlag 2010, S. 540f. 44 Internetseite der NPD Mecklenburg-Vorpommern vom 06.06.2011, abgerufen am 08.06.2011 50 Beteiligung an den Landtagsund Kommunalwahlen 2011 Nach einem aufwendigen Wahlkampf, der die Geschlossenheit der hiesigen rechtsextremistischen Szene erneut deutlich machte und durch Kader aus dem Bundesvorstand sowie aus anderen Landesverbänden unterstützt wurde, konnte die NPD ihre Wahlziele im Wesentlichen erreichen. Sie schaffte mit 6,0 % der Zweitstimmen den Wiedereinzug in den Landtag und ist zugleich mit 23 Mandatsträgern in allen neu gewählten Kreistagen vertreten. Fraktionsstärke (mindestens vier Kommunalvertreter) erreichte sie in den neuen Landkreisen Ludwigslust-Parchim, Vorpommern-Greifswald und Mecklenburgische Seenplatte. Die besten Wahlergebnisse erzielte die NPD erwartungsgemäß in ihren Hochburgen im Bereich Ludwigslust-Parchim sowie im Osten des Landes. In einer ersten Reaktion bewertete der NPD-Landesvorsitzende Stefan KÖSTER die Wahlen als "Riesenerfolg", zeigte sich aber mit Blick auf die deutlichen Stimmenverluste gegenüber der Landtagswahl 2006 nachdenklich und kündigte eine "kritische" Auseinandersetzung mit dem Wahlergebnis an. 45 Der Bundesvorsitzende Udo VOIGT beglückwünschte den bisherigen NPD-Fraktionsvorsitzenden Udo PASTÖRS zu seinem Wahlerfolg und unterstrich bei der Gelegenheit erneut den Führungsanspruch der NPD im "nationalen Lager" 46. Insgesamt kann der NPD-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern die Wahlergebnisse als Erfolg seiner Strategie betrachten. Sie ist wesentlich dadurch gekennzeichnet, dass das innerparteiliche Klima eine geistige Verbindung zum Nationalsozialismus ermöglicht und gleichzeitig nach außen der Weg in die Mehrheitsgesellschaft gesucht wird, wobei ihr die erkennbare Nähe zum Nationalsozialismus mit Blick auf das Wahlverhalten offenbar nicht schadet. Im Gegenteil: Das mittlerweile deutlich erkennba45 Internetseite "MUPINFO": NPD-Landesvorsitzender: "Lehren aus der Wahl ziehen!" vom 05.09.2011, abgerufen am 06.09.2011 46 Internetseite "MUPINFO": "Udo VOIGT zur gestrigen Landtagswahl, Nur gemeinsam sind wir stark! - Wiedereinzug in Mecklenburg-Vorpommern geschafft! - Jetzt: Auf nach Berlin!" vom 05.09.2011, abgerufen am 06.09.2011 51 re Stammwählerpotenzial dürfte die NPD gerade wegen dieser unverkennbaren und auf einen Systemwechsel ausgerichteten Politik wählen. Zu einem in der Gesamtpartei diskutierten Kurswechsel in der Programmatik oder in der Außendarstellung der Partei besteht aus Sicht des hiesigen Landesverbandes insoweit kein Anlass. Kandidatenaufstellung und Wahlkampf Der NPD-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern startete bereits 2010 mit Wahlkampfaktivitäten. Die Partei bemühte sich intensiv um eine öffentliche Präsenz, u. a. mit dem Aufgreifen des emotional aufgeladenen Themas "Kindesmissbrauch", zu dem landesweit Demonstrationen, Mahnwachen und sonstige Propagandaaktivitäten durchgeführt wurden. Dabei wurde stets die "Todesstrafe für Kinderschänder" gefordert. Diese Kampagne wurde 2011 fortsetzt. Festzustellen war auch eine parteiinterne Mobilisierung. So ist es gelungen, eine 20 Personen umfassende Landesliste aufzustellen und in allen 36 Landtagswahlkreisen Direktkandidaten zu gewinnen, wobei es zu vereinzelten Überschneidungen gekommen ist. Während unter den Listenkandidaten keine Frau zu finden war, waren zwei Direktkandidatinnen weiblich. Dabei handelt es sich um die Ehefrauen von NPD-Kadern. Weiterhin wurden 51 Wahlkandidaten (darunter vier Frauen) für die neu zu wählenden Kreistage bestimmt. Zur Wahl der Landräte hatten sich Marianne PASTÖRS (Landkreis Ludwigslust-Parchim) und Michael GIELNIK (Landkreis Vorpommern-Greifswald) für die NPD beworben. Die Kandidatur GIELNIKs war vom Kreiswahlausschuss abgelehnt worden, weil er ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung verweigert hatte. Der Landeswahlausschuss hat GIELNIKS Beschwerde zurückgewiesen. Frau PASTÖRS wurde durch den Kreiswahlausschuss zur Wahl zugelassen. Insgesamt bestätigte die Kandidatenaufstellung, dass die Verschränkung zwischen der NPD und der Neonaziszene in Mecklenburg-Vorpommern im bundesweiten Vergleich besonders intensiv ist. Zahlreiche Kandidaten finden sich sowohl in der NPD 52 als auch in örtlichen Neonazistrukturen. Diese Verankerung ermöglicht es der Partei trotz ihrer geringen Stärke flächendeckend zu agieren. Die "heiße" Phase des Wahlkampfes begann Ende Juli 2011. Zu diesem Zeitpunkt wurde unter dem Motto "UNSERE HEIMAT - UNSER AUFTRAG" im Internet ein Wahlportal freigeschaltet, das neben der Vorstellung der Landtagskandidaten auch ein 25-PunkteWahlprogramm enthielt. Ähnlich wie im Landtagswahlkampf 2006 präsentierte sich die NPD als "Heimatpartei", die mehr Demokratie einfordert, den "Gemeinnutz" in den Vordergrund stellt und "soziale Gerechtigkeit" - allerdings nur für Deutsche - anmahnt. Dabei gingen die Wahlkampfthemen z. T. weit über den Landesund Kommunalbezug hinaus. Auffällig war erneut eine starke Fixierung auf staatliche "Großsysteme" (Volksrentenbzw. Volkskrankenkasse, bundeseinheitliche Vorgaben in der Bildungspolitik) und die Betonung der Rolle des Staates in der Daseinsvorsorge sowie bei der Lenkung der Wirtschaft. Daneben griff die NPD folgende Themen auf, die offenbar eine Verbindung zwischen der Gesamtprogrammatik der Partei, landesspezifischen Besonderheiten und aktuellen politischen Entwicklungen herstellen sollten: * "Kindeswohl" (Förderung deutscher Familien, "Unschädlichmachung" von Kinderschändern) * Zuwanderung, "Überfremdung" ("Fremdarbeiter" aus Osteuropa, "Antipolenkampagne", Moscheebau in Rostock als "Zeichen muslimischer Landnahme", Schutz der Grenzen, "Zuwanderungsstopp") * "raumorientierte Wirtschaftspolitik" (Schaffung regionaler Wirtschaftskreisläufe, Abschaffung des Euro und die Wiedereinführung der D-Mark zur Abwendung der Finanzkrise, ggf. die Einrichtung eines Währungsverbundes der nordischen Staaten, Stärkung des deutschen Handwerks, Kontrolle der Banken) * Umweltschutz, ländliche Räume (Förderung des ländlichen Raumes, nationale Landwirtschaft, Tierschutz, gentechnikfreie Zone, Ablehnung eines atomaren Zwischenlagers in Lubmin, kein Kernkraftwerk in Polen). 53 Offen rechtsextremistisch war die Behauptung der NPD, die Kultur entwickle sich "aus den biologischen Werten eines Volkes" und es sei die Pflicht, diese zu erhalten sowie die mit Blick auf eine Relativierung der NS-Gewaltherrschaft erhobene Forderung nach "Beendigung des antideutschen Schuldkultes". Diese Themen fanden sich entsprechend in der flächendeckenden und die kleinsten Orte des Landes erreichenden Wahlplakataktion wieder. Es sollen über 80.000 Plakate angebracht worden sein. Die in erheblichem Ausmaß zerstörten Plakate wurden regelmäßig und rasch ersetzt. Im Unterschied zu 2006 setzte die Partei bei der Plakatierung von Anfang an auf einen personenbezogenen Wahlkampf. Dies ist mit Blick auf den hohen öffentlichen Bekanntheitsgrad des Spitzenkandidaten PASTÖRS auch nachvollziehbar. Dessen Konterfei war entsprechend landesweit unübersehbar. Schwerpunktmäßig wurden jedoch auch 2011 Sachthemen in den Vordergrund gestellt. Im Rahmen des Wahlkampfes kam es darüber hinaus zur Verteilung von mehreren Hunderttausend Exemplaren der Fraktionszeitung "Ordnungsruf", der Wahlzeitung "Weiterdenken" sowie der Parteizeitung "Deutsche Stimme". Darüber hinaus wurden Themenund Kandidatenflyer verbreitet. Ergänzt wurde das NPD-Material durch die "Boten" der ehemaligen neonazistischen "Initiative für Volksaufklärung e. V.", die überwiegend im Osten des Landes herausgegeben werden und die Propaganda der NPD verstärken sollen, ohne als unmittelbares NPD-Projekt erkennbar zu sein (s. o.). Zum Einsatz kamen auch Fernsehund Radiospots sowie aktuelle Videobotschaften im NPD-eigenen Fernsehprojekt "Weiterdenken TV". Bemerkenswert war hierbei das schnelle Aufgreifen tagespolitischer Themen, seien es die damaligen Ausschreitungen in London oder der geplante Abbau von Arbeitsplätzen in der Eisengießerei in Torgelow. Die öffentliche Präsenz wurde verstärkt durch mehrere Demonstrationen und zahlreiche Infostände, Kinderfeste sowie den Einsatz der Infomobile "Flaggschiff Waterkant" und "Rote Rakete". 54 Der Versuch, eine neue "Schulhof-CD" zum Einsatz zu bringen, scheiterte bereits im September 2010 aufgrund einer vom Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern ausgelösten Indizierung. Unmittelbar vor dem Wahltag wurde zudem ein Werbeflugzeug eingesetzt, das über einer gegen die NPD gerichteten Veranstaltung am 2. September in Schwerin kreiste. Vor diesem Hintergrund dürften die finanziellen Aufwendungen für den Wahlkampf erheblich gewesen sein. Der NPD-Landesvorsitzende Stefan KÖSTER gab gegenüber den Medien eine Summe von 200.000 Euro an. Dies dürfte allein mit Blick auf die Masse der Plakate deutlich zu niedrig sein. Ein Teil der dafür notwendigen Einnahmen dürfte aus dem Spendenaufruf "1,2,3 -Wieder mit dabei." stammen, der jedem Spender, der 123 Euro spendet, eine exklusive Münze nebst Etui, die als Prägung das Wahlkampfmotto "Unsere Heimatunser Auftrag" trägt, versprach. Insgesamt zeigte sich die NPD während des Wahlkampfes optimistisch, den Wiedereinzug in den Landtag zu schaffen. Die in den Medien veröffentlichten Umfrageergebnisse stützten diese Gefühlslage. Danach lag die Partei bei 4 %, wobei sich bis zu 9 % der Befragten hätten vorstellen können, NPD zu wählen (Infratest dimap) 47. Zuletzt lag die NPD in Umfragen bei 5 %. 48 47 http://wahlarchiv.tagesschau.de/wahlen/2011-09-04-LT-DE-MV/umf..., abgerufen am 07.09.2011 48 Ostseezeitung vom 25.08.2011 55 Wahlergebnisse 49 Der in der rechtsextremistischen Szene vorhandene Optimismus war letztlich nicht unberechtigt. Die NPD ist weiterhin im Landtag und in den aufgrund der Kreisgebietsreform neu zu wählenden Kreistagen vertreten. Ergebnisse der Landtagswahl Bei der Landtagswahl am 4. September konnte die NPD 5,8 % der Erststimmen (39.613) und 6,0 % der Zweitstimmen (40.642) auf sich vereinigen. Gegenüber der Landtagswahl 2006 (Erststimmen: 57.008/ 7,0 %, Zweitstimmen: 59.845/ 7,3 %) hat die Partei damit 17.395 Erststimmen bzw. 19.203 Zweitstimmen verloren. Im Vergleich zur Bundestagswahl 2009 (28.228 Zweitstimmen, 3,3 %) konnte die NPD die absolute Stimmenzahl jedoch deutlich steigern. Die Ursachen für den Stimmenrückgang bei der Landtagswahl 2011 sind nicht sicher zu benennen. Allerdings sind 2006 nahezu 140.000 Wähler mehr zur Wahl gegangen als in 2011. Darunter waren auch NPD-Wähler, die bei dieser Landtagswahl der Wahlkabine fernblieben. Dafür spricht, dass nach einer Wählerwanderungsanalyse von Infrastet dimap 18.000 Wähler in den Nichtwählerbereich abgewandert sind. 50 Diesen Verlust konnten die Zugewinne durch Wählerwanderungen aus anderen politischen Lagern nicht wettmachen. Insoweit dürfte sich die verringerte Wahlbeteiligung (2006: 59,1 %/ 2011: 51,4 %) auch auf das Wahlergebnis der NPD ausgewirkt haben. Insgesamt ist es der NPD nicht gelungen, ihr eigenes Wählerpotenzial vollständig zu mobilisieren. Die Partei hat diese Entwicklung durchaus erkannt. So stellte der Landesvorsitzende Stefan KÖSTER in einer Stellungnahme zum 49 vgl. http://wahlen.m-v.de 50 http://wahlarchiv.tagesschau.de/wahlen/2011-09-04-LT-DE-MV/umf..., abgerufen am 07.09.2011 56 Wahlausgang fest: "Viele unserer Wähler sind diesmal zu Hause geblieben". 51 Besonders gute Zweitstimmenergebnisse (über 7,5 %) konnte die NPD in folgenden Wahlkreisen erzielen: Wahlkreis Wahlergebnis 2011 Wahlergebnis 2006 Demmin I 7,9 % 8,8 % Ludwigslust I 8,3 % 9,1 % Ostvorpommern I 10,4 % 12,2 % Ostvorpommern II 11,3 % 11,6 % Uecker-Randow I 15,4 % 15,0 % Uecker-Randow II 12,0 % 13,1 % Diese Werte zeigen, dass die NPD auch in ihren Hochburgen Stimmen verloren hat. Lediglich im Wahlkreis Uecker-Randow I konnte sie ihren relativen Stimmenanteil erhöhen. Dort war der bekannte NPD-Landtagsabgeordnete und Neonazi-Kader Tino MÜLLER zum wiederholten Male als Direktkandidat angetreten. Er konnte auch seinen Erststimmenteil von 14,4 % im Jahr 2006 auf 14,7 % steigern. Die Stimmenzahl sank jedoch von 2.670 auf 2.284 ab. Damit erreichte er aber immer noch die höchste Erststimmenzahl aller NPD-Direktkandidaten. Ihre schlechtesten Ergebnisse erzielte die NPD wiederum in folgenden Wahlkreisen: Wahlkreis Wahlergebnis 2011 Wahlergebnis 2006 Rostock III 2,8 % 3,8 % Rostock IV 3,9 % 4,9 % Schwerin I 3,8 % 4,7 % 51 Internetseite "MUPINFO": NPD-Landesvorsitzender: "Lehren aus der Wahl ziehen!" vom 05.09.2011, abgerufen am 06.09.2011 57 Diese städtisch geprägten Milieus werden von der NPD-Programmatik offenbar weiterhin nicht angesprochen. Hier ist sogar ein Rückgang zu verzeichnen. Der im Wahlkreis Schwerin I als Direktkandidat angetretene Udo PASTÖRS konnte trotz seines Bekanntheitsgrades nur 3,6 % der Erststimmen auf sich vereinigen. Insgesamt ist weiterhin feststellbar, dass der Wähleranteil der NPD in den größeren Städten in der Regel unterhalb des Landesdurchschnittes liegt. Ansonsten verteilen sich die Stimmenanteile jedoch - abgesehen von den Hochburgen - in den einzelnen Landesteilen eher gleichmäßig. Auffällige Einzelergebnisse Auch bei dieser Landtagswahl gab es regionale Spitzenergebnisse, die von der Szene als "traumhaft" 52 bezeichnet wurden: Ort Wahlergebnis 2011 Wahlergebnis 2006 Koblentz 33,0 % 24,6 % Postlow 28,9 % 38,2 % Blesewitz 28,9 % 32,2 % Wilhelmsburg 26,8 % 27,9 % Hammer an der 26,0 % 18,1 % Uecker Ziethen 25,1 % 25,4 % Kamminke 25,0 % 14,7 % Neuenkirchen 23,8 % 30,1 % Lassan, Stadt 23,8 % 21,2 % Usedom, Stadt 23,4 % 18,3 % In den fett geschriebenen Orten wurde die NPD sogar stärkste Kraft. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass es sich hier vielfach um kleine Gemeinden unter 500 Einwohnern handelt. Diese liegen alle im neu gebildeten Landkreis VorpommernGreifswald, wo sich traditionell Hochburgen der rechtsextremistischen Szene befinden. 52 Internetseite "MUPINFO": "Spitzenwerte zur Landtagswahl" vom 05.09.2011, ab gerufen am 06.09.2011 58 Im Westen des Landes sind folgende Ergebnisse erwähnenswert: Der NPD-Landesvorsitzende Stefan KÖSTER konnte als Direktkandidat im Wahlkreis Ludwigslust II 6,1 % der Erststimmen erringen und liegt damit leicht über dem Landesdurchschnitt von 5,8 %. Die Ehefrau des NPD-Spitzenkandidaten Marianne PASTÖRS erreichte als Direktkandidatin im Wahlkreis Ludwigslust I 7,7 % der Erststimmen und konnte damit den Landesdurchschnitt von 5,8 % deutlich überschreiten. In diesem Wahlkreis liegen jedoch rechtsextremistische Hochburgen, in denen mehrere NPD-Kader wohnhaft sind. Gewählte Kandidaten Die NPD konnte durch ihren Zweitstimmenanteil fünf Mandate erringen. Neben den bisherigen NPD-Landtagsabgeordneten Udo PASTÖRS, Stefan KÖSTER (Landesvorsitzender), Michael ANDREJEWSKI und Tino MÜLLER konnte auch David PETEREIT aus Rostock in den Landtag einziehen. Er stammt wie Tino MÜLLER aus der Neonaziszene und gilt als eine Führungsperson im Rechtsextremismus des Landes. Ergebnisse der Landratsund Kreistagswahlen Bei der durch die Kreisgebietsreform erforderlich gewordenen Neuwahl der Kreistage konnte die NPD landesweit 5,4 % der Stimmen und damit 23 Mandate erringen. Unter den Mandatsträgern sind auch vier Frauen. Werden die drei Mandate in den kreisfreien Städten Schwerin und Rostock, in denen nicht gewählt wurde, addiert, kommt die NPD auf insgesamt 26 Sitze. Dies entspricht der Anzahl der bei der Kommunalwahl 2009 erreichten Mandate. Ein unmittelbarer Vergleich der erreichten Stimmen mit der Wahl 2009 jedoch ist nicht möglich, da die NPD seinerzeit nicht flächendeckend antrat. Ihr Stimmenanteil lag 2009 landesweit nur bei 3,2 %. 59 Ihre besten Ergebnisse erzielte die NPD 2011 erwartungsgemäß in ihren Hochburgen im Landkreis Ludwigslust-Parchim und Vorpommern-Greifswald. Die Ergebnisse im Einzelnen: Landkreis Wahlergebnis Sitze Mecklenburgische Seenplatte 4,8 % 4 Rostock 4,0 % 3 Vorpommern - Rügen 4,3 % 3 Nordwestmecklenburg 4,3 % 3 Vorpommern - Greifswald 8,9 % 6 Ludwigslust - Parchim 5,5 % 4 Da SS 105 Abs. 4 der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern für die Fraktionsstärke mindestens vier Mandate vorschreibt, verfügt die NPD in drei Landkreisen (oben fett dargestellt) über einen Fraktionsstatus. Die im Landkreis Ludwigslust-Parchim zur Landratswahlwahl zugelassene NPD-Funktionärin Marianne PASTÖRS konnte 5,9 % der Stimmen auf sich vereinigen, sie ist künftig zusammen mit ihrem Ehemann Udo PASTÖRS und zwei weiteren NPD-Kadern, darunter der Landesvorsitzende KÖSTER, im Kreistag vertreten. Schlussfolgerungen * Es ist der NPD in Mecklenburg-Vorpommern einmal mehr gelungen, durch einen intensiven Wahlkampf für eine entsprechende öffentliche Aufmerksamkeit zu sorgen. * Sie hat es erneut geschafft, den Großteil der hiesigen rechtsextremistischen Szene hinter sich zu vereinigen und in den Wahlkampf einzubinden, der dadurch flächendeckend ausfiel. * Die Partei verfügte über die nötigen finanziellen Ressourcen. * Ihre Programmatik hat Wähler angesprochen. * Die vielfältigen Aktivitäten gegen die NPD haben nicht die gewünschte Wirkung entfaltet. Ihr Stammwählerpotenzial lässt sich von öffentlichen Kampagnen sichtlich nicht beeindrucken. Dies spricht für eine deutliche ideologische Nähe der Wähler 60 zur Partei. Hinzu kommt, dass die provokativen Aktionen der NPD gegen die von ihr so genannten "Systemparteien" scheinbar die Erwartungshaltung ihrer Wählerschaft treffen. * Das Wahlergebnis wird durch die Hochburgen geprägt. Abgesehen von einzelnen schwachen Ergebnissen in innerstädtischen Milieus verteilen sich die Stimmen darüber hinaus im Lande eher gleichmäßig. Allerdings: * Seit 2006 konnte die Partei ihre Stimmenanteile nicht ausbauen. Damit bleiben ihre politischen Einflussmöglichkeiten in demokratischen Gremien auf dem bisher erreichten Niveau. Kommunalpolitische Aktivitäten 2011 Die kommunalpolitischen Aktivitäten der NPD zeigten im Berichtszeitraum ein gemischtes Bild. Das Engagement reicht von völliger Untätigkeit bis hin zu regelmäßigen Anträgen in den Kommunalvertretungen mit entsprechender Darstellung im Internet. In der Gesamtschau versucht die Partei auch auf dieser politischen Ebene ihrer selbstgewählten Rolle als "Kümmerer" gerecht zu werden. In den Landkreisen Ludwigslust-Parchim und Ostvorpommern-Greifswald, wo auch die aktivsten NPD-Strukturen beheimatet sind, können verstärkte Bemühungen beobachtet werden, sich in die Kommunalpolitik einzubringen. Die Anträge weisen eine Qualitätssteigerung auf. Dies dürfte sowohl auf interne Schulungsmaßnahmen als auch auf die wachsende Erfahrung der NPD-Kader zurückzuführen sein. Ihre dabei fehlenden Durchsetzungsmöglichkeiten erklärt die NPD damit, dass ihre alle Lebensbereiche betreffenden Anträge und Vorschläge zum angeblichen Nutzen der Bürger stets abgewiesen würden. Deutlich wird, dass die kommunalpolitische Bühne schwerpunktmäßig auch als Propagandainstrument der Partei dient. So werden in den kommunalpolitischen Äußerungen, etwa zur 61 Kriminalitätslage an der Grenze zu Polen, auch ausländerund insbesondere polenfeindliche Botschaften transportiert. Zu beobachten ist darüber hinaus ein regelmäßiges Aufgreifen von Problemen der Freiwilligen Feuerwehren. Damit wird offensichtlich das Ziel verfolgt, ein die Bevölkerung stark interessierendes Thema zu besetzen und dem