1 Herausgeber: Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern Arsenal am Pfaffenteich Alexandrinenstraße 1 19055 Schwerin Redaktion: Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern Abteilung Verfassungsschutz - Fachbereich Öffentlichkeitsarbeit - Postfach 11 05 52 19005 Schwerin Auflage: 500 Exemplare Stand: April 2007 2 Inhaltsverzeichnis Seite Vorbemerkung 5-6 I. Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern 6-12 Aufgaben des Verfassungsschutzes 6-8 Freiheitlich demokratische Grundordnung (FDGO) 8 Bestrebungen 9 Radikal und extremistisch 9 Informationsbeschaffung 10 Kontrolle des Verfassungsschutzes 10-11 Strukturdaten 11-12 II. Ausländerextremismus 13-37 Lageüberblick 14-15 Personenpotential 15 Panislamisch-transnationaler Extremismus und Terrorismus 16-17 Lageund gefährdungsrelevante Ereignisse der vergangenen Monate 17-20 3 Lagerelevantes Anschlagsgeschehen im außereuropäischen Ausland 20-22 Verlautbarungen 22-23 Entwicklungstrends im Bereich des islamistischen Terrorismus 23-25 Anpassung der Ideologie 25-27 Strategieänderungen 27-28 Nationalislamistische Bestrebungen 29-31 Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL) 32-33 Demonstrationsgeschehen 33-34 Anschlagsserie in der Türkei 34-36 Aufruf Öcalans zur einseitigen Waffenruhe 36-37 III. Rechtsextremismus 38-82 Lageüberblick 39 Personenpotenzial 39-40 Straftatenaufkommen 40-41 Rechtsextremistische Skinheads und sonstige gewaltbereite Rechtsextremisten / Neonazis / Kameradschaften 41-45 Kameradschaftsszene des Landes Mecklenburg-Vorpommern 46-58 Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) 58-60 Neue rechtsextremistische Publikationen 60 4 Rechtsextremistische Musikveranstaltungen 61-63 Szeneläden / Versandhandel 64 "Projekt Schulhof" 65 NPD 66-82 Kommunikationsmedien 82 IV. Linksextremismus 83-94 Allgemeine Entwicklung 84-86 Personenpotenzial 86 Straftaten 87 Gewaltbereiter Linksextremismus 87 Aktionsfeld Antifaschismus 87-89 Aktionsfeld Antiglobalisierung 89-94 V. Spionageabwehr 95-99 VI. Geheimschutz 100-102 VII. Öffentlichkeitsarbeit 103-108 VIII. Wesentliche Rechtsgrundlagen der Arbeit des Verfassungsschutzes M-V 109-110 5 Vorbemerkung Die Information und Aufklärung der Öffentlichkeit über die Ursachen und Gefahren von extremistischen und terroristischen Bestrebungen ist nach dem Landesverfassungsschutzgesetz (LVerfSchG M-V) eine der gesetzlichen Aufgaben des Verfassungsschutzes. Vor diesem Hintergrund hat das Innenministerium MecklenburgVorpommern auch für das Jahr 2006 einen Verfassungsschutzbericht erstellt. Der Bericht gibt einen umfassenden Überblick über die Beobachtungsfelder des Verfassungsschutzes und informiert zugleich über Entwicklungen und Geschehnisse des extremistischen und terroristischen Spektrums. Er kann damit auch Orientierungshilfe für die politische Auseinandersetzung mit diesem Thema sein. Auch im Jahr 2006 sah sich der demokratische Rechtsstaat weiterhin zahlreichen Herausforderungen durch Aktivitäten politischer Extremisten gegenüber. Die Bekämpfung anhaltender weltweiter Bedrohung durch islamistische Terroristen, rechtsextremistischer Umtriebe sowie Aktionen linksextremistischer Gewalttäter bildeten erneut Schwerpunkte der Arbeit der bundesdeutschen Sicherheitsbehörden. 6 Wegen des geringen Ausländeranteils an der Gesamtbevölkerung verfügt der Ausländerextremismus in Mecklenburg-Vorpommern nach wie vor nicht über eine ähnliche gesellschaftliche Präsenz wie der Rechtsextremismus. Diesem Phänomen ist aufgrund des globalen Gefährdungspotenzials dennoch weiterhin ein besonderer Stellenwert in der Berichterstattung einzuräumen. Die auf zwei Regionalzüge der Deutschen Bahn versuchten Kofferbomben-Attentate haben die Gefahr des islamistischen Terrors auch bei uns konkret gemacht. Daher wird auch für das Jahr 2006 an der ausführlichen Darstellung der Aktivitäten und Hintergründe des Islamismus bzw. des islamistischen Terrorismus festgehalten. I. Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern Aufgaben des Verfassungsschutzes Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung , des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder. Zu diesem Zweck sammelt er Informationen und wertet diese aus. Er informiert 7 die Öffentlichkeit und die zuständigen Stellen, um diesen zu ermöglichen, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren zu treffen. Wesentliche Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder ist die Sammlung und Auswertung von Informationen über: * Bestrebungen, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben, * sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht, * Bestrebungen, die durch Anwendungen von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden und * Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind. 8 Ferner wirkt der Verfassungsschutz beim Geheimund Sabotageschutz mit. Freiheitliche demokratische Grundordnung Die freiheitliche demokratische Grundordnung umfasst den unabänderlichen Kernbestand unserer Demokratie. Das Bundesverfassungsgericht hat insbesondere folgende Merkmale zu den obersten Wertprinzipien unserer Demokratie bestimmt: * Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten * Volkssouveränität * Gewaltenteilung * Gesetzmäßigkeit der Verwaltung * Unabhängigkeit der Gerichte * Mehrparteienprinzip * Chancengleichheit für alle politischen Parteien * Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition 9 Bestrebungen Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sind Bestrebungen alle auf ein Ziel gerichtete Aktivitäten. Extremistische Bestrebungen im Sinne des Verfassungsschutzgesetzes sind demzufolge Aktivitäten mit der Zielrichtung, die Grundwerte der freiheitlichen Demokratie zu beseitigen. Radikal und extremistisch Als radikal werden Bestrebungen bezeichnet, die zur Lösung politischer Probleme "bis auf die Wurzel gehen", diese jedoch ohne zielgerichteten Angriff auf die freiheitliche demokratische Grundordnung lösen wollen. Bestrebungen werden als extremistisch bezeichnet, wenn sie gegen den Kernbestand unserer Verfassung - die freiheitlich demokratische Grundordnung - gerichtet sind und diese ganz oder teilweise abschaffen wollen. Radikale politische Auffassungen haben in unserer pluralistischen Gesellschaftsordnung ihren legitimen Platz. So ist. z B. die Forderung nach Wiedereinführung der Todesstrafe durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. 10 Informationsbeschaffung Den größten Teil der Erkenntnisse (ca. 80%) gewinnt der Verfassungsschutz aus offen zugänglichen Quellen (Auswertung von Publikationen, z. B. Zeitungen und Parteiprogrammen sowie elektronischen Medien, freiwillige Auskünfte, Besuch von Veranstaltungen usw.). Die Sammlung offenen Materials ergibt allerdings nicht immer ein vollständiges Bild. Um auch verdeckte oder geheim gehaltene Aktivitäten beobachten zu können, ist dem Verfassungsschutz auch die Anwendung sog. nachrichtendienstlicher Mittel zur Informationsgewinnung erlaubt. Zu den "klassischen" Methoden der verdeckten (geheimen) Nachrichtenbeschaffung zählen z. B. die Observation, der Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen sowie die Bildund Tonaufzeichnungen. Kontrolle des Verfassungsschutzes Für die Arbeit des Verfassungsschutzes gelten strenge rechtsstaatliche Maßstäbe. Eingriffe in die Privatund Freiheitsrechte des Bürgers sind dem Verfassungsschutz nur 11 auf gesetzlicher Grundlage gestattet. Damit der Bürger darauf vertrauen kann, dass der Verfassungsschutz sich streng an seinen gesetzlichen Auftrag und an die für seine Tätigkeit geltenden Rechtsbestimmungen hält, unterliegt er - neben der eigenen, innerbehördlichen Kontrolle - weiteren Kontrollen auf mehreren Ebenen. Die Verfassungsschutzabteilung des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern unterliegt der Kontrolle durch die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) des Landtages. Ferner wacht der Landesbeauftragte für den Datenschutz über die Einhaltung von Datenschutzvorschriften und verfügt bei seiner Tätigkeit auch über das Recht zur Akteneinsicht. Durch die Öffentlichkeit, die Berichterstattung in den Medien zu Aufgaben und Arbeit des Verfassungsschutzes und durch die sich daraus ergebene Diskussion wird eine ständige Kontrolle ausgeübt. Nicht zu vergessen ist die Kontrolle der Arbeit des Verfassungsschutzes durch das G 10Gremium, die G 10Kommission, den Landesrechnungshof und die Justiz. 12 Strukturdaten Im Haushaltsjahr 2006 standen der Verfassungsschutzbehörde Mecklenburg-Vorpommern Haushaltsmittel in Höhe von 1.310.660 EUR zur Verfügung. Die anteiligen Kosten des Landes Mecklenburg-Vorpommern an der Schule für Verfassungsschutz (als gemeinsame Bund / Länder Einrichtung) betrugen 24.000 EUR. 13 14 II. Ausländerextremismus Lageüberblick Wie bereits in den vergangenen Jahren war der Ausländerextremismus in Mecklenburg-Vorpommern auch 2006 auf Grund des geringen Ausländeranteils an der Gesamtbevölkerung nur schwach organisiert und in der Öffentlichkeit kaum wahrnehmbar. Einschlägige Straftaten konnten 2006 nicht festgestellt werden. Gleichwohl leben auch in Mecklenburg-Vorpommern Personen, bei denen Verdachtsmomente vorliegen, dass sie dem islamistischen Spektrum zuzurechnen sind. Westeuropa und damit auch Deutschland sind mögliches Zielgebiet für islamistisch motivierte Terroranschläge. Die versuchten Attentate auf zwei Regionalzüge der Deutschen Bahn am 31.Juli 2006 in Nordrhein-Westfalen belegen diese Gefahr. Um die Bedrohungslage durch den islamistischen Terrorismus zu verdeutlichen, wird im Folgenden ausführlich auf diese Problematik eingegangen. 15 Ein weiteres wichtiges Phänomen im Bereich des Ausländerextremismus in Mecklenburg-Vorpommern ist die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), die seit einiger Zeit unter dem Namen "Volkskongress Kurdistans" (KONGRA GEL) firmiert. Personenpotenzial Personenpotential 2005 / 2006 M-V M-V Bund Bund 2005 2006 2005 2006 Arbeiterpartei Kurdistans 240 240 11.500 11.500 (PKK) / KONGRA GEL Revolutionäre Volksbe<10 <10 650 650 freiungsparteiFront (DHKPC) Türkische Kommunistische <10 <10 800 800 Partei / Marxisten-Leninisten (TKP / ML) Marxistisch-Leninistische <10 <10 600 600 Kommunistische Partei (MLKP) Islamische <10 <10 300 300 Widerstandsbewegung (HAMAS) 16 Panislamischtransnationaler Extremismus und Terrorismus Der transnationale islamistische Terrorismus (bzw. der "globale Jihad") ist seit dem Sturz des TalibanRegimes in Afghanistan und der Zerstörung der materiellen Infrastruktur der Terror-Organisation "alQa'ida" nicht nur einem stetigen, sondern einem sich ständig beschleunigendem Wandel unterworfen, der hier bereits in den Extremismusbzw. Verfassungsschutzberichten für die Jahre 2002 bis 2005 ausführlich und detailliert analysiert wurde. Auch im Jahre 2006 konnte das von BIN LADEN initiierte und inspirierte transnationale Netzwerk jihadistischer Terroristen (trotz Tötung einiger seiner wichtigsten operativen und logistischen Schlüsselfiguren, wie z.B. des Jordaniers Abu Musab AZ-ZARQAWI) seine Operationsfähigkeit bewahren und zumindest in einigen Regionen (wie z.B. in Afghanistan) sogar ausbauen. Einen Schwerpunkt der Aktivitäten der globalen JihadBewegung (sowie den primären Anknüpfungspunkt ihrer aktuellen Propaganda) bildet weiterhin der Irak. 17 Aber auch außerhalb der Krisenregionen des "islamischen Gürtels" gelang es islamistischen Terroristen auch im Jahr 2006 immer wieder, Anschlagsplanungen "erfolgreich" zu realisieren, so z.B. bei einem Massenmordanschlag auf den Nahverkehr von Bombay im Juli 2006 (mindestens 180 Tote). Die von diesem transnationalen Netzwerk bzw. von dieser globalen Bewegung ausgehenden Gefahren für die Bürger, Einrichtungen und Interessen der Bundesrepublik Deutschland müssen weiterhin als gravierend eingestuft werden. Ihrer Abwehr wird auf allen Ebenen des föderalen Systems oberste sicherheitspolitische Priorität beigemessen. Lageund gefährdungsrelevante Ereignisse der vergangenen Monate Vereitelte und gescheiterte Anschläge in Europa (Auswahl) Auch in den vergangenen Monaten gelang es den Sicherheitsbehörden europäischer Staaten wiederholt, Anschläge islamistischer Terroristen auf ihrem Hoheitsgebiet zu vereiteln. So gehen die britischen Sicherheitsbehörden davon aus, mit der Festnahme von zunächst 20 18 Tatverdächtigen Anfang August 2006 einen weiteren Anschlag nach dem Muster der Anschläge vom 11.09.2001 (synchronisierte Massenmordanschläge auf den zivilen Luftverkehr mittels täterseitiger Selbsttötung) verhindert zu haben. Die dänischen Behörden verhafteten Anfang September 2006 in der Stadt Odense mehrere