Hessisches Ministerium des Innern und für Sport \ VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN Bericht 2018 Hessisches Ministerium des Innern und für Sport VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN Bericht 2018 INHALTSVERZEICHNIS ZU DIESEM BERICHT 6 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN 13 Zukunft unserer Vergangenheit: Notwendigkeit von Verfassungsschutz 14 Gesetz zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes in Hessen 20 Freiheitliche demokratische Grundordnung 22 Aufgaben, Befugnisse, Mitwirkungsaufgaben 24 Methoden 25 Kontrolle 26 Strukturen, Organisation, Haushalt 28 Wesentliche institutionelle Elemente der Sicherheitsarchitektur auf Bundesebene und in Hessen 31 Öffentlichkeitsund Präventionsarbeit 36 Kontakt und Internetpräsenz 43 EXTREMISMUS IN HESSEN - EIN ÜBERBLICK 45 Wesentliche Eckpunkte 46 Rechtsextremismus 48 Reichsbürger und Selbstverwalter 53 Linksextremismus 54 Islamismus 57 Extremismus mit Auslandsbezug 61 Organisierte Kriminalität (OK) 63 Spionageund Cyberabwehr 63 RECHTSEXTREMISMUS 65 Merkmale 66 Rechtsextremistisches Personenpotenzial 67 Parteiunabhängige bzw. parteiungebundene Strukturen 68 Neonazis 76 Rechtsextremistische Parteien 82 Subkulturell orientierte Rechtsextremisten - rechtsextremistische Musik 102 Kommunikationsstrategien von Rechtsextremisten 106 Rechtsterrorismus 107 Flüchtlinge im Visier von Rechtsextremisten 109 Rechtsextremistische Strafund Gewalttaten 112 REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER 113 2- Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 INHALTSVERZEICHNIS LINKSEXTREMISMUS 121 Merkmale 122 Linksextremistisches Personenpotenzial 124 Autonome 124 Sonstige Beobachtungsobjekte 140 Linksextremistische Strafund Gewalttaten 149 ISLAMISMUS 151 Merkmale 152 Islamistisches Personenpotenzial 154 Salafismus 154 Hizb ut-Tahrir (HuT, Partei der Befreiung) 171 Muslimbruderschaft (MB)/ Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V. (IGD) 175 Milli-Görüs-Bewegung 182 Türkische Hizbullah (TH) 189 Sonstige Beobachtungsobjekte 193 Islamistische Strafund Gewalttaten 194 EXTREMISMUS MIT AUSLANDSBEZUG 195 Merkmale 196 Extremistisches Personenpotenzial mit Auslandsbezug 197 Partiya Karkeren Kurdistan (PKK, Arbeiterpartei Kurdistans) 198 Ciwanen Azad (Freie Jugend) 207 Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi (DHKP-C, Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) 214 Extremistische Strafund Gewalttaten mit Auslandsbezug 219 ORGANISIERTE KRIMINALITÄT 221 SPIONAGEABWEHR 225 GEHEIMUND WIRTSCHAFTSSCHUTZ 233 MITWIRKUNGSAUFGABEN DES LFV 241 ANHANG 245 Abkürzungsverzeichnis 246 Glossar 254 Extremistische Organisationen und Gruppierungen 276 Register 279 Gesetz zur Neuausrichtung des LfV 285 Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 -3 ZU DIESEM BERICHT 4- Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ZU DIESEM BERICHT Liebe Bürgerinnen und Bürger, der Mord an Dr. Walter Lübcke war ein furchtbares, ein einschneidendes Ereignis im Jahr 2019. Wenngleich diese schreckliche Tat deutlich nach dem vorliegenden Berichtsjahr 2018 datiert, ist es mir ein besonderes Anliegen, sie hier aufzugreifen. Dass die Biographie eines Extremisten nicht immer linear verläuft, ist eine der Lehren, die unser Nachrichtendienst aus der Befassung mit dem feigen Mord an Dr. Walter Lübcke gezogen hat. Jeder Straftäter oder Extremist ist ein Individuum, das den vielfältigsten Einflüssen und einer ganz eigenen Umwelt ausgesetzt ist und gleichzeitig auf diese einwirkt. Für den Verfassungsschutz bedeutet das, noch individueller, kleinteiliger und über einen noch größeren Zeitraum Personen unter die Lupe nehmen zu müssen. Nur weil ein extremisti- / scher Straftäter keine Straftaten mehr begeht, muss das nicht heißen, dass er kein Extremist mehr ist. Deshalb suchen unsere hessischen Verfassungsschützer gezielt nach den vermeintlich "integriert Abgetauchten". Sie wollen in jedem Einzelfall wissen, ob eine Distanzierung tatsächlich auch erfolgt ist. Dazu gehört vor allem auch die Frage, ob es dem einzelnen Extremisten aufgrund seines persönlichen Umfelds überhaupt realistisch möglich ist, nicht mehr Teil einer Szene zu sein. Da insbesondere Rechtsextremisten eine hohe Affinität zu Waffen haben, setze ich mich bereits seit mehreren Jahren dafür ein, dass kein Extremist legal in den Besitz von Pistolen oder Gewehren kommt. Im Jahr 2017 wurden bereits auf eine hessische Initiative hin die Anforderungen für die Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit abgesenkt. Seither genügt ein auf Tatsachen begründeter Verdacht, um eine Regelunzuverlässigkeit zu begründen - und damit eine Waffe zu entziehen oder die waffenrechtlichen Erlaubnisse zu versagen. Die Regelunzuverlässigkeit von Extremisten wäre der einfachste Weg, aber dafür findet sich bisher auf Bundesebene keine Mehrheit. Mein Ziel ist aber klar: Wer nicht mit beiden Füßen auf unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung steht, darf keine Waffe in die Hände bekommen. Dafür werde ich mich weiter einsetzen. Nicht zuletzt der Mord an Dr. Walter Lübcke hat eine Entwicklung überdeutlich offenbart, die wir schon über eine längere Zeit feststellen konnten: die Verrohung von Sprache und die teils vollkommen enthemmte Hetze im Internet, vor allem in den sogenannten sozialen Medien. Alleine im Zusammenhang mit dem Mord an unserem Regierungspräsidenten registrierten die Ermittler Hasskommentare im vierstelligen Bereich. Mehr als 100 dieser Posts werden von Polizei und Staatsanwaltschaft auf Strafbarkeit geprüft. Einfache Beleidigungen, glatte Lügen, aber auch blanker Hass und handfester ExtremisHessischer Verfassungsschutzbericht 2018 -5 ZU DIESEM BERICHT mus in Form von Volksverhetzung stehen im Internet oftmals untereinander gelistet, für jedermann gut lesbar. Schon vor dem Mord an Dr. Walter Lübcke hatten sich die Koalitionspartner in Hessen vorgenommen, in dieser Legislaturperiode klare Zeichen gegen Hate Speech zu setzen. Wir werden bei den hessischen Sicherheitsbehörden unseren Teil dazu beitragen, dass der einzelne Nutzer es entweder frühzeitig merkt, wenn er verbal über das Ziel hinausschießt oder aber die Härte des Rechtsstaats zu spüren bekommt. Damit die virtuellen Räume aber nicht zu herzund gewissenlosen Foren des Hasses werden, sind wir auf die Unterstützung der großen Seitenbetreiber aus dem Silicon Valley angewiesen, die noch viel stärker ihrer Verantwortung für die Wortwahl auf ihren Plattformen nachkommen könnten. Nicht minder wichtig ist aber die Hilfe der Bevölkerung. So, wie der Staat es sich von seinen Bürgern wünscht, dass keiner in der Realwelt Hass und Ausgrenzung schweigend akzeptiert, brauchen wir die Unterstützung im Netz: durch eine klare, couragierte Ansage im Sinne unserer gemeinsamen Werte oder eben durch Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden. Dafür haben wir eine eigene Taskforce in unserem Hessen 3C eingerichtet. Wer Hate Speech wahrnimmt, kann sich an unsere Meldestelle wenden und setzt damit zugleich ein Zeichen gegen Hass, Ausgrenzung und nicht zuletzt ein Stoppsignal gegen all jene, die von der Verrohung im Internet profitieren und sie bewusst schüren: Ebenjene Extremisten, die unser Landesamt für Verfassungsschutz im vorliegenden Jahresbericht beleuchtet. Aus den folgenden Seiten werden Sie schlussfolgern, dass die Gefahr eines jihadistisch motivierten Anschlags nach wie vor hoch ist. Es gelang unseren Sicherheitsbehörden im vergangenen Jahr in Eschwege (Werra-Meißner-Kreis) und in Florstadt (Wetteraukreis) zwei Personen festzunehmen, die Anschläge geplant hatten. Vor wenigen Monaten nahm die Polizei in Sachsen-Anhalt eine Person fest, die verdächtig ist, an den Anschlägen in Paris im November 2015 beteiligt gewesen zu sein. Darüber hinaus beschäftigt sich der Verfassungsschutz insbesondere mit Frauen und Kindern, die - von der Anti-IS-Allianz interniert - aufgrund ihrer Kriegserlebnisse und ihrer ungebrochenen Identifikation mit der Ideologie des sogenannten Islamischen Staats (IS) bei ihrer Rückkehr nach Deutschland eine Gefahr für unsere Bevölkerung darstellen. Außerdem versuchen hier tätige islamistische Gruppierungen nach wie vor Einfluss auf die Gesellschaft im Sinne ihrer extremistischen Auffassungen und Ziele zu gewinnen. Das gilt auch für Gruppierungen im Linksextremismus und im Extremismus mit Auslandsbezug. Die meisten Akteure all dieser Phänomenbereiche sind im Internet bzw. in den sozialen Medien un6- Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ZU DIESEM BERICHT terwegs, und für sie gelten die gleichen Schlussfolgerungen wie im Bereich des Rechtsextremismus: Hass nutzt nur den Extremisten. Nimmt man die zahlreichen Gefahren, die durch Cyberangriffe auf staatliche und gesellschaftliche Institutionen sowie auf Industrie und Wirtschaft - insgesamt auf Kritische Infrastrukturen - drohen, hinzu, so stehen der Verfassungsschutz bzw. alle Sicherheitsbehörden in Hessen vor einer immensen Fülle von Herausforderungen und Aufgaben. Die Landesregierung hat diese sehr heterogenen Entwicklungen seit Jahren im Blick: Das Landesamt für Verfassungsschutz hat daher von 2015 bis 2019 einen Stellenzuwachs um 42 Prozent erfahren, das sind insgesamt 107 zusätzliche Stellen. Damit ist der Verfassungsschutz in Hessen aktuell im Jahr 2019 auf eine nie gekannte Größe von 364 (2015: 257) Planstellen angewachsen. Um den zunehmenden Herausforderungen und Aufgaben auch in Zukunft wirkungsvoll zu begegnen, sollen im Rahmen der weiteren operativeren Ausrichtung des Verfassungsschutzes und der Stärkung seiner analytischen Kompetenz auch in den kommenden Haushaltsjahren weitere hinzukommen. Im März 2019 ist mit dem Hessischen Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum (HETAZ) ein weiterer wichtiger Baustein zur behördenübergreifenden Zusammenarbeit gegen Extremismus und Terrorismus geschaffen worden. Im HETAZ tauschen sich das Landesamt für Verfassungsschutz, das Hessische Landeskriminalamt, die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt sowie die Staatsanwaltschaft Frankfurt - Abteilung Staatsschutz - über extremistische Bedrohungslagen aus und erarbeiten gemeinsame Strategien zur Bekämpfung extremistischer und terroristischer Bedrohungen. Sie, liebe Bürgerinnen und Bürger, bitte ich, den vorliegenden Bericht so zu nutzen, dass Sie hieraus Wissen und Argumentationsstärke im Umgang mit Extremismus gewinnen. Sei es in der realen Welt oder online: Ihre Stimme für unsere gemeinsamen Werte macht immer einen Unterschied, und seien Sie versichert, sie bleibt bestimmt nicht ungehört. Weil sie dafür tagtäglich mit ihrer ganzen Schaffenskraft einstehen, danke ich an dieser Stelle den unermüdlich engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Landesamt für Verfassungsschutz und Präsident Robert Schäfer für ihre wichtige Arbeit. Peter Beuth Hessischer Minister des Innern und für Sport Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 -7 ZU DIESEM BERICHT 8- Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ZU DIESEM BERICHT Liebe Bürgerinnen und Bürger, unsere oberste Maxime als Verfassungsschützer ist: Wir dienen dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und sind Dienstleister der Demokratie. Mittels unserer analytischen Kompetenz beurteilen wir jene Gefahren, die Demokratie und Menschenrechten durch extremistische Bestrebungen drohen. Etwa in diesem Wortlaut sind unsere wesentliche Funktion und Bedeutung in der Präambel des im vergangenen Jahr verabschiedeten Gesetzes zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes in Hessen beschrieben. Darüber hinaus ist im Artikel 1 SS 2 des neuen Gesetzes eine Aufgabe des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) festgelegt, die für das Bestehen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unerlässlich ist und die mir - neben unseren im Art. 1 SS 2 (2) beschriebenen Kernaufgaben - besonders am Herzen liegt: Extremistischen "Bestrebungen und Tätigkeiten durch Information, Aufklärung und Beratung entgegenzuwirken und vorzubeugen (Prävention)". / Unter diese Aufgabe fallen der Ihnen vorliegende Bericht zur Aufklärung der Öffentlichkeit sowie zahlreiche Präventionstätigkeiten des LfV auf verschiedenen Ebenen und in etlichen Formen. Dies sind, um nur einige beispielhaft zu nennen: die aktive Teilnahme am öffentlichen Diskurs durch Vorträge und Redebeiträge, zielgruppenorientierte Sensibilisierungsveranstaltungen (aufklärende Prävention) und Beratungsleistungen in konkreten Fällen (beratende Prävention). Bedarfsträger sind unter anderem Multiplikatoren der Jugendund Erwachsenenbildung (vor allem in Schulen), Polizistinnen und Polizisten, Justizmitarbeiterinnen und Justizmitarbeiter sowie Landkreise, Kommunen, soziale Einrichtungen und andere Behörden und öffentliche Stellen, jedoch auch Sportund Jugendvereine sowie Wirtschaftsunternehmen. Dabei ist das LfV mit zivilgesellschaftlichen Trägern vernetzt und arbeitet mit Präventionsräten von Städten, Kommunen und Kreisen zusammen. Vor allem mit Blick auf den Mord an Dr. Walter Lübcke ist Extremismusprävention nötiger denn je. So schwierig es heutzutage ist, den von dem amerikanischen Soziologen Seymour Martin Lipset im Jahr 1959 geprägten Begriff "Mitte der Gesellschaft" in Wissenschaft und Politik zu definieren: Der Rechtsextremismus hat nicht nur seinen Weg vom äußersten Rand in die politisch-soziale "Mitte" gefunden, sondern er ist auch ein Produkt dieser "Mitte". Als Stationen dieses Wegs sind unter anderem die Wahlerfolge der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands im vergangenen Jahrzehnt und die zunehmenden rechtsextremistischen Bestrebungen im Kontext der Flüchtlingsfrage seit etwa 2015 zu nennen. Weder ist die rechtsextremistische Szene gegenwärtig isoliert und stigmatisiert noch auf Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 -9 ZU DIESEM BERICHT ein vor allem (neo)nationalsozialistisches Spektrum begrenzt. Mit der Neuen Rechten hat sich nunmehr ein heterogenes Gebilde entwickelt, das versucht, sich vor allem mit antidemokratischen und autoritären Positionen offensiv in den öffentlichen Diskurs einzumischen und hierbei die Oberhand zu gewinnen. Dieses Spektrum ist mitunter in der Lage, Verbindungen zwischen dem rechtsextremistischen und dem rechtspopulistischen Lager zu knüpfen. Immer wieder entstehen Schnittmengen, die sich unter Stichwörtern wie Fremdenbzw. Migrantenfeindlichkeit, Islamfeindlichkeit, Nationalismus, Ausgrenzung von Andersdenkenden und Relativierung des Nationalsozialismus zusammenfassen lassen. Der spätestens seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes sich stetig konstituierende, selbstverständliche antirechtsextremistische Konsens in der Bundesrepublik Deutschland hat in Teilen der "Mitte" Risse erhalten; das Wissen und das Wissenwollen in Bezug auf das dramatische Scheitern der Weimarer Republik im Umgang mit dem Nationalsozialismus bzw. das nationalsozialistische Terrorregime selbst verblasst. Anhänger des rechtspopulistischen Lagers distanzieren sich - geschichtsvergessen und demokratische Werte ignorierend - nicht mehr von Rechtsextremisten und ihrem Geschichtsrevisionismus und kooperieren mit ihnen. Andererseits vermeidet die Neue Rechte - wie etwa die Identitäre Bewegung - die (sprachliche) Eindeutigkeit in Bezug auf rechtsextremistische Positionen. So kommt der Rechtsextremismus auf den ersten Blick in vermeintlich neuen Kleidern daher: professionell, unverfänglich, modern, angeblich harmlos in seinen politisch-gesellschaftlichen Wirkungen. Aufgrund dieser Entwicklungen ist es schwierig geworden, rechtsextremistische Bestrebungen zu erkennen und als solche zu entlarven. Ohne fundiertes Hintergrundwissen - besonders in Bezug auf die Neue Rechte - laufen sowohl Jugendliche als auch Erwachsene Gefahr, rechtsextremistische Positionen zu übersehen und in der Folge von ihnen vereinnahmt zu werden. Vor diesem Hintergrund ist die Präventionsund Öffentlichkeitsarbeit des LfV ein zentrales Mittel, um die Öffentlichkeit und vor allem junge Menschen vor extremistischen Gruppierungen und Strömungen zu warnen und über sie aufzuklären, vor allem dann, wenn Extremisten versuchen, vorsätzlich über ihren wahren Charakter und ihre wahren Ziele zu täuschen. Auf unserem zukünftigen Weg werden wir uns aber selbstverständlich nicht ausschließlich auf die Prävention verlassen. Das Sammeln und Auswerten von Informationen, die fachlich fundierte Analyse von extremistischen Bestrebungen, sowie die Aufklärung und 10 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ZU DIESEM BERICHT Aufdeckung extremistischer Netzwerke bleibt das Kerngeschäft des Verfassungsschutzes als Nachrichtendienst und Frühwarnsystem der Demokratie. Entsprechend bilden wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kontinuierlich - in internen und externen Veranstaltungen - fort, um deren Kompetenzen immer weiter zu verfeinern. Zudem haben wir durch die massive Einstellung von Fachwissenschaftlerinnen und Fachwissenschaftlern (Politikwissenschaftler, Islamwissenschaftler, Historiker und andere) die analytischen Fähigkeiten des LfV in den letzten Jahren bereits deutlich ausgebaut - diesen Weg werden wir auch in Zukunft konsequent weitergehen. Dabei gilt es sowohl die Prävention im LfV wie auch diejenigen Arbeitsgebiete, die sich in den Bereichen Rechtsextremismus sowie Islamismus mit Radikalisierungen und waffenaffinen bis hin zu gewaltorientierten Einzelpersonen und Szenen beschäftigen, weiterhin zu stärken. Aber auch im Linksextremismus können diese Themen, wie die Ereignisse um die gewalttätigen Auseinandersetzungen im Rahmen des G20-Gipfels 2017 in Hamburg zeigen, virulent werden. Die personell und organisatorisch bereits vollzogenen und weiter zu tätigenden Schritte gehören zu den laufenden Etappen in der Neuausrichtung des Verfassungsschutzes in Hessen. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im LfV danke ich für ihre ausdauernde und engagierte Arbeit, die sich angesichts dieser Aufgaben nicht in Routine erschöpft, sondern jeden Tag vor neuen Herausforderungen steht und diese meistert. Robert Schäfer Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz Hessen Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 11 ZU DIESEM BERICHT 12 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN - Zukunft unSeReR VeRgangenHeIt: notwendIgkeIt Von VeRfaSSungSScHutZ - geSetZ ZuR neuauSRIcHtung deS VeRfaSSungSScHutZeS In HeSSen - fReIHeItLIcHe deMokRatIScHe gRundoRdnung - aufgaBen, BefugnISSe, MItwIRkungSaufgaBen - MetHoden - kontRoLLe - StRuktuRen, oRganISatIon, HauSHaLt - weSentLIcHe InStItutIoneLLe eLeMente deR SIcHeRHeItSaRcHItektuR auf BundeSeBene und In HeSSen - ÖffentLIcHkeItSund PRäVentIonSaRBeIt - kontakt und InteRnetPRäSenZ VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN Zukunft unSeReR VeRgangenHeIt: notwendIgkeIt Von VeRfaSSungSScHutZ Vor hundert Jahren erklärte am 6. februar 1919 der kurz darauf zum Reichspräsidenten ernannte friedrich ebert (1871 bis 1925) in seiner Rede zur eröffnung der verfassungsgebenden weimarer nationalversammlung: "das deutsche Volk ist frei, bleibt frei und regiert in aller Zukunft sich selbst". freilich konnte damals, wenige Monate nach dem ende von krieg und Monarchie, niemand ahnen, dass sich diese worte nicht erfüllen würden. Vielmehr stand deutschland bereits 14 Jahre später am Beginn eines wegs, der es in den abgrund eines verbrecherischen terrorregimes führen sollte. AUF EINEN BLICK * fortschreitende aushöhlung der weimarer demokratie * offene feindschaft gegenüber dem weimarer "System" * Lehren aus dem Scheitern der ersten deutschen demokratie * Institutioneller Verfassungsschutz als Bestandteil der "wehrhaften demokratie" * erfordernis einer kognitiv-affektiven Informationsund wertevermittlung fortschreitende aushöhlung der weimarer demokratie | Gestalteten sich die innenund außenpolitischen sowie die wirtschaftlichen und sozialen Ausgangsbedingungen für die junge Weimarer Republik schwierig und überaus komplex, so war die am 14. August 1919 in Kraft getretene Reichsverfassung eine "gute Verfassung in schlechter Zeit" (Christoph Gusy), da sie unter der Bezeichnung "Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen" (Artikel 109 ff.) klassische bürgerliche Freiheitsrechte festlegte. Trotz ihrer Fortschrittlichkeit enthielt die Verfassung, wie uns seit dem Scheitern der Weimarer Republik im Jahr 1933 zunehmend bewusst geworden ist, Schwächen. Die "Grundrechte und Grundpflichten" standen unter einem Gesetzesvorbehalt, mussten also durch entsprechende Gesetze in Kraft gesetzt bzw. konnten im Wege der einfachen Gesetzgebung verändert werden. Hauptmangel war jedoch das im Artikel 48 festgeschriebene Notverordnungsrecht des Reichspräsidenten, von dem bereits Friedrich Ebert bis zu seinem plötzlichen Tod im Jahr 1925 mehr als hundert Mal Gebrauch machte, wenn auch nur, um bedrohlichen wirtschaftlichen sowie außenund innenpolitischen Krisen entgegenzusteuern. Nach dem Scheitern der letzten Großen Koalition im Jahr 1930 berief Eberts Nachfolger, Reichspräsident Paul von Hindenburg (1847 bis 14 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN 1934), insgesamt fünf - der parlamentarischen Kontrolle weitgehend entzogene - Präsidialkabinette, zuletzt unter dem Reichskanzler und späteren Diktator Adolf Hitler (1889 bis 1945). In einer - vor allem wegen der Weltwirtschaftskrise (1929) und ihrer Folgen - prekären politisch-sozialökonomischen Situation trugen Hindenburg und seine Entourage mit ihrer antiparlamentarischen Auslegung der Weimarer Reichsverfassung ("Verfassungsdurchbrechungen") - neben vielen anderen Personen und Faktoren - entscheidend dazu bei, das demokratische Prinzip zugunsten eines zunehmend autoritären Systems auszuhöhlen. Dabei ist zu betonen, dass die Weimarer Republik keineswegs wehrlos gegenüber den Feinden der Demokratie war. Sie verfügte über entsprechende Instrumentarien, wie etwa das Gesetz zum Schutz der Republik vom 21. Juli 1922, die Möglichkeit des Parteiund Vereinsverbots, strafrechtliche Bestimmungen sowie die Politische Polizei und den Reichskommissar für Überwachung der öffentlichen Ordnung. Die Entwicklung, welche die Weimarer Republik nahm, war keineswegs eine Einbahnstraße in die nationalsozialistische Barbarei. Freilich fehlten etlichen der in Politik, Justiz, Wirtschaft und Kultur verantwortlichen Personen die demokratische Überzeugung sowie die Entschlusskraft, die Instrumentarien, die der Weimarer Republik zur Verfügung standen, ausreichend und konsequent anzuwenden. offene feindschaft gegenüber dem weimarer "System" | Vor diesem Hintergrund (hinzu kamen weitverbreitete antidemokratische Vorbehalte in vielen Bevölkerungsschichten) agierte die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) unter der Führung Hitlers - neben der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) - in Wort und Tat als entschiedene und unmissverständliche Feindin der Weimarer Republik. So hieß es in der 1927 veröffentlichten Schrift des nationalsozialistischen Agitators und Demagogen Joseph Goebbels (1897 bis 1945) ",Der Nazi-Sozi'. Fragen und Antworten für den Nationalsozialisten": "Haben wir einmal den [nationalsozialistischen] Staat etabliert, dann ist dieser Staat unser Staat, dann werden wir, und wir alleine, die verantwortlichen Träger dieses Staates sein. [...] Dann gestalten wir den Staat auf dem Wege der diktatorischen Gewalt nach unseren Grundsätzen um. Dann wird die verantwortliche Minderheit einer schlappen, faulen, handlungsunfähigen und dummen Mehrheit, hinter der verborgen doch nur der Jude seine schwarzen Pläne verfolgt, ihren Willen aufzwingen und die Notwendigkeiten durchzusetzen wissen, die zur Erreichung des Volkes erforderlich sind". Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 15 VOM ERSTEN WELTKRIEG BIS ZUM ENDE DER WEIMARER REPUBLIK: WEGMARKEN ERSTER WELTKRIEG KRISENJAHRE RELATIVE STABILITÄT RADIKALISIERUNG mehr als 15 Mio. tote Soldaten politische Morde, Putsch("GOLDENE ZWANZIGER") NSDAP wird stärkste und Zivilisten versuche, Inflation wirtschaftliche Erholung, parlamentarische Kraft außenpolitische Entspannung 1914 1915 1916 1917 1918 1919 1920 1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933 Novemberrevolution französische Ruhrgebietserstes Präsidialbesetzung kabinett Schlacht Hitler-Putsch in München USA: Ausbruch der Weltwirtschaftsvon Verdun vereitelt krise (250.000 Tote) Konferenz von Locarno: Frieden preußische Regierung wird Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung in Westeuropa durch Reichskommissar ersetzt Hitler wird zum Ende der ehemaliger Vizekanzler u. Finanzminister Erzberger Reichskanzler ernannt Monarchie ermordet Außenminister Friedensnobelpreis für die Rathenau ermordet Außenminister Briand u. Stresemann Dawes-Plan zur Lösung Young-Plan zur Lösung der Reparationsfrage der Reparationsfrage Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN 16 - VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN Selbstzufrieden stellte Goebbels als Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda neun Monate nach der nationalsozialistischen "Machtergreifung" bzw. der "Machtübertragung" Hindenburgs an das Präsidialkabinett Hitler (30. Januar 1933) in einer öffentlichen Rede fest, dass diese Strategie aufgegangen sei: "Wenn wir in das Parlament einzogen, so nicht um des Parlamentarismus willen, sondern um uns in unserem Kampfe gegen den Parlamentarismus der Waffen zu bedienen, die uns der Parlamentarismus zur Verfügung stellte". Lehren aus dem Scheitern der ersten deutschen demokratie | Nach dem Ende des von den Nationalsozialisten herbeigeführten Kriegs standen 1948 wiederum Beratungen für eine (provisorische) Verfassung an. Dieser Krieg hatte weitaus verheerendere Auswirkungen als der vorangegangene Erste Weltkrieg, so hatte das nationalsozialistische Unrechtsund Terrorregime unter anderem den Tod von über sechs Millionen Juden, 3,3 Millionen russischen Kriegsgefangenen sowie von mehr als 250.000 Sinti und Roma verschuldet, weltweit waren 60 bis 70 Millionen Menschen ums Leben gekommen. Vor diesem Hintergrund stellte am 8. September 1948 Dr. Carlo Schmid, der Vorsitzende des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates, unter anderem die Frage, ob in dem neu zu schaffenden Grundgesetz (GG), das nur für das von den Westalliierten besetzte Gebiet gelten sollte, Gleichheit und Freiheit völlig uneingeschränkt und absolut sein sollten. "[Sollten] sie auch denen eingeräumt werden, deren Streben ausschließlich darauf ausgeht, nach der Ergreifung der Macht die Freiheit selbst auszurotten? Also: Soll man sich auch künftig so verhalten, wie man sich zur Zeit der Weimarer Republik zum Beispiel den Nationalsozialisten gegenüber verhalten hat? [...] Ich für meinen Teil bin der Meinung, dass es nicht zum Begriff der Demokratie gehört, dass sie selber die Voraussetzungen für ihre Beseitigung schafft. Ja, ich möchte weitergehen. Ich möchte sagen: Demokratie ist nur dort mehr als ein Produkt einer bloßen Zweckmäßigkeitsentscheidung, wo man den Mut hat, an sie als etwas für die Würde des Menschen Notwendiges zu glauben. Wenn man aber diesen Mut hat, dann muss man auch den Mut zur Intoleranz denen gegenüber aufbringen, die die Demokratie missbrauchen wollen, um sie aufzuheben". Diese Problematik - insgesamt die Frage, aus welchen Gründen die Weimarer Republik verfassungsrechtlich, institutionell und personell gescheitert war -, die Furcht vor einer Wiederholung vergleichbarer Krisen sowie die Entstehung kommunistischer Diktaturen in Osteuropa Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 17 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN bildeten den Rahmen für die Erörterungen der Mütter und Väter des Grundgesetzes. Ihre 1949, das heißt vor 70 Jahren, im Grundgesetz festgeschriebenen Schlussfolgerungen enthalten wesentliche Vorkehrungen zum Schutz der Verfassung, die - im Unterschied zur Weimarer Reichsverfassung - jetzt über wirksame gesetzliche Regelungen und Instrumentarien verfügt, um sich gegen ihre (eigene) Beseitigung zu wehren. Zu nennen sind etwa * die Wesensgehaltund Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 2 u. 4 GG), * die Möglichkeit des Parteienverbots (Art. 21 Abs. 2 GG) und des Vereinsverbots (Art. 9 Abs. 2 GG), * die Verwirkungsvorschrift des Art. 18 GG, * die in Art. 1 und Art. 20 GG niedergelegten Grundsätze sowie die "Ewigkeitsklausel" (Art. 79 Abs. 3). Dabei befinden sich die von Carlo Schmid thematisierten Prinzipien "Freiheit" und "Intoleranz" in einem Spannungsfeld: Zu viel Freiheit gewährt Verfassungsfeinden möglicherweise zu viele Aktionsräume, zu viel "Intoleranz" (im Sinne von staatlichen Verboten) unterminiert möglicherweise demokratische Freiheiten. Die Positionen in diesem Spannungsfeld sowie ihr Verhältnis zueinander unterlagen in der nunmehr 70-jährigen Geschichte der Bundesrepublik einem eingehenden Abwägungsprozess, der in Gegenwart und Zukunft stets aufs Neue vollzogen werden muss. Institutioneller Verfassungsschutz als Bestandteil der "wehrhaften demokratie" | Dem Grundgesetz und der daran anknüpfenden Rechtsprechung vorausgegangen war die wissenschaftliche Konzeption einer "wehrhaften Demokratie", die der Jurist Karl Loewenstein (1891 bis 1973) und der Soziologe Karl Mannheim (1893 bis 1947) entwickelt hatten. Loewenstein hatte bereits Ende Oktober 1931 während der Tagung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Halle gefordert: "Der Staat hat die Pflicht der Selbsterhaltung, sich dagegen zu wehren, daß gerade den Parteien der parlamentarische Apparat zur Verfügung gestellt wird, die sich zum Programm gemacht haben, diesen Apparat zu zerschlagen. Der Staat, der [...] bedroht wird, muß sich entschlossen dagegen zur Wehr setzen". In ihren wissenschaftlichen Arbeiten, die während ihres Exils in den Vereinigten Staaten von Amerika bzw. in Großbritannien in den 1930er und 1940er Jahren entstanden, beschäftigten sich Loewenstein und Mannheim mit den Ursachen (staatlichen) Machtmissbrauchs und den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen. Loewenstein sah es als Aufgabe des Staats an, sowohl sich selbst (als 18 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN Herrschaftsordnung) als auch die Grundrechte zu schützen, während Mannheim dies als Angelegenheit der Zivilgesellschaft betrachtete. Die Überlegungen von Loewenstein und Mannheim fanden - nicht direkt nachweisbar für das Grundgesetz - seit den 1950er Jahren Eingang in die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und in die politischen Debatten in der Bundesrepublik. Zu der Konzeption der "wehrhaften Demokratie" gehört der in Artikel 73 Abs. 1 Nr. 10 GG erwähnte institutionelle Verfassungsschutz, wonach Bund und Länder unter anderem "zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung" (siehe unten das Kapitel "Freiheitliche demokratische Grundordnung") zusammenarbeiten. Folglich schuf der Bund auf entsprechender gesetzlicher Grundlage am 7. November 1950 das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). In Hessen verabschiedete - ähnlich wie in anderen Ländern - der Landtag am 19. Juli 1951 ein eigenes Gesetz für das LfV, das aktuell als Gesetz zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes in Hessen vom 25. Juni 2018 vorliegt. Darin wird in der Präambel des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes (HVSG) die Notwendigkeit des institutionellen Verfassungsschutzes betont: "Er [der Verfassungsschutz] ist Dienstleister der Demokratie und hält insbesondere die analytischen Kompetenzen zur Beurteilung jener Gefahren vor, die Demokratie und Menschenrechten durch extremistische Bestrebungen drohen". erfordernis einer kognitiv-affektiven Informationsund wertevermittlung | Für die heutige Demokratie, die - ebenso wie vor hundert Jahren - Krisen kennt, können sowohl aus dem Scheitern der Weimarer Republik als auch aus der Analyse aktueller extremistischer Phänomene etliche Schlussfolgerungen gezogen werden. Eine der wichtigsten ist: Eine monokausale Erklärung für das Ende der ersten deutschen Demokratie gibt es nicht. Es war ein komplexes und kompliziertes Geflecht von Krisen und Ereignissen - unter anderem "Wirtschaftskrise, Regierungskrise, Krise des Parteiensystems, gesellschaftliche Krise, durchgreifende Legitimationskrise an der Spitze und an der Basis" (Ian Kershaw) -, die in ihrer Verschränkung und Akkumulation zur "Machtergreifung" der Nationalsozialisten führten. In diesen Kontext gehören ebenso die fundamentale Feindlichkeit und die entsprechende Betätigung von Rechtsund Linksextremisten gegen die Demokratie wie das Agieren bzw. die "konkrete[n] Intrigen einiger weniger Akteure, [...] die erst die Regierungsbeteiligung der Nationalsozialisten ermöglichten" (Martin Grosch). Was unser Verstehen unserer jüngsten deutschen Geschichte und das "Lernen" aus ihr betrifft, sollte folgender Satz des Schriftstellers Kurt Tucholsky (1890 bis 1935) bedacht werden, den er unter einem Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 19 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN Pseudonym am 10. Oktober 1930 in der liberalen Vossischen Zeitung formuliert hatte: "Erfahrungen vererben sich nicht - jeder muss sie allein machen". In unserem kollektiven Bewusstsein vergeht die nationalsozialistische Vergangenheit als Erfahrung immer mehr. "Historische Errungenschaften wie Gewaltenteilung, Parlamentarismus und Rechtsstaatlichkeit" werden, so Bundespräsident Dr. FrankWalter Steinmeier in seiner Rede am 6. Februar 2019 zum Festakt "100 Jahre Weimarer Reichsverfassung", "vielerorts auch bei uns in Europa wieder angefochten und in Zweifel gezogen". Mit diesem beklagenswerten und zunehmenden Gedächtnisverlust muss sich auch die Extremismusprävention des Verfassungsschutzes im Rahmen ihrer entsprechenden Arbeit offensiv auseinandersetzen. Es gilt, gezielt den Menschen als persönlich verantwortliches Individuum anzusprechen, weil letzten Endes der Mensch als Triebkraft im Zentrum von politischen Ereignissen und Entwicklungen steht. Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel der Extremismusprävention des LfV, die nunmehr im SS 2 Abs. 1 HVSG verankert ist, vor allem zwei Kompetenzen zu vermitteln: auf kognitiver Ebene das sachbezogene Wissen in Bezug auf Demokratie und Extremismus sowie auf affektiver (emotionaler) Ebene die "Vorbeugung persönlichkeitsbedingter Risikofaktoren für Autoritarismus, Gewalt, Radikalisierung, Rassismus und Extremismus" (Tom Mannewitz). Mehr denn je müssen vor allem diejenigen Menschen erreicht werden, die bereits im Kindesalter und als Jugendliche keinen bzw. einen nur unzureichenden Zugang zu einer adäquaten Bildung haben und sich als Außenstehende in unserer Gesellschaft missverstanden fühlen. So mahnte Bundespräsident Dr. Steinmeier in seiner oben erwähnten Rede in Weimar: "Demokratie gelingt oder scheitert nicht auf dem Papier der Verfassung, sondern in der gesellschaftlichen Realität". geSetZ ZuR neuauSRIcHtung deS VeRfaSSungSScHutZeS In HeSSen das gesetz zur neuausrichtung des Verfassungsschutzes in Hessen vom 25. Juni 2018 löst das bis dahin gültige gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz vom 19. dezember 1990 (gVBl. I S. 753), zuletzt geändert durch SS 29 Verfassungsschutzg vom 25. Juni 2018 (gVBl. S. 302), ab. Mit ablauf des 3. Juli 2018 wurde das alte gesetz aufgehoben. das gesetz zur neuausrichtung des Verfassungsschutzes in Hessen besteht aus zwei artikeln: den artikel 1 bildet das am 4. Juli 2018 in kraft getretene HVSg, den artikel 2 das gesetz zur parlamentarischen kontrolle des Verfassungsschutzes in Hessen (Verfassungsschutzkontrollgesetz), das am 18. Januar 2019 in kraft trat. 20 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN das gesetz zur neuausrichtung des Verfassungsschutzes in Hessen trägt dem in den vergangenen Jahren eingeleiteten wandel des Verfassungsschutzes in Hessen Rechnung und beschreibt einen modernen Verfassungsschutz mit klaren Regeln und gestärkter parlamentarischer kontrolle. durch inhaltliche umstrukturierung, redaktionelle Überarbeitung und Straffung des gesetzes ist der Verfassungsschutz in Hessen auf eine tragund zukunftsfähige gesetzliche grundlage gestellt. AUF EINEN BLICK * empfehlungen und urteile umgesetzt * Standardisierungen - optimierte Informationsübermittlung * Verfassungsschutzkontrollgesetz empfehlungen und urteile umgesetzt | In Bezug auf die klare Definition der Befugnisse des LfV und deren Grenzen werden im HVSG die auf Bundesund Länderebene erarbeiteten - insbesondere die der Öffentlichkeit am 12. Oktober 2015 durch die Expertenkommission der Hessischen Landesregierung vorgestellten - Handlungsempfehlungen umgesetzt. Dabei werden auch die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, resultierend aus seinen Urteilen über das Antiterrordateigesetz (ATDG) vom 24. April 2013 und das Bundeskriminalamtgesetz (BKAG) vom 20. April 2016 beachtet. Hinsichtlich seiner Ausgestaltung im Einzelnen hatte das ATDG den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügt, während das BKAG in verschiedener Hinsicht im Widerspruch zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gestanden hatte. Ebenso fließen Handlungsempfehlungen des NSUUntersuchungsausschusses vom 22. August 2013 in das HVSG ein. Standardisierungen - optimierte Informationsübermittlung | Die Neufassung des Gesetzes zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes in Hessen setzt auf bundeseinheitlich geltende rechtsstaatliche Standards, wie sie insbesondere im Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel-10-Gesetz) und in dem überarbeiteten Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVerfSchG) vom 30. Juni 2017 niedergelegt sind. Die vom Bundesgesetzgeber normierten Grenzen für den Einsatz von verdeckten Mitarbeitern und Vertrauensleuten sind weitestgehend wortgleich im HVSG (SSSS 12 und 13) enthalten. Ebenso finden sich die Vorschriften zur Übermittlung von Informationen zwischen dem LfV und anderen öffentlichen Stellen, insbesondere Polizei und Staatanwaltschaft, in enger Anlehnung an das BVerfSchG im HVSG wieder. Dadurch ist der auf Hessen bezogene Informationsaustausch (SSSS 18 bis 20 HVSG) neu geregelt und optimiert. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 21 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN Verfassungsschutzkontrollgesetz | Um die Bedeutung der parlamentarischen Kontrolle und die Beachtung des Grundsatzes der Gewaltenteilung zu unterstreichen, ist die bisher als Teil des Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz geregelte parlamentarische Kontrolle nun in ein eigenständiges Gesetz, das Verfassungsschutzkontrollgesetz, gefasst. Wichtige Eckpunkte bilden die Pflicht der Landesregierung zur Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission Verfassungsschutz (PKV), die Befugnisse der PKV sowie das Recht der Mitglieder der PKV, zur Unterstützung ihrer Arbeit jeweils einen Fraktionsmitarbeiter zu benennen (SSSS 3, 4, u. 5 Verfassungsschutzkontrollgesetz). Die in diesem Gesetz enthaltenen Regelungen bilden eine wichtige Legitimationsvoraussetzung für den Verfassungsschutz und seine Tätigkeit in Hessen. fReIHeItLIcHe deMokRatIScHe gRundoRdnung den kern der demokratie in der Bundesrepublik deutschland bildet die freiheitliche demokratische grundordnung. In ihr sind tragende grundprinzipien festgeschrieben, die absolute werte und unverzichtbare Schutzgüter sind. Resultierend aus den erkenntnissen über das Scheitern der weimarer Republik und aus den furchtbaren erfahrungen mit dem nationalsozialistischen terrorund unrechtsregime (1933 bis 1945) ist die demokratie in deutschland heute streitbar und abwehrbereit. Sie ist willens und fähig, sich gegen angriffe ihrer feinde zu verteidigen. der Verfassungsschutz hat hierbei die wichtige funktion eines "frühwarnsystems". AUF EINEN BLICK * demokratie und Rechtsstaatlichkeit * werteprinzipien der freiheitlichen demokratischen grundordnung * garantie der Menschenwürde als ausgangspunkt demokratie und Rechtsstaatlichkeit | Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist unsere Demokratie eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung. In ihr sind die Grundrechte der Bürger garantiert; es ist jedem Bürger möglich, staatliche Entscheidungen durch unabhängige Gerichte nachprüfen zu lassen. Das bedeutet, dass staatliche Willkür ausgeschlossen und das Handeln der Behörden an Recht und Gesetz gebunden ist. Jeder Bürger genießt Rechtssicherheit. Diese Ordnung gründet sich auf dem Selbstbestimmungsrecht des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit, 22 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN auf der Freiheit und Gleichheit aller Menschen, auf der Gewaltenteilung und der Unabhängigkeit der Gerichte. werteprinzipien der freiheitlichen demokratischen grundordnung | Zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, die unabänderliche oberste Werteprinzipien als Kernbestand unserer Demokratie enthält, zählen: * die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte, * das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, * die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, * das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, * die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, * die Unabhängigkeit der Gerichte und * der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft. garantie der Menschenwürde als ausgangspunkt | Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht in einer Pressemitteilung zu seinem Urteil vom 17. Januar 2017 (2 BvB 1/13) auf den Antrag des Bundesrates, die Nationaldemokratische Partei Deutschlands einschließlich ihrer Teilorganisationen als verfassungswidrig einzustufen und aufzulösen, Folgendes erklärt: "Der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne von Art. 21 Abs. 2 GG beinhaltet die zentralen Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind. Ihren Ausgangspunkt findet die freiheitliche demokratische Grundordnung in der Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG). Die Garantie der Menschenwürde umfasst insbesondere die Wahrung personaler Individualität, Identität und Integrität sowie die elementare Rechtsgleichheit. Auf rassistische Diskriminierung zielende Konzepte sind damit nicht vereinbar. Daneben sind im Rahmen des Demokratieprinzips die Möglichkeit gleichberechtigter Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger am Prozess der politischen Willensbildung und die Rückbindung der Ausübung aller Staatsgewalt an das Volk (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) konstitutive Bestandteile der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Hinsichtlich des Rechtsstaatsprinzips gilt dies für die Rechtsbindung der öffentlichen Gewalt, die Kontrolle dieser Bindung durch unabhängige Gerichte und das staatliche Gewaltmonopol". Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 23 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN aufgaBen, BefugnISSe, MItwIRkungSaufgaBen aufgabe des LfV ist es, den zuständigen Stellen zu ermöglichen, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur abwehr von gefahren für die freiheitliche demokratische grundordnung sowie den Bestand und die Sicherheit von Bund und Ländern zu treffen. darüber hinaus erstellt das LfV Lageberichte und analysen. Zu diesem Zweck sammelt es Informationen - insbesondere von sachund personenbezogenen auskünften, nachrichten und unterlagen - über entsprechende Bestrebungen und tätigkeiten und wertet sie aus. AUF EINEN BLICK * aufgaben - definition extremistische Bestrebungen * Befugnisse - kein einsatz von Zwangsmitteln * Mitwirkungsaufgaben des LfV aufgaben - definition extremistische Bestrebungen | Extremistische Bestrebungen im Sinne des HVSG sind politisch bestimmte zielund zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, die auf die Überwindung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zielen. Nicht extremistisch ist die kritische Auseinandersetzung mit Elementen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, ohne dass diese Auseinandersetzung das Ziel der Überwindung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verfolgt. Neben extremistischen Bestrebungen, die auf die Überwindung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zielen, beobachtet das LfV * sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht, * Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, * Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Art. 9 Abs. 2 GG), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Art. 26 Abs. 1 GG), gerichtet sind, * Bestrebungen und Tätigkeiten der Organisierten Kriminalität im Geltungsbereich des Grundgesetzes. Befugnisse - kein einsatz von Zwangsmitteln | Das LfV hat keine exekutiven Befugnisse. Es darf zum Beispiel Personen weder vorladen 24 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN noch festnehmen oder Durchsuchungen durchführen. Die Zusammenarbeit mit dem LfV beruht für Privatpersonen auf Freiwilligkeit. Um Maßnahmen, zu denen das LfV selbst nicht befugt ist, darf das LfV die Polizei nicht ersuchen, was eine der Ausprägungen des Trennungsgebots zwischen Verfassungsschutz und Polizei ist. Mitwirkungsaufgaben des LfV | Neben den oben beschriebenen Aufgaben unterstützt das LfV im Bereich des Geheimund Wirtschaftsschutzes Behörden und Unternehmen mit seinen Erkenntnissen und seinem Wissen. Ebenso wirkt das LfV mit bei: * Aufenthalts-/Einbürgerungsverfahren von Ausländern und * Sicherheitsund Zuverlässigkeitsüberprüfungen (unter anderem für die Bereiche Luftsicherheit, Atomkraftanlagen und den Umgang bzw. Verkehr mit Waffen und Sprengstoff). Die Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes sind gesetzlich festgelegt. In allen Ländern bestehen hierfür eigene gesetzliche Grundlagen. In Hessen sind die Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes im HVSG geregelt. Darüber hinaus regelt das Bundesverfassungsschutzgesetz die Aufgaben und die Rechtsstellung des BfV sowie die Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern. MetHoden um mittels kontinuierlicher Beobachtung verfassungsschutzrelevante Bestrebungen und tätigkeiten zu erkennen und in fundierten analysen zu beschreiben, bedient sich das LfV verschiedener Methoden. Sie reichen von der Informationsgewinnung aus allgemein zugänglichen Quellen über das Verwenden technischer Mittel bis hin zum einsatz von Vertrauensleuten. AUF EINEN BLICK * Informationserhebung auf der grundlage allgemein zugänglicher Quellen * Informationserhebung mit nachrichtendienstlichen Mitteln Informationserhebung auf der grundlage allgemein zugänglicher Quellen | Die zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendigen Informationen gewinnt das LfV vornehmlich aus allgemein zugänglichen Quellen. Dazu gehören unter anderem * Publikationen, * Internetinhalte, * Besuche öffentlicher Veranstaltungen. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 25 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN Informationserhebung mit nachrichtendienstlichen Mitteln | Verfassungsfeinde und andere Personen bzw. Gruppierungen, die dem Beobachtungsauftrag des LfV unterliegen, arbeiten aber oft konspirativ, das heißt, sie versuchen ihre wahren Ziele und Aktivitäten zu verschleiern oder geheim zu halten. Die Sammlung allgemein zugänglichen Materials durch das LfV und der Informationsaustausch mit anderen Behörden und anderen Stellen genügen deshalb zuweilen nicht, um ein vollständiges und sachgerechtes Bild von verfassungsfeindlichen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen sowie von Spionagetätigkeiten und Aktivitäten der Organisierten Kriminalität zu erhalten. Daher ist das LfV befugt, unter bestimmten gesetzlichen Vorgaben auch nachrichtendienstliche Mittel einzusetzen. Dazu gehören zum Beispiel: * die Überwachung des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs, * technische Mittel zur Wohnraumüberwachung, * technische Mittel zur Ortung von Mobilfunkendgeräten, * die Observation verdächtiger Personen, * das Fertigen von Bildund Tonaufzeichnungen, * die Beobachtung des Internets sowie * das Einsetzen von verdeckten Mitarbeitern und Vertrauensleuten. Die Vertrauensleute gehören nicht dem Verfassungsschutz an, liefern aber Informationen aus dem jeweiligen Beobachtungsobjekt. Nachrichtendienstliche Mittel dürfen in Bezug auf personenbezogene Daten nur dann erhoben werden, wenn hierfür bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Die entsprechenden Regelungen sind in SS 5 HVSG festgehalten. Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel unterliegt gewissen gesetzlichen Schranken, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (SS 14 HVSG). kontRoLLe die tätigkeit des LfV wird auf vielfältige weise kontrolliert. dies geschieht insbesondere durch die PkV des Hessischen Landtags. die Regularien, welche die parlamentarische kontrolle und die PkV als Institution betreffen, sind im Verfassungsschutzkontrollgesetz festgeschrieben. AUF EINEN BLICK * wahl der PkV-Mitglieder aus der Mitte des Landtags * Pflichten der Landesregierung 26 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN * Befugnisse der PkV * g-10-kommission * Rechtsund fachaufsicht * weitere kontrollen wahl der PkV-Mitglieder aus der Mitte des Landtags | Im Unterschied zu dem früheren Gremium besteht die amtierende PKV nicht mehr aus fünf, sondern aus sieben Mitgliedern. Der Landtag wählt dazu - analog zu der Regelung auf Bundesebene - die Mitglieder der PKV aus seiner Mitte und bestimmt demnach die Zahl der Mitglieder, die Zusammensetzung und die Arbeitsweise der PKV. Die Beratungen der PKV sind geheim. Pflichten der Landesregierung | Die Pflicht der Landesregierung zur Unterrichtung der PKV sowie deren Befugnisse sind präzisiert und erweitert worden. Neben der umfassenden Unterrichtung der PKV durch das für das LfV zuständige Hessische Ministerium des Innern und für Sport über die allgemeine Tätigkeit des LfV und über Vorgänge von besonderer Bedeutung wird die Kontrollkommission über weitere Sachverhalte informiert: so etwa über besondere Auskunftsersuchen, den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Wohnraumüberwachung, die Ortung von Mobilfunkendgeräten und ObservaKONTROLLE DES LFV Parlamentarische Kontrolle Parlamentarische Kontrolle Parlamentarische Kontrolle Parlamentarische Hessischer Landtag G-10-Kommission Kontrollkommission LfV Hessen Verwaltungskontrolle Gerichtliche Kontrolle Öffentliche Kontrolle - Hessisches Ministerium des Verwaltungsgerichtlicher - Bürger (Auskunftsrecht) Innern und für Sport Rechtsschutz - Öffentliche Medien - Hessischer Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit - Hessischer Rechnungshof Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 27 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN tionen sowie den Einsatz von verdeckten Mitarbeitern und Vertrauensleuten (SSSS 10, 7, 9, 11, 12 u. 13 HVSG). Befugnisse der PkV | Jedes Mitglied der PKV kann die Einberufung einer Sitzung verlangen. Darüber hinaus hat jedes Mitglied das Recht der Akteneinsicht; falls erforderlich, ist dabei nunmehr auch Zutritt zu den Dienststellen des LfV zu gewähren. Mit Zwei-Drittel-Mehrheit kann die PKV einen Sachverständigen mit der Durchführung von Untersuchungen beauftragen, welcher der PKV über das Ergebnis berichten muss. Darüber hinaus hat die PKV das Recht, den Haushaltsplan des LfV mitzuberaten. g-10-kommission | Maßnahmen, die mit einem Eingriff in Art. 10 GG (Brief-, Postund Fernmeldegeheimnis) verbunden sind, bedürfen der Genehmigung der G-10-Kommission des Hessischen Landtags. Rechtsund fachaufsicht | Das Hessische Ministerium des Innern und für Sport nimmt die Rechtsund Fachaufsicht über das LfV wahr, das heißt es prüft die Rechtund Zweckmäßigkeit des Handelns des LfV, indem es dessen Aufgabenerledigung steuert und kontrolliert. Dies geschieht etwa mittels Strategieund Programmplanungen, Zielvereinbarungen, Besprechungen, Weisungen und Erlassen. weitere kontrollen | Darüber hinaus kontrollieren der Hessische Datenschutzbeauftragte, der Hessische Rechnungshof und - mittelbar auf dem Wege der Berichterstattung und Kommentierung - die öffentlichen Medien die Tätigkeit des LfV. Die Speicherung personenbezogener Daten, Auskunftserteilungen und die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht, die das LfV zu Lasten Betroffener trifft, unterliegen der vollständigen gerichtlichen Kontrolle. StRuktuRen, oRganISatIon, HauSHaLt der Verfassungsschutz ist als Inlandsnachrichtendienst der Bundesrepublik deutschland föderal organisiert. der Bund und die 16 Länder unterhalten jeweils eigene Verfassungsschutzbehörden. AUF EINEN BLICK * organisation * Hessisches extremismusund terrorismusabwehrzentrum (HetaZ): geschäftsstelle im LfV * anzahl der Planstellen - ausgabenbudget 28 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 PRÄSIDENT Projektgruppe VIZEPRÄSIDENT Personalrat 24/7-Dauerdienst STAB HSG 1 - Leitungsunterstützung, GremienSchwerbehindertenvertretung arbeit und Qualitätssicherung DMS-Koordination NADIS-Koordination Geheimschutzbeauftragte Gleichstellungsbeauftragte HSG 2 - Presseund Öffentlichkeitsarbeit, Kommunikation und aufklärende Prävention Interne Revision Datenschutzbeauftragte HSG 3 - Berichtswesen HSG 4 - Beratende Prävention ABTEILUNG 1 ABTEILUNG 2 ABTEILUNG 3 ABTEILUNG 4 ABTEILUNG 5 Zentrale Dienste Rechtsextremismus/ Operative Fachdienste Islamismus und islamistischer Linksextremismus/-terroris-terrorismus Terrorismus/Salafismus mus und Extremismus/TerFührungsgruppe rorismus mit Auslandsbezug DEZERNAT 30 DEZERNAT 50 DEZERNAT 11 DEZERNAT 20 Organisierte Kriminalität, DEZERNAT 40 Beschaffung Verwaltung und G10 Beschaffung Spionageabwehr und Beschaffung Koordinierung von BeschaffungsWirtschaftsschutz grundsätzen DEZERNAT 12 DEZERNAT 21 DEZERNAT 31 DEZERNAT 41 DEZERNAT 51 Strukturanalyse und strategische Strukturanalyse und strategische Strukturanalyse und strategische ITund Sondertechnik Observation Auswertung Auswertung Auswertung DEZERNAT 13 DEZERNAT 22 DEZERNAT 32 DEZERNAT 42 DEZERNAT 52 Fallbezogene, personenbezogene Personeller und materieller Fallbezogene und operative Fallbezogene und operative Datenschutz und Grundsatz und operative Auswertung Geheimschutz Auswertung Auswertung DEZERNAT 23 DEZERNAT 33 DEZERNAT 14 Phänomenbereichsübergreifende Online-Recherche-Team Mitwirkungsaufgaben wissenschaftliche Analysestelle Extremismus, Terrorismus - ORTET Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit (PAAF) VERFASSUNGSSCHUTZ DEZERNAT 34 Zentrale Ermittlungen Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 IN HESSEN - 29 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN organisation | Als obere Landesbehörde untersteht das LfV dem Hessischen Ministerium des Innern und für Sport. Das LfV hat seinen Sitz in Wiesbaden. Das LfV gliedert sich in fünf der Amtsleitung unterstehende Abteilungen. An die Amtsleitung angebunden sind ebenso der Stab sowie die Koordination des Nachrichtendienstlichen Informationssystems (NADIS), die Interne Revision, die Geheimschutzbeauftragte und die Datenschutzbeauftragte. Darüber hinaus verfügt das LfV in Hessen über Außenstellen. Wie in jeder Behörde gibt es einen Personalrat, eine Schwerbehindertenvertretung und eine Gleichstellungsbeauftragte. Hessisches extremismusund terrorismusabwehrzentrum (HetaZ): geschäftsstelle im LfV | Seit dem 11. März 2019 ist die Geschäftsstelle des HETAZ beim LfV angesiedelt (zu dessen Aufgaben siehe Kapitel "Wesentliche institutionelle Elemente der Sicherheitsarchitektur auf Bundesebene und in Hessen"). anzahl der Planstellen - ausgabenbudget | Die Personalmittel sowie die Finanzmittel für Personalund Sachausgaben sind im Haushaltsplan des Landes Hessen ausgewiesen. Für das Jahr 2018 standen dem LfV 352 Planstellen zur Verfügung. Das Ausgabenbudget für das Jahr 2018 belief sich auf 29.658.500.Euro. ANZAHL DER PLANSTELLEN DES LFV (2014 BIS 2018) 400 352 350 332 312 300 266 256 250 200 150 100 50 0 2014 2015 2016 2017 2018 30 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN AUSGABENBUDGET DES LFV (2014 BIS 2018) 30 Mio. 29.658.500 27.542.300 26.094.200 25 Mio. 20 Mio. 20.302.400 17.307.600 2014 2015 2016 2017 2018 weSentLIcHe InStItutIoneLLe eLeMente deR SIcHeRHeItSaRcHItektuR auf BundeSeBene und In HeSSen die Sicherheitsstruktur in der Bundesrepublik deutschland wurde in den letzten Jahren ausgebaut und modifiziert. die Zielsetzung war hierbei, auf gefahren und Bedrohungen flexibler und schneller reagieren zu können sowie wissen und kompetenzen verschiedener Sicherheitsbehörden zu bündeln. Relevante Informationen sollen unter Beachtung der jeweiligen Zuständigkeiten und gesetzlichen Vorgaben zusammengeführt und bewertet werden, ohne die organisatorische trennung der Sicherheitsbehörden in frage zu stellen. AUF EINEN BLICK * Sicherheitsarchitektur auf dem Prüfstand * kernelemente der bundesweiten Sicherheitsarchitektur * HetaZ Sicherheitsarchitektur auf dem Prüfstand | Die Organisation und Effizienz der Sicherheitsstruktur in der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere das Zusammenwirken ihrer einzelnen Elemente, unterliegt gegenwärtig einem Prüfungsprozess. So setzte der Deutsche Bundestag am 1. März 2018 einstimmig einen Untersuchungsausschuss zum islamistisch motivierten Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz in Berlin vom 19. Dezember 2016 ein. Der Untersuchungsausschuss soll sich unter anderem ein Urteil bilden zu der Frage, Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 31 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN "ob die Sicherheits-, Strafverfolgungsund Strafvollzugsbehörden und die Nachrichtendienste des Bundes und der Länder sowie die für den Vollzug des Asylund Aufenthaltsrechts zuständigen Behörden unter Ausschöpfung der rechtlichen Möglichkeiten sachgerechte Maßnahmen ergriffen haben, ob Informationen zwischen den einzelnen Behörden zeitund sachgerecht ausgetauscht wurden und ob mit Nachrichtendiensten und Sicherheitsund Strafverfolgungsbehörden im europäischen und außereuropäischen Ausland sachgerecht zusammengearbeitet beziehungsweise Informationen ausgetauscht wurden". Auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse soll der Untersuchungsausschuss unter anderem "weitere Schlussfolgerungen für Befugnisse, Organisation, Arbeit und Kooperation der Sicherheits-, Strafverfolgungsund Strafvollzugsbehörden und der Nachrichtendienste von Bund und Ländern sowie der für den Vollzug des Asylund Aufenthaltsrechts zuständigen Behörden von Bund, Ländern und Kommunen ziehen und gegebenenfalls Empfehlungen für weitere Maßnahmen aussprechen". kernelemente der bundesweiten Sicherheitsarchitektur | Die bundesweite Sicherheitsarchitektur besteht im Wesentlichen aus folgenden Einrichtungen: * dem Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) zur Abwehr und Bekämpfung des islamistischen Terrorismus, * dem Gemeinsamen Internetzentrum (GIZ) und * dem Gemeinsamen Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum (GETZ). Am GTAZ in Berlin sind Vertreter folgender Behörden beteiligt: * Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern, * Bundeskriminalamt (BKA), * Bundesnachrichtendienst (BND), * Generalbundesanwaltschaft (GBA), * Bundespolizei (BPol), * Generalzolldirektion (GZD), * Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), * Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) und die * Landeskriminalämter. Im GTAZ gibt es darüber hinaus zwei voneinander institutionell getrennte Einrichtungen: Die Nachrichtendienstliche (NIAS) und die Polizeiliche (PIAS) Informationsund Analysestelle. NIASund PIASMitglieder kooperieren in verschiedenen Arbeitsgruppen eng miteinander, um bestimmte Fälle aktuell zu bearbeiten sowie Gefahrenprognosen und mittelbzw. längerfristige Analysen zu erstellen. 