Staat auch auf diesem Feld Handlungsunfähigkeit zu unterstellen. NPD und Umweltschutz Wie oben bereits ausgeführt, hat die NPD in ihrem Wahlkampf u. a. das Politikfeld Umweltschutz besetzt. So forderte sie - sicherlich mit Blick auf die aktuelle Diskussion um die Kernkraft - auf Wahlplakaten "Atomtod aus Polen stoppen!" oder in einem Antrag der Landtagsfraktion ein Verbot des Importes von Atomstrom 53. Bereits im Januar 2011 griff die Fraktion die Proteste gegen die Massentierhaltung auf und forderte eine "artgerechte Tierhaltung", die nur durch eine "kleinteilige bäuerliche Landwirtschaft" verwirklicht werden könne 54. Deutlich werden dadurch zwei Aspekte: * Die NPD spricht Probleme an, die große Teile der Öffentlichkeit bewegen. Dabei verfolgt sie ganz offensichtlich das Ziel, in ein Themenfeld einzudringen, was üblicherweise von einem Klientel besetzt ist, das von seinem Selbstverständnis her sicher nicht zur klassischen NPD-Unterstützerszene zählt. Insoweit wird hier der Versuch unternommen, anderen - demokratischen - Strukturen und Parteien das "Markenzeichen" Umweltschutz streitig zu machen. * Unter Hinweis auf das Motto: "Umweltschutz ist Heimat schutz" 55 verbindet die NPD mit dem Aufgreifen von ökologi53 Internetseite der NPD-Landtagsfraktion Mecklenburg-Vorpommern vom 30.06.2011, abgerufen am 15.12.2011 54 Internetseite der NPD-Landtagsfraktion Mecklenburg-Vorpommern vom 25.01.2011, abgerufen am 15.12.2011 55 Internetseite der NPD vom 21.04.2011 und Internetseite "freies-pommern", "Leitlinien für Deutsche" vom 11.02.2010, abgerufen am 15.12.2011 62 schen Fragen nicht nur eine politische Strategie, sondern auch die Aufforderung an ihre Anhänger, eine bestimmte Lebensweise zu pflegen. Hierzu gehört eben auch ein nachhaltiger Umgang mit der Natur, sei es im häuslichen Bereich oder aber in der Landwirtschaft, soweit Rechtsextremisten hier aktiv sind. "Junge Nationaldemokraten" (JN) Im Berichtszeitraum konnte ein Bedeutungszuwachs der Jugendorganisation der NPD, der JN, beobachtet werden. Der Internetauftritt des Landesverbandes Mecklenburg und Pommern berichtete 2011 regelmäßig über seine Aktivitäten. Dabei handelte es sich um Sportveranstaltungen, Aktionen zum Thema Bildungspolitik oder zum Missbrauch von Kindern. Auch in den Wahlkampf schaltete sich der Jugendverband ein, der für sich eine "spürbare Ausweitung der Jugendarbeit auf Landesebene" reklamierte 56. Besondere öffentliche Aufmerksamkeit erregte der JN-Segeltörn von Kiel nach Rostock im August 2011, der der NPD im Kampf um Landtagsmandate im Rahmen der "Hanse-Sail" offenbar die notwendige Presse verschaffen sollte. Für eine auch organisatorische Kontinuität spricht die Wahl des neuen Landesvorsitzenden Alf BÖRM im Dezember 2011. Er ist dem Umfeld des "Thing-Hauses" in Grevesmühlen zuzurechnen und sitzt für die NPD im Kreistag des Landkreises Nordwestmecklenburg. Ursache für diese Entwicklung könnten im Wesentlichen folgende Aspekte sein: * In der hiesigen rechtsextremistischen Szene ist nach wie vor ein Bedürfnis nach "Fahrt und Lager" vorhanden, das nach dem Verbot der "Heimattreuen Deutschen Jugend" (HDJ) im Jahr 2009 offenbar nicht in dem gewünschten Maße befriedigt wird. Die JN bieten unter dem "Schutzschirm" einer nicht verbotenen Partei die Möglichkeit, entsprechende Aktivitäten zu entfalten. * Die NPD sieht junge Menschen als eine ihrer Hauptzielgruppen an. Der in dieser Altersgruppe allenthalben vorhandenen Skep56 Internetseite der JN Mecklenburg und Pommern vom 25. 03.2011, abgerufen am 15.12.2011 63 sis gegenüber regulärer Parteiarbeit bei aber durchaus generellem politischen Interesse versucht die Partei durch das aktionsorientierte und zugleich revolutionäre Konzept der JN zu begegnen. Fusion von NPD und DVU Die gerichtlichen Streitigkeiten um die Fusion der NPD mit der "Deutschen Volksunion" (DVU) zur neuen Partei "NPD - Die Volksunion" dauerten 2011 an. Ende Mai 2012 haben die Landesverbände Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen ihre Klagen zurückgezogen. Damit hat sich die DVU endgültig aufgelöst. Von den ehemals ca. 60 Mitgliedern des DVU-Landesverbandes sind nur einzelne zur NPD gewechselt. Nutzung des Internets durch Rechtsextremisten Die rechtsextremistische Szene hat auch im Jahr 2011 intensiv von den vielfältigen Möglichkeiten des Internets Gebrauch gemacht und für Propagandazwecke zur Kommunikation oder für kommerzielle Zwecke genutzt. Von den etwa 30 Internetseiten, die Bezüge zu Mecklenburg-Vorpommern aufweisen, werden manche täglich aktualisiert, andere dagegen erfahren nur wenige Änderungen. Auffällig ist die häufige gegenseitige Verlinkung und das Aufgreifen gleicher Inhalte. Dies kann als weiterer Beleg für die enge Vernetzung der rechtsextremistischen Szene im Lande gewertet werden. Eine immer wichtigere Rolle spielen so genannte soziale Netzwerke. Neben ihren eigenen Foren, wie z. B. "thiazi - Germanische Weltnetzgemeinschaft", nutzen rechtsextremistische Gruppierungen zunehmend auch nichtextremistische Netzwerke wie STUDIVZ, NB-TOWN oder FACEBOOK zur Präsentation und als Kommunikationsmöglichkeit. So haben nicht nur einzelne Rechtsextremisten, sondern auch die NPD, rechtsextremistische Vertriebsdienste, neonazistische Gruppierungen oder rechtsextremistische Musikbands einen FACEBOOK-Auftritt. 64 Der Vorteil der schnellen und unkomplizierten Verbreitung von Informationen dient u. a. dazu, für Demonstrationen oder Konzerte zu mobilisieren. Das Internet eröffnet den Rechtsextremisten zudem die Möglichkeit, ihre Ideologie einem wesentlich breiteren Publikum schneller zu präsentieren als dies in der Vergangenheit mit herkömmlichen Propagandamitteln möglich war. Da diese Form der politischen Kommunikation insgesamt an Bedeutung gewinnt und ganz offensichtlich auch auf Wahlentscheidungen Einfluss hat, ist zu erwarten, dass die rechtsextremistische Szene in diesem Bereich weitere Anstrengungen unternimmt. Damit sind zwei große Herausforderungen verbunden: * Die im Internet kursierenden Datenmengen sind nahezu unüberschaubar und nehmen immer weiter zu. Damit steigt das Risiko, dass bestimmte Entwicklungen von den Sicherheitsbehörden schlichtweg übersehen werden. * Nicht nur die Verbreitung der Propaganda folgt neuen Wegen, sondern auch die Wahrnehmung. Der einzelne Internetnutzer stößt - gewollt oder ungewollt - in aller Regel im Rahmen der alltäglichen individuellen Nutzung des Rechners auch auf rechtsextremistische Propaganda bzw. Wahlwerbung und steht dann meist allein vor dem Problem der Einordnung. Dies kann, insbesondere bei jungen Menschen, deren politische Ausrichtung noch schwankend ist, Verunsicherung auslösen und im Sinne der rechtsextremistischen Szene Wirkung entfalten. Auch können - ähnlich wie in anderen Extremismusbereichen - gruppenunabhängige Radikalisierungsprozesse angestoßen werden, die dem sozialen Umfeld verborgen bleiben. Insoweit ist dieser Entwicklung eine verstärkte Aufmerksamkeit zu widmen. Hier sind neben den Sicherheitsbehörden insbesondere die Institutionen gefordert, die Erziehungsverantwortung tragen, allen voran die Familien. 65 "Altermedia-Deutschland" Die langjährigen Verantwortlichen für das rechtsextremistische Internetforum "Altermedia - Deutschland" Axel MÖLLER und Robert RUPPRECHT wurden am 26. Oktober durch das Landgericht Rostock u. a. wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung, des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu Haftstrafen verurteilt. MÖLLER erklärte vor Gericht, das es keinen Grund gebe, "auch nur ein Wort zurückzunehmen" 57. "Altermedia-Deutschland" war in den vergangenen Jahren immer wieder durch eine Verherrlichung und Rechtfertigung des Nationalsozialismus aufgefallen. So wurden bzw. werden regelmäßig antisemitische Beiträge veröffentlicht. Vor allem im Bereich der Kommentare finden sich zahlreiche gewaltbejahende Äußerungen. Unmittelbar nach der Verurteilung war die Internetseite kurzzeitig abgeschaltet. Zwischenzeitlich ist sie wieder uneingeschränkt erreichbar. Der Server der Seite befindet sich in den USA. Seit seinem Haftantritt im Dezember 2011 bezeichnet sich MÖLLER als "politischen Gefangenen" 58 und versucht durch offene Briefe den Kontakt zur rechtsextremistischen Szene nicht abreißen zu lassen. Die von ihm eingeforderte Solidarität stößt durchaus auf Resonanz. So erhielt er im März 2012 Besuch von den NPD-Landtagsabgeordneten PETEREIT und ANDREJEWSKI. 59 57 Internetseite "levensboom", abgerufen am 18.05.2012 58 Internetseite "levensboom", abgerufen am 18.05.2012 59 Internetseite "MUPINFO" vom 26.03.2012, abgerufen am 18.05.2012 66 "MUPINFONachrichten für Mecklenburg und Pommern" Der vom NPD-Landtagsabgeordneten David PETEREIT verantwortete Internetauftritt "MUPINFO - Nachrichten für Mecklenburg und Pommern" mit Sitz im "Thing-Haus" in Grevesmühlen hat sich zwischenzeitlich zu einem wichtigen Nachrichtenportal für die rechtsextremistische Szene entwickelt und über Mecklenburg-Vorpommern hinaus an Bedeutung gewonnen. "MUPINFO" bietet sowohl ideologische Hintergrundinformationen als auch eine aktuelle Berichterstattung zu Themen an, die die Szene interessieren. Häufig finden sich z. T. textgleiche Einträge wie auf der Internetseite der Landes-NPD. Berücksichtigt werden auch Diskussionen innerhalb der Neonaziszene. Breiten Raum nimmt die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner ein. Straftaten gegen Personen und Einrichtungen, die sich gegen rechtsextremistische Bestrebungen wenden, werden häufig ironisch kommentiert. Darüber hinaus finden sich auf der Seite Veranstaltungstermine und Angaben zum Fußballgeschehen. Weitere Internetdienste und deren Nutzung durch Rechtsextremisten Rechtsextremisten zeigen sich aufgeschlossen gegenüber neuen Internetdiensten bzw. den technischen Möglichkeiten einer internetbasierten Kommunikation. Um die Geschwindigkeit und Effektivität von rechtsextremistischen Inhalten in der Bearbeitung zu erhöhen, wird z. B. "Cloud-Computing" genutzt. Da hier die Speicherung der Daten in einer "Wolke" durchgeführt wird, ist die parallele Bearbeitung durch verschiedene Personen möglich. Über "Twitter" werden aktuelle Ereignisse kommuniziert, so dass man den Dienst wie einem Live-Ticker folgen kann. Durch diese Nutzung werden Kommunikationszeiten stark reduziert und die Reaktionsfähigkeit dementsprechend erhöht. 67 Mit "RetroShare", PGP ("Pretty Good Privacy") oder "TrueCrypt" wird auf Verschlüsselungssoftware zurückgegriffen, um die Kommunikation vor Zugriffen von Dritten zu schützen. Auch namhafte Internetbezahldienste, die aus dem Internetversandhandel bekannt sind, werden eingesetzt, um Spenden zu sammeln. Bei der Nutzung von "Flattr", einem auf soziale Bewegungen ausgerichteten Zahlungssystem, geht es nicht um zweckgebundene Geldeinnahmen. Hier kann der Nutzer einen beliebigen Geldbetrag spenden und somit seine "Wertschätzung" über einen bestimmten Internetartikel monetär ausdrücken. Auch diese Funktionalität ist einfach in der Handhabung und ermöglicht auch kleinste Spenden. Reaktionen im Internet auf die Attentate in Oslo und Utoya am 22. Juli 2011 Am 22. Juli 2011 ermordete der Norweger Anders BREIVIK in Oslo und auf der Insel Utoya 77 Menschen. Opfer waren zumeist sozialdemokratische Jugendliche, die sich zu einem Sommerlager auf der Insel versammelt hatten. Vor den Anschlägen verschickte er ein über 1500-seitiges Pamphlet mit dem Titel "2038 - A European Declaration of Independence" ("Eine europäische Unabhängigkeitserklärung") an hunderte E-Mail-Adressen, darunter zahlreiche mit rechtsextremistischem Bezug. In dem Pamphlet werden u. a. Hass auf den Islam und auf die Idee einer multikulturellen Gesellschaft deutlich. Gleichzeitig lehnt BREIVIK Neonazis ab und äußert sich positiv gegenüber Israel. Insoweit ist eine ideologische Zuordnung der Gedankenwelt des BREIVIK zum Rechtsextremismus zumindest deutscher Prägung problematisch. Die Anschläge lösten zahlreiche Reaktionen der rechtsextremistischen Szene im Internet aus. Neben einer - sicherlich auch taktisch motivierten - Ablehnung der Vorgehensweise des BREIVIK fand sich aber auch deutliche Zustimmung. So hieß es in einem Kommentar auf der Internetseite "Altermedia" beispielsweise: 68 "War das ein Ausländer-Camp von den Sozis organisiert? ... Denn trifft das zu kann ich den Täter zumindest verstehen, irgendwo fängt nun mal der Kampf gegen die Verrassung der europäischen Länder an und ein besseres Ziel als den Nachwuchs gibt es in diesem Sinne nicht ausser man schaltet die Herrschenden aus. Im Kampf ums eigene völkische Überleben ist alles erlaubt." 60 (Schreibweise wie im Original) 60 Kommentar 139, Nickname "fritz 33", Internetseite altermedia, abgerufen am 25.07.2011 69 Linksextremismus Lageüberblick Der linksextremistischen Szene in Mecklenburg-Vorpommern gehörten im Jahr 2011 ca. 400 Personen an. Davon waren etwa 300 Personen dem gewaltbereiten linksextremistischen Spektrum zuzurechnen. Schon im Sommer des Jahres zeichnete sich aufgrund vielfältiger linksextremistisch beeinflusster Proteste gegen den NPD-Landtagswahlkampf ein Anstieg des linksextremistischen Mobilisierungspotenzials ab, was der linksextremen Szene schließlich zu einem spürbaren Zulauf verhalf. Der Raum Rostock bildet weiterhin den Schwerpunkt der gewaltbereiten linksextremistischen Szene. Insbesondere in Greifswald ist im Jahr 2011 aber ein spürbarer Anstieg des Aktivitätsund Aktionsniveaus zu registrieren. Linksextremisten engagieren sich in einer Vielzahl von Themengebieten und versuchen, vor allem in bürgerlichen Protestbewegungen ihre Ideologien zu verbreiten, politischen Einfluss zu nehmen und Anhänger zu rekrutieren. Dabei zielen sie stets darauf ab, die bestehende freiheitliche demokratische Werteordnung zu beseitigen und ihr ein sozialistisches, kommunistisches oder anarchistisches System entgegenzusetzen. Aufgrund der NPD-Kandidatur zur Landtagswahl standen 2011 weiterhin "antifaschistische" Proteste und Aktivitäten im Mittelpunkt. Mit zunehmender Nähe zur Wahl war erwartungsgemäß ein Anstieg linksextremistischer Straftaten zu verzeichnen. In diesem Kontext kam es zu drei schweren Körperverletzungen zum Nachteil von NPD-Mitgliedern bzw. bekannten Rechtsextremisten. Zudem waren 2011 mehr als 25 bekannte oder mutmaßliche Rechtsextremisten von "Outing-Aktionen" betroffen. Gegenüber nur einer solchen Einschüchterungsaktion im Jahr 2010 stellt dies einen erheblichen Zuwachs dar. Diese Aktionsform ist zudem geeignet, einer weiteren Eskalation zwischen Linksund Rechtsextremisten Vorschub zu leisten. 70 Entsprechend der bundesweiten Entwicklung ist weiter erkennbar, dass dem Themenfeld "Antirepression" eine anhaltend hohe Bedeutung zukommt und die Agitationsfelder "Autonome Freiräume" und "Gentrifizierung" an Relevanz gewinnen. In diesem Zusammenhang kam es 2011 innerhalb des linksextremistischen Spektrums im Raum Rostock zu mehreren Straftaten und einer versuchten Hausbesetzung. Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend fortsetzt. Im Berichtszeitraum, der für Linksextremisten im Land inhaltlich vorwiegend durch die Landtagswahl 2011 geprägt war, stieg die Anzahl linksextremistischer Strafund Gewalttaten in beunruhigendem Maße. Weiterhin sehen gerade undogmatische Linksextremisten Strafund Gewalttaten als legitime Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele an und sind in unterschiedlichen Zusammenhängen bereit, diese anzuwenden. Dabei kam es auch 2011 neben Sachbeschädigungen zu situativer Gewaltausübung, in der Regel aus einer Demonstration heraus, aber auch zu gezielten Übergriffen auf Rechtsextremisten. Auch das Mittel der Brandstiftung an Kraftfahrzeugen hat sich inzwischen "etabliert" und wird nicht mehr nur - wie in den Vorjahren - gegen Rechtsextremisten im Raum Rostock angewendet. Vielmehr waren erstmals auch ein städtischer Wagen und Bundeswehr-Fahrzeuge in der Hansestadt Rostock und zwei Fahrzeuge des politischen Gegners in der Hansestadt Greifswald betroffen. Insofern ist im Falle linksextremistischer Brandstiftungen sowohl von einer thematischen als auch einer örtlichen Ausdehnung auszugehen. Die dem dogmatischen Linksextremismus zuzurechnenden Parteien und Gruppierungen spielten im Berichtszeitraum keine nennenswerte Rolle 61. 61 Die Partei DIE LINKE wird durch die Verfassungsschutzbehörde MecklenburgVorpommern nicht beobachtet und bleibt daher bei allen Betrachtungen außen vor. 71 Personenpotenzial M-V M-V Bund Bund 2010 2011 2010 2011 Gewaltbereite 250 300 6.800 7.100 Linksextremisten Rote Hilfe e. V. 100 100 5.400 5.600 Deutsche Kommunistische 20 20 4.000 4.000 Partei (DKP) Kommunistische Partei 10 10 k. A. k. A. Deutschlands (KPD) Marxistisch-Leninistische 20 20 2.000 2.000 Partei Deutschlands (MLPD) Sozialistische Alternative 20 20 400 400 (SAV) Sozialistische Deutsche 10 10 300 500 Arbeiterjugend (SDAJ) Gesamt 62 350 400 32.600 31.800 Linksextremistisch motivierte Straftaten Im Jahr 2011 wurden im Phänomenbereich "links" der politischmotivierten Kriminalität insgesamt 329 Straftaten (Vorjahr: 111) durch das Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern festgestellt, darunter 62 (Vorjahr: 38) extremistische Taten und 39 Gewalttaten (Vorjahr: 24). Die hohe Anzahl von Straftaten im Phänomenbereich beruht zumeist auf nicht extremistischen Sachbeschädigungen an NPDWahlplakaten und ist damit thematisch auf die Landtagswahl zurückzuführen. Dennoch zeigt der immense Anstieg linksextremistischer Strafund Gewalttaten eine besorgniserregende Tendenz. 