Personen, die sie verdächtigen, Anschläge gegen bislang nicht näher spezifizierbare, vermutlich aber in Dänemark befindliche, Ziele geplant und vorbereitet zu haben. Bereits Anfang Juni 2006 wurden in der Schweiz mehrere Personen aus dem Maghreb festgenommen, die im Verdacht stehen, im Dezember 2005 einen Anschlag auf ein in Genf startendes Flugzeug der israelischen Fluggesellschaft EL AL geplant zu haben. In diesem Zusammenhang wurden auch in Frankreich und Spanien weitere Festnahmen getätigt. Am 31. Juli und 1. August 2006 wurden in Regionalzügen der Deutschen Bahn AG zwei in Trolleys versteckte selbstgefertigte Sprengvorrichtungen entdeckt. Ihre kriminaltechnische Untersuchung ergab, dass das Zündmittel zwar aktiviert, das Sprengmittel jedoch nicht gezündet und 19 somit ein vermutlich geplanter Massenmordanschlag lediglich aufgrund eines "handwerklichen Fehlers" verhindert wurde. Die Bundesanwaltschaft ermittelt in diesem Zusammenhang gegen zwei libanesische und einen syrischen Staatsangehörigen sowie weitere unbekannte Personen wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, des versuchten Mordes in einer Vielzahl von Fällen und des versuchten Herbeiführens von Sprengstoffexplosionen. Einer der beiden Tatverdächtigen gab laut Pressemeldungen an, durch die Veröffentlichung der (erstmals im Herbst 2005 in Dänemark publizierten) "MohammedKarikaturen" in deutschen Medien zu der Tat motiviert worden zu sein. Sollte sich hier der Verdacht eines islamistisch motivierten (gescheiterten) Massenmordanschlages erhärten, muss davon ausgegangen werden, dass sich die in der Vergangenheit von den Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder stets einhellig konstatierte Gefahr terroristischer Anschläge in der bislang deutlichsten und unmittelbarsten Art und Weise konkretisiert hätte. Mitte September 2006 wurden zudem Ermittlungen deutscher Sicherheitsbehörden zu einer deutsch-türkischen Gruppe pressebekannt, die im Verdacht steht, mittels eines entführten 20 und mit explosiven Stoffen beladenen Schiffes einen Anschlag auf ein Pop-Konzert in der Nähe des Rheins geplant zu haben. Haftbefehle sind in diesem Fall bislang nicht ergangen. Am 10.Oktober 2006 wurde im niedersächsischen Georgsmarienhütte ein Iraker festgenommen, der von der Bundesanwaltschaft verdächtigt wird, Propaganda der "alQa'ida" im Internet bereitgestellt und verbreitet und damit deren "terroristische Aktivitäten und Zielsetzungen" gefördert zu haben. Lagerelevantes Anschlagsgeschehen im außereuropäischen Ausland Zu Beginn des Jahres 2006 kam es in zahlreichen islamischen Staaten zu einer Welle anti-westlicher bzw. anti-europäischer Ausschreitungen, in deren Verlauf mehrere Personen getötet und zahlreiche (z.T. diplomatische) Einrichtungen europäischer Staaten und Filialen westlicher Unternehmen zerstört wurden. Den Hintergrund dieser gewaltsamen Übergriffe bildeten die o.g. "MohammedKarikaturen", die (z.T. um einige 21 Fälschungen sowie Falschinformationen zum Entstehungskontext angereichert) mit mehrmonatiger Verspätung in der islamischen Welt publik gemacht wurden. Ihre Veröffentlichung ging einher mit Protest-Aufrufen bekannter islamischer Repräsentanten (u.a. der extremistischen Moslembruderschaft). Ein ähnliches Szenario drohte sich Mitte September 2006 nach der Veröffentlichung einer (in mehreren islamischen Medien zumindest durch Verkürzungen sinnentstellten) Rede des Papstes zu wiederholen. Auch in diesem Fall kam es zu gewalttätigen anti-westlichen, anti-christlichen und antieuropäischen Ausschreitungen in islamischen Staaten; in Somalia wurde eine Nonne ermordet. In mehreren Fällen kam es (vermutlich aufgrund der deutschen Abstammung des Papstes) zur Verbrennung deutscher Fahnen. Ohne erkennbaren Zusammenhang zu diesen Ereignissen hat sich jedoch auch in Afghanistan die Gefährdungslage für deutsche Bürger, Einrichtungen und Interessen vor allem seit dem Frühjahr 2006 deutlich verschlechtert. Ungeachtet ihrer humanitären Ziele gehören auch sie zum Zielspektrum islamistischer Terroristen, wie zahlreiche Selbstmordanschläge und bewaffnete Angriffe auf Einrichtungen und Angehörige 22 der Bundeswehr, die Ermordung zweier deutscher Journalisten und der jüngst erfolgte Mord an einem Mitarbeiter der Welthungerhilfe gezeigt haben. Verlautbarungen Auch die Analyse der im Jahr 2006 veröffentlichten Audiound Video-Botschaften hochrangiger alQa'idaFührer (u.a. von Osama BIN LADEN, Aiman AZ-ZAWAHIRI und Abu Musab AZ-ZARQAWI) liefert mehrere Hinweise auf gefährdungsrelevante Inhalte. So richteten Terroristen wiederholt ihre Botschaften ausdrücklich an die Bürger westlicher (und vor allem europäischer) Staaten, denen sie zum einen den Übertritt zum Islam rieten, zum anderen aber auch die Verantwortung für die Folgen künftiger Anschläge zuwiesen, da sie für die angeblich anti-islamische Politik ihrer Regierungen persönlich verantwortlich seien. In einem am Vorabend des ersten Jahrestages der Anschläge von London vom 07.Juli 2005 ausgestrahlten Video, das offenkundig aus einem Zusammenschnitt mehrerer Aufnahmen der prominentesten alQa'idaFührer besteht, wurde ein Redebeitrag BIN LADENs (in dem dieser die 23 Völker Europas fragt, warum sie sich unter dem "Banner BUSHs" vereinigt hätten), mit einer Filmsequenz unterlegt, die Bundeswehrangehörige (vermutlich in Afghanistan) zeigt. Die Auswahl dieser Filmsequenz scheint jedoch eher zufällig erfolgt und von exemplarischer Bedeutung gewesen zu sein. Entwicklungstrends im Bereich des islamistischen Terrorismus Dezentralisierung und Virtualisierung der Strukturen Der bereits in den vorangegangenen Jahresberichten analysierte Trend der Dezentralisierung und Virtualisierung der Strukturen des transnationalen Terrorismus setzt sich ungebrochen (und beschleunigt) auch in Deutschland und Europa weiter fort. Die im Rahmen polizeilicher und nachrichtendienstlicher Ermittlungen zu diesem Bereich gewonnenen Erkenntnisse weisen daraufhin, dass die entdeckten Täter-Strukturen einen zunehmend amorpheren Charakter aufweisen. Wie die Anschläge in Istanbul (2003), Madrid (2004) und London (2005) zeigten, agieren islamistische Terroristen zunehmend 24 autonomer, ihre operative Anbindung an (ursprüngliche) Strukturen der alQa'ida wird (so überhaupt vorhanden bzw. nachweisbar) offenkundig immer schwächer bzw. lockerer und scheint sich meist auf ein Gefühl der ideologischen Verbundenheit zu beschränken. Lediglich im Fall einiger (pakistanisch-stämmiger) Terrorverdächtiger in Großbritannien wird von einer engeren Verbindung zu der (vermutlich in Pakistan befindlichen) alQa'idaFührung ausgegangen. Nach einer mehrjährigen Phase der Herausbildung islamistischterroristischer Strukturen, die durch mehrköpfige, arbeitsteilig agierende, abgeschottete Zellen sowie deren Einbindung in Netzwerke auf der Grundlage meist persönlicher Kennund Vertrauensverhältnisse gekennzeichnet war, scheint nunmehr ein Trend der Individualisierung zu bestehen, der sich durch das verstärkte Auftreten von Einzeltätern bzw. Kleinstgruppen ohne jegliche erkennbare Verbindungen zu extremistischen oder terroristischen Organisationen auszeichnet. Das Beispiel der gescheiterten "Kofferbombenanschläge" zeigt, in welchem Umfang das Internet als Medium des "virtuellen" bzw. "digitalen Jihad" ("Digihad") wesentliche 25 Funktionen der früheren realen Strukturen der alQa'ida (wie zum Beispiel Indoktrinierung und technische Anleitung) übernommen hat. Auch das letztendliche Scheitern dieses (vermutlich von nur zwei Studenten geplanten und vorbereiteten) Anschlages lässt keine Trendumkehr erhoffen, da der zugrundeliegende Fehler bei der Tatvorbereitung auch einer größeren, arbeitsteiliger agierenden Gruppe bzw. einem hinzugezogenen "Experten" hätte unterlaufen können. Anpassung der Ideologie Auch in ideologischer Hinsicht hat sich alQa'ida bzw. das globale Netzwerk des transnationalen islamistischen Terrorismus als äußerst anpassungsfähig erwiesen. Vor allem die Videound Audiobotschaften der alQa'idaFührer des Jahres 2006 weisen einen Trend zur Vereinfachung auf. Um ihnen (theoretisch und praktisch) folgen zu können, ist weder eine vertiefte Kenntnis noch eine besondere Beachtung des islamischen Rechts oder gar eine intensive Beschäftigung mit seinen Quellen erforderlich. Die von den Propagandisten des Jihad verbreitete Ideologie ist mittlerweile auf den geistigen Kern des Jihadismus 26 abgeschmolzen: Diese Sichtweise idealisiert einerseits die islamische Gemeinschaft ("Umma") zur "besten aller Gemeinschaften", der die "letzte aller Offenbarungen" vom "Siegel der Propheten" in der "Mutter aller Sprachen" zwecks Errichtung einer rechtgeleiteten islamischen Herrschaft über die gesamte Menschheit übermittelt wurde. Andererseits interpretiert sie die offenkundige Überlegenheit des Westens in politischer, militärischer, ökonomischer und technologischer Hinsicht als das Ergebnis einer perfiden Verschwörung, einer Art "geistig-kulturellen Untermenschentums", die nur durch den "Jihad" (verstanden als unbegrenzte und uneingeschränkte Anwendung von Waffengewalt gegen "Ungläubige") beseitigt werden könne. Diese Ideologie der "islamischen Überlegenheit und Vorherrschaft" bedient vor allem Ressentiments, die aus einer vermeintlichen Kränkung resultieren, erfordert jedoch weder fundierte Kenntnisse des Islams noch eine strikte Befolgung seiner (auch die private Lebensführung bestimmenden) Geund Verbote. Sie eignet sich daher im besonderen Maße als Grundlage einer transnationalen totalitären Massenbewegung. Wie umfassend eine Massen-Mobilisierung auf der Grundlage dieser Ressentiments und der Ideologie der "islamischen Überlegenheit und Vorherrschaft" möglich ist, zeigen die eingangs erwähnten gewalttätigen Ausschreitungen im 27 "Karikaturen-Streit". Sie führten drastisch vor Augen, welche Auswirkungen die aktuelle Propaganda der jihadistischen Ideologie auf die Absenkung der "Aggressionsreizschwelle" hatte: So gilt mittlerweile bereits die subjektive Wahrnehmung einer verbalen Beleidigung und Demütigung (und nicht mehr - wie ursprünglich - der tätlich-militärische Angriff auf islamisches Gebiet) als hinreichende Legitimation für gewalttätige und (im Falle der "Kofferbomber" auch) terroristische Aktivitäten. Strategieänderungen Auch in strategischer Hinsicht zeigte sich alQa'ida bzw. die globale "Jihad"Bewegung als sehr lernund anpassungsfähig. Während alQa'ida vor dem 11.09.2001 als elitär-avantgardistische Kaderorganisation vor allem in der "Supermacht USA" ihren bevorzugten Gegner sah und die Bekämpfung der als illegitim betrachteten Regime in den Staaten der islamischen Welt den dort beheimateten islamistischen Terror-Organisationen mit nationaler Agenda überließ, richten die Führer der Organisation in ihren jüngsten Botschaften das Augenmerk verstärkt auch auf die 28 "Schauplätze des Jihads" in den Krisenregionen der islamischen Welt, wie z.B. Somalia, Darfur ( im Westen des Sudan) und die palästinensischen Gebiete. "Die ganze Welt", so alQa'idaVize ZAWAHIRI in einer Botschaft vom 27.Juli 2006, sei "zum Schlachtfeld geworden". Der auf diesem Schauplatz ausgetragene Krieg muss nach Auffassung der Jihadisten total, ohne jegliche Beschränkung und bis zum Sieg geführt werden. Diesem "Jihad" müsse sich jeder Muslim mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln, bei allen sich bietenden Möglichkeiten und ohne Rücksicht auf das eigene Leben (oder das von Glaubensgenossen) anschließen. Diese Strategie des rücksichtslosen totalen Terrors gegen all jene, die nicht die eigenen Ansichten teilen, ermöglicht kaum noch Rückschlüsse auf einen möglichen modus operandi zukünftiger Täter: Keine noch so monströse Tat kann ausgeschlossen werden, wenn sie nur prinzipiell durchführbar erscheint. Anschlagsplanungen scheinen sich im zunehmenden Maße nicht mehr einer Strategie unterzuordnen, sondern den individuellen taktisch-operativen Möglichkeiten und technischen Fähigkeiten von Einzeltätern oder Kleinstgruppen. 