32 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN AUFBAU DES GEMEINSAMEN TERRORISMUSABWEHRZENTRUMS Bundesamt für Migration und Bundesamt Flüchtlinge Generalfür bundesanwalt Verfassungsschutz 16 BundesLandesämter kriminalamt für Verfassungsschutz GTAZ NIAS 16 LandesBundesnachkriminalrichtenämter dienst Bundesamt für AS Bundespolizei den Militärischen PI GeneralAbschirmdienst zolldirektion Nach dem Vorbild des GTAZ arbeiten im GIZ Vertreter des * BfV, * BKA, * BND, * BAMAD und * der GBA eng zusammen. Darüber hinaus steht das GIZ in ständigem Austausch mit den zuständigen Landesbehörden. Aufgabe der Vertreter der am GIZ mitwirkenden Behörden ist die Beobachtung, Auswertung und Analyse von Veröffentlichungen mit islamistischen und jihadistischen Inhalten im Internet, um frühzeitig extremistische und terroristische Strukturen und Aktivitäten zu identifizieren. Das GETZ ist als "Dachorganisation" für die Bekämpfung folgender Phänomenbereiche zuständig: Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 33 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN AUFBAU DES GEMEINSAMEN EXTREMISMUSUND TERRORISMUSABWEHRZENTRUMS Bundesamt für Migration und Bundesamt GeneralFlüchtlinge für Wirtschaft bundesanwalt und Ausfuhrkontrolle Bundesamt Generalfür zolldirektion Verfassungsschutz NIAS 16 BundesLandesämter kriminalamt GETZ für Verfassungsschutz BundesnachBundespolizei richtendienst AS 16 LandesBundesamt für PI kriminalden Militärischen ämter Abschirmdienst Europol * Rechtsextremismus/-terrorismus, * Linksextremismus/-terrorismus, * Extremismus mit Auslandsbezug, * Spionageabwehr und Proliferation. Die Federführung obliegt dem BfV und dem BKA. Die Koordinierte Internetauswertung (KIA) erfolgt beim BfV in Köln. Am GETZ als Informationsund Kommunikationsplattform beteiligen sich - analog zu den Aufgaben des GTAZ - zur Bündelung der Fachexpertise und der Sicherstellung eines möglichst lückenlosen und schnellen Informationsflusses folgende Behörden: * Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern, * BKA, * BPol, * Europol, * GBA, * GZD, 34 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN * BND, * BAMAD, * BAMF, * Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) und die * Landeskriminalämter. HetaZ | Am 11. März 2019 konstituierte sich in Hessen das HETAZ als anlassund phänomenbezogene Kommunikations-, Informationsund Kooperationsplattform unter ständiger Beteiligung des Landeskriminalamts (LKA), der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main - Abteilung Staatsschutz, der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main sowie des LfV. Abhängig von konkreten Gefährdungsund Bedrohungssachverhalten werden Vertreter weiterer Behörden, wie zum Beispiel von Polizeipräsidien, Ausländerbehörden und Jugendämtern im Rahmen ihres jeweiligen Aufgabenbereichs und ihrer Zuständigkeit hinzugezogen. Die Geschäftsstelle des HETAZ ist beim LfV angesiedelt. Ziel ist es unter anderem, einen abgestimmten, fortlaufenden und nachhaltigen Informationsaustausch mit kurzen Kommunikationswegen unter Berücksichtigung der gesetzlichen Übermittlungsvorschriften und des für den Verfassungsschutz und die Polizei gültigen AUFBAU DES HESSISCHEN EXTREMISMUSUND TERRORISMUSABWEHRZENTRUMS Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt StaatsanwaltPolizeischaft Frankfurt präsidien Landeskriminalamt Kommunen - Landesamt für HETAZ VerfassungsHMdIS schutz (LPP, Abt. II) Prävention ... (HKE, VPN) weitere Behörden Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 35 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN informationellen Trennungsgebots zu gewährleisten. Durch Bündelung, Verdichtung und Bewertung der Informationen soll die Erkenntnislage der zuständigen Behörden verbessert und der Austausch über operative Maßnahmen in enger Kooperation erleichtert werden. Hieraus soll auch eine noch effektiver und effizienter als bisher gestaltete Strafverfolgung resultieren. ÖffentLIcHkeItSund PRäVentIonSaRBeIt der Verfassungsschutz hat unter anderem die aufgabe, die Öffentlichkeit über die in SS 2 abs. 2 HVSg genannten Bestrebungen und tätigkeiten zu informieren und aufzuklären. Zu diesem Zweck stellt das LfV der Öffentlichkeit seinen jährlichen Verfassungsschutzbericht sowie eine Vielzahl weiterer Informationsund Präventionsangebote zur Verfügung. darüber hinaus können sich Journalisten mit anfragen an die Pressestelle des LfV wenden. nachdem in den letzten Jahren die große nachfrage nach dem Präventionsangebot des LfV die notwendigkeit der extremismusprävention deutlich belegt hat, wurde diese im SS 2 abs. 1 HVSg explizit als aufgabe des LfV gesetzlich verankert. AUF EINEN BLICK * Hessischer Verfassungsschutzbericht * Informationsbroschüren des LfV * Prävention - allgemeines * aufklärende Prävention - Zielgruppen * Beratende Prävention - Zielgruppen * kompetenzzentrum gegen Rechtsextremismus (koReX) * kooperationspartner * fair Play forum * Pädagogischer tag * weitere Maßnahmen * Informationsstand auf dem Hessentag * Herbstgespräch * entwicklung der Präventionsarbeit * Prävention für die wirtschaft Hessischer Verfassungsschutzbericht | Im Mittelpunkt der Unterrichtung der Öffentlichkeit steht der vom Hessischen Ministerium des Innern und für Sport herausgegebene jährliche Verfassungsschutzbericht. Er informiert über die wesentlichen während des Berichtsjahrs gewonnenen Erkenntnisse des LfV und bewertet diese. 36 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN Informationsbroschüren des LfV | Damit sich die Bürgerinnen und Bürger gezielt mit verschiedenen extremistischen Phänomenbereichen auseinandersetzen können, gibt das LfV Informationsbroschüren heraus. Folgende Publikationen können derzeit beim LfV direkt angefordert bzw. über dessen Internetpräsenz abgerufen werden (siehe unten Kontakt und Internetpräsenz): * Verfassungsschutz in Hessen - Beobachten, analysieren und informieren. * Extremismus erkennen - Handreichung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Flüchtlingshilfe. * Salafistische Bestrebungen in Hessen. * Kennzeichen und Symbole der Rechtsextremisten. * Gedenkund Jahrestage von Rechtsextremisten. * Rechtsextremismus und Sonnwendfeiern. * Verfassungsfeindliche Bestrebung: "Reichsbürger" und "Selbstverwalter". * Mit Militanz zur Errichtung einer "herrschaftsfreien Gesellschaft" - Einblicke in die autonome Bewegung. * "... und diese Gerüchte stammen nicht von irgendwelchen Nazis!" Eine Studie zu Erscheinungsformen und ideologischen Hintergründen antisemitischer Agitation in den sozialen Netzwerken (= PAAF Analysen 1). Darüber hinaus finden interessierte Bürgerinnen und Bürger weitere Informationsmaterialien auch auf den Internetseiten des BfV und denen der anderen Landesämter für Verfassungsschutz (www.verfassungsschutz.de/de/oeffentlichkeitsarbeit/publikationen). Prävention - allgemeines | Das LfV hat seine Präventionstätigkeit kontinuierlich ausgebaut und verstetigt. Informationen und vorbeugende Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und Salafismus bilden dabei einen deutlichen Schwerpunkt. Das Spektrum der Öffentlichkeitsarbeit und Präventionsmaßnahmen umfasst die Bereitstellung von Informationsmaterialien, die aktive Teilnahme am öffentlichen Diskurs durch Vorträge und Redebeiträge bei Veranstaltungen und Podiumsdiskussionen sowie Presseauskünfte, zielgruppenorientierte Sensibilisierungsveranstaltungen (aufklärende Prävention) und Beratungsleistungen in konkreten Fällen (beratende Prävention). aufklärende Prävention - Zielgruppen | Oberstes Ziel der Präventionsarbeit des LfV ist, Menschen gegen Extremismus zu immunisieren. Daher versucht das LfV möglichst viele Menschen sowohl in staatlichen als auch nichtstaatlichen Stellen über Gefahren, die von extremistischen Bestrebungen ausgehen, aufzuklären. Das LfV bietet zu verschiedenen extremistischen Phänomenbereichen Fortbildungen an, in denen es über Ideologien, Erscheinungsformen, StrateHessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 37 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN gien sowie Anhaltspunkte für Radikalisierung informiert. Die Veranstaltungsteilnehmerinnen und -teilnehmer werden somit in die Lage versetzt, extremistische Bestrebungen, die ihnen möglicherweise im Alltag begegnen, zu erkennen. Eine wichtige Zielgruppe der aufklärenden Prävention sind Multiplikatoren im Bereich der (Jugend-)Bildung, das heißt zum Beispiel Lehrkräfte. Das LfV ist durch die Hessische Lehrkräfteakademie als Anbieter von Fortbildungen für hessische Lehrerinnen und Lehrer akkreditiert. Auf seiner Internetseite sowie über die Online-Fortbildungsangebote der Staatlichen Schulämter bietet das LfV entsprechende Veranstaltungen an. Weitere Adressaten sind Kommunen, Bildungseinrichtungen, Justiz, Polizei, Feuerwehr, religiöse Träger, private Sicherheitsdienstleister sowie Unternehmen und Wirtschaftsverbände. Außerdem steht das LfV als Ansprechpartner für Vorträge bei Bürgermeisterdienstversammlungen, Magistratsund Ausschusssitzungen sowie Parteien, Vereinen und anderen Multiplikatoren zur Verfügung. Beratende Prävention - Zielgruppen | Um den Bedarfsträgern Handlungssicherheit im Erkennen von und im Umgang mit extremistischen Bestrebungen zu vermitteln, bietet die beratende Prävention ergänzend zur aufklärenden Prävention einzelfallbezogene Leistungen an. Hierzu zählen insbesondere Gespräche, Vorträge und Schulungsmaßnahmen für ausgewählte Bedarfsträger wie zum Beispiel Landkreise, Städte und Gemeinden, Schulen, soziale Einrichtungen, andere Behörden und öffentliche Stellen sowie weitere Institutionen wie Vereine, Verbände (zum Beispiel Sportund Jugendvereine) und Moscheegemeinden, darunter auch islamistische, das heißt unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehende Moscheegemeinden. Besonders die hessischen Kommunen sind wichtige Partner bei der Extremismusprävention. So ist das LfV in zahlreichen kommunalen Präventionsgremien vertreten bzw. arbeitet eng mit diesen zusammen und steht als direkter Ansprechpartner zur Verfügung. kompetenzzentrum gegen Rechtsextremismus (koReX) | Bereits im Jahr 2008 wurde im LfV das KOREX eingerichtet. Dessen Kernaufgabe ist die Aufklärungsarbeit mittels Aufbereitung des Fachwissens des LfV für bestimmte Zielgruppen sowie für die breite Öffentlichkeit. Ein Schwerpunkt der Tätigkeit des KOREX liegt dabei auf Fortbildungsangeboten. In diesem Rahmen informiert das KOREX über aktuelle Entwicklungen und Erscheinungsformen des Rechtsextremismus, insbesondere über Strategien, mit denen Rechtsextremisten um 38 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN Zuspruch werben und wie Rechtsextremisten zu erkennen sind. Darüber hinaus erstellt das KOREX Broschüren und berät Verantwortungsträger in Politik, Behörden und Gesellschaft. kooperationspartner | Bei der Bekämpfung verfassungsfeindlicher Bestrebungen ist das LfV eng mit dem Hessischen Informationsund Kompetenzzentrum gegen Extremismus (HKE) und zivilgesellschaftlichen Trägern vernetzt. Das 2013 eingerichtete HKE übernimmt die zentrale Steuerung und Koordinierung der Maßnahmen zur Extremismusprävention und -intervention in Hessen. Das LfV ist im Rahmen dieses organisationsund ressortübergreifenden Ansatzes in der Lenkungsgruppe des HKE vertreten. Erreichbar ist das HKE über die Internetadresse www.hke.hessen.de. Weiterhin gehört das LfV mit dem KOREX dem Expertenpool des landesweiten beratungsNetzwerks hessen - Mobile Intervention gegen Rechtsextremismus an. In dem Expertenpool sind staatliche Institutionen und zivilgesellschaftliche Initiativen miteinander vernetzt. Zudem ist das LfV Mitglied im Fachbeirat des Hessischen Präventionsnetzwerks gegen Salafismus. Das 2014 gegründete Netzwerk ist das erste landesweite Präventionsprojekt gegen Salafismus in Deutschland. Im Mittelpunkt des Präventionsnetzwerks steht die Beratungsstelle Hessen - Religiöse Toleranz statt Extremismus, die beim zivilgesellschaftlichen Träger Violence Prevention Network (VPN) angebunden ist. Die Beratung von islamistisch radikalisierten Personen und die Ausstiegsbegleitung stehen im Zentrum der Arbeit der Beratungsstelle Hessen. Darüber hinaus arbeitet das LfV eng mit den hessischen Kommunen zusammen. So bot der Lahn-Dill-Kreis (Interessengemeinschaft Medienprävention) am 4. Dezember 2018 gemeinsam mit dem LfV eine öffentliche Informationsveranstaltung zum Thema "Das Ringen um die Meinungsherrschaft - Rechtsextremistische Agitationsstrategien von offline bis online" an. Dabei informierte ein KOREX-Referent die etwa 85 Teilnehmerinnen und Teilnehmer über die aktuellen Agitationsstrategien von Rechtsextremisten und stand im Anschluss für Fragen zur Verfügung. fair Play forum | Am 20. Januar 2018 bot das LfV beim Fair Play Forum des hessischen Fußballs ein "Schnuppermodul" unter dem Titel "Extremismus und Prävention" an. Dabei wurde den Teilnehmern ein Einblick in die Phänomenbereiche Rechtsextremismus und Salafismus gegeben, um ihnen zu ermöglichen, Radikalisierung im eigenen Verein frühzeitig zu erkennen. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 39 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN Pädagogischer tag | Am 16. Mai 2018 gestaltete das LfV erstmals einen kompletten pädagogischen Tag zum Thema "Extremismus". Auf Einladung des größten allgemeinbildenden Gymnasiums in Hessen, der Karl-Rehbein-Schule in Hanau (Main-Kinzig-Kreis), informierten und sensibilisierten zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des LfV etwa 120 Lehrkräfte. Nach einem Vortrag des Präsidenten des LfV über die Aufgaben und Befugnisse des hessischen Verfassungsschutzes ging die Arbeit in insgesamt zehn Workshops zu Rechtsund Linksextremismus, Islamismus, Antisemitismus und Extremismus mit Auslandsbezug weiter. weitere Maßnahmen | Das LfV ist in die Fortbildungsprogramme der Justizvollzugsanstalten eingebunden und bildet gemeinsam mit dem LKA Strukturbeobachter zum Phänomenbereich Islamismus weiter. Zudem veranstaltet das LfV seit einigen Jahren in Zusammenarbeit mit dem Wagnitz-Seminar des Hessischen Ministeriums der Justiz ein mehrtägiges Seminar zu den Themen "Islamismus" und "Rechtsextremismus" für Richter, Staatsanwälte und Bewährungshelfer. Darüber hinaus bot das LfV regelmäßig Veranstaltungen zu allen Phänomenbereichen im Rahmen der polizeilichen Ausund Fortbildung an. Seit 2015 fanden rund 30 Fortbildungsveranstaltungen für Mitarbeiter in Hessischen Erstaufnahmeeinrichtungen (HEAE) zum Thema "Extremistische Einflussnahme im Kontext von Flüchtlingseinrichtungen" statt. Bei diesen vom HKE koordinierten Schulungen ging es unter anderem darum, Handlungsoptionen zu entwickeln für Fälle, in denen * Anzeichen für eine extremistische Radikalisierung unter Flüchtlingen bemerkt werden, * Tätigkeiten extremistischer Personen oder Gruppen in oder an einer Flüchtlingsunterkunft festgestellt werden, * Flüchtlinge extremistische Treffpunkte besuchen * und/oder Hinweise auf ehemalige Mitarbeiter ausländischer Nachrichtendienste bzw. auf nachrichtendienstliche Aktivitäten anderer Staaten in Bezug auf Flüchtlinge erlangt werden. Darauf aufbauend wurde 2017 in Zusammenarbeit mit dem Regierungspräsidium Gießen, dem HKE und dem VPN eine landesweite Abfolge von Präventionsveranstaltungen für kommunale Bedienstete mit dem Titel "Salafismusprävention in den Kommunen" auf den Weg gebracht. Im Berichtsjahr wurde die Veranstaltung hessenweit durchgeführt und so Vertretern aller Kommunen eine Teilnahme an der Schulung ermöglicht. Anlassbezogen veranstaltete das LfV zudem exklusiv für bestimmte Bedarfsträger - zum Beispiel aus Zivilgesellschaft und Wirtschaft - In40 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN formationsveranstaltungen zu aktuellen extremistischen Erscheinungsformen. Informationsstand auf dem Hessentag | Ein weiterer wichtiger Baustein der Öffentlichkeitsund Präventionsarbeit des LfV ist dessen Präsenz in der Landesausstellung während des Hessentags, der im Berichtsjahr in Korbach (Landkreis Waldeck-Frankenberg) stattfand. Am Informationsstand des LfV hatten die Besucher die Möglichkeit, mit Experten über die Arbeit des Verfassungsschutzes ins Gespräch zu kommen und sich durch entsprechende Publikationen und Schautafeln über verschiedene extremistische Bestrebungen und Tätigkeiten zu informieren. Erstmals konnten Interessierte an einem "LfV-Wissenstest" teilnehmen, bei dem sieben Multiple-Choice-Fragen mit Hilfe der Informationen am LfV-Stand beantwortet werden mussten, was vom Publikum sehr gut angenommen wurde. Bei einer Bühnenveranstaltung in der Landesausstellung kooperierte das LfV mit der Alten Landesschule in Korbach. Schüler zeigten zunächst einen selbstgedrehten Film und eine Präsentation zum Thema "Antisemitismus"; dieser Auftritt wurde ergänzt von einem Interview mit der Leiterin der Phänomenbereichsübergreifenden wissenschaftlichen Analysestelle Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit (PAAF) im LfV, deren Studie zu Antisemitismus in den sozialen Medien der Arbeit der Schülergruppe zugrunde lag. Der Präsident des LfV sprach live im Hessentagsradio über Aufgaben und Befugnisse des LfV sowie über aktuelle Herausforderungen für die hessischen Sicherheitsbehörden. Herbstgespräch | Das jährliche Herbstgespräch des LfV fand am 14. November zu dem Thema "Die Strategien der Extremisten - Wie Verfassungsfeinde unsere Gesellschaft verändern wollen" in Wiesbaden statt. Der Hessische Minister des Innern und für Sport, Peter Beuth, warnte in seinem Impulsvortrag vor neuen extremistischen Strategien: "Wenn Extremisten ihre verfassungsfeindlichen Gesichter hinter gefälligen Masken verbergen, um junge Leute auf ihre Seite zu ziehen, müssen bei uns alle Alarmglocken läuten". Es sei wichtig, "dass wir extremistische Botschaften frühzeitig als solche entlarven und brandmarken". Dafür bedürfe es gut aufgestellter Sicherheitsbehörden und einer sensiblen und wachsamen Gesellschaft, die eine eindeutige Grenzziehung zum Extremismus aktiv einfordere. In der anschließenden Podiumsdiskussion erörterten vor knapp 300 geladenen Besuchern Julia Ebner (Extremismusforscherin, London), Dr. Burkhard Körner (Präsident des Bayerischen LfV, München), Prof. Dr. Borwin Bandelow (Professor für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Göttingen und Experte für Angsterkrankungen) Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 41 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN sowie Michael Götschenberg (ARD-Terrorismusexperte, Berlin) unter der Moderation von Jörg Diehl (Spiegel Online) die Gefahren, die von Extremismus und den Strategien der Extremisten für unsere Gesellschaft ausgehen. Informationen über die Veranstaltung sind auf der Internetseite des LfV unter https://lfv.hessen.de/prävention/ das-herbstgespräch/20-herbstgespräch-rückblick abrufbar. entwicklung der Präventionsarbeit | Im Berichtsjahr führte das LfV erneut eine große Anzahl von Präventionsveranstaltungen durch. Die große Nachfrage nach den Präventionsdienstleistungen des LfV korrespondiert mit der Neuausrichtung des Verfassungsschutzes in Hessen, der damit verbundenen Öffnung der Behörde gegenüber der Öffentlichkeit und dem kontinuierlichen Ausbau der aufklärenden und beratenden Prävention. In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Präventionstermine vervielfacht. Mit 264 Veranstaltungen wurde im Berichtsjahr die zweithöchste Anzahl an jährlichen Präventionsterminen in der Geschichte des LfV erreicht. Wie in den vergangenen Jahren fanden die meisten Veranstaltungen zu den Themen "Rechtsextremismus", "Islamismus" und "Wirtschaftsschutz" statt. Prävention für die wirtschaft | Informationen über die Aktivitäten und Dienstleistungen des LfV zum Thema "Wirtschaftsschutz" sind im Kapitel Geheimund Wirtschaftsschutz enthalten. PRÄVENTIONSTERMINE 2009 BIS 2018 300 292 264 250 243 202 200 189 150 127 100 92 79 46 50 25 0 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 42 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN kontakt und InteRnetPRäSenZ Alle Bürgerinnen und Bürger können sich an den Verfassungsschutz in Hessen wenden. Für allgemeine Fragen stehen Mitarbeiter des LfV via E-Mail (poststelle@lfv.hessen.de) und Telefon (0611-720566) zur Verfügung. Für spezielle Fragen zur Öffentlichkeitsund Präventionsarbeit ist das LfV unter folgender Telefonnummer erreichbar: 0611-720404. Die E-Mail-Adresse lautet: praevention@lfv.hessen.de Für spezielle Fragen zum Wirtschaftsschutz ist das LfV unter der E-Mail-Adresse wirtschaftsschutz@lfv.hessen.de erreichbar. Die Internetseite www.lfv.hessen.de enthält außerdem Informationen zu den Aufgaben und Befugnissen des LfV sowie zu allen extremistischen Phänomenbereichen. Das LfV veröffentlicht auf seiner Homepage auch aktuelle Stellenangebote. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 43 VERFASSUNGSSCHUTZ IN HESSEN 44 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 EXTREMISMUS IN HESSEN - EIN ÜBERBLICK - weSentLIcHe eckPunkte - RecHtSeXtReMISMuS - ReIcHSBÜRgeR und SeLBStVeRwaLteR - LInkSeXtReMISMuS - ISLaMISMuS - eXtReMISMuS MIt auSLandSBeZug - oRganISIeRte kRIMInaLItät (ok) - SPIonageund cyBeRaBweHR EXTREMISMUS IN HESSEN weSentLIcHe eckPunkte extremistisches Personenpotenzial in Hessen | In sämtlichen extremistischen Phänomenbereichen - Rechtsund Linksextremismus, Islamismus sowie Extremismus mit Auslandsbezug - blieb das Personenpotenzial in Hessen weitgehend konstant. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das gesamte extremistische Personenpotenzial in dem Fünf-Jahres-Zeitraum 2014 bis 2018 von 12.190 auf 13.400 Personen anwuchs, was einem Zuwachs von etwa zehn Prozent entspricht. Augenscheinlich besitzt der Extremismus in all seinen unterschiedlichen Ausprägungen und Schattierungen eine zunehmende Anziehungskraft. erhöhung der Zahl der gewalttaten | Diese Entwicklung gilt es ebenso wachsam zu beobachten und zu analysieren, wie die zeitlich analoge Entwicklung der Strafund Gewalttaten in Hessen. Zwar nahm ihre Gesamtzahl über alle Phänomenbereiche hinweg seit 2015 kontinuierlich ab, doch erhöhte sich im Berichtsjahr die Zahl der Gewalttaten von 23 (2017) auf 51, was mehr als einer Verdoppelung entsprach. "Legitimität" von gewalt - Strafverfolgung und Prävention als kontrapunkte | Die im Rechtsund Linksextremismus sowie im Extremismus mit Auslandsbezug gegenüber 2017 erhöhten Gewalttaten zeigen, EXTREMISTISCHES PERSONENPOTENZIAL IN HESSEN (2014 BIS 2018) 15.000 13.500 13.400 13.060 12.000 12.590 12.190 Gesamtzahl der Extremisten (Zahlen gerundet) 9.000 Extremismus mit Auslandsbezug 6.000 Islamismus Linksextremismus 3.000 Rechtsextremismus Reichsbürger und 0 Selbstverwalter 2014 2015 2016 2017 2018 46 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 EXTREMISMUS IN HESSEN STRAFUND GEWALTTATEN IN HESSEN 1.200 1.000 800 Gesamt 600 400 Rechtsextremisten davon Extremismus mit Gewalttaten Auslandsbezug 200 Linksextremisten Islamismus 0 2014 2015 2016 2017 2018 dass - unbeeindruckt von den Vorkommnissen um den rechtsterroristischen Nationalsozialistischen Untergrund (NSU), der Aufdeckung weiterer entsprechender Strukturen und von den polizeilichen Ermittlungen im Kontext der Ausschreitungen im Rahmen des G20Gipfels in Hamburg - Gewalt für etliche Extremisten unverändert ein Mittel der politischen Auseinandersetzung ist. Dass Autonome einem Rechtsextremisten einen gewalttätigen "antifaschistischen Hausbesuch" abstatten, verdeutlicht dies ebenso wie der Aufruf einer neonazistischen Partei, Kampfsport zu betreiben, um "einmal das ganze Volk wieder wehrhaft zu machen". Die Gefahr eines jihadistisch motivierten Terroranschlags war unvermindert hoch. Solange es etwa dem Islamischen Staat (IS) gelingt, seine Ideologie und Botschaften - insbesondere über die sozialen Netzwerke - zu verbreiten, ist nicht mit einer Abnahme dieser Gefahr zu rechnen. Eine maßgebliche Aufgabe des LfV ist es, Anschlagsgefahren, die sowohl von Gruppen als auch von Einzelpersonen ausgehen, zu erkennen, in Zusammenarbeit mit anderen Sicherheitsbehörden zu beseitigen und Tatbeteiligte der Strafverfolgung zuzuführen. Darüber hinaus ist es das Ziel des LfV, mittels seiner Präventionsarbeit phänomenübergreifend der Verbreitung extremistischen Gedankenguts entgegenzuwirken. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 47 EXTREMISMUS IN HESSEN RecHtSeXtReMISMuS Personenpotenzial | Gegenüber dem Berichtsjahr 2017 stieg das rechtsextremistische Personenpotenzial in Hessen mit einer Zunahme von zehn Personen nur marginal an. Die temporäre Steigerung des Personenpotenzials von 2016 (1.335 Personen) bis 2017 (1.465 Personen) kam damit nahezu zum Erliegen. Rechtsextremistische Musik | Im Berichtsjahr fand in Hessen lediglich ein rechtsextremistisches Konzert statt, das im Rahmen einer Wahlkampfveranstaltung der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) ursprünglich in Wetzlar (Lahn-Dill-Kreis) durchgeführt werden sollte. Nachdem die Stadt die Nutzung der Veranstaltungshalle untersagt hatte, verlagerten die Rechtsextremisten das Konzert in den Szenetreffpunkt Teutonicus in Leun (Lahn-Dill-Kreis). Darüber hinaus fanden in Hessen - im internen Kreis - drei weitere rechtsextremistische Musikveranstaltungen statt. Außerdem spielte beim Neujahrsempfang der NPD in Leun ein Liedermacher, der Mitglied einer rechtsextremistischen Band aus Nordrhein-Westfalen war. Soweit rechtlich möglich, unterbinden die Sicherheitsbehörden rechtsextremistische Konzerte in Hessen. Die mit entsprechenden Inhalten verknüpfte Musik wirkt - neben der im Internet und in den sozialen Medien verbreiteten aktionsorientierten Bildersprache von Rechtsextremisten - wie ein Magnet, durch den sich Jugendliche und RECHTSEXTREMISTISCHES PERSONENPOTENZIAL IN HESSEN (2014 BIS 2018) 1.500 Gesamtzahl der Rechtsextremisten 1.200 900 davon 600 gewaltorientiert in parteiunabhängigen bzw. parteiungebundenen Strukturen 300 weitgehend unstrukturiertes Personenpotenzial 0 in Parteien 2014 2015 2016 2017 2018 Vgl. S. 67, hier die Fußnoten 1 bis 4, zu den Erfassungskriterien des rechtsextremistischen Personenpotenzials insbesondere mit Blick auf die 2014 und 2015. 48 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 EXTREMISMUS IN HESSEN junge Erwachsene unter Umständen in die Szene ziehen lassen. Ist dies geschehen, haben sowohl die Bildersprache als auch die Musik eine für Rechtsextremisten identitätsstiftende Wirkung und dienen der szeneinternen Kommunikation. Nachdem aufgrund der Geldzuwendung eines NPD-Mitglieds die Zwangsversteigerung des Szenetreffpunkts Teutonicus nicht zustande kam, verkündeten dessen Betreiber in einer rechtsextremistischen Zeitschrift, dass sie unter der Bezeichnung "Club H5" eine Neuausrichtung des Treffs anstrebten. Damit sei künftig auch eine "Veranstaltungsreihe" in Mittelund Südhessen sowie im Raum Süddeutschland verknüpft. Im November durchsuchte die Polizei den Szenetreff im Rahmen verschiedener Ermittlungsverfahren. Fünf Personen wurden festgenommen sowie Waffen, Munition, Betäubungsmittel und nationalsozialistische Devotionalien beschlagnahmt. Außerdem fand die Polizei auf dem Dachboden des Anwesens einen provisorischen Schießstand. Zum Ende des Berichtsjahrs dauerten die Ermittlungen an. Identitäre Bewegung deutschland e. V. (IBd)/Identitäre Bewegung Hessen (IBH) | Hessenweit gingen die Aktivitäten der Identitären Bewegung (IB) im Berichtsjahr zurück, obwohl sie sich vor allem im Internet und in den sozialen Medien unverändert "modern" und "intellektuell" präsentierte und versuchte, mittels ihrer Bildersprache größtmögliche mediale bzw. öffentliche Aufmerksamkeit zu erringen. Nach wie vor konzentrierte sich die IB im Rahmen ihres "Ethnopluralismus"-Konzepts auf den Protest gegen die Migrationsund Asylpolitik, das heißt sie protestierte - so ihre Diktion - gegen den "großen Austausch". IB-Angehörige filmten zum Beispiel am Frankfurter Hauptbahnhof und an der Philosophischen Fakultät der Philipps-Universität in Marburg (Landkreis Marburg-Biedenkopf) Aktionen und stellten entsprechende "spektakuläre" Videos und Bilder im Internet bzw. in den sozialen Medien ein. Nachdem Facebook zahlreiche Accounts von Aktivisten und Regionalbzw. Ortsgruppen der IB gesperrt hatte, verbreiteten die IBD und die IBH ihre Beiträge hauptsächlich über die eigene Homepage und Twitter. Die Gefahr, die von der IB für die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgeht, besteht darin, dass sie sich als elitär-intellektuelle Impulsgeberin geriert. In dieser Rolle versucht sie, Jugendliche und junge Erwachsene über die Grenzscheide, die Demokratie und Extremismus voneinander trennt, zu locken, indem sie rechtsextremistische Inhalte und Begriffe verwischte. Diese Strategie ist umso bedenklicher, als die IB ihre Anhängerschaft vor allem in einem jungen akademisch geprägten Spektrum verortet, das später einmal zu den Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 49 EXTREMISMUS IN HESSEN Entscheidungsträgern in Politik, Staat, Gesellschaft, Wissenschaft, Bildung und Kultur gehören kann. neonazis | Die in Hessen mehrheitlich durch regional lose strukturierte Gruppierungen geprägte Neonazi-Szene konzentrierte sich auf öffentlichkeitswirksame propagandistische Aktionen: Das betraf vor allem die Teilnahme an Demonstrationen und das Verteilen von Aufklebern und Flugblättern. Dagegen war die Kameradschaft Aryans überregional bzw. länderübergreifend strukturiert. Zwei ihr zuzurechnende Neonazis, die aus Hessen stammten, wurden zu Freiheitsstrafen jeweils ohne und mit Bewährung verurteilt. Hintergrund waren Ausschreitungen während der rechtsextremistischen 1. MaiDemonstration der Partei DIE RECHTE in Sachsen-Anhalt im Jahr 2017. Im Berichtsjahr beteiligte sich die Kameradschaft erneut am 1. Mai an einer rechtsextremistischen Demonstration in Thüringen. In Hessen gab es keine öffentlichkeitswirksamen Aktionen der Aryans. Die im Verhältnis zum Jahr 2017 gestiegene Anzahl der Gewalttaten verdeutlicht, dass in der Neonazi-Szene eine hohe Gewaltbereitschaft besteht. Um Radikalisierungstendenzen und Gewalttaten rechtzeitig zu erkennen und frühzeitig zu unterbinden, wird das LfV die neonazistische Szene in Hessen auch in Zukunft intensiv beobachten. nPd | Auch mit dem im Berichtsjahr neu gewählten Landesvorstand war die Partei in Hessen ebenso wenig handlungsfähig wie in der Vergangenheit. Lediglich einige Kreisverbände waren aktiv und traten öffentlich in Erscheinung. Ihre Agitationsschwerpunkte legte die NPD bevorzugt im Internet und in sozialen Netzwerken auf die Themen "Asylmissbrauch", "Flüchtlinge" und "Innere Sicherheit". Letztlich war diese Agitation nicht erfolgreich, da die NPD bei der RECHTSEXTREMISTISCHE STRAFUND GEWALTTATEN IN HESSEN (2014 BIS 2018) 800 799 600 659 513 540 539 400 Strafund Gewalttaten 200 insgesamt 21 20 23 16 25 0 Gewalttaten 2014 2015 2016 2017 2018 50 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 EXTREMISMUS IN HESSEN hessischen Landtagswahl lediglich 0,2% (= 6.190 Zweitstimmen) erreichte. Darüber hinaus ist fraglich, ob es der NPD gelingen wird, den aus diesem Ergebnis resultierenden Verlust der Berechtigung zur Teilhabe an der Parteienfinanzierung und die damit einhergehende finanzielle Schwächung zu kompensieren. Neben ihrem Wahlkampf mobilisierte die NPD für die Kampagne "Schafft Schutzzonen!", um angeblich "Sicherheit von Deutschen vor Ausländerkriminalität" zu schaffen. Hierzu veröffentlichte sie im Internet Anleitungen und bot Utensilien wie Westen, Mützen und Abwehrspray an. Entsprechende "Schutzzonen"-Aktionen führten die NPD und ihre Jugendorganisation in Gestalt von "Streifengängen" in verschiedenen hessischen Städten durch. Mit ihrer Umbenennung in Junge Nationalisten (JN) versuchte die NPD-Jugendorganisation (ehemals Junge Nationaldemokraten) einen Neustart zur Lösung ihrer langjährigen personell-strukturellen Probleme einzuleiten. Tatsächlich vermochten die JN in Hessen ihre marginale Mitgliederzahl minimal zu erhöhen. Nachdem - ebenso wie bei der IB - das Facebook-Profil der JN gesperrt worden war, wichen sie in Hessen auf das Facebook-Profil der NPD aus. Unter dem Motto "Lieber ungezogen, statt umerzogen" versuchten die JN den Landtagswahlkampf der NPD zu unterstützen und richteten die Homepage schuelersprecher.info ein. An Schulen verteilten JN-Aktivisten Flyer und brachten Plakate an. Außerdem wurde eine neue Version der früheren "Schulhof-CD" als im Internet herunterladbare Datei angeboten. Sie enthielt Musik rechtsextremistischer bzw. rechtsextremistisch beeinflusster Bands und Liedermacher sowie verschiedene Imagevideos der JN. der dritte weg/der III. weg | Vergleichbar zu der NPD und den JN bildete die vor allem gegen Flüchtlinge gerichtete Fremdenfeindlichkeit einen maßgeblichen Agitationspunkt bei der Partei Der Dritte Weg. Mittels Flugblattverteilungen thematisierte Der Dritte Weg - in seiner Wortwahl wesentlich prononcierter als die IB ("großer Austausch") - den angeblich "drohenden Volkstod durch Überfremdung". Die Tötung einer 14-jährigen Schülerin in Wiesbaden (ein Asylbewerber wurde als Täter ermittelt) versuchte Der Dritte Weg für seine Zwecke zu instrumentalisieren und die Bevölkerung in fremdenfeindlicher Weise zu emotionalisieren. Außerdem agitierte Der Dritte Weg gegen den "Kapitalismus" und veranstaltete am 1. Mai in Sachsen einen "Arbeiterkampftag", dem in verschiedenen hessischen Gemeinden eine "antikapitalistische" Kampagne vorausgegangen war. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 51 EXTREMISMUS IN HESSEN Darüber hinaus wies der stellvertretende Vorsitzende des Dritten Wegs im Internet auf die Notwendigkeit hin, sich mit Kampfsport zu beschäftigen: Noch sei man nicht in der Lage, die "Kultur der Verweichlichung und des Pazifismus gesamtgesellschaftlich abzulösen, aber wir können bereits heute uns selber wehrhaft machen und damit dazu beitragen, einmal das ganze Volk wieder wehrhaft zu machen". Mit seiner Betonung der Relevanz von Kampfsport griff Der Dritte Weg offensichtlich auf den im Jahr 2013 etablierten rechtsextremistischen "Kampf der Nibelungen" zurück. Mit dem Kampfsport"Event" wollten die damaligen Veranstalter dem "faulenden politischen System [...] der Versager, der Heuchler und der Schwächlinge" eine wehrhafte "Alternative zum vorherrschenden ehrund wertelosen Zeitgeist" entgegensetzen, was - ebenso wie beim Dritten Weg - auf die Vermittlung von "Gewaltkompetenz" hinausläuft. Ähnlich offensiv erklärte Der Dritte Weg im Internet im Kontext der in Politik und Öffentlichkeit vielfach erörterten Demonstration am 27. August in Chemnitz (Sachsen) anlässlich der Tötung eines 35-Jährigen: "Der Kampf wird sich auf absehbare Zeit noch verschärfen, und zwar in dem Maße, je mehr die Politisierung der Massen zunimmt und sich immer mehr von der bürgerlichen Mitte in die radikalen Richtungen entwickeln". Dabei betonte die Partei, als antidemokratische avantgardistische "Kampfgemeinschaft" wirken zu wollen: "Stets haben entschlossene Minderheiten über den Verlauf von großen Ereignissen entschieden, die Masse folgt". Die nächsten Jahre gelte es zu nutzen: "Schaffung von Infrastrukturen, Kaderbildung, Vernetzung". Bereits der nationalsozialistische Agitator Joseph Goebbels hatte 1927 von der "verantwortlichen Minderheit" gesprochen, deren Aufgabe es sei, den Staat umzugestalten (s. oben das Kapitel Verfassungsschutz in Hessen). Virulente gefahr eines Rechtsterrorismus | Dass sowohl vor als auch nach der Urteilsverkündung des Oberlandesgerichts (OLG) München im Juli im sogenannten NSU-Prozess die Verbrechen der Terrorgruppe in der rechtsextremistischen Szene mehrheitlich keine "positive" Resonanz erfuhren, schließt eine eventuelle "Vorbildfunktion" des NSU für andere Rechtsextremisten nicht aus. Rechtsextremistische Gewaltpotenziale stellen - wie oben dargelegt - weiterhin eine hohe Gefahr für Leib und Leben dar. Daher setzen die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder die intensive Beobachtung der neonazistischen und grundsätzlich gewaltbereiten sowie waffenaffinen Szene fort, um mögliche Radikalisierungstendenzen bis hin zum Rechtsterrorismus frühzeitig zu erkennen und die hierfür zuständigen Behörden rechtzeitig zum Zweck der Strafverfolgung zu informieren. 52 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 EXTREMISMUS IN HESSEN flüchtlinge im Visier von Rechtsextremisten | Insgesamt nahm in Hessen die Zahl der Straftaten (38) im Zusammenhang mit der Flüchtlingsthematik gegenüber dem Vorjahr (2017: 54) deutlich ab. Im Unterschied zu den Vorjahren waren sämtliche Straftaten dem Bereich Politisch motivierte Kriminalität (PMK) - rechts - zuzuordnen. Damit bestätigt sich die Einschätzung, dass Fremdenfeindlichkeit ein unabdingbarer Bestandteil des Rechtsextremismus ist, aber auch - wie vor 2018 - in Teilen der nichtextremistischen Bevölkerung grassieren kann, wenn (etwa in der Wahrnehmung der Täter) die sozialökonomischen und politischen Verhältnisse massiven Änderungen unterworfen sind. ReIcHSBÜRgeR und SeLBStVeRwaLteR angebliches fortbestehen des deutschen Reichs - fantasiestaaten | Die Zahl der Reichsbürger und Selbstverwalter blieb im Berichtsjahr in Hessen mit etwa 1.000 Personen unverändert hoch. Sie lehnen unter anderem die Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem, die Staatsorgane und die demokratisch gewählten Repräsentanten ab. Reichsbürger behaupten, dass - in verschiedenen Varianten - ein Deutsches Reich fortbesteht; Selbstverwalter erfinden Fantasiestaaten und beanspruchen für sich ein von der Bundesrepublik Deutschland unabhängiges Territorium. Die Szene bestand aus einer Vielzahl verschiedener Gruppierungen und Einzelpersonen, war somit vielschichtig und unübersichtlich und umfasste Verschwörungstheoretiker und Rechtsextremisten ebenso wie Leichtgläubige und finanziell Gescheiterte. affinität zu waffen - entzug waffenrechtlicher erlaubnisse | Die Szene war außergewöhnlich waffenaffin, sodass die Gefahr bestand, dass sich ihre Angehörigen staatlichen Maßnahmen, die sie als "Plünderung" und "Raub" betrachten, mit Gewalt widersetzen. Die Anzahl der Reichsbürger und Selbstverwalter, die in Hessen über eine waffenrechtliche Erlaubnis verfügten, lag im hohen zweistelligen Bereich. Das Ziel der Sicherheitsbehörden in Hessen bleibt es daher, dass kein ihnen bekannter Reichsbürger bzw. Selbstverwalter waffenrechtliche Erlaubnisse oder Legalwaffen besitzt bzw. diese im Fall des Besitzes entzogen werden. In enger Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsund Waffenbehörden wurden bereits zahlreichen Reichsbürgern und Selbstverwaltern die waffenrechtlichen Erlaubnisse entzogen und Schusswaffen sichergestellt. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 53 EXTREMISMUS IN HESSEN LInkSeXtReMISMuS Personenpotenzial | Das Personenpotenzial im Phänomenbereich Linksextremismus war im Berichtszeitraum im Vergleich zu den Vorjahren konstant. Dabei bildete Frankfurt am Main - wie in der Vergangenheit - sowohl personell als auch strukturell den Schwerpunkt der autonomen Szene in Hessen. autonome | Von anderen Szenen in Hessen - etwa in den Universitätsstädten Kassel, Marburg (Landkreis Marburg-Biedenkopf) und Gießen (Landkreis Gießen) - hob sich der "harte Kern" der Autonomen in Frankfurt am Main vor allem durch seine bundesweite Vernetzung und seine hohe Gewaltbereitschaft ab. Mit dem Klapperfeld verfügte die Szene - neben dem Cafe ExZess, dem Cafe KoZ und dem Centro - über den bedeutendsten autonomen Treffpunkt in Hessen. "Antifaschistische" Aktionen und Demonstrationen standen zusammen mit den Themen "Antirepression", "selbstverwaltete Freiräume", "Antigentrifizierung" und "Antirassismus" im Fokus der Autonomen, etwa im März gegen die NPD in Wetzlar (Lahn-Dill-Kreis) und im August in Darmstadt gegen die Alternative für Deutschland (AfD). Dabei war das "Antifaschismus"-Verständnis der Autonomen von strikter Demokratiefeindlichkeit geprägt. Die Demokratie der Bundesrepublik Deutschland ist in ihrer Wahrnehmung ebenso "faschistisch" wie Personen und Strukturen, die sie so definieren. Der Betroffene kann dann LINKSEXTREMISTISCHES PERSONENPOTENZIAL IN HESSEN (2014 BIS 2018) 3.000 Gesamtzahl 2.500 der Linksextremisten 2.000 1.500 1.000 Sonstige Linksextremisten 500 Autonome 0 Anarchisten 2014 2015 2016 2017 2018 54 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 EXTREMISMUS IN HESSEN - unabhängig von seinen tatsächlichen Überzeugungen und Handlungen - zur "legitimen" Zielscheibe von Diffamierungen und Gewalttaten werden. Für dieses "Brandmarken" bedienten sich Autonome vor allem des Mittels des Outings: Den gewalttätigen Übergriff auf die Wohnung eines - in diesem Fall tatsächlichen - Rechtsextremisten bezeichneten Linksextremisten im Internet als "längst überfälligen antifaschistischen Hausbesuch" und bedauerten, dass der Bewohner zum Zeitpunkt ihres "Besuchs" abwesend gewesen sei. Auch eine Reihe von Brandstiftungen zum Nachteil "linker" Treffund Wohnobjekte im Rhein-Main-Gebiet sah die linksextremistische Szene als rechtsextremistisch motiviert an. Diejenigen politischen Parteien, die in den Monaten zuvor - vor dem Hintergrund der massiven gewalttätigen Ausschreitungen in Hamburg anlässlich des G20Gipfels 2017 - die Schließung verschiedener Treffpunkte in Frankfurt am Main gefordert hatten, bezeichnete die Szene als "geistige Brandstifter". Obwohl die polizeilichen Ermittlungen noch nicht abgeschlossen waren, outeten Linksextremisten einen im Dezember festgenommenen Tatverdächtigen als "rechten Brandstifter", veröffentlichten dessen Personalien im Internet, bewarfen sein Wohnhaus mit Steinen und beschmierten es mit Farbe. Strafund gewalttaten | Die Zahl der linksextremistisch motivierten Gewalttaten erhöhte sich in Hessen auf 13 (2017: fünf), wobei die Anzahl der Delikte in ihrer Gesamtheit im Berichtsjahr auf dem niedrigsten Niveau seit 2015 lag. Die seit den Ausschreitungen in Hamburg anhaltende öffentliche Diskussion über Autonome, ihre Trefflokalitäten und ihr Verhalten, dürfte - zumindest in Hessen - zu einem defensiveren Agieren der Szene und somit zu dem Rückgang beigetragen haben. Allerdings gilt es seitens der Sicherheitsbehörden den Anstieg der Gewalttaten und die damit eventuell verbundenen Entwicklungen ebenso wie in Bezug auf den Rechtsextremismus genau im Blick zu haben und zu analysieren. LINKSEXTREMISTISCHE STRAFUND GEWALTTATEN IN HESSEN (2014 BIS 2018) 300 250 278 200 150 100 86 Strafund Gewalttaten 55 90 insgesamt 50 25 61 48 16 5 13 0 Gewalttaten 2014 2015 2016 2017 2018 Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 55 EXTREMISMUS IN HESSEN "anti-Repression" - "anti-gentrifizierung" - "anti-Rassismus" | Im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen anlässlich der Ausschreitungen während des G20-Gipfels wurden bundesweit, auch in Hessen, Wohnungen durchsucht. Linksextremisten reagierten darauf sofort, so warnte die Rote Hilfe e. V. (RH) vor weiteren Exekutivmaßnahmen. Weitere Solidaritätsbekundungen - auch aus dem Phänomenbereich des Extremismus mit Auslandsbezug - folgten. Darüber hinaus protestierten Linksextremisten gegen die vor allem in Frankfurt am Main zunehmende Gentrifizierung sowie den in ihrer Perspektive "staatlich organisierten Rassismus" in Form der Abschiebung von Flüchtlingen. Im Kontext des Themas "Rassismus" riefen autonome Gruppierungen im Rahmen der bundesweiten Kampagne "Kein Schlussstrich - Tag X" zur Teilnahme an einer Demonstration am Tag der Urteilsverkündung im NSU-Prozess in München auf. deutsche kommunistische Partei (dkP) | Die Aktivitäten der DKP beschränkten sich überwiegend auf kommunalpolitische Aspekte. Die Partei führte nur wenige öffentlichkeitswirksame Aktionen durch, interne Veranstaltungen dominierten. Die internen Richtungskämpfe zwischen einer Gruppe, welche die traditionelle Rolle der Arbeiterklasse favorisierte, und dem Teil, der sich für innerparteiliche Reformen aussprach, setzten sich im Berichtsjahr fort. Auf einem Parteitag in Frankfurt am Main wurde ein Unvereinbarkeitsbeschluss verabschiedet, der eine Absage an die Umgestaltung der DKP von einer leninistisch-zentralistischen Partei zu einer Strömungspartei enthielt. Sozialistische deutsche arbeiterjugend (SdaJ) | Die eng mit der DKP verbundene SDAJ versuchte ihre Ziele vor allem mittels der Zusammenarbeit mit nichtextremistischen Organisationen zu erreichen. Während des Hessentags in Korbach (Kreis Waldeck-Frankenberg) demonstrierte die SDAJ gemeinsam mit der DKP sowie mit anderen Gruppen und Einzelpersonen gegen die dortige Präsenz der Bundeswehr. Ähnlich wie bei der DKP gab es in der SDAJ interne Auseinandersetzungen über die einzuschlagende strategische Ausrichtung. Marxistisch-Leninistische Partei deutschlands (MLPd) | Die im linksextremistischen Spektrum weitgehend isolierte MLPD konzentrierte sich auf die "Kurdistan-Solidaritätsarbeit", indem sie verstärkt mit Personen zusammenarbeitete, die der Partiya Karkeren Kurdistan (PKK, Arbeiterpartei Kurdistans) nahestanden. So rief die MLPD anlässlich des kurdischen Neujahrsfests zu Kundgebungen in Kassel und Darmstadt auf, Veranstaltungen der MLPD fanden häufig in PKK-nahen Treffpunkten statt. Rote Hilfe e. V. (RH) | Die RH begleitete im Berichtsjahr bei Strafprozessen vorwiegend Angeklagte, die linksextremistischen Gruppie56 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 EXTREMISMUS IN HESSEN rungen zuzurechnen waren. Mitunter meldete die RH Kundgebungen vor dem jeweiligen Gerichtsgebäude an bzw. veröffentlichte Verlaufsberichte über die Prozesse. So thematisierte sie wiederholt einen Prozess vor dem OLG München gegen Mitglieder zweier türkischer linksextremistischer Organisationen. Darüber hinaus führte die RH im Cafe ExZess in Frankfurt am Main eine Veranstaltung als Nachbetrachtung zum G20-Gipfel in Hamburg durch. ISLaMISMuS Jihadistischer Salafismus | Nachdem die salafistisch ausgerichtete Terrororganisation IS im Berichtsjahr eine Reihe schwerer militärischer Niederlagen erlitten hatte, galt sie seit März 2019, was ihre territoriale Existenz betraf, als besiegt. Trotzdem war es dem IS möglich, über verschiedene soziale Netzwerke seine jihadistische Propaganda zu verbreiten und zu entsprechend motivierten Anschlägen anzuleiten. Von nicht unerheblicher Bedeutung war dabei auch die Verbreitung der Propaganda durch Sympathisanten, die individuell - ohne Verbindung zu der Terrororganisation - jihadistische Texte verfassten und aus eigenem Antrieb über das Internet verbreiteten. Aufgabe der Sicherheitsbehörden war und bleibt es, mögliche Attentäter, die sich solchermaßen "inspirieren" lassen, vor der Ausführung eines Anschlags zu identifizieren. Nur in wenigen Fällen lagen zu den Akteuren bereits über einen längeren Zeitraum sich auf Tatsachen ISLAMISTISCHES PERSONENPOTENZIAL IN HESSEN (2014 BIS 2018) 5.000 Gesamtzahl 4.000 der Islamisten 3.000 2.000 1.000 Salafisten 2014 2015 2016 2017 2018 Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 57 EXTREMISMUS IN HESSEN stützende Erkenntnisse vor, die eindeutig auf eine Anschlagsabsicht hinwiesen. Vor diesem Hintergrund war die Anschlagsgefahr unvermindert hoch. Auch das bundesweit und in Hessen hohe Personenpotenzial der Salafisten - 11.200 (2017: 10.800) bzw. 1.650 (2017: 1.650) Personen in Hessen - gab weiterhin Anlass zur Besorgnis. Insgesamt lag das islamistische Personenpotenzial in Hessen im Vergleich zum Vorjahr unverändert bei 4.170 Personen. In Frankreich, Belgien und in den Niederlanden begingen Einzeltäter, die augenscheinlich entweder im Auftrag des IS oder eigeninitiativ handelten, jihadistisch motivierte Anschläge. In Köln (NordrheinWestfalen) vereitelten die Sicherheitsbehörden die Anschlagsvorbereitungen eines IS-Sympathisanten, in Hessen nahm die Polizei jeweils einen irakischen und einen syrischen Staatsangehörigen fest. Ein Angeklagter soll einen nicht näher konkretisierten Selbstmordanschlag in Deutschland oder in Großbritannien vorbereitet haben, ein anderer soll Mitglied in einer ausländischen Terrororganisation gewesen sein und sich an Kampfhandlungen in Syrien beteiligt haben. Die entsprechenden Prozesse begannen im Februar bzw. im März 2019 vor dem OLG Frankfurt am Main. deutlich verringerte ausreisedynamik | Zu etwa 150 Islamisten aus Hessen lagen den Sicherheitsbehörden im Berichtszeitraum Erkenntnisse vor, dass sie in Richtung Syrien oder Irak reisten, um dort auf Seiten des IS und anderer terroristischer Gruppierungen an Kampfhandlungen teilzunehmen oder diese in sonstiger Weise zu unterstützen. Insgesamt zeichnete sich - in Übereinstimmung mit dem Bundestrend - eine deutlich verringerte Ausreisedynamik ab. Zu etwa 20 Personen gab es Informationen, wonach sie sich aktiv an Kämpfen in Syrien oder im Irak beteiligten oder hierfür eine Ausbildung absolvierten. Ferner lagen zu rund 50 Personen Hinweise vor, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit in Syrien oder im Irak ums Leben kamen. Die hessischen Sicherheitsbehörden sind bestrebt, jihadistisch motivierte Ausreiseplanungen frühzeitig zu erkennen, um sie zu unterbinden. Vor diesem Hintergrund bewegte sich die Anzahl der behördlich verhängten Ausreiseverbotsverfügungen im Berichtsjahr im mittleren zweistelligen Bereich. Rückkehrer-Problematik: jihadistische frauen und kinder | Zahlreiche Kinder und Jugendliche, die zum Teil in den damaligen Herrschaftsgebieten des IS geboren worden waren oder dorthin zusammen mit ihren Eltern ausgereist waren, befanden sich in Gefangenschaft der Anti-IS-Allianz. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, 58 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 EXTREMISMUS IN HESSEN dass etliche dieser Personen unverändert von der IS-Ideologie befangen und von psychischen und körperlichen Gewalterfahrungen geprägt sind. Da diese Personen bei einer Rückkehr nach Deutschland eine potenzielle Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen, beschäftigt sich der Verfassungsschutzverbund intensiv mit der Rückkehrer-Problematik von jihadistischen Frauen und deren Kindern. Strafund gewalttaten | Die überwiegende Anzahl der Straftaten (27 Delikte) im Berichtszeitraum war dem Jihadismus zuzurechnen. Der erhebliche Rückgang um 72 Delikte gegenüber dem Jahr 2017 kam in erster Linie durch die Änderung der polizeilichen Erfassungsrichtlinien in Bezug auf Verdachtsmeldungen des BAMF zustande. Zahlreiche Ermittlungsverfahren, die mit Hinweisen aus BAMF-Verfahren in Verbindung standen, waren somit den Vorjahren und nicht dem Anhörungsdatum im Berichtsjahr zuzurechnen. Wie 2017 gab es im Berichtsjahr in Hessen eine Gewalttat. Politischer Salafismus | Im Rahmen des "We-Love-Muhammad"-Projekts wurde eine weitere Auflage der Biografie des Propheten Mohammed (20.000 Exemplare) ausgeliefert, in der Summe waren es bislang mehr als 60.000 Bücher. Die Akteure bereiteten ihre Aktionen regelmäßig im Internet auf und warben hierfür mit Bildern und Videos, die wiederum von Sympathisanten weiterverbreitet wurden. Die Missionierungsbemühungen zu dem - nach salafistischer Interpretation - "wahren Islam" wurden somit über den eigentlichen Veranstaltungsrahmen hinaus auf einen größeren Adressatenkreis ausgeweitet. Dabei mieden Salafisten sowohl das politische Engagement als auch den öffentlichen Diskurs. Dennoch kann die salafistische Doktrin auch gesamtgesellschaftlich wirken und somit politischen Einfluss gewinnen. ISLAMISTISCHE STRAFUND GEWALTTATEN IN HESSEN (2014 BIS 2018) 100 99 80 60 69 62 54 40 Strafund Gewalttaten 20 27 insgesamt 1 1 0 1 1 0 Gewalttaten 2014 2015 2016 2017 2018 Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 59 EXTREMISMUS IN HESSEN Hizb ut tahrir (Hut, Partei der Befreiung) - Realität Islam (RI) | Die in Mörfelden-Walldorf (Kreis Groß-Gerau) ansässige Gruppierung RI versuchte, ihre Anhängerschaft auch aus dem akademischen Milieu zu rekrutieren und war vor allem in sozialen Netzwerken aktiv. Dabei stand RI der in Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegten HuT nahe. Den Schwerpunkt der Aktivitäten von RI bildete die Kampagne "Deine Stimme gegen das Kopftuchverbot"/"#Kopftuchunserepflicht". In diesem Rahmen sammelten Aktivisten in Fußgängerzonen und Moscheen Unterschriften für eine an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags einzureichende Petition gegen ein angeblich in Nordrhein-Westfalen geplantes "Kopftuchverbot" für Mädchen unter 14 Jahren. Gegenüber der Öffentlichkeit verschwieg die Gruppierung RI ihre islamistischen Ziele und ihren ideologischen Hintergrund. Erst die Lektüre der Publikation "Realität Islam[.] Eine Einführung[.] Gemeinsam für eine starke und bewusst agierende Gemeinschaft" offenbart das von RI propagierte Weltbild und den damit einhergehenden Gegensatz zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Muslimbruderschaft (MB) | Ihre Versuche, in verschiedenen gesellschaftlich relevanten Institutionen Fuß zu fassen, setzten MB-Anhänger in Hessen unauffällig fort. Darüber hinaus bemühte sich die der MB nahestehende Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V. (IGD) mittels ihrer Umbenennung in Deutsche Muslimische Gemeinschaft e. V. (DMG), sich als unbelastete Ansprechpartnerin für einen offenen, gemäßigten Islam zu präsentieren. Offenbar wollte sie auf diese Weise ihre mittlerweile auch öffentlich bekannt gewordenen Verbindungen zur MB verschleiern. Bis zum Ende des Berichtszeitraums war die Namensänderung formal im vereinsrechtlichen Sinne noch nicht vollzogen. Saadet Partisi (SP, Partei der glückseligkeit) | Die der Milli-GörüsBewegung angehörende SP band im Berichtsjahr sowohl ihre Mitglieder als auch ihren Jugendnachwuchs weiter an sich. Nachdem Anhänger des SP-Landesverbands Hessen ihre regelmäßigen Treffen in der Vergangenheit an wechselnden Orten veranstaltet hatten, standen ihr spätestens seit Ende Mai in einem Mehrzweckgebäude in Hanau (Main-Kinzig-Kreis) feste Räumlichkeiten zur Verfügung. Regelmäßige Gastauftritte und -vorträge hochrangiger außerhessischer und türkischer SP-Funktionäre deuten auf den hohen Stellenwert des Landesverbands in Hessen für die Mutterpartei in der Türkei hin. 60 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 EXTREMISMUS IN HESSEN eXtReMISMuS MIt auSLandSBeZug Personenpotenzial | Dass die Zahl der Extremisten mit Auslandsbezug seit mehreren Jahren - tendenziell leicht abnehmend - im Berichtszeitraum relativ konstant war, lag unter anderem daran, dass bei Gruppierungen kurdischen und türkischen Ursprungs stabile legalistische Strukturen bestanden, die sich kaum veränderten. Der Rückgang des Personenpotenzials im Berichtsjahr auf 4.330 (2017: 4.475) kam durch die Selbstauflösung bzw. die zunehmende Inaktivität separatistischer Gruppen im Baskenland sowie auf Sri Lanka zustande. Pkk | Die türkische Militäroffensive gegen mutmaßliche Stützpunkte des syrischen PKK-Ablegers in der Region Afrin bestimmte über weite Teile des Berichtsjahrs das von großen Emotionen geprägte Verhalten der PKK-Anhängerschaft. Hessenund bundesweit kam es zu einer Vielzahl sowohl friedlicher Proteste als auch gewalttätiger - vor allem gegen Sachen gerichteter - Aktionen, die unter anderem aus Aufrufen der PKK-Führung im Ausland resultierten. Allein bis Mitte März, dem Ende der Militäroffensive, waren bundesweit mehr als 1.000 Kundgebungen zu verzeichnen, in Hessen etwa 160. Dabei kooperierten auch deutsche Linksextremisten mit PKK-Anhängern. Aktionen vor allem der PKK-Jugendorganisation Ciwanen Azad (Freie Jugend) gegen türkische Einrichtungen verdeutlichten, dass friedlicher politischer Protest jederzeit eskalieren konnte. Diese hochemotionale Stimmung spiegelte sich besonders in Kassel wider, wo EXTREMISTISCHES PERSONENPOTENZIAL MIT AUSLANDSBEZUG IN HESSEN (2014 BIS 2018) 5.000 Gesamtzahl der Extremisten mit Auslandsbezug 4.000 3.000 2.000 Türkischer Ursprung 1.000 Kurdischer Ursprung 0 Sonstige 2014 2015 2016 2017 2018 Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 61 EXTREMISMUS IN HESSEN ein Farbanschlag auf ein Gebäude verübt wurde, in dem sich sowohl eine türkische Moschee als auch ein Verein befanden, welcher der türkischen nationalistischen Ülkücü-Bewegung zuzurechnen ist. Neben der türkischen Militäroffensive beeinflussten die anhaltende Sorge um den Gesundheitszustand ihres inhaftierten Anführers Abdullah Öcalan und dessen fortwährende Einzelhaft das Verhalten der PKK-Anhängerschaft. In Darmstadt und in Frankfurt am Main kam es zu entsprechenden Protesten, in Kassel entzündeten während einer vom deutschen linksextremistischen Spektrum angemeldeten Kundgebung Demonstrationsteilnehmer unter anderem pyrotechnische Gegenstände. Beim Versuch eine Polizeikette zu durchbrechen, setzten sie Fahnenstangen und Pfefferspray gegen die Einsatzkräfte ein und warfen Steine auf die Polizisten. Strafund gewalttaten | Zwar ging die Anzahl der Delikte im Phänomenbereich Extremismus mit Auslandsbezug gegenüber 2017 (118) auf 84 im Berichtsjahr zurück, es war jedoch - wie im Rechtsund Linksextremismus - bedenklich, dass die Zahl der Gewalttaten von einer (2017) auf zwölf (2018) zunahm und 2018 innerhalb eines FünfJahres-Zeitraums den höchsten Stand erreichte. Analog zu den anderen Phänomenbereichen gilt es seitens der Sicherheitsbehörden diese Entwicklung genau zu beobachten und zu analysieren. devrimci Halk kurtulus Partisi-cephesi (dHkP-c, Revolutionäre Volksbefreiungspartei-front) | Vor dem Hintergrund des Prozesses gegen einen hochrangigen DHKP-C-Funktionär vor dem Hanseatischen OLG in Hamburg wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung kam es bundesweit, auch in Frankfurt am Main und in Darmstadt, zu Solidaritätskundgebungen und zeitlich befristeten Hungerstreiks. Während eines Konzerts der Band Grup Yorum, die dem Propagandanetzwerk der DHKP-C zuzurechnen ist, EXTREMISTISCHE STRAFUND GEWALTTATEN MIT AUSLANDSBEZUG IN HESSEN (2014 BIS 2018) 120 118 100 80 84 60 71 61 40 Strafund Gewalttaten 41 insgesamt 20 8 10 12 2 1 0 Gewalttaten 2014 2015 2016 2017 2018 62 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 EXTREMISMUS IN HESSEN in Frankfurt am Main verstießen die Musiker gegen die Auflagenverfügung. Sie flochten verbotene Lieder in andere ein und zeigten verbotene Symbole. Auf diese Weise propagierte und verbreitete das Musikerkollektiv von Grup Yorum, das in der Türkei einem Auftrittsverbot unterliegt, ideologische Inhalte der Terrororganisation in Form einer "geschickten" Mischung aus folkloristischer Musik und politischen Texten. oRganISIeRte kRIMInaLItät (ok) Mögliche einflussnahmen | Die vom LfV überwiegend mit nachrichtendienstlichen Mitteln und im Rahmen der Zusammenarbeit mit anderen Verfassungsschutzbehörden sowie ausländischen Nachrichtendiensten gesammelten Erkenntnisse eignen sich selten für eine öffentliche Darstellung. Besonders wachsam wurden weiterhin Versuche von OK-Gruppen beobachtet, die möglicherweise darauf ausgerichtet sind, Einfluss auf Politik, Verwaltung, Justiz, Medien und Wirtschaft zu erlangen. Schwerpunkte | Im Bereich der Rockerkriminalität lag der Beobachtungsschwerpunkt auf den Osmanen Frankfurt BC sowie auf Aktivitäten von Gruppen und Einzelpersonen im Bereich der russischen und italienischen OK. In Nordhessen wurden im Berichtsjahr aufgrund umfangreicher Ermittlungen deutscher und italienischer Sicherheitsbehörden fünf Personen festgenommen, die mutmaßlich der 'Ndrangheta angehören. SPIonageund cyBeRaBweHR Illegale Informationsbeschaffung und Sabotage | Dem LfV wurden nicht nur staatlich initiierte Angriffe mit dem Ziel der Informationsbeschaffung bekannt, sondern auch Attacken, die auf das Schädigen bzw. die Sabotage virtueller Systeme zielten. Schwerpunktmäßig wurden im Berichtszeitraum Cyberaktivitäten mit russischem Hintergrund beobachtet, das heißt vor allem Angriffe auf Infrastrukturbetreiber und die Energiebranche. Der Verfassungsschutz erhielt eine Vielzahl von Hinweisen auf Verdachtsfälle hinsichtlich möglicher Wirtschaftsund Wissenschaftsspionage gegen hessische Unternehmen und Institutionen. Häufig waren Forschungseinrichtungen und forschungsintensive Branchen betroffen. Insbesondere iranische und chinesische Cyberaktivitäten ließen auf ein andauerndes Interesse an wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Zielen schließen. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 63 EXTREMISMUS IN HESSEN 64 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 RECHTSEXTREMISMUS - MeRkMaLe - RecHtSeXtReMIStIScHeS PeRSonenPotenZIaL - PaRteIunaBHängIge BZw. PaRteIungeBundene StRuktuRen - neonaZIS - RecHtSeXtReMIStIScHe PaRteIen - SuBkuLtuReLL oRIentIeRte RecHtSeXtReMISten - RecHtSeXtReMIStIScHe MuSIk - koMMunIkatIonSStRategIen Von RecHtSeXtReMISten - RecHtSteRRoRISMuS - fLÜcHtLInge IM VISIeR Von RecHtSeXtReMISten - RecHtSeXtReMIStIScHe StRafund gewaLttaten RECHTSEXTREMISMUS MeRkMaLe Rechtsextremisten lehnen die freiheitliche demokratische grundordnung der Bundesrepublik deutschland ab und bekämpfen sie zum teil mit gewalt. Sie verfolgen extremistische Bestrebungen in unterschiedlichen formen. AUF EINEN BLICK * das deutsche Volk als höchster wert * "ethnopluralismus" * Ideologie der ungleichheit * "kampf um die Parlamente" - "kampf um die Straße" das deutsche Volk als höchster wert | Das deutsche Volk stellt für alle Rechtsextremisten den höchsten Wert dar. Sie ordnen die Rechte und Freiheiten anderer Völker und Nationen wie auch die des einzelnen Menschen diesem Nationalismus unter. Nach ihren Vorstellungen hat der Einzelne im Sinne eines völkischen Kollektivismus seinen Wert nur durch die Zugehörigkeit zum Volk, das heißt durch eine bestimmte Herkunft. "ethnopluralismus" | Teile des Rechtsextremismus, vor allem die Identitäre Bewegung, propagieren das Konzept des "Ethnopluralismus" und behaupten in einer verschleiernden Sprache, dass sie für die Vielfalt der Völker einstehen würden. In Wirklichkeit zielt dieses Konzept auf einen strikten Nationalismus, der "fremde" Menschen ausgrenzt und dadurch Fremdenfeindlichkeit provoziert. Der "Ethnopluralismus" beschreibt die Unterschiede zwischen den Völkern und meint damit letztlich die homogene nationale Identität der eigenen Ethnie. Ideologie der ungleichheit | Rechtsextremisten vertreten somit eine Ideologie der Ungleichheit, die in vielfacher Hinsicht den Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung widerspricht. An die Stelle demokratischer Entscheidungsprozesse wollen Rechtsextremisten einen autoritären (Führer-)Staat setzen, in dem nur der angeblich in sich einheitliche Wille der "Volksgemeinschaft" herrscht. "kampf um die Parlamente" - "kampf um die Straße" | Ihre Ziele verfolgen Rechtsextremisten auf unterschiedliche Art und Weise. Rechtsextremistische Parteien treten zu Wahlen an und versuchen, sich der demokratischen Strukturen zu bedienen, um diese letztlich abzuschaffen. Demgegenüber setzen Neonazis vor allem auf den "Kampf um die Straße". Sie versuchen, durch öffentlichkeitswirksame Aktionen sowohl im Internet als auch in der "realen" Welt Aufmerksamkeit zu erzielen. 66 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 RECHTSEXTREMISMUS RecHtSeXtReMIStIScHeS PeRSonenPotenZIaL1 Gegenüber dem zurückliegenden Berichtsjahr 2017 blieb das rechtsextremistische Personenpotenzial weitgehend konstant. | 2018 2017 2016 2015 2014 in Parteien Hessen 285 275 265 260 260 Bund 5.510 6.050 6.550 6.650 6.850 davon in der Partei NPD Hessen 260 250 250 250 250 Bund 4.000 4.500 5.000 5.200 5.200 Der Dritte Weg Hessen 15 15 15 10 10 Bund 530 500 350 300 200 DIE RECHTE Hessen 10 10 Bund 600 650 700 650 500 2 in parteiunabhängigen bzw. parteiungebundenen Strukturen Hessen 640 650 510 Bund 6.600 6.300 weitgehend unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial3 Hessen 550 540 560 Bund 13.240 12.900 Gesamtzahl der Rechtsextremisten (nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften) Hessen 1.475 1.465 1.335 1.310 1.310 Bund 24.100 24.000 23.100 22.600 21.000 davon gewaltorientiert4 Hessen 680 670 650 400 400 Bund 12.700 12.700 12.100 11.800 10.500 1 Die Zahlen sind teilweise geschätzt und gerundet. 2 Im Jahr 2017 wurde das Personenpotenzial bundesweit neu kategorisiert. Unter in parteiunabhängigen bzw. parteiungebundenen Strukturen wurden in Bezug auf Hessen vor allem Neonazis sowie die Identitäre Bewegung erfasst. 3 Unter weitgehend unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial fallen unter anderem Anhänger der subkulturellen Musikszene. Für Hessen wurden die Zahlen rückwirkend für das Jahr 2016 ermittelt. 4 Bis 2015 wurde bei der Darstellung des Gesamtpersonenpotenzials in Hessen die Anzahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten ausgewiesen. Seit 2016 wird die Anzahl gewaltorientierter Rechtsextremisten angegeben. Der Oberbegriff "gewaltorientiert" umfasst die Begriffe gewalttätig, gewaltbereit, gewaltunterstützend und gewaltbefürwortend. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 67 RECHTSEXTREMISMUS PaRteIunaBHängIge BZw. PaRteIungeBundene StRuktuRen Identitäre Bewegung deutschland e. V. (IBd)/ Identitäre Bewegung Hessen (IBH) DEFINITION/KERNDATEN die IBd ist innerhalb des Rechtsextremismus ein relativ neues Phänomen, das sich "modern", "intellektuell" und aktionsorientiert präsentiert und in seiner Bildersprache etliche elemente der Logo der IdentitäPopkultur verwendet. typisch rechtsextremistische bzw. nationalren Bewegung sozialistische Begriffe wie etwa "Volksgemeinschaft" und "Rasse" deutschland gehören nicht zum Vokabular der IBd, stattdessen verwendet sie "Identität" und "ethnie" als chiffren. damit versucht die IBd mittels Bundesvorsitzender: ihrer Selbstdarstellung in den sozialen Medien und mit Hilfe medienDaniel Fiß (Mecklenburg-Vorpommern) wirksamer aktionen vor allem internetaffine Jugendliche und junge erwachsene zu gewinnen, um eine neue völkische Jugendkultur bzw. Mitglieder: politische Strömung zu etablieren. Vor allem über die direkte komIn Hessen etwa 80, munikation in den sozialen Medien, die nicht auf die traditionelle bundesweit etwa 600 Berichterstattung und kommentierung von fernsehen, Radio und Printmedien (auch im Internet) angewiesen ist, versucht die Medien: Identitäre Bewegung (IB), Begriffe und Inhalte neu und scheinbar Internetpräsenzen unverfänglich zu definieren und damit auch Personen außerhalb der \ rechtsextremistischen Szene anzusprechen. So sagte ein Vertreter der IB: "wir haben die gesetze des Marketings, der Sozialen Medien, und des gesellschaftsspektakels verstanden. wir gießen diese erkenntnisse in überraschende, aber verständliche aktionen. wir sprechen die Sprache der Jugend und erzeugen die Bilder, die die Mediengesellschaft versteht". (Schreibweise wie im original.) EREIGNISSE/ENTWICKLUNGEN obwohl die IB im Berichtsjahr versuchte, größtmögliche mediale und öffentliche aufmerksamkeit zu erringen, gingen ihre aktivitäten hessenweit zurück. Über einzelne aktionen veröffentlichte die IBd Berichte mit fotos bzw. Videos auf ihrer Homepage oder ihrem twitter-Profil. auf diese weise versuchte sie nicht nur, neue angehörige zu werben, sondern auch die eigenen aktivisten zu motivieren. AUF EINEN BLICK * Jugendliche und junge erwachsene als Zielgruppe * Reaktion auf die Sperrung von facebook-accounts * Publikation Identitärer aktivist * Rechtsextremistisches Merchandising Jugendliche und junge erwachsene als Zielgruppe | Thematisch konzentrierte sich die IBH auf ihrer Facebook-Seite auf den Protest gegen 68 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 RECHTSEXTREMISMUS die Migrationsund Asylpolitik. Auf der Homepage der IBD hieß es in der Rubrik FAQ ("Wie wollt ihr eure Ziele umsetzen"): "Wir sind auf der Straße und veranstalten Kundgebungen, Demonstrationen und viele weitere Formen des Straßenprotests. Wir organisieren politische Bildungsveranstaltungen und platzieren durch spektakuläre Aktionen unsere Themen und Slogans im öffentlichen Raum, um die politischen und medialen Schweigespiralen zu durchbrechen". Wie in den Vorjahren führte die IBH Bannerund Plakataktionen unter anderem in Frankfurt am Main, Marburg (Landkreis Marburg-Biedenkopf) und Wiesbaden durch. Da die IB vor allem mit flashmobartigen Aktionen größtmögliche Aufmerksamkeit erreichen wollte, wurden solche Aktionen durch Aktivisten gefilmt und virtuell verbreitet. Ende Januar wurde auf mehreren Internetpräsenzen - unter anderem der IBD sowie auf der Facebook-Seite der IBH - auf die Kampagne "120 Dezibel" aufmerksam gemacht. Zur Entstehung des Namens der Kampagne, die sich speziell an Frauen richtete, hieß es: "120db ist die Lautstärke eines handelsüblichen Taschenalarms, den heute viele Frauen bei sich tragen. 120 Dezibel ist der Name unseres Aufschreis gegen importierte Gewalt. Mach mit und erzähle [...] von deinen Erfahrungen mit Überfremdung, Gewalt und Missbrauch". Für die Kampagne und den damit verbundenen Appell wurden eine Homepage, ein YouTubeund ein Twitter-Kanal mit der Aufforderung eingerichtet, hierüber zu "erzählen". Am 8. März führte die IBH eine groß angelegte "Doppelaktion" im Terminal 1 des Frankfurter Flughafens durch, wo Aktivisten ein Banner mit der Aufschrift "Offene Grenzen kosten Menschenleben - Ein Rückflugticket kostet 100 EUR, ein Grenzzaun 200 EUR #Remigration" entrollten und Fotos von Opfern islamistischer Terroranschläge in die Höhe hielten. In Frankfurt am Main bestiegen wenig später IBH-Aktivisten das Vordach des Hauptbahnhofs und zeigten ein Banner mit der Aufschrift "Endstation Multikulti? Notbremse ziehen - Remigration". Dabei zündeten sie pyrotechnische Gegenstände. Am Nachmittag desselben Tages veröffentlichte die IBH einen Facebookund Twitter-Beitrag zu der "Doppelaktion". Auf der Internetseite der IBH wurde am 8. Juni auf einen am selben Tag stattgefundenen "Flashmob in Wiesbaden nach Vergewaltigung und Ermordung der 14-jährigen Susanna" hingewiesen. In dem Beitrag wurde ein Banner gezeigt, das die Aufschrift "Remigration! Mul- V tikulti ist gescheitert" und das Lambda-Zeichen ( ) enthielt. Ein Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 69 RECHTSEXTREMISMUS entsprechendes Video wurde auf YouTube sowie auf der Homepage der IBH veröffentlicht. Am 14. Juni zeigten Aktivisten der IBH ein Banner vor dem Britischen Honorarkonsulat in Frankfurt am Main. Hierzu hieß es auf der IBHHomepage, dass Aktivisten eine "Protestaktion zur Inhaftierung des britischen Journalisten und Patrioten Tommy Robinson abgehalten" hätten. Dieser war in Großbritannien inhaftiert worden, da er widerrechtlich mehrmals Filmaufnahmen von einem Prozess angefertigt hatte, in dem muslimische Einwanderer des Kindesmissbrauchs angeklagt waren. Am 29. Juni führten IBH-Aktivisten vor der Philosophischen Fakultät der Philipps-Universität Marburg eine Aktion durch, die sie filmten. Anschließend veröffentlichten sie einen entsprechenden Beitrag auf YouTube sowie auf der IBH-Homepage. In dem entsprechenden Artikel hieß es: "Dieser Teil der Philipps-Universität ist vor allem bekannt für die politische Tünche durch die extreme Linke [...]. Unsere Aktivisten, gekleidet in Schutzanzüge, [...] sperrten den Haupteingang symbolisch ab. Ein Banner mit der Aufschrift ,Achtung! Sie betreten jetzt eine ideologisch kontaminierte Zone!' soll Passanten dabei vor der politischen Vereinnahmung einer eigentlich freien Lehreinrichtung warnen, zu dessen Bekräftigung einer der Aktivisten unsere Kritik durch ein Megafon verkündete". Darüber hinaus führte die IBH verschiedene Stammtischtreffen durch und nahm an überregionalen Aktivitäten wie zum Beispiel Festivals der IB teil. Aktivisten aus Hessen beteiligten sich auch an besonders medienund öffentlichkeitswirksamen Aktionen der IBD. So führte die IBD am 25. August ihr Festival "Europa Nostra" in Dresden (Sachsen) durch, wobei sie erstmalig eine derartige Großkundgebung mit umfangreichem Rahmenprogramm veranstaltete. Verschiedene Verkaufsund Informationsstände waren aufgebaut, des Weiteren hielten führende Aktivisten der IB Vorträge. Reaktion auf die Sperrung von facebook-accounts | Im Mai sperrte Facebook zahlreiche Accounts von Aktivisten und verschiedenen Regionalbzw. Ortsgruppen der IB. Als Reaktion hierauf verbreitete die IBD die zuvor über Facebook publizierten Beiträge nunmehr zentriert über die eigene Homepage. Nach der Sperrung der Facebook-Seite bestand weiterhin ein Twitter-Account der IBH, der in unregelmäßigen Abständen aktualisiert und als mediales Mittel genutzt wurde, um über Aktionen zu berichten. 70 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 RECHTSEXTREMISMUS Publikation Identitärer aktivist | Nachdem die IBH 2017 erstmals die Publikation Identitärer Aktivist, die in insgesamt drei Ausgaben erschienen war, veröffentlicht hatte, war im Berichtszeitraum keine weitere Ausgabe feststellbar. Rechtsextremistisches Merchandising | Um ihre primäre Zielgruppe, das heißt Jugendliche und junge Erwachsene, zu erreichen und eine eigene Jugendbewegung zu etablieren, bot die IBD über Online-Versandhäuser entsprechende Produkte an, darunter in einem "IB-Laden", der mittels einer eigenen Internetseite sowie über Facebook verschiedene Produkte offerierte, mit denen sich jeder "patriotische Aktivist" mit neuem Material ausstatten könne. Das Warenangebot umfasste unter anderem Bekleidung wie T-Shirts, Aufkleber ("Revolte gegen den großen Austausch", "Multikultur ist eine Lüge!") und Flugblätter. entSteHung/geScHIcHte die IBd sieht sich als ableger der Identitären Bewegung Österreich (IBÖ), die wiederum aus dem 2003 in frankreich entstandenen Bloc Identitaire - Le mouvement social europeen, der späteren generation Identitaire (gI), hervorgegangen war. In der IBÖ sieht die IBd ein "Vorbild". AUF EINEN BLICK * ursprung in frankreich * IB in deutschland ursprung in frankreich | Die "erste größere Aktion" der GI - so ihre eigene Einschätzung - fand im Oktober 2012 statt, als 60 bis 80 Jugendliche in Poitiers (Frankreich) eine Moschee im "Kampf für unsere Identität" besetzten und dies in einem später im Internet verbreiteten Video wie folgt rechtfertigten: "Es ist fast 1300 Jahre her, als Karl Martell die Araber bei Poitiers nach einem heroischen Kampf aufhalten konnte und so unser Land vor den muslimischen Invasoren gerettet hat. Es war der 25. Oktober 732. Heute sind wir im Jahr 2012 und die Wahl ist immer noch die gleiche: Frei zu leben oder zu sterben. Unsere Generation weigert sich, seine Menschen und seine Identität in Gleichgültigkeit aufzugeben, wir werden nie zu den Indianern Europas werden". Ebenfalls im Oktober 2012 erschien auf YouTube das GI-Video "Kriegserklärung - Identitäre Generation". Darin hieß es unter anderem: "Wir sind die Generation der ethnischen Spaltung, des totalen Scheiterns des Zusammenlebens und der erzwungenen Mischung der Rassen. Wir Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 71 RECHTSEXTREMISMUS sind die doppelt bestrafte Generation: Dazu verdammt in ein Sozialsystem einzuzahlen, das so großzügig zu Fremden ist, dass es für die eigenen Leute nicht mehr reicht. Unsere Generation ist das Opfer der 68er, die sich selbst befreien wollten von Tradition, von Wissen und autoritärer Erziehung. [...] Unser Erbe ist unser Land, unser Blut, unsere Identität". IB in deutschland | Nach der Veröffentlichung des Videos, das sich europaweit rasch in verschiedenen Sprachen (mit Untertiteln) verbreitete, wurden auch in Deutschland Anhänger der IB aktiv, zunächst "virtuell" im Internet, dann aber auch zunehmend "real", indem sich regionale Gruppen bildeten. Anfang Dezember 2012 fanden sich deutsche Anhänger der IB zu ihrem ersten bundesweiten, konstituierenden Treffen in Frankfurt am Main zusammen, unter ihnen auch Vertreter aus Österreich und Italien. In Hessen trat die IB seit Ende 2012 mit Plakatund Aufkleberaktionen öffentlich in Erscheinung. Im April 2014 fand in Fulda (Landkreis Fulda) ein Treffen statt, das der weiteren Vernetzung diente. In der Folge gründete sich im Mai 2014 in Nordrhein-Westfalen der Verein Identitäre Bewegung Deutschland e. V. mit dem Ziel, die "Identität des deutschen Volkes als eine eigenständige unter den Identitäten der anderen Völker der Welt zu erhalten und zu fördern". IdeoLogIe/ZIeLe Indem die IB von "ethnopluralismus" spricht, stellt sie in ihrem kampf gegen den vermeintlichen "großen austausch" "kulturelle eigenheiten" und die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnie über die in der freiheitlichen demokratischen grundordnung verankerten werte. AUF EINEN BLICK * "ethnopluralismus" - "ethnokulturelle Identität" * "der große austausch" * Symbolik des griechischen Buchstabens Lambda ( ) V * angebliches Recht auf "widerstand" "ethnopluralismus" - "ethnokulturelle Identität" | Die IBD betont die dominierende Bedeutung von Abstammung und Identität und steht damit in Nähe zur völkischen Ideologie von Rechtsextremisten. Den Menschen nimmt die IBD nicht primär in seiner Individualität, sondern vorrangig in Bezug auf seine ethnische Herkunft wahr. Hierzu hieß es auf der Homepage der IBH: "Die entscheidenden Fragen des 21. Jahrhunderts werden vor allem auf dem Feld der Identitätspolitik gestellt werden. Dabei müssen wir als patriotische Europäer unweigerlich zur Kenntnis nehmen, dass sich die de72 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 RECHTSEXTREMISMUS mographischen Verhältnisse zu Ungunsten der einheimischen Bevölkerung entwickeln und uns ohne ein politisches Umdenken zahlreiche ethnische, kulturelle und religiöse Konflikte erwarten". Die IBD rekurriert mit ihrem Konzept des "Ethnopluralismus" nicht auf die Vordenker des "klassischen" Rechtsextremismus. Im Gegensatz zu diesen vertritt die IBD die Auffassung, dass es auf die Unterschiedlichkeit der Ethnien im kulturellen Sinne ankomme. Diese "kulturellen" Eigenarten - im Jargon der IBD die "Identität" - gelte es durch eine größtmögliche Trennung der verschiedenen Ethnien zu erhalten. Ethnopluralisten geben vor, dabei keine Unterscheidung nach der Wertigkeit einer Ethnie vorzunehmen, was sie vordergründig von den im Rechtsextremismus vorherrschenden rassistischen Ideologien unterscheidet. Es gelte gleichwohl, so die IBD, die eigene Kultur zu bewahren, da sie das eigene Dasein maßgeblich ausmache. Entwicklungen der modernen Welt wie Globalisierung und Migration gingen darauf aus, diese elementaren Güter zu zerstören. Aus Sicht der IBD geschieht dies nicht zufällig, sondern sei Teil eines aktiven Prozesses zur Zerstörung der Eigenheiten der Völker Europas. "der große austausch" | Mit dem Begriff "Der große Austausch" bezeichnet die IBD die angebliche "Tendenz einer schrittweisen Verdrängung der einheimischen Bevölkerung zugunsten fremder und zumeist muslimischer Einwanderer". Nach eigenen Worten erteilt die IBD "Rassismus und Chauvinismus eine klare Absage, da es uns stets um die Betonung des Rechts auf Bewahrung der Identität für jedes Volk und jede Kultur geht und wir eine qualitative Aufoder Abwertung einer bestimmten ethnokulturellen Gemeinschaft klar ablehnen. Wir wollen daher auch die Identität des deutschen Volkes in ihrer Besonderheit neben den vielen weltweit nebeneinanderstehenden Völkern in ihrer jeweiligen Einzigartigkeit bewahren. Die ethnische und die kulturelle Seite / unserer Identität sind dabei für uns gleichwertig. Die Überbetonung eines Teilaspekts der Identität lehnen wir ab". Die IBD bezeichnet sich selbst nicht als nationalistisch. In dem Grundsatzartikel "Nationalismus vs. ethnokulturelle Identität" auf der IBDHomepage heißt es: "Wir Identitäre sind nicht nationalistisch! [...] Unsere Idee ist keine nationale, sondern eine europäische". Vielmehr sei es wichtiger, "dass die Europäer sich als solche begreifen und sich nicht durch nationalistische Ressentiments bei der Findung eines gemeinsamen und starken Überlebenswillens selbst im Wege stehen". In dem mehrteiligen Artikel "Nationalismus revisited" wird ausgeführt: Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 73 RECHTSEXTREMISMUS "Ja, wir stehen für den Erhalt unserer ethnokulturellen Identität, gegen Masseneinwanderung, gegen die Lüge von ,Menschheit und Weltstaat', für den Erhalt der Völker, der Wurzeln, der Herkunft und der Heimat, aber nein, wir sind keine Nationalisten". Die in der Vergangenheit geführten offenen Diskurse über und Bezüge auf antiliberale und antidemokratische Intellektuelle - wie den Staatsrechtslehrer Carl Schmitt (1888 bis 1985) und den italienischen Faschisten Julius Evola (1898 bis 1974) - oder die explizite Werbung für den russischen Publizisten und "Philosophen" Alexander Dugin waren im Zuge der neustrukturierten öffentlichen Darstellung der IBD im Berichtszeitraum nicht mehr feststellbar. V Symbolik des griechischen Buchstabens Lambda ( ) | In ihrer Bildsprache verwendete die IBD im Internet, bei Veranstaltungen sowie auf Flyern, Aufklebern und Merchandisingartikeln den griechischen V Buchstaben , der durch die Comicverfilmung "300" aus dem Jahr 2006 einem breiten Publikum bekannt geworden ist. Der Film glorifiziert das antike Sparta und den letztlich aussichtslosen Verteidigungskampf von 300 Spartanern (Lakedaimoniern) gegen die Übermacht der Perser in der Schlacht bei den Thermopylen (480 v. Chr.). In vielfachen Variationen zeigt der Film bewaffnete und kämpferischentschlossene Spartaner im Kampf gegen die persischen Angreifer. Die IBD identifiziert sich mit dieser Bildersprache und sieht sich in ihrem "Abwehrkampf" in der Tradition der Spartaner. In einem Video erklärt die IBD in Bezug auf den Buchstaben Lambda, der in der Antike die "Schilder [sic] der stolzen Spartaner schmückte": "Wir werden nie zurückweichen, niemals aufgeben! Glaubt nicht, das hier wäre einfach nur ein Manifest, es ist eine Kampfansage an diejenigen, welche ihr Volk, ihr Erbe, ihre Identität und ihr Vaterland hassen und bekämpfen! Ihr seid von gestern, wir sind von Morgen!" \ 74 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 RECHTSEXTREMISMUS Die Orientierung der IBD an Sparta, das "bis heute [...] als Inbegriff eines schon in der Frühzeit gesetzlich streng regulierten und rein militärisch ausgerichteten Staates" (Lukas Thommen) gilt, ist daher keine vordergründige Symbolik. Die Bildersprache, insbesondere die Verwendung des Buchstabens Lambda, steht für Anschauungen der IB, die nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar sind. angebliches Recht auf "widerstand" | Nach Auffassung der IBD sei "eindeutig" der Widerstandsfall nach Art. 20 Abs. 4 GG eingetreten. Das Recht auf Widerstand rechtfertige in der jetzigen Situation zivilen Ungehorsam, keine Gewalt. In diesem Kontext scheute die IBD nicht davor zurück, an die Akteure der Weißen Rose als historische Vorbilder zu erinnern. Dabei hob die IBD insbesondere auf den gewaltfreien Widerstand der Weißen Rose gegen das nationalsozialistische Gewaltund Terrorregime ab, der sich 1942/43 unter anderem mittels Flugblattaktionen artikuliert hatte, eine Aktionsform, auf die auch die IBD zurückgreift. StRuktuRen Die IBD gliederte sich laut ihrer Facebook-Auftritte bundesweit in 16 Regionalgruppen, eine davon war die IBH, wobei nicht jede Gruppe sowohl im Internet als auch "real" existierte. In Hessen gab es mehrere Ortsgruppen der IB, die unter anderem in Frankfurt am Main, Gießen (Landkreis Gießen), Kassel, Marburg (Landkreis Marburg-Biedenkopf) und Darmstadt aktiv waren. BeweRtung/auSBLIck Die IBD zeigte sich - vor allem in den sozialen Medien - in einem modern anmutenden Design, womit sie versuchte, politische Inhalte im gewohnten Stil plakativ, schnell und verständlich zu transportieren. Die Abschaltung verschiedener Facebook-Seiten der IB hatte dabei zur Folge, dass sie sich vermehrt auf die eigene Homepage und Twitter als virtuelle Plattform konzentrierte. In ihrer Sprache verwendete die IBD die in der demokratischen Mehrheitsgesellschaft eindeutig negativ besetzten Begriffe wie "Volksgemeinschaft" und "Rasse" nicht, stattdessen verwendete sie Begriffe wie "Identität" und "Ethnie". Vor diesem Hintergrund, hinzu kommt das in den Augen mancher Jugendlicher und junger Erwachsener "coole Design", darf die von der IBD ausgehende Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht unterschätzt werden, zumal sich die IBD als elitär-intellektuelle Impulsgeberin versteht und präsentiert. Dadurch, dass die IBD behauptet, der "letzten Generation" anzugehören, die den Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 75 RECHTSEXTREMISMUS "Untergang Europas" aufhalten könne und in diesem Zusammenhang von einer "Kriegserklärung" spricht, schafft sie ein Klima des vermeintlich legitimen Widerstands und fördert die Radikalisierung. Indem sich die IBD mit den Widerstandskämpfern der Weißen Rose gegen das nationalsozialistische Unrechtsund Terrorregime vergleicht und nach Art. 20 Abs. 4 GG das Widerstandsrecht für sich reklamiert, versucht sie ihr Handeln und ihre politischen Inhalte positiv zu deuten und gleichsam gesellschaftspolitisch zu legitimieren. Dieses Vorgehen ist als Versuch zu werten, die eigene Ideologie als allgemein gesellschaftsfähig darzustellen. neonaZIS DEFINITION/KERNDATEN Rechtsextremisten, die nach der Überwindung der gewaltRegionale Schwerpunkte: Mittelhessen diktatur des nationalsozialismus (1933 bis 1945) dessen Ideologie in ihren inhaltlichen Zielsetzungen oder im Rahmen ihrer Aktivisten /Anhänger: aktivitäten zu verwirklichen versuchen, werden als neonazis beIn Hessen etwa 250 zeichnet. Zahlreiche neonazistische organisationen sind verboten, neonazis finden sich aber immer wieder in neuen gruppierungen, Medien : Internetpräsenzen Bündnissen und Plattformen zusammen. Zu rechtsextremistischen Parteien und zu subkulturell orientierten Rechtsextremisten und \ Skinheads unterhalten neonazis, denen grundsätzlich eine gewaltorientierung zuzuschreiben ist, enge kontakte. eReIgnISSe/entwIckLungen wie in den Jahren zuvor konzentrierten sich neonazis auf öffentlichkeitswirksame propagandistische aktionen: die teilnahme an demonstrationen und an Mahnwachen sowie die Verteilung von aufklebern und flugblättern. die Szene war mehrheitlich durch lose regionale gruppierungen geprägt; die kameradschaft aryans wies demgegenüber eine überregionale, länderübergreifende Struktur auf. AUF EINEN BLICK * Berserker Pforzheim - ortsgruppe Lahn-dill * combat 18 deutschland (c 18 deutschland) * freier widerstand Hessen (fwH) * kameradschaft aryans * thule-Seminar e. V. 76 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 RECHTSEXTREMISMUS Berserker Pforzheim - ortsgruppe Lahn-dill | Die Berserker Pforzheim - Ortsgruppe Lahn-Dill hatte ihren Aktivitätsschwerpunkt im Lahn-DillKreis. Die Gruppierung, deren engerer Kreis eine Angehörigenzahl im einstelligen Bereich umfasste, war in der Vergangenheit bei Demonstrationen - insbesondere im Lahn-Dill-Kreis - in einheitlicher Kleidung in Erscheinung getreten. Als Reaktion auf polizeiliche Durchsuchungsmaßnahmen am 23. Januar gab die Gruppierung wenige Tage später ihre Auflösung bekannt. Grund der Durchsuchungen war ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts von Verstößen gegen das Waffengesetz, das Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, das Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln sowie wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung. combat 18 deutschland (c 18 deutschland) | Bei C 18 Deutschland handelt es sich um eine Gruppierung, deren Ursprung in einer 1992 in England gegründeten Organisation liegt. Combat 18 steht in der Szene für den bewaffneten Arm des rechtsextremistischen Netzwerks Blood and Honour. Die Bezeichnung setzt sich aus dem Wort combat (dt. Kampf) sowie aus der Zahl 18, die für den ersten und achten Buchstaben des Alphabets steht, zusammen. Der Name Combat 18 kann demnach mit Kampf(truppe) Adolf Hitler übersetzt werden. Angehörige der Gruppierung waren in mehreren Ländern, auch in Hessen, wohnhaft. Seit Ende 2018 führt die Generalstaatsanwaltschaft München ein Ermittlungsverfahren gegen zwölf Beschuldigte wegen des Verdachts des Verstoßes gegen ein Vereinigungsverbot gemäß SS 85 Strafgesetzbuch (StGB). Konkret handelt es sich um den Verdacht der Wiederbelebung der seit 2000 verbotenen Vereinigung Blood and Honour Division Deutschland. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens / Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 77 RECHTSEXTREMISMUS fanden am 12. Dezember bundesweite Durchsuchungsmaßnahmen statt, wovon auch ein Mitglied von Combat 18 Deutschland betroffen war. Per Haftbefehl wurde die beschuldigte Person noch am selben Tag festgenommen. Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder beobachten Combat 18 Deutschland mit besonderer Aufmerksamkeit, insbesondere auch vor dem Hintergrund der durchaus gewalttätigen Historie der englischen Gruppierung in ihrer Anfangszeit. Vergleichbares war in Deutschland bislang nicht festzustellen. Dennoch wird die intensive Beobachtung dieser grundsätzlich gewaltbereiten und waffenaffinen rechtsextremistischen Gruppierung fortgesetzt, um mögliche Radikalisierungstendenzen frühzeitig zu erkennen und die Strafverfolgungsbehörden rechtzeitig einzubinden. freier widerstand Hessen (fwH) | Der aus der neonazistischen Gruppierung Nationale Sozialisten Main-Kinzig (NSMK) hervorgegangene FWH berichtete auf Facebook unter anderem über Aktivitäten der Partei DIE RECHTE, so etwa über deren Parteitag im März. Dem entsprechenden Beitrag zufolge führte der FWH im Anschluss an den Parteitag einen gemeinsamen Stammtisch mit Mitgliedern der Partei DIE RECHTE durch. Im Spätsommer organisierte der FWH nach eigenen Angaben einen Liederabend mit dem thüringischen Liedermacher Julmond. Auf seiner Ende 2018 eingerichteten Homepage berichtete die Gruppierung, dass ihre Aktivisten die rechtsextremistischen Parteien DIE RECHTE, den Dritten Weg sowie die Nationaldemokratische Partei Deutschlands im Rahmen des hessischen Landtagswahlkampfs durch das Verteilen von Werbematerialien unterstütze. Öffentlichkeitswirksame Aktionen, die direkt mit dem FWH in Verbindung standen, wurden im Berichtsjahr nicht festgestellt. kameradschaft aryans | Die Kameradschaft, bei der es sich um einen länderübergreifenden Personenzusammenschluss gewaltbereiter Neonazis handelt, wies auch Personenbezüge nach Hessen auf. Öffentlichkeitswirksamkeit erzielte die Gruppierung seit etwa Ende 2016 zunächst mit ihrer Facebook-Seite. Im Profilbild war der Schriftzug "Aryans" auf einer schwarz-weiß-roten Fahne, flankiert von Reichsadler-Abbildungen, zu sehen gewesen. Seit 2017 trat die Gruppierung bei Demonstrationen und sonstigen Veranstaltungen in Erscheinung. Dabei trugen die Teilnehmer einheitliche schwarze Oberbekleidung mit der Aufschrift "Aryans 88" (Vorderseite) und "Support your Race" (Rückseite). Im Rahmen der rechtsextremistischen 1. Mai-Demonstration 2017 der Partei 78 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 RECHTSEXTREMISMUS DIE RECHTE in Halle (Saale) in Sachsen-Anhalt kam es zu Ausschreitungen, an denen auch Aktivisten der Aryans aus Hessen beteiligt waren. In diesem Zusammenhang wurden zwei Neonazis aus Hessen verurteilt: In dem einen Fall zu drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung sowie in dem anderen zu einem Jahr und zwei Wochen Freiheitsstrafe auf Bewährung. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Auch im Berichtsjahr trat die Gruppierung am 1. Mai bei einer rechtsextremistischen Demonstration in Erfurt (Thüringen) auf. In Hessen selbst kam es zu keinen öffentlichkeitswirksamen Aktionen der Kameradschaft. thule-Seminar e. V. | Das 1980 von dem Rechtsextremisten Dr. Pierre Krebs gegründete Thule-Seminar e. V. mit Sitz in Kassel versteht sich als "Forschungsund Lehrgemeinschaft für die indoeuropäische Kultur". Selbsterklärtes Ziel des Thule-Seminars e. V. ist es, eine "geistiggeschichtliche Ideenschmiede für eine künftige Neuordnung aller europäischen Völker unter besonderer Berücksichtigung ihres biokulturellen und heidnisch-religiösen Erbes" zu sein. Dabei begreift sich das Thule-Seminar e. V. als ideologische Denkschule mit elitärem Selbstverständnis und verbreitete insbesondere in Publikationen und im Internet völkisch-rassistisches Gedankengut. Als Ideologe, Ideengeber und auch Vortragsredner versuchte Krebs, Wirkung in rechtsextremistischen Kreisen zu erzielen. Bereits Anfang der 1980er Jahre hatte er den gegenwärtig vor allem von der IB genutzten Begriff des "Ethnopluralismus" verwendet. Im Hinblick auf den "Extremfall, dass Westeuropa durch den mörderischen Globalismus und die rassische Durchmischung zur Auflösung gebracht" werde, strebte Krebs das rein biologistisch-rassistische und an der nationalsozialistischen Ideologie orientierte Ziel an, ein "genetisches Reservoir zu schaffen". Das Thule-Seminar e. V. betrieb - neben seiner umfangreichen Homepage - unter anderem den Eigenverlag Ahnenrad der Moderne und den Buchund Kunstversanddienst Ariadne. IdeoLogIe/ZIeLe neonazis orientieren sich, wenn auch in unterschiedlicher ausprägung, an der Ideologie des nationalsozialismus (unter anderem an Rassismus, antisemitismus, Sozialdarwinismus, nationalismus, antipluralismus) und idealisieren den "führer" des nationalsozialistischen unrechtsund terrorregimes, adolf Hitler (1889 bis 1945). AUF EINEN BLICK * "Volksgemeinschaft" - Revisionismus * uneinheitlichkeit der neonazi-Szene * Zahlencodes * kampf gegen das "System" Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 79 RECHTSEXTREMISMUS "Volksgemeinschaft" - Revisionismus | Das Ziel von Neonazis ist die Schaffung eines ethnisch homogenen, diktatorischen Staats. Die Rechte des Einzelnen, Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt - insgesamt Pluralismus - haben in der von Neonazis angestrebten deutschen "Volksgemeinschaft" keinen Platz. Die "Volksgemeinschaft" schließt Menschen anderer Kulturen und auch solche "Deutsche" aus, die Neonazis aufgrund von Behinderungen, sexueller Orientierung und sozialer Marginalisierung als "unwert" einstufen. Das Individuum soll sich dem angeblichen Gesamtwillen unterordnen. Historische Tatsachen deuten Neonazis in revisionistischer Manier um und leugnen dabei auch den Holocaust. uneinheitlichkeit der neonazi-Szene | Die neonazistische Szene ist in sich nicht homogen. Zum einen wird das "Dritte Reich" (1933 bis 1945) als Vorbild betrachtet und eine Wiederherstellung des Nationalsozialismus angestrebt, zum anderen wird die nationalsozialistische "Weltanschauung" neu interpretiert oder "antikapitalistisch" mit Bezügen zum Linksextremismus und entsprechenden Aktionsformen "modernisiert". Die überwiegende Zahl der Neonazis befürwortet jedoch die Kernelemente des Nationalsozialismus: Führerprinzip, Antisemitismus und die Ideologie der "Volksgemeinschaft". Zahlencodes | Intern bekennen sich Neonazis zu ihrer Ideologie, indem sie zum Beispiel nationalsozialistische Grußformeln ("Sieg Heil", "Heil Hitler") verwenden und den "Hitler-Geburtstag" feiern. Nach außen bekennen sich Neonazis wegen der Strafbarkeit eher in verklausulierter Form zum Nationalsozialismus, etwa in der Form der Selbstbezeichnung von Gruppierungen. So steht etwa bei dem 2015 durch das Hessische Ministerium des Innern und für Sport verbotenen Verein Sturm 18 e. V. die Zahl 18 für den ersten und achten Buchstaben im Alphabet (AH), also für Adolf Hitler. Entsprechend steht 88 für "Heil Hitler". \ kampf gegen das "System" | An die Stelle der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wollen Neonazis einen autoritären Führerstaat sowie eine ethnisch einheitliche "Volksgemeinschaft" setzen. Unsere freiheitliche Demokratie bezeichnen Neonazis als "System", das es abzuschaffen gelte. Bereits die Nationalsozialisten hatten die Weimarer Republik mit dieser Bezeichnung diffamiert. Der Aufruf zum Kampf gegen das "System" ist ein Grundpfeiler neonazistischer Propaganda. Zielgruppe sind vor allem junge Menschen, die früh an die neonazistische Szene herangeführt und an sie gebunden werden sollen. 80 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 RECHTSEXTREMISMUS StRuktuRen die neonazi-Szene wies in der Vergangenheit unterschiedliche Strukturen und organisationsgrade auf. Hierarchisch strukturierte Vereine bildeten die im Berichtszeitraum vorherrschende organisationsform. AUF EINEN BLICK * Verbot strukturierter neonazistischer Personenzusammenschlüsse * Lose strukturierte kameradschaften - "freie kräfte" Verbot strukturierter neonazistischer Personenzusammenschlüsse | Zu den strukturierten Personenzusammenschlüssen zählte die am 21. September 2011 vom Bundesminister des Innern verbotene Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V. (HNG) sowie der am 27. Oktober 2015 durch das Hessische Ministerium des Innern und für Sport verbotene Sturm 18 e. V. Gleichfalls verbot der Bundesminister des Innern am 16. März 2016 die neonazistische Weisse Wölfe Terrorcrew, da sie offen und aggressiv gegen Staat, Gesellschaft, Migranten und Andersdenkende agierte, sich durch ein erhebliches Maß an Gewaltbereitschaft auszeichnete und eine fremdenfeindliche und menschenverachtende Ideologie verbreitete. Lose strukturierte kameradschaften - "freie kräfte" | In den letzten Jahren traten weniger formalisierte, lose strukturierte Kameradschaften und sogenannte Freie Kräfte an die Stelle derartiger Personenzusammenschlüsse. BeweRtung/auSBLIck Auch wenn die neonazistische Szene sich im Berichtsjahr öffentlichkeitswirksam nicht intensiv betätigte, blieben ihre internen Aktivitäten im Vergleich zum Vorjahr konstant. Nach wie vor versuchten neonazistische Gruppierungen, sich im rechtsextremistischen Spektrum zu vernetzen und durch die Erweiterung ihres Kontaktumfelds Synergieeffekte zu schaffen. Beispielhaft hierfür steht die Verteilung von Wahlkampfmaterialen für rechtsextremistische Parteien im Landtagswahlkampf. Allerdings werden das Internet und verschiedene Messenger-Dienste für die Vernetzung auch in Zukunft das bevorzugte Mittel sein. Gleiches gilt für die Verbreitung fremdenfeindlicher Propaganda, die ebenfalls eine verbindende Wirkung auf die Szene entfaltet. Wie anhand der im Verhältnis zum Vorjahr gestiegenen Gewalttaten ersichtlich, ist außerdem die weiterhin hohe Gewaltbereitschaft herHessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 81 RECHTSEXTREMISMUS vorzuheben, die weite Teile der neonazistischen Szene abseits der ideologischen Übereinstimmungen eint. Um die Anwendung von Gewalt gegen angebliche Gegner der Szene möglichst frühzeitig zu unterbinden und mögliche Radikalisierungstendenzen rechtzeitig zu erkennen, wird das LfV die neonazistische Szene in Hessen auch in Zukunft intensiv beobachten. RecHtSeXtReMIStIScHe PaRteIen nationaldemokratische Partei deutschlands (nPd) Logo der NPD DEFINITION/KERNDATEN die nPd vertritt nationalistische, völkische und revisionistische Positionen. Insgesamt weist ihre Programmatik eine ideologische und sprachliche nähe zur nationalsozialistischen Logo der JN deutschen arbeiterpartei (nSdaP) im "dritten Reich" auf. den verfassungsfeindlichen charakter der nPd stellte das Bundesverfassungsgericht in seinem urteil vom 17. Januar 2017 fest. Landesvorsitzender Daniel Lachmann während die nPd in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre in bis zu sieben westdeutschen Landesparlamenten vertreten war, verlor sie Bundesvorsitzender: Frank Franz (Saarland) in den folgenden Jahren an Bedeutung. Seit der wiedervereinigung 1989/90 nahm ihre lokale und regionale Verankerung, vor allem in Mitglieder: damals wirtschaftlich schlechter gestellten gebieten im osten In Hessen etwa 260, deutschlands, teilweise wieder zu. nachdem sie seit 2004 bzw. bundesweit etwa 4.000 2006 in den Landtagen von Sachsen und Mecklenburg-VorpomJugendorganisation: mern vertreten war, ist sie inzwischen in keinem Landesparlament Junge Nationalisten (JN) mehr präsent. Medien (Auswahl): Deutsche Stimme (DS), eReIgnISSe/entwIckLungen Internetpräsenzen Mit dem im Berichtsjahr neu gewählten Landesvorstand war der nPd-Landesverband Hessen ebenso wenig handlungsfähig wie in \ den Vorjahren. Lediglich einige kreisverbände waren aktiv und traten - wie etwa die kreisverbände Lahn-dill und wetterau - öffentlich in erscheinung. agitationsschwerpunkte waren wie in der Vergangenheit die themen "asylmissbrauch", "flüchtlinge" und "Innere Sicherheit", mit denen die nPd bevorzugt im Internet und in sozialen Medien ihre rechtsextremistische Ideologie verbreitete und vor allem bei wahlen versuchte, erfolge zu erzielen. dabei erreichte die nPd bei der hessischen Landtagswahl lediglich 0,2% der abgegebenen Zweitstimmen. 82 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 RECHTSEXTREMISMUS AUF EINEN BLICK * gegen die "Überfremdungsparteien" * auftaktveranstaltung für den wahlkampf zur hessischen Landtagswahl * Landesparteitag * wahlkampf - wahlergebnisse * kampagne "Schafft Schutzzonen!" * Bundesparteitag in Hessen gegen die "Überfremdungsparteien" | Bei der Direktwahl für das Amt des Bürgermeisters in Altenstadt (Wetteraukreis) am 4. März erreichte der Vorsitzende des NPD-Bezirksverbands Wetterau-Kinzig, Stefan Jagsch, ein Ergebnis von 6,0% (= 249 Stimmen). Das beste Resultat erzielte er mit 10,7% (= 57 Stimmen) im Ortsteil Waldsiedlung, wo er für die NPD ein Mandat im Ortsbeirat innehatte. In einer Stellungnahme bewertete Jagsch, den die NPD als "(r)echte Alternative zu den Vertretern der Überfremdungsparteien" dargestellt hatte, das Ergebnis als ",erfreulich und als Bestätigung unserer Arbeit'". Dies gelte es ",in den nächsten Monaten fortzuführen, damit zur Landtagswahl das Ergebnis ausgebaut werden'" könne. auftaktveranstaltung für den wahlkampf zur hessischen Landtagswahl | Mit einer unter dem Motto "Familie - Heimat - Nation" stehenden Veranstaltung wollte die NPD am 24. März in den Wahlkampf zur hessischen Landtagswahl starten. Während der in der Stadthalle in Wetzlar (Lahn-Dill-Kreis) geplanten Veranstaltung sollten verschiedene Redner sprechen sowie in der rechtsextremistischen Szene bekannte Bands und Liedermacher auftreten. Nachdem die Veranstaltung nicht in der Stadthalle Wetzlar stattfand, wichen die Rechtsextremisten in das Szeneobjekt Teutonicus in Leun (Lahn-Dill-Kreis) aus, wo im Verlauf des Abends einige jener rechtsextremistischen Bands und Liedermacher auftraten, die für die Veranstaltung in Wetzlar vorgesehen waren. An der Veranstaltung nahmen bis zu 150 Rechtsextremisten teil. Landesparteitag | Auf einem ordentlichen Parteitag des NPD-Landesverbands Hessen am 8. April in Leun (Lahn-Dill-Kreis) mit dem Motto "Mit uns gegen die Asyl-Mafia" wurden Daniel Lachmann zum neuen Landesvorsitzenden sowie Stefan Jagsch und Ingo Helge zu dessen "gleichberechtigten Stellvertretern" gewählt. In seiner Antrittsrede hob Lachmann die Wichtigkeit der Landtagswahl am 28. Oktober hervor. Er werde mit ernsthaftem Willen und einer arbeitsfähigen und zuverlässigen Mannschaft den Wahlkampf führen, um ein gutes Ergebnis zu erzielen. Jeder Deutsche, der auch künftig in einem deutschen Deutschland leben wolle, müsse die NPD wählen und unterstützen. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 83 RECHTSEXTREMISMUS wahlkampf - wahlergebnisse | Ihren Wahlkampf beschränkte die NPD überwiegend auf die Regionen Lahn-Dill, Wetterau und Bergstraße und wurde von Bundesvorstandsmitgliedern und Funktionären anderer Landesverbände unterstützt. Dabei errichtete die NPD Informationsstände und führte Kundgebungen und Flugblattverteilungen durch. Ihr vorrangiges Ziel, mit einem Stimmenanteil von mindestens 1,0% die weitere Teilhabe an der staatlichen Parteienfinanzierung des Landes Hessen zu erhalten, verfehlte die NPD, da sie bei der Wahl lediglich 0,2% der Zweitstimmen (= 6.190 Stimmen) erreichte. Bei der Landtagswahl im Jahr 2013 hatte die NPD dagegen 1,1% (= 33.433 Zweitstimmen) erzielt. In einer Stellungnahme bezeichnete der Landesvorsitzende Lachmann den Wahlausgang als "nach diesem beachtenswerten Wahlkampf nicht zufriedenstellend" und kündigte an, dass die NPD "gemeinsam mit anderen nationalen Organisationen und Parteien, in Hessen neue Wege für anstehende ,Schlachten' suchen" werde, da nur Einigkeit stark mache. ZWEITSTIMMENERGEBNISSE DER NPD IN DEN WAHLKREISEN | Wahlkreis Zweitstimmen-Anzahl Zweitstimmen in % Differenz zu 2013 in %-Punkten Bergstraße I 195 0,3 -0,9 Bergstraße II 131 0,2 -0,7 Darmstadt-Dieburg I 87 0,1 -0,7 Darmstadt-Dieburg II 89 0,1 -1,0 Darmstadt-Stadt I 33 0,1 -0,4 Darmstadt-Stadt II 45 0,1 -0,5 Eschwege-Witzenhausen 48 0,1 -0,8 Frankfurt am Main I 62 0,2 -1,1 Frankfurt am Main II 50 0,1 -0,5 Frankfurt am Main III 39 0,1 -0,4 Frankfurt am Main IV 44 0,1 -0,5 Frankfurt am Main V 18 0,0 -0,3 Frankfurt am Main VI 65 0,1 -0,7 Fulda I 101 0,2 -1,0 Fulda II 159 0,3 -1,2 Gießen I 113 0,2 -0,8 Gießen II 174 0,3 -1,1 Groß-Gerau I 103 0,2 -1,2 84 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 RECHTSEXTREMISMUS | Wahlkreis Zweitstimmen-Anzahl Zweitstimmen in % Differenz zu 2013 in %-Punkten Groß-Gerau II 89 0,1 -1,0 Hersfeld 145 0,4 -1,7 Hochtaunus I 80 0,1 -0,4 Hochtaunus II 64 0,1 -0,4 Kassel-Land I 86 0,1 -0,9 Kassel-Land II 64 0,1 -0,7 Kassel-Stadt I 36 0,1 -0,4 Kassel-Stadt II 51 0,1 -0,9 Lahn-Dill I 243 0,5 -1,3 Lahn-Dill II 219 0,4 -1,1 Limburg-Weilburg I 82 0,2 -1,0 Limburg-Weilburg II 87 0,2 -1,0 Main-Kinzig I 255 0,4 -1,3 Main-Kinzig II 167 0,3 -1,1 Main-Kinzig III 244 0,4 -1,2 Main-Taunus I 53 0,1 -0,5 Main-Taunus II 120 0,2 -0,6 Marburg-Biedenkopf I 86 0,2 -0,9 Marburg-Biedenkopf II 103 0,2 -0,4 Odenwald 119 0,3 -1,0 Offenbach Land I 59 0,1 -0,6 Offenbach Land II 50 0,1 -0,9 Offenbach Land III 88 0,1 -1,0 Offenbach Stadt 61 0,2 -1,3 Rheingau-Taunus I 52 0,1 -0,7 Rheingau-Taunus II 54 0,1 -0,7 Rotenburg 108 0,3 -1,3 Schwalm-Eder I 77 0,2 -0,8 Schwalm-Eder II 128 0,3 -0,9 Vogelsberg 270 0,4 -1,2 Waldeck-Frankenberg I 49 0,1 -0,7 Waldeck-Frankenberg II 67 0,2 -0,8 Wetterau I 139 0,2 -1,0 Wetterau II 681 1,5 -1,4 Wetterau III 190 0,4 -1,2 Wiesbaden I 65 0,1 -0,5 Wiesbaden II 86 0,2 -0,5 Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 85 RECHTSEXTREMISMUS kampagne "Schafft Schutzzonen!" | Seit Juni mobilisierte die NPD für die Kampagne "Schafft Schutzzonen!", womit sie in der Bevölkerung mit dem Thema "Sicherheit von Deutschen vor Ausländerkriminalität" zu emotionalisieren suchte. Die Kampagne hatte einen eigenen Internetauftritt, wobei auf den ersten Blick keine Verbindung zur NPD erkennbar war. Neben Anleitungen und Hilfestellungen zur Schaffung einer "Schutzzone" wurden im Internet rechtliche Hinweise gegeben. Zudem konnten Utensilien wie Westen, Mützen, Abwehrspray, Flugblätter und Aufkleber mit dem Emblem der Kampagne erworben werden. Eine "Schutzzone" definierte die NPD als einen nach außen abgegrenzten Bereich, in dem angeblich "Sicherheit" gewährleistet werden könne. So könnten zum Beispiel ein Gebäude, ein Fahrzeug, eine Telefonkette oder eine Personengruppe eine "Schutzzone" sein. Seit Anfang September führten in Hessen Aktivisten der NPD und der JN "Schutzzonen"-Aktionen - zum Beispiel in Form von "Streifengängen" - durch, so etwa in Hanau (Main-Kinzig-Kreis), Wetzlar (LahnDill-Kreis), Fulda (Landkreis Fulda), Friedberg (Wetteraukreis) und Wiesbaden. Dabei wurden auch Flyer und Abwehrspray an Frauen verteilt. Bis zum Ende des Berichtsjahrs kam es immer wieder zu "Schutzzonen"-Aktionen. Bundesparteitag in Hessen | Unter dem Motto "Festung Europa - Schutzzone Deutschland" fand in Büdingen (Wetteraukreis) am 17. November der Bundesparteitag mit der Wahl der Listenkandidaten für die Wahl zum Europäischen Parlament am 26. Mai 2019 statt. An dem "Europaparteitag" nahmen nach Angaben der NPD etwa 250 Delegierte und Gäste, darunter Gastredner europäischer rechtsextremistischer Parteien, teil. In einer Kampfabstimmung um den ersten Listenplatz setzte sich Udo Voigt, der in der siebten Legislaturperiode (2014 bis 2019) einzige Abgeordnete der NPD im Europäischen Parlament, gegen den mehrfach wegen Volksverhetzung und Leugnung des Holocaust vorbestraften ehemaligen Parteivorsitzenden Günter Deckert durch. Der NPD-Landesverband Hessen war auf der zehn Personen umfassenden Kandidatenliste nicht vertreten. In seiner Rede zur "Lage der Partei" sprach der Bundesvorsitzende Frank Franz von einer "schwierigen Phase" der Partei bei einer stagnierenden bis leicht fallenden Mitgliederzahl und betonte die "weitgehende Geschlossenheit" der NPD seit dem letzten Bundesparteitag". Am 15. März 2019 ließ der Bundeswahlausschuss des Deutschen Bundestags in öffentlicher Sitzung den Wahlvorschlag der NPD zur Europawahl zu. Bei der Wahl erhielt die NPD 0,2 Prozent der Stimmen und ist somit nicht mehr im Europäischen Parlament vertreten. 