62 abzüglich Mehrfachmitgliedschaften 72 Undogmatischer Linksextremismus Der undogmatische Linksextremismus in Mecklenburg-Vorpommern wird durch die autonome Szene geprägt. Diese stellt sich zwar als heterogenes Spektrum dar, kann aber insgesamt als gewaltorientiert, undogmatisch und hierarchiekritisch charakterisiert werden. Da Autonome die gesellschaftliche und staatliche Ordnung grundsätzlich ablehnen, sehen diese folglich auch in der Verletzung von Regeln und Gesetzen zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele kein Problem. In der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner wird die Anwendung von Gewalt explizit als legitime Handlungsoption angesehen. Zu diesen Gegnern zählen aus linksautonomer Sicht nicht nur tatsächliche und vermeintliche Rechtsextremisten, sondern auch Polizeibeamte als Vertreter eines als "faschistisch" angesehenen Staates. Trotz der Heterogenität des undogmatischen linksextremistischen Spektrums besteht Einigkeit in der Zielsetzung, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen und durch eine diffuskommunistische oder anarchistische Gesellschaftsordnung zu ersetzen. Anhand der linksextremistischen Aktivitäten wird deutlich, dass Linksextremisten nicht allen Bevölkerungsgruppen die gleichen Grundrechte, wie das Eigentumsrecht, die Meinungsfreiheit, die Demonstrationsfreiheit, die körperliche Unversehrtheit und das Recht auf Ausübung einer parlamentarischen Opposition, zugestehen. Damit wenden sie sich gegen Wesensmerkmale der verfassungsmäßigen Ordnung und zeigen ihre Verfassungsfeindlichkeit. Gewaltbereiter "Antifaschismus" Nach wie vor ist das Thema "Antifaschismus" ein klassisches Agitationsfeld der militanten Linksextremisten im Land. Nicht zuletzt aufgrund des intensiven Landtagswahlkampfs der NPD stiegen die Aktivitäten gewaltbereiter Linksextremisten in diesem Themenfeld spürbar an. Deren Hauptangriffsziele waren im Jahr 2011 dementsprechend tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten nebst deren Einrichtungen und Eigentum. Zentrum der militanten Aktivitäten war wie bisher die Hansestadt Rostock, 73 inzwischen aber auch der Raum Greifswald. Exkurs: Hintergründe zum Thema "Antifaschismus" Der Begriff "Antifaschismus" wird im allgemeinen Sprachgebrauch sehr unterschiedlich verwendet. Insofern ist jeweils kritisch zu prüfen, welche unterschiedlichen politischen Auffassungen damit verbunden sein können und transportiert werden sollen. Der Begriff "Antifaschismus" ist in der öffentlichen Wahrnehmung grundsätzlich positiv belegt, bezeichnet er doch auf den ersten Blick die entschiedene Ablehnung des Nationalsozialismus und des Rechtsextremismus. In diesem Sinne ist daher jeder Demokrat auch Antifaschist, da rechtsextremistische Inhalte mit demokratischen Werten unvereinbar sind. Dies ist jedoch nur ein Teil der Wahrheit, denn nicht jeder Antifaschist ist gleichzeitig ein Demokrat im verfassungsmäßigen Sinne. Linksextremistische "Antifaschisten" lehnen nicht nur rechtsextremistische Vorstellungen ab, sondern sind der Ansicht, dass die bestehende verfassungsmäßige Ordnung als kapitalistische Staatsform den "Faschismus" hervorbringe oder zumindest toleriere. Daher richtet sich der linksextremistische "Antifaschismus" nicht nur gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten, sondern auch gegen den demokratischen Rechtsstaat und seine Vertreter, insbesondere die Angehörigen der Sicherheitsbehörden, sowie gegen seine freiheitliche Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung an sich, die es ggf. gewaltsam zu beseitigen gilt. Es ist daher notwendig, genau hinzusehen, welche Ziele "Antifaschisten" verfolgen: Geht es tatsächlich nur um die Bekämpfung des Rechtsextremismus oder (auch) um die Diffamierung des demokratischen Rechtsstaats und seiner freiheitlichen Gesellschaftsordnung? Dies wird nicht immer auf den ersten Blick klar. Es ist daher auch Aufgabe des Verfassungsschutzes als einem Instrument der wehrhaften Demokratie, feindliche Absichten und Bestrebungen, die sich ggf. unter dem Deckmantel des "Antifaschismus" verbergen, zu erkennen und offen zu legen. 74 Kampagne gegen den Landtagswahlkampf der NPD Die Kampagne "Wake up - Stand up! Keine Stimme für Nazis in MV" wurde von rund 60 Gruppierungen und Einrichtungen unterstützt, von denen mehrere dem gewaltbereiten linksextremistischen Spektrum oder deren Umfeld angehören. (z. B. Antifaschistische Aktion Greifswald, Antifaschistische Offensive Neubrandenburg, Antirep Mob Manfred, Rote Hilfe Greifswald, Schwarz-Rote-Hilfe Rostock). So taucht im Logo der Kampagne auch das Symbol der "Antifaschistischen Aktion" auf, mit dem sich häufig gewaltbereite Linksextremisten schmücken. Quelle: "Wake up - Stand up!" Eine Vielzahl der Beiträge auf der eigens eingerichteten Internetseite sind sachlich gehalten und setzen sich mit der Argumentation der NPD objektiv auseinander. Auffällig sind daneben aber auch einzelne Passagen, in denen gewaltsames Handeln durchaus geduldet wird, denn die Kampagne zeigt sich solidarisch mit "...allen, die mit uns das Ziel teilen, den Wiedereinzug der NPD zu verhindern!" 63 und lehnt eine Spaltung des Protestlagers sowie dessen Kriminalisierung entschieden ab. Daneben wird auf ein Recht zum "zivilen Ungehorsam" gepocht und darauf verwiesen, dass von der Kampagne keine Eskalation ausgehe. Dabei handelt es sich um das übliche Begründungsmuster der Autonomen, nach dem Rechtsextremisten - aber auch der Staat - die Szene provozieren und deshalb "Gegenwehr" legitimiert sei. Die Kampagne verstärkte gerade in den letzten Wochen vor der Landtagswahl ihre Aktivitäten. Regelmäßig verteilten Gruppen in verschiedenen Städten des Landes Informationsmaterial. Zudem 63 Internetseite der Kampagne "Wake up - Stand up!", abgerufen am 13.07.2011 75 organisierten einzelne Mitglieder der Kampagne landesweit Informationsstände sowie -veranstaltungen und sicherten sich die Unterstützung mehrerer regional bzw. innerhalb der Szene populärer Bands, welche sich in Videobotschaften zum Thema äußerten. Mit diesen Aktionen gelang es den Verantwortlichen einen Personenkreis anzusprechen, der weit über die übliche Klientel hinausgeht. Linksextremistische Beteiligung an Protesten gegen Rechtsextreme Das öffentlichkeitswirksame Auftreten gewaltbereiter "Antifaschisten" war im Jahr 2011 nach wie vor weitestgehend reaktiv und richtete sich vorrangig gegen Veranstaltungen und Demonstrationen des rechtsextremen Spektrums, auch wenn diese regelmäßig durchgeführt wurden. Dabei kam es immer wieder zur Vermummung von Versammlungsteilnehmern und zu Versuchen, in Kleingruppen zu den gegnerischen Aufzügen und Kundgebungen vorzudringen und diese zu stören oder zu verhindern. Im Folgenden werden die wichtigsten Ereignisse genannt: 5. März 2011 in Teterow Am 5. März 2011 führte die NPD eine Demonstration in Teterow durch. Die linksextremistische Szene hatte im Vorfeld nicht erkennbar zu Gegenaktivitäten mobilisiert. Dennoch fanden sich etwa 85 Personen aus diesem Umfeld in Teterow ein und versuchten, die NPD-Versammlung zu stören. Des Weiteren wurden vor Beginn der NPD-Demonstration an den Bahnanlagen Störungen festgestellt, die auf die Inbrandsetzung von Kabelschächten und Böschungsflächen mit Hilfe von Brandbeschleunigern zurückzuführen waren und Zufahrten der Bahn nach Teterow betrafen. Aufgrund des örtlich-zeitlichen Zusammenhangs liegt es nahe, dass Linksextremisten auf diese Weise die Anreise von NPD-Anhängern behindern wollten. 76 1. Mai 2011 in der Hansestadt Greifswald Neben einem breiten bürgerlichen Bündnis mobilisierte auch das linksextremistische Spektrum zu Aktivitäten und Blockaden gegen einen NPD-Aufzug am 1. Mai 2011 in der Hansestadt Greifswald. Die "Antifaschistische Aktion Greifswald" (AAG) initiierte das Protestbündnis "Greifswald Nazifrei" maßgeblich, welches von etwa 60 Organisationen und Gruppen - darunter eine Reihe autonomer und gewaltfrei agierender Linksextremisten - unterstützt wurde. Die AAG verfolgte insofern eine "Doppelstrategie". Einerseits versuchte sie, das bürgerliche Spektrum mit gewaltfreien Blockaden anzusprechen, andererseits forderte sie dazu auf, Proteste "mit allen Mitteln" - also auch gewaltsam - durchzuführen. Quelle: Bündnis "Greifswald Nazifrei" 8. Mai 2011 in der Hansestadt Demmin Am 8. Mai 2011 wandten sich auch Linksextremisten in der Hansestadt Demmin gegen einen rechtsextremistischen "Trauermarsch". Dabei kam es zu Vermummungen, zudem wurden Pyrotechnik und andere Gegenstände auf den rechtsextremistischen Aufzug geworfen. Im Anschluss rühmten sich Unbekannte in einem Video im Internet damit, den Trauerkranz verbrannt und in die Peene geworfen zu haben. Quelle: INDYMEDIA 77 25./ 27. Juni 2011 in den Hansestädten Greifswald und Rostock Aus Anlass einer von drei mutmaßlichen Rechtsextremisten begangenen Körperverletzung in der Hansestadt Greifswald, bei der ein Angehöriger der "linken" Szene erheblich verletzt wurde, und mehrerer Brandanschläge auf "linke Einrichtungen" in Berlin, wurden Ende Juni 2011 mehrere Spontanaufzüge unter linksextremistischer Beteiligung in den Hansestädten Rostock und Greifswald durchgeführt. Dabei zogen die teilweise vermummten Versammlungsteilnehmer vor das Wohnhaus eines bekannten Rechtsextremisten, zündeten Pyrotechnik und forderten diesen lautstark, aber letztlich vergeblich, auf, herauszukommen. Quelle: INDYMEDIA 3. September 2011 in der Landeshauptstadt Schwerin Als Höhepunkt ihrer vielfältigen Aktivitäten führte die Kampagne "Wake up - Stand up! Keine Stimme den Nazis in MV" am 3. September 2011 in der Landeshauptstadt Schwerin eine Demonstration unter dem Motto "Keinen Tag länger! Nazis raus aus den Parlamenten" Quelle: "Kombinat Fortschritt" 78 durch, an der sich etwa 300 Personen beteiligten. Es zeigte sich ein hohes Aggressionspotenzial. Bereits zu Beginn der Versammlung wurde die Polizei aus dem Aufzug heraus angegriffen und ein Polizeifahrzeug beschädigt. 10. Dezember 2011 in der Hansestadt Greifswald Es nahmen ca. 900 Personen an einer Demonstration unter dem Motto "Zieht euch warm an! - (Null Toleranz für Nazis - Fight Back!)" teil, darunter ca. 400 Gewaltbereite. Die anreisenden Teilnehmer kamen auch mit zahlreichen Bussen und der Bahn aus Hamburg, Bremen, Brandenburg und Berlin. Im Verlauf der Versammlung war eine hohe Aggressivität gegen Personen der rechten Szene zu verzeichnen, welche mehrmals aus dem Aufzug heraus angegriffen wurden. Das Wohnhaus eines Rechtsextremisten musste durch Androhung eines Wasserwerfereinsatzes geschützt werden. Es wurden vier Personen auf Grund von Gewalttätigkeiten festgenommen und 16 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Gezielte linksextremistische Straftaten Wie in den Vorjahren wurden Fahrzeuge in Brand gesetzt, deren Halter oder Nutzer innerhalb der rechtsextremistischen Szene agierten. So wurde am späten Abend des 13. Januar 2011 in der Hansestadt Greifswald versucht, den von einem Rechtsextremisten genutzten Wagen in Brand zu setzen. Am 2. März 2011 wurden in den frühen Morgenstunden in der Hansestadt Greifswald sowie am Abend in Quelle: "MUPINFO" der Hansestadt Rostock, Brandstiftungen an zwei Fahrzeugen von bekannten Rechtsextremisten begangen. Das in der Hansestadt Rostock geschädigte NPD-Mitglied war seit 2006 bereits zum vierten Mal von einer solchen Tat betroffen. Darüber hinaus waren zwischen März und November sechs Fälle 79 gezielter körperlicher Angriffe auf Rechtsextremisten zu verzeichnen, die zum Teil anschließend auf einschlägigen Internetseiten höhnisch kommentiert wurden. Dies zeigt, dass Autonome im Land bereit sind, ihren politischen Gegnern zur Verwirklichung ihrer Zielsetzungen nachhaltige gesundheitliche Schäden zuzufügen. Sie agieren häufig rücksichtslos und setzen ihre Gewaltbereitschaft ggf. kompromisslos um. Selbstbezichtigungsschreiben, welche die Taten begründen, wurden nicht festgestellt und waren auch nicht zu erwarten, da die strafbaren Handlungen für sich selbst stehen sollen. Allerdings beweist die linksautonome Szene des Landes damit erneut, dass sie nicht in der Lage ist, ihre Aktivitäten mit einer umfassenden Gesellschaftsund Systemkritik zu begründen und für die Öffentlichkeit nachvollziehbar zu gestalten. Daraus muss geschlossen werden, dass es der Autonomenszene des Landes nicht auf die Vermittlung von Zielen ankommt, sondern vielmehr auf die Ausübung fetischisierter Gewalt und die Einschüchterung des politischen Gegners. Nach der Schließung des von Rechtsextremisten betriebenen Szeneladens "Dickkoepp" in der Hansestadt Rostock im Mai 2010 wurde im Land nur noch vereinzelt gegen rechtsextremistische Szeneobjekte vorgegangen. Sachbeschädigungen und Graffiti richteten sich gegen die Geschäfte "Tonsberg" in Schwerin und "Nordland" in Wolgast, welche Bekleidung der in der rechtsextremistische Szene beliebten Marke "Thor Steinar" vertreiben. Festzustellen ist, dass militante Aktionen das rechtsextremistische Klientel in ihrem Zusammenhalt stärken. Damit erreichen Linksautonome das Gegenteil ihrer eigentlichen Absicht. Die Taten sind außerdem der breiten Öffentlichkeit nicht vermittelbar. Auch weiterhin sind Sachbeschädigungen, körperliche Auseinandersetzungen und Brandanschläge auf Objekte der rechtsextremistischen Szene im Land, insbesondere im Raum Rostock und Greifswald, zu erwarten. 80 Linksextremistische Recherche-Kampagne Innerhalb der linksautonomen Szene Mecklenburg-Vorpommerns hat sich die "Recherche" über das neo-nationalsozialistische Spektrum zu einem wichtigen Handlungsstrang innerhalb des "antifaschistischen Kampfes" entwickelt. Dies bedeutet, dass von verschiedenen autonomen Gruppierungen im Land gezielt Informationen über das gegnerische Lager erhoben und gesammelt werden, welche sowohl die inhaltliche Ausrichtung, das Zusammenspiel rechtsextremistischer Gruppen, deren Handeln und Informationen über herausragende Einzelpersonen, darunQuelle: indymedia ter Hinweise auf das politische Wirken und die persönlichen Lebensumstände, betreffen. Entsprechend werden die gesammelten Informationen veröffentlicht, in der Regel in Internetartikeln, aber auch über Plakate und Flugblätter. Von der nationalsozialistischen Gesinnung wurden vereinzelt auch Vermieter mit Briefen, das Lebensumfeld und das universitäre Umfeld - in einem Fall im Beisein des Betreffenden selbst - unterrichtet. Quelle: Antifa RibnitzDamgarten 81 Dabei werden in den meisten Fällen die Personen namentlich und mit Wohnort benannt, meist auch Bilder der Betreffenden abgedruckt und zum Teil auch Arbeitgeber oder Studienrichtung sowie Freizeitaktivitäten erwähnt. Außerdem wurde teilweise mit Graffiti am jeweiligen Wohnoder Geschäftshaus auf die (vermeintlich) rechtsextreme Gesinnung hingewiesen. Diese Veröffentlichungen über Personen des rechtsextremistischen Spektrums ("Outing-Aktionen"), stellen eine bundesweit "etablierte" Aktionsform dar. Ziel dieser Veröffentlichungen ist neben der Aufklärung der Öffentlichkeit und des persönlichen Umfelds über rechtsextremistische Zusammenhänge, Nachteile für die Rechtsextremisten zu bewirken, durch die Veröffentlichung detaillierter persönlicher Daten eine DrohQuelle: indymedia kulisse aufzubauen und die von "Outing-Aktionen" betroffenen Personen, zu verunsichern und einzuschüchtern. Entsprechende "Outing-Plakate" waren im April 2011 in Greifswald mit den Slogans "Neonazis aus der Reserve locken und verbiegen" sowie "Rechte entlarven und vernichten" überschrieben. Es erscheint als naheliegendes Szenario, dass die massive Rechercheund Veröffentlichungskampagne gegen die rechtsextremistische Szene die Fronten verhärten und schließlich zu einer Eskalation zwischen den Spektren führen kann. 2011 waren in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt mehr als 25 "Outing-Aktionen" mit unterschiedlicher Informationstiefe festzustellen, von denen etwa 30 Personen namentlich - einige davon drei bis vier Mal - betroffen waren. Regional betrafen die "Outing-Aktionen" alle Bereiche des Landes, wenngleich mit Abstand die meisten Aktionen im Raum Rostock, gefolgt von Greifswald, stattfanden. Dies stellt eine erhebliche Steigerung gegenüber den Vorjahren dar und dürfte maßgeblich auf den NPD-Land82 tagswahlkampf zurückzuführen sein, dem die Autonomenszene eine offensive "Öffentlichkeitsarbeit zur Aufklärung der Wählerschaft" entgegenzusetzen versuchte. Autonome Antifa-Strukturen Das autonome Spektrum arbeitet in losen Zusammenhängen und häufig nur anlässlich szenerelevanter Ereignisse und Kampagnen zusammen. Autonome Gruppen entwickeln sich dynamisch, umfassen in der Regel nicht mehr als 20 Personen und sind - vor allem aufgrund der individualistischen Ausrichtung ihrer Anhänger - relativ kurzlebig. "Antifaschistische Gruppe A3" Quelle: A3 Die von gewaltbereiten Linksextremisten dominierte "A3" in der Hansestadt Rostock befasst sich überwiegend mit dem Themenfeld "Antifaschismus". Dabei kommt der "Recherche" über die rechtsextremistische Szene und der Veröffentlichung ihrer Ergebnisse eine besondere Bedeutung zu. Außerdem organisiert die "A3" in der Hansestadt Rostock Vorträge für szenerelevante Themen und Mobilisierungsveranstaltungen für "antifaschistische" Demonstrationen im gesamten Bundesgebiet. Mitglieder der "A3" beteiligen sich aber auch an Gewalttaten und nehmen im "Schwarzen Block" von Demonstrationen teil. 83 Punk-Band "Feine Sahne Fischfilet" Die aus fünf bis sechs Personen bestehende Band versteht sich als politischer Zusammenschluss: "...Antifaschismus ist für uns keine hohle Phrase. Es ist uns bewusst, dass die Neonazis, egal wie modern und bürgernah sie sich geben, barbarisch und menschenverachtend bleiben. Dem gilt es entgegenzuwirken!" 64 Quelle: "Feine Sahne Fischfilet" Darüber hinaus vertritt die Band aber eine explizit anti-staatliche Haltung, sie möchte die staatliche Struktur auflösen: "...Stolz auf Deutschland? Stolz auf eine Nation? Stolz auf irgendein beschissenes Konstrukt? Wir kotzen gleich! Aussagen, die sich positiv auf eine Nation beziehen, sind immer negativ! Dieses allzu beliebte, "WirGefühl" benötigt zugleich auch immer ein Feindbild! Nationalismus und Rassismus gehören zusammen (...) Deutschland? Nie wieder!" (Straßen aus Zucker, Nr. 4) Daher verbindet die Band ihr musikalisches Engagement auch mit politischen Themen. Die Album-Release-Party am 6. November 2010 in der Hansestadt Demmin wurde kurzum zu einem "Antifaschistischen Aktionstag" umbenannt und von Vorträgen zum Thema begleitet. Vor einer NPD-Demonstration 2010 in der Hansestadt Rostock veröffentlichte die Band auf ihrer Internetseite außerdem unter der Überschrift "für den widerstand auf der straße." (Schreibweise wie im Original) eine Bauanleitung für einen Molotow-Cocktail. 65 64 Interview bei 0381-Magazin, abgerufen am 03.12.2010 65 Internetseite von "Feine Sahne Fischfilet", abgerufen am 31.03.2010 84 Regelmäßig und bundesweit werden Konzerte der Band mit Mobilisierungsveranstaltungen für die von Linksextremisten organisierten Demonstrationen oder Vorträgen über die rechtsextreme Szene in Mecklenburg-Vorpommern verbunden. Außerdem ruft die Band über ihre Internetseite stets zur Teilnahme an szenerelevanten Ereignissen auf. Anlässlich des "Tags des Politischen Gefangenen" durchgeführten "Siempre-Antifa-Party" am 18. März 2011 im JAZ Rostock trat "Feine Sahne Fischfilet" auf, um Geld für straffällig gewordene Linksextremisten einzunehmen. Dazu hieß es im Vorfeld: "...die Kohle geht an Antifas, die Stress mit den Bullen haben und deshalb Moneten rüberwachsen lassen müssen." 66 Konzerte der Band wurden auch schon mit dem Logo "Good night white pride" beworben, zu dem eine Abbildung gehört, bei der einer am Boden liegende Person mit einem stilisierten Hakenkreuz auf der Brust gegen den Kopf getreten wird. Quelle: "Feine Sahne Fischfilet" "Linker Block Rostock" (LiBRo) Die Gruppierung "Linker Block Rostock" (LiBRo) vertrat diffus-kommunistische und anarchistische Weltbilder. Während die Gruppe im Jahr 2010 noch ihre Haltung bekräftigte, Gewalt als legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung zu tolerieren, erklärte sie im April 2011 ihre Auflösung nach längeren internen Debatten. Seitdem sind keine Aktivitäten des LiBRo Quelle: LiBRo mehr festzustellen. 66 Internetseite von "Feine Sahne Fischfilet" abgerufen am 10.02.2011 85 "Antifaschistische Aktion Greifswald" (AAG) Quelle: AAG Die anti-deutsch ausgerichtete AAG, * xxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx nutzt, war maßgeblich an der Bildung des Bündnisses "Greifswald Nazifrei" beteiligt, welches sich im Vorfeld einer NPD-Demonstration am 1. Mai 2011 in der Hansestadt Greifswald gründete. Die Gruppe bekennt sich zur direkten Auseinandersetzung mit Rechtsextremisten: "...Wir werden alles daran setzen den Aufmarsch zu behindern und wenn möglich sogar zu verhindern. (...) Es liegt an uns, mit vielfältigen und kreativen Protesten die Sonderstellung, die die Hansestadt entgegen dem braunen Vorpommern einnimmt aufrecht zu erhalten und mit dem ersten Mai auszubauen! (...) In welchem Bündnis sich die Menschen engagieren, ist uns egal, solange sie sich direkt und konsequent gegen den Aufmarsch wenden und keine reine Symbolpolitik betreiben." 