29 Nationalislamistische Bestrebungen Aus den Wahlen zum palästinensischen Parlament vom Januar 2006 ging die islamistische, als Terror-Organisation eingestufte "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS) als eindeutiger Sieger hervor. Ihr Spitzenkandidat, Ismail HANIYEH, wurde in der Folge mit der Regierungsbildung beauftragt. Da sich die neue palästinensische Regierung bis dato weigerte, das Existenzrecht des jüdischen Staates sowie die zwischen Israel und der "Palästinensischen Befreiungsorganisation" (PLO) geschlossenen Verträge als verbindlich anzuerkennen und dem Terror abzuschwören, wurden durch die westlichen Geberstaaten alle Finanzhilfen an die HAMASgeführte Regierung eingestellt. Auch wenn die HAMAS erst im November 2006, nach eineinhalbjähriger Unterbrechung, wieder offen zu Selbstmordattentaten bzw. Massenmordanschlägen in Israel aufrief, setzte sie während des gesamten Berichtszeitraum ihren Beschuss israelischer Städte und Dörfer im Süden des Landes mit selbstgefertigten Raketen nahezu täglich fort. Insgesamt schossen der "bewaffnete Arm" der HAMAS, der "Palästinensische Islamische Jihad" (PIJ) aber auch diverse terroristische Untergruppen der (von Palästinenserpräsident Mahmud ABBAS geführten) "alFatah" im Berichtszeitraum 30 mehr als 1.700 Raketen auf israelisches Gebiet ab. 30 Israelis verloren im Jahr 2006 durch terroristische Angriffe ihr Leben, alleine 15 von ihnen in Folge jener fünf Selbstmordanschläge, die durch die israelischen Sicherheitsbehörden nicht verhindert werden konnten. Ungeachtet der teils intensiven Kooperation der o.g. Gruppen bei der Verübung von Anschlägen auf israelische Ziele spitzte sich der Machtkampf zwischen der islamistischen HAMAS und der abgewählten, säkular-nationalistischen "alFatah" im Laufe des Jahres 2006 immer weiter zu und führte vor allem im letzten Quartal z.T. zu heftigen Gefechten sowie zu wechselseitigen Anschlägen und Überfällen auf politische Repräsentanten sowie Angehörige gegnerischer Sicherheitskräfte. Eine weitere Zuspitzung des palästinensisch-israelischen Konfliktes bewirkte der Überfall auf einen israelischen Grenzposten im Juni 2006, der in der Entführung eines israelischen Wehrpflichtigen vom israelischen Staatsgebiet in den Gaza-Streifen gipfelte. Er befindet sich (wenn überhaupt noch am Leben) noch immer in Geiselhaft seiner palästinensischen Kidnapper. 31 Im Folgemonat entführte auch die schiitische, im Libanon beheimatete und maßgeblich vom Iran und Syrien unterstützte "Hizb Allah" ("Partei Gottes") zwei israelische Soldaten aus dem nordisraelischen Grenzgebiet zum Libanon. Diese Verschleppung sowie der kurz darauf einsetzende Beschuss Nordisraels durch die "Hizb Allah" mit Boden-Boden-Raketen führte zu einer mehrwöchigen bewaffneten Auseinandersetzung zwischen der schiitischen TerrorOrganisation und den israelischen Streitkräften, in deren Verlauf zwar die terroristische Infrastruktur der "Hizb Allah" im Süden des Libanons stark beschädigt, jedoch keine Befreiung der entführten Soldaten bewirkt werden konnte. Die teils heftigen Kämpfe konnten erst durch einen Ausbau der internationalen militärischen Präsenz beendet werden. Die bereits seit Jahrzehnten im Libanon stationierten UNIFILTruppen wurden personell aufgestockt und ihr Mandat (u.a. hinsichtlich der Unterbindung von Waffenschmuggel auf dem Landund Seeweg zugunsten der "Hizb Allah") ausgeweitet. Insgesamt führten diese Entwicklungen nicht nur zu einer weiteren Destabilisierung des Nahen Ostens, sondern auch zu einer weiteren Radikalisierung im Ausland lebender Sympathisanten der o.g. nationalislamistischen Organisationen. 32 Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL) KONGRA GEL in Mecklenburg-Vorpommern Der KONGRA GEL ("Volkskongress Kurdistans") ist die Nachfolgeorganisation der 1978 als "Arbeiterpartei Kurdistans" gegründeten und seit dem 26. November 1993 mit einem Betätigungsverbot belegten PKK. Der KONGRA GEL ist von dem Betätigungsverbot der PKK mit erfasst. Er agiert bundesund europaweit. Zur Anhängerschaft des KONGRA GEL in MecklenburgVorpommern gehören gegenwärtig 240 Personen. Diese entfalteten im Berichtsjahr keine politischen Aktivitäten. Die Beteiligung an öffentlichkeitswirksamen Großveranstaltungen auf Bundesund Europaebene erfolgte eher zurückhaltend. Die Festnahme führender KONGRA GELFunktionäre im August 2006 führte zu bundesweiten Protestaktionen. So wurden in einigen Städten Demonstrationen und Hungerstreiks durchgeführt und alle kurdischen Volkshäuser für eine Woche geschlossen. Entsprechende Aktionen gab es in MecklenburgVorpommern nicht. 33 Die Finanzierung des KONGRA GEL erfolgte weitgehend über Spenden. Die überwiegende Zahl der in MecklenburgVorpommern ansässigen KONGRA GELAnhänger beteiligte sich freiwillig an den Spendenaktionen. Andere Finanzierungsformen sind der Verkauf von Publikationen, insbesondere Zeitungen und Zeitschriften und von Eintrittskarten für Veranstaltungen. Demonstrationsgeschehen Anlässlich der Feierlichkeiten zum kurdischen Neujahrsfest Newroz fand eine zentrale Veranstaltung in Frankfurt / Main statt. An dieser Veranstaltung nahmen auch Kurden aus Mecklenburg-Vorpommern teil. Unter dem Motto "Freiheit für Abdullah Öcalan - Frieden in Kurdistan" fand am 2. September auf der Trabrennbahn in Gelsenkirchen das "14. Internationale Kurdische Kulturfestival" statt, an dem sich -laut polizeilichen Angabenetwa 45.000 Besucher beteiligten. Die überwiegend kurdischen Teilnehmer reisten aus dem gesamten 34 Bundesgebiet - darunter auch Kurden aus MecklenburgVorpommern - und dem benachbarten Ausland an. Wie überall in der Türkei und in Kurdistan wurde auch in Europa am 27. November der 28. Jahrestag der Gründung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) traditionell gefeiert. In mehreren Städten Deutschlands wurden entsprechende Veranstaltungen durchgeführt. Anschlagsserie in der Türkei Bei einer Serie von Bombenanschlägen in der Türkei sind am 28. August 2006 vier Menschen getötet und fast 100 weitere verletzt worden. Die schwerste Explosion ereignete sich in der südwesttürkischen Touristenstadt Antalya am Mittelmeer. Dort kam es türkischen Medienberichten zufolge im Stadtzentrum zu einer schweren Explosion, die vier Todesopfer und rund 70 Verletzte forderte. Unter den Verletzten sollen sich auch drei deutsche, vier israelische und ein jordanischer Tourist befunden haben. Der Detonation waren in der Nacht drei Bombenanschläge im südtürkischen Badeort Marmaris vorausgegangen, wo eine 35 unter dem Sitz eines Kleinbusses versteckte Bombe explodierte. Dabei wurden 21 Menschen verletzt, unter ihnen 10 britische Touristen. Unmittelbar danach folgten zwei weitere Explosionen, bei denen sechs türkische Passanten verletzt wurden. Die beiden Sprengsätze sollen in Abfalleimern versteckt gewesen sein. Zu diesen Anschlägen und einem bereits am 27. August 2006 im Istanbuler Außenbezirk Bagcilar verübten Anschlag, bei dem türkische Passanten durch eine Paketbombe verletzt wurden, bekannten sich die "Freiheitsfalken Kurdistans" (TAK). Diese sollen dem KONGRA GEL nahe stehen. Nach Angaben der türkischen Sicherheitsbehörden konnte am 29. August 2006 in der westtürkischen Hafenstadt Izmir ein weiterer Anschlag vereitelt werden. Es wurden 2,5 kg Sprengstoff sichergestellt; ein mutmaßliches Mitglied der verbotenen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) sowie fünf Komplizen wurden festgenommen. Auf einen gegen die kurdische Bevölkerung gerichteten Bombenanschlag in der türkischen Stadt Diyarbakir am 12. September 2006, bei der 10 Menschen - darunter 7 Kinder - ums Leben kamen und weitere 15 Zivilisten verletzt wurden, hat die Anhängerschaft des "Volkskongresses Kurdistans" (KONGRA GEL) mit zahlreichen Protesten reagiert. So kam 36 es am 17. September 2006 in Paris zu einer Demonstration, an der sich laut Angaben der KONGRA GELnahen Tageszeitung "Yeni Özgür Politika" (YÖP) ca. 600 Personen beteiligt haben sollen. In Bern, Basel und London führten Aktivisten Sitzstreikaktionen durch. Als Protestaktion sind auch die Brandanschläge auf ein türkisches Kulturzentrum in HamburgHammerbrook am 15. September 2006 und auf ein türkisches Vereinslokal in Berlin zu werten. Der KONGRA GEL und ihm nahe stehende Organisationen machen den türkischen Staat für den Anschlag in Diyarbakir verantwortlich. Aufruf Öcalans zur einseitigen Waffenruhe Einem Aufruf Abdullah Öcalans zu einer "Waffenruhe ohne Vorbedingungen" folgend, verkündete die PKK laut einer Meldung der pro-kurdischen Nachrichtenagentur "Firat News Agency" (ANF) vom 30. September 2006 einen einseitigen Waffenstillstand. Dieser gilt seit dem 1. Oktober 2006 wobei die Dauer -laut dem Vorsitzenden des KONGRA GELExekutivrates Murat KARAYILAN - von "entsprechenden Schritten" der türkischen Regierung abhänge. 37 Der türkische Ministerpräsident Erdogan hatte seinerseits die PKK am 29. September 2006 aufgefordert, ihre Waffen niederzulegen. Laut türkischen Presseberichten vom 1. Oktober 2006 räumte Erdogan ein, man wolle die Ernsthaftigkeit des Angebotes beobachten und ohne zwingenden Grund keine Operationen mehr gegen die PKKGuerilla durchführen. Die ANF berichtete am 5. Dezember 2006 über eine Mitteilung der "Freiheitsfalken Kurdistans" (TAK), in der diese mit neuen Aktionen drohen, falls die "Angriffe" der türkischen Regierung auf das kurdische Volk nicht eingestellt würden. Die Ankündigung der TAK folgt einer Reihe von Warnungen der obersten Führung des KONGRA GEL, die den einseitig erklärten Waffenstillstand honoriert wissen will und von der türkischen Regierung in nächster Zeit Zugeständnisse erwartet. 38 39 III. Rechtsextremismus Lageüberblick Die Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene in Mecklenburg-Vorpommern waren im Jahr 2006 durch den Landtagswahlkampf der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) geprägt. Nach einem mit hohem Personalund Materialeinsatz geführten Wahlkampf gelang der NPD mit sechs Kandidaten der Einzug in den Landtag. Viele Personen aus der Neonaziszene, die sich auch "Freie Nationalisten" nennen, traten der NPD bei, zwei von ihnen zogen über Listenplätze der NPD in den Landtag ein. Die subkulturelle rechtsextremistische Szene befindet sich in einer Phase der Stagnation. Gleiches gilt für das Straftatenaufkommen. Personenpotenzial Das rechtsextremistische Spektrum lag 2006 wie 2005 weiterhin bei ca. 1200 Personen. 40 Personenpotenzial 2005 / 2006 MV MV Bund Bund 2005 2006 2005 2006 Rechtsextr. Skinheads und 600 600 10.400 10.400 sonstige gewaltbereite Rechtsextremisten Neonationalsozialisten 320 250 4.100 4.200 Nationaldemokratische 200 300 6.000 7.000 Partei Deutschlands (NPD) Deutsche Volksunion (DVU) 50 50 9.000 8.500 Straftatenaufkommen Im Jahre 2006 registrierte das Landeskriminalamt Mecklenburg - Vorpommern (LKA M-V) im Bereich der politisch motivierten Kriminalität im Phänomenbereich "rechts"' 326 Straftaten (Vorjahr: 322). Davon wurden insgesamt 310 (Vorjahr: 295) als rechtsextremistisch klassifiziert. 1) Den Schwerpunkt der Straftaten bildeten 194 (Vorjahr: 193) Propagandadelikte 2). 1) Die Abweichung zur Gesamtsumme 315 erklärt sich aus Straftaten, die sowohl einen antisemitischen wie auch einen ausländerfeindlichen Charakter hatten. Sie werden doppelt gezählt. 2) Bei der Mehrzahl der Propagandadelikte handelte es sich um das Rufen rechtsextremistischer Parolen sowie einschlägige Farbschmierereien. 41 Hinzu kommen 27 (Vorjahr: 28 ) Gewalttaten, die sich vorrangig gegen Personen nichtdeutscher Herkunft sowie gegen den politischen Gegner richteten. Des Weiteren wurden 37 (Vorjahr: 33) extremistische antisemitische Straftaten (keine Gewalttaten) erfasst. Mit gleicher Motivation wurden 57 (Vorjahr: 52) fremdenfeindliche Delikte begangen. Rechtsextremistische Skinheads und sonstige gewaltbereite Rechtsextremisten /Neonazis / Kameradschaften Die subkulturelle rechtsextremistische Szene befand sich im Jahr 2006 in einer Phase der Stagnation. Die Gründe hierfür liegen, wie auch schon im Jahre 2005 zu beobachten war, in einem teilweisen Rückzug in den privaten / unpolitischen Raum und in einer weiter wachsenden Dominanz der ideologisch gefestigten Neonaziszene. In diesem Zusammenhang spielt auch das Erstarken der NPD eine Rolle, die der Neonaziszene ein Feld öffentlicher und politischer Betätigung bietet. 42 Regionale Schwerpunkte rechtsextremistischer Subkulturen gibt es in folgenden Bereichen: * Großraum Rostock * Großraum Stralsund * Großraum Wismar * Landkreis Ludwigslust * Landkreis Ostvorpommern * Raum Mecklenburg - Strelitz / Neubrandenburg Kennzeichnend für diese Szene ist ein nach wie vor nicht zu unterschätzendes Aggressionspotenzial. Eine besondere Bedeutung hat in diesem Bereich weiterhin die Musik (s.u.). Die einschlägigen Liedtexte zeigen immer wieder ein rassistisches und stark von der Idee des Nationalsozialismus beeinflusstes Weltbild. Vor diesem Hintergrund ließen sich Angehörige dieses Spektrums auch im Berichtszeitraum für rechtsextremistische Demonstrationen und Kampagnen mobilisieren. Im Vergleich zu den rechtsextremistischen Subkulturen erheben die Neonazis in Mecklenburg-Vorpommern einen 43 deutlich erkennbaren politischen Anspruch, der durch folgende Aspekte charakterisiert wird: * die erreichte Kampagnenfähigkeit * die vielfältigen Propagandaaktivitäten * die Vorfeldaktivitäten sowie * die Nutzung der NPD als parlamentarischen Arm. Insoweit bestimmte die Neonaziszene, der 2006 etwa 250 Personen 3) angehörten, auch im Jahre 2006 weitgehend die politische Strategie des Rechtsextremismus im Lande. Allerdings wurde die früher erkennbare deutliche Unterscheidung zwischen der NPD und Aktivitäten der Neonazis aufgrund des "Zusammenwachsens" schwieriger. So erhielt die NPD aus der neonazistischen Szene in Mecklenburg-Vorpommern, den so genannten "Freien Kräften" einen Großteil der personellen und logistischen Unterstützung im Wahlkampf. Eine zentrale Rolle spielten dabei - wie schon im Bundestagswahlkampf 2005 - die "Kameradschaften". 