86 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 RECHTSEXTREMISMUS Junge nationalisten (Jn) auf dem Bundeskongress der nPd-Jugendorganisation wurden am 13. Januar in Riesa (Sachsen) ein neuer Bundesvorstand gewählt und die umbenennung der Jungen nationaldemokraten in Junge nationalisten beschlossen. Maßgeblicher grund für den namenswechsel war, den Jn vor dem Hintergrund langjähriger personellstruktureller Probleme einen neustart zu ermöglichen. Ihre nur marginale Mitgliederzahl vermochten die Jn in Hessen unter der Leitung ihres Landesvorsitzenden thassilo Hantusch nur leicht zu erhöhen. Vor diesem Hintergrund wurden die Jn in ihren aktionen von bisher noch nicht in erscheinung getretenen aktivisten unterstützt. um ihre insgesamt niedrige Mitgliederzahl zu kompensieren, bemühten sich die Jn in Hessen auch im Berichtsjahr als Bindeglied zum aktionsorientierten neonazistischen Spektrum zu fungieren, was ihnen nur bedingt gelang. AUF EINEN BLICK * demonstrationen in wetzlar (Lahn-dill-kreis) und wiesbaden * Reaktion auf Löschung des Jn-facebook-Profils * Schüler im fokus der Jn * kampagne "tatort Multikulti" demonstrationen in wetzlar und wiesbaden | Nachdem eine Wahlkampfveranstaltung der NPD nicht in der Stadthalle Wetzlar stattgefunden hatte, führten Rechtsextremisten als Protest eine nicht angemeldete Demonstration vor dem Polizeipräsidium Mittelhessen in Gießen (Landkreis Gießen) durch. Neben Aktivisten der JN beteiligten sich Personen, die sowohl dem bundesweiten Neonazi-Spektrum als auch der rechtsextremistischen Szene in Hessen zuzurechnen waren. Vor dem Europa-Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte in Wiesbaden demonstrierten am 15. April Rechtsextremisten unter dem Motto "US-Kriegstreiber stoppen - für freie souveräne Völker". Das Motto bezog sich auf die am Vortag von den USA, Großbritannien und Frankreich geführten Militärschläge gegen Ziele in Syrien, womit die Verbündeten auf einen dem Assad-Regime zugeschriebenen Giftgasangriff auf die Stadt Duma reagiert hatten. Verantwortlich für die Demonstration zeichnete ein Zusammenschluss rechtsextremistischer Organisationen namens Bündnis gegen Krieg und Imperialismus. Ein JN-Aktivist hatte die Demonstration zuvor kurzfristig angemeldet. Reaktion auf Löschung des Jn-facebook-Profils | Ebenso wie bei der IB sperrte im Mai der Plattformbetreiber das Facebook-Profil der JN Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 87 RECHTSEXTREMISMUS und entzog ihnen damit einen wesentlichen Kommunikationskanal für ihre Propagandatätigkeit. Als Reaktion wichen die JN Hessen auf das Facebook-Profil der NPD in Hessen aus. Darüber hinaus warb nun die NPD auf ihren Internetseiten für Aktionen der JN. Auf Twitter hieß es: "Die beiden hessischen JN[-] Seiten wurden auf Facebook gelöscht. Die Seiten würden ,Hassreden' verbreiten. Natürlich ist das völlig absurd und nur vorgeschoben. Die Arbeit der JN wird unbeirrt fortgesetzt und auch der Kampf für die Meinungsfreiheit geht weiter". Schüler im fokus der Jn | Den Landtagswahlkampf der NPD in Hessen unterstützten die JN, indem sie sich an Informationsständen beteiligten und "Schutzzonen"-Aktionen durchführten. Unter dem Motto "Lieber ungezogen, statt umerzogen" initiierte der JN-Bundesverband eine gezielt auf den Wahlkampf in Hessen ausgerichtete Kampagne namens schuelersprecher.info. Mittels der für die JN typischen fremdenund islamfeindlichen sowie antidemokratischen Narrative richtete sich die Kampagne sowohl an volljährige als auch an noch nicht wahlberechtigte Schüler und versuchte vor allem letztere zu einer aktiven Beteiligung bei den JN zu ermuntern. Hierfür wurden das Facebook-Profil schuelersprecher.info sowie eine entsprechende Homepage ins Leben gerufen. So hieß es zum Beispiel auf der Homepage: "Wir wählen deutsch! Was sonst? Wenn du durch die Straßen deiner Stadt gehst, siehst du die Veränderung deiner Heimat hin zu einer neuen Gesellschaft in der du als Deutscher keinen Platz mehr hast. Fühlst du dich in deiner Freiheit und Unabhängigkeit immer mehr eingeschränkt? [...] Willst du, dass dieser Zustand endlich ein Ende hat und wir in einem Land leben könne, in dem unsere Arbeitsund Ausbildungsplätze gesichert sind? [...] Statt Freizeitangebote für Jugendliche bieten die Multikultivertreter in Wiesbaden heute ,Demokratieund Toleranzunterricht' an. Statt junge deutsche Familien zu unterstützen, holen sie sich Millionen von ,Fachkräften' in unser Land, die dich deinen Platz einnehmen sollen. [...] Wir, die Jungen Nationalisten, haben eine Alternative für dich. Die NPD wird auch am 28.10. zur Landtagswahl antreten". (Schreibweise wie im Original.) "Du darfst noch nicht wählen? Der Kampf um deine Zukunft beginnt nicht mit dem Wahlalter und endet nicht an einer Wahlurne. [...] Wir wollen unser Land nachhaltig verändern! Um Teil des Widerstandes gegen dieses System zu werden, kannst du bereits jetzt aktiv werden, indem du dich bei uns meldest". Im Rahmen der Kampagne verteilten JN-Aktivisten Flyer an hessischen Schulen und brachten Plakate an. Außerdem wurde eine ei88 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 RECHTSEXTREMISMUS gens für die Kampagne zusammengestellte neue Version der früheren "Schulhof-CD" als im Internet herunterladbare Datei angeboten. Neben der Musik rechtsextremistischer bzw. rechtsextremistisch beeinflusster Bands und Liedermacher enthielt die Datei verschiedene Imagevideos der JN. In einem Facebook-Beitrag wurde zum Beispiel geäußert, dass sich die Schüler einer hessischen Berufsschule über die Anwesenheit der Aktivisten angeblich gefreut hätten. Es hieß weiter: "Selbst die Jungs mit Migrationshintergrund mussten zugeben das unsere Musik rockt" (Schreibweise wie im Original). kampagne "tatort Multikulti" | Darüber hinaus fanden im Berichtsjahr wie auch im Jahr zuvor vereinzelt Aktionen im Rahmen der JN-Kampagne "Tatort Multikulti" statt. In Wiesbaden, Limburg (Landkreis Limburg-Weilburg) und in Rabenau (Landkreis Gießen) wurden tatorttypische Leichenskizzen bzw. Umrisse auf den Boden gezeichnet und mit roter Farbe als Blutsymbol überzogen. Auf Flyern und Transparenten hieß es: "Tatort Multikulti! Bitte weitergehen und brav SPD und CDU wählen". entSteHung/geScHIcHte Mit der gründung der nPd 1964 in Hannover (niedersachsen) sollten die zersplitterten kräfte des rechtsextremistischen Lagers in der Bundesrepublik in einer Partei gebündelt werden. der großteil des führungskaders der nPd bestand zunächst aus ehemaligen Mitgliedern der nSdaP. AUF EINEN BLICK * anschein von Legalität * krise der nPd * "drei-Säulen-konzept" - erfolge in ostdeutschland * konzept der "seriösen Radikalität" * Politische Bedeutungslosigkeit anschein von Legalität | Aus dem Verbot der Sozialistischen Reichspartei (SRP) 1952 durch das Bundesverfassungsgericht zog die NPD den Schluss, sich um den Anschein von Legalität zu bemühen und eine öffentliche Verherrlichung des Nationalsozialismus weitgehend zu unterlassen. Diese Strategie trug dazu bei, dass die NPD bei der Bundestagswahl 1965 zwei Prozent (= 664.193 der Zweitstimmen) erreichte. Zwischen 1966 und 1968 zog die NPD in die Landtage von Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein ein. Die Mitgliederanzahl stieg, wobei auf sämtlichen Parteiebenen etwa 20 Prozent der Mitglieder eine NSDAP-Vergangenheit aufwiesen. Ursache für den damaligen Auftrieb für die NPD waren zum Beispiel das Bestehen einer Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 89 RECHTSEXTREMISMUS nur kleinen Opposition gegenüber der ersten Großen Koalition (1966 bis 1969), die konjunkturelle Schwäche in Deutschland und damit verbundene Verlustängste in der Bevölkerung. krise der nPd | Bei der Bundestagswahl 1969 scheiterte die NPD mit 4,3 Prozent (= 1.422.010 der Zweitstimmen) relativ knapp an der FünfProzent-Hürde. In der Folge führten unter anderem die innere Zerstrittenheit der Partei, eine sich allmählich bessernde wirtschaftliche Lage sowie die kritische Berichterstattung in den Medien über Ausschreitungen im Zusammenhang mit NPD-Mitgliedern zu einer langjährigen Krise der Partei. Weitere interne Streitigkeiten über die programmatische Ausrichtung, der starke Rückgang der Mitgliederzahlen, der öffentliche Skandal um die Leugnung des Holocausts durch den damaligen NPD-Vorsitzenden Günter Deckert (1991 bis 1995) und das Auftauchen konkurrierender rechtsextremistischer Parteien zementierten die Krise der NPD bis in die 1990er Jahre hinein. "drei-Säulen-konzept" - erfolge in ostdeutschland | Mit der Wahl Udo Voigts zum Bundesvorsitzenden im Jahr 1996 steigerte die NPD vor allem in den neuen Ländern ihre Mitgliederzahl und erneuerte neben Organisation und Strategie ihre Programmatik. Das neue "Drei-Säulen-Konzept" enthielt folgende Punkte: "Kampf um die Köpfe", "Kampf um die Straße" und "Kampf um die Parlamente". 2004 kam der "Kampf um den organisierten Willen" hinzu. Im Zuge ihres "Kampfs um die Straße" öffnete sich die NPD vor allem gegenüber rechtsextremistischen Skinheads und Neonazis. Umgekehrt näherten sich diese der NPD an. Nach dem Scheitern des NPDVerbotsverfahrens 2003 setzte die Partei ihre Politik der Annäherung an die Neonazi-Szene fort und konzentrierte ihre Aktivitäten zunehmend auf Ostdeutschland. 2004 und 2006 zog die NPD in die Landtage von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern ein, in denen sie inzwischen nicht mehr vertreten ist. konzept der "seriösen Radikalität" | Holger Apfel, der 2011 gewählte Nachfolger Udo Voigts als Bundesvorsitzender, wollte mit seinem Konzept der "seriösen Radikalität" die NPD aus der Krise führen, in die sie unter anderem durch eine Reihe von Niederlagen bei Landtagswahlen sowohl im Osten als auch im Westen Deutschlands geraten war. Offensichtlich aus persönlichen Gründen legte Apfel 2013 sein Amt als Bundesvorsitzender nieder und trat aus der Partei aus. Vorübergehend übernahm sein Stellvertreter Udo Pastörs die Führung, bis im November 2014 Frank Franz, vorher Pressesprecher der Partei, zum neuen Bundesvorsitzenden gewählt wurde. Zuvor war die NPD 2014 bei den Landtagswahlen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Mit dem Verlust der 90 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 RECHTSEXTREMISMUS staatlichen Teilfinanzierung nach dem Ausscheiden aus dem Sächsischen Landtag und der damit verbundenen Einbuße von Mitarbeitern verlor die NPD eine wesentliche Grundlage ihrer bundesweiten politischen Arbeit. Politische Bedeutungslosigkeit | Seit der Landtagswahl in Sachsen verlor die NPD bei weiteren Wahlen auf Landesund Bundesebene kontinuierlich Stimmen. 2017 erhielt sie bei den Landtagswahlen im Saarland 0,7 Prozent, was einem Minus von 0,5 Prozentpunkten entspricht, sowie in Nordrhein-Westfalen 0,3 Prozent (= minus 0,3 Prozentpunkte). In Hessen erreichte die NPD bei der Landtagswahl 2018 0,2 Prozent der Stimmen (= minus 0,9 Prozentpunkte). IdeoLogIe/ZIeLe die nPd steht für antiparlamentarismus und antipluralismus. Mit ihrer fremdenfeindlichen, rassistischen und antisemitischen Programmatik wendet sie sich offen gegen die freiheitliche demokratische grundordnung. AUF EINEN BLICK * Überwindung des "Systems" * "Solidargemeinschaft aller deutschen" - Islamfeindlichkeit - antisemitismus Überwindung des "Systems" | Die NPD will die parlamentarische Demokratie von innen heraus, das heißt mittels Parteiarbeit, abschaffen. Die NPD will die politische und gesellschaftliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, von ihr in Anlehnung an die Sprache des Nationalsozialismus als rein machtorientierte Herrschaft der "Systemparteien" diffamiert, durch eine ethnisch homogene "Volksgemeinschaft" ersetzen. Solidarität soll nur "ethnischen Deutschen" zuteilwerden. So heißt es im Parteiprogramm: "Der ethnischen Überfremdung Deutschlands durch Einwanderung ist genauso entschieden entgegenzutreten wie der kulturellen Überfremdung durch Amerikanisierung und Islamisierung". Diejenigen, die in den Augen der NPD "Fremde" sind, grenzt sie aus. So seien "Ausländer [...] aus dem deutschen Sozialversicherungswesen auszugliedern und einer gesonderten Ausländersozialgesetzgebung zuzuordnen. In ihrer Ausgestaltung von Pflichten und Ansprüchen hat sie auch dem Rückführungsgedanken Rechnung zu tragen. [...] Asylbewerber haben keinen Anspruch auf Sozialleistungen". Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 91 RECHTSEXTREMISMUS "Solidargemeinschaft aller deutschen" - Islamfeindlichkeit - antisemitismus | Der Globalisierung will die NPD begegnen, indem sie das bestehende "System" durch eine "Solidargemeinschaft aller Deutschen" ersetzt. Darüber hinaus werden Muslime diffamiert. Auch antisemitische Positionen sind in der NPD verbreitet. Die Partei vertritt zwar keine offen antisemitische Programmatik, sie streut aber entsprechende Vorurteile. StRuktuRen Die 2010 vorgenommene Neugliederung des Landesverbands in zwei Unterbezirksund elf Kreisverbände erforderte bereits 2015 eine erneute Modifizierung. Es erfolgte eine Umgestaltung zu sechs Bezirksverbänden (Nordhessen, Osthessen, Mittelhessen, WetterauKinzig, Rhein-Main und Südhessen). Auf den ersten Blick scheint die NPD flächendeckend in Hessen vertreten zu sein. Die Umstrukturierung in größere Bezirksverbände macht jedoch deutlich, dass für feingliederige Strukturen das notwendige Personal fehlte. Die tatsächlich vorhandenen Strukturen waren in weiten Teilen Hessens nur schwach ausgeprägt. BeweRtung/auSBLIck Dass das Ergebnis der NPD bei der Bundestagswahl 2017 (0,4% der Zweitstimmen) im Berichtsjahr bei der Landtagswahl in Hessen mit 0,2% der Zweitstimmen noch einmal untertroffen wurde, verdeutlicht die politische Bedeutungslosigkeit der Partei sowohl auf Bundesals auch auf Landesebene in Hessen. Die als Auftakt für den Landtagswahlkampf in Wetzlar (Lahn-DillKreis) geplante Veranstaltung mit Rednern und in der rechtsextremistischen Szene bekannten Bands und Liedermachern wäre in diesem Ausmaß ein hessenweites Novum für rechtsextremistische Parteiveranstaltungen in öffentlich genutzten Räumen gewesen. Offensichtlich versuchte die NPD mit dieser Kombination politische Inhalte und Unterhaltung miteinander zu verknüpfen, um größtmögliche Aufmerksamkeit innerund außerhalb der Szene zu gewinnen. Ähnliche Präsentationsformen gab es in den letzten Jahren im Zusammenhang mit rechtsextremistischen Konzertund Rednerveranstaltungen außerhalb Hessens. Der mit dem Landtagswahlergebnis einhergehende Verlust der Berechtigung zur Teilhabe an der Parteienfinanzierung und die damit verbundene finanzielle Schwächung wird für die NPD nur schwer zu kompensieren sein. Mit Daniel Lachmann, Stefan Jagsch und Ingo Helge verfügte die NPD in Hessen über ein Vorstandsgremium, das Verbindungen in die 92 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 RECHTSEXTREMISMUS bundesweite rechtsextremistische Szene und zum Bundesvorstand der Partei pflegte. Aber auch unter dem bis zur Wahl Lachmanns amtierenden Landesvorsitzenden Jean-Christoph Fiedler war der NPD in Hessen der von ihr seit Jahren erhoffte Neuaufbau des Landesverbands nicht gelungen. Ein nachhaltiger und hessenweiter Neuaufbau ist auch unter dem neuen Landesvorsitzenden Lachmann nicht zu erwarten. Der Schwerpunkt der NPD-Aktivitäten lag weiterhin und nahezu ausschließlich in den Regionen Lahn-Dill und Wetterau und somit in denjenigen Landkreisen und Gemeinden, in denen die NPD bei den hessischen Kommunalwahlen 2016 mit 23 von hessenweit insgesamt 24 erzielten Mandaten Gewinne erzielt hatte. Mit den Aktionen im Rahmen ihrer "Schutzzonen"-Kampagne versuchte die NPD, ihre Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit zu erhöhen und die Fähigkeit und den Willen des Staats zum Schutz und zur Sicherheit der Bürger in Frage zu stellen und daraus die Legitimation abzuleiten, dass Bürger hierfür selbst die Initiative ergreifen dürfen. Die JN erfuhren in Hessen unter der Leitung ihres Landesvorsitzenden Thassilo Hantusch einen leichten Mitgliederzuwachs. Dabei wurden sie in ihren Aktionen auch von bisher noch nicht offen in Erscheinung getretenen Aktivisten unterstützt. Um ihre insgesamt niedrige Mitgliederzahl zu kompensieren, bemühten sich die JN in Hessen auch im Berichtsjahr als Bindeglied zum aktionsorientierten neonazistischen Spektrum zu fungieren. Das gelang den JN allerdings nur bedingt. Es ist anzunehmen, dass die JN in Hessen auch in Zukunft mit zunächst verschleierten Aktionen, wie etwa der schuelersprecher.infound der "Schutzzonen"-Kampagne, versuchen werden, weitere Aktivisten und Mitglieder zu gewinnen. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 93 RECHTSEXTREMISMUS der dritte weg/der III. weg DEFINITION/KERNDATEN die Partei der dritte weg propagiert ein völkisch-antipluralistiLogo der Partei sches Menschenund gesellschaftsbild und begreift sich als "naDer Dritte Weg tional", "revolutionär" und "sozialistisch". In der Broschüre "national, Revolutionär, Sozialistisch" formuliert der dritte weg unter dem Bundesvorsitzender: Begriff "Revolution" einen "grundlegenden, allumfassenden, systeKlaus Armstroff matischen und nachhaltigen wandel" sowie die "durchdringung der Sitz: Politik und der gesellschaft mit unserer weltanschauung" als Ziel. eine Weidenthal (Rheinland-Pfalz) solche Revolution sei nicht mit waffengewalt zu erzwingen, wenngleich es notwendig sein könnte, dass "einige Scheiben" zerbrächen, Mitglieder: wenn es gelte, das deutsche Volk "in seiner ethnischen existenz zu siIn Hessen etwa 15, chern" und eine "Jahrtausende umfassende Hochkultur zu retten". unbundesweit etwa 530 ter den Mitgliedern der Partei, die überwiegend aus dem neonazistiMedien: schen Spektrum stammten, befanden sich Personen aus dem umfeld Internetpräsenzen des verbotenen freien netzes Süd (fnS), der völkisch geprägten neonazi-Szene sowie frühere Mitglieder der nPd. \ eReIgnISSe/entwIckLungen wie bereits in den Vorjahren stand im Berichtszeitraum die asylund flüchtlingspolitik im Mittelpunkt der agitation des dritten wegs, wobei die Partei auf typische fremdenfeindliche und rechtsextremistische narrative zurückgriff. wegen der angeblich wachsenden "Überfremdung" führte der dritte weg zur "Sicherheit" der "deutschen Bevölkerung" "nationale Streifen" durch. AUF EINEN BLICK * teilnahme an europawahl - weitere wahlteilnahmen geplant * "arbeiterkampftag" - "Jugend im Sturm" * ausländerund asylfeindliche agitation * "Schaffung von Infrastrukturen, kaderbildung, Vernetzung" als Ziel * "gedenkveranstaltungen" * "nationale Streifen" * kontakte zu nationalistischen gruppierungen im ausland teilnahme an europawahl - weitere wahlteilnahmen geplant | Im April kündigte Der Dritte Weg an, unter dem Motto ",Europa erwache! Europäische Eidgenossenschaft statt EU-Diktatur!'" zu der Europawahl 2019 antreten zu wollen. Vor diesem Hintergrund wurden Unterschriftensammlungen, teils mit "Aktionstagen" verbunden, durchgeführt, um die für den Wahlantritt notwendigen 4.000 Unterstützungsunterschriften zu erhalten. Auch auf der parteieigenen Internetseite wurde hierzu aufgerufen und ein entsprechendes Formular zum 94 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 RECHTSEXTREMISMUS Download bereitgestellt. Zentrale Forderungen der Partei zur Europawahl waren: "Kulturelle Vielfalt statt Multikulti Einfalt", "Das Europa der Vaterländer", "Die Festung Europa" und eine "Gemeinsame Außen-, Verteidigungsund Geopolitik" in Abgrenzung zur NATO und zu "imperialistischen Bestrebungen der USA und Israels". Die Kandidatenliste mit zehn Kandidaten wurde von dem Parteivorsitzenden Klaus Armstroff und dessen Stellvertreter Matthias Fischer angeführt. Kandidaten aus Hessen stellten sich nicht zur Wahl. Am 15. März 2019 ließ der Bundeswahlausschuss des Deutschen Bundestags in öffentlicher Sitzung den Wahlvorschlag des Dritten Wegs zu. Neben der Kandidatur für die Europawahl beschloss der Dritte Weg die Teilnahme an der Landtagswahl in Sachsen. Darüber hinaus war die Teilnahme an verschiedenen Kommunalwahlen geplant. Bei der Wahl zum Europäischen Parlament erhielt die Partei 0,0 Prozent. "arbeiterkampftag" - "Jugend im Sturm" | Am 1. Mai veranstaltete die Partei in Chemnitz (Sachsen) den sogenannten Arbeiterkampftag mit mehreren hundert Personen unter dem Motto "Kapitalismus zerschlagen - Für Familie, Heimat, Tradition". Der Demonstration war eine "antikapitalistische" Kampagne vorangegangen, in deren Zuge auch in hessischen Gemeinden, wie etwa Niedernhausen (Rheingau-TaunusKreis) und Groß-Gerau (Kreis Groß-Gerau), durch Flugblattverteilungen für die Veranstaltung mobilisiert worden war. Unter dem Motto "Jugend im Sturm" führte Der Dritte Weg am 7. Juli in Kirchheim (Thüringen) zum vierten Mal den "gemeinschaftlichen Tag" durch. Neben politischen Vorträgen - hierunter eine Rede des letzten Vorsitzenden der im Jahr 1994 vom Bundesminister des Innern verbotenen Wiking-Jugend sowie ein Beitrag einer Vertreterin des politischen Armes des ukrainischen Azov-Bataillons - wurde Kampfsport durch die neugegründete Gruppe Körper & Geist sowie Musik rechtsextremistischer Bands dargeboten. In Bezug auf Körper & Geist hatte bereits im Juni der stellvertretende Parteivorsitzende Matthias Fischer auf der Internetseite der Partei erklärt: "Wir sind bewusst keine einfache Sportgemeinschaft oder Freundeskreis, sondern Teil einer Bewegung zur völkischen Wiedergeburt unserer Nation. Wenn wir uns im Ring miteinander messen, uns durch anstrengende Wanderungen durchbeißen oder uns zum gemeinsamen Dauerlauf treffen, so sind wir nicht einfach nur sportlich aktiv. [...] Noch sind wir nicht in der Lage, die Kultur der Verweichlichung und des Pazifismus gesamtgesellschaftlich abzulösen, aber wir können bereits heute uns selber wehrhaft machen und damit dazu beitragen, einmal das ganze Volk wieder wehrhaft zu machen". (Schreibweise wie im Original.) Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 95 RECHTSEXTREMISMUS ausländerund asylfeindliche agitation | Die Asylund Ausländerpolitik bildete weiterhin einen agitatorischen Schwerpunkt der Partei. Mittels Flugblattverteilaktionen, die den angeblich "drohenden Volkstod durch Überfremdung" thematisierten, agitierte Der Dritte Weg fremdenund asylfeindlich. Plakativ stellte die Partei hierbei einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen steigender Kriminalität und der wachsenden Zahl "artund kulturfremder" Menschen in Deutschland her. Insbesondere medienwirksame Ereignisse - wie etwa das Tötungsdelikt zum Nachteil einer 14-jährigen Schülerin in Wiesbaden, bei dem ein Asylbewerber als Täter ermittelt und am 10. Juli 2019 verurteilt wurde (das Urteil ist noch nicht rechtskräftig) -, versuchte Der Dritte Weg zu instrumentalisieren. Auf diese Weise bemühte sich die Partei, eine möglichst große emotionsgeladene Aufmerksamkeit in der Bevölkerung und somit Akzeptanz für die eigenen fremdenfeindlichen Positionen zu erhalten. Für dieses Ziel setzte Der Dritte Weg auch die parteieigene Internetseite ein. So wurden am 11. September unter der Überschrift "Ungebremster Ausländerterror gegen das deutsche Volk" Fälle von "bekanntgewordener Ausländergewalt der letzten Tage" mit entsprechenden Verlinkungen aufgelistet. "Schaffung von Infrastrukturen, kaderbildung, Vernetzung" als Ziel | Vor allem thematisierte Der Dritte Weg die Demonstration am 27. August in Chemnitz (Sachsen) im Zusammenhang mit dem Tötungsdelikt zum Nachteil eines 35-Jährigen, wobei die Polizei unmittelbar nach der Tat zwei Asylbewerber als Verdächtige festgenommen hatte. An der Demonstration, die unter maßgeblicher Beteiligung rechtsextremistischer Gruppierungen stattfand, nahmen auch Aktivisten des Dritten Wegs, die entsprechende Plakate zeigten, teil. Im Internet veröffentlichte Matthias Fischer später einen Beitrag mit dem Titel "Chemnitz - wie es jetzt weitergehen muss". Dort hieß es: "Schafft es eine radikale Gruppe ein gutes und vernünftiges Auftreten an den Tag zu legen, hat ein Großteil des Volkes die Berührungsängste dazu mittlerweile verloren. [...] Bürgerliche Parteien und Protestgruppen sind nicht in der Lage, den Kampf um die Straße zu gewinnen. [...] Der Kampf wird sich auf absehbare Zeit noch verschärfen, und zwar in dem Maße, je mehr die Politisierung der Massen zunimmt und sich immer mehr von der bürgerlichen Mitte in die radikalen Richtungen entwickeln". Die Bewegung, so Fischer, bilde eine "Kampfgemeinschaft": "Stets haben entschlossene Minderheiten über den Verlauf von großen Ereignissen entschieden, die Masse folgt". Die nächsten Jahre gelte es zu nutzen: "Schaffung von Infrastrukturen, Kaderbildung, Vernetzung". 96 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 RECHTSEXTREMISMUS "gedenkveranstaltungen" | Verbunden mit der Forderung nach einem "zentralen Gedenktag" für die "zerstörten deutschen Städte des alliierten Bombenterrors" während des Zweiten Weltkriegs (1939 bis 1945) veranstaltete Der Dritte Weg in Nordhausen (Thüringen) am 17. Februar einen Marsch unter dem Motto "Ein Licht für Dresden". Darüber hinaus "gedachten in Würde und respektvoll" Parteimitglieder am 8. Mai, so eine Interneteinstellung, "all jener, die den ,Tag der Befreiung' bitter bezahlten". In diesem Kontext reinigten im Taunus Aktivisten des Stützpunkts Westerwald/Taunus zwei Kriegsdenkmäler und legten im Landkreis Marburg-Biedenkopf einen Kranz an einer Gedenkstätte nieder. In Darmstadt versammelten sich Aktivisten am 11. September, um mit einer Kranzniederlegung an den "unnötigen und verbrecherischen Akt der Zerstörung" durch alliierte Bombenangriffe zu erinnern. In Wunsiedel (Bayern) veranstaltete Der Dritte Weg am 17. November das "traditionelle Heldengedenken", und vom 27. bis zum 30. Dezember führten Aktivisten eine Fackelwanderung von Nordhausen (Thüringen) nach Fulda (Landkreis Fulda) durch. Verschiedene Gruppen trugen symbolisch eine Laterne mit einem Parteiwimpel und gaben diese weiter. Im Anschluss an die Wanderung, die unter dem Motto "Ein Licht für Dresden" stand, kamen am 30. Dezember Parteimitglieder zu mehreren nicht angemeldeten Versammlungen in der Fuldaer Innenstadt zusammen. "nationale Streifen" | Unter anderem in Idstein (Rheingau-TaunusKreis) und Wiesbaden führten Aktivisten des Dritten Wegs "nationale Streifen" durch. Kleingruppen aus etwa fünf Personen liefen, so die Darstellung der Partei, durch Ortschaften, die wegen der "Überfremdung" angeblich vermehrt mit Kriminalität zu kämpfen hätten, was den Einsatz der Partei für die Sicherheit der deutschen Bevölkerung erforderlich mache. kontakte zu nationalistischen gruppierungen im ausland | Im Februar nahmen in Ungarn Aktivisten des Dritten Wegs an einer "Gedenkveranstaltung" nationalistischer Gruppierungen anlässlich der Schlacht um Budapest (Dezember 1944 bis Februar 1945) teil. Dies schloss unter anderem einen 60 Kilometer langen "Gedenkmarsch" ein. In Kiew (Ukraine) lief im Oktober eine Aktivistengruppe beim "Marsch der Nation" mit, an dem rund 15.000 Nationalisten teilgenommen haben sollen. Während des Aufenthalts fand in den Räumen der nationalistischen ukrainischen Azov-Bewegung zudem eine "Reconquista-Konferenz" mit verschiedenen Rednern aus Europa und den USA statt. Ein Angehöriger des Dritten Wegs hielt, so eine Verlautbarung der Partei im Internet, eine Ansprache zum Thema "Deutschland - Revolution oder Untergang" und stellte die politische Arbeit sowie die entsprechenden Ansichten der Partei vor. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 97 RECHTSEXTREMISMUS entSteHung/geScHIcHte Die Partei Der Dritte Weg wurde am 28. September 2013 in Heidelberg (Baden-Württemberg) gegründet. Nach und nach entstanden verschiedene länderübergreifende Stützpunkte, unter anderem auch der Stützpunkt Westerwald/Taunus, der im Wesentlichen den Landkreis Limburg-Weilburg und den Lahn-Dill-Kreis sowie angrenzende Landkreise in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen umfasste. Seit ihrer Gründung führte die Partei vor allem Demonstrationen, "Heldengedenkfeiern" und gegen Flüchtlinge und die Flüchtlingspolitik gerichtete Flugblattverteilaktionen durch bzw. veröffentlichte entsprechende Verlautbarungen im Internet. Auf Landesebene nahm die Partei bislang lediglich in Rheinland-Pfalz an der Landtagswahl am 13. März 2016 teil, erreichte jedoch mit 1.944 Zweitstimmen (= 0,1 Prozent) weniger Stimmen, als sie im Vorfeld an Unterstützungsunterschriften (2.040) erhalten hatte. IdeoLogIe/ZIeLe Im Zehn-Punkte-Programm des dritten wegs werden dessen rechtsextremistische - im detail nationalsozialistische - Programmatik und damit verbunden die antidemokratische, auf die Überwindung der freiheitlichen grundordnung gerichtete Zielsetzung deutlich. AUF EINEN BLICK * "Zehn-Punkte-Programm" * "national, Revolutionär, Sozialistisch" * das Volk als "Blutund Schicksalsgemeinschaft" - Liberalismus als "geistige Immunschwächekrankheit" "Zehn-Punkte-Programm" | In seinem Parteiprogramm benennt Der Dritte Weg einen "Deutschen Sozialismus, fernab von ausbeuterischem Kapitalismus wie gleichmacherischem Kommunismus" als sein Ziel. Das deutsche Volk wird als "naturgesetzliche Gemeinschaft" gesehen. Eine Forderung der Partei besteht in der Förderung kinderreicher deutscher Familien "zur Abwendung des drohenden Volkstodes". Als weiteres Ziel gibt Der Dritte Weg die "Erhaltung und Entwicklung der biologischen Substanz des Volkes" an. Darüber hinaus fordert die Partei in ihrem "Zehn-Punkte Programm" die geschichtsrevisionistische "friedliche [...] Wiederherstellung Gesamtdeutschlands in seinen völkerrechtlichen Grenzen". Weitere Forderungen sind die Verstaatlichung sämtlicher Schlüsselindustrien sowie die Einführung der Todesstrafe für Kindermord und andere Kapitalverbrechen. 98 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 RECHTSEXTREMISMUS "national, Revolutionär, Sozialistisch" | Gemäß ihres im Jahr 2015 im Internet veröffentlichten "Selbstverständnisses" begreift sich die Partei als "national", "revolutionär" und "sozialistisch": "Denn nur diese drei Begriffe zusammengefasst ergeben eine ganzheitliche Wirkung, welche das politische, das wirtschaftliche, das soziale und das geistige Leben zu einer Synthese zusammenführt". Ausführlich erläutert Der Dritte Weg diese drei Kernbegriffe in der im Jahr 2017 erschienenen Broschüre "National, Revolutionär, Sozialistisch". das Volk als "Blutund Schicksalsgemeinschaft" - Liberalismus als "geistige Immunschwächekrankheit" | Den Nationalismus definiert die Partei als die "politische Idee, die die Interessen und das Überleben des eigenen Volkes in den Mittelpunkt aller Betrachtungen und Entscheidungen" rücke. Der "echte Nationalismus" brauche stets eine "völkische Komponente". Dabei sei das Blut der "Schlüssel zum Verständnis der volkseigenen Kultur und der Seele des völkischen Lebens". Das Volk sei nicht nur eine "Blut-, sondern auch eine Schicksalsgemeinschaft" und die Nation bilde den "übergeordneten Willen des Volkes". Im Liberalismus dagegen verkörpere der "Einzelne den wichtigsten Wert". Als "geistige Immunschwächekrankheit" habe der Liberalismus den "europäische[n] Mensch[en] auf seine Existenz als Einzelwesen reduziert und seiner Kultur, Heimat und Identität beraubt". In diesem Kontext sieht sich Der Dritte Weg "unseren kulturund blutsverwandten Völkern in Europa verbunden". In ganz Europa sieht die Partei ihre Feinde am Werk: "Egal ob Westoder Ost-, Süd[-] oder Nordeuropa, es sitzen überall die gleichen Verräter, die gleichen Vertreter des feigen Bürgertums und die gleichen Geldempfänger des Kapitals in den Parlamenten. Daher können wir sie gar nicht anders als gleichsam hassen und verachten. Wir fiebern jedem Schlag, ja jedem Nadelstich, den die verschiedenen europäischen Bewegungen den volksfeindlichen Systemen beibringen, entgegen, begeistern uns über jeden Erfolg und verneigen uns vor jedem Toten und jedem Verletzten dieses gesamteuropäischen Kampfes". StRuktuRen Organisatorisch gliederte sich die Partei in die Gebietsverbände Mitte, Süd und West, denen bundesweit 18 Stützpunkte zugeordnet waren. Der Stützpunkt Westerwald-Taunus umfasste hierbei die hessischen Landkreise Limburg-Weilburg und Lahn-Dill. Einzelne Aktivisten aus Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 99 RECHTSEXTREMISMUS Hessen waren darüber hinaus im Stützpunkt Rheinhessen aktiv. Beide Stützpunkte waren dem Gebietsverband West zuzurechnen. BeweRtung Ereignisse wie die Demonstration in Chemnitz (Sachsen) unter federführender Beteiligung zahlreicher Rechtsextremisten und das damit verbundene Medienecho ermutigten den Dritten Weg, offensiver als bislang auf - in seiner Perspektive - gemäßigte Teile der Bevölkerung zuzugehen und zu versuchen, diese für seine Ziele zu gewinnen. Vor diesem Hintergrund plante die Partei für das Jahr 2019 die Teilnahme an der Europawahl und an der Landtagswahl in Sachsen. Obgleich Der Dritte Weg das Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland ablehnt, will er sich die mit dieser Form der repräsentativen Demokratie einhergehenden Vorteile zum Zweck der Überwindung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zunutze machen. Zur Verbreitung seiner Propaganda bediente sich Der Dritte Weg weiterhin verstärkt des Internets - insbesondere zur Mobilisierung für Großveranstaltungen über die parteieigene Homepage - und verschiedener Twitter-Kanäle. Ebenso betrieb die Partei über das Internet die klassische Informationsverbreitung. Dies zeigte sich im Rahmen von Beiträgen zu Flugblattverteilaktionen und Berichten zu angeblichen Fällen von Ausländerkriminalität, wobei die Fremdenfeindlichkeit der Partei offen zutage trat. Da der Dritte Weg Zuspruch in der bürgerlichen Mitte suchte, führte er Aktionen wie die "nationalen Streifen" durch, um als "Kümmerer" der Belange des "deutschen Volks" wahrgenommen zu werden, wobei der demokratische Rechtsstaat als machtlos erscheinen soll. So versuchten Aktivisten des Dritten Wegs die eigene Rolle als Partei zu überhöhen, um sich als ernsthafte Alternative zum "System" zu präsentieren. Insgesamt versuchte die Partei, sich vor allem mittels ihres Internetauftritts modern zu geben und mit ihren Inhalten gesellschaftlich anschlussfähig zu sein, was ihr allerdings nicht gelang. 100 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 RECHTSEXTREMISMUS dIe RecHte die Partei gründete sich 2012 zunächst als auffangbecken für Mitglieder der ehemaligen rechtsextremistischen deutschen VolksLogo der Partei union (dVu). kurz danach traten neonazis und frühere Mitglieder DIE RECHTE der nPd in dIe RecHte ein. nachdem es auf der facebook-Seite Landesvorsitzender: der neonazistischen kameradschaft fwH Hinweise auf eine neuChristian Göppner gründung des Landesverbands Hessen gegeben hatte, fand der entsprechende gründungsparteitag im august 2017 statt. Bereits von Bundesvorsitzende: november 2012 bis März 2014 hatte in Hessen ein Landesverband Michael Brück und Sascha Krolzig bestanden, der jedoch auf seiner Homepage die einstellung seiner Mitglieder: parteipolitischen arbeit zum 20. März 2014 ankündigt hatte. In Hessen etwa zehn, bundesweit etwa 600 AUF EINEN BLICK * Landesparteitag Medien: * keine Öffentlichkeitswirksamkeit in Hessen Internetpräsenzen Landesparteitag | Auf der Facebook-Seite des FWH wurde über einen Landesparteitag der Partei DIE RECHTE am 3. März berichtet, auf / dem eine Landesschatzmeisterin gewählt wurde. Zudem wurde beschlossen, dass die Partei nicht zur Landtagswahl in Hessen antreten werde. Laut einer Interneteinstellung führte der FWH im Anschluss einen gemeinsamen Stammtisch mit Parteimitgliedern durch. keine Öffentlichkeitswirksamkeit in Hessen | Bisher wurden der Kreisverband Main-Kinzig sowie die Stützpunkte Marburg, Main-Kinzig und Wiesbaden gegründet, die keine öffentlich wahrnehmbare Wirkung entfalteten. Auch im Berichtszeitraum agierte die Partei zurückhaltend, öffentlichkeitswirksame Aktionen waren in Hessen nicht festzustellen. Die bisherige bundesweite Entwicklung der Partei DIE RECHTE legt nahe, dass sie weiterhin als Auffangbecken für Rechtsextremisten verschiedener Ausrichtungen dient, die aus unterschiedlichen Gründen in ihrem bisherigen Szeneumfeld nicht weiter agieren können. Den Anhängern der Partei geht es insbesondere darum, die neonazistisch geprägten Aktionen fortzusetzen. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 101 RECHTSEXTREMISMUS SuBkuLtuReLL oRIentIeRte RecHtSeXtReMISten - RecHtSeXtReMIStIScHe MuSIk DEFINITION/KERNDATEN weitgehende organisationslosigkeit ist kennzeichnend für Aktivisten /Anhänger: subkulturell orientierte Rechtsextremisten. Hinzu kommt eine in der In Hessen etwa 400 Regel nur oberflächliche weltanschauliche Prägung, verbunden mit rassistischem, antisemitischem und ausländerfeindlichem gedanMusikgruppen in Hessen: Faust und Nordglanz kengut. für diese oftmals in informellen lokalen oder regionalen gruppen zusammengeschlossenen Rechtsextremisten stehen erleb- \ nisorientierte aktivitäten in der Regel im Vordergrund. dabei spielt der Besuch rechtsextremistischer Musikveranstaltungen eine herausgehobene Rolle. Im unterschied zu angehörigen der früheren rechtsextremistischen Skinheadszene sind subkulturell orientierte Rechtsextremisten heutzutage fast nicht mehr anhand eines einheitlichen erscheinungsbilds erkennbar. eReIgnISSe/entwIckLungen Soweit rechtlich möglich, unterbinden die Sicherheitsbehörden rechtsextremistische konzerte in Hessen. trotz dieser restriktiven Vorgehensweise fand im Berichtsjahr in Hessen ein rechtsextremistisches konzert statt. AUF EINEN BLICK * ersatzkonzert in Leun * Szeneobjekt teutonicus - Veranstaltungskonzept club H5 * weitere Musikveranstaltungen * durchsuchungen im teutonicus ersatzkonzert in Leun | Im Rahmen einer NPD-Wahlkampfveranstaltung sollten am 24. März in der Stadthalle in Wetzlar (Lahn-Dill-Kreis) rechtsextremistische Bands und Liedermacher auftreten. Nachdem die Veranstaltung nicht in der Stadthalle stattgefunden hatte, begaben sich die überregional angereisten Rechtsextremisten in das Szeneobjekt Teutonicus in Leun (Lahn-Dill-Kreis). Im Verlauf des Abends traten einige der Bands und Liedermacher auf, die für die Veranstaltung in Wetzlar vorgesehen gewesen waren. Vor Ort stellte die Polizei bis zu 150 Rechtsextremisten fest. Szeneobjekt teutonicus - Veranstaltungskonzept club H5 | Der Treffpunkt Teutonicus wird seit einigen Jahren in unregelmäßigen Abständen für eine Vielzahl von Veranstaltungen - unter anderem der 102 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 RECHTSEXTREMISMUS NPD und unterschiedlicher rechtsextremistischer Gruppierungen - sowie für private Feiern von Rechtsextremisten genutzt. Das 2011 durch ein NPD-Mitglied erworbene Szeneobjekt sollte durch das Amtsgericht Wetzlar am 26. Februar im Wege der Zwangsvollstreckung versteigert werden, die jedoch aufgrund einer Geldleistung im fünfstelligen Bereich nicht zustande kam. Die Summe wurde durch ein Mitglied der NPD Hessen beglichen. In ihrer Juli-/August-Ausgabe veröffentlichte die rechtsextremistische Zeitschrift N.S. Heute ein Interview ("Szenegeflüster - im Gespräch mit dem neuen 'Club H5'") mit den Betreibern des Treffs. Dabei ging es um die finanzielle "Rettung" des Teutonicus, dessen Neuausrichtung sowie die Initiierung des Projekts/Labels Club H5. Der Name Club H5 ist angelehnt an die Adresse des Szeneobjekts Teutonicus in Leun. Das neue Projekt/Label Club H5 soll sich jedoch nicht auf das Teutonicus beschränken. Es sei vorgesehen, so die Betreiber, das Konzept auch in Form einer "Veranstaltungsreihe" in Mittelund Südhessen sowie im Raum Süddeutschland unter dem Namen Club H5 durchzuführen. Im August wurde ein Internetauftritt des Club H5 in Facebook eingerichtet. Dort wurde unter dem Motto "Rock against communism!" eine durch den Club H5 organisierte Musikveranstaltung mit Musikern von Kategorie C - Hungrige Wölfe, Nahkampf und Randgruppe Deutsch angekündigt, die schließlich am 30. November in Wahlrod (Rheinland-Pfalz) stattfand. Des Weiteren wurde unter dem Titel "Club H5 on tour" für eine Veranstaltung mit den Bands Kategorie C - Hungrige Wölfe und Nahkampf sowie einem "Überraschungsliedermacher" in Süddeutschland geworben. Zu dieser Veranstaltung kam es am 1. Dezember in St. Georgen (Baden-Württemberg). weitere Musikveranstaltungen | Darüber hinaus fanden in Hessen im Berichtsjahr insgesamt drei weitere rechtsextremistische Musikveranstaltungen im internen Kreis ohne Öffentlichkeitswirksamkeit statt. Außerdem spielte bei einem Neujahrsempfang der NPD in Leun (Lahn-Dill-Kreis) am 7. Januar der Liedermacher Martin, der zugleich Mitglied der rechtsextremistischen Band Sleipnir ist. durchsuchungen im teutonicus | Im November führte die Polizei im Teutonicus eine Durchsuchung durch. Hintergrund war ein unter anderem gegen den Inhaber der Immobilie geführtes Ermittlungsverfahren wegen räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung und Verstößen gegen das Waffengesetz. Fünf Personen wurden festgenommen; darüber hinaus beschlagnahmte die Polizei Waffen, Munition, Betäubungsmittel und nationalsozialistische Devotionalien. Außerdem fand die Polizei auf dem Dachboden des Teutonicus einen provisorischen Schießstand. Die Ermittlungen dauern an. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 103 RECHTSEXTREMISMUS funktIon RecHtSeXtReMIStIScHeR MuSIk Rechtsextremistische Musik spielt nach wie vor eine wichtige Rolle für die rechtsextremistische Szene und ist zugleich ein bedeutendes, jugendorientiertes Medium, mit dem entsprechende Botschaften transportiert werden. für die Sicherheitsbehörden ist die intensive Beobachtung der rechtsextremistischen Musikszene obligatorisch, um Inhalte auf strafrechtliche Relevanz zu prüfen und gegebenenfalls einer strafrechtlichen Verfolgung zuzuführen. AUF EINEN BLICK * niedrige Hürde für den einstieg in den Rechtsextremismus * diffuse rechtsextremistische einstellungen * konzerte und Liederabende - Musik im Internet niedrige Hürde für den einstieg in den Rechtsextremismus | Oft stehen zunächst nicht rechtsextremistische Inhalte im Vordergrund des Musikerlebnisses, sondern für die Hörer einprägsame Melodien und einfache Rhythmen. Die Hürde für den Einstieg in den Rechtsextremismus ist niedrig, da Musik nahezu jederzeit und überall konsumierbar ist. Die Musik dient der Selbstdarstellung und der szeneinternen Kommunikation über "Werte" und Feindbilder und ist Ausdruck eines subkulturellen Zusammengehörigkeitsgefühls. Dabei wirkt der Konsum von rechtsextremistischer Musik oft als Katalysator von Gefühlen und Aggressionen. Besonders in Verbindung mit Alkohol kann dies zu Gewaltausbrüchen führen. diffuse rechtsextremistische einstellungen | Subkulturell orientierte Rechtsextremisten sind gekennzeichnet durch eher diffuse rechtsextremistische Einstellungen, die sich an das Gedankengut von Neonazis anlehnen. Eine vertiefte "weltanschauliche" und politische Auseinandersetzung findet dabei nicht statt. Im Vordergrund steht eine erlebnisund aktionsorientierte Lebensgestaltung vor allem in Form des Konsumierens von Musik. konzerte und Liederabende - Musik im Internet | Konzerte spielen für subkulturell orientierte Rechtsextremisten eine wichtige Rolle. In der eher strukturlosen Szene sind Konzerte identitätsstiftende Ereignisse und dienen der Kommunikation und Vernetzung. Zudem üben die in der Regel konspirativ organisierten Konzerte gerade auf junge Rechtsextremisten eine große Faszination aus. Eine wachsende Bedeutung haben für subkulturell orientierte Rechtsextremisten, Neonazis und rechtsextremistische Parteien auch Liederabende. Auftritte überwiegend einzelner rechtsextremistischer Interpreten dienen als Treffpunkt und Plattform, wobei politische Bot104 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 RECHTSEXTREMISMUS schaften über die Liedtexte mit Zwischenmoderationen verknüpft und zur Anwerbung potenzieller Interessenten genutzt werden. Rechtsextremistische Musik wird auch über das Internet verbreitet. So findet man auf YouTube rechtsextremistische Videos wie etwa der rechtsextremistischen Hooligan-Band Kategorie C - Hungrige Wölfe mit gewaltverherrlichenden Texten. Auch von der Band Faust aus Hessen werden Musikvideos auf YouTube verbreitet. BeweRtung/auSBLIck In Deutschland sowie im europäischen Ausland durchgeführte große Konzerte mit unter Rechtsextremisten bekannten Bands stießen nach wie vor auf große Resonanz in der Szene. Zugleich bestätigte sich im Berichtszeitraum bundesweit die Tendenz, dass eine Verlagerung der Musikveranstaltungen hin zu Liederabenden, zumeist verbunden mit politischen Redebeiträgen, stattfand. Unabhängig von der Form der Veranstaltungen bleibt die hohe Gefahr, die von rechtsextremistischer Musik ausgeht, bestehen. Der Besuch von Konzerten dient vielfach als Einstieg in den Rechtsextremismus. Entsprechende Inhalte und vor allem Teile der neonazistischen Ideologie werden insbesondere jugendlichen Neueinsteigern auf eingängige Art und Weise vermittelt. Aufgrund der hieraus für Jugendliche resultierenden Gefahren ist die Szene der subkulturell orientierten Rechtsextremisten und Neonazis ein wichtiges Beobachtungsfeld des Verfassungsschutzes in Hessen. Unter Ausschöpfung der rechtlichen Möglichkeiten unterbinden die hessischen Sicherheitsbehörden konsequent rechtsextremistische Konzerte. Mit jedem verhinderten Konzert verliert die rechtsextremistische Szene eine zentrale Anlaufstelle und ein wichtiges Bindeglied zu Jugendlichen, die noch außerhalb des Rechtsextremismus stehen. Umso mehr steht für das LfV - nach der Abwendung der Zwangsversteigerung - das Teutonicus in Leun (Lahn-Dill-Kreis) im Fokus, da das Objekt auch künftig Rechtsextremisten als Veranstaltungstreff dienen wird. Vor allem bei der Etablierung des neuen rechtsextremistischen Veranstaltungskonzepts Club H5 soll das Teutonicus laut Aussage seiner Betreiber eine zentrale Rolle spielen. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 105 RECHTSEXTREMISMUS koMMunIkatIonSStRategIen Von RecHtSeXtReMISten durch die stetige entwicklung des Internets und die daraus resultierenden Möglichkeiten der kommunikation verändern sich immer wieder die Strategien und taktiken der Rechtsextremisten. Soziale netzwerke wie etwa facebook, Blogs, Videoplattformen (zum Beispiel youtube) sowie eigene Internetauftritte wie Homepages, nachrichtenportale oder foren sind für Rechtsextremisten wichtige Hilfsmittel für die digitale Verbreitung ihrer Propaganda, da sie hier mit wenig aufwand ein breites Publikum erreichen können. AUF EINEN BLICK * offene und versteckte Propaganda * kommunikation in geschlossenen gruppen offene und versteckte Propaganda | Rechtsextremisten bzw. rechtsextremistische Organisationen nutzen das Internet einerseits, um offen für ihre Ideen und Aktivitäten zu werben, um offen und ohne Scheu Hass und Hetze zu verbreiten und um Gleichgesinnte zu gewinnen; andererseits gehen sie weitaus konspirativer als früher vor und rufen zum Beispiel Initiativen ins Leben, die auf den ersten Blick keinen rechtsextremistischen Hintergrund vermuten lassen, sondern Themen ansprechen, die beim Großteil der Bevölkerung auf Ablehnung stoßen (zum Beispiel Kindesmissbrauch). Hierüber suchen Rechtsextremisten besonders den Kontakt zu Menschen, die bisher keinen Bezug zum Rechtsextremismus hatten. Neben den Internetplattformen nutzen Rechtsextremisten auch verschiedene Messengerdienste wie WhatsApp, Threema oder Signal, um untereinander zu kommunizieren, Veranstaltungen zu planen oder Absprachen zu treffen. kommunikation in geschlossenen gruppen | Die Möglichkeit eines Zugriffs staatlicher Sicherheitsbehörden sorgt bei Rechtsextremisten für eine erhöhte Sensibilisierung. So werden Leitfäden und Sicherheitsschulungen für Hinweise genutzt, bedacht mit persönlichen Daten umzugehen und keine Äußerungen zu tätigen, die strafrechtlich relevant sind oder auf geplante Veranstaltungen hindeuten könnten. Weiterhin nutzen Rechtsextremisten geschlossene Gruppen in sozialen Netzwerken und Messengerdiensten, zu denen nur bestimmte - meist im Vorfeld ausgewählte - Szeneangehörige Zugang erhalten. . 106 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 RECHTSEXTREMISMUS RecHtSteRRoRISMuS das oLg München verurteilte am 11. Juli das einzige noch lebende Mitglied sowie vier unterstützer der rechtsextremistischen terrororganisation nSu zu mehrjährigen Haftstrafen. AUF EINEN BLICK * Lebenslange Haft für Beate Zschäpe * Reaktionen in der Szene * Hohe gefahr rechtsextremistischer gewaltpotenziale * Herausragende aufgabe der Verfassungsschutzbehörden: Beobachtung rechtsextremistischer gewaltpotenziale Lebenslange Haft für Beate Zschäpe | Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe einen gemeinsamen Plan für politisch motivierte, rechtsextremistische Gewalttaten fassten und die terroristische Vereinigung NSU gründeten. Die Hauptangeklagte wurde als gleichberechtigte Mittäterin wegen zehnfachen Mordes, mehrfachen versuchten Mordes, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Raubüberfällen und schwerer Brandstiftung zu lebenslanger Haft verurteilt. Eine besondere Schwere der Schuld wurde festgestellt. Zschäpes Anwälte legten Revision gegen das Urteil ein. Gegen vier Mitangeklagte wurden wegen Beihilfe zum Mord bzw. Unterstützung einer terroristischen Vereinigung Haftstrafen zwischen zweieinhalb und zehn Jahren verhängt. Auch gegen diese Urteile wurde jeweils Revision eingelegt. Insgesamt ist die juristische Aufarbeitung des NSU-Komplexes noch nicht abgeschlossen. Gegen neun weitere mutmaßliche Helfer des NSU sind Ermittlungsverfahren anhängig. Reaktionen in der Szene | Unmittelbar nach der Urteilsverkündung kam es auf verschiedenen Facebook-Seiten der rechtsextremistischen Szene zu Reaktionen, in denen die Urteile überwiegend als "reines Politikum", "NSU-Schauprozess" und "NSU-Farce" bezeichnet wurden. Hinsichtlich der Anzahl seiner Opfer, seines Gewaltausmaßes und seiner Langlebigkeit ist der NSU in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ein Phänomen, das innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums mehrheitlich keine "positive" Resonanz erfuhr. Dies ist auch in Abwägungen begründet, die aus strategischen (Gewalt-)Diskussionen innerhalb der rechtsextremistischen Szene resultierten: Für den überwiegenden Teil der Rechtsextremisten stellte der Einsatz terroristischer Mittel zur Erreichung politischer Ziele weiterhin keinen erfolgversprechenden bzw. aussichtsreichen Weg dar. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 107 RECHTSEXTREMISMUS Die Taten des NSU wurden als in der Szene nicht vermittelbar wahrgenommen und die auf die Aufdeckung des NSU folgenden staatlichen Maßnahmen als kontraproduktiv für das eigene politische Wirken betrachtet. Hohe gefahr rechtsextremistischer gewaltpotenziale | Diese szeneinternen Einschätzungen bedeuten im Rahmen der permanenten Beobachtung und Analyse der Sicherheitsbehörden jedoch nicht, dass eine "Vorbildfunktion" des NSU für andere Gruppierungen ausgeschlossen werden kann. Rechtsextremistische Gewaltpotenziale stellen weiterhin eine hohe Gefahr dar, was zum Beispiel durch das Bekanntwerden mehrerer rechtsterroristischer Zellen in Sachsen sichtbar wurde. Im März wurde das Urteil gegen die Gruppe Freital verkündet, die im Jahr 2015 in Dresden und Freital (Sachsen) mehrere Sprengstoffanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte verübt hatte. Im Oktober 2018 wurden acht mutmaßliche Rechtsterroristen der Gruppe Revolution Chemnitz festgenommen, die unter dem Verdacht stehen, am 3. Oktober einen Anschlag gegen Ausländer und Andersdenkende geplant zu haben. Herausragende aufgabe der Verfassungsschutzbehörden: Beobachtung rechtsextremistischer gewaltpotenziale | Insgesamt birgt die der rechtsextremistischen Ideologie immanente Gewaltorientierung die Gefahr, dass schwere staatsgefährdende Gewalttaten begangen werden: Solche Straftaten richten sich gegen Leben und persönliche Freiheit eines oder mehrerer Menschen, sodass sie nach den Umständen bestimmt und geeignet sind, den Bestand oder die Sicherheit eines Staats oder einer internationalen Organisation zu beeinträchtigen oder Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben. Dabei kann diese Gewaltorientierung bis zum Rechtsterrorismus führen. Die Beobachtung rechtsextremistischer Gewaltpotenziale, deren Herausbildung eine virulente Gefahr darstellt, ist und bleibt eine herausragende Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden. 108 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 RECHTSEXTREMISMUS fLÜcHtLInge IM VISIeR Von RecHtSeXtReMISten auch im Berichtsjahr bildeten flüchtlinge und die flüchtlingspolitik zentrale themen in der rechtsextremistischen agitation in Hessen. Mit der angst vor angeblicher "kultureller Überfremdung" sollten Ressentiments und ängste in der Bevölkerung geschürt werden. die fremdenfeindliche agitation von Rechtsextremisten barg das Risiko, dass sich einzelpersonen und gruppierungen radikalisieren, was zum Begehen schwerster Straftaten führen kann. In Hessen kam es bisher zu Übergriffen, die überwiegend aus Volksverhetzungen, dem Verwenden von kennzeichen verfassungswidriger organisationen und Sachbeschädigungen durch fremdenfeindliche farbschmierereien bestanden. alle im kontext flüchtlinge/flüchtlingspolitik begangenen Straftaten entfielen - im unterschied zu den Vorjahren - ausschließlich auf die PMk - rechts -. IM KONTEXT FLÜCHTLINGE/FLÜCHTLINGSPOLITIK BEGANGENE STRAFTATEN In Hessen kam es im Berichtszeitraum insgesamt zu zehn (2017: sieben) Straftaten, die sich gegen asylund flüchtlingsunterkünfte richteten. Alle Delikte entfielen auf den Bereich der PMK - rechts - und setzten sich aus Sachbeschädigungen und dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zusammen. | 2018 2017 2016 2015 gegen Asyl-/Flüchtlingsunterkünfte PMK insgesamt 10 7 25 28 PMK - rechts - 10 7 22 25 gegen Asylbewerber/Flüchtlinge PMK insgesamt 26 50 72 39 PMK - rechts - 26 46 67 17 gegen Hilfsorganisationen und Helfer PMK insgesamt 2 2 3 * PMK - rechts - 2 1 2 * Summe PMK insgesamt 38 59 199 67 PMK - rechts - 38 54 91 42 * Diese Kategorie wurde im Jahr 2015 noch nicht erfasst. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 109 RECHTSEXTREMISMUS Die Anzahl der Fälle von menschenverachtender agitation gegen STRAFTATEN GEGEN asylbewerber und flüchtlinge sank in Hessen im Berichtsjahr auf 26 HILFSORGANISATIONEN Straftaten (2017: 50), wobei alle diese Straftaten in den Bereich der UND HELFER PMK - rechts - entfielen. 3 gegen Hilfsorganisationen sowie ehrenamtliche und freiwillige Hel2016 2 fer waren zwei Straftaten zu verzeichnen (2017: zwei), davon entfielen beide auf den Bereich PMK - rechts -. 2 2017 1 Insgesamt nahm im Berichtszeitraum die Zahl der Straftaten (38) im Bereich PMk - rechts - gegenüber dem Vorjahr (2017: 54) deutlich 2 ab, wobei nunmehr der leichte anstieg der Zahlen im Bereich der 2018 2 Straftaten gegen asylund flüchtlingsunterkünfte sorgfältig zu beobachten und analysieren ist. gegen Hilfsorganisationen für Hessen sind für den Berichtszeitraum folgende fälle hervorzuund Helfer heben: davon PMK - rechts - * Im Januar beschädigten unbekannte Täter mittels eines nicht identifizierten Geschosses von außen die Fensterscheibe der HEAE in Kassel. Hierdurch sprang die äußere Scheibe der Doppelverglasung. Während der Tatzeit schlief die türkische Familie, niemand wurde verletzt. * Im März wurde die Eingangstür einer Flüchtlingsunterkunft in Wettenberg (Landkreis Gießen) mit einem Stein eingeschlagen bzw. eingeworfen. Zwei unbekannte Täter wurden bei ihrer Flucht auf einem Zweirad von Zeugen beobachtet. * Im Juni kam es an derselben Unterkunft zu einer weiteren Sachbeschädigung, als unbekannte Täter die Eingangstür mit einem faustgroßen Stein einwarfen und bei ihrer Flucht mit zwei Fahrrädern beobachtet wurden. STRAFTATEN GEGEN ASYL-/FLÜCHTLINGSUNTERKÜNFTE 30 28 25 25 22 20 10 10 10 7 7 gegen Asyl-/Flüchtlingsunterkünfte insgesamt davon PMK - rechts - 0 2015 2016 2017 2018 110 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 RECHTSEXTREMISMUS STRAFTATEN GEGEN ASYLBEWERBER/FLÜCHTLINGE 80 72 67 60 50 46 39 40 26 26 20 17 gegen Asylbewerber/ Flüchtlinge insgesamt davon PMK - rechts - 0 2015 2016 2017 2018 Bewertung | Obwohl die Zahl der nach Deutschland einreisenden Flüchtlinge auch im Berichtszeitraum stark sank, ist davon auszugehen, dass die entsprechende rechtsextremistische Agitation anhalten wird. Die Anti-Asyl-Agitation ist ein klassisches rechtsextremistisches Thema und bietet Rechtsextremisten traditionell ein großes Mobilisierungspotenzial. So besteht bei öffentlichkeitswirksamen Ereignissen - zum Beispiel bei von Flüchtlingen begangenen Straftaten - die Gefahr einer schlagartigen Intensivierung der fremdenfeindlichen Anti-Asyl-Agitation. Unverändert besteht die Gefahr, dass Rechtsextremisten Gewalt befürworten, hiermit den Anstoß zu Gewalttaten geben bzw. selbst schwerwiegende Straftaten gegen Flüchtlinge und/oder Flüchtlingsunterkünfte begehen. Es ist damit zu rechnen, dass die Themen "Flüchtlinge" und "Flüchtlingspolitik" vor dem Hintergrund der internationalen Entwicklung auf unbestimmte Zeit Gegenstand des in Teilen kontrovers geführten gesellschaftlichen und medialen Diskurses bleiben werden. . Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 111 RECHTSEXTREMISMUS RecHtSeXtReMIStIScHe StRafund gewaLttaten Im Berichtszeitraum wiesen 539 politisch motivierte Strafund Gewalttaten einen rechtsextremistischen Hintergrund auf. Die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten, die 2016 im Vergleich zu den Vorjahren deutlich angestiegen war, verharrte damit auf dem Vorjahresniveau. Bemerkenswert ist, dass die Zahl der Gewalttaten mit 25 Delikten (2017: 16) deutlich zunahm, wobei hierfür weder die Tatumstände noch die Tatzeitpunkte ein Erklärungsmuster liefern. Umso mehr gilt es, diese Entwicklung seitens der Sicherheitsbehörden genau im Blick zu behalten. (Siehe im Glossar unter dem Stichwort Politisch motivierte Kriminalität zur Erfassung politisch motivierter Strafund Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund.) | 2018 2017 2016 2015 2014 Deliktart Tötung * Versuchte Tötung 1 Körperverletzung 24 13 19 17 17 Brandstiftung/Sprengstoffdelikte 2 3 Landfriedensbruch 1 1 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs-, Luftund Straßenverkehr Freiheitsberaubung, Raub, Erpressung, 1 1 2 3 Widerstandsdelikte Gewalttaten insgesamt 25 16 23 20 21 Sonstige Straftaten Sachbeschädigung 26 22 41 57 19 Nötigung/Bedrohung 7 6 29 16 2 Andere Straftaten (insbesondere Propagan481 496 706 566 471 dadelikte) Strafund Gewalttaten insgesamt 539 540 799 659 513 * Das Tötungsdelikt an einem ruandischen Staatsbürger am 23. Oktober 2014 wurde erst nach dem Stichtag der statistischen Erhebung als extremistische Straftat bewertet und ist daher in der polizeilichen PMK-Statistik für das Jahr 2014 nicht erfasst. 