67 (Schreibweise wie im Original) Was die AAG sich darunter vorstellt, wird dann auch in einem gesonderten Aufruf zu den Blockaden am 1. Mai in der Hansestadt Greifswald unmissverständlich deutlich. Darin heißt es u. a. "...Bildet Banden, macht sie platt!" 68 Daneben veröffentlichte die AAG ebenfalls ihre Erkenntnisse über das rechtsextreme Spektrum in "Outing-Aktionen". 67 Internetseite der AAG, abgerufen am 29.03.2011 68 wie vor, abgerufen am 10.04.2011 * Inhalte können zur Zeit aus Rechtsgründen nicht zugänglich gemacht werden. 86 "Antifa Oensive Neubrandenburg" (AONB) Quelle: AONB Ebenfalls anti-deutsch ausgerichtet ist die AONB, von der in der Vergangenheit Aussagen wie "Deutschland, du Opfer!" (Internetseite der AONB) ausgingen . Dabei positionierte sie sich in den vergangenen Jahren mehrfach gewaltbefürwortend. Schon 2009 vertrat die ANOB die Ansicht, dass für politische Auseinandersetzungen alle Mittel recht seien: "...Dabei geht es nicht um Szenespalterei in den 'bösen Schwarzen Block' und die 'langweiligen Bürger_innen', sondern um eine neue Art des Protests. (...) Jede Form der Gegenwehr ist dabei zu begrüßen. (...) Mit dezentralen Protesten jeder Art müssen wir Neubrandenburger_innen zeigen, dass Nazis keinen Platz in unserer Stadt haben." 69 (Schreibweise wie im Original) So überschrieb die AONB den eigenen Teilnahmeaufruf zu den Protesten gegen die NPD-Demonstration am 1. Mai 2011 in Greifswald - wohl erwartungsfroh - mit den Worten "Meet me at the Barricades" 70 und führt damit die bisherige Ausrichtung fort. 69 Internetseite der AONB, abgerufen am 24.03.2009 70 Internetseite der AONB, abgerufen am 29.04.2011 87 "Antirepression" Das Thema "Antirepression" spielt in der linksextremistischen Szene nach den Protesten gegen den G8-Gipfel 2007 und den NATO-Gipfel 2009 eine unverändert wichtige Rolle. Im Rahmen der so genannten Antirepressionskampagne solidarisieren sich Linksextremisten mit den von "staatlicher Repression" Betroffenen, deren politische Betätigung durch die Ahndung von Straftaten und ordnende Maßnahmen angeblich staatlich unterdrückt wird. Dabei erachten gerade gewaltbereite Linksextremisten Gesetzesübertretungen als notwendig, um ihre politischen Ziele zu erreichen, und geraten daher regelmäßig in Konflikt mit Behörden und Justiz. "Rote Hilfe e.V." Quelle: "Rote Hilfe e.V." Die "Rote Hilfe e.V." ist bundesweit die mitgliederstärkste von Linksextremisten unterschiedlicher Ausrichtung getragene Rechtsund Hafthilfeorganisation. Sie versteht sich laut Satzung als "...parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutzund Solidaritätsorganisation..." und unterstützt diejenigen, welche "...aufgrund ihrer politischen Betätigung verfolgt werden", d. h. "...die deswegen ihren Arbeitsplatz verlieren, Berufsverbot erhalten, vor Gericht gestellt und zu Geldund Gefängnisstrafen verurteilt werden oder sonstige Nachteile erleiden". 71 Insofern unterstützt die "Rote Hilfe e.V." linksextremistische Strafund Gewalttäter mit Sachmitteln sowie in finanzieller und juristischer Hinsicht, führt aber auch Informationsveranstaltungen und Workshops durch, in denen u. a. die Rechtslage und polizeiliche Einsatztaktiken nähergebracht werden. Nach wie vor unterstützt die "Rote Hilfe e.V." 71 Satzung der "Roten Hilfe e.V.", abgerufen am 30.07.2012 88 ehemalige Mitglieder der "Roten Armee Fraktion" (RAF). Nach der Auflösung der Ortsgruppe Rostock Ende 2010 existiert in Mecklenburg-Vorpommern nur noch eine Ortsgruppe der "Roten Hilfe e.V." in der Hansestadt Greifswald. Die etwa 100 Mitglieder der "Roten Hilfe e.V." in Mecklenburg-Vorpommern gehören überwiegend der Greifswalder Ortsgruppe an, welche auch über die Landesgrenzen hinweg agiert. Quelle: "Rote Hilfe Greifswald" Auf ihrer Internetseite verwies die "Rote Hilfe Greifswald" auf die Sonderbeilage zum "Tag des politischen Gefangenen" in der es u. a. den bewaffneten Kampf der RAF verharmlosend heißt: "...Der legitime und notwendige Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung wird im Rahmen der Aufstandsbekämpfung mit allen erdenklichen Mitteln bekämpft, angefangen bei Desinformationsund Hetzkampagnen bis hin zu Folter und extralegalen Hinrichtungen. (...) auch 40 Jahre nach ihrer Gründung und 12 Jahre nach ihrer Auflösung steht die RAF noch immer im Fadenkreuz der Repressionsorgane. Der Prozess soll dazu dienen, ein weiteres Mal mit der Geschichte der RAF abzurechnen, indem diese umgedeutet, diffamiert und letztlich entpolitisiert wird. Vor Gericht steht also nicht nur Verena Becker, sondern auch die Geschichte und die Politik der RAF und - damit verbunden - die revolutionären Kämpfe in der BRD und weltweit. "... und "...Die RAF verstand sich als Befreiungsbewegung im Kontext mit den Kämpfen im Trikont. Sie stand für Aufrichtigkeit, Mut und Hoffnung, auch unter schwierigen 89 Bedingungen zu agieren, und hatte eine gewisse Ausstrahlung." 72 Die "Rote Hilfe Greifswald" macht damit deutlich, dass sie das Handeln der RAF als legitimierten Bestandteil des Widerstandes ansieht. "Schwarz Rote Hilfe Rostock" (SRH) Quelle: SRH Nachdem die Rostocker Ortsgruppe wegen Unstimmigkeiten mit dem Bundesvorstand der "Roten Hilfe e.V." aufgelöst wurde, gründeten ehemalige Mitglieder der "Roten Hilfe e.V." Ende 2010 in der Hansestadt Rostock eine neue Gruppe unter dem Namen "Schwarz Rote Hilfe Rostock". Insofern führt sie die Arbeit der ehemaligen "Roten Hilfe Rostock" weiter, verfolgt dabei aber einen erweiterten, "kreativen Antirepressionsansatz". Sie sieht sich als Nachfolge der "Roten Hilfe Rostock" und sagt über sich selbst: "...organisieren wir rechtliche und finanzielle Unterstützung im Repressionsfall, vermitteln Anwält_innen und beraten". Darüber hinaus wolle sie sich schon im Vorfeld "...theoretisch und praktisch mit repressiven Situationen im Umkreis von Demos" beschäftigen und "...alternative Verhaltenskonzepte ausprobieren". 73 So führte die SRH beispielsweise im März 2011 ein * "Verhörtraining" im xxxxxxxxxxxxxxxxx und im Januar 2011 ein * "Prozesstraining" im xxxxxxxxxxxxx durch, das "verschiedene Umgangsformen mit juristischer Repression" aufzeigen sollte, mit denen "solidarisches Verhalten gegenüber GenossInnen, praktischer Selbstschutz und widerständiges Verhalten gegenüber dem Jus72 Sonderausgabe der Roten Hilfe: 18.03.2011 - Tag der politischen Gefangenen 73 Internetseite der SRH, abgerufen am 02.12.2011 * Inhalte können zur Zeit aus Rechtsgründen nicht zugänglich gemacht werden. 90 tizapparat" miteinander verbunden werden kann. Dazu gehöre u. a. auch "...das Verfahren ins Uferlose zu ziehen, um den Repressionsrepräsentanten graue Haare wachsen zu lassen". 74 "Antirep-Mob Manfred" Quelle: "Antirep-Mob Manfred" Der "Antirep-Mob Manfred" existiert seit 2010 in der Hansestadt Rostock und befasst sich vorrangig mit dem Themenfeld "Antirepression". Militante Aktionen duldet die Gruppe dennoch, was folgendes Zitat aus dem Selbstverständnis zeigt: "...Dabei möchten wir vermeiden dogmatische Standpunkte einzunehmen da uns bewusst ist, dass die Umgangsformen mit Repression genauso vielfältig sind wie die linke und linksalternative Szene. Ohne diesen Anspruch würde diese Gruppe gar nicht funktionieren, da hier von Friedensaktivist_Innen bis zu Militänzer_Innen alles vertreten ist." 75 (Schreibweise wie im Original). Die Gruppe arbeitet eng mit der SRH zusammen, ruft zur Teilnahme an unterschiedlichen szenerelevanten Ereignissen auf, unterstützt diese und gibt ebenso Hinweise zum Umgang mit Quelle: "Medienkollektiv Manfred" angeblich staatlicher Repression. Angegliedert ist ein "Medienkol74 Internetseite der SRH, abgerufen am 02.12.2011 75 Internetseite des "Antirep-Mob Manfred", abgerufen am 14.06.2010 91 lektiv Manfred", welches regelmäßig Videos zur Mobilisierung und Berichte über szenerelevante Ereignisse einstellt. Inzwischen werden diese Videos als Mobilisierungswerkzeug der Autonomenszene landesweit genutzt. Aktivitäten zum "Tag des politischen Gefangenen" Jährlich begehen linksextremistische Rechtsund Hafthilfeorganisationen in Deutschland den "Tag des politischen Gefangenen" am 18. März, bei dem auf die inhaftierten Genossen aufmerksam gemacht und Solidarität mit ihnen bekundet wird. Insbesondere die jährlich erscheinende Sonderbeilage der "Roten Hilfe e.V." in der "Jungen Welt" verharmloste 2011 anlässlich des Verfahrens gegen Verena BECKER erneut die Quelle: "Rote Hilfe e.V" Verbrechen der "Roten Armee Fraktion" und bediente die bekannten Verschwörungstheorien. In Mecklenburg-Vorpommern fanden in diesem Zusammenhang am 15. und 16. März 2011 Informationsveranstaltungen über das weißrussische "Anarchist Black Cross" - eine internationale anarchistische Rechtsund Hafthilfeorganisation * xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxx in Greifswald und im xxxxxxxxxxxxx in Rostock statt. Zudem führte die "Schwarz Rote Hilfe Rostock" am 18. März im "Jugendalternativzentrum Rostock" (JAZ) eine Veranstaltung zum Thema "Privatisierung von Knästen" durch, an der sich bis zu 40 Personen beteiligt haben sollen. Im Anschluss fand eine "SiempreAntifa-Party" statt. Die EinnahQuelle: INDYMEDIA * Inhalte können zur Zeit aus Rechtsgründen nicht zugänglich gemacht werden. 92 men der mit bis zu 400 Personen besuchten Musikveranstaltung sollten straffällig gewordenen Antifaschisten zugute kommen. Dabei kam auch erneut die enge Verzahnung zwischen gewaltbereiten Linksextremisten und "Antirepressionsstrukturen" zum Ausdruck. "Autonome Freiräume"/"Gentrifizierung" Während 2010 in der Hansestadt Rostock erstmals wieder das "Freiraum"-Thema aufgegriffen wurde, zeigt sich für 2011, dass die Bedeutung von "autonomen Freiräumen" und der "Gentrifizierung" zunimmt. Konkrete Aktionen zu diesen Themenfeldern waren z. T. gewaltsam verlaufende Solidaritätsdemonstrationen im Zusammenhang mit der Räumung des bekannten Hausprojektes Liebigstrasse 14 in Berlin und des "Alternativzentrums" Köln. Im Anschluss an das Stadtteilfest "KTV macht blau" kam es in der Rostocker Niklotund Leonhardstraße in der Nacht zum 22. Mai 2011 zu einer "Reclaim the Streets"-Party, an der sich bis zu Quelle: "La Pampa" 500 Personen mit Protesten gegen steigende Mieten im Wohnumfeld beteiligten. Im Umfeld des auch von Linksautonomen genutzten xxxxxxxxxxxxx * Es wurde Pyrotechnik gezündet und ein fahrendes Taxi angegriffen und beschädigt. Zum Abschluss der von den Gruppen "Schwarz Rote Hilfe Rostock" und "Antirep-Mob Manfred" organisierten "Antirepressionsund Freiraumwoche" unter dem Motto "Faxen Digge - repression ist mal so gar nicht freiraum" fand am Abend des 24. Juni 2011 in der Hansestadt Rostock eine weitgehend friedliche Demonstration statt, an der sich etwa 200 Personen, einschließlich eines "Schwarzen Blocks", an der Aufzugsspitze beteiligten. * Inhalte können zur Zeit aus Rechtsgründen nicht zugänglich gemacht werden. 93 Quelle: "Faxen Digge" Im Anschluss versuchten 16 Personen, darunter mehrere Linksextremisten, ein leerstehendes Gebäude, welches sich unweit des "Jugend Alternativ Zentrum Rostock" (JAZ) befand, zu besetzen. Es ist davon auszugehen, dass der Themenkomplex "Autonome Freiräume" und "Gentrifizierung" für die Autonomenszene in Mecklenburg-Vorpommern - ähnlich der bundesweiten Entwicklung - zunehmend eine Rolle spielen wird. "Antimilitarismus" Die autonome Szene führt bundesweit bereits seit Jahren eine militante Kampagne gegen die Bundeswehr, welche auch AktioQuelle: MAD Rostock 94 nen gegen die mit ihr zusammenarbeitenden Unternehmen umfasst. Der mit etwa drei Millionen Euro größte Einzelschaden entstand im April 2009 in Dresden, nachdem 42 Bundeswehrfahrzeuge und ein Fahrzeughangar auf einem Kasernengelände in Brand gesetzt wurden. Während dieses Themenfeld in der autonomen Szene Mecklenburg-Vorpommerns bisher kaum relevant war und lediglich vereinzelt zu Protesten führte, wurden am frühen Morgen des 3. Mai 2011 in der Rostocker Südstadt sieben Bundeswehrfahrzeuge in Brand gesetzt. Die Fahrzeuge brannten vollständig aus, wodurch ein Schaden von etwa 130.000 Euro entstand. Eine Tatbekennung liegt nicht vor. Aufgrund des Anschlagsziels und der zeitlichen Nähe zu dem von "Antimilitaristen" genutzten 1. Mai ist jedoch ein linksextremistischer Tathintergrund wahrscheinlich. Anti-Atomkraft und Anti-Gentechnik-Aktivitäten Linksextremisten unterschiedlicher Ausrichtung, auch Linksautonome, beteiligen sich in verschiedenen, maßgeblich von bürgerlichem Engagement dominierten Themenfeldern. Entsprechend versuchen Linksextremisten u. a. auf Proteste gegen den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen, gentechnische Versuche und Atomkraft Einfluss zu nehmen. In Mecklenburg-Vorpommern kam es in dem Zusammenhang zu folgenden herausragenden Ereignissen: Nachdem bereits im Dezember 2010 Proteste unter linksextremistischer Beteiligung den Transport radioaktiven Materials in das Zwischenlager Nord bei Lubmin (Landkreis VorpommernGreifswald) an den letzten rund 20 km der Betriebsgleise begleiteten, kam es Mitte Februar 2011 entlang der gesamten Transportstrecke durch das Bundesgebiet zu Protestaktionen, welche von Nichtextremisten dominiert waren. In dem Zusammenhang wurden vielfach Mahnwachen abgehalten, Sitzblockaden sowie Ankettungen an die Gleisanlagen durchgeführt. Anlässlich des bundesweiten "Castorstreckenaktionstags" am 12. Februar 2011 kam es im Vorfeld des Transports nahe des brandenburgischen Oranienburgs bereits zu zwei versuchten Brand95 stiftungen an den Oberleitungen; gleichzeitig wurden Leitungen durchtrennt. Für eine Verzögerung des Transports sorgten dann vor allem 10 Gleisblockaden in der Nacht zum 17. Februar 2011 in Mecklenburg-Vorpommern. Auch zwei Brandstiftungen nahe bzw. an den Gleisen wurden im Land festgestellt. Zwei Ankettungsaktionen zwangen den Transport zu Schnellbremsungen. Wie im Dezember 2010 beteiligten sich auch an diesen Anti-Castor-Protesten erneut Linksextremisten, wenn auch in geringem Umfang. Die von demokratischen Kräften dominierte Anti-AtomBewegung bietet dem linksextremistischen Spektrum bundesweit seit Jahren keine ausreichenden Profilierungschancen. In der Nacht zum 4. März 2011 wurden in Groß Lüsewitz (Landkreis Rostock) die Scheiben eines Gewächshauses für gentechnisch-veränderte Pflanzen eingeschlagen. Es entstand ein Schaden in Höhe von etwa 10.000 Euro. Eine bisher unbekannte Gruppe "autonome aktionszelle genstaat" bekannte sich zu der Tat und begründete ihr Vorgehen mit der Ablehnung gentechnischer Forschung. In der Nacht zum 9. Juli 2011 wurden bei Sagerheide (Landkreis Rostock) Versuchsfelder für gentechnisch-veränderte Getreideund Kartoffelpflanzen zerstört und ein Wachmann bedroht und festgehalten. Dabei entstand ein Gesamtschaden in Höhe von ca. 250.000 Euro. Ein vergleichbares Feld wurde in der Nacht zum 11. Juli 2011 in Üplingen (Sachsen-Anhalt) angegriffen und ein Wachmann mit Schlagstöcken und Pfefferspray bedroht. Es ist wahrscheinlich, dass die Taten zusammenhängen. "Antikapitalismus" Die "antikapitalistische" Ausrichtung, welche die angeblich "allumfassende Verwertungslogik Quelle: FAU-IAA und imperialistische Zielsetzung" kapitalistischer Gesellschaften und die angeblich immanente Ausbeutung großer Teile der Gesellschaft kritisiert, schwingt in sämtlichen von Linksextremisten 96 aufgegrienen Themenbereichen mit. Entsprechend richtet sich die Kritik gegen die Wirtschaft und den Staat, der als ausschließlicher Handlanger für wirtschaftliche Interessen diskreditiert wird. Lediglich die anarcho-syndikalistisch ausgerichtete "Freie Arbeiterinnenund Arbeiter-Union" (FAU), die bundesweit über etwa 350 Mitglieder verfügt und der "Internationalen Arbeiter Assoziation" (IAA) angehört, befasst sich vorwiegend mit dem Thema "Antikapitalismus". Sie versteht sich als anarchistische Gewerkschaft und ist in Mecklenburg-Vorpommern mit der "FAU Westmecklenburg" vertreten. Allerdings ist die "FAU Westmecklenburg" kaum öentlich wahrnehmbar. Dogmatischer Linksextremismus Die beobachteten dogmatischen Linksextremisten traten im Berichtszeitraum kaum in Erscheinung. Das ohnehin geringe Personenpotenzial von rund 100 Anhängern ist in verschiedene Gruppierungen zersplittert, deren inhaltliche Ausrichtung sich aus Sicht des unbefangenen Beobachters nur marginal voneinander unterscheidet. Das SpekQuelle: Internetseite KPD trum reicht dabei von Altkadern des "RotFuchs-Fördervereins", deren Regionalgruppen sich in DDR-Nostalgie ergehen, über orthodox-kommunistische Vereinigungen wie die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) oder die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD), bis hin zu in ihrem Auftritt moderneren Gruppen wie die "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) oder die trotzkistisch ausgerichtete "Sozialistische Alternative" (SAV), die versuchen, (auch) Jugendliche für ihre Ziele zu gewinnen; dies allerdings ohne spürbaren Erfolg. Es ist festzustellen, dass der dogmatische Linksextremismus auch mit Organisationen zusammenarbeitet, die nicht der Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörde 97 Mecklenburg-Vorpommern unterliegen. Deren Informationsstände, Kundgebungen und sonstige öffentlichkeitswirksame Aktionen, die sich mit aktuell-politischen Themen befassen (Wirtschaftskrise, Atomtransporte, soziale Fragen), finden zumeist nur wenig Resonanz in der Bevölkerung. Ein Themenfeld, mit dem Personengruppen über die eng begrenzte linksextremistische Klientel hinaus anzusprechen sind, ist der "Antifaschismuskampf". Daher nimmt die Mobilisierung für Aktionen gegen "Naziaufmärsche" und sonstige Aktivitäten von Rechtsextremisten einen vergleichsweise breiten Raum ein. 98 Islamismus Transnational-panislamischer Extremismus und Terrorismus Weltweite Lageentwicklung Die Bedrohung durch den transnational-panislamischen Extremismus und Terrorismus stellte auch ein Jahrzehnt nach den Anschlägen des 11. Septembers 2001 eine vorrangige Herausforderung für die deutschen Sicherheitsbehörden dar. Für die weltweite Lageentwicklung waren dabei vor allem die Tötung des al-Qaida-Gründers Usama BIN LADIN im Mai 2011 von besonderer, wenn auch vor allem symbolischer Bedeutung. Aber auch die politischen Umwälzungen in den Ländern der arabischen Welt prägten die internationale Lageentwicklung nachhaltig. Die Selbstverbrennung des 26-jährigen Tunesiers Mohammed BOUAZIZI am 4. Januar 2011 bildete den Ausgangspunkt für eine revolutionäre Entwicklung, die sich dominoartig in den arabischen Ländern ausbreitete und als "Arabischer Frühling" bekannt wurde. Sie erfasste in unterschiedlicher Form fast alle 22 Länder der arabischen Welt. Der "Arabische Frühling" führte bislang zum Sturz der alten Regime in Tunesien, Libyen und Ägypten, gleichzeitig aber auch zu einem Erstarken der jeweiligen nationalen islamistischen Bewegungen. Die Entwicklungen in den Ländern des "Arabischen Frühlings" hatten bislang keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Deutschland und Europa. Eine Übernahme von Regierungsverantwortung durch legalistisch operierende Islamisten in den Ländern des "Arabischen Frühlings", wie die al-Nahda-Partei oder die "Muslimbruderschaft", wird diese jedoch absehbar vor die Frage stellen, wie sie sich zu radikalen salafistisch-jihadistischen Strömungen in den jeweiligen Gesellschaften positionieren. Diese werden vor allem durch die regionalen Ableger der