3) Der scheinbare Rückgang der Anzahl der Neonazis von 320 im Jahre 2005 auf 250 ist mit den zahlreichen Eintritten in die NPD zu erklären. Insoweit ist hier keine rückläufige Entwicklung zu verzeichnen, sondern allenfalls eine Verschiebung. 44 In diesen Gruppierungen gibt es meist einen Kern von 10 - 20 Mitgliedern, dem sich anlassbezogen ein unterschiedlich großes Umfeld anschließt. Im Berichtszeitraum waren die folgenden Kameradschaften aktiv: * Elbsturm Boizenburg * Freier Kameradschaftsbund Bad Doberan * Aktionsgruppe Festungsstadt Rostock (AGR) * Kameradschaft Stralsund / "Freundeskreis AVANTI" * Soziales und Nationales Bündnis Pommern (SNBP) * Kameradschaftsbund Anklam (KBA), Untergliederung des SNBP * National-Germanische Bruderschaft (NGB), Landkreis Uecker-Randow, Untergliederung des SNBP * Mecklenburgische Aktionsfront (MAF), Landkreis Mecklenburg-Strelitz * Aryan Warriors, Ueckermünde Als Vorfeldorganisationen der Neonazikameradschaften agierten der "Heimatbund Pommern" im Osten des Landes 45 und die Bürgerinteressengemeinschaft - Hanse MecklenburgVorpommern (BI-Hanse M/V) im Großraum Rostock. Darüber hinaus hält die Neonaziszene an der Bildung von so genannten Bürgerinitiativen fest. So trat Mitte 2006 eine neue "Bürgerinitiative Schöner und sicherer Wohnen, Bereich Strasburg" in Erscheinung, die auf angebliche Missstände im Erscheinungsbild Strasburgs hinwies und eine öffentliche Debatte zu diesem Thema anstoßen wollte. Mit Sitz in Heringsdorf firmiert der "Kampfbund Deutscher Sozialisten" (KDS), der die so genannte Querfrontstrategie, also den Spagat zwischen Linksund Rechtsextremismus, verfolgt. Er hat jedoch innerhalb der Szene nur einen sehr geringen Einfluss. Neben ihrer Zugehörigkeit zu einer Kameradschaft verfügen einige Neonazis auch über eine Mitgliedschaft in der in Frankfurt am Main ansässigen "Hilfsgemeinschaft für Nationale Politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG). Dieser Verein hat es sich zum Ziel gesetzt, auch in Mecklenburg-Vorpommern inhaftierte rechtsextremistische Straftäter zu betreuen, meist im Wege eines Briefkontaktes. Für die Entwicklung der Szene selbst ist diese Gruppierung jedoch weitgehend ohne Belang. 46 Die Kameradschaftsszene des Landes MecklenburgVorpommern Insgesamt gesehen ist die Kameradschaftsszene im Osten des Landes deutlich stärker strukturiert und wesentlich aktiver als im Westen. Dabei hat die Kameradschaftsszene des Landes auch im Jahr 2006 deutlich gemacht, dass sie - wie bereits in den Vorjahren - kampagnenfähig ist. Fanden im Jahr 2005 zahlreiche und weitgehend inhaltlich wie auch personell identische Demonstrationen für die Abschaffung des jetzigen und den Aufbau eines "Sozialen und Nationalen Systems" sowie Aktionen zum 60. Jahrestag des Kriegsendes statt, so war im Jahre 2006 der Wahlkampf der NPD um den Einzug in den Landtag das alles überragende Thema. Neben der Kampagnenarbeit wurde auch der Propagandaapparat in Bewegung gehalten. So werden die Publikationen der "Initiative für Volksaufklärung e.V." mit Sitz in Bansin (Insel Usedom), u.a. der "Insel Bote", seit dem Jahr 2001 etwa vierteljährlich herausgegeben. Nach Eigenangaben beträgt die Auflage über 60.000 Exemplare und liegt damit deutlich über den bisherigen Annahmen. Der Inhalt bezieht sich u.a. auf die Themen Arbeit und Bildung. Die 47 Redakteure vermeiden es zwar weiterhin, offen neonazistische Standpunkte zu vertreten, versuchen aber die Fremdenfeindlichkeit zu schüren. Seit dem Sommer 2005 gibt es Regionalausgaben in Stralsund, Anklam, Greifswald und im Uecker - Randow Kreis, wobei die einzelnen Ausgaben - abgesehen von wenigen regionalen Bezügen - weitgehend inhaltsgleich sind. Der NPD-Parteieintritt eines Teils der Kameradschaftsszene und die zuvor festgestellte Annäherung zwischen "Freien Nationalisten" und der NPD dürfte auf Seiten der Neonaziszene als ein strategisches Zweckbündnis angesehen werden, dessen Ziel die Platzierung von Kameradschaftsmitgliedern im Schweriner Landtag war. Dies ist im Endeffekt durch den Wahlerfolg der NPD auch gelungen. Mit der Umsetzung eines offenbar vorher abgestimmten Plans zur Instrumentalisierung der NPD haben die hiesigen Neonazis erneut eine erstaunliche politischstrategische Geschicklichkeit bewiesen. Neben der Kampagne zur Landtagswahl führten die Neonazis auch wieder zahlreiche szenetypische Aktivitäten durch. 48 Tollenseseemarsch Anhänger der rechtsextremistischen Szene nahmen am 25. Februar 2006 an einem Gedenkmarsch zum Todestag des bekannten Berliner SA-Führers Horst WESSEL am 23. Februar 1930 um den Tollensesee teil. Die Wanderung verlief friedlich und ohne Zwischenfälle. Sie wurde durch die Bevölkerung kaum wahrgenommen. Dieser Gedenkmarsch wird bereits seit dem Jahr 2004 immer an dem Folgewochenende des Todestages von Horst WESSEL durchgeführt. Trauermarsch mit Totengedenken Am 6. Mai 2006 fand ein von der "Mecklenburgischen Aktionsfront" (MAF) organisierter Trauermarsch in der Hansestadt Demmin statt. Motto der Veranstaltung war: "8. Mai 1945 - kein Grund zum Feiern, Vergessen wir Tod, Leid und Besatzung nicht". Die Demonstration fand unter Mitführung von Fackeln und schwarzen Fahnen mit insgesamt etwa 130 Teilnehmern statt. Am Hafen wurden 650 Grablichter aufgestellt und ein Kranz in die Peene gesetzt. 49 Aktivitäten am 1. Mai 2006 in Rostock Zahlreiche Mitglieder der Kameradschaftsszene sowie Angehörige der rechtsextremistischen Subkulturen beteiligten sich an der Großdemonstration der NPD am 1. Mai 2006 in Rostock unter dem Motto "Arbeit zuerst für Deutsche". Nach Erkenntnissen der Polizei nahmen insgesamt etwa 1.300 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet und dem Ausland an der Demonstration teil. In Hinblick darauf, dass die NPD diese Demonstration als Wahlkampfauftaktveranstaltung bezeichnete, dokumentiert die rege Teilnahme aus dem Bereich der Kameradschaften die Zusammenarbeit zwischen NPD und "Freien Nationalisten" anlässlich der Landtagswahl 2006. Demonstration in Neubrandenburg Wie bereits in den vergangenen Jahren führte die Neonaziszene des Landes auch im Mai 2006 (27.05.) eine Demonstration in Neubrandenburg durch. Das diesjährige Motto lautete "SPDPDSCDU = Außer Spesen nix gewesen - Schwerin wir kommen!". Insgesamt nahmen ca. 220 der 50 rechtsextremistischen Szene zuzurechnende Personen an der Veranstaltung teil. Es traten zwei prominente Redner aus der Neonaziszene auf. Während die NPD die Demonstration als vollen Erfolg bewertete, sah dies die rechtsextremistische Kameradschaftsszene aufgrund der geringen Teilnehmerzahl (im Vorjahr ca. 450 Teilnehmer) und des Fernbleibens der angekündigten NPD-Spitzenkandidaten sehr viel skeptischer. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die NPD über diese Veranstaltung nicht auf ihrer eigenen Homepage berichtete, sondern dieses auf der des SNBP tat. Dazu hieß es im Störtebekernetz am 29.Mai 2006 mit dem gewohnt ironisch bissigen Unterton: ... die NPD feierte den Tag in Neubrandenburg als Erfolg "nicht jedoch auf ihrer eigenen Internetseite, aber dafür auf der des Sozialen und Nationalen Bündnisses Pommern, was auch ganz in Ordnung ist, da dieses ohnehin bestimmt, wer in der NPD MecklenburgVorpommern etwas zu tun oder zu lassen hat." 51 Aktion anlässlich des Besuchs des Ministerpräsidenten in Burg Stargard Fünf Mitglieder der Mecklenburgischen Aktionsfront (MAF) führten anlässlich des Besuchs des Ministerpräsidenten von Mecklenburg - Vorpommern am 9. August 2006 in Burg Stargard eine Spontandemonstration durch, indem sie Transparente entlang der Zufahrt zur Burg (Besuchsstrecke) mit folgenden Aufschriften hochhielten: * "Kriminell ist das System und nicht der Widerstand dagegen" * "Nur wer Scheiße baut wird angezeigt, wer's Volk beraubt wird abgewählt" * "Ob Rote; Grüne; Schwarze; Gelbe - das Ergebnis ist dasselbe; national wählen" * Ich naives Schaf habe mir die rot/rote Schlachtbank selbst gewählt." 52 Volkstrauertag 19. November 2006 Auf dem Golm auf der Insel Usedom fand am 19. November 2006 eine Gedenkveranstaltung anlässlich des Volkstrauertages statt. Es waren ca. 100 Personen der rechtsextremistischen Szene angereist. Lediglich einer Delegation dieser Gruppe, darunter zwei Mitglieder des Landtages, wurde gestattet, an der offiziellen Gedenkstunde des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. teilzunehmen. Die Mehrheit der angereisten Personen des rechtsextremistischen Spektrums zog daraufhin vor die Kirche in Garz und legte dort 10 Kränze nieder. Die Kränze trugen u.a. folgende Aufschriften: "Die Toten klagen an - KBA", "NGB - Ein Volk ist soviel wert, wie es seine Toten ehrt" und "Habt Dank, ihr tapferen Toten - NPD / HGW-OVP". Anne-Frank-Ausstellung in Grimmen Anlässlich einer Informationsveranstaltung für ehrenamtliche Mitarbeiter, die eine Ausstellung des Berliner Anne-FrankZentrums über das Tagebuch der Anne Frank und die Geschichte ihrer Familie in Grimmen betreuen sollten, verteilten Rechtsextremisten am 4. Dezember 2006 eine selbst 53 produzierte CD mit der Aufschrift "Anne Frank zu Gast bei Freunden -Radio aktivPiratensender Grimmen - Freundeskreis AVANTI". Auf der CD wird das Tagebuch der Anne Frank der Lächerlichkeit preisgeben und als Fälschung dargestellt. Die Staatsanwaltschaft Stralsund ermittelt wegen des Tatbestandes der Volksverhetzung. Bei den mutmaßlichen Initiatoren fanden am 6. Dezember 2006 Hausdurchsuchungen statt. Die Produktion und Verteilung der CD dürfte maßgeblich auf die Neonazis aus der Kameradschaft Stralsund, die sich auch "Freundeskreis Avanti" nennt, zurückgehen. Diese Gruppierung trat bereits mehrfach durch die Verteilung der rechtsextremistischen Schülerzeitung "Avanti" in Erscheinung und setzt auf plakative Aktionen mit antisemitischer Ausrichtung. Der Organisator ist ein seit mehreren Jahren bekannter Rechtsextremist, der vor allem im Bereich Grimmen und Stralsund sehr aktiv ist und durch besonders provokante Auftritte auf sich aufmerksam macht. Er trat wiederholt als Redner bei Demonstrationen auf und wurde bereits im Jahre 2005 wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Tagebuch der Anne Frank, welches das Schicksal der aufgrund der nationalsozialistischen Judenverfolgung aus Frankfurt/Main in die Niederlande emigrierten Familie beschreibt, ist bereits häufiger von Rechtsextremisten als 54 Fälschung bezeichnet worden. Ein in diesem Zusammenhang regelmäßig vorgebrachtes Argument ist die angebliche Verwendung eines Kugelschreibers für die Aufzeichnungen. Tatsächlich waren jedoch nur einzelne Anmerkungen nachträglich mit Kugelschreiber aufgebracht worden. Die Authentizität des Tagebuchs bestätigten sowohl das BKA als auch niederländische Behörden. Die Agitation der Neonaziszene gegen die Anne-Frank-Ausstellung in Grimmen zeigt deutlich das antisemitische Gedankengut innerhalb der Szene. Dem Tagebuch der Anne Frank kommt dabei insofern eine Sonderstellung zu, als es dem Leser das individuelle Schicksal eines Holocaust-Opfers vor Augen führt. Das stetige Bemühen von Rechtsextremisten, unter Zuhilfenahme revisionistischer Argumentationsmuster die Echtheit des Tagebuchs anzuzweifeln, dient jedoch dem Zweck, den gesamten Völkermord an den europäischen Juden zu leugnen. Aktivitäten zum RudolfHeßGedenktag Wie bereits im Vorjahr, wurde die geplante Gedenkkundgebung der rechtsextremistischen Szene im Zusammenhang mit dem Todestag von Rudolf Heß am 55 17. August 2006 an dessen Begräbnisort Wunsiedel verboten. Infolge des Verbotes wurden bundesweit Ersatzveranstaltungen durchgeführt, die allerdings von den Teilnehmerzahlen her hinter den Veranstaltungen der Vorjahre zurückblieben. In Mecklenburg-Vorpommern blieben entsprechende Aktionen im Gegensatz zu den Vorjahren nahezu gänzlich aus. Überregionale Demonstrationsteilnahmen Rechtsextremisten aus Mecklenburg-Vorpommern beteiligten sich wie auch schon in den vergangenen