112 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER unter der Bezeichnung Reichsbürger und Selbstverwalter fasst der Angehörige: Verfassungsschutz gruppierungen und einzelpersonen zusammen, In Hessen etwa 1.000, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Bebundesweit etwa 19.000 gründungen das grundgesetz, die Bundesrepublik deutschland Medien: und deren Rechtssystem, die Staatsorgane und die demokratisch Internetpräsenzen gewählten Repräsentanten nicht anerkennen und ihnen die Legitimation absprechen. Reichsbürger propagieren das fortbestehen ei- \ nes historischen deutschen Reichs, Selbstverwalter erfinden fantasiestaaten und beanspruchen für sich ein von der Bundesrepublik deutschland unabhängiges territorium. Insgesamt erkennen Reichsbürger und Selbstverwalter die Bundesrepublik nicht als Staat an. Sie verstehen sich als außerhalb der Rechtsordnung stehend und fordern Behörden sowie gerichte auf, geltendes Recht nicht anzuwenden. darüber hinaus können sich Bestrebungen von Reichsbürgern und Selbstverwaltern auch gegen den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten. wenn solche aktivitäten mit gebietsrevisionistischen forderungen verbunden sind, steht dies nicht mit dem gedanken der Völkerverständigung in einklang. Insgesamt sind Reichsbürger und Selbstverwalter in hohem Maße bereit, gegen gesetze zu verstoßen. die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder beobachten die Reichsbürger und Selbstverwalter seit dem 22. november 2016 in gänze. AUF EINEN BLICK * Heterogene Szene * Personenpotenzial * entzug waffenrechtlicher erlaubnisse * Revisionismus * widerstand gegen Staat und Verwaltung * "Malta-Masche" * deliktfelder * gefahr der gewaltanwendung Heterogene Szene | Das Spektrum der Reichsbürger und Selbstverwalter besteht aus einer Vielzahl verschiedener Gruppierungen und Einzelpersonen. Die Szene ist vielschichtig, unübersichtlich und umfasst Verschwörungstheoretiker und Rechtsextremisten ebenso wie Leichtgläubige und finanziell Gescheiterte. Verschwörungstheoretiker glauben, dass die Bundesrepublik Deutschland eine fremdbestimmte Kolonie sei, die zum Beispiel von den Alliierten, Einzelpersonen oder Geheimlogen kontrolliert wird. Bei Rechtsextremisten dagegen steht der Glaube, dass eine frühere Form Deutschlands - wie etwa das Deutsche Kaiserreich oder die na114 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER tionalsozialistische Regierung - fortexistieren würde, im Mittelpunkt. Damit einher geht bei Rechtsextremisten eine völkische Abstammungslehre. Demnach sei nur derjenige deutsch, der über mindestens drei Generationen einen "rein deutschen" Stammbaum vorweise. Wer das nicht könne, sei kein Deutscher und habe keinen Platz im jeweiligen Deutschen Reich und müsse dieses verlassen. Aufgrund der unterschiedlichen Ansichten und Überzeugungen innerhalb der Szene gab es keine allgemein anerkannten Strukturen oder Organisationen. Vielmehr waren eine Zersplitterung der Szene und eine meist nur kurze Existenz von Gruppierungen typisch für das Milieu. Einzig in Bezug auf die fundamentale Ablehnung der Bundesrepublik Deutschland, ihrer Gesetze und Repräsentanten bestand Einigkeit innerhalb der Szene. Personenpotenzial | Das mit Stand zum 31. Dezember 2018 den Sicherheitsbehörden bekannte Personenpotenzial der Reichsbürger und Selbstverwalter unterschied sich von dem anderer extremistischer Phänomenbereiche auch durch seine Zusammensetzung. Waren andere Extremisten häufig junge Erwachsene oder befanden sie sich im Übergang zum Erwachsenenalter, lag das Durchschnittsalter bei Reichsbürgern und Selbstverwaltern zwischen 45 und 60 Jahren. Zu knapp 75 Prozent war die Szene männlich und wies - im Vergleich zur Gesamtbevölkerung - einen unterdurchschnittlichen Anteil von Akademikern auf. entzug waffenrechtlicher erlaubnisse | Im Berichtsjahr lag die Anzahl der Personen, die dem Spektrum der Reichsbürger und Selbstverwalter zugerechnet wurden und über eine waffenrechtliche Erlaubnis verfügten, im hohen zweistelligen Bereich. Das Ziel der Sicherheitsbehörden in Hessen ist es, dass kein ihnen bekannter Reichsbürger oder Selbstverwalter waffenrechtliche Erlaubnisse oder Legalwaffen besitzt bzw. Legalwaffen im Fall des Besitzes entzogen werden. In enger Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsund Waffenbehörden wurden bereits zahlreichen Reichsbürgern und Selbstverwaltern die waffenrechtlichen Erlaubnisse entzogen und ihre Schusswaffen sichergestellt. Revisionismus | Beispielhaft für die Umdeutung der Vergangenheit steht folgende Aussage der rechtsextremistischen Exilregierung Deutsches Reich: "Der Begriff Wiedervereinigung ist [...] irreführend, da nur zwei Teile Deutschlands, die Bundesrepublik Deutschland (Westdeutschland) und die Deutsche Demokratische Republik (Mitteldeutschland), vereinigt wurden, Ostdeutschland aber noch immer besetzt ist und deutsche Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 115 REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER \ Staaten wie Österreich, Luxemburg oder Li[e]chtenstein immer noch eigene Kleinstaaten sind". Reichsbürger und Selbstverwalter führten eine Vielzahl verschwörungstheoretischer Argumente an, in denen sie sich abwegig und pseudojuristisch auf verschiedene Gesetze und internationale Normen beriefen. Die Bundesrepublik stellte für sie lediglich ein "Besatzungskonstrukt" dar: Deutschland sei seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs kein souveräner Staat, sondern ein von den alliierten Streitkräften militärisch besetztes Gebiet. Entsprechend behauptete die Szene, die Bundesrepublik Deutschland existiere nicht, sei nicht souverän, sondern lediglich eine "Firma". So agitierten und polemisierten Reichsbürger und Selbstverwalter gegen eine angebliche "BRD-GmbH" sowie gegen Parlament und Regierung, Justiz und Polizei. Das Grundgesetz, die Rechtsordnung, Gerichtsurteile und behördliche Bescheide erkannten Reichsbürger und Selbstverwalter nicht an, zitierten diese jedoch, wenn sie glaubten, diese für sich instrumentalisieren zu können. Stattdessen beanspruchten Reichsbürger und Selbstverwalter eine eigene Staatsgewalt auszuüben: Sie vergaben "staatstragende" Ämter, verkauften "Reichsausweise" und selbstgefertigte "Reichsführerscheine", die keinerlei rechtliche Relevanz besitzen. widerstand gegen Staat und Verwaltung | Die Haupttätigkeit der Reichsbürger und Selbstverwalter bestand im Agieren gegen Behörden mittels absurder Eingaben, mit denen sie versuchten, Ämter an ihrem rechtmäßigen Handeln zu hindern. Hintergrund war in fast allen Fällen, dass Szeneangehörige Steuern oder Strafen - zum Beispiel für zu schnelles Fahren oder die fehlende Anmeldung von Hunden - nicht zahlen wollten. Statt die meist geringen Gelder zu entrichten, erstellten Szeneangehörige umfangreiche Schriftsätze, in 116 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER denen sie sich auf die Haager Landkriegsordnung von 1907, UN-Resolutionen wie die "Erklärung der vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker" oder auf selbst erdachte allgemeine Geschäftsbedingungen beriefen. Teils wurden Schadensersatzforderungen - mitunter auch in Silber oder Gold - aufgrund selbst gefällter "Urteile" an die in Ämtern zuständigen Sachbearbeiter gesandt. Neben der individuellen Belastung für die Sachbearbeiter haben diese Eingaben zur Folge, dass sich die Vorgangsbearbeitung für alle Bürger verzögert, da auch abstruse Vorgänge Arbeitszeit binden. Im Englischen wird hierfür der Ausdruck paper terrorism verwendet. Beispielhaft für das Agieren von Reichsbürgern und Selbstverwaltern sind folgende Auszüge aus Schreiben, mit denen sie sich an Behörden wenden: "Sehr geehrte Damen und Herren, mit dem beigefügten Schreiben informiere ich Sie und alle von ihrer Behörde zu unterrichtenden Stellen davon, dass ich, die natürliche Person [...] tatsächlich lebend bin und die mir aufgezwungene, durch Erstellung einer Geburtsurkunde registrierte und von mir unter vortäuschen Falscher Tatsachen mittels Personalausweis vertretenen, juristische Person [...] mit sofortiger Wirkung nicht mehr vertrete. Da mir nicht die vollständige Treuhandschaft über die juristische Person übereignet wurde, verbiete ich dem Inhaber der Treuhandschaft mit sofortiger Wirkung, jedwede Belästigung, Nötigung, Unterstellung, Forderungen oder Zwangsmaßnahmen gegen die hier erklärende Natürliche Person". (Schreibweise wie im Original.) Neben diesen "Lebenderklärungen", mit denen sich Szeneangehörige als außerhalb der Rechtsordnung stehend definieren, finden sich häufig Schreiben, in denen Szeneangehörige Gründe dafür darlegten, warum aus ihrer Sicht die Bundesrepublik Deutschland nicht existent sei. Dabei bedienten sie sich meist einer pseudojuristischen und formelhaften Sprache: "Die in Latenz fortbestehende Natürliche Person [...], kann und darf wegen c.d.m. von der aktuellen Verwaltung nicht nachgewiesen werden, sondern von ihr nur ,ausgewiesen' - im wahrsten Sinne des Wortes: ausgewiesen aus ihren absoluten Persönlichkeitsrechten vermittels anfechtbarer Rechtsstellung. [...] Die Organe des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, hier die den ,Personal'ausweis ausstellenden Bediensteten der Gemeinde/Stadtverwaltung selbst organlose Gebilde, juristische, artifizielle Personen/unbeseelte Objekte, können und dürfen also nur die Existenz von organlosen Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 117 REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER juristischen Personen bescheinigen und deren Verwaltungssitz führen. [...] Der 1945 faktisch handlungsunfähig gewordene Staat, einschließlich dessen Rechtsordnung, als gleichwohl von diesem im Fortbestand garantiertes Rechtssubjekt, kann seither seinen als Rechtssubjekten in Latenz fortbestehenden Natürlichen Personen die verfaßten bürgerlichen Rechte weder gewähren noch durchsetzen. [...] Bei Ausstellung von ,Personendokumenten' bestätigt seither die (Besatzungs-)Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes somit lediglich die eingetretene und anhaltende Statusminderung, ausgeführt und bewirkt mittels unerlaubter Handlungen von Zielen der Besatzung dienenden Verrichtungsgehilfen (nicht Beamten!), die dafür jedwede Privathaftung nach BGB SS823 auf sich ziehen". (Schreibweise wie im Original.) Für ihre Argumentationskette bedienten sich Reichsbürger zwar zum Teil tatsächlich existierender Rechtsnormen, die ihren Schreiben eine juristische Anmutung verleihen sollten, allerdings entfalten klassische Reichsbürgerschreiben keine Rechtsgültigkeit, da die aufgeführten Rechtsnormen häufig aus dem Zusammenhang gerissen sind und in Verbindung mit fiktiven Gesetzen verwendet werden. "Malta-Masche" | Reichsbürger und Selbstverwalter versuchten mitunter, sich nicht nur behördlichem Zugriff zu entziehen, sondern ihrerseits Behördenmitarbeiter widerrechtlich zu belangen. Hierfür erfanden Reichsbürger und Selbstverwalter im Zuge der "Malta-Masche" Schulden eines Behördenmitarbeiters und trugen diese in das amerikanische Online-Register Uniform Commercial Code (UCC) ein. Anschließend wurden die Forderungen an ein maltesisches Inkassounternehmen abgetreten, um einen vollstreckbaren Titel nach dem europäischen Mahnverfahren zu erreichen. Nach Ansicht des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz und des Auswärtigen Amts stellt dieses missbräuchliche Verfahren einen Betrugsversuch dar. Eine Durchsetzung ihrer erfundenen Forderungen gelang Szeneangehörigen bislang nicht. deliktfelder | Zu etlichen Reichsbürgern lagen der Polizei Erkenntnisse zu Gewaltdelikten (Freiheitsberaubung, Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) vor. Außerdem begingen Reichsbürger Betrug, Hausfriedensbruch, Nötigungen und Sachbeschädigungen. Da Reichsbürger und Selbstverwalter für sich in Anspruch nahmen, eine eigene Staatlichkeit oder ein wie auch immer geartetes Deutsches Reich zu repräsentieren, vergaben sie erfundene Titel und Amtsbezeichnungen, aus denen sie meist ent118 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER sprechende hoheitliche Befugnisse ableiten. Entsprechend stellten Amtsanmaßung, Urkundenund Kfz-Kennzeichenfälschung szenetypische Deliktfelder dar. Daneben verstießen einige Reichsbürger und Selbstverwalter gegen das Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Fotografie, das Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, das Waffengesetz sowie das Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln. gefahr der gewaltanwendung | Da Reichsbürger und Selbstverwalter die Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland bestreiten, lehnen sie jegliche Art von staatlichem Handeln ab. Rechtsansprüche gegenüber Szeneangehörigen mussten die Behörden deshalb meist mittels Zwangsvollstreckung durchsetzen. Die Szene ist außergewöhnlich waffenaffin, sodass die Gefahr besteht, dass sich ihre Angehörigen staatlichen Maßnahmen widersetzen. Dabei richtet sich ihre teilweise erhebliche Gewalt vor allem gegen Gerichtsvollzieher und Polizeibeamte, deren Einsätze sie als "Plünderung" und "Raub" ansehen, gegen die "Notwehr" geboten sei. Dass Reichsbürger und Selbstverwalter bereit sind, dieses selbstdeklarierte "Notwehrrecht" auch durchzusetzen, zeigen die beiden Vorfälle in Reuden (SachsenAnhalt) und Georgensgemünd (Bayern) im August bzw. Oktober 2016. Hier eröffneten zwei Selbstverwalter das Feuer auf Polizeibeamte, als diese Maßnahmen der örtlichen Behörden durchsetzen wollten. Dabei wurden zwei Beamte schwer verletzt. Einer der Beamten erlag später seinen schweren Verletzungen. Das der Szene inhärente Gewaltpotenzial ist nach wie vor als hoch zu bewerten. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 119 REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER 120 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 LINKSEXTREMISMUS - MeRkMaLe - LInkSeXtReMIStIScHeS PeRSonenPotenZIaL - autonoMe - SonStIge BeoBacHtungSoBJekte - LInkSeXtReMIStIScHe StRafund gewaLttaten LINKSEXTREMISMUS MeRkMaLe die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen grundordnung und die errichtung eines totalitären, sozialistisch-kommunistischen Systems oder einer angeblich "herrschaftsfreien gesellschaft" sind Ziele linksextremistischer Bestrebungen. AUF EINEN BLICK * orthodoxer kommunismus * Maoismus * anarchismus * autonome Vorstellungen orthodoxer kommunismus | Protagonisten dieses Teils des Linksextremismus wie zum Beispiel die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) orientieren sich an den Lehren von Karl Marx (1818 bis 1883) und Friedrich Engels (1820 bis 1895). Marx und Engels teilten Gesellschaften in Klassen ein und behaupteten, es gebe einen andauernden "Klassenkampf". Auf der Ausbeutung der Klasse der Arbeiter ("Proletariat") durch die Klasse der "Kapitalisten" fußt nach Auf - fassung orthodoxer Kommunisten - gegründet auf den Lehren von Marx und Engels - der "Kapitalismus": Dieser führe zwangsläufig zu immer mehr Elend und Gewalt in der Gesellschaft. Der Kapitalismus könne nur durch eine Revolution, die eine Änderung der Eigentumsverhältnisse einschließe, beseitigt werden. Durch Umverteilung des Besitzes werde die alte Ordnung absterben und sich nach und nach eine kommunistische Gesellschaft entwickeln. Neben Marx und Engels berufen sich orthodoxe Kommunisten auf Wladimir Iljitsch Uljanow (1870 bis 1924), genannt Lenin. Dieser glaubte, die Arbeiter könnten nur durch eine elitäre Kaderpartei zum richtigen "Klassenbewusstsein" und zu einer erfolgreichen Revolution geführt werden. Nach der Erringung der Macht sei es Aufgabe dieser Partei, mittels einer "Diktatur des Proletariats" die kommunistische Gesellschaft zu errichten und gewaltsam alle "konterrevolutionären" Elemente zu bekämpfen. Maoismus | Organisationen wie die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) orientieren sich an der chinesischen Variante des Kommunismus, dem Maoismus, der auf den Revolutionär Mao Zedong (1893 bis 1976) zurückgeht. Die von ihm 1937 verfassten Schriften sowie seine Politik der Ablehnung der damaligen Sowjetunion bilden die Grundlage der maoistischen Ideologie. Im Unterschied zum orthodoxen Kommunismus setzt sich für Maoisten die Revolution auch nach Erringung der Macht fort und kann sich gegen 122 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 LINKSEXTREMISMUS eigene kommunistische Strukturen richten. Darüber hinaus definierte der Maoismus nicht die Arbeiter, sondern - vor allem in Ländern der Dritten Welt - die Bauern als Träger der proletarischen Revolution. anarchismus | Anarchisten wie die Freie Arbeiterinnenund ArbeiterUnion (FAU) lehnen - im Unterschied zu kommunistischen Organisationen - jegliche Herrschaft ab. Sie sehen den Staat als unterdrückerische Zwangsinstanz an, die zerschlagen werden müsse, wobei es - im Unterschied zu Marxisten-Leninisten - keiner Kaderpartei bedürfe. Anarchisten wenden sich gegen jegliche Institutionen, insbesondere gegen Parteien und Parlamente; sie selbst organisieren sich in nur wenig strukturierten Gruppen. autonome Vorstellungen | Die Positionen von Autonomen sind - verglichen mit denjenigen orthodox-kommunistischer Parteien - differenziert: Nicht die Partei, sondern das selbstbestimmte Individuum steht bei Autonomen im Mittelpunkt ("Politik der ersten Person"). Nach autonomer Auffassung muss der Einzelne ständig um seine Befreiung von "strukturellen Zwängen" kämpfen. Mit orthodoxen Kommunisten verbindet Autonome aber die Vorstellung von einer Welt, in der jeder im Rahmen einer kommunistischen Gesellschaft nach seinen Bedürfnissen leben und sich selbst verwirklichen kann. Dazu müssten alle "Systeme", die dem Individuum Pflichten und Zwänge auferlegen, beseitigt werden. Zu diesen "Systemen" gehören nach dem Verständnis von Autonomen unter anderem Demokratie und rechtsstaatliches Handeln. Die Vorgehensweisen und die Zusammensetzung autonomer Zusammenschlüsse sind heterogen. Einige Autonome versuchen, Ideen anarchistischer Prägung in die Realität umzusetzen, zum Beispiel durch die Errichtung "gewaltund herrschaftsfreier Räume" in Form von Besetzungen oder der Verwaltung von Gebäuden. Andere Autonome engagieren sich weiterhin in der Bündnisund Netzwerkarbeit, wobei sie zunehmend nichtextremistische Unterstützer zu gewinnen versuchen. Um ihre jeweiligen Ziele zu erreichen, halten Autonome generell die Anwendung von Gewalt für ein legitimes Mittel. Insbesondere auf Grund ihrer "militanten Aktionen" stellen Autonome eine konstante Bedrohung für die Innere Sicherheit in Deutschland dar. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 123 LINKSEXTREMISMUS LInkSeXtReMIStIScHeS PeRSonenPotenZIaL1 Das Personenpotenzial in linksextremistischen Gruppierungen ist in Hessen konstant geblieben. | 2018 2017 2016 2015 2014 Autonome Hessen 400 400 400 340 340 Bund 7.400 7.000 6.800 6.300 6.100 Anarchisten Hessen 70 70 70 60 70 Bund 800 800 800 800 800 Sonstige Linksextremisten (Marxisten-Leninisten, Trotzkisten u. a.) Hessen 2.400 2.400 2.400 2.400 2.200 Bund 24.000 21.400 21.800 20.300 21.100 Gesamtzahl der Linksextremisten (nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften) Hessen 2.570 2.570 2.570 2.500 2.300 1 Bund 32.000 29.500 28.500 26.700 27.200 1 Die Zahlen sind teilweise geschätzt und gerundet. autonoMe DEFINITION/KERNDATEN autonome sind undogmatische und organisationskritische Linksextremisten, die sich an verschiedenen, zum teil diffusen kommunistischen und anarchistischen deutungsmustern orientieren. das staatliche gewaltmonopol lehnen autonome ab und sehen eigene gewaltanwendung ("Militanz") zur durchsetzung ihrer politischen Ziele als legitim an. Starren organisationsstrukturen stehen "klassische" autonome kritisch bis ablehnend gegenüber und beharren stattdessen auf ihrer Selbstbestimmtheit. autonome organisieren sich daher in losen gruppen, zwischen denen oft nur aktionsund anlassbezogene lockere netzwerke bestehen. 124 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 LINKSEXTREMISMUS teile der autonomen Szene sind in den letzten Jahren allerdings von diesem Selbstverständnis abgerückt. die mangelnde Strategie sowie Aktivisten: die organisationsund theoriefeindlichkeit "klassischer" autonomer In Hessen etwa 400, bundesweit etwa 7.400 erachten sie als wenig zielführend: anstelle der Revolution bevorzugt dieser teil der Szene, der sich selbst als postautonom beRegionale Schwerpunkte: zeichnet, eine langfristige Veränderung der bestehenden VerhältFrankfurt am Main, Marburg, Gießen, nisse. Hierfür greifen Postautonome gesamtgesellschaftlich relevante Kassel und Darmstadt themen auf und setzen auf eine auch das gesamte linksextremistiMedien : sche Spektrum umfassende Bündnispolitik, die eine ZusammenSwing (Erscheinungsweise mehrmals arbeit mit nichtextremistischen akteuren ausdrücklich einschließt. jährlich), Internetpräsenzen dementsprechend vermeiden Postautonome in der Regel ein offenes Bekenntnis zur gewalt. Stattdessen verwenden sie eher unbestimmte Begriffe wie "ziviler ungehorsam" oder sprechen davon, / "Polizeiketten durchfließen" zu wollen. damit bieten Postautonome für ihre "aktionen" einen weiten Interpretationsspielraum, der sowohl gewaltorientierten als auch gewaltablehnenden Personen eine teilnahme ermöglicht. die bundesweit bedeutendsten postautonomen organisationen waren die Interventionistische Linke (IL) und das sich selbst als "kommunistisch" definierende Bündnis ...umsganze! (ug). während die gruppe kritik&praxis - radikale Linke [f]rankfurt teil des ...umsganze!-Bündnisses war, waren in der IL die gruppen d.o.r.n. (kassel), d.i.s.s.i.d.e.n.t. (Marburg), IL darmstadt und IL frankfurt organisiert. eReIgnISSe/entwIckLungen während im Vorjahr mit den Protesten gegen den g20-gipfel in Hamburg ein herausragendes ereignis die aktivitäten der autonomen Szene prägte, verteilte sich deren aktionsspektrum im Berichtsjahr gleichmäßig auf mehrere themenfelder. ein besonderes augenmerk legte die Szene auf den Protest gegen die vermeintlich zunehmende "staatliche Repression" gegenüber "linken aktivisten". kritisiert wurden unter anderem verschiedene gesetzesverschärfungen in Bund und Ländern, die forderung nach Schließung von Szeneobjekten sowie die laufenden ermittlungen und Strafprozesse im nachgang zum g20-gipfel. ein weiterer Schwerpunkt autonomer aktivitäten lag in den themenfeldern "antifaschismus" und "antirassismus". Hier engagierte sich die Szene gegen den "Rechtsruck" in der gesellschaft und kritisierte das vermeintlich staatliche Versagen bei der Verfolgung und aufklärung von rechtsextremistischen Straftaten. ebenfalls von Bedeutung waren autonome aktionen gegen gentrifizierung und im kontext klimaund umweltaktionen. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 125 LINKSEXTREMISMUS AUF EINEN BLICK * "antifaschismus": outings und demonstrationen * "antirepression": Solidaritätsbekundungen und -aktionen als Reaktion auf ermittlungen und Razzien nach dem g20-gipfel 2017 in Hamburg * "Selbstverwaltete freiräume": gegen "linke" treffund wohnobjekte gerichtete Brandserie im Rhein-Maingebiet * "antigentrifizierung": linksextremistische Beteiligung an einer demonstration für "bezahlbaren wohnraum" * "antirassismus": demonstrationen gegen abschiebungen - Protestaktionen der kampagne "kein Schlussstrich - tag X" * klimaund umweltaktionen "antifaschismus": outings und demonstrationen | Linksextremisten setzten Aktive der Partei Alternative für Deutschland (AfD) pauschal mit Rechtsextremisten gleich. In der Konsequenz kam es auch durch Autonome zu Störungen und Konfrontationen anlässlich von Veranstaltungen der AfD. So störten Autonome ein Parteitreffen in einer Gaststätte in Wiesbaden und outeten auf Facebook einen Parteifunktionär als "faschistischen Vorsitzenden der AfD" im Rheingau-TaunusKreis. Dabei wurden persönliche Daten des Betroffenen veröffentlicht. Weitere Outings richteten sich insbesondere gegen Angehörige von Burschenschaften im Raum Mittelhessen und thematisierten deren Verbindungen zur AfD. Im Rahmen der "Kampagne zur Aufdeckung und Bekämpfung (neu-)rechter Netzwerke" wurden unter der Überschrift "Stadt, Land, Volk" Berichte im Stile von Outings veröffentlicht. Darin wurden persönliche und biografische Daten genannt. Im Juni wurde ein Outing auf einer von Linksextremisten intensiv frequentierten Internetpräsenz veröffentlicht und mit den Appellen versehen: "Keine Ruhe für Nazis!", "Neonazis ihr Jura-Studium versauen!", "Vorsicht extrem rechter Bursche!" und "Mit der Ruhe ist es jetzt vorbei!" Auf derselben Internetseite bekannten sich im Mai anonyme Verfasser zu einem gewalttätigen Übergriff auf die Wohnung eines Rechtsextremisten. Die Verfasser sprachen von einem "längst überfälligen antifaschistischen Hausbesuch" und gaben an, dass der Inhalt des "Schlafund Arbeitszimmer[s] [...] nun reif ist für den Sondermüll". "Auf den Müllhaufen der Geschichte" gehöre auch die "menschenverachtende Ideologie" des Wohnungsinhabers. Die Autoren "bedauerten", dass der Bewohner zum Zeitpunkt ihres "Besuchs" nicht anwesend gewesen sei. Mit dem Kommentar "Großartig[.] Schöne Nummer, GenossInnen!" begrüßte eine unbekannte Person aus Leipzig (Sachsen) den Fall von Selbstjustiz auf der Internetseite. 126 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 LINKSEXTREMISMUS Neben der direkten Konfrontation mit dem politischen Gegner war die Vernetzungsund Aufklärungsarbeit im Themenfeld "Antifaschismus" ein wichtiger Baustein linksextremistischer Betätigung. Insbesondere Vorträge wurden für Kooperationen mit nichtextremistischen zivilgesellschaftlichen Akteuren instrumentalisiert. So warb etwa die IL Darmstadt im Juni für die dortige Vortragsreihe "Die extreme Rechte". Die Veranstaltungen wurden einerseits von der IL Darmstadt mitgetragen, andererseits waren sie mit Logos zivilgesellschaftlicher Stellen versehen und fanden mitunter an einer Liegenschaft einer Darmstädter Hochschule statt. Neben Outings nutzten Linksextremisten klassischerweise Demon- / strationen, um ihre Ansichten öffentlich zu präsentieren und zugleich konfrontativ auf den politischen Gegner einzuwirken. Vor dem Hintergrund der öffentlichen Diskussion über die "Ehe für alle", die der Bundestag im Juni 2017 beschlossen hatte, beteiligten sich im Januar 2018 Autonome aus dem Rhein-Main-Gebiet und aus Mittelhessen an einer Demonstration gegen eine Veranstaltung im Raum Frankfurt am Main mit dem Thema "Öffnung der Ehe ... Folgen für alle ...". Trotz anderslautender Ankündigungen aus dem autonomen Spektrum verlief die Gegendemonstration mit rund 2.500 Teilnehmern friedlich. So hatte es zuvor geheißen: "Mit Stil, Charme und Militanz dagegen!", "dem reaktionären Pack keine Ruhe lassen" und "Tod der Reaktion". Die räumliche Trennung beider Lager durch die Polizei deuteten Autonome im Nachhinein zu einer "Kooperation von Staat und Nazis" um und verunglimpften die Polizei als "willige Schutzmacht von reaktionären Schweinen". Im März mischten sich in Wetzlar (Lahn-Dill-Kreis) Linksextremisten unter eine Gegendemonstration mit 800 bis 1.200 Teilnehmern anlässlich einer Veranstaltung der NPD. Aus dem linksextremistischen Spektrum mobilisierten unter anderem Autonome aus dem mittelhessischen Bereich und dem Rhein-Main-Gebiet. Unter dem Motto "Den Faschisten die Faust" hielt ein Vertreter der autonomen Gruppierung Antifaschistische Revolutionäre Aktion Gießen (A.R.A.G.) eine Rede im Rahmen der Gegendemonstration. Darin hieß es unter anderem, dass der "Faschismus [...] von bestimmten Teilen der Eliten aus Politik, Militär, Staatsapparat und Großindustrie - also der herrschenden Klasse" unter Mobilisierung der Bevölkerung in ein Bündnis organisiert worden sei. Im Vorfeld hatten Autonome im Szenetreff Klapperfeld in Frankfurt am Main eine Mobilisierungsveranstaltung organisiert. Am 22. August fand in Darmstadt eine Demonstration mit rund 3.500 Teilnehmern gegen eine Veranstaltung der AfD statt, zu der sich auch Linksextremisten aus dem Rhein-Main-Gebiet, insbesondere aus Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 127 LINKSEXTREMISMUS Darmstadt und Frankfurt am Main, angekündigt hatten. In einer Rede sagte ein Vertreter der IL Darmstadt: "Neben den Abwehrkämpfen müssen wir offen für einen radikalen gesellschaftlichen, demokratischen Fortschritt streiten, der allen Menschen hier und überall ein gutes und selbstbestimmtes Leben ermöglicht". Einen Tag vor der Veranstaltung hatten unbekannte Täter eine übelriechende Flüssigkeit, mutmaßlich Buttersäure, in dem für die AfD vorgesehenen Veranstaltungsraum verschüttet. Die IL Darmstadt befürwortete dies öffentlich mit der Parole "Still loving buttersäure". In einem Selbstbezichtigungsschreiben, das auf einer von Linksextremisten benutzten Internetseite veröffentlicht worden war, forderten die anonymen Autoren die Leser dazu auf, die "Rechtswende zu beenden oder wenigstens den rassistischen Wahlkampf der sogenannten Alternative zur Hölle zu machen". Eine weitere Demonstration gegen eine AfD-Veranstaltung in Wiesbaden fand im Oktober mit - nach Angaben eines Veranstalters - etwa 2.500 Personen statt. Dabei hielten Linksextremisten, insbesondere Anarchisten, Reden. "antirepression": Solidaritätsbekundungen und -aktionen als Reaktion auf ermittlungen und Razzien nach dem g20-gipfel 2017 in Hamburg | Zur weiteren Aufklärung der schweren Ausschreitungen während des G20-Gipfels 2017 in Hamburg hatte die dortige Polizei - mit Unterstützung weiterer Polizeibeamter aus dem Bundesgebiet - die Sonderkommission (SoKo) "Schwarzer Block" eingerichtet. Deren Ermittlungen führten im Juni 2018 zu Exekutivmaßnahmen, bei denen bundesweit 13 Wohnungen durchsucht wurden. In Hessen waren fünf Personen betroffen. Die 17bis 24-Jährigen hatten sich nachweislich an Aktionen des "schwarzen Blocks" beteiligt, bei denen es unter anderem durch Brandsätze und Farbschmierereien zu schweren Verwüstungen in der Hamburger Innenstadt gekommen war sowie Polizeibeamte verletzt worden waren. Gegen vier Personen \ im Rhein-Main-Gebiet lag ein Haftbefehl des Amtsgerichts (AG) Hamburg vor, der im Zuge der Durchsuchungen am 27. Juni vollstreckt wurde. Die Beschuldigten wurden noch am gleichen Tag nach Hamburg gebracht, wo der Haftrichter die Untersuchungshaft für zwei der vier Beschuldigten bestätigte. Die gegen die anderen beiden Personen verhängte Untersuchungshaft wurde aufgehoben, da sie zum Tatzeitpunkt minderjährig gewesen waren und keine akute Fluchtgefahr bestand. Unmittelbar nach den Maßnahmen reagierten Gruppen der linksextremistischen bzw. autonomen Szene. Die Rote Hilfe e. V. (RH), Ortsgruppe Frankfurt am Main, warnte ausdrücklich vor weiteren Exekutivmaßnahmen und sprach Handlungsempfehlungen zum "Schutz" 128 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 LINKSEXTREMISMUS vor Polizeibeamten aus, die mögliche Betroffene beachten sollten. Ein Angehöriger der RH kritisierte die Maßnahmen der Polizei: ",Mit solchen PR-Veranstaltungen wie heute in Frankfurt und Offenbach will die Polizei die Schlagzeilen bestimmen und die Deutungshoheit zurückerhalten. Durch reißerisch inszenierte Razzien und Pressemeldungen soll von den massiven Grundrechtsverletzungen, der Polizeigewalt, der Behinderung von Journalist*innen und den eigenen Fehlern abgelenkt werden'". Hierauf folgten Solidaritätsbekundungen von Gruppen aus dem linksund ausländerextremistischen Spektrum über deren Präsenzen in den sozialen Medien. Darüber hinaus wurde die Facebook-Seite "United we stand - of/ffm Lasst unsere Leute frei" eröffnet, die seitdem zur Steuerung von Beiträgen zum Thema "Anti-Repression" im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel diente. Es wurde umgehend appelliert, zugunsten der Betroffenen Spenden an ein Konto der RH zu tätigen und gleichzeitig solidarische Briefpost an die Inhaftierten zu senden. Weitere Gelder sollten zudem über den Verkauf eines "Soli T-Shirts" mit der Aufschrift "United we stand - Lasst unsere Leute frei!" erzielt werden. Darüber hinaus trug die linksextremistische Szene ihren Protest auf die Straße. Am 5. Juli fand in Frankfurt am Main, beginnend am Szeneobjekt Klapperfeld, ein Demonstrationszug unter dem Motto "United we stand - unsere Solidarität gegen ihre Repression" statt. Etwa 300 Personen machten auf die Situation der Inhaftierten aufmerksam. Zudem organisierte die RH, Ortsgruppe Frankfurt am Main, zur Unterstützung der Angeklagten eine Busreise zum Prozessauftakt am 18. Dezember in Hamburg. Außerdem gab es in unregelmäßigen Abständen weitere Aufrufe der linksextremistischen Szene zu Protestund Solidaritätsaktionen. "Selbstverwaltete freiräume": gegen "linke" treffund wohnobjekte gerichtete Brandserie im Rhein-Main-gebiet | Zwischen September und Dezember kam es in Schwalbach (Main-Taunus-Kreis), Frankfurt am Main und Hanau (Main-Kinzig-Kreis) zu zehn Bränden zum Nachteil "linker" Treffund Wohnobjekte. Dabei entstand insgesamt ein Sachschaden im unteren sechsstelligen Bereich. Nach der letzten Tat am 21. Dezember im autonomen Kulturzentrum Metzgerstraße in Hanau nahm die Polizei einen Tatverdächtigen fest. Ob dieser tatsächlich für die "Brandserie" oder zumindest Teile von ihr verantwortlich ist, ist Gegenstand weiterer Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 129 LINKSEXTREMISMUS Vor der Festnahme war die linksextremistische Szene im Rhein-MainGebiet zunächst von einem rechtsextremistischen Tathintergrund ausgegangen. Die nichtextremistischen politischen Parteien, die in den Monaten zuvor eine Schließung verschiedener Frankfurter Szeneobjekte gefordert hatten, betrachtete die Szene als "geistige Brandstifter" der Taten. In diesem Kontext mobilisierten Linksextremisten zu einer Solidaritätsdemonstration unter dem Motto "Gemeint sind wir alle! - Gegen rechte Brandstifter*innen am Schreibtisch und auf der Straße!" am 21. Dezember in Frankfurt am Main, an der sich etwa 1.000 Personen beteiligten. Nach seiner Festnahme geriet der Tatverdächtige in den Fokus der von den Brandstiftungen Betroffenen. In einer Pressemitteilung des nichtextremistischen Mietshäuser Syndikats (MHS), das Miteigentümer dreier von den Bränden betroffenen Objekten ist, wurde behauptet, dass der Tatverdächtige bereits seit Jahren unter anderem mit Anzeigen gegen das MHS vorginge. Infolgedessen sah die linksextremistische Szene dessen Täterschaft für alle Brände als erwiesen an und "outete" ihn als "rechten Brandstifter", indem Szeneangehörige seinen vollständigen Namen, seine Anschrift und mehrere Bilder von ihm im Internet auf einer von Linksextremisten intensiv frequentierten Internetpräsenz veröffentlichten und ein entsprechendes Flugblatt in seinem Wohnumfeld verteilten. Hierbei bewarfen Linksextremisten das Wohnhaus des Tatverdächtigen mit Steinen und beschmierten es mit Farbe. Gleichzeitig beschuldigten Szeneangehörige die Ermittlungsbehörden, die Zusammenhänge und politischen Hintergründe der Taten nicht sehen zu wollen. "antigentrifizierung": linksextremistische Beteiligung an einer demonstration für "bezahlbaren wohnraum" | Kurz vor der hessischen Landtagswahl führte das nichtextremistische, aus über 40 Verbänden, Vereinen, Gewerkschaften und Mieterinitiativen bestehende Bündnis #Mietenwahnsinn-Hessen eine Demonstration unter dem Motto "Gemeinsam gegen Spaltung und Verdrängung - Bezahlbarer Wohnraum für alle!" am 20. Oktober in Frankfurt am Main durch. Hierbei sollte gegen steigende Mieten und die fortschreitende Gentrifizierung sowie für mehr bezahlbaren und sozialen Wohnraum demonstriert werden. Die autonome Szene in Frankfurt am Main, insbesondere die Gruppen kritik&praxis - radikale Linke [f]rankfurt und siempre*antifa Frankfurt/M, hatten wochenlang für die Bildung eines "antikapitalistischen" Blocks während der Demonstration mobilisiert, an der sich etwa 5.000 Personen beteiligten. Vor Veranstaltungsbeginn zogen etliche Teilnehmer in drei Sternmärschen aus verschiedenen Frankfurter Stadtteilen zur Auftaktkundgebung am Hauptbahnhof. Zwei Sternmärsche waren von Personen aus dem linksextremistischen 130 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 LINKSEXTREMISMUS Spektrum angemeldet worden. Alle Demonstrationen verliefen friedlich und ohne besondere Vorkommnisse. "antirassismus": demonstrationen gegen abschiebungen - Protestaktionen der kampagne "kein Schlussstrich - tag X" | Nachdem öffentlich bekannt geworden war, dass die künftige hessische Abschiebehafteinrichtung (AHE) in Gebäuden der Justizvollzugsanstalt (JVA) Darmstadt eingerichtet werden soll, rief das linksextremistisch beeinflusste Aktionsbündnis Community for all - solidarische Gemeinschaft statt Abschiebegefängnis im Januar zu einer Aktionswoche gegen die AHE auf. Linksextremistische bzw. dem Linksextremismus nahestehende Gruppierungen aus Hessen mobilisierten zur Teilnahme an den Veranstaltungen, so etwa die IL Darmstadt. An der friedlich verlaufenen Veranstaltung am 20. Januar nahmen etwa 800 Personen, darunter etliche Linksextremisten, teil. Im Rahmen der bundesweiten Kampagne "Kein Schlussstrich - Tag X" thematisierte die linksextremistische Szene in Hessen das im Berichtsjahr absehbare Ende des NSU-Prozesses in München, indem sie weitere Ermittlungen zu bisher nach ihrer Auffassung ungeklärten Fragestellungen forderte. Mehrere Mobilisierungsveranstaltungen und Kundgebungen fanden statt; in Darmstadt, Marburg (Landkreis Marburg-Biedenkopf) und Frankfurt am Main kam es zu Sachbeschädigungen. Unter dem Motto "Von Hessen nach München" riefen der autonomen Szene in Hessen zuzurechnende Gruppierungen zur Teilnahme an einer Demonstration am Tag der Urteilsverkündung vor dem OLG in München auf. Das linksextremistisch beeinflusste Bündnis Kein Schlussstrich kündigte eine Demonstration unter dem Motto "Tag X - Kein Schlussstrich" in Frankfurt am Main an, an der etwa 680 Personen teilnahmen. Im Laufe der Veranstaltung wurden mehrere Straßenschilder mit den Namen der Opfer der Mordserie überklebt. klimaund umweltaktionen | In den seit Jahrzehnten andauernden Auseinandersetzungen um den Ausbau des Frankfurter Flughafens kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Besetzungsaktionen rund um das Flughafengelände. Am 6. Januar wurde der in unmittelbarer Nähe des Flughafens gelegene Treburer Wald besetzt, wo in der Folge einige Baumhäuser und Plattformen sowie wenige Hütten entstanden. Neben der Verhinderung der Rodung des besetzten Waldgebiets verfolgten die Besetzer weitere gesellschaftspolitische Ziele. So sahen sie ihre Aktionen unter anderem als konkrete Umsetzung eines anarchistischen Freiraums; darüber hinaus pflegten die Besetzer Kontakte zu anderen linksextremistischen Strukturen, zum Beispiel im Hambacher Forst in Nordrhein-Westfalen. Am 11. NovemHessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 131 LINKSEXTREMISMUS ber räumte die Polizei das Gelände im Treburer Wald, dabei kam es teilweise zu passivem friedlichem Widerstand in Form von "Lock-ons", einer modernen Form der Ankettung. entSteHung/geScHIcHte die autonome Bewegung wurzelt in den europaweiten Studentenprotesten der späten 1960er und 1970er Jahre. In dieser Zeit entstand die Selbstbezeichnung autonome. AUF EINEN BLICK * gewalttätige auseinandersetzungen mit der Polizei * "anti"-Haltungen gewalttätige auseinandersetzungen mit der Polizei | Für die große Öffentlichkeit zum ersten Mal erkennbar agierten Autonome gewalttätig, als sie 1980 in Bremen gegen die Vereidigung von Bundeswehrrekruten demonstrierten. Dabei kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Als breite eigenständige Bewegung waren Autonome seit Anfang der 1980er Jahre auszumachen. Sie waren zunächst vor allem in der "Friedens-" und in der "Anti-Atomkraftbewegung" sowie bei Hausbesetzungen aktiv. Gewalttätig agierten Autonome zum Beispiel gegen die in Wackersdorf (Bayern) geplante Wiederaufbereitungsanlage für Kernbrennstoffe und lieferten sich an der Startbahn West am Frankfurter Flughafen gleichfalls gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei. "anti"-Haltungen | Mit der Zeit erschlossen sich die Autonomen weitere Aktionsfelder, die in der Regel durch eine "Anti"-Haltung gekennzeichnet sind: "Antifaschismus", "Antirepression", "Antirassismus", "Antigentrifizierung" und "Antimilitarismus". "Antikapitalistische" Einstellungen von Autonomen, die im "Kapitalismus" die Wurzel allen Übels sehen, bilden die Grundlage für diese Aktionsfelder. IdeoLogIe/ZIeLe das Ziel der autonomen ist die abschaffung der freiheitlichen demokratischen grundordnung und des "kapitalistischen Systems" zugunsten einer "herrschaftsfreien" gesellschaft. In ihr sollen sich unabhängige Individuen freiwillig vereinen und gemeinsam und gleichberechtigt handeln. nach der ansicht von autonomen werden die Menschen durch "kapitalismus", "Rassismus" und "Patriarchat" unterdrückt und ausgebeutet. als ursache hierfür betrachten die autonomen die bürgerliche demokratische gesellschaft und das freie wirtschaftssystem im "kapitalismus". "Imperialismus" und vor 132 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 LINKSEXTREMISMUS allem "faschismus" sind in den augen der autonomen die maßgeblichen werkzeuge dieser dreifachen unterdrückung. AUF EINEN BLICK * "anti"-Haltungen und feindbilder * "antikapitalismus" * "antifaschismus" * "antirassismus" * "antigentrifizierung" - "selbstverwaltete freiräume" * klimaund umweltaktionen * frage der gewalt * Hauptströmungen der (post-)autonomen Szene in Hessen * antiimperialisten * antideutsche * antinationale "anti"-Haltungen und feindbilder | Ihren "Anti"-Haltungen und Feindbildern entsprechend definieren Autonome ihre politischen Aktivitäten, zum Beispiel: "Antifaschismus" gegen "Rechte" bzw. "Nazis" - oder "Antirepression" insbesondere gegen Polizisten als öffentlich wahrnehmbare Vertreter des "staatlichen Repressionsapparats". Sämtliche Feindbilder sind dabei auf eine "antikapitalistische" Grundhaltung zurückzuführen. Um ihre Bündnisund Mobilisierungsfähigkeit zu erhöhen, versuchen vor allem Postautonome mehrere Themenfelder bei ihren Aktivitäten zu verknüpfen. "antikapitalismus" | Dieses Themenfeld bildet den Kern der Vorstellungen der autonomen Szene bzw. des gesamten linksextremistischen Spektrums. Dem Marxismus zufolge ist die "kapitalistische" Wirtschaftsform das alles dominierende Element des menschlichen Daseins und bestimmt alle Lebensbereiche. Linksextremisten setzen auf dieser Basis die freiheitliche demokratische Grundordnung mit dem "Kapitalismus" gleich und bekämpfen diese, indem sie unter anderem soziale Themen für ihre Zwecke instrumentalisieren. "antifaschismus" | Vor allem das Themenfeld "Antifaschismus" zeichnet sich für Linksextremisten dadurch aus, dass es eine hohe Anschlussfähigkeit an nichtextremistische Organisationen und Gruppierungen ermöglicht. Im Unterschied zur demokratischen Bekämpfung des Rechtsextremismus ist das linksextremistische "Antifaschismus"Verständnis von Demokratiefeindlichkeit geprägt. In kommunistischer Tradition unterstellen Linksextremisten der Demokratie der Bundesrepublik Deutschland, selbst "faschistisch" oder "faschistoid" zu sein. Demnach bezeichnen Linksextremisten auch Personen aus dem demokratischen Spektrum als "Faschisten". Sobald die Bewertung "Faschist" vergeben ist, ist der Betroffene, unabhängig von seinen tatHessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 133 LINKSEXTREMISMUS sächlichen Überzeugungen, nach linksextremistischem Urteil legitime Zielscheibe von Diffamierungen und Gewalttaten. Unter "Antifaschismus" verstehen Linksextremisten bzw. Autonome also nicht nur die konsequente Ablehnung rechtsextremistischer Bestrebungen, vielmehr setzen sie den offensiven "Kampf gegen Rechts" mit dem "Kampf gegen das Ganze", das heißt gegen das "bürgerlich-kapitalistische System", gleich: Erst wenn der "Kapitalismus" beseitigt sei, sei die Gefahr des "Faschismus" als Form bürgerlicher Herrschaft gebannt. "antirassismus" | Vor dem Hintergrund der europäischen Flüchtlingspolitik und der damit einhergehenden medialen Berichterstattung sowie der hohen öffentlichen Aufmerksamkeit versucht das linksextremistische Spektrum, mit "Aktionen" in die Debatte einzugreifen. Entsprechend der autonomen bündnispolitischen Zielrichtung soll das szeneeigene Verständnis von "Antirassismus" möglichst langfristig und breit in der Mehrheitsgesellschaft etabliert werden. Dieses Verständnis konzentriert sich nicht nur auf die Thematisierung der Flüchtlingsproblematik, sondern Autonome wollen vor allem nachweisen, dass Staat und Gesellschaft selbst "rassistisch" sind und daher im linksextremistischen Sinne bekämpft und überwunden werden müssen. Rechtmäßiges Handeln von Behörden gilt für Autonome in dieser Diktion als "rassistisch": "Nazis morden, der Staat schiebt ab - das ist das gleiche Rassistenpack". "antigentrifizierung" - "selbstverwaltete freiräume" | Linksextremisten schließen sich "Antigentrifizierungs"-Initiativen aus mehreren Gründen an: Indem sie sich für bezahlbaren Wohnraum einsetzen, können sie sich als sozialpolitische Akteure profilieren und gesellschaftliche Akzeptanz erreichen. Weiterhin ist es Autonomen auf diese Weise möglich, anschaulich ihre "antikapitalistische" Grundhaltung zu vermitteln. Schließlich sind sie oft selbst von Gentrifizierung betroffen, da unter anderem die von ihnen genutzten "selbstverwalteten Freiräume" - also autonome Szeneobjekte - häufig selbst seitens des Eigentümers für entsprechende "Luxussanierungen" vorgesehen sind. Insofern richten sich linksextremistische Aktionen in diesem Themenfeld gerade auch gegen Immobilienfirmen und Städtebaugesellschaften, die Eigentümer der Objekte sind. klimaund umweltaktionen | Vor dem Hintergrund des fortschreitenden Klimawandels und der damit einhergehenden Auswirkungen auf Mensch und Umwelt sowie im Rahmen des Strebens nach einem sozialverträglichen ökologischen Miteinander gewinnt dieses Themenfeld zunehmend an Bedeutung für das linksextremistische Spektrum. Hierin lassen sich mehrheitsfähige gesellschaftliche Anliegen 134 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 LINKSEXTREMISMUS - wie etwa der Kampf gegen den Klimawandel (zum Beispiel in Form der Forderung nach einem Ausstieg aus der Atomenergie oder aus dem Kohleabbau) - mit linksextremistischen Forderungen nach einem "selbstbestimmten Leben" durch das Schaffen "selbstverwalteter Freiräume" verbinden. Zudem bietet sich für Linksextremisten die Möglichkeit, ihre "antikapitalistischen" Forderungen gegen angebliche "klimaschädliche" Unternehmen in Stellung zu bringen und in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen. Mit ihren Versuchen, die Klimaund Umweltbewegung zu beeinflussen, wollen Linksextremisten ein Scharnier zwischen ihren Bestrebungen und nichtextremistischen Forderungen herstellen. frage der gewalt | Seit jeher versuchen Autonome ihre Ziele auch mit Gewalt zu erreichen. In der Anwendung von Gewalt sehen Autonome nicht nur ein "Mittel zum Zweck", sondern ebenso einen Akt der "individuellen Selbstbefreiung". Die regelmäßig in der Szene geführte "Militanzdebatte" beschäftigt sich daher nicht mit der Legitimität von Gewaltanwendung, sondern mit der kontrovers diskutierten Frage, ob sich Gewalt "nur" gegen Sachen oder auch gegen Menschen richten darf. Dabei nehmen es Autonome billigend in Kauf, dass Menschen im Rahmen ihrer "Aktionen" verletzt oder sogar getötet werden. Hauptströmungen der (post-)autonomen Szene in Hessen | Es sind drei Hauptströmungen - Antiimperialisten, Antideutsche und Antinationale - zu unterscheiden. Sie stehen sich inhaltlich zum Teil diametral gegenüber. Nur über nicht weiter präzisierte "antikapitalistische" und "antifaschistische" Grundhaltungen erzielen die drei Strömungen häufig einen Minimalkonsens. antiimperialisten | Antiimperialisten machen die vorgeblich durch den "Kapitalismus" bedingte "imperialistische" Politik westlicher Staaten, vorrangig der USA und Israels, für weltpolitische Konflikte verantwortlich. Diese Linksextremisten stehen daher fest an der Seite von "antiimperialistischen Befreiungsbewegungen" etwa in Südamerika oder in der arabischen Welt. Im Unterschied zu den Antideutschen solidarisieren sich Antiimperialisten besonders mit dem von der Palestine Liberation Organization (PLO, Palästinensische Befreiungsorganisation) im Jahr 1988 ausgerufenen Staat Palästina und agitieren gegen Israel. antideutsche | Antideutsche zeigen sich dagegen uneingeschränkt solidarisch mit Israel, aber auch mit den USA als dessen militärischer Schutzmacht. Arabische Regimes und islamistische Organisationen bezeichnen die Antideutschen als "rechtsradikal" oder "islamfaschistisch". Militärische Aktionen gegen eine mögliche Bedrohung Israels Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 135 LINKSEXTREMISMUS \ sehen Antideutsche grundsätzlich als positiv an. Damit widersprechen Antideutsche dem "antimilitaristischen" und gegen den Krieg gerichteten Selbstverständnis anderer autonomer Strömungen. Einige Autonome werfen Antideutschen daher "Kriegstreiberei" vor. Ferner sprechen Antideutsche der deutschen Nation mit Verweis auf den Holocaust die Existenzberechtigung ab. Den Antiimperialisten unterstellen sie - ebenso wie dem deutschen Volk im Allgemeinen - antizionistische und antisemitische Einstellungen. antinationale | Mit den Antinationalen entwickelte sich spätestens seit 2006 bundesweit eine dritte ideologische Ausrichtung, die phasenweise in der autonomen Szene in Hessen prägend war und weiterhin präsent ist. Die Positionen der Antinationalen liegen zwischen Antiimperialisten und Antideutschen, sind jedoch den letzteren näher. Aus Sicht der Antinationalen ist jeder Staat im "Kapitalismus" zwangsläufig "imperialistisch". Kriege seien nur "Ausdruck der notwendigen Konflikte" im "kapitalistischen System", da die jeweiligen staatlichen Interessen gegenüber der globalen Konkurrenz durchgesetzt werden müssten. Die Antinationalen lehnen jedoch die einseitig positive Bezugnahme der Antiimperialisten auf revolutionäre "Befreiungsbewegungen" in der Dritten Welt ab, da diese letztlich auch nur nationalistische Ziele verfolgten und häufig reaktionäre Ideologien verträten, die es aus "antifaschistischer" Perspektive zu bekämpfen gelte. Dies trifft aus Sicht der Antinationalen insbesondere auf islamistische Gruppen zu. Den Antideutschen wiederum werfen Antinationale eine zu starke Fixierung auf den "historischen Sonderweg" Deutschlands und den daraus nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Staat Israel sowie 136 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 LINKSEXTREMISMUS eine Gleichsetzung von Islam und Islamismus vor. Zwar räumen Antinationale "Israel als Staat der Holocaustüberlebenden und als Schutzraum für die weltweit vom Antisemitismus bedrohten Jüdinnen und Juden" eine Sonderstellung ein, andererseits sehen sie in Israel bei aller Solidarität mit dessen Volk einen "kapitalistischen" Staat, der letztlich ebenso wie das gesamte Staatensystem abzuschaffen sei. STRUKTUREN frankfurt am Main war - wie in der Vergangenheit - sowohl personell als auch strukturell der autonome Szeneschwerpunkt in Hessen. weitere autonome Szenen gab es in den universitätsstädten kassel, Marburg (Landkreis Marburg-Biedenkopf) und gießen (Landkreis gießen). AUF EINEN BLICK * Szeneschwerpunkt frankfurt am Main * Regionale Szenen Szeneschwerpunkt frankfurt am Main | Etwa die Hälfte aller Autonomen in Hessen war in Frankfurt am Main oder in den unmittelbar angrenzenden Kommunen (zum Beispiel Offenbach am Main) ansässig. Bundesweit betrachtet, gehörte Frankfurt am Main zu den Großstadtregionen mit einer kontinuierlichen Präsenz autonomer Zusammenhänge. Von anderen Szenen in Hessen unterschied sich der "harte Kern" der Frankfurter Szene durch seine bundesweite Vernetzung, das hohe Personenpotenzial auf engem Raum und die hohe Gewaltbereitschaft. Besonders relevante Gruppen in Frankfurt am Main waren kritik&praxis - radikale Linke [f]rankfurt, die IL Frankfurt, siempre*antifa Frankfurt/M., die Antifa United Frankfurt (AUF) und stellenweise das Antifaschistische Kollektiv 069 (AK.069). Mit dem Treffort Klapperfeld verfügte die Szene in Frankfurt am Main über den bedeutendsten autonomen Anlaufpunkt in Hessen. Darüber hinaus bildeten das Cafe ExZess, das Cafe KoZ und das Centro wichtige Treffpunkte. Regionale Szenen | Erwähnenswert sind die Gruppierungen T.A.S.K. und Antifaschistisches Kollektiv raccons (ak raccoons) aus Kassel, die Marburger Gruppe d.i.s.s.i.d.e.n.t. und die antifaschistische gruppe 5 (ag5) sowie in Gießen die Antifa R4 und die A.R.A.G. In Darmstadt festigten sich weiterhin, auch aufgrund der Aktivitäten der IL Darmstadt, die Szenestrukturen. Insgesamt gehörten der IL einige autonome Gruppierungen aus Hessen an, was ein Beleg für die bundesweite Vernetzung von (Post-)Autonomen in Hessen ist. Darüber hinaus war das Bündnis antifaschistischer Strukturen Hessen Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 137 LINKSEXTREMISMUS (B.A.S.H.) aktiv, das einmal im Jahr ein "Antifacamp" ausrichtet, das der Politisierung, Radikalisierung und letztlich Rekrutierung junger Menschen, die längerfristig in autonomen Strukturen aktiv sein wollen, dienen soll. BeweRtung/auSBLIck Im Unterschied zum Vorjahr mit dem G20-Gipfel in Hamburg gab es 2018 für die autonome Szene kein herausragendes überregionales Großereignis, sodass sich die Aktivitäten der Autonomen vorwiegend auf regionale Proteste in verschiedenen Themenfeldern beschränkten. Dabei sind zwei Themenkomplexe hervorzuheben, die auch im kommenden Jahr im Fokus der Szene stehen dürften. Erstens sah sich die autonome Szene einer zunehmenden "staatlichen Repression" ausgesetzt. Als Beleg hierfür führte sie verschiedene Gesetzesverschärfungen in Bund und Ländern, die Forderung nach Schließung von Szeneobjekten sowie die Ermittlungen und Strafprozesse im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel an. Tatsächlich zeigten der erhöhte Verfolgungsdruck der Behörden und das höhere Strafmaß Wirkung innerhalb der Szene. Darüber hinaus war die Szene wegen des drohenden Verlusts von Szeneobjekten verunsichert. Diese haben für Linksextremisten eine elementare Bedeutung, da ohne sie ein Bestehen und eine Festigung autonomer Strukturen in einer Stadt oder Region kaum möglich sind. Insofern reagierte die Szene bei diesem Themenkomplex besonders emotional und versuchte sich mit allen Mitteln zur Wehr zu setzen. Neben "klassischen" Protestaktionen bediente sich die autonome Szene hierbei auch anderer Instrumente: Mittels des Einladens von Politikern in Szeneobjekte, Interviews und Pressemitteilungen beabsichtigte sie, ein positives und vermeintlich harmloses Bild ihrer Bestrebungen und Tätigkeiten zu entwerfen. Ihre dahinter stehenden verfassungsfeindlichen Absichten sollten durch dieses "positive" Bild verschleiert werden. Der zweite Themenkomplex betrifft den, so wie es die IL Frankfurt bezeichnete, "Rechtsruck" und "Rassismus von Rechts" und die damit angeblich verbundene Tatenlosigkeit des Staats. Neben dem weiterhin andauernden Protest gegen die AfD gerieten im Berichtsjahr verstärkt Behörden in den Fokus von autonomen Protesten. Die autonome Szene warf den Ermittlungsbehörden mangelnden bzw. zumindest zögerlichen Aufklärungswillen bei rechtsextremistischen Straftaten vor. Durch Berichte über angeblich rechtsextremistische Mitarbeiter und Strukturen in (Sicherheits-)Behörden sah sich die Szene zudem in ihrer Wahrnehmung bestätigt, dass der Staat nicht nur Rechtsextremisten schütze, sondern selbst das strukturelle rassistische bzw. "faschistische" Problem sei. Konsequenterweise ver138 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 LINKSEXTREMISMUS standen Autonome ihren "antifaschistischen" Kampf in diesem Zusammenhang auch als Kampf gegen den Staat. Diese Sichtweise versuchten sie bei Demonstrationen "gegen Rechts" in die Mitte der Gesellschaft zu tragen und diese somit in ihrem Sinne zu beeinflussen. Gleichzeitig versuchten Autonome die beiden oben genannten Themenkomplexe argumentativ miteinander zu verknüpfen, um sich letztlich in eine Art "Opferrolle" zu begeben, aus der heraus sie jegliche (auch gewalttätige) Mittel des Protests und Widerstands als legitim betrachteten. Dementsprechend wird sich im kommenden Jahr ein Großteil der autonomen Aktivitäten auf diese Themenkomplexe fokussieren. Die weiterhin aktuellen Themen "Antigentrifizierung" und "Klimaund Umweltaktionen" werden hinzukommen. In diesen Themenfeldern sieht die autonome Szene gute Anknüpfungspunkte für eine allumfassende Staatsund "Kapitalismus"-Kritik, die sie im Rahmen von gemeinsamen Protestaktionen mit Nichtextremisten in Teile der demokratischen Gesellschaft tragen kann. SonStIge BeoBacHtungSoBJekte neben autonomen gruppierungen gab es in Hessen linksextremistische Parteien und organisationen mit parteiähnlichem charakter, die einen bedeutenden teil des linksextremistischen Spektrums bilden. die wichtigsten von ihnen sind unten aufgeführt. AUF EINEN BLICK * deutsche kommunistische Partei (dkP) Gründung in kommunistischer Tradition - Ziele Organisation - Aktivitäten in Hessen - Finanzierung 22. Parteitag: innerparteiliche Richtungskämpfe Bundesweite Aktivitäten Ausblick/Bewertung * Sozialistische deutsche arbeiterjugend (SdaJ) Jugendorganisation der DKP - interne Auseinandersetzungen "Antikapitalismus" - "Antimilitarismus" Ausblick/Bewertung * Marxistisch-Leninistische Partei deutschlands (MLPd) Ziele Anhängerzahl - Strukturen "Kurdistan-Solidaritätsarbeit" * Rote Hilfe e. V. (RH) Ideologie - Strukturen - Anhänger "Rechtsberatung" für politisch motivierte Straftäter Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 139 LINKSEXTREMISMUS * Sozialistische alternative (SaV) Gründung - Ziele Aktivitäten deutScHe koMMunIStIScHe PaRteI (dkP) gründung in kommunistischer tradition - Ziele | Die 1968 gegründete DKP versteht sich als "revolutionäre Partei der Arbeiterklasse" in der Tradition der 1956 vom Bundesverfassungsgericht verbotenen Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Das Ziel der DKP ist die Überwindung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in einem revolutionären Bruch, um - als erste Stufe auf dem Weg zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft - den Sozialismus zu verwirklichen. Dabei setze, so die Auffassung der DKP, die "sozialistische Gesellschaftsordnung [...] die Erringung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse im Bündnis mit den anderen Werktätigen voraus". organisation - aktivitäten in Hessen - finanzierung | Die DKP-Bezirksorganisation in Hessen (vergleichbar einem Landesverband) gliederte sich Parteiangaben zufolge in 15 Kreisorganisationen. Diese waren zwar unterschiedlich stark aktiv, beschränkten sich in ihren Aktivitäten aber insgesamt überwiegend auf kommunalpolitische Aspekte. Einzelne Kreisorganisationen gaben Kleinzeitungen heraus. Der Schwerpunkt der Aktivitäten der DKP Hessen lag in Gießen (Landkreis Gießen) sowie in Südhessen in den Gemeinden Mörfelden-Walldorf (Kreis Groß-Gerau) und Reinheim (Landkreis Darmstadt-Dieburg). Die DKP führte nur wenige öffentlichkeitswirksame Aktionen durch, interne Veranstaltungen dominierten das Geschehen in der Partei. In Hessen waren der DKP rund 350 Personen zuzurechnen, bundesweit etwa 2.850. Nach wie vor befanden sich die Bundespartei sowie die Bezirksorganisation in Hessen in finanziellen und personellen Schwierigkeiten. Daran änderte auch eine ungewöhnlich hohe Einzelspende nichts, weil diese laut Angaben des DKP-Parteivorstands für die Renovierung der parteieigenen Karl-Liebknecht-Schule in Leverkusen (Nordrhein-Westfalen) verwendet werden sollte. Die Schule dient als "zentrale Bildungseinrichtung" der DKP. 22. Parteitag: innerparteiliche Richtungskämpfe | Die innerparteilichen Richtungskämpfe zwischen Anhängern einer Gruppe, welche die traditionelle Rolle der Arbeiterklasse favorisiert und damit den Bruch mit den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse erreichen will, und einem eher pragmatisch ausgerichteten Teil, der sich für eine Refor140 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 LINKSEXTREMISMUS MITGLIEDERENTWICKLUNG DER DKP IN HESSEN UND IM BUND (2014 BIS 2018) 3.000 3.000 3.000 3.000 3.000 2.850 2.500 2.000 1.500 1.000 500 350 350 350 350 350 Hessen Bund 0 2014 2015 2016 2017 2018 mierung der Partei ausspricht, setzten sich im Berichtsjahr fort. Die erste Gruppe formierte sich um den Parteivorstand und die zweite im Netzwerk kommunistische Politik in der DKP. Die Auseinandersetzungen um die künftige strategische Ausrichtung der Partei wurden zumeist öffentlich geführt und erreichten während des 22. Parteitags, der mit 166 Delegierten vom 2. bis 4. März in Frankfurt am Main stattfand, einen Höhepunkt. Neben der Wahl eines neuen Parteivorstands stand ein Unvereinbarkeitsbeschluss zur Abstimmung. Die gleichzeitige Mitgliedschaft in der DKP und in dem Netzwerk kommunistische Politik in der DKP sollte ausgeschlossen werden. Der mit deutlicher Mehrheit angenommene Parteitagsbeschluss enthielt eine Absage an die Umformung der DKP von einer - gemäß Lenin - zentralistisch-hierarchisch organisierten kommunistischen Partei zu einer Strömungspartei. Kritiker sahen darin eine Ausgrenzung der sich dem Netzwerk zurechnenden Mitglieder und befürchteten eine Schwächung der Partei. Zum Parteivorsitzenden wurde erneut Patrick Köbele gewählt, Wera Richter und Hans Peter Brenner wurden als stellvertretende Vorsitzende bestätigt. Gäste des Parteitags waren diplomatische Vertreter der Volksrepublik China und der Sozialistischen Republik Vietnam. Grußworte wurden unter anderem von dem Botschafter der Republik Kuba, von Vertretern der Kommunistischen Partei Luxemburgs (KPL) und der Neuen Kommunistischen Partei der Niederlande (NCPM) sowie dem Vorsitzenden der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend verlesen. Der Bundessprecher des Vereins der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e. V. (VVNBdA) betonte die enge Verbundenheit zwischen seiner Organisation und der DKP. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 141 LINKSEXTREMISMUS Bundesweite aktivitäten | Darüber hinaus führte die DKP Gedenkveranstaltungen insbesondere zum 200. Geburtstag von Karl Marx und aus Anlass des 100. Jahrestags der deutschen Novemberrevolution durch. Daneben feierte die Partei ihr eigenes 50-jähriges Bestehen sowie das 100-jährige Gründungsjubiläum der KPD. Vom 7. bis 9. September veranstaltete die DKP in Dortmund (Nordrhein-Westfalen) das "20. UZ-Pressefest, Volksfest der DKP". Nach eigenen Angaben sollen über 40.000 Teilnehmer die Veranstaltung besucht haben. Wie auch in den vergangenen Jahren war die DKPBezirksorganisation aus Hessen mit einem eigenen Zelt vertreten. ausblick/Bewertung | Insgesamt schritt der Niedergang der DKP weiter voran. Parteiaustritte sowie die innerparteilichen Richtungskämpfe verschlechterten die personelle und finanzielle Lage der DKP weiterhin. Daran dürfte auch die außergewöhnlich hohe Einzelspende nichts geändert haben. Inwieweit die künftige Kampagnenfähigkeit der Partei beeinträchtigt sein wird, ist noch nicht zu bewerten. SoZIaLIStIScHe deutScHe aRBeIteRJugend (SdaJ) Jugendorganisation der dkP - interne auseinandersetzungen | Die dogmatisch-kommunistische Jugendorganisation ist formal unabhängig, jedoch eng mit der DKP verbunden und fungiert als Jugendorganisation der Partei. Die SDAJ versuchte ihre Ziele vor allem durch die Zusammenarbeit mit nichtextremistischen Organisationen zu verwirklichen. Der SDAJ in Hessen waren rund 70 Personen zuzurechnen, bundesweit etwa 670. Eigenen Angaben zufolge war die SDAJ in Hessen mit Ortsgruppen in den Regionen Darmstadt/Odenwald, Frankfurt am Main, Gießen, Marburg und Kassel aktiv. Parallel zu den innerparteilichen Auseinandersetzungen der DKP gab es in der SDAJ ähnlich gelagerte Diskussionen. Von der SDAJ spaltete sich eine Gruppierung ab, die sich gegen die strategische Ausrichtung der DKP aussprach und stattdessen eine kommunistische Partei nach leninistischem bzw. stalinistischem Vorbild forderte. "antikapitalismus" - "antimilitarismus" | Schwerpunkte der öffentlichkeitswirksamen Tätigkeit der SDAJ bildeten - wie in den vergangenen Jahren - die Themenfelder "Antikapitalismus" und "Antimilitarismus". Die SDAJ sprach dabei vor allem Schüler und Auszubildende an. Während des Hessentags in Korbach (Kreis Waldeck-Frankenberg) demonstrierte die SDAJ am 31. Mai - laut ihrer entsprechenden Einstellung im Internet - unter anderem mit der DKP und "mit vielen an142 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 LINKSEXTREMISMUS deren Gruppen und Einzelpersonen" gegen die dortige Präsenz der Bundeswehr. Die SDAJ erklärte hierzu im Internet: "Wir richten uns gegen die Bundeswehr und die Zukunft, die sie für uns vorsieht, und gegen das System, dass Krieg zu einem Industriezweig gemacht hat und deswegen immer ein Interesse daran haben wird, den Krieg für ihren Profit aufrechtzuerhalten". (Schreibweise wie im Original.) Den Veranstaltungsort für ihren 23. Bundeskongress in Eschborn (Main-Taunus-Kreis) am 24. und 25. März dürfte die SDAJ gewählt haben, weil sie dort vor 50 Jahren gegründet worden war. 123 Delegierte berieten und diskutierten an beiden Tagen über künftige Vorhaben. Offensichtlich in Anlehnung an den Ausspruch der KPDPolitikerin und Alterspräsidentin des Reichstags Clara Zetkin (1857 bis 1933) "Kämpfen, wo das Leben ist", beschloss die SDAJ die Kampagne "Geld gibt es genug - Zeit es uns zu holen". Damit sollen "grundsätzliche Orientierungen" ermöglicht werden, die "jede Gruppe auf ihre Kämpfe in Betrieb und Schule vor Ort anwenden soll". Bei den Vorstandswahlen wurde ein 27-köpfiger Bundesvorstand mit Lena Kreymann als neuer Bundesvorsitzenden gewählt. Als Gäste des Bundeskongresses waren Vertreter verschiedener kommunistischer Jugendorganisationen aus dem europäischen Ausland geladen sowie der Bundesvorsitzende der DKP, der in einem Grußwort die enge Verbundenheit von SDAJ und DKP betonte. ausblick/Bewertung | Bei der SDAJ zeichnete sich ein allgemeiner Niedergang ab. Erkennbar war dies etwa an dem Rückgang öffentlichkeitswirksamer Veranstaltungen und den internen Diskussionen über die ideologische Ausrichtung der Jugendorganisation. Ob es der SDAJ gelingen wird, die Schwächung zu kompensieren, ist fraglich. MITGLIEDERENTWICKLUNG DER SDAJ IN HESSEN UND IM BUND (2014 BIS 2018) 800 750 750 670 600 500 500 400 200 Hessen 80 80 80 80 70 Bund 0 2014 2015 2016 2017 2018 Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 143 LINKSEXTREMISMUS MaRXIStIScH-LenInIStIScHe PaRteI deutScHLandS (MLPd) Ziele | Die maoistisch-stalinistisch orientierte MLPD versteht sich als "politische Vorhutorganisation der Arbeiterklasse in Deutschland". Ihre grundlegenden Ziele sind der "Sturz der Diktatur des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals und die Errichtung der Diktatur des Proletariats in Deutschland". Als Teil einer "internationalen sozialistischen Revolution" soll diese in den Aufbau der "vereinigten sozialistischen Staaten der Welt als Übergangsstadium zur weltweiten klassenlosen kommunistischen Gesellschaft" münden. anhängerzahl - Strukturen | Auch wenn sich Anhänger der MLPD an Demonstrationen und Aktionen beteiligten, erhielt die Partei, der in Hessen etwa 80 Personen (rund 2.800 bundesweit) zuzurechnen waren, nahezu keine Aufmerksamkeit. Das lag vor allem an der weitgehenden Isolation der MLPD im linksextremistischen Spektrum. Die MLPD war mit Ortsgruppen in über 450 Städten in Deutschland vertreten. Der MLPD-Landesverband Rheinland-Pfalz/Hessen/Saarland (RHS) hatte seinen Sitz in Frankfurt am Main. In Hessen waren Ortsgruppen in Kassel, Frankfurt am Main, Darmstadt, Rüsselsheim am Main (Kreis Groß-Gerau) und Wiesbaden aktiv. Ebenso war der MLPD-Jugendverband REBELL bundesweit mit Ortsgruppen vertreten, in Hessen in Darmstadt, Gießen (Landkreis Gießen), Kassel und Wiesbaden. "kurdistan-Solidaritätsarbeit" | Den thematischen Schwerpunkt ihrer Aktivitäten legte die MLPD im Berichtsjahr auf ihre "Kurdistan-Solidaritätsarbeit", indem sie sich verstärkt auf die Kooperationen mit kurdischen Gruppierungen konzentrierte. Dabei war eine fortgesetzte Zusammenarbeit der MLPD mit Personen, die der Partiya Karkeren Kurdistan (PKK, Arbeiterpartei Kurdistans) nahe stehen, zu beobachten. In Hessen waren die MLPD und ihre Jugendorganisation REBELL Mitglieder in verschiedenen kurdischen Solidaritätsbündnissen. Darüber hinaus rief die MLPD anlässlich des kurdischen Neujahrsfests am 21. März zu Kundgebungen in Kassel und Darmstadt auf. Zudem fanden Veranstaltungen der MLPD häufig in kurdischen und anderen Treffpunkten statt. Nachdem sich im September eine Arbeitsgruppe von REBELL in Gießen (Landkreis Gießen) gegründet hatte, gab die Jugendorganisation als Treffpunkt der entsprechenden Sitzungen das dortige Mesopotamisch Kurdische Kulturzentrum e. V. an. Neben ihrer "Kurdistan-Solidaritätsarbeit" engagierte sich die MLPD anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März sowie im Rah144 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 LINKSEXTREMISMUS MITGLIEDERENTWICKLUNG DER MLPD IN HESSEN UND IM BUND (2014 BIS 2018) 3.000 2.800 2.500 2.000 1.800 1.800 1.800 1.800 1.500 1.000 500 Hessen 130 80 100 80 80 Bund 0 2014 2015 2016 2017 2018 men der Internationalen Automobilarbeiterbewegung, einer "kämpferische[n] Bewegung von Einzelpersonen, Initiativen, Organisationen, Gewerkschaften oder Gewerkschaftseinheiten aus der Automobilarbeiterbewegung und ihren Freunden zum weltweiten Zusammenschluss der Arbeiterinnen und Arbeiter aus der Automobilund Zulieferindustrie". Im Herbst wurde ein Delegiertentreffen der Automobilarbeiterbewegung im Demokratischen Gesellschaftszentrum der KurdInnen und Kurden Darmstadt e. V. durchgeführt. Am Internationalen Frauentag ("Weltfrauentag") fand in Frankfurt am Main eine Kundgebung mit 120 Teilnehmern unter Federführung des MLPDFrauenverbands Courage statt. ROTE HILFE E. V. (RH) Ideologie - Strukturen - anhänger | In Anlehnung an die im Jahr 1924 in der Weimarer Republik von der KPD initiierten Rote Hilfe Deutschlands (RHD) versteht sich die RH laut ihrer Satzung als "parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutzund Solidaritätsorganisation". Sie bezeichnet die Bundesrepublik Deutschland als ein "nationalstaatlich fixiertes, bürgerlich kapitalistisches Herrschaftssystem, das von unterschiedlichen Unterdrückungsmechanismen (wie Rassismus oder Sexismus) strukturiert und geprägt" werde. In Hessen verfügte die RH über Ortsgruppen in Darmstadt, Gießen (Landkreis Gießen), Frankfurt am Main, Kassel und Wiesbaden. Ihr gehörten in Hessen über 600 Personen an, bundesweit waren es etwa 9.200. "Rechtsberatung" für politisch motivierte Straftäter | Die maßgeblich von Linksextremisten verschiedener Richtungen getragene RH unterstützte seit den 1970er Jahren inhaftierte bzw. inzwischen aus der Haft entlassene Mitglieder der mittlerweile aufgelösten linksterroristischen Roten Armee Fraktion (RAF). Neben politischer und finanzieller Hilfe versuchte die RH mittels "Rechtsberatung" Personen, die politisch moHessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 145 LINKSEXTREMISMUS tivierte Straftaten begingen, der staatlichen Strafverfolgung zu entziehen oder sie bei ihren Verfahren zu unterstützen. Die RH empfahl daher den "Genoss_innen" die "konsequente Aussageverweigerung" als "beste Strategie im Umgang mit Repressionsbehörden". Die RH-Ortsgruppe Frankfurt am Main begleitete im Berichtsjahr bei Strafprozessen vorwiegend Angeklagte, die "linken" und linksextremistischen Gruppierungen zuzurechnen waren. Auf ihrer Homepage wies die RH auf anstehende Prozesse hin und rief Sympathisanten zur "kritischen Prozessbegleitung" auf, um sich solidarisch mit den Angeklagten zu zeigen. Mitunter meldete die RH-Ortsgruppe Frankfurt am Main Kundgebungen vor dem jeweiligen Gerichtsgebäude an bzw. veröffentlichte Verlaufsberichte über die Prozesse. Sie thematisierte weiterhin einen Prozess vor dem OLG München gegen zehn Mitglieder der in Deutschland als linksterroristische Organisation eingestuften Türkiye Komünist Partisi/Marksist Leninist (TKP/ML, Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten) sowie der Avrupa Türkiyeli Isciler Konfederasyonu (ATIK, Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa), einer Auslandsorganisation der TKP/ML. Hierzu führte die Frankfurter Ortsgruppe der RH anlässlich einer Veranstaltungsreihe des "Internationalen Tags des politischen Gefangenen am 18. März" eine Diskussionsveranstaltung ("Deutsch-Türkische Repression - Der ATIK/TKP-ML-Prozess und die Situation in der Türkei") am 1. März in Frankfurt am Main durch. Als Nachbetrachtung des G20-Gipfels in Hamburg veranstaltete die RH-Ortsgruppe Frankfurt am Main eine Informationsveranstaltung zu dem Thema "SS 129 - Anwendung und Umgang mit dem 'Schnüffelparagraph'" am 19. Juli im Cafe ExZess in Frankfurt am Main. MITGLIEDERENTWICKLUNG DER RH IN HESSEN UND IM BUND (2014 BIS 2018) 10.000 9.200 8.000 8.300 8.000 7.000 6.500 6.000 4.000 2.000 Hessen 600 600 320 Bund 0 2014 2015 2016 2017 2018 146 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 LINKSEXTREMISMUS Darüber hinaus rief die Frankfurter Ortsgruppe zur Teilnahme an einer Prozessauftaktkundgebung unter dem Motto "Freiheit für Adil Demirci und alle politischen Gefangenen in der Türkei" am 19. November in Frankfurt am Main auf. Der Kölner Sozialwissenschaftler Demirci war zu diesem Zeitpunkt seit mehreren Monaten im Hochsicherheitsgefängnis Silivri in der Türkei inhaftiert, sein Prozess sollte im November beginnen. SoZIaLIStIScHe aLteRnatIVe (SaV) gründung - Ziele | Die 1994 gegründete trotzkistische SAV bezeichnet sich als revolutionäre, sozialistische Organisation und ist die deutsche Sektion des trotzkistischen Dachverbands Committee for a Workers' International mit Sitz in London (Großbritannien). Anhänger der SAV traten seit 2008 im Rahmen der für Trotzkisten typischen "Entrismuspolitik" in die Partei DIE LINKE. ein, wozu die Organisation ihre Mitglieder aufgerufen hatte. Sie setzten sich für ein "wirklich sozialistisches Programm" ein und kämpften gegen eine "Politik der Regierungsbeteiligung mit pro-kapitalistischen Parteien, weil dies zwangsläufig zum Verrat an linken und sozialistischen Positionen führt". Nach Ansicht der SAV kann der Kapitalismus nicht zu einer "friedlichen und sozial gerechten Gesellschaft umgestaltet werden." Es gelte, den Kapitalismus zu überwinden und dabei den "Kampf für Verbesserungen mit dem Kampf für eine sozialistische Gesellschaft zu verbinden": Die Gründung der Partei SAV "ist ein Aufruf zum Aufbau einer revolutionären sozialistischen Massenpartei, als Teil einer Internationale." Notwendig sei eine "internationale marxistische Kraft", die sich "auf die anstehenden Kämpfe bewusst vorbereitet." Als eigenständige Organisation bestand die SAV, der in Hessen etwa 55, bundesweit etwa 300 Personen angehörten, fort. In Hessen gab es in Kassel eine Ortsgruppe der SAV. MITGLIEDERENTWICKLUNG DER SAV IN HESSEN UND IM BUND (2014 BIS 2018) 400 350 300 300 300 300 300 200 100 55 55 Hessen Bund 0 2014 2015 2016 2017 2018 Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 147 LINKSEXTREMISMUS aktivitäten | Die SAV führte vom 30. März bis zum 1. April in Berlin vor "bis zu 500 TeilnehmerInnen" ihren jährlichen Kongress "Sozialismustage" durch. Auf über 35 Veranstaltungen wurde über Themen diskutiert, die "von Marx bis zum bedingungslosen Grundeinkommen, von den Kämpfen in den Krankenhäusern bis zur Novemberrevolution, von der Zukunft der Partei DIE LINKE bis zur Frage, wie Prostitution zu bekämpfen ist, reichten". In Hessen veranstaltete die SAV seit längerer Zeit wieder am 15. Dezember einen "Sozialismustag". In Kassel diskutierten 55 Teilnehmer über Themen wie "Rätedemokratie, Gewerkschaft und Novemberrevolution". LInkSeXtReMIStIScHe StRafund gewaLttaten Die außergewöhnlich hohe Zahl der Strafund Gewalttaten im Jahr 2015 stand im Zusammenhang mit der damaligen Eröffnung der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main (EZB). Die Ereignisse anlässlich des G20-Gipfels führten 2017 in Hessen zu einem deutlichen Rückgang der Strafund Gewalttaten, da sich die Aktionen der gewaltorientierten Linksextremisten auf Hamburg fokussierten. Allerdings blieb im Rahmen der Begleitkampagne zum G20-Gipfel sowie anlässlich der Bundestagswahl die Zahl der Sachbeschädigungen weiterhin relativ hoch. Im Berichtsjahr fand kein solches Großereignis statt, auch die hessische Landtagswahl war in der Perspektive von Linksextremisten weniger bedeutsam, sodass die Zahl der Strafund Gewalttaten auf den niedrigsten Stand seit fünf Jahren zurückging. Hinzu kam die seit den Ausschreitungen in Hamburg anhaltende öffentliche Diskussion über Autonome, ihre Trefflokalitäten und ihr Verhalten, was - zumindest in Hessen - zu ihrem defensiveren Agieren beigetragen haben dürfte. (Siehe im Glossar unter dem Stichwort Politisch motivierte Kriminalität zur Erfassung politisch motivierter Strafund Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund.) 148 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 LINKSEXTREMISMUS | 2018 2017 2016 2015 2014 Deliktart Tötung Versuchte Tötung 4 Körperverletzung 8 1 18 26 8 Brandstiftung/Sprengstoffdelikte 2 2 5 8 5 Landfriedensbruch 1 2 44 2 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs-, 1 3 Luftund Straßenverkehr Freiheitsberaubung, Raub, Erpressung, 1 2 1 1 Widerstandsdelikte Gewalttaten insgesamt 13 5 25 86 16 Sonstige Straftaten Sachbeschädigung 21 44 43 122 32 Nötigung/Bedrohung 2 1 3 1 Andere Straftaten (insbesondere Propagan12 11 19 69 7 dadelikte) Strafund Gewalttaten insgesamt 48 61 90 278 55 Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 149 LINKSEXTREMISMUS 150 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ISLAMISMUS - MeRkMaLe - ISLaMIStIScHeS PeRSonenPotenZIaL - SaLafISMuS - HIZB ut-taHRIR (Hut, PaRteI deR BefReIung) - MuSLIMBRudeRScHaft (MB)/ ISLaMIScHe geMeInScHaft In deutScHLand e. V. (Igd) - MILLi-gÖRÜsBewegung - tÜRkIScHe HIZBuLLaH (tH) - SonStIge BeoBacHtungSoBJekte - ISLaMIStIScHe StRafund gewaLttaten ISLAMISMUS MeRkMaLe der Islam als Religion wird vom Verfassungsschutz nicht beobachtet. Muslime genießen - wie anhänger aller anderen Religionen auch - in deutschland das grundrecht auf Religionsfreiheit nach artikel 4 des grundgesetzes. der grundrechtsschutz endet jedoch dort, wo religiöse islamische gebote und normen als übergesetzliche normierungsund verbindliche politische Handlungsanweisungen gedeutet werden, der Islamismus also beginnt. AUF EINEN BLICK * Begriff des Islamismus * Ziel des Islamismus * unvereinbarkeit mit den Menschenrechten * antisemitismus * ausprägungen des Islamismus Begriff des Islamismus | Der Begriff Islamismus beschreibt alle Erscheinungsformen des islamischen Extremismus, das heißt politischtotalitäre Ideologien, die den Islam als ein alle Bereiche des privaten und öffentlichen Lebens umfassendes System begreifen. Islamisten lehnen die Trennung von Staat und Religion ab und wollen das gesamte politische und gesellschaftliche Leben religiös begründeten Geboten und Normen unterwerfen. Eine Demokratie ist nach Überzeugung von Islamisten nicht mit dem Willen Allahs vereinbar. Ziel des Islamismus | Das Ziel islamistischer Bestrebungen ist ein Staatswesen, das nach den Bestimmungen der Scharia regiert wird. Diese aus dem Koran und der Sunna abgeleiteten Vorschriften sind nach Ansicht der Islamisten der unveränderliche Wille Allahs und dürfen daher von keiner Regierung geändert werden. Damit wenden sich Islamisten gegen das im Grundgesetz verankerte Prinzip der Volkssouveränität: Nicht das Volk, sondern allein Allah darf ihrer Auffassung nach in letzter Instanz Gesetze erlassen und aufheben. Darüber hinaus richten sich Islamisten gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, da sie Konflikte zwischen Religionen schüren bzw. andere Religionen abwerten. unvereinbarkeit mit den Menschenrechten | Im Gegensatz zum Grundgesetz, das die unveräußerliche Würde eines jeden Menschen in den Mittelpunkt stellt, bemessen islamistische Ideologien den Wert eines Menschen nur nach seinem Glauben. Die von Islamisten geforderte wortgetreue Befolgung der Scharia führt zu einer Benachteiligung von Frauen und Andersgläubigen sowie zu einer wesentlichen Einschränkung der Meinungsfreiheit und zur Außerkraftsetzung weiterer grundlegender Menschenrechte. 152 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ISLAMISMUS Indem Islamisten die große Bedeutung einer islamischen Identität betonen, setzen sie in aller Regel "Ungläubige" herab. Diese Herabsetzung äußert sich oft in der Abgrenzung gegenüber der von Islamisten als "moralisch verkommen" empfundenen Mehrheitsgesellschaft in Deutschland. antisemitismus | Besonders ausgeprägt ist die islamistische Ablehnung des Judentums. Dabei werden entsprechende religiöse Inhalte - etwa Koranverse oder Aussagen des Propheten Mohammed - mit Versatzstücken europäischer rechtsextremistischer Ideologien verknüpft, um angeblich negative Charaktereigenschaften oder Absichten von Juden zu belegen. Islamisten sehen die USA und Israel als Instrumente einer vermeintlichen jüdischen Weltverschwörung an, die sich zum Ziel gesetzt habe, den Islam zu zerstören. ausprägungen des Islamismus | Die Erscheinungsformen des Islamismus unterscheiden sich in ihrer ideologischen Ausrichtung und bei der Wahl der Mittel, mit denen Gesellschaft und Staat verändert werden sollen. Einige islamistische Organisationen - wie zum Beispiel die Muslimbruderschaft - versuchen, gezielt auf den demokratischen Willensbildungsprozess, die Politik, die öffentliche Meinungsbildung und die Gesellschaft Einfluss zu nehmen. Auf diese Weise wollen sie ihr langfristiges Ziel, einen islamistischen Gottesstaat zu errichten, verwirklichen. Salafistische Gruppierungen dagegen lehnen die Beteiligung am demokratischen Willensbildungsprozess in der Bundesrepublik Deutschland ab. Grundsätzlich wird aus der Sicht der Verfassungsschutzbehörden zwischen politischem und jihadistischem Salafismus differenziert. In ihrem ideologischen Kern unterscheiden sich beide Arten jedoch nur unwesentlich. Lediglich die Wahl der Mittel, in der sich extremistische Bestrebungen manifestieren, führt zur Unterteilung. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 153 ISLAMISMUS ISLaMIStIScHeS PeRSonenPotenZIaL Das Personenpotenzial in Hessen blieb gegenüber dem vorherigen Berichtsjahr unverändert. Zu mehreren der bundesweit aktiven islamistischen Organisationen bzw. Gruppierungen lagen keine gesicherten Anhängerzahlen vor, sodass ein bundesweites islamistisches Personenpotenzial nicht ausgewiesen werden kann. | 2018 2017 2016 2015 2014 Islamisten gesamt Hessen 4.170 4.170 4.170 4.150 4.000 davon Salafisten Hessen 1.650 1.650 1.650 1.650 1.500 Bund 11.300 10.800 9.700 8.350 7.000 SaLafISMuS DEFINITION/KERNDATEN der Salafismus setzt sich ideologisch aus einer politischen und einer gewaltorientiert-jihadistischen Bewegung zusammen. Politische Salafisten streben die errichtung eines vermeintlich wahrhaft islamischen Staats an. Ihre hauptsächliche aktivität besteht in der Missionierung (arab. da'wa) und dem aufbau von Strukturen. Jihadisten rücken den bewaffneten (militärischen) kampf in das Zentrum ihrer Ideologie und Bestrebungen. der Übergang zwischen beiden Strömungen ist fließend. In Hessen war der großteil der Salafisten dem Spektrum des politischen Salafismus zuzurechnen. Mit einem Personenpotenzial von etwa 1.650 blieb in Hessen die Zahl der Salafisten im Vergleich zu den Vorjahren konstant und damit weiterhin besorgniserregend hoch. eReIgnISSe/entwIckLungen IM JIHadIStIScHen SaLafISMuS die jihadistische terrororganisation Islamischer Staat (IS) verlor in vormals von ihr kontrollierten gebieten in Syrien und im Irak weiter an territorium. nur noch in wenigen Regionen behielten die Jihadisten des IS die kontrolle. der militärische druck der anti-IS-koali154 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ISLAMISMUS tion sowie der Syrian democratic forces (Sdf, demokratische kräfte Syriens) drängten den IS zurück und weiter in den untergrund. Von dort aus führte die jihadistische terrororganisation vereinzelt operationen gegen die anti-IS-allianz und andere Ziele durch. In nordund westafrika sowie in asien etablierten sich ableger des IS, deren anhängerzahlen sich von Region zu Region zum teil erheblich unterschieden. In europa gelang es einzeltätern, jihadistisch motivierte anschläge zu verüben, wobei sie - wenn auch in zahlreichen fällen nicht eindeutig verifizierbar - entweder im auftrag des IS oder eigeninitiativ handelten. die hohe anschlagsgefahr blieb auch im zurückliegenden Berichtsjahr bestehen. dies belegte ein Vorfall in köln (nordrhein-westfalen), als die Sicherheitsbehörden die anschlagsvorbereitungen eines IS-Sympathisanten vereitelten, der den Bau eines biologischen Sprengsatzes mit dem nervengift Rizin geplant hatte. AUF EINEN BLICK * festnahmen und Verurteilungen * Resonanz im jihadistischen und politischen Salafismus auf weltweite jihadistische entwicklungen * Bundesweite anzahl der jihadistisch motivierten ausreisefälle * Hessenweite anzahl der jihadistisch motivierten ausreisefälle * Rückkehrer-Problematik frauen und kinder * weiterhin bestehendes anschlagspotenzial des IS - Maßnahmen der Sicherheitsbehörden * Jihadistisch motivierte anschläge in europa festnahmen und Verurteilungen | Im Februar 2018 wurde ein 17-jähriger irakischer Staatsangehöriger in Eschwege (Werra-MeißnerKreis) festgenommen und befand sich seitdem in Untersuchungshaft. Im Februar 2019 begann gegen den Angeklagten die Hauptverhandlung vor dem 5. Strafsenat des OLG Frankfurt am Main wegen des Vorwurfs der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, des Werbens für den IS und der Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Der Angeklagte soll spätestens seit Dezember 2017 einen nicht näher konkretisierten Selbstmordanschlag in Deutschland oder in Großbritannien vorbereitet haben, indem er sich Schwarzpulver in Form von "Chinaböllern" verschafft und dieses in der elterlichen Wohnung verwahrt haben soll. Dabei soll er fest entschlossen gewesen sein, hieraus einen Sprengsatz herzustellen und zu einem nicht bekannten Zeitpunkt an einem unbekannten Ort zu zünden, um Personen nichtmuslimischen Glaubens zu töten oder zu verletzen. Zur Vorbereitung habe Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 155 ISLAMISMUS er bereits experimentiert, indem er Schwarzpulver aus einem "Chinaböller" extrahiert habe. Im Februar 2018 wurde gegen einen 29-jährigen syrischen Staatsangehörigen Haftbefehl erlassen und im März 2019 vor dem OLG Frankfurt am Main die Hauptverhandlung gegen ihn wegen Mitgliedschaft und Beteiligung in einer ausländischen terroristischen Vereinigung eröffnet. Dem als Kriegsflüchtling im Jahr 2015 in die Bundesrepublik eingereisten Angeklagten warf die Generalstaatsanwaltschaft vor, von 2013 bis 2014 bei der ausländischen terroristischen Vereinigung Harakat Ahrar al-Sham al-Islamya/Ahrar al-Sham (Islamische Bewegung der Freien Männer Großsyriens) als Mitglied mitgewirkt, in diesem Zusammenhang die Gewalt an Kriegswaffen ausgeübt und sich hierbei an Kampfhandlungen gegen die syrische Regierung und den Machthaber Baschar al-Assad beteiligt zu haben. Im September 2018 wurde ein 17-jähriger Jugendlicher wegen der Vorbereitung einer staatsgefährdenden Gewalttat in Florstadt (Wetteraukreis) festgenommen. Am 18. Februar 2019 verurteilte das Jugendschöffengericht Friedberg (Wetteraukreis) den Jugendlichen zu einer Gesamtstrafe von einem Jahr und acht Monaten auf Bewährung. Dem Jugendlichen, der sich im Internet radikalisiert hatte, war vorgeworfen worden, unter Anleitung eines im Ausland lebenden Jihadisten einen Terroranschlag in Deutschland mittels einer unkonventionellen Sprengund Brandvorrichtung (USBV) vorbereitet zu haben. In diesem Zusammenhang hatte der Jugendliche versucht, über einen Internet-Großhandel Chemikalien zu beziehen, um eine Sprengvorrichtung herzustellen. Mögliche Ziele des geplanten Sprengstoffanschlags waren eine schiitische Moschee, eine Homosexuellen-Bar in Frankfurt am Main oder eine Institution der Polizei. Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig. \ 156 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ISLAMISMUS Resonanz im jihadistischen und politischen Salafismus auf weltweite jihadistische entwicklungen | Wie im Vorjahr verfolgte die Szene in Hessen weiterhin die Entwicklungen der global agierenden jihadistischen Gruppierungen und Organisationen, insbesondere in Syrien und im Irak. An der Frage, ob der IS und das "Kalifat" an und für sich theologisch zu legitimieren seien, entzündeten sich in der Szene weiterhin Auseinandersetzungen. Bereits bestehende ideologische Konflikte intensivierten sich, neue kamen hinzu. In der Szene überwog die Einsicht, dass der IS mit der territorialen Bildung eines islamischen Staatsgebildes gescheitert ist. Bundesweite anzahl der jihadistisch motivierten ausreisefälle | Zum Jahresende 2018 lagen zu insgesamt 1.050 deutschen Islamisten und Islamisten aus Deutschland Erkenntnisse vor, die in Richtung Syrien/Irak gereist waren. Zu etwa der Hälfte der gereisten Personen lagen konkrete Anhaltspunkte vor, dass sie auf Seiten des IS und der Terrororganisation al-Qaida oder diesen nahestehenden Gruppierungen und anderer terroristischer Gruppierungen an Kampfhandlungen teilnehmen und/oder teilgenommen hatten oder diese in sonstiger Weise unterstützen bzw. unterstützt hatten. Nachträglich wurden im Berichtsjahr nur noch vereinzelt jihadistisch motivierte Ausreisen bekannt. Neue Ausreisen und Ausreiseversuche in Richtung Syrien und/oder Irak gab es lediglich in Einzelfällen. Mehr als ein Fünftel der gereisten Personen war weiblich. Der überwiegende Teil der insgesamt 1.050 Ausgereisten war jünger als 30 Jahre. Etwa ein Drittel dieser Personen kehrte wieder nach Deutschland zurück. Zu über 110 der bislang zurückgekehrten Personen lagen den Sicherheitsbehörden Erkenntnisse vor, wonach diese sich aktiv und jihadistisch motiviert an Kämpfen in Syrien oder im Irak beteiligten oder hierfür eine Ausbildung absolvierten. Hessenweite anzahl der jihadistisch motivierten ausreisefälle | Den hessischen Sicherheitsbehörden lagen im Berichtszeitraum Erkenntnisse zu etwa 150 Islamisten aus Hessen vor, die in Richtung Syrien oder Irak reisten, um dort auf Seiten des IS und anderer terroristischer Gruppierungen an Kampfhandlungen teilzunehmen oder diese in sonstiger Weise zu unterstützen. Insgesamt zeichnete sich in Übereinstimmung mit dem Bundestrend eine deutlich verringerte Ausreisedynamik ab. Etwa ein Fünftel der gereisten Personen war weiblich. Dem Bundestrend entsprechend war der überwiegende Teil der insgesamt 150 gereisten Personen jünger als 30 Jahre. Nicht in allen Fällen lagen Erkenntnisse vor, dass sich diese Personen tatsächlich in Syrien bzw. im Irak aufhielten. Etwa ein Viertel der Gereisten kehrte bis Ende 2018 nach Hessen zurück. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 157 ISLAMISMUS In Bezug auf die Hälfte der Rückkehrer lagen den Behörden keine belastbaren Informationen vor, dass sich diese aktiv an Kampfhandlungen in der Region Syrien/Irak beteiligten. Als Ergebnis der kontinuierlichen Ausund Bewertung der Erkenntnislage zu den Rückkehrern lagen den Sicherheitsbehörden in Hessen zu etwa 20 Personen Informationen vor, wonach sie sich aktiv an Kämpfen in Syrien oder im Irak beteiligten oder hierfür eine Ausbildung absolvierten. Ferner lagen zu rund 50 Personen Hinweise vor, dass diese mit hoher Wahrscheinlichkeit in Syrien oder im Irak ums Leben kamen. Die hessischen Sicherheitsbehörden sind bestrebt, extremistisch motivierte Ausreiseplanungen frühzeitig wahrzunehmen, um deren Verwirklichung zu unterbinden. Vor diesem Hintergrund bewegte sich die Anzahl der behördlich verhängten Ausreiseverbotsverfügungen im Berichtsjahr im mittleren zweistelligen Bereich. Rückkehrer-Problematik frauen und kinder | Zahlreiche Kinder und Jugendliche, die zum Teil in damaligen Herrschaftsgebieten des IS geboren wurden oder dorthin mit ihren Eltern ausgereist waren, gerieten im Zuge des fortschreitenden Gebietsverlusts der Terrororganisation in Gefangenschaft der Anti-IS-Allianz. Es ist davon auszugehen, dass zahlreiche dieser Personen mit hoher Wahrscheinlichkeit Traumatisierungen erlitten bzw. psychisch belastende Erfahrungen mit Krieg und Gewalt gemacht haben und unverändert durch die Ideologie des IS indoktriniert sind. Da diese Personengruppe bei einer Rückkehr nach Deutschland eine potenzielle Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, beschäftigt sich der Verfassungsschutzverbund intensiv mit der Rückkehrer-Problematik von jihadistischen Frauen und deren Kindern, die sich in Gefangenschaft befinden. \ 158 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ISLAMISMUS weiterhin bestehendes anschlagspotenzial des IS - Maßnahmen der Sicherheitsbehörden | Trotz der militärischen Offensiven der Anti-ISAllianz war es der Terrororganisation möglich, jihadistische Propaganda über die sozialen Medien zu verbreiten und jihadistisch motivierte Anschläge anzuleiten. In den Konfliktgebieten operierte der IS aus dem Untergrund heraus und führte verschiedene Angriffe auf Sicherheitskräfte und die Zivilbevölkerung vor Ort durch. Obwohl Qualität und Quantität der IS-Propaganda spürbar abnahmen, drang die Kernbotschaft des IS zu (potenziellen) Anhängern und Sympathisanten durch. Von nicht unerheblicher Bedeutung war dabei die Vervielfältigung der Propaganda durch IS-Sympathisanten, die ohne Verbindung zu der Terrororganisation jihadistische Inhalte individuell verfassten und aus eigenem Antrieb über das Internet verbreiteten. Dabei wurde verstärkt der gewaltsame Jihad gegen diejenigen "Feinde" des "Kalifats" propagandiert, die sich an Anti-Terror-Operationen gegen den IS beteiligten oder der Anti-IS-Allianz anschlossen. Die intensivierten Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden in Deutschland sowie des Militärs in der Konfliktregion erschwerten erheblich offensichtlich bestehende oder geplante Anschlagsbemühungen von IS-Terrorzellen. Vor diesem Hintergrund sowie angesichts der jihadistischen IS-Propaganda und -Anleitung zu entsprechend motivierten Angriffen verlagerte sich der Trend hin zu Einzelakteuren, die Terroraufrufe aufgriffen und - ohne Einbindung in Zellenstrukturen - versuchten, Anschläge vorzubereiten. Für die Sicherheitsbehörden war es eine große Herausforderung, diese vom IS oft unabhängig agierenden Personen vor der Umsetzung eines Anschlags zu identifizieren. Nur in seltenen Fällen lagen zu den Akteuren bereits über einen längeren Zeitraum auf Tatsachen basierende Erkenntnisse vor, die eindeutig auf die Absicht hinwiesen, dass ein Anschlag unmittelbar bevorstand. Oftmals handelte es sich um IS-Sympathisanten, die nur mittelbar in Kontakt mit der Terrororganisation standen oder erst ab einem gewissen Zeitpunkt ihrer jihadistischen Radikalisierung und bei Konkretisierung ihrer Anschlagspläne den direkten Kontakt zum IS herstellten. Jihadistisch motivierte anschläge 2018 in europa | Im Vergleich zum Vorjahr ging die Zahl der Anschläge mit jihadistischem Hintergrund zurück. Die folgende Kurzdarstellung beschränkt sich auf besonders schwerwiegende Taten: * carcassonne und trebes (frankreich), 23. März: Mit einer Schusswaffe eröffnete ein 26-Jähriger das Feuer auf die Insassen eines Fahrzeugs in Carcassonne. Hierbei tötete er eine Person und verletzte eine weitere. Kurze Zeit später schoss der Täter auf eine Gruppe von Polizisten, wobei ein Beamter verletzt wurde. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 159 ISLAMISMUS Anschließend stürmte der Täter in einen Supermarkt in Trebes, wo er mehrere Personen als Geiseln nahm und drei weitere, darunter einen Polizisten, erschoss, der sich ihm im Austausch für eine Geisel angeboten hatte. Bei der anschließenden Erstürmung des Supermarkts durch Spezialkräfte wurde der Täter, der sich als Soldat des IS bezeichnete, erschossen. Insgesamt kamen bei dem Anschlag fünf Personen, darunter der Täter, ums Leben. Zwölf weitere wurden verletzt. Später reklamierte der IS die Tat für sich. * Paris (frankreich), 12. Mai: Im Zentrum der französischen Hauptstadt stach ein 20-jähriger Attentäter mit einem Messer wahllos auf Passanten ein. Hierbei wurde eine Person getötet, vier weitere Personen wurden verletzt. Polizeikräfte erschossen den Täter, als er diese ebenfalls attackierte. Auch diese Tat reklamierte der IS für sich. * Liege (Belgien), 29. Mai: Ein 36-jähriger Häftling, der sich auf Freigang befand, erschlug in der belgischen Provinz Luxembourg einen ehemaligen Mithäftling, griff anschließend zwei Polizistinnen in Liege an und erschoss beide mit ihren Dienstwaffen. Dann erschoss der Täter den Insassen eines Fahrzeugs und nahm in einer angrenzenden Schule eine Reinigungskraft als Geisel. Polizeikräfte töteten den Täter, als er diese angriff, wobei mindestens zwei Polizisten verletzt wurden. Der IS bekannte sich zu der Tat. Ob eine Verbindung zwischen dem Täter und der Terrororganisation bestand, konnte allerdings nicht abschließend geklärt werden. * amsterdam (niederlande), 31. august: Mit einem Messer stach ein 19-Jähriger auf zwei amerikanische Touristen am Hauptbahnhof ein und verletzte sie schwer. Beim anschließenden Fluchtversuch wurde der Täter durch Polizeikräfte angeschossen und festgenommen. Als Motiv gab der Täter an, dass der Islam in den Niederlanden angeblich beleidigt würde. * Strasbourg (frankreich), 11. dezember: In der Nähe des Weihnachtsmarkts schoss ein 29-jähriger Täter wahllos auf Passanten und stach mit einem Messer auf weitere Personen ein. Fünf Menschen starben, elf weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Bei seiner Flucht wurde der Täter durch Soldaten angeschossen, im Rahmen einer Großfahndung zwei Tage später durch die Polizei aufgespürt und bei der Festnahme erschossen. Später reklamierte der IS den Anschlag des 29-Jährigen für sich. 160 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ISLAMISMUS eReIgnISSe/entwIckLungen IM PoLItIScHen SaLafISMuS Im Rahmen des "we-Love-Muhammad"-Projekts verteilten politische Salafisten eine weitere auflage der Biographie des Propheten und boten darüber hinaus eine Broschüre an. Seit Sommer kamen die aktionen weitgehend zum erliegen. AUF EINEN BLICK * "we-Love-Muhammad"-Projekt * aktivitäten des Moscheevereins dar al Salem e. V. "we-Love-Muhammad"-Projekt | Initiatoren des Projekts "We Love Muhammad" waren der ehemalige Regionalverantwortliche der "LIES!"Kampagne für das Rhein-Main-Gebiet, Bilal Gümüs, und der salafistische Prediger Pierre Vogel. Das Projekt war zeitgleich im November 2016 in Deutschland und in der Schweiz angelaufen, nachdem seit Sommer 2016 in sozialen Medien für die gleichnamige App geworben worden war. Laut Vogel sollte mit der Aktion "Wissen über den Propheten" verbreitet werden, wobei vor allem Muslime die Zielgruppe seien. Im Februar 2018 wurde die dritte Auflage der Biografie des Propheten Mohammed (arab. sira) mit 20.000 Büchern für das Projekt "We Love Muhammad" ausgeliefert. In der Summe waren dies bislang mehr als 60.000 Exemplare. Das Projekt finanzierte sich durch Spenden, zu denen in sozialen Medien aufgerufen wurde. Im selben Monat wurde jedoch die Bestellmöglichkeit für die Mohammed-Biografien, ein Hörbuch für Kinder und für Visitenkarten in Form eines Gesamtpakets rückgängig gemacht, da - so die Aussage der Initiatoren des Projekts - die Nachfrage zu groß gewesen sei und die Versandkosten die Kosten des Buchs überstiegen hätten. Seit Mai wurde die Broschüre "Das Gebet erlernen - Der Schlüssel zum Paradies" kostenlos angeboten. Die Akteure bereiteten die "WeLove-Muhammad"-Aktionen regelmäßig im Internet auf und warben hierfür mit Bildern und Videos, die wiederum von Sympathisanten weiterverbreitet wurden. Die Missionierungsbemühungen zu dem - nach salafistischer Interpretation - "wahren Islam", die sich an einer strikten Nachahmung des Propheten in rituellen, theologischen, normativen und alltäglichen Fragestellungen orientieren, wurden somit über den eigentlichen Veranstaltungsrahmen hinaus auf einen größeren Adressatenkreis ausgeweitet. Die mobilen Verteilaktionen des Projekts "We Love Muhammad" waren organisiert und strukturiert, so kleideten sich die Akteure größtenteils mit einheitlichen "We-Love-Muhammad"-T-Shirts und -Pullovern. Einige Akteure trugen "Bauchläden", auf denen sich neben den Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 161 ISLAMISMUS zu verteilenden Waren eine Spendendose befand, oder sie führten bei ihrem Gang durch die Straßen Rückentragegestelle mit daran befestigten "We-Love-Muhammad"-Plakaten mit sich. Unter den Akteuren, deren Anzahl sich im niedrigen bis mittleren einstelligen Bereich bewegte, befanden sich auch ehemalige Angehörige der 2016 verbotenen Koranverteilaktion "LIES!". Die "We-Love-Muhammad"-Verteilaktionen fanden regelmäßig in Frankfurt am Main statt, vereinzelt auch in Offenbach am Main. Seit dem Sommer gab es keine Aktionen mehr, sie wurden in Hessen nicht mehr im Internet mit Videos, Bildern und Texten aufbereitet bzw. für sie geworben. Im Juli nannte das "We-Love-Muhammad"-Team Frankfurt am Main als Ziel des Projekts, die Muslime zurück zum Gebet zu rufen und zum praktizierenden Islam zu bringen. So gebe das Projekt die Möglichkeit, auf den Straßen mit Jugendlichen in Kontakt zu treten, um sie zu ermahnen und zum Gehorsam zu rufen. aktivitäten des Moscheevereins dar al Salem e. V. | Der 2015 in Marburg (Landkreis Marburg-Biedenkopf) gegründete Moscheeverein Dar al Salem e. V. betrieb eine Moschee im Marburger Stadtteil Richtsberg und unterhielt mehrere Auftritte in den sozialen Medien. Dass der Moscheeverein politisch-salafistische Bestrebungen verfolgte, war anhand der Predigten des Imams erkennbar. In ihnen hieß es unter anderem: "Der Sieg [der gehorsamen Gläubigen] kommt nicht von heute auf morgen. Schlachten werden verloren und gewonnen, aber der Sieg gehört letztendlich den Leuten der Sunna. Aber dies mit Geduld. Wisset, dass der Sieg nicht zu einem Volk kommt, das Allah und dem Propheten ungehorsam ist. Und dass der Schlüssel zum Sieg ist, dass wir an der Sunna festhalten". In den Predigten wurde ein dualistisches Weltbild vermittelt, in dem sich sowohl Muslime und Nicht-Muslime als auch Muslime untereinander in Feindschaft gegenüberstehen. Diese Zweiteilung der Welt wurde dogmatisch zugespitzt, indem suggeriert wurde, dass man dem in den Predigten normativ vorgeschriebenen Islamverständnis folgen müsse, um als Muslim gelten zu können. "Die islamische Umma durchlebt gerade eine stürmische Zeit, in einer Ära, die als Ära der Fremde bekannt ist, in einem Zeitalter, wo man die Intensivierung der Qual kennt. Das Blut der Muslime fließt im Osten und im Westen der Erde. Es gibt innerhalb der islamischen Familie eine große Uneinigkeit und eine enorme Zerstrittenheit, die von den Feinden 162 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ISLAMISMUS der Religion, im Namen der sogenannten Freiheit gesät wurden. Aufruhr, die große Wellen erzeugt, währenddessen segelt die islamische Umma in einem Schiff auf einem dunklen Meer, in dem ein Sturm des Aufruhrs wütet. Und die Leute des Schiffes streiten sich, schlagen sich, bringen sich gegenseitig um. Die meisten von ihnen sagen, für unsere Rettung müssen wir Richtung Westen steuern. Nur sehr wenige von ihnen sagen, für unsere Rettung müssen wir zu dem Weg des Prophetentums zurückkehren". Vielfach wurde in den Predigten betont, dass man ausschließlich der Tradition des Propheten Mohammed (arab. sunna) und den frommen Altvorderen folgen solle, da dies den "wahren" Islam ausmache. Dabei würden deren Handeln und Taten nicht nur als historisches Vorbild dienen, sondern diese müssten auch als Handlungsanweisung für die gegenwärtige Situation interpretiert werden. Neuerungen seien im Islam generell verboten und würden ins Höllenfeuer führen. entSteHung/entwIckLung Salafismus als Bezeichnung für die anhänger einer islamistischen Strömung ist erst seit anfang der 2000er Jahre verstärkt in das Interesse der forschung und Sicherheitsbehörden gerückt. die wortbedeutung leitet sich aus dem arabischen Begriff salaf (dt. altvorderer) ab und prägt den terminus bis heute. Salafisten glorifizieren die islamische ära (etwa 610 bis 850) der altvorderen, die das Leben des Propheten Mohammed und seiner anhängerschaft in drei generationen fasst, als Zeitalter des unverfälschten Islam ("goldene epoche"). In rigider form stellen sie allah als ursprung und Zentrum aller rechtlichen wie moralischen fragen in den Mittelpunkt ihres glaubens. die genaue wortherkunft des Begriffs Salafismus in der Bedeutung einer religiösen wie sozialen Bewegung lässt sich nicht eindeutig zurückverfolgen. Ideengeschichtlich hat der Begriff seit dem 14. Jahrhundert verschiedene entwicklungen durchlaufen. aktuell fasst das Phänomen Salafismus das Personenpotenzial einer im Islamismus aktiven Strömung zusammen, die sich durch zum teil erhebliche differenzen im auslegen und ausleben ihres Islamverständnisses kennzeichnet. AUF EINEN BLICK * Vorbildfunktion der islamischen frühgeschichte * Homogene Überzeugung - heterogene Zusammensetzung * Salafismus in deutschland Vorbildfunktion der islamischen frühgeschichte | Salafisten gehören konfessionell dem sunnitischen Islam an und richten ihre GlaubensHessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 163 ISLAMISMUS lehre nahezu wortwörtlich am Koran und den überlieferten Bräuchen und Traditionen (arab. sunna) des Propheten Mohammed aus. Salafisten entwickeln in Anlehnung an die islamrechtliche Methodologie der Religionspraxis eine eigene Methode (arab. manhaj), die sie aus ihrer Glaubenslehre ableiten und im Einklang mit ihr praktizieren. Im Gegensatz zu der übrigen islamischen Glaubenstradition sind Salafisten davon überzeugt, dass ausschließlich in der Epoche der frommen Altvorderen (arab. as-salaf as-salih) im 7. Jahrhundert die reine und unverfälschte Form des Islam praktiziert worden sei. Die drei ersten Generationen um den Propheten Mohammed nehmen im sunnitischen Islam wegen ihrer Nähe zu ihm und seiner Lebensweise generell eine hohe Bedeutung ein. Im Salafismus wird dieses Zeitalter theologisch überhöht und ideologisch als vorbildliches Lebensmodell propagiert. Da es sich bei den frommen Altvorderen nicht um eine Bewegung oder ein klar definiertes Konzept handelte, gestaltete sich dieser Rückgriff auf sie - je nach historischen, politischen, gesellschaftlichen und intellektuellen Umständen - sehr unterschiedlich und führte in der Moderne zu stark divergierenden Interpretationen und verschiedenen - teils widersprüchlichen - Strömungen innerhalb des Salafismus. Homogene Überzeugung - heterogene Zusammensetzung | Obwohl das salafistische Islamverständnis grundsätzlich eine klare Doktrin entwickelte, bildeten sich im Verlauf der Zeit unterschiedliche Auslegungen und Praktiken heraus. Gerade die in bewusster Ablehnung der vier anerkannten sunnitischen Rechtsschulen (arab. im Singular madhab) angewandte individuelle Interpretation (arab. ijtihad) der islamischen Primärquellen führte wiederholt zu einer ideologischen Fragmentierung salafistischer Sichtweisen. Dies hemmte gleichzeitig die Verschmelzung zu einer homogenen - in ihrer Theologie vereinten - globalen religiösen Bewegung. Sowohl die Anhänger des Salafismus als auch des Wahhabismus berufen sich abseits der islamischen Hauptquellen im Wesentlichen auf bestimmte Werke der historischen Islamgelehrten Ahmad Ibn Hanbal (780 bis 855), Taqi al-Din Ahmad Ibn Taimiya (1263 bis 1328) und Muhammad Ibn Abd al-Wahhab (1703 bis 1792). Die Schriften dieser Gelehrten und ihrer Zirkel ziehen Salafisten bis heute als Legitimationshilfe für ihr Islamverständnis heran. Dabei ignorieren sie die kultische und kulturelle Mehrdimensionalität des Islam. Die bewusste Abgrenzung von islamrechtlich etablierten Meinungen sowie die theologische Maxime der individuellen Auslegung ließen zudem salafistische Lehrzirkel entstehen, die oftmals nur aus wenigen Schülern und einem Mentor bestehen. 164 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ISLAMISMUS Salafismus in deutschland | In Deutschland wurden salafistische Prediger etwa seit 2002 aktiv und begannen, überregionale Missionierungsnetzwerke aufzubauen. Einige Prediger dieser ersten Generation erhielten ihre religiöse Ausbildung an Universitäten in Saudi-Arabien, was sich in ihrer Interpretation der islamischen Glaubenslehre nach wahhabitischer Lesart widerspiegelt. Dies bedeutet allerdings nicht, dass sie die Loyalität gegenüber dem saudischen Königshaus teilen, die traditionelle wahhabitische Gelehrte auszeichnet. Da es auch innerhalb des Wahhabismus heterogene Lehrmeinungen gibt, berufen sich salafistische Akteure in Deutschland auf unterschiedliche Gelehrte und vertreten daher unterschiedliche Positionen, etwa in Bezug auf die Frage, ob und unter welchen Bedingungen die Anwendung von Gewalt erlaubt ist. Anders als die Prediger der ersten Generation hat die wachsende Anzahl der gegenwärtigen Unterstützer und Sympathisanten des Salafismus oftmals keine religiöse Ausbildung an Universitäten erhalten, sondern schöpft ihr "Wissen" aus Islamseminaren in Deutschland, Internetpredigten und privaten Lerngruppen. IdeoLogIe/ZIeLe der Salafismus stellt innerhalb des Islamismus eine Strömung dar, die sich insbesondere durch ihre doktrinäre auffassung des Islam hervorhebt. die regional verhaftete, streng konservative sunnitische Islamauslegung des wahhabismus beeinflusste die zeitgenössische salafistische doktrin nachhaltig. die salafistische glaubenslehre (arab. 'aqida) absorbierte einzelne wahhabitische glaubensgrundsätze und ergänzte diese um eigene theologische elemente. AUF EINEN BLICK * Selbsternannte Bewahrer eines reinen Islam * Strikter Monotheismus im Zentrum der salafistischen doktrin * Verfassungsfeindliche Prinzipien der salafistischen glaubenslehre * Politischer Salafismus * Jihadistischer Salafismus Selbsternannte Bewahrer eines reinen Islam | Kulturelle Einflüsse, die den Islam seit seiner Verbreitung im 8. Jahrhundert fortwährend geprägt haben, werden in der salafistischen Islamauslegung als schädigende und gleichermaßen als unerlaubte Neuerungen (arab. bid'a) stigmatisiert, da sie nicht der normativen wie islamrechtlich verbindlichen Vorbildfunktion der Prophetentradition entsprächen. Im Salafismus ist der Handlungsspielraum menschlicher Entfaltungsmöglichkeiten genau auf die "Goldene Epoche" begrenzt. Er begreift sich gleichzeitig als ewige Bastion gegen verschiedene theologische und Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 165 ISLAMISMUS kulturelle Entwicklungen im Islam. Das Zeitalter der Prophetentradition bildet für Salafisten somit den theologisch verbindlichen Bezugspunkt zum uneingeschränkten Monotheismus (arab. tauhid), den es unter allen Umständen vor Unglauben (arab. kufr) und Polytheismus (arab. shirk) zu schützen gelte. Dieses Zeitalter ist gleichzeitig auch der moralische und rechtliche Maßstab für das menschliche Dasein und Handeln in der Gegenwart zur Erfüllung des göttlichen Willens. Selbst in traditionellen islamischen Verehrungsriten sehen Salafisten die Universalität und Einmaligkeit Gottes angegriffen. Auch weltliche Institutionen wie Gerichtsbarkeiten, die nicht vollständig der salafistischen Auslegung der islamischen Rechtsund Verhaltensnormen (arab. shari'a) unterworfen sind, werden als Götzendienst (arab. taghut) abgelehnt. Strikter Monotheismus im Zentrum der salafistischen doktrin | Im Mittelpunkt der salafistischen Glaubenslehre steht das unerschütterliche Bekenntnis zu einem Gott. Nahezu identisch mit wahhabitischen Auslegungen fassen Salafisten die in den islamischen Glaubensquellen benannten Attribute Allahs wortwörtlich und nicht metaphorisch auf. Der salafistischen Glaubenslehre zufolge kategorisiert sich die Unterwerfung unter Allah in drei Bereiche der Huldigung. Zu ihnen zählt die universale Herrschaft Allahs, die göttliche Einzigartigkeit sowie die Einmaligkeit der Namen und Attribute Allahs. Den Wesenskern der salafistischen Doktrin bildet dieses tauhid-Verständnis, das es unter allen Umständen vor inneren wie äußeren Verzerrungen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu schützen gelte. Verfassungsfeindliche Prinzipien der salafistischen glaubenslehre | Das salafistische Selbstverständnis zeichnet das Bild eines frommen Muslims, der sein Leben in Bescheidenheit und Zurückgezogenheit der ewigen Suche nach der Wahrheit im Islam widmet. Salafisten verstehen sich als Bestandteil der sogenannten erretteten bzw. auserwählten Gruppe (arab. at-ta'ifa al-mansura und al-firqa an-najiya). Einzig die Anhänger des wahren Islam sollen laut einer Überlieferung (arab. hadith) der islamischen Heilslehre am Tag des Jüngsten Gerichts vor Allah bestehen. Aus der Überzeugung, einer elitären Gruppe wahrer Muslime anzugehören, resultiert das moralische Überlegenheitsgefühl der Salafisten gegenüber Andersdenkenden. Aus diesem Grund fühlen sich Salafisten dazu berufen, das soziale Umfeld gemäß ihrer Überzeugung zu erziehen und nachhaltig zu verändern. Besonders deutlich wird der soziale Verhaltenskodex im Salafismus anhand der Forderung der Einhaltung islamischer Prinzipien, die gemäß der salafistischen Doktrin einen Leitmotivcharakter aufweisen. Salafisten streben danach, den Islam von vorgeblich schädigendem 166 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ISLAMISMUS Einfluss zu bereinigen. Dementsprechend versuchen sie sowohl die theologische Lehre im Islam als auch die Gesellschaft als Ganzes gemäß ihrer Doktrin zu gestalten. Indem anderen Muslimen das Rechte geboten und das Schlechte verboten (arab. al-amr bi-l-ma'ruf wa-nnahy 'ani-l-munkar) wird, können Salafisten neben der theologischen Lehre somit auch erheblichen sozialen Einfluss ausüben. Salafisten folgen dem Prinzip der Loyalität und Lossagung (arab. al-wala' wa-lbara'), um sich durch das klare Bekenntnis zu ihrer Glaubensauslegung demonstrativ von allen anderen Glaubensformen oder vermeintlich Ungläubigen zu distanzieren. In der Nähe zu anderen Glaubensgemeinschaften sehen Salafisten die Gefahr, den eigenen Glauben im engeren Sinne zu verzerren und den Islam im weiteren Sinne zu verderben. Das Abgrenzungsprinzip al-wala' wa-l-bara' bietet somit den Platzhalter für viele Formen der Fremdenfeindlichkeit und mündet oftmals in der islamtheologisch umstrittenen Praxis, einen Muslim für ungläubig zu erklären (arab. takfir), wenn Salafisten andere Muslime auf - grund angeblich frevelhafter Religionsausübung oder anderer Verfehlungen als Nichtmuslime brandmarken. Darüber hinaus vertieft das Prinzip der offensiven Lossagung den Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten, wobei Salafisten letztere den Makel angeblich unwürdiger Muslime zusprechen. Aus dem bedingungslosen Befolgen der salafistischen Doktrin können somit verfassungsfeindliche Bestrebungen gegen die Werte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung resultieren. Der Bestrebungscharakter im Salafismus ist prinzipiell totalitär, da das Diesseits nach seinen normativen Maßstäben zur Ehrung und Wahrung des Islam zu formen ist. Diese salafistische Doktrin enthält die idealisierte Vorstellung einer Umwelt, die den Anforderungen des "wahren Islam" vollumfänglich gerecht werden will: gesamtgesellschaftlich, global und konsequent gelebt bis zum Tag des Jüngsten Gerichts. Jedoch lässt sich innerhalb des Salafismus keine synchronisierte, homogene Bestrebung zu diesem Ziel hin feststellen. Idealvorstellung und reale Verhältnisse unterliegen Wechselwirkungen, die sich stets auf das salafistische Islamverständnis in Abhängigkeit von Zeit und Ort ausgewirkt haben. Somit ist die salafistische Doktrin in unzählige "Etappenziele" unterteilt, die ihrerseits dem Wandel veränderter religiöser Prioritäten im Bezug zur Gegenwart unterliegen. Dies setzt entsprechende Bestrebungen im Sinne eines sozial-reformistischen bis hin zu revolutionären Umbruchs voraus, die jedoch aufgrund der verschiedenen weltweiten Erscheinungsformen des Salafismus nicht pauschal bei jedem Anhänger in gleicher Weise ausgeprägt sind. Ungeachtet dessen würde die Implementierung einer Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 167 ISLAMISMUS salafistischen Gesellschaftsordnung in Deutschland am ehesten mit einem Gottesstaat vergleichbar sein und gleichzeitig die Abschaffung bzw. Überwindung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bedeuten. Politischer Salafismus | Der politische Salafismus ist in der Regel von gewaltlosen Aktivitäten gekennzeichnet. Das salafistische Islamverständnis verlangt, die Reinheit des Islam zu bewahren und seine Authentizität wiederherzustellen, wo es notwendig erscheint. Salafisten sehen sich dazu berufen, das im Laufe der Jahrhunderte angereicherte islamische (Gelehrten-)Wissen zu bereinigen (arab. tasfiya), um daraus auch verhaltensbasierte Konsequenzen abzuleiten. Dies kann sich in einem Aktivismus abbilden, wenn sich die Verbreitung der bereinigten Botschaften in Erziehung und Kultivierung (arab. tarbiya) gegenüber anderen Personen äußert. Daher nutzen politische Salafisten überwiegend gewaltlose Formen der religiösen Erziehung und der im Hintergrund - ohne politisches Aufsehen erregenden - tätigen Beratung (arab. nasiha). Auf diese Weise wollen sie ihr Umfeld auf den angeblich wahren Weg Allahs zurückführen und zum Übertritt zum Islam nach ihrem Verständnis bekehren (arab. da'wa). Grundsätzlich meiden Salafisten das politische Engagement, um die Reinheit der Doktrin des tauhid zu erhalten und vor angeblich islamfremden Einflüssen zu schützen. Salafisten sind daher weder parteipolitisch noch in vergleichbarer Form im öffentlichen Diskurs für gesamtgesellschaftliche Gestaltungsprozesse aktiv. Dennoch kann die salafistische Doktrin auf gesamtgesellschaftliche Bereiche einwirken und entwickelt somit politischen Einfluss. Der Einsatz von Gewaltmitteln ist bei politischen Salafisten nicht kategorisch auszuschließen, stellt jedoch im Kontrast zu den Anhängern des globalen Jihadismus nicht per se ihr islamrechtlich bevorzugtes Mittel zur Veränderung der Verhältnisse dar. Jihadistischer Salafismus | Jihadistische Salafisten teilen zentrale Glaubensprinzipien des politischen Salafismus, bilden daraus jedoch Legitimationen für eigene Handlungsmuster. Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal ergibt sich aus dem Verhältnis zur Gewalt. Der Anstrengung für Allah (arab. jihad) messen Jihadisten eine gewaltorientierte, aktiv-kämpferische Komponente bei, die zur individuellen Glaubenspflicht erhoben wird und dadurch in ihrer Perspektive die Durchsetzung revolutionärer und umstürzlerischer Zwecke rechtfertigt. Entgegen der politisch-salafistischen Agenda sehen Jihadisten primär in der Gewaltanwendung die Möglichkeit, "Tyrannen" und "Ungläubige" zu bekämpfen. Verhaftet in den islamischen Überlieferungen vom Tag des Jüngsten Gerichts streben Ji- \ hadisten nach der Auslöschung aller unislamischen, ungläubigen 168 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ISLAMISMUS Elemente, die sie in Regierungen, anderen Religionen und auch islamischen Glaubensgemeinschaften verkörpert sehen. Der gewaltsame sogenannte kleine jihad nimmt in den ideologischen Auffassungen der verschiedenen Gruppen, die insgesamt den globalen Jihadismus bilden, unterschiedliche Formen an und wird entsprechend vielfältig legitimiert und angewendet. Somit zielen jihadistische Salafisten im Gegensatz zum politischen Salafismus auf die gewaltsame Beseitigung bzw. Überwindung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder nehmen bewusst deren Schädigung in Kauf. BeweRtung/auSBLIck Politischer Salafismus | In der Öffentlichkeit gingen die Aktivitäten im Bereich des politischen Salafismus seit 2015 zurück, so fand das Werben für das Projekt "We Love Muhammad" bis zum Sommer 2018 vornehmlich im virtuellen Raum statt. Die Betreiber des Projekts vermochten nur wenige Akteure zu akquirieren und es gelang ihnen nicht, die Strukturen in Hessen über das Rhein-Main-Gebiet hinaus dauerhaft ausbauen. Eine ähnliche Entwicklung ließ sich in Bezug auf salafistische Predigten in der Öffentlichkeit und damit verbundene hoch frequentierte Zusammenkünfte der entsprechenden Sympathisanten und Anhänger feststellen. Zunehmend verlagerten salafistische Gelehrte und Prediger ihre Aktivitäten in die sozialen Medien und geschützte private Bereiche. Dies dürfte auch in der Zukunft der Fall sein, da die salafistische Klientel die Vorteile und Möglichkeiten moderner technischer Mittel bei der Kommunikation schon lange erkannt hat und entsprechend nutzt. Mögen öffentliche Einladungen zu salafistischen Veranstaltungen ein breites, auch überregionales Personenspektrum erreichen, so überwiegen nach der Auffassung salafistischer Akteure die "Vorteile" eines privaten, abgeschotteten Rückzugsorts. Sie sind der Meinung, sich hier der Beobachtung durch die Sicherheitsbehörden effektiv entziehen und weitgehend unbehelligt agieren zu können. Jihadistischer Salafismus | Die Gefahr eines jihadistischen Terroranschlags war in Deutschland unvermindert hoch. Solange es dem IS und anderen jihadistischen Gruppierungen weiterhin gelingt, ihre Botschaften und Ideologien insbesondere über die sozialen Medien weltweit zu verbreiten, ist nicht mit einer abnehmenden Anschlagsgefahr zu rechnen. Da jihadistische Gruppierungen weiterhin danach streben, eine islamische Gesellschaft - häufig als "Emirat" oder "Kalifat" bezeichnet - zu etablieren, haben für sie Syrien und weite Teile der Levante Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 169 ISLAMISMUS (Länder am östlichen Mittelmeer) eine unvermindert große ideologische Bedeutung. Nach jihadistischer Lesart erfüllen sich hier die apokalyptischen Verheißungen und Voraussagen, das heißt die Voraussagen in Bezug auf den Tag des Jüngsten Gerichts. Die wenigen jihadistisch motivierten Ausreisen, welche die Sicherheitsbehörden im Berichtsjahr registrierten, bestätigen dies. Anpassungsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit der Akteure des weltweiten Jihadismus müssen somit auch in Zukunft sehr genau beobachtet und analysiert werden, um entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen, selbst wenn der IS im Berichtsjahr nahezu alle seine Territorien verlor und die SDF die Terroristen aus ihrer letzten Bastion in Syrien im März 2019 vertrieben hat. Der weltweite Jihadismus besticht in den Augen seiner Anhänger in erster Linie durch seine klare Ideologie, die einerseits die freie Religionsausübung des Islam garantiert und andererseits sowohl moralische als auch politische Feinde zum Schutz des Islam gnadenlos bekämpft. Das Gros der Gefolgschaft bildet sich letztlich aus ideologisierten Anhängern; die Idee einer gemäß salafistischen Prinzipien konzipierten Welt bietet aber auch Nischen für Menschen, die glauben, in diesen Strukturen besser zurechtkommen zu können, als andernorts, wo sie sich unterdrückt fühlen. Es sind daher nicht nur Organisationen oder Gruppen, die den Jihadismus entstehen lassen, sondern vor allem dessen propagandistische ideologische Überzeugungskraft formiert diese Gruppen und wird weiterhin eine breite Anhängerschaft anziehen. Das Zerschlagen von jihadistischen Terrorzellen und -netzwerken hemmt kurzbis mittelfristig den Aufbau jihadistischer Strukturen, kann jedoch nicht die dahinterstehende Ideologie zerstören. Eine maßgebliche Aufgabe des LfV ist es, Anschlagsgefahren und Akteure (auch Einzeltäter) rechtzeitig zu erkennen und in Zusammenarbeit mit anderen Sicherheitsbehörden zu beseitigen, indem mögliche Tatbeteiligte der Strafverfolgung zugeführt werden. Darüber hinaus ist es das Ziel des LfV, mittels seiner Präventionsarbeit der Verbreitung des salafistischen/jihadistischen Gedankenguts entgegenzuwirken. 170 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ISLAMISMUS HIZB ut-taHRIR (Hut, PaRteI deR BefReIung) DEFINITION/KERNDATEN weltweit ist die Hut in über 40 Staaten mit etwa einer Million Mitgliedern präsent. Ziel der panislamischen organisation ist Führung : die "Befreiung" aller Muslime von "unterdrückung" und deren VerAta Abu al-Rashta, alias Abu Yasin einigung in einem weltweiten "kalifat" mit islamischer RechtsordAnhänger: nung. aus Sicht der Hut haben "unterdrückte Muslime" das Recht auf In Hessen etwa 60, "Selbstverteidigung" mit allen Mitteln. als konsequenz billigt die Hut bundesweit etwa 350 oftmals die gewalttaten anderer islamistischer gruppierungen. 2003 sprach der Bundesminister des Innern ein Betätigungsverbot gegen Medien : Mehrsprachige Internetpräsenzen die Hut aus, das der europäische gerichtshof für Menschenrechte 2012 bestätigte. dennoch setzen anhänger der organisation ihre Rekrutierungsbemühungen im untergrund fort. Insbesondere in / sozialen netzwerken gibt es zahlreiche gruppierungen, die eine ideologische nähe zur Hut aufweisen. Hierzu gehört die in Mörfelden-walldorf (kreis groß-gerau) ansässige gruppierung Realität Islam (RI). eReIgnISSe/entwIckLungen die gruppierung RI war unter den Leitsprüchen "gemeinsam für eine starke und bewusst agierende islamische gemeinschaft" und "erhebe deine Stimme gegen die wertediktatur" schwerpunktmäßig in den sozialen Medien aktiv. Bis zum ende des Berichtszeitraums wurde die RI-facebook-Seite von etwa 30.000 Personen geliked bzw. abonniert. die gruppierung rekrutierte ihre anhänger mitunter auch aus dem akademischen Milieu. AUF EINEN BLICK * kampagne "deine Stimme gegen das kopftuchverbot"/ "#kopftuchunserepflicht" * Veranstaltungen in Hessen kampagne "deine Stimme gegen das kopftuchverbot"/"#kopf - tuchunserepflicht" | Bereits 2016 hatte RI unter dem Hashtag "#BurkaUnsereIdentität" die Muslime in Deutschland dazu aufgefordert, ein Bekenntnis zur Burka zu verbreiten. Im April 2018 startete RI die Kampagne "Deine Stimme gegen das Kopftuchverbot". Zeitgleich initiierte die Gruppierung eine Online-Petition gegen die damals von der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen diskutierte Einführung eines Kopftuchverbots für Mädchen unter 14 Jahren, da ein solches Kopftuchverbot nach "islamischem Recht" unzulässig sei. RI-Aktivisten sammelten in Fußgängerzonen und Moscheen Unterschriften für eine an den Petitionsausschuss des Bundestags einzureichende Petition gegen das "Kopftuchverbot". Entsprechende InforHessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 171 ISLAMISMUS mationsstände und mobile Unterschriftensammlungen gab es von Mitte Mai bis Anfang Oktober in Offenbach am Main, Frankfurt am Main, Hanau (Main-Kinzig-Kreis) und Rüsselsheim (Kreis Groß-Gerau). Dort wurden Petitionslisten auch in Papierform zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus wurde bundesweit für die Kampagne mobilisiert. Am 8. Oktober veröffentlichte RI im Internet unter dem Titel "Geliebte Muslime: Wir danken euch!" ein Video und bedankte sich darin für die Mobilisierungsund Unterstützungsaktivitäten im Rahmen der Unterschriftensammlung. Namentlicher Dank erging an Personen und Organisationen, die dem außerhessischen salafistischen und HuT-Spektrum zuzuordnen sind, das heißt unter anderem an Pierre Vogel und sein Team. Die Online-Petition wurde am 11. Oktober mit etwa 165.000 Unterschriften von Unterstützern in Deutschland beendet. Laut Angaben von RI wurden die Unterschriften am 21. November per Post an das Bundespräsidialamt geschickt. Veranstaltungen in Hessen | Die Gruppierung RI nutzte im Berichtsjahr ihre Räumlichkeiten in Mörfelden-Walldorf (Kreis Groß-Gerau) für regelmäßige Veranstaltungen. Bis Anfang April fanden dort wöchentliche Koranschulungen unter dem Titel "Qur'an im Verlauf der Offenbarung" statt. Am 26. Mai lud RI über Facebook zum Fastenbrechen in einen Saal in Darmstadt ein. Laut Angaben auf der RI-Facebook-Seite nahmen 700 Personen an der Veranstaltung teil. Am 19. August führte RI einen Themenabend unter dem Titel "Muslime zwischen Hass und Anerkennung" durch. Einen weiteren für den 1. September geplanten Themenabend ("Ich verbiete Dir, also bist Du frei") sagte die Gruppierung "infolge der hetzerischen Berichterstattung einiger Medien [...] über die Petition gegen das Kopftuchverbot und Realität Islam" kurzfristig ab. entSteHung/geScHIcHte die Hut wurde 1953 im damals von Jordanien besetzten ostteil Jerusalems von dem palästinensischen Politiker und der Muslimbruderschaft (MB) nahestehenden aktivisten taqi ad-din an-nabhani (1909 bis 1977) gegründet. AUF EINEN BLICK * gründung in ost-Jerusalem * Betätigungsverbot in deutschland gründung in ost-Jerusalem | Der Entschluss zur Gründung der HuT erwuchs aus der Unzufriedenheit an-Nabhanis und seiner Anhänger über die fehlende Unterstützung der MB für das palästinensische Volk im Kampf gegen Israel. Nach dem Tod an-Nabhanis trat in der HuT der Palästina-Bezug zugunsten der Forderung nach einem alle Mus172 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ISLAMISMUS lime umfassenden "Kalifat" in den Hintergrund. In Deutschland verbreiteten HuT-Anhänger vor allem in Universitätsstädten Flugblätter und Zeitschriften mit antiisraelischen und "antiwestlichen" Inhalten. Betätigungsverbot in deutschland | Am 25. Januar 2006 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht das am 10. Januar 2003 vom Bundesminister des Innern erlassene Betätigungsverbot gegen die HuT. In dem Urteil hieß es unter anderem, dass die HuT zur gewaltsamen Beseitigung des Staats Israel und zur Tötung von Menschen aufgerufen und dadurch der friedlichen Lösung der israelisch-palästinensischen Interessensgegensätze entgegengewirkt hat. In seiner Begründung verwies das Bundesverwaltungsgericht auch auf Art. 9 Abs. 2 GG, wonach Organisationen verboten werden, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten. IdeoLogIe/ZIeLe Ziel der Hut ist die Vereinigung der weltweiten gemeinschaft der Muslime (arab. umma) in einem gottesstaat ohne nationale grenzen unter der führung eines kalifen, der die göttliche Rechtsordnung, das heißt die Scharia als grundlage und Maßstab staatlichen Handelns, im kalifat verbindlich durchsetzen soll. Islam und demokratie sind für die Hut nicht miteinander vereinbar. AUF EINEN BLICK * Verschweigen extremistischer Ziele * "Rechtgeleitetes kalifat" als Beleg für die "Richtigkeit und anwendbarkeit des Islam" Verschweigen extremistischer Ziele | Die Gruppierung RI weist eine ideologische Nähe zur HuT auf. Die islamistischen Ziele von RI und ihr ideologischer Hintergrund werden jedoch bei öffentlichen Aktivitäten verschwiegen. Erst die Lektüre der Publikation "Realität Islam[.] Eine Einführung[.] Gemeinsam für eine starke und bewusst agierende Gemeinschaft" offenbart das von RI propagierte Weltbild und die Widersprüche zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. "Rechtgeleitetes kalifat" als Beleg für die "Richtigkeit und anwendbarkeit des Islam" | So heißt es in der Publikation der RI, dass der Islam eine allumfassende Lebensordnung mit festgelegten Rechtsbeziehungen und einer eigenen Strafgesetzordnung sei. Diese Regelungen seien in Form eines Staatssystems auf die Menschen anzuwenden, wobei die Anwendung der Gesetzgebung Allahs eine unabdingbare Pflicht im Islam darstelle: Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 173 ISLAMISMUS "Ein islamisches System ist erst dann existent, wenn der Islam in allen Lebensbereichen - und somit auch in Staat und Regierung - zur Anwendung kommt. Dieser Realzustand führte zur falschen Auffassung, dass das islamische Leben [...] gegenwärtig nicht umsetzbar sei. Dies ist eine unter Muslimen bewusst verbreitete Irrmeinung, um sie in die Hoffnungslosigkeit und Resignation zu treiben". Allerdings müsse die "fundamentale Veränderung der gegenwärtigen prekären Situation" der Muslime in den islamischen Ländern beginnen, wo die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung muslimisch und von der Richtigkeit des Islam und seiner Rechtsprechung grundsätzlich überzeugt sei: "Entsteht dort ein rechtgeleitetes Kalifat mit einem korrekten islamischen Staatsund Gesellschaftssystem, wird es der gesamten Welt die Richtigkeit und Anwendbarkeit des Islam im 21. Jahrhundert vor Augen führen". StRuktuRen Hut-angehörige treten in deutschland wegen des Betätigungsverbots nicht offen in erscheinung. die Ideologie der Hut wird indes durch gruppierungen in die gesellschaft lanciert, die nicht mit der Hut gleichzusetzen sind, dieser jedoch zumindest nahestehen. AUF EINEN BLICK * "Virtuelle welt" - "Realwelt" * kontakte außerhalb Hessens "Virtuelle welt" - "Realwelt" | RI war zunächst eine in Facebook aktive Gruppierung, die eine ideologische Nähe zur HuT aufweist. Im Gegensatz zu anderen HuT-nahen Facebook-Gruppierungen bot RI jedoch regelmäßig Veranstaltungen in der "Realwelt" an. kontakte außerhalb Hessens | Dass Aktivisten von RI - neben Frankfurt am Main - in Berlin und Hamburg für die Kampagne "Deine Stimme gegen das Kopftuchverbot"/"#Kopftuchunserepflicht" in der Öffentlichkeit mobilisierten, deutet darauf hin, dass es Kontakte zu Angehörigen der HuT-Szene außerhalb Hessens gab. In Mörfelden-Walldorf (Kreis Groß-Gerau) verfügte RI über eine Büroadresse. BeweRtung/auSBLIck Die Gruppierung RI transportierte ihre Vorstellung vom Islam im Sinne der HuT-Ideologie als allumfassende politische, soziale und ökonomische Ordnung, welche die Anwendung von göttlichen Gesetzen als bindend vorsieht. Einen offenen Bezug zu der mit einem Betätigungsverbot belegten HuT vermied RI jedoch grundsätzlich. 174 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ISLAMISMUS Mittels Stilisierung der Muslime als Opfer der hiesigen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse versuchte RI, deren Bereitschaft zur "Wahrung einer islamischen Identität" zu stärken. Dabei ist die Auslegung dieser "islamischen Identität" durch RI nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar. Die daraus resultierende Abschottung von der "westlichen" Mehrheitsgesellschaft bereitet wiederum den Nährboden für Radikalisierung und Gewinnung neuer Anhänger und Sympathisanten. Die Unterschriftensammlung gegen ein vermeintliches Kopftuchverbot diente RI offenbar dazu, größtmögliche Aufmerksamkeit zu erzeugen und möglichst viele Muslime für die Gruppierung und ihre Positionen zu gewinnen. RI forcierte Aktivitäten und Vernetzung außerhalb Hessens und entwickelte sich im Berichtszeitraum zu einem bundesweiten Phänomen. MuSLIMBRudeRScHaft (MB)/ ISLaMIScHe geMeInScHaft In deutScHLand e. V. (Igd) DEFINITION/KERNDATEN die MB ist in zahlreichen Staaten der welt, dabei in nahezu allen Ländern des nahen ostens, vertreten. Sie ist die einflussreichste und älteste islamistische Bewegung unter den Sunniten. Ziel der MB ist die errichtung eines weltumspannenden gemeinLogo der MB wesens als gottesstaat auf der grundlage von koran und Sunna. In Führung : deutschland ist die Igd die größte organisation, welche die IdeoMuhammad Badi (Ägypten) logie der MB vertritt. In anlehnung an ihre ägyptische Mutterorganisation versucht die Igd, durch soziales und religiöses engagement Anhänger: sowie durch dialogangebote akzeptanz in der gesellschaft zu finIn Hessen etwa 300, den. Letztlich zielen diese Versuche darauf ab, die Ideologie der MB bundesweit etwa 1.040 in deutschland gesellschaftsfähig zu machen. Zuzurechnende Organisationen: Harakat al-Muqawama al-Islamiya eReIgnISSe/entwIckLungen (HAMAS, Islamische Widerstandsbewegung) in den palästinensischen Aunachdem der ägyptische Präsident Mohammed Mursi, welcher der tonomiegebieten (Gazastreifen) in MB angehörte, 2013 abgesetzt worden war und nach den sich Israel, al-Nahda (Tunesien), al-Ikhwan daran anschließenden Maßnahmen der Regierung gegen anhänger al-Muslimum fi Suriya (Muslimbruderschaft von Syrien) und Sympathisanten der MB war die organisation in ägypten weitgehend handlungsunfähig. Im September 2018 wurden 75 todesurteile gegen MB-Mitglieder verhängt. Sie sollen für wochenlange / Massenproteste nach dem Sturz Mursis verantwortlich sein, die mehr als 800 Menschen das Leben kosteten. Insgesamt waren mehr als 700 Personen in dem Prozess angeklagt. keine der todesstrafen Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 175 ISLAMISMUS wurde bislang vollstreckt. für die anhängerschaft der MB in Hessen spielten die politischen entwicklungen in ägypten allerdings nur eine nachrangige Rolle. die "Institutionalisierung" der MB in Hessen verlief unauffällig, da ihre akteure nicht unter dem namen der Bruderschaft auftraten. nichtsdestotrotz bauten die in Hessen etablierten MB-Strukturen ihr netzwerk fortlaufend aus. AUF EINEN BLICK * umbenennung der Igd * Veranstaltungen der Igd * europäisches Institut für Humanwissenschaften in deutschland e. V. (eIHw) * fatwa-ausschuss in deutschland umbenennung der Igd | Im November 2017 beschloss die Mitgliederversammlung der IGD ihre Umbenennung in Deutsche Muslimische Gemeinschaft e. V. (DMG). Innerhalb der IGD hieß es, dass man dadurch die "Verbundenheit zu Deutschland stärker zum Ausdruck bringen" habe wollen. Des Weiteren war die Umbenennung Thema im Rahmen der 36. Jahreskonferenz der IGD am 9. September in Hagen (Nordrhein-Westfalen). Im vereinsrechtlichen Sinne war die Namensänderung bis zum Ende des Berichtszeitraums formal noch nicht vollzogen. Veranstaltungen der Igd | Um Kinder und Jugendliche frühzeitig in ihre Strukturen einzubinden, veranstaltete die IGD Kinderund Jugendcamps. Das zweite IGD-Mädchencamp für 13bis 17-Jährige fand vom 23. bis 25. März in Molzhain (Rheinland-Pfalz) statt, das entsprechende Jungencamp im gleichen Zeitraum in Ober-Mossau (Odenwaldkreis). Der Ausflug der IGD im Rahmen des Fastenbrechens führte am 24. Juni in einen Freizeitpark im Taunus. In Oberursel (Hochtaunuskreis) fand vom 21. bis 23. September das 13. Kindercamp für Jungen und Mädchen im Alter von acht bis zwölf Jahren statt. Erstmalig wurde vom 23. bis 25. November ein Frauencamp in Neu-Anspach (Hochtaunuskreis) angeboten. Darüber hinaus trat die IGD als Organisatorin der überregionalen Veranstaltung "Islamleben" auf, für die vorab unter dem Motto "Einheit in Vielfalt" als Familienfest geworben worden war. Die Veranstaltung fand vom 31. August bis 2. September in Kirchheim (Landkreis Hersfeld-Rotenburg) statt. europäisches Institut für Humanwissenschaften in deutschland e. V. (eIHw) | Nachdem Ende November 2017 der Dekan des EIHW und der Dekan der Fakultet za islamske studije (Faculty of Islamic Studies) in Novi Pazar (Serbien) eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet 176 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ISLAMISMUS hatten, plante das EIHW eine Ausweitung seines Studienangebots. So soll das Studium der Islamischen Wissenschaften auch in deutscher Sprache angeboten werden und für das Wintersemester 2018/2019 eine Fakultät für Koran und Koranwissenschaften am EIHW implementiert werden. Neben den Kontakten nach Serbien intensivierte das EIHW seine Beziehungen nach Dubai (Vereinigte Arabische Emirate). So schrieb das EIHW im Februar einen Vorentscheid zum Entsenden eines Kandidaten für Deutschland zu einem internationalen Koranrezitationswettbewerb in Dubai aus. Insgesamt fanden im Berichtsjahr zahlreiche Veranstaltungen im EIHW statt, die von MB-/IGD-Funktionären - auch aus anderen Bundesländern - geleitet oder besucht wurden. fatwa-ausschuss in deutschland | Seit November 2018 war der in Rüsselsheim (Kreis Groß-Gerau) ansässige Fatwa-Ausschuss in Deutschland mit einer deutschsprachigen Internetseite und in den sozialen Medien präsent. Laut eigenen Angaben handelt es sich bei der 2016 gegründeten Organisation um ein Gremium von Spezialisten, das in seiner Rechtsfindung von den Grundlagen und Zielsetzungen des Islam ausgeht, um dadurch das Leben der Muslime in Deutschland zu erleichtern. Tatsächlich basierten die vom Fatwa-Ausschuss in Deutschland veröffentlichten Fatwas auf den islamrechtlichen und islamisch-rituellen Vorgaben der Scharia, die nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu vereinbaren sind. Der Fatwa-Ausschuss in Deutschland folgte den vom European Council for Fatwa and Research (ECFR) vorgegebenen Leitlinien. Das ECFR gehört dem europäischen Netzwerk der MB an und erlässt regelmäßig Rechtsgutachten für die in Europa lebenden Muslime. Maßgebliche Aufgabe des ECFR war es, sich als religiöse Instanz in Europa zu etablieren. So veröffentlichte der Fatwa-Ausschuss in Deutschland am 4. November auf Facebook einen Beschluss des ECFR in Bezug auf "Die europäische Tradition und ihre Auswirkung auf Fragen der muslimischen Frau". Darin hieß es: "Keine Berücksichtigung finden jene europäische Traditionen und Gepflogenheiten, welche im klaren Widerspruch zu definitiven und eindeutigen islamrechtlichen Texten stehen. Hierzu zählen unter anderem die Nivellierung der Differenzen zwischen dem Mann und der Frau im Erbrecht unter dem Deckmantel der Veränderung von Umstand und Zeit; Schließlich handelt es sich bei den Bestimmungen des Erbrechts und der verschiedenen Erbanteile um islamrechtliche Texte, welche definitiv gesichert sind und sich unter keinen Umständen der Veränderungen von Raum und Zeit beugen". (Schreibweise wie im Original.) Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 177 ISLAMISMUS entSteHung/geScHIcHte In einer Phase des sozialen umbruchs in ägypten, in der sich ein neuer Mittelstand herausbildete, gründete 1928 der Volksschullehrer Hasan al-Banna (1906 bis 1949) die MB als Reaktion auf die zunehmende europäisierung des Landes. als wohlfahrtsorganisation islamischer Prägung, die unter anderem krankenhäuser und Schulen unterhielt, entwickelte sich die streng hierarchisch aufgebaute MB zunehmend zum Staat im Staat. unter der führung al-Bannas verfolgte die MB nach und nach im wesentlichen folgende Ziele: die eliminierung des britischen einflusses in ägypten, die Islamisierung von Staat und gesellschaft sowie die errichtung eines weltweiten kalifats. Vor allem mit ihrer karitativen arbeit gewannen die MB und ihre in anderen Ländern gegründeten ableger immer mehr anhänger. AUF EINEN BLICK * Vom Verbot zur Regierung * die MB in deutschland Vom Verbot zur Regierung | In den 1940er und 1950er Jahren waren die Beziehungen zwischen der MB und dem ägyptischen Staat von gewalttätigen Auseinandersetzungen geprägt. 1948 wurde der ägyptische Ministerpräsident Mahmud Fahmi an-Nuqrashi (geb. 1888) ermordet, 1949 fiel Hasan al-Banna einem Attentat zum Opfer. 1954 verbot die Regierung die MB; ihr maßgeblicher Ideologe, Sayyid Qutb (geb. 1906), wurde 1966 zum Tode verurteilt und hingerichtet. Ungeachtet der Generalamnestie für führende MB-Funktionäre im Jahr 1971 dauerten die Gewalttaten militanter islamistischer Gruppen, die ihre Aktionen unter Berufung auf die Schriften Sayyid Qutbs rechtfertigten, an. Eine militante Abspaltung der MB ermordete 1981 den ägyptischen Präsidenten Anwar as-Sadat (geb. 1918). Sein Nachfolger Husni Mubarak gewährte der MB den Status als religiöse Bewegung, nicht aber den einer politischen Partei. Als Konsequenz entsandte die MB vermeintlich unabhängige Bewerber und Kandidaten auf Wahllisten anderer Parteien in die Parlamentswahlen. Bei den Wahlen im Jahr 2005 vervierfachte die MB die Zahl ihrer Abgeordneten auf 88 und errang damit etwa ein Fünftel der Sitze im ägyptischen Parlament. Nach dem von Massenprotesten der Opposition erzwungenen Rücktritt Mubaraks 2011 erlangten die MB und andere Islamisten bei den Wahlen etwa 70 Prozent der Abgeordnetenmandate. Als politischer Arm der MB gründete sich im Februar 2011 die Hizb al-Hurriya wal-Adala (Partei der Freiheit und Gerechtigkeit). Ihr Vor178 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ISLAMISMUS sitzender Mohammed Mursi, zugleich ein führender MB-Funktionär, wurde 2012 zum ägyptischen Staatspräsidenten gewählt. Aufgrund der angespannten Wirtschaftslage und anhaltender Proteste gegen die Partei der Freiheit und Gerechtigkeit setzte das ägyptische Militär Mohammed Mursi im Juli 2013 ab. Im September 2013 verbot ein ägyptisches Gericht die MB nebst allen ihr zugehörigen Organisationen. Seit dem Dezember 2013 ist die MB in Ägypten als Terrororganisation eingestuft. die MB in deutschland | 1960 gründete Said Ramadan (1926 bis 1995), ein Schwiegersohn al-Bannas und hoher MB-Funktionär, in München (Bayern) die Moscheebau-Kommission e. V. Zusammen mit Sayyid Qutb hatte er in den 1950er Jahren Ägypten verlassen und Ableger der MB in Jordanien, Syrien, Saudi-Arabien und im Libanon ins Leben gerufen. Durch Umbenennungen gingen aus der Moscheebau-Kommission e. V. im Jahr 1962 die Islamische Gemeinschaft in Süddeutschland e. V. und im Jahr 1982 die IGD hervor. IdeoLogIe/ZIeLe der ideologische ursprung der MB geht auf ihren gründer Hasan al-Banna zurück. Zentrale elemente der MB-Ideologie sind bis heute im Selbstverständnis zahlreicher islamistischer und islamistischterroristischer organisationen präsent. In dem im Rahmen ihrer Ideologie von der MB angestrebten System bilden Islam und Politik eine unauflösbare einheit, in der weder die Volkssouveränität noch die freiheit und gleichheit der Menschen einen demokratisch legitimierten und geschützten Raum finden. AUF EINEN BLICK * durchsetzung der Scharia * "der koran ist unsere Verfassung" durchsetzung der Scharia | Die Ideologie der MB zielt auf die Errichtung einer islamischen Staatsund Gesellschaftsordnung, deren Grundlage Koran und Sunna sowie die Scharia bilden. Dabei ist die Durchsetzung der Scharia ein wesentlicher Bestandteil der MB-Ideologie, da sie die Rechtsund Gesellschaftsordnung bestimmt und somit die wichtigste Grundlage des politischen und sozialen Lebens ist. "der koran ist unsere Verfassung" | Das Motto der MB lautet: "Allah ist unser Ziel. Der Prophet ist unser Führer. Der Koran ist unsere Verfassung. Der Jihad ist unser Weg. Der Tod für Allah ist unser nobelster Wunsch". Ebenso wie sein Vorgänger Muhammad Mahdi Akif gehört Muhammad Badi, der "oberste Führer" (arab. murshid amm) der MB, dem konservativen Lager der Organisation an. Er fordert von der araHessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 179 ISLAMISMUS bischen Welt, die Verhandlungen mit Israel einzustellen und durch den "heiligen Jihad" zu ersetzen. StRuktuRen In europa bzw. in deutschland bestand ein weit verästeltes netzwerk der MB, mit dessen Hilfe deren Sympathisanten und angehörige versuchten, Ideologie und Ziele der MB zu verbreiten. dabei trat die organisation in deutschland nicht offen in erscheinung. AUF EINEN BLICK * föderation Islamischer organisationen in europa (fIoe) * Strukturen der Igd bzw. dMg * Rat der Imame und gelehrten e. V. (RIg) in frankfurt am Main * eIHw als kaderschmiede für MBund Igd-funktionäre föderation Islamischer organisationen in europa (fIoe) | In Europa wird die streng hierarchisch organisierte MB durch die FIOE, einen europäischen Dachverband MB-naher Organisationen mit Sitz in Brüssel (Belgien), vertreten. Eigenen Angaben zufolge vereinigt die FIOE Organisationen aus 28 Staaten, darunter viele nationale Dachverbände. Strukturen der Igd bzw. dMg | In Deutschland ist die mittlerweile in DMG umbenannte IGD mit Hauptsitz in Köln (Nordrhein-Westfalen) die mitgliederstärkste Organisation von MB-Anhängern. Die IGD repräsentiert den ägyptischen Zweig der MB und ist seit ihrer Gründung Mitglied der FIOE. Der IGD sind bundesweit verschiedene Moscheegemeinden und sogenannte Islamische Zentren zuzuordnen, die formal von ihr unabhängig sind, aber Kontakte zu ihr unterhalten. In Hessen befanden sich solche Zentren in Frankfurt am Main und Marburg (Landkreis Marburg-Biedenkopf). Rat der Imame und gelehrten e. V. (RIg) in frankfurt am Main | Ähnlich wie der European Coucil for Fatwa and Research (ECFR, Europäischer Rat für Fatwa und Forschung) unter dem Vorsitz des MB-Ideologen Yusuf al-Qaradawi auf europäischer Ebene erhebt der RIG für Deutschland den Anspruch, als wissenschaftliche Autorität in Fragen der Koranauslegung für hier lebende Muslime zu fungieren. Der RIG, der seit 2004 mit Sitz in Frankfurt am Main besteht, ist sowohl organisatorisch als auch ideologisch der IGD nahe. eIHw als kaderschmiede für MBund Igd-funktionäre | 2012 wurde das EIHW mit Sitz in Frankfurt am Main nach dem Vorbild der Europäischen Institute für Humanwissenschaften in Großbritannien (European Institute of Human Sciences, EIHS) und in Frankreich (Institut 180 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ISLAMISMUS Europeen des Sciences Humaines, IESH) als Verein gegründet. 2013 nahm das EIHW seinen Lehrbetrieb auf. Der Verein wird durch den RIG und die IGD unterstützt. Als Schulungsstätte dient das EIHW der Verbreitung der MB-Ideologie und ist eine Kaderschmiede für MBund IGD-Funktionäre. BeweRtung/auSBLIck Mit einer legalistischen Strategie, das heißt ohne gegen geltendes Recht zu verstoßen, versuchten MB-Anhänger bzw. der MB nahestehende Organisationen ihrer Ideologie zur Akzeptanz in der Gesellschaft zu verhelfen. Dazu verhielten sich die entsprechenden Protagonisten nach außen offen, tolerant und dialogbereit, um so Einfluss auf das öffentliche Leben zu gewinnen. Diese legalistische Strategie wenden MB-Anhänger sowohl deutschlandweit als auch auf europäischer Ebene an und vermeiden in der Öffentlichkeit bewusst islamistische Aussagen. Durch die Umbenennung der IGD in DMG versuchte sich die Organisation offenbar als unbelastete Ansprechpartnerin für einen offenen, gemäßigten Islam zu präsentieren und die mittlerweile auch öffentlich bekannt gewordene Verbindung der IGD zur MB zu verschleiern. Das EIHW strebte möglicherweise über die Kooperation mit einer ausländischen Hochschule an, einen staatlich anerkannten Studiengang zu implementieren und sich als anerkannte Bildungsstätte zu positionieren. Hierfür spricht auch die stetige Ausweitung des Studienangebots. Hierdurch würde das EIHW seinen Adressatenkreis deutlich erweitern. Neben Verhaltensempfehlungen in rein religiösen Fragen gab der Fatwa-Ausschuss in Deutschland auch schariakonforme Empfehlungen zur Regelung des menschlichen Zusammenlebens, die nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar waren. Aufgrund der Ausweitung des deutschsprachigen Angebots ermöglichte der Fatwa-Ausschuss in Deutschland die Verbreitung des islamistischen Gedankenguts der MB an einen größeren Personenkreis. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 181 ISLAMISMUS MILLi-gÖRÜs-Bewegung DEFINITION/KERNDATEN unter der Bezeichnung Milli-görüs-Bewegung fasst das LfV bestimmte islamistische Bestrebungen türkischen ursprungs zusammen. Ihr verbindendes element liegt in der grundlegenden orientierung an der Ideologie der türkischen Bewegung Milli görüs (dt. nationale Sicht). diese beruht auf den Ideen zur "errichtung einer großtürkei" des gründers der Bewegung, necmettin erbakan (1926 bis 2011). Zur Milli-görüs-Bewegung (etwa 1.450 anhänger in Hessen, bundesweit etwa 10.000) gehörten * der Landesverband Hessen der Saadet Partisi (SP, Partei der glückseligkeit), * die Ismail aga cemaati (Iac), * teile der Islamischen gemeinschaft Milli görüs e. V. (IgMg), * die erbakan Vakfi Hessen (erbakan-Stiftung) und * die Milli gazete (nationale Zeitung), tageszeitung der Milligörüs-Bewegung. eReIgnISSe/entwIckLungen aufgrund eines zielgerichteten und weitreichenden Veranstaltungsangebots gelang es der SP in Hessen, im Berichtsjahr sowohl ihre Mitglieder als auch ihren Jugendnachwuchs weiter an die organisation zu binden und somit das gemeinschaftsgefüge zu stärken. dabei ließen regelmäßige gastauftritte und -vorträge hochrangiger außerhessischer und auch türkischer SP-funktionäre auf den hohen Stellenwert des Landesverbands in Hessen für die türkische Mutterpartei und ihren europäischen ableger schließen. die aktivitäten der Iac und ihrer anhänger in Hessen blieben weitestgehend konstant. nach wie vor kehrte ihr 2015 aus deutschland ausgewiesenes oberhaupt nusret Cayir nicht aus der türkei zurück. AUF EINEN BLICK * erbakan-gedenkveranstaltung des SP-Landesverbands Hessen * Bezug und nutzung neuer Räumlichkeiten * Jugendaktivitäten im SP-Landesverband Hessen * Live-Übertragung islamistischer Predigten erbakan-gedenkveranstaltung des SP-Landesverbands Hessen | Da sich am 27. Februar der Todestag des Begründers der Milli-GörüsBewegung zum 7. Mal jährte, organisierte die Bewegung in Großkrotzenburg (Main-Kinzig-Kreis) eine große Gedenkveranstaltung unter dem Motto "Moral, Gerechtigkeit und Frieden" für ihr verstorbenes 182 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ISLAMISMUS Vorbild. Unter den zahlreichen Teilnehmern befanden sich - neben Anhängern und SP-Funktionären aus Hessen - hochrangige Abgesandte der SP-Europavertretung und der türkischen SP, die zum Teil auch als Referenten auftraten. Die Gedenkveranstaltung wurde zusätzlich durch auf die Milli-Görüs-Ideologie bezogene Gebete sowie Videound Musikbeiträge untermalt. Auch die Milli Gazete war mit einem Stand zur Präsentation ihrer Druckerzeugnisse vertreten. Bezug und nutzung neuer Räumlichkeiten | Nachdem die Anhänger des SP-Landesverbands Hessen ihre regelmäßigen Treffen in der Vergangenheit an wechselnden Orten veranstaltet hatten, standen ihnen spätestens seit Ende Mai feste Räumlichkeiten zur Verfügung. Dieser neue, zentrale Anlaufpunkt für die Anhänger der SP in Hessen befand sich in einem Mehrzweckgebäude in Hanau (Main-Kinzig-Kreis). Dort fanden seither die regulären und anlassbezogenen Zusammenkünfte des SP-Landesverbands statt, auch mit regelmäßiger Beteiligung von Funktionären der europäischen und der türkischen SP. Im Vorfeld der Parlamentswahlen in der Türkei Ende Juni wurden dort interessierte Mitglieder hinsichtlich des Parteiprogramms und der Formalitäten einer Wahlbeteiligung geschult. Ebenfalls in Hanau veranstaltete der SP-Landesverband Hessen sein traditionelles Fastenbrechen im Rahmen des Ramadan. Auch zu dieser Veranstaltung waren hochrangige Vertreter der europäischen und der türkischen SP als Referenten geladen, um den Teilnehmern den Missionsauftrag der Milli-Görüs-Bewegung zu vermitteln. Jugendaktivitäten im SP-Landesverband Hessen | Die SP legte großes Engagement an den Tag, um Nachwuchs in der Jugend zu gewinnen oder bereits aktive Jugendliche fester an sich zu binden. So fanden Besuche bei Jugendlichen zu Hause statt, bei denen die Funktionäre in Form von Gruppengesprächen religiöse Inhalte und auch spezifische Themen der Milli-Görüs-Ideologie vermittelten. Ähnlich wie im Vorjahr wurden ergänzend Vortragsveranstaltungen mit außerhessischen SP-Funktionären durchgeführt, so etwa eine Schulungsveranstaltung mit dem Verantwortlichen für die europäischen Jugendverbände der SP als Referenten. Inhaltlich wurde dabei der Schwerpunkt auf Necmettin Erbakans Rolle als politischer Führer gelegt. Derselbe Referent wurde in der medialen Berichterstattung anlässlich eines Vortrags vor anderen SP-Anhängern mit den Worten zitiert, dass die SP das Ziel habe, "wieder 'eine Großtürkei und eine neue Welt zu schaffen'". Eine weitere, an die Jugend adressierte Bildungsveranstaltung fand mit einem Referenten aus dem Parteivorstand der türkischen SP statt. Darüber hinaus umfasste das Betreuungsangebot der SP für die Jugendlichen unterschiedliche Freizeitaktivitäten in einem gleichgestimmten Umfeld. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 183 ISLAMISMUS Live-Übertragung islamistischer Predigten | Seit der Ausweisung des selbsternannten Oberhaupts der IAC-Gemeinde in Europa 2015 reiste dieser bislang nicht wieder nach Deutschland ein und hielt sich unverändert in der Türkei auf. Seine Predigtveranstaltungen wurden auch im Berichtsjahr weiterhin in einer Moschee im Raum Frankfurt am Main per Live-Schaltung aus der Türkei übertragen. Die islamistischen Predigten waren nach wie vor von beständiger Kritik an der "westlichen" Lebensweise, antidemokratischen sowie mitunter antisemitischen Elementen geprägt. Dabei hatte die fortwährende Abwesenheit des Predigers offensichtlich keinen nachteiligen Einfluss auf dessen Anziehungskraft. Nach wie vor wurden die Predigtveranstaltungen von IAC-Anhängern in einer Größenordnung von bis zu mehreren hundert Personen besucht. entSteHung/geScHIcHte 1969 gründete necmettin erbakan in der türkei die Milli-görüs-Bewegung und stellte sich damit gegen die vom gründer der modernen Republik türkei, Mustafa kemal atatürk (1881 bis 1938), eingeführte trennung von Staat und Religion. auf diese weise wollte erbakan die Säkularisierung des Landes rückgängig machen und das politische, wirtschaftliche und kulturelle Leben erneut islamisieren. THEMEN IN DIESEM KAPITEL * Milli-görüs-Bewegung in der türkei und in deutschland * SP als Repräsentantin der Milli-görüs-Bewegung * Rolle der Iac in der türkei Milli-görüs-Bewegung in der türkei und in deutschand | 1970 wurde als politische Vertretung der Milli-Görüs-Bewegung die Milli Nizam Partisi (MNP, Nationale Ordnungspartei) gegründet. 1973 verfasste Erbakan das für die Ideologie der Bewegung noch immer wegweisende Buch "Milli Görüs". Über Parteiverbote und Parteineugründungen sowie ein zweimal verhängtes Politikverbot für Erbakan führte der Weg der Milli-Görüs-Bewegung in der Türkei bis zur 2001 gegründeten und noch heute existenten SP. Erbakan war in der Türkei mehrere Male stellvertretender Ministerpräsident und bekleidete 1996/97 das Amt des Ministerpräsidenten. 1976 entstand in Köln (Nordrhein-Westfalen) als Ableger der MilliGörüs-Bewegung die Türkische Union Europa e. V. Sie benannte sich 1982 in Islamische Union Europa e. V. (IUE) um. 1984 kam es innerhalb der IUE zu Auseinandersetzungen über die politische Ausrichtung des Vereins. Als Folge gründete sich 1985 in Köln die Avrupa Milli Görüs Teskilatlari (AMGT, Vereinigung der neuen Welt184 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ISLAMISMUS sicht in Europa e. V.) als Nachfolgeorganisation der mittlerweile bedeutungslos gewordenen IUE. Aus der AMGT gingen 1995 die Europäische Moscheebau und Unterstützungsgemeinschaft (EMUG) und die IGMG hervor. Organisatorisch waren beide in einen wirtschaftlichen und einen ideellen Bereich getrennt. Aufgabe der EMUG ist die umfangreiche Grundstücksverwaltung und Betreuung der AMGTund IGMG-Vereine. Die IGMG ist auf die religiösen Belange ihrer Mitgliedsvereine ausgerichtet. Viele Moscheevereine änderten in der Folge den Namenszusatz AMGT in IGMG. Die Zugehörigkeit zur Milli-Görüs-Bewegung blieb jedoch erhalten und zeigte sich oftmals auch in personellen Überschneidungen von AMGT und IGMG. SP als Repräsentantin der Milli-görüs-Bewegung | Auf politischer Ebene vertritt die von Necmettin Erbakan gegründete SP die MilliGörüs-Bewegung in der Türkei. Die SP ging aus der verbotenen Fazilet Partisi (FP, Tugendpartei) Erbakans hervor, aus der damals auch die jetzige türkische Regierungspartei Adalet ve Kalkinma Partisi (AKP, Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung) entstand. Der Einfluss der SP auf die politische Willensbildung im Land ist aufgrund ihres geringen Wählerpotenzials kaum wahrnehmbar. Obwohl sich die AKP mit der Zeit von der ursprünglichen Ideologie der Milli-GörüsBewegung distanzierte, verbinden sie mit der SP dieselben konservativen Wurzeln. Rolle der Iac in der türkei | Die IAC ist der Bruderschaft der Naqshbandiya zuzuordnen, die im 14. Jahrhundert in Zentralasien entstand. Ihr Gründer, Baha' ad-Din Naqshbandi (1318 bis 1389) aus Buchara (heutiges Usbekistan), steht in einer Reihe sogenannter Meister in Zentralasien, die mystische Gemeinschaften gründeten. Die sunnitische Naqshbandiya entwickelte sich in den folgenden Jahrhunderten zur bedeutendsten Bruderschaft und ist heute weltweit verbreitet. Ihr Handeln beruht auf einer religiös geprägten Lebensführung, wobei eine enge emotionale Bindung zwischen Schüler und Meister besteht. Unter anderem durch spezielle Meditationstechniken sucht der Schüler die unmittelbare mystische Gotteserfahrung. So versucht der Schüler durch schweigendes Denken an Allah (arab. dhikr) diesem so nahe wie möglich zu kommen. Obwohl 1925 durch Atatürk verboten, spielte die Naqshbandiya-Bruderschaft im religiösen Leben in der Türkei eine bedeutende Rolle. Necmettin Erbakan und das in der Türkei lebende spirituelle Oberhaupt der Bruderschaft, Scheich Mahmud Ustaosmanoglu, pflegten engen Kontakt zu dem einflussreichen türkisch-sunnitischen Naqshbandiya-Scheich Mehmet Zaid Kotku (1897 bis 1980) und wurHessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 185 ISLAMISMUS den durch ihn geprägt. Kotku war eine der führenden Personen des Naqshbandiya-Ordens. IdeoLogIe/ZIeLe ebenso wie andere islamistische Bewegungen will die Milli-görüsBewegung eine auf den Rechtsvorschriften der Scharia beruhende islamische ordnung realisieren. da in der früher streng laizistisch orientierten türkei das Propagieren eines entsprechenden konzepts gravierende rechtliche konsequenzen nach sich gezogen hätte, führte erbakan neue Begrifflichkeiten ein. AUF EINEN BLICK * "gerechte" und "nichtige" ordnung "gerechte" und "nichtige" ordnung | Gemäß Erbakans Grundsätzen gibt es in der Welt eine gerechte (türk. adil düzen) und eine nichtige Ordnung (türk. batil düzen). Ziel müsse es sein, die schlechte, tyrannische, auf menschlicher Willkür sich gründende und daher vergängliche Ordnung durch die gute, von Allah vorgegebene und angeblich auf Wahrheit fußende Ordnung zu überwinden. Dies sei allein durch die Milli Görüs zu erreichen, welche die Verwirklichung dieser Gedanken in der Türkei propagiert, wo eine islamische Staatsund Gesellschaftsordnung nach den Grundlagen von Koran und Sunna geschaffen werden soll. Die Milli-Görüs-Bewegung verbindet in ihrer Gesamtheit einen universalen türkisch-nationalistischen mit einem islamistischen Ansatz. StRuktuRen die Milli-görüs-Bewegung setzt sich aus mehreren komponenten zusammen, deren gemeinsame grundlage die ideologisch-religiöse orientierung an den Vorstellungen necmettin erbakans bildet. AUF EINEN BLICK * SP * Iac * IgMg * Milli gazete * erbakan Vakfi (erbakan-Stiftung) SP | Seit einigen Jahren entstehen deutschlandweit Ableger der SP, die Anhänger und Wählerpotenzial in Deutschland aktivieren, um die Politik der Mutterpartei in der Türkei zu unterstützen. Dabei vertraten die SP-Strukturen in Deutschland die politische Ausrichtung der Ideologie Necmettin Erbakans innerhalb der Milli-Görüs-Bewegung. 186 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ISLAMISMUS Iac | Feste Vereinsstrukturen der IAC gab es in Hessen nicht, sie war lediglich im Rahmen regelmäßig stattfindender Veranstaltungen aktiv. IgMg | Die IGMG als weltweit verbreitete Organisation verfügte über 520 Moscheevereine in 34 Regionalverbänden. Die IGMG war nicht in der Gesamtheit ihrer Mitglieder der islamistischen Milli-Görüs-Bewegung zuzurechnen. Teile der IGMG befanden sich in einem Prozess des Abwendens von der extremistischen Ideologie Erbakans. Es lagen jedoch tatsächliche Anhaltspunkte vor, dass einige IGMGOrtsvereine weiterhin der Milli-Görüs-Ideologie Erbakans folgten und bestrebt waren, dessen Ziele perspektivisch umzusetzen. Neben einigen Ortsvereinen gehörten in Hessen der IGMG-Landesverband, der Frauenund Jugendverband sowie die studentische Vereinigung Unikat e. V. zur Milli-Görüs-Bewegung. Milli gazete | Die türkische Tageszeitung Milli Gazete, deren Zentrale für die Europaausgabe sich in Frankfurt am Main befindet, informierte in der Vergangenheit vorrangig über die IGMG, berichtete aber auch über die Aktivitäten der SP im Inund Ausland. In ihrem Selbstverständnis sah sich die Milli Gazete als einzige und unveränderliche Vertreterin der Milli-Görüs-Ideologie unter den Printmedien. In ihrem Namen führte die Milli Gazete - in deutscher Übersetzung - den Zusatz "die gerechte Ordnung wird kommen". Immer wieder hob die Zeitung in ihren Artikeln Necmettin Erbakan als Retter der Welt hervor und rühmte dessen Ideologie der Errichtung einer neuen Welt, in welcher der Islam wiederbelebt werde und über allen anderen Ordnungen stehe. Damit bildete die MillA(r) Gazete ein wichtiges Bindeglied zwischen den einzelnen Elementen der Milli-Görüs-Bewegung. erbakan Vakfi (erbakan-Stiftung) | Die im Jahr 2013 vom Sohn Necmettin Erbakans, Fatih Erbakan, in der Türkei gegründete Stiftung beanspruchte, Erbakans Ideologie zu vertreten und die Erinnerung an ihn aufrechtzuerhalten. In Hessen trat sie bisher kaum in Erscheinung. BeweRtung/auSBLIck Wie in den vorangegangenen Jahren zeigte sich die SP durch zahlreiche unterschiedliche Veranstaltungsangebote für ihre Mitglieder und Anhänger präsent. Die regelmäßige Anwesenheit hochrangiger Vertreter aus den Reihen der SP außerhalb Hessens unterstrich den hohen Stellenwert des hiesigen SP-Landesverbands. Die neue Zentrale des SP-Landesverbands in Hanau (Main-KinzigKreis) als fester Anlaufpunkt für diese Veranstaltungen und anderweitige Zusammenkünfte bot Funktionären und Anhängern gleichermaßen die Rahmenbedingungen für die Fortführung ihrer islamistischen Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 187 ISLAMISMUS Bestrebungen. Mit einem Nachlassen der Intensität der Aktivitäten des SP-Landesverbands ist mittelfristig nicht zu rechnen. Die Aktivitäten der IAC erfuhren keine merklichen Veränderungen. Obwohl sich das Oberhaupt der IAC in Europa, Nusret Cayir, seit seiner Ausweisung 2015 in der Türkei aufhielt, waren dessen Predigtveranstaltungen weiterhin über einen Internet-Live-Stream in regelmäßigen Abständen in einer Moschee zu empfangen und verzeichneten ein gleichbleibend hohes Besucheraufkommen. Mit einer zeitnahen Rückkehr Cayirs ist nicht zu rechnen, sodass - unveränderte Rahmenbedingungen vorausgesetzt - für die IAC in Hessen keine einschneidenden Änderungen absehbar sind. tÜRkIScHe HIZBuLLaH (tH) DEFINITION/KERNDATEN nachdem angehörige der tH in den 1990er Jahren zahlreiche Logo der TH Morde und andere gewalttaten begangen hatten, zerschlug der türkische Staat die terrorgruppe 1999/2000. dabei wurde der tH-anAnhänger/Mitglieder: In Hessen etwa 140, führer Hüseyin Velioglu in einem feuergefecht mit der Polizei getötet. bundesweit etwa 400 durch flucht nach westeuropa (unter anderem nach deutschland, Österreich, Italien und in die Schweiz) entzogen sich tH-aktivisten den Medien (Auswahl): staatlichen Maßnahmen in der türkei. einzelne führungsaktivisten solDogru Haber (Wahre Nachricht), Inzar (Warnung) und das Kindermagazin len sich in den Iran abgesetzt haben. tH-angehörige nutzen deutschCocuk (Kind) land seitdem als Rückzugsraum, um sich personell und logistisch zu reorganisieren. die aktivisten sammeln hier vor allem Spenden und / vertreiben Publikationen. die letzte bekannt gewordene gewalttat der tH in der türkei, bei der sechs Polizisten getötet wurden, ereignete sich 2001. nicht zu verwechseln ist die sunnitische tH mit der schiitisch orientierten Hizb allah (Partei gottes) im Libanon. eReIgnISSe/entwIckLungen die Vahdet Moschee in wiesbaden, getragen von dem Moscheeverein elazig Bingöl kültür ve dayanisma dernegi-Vahdet e. V., war im Berichtsjahr ein wichtiger Stützpunkt der tH in deutschland. nachdem öffentlich über die Vahdet Moschee berichtet worden war, stellte der Moscheeverein weitgehend alle außenwirksamen aktivitäten ein und verhielt sich unauffällig. der Imam der Vahdet Moschee und zugleich ein bedeutsamer agitator der tH wurde, nachdem er mehrere Monate in der Moschee aktiv gewesen war, im Juli in die türkei abgeschoben. 188 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ISLAMISMUS AUF EINEN BLICK * Schwerpunkt wiesbaden * "aufwecken" des Jihad-gedankens Schwerpunkt wiesbaden | Die hohe bundesweite Bedeutung der Vahdet Moschee für die TH wurde durch die Großveranstaltungen - wie etwa die Europaveranstaltung Kutlu Dogum (dt. Heilige Geburt des Propheten) -, die in den vergangenen Jahren unter Federführung der Vahdet Moschee stattfanden, deutlich. "aufwecken" des Jihad-gedankens | Der Herausgeber des islamistischen, israelfeindlichen, antidemokratischen und "antiwestlichen" Magazins Ädegnzar (Warnung) war seit 2017 Imam der Vahdet Moschee. Zugleich war der Imam einer der wichtigsten Agitatoren und Propagandisten der TH-Ideologie. So hieß es im Berichtsjahr in dem von ihm herausgegebenen Magazin mit Bezug auf eine Sure im Koran: "Der palästinensische Staat gehört den Palästinensern. Der islamische Boden, auch wenn es nur ein Fußbreit sein sollte, ist den Ungläubigen verboten. Denn Gott sagt: ,Und kämpft um Gottes Willen gegen diejenigen, die gegen euch kämpfen... (Bakara, 2/190). Und tötet Sie, wo ihr sie zu fassen bekommt, und vertreibt sie, von wo sie euch vertrieben haben! Der Versuch[, Gläubige zum Abfall vom Islam] zu verführen, ist schlimmer als Töten". (Schreibweise wie im Original.) Ebenso wurde im Berichtsjahr in einem Inzar-Artikel der MB-Angehörige Izz al-Din al-Qassam (1882 bis 1935) zitiert. Während des von Großbritannien ausgeübten Völkerbundmandats für Palästina (1920 bis 1947) hatte er als militanter Verfechter des Jihad sowohl die Briten als auch die dortige zionistische Bewegung bekämpft und war im heutigen Westjordanland von britischen Soldaten erschossen worden: "Es ist nicht unbedingt bedeutsam, dass wir diesen Krieg gewinnen. Wichtiger ist es, dass wir der islamischen Gemeinschaft und den zukünftigen Generationen eine Lehre zuteilwerden lassen, so dass der JihadGedanke in ihnen auferweckt wird". Bereits 2015 hatte in der Zeitschrift Ädegnzar gestanden: "Der Herr sagt, ,Der Kampf/Krieg ist Pflicht für euch, aber ihr mögt ihn nicht'. Das bedeutet jedoch nicht und soll auch nicht bedeuten, dass wir nicht jeden Moment bereit für den Krieg sind. Der Schutz des Lebens, des Eigentums, der Generation, des Geistes und der Religion vor den fremden Kräften ist ohne Kriegskönnen nicht möglich". Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 189 ISLAMISMUS Am 17. Juli wurde der Imam in die Türkei abgeschoben. Nach der öffentlichen bzw. medialen Berichterstattung über die Extremismusbezüge der Vahdet Moschee sagte diese größere Veranstaltungen der TH bzw. eigene Treffen in Hessen ab und stand dadurch nicht mehr im öffentlichen Fokus. entSteHung/geScHIcHte Im Raum diyarbakir, der Hochburg der Partiya karkeren kurdistan (Pkk, arbeiterpartei kurdistans), entstand in der Stadt Batman im Südosten der türkei die tH, als sich in den 1980er Jahren muslimische kurden zu einer organisation zusammenschlossen. AUF EINEN BLICK * Islamistischer gegenentwurf zur Pkk * aktivisten im untergrund Islamistischer gegenentwurf zur Pkk | Als islamistischer Gegenentwurf zur PKK kämpfte die TH zwischen Ende der 1980er und Mitte der 1990er Jahre gewaltsam sowohl gegen die damals säkular-linksextremistisch ausgerichtete kurdische Terrororganisation als auch gegen den türkischen Staat. Dabei folterten und töteten TH-Angehörige mehrere hundert Menschen. Intern bekämpften sich zwei miteinander verfeindete Lager der TH mit Gewalt, wobei die mit der ägyptischen MB sympathisierende Ilim-Gruppe schließlich die Oberhand gewann. Insgesamt werden der TH eine Vielzahl von Morden - unter anderem an liberalen türkischen Journalisten, Staatsvertretern und "Verrätern" aus den eigenen Reihen - sowie Folterungen zur Last gelegt. aktivisten im untergrund | Im Verlauf umfassender Exekutivmaßnahmen des türkischen Staats gegen die TH wurde im Jahr 2000 in Istanbul der TH-Anführer Hüseyin Velioglu getötet. Funktionäre wurden festgenommen und seitdem mehrere tausend TH-Angehörige verhaftet. 2011 wurden in der Türkei aufgrund einer Gesetzesänderung zahlreiche TH-Funktionäre unter gerichtlichen Meldeauflagen aus der Haft entlassen. Der größte Teil ist seitdem untergetaucht. Ihren militärischen Flügel baute die TH mittlerweile neu auf, sie bildete neue Kämpfer aus und beschaffte sich erneut Waffen und Sprengstoff. 