al-Qaida-Organisation repräsentiert. Von längerfristiger sicherheitspolitischer Bedeutung könnte sich 99 insbesondere die "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAH) erweisen. Diese Terrorgruppe ging aus dem Zusammenschluss saudi-arabischer und jemenitischer Jihad-Terroristen hervor. Ihr ideologischer Führer war bis zum Herbst 2011 der 1971 in den USA geborene und dort auch aufgewachsene Jemenit (und USBürger) Anwar AL-AULAQI, der am 30. September 2011 durch eine US-Drohne getötet wurde. "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel", deren Basen sich in den unkontrollierbaren Stammesgebieten des Jemen befinden, steckte hinter mehreren spektakulären Anschlagsversuchen der vergangenen Jahre - so z. B. hinter dem Versuch, zwischen Weihnachten und Neujahr 2009 ein Passagierflugzeug im Landeanflug auf Detroit durch einen Selbstmordattentäter mit einem selbstgefertigten Sprengsatz in der Unterhose zum Absturz zu bringen. Ein weiterer Anschlagsversuch der AQAH auf die Zivilluftfahrt, der mittels einer Bombe in einer Frachtsendung verübt werden sollte, konnte im Herbst 2010 dank guter internationaler Kooperation zwar vereitelt werden. Dieser "Luftfrachtplot" verhalf der Terrorgruppe aber zu ihrem endgültigen medialen "Durchbruch" auf internationaler Ebene. Bereits zuvor war AQAH als Herausgeberin des Internet-Magazins INSPIRE in Erscheinung getreten, indem neben klassischer jihadistischer Propaganda auch sehr praktische Anleitungen zum Bombenbau und zur konspirativen Kommunikation zu finden waren. Nach dem vereitelten "Luftfrachtplot" höhnte die Terrorgruppe auf der Titelseite einer "Sonderausgabe" des INSPIRE-Magazins, dass sie mit einem finanziellen Gesamtaufwand von 4.200 Dollar der westlichen Zivilluftfahrt einen Schaden in Milliardenhöhe verursacht habe. Als englischsprachiges Medium richtet sich INSPIRE an ein westliches Publikum und zielt darauf ab, seine Leserschaft (zu der erklärtermaßen auch Frauen gehören) zu eigenen jihadistisch-terroristischen Aktivitäten zu inspirieren. Welche Gefahren von jihadistischer Propaganda im Internet ausgehen, zeigte sich am 2. März 2011, als ein 21-jähriger Kosovo-Albaner auf dem Flughafen Frankfurt a. M. zwei US-Soldaten erschoss und zwei weitere schwer verletzte. Nur weil die Tatwaffe 100 nach den bereits abgegebenen Schüssen einen technischen Defekt hatte, wurde ein noch größeres Blutbad vereitelt. Nach seiner Festnahme gab er in Vernehmungen u. a. an, zu seiner Tat durch ein islamistisches Video motiviert worden zu sein, das den Anschein erweckt hätte, angebliche Verbrechen von US-Soldaten in muslimischen Ländern zu dokumentieren, tatsächlich aber aus einem Zusammenschnitt von Spielfilmszenen bestand. Die Tat war der erste vollendete islamistisch motivierte tödliche Terroranschlag in Deutschland und wurde umgehend durch INSPIRE propagandistisch vereinnahmt. Jihadistische Terrorgruppen wie AQAH sind auch in anderen LänMit der 5. Ausgabe des INSPIRE-Magazins (erschienen im April 2011) versuchte "alQaida auf der Arabischen Halbinsel" das Attentat in Frankfurt am Main vom 2. März 2011, aber auch den "Tsunami des Wandels" in der arabisch-islamischen Welt für den "globalen Jihad" im Sinne al-Qaida zu vereinnahmen. (Quelle: Internet) dern des "Arabischen Frühlings" aktiv. Dazu gehören beispielsweise die mittlerweile in ganz Nordafrika aktive "al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM) und die "Kämpfende Islamische Gruppe in Libyen", die sich mittlerweile aber in "Islamische Bewegung Libyen" umbenannte. In der Tendenz sind auch diese beiden Organisationen gestärkt aus dem "Arabischen Frühling" hervor gegangen. Ihr aktuelles 101 Gefährdungspotential in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland wird jedoch als vergleichsweise gering eingestuft, da ihre operativen Kapazitäten und Interessen eindeutig in den jeweiligen Heimatregionen zu verorten sind. Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder beobachten die verschiedenen in den Ländern des "Arabischen Frühlings" beheimateten islamistischen Organisationen und jihadistischen Gruppen z. T. bereits seit Jahrzehnten, so z. B. den deutschen Ableger der ägyptischen "Muslimbruderschaft", die "Islamische Gemeinschaft Deutschlands" (IGD). Die al-Nahda-Partei, die "Libysche Kämpfende Gruppe" und die AQAH verfügten in der Vergangenheit hingegen über keine eigenen funktionsfähigen Strukturen im Bundesgebiet. Ihnen werden hierzulande lediglich Einzelpersonen zugerechnet. Eine tatsächliche Einflussnahme der im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet aufhältigen al-Qaida-Führung um den (aus Ägypten stammenden) BIN LADIN-Nachfolger Aiman AZ-ZAWAHIRI konnte bislang jedoch in keinem der Länder des "Arabischen Frühlings" festgestellt werden. Im Laufe des Jahres 2011 verlor al-Qaida nahezu ihre gesamte operative Führung: Nach der Tötung BIN LADINs Usama BIN LADIN (+) in einer Villa in Abbottabad (Pakistan), wo er sich jahrelang versteckt hielt. Die von ihm gegründete al-Qaida führte er bis zu seinem Tod - offenbar nicht nur als jihadistisches Idol und Ideologe, sondern auch operativ-praktisch. Sein Ableben dürfte al-Qaida zumindest mittelund langfristig schwächen. und der Sicherstellung zahlreicher seiner Unterlagen Anfang Mai gelang es den USA in den Folgemonaten, zentrale Schlüsselfiguren für die Planung von Anschlägen und die Koordination des weltweiten Netzwerkes festzunehmen oder zu töten, so z. B. den Anschlagsplaner Scheich Younis AL-MAURETANI, der in der Ver102 gangenheit wohl auch deutsche Jihadisten für Anschläge in Deutschland zu rekrutieren versuchte und laut Medienberichten im Spätsommer 2011 durch pakistanische Sicherheitskräfte festgenommen wurde. Auch im Jahr 2011 verzeichneten die deutschen Sicherheitsbehörden zahlreiche versuchte bzw. tatsächlich erfolgte Ausreisen radikaler Islamisten in so genannte Jihad-Gebiete, vor allem in das afghanisch-pakistanische Grenzgebiet sowie in die Konfliktregion am Horn von Afrika, wo sich auch Jihadisten aus westlichen Ländern den dort operierenden somalischen Terroristen, vor allem der Shabab("Jugend"-) Bewegung anschlossen. Die meisten der in Deutschland aufgewachsenen neuen "Mujahedin" sind in den "Jihad"-Regionen nicht nur mit kampferprobten und ortskundigen militärischen Gegnern, sondern auch mit unerwarteten klimatischen und kulturellen Herausforderungen konfrontiert und daher auf umfangreiche Unterstützung finanzieller, materieller und ideeller Art angewiesen. Um diese Hilfe zu gewinnen, nutzen auch sie das Internet - sei es für "Einsatzund Frontberichte", "Märtyrer-Nachrufe", eindringliche Spendenaufrufe oder zur Verbreitung jihadistischer Literatur. "Der Jihad - die vergessene Pflicht" - so lautet der Titel einer in den 1970er Jahren von einem ägyptischen Ingenieur verfassten Schrift, die als Grundlagenwerk des Jihadismus gilt, hier in einer deutschsprachigen Fassung auf einer InternetSeite der Terrorgruppe "Deutsche Taliban Mujahideen".Der Jihad sei - so der Autor - für jeden Muslim eine ebenso verbindliche "persönliche Pflicht" wie das Glaubensbekenntnis, das Gebet, das Almosengeben, das Fasten im Ramadan und die Pilgerfahrt nach Mekka. (Quelle: Internet) 103 Die deutschen Sicherheitsbehörden gingen im Jahr 2011 davon aus, dass seit den 1990er Jahren über 250 Islamisten mit Deutschland-Bezug eine paramilitärische Ausbildung in "Terror-Camps" erhalten haben oder aber eine solche beabsichtigten. Zu ca. 70 dieser Personen lagen konkrete Hinweise vor, die für eine tatsächlich absolvierte Ausbildung sprechen. Es wird davon ausgegangen, dass sich mit Stand 2011 ca. 20 von ihnen wieder in Deutschland aufhalten, von denen wiederum ca. ein Drittel in Haft ist. Ca. 45 Islamisten mit Deutschland-Bezug haben sich in der Vergangenheit an Kampfhandlungen in "Jihad"-Gebieten beteiligt. Prinzipiell ist anzunehmen, dass Rückkehrer aus "Jihad"-Gebieten bzw. Absolventen von "Terror-Camps" bestrebt sind, ihre erworbenen Fähigkeiten auch hierzulande anzuwenden, indem sie Anschläge verüben. Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden legen zudem den Schluss nahe, dass führende al-Qaida-Operateure in den vergangen Jahren immer wieder versuchten, unter den "Jihad"-Freiwilligen aus Deutschland gezielt Attentäter für Anschläge im Bundesgebiet zu rekrutieren. Unabhängig von konkreten Anschlägen oder Anschlagsplanungen stellt der islamistische Jihadismus/Terrorismus die größte Gefahr für die innere Sicherheit in den westlichen Gesellschaften dar. Das Land Mecklenburg-Vorpommern ist Teil des allgemeinen Gefahrenraumes, jedoch kein "Hot-Spot" des islamistischen Terrorismus. Innerhalb des wesentlich größeren Phänomenbereiches "Islamismus" werden dem "Jihadismus" bzw. islamistischen Terrorismus in unserem Bundesland vor allem Einzelpersonen zugerechnet - und nur in Ausnahmefällen auch Bezüge zu organisierten Strukturen. Besondere Aufmerksamkeit ist hier, wie der Fall des Attentäters vom Frankfurter Flughafen (s. o.) gezeigt hat, auf das Internet und soziale Netzwerke, als Medien islamistischer Radikalisierung zu richten. Diese neuen Möglichkeiten der Kommunikation haben dazu geführt, dass es keines räumlichen Näheverhältnisses zwischen den Beteiligten mehr bedarf, sondern 104 praktisch an jedem Ort der Welt die Möglichkeit besteht, Zugang zu islamistischem Gedankengut zu erhalten und sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Für die Arbeit der Sicherheitsbehörden ergeben sich daraus neue Herausforderungen, sowohl in technischer Hinsicht, als auch in Bezug auf die Qualifikationen der Mitarbeiter (vgl. auch Seite 65). Der Salafismus - eine globale islamistische Bewegung Der Salafismus ist die sich zur Zeit in Deutschland und international am dynamischsten ausbreitende islamistische Bewegung. Ihm werden in Deutschland derzeit ca. 3.800 Personen zugerechnet. 76 Die salafistische Ideologie umfasst Regeln, die aus der religiösen Praxis und der Lebensführung der so genannten rechtschaffenen Altvorderen (arab. al-salaf al-salih) stammen, den ersten Generationen von Muslimen im 7. Jahrhundert n. Chr.. Praktisch bedeutet dies, dass Normen konsequent aus den autoritativen Quellen des Islam, sprich Koran und Sunna, abgeleitet und Neuerungen und Veränderungen kompromisslos abgelehnt werden. Die Regeln und Normen des Salafismus sind auf das Ziel einer vollständigen Umgestaltung von Staat, Rechtsordnung und Gesellschaft gerichtet und haben somit auch einen eindeutig politischen Charakter. Sie streben die Durchsetzung der Scharia als der von Gott offenbarten "rechtlichen" Ordnung auch in Deutschland an. Nach dem Verständnis der Salafisten ist der Islam nicht nur eine Religion, sondern eine für die gesamte Menschheit verbindliche Gesellschaftsform. Eine von Menschen geschaffene Rechtsordnung wie die freiheitliche demokratische Grundordnung der 76 Die Zahlenangabe beruht teilweise auf Schätzungen und ist gerundet. Eine exakte Bezifferung ist im Phänomenbereich Salafismus derzeit nicht möglich, da die strukturellen Besonderheiten salafistischer Bestrebungen in Deutschland genaue Erhebungen erschweren. So weisen zahlreiche salafistische Personenzusammenschlüsse keine festen Strukturen auf. Gleichzeitig finden sich Salafisten in Organisationen und Einrichtungen anderer islamistischer Beobachtungsobjekte. 105 Bundesrepublik Deutschland wird vom Salafismus folglich kategorisch abgelehnt. Charakteristisch für den Salafismus ist seine expansive Haltung: Salafisten haben die Vorstellung, dass der von ihnen diagnostizierte gesellschaftliche Verfall in den westlichen Gesellschaften (und ganz konkret auch in Deutschland) nur durch die Umsetzung ihrer Glaubensvorstellung und Anwendung ihrer Normen revidiert werden kann. Dabei können zwei Aktionsformen des Salafismus beobachtet werden: Der so genannte politische Salafismus setzt da'wa (arabisch für Mission oder Einladung zum Islam) für die propagandistische Verbreitung seiner Ideologie unter Nichtmuslimen und Muslimen ein, um so der von ihm angestrebten Ordnung Geltung zu verschaffen. Politische Salafisten haben das Ziel mittels da'wa Konvertiten für ihre Lesart des Islam zu gewinnen und Muslime, die nach ihren Auffassung den wahren Glauben verloren haben, wieder auf den richtigen, sprich salafistischen Weg zurückzuführen. Dazu haben Salafisten sich im Internet in sozialen Netzwerken positioniert und eigene Videokanäle eingerichtet und vertreiben bundesweit salafistische Publikationen. Salafistische Redner reisen durch das Bundesgebiet, bieten Seminare an und halten Vorträge. Der so genannte jihadistische Salafismus teilt mit den politischen Salafisten die Vision einer idealen Gemeinschaft nach dem Vorbild der frühen Muslime und deren angenommener Normen. Wie die politischen Salafisten wollen sie diese Ordnung auch im Westen durchsetzen. Anders als die politischen Salafisten setzen sie jedoch zusätzlich auf den gewaltsamen, religiös motivierten Kampf (arab. jihad), um dieses Ziel zu erreichen. Die Übergänge zwischen "politischem Salafismus" und "jihadistischem Salafismus" sind - wie Auswertungen von Radikalisierungsverläufen gezeigt haben - fließend. Jihadistische wie auch politische Salafisten greifen die Ideen derselben Autoritäten und Vordenker auf. Sowohl die ideologischen Grundlagen, wie auch die angestrebten politischen und gesellschaftlichen Ziele sind bei beiden Gruppen identisch. Sie unterscheiden sich vor allem in der Wahl der Mittel, mit denen ihre Ziele verwirklicht werden sollen. 106 Insgesamt ist festzustellen, dass beinahe sämtliche Personen mit Deutschlandbezug, die den gewaltsamen "Jihad" befürworten, zuvor mit salafistischen Strukturen in Kontakt standen. Es kann mithin als gesichert gelten, dass das von Salafisten verbreitete Gedankengut den Nährboden für eine islamistische Radikalisierung, "Jihadisierung" und schließlich Rekrutierung für den "militanten Jihad" bildet. Die besondere Gefahr des Salafismus besteht darin, dass er auch als rein virtuell verbreitetes Gedankengut radikalisierungsfördernd zu wirken scheint. Auf dem Markt der religiösen Botschaften hat der Salafismus heute die lauteste Stimme und liefert die klarsten und am leichtesten zugänglichen Inhalte. Salafisten formulieren leicht verständliche Regeln, die auch ohne größere Vorkenntnisse zum Thema "Islam" umgesetzt werden können. Betrachtet man insbesondere das Internet, so wird die Dominanz des missionarischen, politischen Salafismus gegenüber anderen Lesarten des Islam deutlich. Politischer Salafismus in Mecklenburg-Vorpommern In Mecklenburg-Vorpommern sind nur vereinzelte Aktivitäten im Sinne eines politischen Salafismus festzustellen. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass auch hier Internetseiten, soziale Netzwerke und Videokanäle ihre Wirkung bei entsprechend geneigten Personen entfalten können. Daneben waren einzelne Veranstaltungen mit salafistischer Ausrichtung zu beobachten. Die im Folgenden skizzierten Aktivitäten des politischen Salafismus zeigen nicht nur die Reichweite dieses Phänomens ins Land hinein, sondern verdeutlichen auch die konkreten Ziele des Salafismus. Hansestadt Greifswald In der Greifswalder Innenstadt wurde 2011 mehrfach ein "Infostand über den Islam" betrieben, bei dem auch salafistische Publikationen verteilt wurden. Ausgerichtet wurde der "Infostand" vom "Islamischen Kulturzentrum Greifswald" (IKZ), einem Verein, der in der Hansestadt Greifswald auch eine Moschee unterhält. Auffällig war, dass dort auch verschiedene Bücher des saudischen Salafisten Abdul Rahman AL-SHEHA auslagen, u. a. das Buch 107 Vertriebspunkt für salafistische Propaganda in der Greifswalder Innenstadt: der "Infostand über den Islam" (Quelle: Facebookseite des IKZ) "Missverständnisse über Menschenrechte im Islam" - eine Schrift, die sich offen gegen das Grundrecht der Religionsfreiheit stellt: "...Eine Person, die den islamischen Glauben ablehnt, sollte eine Gelegenheit von drei aufeinander folgenden Tagen gegeben werden, um zur Gemeinschaft des Islam zurückzukehren. Reife islamische Gelehrte müssen mit ihm Sitzen und ihm die große Sünde erklären, die er gegen seine Seele, seine Familie und die Gemeinschaft begeht. Wenn diese Person zur Gemeinschaft des Islam zurückkehrt, wird sie freigelassen, wenn nicht, wird die Strafe vollzogen. Die Tötung eines Abtrünnigen ist in Wirklichkeit ein Erlösung für die restlichen Mitglieder der Gesellschaft." 77 77 Abdul Rahman AL-SHEHA: "Missverständnisse über Menschenrechte im Islam", Rabwah, S. 138 108 In der Greifswalder Fußgängerzone wurde also eine salafistische Missionierungsschrift verteilt, die die Todesstrafe für alle Apostaten fordert, d. h. für alle Muslime, die von der Religion des Islam abfallen. Das Cover mutet konstruktiv an - der Inhalt von Abdul-Rahman AL-SHEHAs "Missverständnisse über Menschenrechte im Islam" ist jedoch konfrontativ und steht in offenem Gegensatz zum Prinzip der Religionsfreiheit, wie sie durch Art. 4 des Grundgesetzes garantiert wird. 78 Salafistische Propaganda wurde 2011 auch über die Facebookseite des "Islamischen Kulturzentrums Greifswald" verbreitet. Neben einem Video eines ägyptischen Salafisten sind dort einige Videos des Vereins "Einladung zum Paradies e.V." (EZP) eingestellt. 79 Der am 3. August 2011 offiziell aufgelöste Verein EZP hatte über Jahre hinweg ein Netzwerk von salafistischen Predigern aufgebaut, eine umfangreiche Internetpräsenz errichtet, Propagandamaterial vertrieben und salafistische Islam-Seminare und Islam-Infostände veranstaltet. Eine wichtige Person im Umfeld von EZP war der medienbekannte deutsche Konvertit und Salafist Pierre VOGEL, 78 Quelle: Internetseite des Vereins "way-to-allah" 79 zuletzt festgestellt am 16.12.2011 109 der sein Ziel der vollständigen Umgestaltung von Staat und Gesellschaft knapp und unverhohlen wie folgt formuliert: "...Ein Muslim ist jemand der (...) nach einer vollständigen Neugestaltung seines Lebens gemäß den offenbarten Anweisungen Gottes strebt, und für die Gründung einer Gesellschaftsordnung arbeitet, in der die Rechtsleitung Gottes verwirklicht wird" 80 Pierre VOGEL (rechts) und sein Kollege Bilal PHILIPS bei einer Kundgebung am 20.04 2011 in Frankfurt/Main. Der Kanadier PHILIPS wurde unmittelbar nach dieser Veranstaltung ausgewiesen, u. a. weil er in einem anderen Zusammenhang die Todesstrafe für Homosexuelle gefordert hat. Auf der Facebookseite des IKZ ist ein Video von dieser Kundgebung eingestellt. (Quelle: Foto des webblogs "Islamization Watch") 80 Pierre VOGEL: "Was ist Islam", o. O., o. J., S. 15 110 Hansestadt Rostock In der Hansestadt Rostock ist nach wie vor der "Islamische Bund Rostock e.V." (IBR) 81 aktiv, der jedoch im Berichtszeitraum keine regelmäßigen bzw. öffentlichkeitswirksamen salafistischen Aktivitäten entfaltet hat. Der IBR ist bemüht, nicht durch offene islamistische Bestrebungen nach außen in Erscheinung zu treten und sich auf diese Weise angreifbar zu machen. Festzuhalten ist jedoch, dass der IBR bei der Finanzierung des von ihm angestrebten Moscheeneubaus eine Förderung durch eine saudische Stiftung anstrebt, die als salafistisch zu klassifizieren ist. Da der Verein bei dem beabsichtigten Moscheebau auf externe finanzielle Unterstützung angewiesen ist, liegt ihm nach Angaben des Vereinsvorstands eine Offerte der "Islamischen Weltliga" (arab. Rabitat al-'Alam al-Islami) vor, die darauf gerichtet ist, einen Großteil der Finanzierung zu übernehmen. 