Jahren regelmäßig an überregionalen Demonstrationen, die für die Neonaziszene bundesweit identitätsstiftend sind. Ca. 250 Personen aus der rechtsextremistischen Szene in Mecklenburg-Vorpommern beteiligten sich am 11. Februar 2006 an einer Demonstration der "Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland" (JLO) in Dresden. Dieser Trauermarsch wird jährlich von der JLO anlässlich der Bombardierung Dresdens am 13. Februar 1945 durchgeführt. Er entwickelte sich für die rechtsextremistische Szene zu einer Großveranstaltung mit überregionaler Anziehungskraft. Insgesamt nahmen im Jahr 56 2006 ca. 4.200 Personen der rechtsextremistischen Szene (2005: 5.000; 2004: 2.500) teil. Die Anreisen erfolgten überwiegend mit Reisebussen. Anhänger der neonazistischen Kameradschaften "Soziales Nationales Bündnis Pommern" (SNBP) und "Mecklenburgische Aktionsfront" (MAF) beteiligten sich mit eigenen Transparenten und dokumentierten die Veranstaltung fotografisch. An der "Heldengedenkaktion" am 11. März in Halbe beteiligten sich ca. 700 Personen der rechtsextremistischen Szene, davon ungefähr 50 aus Mecklenburg-Vorpommern. Die Organisatoren der Veranstaltung, die bekannten Neonazis Christian WORCH aus Hamburg und Lars JACOBS aus SchleswigHolstein, gingen anfangs von bis zu eintausend Teilnehmern aus, die bei einer günstigeren Witterung vermutlich auch erschienen wären. Erstmals wurde die gewöhnlich um den alljährlichen Volkstrauertag im November stattfindende Aktion auf den Monat März verlegt. Dieser Termin wurde von der Neonaziszene in Anlehnung an den im 3. Reich üblichen Heldengedenktag am 16. März gewählt. Falls dieser - wie im Jahr 2006 - auf einen Werktag fällt, sollte dieser seinerzeit auf den vorhergehenden Sonntag fallen. Von den Organisatoren wurde der störungsfreie Verlauf besonders gewürdigt, da die Polizei die Gegendemonstranten 57 einem Beschluss des Verwaltungsgerichtes zufolge auf 100 Meter Abstand hielt. Der anlässlich des Volkstrauertages bzw. "Heldengedenktages" für den 18. November 2006 ursprünglich geplante Marsch zum Friedhof in Halbe wurde verboten. Den Organisatoren wurde stattdessen lediglich eine Standkundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz in Halbe erlaubt. Die Organisatoren verlegten daraufhin die geplante Demonstration kurzfristig in das benachbarte Seelow. Aufgrund dieser langen Unklarheit über den genauen Ort der Veranstaltung war diese mit nur noch ca. 1.000 Teilnehmern nicht mehr so gut besucht wie noch im Jahr 2005 (ca. 1.600). Entsprechend ist auch die Zahl der Teilnehmer aus Mecklenburg-Vorpommern zurückgegangen: Im Jahr 2006 dürften etwa 100 Personen aus Mecklenburg-Vorpommern - darunter auch NPD-Landtagsabgeordnete - teilgenommen haben, im Gegensatz zu etwa 150 Personen im Jahr 2005. Bereits im letzten Jahr konnte der Marsch zum Waldfriedhof in Halbe aufgrund von Behinderungen durch Gegendemonstranten nicht wie geplant durchgeführt werden, die Veranstaltung wurde abgebrochen. Im Stockholmer Stadtteil Salem demonstrierten am 9. Dezember 2006 aus Anlass des gewaltsamen Todes des 58 jugendlichen Rechtsextremisten Daniel WRETSTRÖM vor sechs Jahren ungefähr 1000 Neonazis, darunter auch Personen aus Mecklenburg-Vorpommern. Sonstige Aktivitäten Neben den o.a. Aktivitäten wurden an weiteren szenerelevanten Tagen traditionell Osterfeuer, Sommerund Wintersonnenwendfeiern überwiegend bei den genannten Kameradschaften veranstaltet. Darüber hinausgehend fanden auch Schulungsveranstaltungen, Diskussionsabende sowie politische Buchlesungen in den einzelnen Kameradschaften statt. Aktivitäten der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) Für die Entwicklung der rechtsextremistischen Szene im Lande gewinnt die HDJ offenbar an Bedeutung. Sie tritt seit dem Jahr 2001 auf und versteht sich nach eigenen Angaben als eine Jugendgruppe, die ihre Wurzeln in der "volkstreuen 59 Jugendzeit" der Nachkriegszeit hat. Nach eigenen Angaben auf der Homepage www.heimattreue-jugend.de ist die HDJ "eine junge, aktive, volksund heimattreue Jugendbewegung für alle deutschen Mädel und Jungen im Alter von 7 bis 25 Jahren. Auch im 21. Jahrhundert, im Zeitalter des Zerfalls und der Globalisierung hält sie an Heimat, Identität, Volkstum und Tradition fest." Die "Einheit Mecklenburg und Pommern" hat ihren Sitz in Greifswald. Es werden regelmäßig Wanderungen, Volkstanzabende, Vorlesungen, Schulungen und Zeltlager durchgeführt, bei denen immer die deutsche Brauchtumspflege im Vordergrund steht und auf den ersten Blick für den unbeteiligten Betrachter kein rechtsextremistischer Hintergrund erkennbar ist. Auffällig ist jedoch das Mitwirken von zahlreichen Funktionären und Aktivisten aus der NPD und deren Einflussnahme auf den Verein. Beispielsweise fand nach Meldungen des StörtebekerNetzes am 1. Juli 2006 eine Tanzveranstaltung HDJ in Demmin statt, an der auch verschiedene Vertreter der NPD teilgenommen haben sollen, u.a. ein Landtagskandidat und ein Kreistagsabgeordneter. Im Zeitraum der Sommersonnenwende führte die HDJ ein Zeltlager durch, deren Teilnehmer überwiegend Familien mit Kindern und Jugendliche waren. Es wurden sportliche Aktivitäten und Spiele durchgeführt sowie 60 mit Fanfaren und Trommeln musiziert. Die HDJ gibt die Zeitung "Funkenflug" heraus, die vierteljährlich erscheint. Neue rechtsextremistische Publikation Im Oktober 2006 erschien die Erstausgabe der Zeitschrift "Zerschlagt die neue Weltordnung A.N.O.S anti novus ordo seclorum - Das systemkritische Wissensmagazin". Die veröffentlichten Artikel enthalten antisemitische und revisionistische Tendenzen. Breiten Raum nehmen Artikel zu Verschwörungstheorien hinsichtlich der Anschläge vom 11. September 2001 und einer möglichen Atombombe in den Händen Hitlers sowie ein Bericht über die Hitlerjugend ein. Im Impressum wird ein bekannter Rechtsextremist aus Wolgast als Verantwortlicher genannt. Nach Angaben im Heft ist eine vierteljährliche Erscheinungsweise geplant. 61 Rechtsextremistische Musikveranstaltungen in Mecklenburg-Vorpommern 2006 Die rechtsextremistische Musik spielt bundesweit sowie auf Landesebene nach wie vor für die subkulturelle Szene eine herausragende Rolle. Sie ist wichtiger Identifikationsfaktor der Szene und vermittelt die szenetypischen Feindbilder. Musikproduktionen werden aber auch vom organisierten Rechtsextremismus als Propagandamittel eingesetzt. So verteilte die NPD im Landtagswahlkampf eine so genannte "Schulhof CD" in großen Mengen (s.u.). Bundesweit bietet die Partei zudem einschlägigen Liedermachern und Bands eine Plattform, indem sie Räume zur Verfügung stellte und ihre Veranstaltungen mit einem musikalischen Rahmenprogramm versah. Mitursächlich für diese Entwicklung dürfte auch der zunehmende Anteil jüngerer Parteimitglieder sein. Sie stammen vielfach aus der Neonaziund Skinhead - Szene. Bands und Liedermacher nutzen bei diesen Veranstaltungen den Vorteil, dass sie mit Auftritten im Rahmen von Parteiveranstaltungen ihren Bekanntheitsgrad steigern können. Bundesweit wurden 2006 164 rechtsextremistische SkinheadKonzerte registriert. Gegenüber 2005 ist damit ein Rückgang um 15 % festzustellen. 62 In Mecklenburg-Vorpommern ist die Zahl der rechtsextremistischen Musikveranstaltungen im Jahr 2006 gegenüber dem Vorjahr in etwa gleich geblieben. Es wurden insgesamt 18 rechtsextremistische Musikveranstaltungen, davon 12 Skinkonzerte, 5 Partys und darüber hinaus 1 Auftritt eines rechtsextremistischen Liedermachers anlässlich der NDPDemonstration am 01. Mai 2006 in Rostock, festgestellt. Zwei Musikveranstaltungen konnten im Vorfeld verhindert werden. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 21 rechtsextremistische Musikveranstaltungen, davon 15 Skinkonzerte, drei Partys und drei Liederabende. Die Veranstaltungen in MV 2006 verteilten sich erneut über das ganze Land. Eine gewisse Schwerpunktbildung konnte in den Landkreisen Ostvorpommern, Güstrow und Uecker - Randow festgestellt werden. Die Vorbereitungen für derartige Musikveranstaltungen laufen in aller Regel seit Jahren äußerst konspirativ, ein polizeiliches Einschreiten wurde vielfach erschwert durch eine völlige Abschirmung der Konzerte, die auch 2006 zum Teil auf privatem Gelände stattfanden und als private "Feiern" deklariert wurden. 63 Skinbands aus MV In Mecklenburg Vorpommern liegt die Zahl der Skinbands weiterhin bei 10 -15. Am bekanntesten sind die "Liebenfels Kapelle" (vormals und neuerdings wieder "Skalinger") aus dem Raum Wolgast sowie "Path of Resistance" aus dem Raum Rostock. Beide Bands treten regelmäßig regional und überregional auf. 64 Szeneläden / Versandhandel Szeneutensilien, Kleidung und Tonträger bestellen Rechtsextremisten vornehmlich aus in der Szene kursierenden Versandkatalogen oder über das Internet. Eine wichtige Bezugsquelle sind zudem Szeneläden, die es u.a. in Anklam, Waren und Wismar gibt. Bedeutsame rechtsextremistische Internet-Vertriebsdienste sind in Grevesmühlen (V7/TTV-Versand) 4) und Wismar (H8Store) 5) aktiv. Der in Wismar ansässige "Werwolfshop" sorgte im August 2006 für ein breites Medienecho, als Betreiber und Sympathisanten des Szenetreffs gewaltsam gegen eine "Antifa" - Demonstration (s.u.) vorgingen. Die Polizei konnte weitere Auseinandersetzungen nur mit der Drohung des Schusswaffengebrauchs verhindern. Internetrecherchen haben ergeben, dass unter der Adresse www.druckmeister.com "Die erste nationale Wunsch-T-ShirtDruckerei im Weltnetz" u. a. Shirts für Kameradschaften und Bands angeboten werden. Es stehen verschiedene Motive zur Auswahl, darunter die Motivreihe "NS-Department". 4) TTV = Tonträger-Vertrieb; V7 = Abkürzung für ein von den Nationalsozialisten (angeblich) entwickeltes Ganzflügelflugzeug, das Anlass zu zahlreichen UFOLegenden gegeben hat (www.v7versand.com) 5) www.h8store.com 65 Internetseite des rechtsextremistischen "Projekt Schulhof" indiziert Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) indizierte am 06.April 2006 auf Antrag des Landesjugendrings Brandenburg die Internetseite "www.schulhof.net" des rechtsextremistischen organisationsübergreifenden "Projekt Schulhof". Nach Bewertung der BPjM enthalten die dort veröffentlichten Texte insbesondere ausländerfeindliches Gedankengut. Zudem biete die Website das den Nationalsozialismus glorifizierende Lied "Sieg" der brandenburgischen Skinheadband "Confident of Victory" zum Herunterladen an, das bereits am 4. Januar zur Indizierung der CD "F.N.A.B." ("Fight for freedom, nation and blood") der Band geführt hatte. Die Internetseite "www.schulhof.net" ist bereits seit Anfang November 2004 freigeschaltet. Die Freischaltung erfolgte seinerzeit parallel zu den ersten Plakatierungsaktionen im Rahmen des "Projekt Schulhof". Vermutlich als Reaktion auf die Indizierungsentscheidung befindet sich auf der Internetseite nunmehr der Hinweis, dass das Herunterladen und Anhören der dort aufgeführten Lieder Jugendlichen unter 18 Jahren nicht gestattet ist. 66 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Allgemeines Die NPD machte auch im Jahr 2006 deutlich, dass sie der freiheitlichen demokratischen Grundordnung feindlich gegenübersteht. Demokratische Politiker werden als "etablierte Volksbetrüger" bezeichnet und die politische Ordnung der Bundesrepublik als "volksfeindliches System". 6) Der Vorsitzende der NPD-Landtagsfraktion Udo PASTÖRS sprach am Wahlabend von "Banditen im Schweriner Landtag". 7) Nach wie vor folgt die Partei einem rassistisch/antisemitischen Weltbild. Bezeichnend war in diesem Zusammenhang der "4. Freiheitliche Kongress" der NPD, der 2006 in Bayreuth stattfand. In einem in der Parteizeitung "Deutsche Stimme" veröffentlichten Artikel werden Aussagen verschiedener Kongressredner zusammengefasst. 6) Beide Zitate aus: Jürgen Gansel: Die nationale Achse Dresden - Berlin - Schwerin. http://www.npd.net/index.php?sek=0&pfad_id=9&cmsint_id=1&d... (20.09.2006) 7) zit. aus: Bundesamt für Verfassungsschutz: Die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) als Gravitationsfeld im Rechtsextremismus". http://www.verfassungschutz.de (23.03.2007), S. 8 67 So sei der Auftritt des ehemaligen Waffen SSUntersturmführers Herbert SCHWEIGER ein "weiterer Höhepunkt" gewesen. Er habe ausgeführt, dass nach "seiner festen Überzeugung die Biologie die Grundlage aller geschichtlichen Entwicklung sei. Die Natur lasse nur das Starke überleben, so sei es auch in der Geschichte immer gewesen." 8) Übereinstimmungen mit der nationalsozialistischen Ideologie sind sicher nicht zufällig. Bezeichnend ist hier zudem ein den Artikel illustrierendes Bild, das den bereits erwähnten seinerzeitigen Spitzenkandidaten und jetzigen NPD - Fraktionsvorsitzenden im Schweriner Landtag, Udo PASTÖRS, mit einer Fahne des Iran zeigt. Die Bildunterschrift lautet: "Udo Pastörs demonstriert seine Solidarität mit dem Iran." Hier dürfte weniger die iranische Bevölkerung gemeint sein, als vielmehr die Staatsführung, die das Existenzrecht Israels bestreitet und versucht, Zweifel am Holocaust zu säen. Auffällig ist in jüngster Zeit ein betont antikapitalistisches Auftreten. 8) Holger Szymanski, Jürgen Gansel: Von Nürnberg bis Bagdad. Völkerrecht statt Siegerwillkür. In: Deutsche Stimme 07/06, 2006, S. 20 68 Dabei wird die von der NPD propagierte "raumorientierte Volkswirtschaft" als Alternative zur "Globalisierung" dargestellt. Sie schütze den "kleinen Mann" vor der "Bonzokratie". Dahinter stehen jedoch die üblichen, verschwörungstheoretisch aufgeladenen Feindbilder. Die USA und mit ihnen verbunden die "Juden" bzw. Israel seien nur daran interessiert, die Deutschen an der Bildung einer "Volksgemeinschaft" zu hindern. Dort säßen somit die "Todfeinde der Völker" 9) . Hier wird sehr deutlich, das die NPD liberalen und demokratischen politischen Systemen eine klare Absage erteilt und auch im Bereich der Wirtschaftspolitik auf autoritär gelenkte Systeme setzt. Strategisch sieht sich die NPD gut aufgestellt. Die Konzentration ihrer personellen und finanziellen Ressourcen auf Ostdeutschland sei richtig gewesen, da dort aufgrund weit verbreiteter demokratiekritischer Einstellungen am ehesten mit Erfolgen zu rechnen gewesen sei. "Mit einem moderaten Ton, 9) vgl.: Bundesamt für Verfassungsschutz: Die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) als Gravitationsfeld im Rechtsextremismus". http://www.verfassungschutz.de (23.03.2007), S. 7 69 zivilem Auftreten und alltagsnahen Themen" 10) sei es gelungen, zum "integralen Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens zu werden". Auch wenn diese Selbsteinschätzung sicherlich nicht die gesamte gesellschaftliche Realität in Ostdeutschland widerspiegelt, so scheinen die Wahlergebnisse der Partei zumindest teilweise Recht zu geben. Jedenfalls will die NPD diesen politischen, von ihr auch als graswurzelartig beschriebenen, Ansatz weiterverfolgen. Der Landesvorsitzende Stefan KÖSTER forderte in einem Gastkommentar für die Parteizeitung "Deutsche Stimme" im September 2006 unter der Überschrift "Raus aus den Hinterzimmern !": "Vielmehr müssen wir (also die Parteimitglieder, Anm. des Verf.) alle auch im bundesrepublikanischen Alltag aktiv sein. Dies kann zum Beispiel in einer örtlichen Bürgerinitiative, in einem Sportverein, der Freiwilligen Feuerwehr oder anderen überparteilichen Organisationen stattfinden." 11) Soweit bekannt, sind dieser Aufforderung im Berichtszeitraum jedoch nur sporadisch Taten gefolgt. 10) Jürgen Gansel: Die nationale Achse Dresden - Berlin - Schwerin. http://www.npd.net/index.php?sek=0&pfad_id=9&cmsint_id=1&d...(20.09 .2006) 11) Stefan Köster: Raus aus den Hinterzimmern!. http://deutsche-stimme.de/Ausgaben2006/Sites/09-06-Koeste... 70 Dies muss mit Blick auf die angestrebten politischen Ziele und dem Rückenwind des Landtagswahlergebnisses allerdings nicht so bleiben. Mitgliederentwicklung des NPD-Landesverbandes im Jahr 2006 Die NPD konnte im Jahr 2006 - bedingt durch den erheblichen Zulauf Freier Nationalisten und Angehöriger rechtsextremistischer Kameradschaften - ihren Mitgliederbestand deutlich ausbauen. Zum Ende des Jahres werden der NPD in MV mehr als 300 Personen zugerechnet (2005: 200), mit steigender Tendenz. Allerdings ändert sich damit wenig an der strukturellen Schwäche des Landesverbandes, der nach wie vor nur über sechs Kreisverbände verfügt, die darüber hinaus einen sehr unterschiedlichen Grad der Arbeitsfähigkeit aufzuweisen haben: Im Einzelnen handelt es sich um die Kreisverbände: 71 * Westmecklenburg (Landkreise Ludwigslust, Nordwestmecklenburg, Parchim, Landeshauptstadt Schwerin und Hansestadt Wismar) * Mecklenburg-Mitte (Hansestadt Rostock, Landkreise Bad Doberan, Güstrow, Müritz, Demmin) * Stralsund (Hansestadt Stralsund, Landkreise Rügen, Nordvorpommern) * Ostvorpommern (Landkreis Ostvorpommern, Hansestadt Greifswald) * Uecker-Randow (Landkreis Uecker-Randow) * Mecklenburg-Strelitz (Landkreis MecklenburgStrelitz, Stadt Neubrandenburg) Landtagswahl 2006 Der NPD ist es bei der Landtagswahl 2006 in MecklenburgVorpommern gelungen, ihr Ziel von 7 % +x zu erreichen - sie erhielt 7,3 % und damit 59.845 der abgegebenen Zweitstimmen und bildet mit sechs Abgeordneten eine Fraktion im Schweriner Landtag. Bei allen bisherigen Wahlen seit Bestehen des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern war die NPD deutlich an der 72 5 %-Hürde gescheitert, wie die nachfolgende Grafik zeigt: Landtagswahlergebnisse der NPD in MV 1990 - 2006 7,3 % 8,0% 6,0% 4,0% 2,0% 1,1 % 0,8 % 0,2 % 0,1 % 0,0% 1990 1994 1998 2002 2006 Bei der Landtagswahl 2006 erreichte die NPD hingegen fast flächendeckend mehr als 5 % der Stimmen; lediglich in folgenden Wahlkreisen lag ihr Stimmenanteil (knapp) darunter: Rostock III : 3,8 % Rostock IV : 4,9 % Schwerin I : 4,7 %. Die höchsten Stimmenanteile wurden im Westen des Landes im Wahlkreis Ludwigslust I (9,1 %) erzielt - hier trat der Spitzenkandidat Udo PASTÖRS auch als Direktkandidat an. Besonders gute Ergebnisse erzielte die NPD vor allem aber im Ostteil des Landes. 73 Hier sind insbesondere folgende Wahlkreise zu erwähnen: Uecker-Randow I: 15,0 % Uecker-Randow II: 13,1 % Ostvorpommern I: 12,2 % Ostvorpommern II: 11,5 % In einzelnen kleineren Gemeinden des Landkreises Ostvorpommern erzielte die NPD mehr als 30 % der abgegebenen Stimmen, wie die nachfolgende Übersicht zeigt: Neuenkirchen 30,1 Neu Kosenow 31,0 Bargischow 31,6 Blesewitz 32,2 Postlow 38,2 74 Wahlkampf Bereits im Jahr 1998 hatte sich die NPD Chancen auf einen Einzug in den Schweriner Landtag ausgerechnet und einen sehr aufwändigen Wahlkampf betrieben. Sie scheiterte dennoch - wie erwähnt - mit 1,1 % der Stimmen klar an der 5 %-Hürde. Im Jahr 2002 sank ihr Stimmenanteil - nach einem eher lustlosen Wahlkampf - noch einmal auf 0,8% der Stimmen. Der Wendepunkt kam 2004 mit dem Wahlerfolg der Partei in Sachsen, wo sie 9,2 % der Stimmen erhielt. Im gleichen Jahr 75 konnte die NPD in MV einen Überraschungserfolg bei der Kommunalwahl verbuchen, der ihr zehn Mandate einbrachte. Auch der Landesverband hatte nicht mit diesem Ergebnis gerechnet, da weniger Kandidaten aufgestellt worden waren, als Mandate zu besetzen waren. Bei der Bundestagswahl erreichte die NPD in MV einen Achtungserfolg von 3,5%. Damit wurde schließlich der Bundesvorstand auf Mecklenburg-Vorpommern aufmerksam, der daraufhin die Landtagswahl 2006 zum Schwerpunktwahlkampf des Jahres erklärte. Dies war der Auftakt zu einer im rechtsextremistischen Spektrum Mecklenburg-Vorpommerns bis dato beispiellosen "Materialschlacht". Die Mobilisierung begann mit einer Großdemonstration in Rostock am 01. Mai, an der nach Polizeiangaben ca. 1.300 Personen teilnahmen; die Partei sprach von 2.500 Teilnehmern. Nach Presseberichten und Eigenangaben der Partei kamen im Lande ca. 400.000 - 500.000 EUR zum Einsatz, was auch das Limit der mit einer geringen Finanzdecke ausgestatteten Partei darstellen dürfte. Einen nicht geringen Anteil hatten daran staatliche Wahlkampfkostenerstattungen. 76 Hinzu kommen private Geldgeber. Insoweit ist eine genaue Bezifferung der eingesetzten Mittel nicht möglich. Nach hier vorliegenden Informationen wurden im Lande 45.000 Themenplakate, in der Endphase 15.000 Personenplakate und 300 Großplakate aufgehängt. Darüber hinaus kamen Flugblätter, ein eigenes Aktionsprogramm sowie weit über 100.000 Wahlzeitungen (in zwei verschiedenen Ausfertigungen) zur Verbreitung. Die Partei selbst nennt eine Zahl von 1,4 Mio. Exemplaren. Begleitet wurden die Wahlkampfaktivitäten durch eine Wahlplattform auf der Homepage, Fernsehund Radiospots sowie eine Vielzahl von Informationsständen. U.a. wandte sich die NPD gezielt an Jungund Erstwähler. Diesem Zweck diente eine "CD-Verteilaktion" am 05. September 2006, bei der in der Nähe von Schulen ca. 15.000 Exemplare - die NPD spricht von 25.000 - der eigens von der NPD für die Wahlkämpfe in Berlin und MV aufgelegten "SchulhofCD" an Gymnasiasten und Berufsschüler verteilt wurden. Ferner wurden nach NPD-Angaben 60.000 Jungwähler direkt angeschrieben. Diese "Jugendkampagne" blieb nicht ohne Erfolg. Mit einem Stimmenanteil von 17 % wurde die NPD bei den 18-24Jährigen drittstärkste Kraft. Wie auch im Wahlkampf in Berlin suchte die NPD in Mecklenburg-Vorpommern verstärkt 77 Informationsstände und Veranstaltungen anderer Parteien auf, um - als besonders plakative Spielart der "Wortergreifungsstrategie" - die Diskussion zu suchen. Als eine SPD-Abgeordnete z.B. bei einem Infostand Liederbücher unter dem Motto "Sing mit uns" verteilte, erschien eine Gruppe von NPD-Anhängern und intonierte "Die Gedanken sind frei". Durch die in größerer Zahl auftretenden NPD-Anhänger fühlten sich die Betreiber der Informationsstände nicht selten bedrängt. Inhalte Die Großdemonstration am 01. Mai in Rostock stand unter dem Motto: "Arbeit zuerst für Deutsche" und gab damit - neben den Themen Familie, Heimat und Zuwanderung (als Unterthema) - den Tenor des Wahlkampfes insgesamt vor. Das Weltbild, das vermittelt wurde, war simpel und versuchte klare Feindbilder zu erzeugen: Uns hier unten geht es schlecht, die da oben ("Bonzen") bereichern sich auf unsere Kosten. 78 Als Alternative versprach die NPD eine "knallharte Oppositionspolitik" zugunsten der "einfachen Leute", Arbeitsplätze, familienfreundliche Politik und - nicht zuletzt - Maßnahmen gegen Einwanderung und "Asylbetrüger". Dabei setzte die NPD nicht nur auf plakative allgemeine Losungen, sondern bemühte sich, konkrete Probleme vor Ort zu thematisieren. So wurde im Bereich Neukalen eine Postwurfsendung ("Bürgerinfo") verteilt, die sich für den Erhalt der örtlichen Grundschule einsetzt. In Rostock setzte der NPD-Kreisverband sogar ein Kopfgeld von 1.000 EUR zur Ergreifung eines mutmaßlichen Straftäters ukrainischer Herkunft aus, der einen Deutschen beraubt und ermordet haben sollte. Damit bewegte sich die Partei doch wieder auf gewohntem Terrain, indem sie ausländerfeindliche Ressentiments schürte und sich nebenbei als Ordnungsfaktor zu profilieren suchte. Kurz vor der Wahl wandte sich die NPD direkt an unentschlossene, Nichtund Protestwähler, indem sie ganze Straßenzüge mit den Slogans "Den Bonzen auf die Finger hauen" und "Wehrt Euch!" zupflasterte. In vielen Gemeinden zeigte sich, dass die Vielzahl der aufgehängten NPD-Plakate - 79 trotz wiederholter Zerstörungsaktionen politischer Gegner - das Straßenbild stark prägte. In ihrem Bemühen, ein breites Wählerspektrum anzusprechen, kam es bisweilen zu inhaltlichen Widersprüchen. Einerseits wurden in einem sozial schwachen Wohnviertel NPDFlugblätter in russischer Sprache verteilt, um die dort lebenden russischstämmigen Wahlberechtigten anzusprechen, andererseits kritisierte man in deutschsprachigen Flyern Zuwanderung und Ghettoisierung gerade dieser Personenkreise. Nachdem zunächst inhaltliche Themen im Vordergrund standen, konzentrierte sich die NPD in den letzten Wochen vor der Wahl darauf, ihre Kandidaten bekannter zu machen. Vermieden wurde ein unmittelbarer Bezug auf das Dritte Reich, da man davon ausgehen musste, dass dies der Partei eher schaden würde. Zusammenarbeit mit "Deutscher Volksunion" (DVU) und Neonazis Nach ihrem Wahlerfolg in Sachsen 2004 schlossen die Bundesvorsitzenden von NPD und "Deutscher Volksunion" 80 (DVU) einen so genannten "Deutschlandpakt", der Wahlabsprachen bei Bundessowie Landtagswahlen vorsah. Im Gegenzug wurde die Möglichkeit vereinbart, mit offenen Listen anzutreten, so dass Kandidaten der verzichtenden Partei auf prominenten Listenplätzen der zur Wahl antretenden Partei berücksichtigt werden können. In MV wurde davon aber kein Gebrauch gemacht, da die DVU im Lande offenbar keine Person aufbieten konnte, die eine Berücksichtigung an prominenter Stelle der NPD-Landesliste gerechtfertigt hätte. Die rund 50 DVU-Mitglieder konzentrieren sich im Wesentlichen im Bereich UeckerRandow / Ostvorpommern, treffen sich zu gelegentlichen Stammtischen und waren aufgrund ihres Altersdurchschnitts im Wahlkampf der NPD wohl nicht von großem Nutzen. Darüber hinaus war die NPD nicht auf die Hilfe der schwächelnden DVU angewiesen, da sie seit 2004 / 2005 massiv durch Angehörige der Neonaziszene verstärkt wurde. Als Initialzündung für die Annäherung zwischen NPD und "freien Kräften" dürften wiederum die Erfolge der NPD in Sachsen und bei der Kommunalwahl in MV 2004 