82 Die "Islamische Weltliga" wurde 1962 in Mekka in Saudi-Arabien gegründet, wird überwiegend vom Königreich Saudi-Arabien finanziert und wurde zum wichtigsten Instrument bei der weltweiten Verbreitung der wahhabitischen Ideologie entwickelt. 83 Der Wahhabismus ist die offizielle Form des Islam in Saudi-Arabien und stellt die einflussreichste Richtung innerhalb des Salafismus dar. Die "Islamische Weltliga" hat das Ziel, den Wahhabismus weltweit zu verbreiten und ist insofern als ein Instrument des politischen Salafismus anzusehen. Eine maßgebliche finanzielle Beteiligung der "Islamischen Weltliga" am Neubau der Rostocker Moschee wäre somit ein erhebliches Einfallstor für salafistische Entwicklungen in Mecklenburg-Vorpommern. Des Weiteren waren vereinzelte unmittelbare Aktivitäten festzustellen, die dem politischen Salafismus zuzurechnen sind. So hat ein aus Marokko stammender, prominenter salafistischer Prediger 2011 zwei Mal in der Rostocker as-Salam-Moschee gepredigt, 81 Ausführlich zum IBR siehe die Verfassungsschutzungsberichte MecklenburgVorpommern 2009, S. 77-81 und 2010, S. 87 82 vgl. Verfassungsschutzbericht Mecklenburg-Vorpommern 2009, S. 81 83 Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen: "Salafismus - Entstehung und Ideologie". Eine Analyse der Ideologie durch den Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 2009, S. 13f 111 u. a. am 3. Oktober, dem alljährlichen "Tag der offenen Moschee". Der Prediger ist bundesweit durch seine Vortragsreisen bekannt geworden und hat in den letzten Jahren auch in der Hansestadt Greifswald und in der Landeshauptstadt Schwerin Islamvorträge veranstaltet. Vor diesem Hintergrund wird auch weiterhin aufmerksam zu beobachten sein, ob und inwieweit der IBR an seiner bisherigen Ausrichtung festhält. Hansestadt Wismar Salafisten sind 2011 auch in der Hansestadt Wismar für die Durchsetzung ihrer Glaubensvorstellungen eingetreten. Bei einem Vortrag an der Hochschule Wismar im Mai wurden neben Flyern der islamistischen Muslimbrüder auch Bücher des bereits erwähnten Abdul Rahman AL-SHEHA verteilt. Verantwortlich für diese Veranstaltung war die Gruppierung "Muslim, Student und kein Terrorist (MSkT)" aus der Hansestadt Wismar. MSkT hat sich 2011 gegründet und verfolgt nach eigenen Angaben das Ziel, das Verständnis zwischen den verschiedenen Kulturen zu verbessern. Auffallend war in diesem Zusammenhang vor allem die Feststellung des Buches "Frauen im Schutz des Islam" von AL-SHEHA. Diese Publikation, die bereits bei zahlreichen salafistischen Einrichtungen und "Islam-Infoständen" in Deutschland festgestellt werden konnte, ist wegen der in ihr enthaltenen religiösen Rechtfertigung von Gewalt gegenüber Frauen von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften Anfang des Jahres 2009 indiziert worden. AL-SHEHA begründet dort unter anderem, unter welchen Bedingungen das Schlagen von Frauen zulässig sei: "...Das Heilmittel, um eine ungehorsame Frau zu behandeln, besteht, wie schon beschrieben, aus drei Stufen [...]. Erste Stufe: Die Stufe der Ermahnung, Empfehlung und Warnung vor Allahs Strafe. [...]. Zweite Stufe: Das Bett der Frau meiden. [...]. Dritte und letzte Stufe: Schlagen ohne zu verletzen, Knochen zu brechen, blaue oder schwarze Flecken auf den Körper zu hinterlassen und unter allen Umständen vermeiden, 112 ins Gesicht zu treffen. Die Absicht des Schlagens ist in diesem Fall und nach den Islamischen Lehren nur auf die Form einer Behandlung eingeschränkt und begrenzt. [....]." 84 Dieser Textauszug macht unmissverständlich deutlich, dass Salafisten eine Ordnung anstreben, in der dem Mann gegenüber seiner Frau ein körperliches Züchtigungsrecht zugestanden wird, welches mit der Werteordnung des Grundgesetzes definitiv unvereinbar ist. 84 Abdul-Rahman AL-SHEHA: "Frauen im Schutz des Islam", o. O. und o.J., S. 84f 113 Ausländerextremismus Personenpotenzial Das Personenpotenzial der in Mecklenburg-Vorpommern agierenden - nicht islamistischen - linksextremistischen Ausländerorganisationen stellt sich im Einzelnen wie folgt dar: M-V M-V Bund Bund 2010 2011 2010 2011 Arbeiterpartei Kurdistans 250 250 11.500 13.000 (PKK)/KONGRA GEL Revolutionäre Volksbefrei<10 <10 650 650 ungs-Front (DHKP-C) Ehemalige Türkische Kommunistische Partei/ <10 <10 1.300 1.300 Marxisten-Leninisten (TKP/ML) und MKP Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei <10 <10 600 600 (MLKP) Gesamt <280 <280 14.050 15.550 Von den meisten dieser Organisationen wird Deutschland als gesicherter Rückzugsraum betrachtet, jedoch ist die Zahl der Anhänger von der türkischen linksextremistischen Parteien DHKP-C, TKP/ML und MLKP - im Gegensatz zur Mitgliederzahl der kurdischen PKK / KONGRA GEL - im Land Mecklenburg-Vorpommern eher unbedeutend. Öffentlichkeitswirksame Aktionen der genannten Gruppierungen waren im Berichtszeitraum nicht festzustellen. 114 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) / Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL) Allgemeines Die im Jahr 1978 in der Türkei gegründete "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) kämpft seit Anfang der 1980er Jahre für die Unabhängigkeit bzw. größere Autonomie der Kurdengebiete im Osten der Türkei. Seitdem sind bei Anschlägen und Gefechten mehrere zehntausend Menschen, darunter auch viele Zivilisten, getötet worden. Von der Europäischen Union wurde die PKK in die Liste der terroristischen Vereinigungen aufgenommen. Sie unterliegt - einschließlich verschiedener Teilund Nebenorganisationen - in Deutschland seit 1993 einem vereinsrechtlichen Betätigungsverbot. Der Aktionsradius der PKK erstreckt sich über die Grenzen Deutschlands hinaus auf ganz Europa. Dabei verfolgt die PKK seit Jahren eine Doppelstrategie, die sich in einem weitgehend gewaltfreien Kurs in Europa auf der einen Seite und einem von militanten Aktionen geprägten Kurs, insbesondere im Grenzgebiet Türkei-Nordirak, auf der anderen Seite äußert. Als Reaktion auf die politische und militärische Situation in der Türkei sowie auf die Haftsituation des PKK-Führers Abdullah Öcalan fanden europaweit zahlreiche Resonanzaktionen statt. Insbesondere die PKK-Jugendorganisation "Komalen Ciwan" ist in der zweiten Jahreshälfte 2011 vermehrt mit Aktionen in Erscheinung getreten. Unter anderem wurde am 24. September vor dem Europäischen Parlament in Brüssel eine Protestkundgebung mit 3.000 Teilnehmern durchgeführt. Am 28. September drangen 34 jugendliche Anhänger der PKK in die Sendezentrale des Fernsehsenders RTL in Köln ein. Sie besetzten Räumlichkeiten der "Explosiv"-Redaktion und drohten, das Gebäude erst nach der Ausstrahlung einer vorbereiteten mehrseitigen Erklärung mit dem Thema "Freiheit für Öcalan!" im laufenden Fernsehpro115 gramm zu verlassen. Am 6. Oktober 2011 wurde aufgrund eines fehlgeschlagenen Versuchs, die Büroräume der Nachrichtenagentur Reuters in Frankfurt zu besetzen, dass Foyer des Messeturms in Frankfurt von 15 jugendlichen Kurden gestürmt und für mehrere Stunden besetzt. Darüber hinaus kam es bundesweit zu mehreren Sitzblockaden kurdischer Jugendlicher. Ähnliche Aktionen von "Komalen-Ciwan"-Anhängern wurden auch aus dem europäischen Ausland berichtet. In Mecklenburg-Vorpommern wird der PKK eine Anhängerschaft von ca. 250 Personen zugerechnet. Es gelingt ihr auch in Mecklenburg-Vorpommern immer wieder, eine relativ große Zahl von Kurden zur Teilnahme an Veranstaltungen in anderen Bundesländern zu mobilisieren. Aktivitäten der PKK in Deutschland Trotz des PKK-Verbots im Jahr 1993 führten deren Anhänger im Jahr 2011 in Deutschland erneut Großveranstaltungen mit teilweise mehreren zehntausend Teilnehmern durch, zu denen auch Personen aus Mecklenburg-Vorpommern anreisten. Organisiert wurden diese Veranstaltungen in der Regel nicht unmittelbar durch die PKK, sondern vielmehr durch die derzeit nicht vom vereinsrechtlichen Betätigungsverbot erfasste "Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland" (YEK-KOM e. V.). Teilnehmerzahlen von bis zu 25.000 Personen pro Veranstaltung, z. B. beim Kurdistan-Festival am 3. September 2011 in Köln und die jährlich stattfindenden "Newroz-Kundgebungen", welche auch als Symbol des Freiheitskampfes gefeiert werden, zeigen, dass die PKK nach wie vor in der Lage ist, eine große Anzahl von Kurden für die Bewegung in Deutschland zu mobilisieren. Die PKK finanziert sich in Deutschland weitgehend über Mitgliedsbeiträge, den Verkauf von Publikationen und durch Einnahmen aus Veranstaltungen. Ein großer Teil der Einnahmen wird darüber hinaus durch "Spendenzahlungen" ihrer Anhänger erzielt. Entsprechende monatliche Sammlungen sowie gesonderte 116 jährliche Kampagnen finden u. a. auch in Mecklenburg-Vorpommern statt. Hauptamtliche Kader der PKK leben in Deutschland konspirativ an häufig wechselnden Orten. Die PKK-Anhängerschaft selbst ist in mehreren örtlichen Vereinen organisiert, die dem YEK-KOM e.V., der "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland", angegliedert sind. Diese Vereine haben die Bestimmung, die Politik der PKK unter den Anhängern zu verbreiten. Sie stellen sich in der Öffentlichkeit in der Regel als reine Kulturvereine dar. Zuletzt organisierte der YEK-KOM e. V. für den 26. November 2011 unter dem Motto "PKK-Verbot aufheben - Demokratie stärken" eine Großdemonstration in Berlin. Da die Demonstration von der Versammlungsbehörde rechtskräftig verboten worden war, mischten sich mehrere hundert PKK-Anhänger mit Bildern und Symbolen der PKK unter eine am gleichen Tag stattfindende Demonstration gegen Rechtsextremismus. Im Verlauf der Demonstration kam es zu mehreren Festnahmen. Ca. 80 Polizeibeamte wurden verletzt. "Deutsch-Kurdischer Freundschaftsverein e. V." mit Sitz in Rostock In Mecklenburg-Vorpommern ist dem YEK-KOM e. V. der am 18. Mai 2008 in Rostock gegründete "Deutsch-Kurdische Freundschaftsverein Hasankeyf e.V." angegliedert, der trotz seiner anders lautenden Satzung als "Sammelund Betätigungsstelle" der PKK und ihrer Anhänger wie auch als eine Finanzierungsquelle der PKK gewertet werden kann. Der Verein ist zwar nach wie vor formal existent, Aktivitäten konnten im Berichtszeitraum jedoch nicht festgestellt werden. 117 Spionageabwehr Gesetzlicher Auftrag Unter dem Begriff Spionage wird die Beschaffung von Informationen, vor allem aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Militär, zumeist unter Anwendung geheimer Mittel und Methoden, verstanden. Eine Reihe fremder Staaten setzt ihre Nachrichtendienste verstärkt in Deutschland ein, um aktuelle politische Entwicklungen sowie Informationen über Forschungsund Entwicklungsprojekte auszuspionieren. Die Spionageabwehr hat den gesetzlichen Auftrag, gem. SS 5 (1) Nr. 2 LVerfSchG M-V, Informationen über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Staaten zu sammeln und auszuwerten sowie ihnen durch den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel und Methoden zu begegnen. Aktuelle Entwicklungen und Tendenzen Mecklenburg-Vorpommern entfaltet nicht nur als touristisches Urlaubsgebiet, sondern auch als Standort für zahlreiche Technologiezentren und Forschungseinrichtungen eine Anziehungskraft für fremde Nachrichtendienste. Zu beobachten war in den letzten Jahren vor allem eine Verlagerung von den klassischen Spionagefeldern Politik und Militär hin zum Bereich der Wirtschaft. Hauptträger von Spionageaktivitäten in Deutschland sind weiterhin die Russische Förderation und die Volksrepublik China. Zudem sind Länder des Nahen, Mittleren und Fernen Ostens sowie Nordafrikas zu nennen. Bei den letztgenannten Staaten dominiert neben der klassischen Informationsbeschaffung die Ausforschung Oppositioneller durch die Herkunftsstaaten sowie die Unterwanderung ihrer Organisationen. Die Nachrichtendienste fremder Staaten sind in unterschiedlicher Personalstärke an den jeweiligen amtlichen oder halbamtlichen Vertretungen in Deutschland präsent und unterhalten dort so genannte Legalresidenturen. Der Begriff bezeichnet den Stützpunkt eines fremden Nachrichtendienstes, abgetarnt in einer of118 fiziellen (z. B. Botschaft, Generalkonsulat) oder halboffiziellen (z. B. Handelsvertretung, Presseagentur) Vertretung eines Landes im Gastland. Einen Großteil ihres Informationsbedarfes decken die Nachrichtendienste durch die Auswertung offener Quellen, wie des Internets und anderer Medien, den Besuch von Messen, die Teilnahme an öffentlichen Vortragsveranstaltungen, Fachtagungen und Diskussionsrunden sowie durch Gespräche mit Kontaktpersonen. Sie wenden auch konspirative Methoden an, um besonders sensible Informationen zu beschaffen. Angriffe auf informationstechnische Strukturen sind in den letzten Jahren immer zahlreicher und komplexer geworden; gleichzeitig ist eine zunehmende Professionalisierung des Vorgehens zu verzeichnen. Ihren Ursprung haben die Cyber-Angriffe sowohl im Inals auch im Ausland. Die Offenheit und Ausdehnung des Cyber-Raums erlaubt es, verschleierte Angriffe durchzuführen und andere Computersysteme als Werkzeug für Angriffe zu missbrauchen. Gegenüber technologisch hoch entwickelten Schadprogrammen sind die Abwehrund Rückverfolgungsmöglichkeiten sehr begrenzt. Häufig kann bei Angriffen weder auf die Identität noch auf die Hintergründe des Angreifers geschlossen werden. Kriminelle, terroristische und nachrichtendienstliche Akteure nutzen den Cyber-Raum als Feld für ihr Handeln unabhängig von Landesgrenzen. Zur Optimierung der operativen Zusammenarbeit aller staatlichen Stellen und zur besseren Koordinierung von Schutzund Abwehrmaßnahmen gegen IT-Vorfälle hat das Bundesinnenministerium zum 1. April 2011 ein Nationales Cyber-Abwehrzentrum (NCAZ) eingerichtet. Dieses ist beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) angesiedelt und hat seinen Sitz in Bonn. Im Abwehrzentrum kooperieren unter Federführung des BSI, das Bundesamt für Verfassungsschutz, das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, die Bundeswehr und das Zollkriminalamt. Ein schneller und enger Informationsaustausch über Schwachstellen in IT-Produkten, Verwundbarkeiten, Angriffsformen und 119 Täterbilder befähigt das Nationale Cyber-Abwehrzentrum, IT-Vorfälle zu analysieren und abgestimmte Handlungsempfehlungen zu geben. Empfehlungen für den Umgang in Sozialen Netzwerken Das Internet hat das Alltagsverhalten vieler Menschen nachhaltig verändert. Soziale Netzwerke erfreuen sich als Kommunikationsplattform enormer Beliebtheit. Weltweit tauschen sich Millionen in Netzwerken wie Facebook, MySpace, Xing, wer-kennt-wen oder StudiVZ über ihre Hobbys, gemeinsame Interessen oder auch berufliche Perspektiven aus. Viele Nutzer dieser Plattformen offenbaren unbewusst sensible Informationen. Sie beinhalten neben persönlichen Daten oft auch Angaben zum Arbeitgeber und der Funktion im Unternehmen. Einzeln betrachtet noch unverfänglich, entsteht durch die Kombination dieser Informationen ein Angriffspunkt. Je mehr preisgegeben wird, desto höher sind die Erfolgschancen für einen Angreifer. Kriminelle Einzeltäter, professionelle Nachrichtenhändler und Konkurrenzunternehmen sammeln gezielt Informationen. Auch für fremde Nachrichtendienste stellen soziale Netzwerke als offene Quelle eine wahre Fundgrube dar. Sie nutzen diese Offenheit zur Kontaktaufnahme und Anbahnung eines Mitarbeiters als Informationsquelle. Dies kann nicht nur negative Folgen für den Verursacher, sondern auch für sein Unternehmen haben. Zur Verhinderung von Spionage gibt der Verfassungsschutz folgende Empfehlungen: * Üben Sie Zurückhaltung im Umgang mit der Preisgabe persönlicher Daten im Internet. * Beachten Sie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des je120 weiligen sozialen Netzwerks. Unter Umständen akzeptieren Sie mit der Registrierung, dass Ihre persönlichen Daten oder Fotos uneingeschränkt durch den Betreiber weiterverwendet wer den, auch wenn Sie ihr Profil wieder löschen. * Stellen Sie nur wenige sichtbare Informationen für "Fremde" im Profil bereit. Konfigurieren Sie die Zugriffseinstellungen, bevor Sie das Profil erstellen. * Vermeiden Sie Angaben zum derzeitigen Arbeitgeber oder nehmen Sie zuvor mit diesem Rücksprache. * Erweitern Sie als Arbeitgeber Ihre internen Sicherheitsbestimmungen um einen "Social-Network-Passus" und sensibilisieren Sie Ihre Mitarbeiter hinsichtlich des Umgangs mit unternehmensbezogenen Informationen. 121 Ansprechpartner Jeder Bürger und jedes Unternehmen kann ohne eigenes Handeln zum Ziel nachrichtendienstlicher Aktivitäten fremder Staaten werden. Die Spionageabwehr Mecklenburg-Vorpommern steht allen Betroffenen als kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung. In einem Gespräch können sowohl Erfahrungen und Erkenntnisse des Verfassungsschutzes vermittelt als auch Wege aus einer nachrichtendienstlichen Verstrickung aufgezeigt werden. Im Unterschied zur Polizei und den anderen Strafverfolgungsbehörden arbeitet der Verfassungsschutz nach dem so genannten Opportunitätsprinzip, unterliegt also nicht der Strafverfolgungspflicht. Insofern wird zugesichert, dass alle Hinweise an die Spionageabwehr des Landes Mecklenburg-Vorpommern absolut vertraulich behandelt werden. Bitte nutzen Sie folgende Kontaktmöglichkeiten: Ministerium für Inneres und Sport Mecklenburg-Vorpommern Abteilung Verfassungsschutz - Spionageabwehr - PF 11 05 52 19005 Schwerin Tel.: 0385 7420-0 Fax: 0385 714438 E-Mail: spionageabwehr@verfassungsschutz-mv.de 122 Öffentlichkeitsarbeit Aktivitäten Es ist gesetzliche Aufgabe des Verfassungsschutzes Mecklenburg-Vorpommern, die Öffentlichkeit über die Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung zu informieren. Im Rahmen der Umsetzung dieses Auftrages, der Verpflichtung und Selbstverständnis zugleich für die hiesige Verfassungsschutzbehörde ist, wurden auch im Jahr 2011 wieder zahlreiche Vortragsveranstaltungen durchgeführt. Insgesamt wurden 44 Veranstaltungen besucht oder ausgerichtet und in 23 Vorträgen über die Tätigkeit des Verfassungsschutzes informiert. Neben Themen mit allgemeinen Bezügen zu Arbeit und Aufgaben des Verfassungsschutzes standen sowohl die Aufklärung über die unterschiedlichsten Gefahren, die durch den politischen Extremismus und Terrorismus drohen, als auch Aspekte und Belange des betrieblichen Wirtschaftsschutzes, im Vordergrund der Betrachtung. Zu den Hauptinteressenten zählten vor allem Schüler, Lehrer, Gewerbeunternehmen, Landes-/ Kommunalpolitiker und Führungskräfte des Öffentlichen Dienstes. Zudem präsentierte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) im Januar 2011 in Neustrelitz die Wanderausstellung "Die braune Falle - Eine rechtsextremistische Karriere'". Die Ausstellung richtet sich an politisch interessierte Bürger, in erster Linie jedoch an Schüler und Jugendliche. Anhand eines fiktiven Lebenslaufes eines Jugendlichen wird hier über die verschiedenen Ausprägungen des rechtsextremistischen Gefährdungspotenzials, entsprechender Strukturen und verfassungsfeindlicher Zielsetzungen aufgeklärt. Zahlreiche Menschen haben das dargestellte Informationsangebot angenommen, so dass sich die Ausstellung eines regen Zuspruches erfreut hat. Die verstärkte Inanspruchnahme der fachlichen Informationsund Beratungskompetenz des Verfassungsschutzes, als auch die große Nachfrage nach Druckerzeugnissen lassen auf eine Zunah123 me des öffentlichen Interesses an der Arbeit des Verfassungsschutzes schließen. Mitarbeiter der hiesigen Verfassungsschutzbehörde informieren und beraten auf Anfrage über die Arbeit und Aufgaben des Verfassungsschutzes, stellen die Gefahren und Entwicklungen dar, die durch die unterschiedlichsten Formen des politischen Extremismus und Terrorismus drohen und gehen dabei auch auf aktuelle Themen und Fragestellungen ein. Des Weiteren wird auf der Internetseite des Verfassungsschutzes Mecklenburg-Vorpommern (www.verfassungsschutz-mv.de), der gemeinsamen Internetseite der Verfassungsschutzbehörden der "Norddeutschen Küstenländer" (www.verfassungsschutzgegenrechtsextremismus.de) und auf der Seite der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern (www.regierung-mv.de) über Themen des Verfassungsschutzes berichtet. Informationsmaterialien Es können folgende Berichte und Broschüren kostenlos beim Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern angefordert oder im Internet unter der Adresse www.verfassungsschutz-mv.de herunter geladen werden: * Verfassungsschutzberichte der Jahre 2006 bis 2011 * Proliferation - Wir haben Verantwortung (Gemeinschaftsproduktion der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern, November 2010) 124 * Wirtschaftsspionage - Faltblattserie (Gemeinschaftsproduktion der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern, August 2010), zu folgenden Einzelthemen: * Sicherheitslücke Mensch - Der Innentäter als größte Bedrohung für die Unternehmen * Verfassungsschutz - Ihr Ansprechpartner für Wirtschaftsschutz * Sicherheit im Know-how-Transfer * Elektronische Attacken auf Informationsund Kommunikationstechnik * Wissensspionage - Gefahren für Forschung und Lehre * Schrankenlose Offenheit - "soziale Netzwerke" im Web 125 * Weiß ist keine Farbe (Comic über die Gefahren des Rechtsextremismus, Juli 2008) Darüber hinaus sind Informationsblätter erhältlich, die ebenfalls kostenlos (zum Herunterladen) zur Verfügung stehen: * Informationsblatt für Vermieter von Veranstaltungssälen; * Merkblatt zum Kauf von Immobilien durch Rechtsextremisten. Ausund Fortbildung an der Fachhochschule Güstrow Aufgrund einer Kooperationsvereinbarung mit der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Polizei und Rechtspflege Güstrow (FHöVPuR) haben Mitarbeiter der hiesigen Verfassungsschutzbehörde beginnend mit dem Jahr 2010, im Rahmen von Ausund Fortbildungsveranstaltungen, Vorträge mit fachlichem Bezug zu der Tätigkeit und den Aufgaben des Verfassungsschutzes als auch zu ausgesuchten, aktuellen sicherheitspolitischen Themen gehalten. 