gelten. Nachdem die Neonaziszene jahrelang der NPD sehr skeptisch gegenüberstand, dürfte die Aussicht auf lukrative Mandate 81 bzw. Mitarbeiterposten in der Fraktion einen Gesinnungswandel in Gang gesetzt haben. Der personell, finanziell und strukturell nicht sonderlich gut aufgestellte Landesverband akzeptierte die Annäherung. Vermutlich hoffte man vor allem auf eine tatkräftige Unterstützung im Wahlkampf. Diese leisteten die "Freien Kräfte" auch, allerdings nicht ohne Gegenleistung. Nachdem Neonazis in größerer Zahl der Partei beitraten, forderten sie - entgegen den Vorstellungen der NPD - eine stärkere Berücksichtigung bei der Kandidatenaufstellung, Mitspracherechte bei Parteiinterna und Repräsentanz in der Führung. Insgesamt umfasste die NPD-Landesliste für die Landtagswahl 15 Kandidaten - davon acht Neonazis -, in allen 36 Wahlkreisen stellte sie erstmals Direktkandidaten - ein Drittel davon Neonazis. Von den sechs Abgeordneten werden zwei der Neonaziszene zugerechnet. Die Entwicklung führte dazu, dass die Neonazis zwischenzeitlich de facto die Mehrzahl der Kreisverbände dominieren und die damit einhergehenden Spannungen offen zu Tage treten. Während die einen nur ungern Einfluss und Posten abgeben wollen, sind die anderen wiederum ernüchtert von den "Niederungen" der Parteiarbeit. Hinzu kommen noch 82 ideologische Differenzen, die auch in den geänderten Machtverhältnissen ihren Niederschlag finden. Inwieweit der personelle Aufschwung der Partei somit von Dauer ist, bleibt abzuwarten. Kommunikationsmedien Auch im Jahre 2006 nutzte die rechtsextremistische Szene das Internet als Kommunikationsplattform. Eine der bundesweit bedeutsamsten Informationsbörsen stellt weiterhin das "Störtebeker-Netz" aus Stralsund dar. Hier spiegeln sich die wesentlichen Diskussionen innerhalb des Rechtsextremismus wider. Auffällig ist der zynische und - bisweilen angedeutet, oft offen - rassistisch/antisemitische Ton. 83 84 IV. Linksextremismus Allgemeine Entwicklung Der linksextremistischen Szene in Mecklenburg-Vorpommern werden ca. 200 Personen zugerechnet. Linksextremisten stehen in Gegnerschaft zur bestehenden Staats -und Gesellschaftsordnung, die von ihnen u.a. als imperialistisch und rassistisch diffamiert wird. Je nach ideologischer Ausrichtung wollen sie ein sozialistisch/kommunistisches System oder eine aus ihrer Sicht herrschaftsfreie Gesellschaft etablieren. Die Autonomenszene, eine nicht homogene Bewegung, die sich auch als undogmatische Linke versteht, orientiert sich an diffusen anarchistischen und kommunistischen Ideologiefragmenten und lehnt festgefügte Organisationen und staatliche Strukturen ab. Zur Durchsetzung der politischen Ziele wird der Einsatz von Gewalt als legitimes Mittel befürwortet. Der Autonomenszene in Mecklenburg - Vorpommern gehören ca. 100 Personen an. Diese Szene ist auch für den deutlichen Anstieg der linksextremistisch motivierten Gewalttaten verantwortlich. 85 Die im Lande als Kleinstgruppen agierenden linksextremistischen Parteien und Organisationen hielten an ihren klassischen marxistischen, leninistischen und trotzkistischen Konzepten zur Errichtung einer kommunistischen Gesellschaft fest. Sie erzielten jedoch kaum öffentliche Resonanz. So blieben die Mitgliederzahlen der "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) der "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) und der "Marxistisch Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) unverändert gering. Die trotzkistische "Sozialistische Alternative" (SAV) in Rostock thematisierte nach wie vor den "Sozialkahlschlag", "Hartz IV" und setzte ihre Bemühungen um eine Einflussnahme in der Partei "Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit" (WASG) fort. Das "ArbeiterbildungszentrumFerienpark Alt Schweriner Werder" der MLPD wurde weiterhin als Schulungszentrum und für Bildungsfreizeiten genutzt. In Greifswald hat sich eine Ortsgruppe der linksextremistischen "Rote Hilfe e.V." gegründet. Ihre Hauptaufgabe sieht die "Rote Hilfe" im Kampf gegen "staatliche Repression". Sie gewährt straffällig gewordenen 86 Linksextremisten Rechtshilfe, vermittelt Szeneangehörigen Anwälte und betreut die so genannten "politischen Gefangenen". Personenpotenzial Personenpotenzial MV 2005 MV 2006 Bund Bund 2005 / 2006 2005 2006 Autonome 100 100 5000 5.500 Deutsche kommunistische 20 20 <4500 4.200 Partei (DKP) Kommunistische 10 10 200 Keine Partei Angabe Deutschlands (KPD) MarxistischLeninistische 20 20 2300 2.300 Partei Deutschlands (MLPD) Sozialistische Alternative (SAV) 20 20 400 400 87 Linksextremistisch motivierte Straftaten Im Jahr 2006 registrierte das LKA im Bereich der politisch motivierten Kriminalität im Phänomenbereich 'links' insgesamt 134 (Vorjahr: 32) Straftaten. Davon waren 50 (Vorjahr: 26) extremistisch motiviert. Darunter waren 38 Gewalttaten (Vorjahr: 14). Der starke Anstieg der linksextremistischen Straftaten ist vorwiegend auf Aktionen gegen den Landtagswahlkampf der NPD zurückzuführen (s.u.). Gewaltbereiter Linksextremismus Aktionsfeld Antifaschismus Der "Antifaschismuskampf" war vor dem Hintergrund des NPD-Landtagswahlkampfes ein Hauptaktionsfeld des autonomen Spektrums. Die Bandbreite der Aktionen des autonomen Antifaspektrums reichte von Farbschmierereien über zahlreiche Sachbeschädigungen und Blockaden bis zu Angriffen auf den politischen Gegner und Polizeibeamte bei Aufzügen von Rechtsextremisten. Hier ist auch die Ursache 88 für den deutlichen Anstieg der linksextremistisch motivierten Gewalttaten zu finden. Bei einem Aufmarsch der NPD zur Wahlkampferöffnung am 1. Mai 2006 in Rostock störten Gegendemonstranten den Ablauf der Veranstaltung mit Stein -und Flaschenwürfen. Die Polizei nahm mehrere Störer fest und erteilte Platzverweise. Einige Polizeibeamte wurden während des Einsatzes leicht verletzt. Im Bereich der Innenstadt wurden Müllcontainer angezündet. In Neubrandenburg wurden Teilnehmer eines rechtsextremistischen Aufzugs im Mai mit Flaschen und Steinen beworfen. Mehrere Personen wurden festgenommen. Autonome Gruppen in Rostock, Neubrandenburg und Schwerin hatten als "BEWEGUNG 11 01-autonome linke mv" im Internet dazu aufgerufen, sich den "Neonazis offensiv und organisiert entgegenzusetzen und den NPD-Wahlkampf in Neubrandenburg und anderswo zum Desaster" zu machen. Im gleichen Monat griffen mehrere Personen vermeintliche "Nazis" in einem Cafe in Rostock an, die leicht verletzt wurden. Die Täter zerstörten beim Verlassen Mobiliar des Cafes. Zur Aktionspalette gehörten auch Farbschmierereien an öffentlichen Gebäuden. So wurde die Fassade des Rathauses in Kröpelin im Juni von unbekannten Tätern mit dem "antifa"- 89 Symbol und "mollies und steine gegen bullenschweine" besprüht. Zudem wurde eine Fensterscheibe eingeschlagen. Im September warfen unbekannte Täter zwei ausgehöhlte und mit brauner Farbe gefüllte Wachskerzen gegen das SchleswigHolstein-Haus in Schwerin. An der Eingangstür war ein Schreiben mit der Überschrift "rechte Hochburgen in Schwerin" hinterlegt, das sich inhaltlich gegen den Einzug der NPD in den Schweriner Landtag und die im SchleswigHolstein-Haus laufende Arno-Breker-Ausstellung richtete. Aktionsfeld Antiglobalisierung Das Aktionsfeld Antiglobalisierung gewann im Berichtszeitraum mit Blick auf den herannahenden G 8-Gipfel in Heiligendamm zunehmend an Bedeutung. Linksextremisten sehen die Globalisierung vornehmlich als "imperialistische Strategie" zur Ausweitung der "Ausbeutung", vornehmlich in den Staaten der Dritten Welt. Folge sei eine zunehmende "Verelendung" sowie ein wachsender Gegensatz zwischen Arm und Reich. Für Linksextremisten gilt es daher, "kapitalistische" Strukturen zu bekämpfen und zu überwinden. 90 Das Thema "Globalisierung" dient jedoch nicht nur als ideologische Begründung für die eigenen Aktivitäten. Es soll zugleich als Plattform für eine Wiederbelebung der antikapitalistisch/revolutionären Bewegung dienen. Hierzu sei es notwendig, die "vereinzelten Proteste, Widerstandsund Arbeitskämpfe wieder auf einen politischen Nenner zu bringen: das kapitalistische System als Ursache der Entwicklung zu erkennen und nach dessen Überwindung zu streben." Weiter heißt es: "Die unmittelbaren temporären Proteste und Bewegungen müssen letztlich als Antrieb für eine verbindliche Organisierung genutzt und aus dem Widerstand eine Perspektive entwickelt werden...Eine erfolgreiche Mobilisierung (gegen den G 8-Gipfel, Anm. des Verf.) könnte der Startpunkt für eine wieder stärker werdende Revolutionäre Bewegung und Organisierung in der BRD sein." 12) Ob sich aus den Protesten gegen den G 8-Gipfel tatsächlich ein Mobilisierungsimpuls mit Langzeitfolgen ergibt, ist zumindest fraglich. So konnte im Berichtszeitraum bei der Bildung eines "Gesamtbündnisses" aus allen Bereichen der Linken, einschließlich Autonomer Gruppen, aufgrund von teilweise ungleichen Interessen einzelner Gruppierungen kein erkennbarer Fortschritt erzielt werden. 12) Zit. aus: Interim Nr. 638 v. 16.06.2006, S. 11 91 In Mecklenburg-Vorpommern fanden in mehreren Städten des Landes Vorbereitungs - und Vernetzungstreffen statt, an denen linksextremistische Globalisierungsgegner teilnahmen. In Steinhagen (Landkreis Bad Doberan) wurde im August ein Sommercamp unter der Bezeichnung "Camp Inski" mit bis zu 700 Teilnehmern aus dem linken und linksextremistischen Spektrum durchgeführt. Im Rahmen des mehrtägigen Camps führten Teilnehmer mehrere Aktionen außerhalb des Geländes durch. Vor dem Strand vor dem Hotel Kempinski gab es einen Aktionstag "Baden in Heiligendamm", "Auf zum Widerstand", an dem sich ca. 400 Personen beteiligten. Dabei wurde kurzzeitig eines der dort leerstehenden Häuser besetzt und ein Flugblatt verlesen, in dem die Enteignung der jüdischen Familie Kempinski durch die Nationalsozialisten thematisiert wurde. Unter dem Motto "Keine Stimme den Nazis" demonstrierten ca. 100 Personen, darunter mehrere Teilnehmer des "Camp Inski" gegen Treffpunkte von Rechtsextremisten in Wismar. Im Rahmen des Demonstrationsgeschehens kam es zu gewalttätigen Übergriffen von Neonazis auf Demonstranten. Die Hauswand und ein Fenster eines Szeneladens der Rechtsextremisten wurden von Demonstrationsteilnehmern mit einem Farbbeutel und einem Stein beworfen. 92 Im November trafen sich ca. 450 Globalisierungsgegner aus dem linken bis linksextremistischen Spektrum zu einer "Internationalen Aktionskonferenz zum G8Gipfel 2007" in Rostock. Im Internet wurde eine Abschlusserklärung erstellt, nach der sich die Teilnehmer der Veranstaltung auf einen "Fahrplan für die Protestwoche gegen den G8Gipfel" verständigten. Danach soll die Protestwoche am 2. Juni 2007 mit einer Großdemonstration beginnen. Es folgen zwei Aktionstage zu "Migration" sowie "Militarismus, Krieg, Folter und den globalen Ausnahmezustand". Zudem sind ein "Alternativgipfel", mehrere Blockaden und Gipfelcamps vorgesehen. Im Rahmen der Mobilisierungskampagne gegen den G8Gipfel 2007 kam es insbesondere im Raum Hamburg und in Berlin bereits zu mehreren Sachbeschädigungen und Brandanschlägen auf Fahrzeuge, Gebäude von Firmen und staatliche Stellen. U.a. war im Dezember ein Anschlag auf ein Auto des Finanzstaatssekretärs in Hamburg verübt worden. In einem Bekennerschreiben übernahm eine " AG Kolonialismus und Krieg in der militanten -G8Kampagne" die Verantwortung für die Tat. Im August 2006 warfen unbekannte Täter Steine sowie mit schwarzer Lackfarbe 93 gefüllte Beutel und Glasbehälter auf das Grundstück des Ministerpräsidenten des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Einige trafen Fenster und Wände seines Wohnhauses. Zur Tat bekannte sich eine bislang unbekannte Gruppe offensichtlich linksextremistischer Globalisierungsgegner "P.D.S. Peuple de Seattle". Der Begriff "Seattle" dürfte sich auf die gewalttätigen Proteste gegen die Ministerkonferenz der "World Trade Organisation" (WTO) im November 1999 im US-amerikanischen Seattle beziehen, die eine weltweite Signalwirkung auf die "Antiglobalisierungsbewegung" hatten. In der Nacht zum 28.12.2006 wurde mittels farbgefüllten Weihnachtsbaumkugeln ein Farbanschlag auf das G8Tagungshotel Kempinski in Heiligendamm verübt, bei dem ein geringer Sachschaden entstand. In einer Taterklärung zeichnete eine bis dahin unbekannte Gruppierung "Klara Fall - action painting" für den Farbanschlag verantwortlich. Weitere Anschläge werden in dem Selbstbezichtigungsschreiben angekündigt, denn es werde "bis zum Gipfel keine Ruhe herrschen". Dass der im Juni 2007 stattfindende G8Gipfel im besonderen Interesse der Gruppe liegt, zeigt sich auch in der Schlussformulierung des Schreibens, die lautet: "We' ve marked next year target" (Wir haben das Ziel des nächsten Jahres markiert). 