126 Abkürzungsverzeichnis AAG Antifaschistische Aktion Greifswald AONB Antifa Offensive Neubrandenburg AQAH Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel AQM Al-Qaida im islamischen Maghreb BAMF Bundesamt für Migration und Flüchtlinge BfV Bundesamt für Verfassungsschutz BKA Bundeskriminalamt BND Bundesnachrichtendienst BSI Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik DHKP-C Devrimci Halk Kurtulus Partisi/Cephesi (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) DKP Deutsche Kommunistische Partei DVU Deutsche Volksunion EZP Einladung zum Paradies e. V. FAU Freie Arbeiterinnenund Arbeiter-Union G-10 Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses GAR Gemeinsames Abwehrzentrum Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus GDF Gemeinschaft Deutscher Frauen GTAZ Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum HDJ Heimattreue Deutsche Jugend IAA Internationale Arbeiter Assoziation IBR e. V. Islamischer Bund Rostock e. V. IfV e. V. Initiative für Volksaufklärung e. V. IGD Islamische Gemeinschaft Deutschland IKZ Islamisches Kulturzentrum Greifswald JAZ Jugendalternativzentrum Rostock JN Junge Nationaldemokraten KONGRA GEL Kongra Gele Kurdistan (Arbeiterpartei Kurdistans) KPD Kommunistische Partei Deutschland KTV Kröpeliner-Tor-Vorstadt 127 LfDI Landesbeauftragter für den Datenschutz und Informationsfreiheit LiBRo Linker Block Rostock LKA M-V Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern LRH Landesrechnungshof MAD Militärischer Abschirmdienst MAF Mecklenburgische Aktionsfront MLKP Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei MLPD Marxistisch-Leninistische Partei Deutschland MSkT Muslim, Student und kein Terrorist NATO North Atlantic Treaty Organization (Nordatlantische Vertragsorganisation) NCAZ Nationales Cyber-Abwehrzentrum NHW Nordisches Hilfswerk NIAS Nachrichtendienstliche Informationsund Analysestelle NOT Nationale Offensive Teterow NPD Nationaldemokratische Partei Deutschland NS Nationalsozialistisch NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NSG Nationale Sozialisten Greifswald NSU Nationalsozialistischer Untergrund o. O. und o. J. ohne Ortsund ohne Jahresangabe PGP Pretty Good Privacy PIAS Polizeiliche Informationsund Analysestelle PMK Politisch motivierte Kriminalität PKK 1. Parlamentarische Kontrollkommission des Landtages Mecklenburg-Vorpommern 2. Partiya Karkeren Kurdistan (Arbeiterpartei Kurdistans) RAF Rote Armee Fraktion SAV Sozialistische Alternative SDAJ Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend SRH Schwarz Rote Hilfe Rostock StGB Strafgesetzbuch SS Schutzstaffel der NSDAP 128 TKP/ML Türkische Kommunistische Partei/ MarxistenLeninisten YEK-KOM e. V. Yekitiya Komalen Kurd li Elmanya (Föderation kurdischer Vereine in Deutschland) ZKA Zollkriminalamt 129 GLOSSAR Antifaschismus Antifaschismus als Begriff wird auch von Demokraten verwendet, um ihre Ablehnung des Rechtsextremismus zum Ausdruck zu bringen. Mehrheitlich nehmen jedoch Linksextremisten diesen Begriff für sich in Anspruch. Sie behaupten, dass der kapitalistische Staat den Faschismus hervorbringe, zumindest aber toleriere. Daher richtet sich der Antifaschismus nicht nur gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten, sondern auch gegen den Staat und seine Vertreter, insbesondere Angehörige der Sicherheitsbehörden. Ausländerextremismus Extremistische Ausländerorganisationen verfolgen in Deutschland Ziele, die häufig durch aktuelle Ereignisse und politische Entwicklungen in ihren Heimatländern bestimmt sind. Entsprechend ihrer politischen Ausrichtung handelt es sich dabei zum Beispiel um linksextremistische Organisationen (z. B. die türkische "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C), soweit sie in ihren Heimatländern ein sozialistisches bzw. kommunistisches Herrschaftssystem anstreben oder um nationalistische Organisationen, die ein überhöhtes Selbstverständnis von der eigenen Nation haben und die Rechte anderer Völker missachten. Daneben gibt es separatistische Organisationen, die eine Loslösung ihres Herkunftsgebietes aus einem bereits bestehenden Staatsgebilde und die Schaffung eines eigenen Staates verfolgen. Die größte von den Verfassungsschutzbehörden beobachtete ausländerextremistische Organisation in Deutschland ist nach wie vor die unter der Bezeichnung PKK bekannte "Arbeiterpartei Kurdistans". Derartige Organisationen unterliegen der Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden, wenn: * sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland richten, indem sie hier z. B. versuchen, eine ihren Grundsätzen entsprechende Parallelgesellschaft zu errichten; 130 * sie ihre politischen Auseinandersetzungen mit Gewalt auf deutschem Boden austragen und dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährden; * sie vom Bundesgebiet aus Gewaltaktionen in anderen Staaten durchführen oder unterstützen und dadurch auswärtige Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu diesen Staaten gefährden; * sich ihre Aktivitäten gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere das friedliche Zusammenleben der Völker, richten. Autonome Kennzeichnend für die Bewegung der Autonomen, die über kein einheitliches ideologisches Konzept verfügt, ist die Ablehnung staatlicher und gesellschaftlicher Normen und Zwänge, die Suche nach einem freien, selbstbestimmten Leben in herrschaftsfreien Räumen und der Widerstand gegen den demokratischen Staat und seine Institutionen, wobei Gewalt von Autonomen grundsätzlich als Aktionsmittel ("militante Politik") akzeptiert ist. Autonome bilden den weitaus größten Anteil des gewaltbereiten linksextremistischen Personenpotenzials. Das Selbstverständnis der heterogenen autonomen Bewegung ist geprägt von Anti-Einstellungen ("antikapitalistisch", "antifaschistisch", "antipatriarchal"). Diffuse anarchistische und kommunistische Ideologiefragmente ("Klassenkampf", "Revolution" oder "Imperialismus") bilden den Rahmen ihrer oftmals spontanen Aktivitäten. Eine klassische Form autonomer Gewalt ist die so genannte Massenmilitanz. Das sind Straßenkrawalle, die sich im Rahmen von Demonstrationen oder im Anschluss daran entwickeln. Hierbei kommt es regelmäßig auch zu Gewaltexzessen. Autonome Freiräume Als autonome Freiräume können vor allem besetzte Häuser, Wohnprojekte und selbstverwaltete Jugendund Kulturzentren gelten, deren Existenz und Erhalt Linksextremisten bedroht sehen, wenn sich die Besitzund Eigentumsverhätnisse ändern. 131 Autonome Nationalisten Mit den Autonomen Nationalisten tritt eine Strömung innerhalb des deutschen Neonationalsozialismus öffentlichkeitswirksam in Erscheinung, die sich in lokalen Gruppierungen organisiert. Angehörige der "Autonomen Nationalisten" treten oft mit einem hohen Maß an Gewaltbereitschaft gegen Polizeibeamte und politische Gegner auf, dies insbesondere bei öffentlichen Veranstaltungen, wo sich "Autonome Nationalisten" bisweilen vermummt zu so genannten Schwarzen Blöcken zusammenschließen. Zudem übernehmen sie in Teilen Stilelemente anderer Jugendsubkulturen und treten ähnlich gekleidet auf wie militante Linksextremisten (Autonome). Innerhalb der Neonazi-Szene sind "Autonome Nationalisten" vor allem wegen ihres öffentlichen Erscheinungsbildes und ihrer Gewaltbereitschaft umstritten. Dessen ungeachtet beteiligen sich zunehmend auch "Freie Nationalisten" anlassbezogen an der Aktionsform des "Schwarzen Blockes" der "Autonomen Nationalisten". Bestrebungen, extremistische Nach allgemeinem Sprachgebrauch sind Bestrebungen alle auf ein Ziel gerichteten Aktivitäten. Extremistische Bestrebungen im Sinne des Verfassungsschutzgesetzes sind Aktivitäten mit der Zielrichtung, die Grundwerte der freiheitlichen Demokratie zu beseitigen. Dazu gehören Vorbereitungshandlungen, Agitation und Gewaltakte. Es ist zu unterscheiden zwischen: * Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes; * Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes; * Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grund ordnung. Gemeinsames Abwehrzentrum Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus (GAR) Am 16. Dezember 2011 hat der Bundesminister des Innern das Gemeinsame Abwehrzentrum Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus eröffnet. Ziel ist insbesondere ein verbesserter koordinier132 ter Austausch der in den Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder vorhandenen Informationen sowie die Schaffung von Bewertungsund Analysemöglichkeiten für den Phänomenbereich Rechts. In dem GAZ-R sind das Bundesamt für Verfassungsschutz, das Bundeskriminalamt, der Bundesnachrichtendienst, die Bundespolizei, der Militärische Abschirmdienst, die Landesverfassungsschutzbehörden die Landeskriminalämter, der Generalbundesanwalt sowie Europol vertreten. Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) Das 2004 eingerichtete "Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum" (GTAZ) in Berlin-Treptow mit einer "Nachrichtendienstlichen Informationsund Analysestelle" (NIAS) sowie einer "Polizeilichen Informationsund Analysestelle" (PIAS) konzentriert die Experten für Terrorismusabwehr der deutschen Sicherheitsbehörden an einem Ort. Im GTAZ sind die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, das Bundeskriminalamt (BKA), die Landeskriminalämter und der Bundesnachrichtendienst (BND) eingebunden. Weitere Teilnehmer sind Bundespolizei, Zollkriminalamt (ZKA), Militärischer Abschirmdienst (MAD), Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und Vertreter der Generalbundesanwaltschaft. Die Abstimmung von Bewertungen und von Maßnahmen bei sicherheitsrelevanten Sachverhalten mit Terrorismusbezug wird erleichtert und beschleunigt. "Hammerskins" Die gekreuzten Hammer ("crossed hammers") sind Erkennungszeichen der rechtsextremistischen "Hammerskins". Sie wurden 1986 in den USA gegründet und entwickelten sich seitdem in verschiedenen Ländern. "Hammerskins" vertreten ein rassistisches Weltbild und zeigen auch sonst eine Nähe zum Nationalsozialismus. Ihr Ziel ist die Vereinigung aller "weißen" Skinheads der Welt in einer "Hammerskin-Nation". In Deutschland ist die Organisation nach eigenen Angaben seit 1992 mit einem so genannten "Chapter German Hammerskins" aktiv, dass jedoch zahlenmäßig eher klein ist und sich wiederum in regionale "Chapter" aufteilt. An einer Außenwirkung liegt dieser sich elitär gebenden Organisation eher nicht. Sie sehen sich selbst nicht als politische Partei 133 und Organisation, was sie aber nicht daran hindert, in anderen rechtsextremistischen Strukturen politische Aktivitäten zu entfalten. Ihre Treffen finden meist im Verborgenen statt. Sie veranstalten Szenekonzerte oder beteiligen sich an deren Organisation. Gentrifizierung Der Begriff beschreibt die Umstrukturierung ganzer Wohnviertel und Stadtteile zu hochwertigeren Wohnquartieren, und damit einhergehend, die Veränderung der Wohnbevölkerung. Dieses Themenfeld kommt häufig in Ballungsräumen vor. Islamismus Der Begriff des Islamismus bezeichnet eine religiös motivierte Form des politischen Extremismus. Islamisten sehen in den Schriften und Geboten des Islam nicht nur Regeln für die Ausübung der Religion, sondern auch Handlungsanweisungen für eine islamistische Staatsund Gesellschaftsordnung. Ein Grundgedanke dieser islamistischen Ideologie ist die Behauptung, alle Staatsgewalt könne ausschließlich von Gott (Allah) ausgehen. Damit richten sich islamistische Bestrebungen gegen die Wertvorstellungen des GG, insbesondere gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Islamisten halten die Etablierung einer islamischen Gesellschaftsordnung für unabdingbar. Dieser Ordnung sollen letztlich sowohl Muslime als auch Nicht-Muslime unterworfen werden. Islamistische Organisationen - mit Ausnahme islamistisch-terroristischer Organisationen - lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: * Organisationen, die in ihren Herkunftsländern die konsequente Umgestaltung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnungen nach ihrem Verständnis der islamischen Rechtsordnung (Scharia) anstreben. In Deutschland liegt ihr Schwerpunkt auf propagandistischen Aktivitäten sowie der Sammlung von Spendengeldern, um die Mutterorganisationen in den Herkunftsländern zu unterstützen. * Andere islamistische Gruppierungen in Deutschland verfolgen 134 eine umfassendere, auch politisch motivierte Strategie. Auch sie streben eine Änderung der Staatsund Gesellschaftsordnung in ihren Herkunftsländern zugunsten eines islamischen Staatswesens an. Sie bemühen sich jedoch im Rahmen einer legalistischen Strategie, ihren Anhängern in Deutschland größere Freiräume für ein schariakonformes Leben zu schaffen. Islamistischer Terrorismus Islamistischer Terrorismus ist der nachhaltig geführte Kampf für islamistische Ziele, die mit Hilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum anderer Menschen durchgesetzt werden sollen, insbesondere durch schwere Straftaten, wie sie in SS 129 a Abs. 1 StGB genannt sind, oder durch andere Straftaten, die zur Vorbereitung solcher Straftaten dienen. Unter "Homegrown"-Terrorismus sind islamistische Strukturen oder Strukturansätze zu verstehen, die sich aus radikalisierten Personen ab der zweiten Einwanderergeneration sowie radikalisierten Konvertiten zusammensetzen. Die Personen sind zumeist in europäischen Ländern geboren und/oder aufgewachsen, stehen jedoch aufgrund religiöser, gesellschaftlicher, kultureller oder psychologischer Faktoren dem hiesigen Wertesystem ablehnend gegenüber und erachten die Errichtung einer islamistischen Gesellschaftsordnung für erstrebenswert. Gemeinsames Kennzeichen dieses Personenkreises ist, dass er von der panislamischen "al-Qaida"-Ideologie beeinflusst wird. Lediglich ein sehr kleiner Teil zum Islam konvertierter Personen macht sich islamistisches Gedankengut zu eigen und engagiert sich für islamistische Ziele. Die Rolle von Konvertiten in islamistischen/ islamistisch-terroristischen Strukturen erklärt sich u. a. aus der Motivation, sich gegenüber Glaubensbrüdern als besonders gute Muslime (hier: Islamisten) beweisen zu wollen. Sie weisen zudem aufgrund ihrer Kenntnis der westlichen Gegebenheiten strategische Vorteile auf. Jihad Die wörtliche Übersetzung dieses Begriffs ist "Anstrengung" oder 135 "Bemühung". Es gibt zwei Formen des Jihad: Die geistig-spirituelle Bemühung des Gläubigen um das richtige religiöse und moralische Verhalten gegenüber Gott und den Mitmenschen (so genannter großer Jihad) oder der kämpferische Einsatz zur Verteidigung oder Ausdehnung des islamischen Herrschaftsgebiets (so genannter kleiner Jihad). Von militanten Gruppen wird der Jihad häufig als religiöse Legitimation für Terroranschläge verwendet. Islamistische Terroristen führen unter dem Leitprinzip dieses Jihad ihren gewalttätigen Kampf/ "heiligen Krieg" gegen die angeblichen Feinde des Islam. Kameradschaften, rechtsextremistische Unter dem Begriff Kameradschaften werden i. d. R. neonazistische lokale Gruppierungen verstanden. Sie umfassen meist etwa 10 bis 20 Mitglieder und sind - im Gegensatz zu den Cliquen der subkulturell geprägten gewaltbereiten rechtsextremistischen Szene - deutlich durch den Willen zu politischer Aktivität geprägt. Obwohl sie meist keine oder nur geringe vereinsähnliche Strukturen aufweisen, sind sie durch eine verbindliche Funktionsverteilung dennoch deutlich strukturiert. Mitglieder von Kameradschaften rechnen sich in der Regel den neonazistisch geprägten so genannten Freien Nationalisten zu. Neonazismus / Neonationalsozialismus Der Neonationalsozialismus bezieht sich auf die Weltanschauung des Dritten Reiches und macht diese zur Grundlage seiner politischen Zielvorstellungen. Elementare Bestandteile der neonationalsozialistischen Weltanschauung sind Nationalismus und Rassismus sowie die Forderung nach einem autoritären "Führerstaat" unter Ausschaltung wesentlicher Elemente demokratischer Gewaltenteilung. Abgrenzungskriterien zum subkulturell geprägten Rechtsextremismus sind der bei Neonazi-Aktivisten stärker ausgeprägte Wille zur politischen Arbeit sowie eine intensivere Auseinandersetzung mit inhaltlichen Aspekten des Weltbildes. Liederabend, rechtsextremistisch Bei rechtsextremistischen Liederabenden kommt es zum Auftritt einer oder mehrerer rechtsextremistischer Liedermacher / Lieder136 macherinnen. Vorgetragen werden in der Regel Balladen mit rechtsextremistischen Inhalten. Nicht als Liederabende werden solche Auftritte von rechtsextremistischen Liedermachern gezählt, die im Rahmen von sonstigen politischen Veranstaltungen der Szene erfolgen. Linksextremismus Mit diesem Begriff werden Bestrebungen von Personenzusammenschlüssen bezeichnet, für die alle oder einige der folgenden Merkmale charakteristisch sind: * Bekenntnis zum Marxismus-Leninismus als "wissenschaftliche" Anleitung zum Handeln; daneben, je nach Ausprägung der Partei oder Gruppierung, Rückgriff auch auf Theorien weiterer Ideologen wie STALIN, TROTZKI, MAO ZEDONG und andere; * Bekenntnis zur sozialistischen oder kommunistischen Transformation der Gesellschaft mittels eines revolutionären Umsturzes oder langfristiger revolutionärer Veränderungen; * Bekenntnis zur Diktatur des Proletariats oder zu einer herrschaftsfreien (anarchistischen) Gesellschaft; * Bekenntnis zur revolutionären Gewalt als bevorzugte oder - je nach den konkreten Bedingungen - taktisch einzusetzende Kampfform. Linksextremistische Parteien und Gruppierungen lassen sich grob in zwei Hauptströmungen einteilen: * Dogmatische Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten: In Parteien oder anderen festgefügten Vereinigungen organisiert, verfolgen sie die erklärte Absicht, eine sozialistische bzw. kommunistische Gesellschaftsordnung zu errichten; * Autonome, Anarchisten und sonstige Sozialrevolutionäre: In losen Zusammenhängen, seltener in Parteien oder formalen Vereinigungen agierend, streben sie ein herrschaftsfreies, selbst137 bestimmtes Leben frei von jeglicher staatlicher Autorität an. Ein Teil der linksextremistischen Szene in Mecklenburg-Vorpommern versucht, verfassungsfeindliche Ziele mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen zu verwirklichen, die anlassbezogen und auf szenerelevante Ereignisse sowie Kampagnen ausgerichtet sind (so genannte aktionsorientierter Linksextremismus). Proliferation Als Proliferation bezeichnet man die Weiterverbreitung von atomaren, biologischen oder chemischen Massenvernichtungswaffen und entsprechenden Waffenträgersystemen bzw. der zu deren Herstellung verwendeten Produkte, einschließlich des dazu erforderlichen Know-how. Rechtsextremistische Konzerte Die Kriterien zur Bewertung rechtsextremistischer Musikveranstaltungen lauten wie folgt: * Live-Auftritt mindestens einer als rechtsextremistisch bewerteten Band; * Szeneöffentlichkeit (z. B. überregionale Mobilisierung, Erhebung von Eintrittsgeldern, Werbung für die Veranstaltung); * Vortrag rechtsextremistischer Liedtexte bzw. Feststellung rechtsextremistischer Aktivitäten der Interpreten anlässlich der Veranstaltungen (insbesondere Propagandadelikte); * Organisation der Veranstaltung durch rechtsextremistische Gruppierungen oder Einzelpersonen. Es ist nicht erforderlich, dass Informationen zu allen Kriterien vorliegen. Mindestvoraussetzung sind der szeneöffentliche Live-Auftritt sowie Indizien für rechtsextremistische Inhalte, die sich insbesondere aus dem Auftritt einschlägiger Bands oder aus dem Vortrag entsprechender Lieder ergeben können. 