94 Insoweit ist nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass die "militante Kampagne" durch weitere Anschläge fortgesetzt wird, wobei das Aktionsniveau vermutlich nicht über sachschadenorientierte Anschläge hinausgehen wird. 95 96 V. Spionageabwehr Die Spionageabwehr hat den gesetzlichen Auftrag, Informationen über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Staaten zu sammeln, auszuwerten und ihnen durch den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel und Methoden zu begegnen. Dem politischen und wirtschaftlichen Gewicht innerhalb Europas entsprechend, ist die Bundesrepublik Deutschland nach wie vor ein Hauptaufklärungsschwerpunkt für eine Reihe von Staaten, die sich so einen Wissensvorsprung in allen gesellschaftlichen Bereichen zu verschaffen versuchen. Mit der Informationsbeschaffung werden neben den klassischen Agenten mit Spezialauftrag vor allem Personen genutzt, die in Deutschland als Wissenschaftler oder Journalisten arbeiten oder als Angehörige diplomatischer Vertretungen von Berufs wegen Kontakte zu interessanten Stellen des Gastlandes pflegen. Werden solche Aktivitäten festgestellt, kann es in Einzelfällen unerlässlich erscheinen, sie umgehend zu unterbinden und so eine Gefährdung der Bundesrepublik auszuschließen. 97 Wenngleich spektakuläre Ausweisungen von Diplomaten oder akkreditierten Journalisten wegen Spionage wie zu Zeiten des Kalten Krieges heute nicht mehr üblich sind, so finden sie dennoch verdeckt statt. Auf dem Weg von stillen Protesten bei den zuständigen Stellen des Entsendestaates oder durch Nutzung von turnusmäßig stattfindenden internationalen Konsultationen werden unter Hinweis auf festgestellte Tätigkeiten, die mit dem offiziellen Status nicht vereinbar sind, Signale zur Beilegung von bilateralen Spannungen übersandt und so ein zivilisiertes Konfliktmanagement aktiviert, von dem die Öffentlichkeit kaum Kenntnis erhält. Auch im Jahr 2006 wurden durch die Spionageabwehr des Verfassungsschutzes Aktivitäten in MecklenburgVorpommern festgestellt, die darauf gerichtet waren, offizielle Kontakte zur Gewinnung von vertraulichen Informationen zu nutzen. Die Nachrichtendienste fremder Staaten nutzen hierzu ein Netz von Gesprächspartnern, zu denen sich aus Sicht gemeinsamer Arbeitsschwerpunkte ein intensiver Informationsaustausch begründen lässt. Der Erstkontakt wird zumeist auf Messen, Diskussionsrunden, Workshops oder bei fachbezogenen Seminaren hergestellt und anschließend intensiv ausgebaut. In einigen Fällen werden die Kontakte zu 98 den Informationsträgern bereits seit vielen Jahren gehalten, bevor die nachrichtendienstliche Absicht erkennbar in den Vordergrund tritt. Ist der Gesprächspartner schließlich für einen bereitwilligen Informationsaustausch kultiviert, werden zunehmend konspirative Führungselemente in diese vertrauliche Verbindung eingebracht, die den Gesprächspartner jedoch nicht kompromittieren. Die Nachrichtendienstangehörigen verabreden beispielsweise weitere Zusammenkünfte mit ihren Gesprächspartnern bereits bei vorausgehenden Treffen und bestimmen vorab Ausweichtermine für den Fall, dass einer der Treffpartner den Termin nicht wahrnehmen kann. Damit werden Telefonkontakte, die in das Blickfeld der Spionageabwehr geraten können, vermieden. Ergänzend bittet der Nachrichtendienstangehörige seinen Gesprächspartner, ihn nicht im Büro anzurufen und begründet dies z.B. mit seiner regen Reisetätigkeit. Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, werden die Zusammenkünfte aus dem privaten oder beruflichen Umfeld des Informationsträgers in den öffentlichen Raum, z.B. in Restaurants, verlegt und die Treffdauer durch eine Verlegung in die Abendstunden flexibel gehalten. Sollte der vermeintlich nette Geschäftsmann oder Diplomat dann um die Erledigung harmlos erscheinender Gefälligkeiten bitten, ist Vorsicht angesagt ! Hier handelt es 99 sich zumeist um einen ersten Test für die Beurteilung einer Eignung für nachrichtendienstliche Zwecke. Jeder Bürger kann ohne eigenes Handeln und völlig unbewusst zum Ziel nachrichtendienstlicher Aktivitäten werden. Die Spionageabwehr Mecklenburg-Vorpommern steht allen Betroffenen hierzu als kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung und kann Wege aus der nachrichtendienstlichen Verstrickung aufzeigen. Alle Hinweise zur Aufklärung oder Verhinderung von Spionage werden streng vertraulich behandelt ! Bitte nutzen Sie folgende Kontaktmöglichkeiten: Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern Verfassungsschutzabteilung Spionageabwehr PF 11 05 52 19005 Schwerin Tel.: 0385 / 7 42 00 Fax: 0385 / 71 44 38 spionageabwehr@verfassungsschutz-mv.de 100 VI. Geheimschutz Der Geheimschutz ist ein legitimes Anliegen des Gemeinwohls und für den demokratischen Rechtsstaat unverzichtbar. Er hat dafür Sorge zu tragen, dass Informationen und Vorgänge, deren bekannt werden den Bestand oder lebenswichtige Interessen, die Sicherheit oder die Interessen des Bundes oder eines seiner Länder gefährden kann, geheim gehalten und vor unbekannter Kenntnisnahme geschützt werden. Personen, bei denen ein Sicherheitsrisiko vorliegt oder nicht ausgeschlossen werden kann, soll der Zugang zu Verschlusssachen verwehrt werden. Neben den bundesgesetzlichen Regelungen hat der überwiegende Teil der Bundesländer eigene Sicherheitsüberprüfungsgesetze geschaffen. Die rechtlichen Voraussetzungen in MecklenburgVorpommern sind im "Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen im Lande Mecklenburg-Vorpommern" (Sicherheitsüberprüfungsgesetz - SÜG M-V) sowie in der "Verschlusssachenanweisung Mecklenburg-Vorpommern" (VSA M-V) geregelt. 101 Der Geheimschutz lässt sich unterteilen in den personellen und materiellen Geheimschutz. Wesentliches Instrument des personellen Geheimschutzes ist die Sicherheitsüberprüfung für den Personenkreis, dem eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit zugewiesen werden soll. Dies kann sowohl im Behördenbereich wie auch im nicht öffentlichen Bereich erfolgen. Im Behördenbereich ist grundsätzlich die Beschäftigungsdienststelle für die Einleitung der Sicherheitsüberprüfung (sog. "zuständige Stelle") zuständig. Der Verfassungsschutzabteilung im Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern ist die Durchführung der Sicherheitsüberprüfung als Mitwirkungsaufgabe zugewiesen, sie ist also nicht originär zuständig. Zum nicht öffentlichen Bereich zählen Wirtschaftsunternehmen, in denen mit staatlichen Verschlusssachen umgegangen werden soll. In MecklenburgVorpommern nimmt in diesen Fällen das Innenministerium die Aufgaben der zuständigen Stelle wahr. Soweit Wirtschaftsunternehmen aus MecklenburgVorpommern Verschlusssachenaufträge des Bundes (z. B. für die Bundeswehr) bearbeiten sollen, liegt die Zuständigkeit beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit in Berlin. 102 Das SÜG M-V unterscheidet drei Überprüfungsarten: Die einfache Sicherheitsüberprüfung, die erweiterte sowie die erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen. Die Art der durchzuführenden Sicherheitsüberprüfung richtet sich nach der konkret auszuübenden sicherheitsempfindlichen Tätigkeit. Hervorzuheben ist, dass niemand ohne seine ausdrückliche Zustimmung einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden darf. Der materielle Geheimschutz dient der Schaffung der organisatorischen und technischen Vorkehrungen zum Schutz von Verschlusssachen. Die Mitwirkung der Verfassungsschutzabteilung beruht auf SS 5 Abs. 2 Nr. 2 des Landesverfassungsschutzgesetzes M-V. Die Verfassungsschutzabteilung arbeitet dabei eng mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zusammen. 103 104 VII. Öffentlichkeitsarbeit "Miteinander reden ist der Anfang allen Verstehens" Unter dieser Prämisse wurden im Jahr 2006 Vorträge vor Multiplikatoren gehalten, um Argumentationshilfen im Rahmen der präventiven Extremismusbekämpfung zur Verfügung zu stellen. In Zeiten pausenloser Reizüberflutung einerseits und zunehmender Sprachlosigkeit unserer Jugend andererseits ist Aufklärung über die Gefahren jeglicher extremistischer Gesinnung und/oder Betätigung wichtiger denn je. So werden auch auf der Homepage der Verfassungsschutzabteilung unter www.verfassungsschutzmv.de laufend Beiträge und Meldungen zu aktuellen Ereignissen eingestellt. Darüber hinaus stellt der Fachbereich Öffentlichkeitsarbeit ein umfangreiches Angebot an themenbezogenen Publikationen zur Verfügung. Hier ist vor allem die Herausgabe der Broschüre "Rechtsextremistische Subkulturen" anzuführen, die bereits in einer zweiten Auflage von 8.000 Exemplaren erschienen ist. Diese Publikationsschrift wurde allen Allgemeinbildenden Schulen und Berufsschulen des Landes für Unterrichtszwecke zur Verfügung gestellt. Zudem wurde 105 der Verfassungsschutzbericht 2005, der insbesondere einen Überblick über die Entwicklungen des politischen Extremismus und Terrorismus in Mecklenburg-Vorpommern gibt, veröffentlicht. Die Ausstellung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) "Die Braune Falle" - Eine rechtsextremistische Karriere - wurde bereits mehrmals in M-V gezeigt und ist auch im Jahr 2007 wieder zu Gast in unserem Bundesland . Folgende Publikationen können kostenlos bestellt werden: Jahresberichte des Verfassungsschutzes MecklenburgVorpommern * Verfassungsschutzbericht 2006 * Verfassungsschutzbericht 2005 * Verfassungsschutzbericht 2004 * Verfassungsschutzbericht 2003 * Extremismusbericht 2002 * Extremismusbericht 2001 * Extremismusbericht 2000 106 Journale des Verfassungsschutzes MecklenburgVorpommern * Verfassungsschutz Journal 2002 Thema: Terrorismus - Lebensgefahr für die Demokratie? * Verfassungsschutz Journal 2001 Thema: Demokratie: Aufbruch - Ankunft - Zukunft * Verfassungsschutz Journal Nr. 1/2000 Thema: Pass' doch auf - Mensch! Zivilcourage * VS-aktuellDas Journal zum Verfassungsschutz Nr. 2/98 Thema: Von REVOLUTIONEN, Kämpfern und Grundrechten * VS-aktuell - Das Journal zum Verfassungsschutz Nr. 1/97 Thema: Geheimschutz * VS-aktuell - Das Journal zum Verfassungsschutz Nr. 1/96 Thema: Alles streng geheim? 107 Broschüren * Rechtsextremistische Subkulturen Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern, Dezember 2005) * Wirtschaftsspionage - Information und Prävention (Gemeinschaftsproduktion der Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern, Januar 2002) * Islamistische Extremisten (November 2001) * Proliferation - das geht uns an! (Gemeinschaftsproduktion der Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern, März 2001) * Demokratie, aber sicher! - Grundrechte/Extremismus/Verfassungsschutz (August 1995, Gemeinschaftsproduktion des Innenministerien der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen) * Film * Film "Demokratie schützen - Verfassungsschutz" (Film über die Arbeit des Verfassungsschutzes, Koproduktion der Verfassungsschutzbehörden der Länder Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg- 108 Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen sowie des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Februar 1999) Der Film ist als VHS oder DVD bestellbar. Bestellanforderungen richten Sie bitte an: Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern - Verfassungsschutzabteilung - Postfach 11 05 52 19005 Schwerin Telefon: 03 85 / 7 42 00 Telefax: 03 85 / 71 44 38 info@verfassungsschutz-mv.de www.verfassungsschutz-mv.de oder an Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern - Pressestelle - Arsenal am Pfaffenteich Alexandrinenstrasse 1 19055 Schwerin Telefon: 03 85 / 5 88 20 16 im-presse@mvnet.de 109 VIII. Wesentliche Rechtsgrundlagen der Arbeit des Verfassungsschutzes Mecklenburg-Vorpommern Neben dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern sind insbesondere folgende Rechtsgrundlagen zu erwähnen: * Landesverfassungsschutzgesetz MecklenburgVorpommern (LVerfSchG M-V) vom 11. Juli 2001 (GVOBl. M-V S. 261), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 15. März 2007 (GVOBl. M-V S. 98) * Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses vom 26. Juni 2001 (BGBl. 2001, 1254, 2298), zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 05. Januar 2007 (BGBl. I S. 2) * Gesetz zur Ausführung des Art. 10Gesetzes vom 17. Juli 1992 (GVOBl. M-V S. 486), geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 16. April 2004 (GVOBl. M-V S. 167) * Sicherheitsüberprüfungsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern (SÜG M-V) vom 22. 110 Januar 1998 (GVOBl. M-V S. 114 bis S. 1959), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 19. Dezember 2005 (GVOBl. M-V S. 637)