138 Rechtsextremistische Partys Als Partys werden Veranstaltungen bezeichnet, bei denen kein Live-Auftritt stattfindet, sondern rechtsextremistische Liedtexte vom Band abgespielt werden. Im Gegensatz zum Konzert ist zumeist auch keine Szeneöffentlichkeit gegeben. Oftmals sind die Teilnehmer geladene Gäste. Radikal Als radikal werden Bestrebungen bezeichnet, die zur Lösung politischer Probleme "bis auf die Wurzel gehen", diese jedoch ohne zielgerichteten Angriff auf die freiheitliche demokratische Grundordnung lösen wollen. Radikale politische Auffassungen haben in unserer pluralistischen Gesellschaftsordnung ihren Platz und werden durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Ring Nationaler Frauen (RNF) Der am 16. September 2006 in Sottershausen (Sachsen-Anhalt) gegründete Ring Nationaler Frauen ist eine bundesweite Unterorganisation der NPD, die den Frauen in der NPD als Sprachrohr dienen und für national denkende parteiungebundene Frauen ein Ansprechpartner sein soll. Salafismus Unter dem Oberbegriff Salafismus versteht man eine vom Wahhabismus beeinflusste, rückwärtsgewandte Strömung des Islamismus, die sich an der islamischen Frühzeit orientiert. Salafisten geben vor, ihre religiöse Praxis und Lebensführung ausschließlich an den Prinzipien des Koran und der Prophetentradition (arab. sunna), d. h. den vom Propheten Muhammad überlieferten Aussagen und Handlungen, auszurichten. Dabei kommt bei der Bestimmung dessen, was "wahrhaft islamisch" ist, den so genannten rechtschaffenden Altvorderen (arab. al-salaf al-salih, daher der Begriff Salafismus) eine entsprechende Rolle zu. Das Streben der Salafisten nach Wiederherstelung der "ursprünglichen" und "reinen" Religion nach dem Modell der islamischen Frühzeit geht mit der Forderung nach Vollständiger Umsetzung der Scharia einher. Nach der salafistischen Ideologie ist die Scharia von Gott gesetztes Recht. Es ist die Gesamtheit der Regeln und Bestimmu139 gen, die im Koran und der Prophetenüberlieferung niedergelgt sind und nach salafistischer Ansicht das Leben der Muslime in allen Aspekten des Lebens leiten und bestimmen sollen. Schwarzer Block Der so genannte Schwarze Block, vermummte Aktivisten in einheitlicher "Kampfausrüstung", ist eine Aktionsform, die ursprünglich im linksextremistischen autonomen Spektrum entwickelt wurde und vor allem bei Demonstrationen angewandt wird. Der "Schwarze Block" ist keine zentral organisierte und koordinierte Organisationsform, sondern ein punktueller Zusammenschluss gewaltorientierter Linksextremisten. Ziel dieses Auftretens ist die erschwerte Zuordnung von Strafund Gewalttaten zu Einzelpersonen durch die Polizei. Jeder "Schwarze Block" beinhaltet jedoch ein einzelfallbezogenes, spezifisch bestimmendes Gewaltpotenzial, das sich je nach Lageentwicklung dynamisch und auch kurzfristig noch verändern kann. Wenngleich der "Schwarze Block" überwiegend ein Ausdruck linksextremistischer Massenmilitanz (Straßenkrawalle im Rahmen von Demonstrationen) ist, schließt die Teilnahme eines "Schwarzen Blocks" an einer Demonstration keinesfalls einen friedlichen Demonstrationsverlauf aus. Seit einigen Jahren ist die Aktionsform des "Schwarzen Blocks" auch bei den rechtsextremistischen "Autonomen Nationalisten" zu beobachten. "Sigrune" Bei der "Sigrune" handelt es sich um die in der Symbolik der SS bzw. der Hitlerjugend verwendete blitzähnliche Rune. Ihre Verwendung ist strafbar. Spionage Als Spionage wird die Tätigkeit für den Nachrichtendienst einer fremden Macht bezeichnet, die auf die Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet ist. Die Beschaffung von Informationen, vor allem aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Militär, erfolgt zumeist unter Anwendung geheimer Mittel und Methoden. Soweit Spionage gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet ist, kommt eine 140 Strafbarkeit gemäß SSSS 93 ff. StGB in Betracht. Spionageabwehr Die Spionageabwehr beschäftigt sich mit der Aufklärung und Abwehr bzw. Verhinderung von Spionageaktivitäten fremder Nachrichtendienste. Dazu sammelt sie Informationen über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Nachrichtendienste in der Bundesrepublik Deutschland und wertet sie aus, mit dem Ziel, Erkenntnisse über Struktur, Aktivitäten, Arbeitsmethoden, nachrichtendienstliche Mittel und Zielobjekte dieser Nachrichtendienste zu gewinnen. Die Spionageabwehr gehört gemäß SS 3 Abs. 1, Nr. 2 BVerfSchG zu den Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder. Subkultur, rechtsextremistische Die losen cliquenähnlichen Personenzusammenschlüsse der subkulturellen rechtsextremistischen Szene sind kaum strukturiert. Das Weltbild ist diffus, ihr Lebensgefühl von fremdenfeindlichen, rassistischen, antisemitischen und gewaltbejahenden Einstellungen geprägt. Das bislang übliche "Skinheadoutfit" wird mittlerweile von Stilelementen des jugendlichen Mainstreams, wie z. B. durch das Tragen von modischer Kleidung bestimmter Marken verdrängt. Häufig erschließt sich der aktuelle Dresscode nur "Eingeweihten". Eine wichtige Rolle spielt auch der zunehmende Germanenkult. "Vier-Säulen-Strategie" der NPD Die Strategie der NPD wurde auf dem Bundesparteitag 1998 im mecklenburgischen Stavenhagen zunächst als "Drei-Säulen-Strategie" konzipiert: * "Kampf um die Straße": Durchführung von Demonstrationen, Zeigen von Präsenz in der Öffentlichkeit, Versuch der Massenmobilisierung. 141 * "Kampf um die Köpfe": Versuch der Erringung der Meinungsführerschaft in der rechtsextremistischen Szene und darüber hinaus in der Mehrheitsgesellschaft. * "Kampf um die Parlamente": Erringung von Parlamentsund Kommunalmandaten. Auf dem Bundesparteitag 2004 in Leinefelden/ Thüringen wurde eine vierte Säule ergänzt: * "Kampf um den organisierten Die NPD sieht sich als "Speer Willen": spitze der nationalen Erneuerung" und versucht, alle "nationalen Kräfte" zu einem Bündnis zu bewegen - natürlich unter ihrer Führung. Wirtschaftsschutz Als Wirtschaftsschutz werden staatliche Maßnahmen bezeichnet, die dem Schutz deutscher Unternehmen und Forschungseinrichtungen vor einem durch Spionage betriebenen Know-how-Abfluss sowie vor Bedrohungen durch Rechtsund Linksextremisten, durch ausländische Extremisten sowie durch islamistische Terroristen dienen. Wirtschaftsspionage Wirtschaftsspionage ist Teil der Spionage, der die staatlich gelenkte oder gestützte, von fremden Nachrichtendiensten ausgehende Ausforschung von Wirtschaftsunternehmen und Forschungseinrichtungen beinhaltet. Betreibt hingegen ein konkurrierendes Unternehmen eine private Ausforschung, handelt es sich um Konkurrenzausspähung, die häufig auch Industriespionage genannt wird. In den Zuständigkeitsbereich der Verfassungsschutzbehörden fällt ausschließlich die Wirtschaftsspionage. 142 Statistische Daten 143 Politisch motivierte Kriminalität (PMK) Jahresübersicht 2010/ 2011 Politisch motivierte Kriminalität - Rechts - 2010 2011 Straftaten Gesamt 805 843 davon extremistisch 757 750 Propagandadelikte 534 565 davon extremistisch 534 565 Gewaltdelikte 29 37 davon extremistisch 29 37 Fremdenfeindliche Straftaten 39 39 Antisemitische Straftaten 29 13 Politisch motivierte Kriminalität - Links - 2010 2011 Straftaten Gesamt 111 329 davon extremistisch 38 62 Propagandadelikte 5 2 davon extremistisch 0 2 Gewaltdelikte 24 39 davon extremistisch 24 39 Fremdenfeindliche Straftaten 1 0 Antisemitische Straftaten 0 0 Politisch motivierte Kriminalität -Ausländer2010 2011 Straftaten Gesamt 1 1 davon extremistisch 0 1 144 Anlagen 1) Verfassungsschutzgesetz Mecklenburg-Vorpommern - Auszug 2) SS 61 Kommunalwahlgesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern 145 146 Anlage 1 Landesverfassungsschutzgesetz Mecklenburg-Vorpommern 147 12-4 Gesetz über den Verfassungsschutz im Lande Mecklenburg-Vorpommern (Landesverfassungsschutzgesetz - LVerfSchG M-V) Vom 11. Juli 2001 Fundstelle: GVOBI. M-V 2001, S. 261 Änderungen 1. geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 18. April 2004 (GVOBI. M-V S. 167), in Kraft am 29. April 2004 2. 827 geändert durch Gesetz vom 15. März 2007 (GVOBI. M-V S. 98) 3. Inhaltsübersicht, 88 5, 10, 16, 27, 32 geändert, 8 24a neu gefasst, $ 31 aufgehoben durch Artikel 2 des Gesetzes vom 28. Januar 2009 (GVOBI. M-V S. 82) Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen: - Auszugsweise - 81 Zweck des Verfassungsschutzes 82 Organisation 83 Bedienstete 84 Zusammenarbeit 85 Aufgaben des Verfassungsschutzes 86 Begriffsbestimmungen st Zweck des Verfassungsschutzes Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder. & 1 geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 16. April 2004. 82 Organisation (1) Die Aufgaben des Verfassungsschutzes werden von der Verfassungsschutzbehörde wahrgenommen. Verfassungsschutzbehörde ist das Innenministerium. Es unterhält für diese Aufgaben eine besondere Abteilung. (2) Die Verfassungsschutzbehörde darf Dienststellen der Polizei, Dienststellen der 148 Polizei dürfen der Verfassungsschutzbehörde nicht angegliedert werden. 83 Bedienstete Mit Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde dürfen nur Personen betraut werden, die nach ihrer Persönlichkeit und nach ihrem Verhalten die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit für die Sicherung und Erhaltung derfreiheitlichen demokratischen Grundordnung eintreten. 84 Zusammenarbeit (1) Die Verfassungsschutzbehörde ist verpflichtet, mit Bund und Ländern in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. Die Zusammenarbeit besteht insbesondere in gegenseitiger Unterstützung und Information sowie in der Unterhaltung gemeinsamer Einrichtungen. (2) Die Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen, der Bund nach Maßgabe bundesrechtlicher Vorschriften nur im Benehmen mit der Verfassungsschutzbehörde MecklenburgVorpommerns tätig werden. 85 Aufgaben des Verfassungsschutzes (1) Zur Erfüllung ihrer Aufgabe sammelt und wertet die Verfassungsschutzbehörde sachund personenbezogene Daten, insbesondere Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen aus über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht im Geltungsbereich dieses Gesetzes, 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, 4. Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) oder gegendas friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind. (2) Die Verfassungsschutzbehörde informiert die zuständigen Stellen und die Öffentlichkeit über Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder. Den staatlichen Stellen soll ermöglicht werden, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr dieser Gefahren zu treffen. (3) Die Verfassungsschutzbehörde wirkt mit 1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen nach Maßgabe des 149 Sicherheitsüberprüfungsgesetzes vom 22. Januar 1998 (GVOBI. M-V S. 114, 195), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 28. Januar 2009 (GVOBI. M-V S. 82), sowie bei Zuverlässigkeitsüberprüfungen in den übrigen gesetzlich bestimmten Fällen, 2. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. (4) Die Verfassungsschutzbehörde ist an die allgemeinen Rechtsvorschriften gebunden(Artikel 20 des Grundgesetzes). 86 Begriffsbestimmungen (1) Im Sinne dieses Gesetzes sind 1. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, die darauf gerichtet sind, einen derin Absatz 3 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen, 2. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, die darauf gerichtet sind, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihnen gehörendes Gebiet abzutrennen, 3. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, die darauf gerichtet sind, den Bund, die Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen. (2) Eine Bestrebung im Sinne des Gesetzes ist insbesondere dann gegeben, wenn sie auf Gewaltanwendung gerichtet ist oder sonst ein kämpferisches und aggressives Verhalten gegenüber denin Absatz 3 genannten Grundsätzen erkennen lässt. (3) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen: 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung dervollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 6. der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und 150 7. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. (4) Für einen Personenzusammenschluss handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln, sind Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu beschädigen. (5) Betroffene Personen sind Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für Tätigkeiten oder Bestrebungen gemäß 8 5 Abs. 1 vorliegen. Dritte sind Personen, bei denen keine derartigen Anhaltspunkte vorliegen. (6) Gewalt im Sinne dieses Gesetzesist die Anwendung körperlichen Zwanges gegen Personen und die gewalttätige Einwirkung auf Sachen. 151 152 Anlage 2 SS 61 Kommunalwahlgesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern 153 Kommunalwahlgesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Kommunalwahlgesetz - KWG M-V) In der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Oktober 2003 (aufgehoben - nur noch gültig gemäß $ 72 - Übergangsregelung - des Gesetzes vom 16. Dezember 2010 (GVOBI. M-V S. 690, Gl. Nr. 111-5) Fundstelle: GVOBI. M-V 2003, S. 458 861 Wählbarkeit, Prüfung der Wählbarkeit (1) Wählbar zum ehrenamtlichen Bürgermeister ist, wer die Voraussetzungen nach $ 10 und zur Ernennung zum Ehrenbeamten erfüllt. (2) Wählbar zum hauptamtlichen Bürgermeister sind alle Deutschen im Sinne des Artikel 116 Abs. 1 des Grundgesetzes sowie alle Unionsbürger, die am Tag der Hauptwahl: 1. das 18., aber noch nicht das 60. Lebensjahr vollendet haben, 2. die übrigen Voraussetzungen für die Ernennung zum Beamten auf Zeit nach dem Landesbeamtengesetz erfüllen, 3: nicht nach $ 8 vom Wahlrecht ausgeschlossen sind, 4. nicht nach $ 10 Abs. 2 oder 3 von der Wählbarkeit ausgeschlossen sind, 5. nicht von einem Gericht im Disziplinarverfahren zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder zur Aberkennung des Ruhegehalts rechtskräftig verurteilt worden sind. Amtsinhaber, die sich einer Wiederwahl stellen, sind abweichend von Satz 1 Nr. 1 wählbar, sofern sie am Tag der Hauptwahl noch nicht das 64. Lebensjahr vollendet haben. (3) Über das Vorliegen der Wählbarkeitsvoraussetzung gemäß Absatz 1 und Absatz 2 Nr. 2 in Verbindung mit $8 Abs. 1 Nr. 2 und 88 127 , 128, 129 des Landesbeamtengesetzes, wonach der Bewerber die Gewähr dafür bieten muss, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und die Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern einzutreten, entscheidet der zuständige Wahlausschuss. Liegen tatsächliche Anhaltspunkte vor, die Anlass zu Zweifeln geben, ob die in Satz 1 genannte Voraussetzung vorliegt, legt der zuständige Wahlausschuss den Wahlvorschlag der Rechtsaufsichtspehörde zur Prüfung dieser Wählbarkeitsvoraussetzung vor. Die Rechtsaufsichtsbehörde kann im Rahmen ihrer Prüfung Auskünfte über den Bewerber von der Verfassungsschutzbehörde des Landes Mecklenburg-Vorpommern einholen. Diese hat die Auskünfte unverzüglich zu erteilen. Die Rechtsaufsichtsbehörde unterrichtet den Wahlausschuss über das Ergebnis ihrer Prüfung. Sie darf die von der Verfassungsschutzbehörde erhaltenen Auskünfte an den zuständigen Wahlausschuss weitergeben. 154 Bildnachweis Titel Müller, Reinhard Seite 26 aus http://www.nsrostcok.de Seite 27 aus http://www.not.nw.am Seite 28 aus http://www.youtube.com Seite 30 aus http://www.not.nw.am Seite 32 aus http://www.youtube.de Seite 41 aus http://logr.org/nsgreifswald Seite 46 aus http://www.nordischeshilfswerk.org Seite 66 aus http://www.altermedia.info Seite 67 aus http://www.mupinfo.de Seite 75 aus http://manfred.blogsport.de Seite 77 aus http://greifswaldnazifrei.blogsport.eu Seite 77 aus http://de.indymedia.org Seite 78 aus http://de.indymedia.org Seite 78 aus http://kombinat-fortschritt.com Seite 79 aus http://www.mupinfo.de Seite 81 aus http://de.indymedia.org Seite 81 aus http://antifrdg.blogsport.de Seite 82 aus http://de.indymedia.org Seite 83 aus http://a3.blogsport.de Seite 84 aus http://feinesahnefischfilet.blogsport.de Seite 85 aus http://feinesahnefischfilet.blogsport.de Seite 85 aus http://antifahgw.blogsport.de Seite 87 aus http://aonb.blogsport.de Seite 89 aus http://rotehilfegreifswald.blogsport.de Seite 91 aus http://antirepression.blogsport.eu Seite 92 aus http://manfred.blogsport.de Seite 92 aus http://mkmanfred.blogsport.de Seite 93 aus http://de.indymedia.org Seite 94 aus http://lapampa.blogsport.de Seite 94 aus http://faxendigge.blogsport.de Seite 95 Militärischer Abschirmdienst (MAD), Rostock Seite 97 aus http://www.fau.org Seite 98 aus http://www.k-p-d-online.de 155 Seite 109 Facebookseite des Islamischen Kulturzentrums Greifswald (IKZ) Seite 111 aus http://islamizationwatch.blogsport.com 156