190 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ISLAMISMUS IdeoLogIe/ZIeLe In der 2004 veröffentlichten Schrift "kendi dilinden Hizbullah" (dt. die Hizbullah in eigenen worten) sind die ideologischen Leitlinien der tH dargelegt. danach seien differenzen in der islamischen welt und die Herrschaft nichtislamischer Regierungen die ursache aller Probleme. Laut einer erklärung aus dem Jahr 2012 soll das politische System in der türkei legal und gewaltfrei überwunden und eine islamische Herrschaft errichtet werden. AUF EINEN BLICK * Schaffung eines islamischen gottesstaats * Strategiewechsel seit 2000 * antisemitische und "antiwestliche" Propaganda in tH-Publikationen Schaffung eines islamischen gottesstaats | Ziel der TH ist es, in der Türkei einen islamischen Gottesstaat zu errichten und diesen auf die gesamte Welt auszudehnen. Die "westliche" Welt, insbesondere die USA und der Staat Israel, zählen zu den Feindbildern der TH. In der im Jahr 2004 veröffentlichten Schrift "Kendi Dilinden Hizbullah" beschreibt die TH ihre Ziele wie folgt: "Tausendfacher Dank an Gott, der uns die Hizbullah-Gemeinde und die Zugehörigkeit zu dieser Gemeinde geschenkt hat, die sich auf das Kampffeld begeben hat, um die Herrschaft des Islam überall zu verbreiten. [...] Mit dem Wunsch eine vereinte islamische Umma zu gründen, in der [...] die göttliche Gerechtigkeit herrscht und die Hadd-Strafen gelten, haben wir das Kämpfen für diesen Glauben und dieses Ziel als unser islamisches Bekenntnis und als eine Notwendigkeit des Islam nach dem Verständnis des Propheten betrachtet. Für solch eine heilige Mission zu kämpfen, Schmerz und Folter zu erdulden und sogar als Märtyrer zu sterben, haben wir als eine Ehre empfunden. Auch in der Zukunft werden wir dieser heiligen Mission und diesen Werten verbunden bleiben und es als Ehre und Würde empfinden, dafür zu kämpfen". Strategiewechsel seit 2000 | Neue Gewalttaten macht die TH von dem "Erfolg" ihres Strategiewechsels abhängig: In der Türkei will sie sich als einflussreiche gesellschaftliche Organisation etablieren und sich hierdurch steigende politische Unterstützung sichern. Hierfür intensiviert sie - ähnlich wie die Harakat al-Muqawama al-Islamiya (HAMAS, Islamische Widerstandsbewegung) im Nahen Osten - ihre Anstrengungen unter anderem im sozialen Bereich und verzichtet in ihrer Außendarstellung auf Gewalt. Mit Spendenkampagnen im Rahmen von Notsituationen versuchte die TH Einfluss zu gewinnen. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 191 ISLAMISMUS antisemitische und "antiwestliche" Propaganda in tH-Publikationen | Die ideologischen Leitlinien der TH, insbesondere antisemitische und antidemokratische Äußerungen, finden regelmäßig Eingang in Magazine, die der TH nahestehen oder dieser zuzurechnen sind. So ist zum Beispiel in der Zeitschrift Dogru Haber zu lesen: "Sie [i. e. die Götzendiener] beschimpften uns mit den Worten wie Demokratie, Laizismus, Freiheit und Menschenrechte. [...] Sie wollten den Juden dienen, sonst gar nichts! Komm, Scharia, komm und zerschlage alle diese falschen Götter!" StRuktuRen Strukturen der TH bestanden außerhalb der Türkei in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien, Belgien, den Niederlanden und Frankreich. Deutschland diente dabei als Rückzugsraum zum finanziellen und personellen Aufbau der TH. Sie unterhielt in Deutschland - ebenso wie im Ausland - einige Moscheevereine, wobei die TH insgesamt straff organisiert ist. In Hessen bildete Wiesbaden den Schwerpunkt der Aktivitäten der TH. BeweRtung/auSBLIck Durch das verstärkt konspirative Verhalten nach der öffentlichen Berichterstattung über ihre islamistische Agitation versuchte die Vahdet Moschee in Wiesbaden, keine weiteren Anlässe zur Kritik zu geben, um aus dem öffentlichen Fokus zu gelangen. Inhaltlich und ideologisch fand jedoch keine Distanzierung des Moscheevereins vom Islamismus der TH statt. 192 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ISLAMISMUS SonStIge BeoBacHtungSoBJekte Im folgenden wird ein ableger von al-Qaida in ostafrika als weitere relevante islamistische gruppierung aufgeführt. die auflistung ist nicht abschließend. Harakat al-Shabab al-Mujahidin (al-Shabab, Bewegung der Mujahidin-Jugend) | Ziele des somalischen al-Qaida-Ablegers al-Shabab sind die Errichtung eines islamischen Gottesstaats am Horn von Afrika, der Sturz der seitens der internationalen Gemeinschaft unterstützten somalischen Regierung sowie die Beteiligung am weltweiten gewaltsamen Jihad. Die Terrorgruppierung kontrollierte Teile Südsomalias und versuchte dort die Scharia nach ihrem rigiden salafistisch-jihadistisch gefärbten Islamverständnis durchzusetzen. Auf - grund des verstärkten militärischen Engagements der Afrikanischen Union (AU) wurde al-Shabab mithilfe des internationalen Truppenkontingents African Mission in Somalia (AMISOM) im Jahr 2012 aus Mogadischu und weiteren Gebieten verdrängt. Dennoch verübte die Terrormiliz vorwiegend in der Hauptstadt weitere schwere Anschläge, die zahlreichen Menschen das Leben kosteten. Im Berichtsjahr kamen durch Selbstmordattentäter, die Autobomben und Schusswaffen verwendeten, mehr als 300 Menschen um, es gab über 200 Verletzte. Bevorzugte Anschlagsziele waren Hotelgebäude, Militärstützpunkte und Regierungsgebäude. Die in Somalia in "Konkurrenz" zu al-Shabab stehende Terrororganisation IS bemühte sich relativ erfolglos, al-Shabab-Jihadisten abzuwerben. In Deutschland verfügte al-Shabab über keine organisierte Unterstützungsstruktur; Sympathisanten und ehemalige Mitglieder der Terrormiliz gab es jedoch auch in Hessen. Im Oktober begann vor dem OLG Frankfurt am Main der Prozess gegen einen somalischen Staatsangehörigen. Ihm wurden versuchter Mord, Beihilfe zum Mord sowie Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung alShabab vorgeworfen. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 193 ISLAMISMUS ISLaMIStIScHe StRafund gewaLttaten Die überwiegende Anzahl der Straftaten ist mit 20 Fällen dem Phänomenbereich Jihadismus zuzurechnen und unter "andere Straftaten" zusammengefasst. Der erhebliche Rückgang um 72 Delikte gegenüber dem Jahr 2017 erklärt sich in erster Linie durch die Änderung der polizeilichen Erfassungsrichtlinien in Bezug auf Verdachtsmeldungen des BAMF. Zahlreiche Ermittlungsverfahren, die mit Hinweisen aus BAMF-Verfahren in Verbindung stehen, sind somit den Vorjahren und nicht dem Anhörungsdatum in 2018 zuzurechnen. Die Anzahl der Gewaltdelikte beläuft sich auf einen Fall und weicht daher nicht von der Zahl aus dem Vorjahr (ein Fall) ab. (Siehe im Glossar unter dem Stichwort Politisch motivierte Kriminalität zur Erfassung politisch motivierter Strafund Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund.) | 2018 2017 2016 2015 2014 Deliktart Tötung Versuchte Tötung Körperverletzung 1 1 Brandstiftung/Sprengstoffdelikte 1 Landfriedensbruch Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs, Luftund Straßenverkehr Freiheitsberaubung, Raub, Erpressung, 1 Widerstandsdelikte Gewalttaten insgesamt 1 1 1 1 Sonstige Straftaten Sachbeschädigung 3 1 1 3 1 Nötigung/Bedrohung 3 5 10 1 Andere Straftaten (insbesondere Propagan20 92 51 50 66 dadelikte) Strafund Gewalttaten insgesamt 27 99 62 54 69 194 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 EXTREMISMUS MIT AUSLANDSBEZUG - MeRkMaLe - eXtReMIStIScHeS PeRSonenPotenZIaL MIt auSLandSBeZug - PaRtIya kaRkeRen kuRdIStan (Pkk, aRBeIteRPaRteI kuRdIStanS) - cIwanen aZad (fReIe Jugend) - deVRIMcI HaLk kuRtuLus PaRtISI-cePHeSI (dHkP-c, ReVoLutIonäRe VoLkSBefReIungSPaRteI-fRont) - eXtReMIStIScHe StRafund gewaLttaten MIt auSLandSBeZug EXTREMISMUS MIT AUSLANDSBEZUG MeRkMaLe der nichtreligiös motivierte extremismus mit auslandsbezug umfasst sicherheitsgefährdende extremistische und terroristische Bestrebungen in deutschland, die im Zusammenhang mit politischgesellschaftlichen entwicklungen im ausland stehen und überwiegend von Menschen mit Bezug zu den politischen Verhältnissen in einem anderen Staat getragen werden. AUF EINEN BLICK * gegen Völkerverständigung und friedliches Zusammenleben der Völker * Breites Spektrum von Bestrebungen mit auslandsbezug gegen Völkerverständigung und friedliches Zusammenleben der Völker | Extremistische Bestrebungen mit Auslandsbezug richten sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung bzw. das friedliche Zusammenleben der Völker. Diese Bestrebungen gefährden die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland, indem ihre Urheber Gewalt anwenden oder darauf ausgerichtete Handlungen vorbereiten. Obwohl diese Bestrebungen nicht in erster Linie auf die Abschaffung oder Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zielen, können sie die Sicherheit des Bundes oder der Länder gefährden. Breites Spektrum von Bestrebungen mit auslandsbezug | Die Art der politischen Agitation zur Umsetzung dieser extremistischen Aktivitäten ist vielfältig. Sie reicht von Demonstrationen und Kundgebungen mit zum Teil gewalttätigem Verlauf bis hin zu "Spendensammelaktionen" und zur logistischen Unterstützung von Konfliktparteien im Herkunftsland. Das schließt die Unterstützung ausländischer terroristischer Gruppierungen ein. Die unterschiedlichen Zielrichtungen von Organisationen mit Auslandsbezug lassen sich im Wesentlichen unterteilen in * nationalistische, rechtsextremistische Bestrebungen, * linksextremistische Bestrebungen sowie * ethnisch motivierte Autonomiebzw. Unabhängigkeitsbestrebungen. Die Übergänge sind dabei oft fließend. 196 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 EXTREMISMUS MIT AUSLANDSBEZUG eXtReMIStIScHeS PeRSonenPotenZIaL MIt auSLandSBeZug1 Die Zahl der Extremisten mit Auslandsbezug ist seit mehreren Jahren relativ konstant. Dies liegt unter anderem daran, dass bei extremistischen Gruppierungen kurdischen und türkischen Ursprungs sehr stabile legalistische Strukturen bestehen, die sich seit Jahren kaum verändern. Trotz der für diese beiden Bereiche wichtigen Bezüge zur Türkei haben sich diese Strukturen kaum verändert. Bei Organisationen, die dem Bereich "Sonstige" zuzurechnen sind, machte sich die Selbstauflösung bzw. die zunehmende Inaktivität einzelner separatistischer Gruppierungen - etwa der baskischen Euskadi Ta Askatasuna (ETA, Baskenland und Freiheit) und der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) auf Sri Lanka - bemerkbar, sodass das entsprechende Personenpotenzial seit 2014 insgesamt rückläufig war. | 2018 2017 2016 2015 2014 Kurdischer Ursprung Hessen 1.500 1.500 1.500 1.500 1.500 Bund 14.500 14.500 14.000 14.000 14.000 Türkischer Ursprung Hessen 2.700 2.725 2.725 2.725 2.725 Bund 13.550 13.550 13.550 12.550 12.550 Sonstige Hessen 130 250 300 400 350 Bund 1.000 2.500 2.500 2.500 2.780 Gesamtzahl der Extremisten mit Auslandsbezug Hessen 4.330 4.475 4.525 4.625 4.575 3 Bund 30.350 30.550 30.050 29.050 29.330 1 Die Zahlen sind teilweise geschätzt und gerundet. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 197 EXTREMISMUS MIT AUSLANDSBEZUG PaRtIya kaRkeRen kuRdIStan (Pkk, aRBeIteRPaRteI kuRdIStanS) DEFINITION/KERNDATEN ursprüngliches Ziel der Pkk war es, einen sozialistisch geprägten Staat ("kurdistan") zu schaffen. nachdem die strikt hierarchisch aufgebaute kaderpartei 1984 zur erreichung dieses Ziels einen blutigen guerillakrieg gegen die türkei begonnen hatte, Logo der PKK rückte sie seit 1999 zunehmend davon ab. Inzwischen fordert die Führung: Pkk die anerkennung der kurdischen Identität und autonomie. Laut Abdullah Öcalan (seit 1999 in der eigenen aussagen will die Pkk dies vor allem auf politischem wege Türkei inhaftiert) erreichen. der Pkk-anführer abdullah Öcalan befindet sich seit dem 15. februar 1999 in türkischer Isolationshaft. Seit november Anhänger/Mitglieder: In Hessen etwa 1.500, 1993 (bestandskräftig seit März 1994) ist die Pkk in deutschland bundesweit etwa 14.500 mit einem Betätigungsverbot belegt, die eu stuft die Pkk seit 2002 als terroristische organisation ein. Bewaffnete Gruppen: Hezen Parastina Gel (HPG, VolksvereReIgnISSe/entwIckLungen teidigungseinheiten), Teyrebazen Azadiya Kurdistan (TAK, Freiheitsfalken Beherrschendes thema für die kurdische Pkk-nahe diaspora in HesKurdistans) sen waren im Berichtsjahr die geschehnisse im Zusammenhang mit der Region afrin. Hintergrund war die im Januar begonnene türkiSyrischer Ableger: Partiya Yekitiya Demokrat (PYD, Partei sche Militäroffensive operation olivenzweig gegen mutmaßliche der Demokratischen Union) und Stützpunkte der yPg/yPJ im nordwesten Syriens (grenzregion zur deren militärischer Arm in Gestalt der türkei). Bereits im Juli 2017 soll die türkei kurz vor dem einmarsch Yekineyen Parastina Gel (YPG, Volksin die Region afrin, die von einer koalition um die Pyd kontrolliert verteidigungseinheiten) und der YekA(r)neyen Parastina Jin (YPJ, wurde, gestanden haben. europaweit hatten damals Pkk-nahe Frauenverteidigungseinheiten) gruppierungen gegen den angeblich drohenden einmarsch türkischer Soldaten in afrin demonstriert. Medien (Auswahl): Yeni Özgür Politika (YÖP, Neue Freie AUF EINEN BLICK Politik) als Sprachrohr der PKK, Serxwebun (Unabhängigkeit), Sterk * Proteste gegen die türkische operation olivenzweig TV, NUCE-TV * Im kontext afrin verübte Straftaten * Zusammenarbeit der Pkk mit deutschen Linksextremisten \ * Personenkult um adullah Öcalan * finanzierung - organisationsinterne "Spenden"Sammlung Proteste gegen die türkische operation olivenzweig | Das Vorgehen der Türkei gegen den syrischen Ableger der PKK in der Region Afrin begann offiziell am 20. Januar 2018 unter dem Namen Operation Olivenzweig (türk. Zeytin Dali Harekati). Das Ziel der mit der Verlegung von Panzerverbänden an die türkisch-syrische Grenze am 14. Januar vorbereiteten Offensive bestand für die türkische Regierung darin, 198 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 EXTREMISMUS MIT AUSLANDSBEZUG kurdische Milizen im Norden Syriens zu zerschlagen und insbesondere die der PKK zuzurechnenden militärischen YPG und YPJ aus dem Grenzgebiet zu vertreiben. Die Operation Olivenzweig zog europaweit unmittelbar seit dem 20. Januar eine Vielzahl sowohl friedlicher Proteste als auch gewalttätiger Aktionen nach sich. Das Navenda Civaka Demokratik ya Kurden li Almanyaye (NAV-DEM, Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e. V.), das heißt der Dachverband kurdischer Vereine in Deutschland, schrieb hierzu unter der Überschrift "Lasst uns die Stimme erheben - Gegen die türkische Kriegspolitik - Für die Solidarität mit Afrin!": "Wir rufen [...] euch, also die Öffentlichkeit in Deutschland, dazu auf, eure Solidarität mit Afrin zu zeigen und euch mit uns gemeinsam gegen die Kriegspolitik der AKP im Mittleren Osten zu stellen!" Die Co-Vorsitzende des NAV-DEM, Ayten Kaplan, kritisierte in einer Stellungnahme die angebliche "Repression gegen die kurdische Bevölkerung in Deutschland" durch die Bundesregierung: "Auch bei unseren Demonstrationen am gestrigen Tag ist es mancherorts dazu gekommen, dass die Polizei Fahnen eingesammelt hat oder Demonstranten gefilmt und festgenommen hat. Das ist völlig unakzeptabel. Wenn die Bundesregierung gerade jetzt meint, die Repressionen gegen Kurdinnen und Kurden in Deutschland anziehen zu müssen, steht sie unserer Meinung nach hinter der Kriegserklärung der AKP gegen die kurdische Bevölkerung. Wenn die Bundesregierung gar von Panzerund anderen Waffendeals an die Türkei spricht, so ist sie nach unserer Ansicht für die Folgen der Kriegspolitik der AKP in Afrin und anderswo mitverantwortlich". Laut einem Aufruf des NAV-DEM appellierte Kaplan an die Öffentlichkeit, den Protest in Deutschland solange fortzusetzen, bis die Bundesregierung ihre Unterstützung für den "Kriegskurs der AKP" einstelle und sich die internationale Staatengemeinschaft gegen den Angriff auf Afrin wende. Die teilweise - auch in hessischen Städten - nicht angemeldeten Aktionen standen in Zusammenhang mit Aufrufen der PKK-Führung. In einer Nachricht vom 22. Februar auf der PKK-nahen Ajansa Nuceyan a Firate (ANF, Firatnews Agency) hieß es: "Der türkische Besatzerstaat kennt keine Grenzen. Auf barbarische Weise werden Zivilistinnen bombardiert und getötet. Stehen wir auf, gehen wir auf die Straßen!" In Kassel wurde ein Farbanschlag auf ein Gebäude verübt, in dem sich sowohl eine türkische Moschee als auch ein Verein befanden, welcher der türkischen rechtsextremistischen Ülkücü-Bewegung zugerechnet wird. In einem auf der Internetseite der PKK-JugendHessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 199 EXTREMISMUS MIT AUSLANDSBEZUG organisation Ciwanen Azad (Freie Jugend) veröffentlichten Tatbekenntnis hieß es, es habe sich um einen Angriff auf einen "Verein der Grauen Wölfe" - die Anhänger der Ülkücü-Bewegung werden umgangssprachlich als Graue Wölfe bezeichnet - gehandelt: "In der Nacht vom 20. auf den 21. Januar hat das Racheteam Cekdar Botan aus Wut über die Angriffe des faschistischen türkischen Staates den Ülkü Ocagi (Verein der Grauen Wölfe) gestürmt". Bei Cekdar Botan handelt es sich um den Tarnnamen eines deutschen PKK-Angehörigen, der 2016 im Kampf für die Terrororganisation ums Leben gekommen war. An anderer Stelle wurde im Internet zu weiteren Aktionen aufgerufen: "DITIB sind die direkten Vertreter des AKP-Regimes in Deutschland und damit unser Angriffsziel. [...] Wir rufen alle RevolutionärInnen und aufrechten InternationalistInnen dazu auf selbst Aktionen durchzuführen und die Institutionen des türkischen Faschismus und seiner deutschen Komplizen hier zum Ziel zu nehmen". (Schreibweise wie im Original.) Bis Mitte März, dem Ende der Operation Olivenzweig, kam es bundesweit zu mehr als 1.000 Kundgebungen im Kontext Afrin, in Hessen waren es etwa 160. Die erste zentrale Kundgebung für Deutschland fand am 27. Januar in Köln (Nordrhein-Westfalen) unter dem Motto "Solidarität mit Afrin" statt, wozu das NAV-DEM etwa 13.000 Demonstranten mobilisiert hatte. Darunter waren etwa 100 Personen aus dem linksextremistischen Spektrum, die sich als schwarzer Block präsentierten. Wegen zahlreicher Verstöße gegen das Vereinsgesetz (Zeigen von Öcalan-Fahnen) löste die Polizei die Demonstration vorzeitig auf. Beim Einziehen verbotener Fahnen kam es vereinzelt zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Das Zeigen von PYD-/YPG-Fahnen war während der Kundgebung in Absprache mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat ausdrücklich erlaubt. Am 3. März nahmen mehr als 7.000 Personen an einer bundesweiten Demonstration in Berlin ("Gemeinsam gegen die türkischen Angriffe auf Afrin!") teil. Von dem Bündnis für Demokratie und Frieden in Afrin organisiert, das unter anderem von der IL und weiteren linksextremistischen Gruppierungen unterstützt wurde, beteiligten sich sowohl linksextremistische Akteure als auch PKK-Anhänger an den Protesten. Zahlreiche Spruchbänder und Fahnen der YPG/YPJ sowie ÖcalanAbbildungen wurden gezeigt und verbotene PKK-Parolen skandiert. Auch pyrotechnische Gegenstände wurden vereinzelt gezündet. Die Polizei forderte die Versammlungsteilnehmer mehrfach auf, das Zei200 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 EXTREMISMUS MIT AUSLANDSBEZUG gen von Fahnen mit verbotenen Symbolen zu unterlassen, und stellte bei einer Fahrzeugüberprüfung über 1.000 Pappschilder mit PKKBezug sowie 15 Öcalan-Bilder sicher. Insgesamt kam es zu 38 Festnahmen und 41 Strafverfahren (unter anderem wegen zahlreicher Verstöße gegen das Vereinsgesetz). Bei einer Festnahme wurden sechs Polizisten leicht verletzt. In Frankfurt am Main kamen am 3. Februar etwa 1.800 Personen zu einer Demonstration, wobei der Veranstalter, das Mesopotamische Kulturzentrum e. V., lediglich mit 500 gerechnet hatte. In den Wochen nach dem türkischen Einmarsch in Afrin verringerten sich die Teilnehmerzahlen schließlich erheblich und stagnierten zuletzt im zweibis unteren dreistelligen Bereich. Auch die zentrale Großveranstaltung anlässlich des traditionellen kurdischen Neujahrsfests am 17. März in Hannover (Niedersachsen) thematisierte unter dem Motto "Newroz heißt Widerstand - der Widerstand heißt Afrin" die Lage im Nordwesten Syriens. Dass das Treffen - im Vergleich zu der entsprechenden Vorjahresveranstaltung in Frankfurt am Main (30.000 Teilnehmer) - mit rund 11.000 Personen deutlich geringer besucht war, wies auf die zunehmende Demonstrationsmüdigkeit der Kurden in Deutschland hin. Im kontext afrin verübte Straftaten | Bei den im Zusammenhang mit den Protesten verübten Straftaten handelte es sich vorrangig um Brandstiftungen, Sachbeschädigungen durch Graffiti und Farbbeutelattacken. Die Straftaten richteten sich nicht nur gegen türkische Einrichtungen, sondern auch gegen - aus Sicht der PKK - mutmaßliche Unterstützer der Türkei wie etwa Parteibüros der Christlich Demokratischen Union (CDU) und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), Rüstungsbetriebe, Bankfilialen und staatliche Einrichtungen. Für Hessen sind folgende Beispiele hervorzuheben: * Offensichtlich kurdische Jugendliche aus Wiesbaden begingen am 15. Februar mehrere Sachbeschädigungen durch Graffitischmierereien an türkischen Vereinsgebäuden in Mainz (Rheinland-Pfalz). * Am frühen Morgen des 13. März kam es an einem türkischen Lebensmittelmarkt in Darmstadt zu einer Sachbeschädigung durch Graffitischmierereien, als unbekannte Täter die Parolen "Boycot Turkey" und "Rache für Afrin" an die Wände sprühten. * In der Nacht vom 13. auf den 14. März wurden die Scheiben einer Filiale der Deutschen Bank in Frankfurt am Main zerstört. Die Bekenner warfen der Bank auf der Internetseite fight4afrin.noblogs.org vor, in den Rüstungsbetrieb Rheinmetall AG zu investieren. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 201 EXTREMISMUS MIT AUSLANDSBEZUG * Am 13. und 14. März besprühten unbekannte Täter die Geschäftsstellen der CDU und SPD in Marburg (Landkreis MarburgBiedenkopf) mit den Aufschriften "PYJ", "#Fight4Afrin", "Biji Rojava" und "YPG statt SPD". * In Kassel entzündeten unbekannte Täter am frühen Morgen des 21. März das Fahrzeug einer türkischen Staatsbürgerin. Auf dem Fahrzeug klebten Werbefolien einer türkischen Zeitschrift. Das "Racheteam Sehid Kawa" bekannte sich zu der Tat. Zusammenarbeit der Pkk mit deutschen Linksextremisten | Mit Beginn der türkischen Offensive arbeiteten in Hessen verstärkt PKK-Angehörige und deutsche Linksextremisten sowohl aus dem autonomen als auch aus dem dogmatischen Bereich zusammen. So veröffentlichte die IL am 21. Januar eine Erklärung, in der sie dazu aufrief, sich an den Protesten gegen den Angriff der türkischen Armee auf Afrin zu beteiligen. Die IL kritisierte die Treffen zwischen dem deutschen und türkischen Außenminister sowie deutsche Waffenlieferungen an die Türkei. Dem Protest schloss sich die linksextremistische Gruppierung Young Struggle mit einer eigenen Erklärung an. Darüber hinaus kam es zu folgenden weiteren Kooperationen: * In Kassel zogen am 3. Februar etwa 50 kurdische Jugendliche, Aktivisten der örtlichen autonomen Szene und des "strömungsübergreifenden Zusammenschlusses anarchistischer Gruppen, Föderationen, Projekten und Einzelpersonen", der Föderation Deutschsprachiger Anarchisten (FdA), durch die Innenstadt. Teilweise vermummt, zündeten sie Bengalos und führten Fahnen mit PKK-Bezug mit sich. Ähnliche Aktionen gab es in Frankfurt am Main und Wiesbaden. * An einem Bündnistreffen in Kassel am 6. Februar im dortigen PKK-nahen Verein beteiligten sich der Yekitiya Xwendekaren Kurdistan (YXK, Verband der Studierenden aus Kurdistan), die Ciwanen Azad sowie die deutsche linksextremistische Gruppierung Revolution (REVO) Hessen. * In Gießen (Landkreis Gießen) meldete das Bündnis für Frieden in Afrin für den 9. und 16. Februar Demonstrationen an. In einer Erklärung forderte das Bündnis ein Ende des Kriegs im Nahen Osten, eine politische Lösung für Syrien und die Aufhebung des Verbots, Symbole von kurdischen Parteien und Organisationen sowie Porträts von Abdullah Öcalan zu zeigen. Unter den 20 Bündnispartnern befanden sich der PKK-nahe Verein in Gießen sowie folgende Gruppierungen bzw. Parteien: die A.R.A.G., die DKP, die Internationale Marxistische Tendenz Gießen, das Internationalistische Bündnis Gießen, der Jugendverband REBELL Gießen der MLPD und die linksjugend ['solid]. 202 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 EXTREMISMUS MIT AUSLANDSBEZUG Darüber hinaus rief laut einer Erklärung der von Linksextremisten benutzten Internetseite de.indymedia.org am 12. März die Apoistische Jugendinitiative, die ihren Namen von Apo (türk. Bezeichnung für Onkel, zugleich Koseform für Abdullah) ableitete, dazu auf, Gewaltaktionen europäischer Linksextremisten zu unterstützen: "Wenn uns niemand zuhören will werden wir jede Innenstadt Europas in Schutt und Asche legen. Egal wie und egal was an diesem Tag brennt, Europa muss verstehen das wir nicht zulassen werden, dass Efrin fällt. Am Montag werden wir als kurdische Jugend die mörderische Stille beenden und den Krieg auf Europas Straßen tragen! Informiert euch auf fight4afrin.noblogs.org über geplante Aktionen, sprecht euch ab und bereitet euch vor!" (Schreibweise wie im Original.) Ebenso wurden auf den Internetseiten fight4afrin.noblogs.org und de.indymedia.org Bekennerschreiben in Bezug auf Angriffe, die vermehrt nicht nur türkische Einrichtungen, sondern auch Rüstungsbetriebe, Banken, Parteibüros und staatliche Einrichtungen zum Ziel hatten, veröffentlicht. Personenkult um adullah Öcalan | Nachdem sich der unumstrittene PKK-Anführer jahrelang in Syrien aufgehalten hatte, wies ihn die syrische Regierung im Oktober 1998 aus, woraufhin er versuchte, in einem europäischen Staat politisches Asyl zu erhalten. Im Februar 1999 wurde Öcalan von türkischen Beamten beim Verlassen der Botschaft eines EU-Mitglieds in Kenia sistiert, in die Türkei gebracht und dort inhaftiert. Als Mitbegründer der PKK ist Öcalan für deren Anhänger die absolute Leitfigur und eine lebende Ikone und wurde schon früh Apo genannt. In Anlehnung daran verwenden PKK-Strukturen - wie etwa die Apoistische Jugendinitiative - in Selbstbezeichnungen diesen Begriff. Die anhaltende Sorge um Öcalans Gesundheitszustand und dessen fortwährende Isolationshaft trieb die kurdische Diaspora weiter um. Demonstrationsserien und verschiedene Kampagnen spiegelten dies in Hessen im Berichtsjahr wider. Wie seit mehreren Jahren demonstrierten PKK-Anhänger europaweit gegen die Inhaftierung Öcalans und thematisierten sowohl dessen angeblich kritischen Gesundheitszustand als auch dessen mögliches Ableben. Dabei wurde das Verbot, das Bildnis Öcalans auf Fahnen usw. öffentlich zu zeigen, nahezu durchgängig missachtet. So organisierte in Frankfurt am Main der Vorsitzende des Mesopotamischen Kulturzentrums e. V. am 13. Oktober eine Kundgebung zum Thema "Freiheit für Öcalan, ein Status für Kurdistan". Etwa 30 Personen zeigten verschiedene Fahnen und Banner mit dem Abbild Öcalans und ignorierten dabei den Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 203 EXTREMISMUS MIT AUSLANDSBEZUG \ Erlass des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat hinsichtlich verbotener PKK-Symbole. Folgende weitere Ereignisse waren relevant: * Am Frankfurter Flughafen kam es am 24. Oktober zu einer nicht angemeldeten, störungsfrei verlaufenen Versammlung mit dem Thema "Freiheit für Öcalan", an der sich elf Personen beteiligten. * Am 27. Oktober fanden drei weitere Demonstrationen in diesem Kontext statt: In der Darmstädter Innenstadt demonstrierten etwa 100 Teilnehmer friedlich unter dem Motto "Freiheit für Öcalan". In Frankfurt am Main zogen rund 150 Anhänger Öcalans durch die Innenstadt, wobei vereinzelt verbotene "Biji-serok-Apo"-Rufe (dt. "hoch lebe Apo") skandiert wurden. In Kassel wurden vier Polizeibeamte leicht verletzt, als sie versuchten, während einer Kundgebung ("Der gesundheitliche Zustand von Abdullah Öcalan") mit rund 80 Demonstranten eine verbotene Öcalan-Fahne einzuziehen. Im weiteren Verlauf blockierten Demonstranten kurzzeitig Bahngleise. Videos mit angeblicher Polizeigewalt wurden anschließend auf mehreren Internetplattformen veröffentlicht, wobei deren Duktus auf eine Beteiligung deutscher Linksextremisten schließen lässt. * Am 9. November instrumentalisierten PKK-nahe Aktivisten in Kassel eine vom deutschen linksextremistischen Spektrum angemeldete Kundgebung ("Rechtsruck Aufhalten") für eigene Zwecke, wobei die Kurden den Großteil der insgesamt 185 Teilnehmer stellten. Pyrotechnische Gegenstände wurden entzündet, verbotene PKK-Symbole gezeigt sowie verbotene PKK-Parolen und die 204 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 EXTREMISMUS MIT AUSLANDSBEZUG Parole ACAB (Abkürzung für engl. all cops are bastards) skandiert. Nachdem mehrfache Einwirkungsversuche des Versammlungsleiters ergebnislos blieben, erklärte der Veranstalter die Kundgebung nach Rücksprache mit der Polizei für beendet. Beim Versuch, eine Polizeikette zu durchbrechen, setzten Demonstranten Fahnenstangen und Pfefferspray gegen die Einsatzkräfte ein und warfen zu einem späteren Zeitpunkt auch Steine auf die Polizisten. * In Frankfurt am Main protestierten am 11. November etwa 15 kurdische Jugendliche aus Frankfurt am Main und Mainz (RheinlandPfalz) gegen die Isolationshaft Öcalans, indem sie in einer Parkanlage Bengalos entzündeten und mit Bildnissen Öcalans posierten. Ein Video über die Aktion wurde auf der PKK-nahen Plattform www.nuceciwan8.com veröffentlicht. * Im Dezember führten PKK-nahe Kurden in Frankfurt am Main und Darmstadt einen knapp dreiwöchigen symbolischen "Hungerstreik" durch, um auf die Haftbedingungen Öcalans, speziell seine Isolationshaft, aufmerksam zu machen, worüber kurdische Printmedien und Internetplattformen regelmäßig berichteten. Die zu Informationszwecken aufgestellten Pavillons waren mit zahlreichen Bildnissen Öcalans versehen. finanzierung - organisationsinterne "Spenden"-Sammlung | Wie in den Vorjahren finanzierte die PKK ihren Kampf in den kurdischen Gebieten vor allem über "Spenden", wozu in Europa jährlich Kampagnen stattfanden. Die jährliche "Spenden"-Sammlung stellte erneut einen wesentlichen Schwerpunkt der PKK-Aktivitäten in Deutschland dar und diente der logistischen und finanziellen Unterstützung der Gesamtorganisation. Seit der Befreiung Kobanes (einer mehrheitlich von Kurden bewohnten Stadt an der türkisch-syrischen Grenze in Syrien) vom IS im Jahr 2014 durch kurdische Peschmerga hatte sich die "Spenden"-Bereitschaft allerdings merklich gesteigert. Mit der "Jahresspendenkampagne" unterstützt die kurdische PKKnahe Diaspora in der Bundesrepublik die Aktivitäten einer Terrorvereinigung im Ausland. Die PKK-Führung gibt die Ziele für die einzelnen PKK-Gebiete in Deutschland vor, wobei diese in der Regel utopisch hoch angesetzt sind, sodass sie nur selten erreicht werden. Neben der Rekrutierung von Kämpfern und den vergangenen gewalttätigen Ausschreitungen bei Demonstrationen liegt darin einer der Hauptgründe für das Fortbestehen des PKK-Betätigungsverbots in Deutschland. Die "Spenden" variieren im Regelfall zwischen mehreren hundert Euro bei Einzelspendern und bis zu mehreren zehntausend Euro insbesondere bei Geschäftsleuten. Erfahrungsgemäß wird von Kurden Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 205 EXTREMISMUS MIT AUSLANDSBEZUG jeweils eine "Spende" in Höhe von bis zu einem Monatseinkommen eingefordert, wobei die Summen mittlerweile "verhandelbar" sind. Hinweise auf Gewaltanwendungen im Rahmen der "Spenden"Sammlung wurden in Hessen nicht bekannt. Allerdings gab es Fälle, bei denen psychischer Druck auf potenzielle, aber nicht zahlungswillige "Spender" ausgeübt wurde: Dabei ging es um soziale Ächtung oder Isolation innerhalb der örtlichen kurdischen Community oder um Aufforderungen, bei zahlungsunwilligen Geschäftsleuten nicht mehr einzukaufen. Bis in die späten neunziger Jahre gab es in Deutschland Fälle von körperlicher Gewalt im Rahmen der "Spenden"-Sammlungen. Wie in jedem Jahr nahmen die "Spenden"-Sammelaktivitäten nach dem Internationalen Kurdischen Kulturfestival - im Berichtsjahr fand eine Ersatzveranstaltung für das verbotene 26. Internationale Kurdische Kulturfestival am 8. September in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) statt - an Intensität zu. Der Ablauf glich demjenigen früherer Jahre: Bei Hausbesuchen wird der von der PKK erwartete "Spenden"Beitrag mitgeteilt und eventuell sofort eingesammelt. Das Geld wird bundesweit bei "Spenden"-Sammlern bzw. in "Depots" zwischengelagert und schließlich auf dem Landweg ins europäische Ausland transportiert. Als Finanzzentrale der PKK in Europa gilt Brüssel (Belgien). Von dort wird das Geld über Western Union in den Nord-Irak überwiesen oder direkt verschifft bzw. verschickt. 206 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 EXTREMISMUS MIT AUSLANDSBEZUG CIWANEN AZAD (FREIE JUGEND) Im Jugendbereich unterhielt die Pkk an örtliche Pkk-nahe Vereine angegliederte gruppen der ciwanen azad, die in Hessen vor allem in frankfurt am Main und kassel aktiv waren. Schwerpunkte ihrer aktivitäten bildeten die Mobilisierung zu demonstrationen und die durchführung anlassbezogener aktionen. angehörige der ciwanen azad agierten sowohl anlassbezogen als auch eigenständig für ihren anführer Öcalan sowie für die gesamtinteressen der terrororganisation. die angebliche Verschlechterung des gesundheitszustands Öcalans bzw. der nicht vorhandene kontakt zu ihm konnte ebenso ein auslöser für aktivitäten der ciwanen azad sein wie aktionen des türkischen Militärs in den kurdischen Regionen im norden Syriens. AUF EINEN BLICK * einsatz von gewalt befürwortet * Rekrutierungsaktivitäten einsatz von gewalt befürwortet | Eine Erklärung der Apoistischen Jugendinitiative vom 12. März, die eine der Reaktionen auf den Einmarsch türkischer Truppen in Nordsyrien bildete, verdeutlicht die Einstellung der PKK-Jugend zur Gewalt: "Wenn uns niemand zuhören will werden wir jede Innenstadt Europas in Schutt und Asche legen. Egal wie und egal was an diesem Tag brennt, Europa muss verstehen das wir nicht zulassen werden, dass Efrin fällt. Am Montag werden wir als kurdische Jugend die mörderische Stille beenden und den Krieg auf Europas Straßen tragen! Informiert euch auf fight4afrin.noblogs.org über geplante Aktionen, sprecht euch ab und bereitet euch vor!" (Schreibweise wie im Original.) Vor diesem Hintergrund führten am 11. Mai kurdische Jugendliche in Frankfurt am Main eine nicht angemeldete Demonstration durch, zündeten pyrotechnische Gegenstände, zeigten Fahnen des PKKAnführers Öcalans und riefen PKK-Parolen. Am 29. Oktober zeigten jugendliche PKK-Anhänger in Kassel während eines Volksfests eine Abbildung Öcalans aus der Gondel eines Riesenrads heraus und veröffentlichten anschließend einen entsprechenden Beitrag in den sozialen Netzwerken. Am 21. Oktober gründete sich im Zuge einer Umbenennung der Ciwanen Azad in Bergisch-Gladbach (Nordrhein-Westfalen) die Tevgera Ciwanen Soresger (TCS, Bewegung der revolutionären Jugend), die sich als europaweiter Dachverband der kurdischen JuHessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 207 EXTREMISMUS MIT AUSLANDSBEZUG gend versteht. Im November präsentierte die neue Organisation im Internet eine eigens in diesem Kontext gestaltete Fahne und gab Beschlüsse bekannt, in denen sie sich inhaltlich auf den PKK-Anführer Öcalan und PKK-Märtyrer bezog. In Hessen folgten der Umbenennung bislang nur die PKK-nahen Vereine in Frankfurt am Main. Rekrutierungsaktivitäten | Nach wie vor rekrutierte die PKK auch in Deutschland zumeist jugendliche Anhänger für den bewaffneten Kampf. Eine zentrale Rolle spielte dabei die Ciwanen Azad. Jugendliche wurden in Appellen, die über den Medienapparat der PKK verbreitet wurden, dazu aufgefordert, sich den bewaffneten Einheiten anzuschließen. Anlässlich des Jahrestags der Wiederaufnahme des "bewaffneten Kampfs" zitierte die PKK-nahe Zeitung YÖP in ihrer Ausgabe vom 14. August den Befehlshaber der PKK-Guerillaeinheiten wie folgt: "Am 34. Jahrestag der Offensive vom 15. Augst 1984 wenden wir uns an alle kurdischen Jugendlichen. Wir wenden uns an die Jugendlichen aller Völker, die in diesen Gebieten leben: Kommt und tretet den Reihen bei! Kommt und nehmt am Tanz des Sieges teil! [...] Wenn jeder dieser Phase mit Verantwortung begegnet, die erforderlichen Aufgaben übernimmt und die Verteidigungskräfte Kurdistans auf professionelle Art in allen Teilen Kurdistans vertritt, gebührt der Sieg unserem Volk". Mit ihren Bemühungen, junge Menschen für einen Kampfeinsatz im syrisch-türkischen Grenzgebiet zu gewinnen, wendete sich die PKK nicht nur an eigene Anhänger, sondern auch an Deutsche, die sich den Zielen der PKK solidarisch verbunden fühlten. Entsprechende Hinweise über die Anwesenheit rekrutierter Personen in der syrischtürkischen Grenzregion fanden die Sicherbehörden in sozialen Medien. Allerdings lagen in der Regel keine Erkenntnisse über tatsächliche Aktivitäten auf Seiten oder zu Gunsten der PKK vor. Einzelne rekrutierte Personen wurden vor Ort im Kampf getötet, worüber im Internet berichtet wurde: Sie gelten unter der PKK-Anhängerschaft als Märtyrer im Kampf für kurdische Interessen. Personen aus Hessen waren bislang nicht darunter. entSteHung/geScHIcHte 1978 als eine Partei mit marxistisch-leninistischer ausrichtung gegründet, suchte die Pkk mit ihren bewaffneten einheiten seit dem 15. august 1984 die auseinandersetzung mit dem türkischen Militär. den kampfhandlungen fielen seitdem mehrere zehntausend Menschen zum opfer. 208 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 EXTREMISMUS MIT AUSLANDSBEZUG AUF EINEN BLICK * wandlungen der Pkk * Verurteilung Öcalans * umbenennungen * umfeld der Pkk wandlungen der Pkk | Die ursprünglich marxistisch-leninistisch orientierte Organisation wurde am 27. November 1978 gegründet und strebte danach, durch einen Guerillakrieg einen revolutionären Umbruch zu erreichen und anschließend einen eigenen kurdischen Staat zu gründen. Im Laufe der Jahre veränderte sich diese Forderung hin zu einer konföderalen Vorstellung, die den Kurden in ihren Gebieten weitgehende kulturelle und politische Autonomie und Selbstbestimmung bringen soll. Hierzu sollen zum Beispiel ein eigenes Parlament, eigene Wirtschaftsund Finanzstrukturen, eine anerkannte eigene Sprache und eine eigene Fahne gehören. Vor allem die beiden letzten Punkte sind für die PKK besonders symbolträchtig. Von Beginn an sah die PKK Gewalt als ein wichtiges Mittel im revolutionären Kampf an. Gewalt wurde innerhalb der Organisation - zum Beispiel gegen Abweichler - ebenso angewendet wie im Rahmen bewaffneter Aktionen und Anschläge insbesondere in der Türkei. Dabei gab es, abhängig von der jeweiligen innenpolitischen Entwicklung, immer wieder Phasen eines von der PKK verkündeten "Waffenstillstands" gegenüber der türkischen Regierung. In Europa und Deutschland versuchte die PKK seit Jahren - zumindest nach außen hin - den Eindruck einer politischen Neuorientierung zu erwecken und sich vor allem durch ihren Kampf gegen den IS in Syrien als zuverlässigen Partner europäischer Staaten darzustellen. Dies geschah auch, um eine Streichung von der EU-Terrorliste bzw. die Aufhebung des Betätigungsverbots in Deutschland zu erreichen. Verurteilung Öcalans | Im Herbst 1998 entzog Syrien auf massiven Druck der Türkei dem PKK-Anführer Abdullah Öcalan die Unterstützung und veranlasste ihn, sein dortiges Exil aufzugeben. Nach verschiedenen Aufenthalten in Europa und Afrika wurde Öcalan am 15. Februar 1999 in Kenia festgenommen und in die Türkei gebracht. Am 29. Juni 1999 vom Staatssicherheitsgericht in Ankara zum Tode verurteilt (die Strafe wurde mit Abschaffung der Todesstrafe am 3. Oktober 2002 in lebenslange Haft umgewandelt), befindet sich Öcalan seitdem auf der Gefängnisinsel Imrali in Haft. Für die PKK gilt der 15. Februar als "schwarzer Tag in der Geschichte des kurdischen Volkes". Sie spricht in diesem Zusammenhang von einem "internationalen Komplott". Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 209 EXTREMISMUS MIT AUSLANDSBEZUG umbenennungen | 2002 benannte sich die PKK in Kongreya AzadA(r) A" Demokrasiya Kurdistane (KADEK, Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans) um. 2003 folgte die Umbenennung in Kongreya Gele Kurdistane (KONGRA GEL, Volkskongress Kurdistans). Damit versuchte die PKK, sich von der "Stigmatisierung" als Terrororganisation zu befreien und sich als politisch neuausgerichtete Organisation zu präsentieren. Die unterschiedlichen Bezeichnungen der letzten Jahre hinsichtlich der Struktur und personellen Zusammensetzung führten zu keinen grundsätzlichen Umgestaltungen der PKK. Die Ursprungsorganisation bestand im Wesentlichen fort. 2005 gründete sich die Koma Civaken Kurdistan (KCK, Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans), die sich die Verwirklichung des "demokratischen Konföderalismus" zum Ziel gesetzt hat. Darunter versteht die PKK einen nichtstaatlichen Verbund aller Kurden in der Türkei, in Syrien, im Iran und Irak, den sie mit eigenen Regierungsorganen und mit dem Anspruch einer eigenen Staatsbürgerschaft versieht. Die staatlichen Grenzen der Länder, in denen Kurden leben, sollen in diesem virtuellen Verbund unangetastet bleiben. PKK und KCK sind im Wesentlichen strukturell identisch. In der Binnenkommunikation sprechen Funktionäre, Mitglieder und Anhänger - unbeschadet aller jeweils aktuellen Bezeichnungen der Organisation - seit jeher von PKK. Im Außenverkehr tituliert sich die PKK hingegen, wenn sie ihr organisatorisches Ganzes meint, als KCK. umfeld der Pkk | Mit der PKK verbunden sind die PYD in Syrien sowie die Partiya Jiyana Azad a Kurdistane (PJAK, Partei für ein freies Leben in Kurdistan) und die Partiya Careseriya Demokratik a Kurdistane (PCDK, Partei für eine politische Lösung in Kurdistan) im Irak. Als Schwesterparteien wollen auch sie die Interessen von Kurden vertreten. Die Umsetzung von PKK-Positionen erfolgt insbesondere über eigene Medienstrukturen. Neben einem PKK-Fernsehsender (SterkTV, Med NUCE-TV) gibt es eine eigene PKK-nahe Nachrichtenagentur (ANF, Sitz in den Niederlanden) sowie verschiedene Zeitungen und Zeitschriften (unter anderem die vom Betätigungsverbot nicht betroffene YÖP, die in Neu-Isenburg im Landkreis Offenbach erscheint, sowie Serxwebun und Ciwanen Azad). IdeoLogIe/ZIeLe Ziel der terroristischen Pkk war ursprünglich die staatliche unabhängigkeit der auf mehrere Staaten im nahen osten zersplitterten kurdischen Siedlungsgebiete. der kurdische Staat sollte in der türkei aus Südostanatolien, Regionen im nordosten Syriens ("Rojava"), gebieten im norden des Iraks und gebieten westirans bestehen. 210 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 EXTREMISMUS MIT AUSLANDSBEZUG AUF EINEN BLICK * autonomie in der türkei * Öcalan als ideologische führungsfigur autonomie in der türkei | Die PKK behauptet, ihr Ziel der staatlichen kurdischen Unabhängigkeit zugunsten eines einheitlichen länderübergreifenden Siedlungsverbunds aller Kurden aufgegeben zu haben, in dessen Rahmen die Grenzen der betroffenen Staaten Bestand haben sollen. Was die in der Türkei lebenden Kurden betrifft, kämpft die PKK für die staatliche Anerkennung ihrer kulturellen und politischen Identität, die in Südostanatolien mittels eines Autonomiestatus - ähnlich der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak - verwirklicht werden soll. Zugleich fordern die PKK und ihre Schwesterorganisationen einen ähnlichen Autonomiestatus für von Kurden bewohnte Regionen im Norden Syriens, im Irak und im Iran. Dabei beansprucht die PKK, die Interessen aller Kurden zu vertreten. Öcalan als ideologische führungsfigur | Der in der Türkei inhaftierte Abdullah Öcalan fungiert weiterhin als ideologische Führungsfigur der Terrororganisation. Dies ist zum einen darin begründet, dass er einer der Gründer der PKK war und damals sogleich zum Vorsitzenden gewählt wurde. Öcalan verfasste Schriften, die noch heute als Material bei der Kaderschulung dienen. Auch nach seiner Inhaftierung hatte Öcalan jahrelang wichtige Entscheidungen der PKK inhaltlich mitgeprägt, so etwa die Zielsetzung der kulturellen und politischen Autonomie, die an die Stelle der Etablierung eines eigenen "Kurdenstaats" trat. Seit mehreren Jahren ist allerdings nicht mehr bekannt, dass Öcalan die inhaltliche Ausrichtung der PKK mitbestimmte. Innerhalb der Terrororganisation hat Öcalan weiterhin eine absolut herausgehobene Stellung inne. Im Laufe der Zeit wurde er immer stärker verklärt, sowohl seine Verhaftung 1999 als auch seine Einzelhaft auf der Gefängnisinsel Imrali wurden im Sinne der PKK historisiert. Insgesamt wird Öcalan schon heute als lebender Märtyrer verehrt, der wegen seines Engagements für eine "richtige und gute Sache" zu Unrecht verfolgt, inhaftiert und isoliert werde. Angesichts fehlender Informationen über Öcalan und seine Situation wird bei PKK-Veranstaltungen immer wieder die Forderung erhoben, dass über seinen Gesundheitszustand und seine Haftbedingungen berichtet und ein glaubhaftes Lebenszeichen von ihm gegeben wird. Bei Gerüchten über eine Verschlechterung seines Lebensumfelds oder seines Tods organisieren PKK-Anhänger sofort Solidaritätsaktionen. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 211 EXTREMISMUS MIT AUSLANDSBEZUG StRuktuRen Zahlreiche teilorganisationen trugen die aktivitäten der Pkk: * Propagandabzw. Frontorganisation (politischer Arm): Koordinasyona Civaka DemokratA(r)k a Kurdistan (CDK, Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft), Sitz unbekannt. * Dachorganisation für Europa: Kongreya Civaken Demokratik a Kurdistaniyen Ewropa (KCDK-E, Kurdischer Demokratischer Gesellschaftskongress in Europa). * Dachorganisation für Deutschland: NAV-DEM, Sitz in Düsseldorf, mit - nach eigenen Angaben - bundesweit 45 Vereinen, davon zehn in Hessen: Darmstadt, Frankfurt am Main, Gießen (Landkreis Gießen), Limburg (Landkreis Limburg-Weilburg), Wiesbaden, Hanau (Main-Kinzig-Kreis), Offenbach am Main, Rüsselsheim (Kreis Groß-Gerau), Bensheim (Kreis Bergstraße) und Kassel. Für bestimmte Zielgruppen unterhielt die PKK sogenannte Massenorganisationen, zum Beispiel: * Ciwanen Azad (Freie Jugend), im Berichtsjahr in Tevgera Ciwanen Soresger (TCS, Bewegung der revolutionären Jugend) umbenannt. * Jinen Ciwanen Azad (Bewegung junger Frauen). * Yekitiya Xwendekaren Kurdistan (YXK, Verband der Studierenden aus Kurdistan). * Jinen Xwendekar en Kurdistan (JXK, Studierende Frauen aus Kurdistan). * Heyva Sor a Kurdistane (HSK, Kurdischer Roter Halbmond). BeweRtung/auSBLIck Die PKK ist weiterhin die aktivste Gruppierung im Bereich des Extremismus mit Auslandsbezug. Wie ihre Demonstrationen und Aktionen zeigen, ist die Organisation jederzeit in der Lage, kurzfristige Proteste außerhalb der Türkei zu initiieren und zu organisieren. Dabei spielen nicht nur längerfristig planbare Veranstaltungen eine Rolle, auch Aktionen des türkischen Militärs und Handlungen der türkischen Regierung werden in der Regel noch am gleichen Tag, spätestens aber am Folgetag, deutschlandund europaweit mit Protesten beantwortet. Kurzfristig organisierte Kundgebungen zeigten, dass die PKK auch in Hessen jederzeit in der Lage ist, innerhalb weniger Stunden mehrere hundert Personen zu mobilisieren. Umgehend reagierte die PKK auch auf Gerüchte über eine Verschlechterung des Gesundheitszustands oder gar den angeblichen Tod ihres Anführers Abdullah Öcalan. Die grundsätzlich bei allen Demonstrationen gezeigten Fahnen und Öcalan-Abbildungen verdeutlichen, wie sehr er von den PKK-Anhängern verehrt wird. Selbst für 212 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 EXTREMISMUS MIT AUSLANDSBEZUG in Deutschland geborene Jugendliche mit kurdischem Migrationshintergrund steht Öcalan als absoluter Kristallisationspunkt im Zentrum ihres politischen Handelns. Besonders in Kassel spiegelte sich diese hochemotionale Stimmung bei Veranstaltungen wider, wobei die Gefahr bestand, dass sie jederzeit in Gewalt ausuferten. Auch die sich bundesweit häufenden Aktionen vor allem der Ciwanen Azad gegen türkische Vereine bzw. Einrichtungen verdeutlichten, dass friedlicher politischer Protest fließend in Eskalation und Gewaltausbrüche übergehen konnte. Hierzu kam es ebenfalls in Hessen, sodass auch in Zukunft mit einer Spirale der Gewalt bei ursprünglich friedlichen Geschehnissen gerechnet werden muss. Die der PKK zuzurechnenden Jugendlichen agierten im Sinne der Vorgaben der Führung, was sich zum Beispiel im Rahmen der Umbenennung der Ciwanen Azad zeigte. Es ist davon auszugehen, dass - wie in früheren vergleichbaren Fällen - sich die alten Ortsgruppen nach und nach in TCS umbenennen werden. Inwieweit aber örtliche Vereinsverantwortliche auf aktionsorientierte Ciwanen-Azad-Anhänger mäßigend einwirken und sie von gewaltorientiertem Auftreten abhalten können, bleibt fraglich bzw. ist in Hessen regional unterschiedlich zu bewerten. Grundsätzlich hält die PKK aber weiterhin an der seit Jahren von ihr praktizierten Doppelstrategie fest: Militanz in der Türkei, Gewaltverzicht in Europa. Auch wenn generell das hiesige ruhige Agieren dominiert, hält die PKK an dem Einsatz von Gewalt als legitimem Mittel im Kampf für ihre politischen Ziele fest. Das zeigen unter anderem ihre anhaltenden Bemühungen, junge Menschen für einen Einsatz in der türkisch-syrischen Krisenregion zu rekrutieren. Wesentlich für die PKK ist nicht nur die breite politische Unterstützung für den aus ihrer Sicht "berechtigten Kampf" gegen die Türkei, sondern auch das Vorhandensein von Kampfausrüstung und die Sicherung der Logistik für die vor Ort kämpfende Guerilla. Daher ist zu erwarten, dass die PKK jedes Vorgehen des türkischen Militärs in den kurdischen Siedlungsgebieten in der Türkei nutzten wird, um von ihren Anhängern oder Unterstützern höhere "Spenden" als bislang einzufordern. Bisherige Erfahrungen demonstrieren, dass gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen dem türkischen Staat und der PKK die "Spendenbereitschaft" stets förderten. In diesem Zusammenhang spielt auch die andauernde Sorge um den angeblich verschlechterten Gesundheitszustand ihres in der Türkei inhaftierten Anführers Öcalan eine maßgebliche Rolle. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 213 EXTREMISMUS MIT AUSLANDSBEZUG Problematisch bleibt, dass es neben den mit Betätigungsverbot belegten PKK-Strukturen legalistische Gruppierungen wie die NAVDEM und die YÖP gibt, welche vordergründig folkloristisch geprägte Kulturveranstaltungen durchführen, tatsächlich aber die Ziele der Terrororganisation mittragen. Um eine extremistische Agitation zu unterbinden, überarbeitete und erweiterte das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat im Berichtsjahr - nach der Aktualisierung 2017 - erneut das PKK-Kennzeichenverbot. Die praxisbezogene Umsetzung dieses Verbots steht daher weiter im Fokus sowohl der PKKAnhänger als auch der Sicherheitsbehörden. deVRIMcI HaLk kuRtuLus PaRtISI-cePHeSI (dHkP-c, ReVoLutIonäRe VoLkSBefReIungSPaRteI-fRont) DEFINITION/KERNDATEN In der türkei warb die dHkP-c weiterhin für den bewaffneten Logo der Anatolischen "Volkskampf", während sie in deutschland nach wie vor geFöderation waltfrei agierte. die gewaltverzichtserklärung aus dem Jahr 1999 hatte Bestand. darin heißt es: "die dHkP-c wird ihren kampf gegen die unrechtmäßige Verbotsmaßnahme in deutschland fortsetzen - Logo der DHKC (Volksbefreiungsfront ) offen, demokratisch und gewaltfrei. Insbesondere wird in deutschland keine gewalt gegen türkische Institutionen ausgeübt". die sogenannte Rückfront in westeuropa diente der terrororganisation vor Logo der DHKP allem dazu, gelder für ihre aktivitäten in der türkei zu beschaffen. (Volksbefreiungspartei) Seit 2002 steht die dHkP-c auf der eu-Liste terroristischer organiFührung: sationen. Funktionärsgruppe (nach dem Tod von Dursun Karatas wurde kein neuer GeeReIgnISSe/entwIckLungen neralsekretär benannt) obwohl die anhänger der dHkP-c in Hessen kaum organisiert Anhänger/Mitglieder: waren, kam es in frankfurt am Main und in darmstadt zu VeranstalIn Hessen etwa 60, tungen, die der terrororganisation zuzurechnen sind. Besondere aufbundesweit etwa 650 merksamkeit fanden hierbei auftritte des der dHkP-c zuzurechnenMedien (Auswahl): den Musikerkollektivs grup yorum. Devrimci Sol (Dev Sol, Revolutionäre Linke), Yürüyüs (Marsch) AUF EINEN BLICK * "gefangenensolidarität" Europäischer Dachverband: Avrupa Türk Konfederasyon (ATK, Tür- * grup-yorum-konzert in frankfurt am Main kische Konföderation in Europa), Sitz in Frankfurt am Main "gefangenensolidarität" | Nachdem 2016 der mutmaßliche Europa- \ leiter der DHKP-C in Hamburg festgenommen worden war und im Dezember 2017 vor dem Hanseatischen OLG der Prozess wegen Mit214 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 EXTREMISMUS MIT AUSLANDSBEZUG gliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung begonnen hatte, kam es in Deutschland im Berichtsjahr immer wieder zu Solidaritätsveranstaltungen. Dabei besuchten Aktivisten der DHKP-C aus dem gesamten Bundesgebiet den Prozess. Auch in Frankfurt am Main und in Darmstadt fanden mehrere Solidaritätskundgebungen und Informationsstände statt. Es kam zu Veranstaltungen, bei denen die Freilassung des DHKP-C-Funktionärs sowie von in der Türkei inhaftierten und verfolgten Personen (darunter auch Journalisten und symbolträchtige Sympathieträger der Terrororganisation) gefordert wurde. Bei verschiedenen Veranstaltungen hingen Plakate aus. Bundesweit gab es mehrere Solidaritätshungerstreiks, die in der Regel zeitlich begrenzt waren. grup-yorum-konzert in frankfurt am Main | Die zum Propagandanetzwerk der DHKP-C gehörende türkische Musikgruppe Grup Yorum trat am 29. September im Rebstockpark in Frankfurt am Main auf, wobei während der Kundgebung "Gegen Rassismus und Degeneration" weitere Musiker und Bands spielten. Mit etwa 500 Teilnehmern war die Veranstaltung im Vergleich zu Konzerten in den Vorjahren in Nordrhein-Westfalen sowie in Fulda (Landkreis Fulda) und Frankfurt am Main deutlich schlechter besucht. Nachdem bekannt geworden war, dass unter anderem die DHKP-Cnahe Band Grup Yorum auftreten sollte, hatte die Stadt Frankfurt am Main den Auftritt des Musikerkollektivs verboten und Auflagen für die Durchführung der Veranstaltung erlassen. Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main wiederum erlaubte unter Auflagen den Auftritt von Grup Yorum, was der Verwaltungsgerichtshof Kassel in letzter Instanz bestätigte. Während des Verfahrens kam es bundesweit zu mehreren Protestveranstaltungen von DHKP-C-Anhängern, darunter auch Kundgebungen in der Frankfurter Innenstadt, die teilweise von musizierenden Grup-Yorum-Mitgliedern begleitet wurden. Gleichzeitig wurde für den Auftritt der Band geworben und zur Teilnahme am Konzert aufgerufen. Beim Konzert selbst hatten die Veranstalter festgelegte Auflagen einzuhalten. Unter anderem durften bestimmte Lieder nicht gespielt und eindeutig der DHKP-C zuzurechnende Symbole nicht verwendet werden. Allerdings kam es zu mehreren Auflagenverstößen. So "integrierte" das Musikerkollektiv ein verbotenes Lied in ein anderes Lied und zeigte typische DHKP-C-Symbole mittels Armbändern. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 215 EXTREMISMUS MIT AUSLANDSBEZUG entSteHung/geScHIcHte die dHkP-c wurde 1994 als nachfolgeorganisation der seit 1983 in deutschland verbotenen dev Sol gegründet. auf der grundlage des Marxismus-Leninismus spricht sich die dHkP-c nach wie vor für einen revolutionären umsturz der bestehenden Staatsund gesellschaftsordnung in der türkei aus und strebt die errichtung einer sozialistischen gesellschaft an. In deutschland unterliegt die dHkP-c seit 1998 einem organisationsverbot. AUF EINEN BLICK * abspaltung von der dev Sol * grup yorum als integraler Bestandteil der dHkP-c abspaltung von der dev Sol | Die 1978 gegründete Dev Sol war eine politisch-militärische Organisation, die seit diesem Zeitpunkt in der Türkei Terroranschläge verübte. Anfang der 1990er Jahre kam es zu internen Streitigkeiten, die zu einer Spaltung der Organisation - trotz weiterhin gleicher ideologischer Grundlagen und politischer Ziele - führten. Auf einem Kongress im März 1994 spaltete sich einer der beiden Flügel auch formal von der Dev Sol ab und nennt sich seitdem DHKP-C. 1998 wurde die DHKP-C als Ersatzorganisation der bereits 1983 in Deutschland verbotenen Dev Sol eingestuft und in das damalige Verbot einbezogen. Nach einer Klage ist diese Entscheidung seit Februar 2000 bestandskräftig. In Deutschland und Europa agiert die DHKP-C seit 1999 gewaltfrei. grup yorum als integraler Bestandteil der dHkP-c | Von der EU ist die DHKP-C seit 2002 als terroristische Organisation eingestuft. Ähnlich wie Yürüyüs, das vom Verbot seit 2015 mit umfasste Publikationsorgan der DHKP-C, wird das Musikerkollektiv Grup Yorum von deutschen Behörden als integraler Bestandteil der Organisation bewertet. Allerdings wurden Auftritte im kulturellen Zusammenhang und ohne eindeutigen DHKP-C-Bezug gerichtlich in den letzten Jahren immer wieder durchgesetzt. Grup Yorum wurde 1985 in der Türkei gegründet. Die Band vermischt folkloristische Musik mit politischen Texten, die sie in türkisch, kurdisch, aber auch speziellen Dialekten singt. Sie hat im türkischen Spektrum viele Fans, und ihre Auftritte waren in der Türkei Großereignisse. Allerdings hat Grup Yorum in der Türkei mittlerweile ein Auftrittsverbot. Einzelne Mitglieder wurden dort festgenommen und vor Gericht gestellt. Alben der Band wurden in der Türkei verboten. 216 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 EXTREMISMUS MIT AUSLANDSBEZUG Grup Yorum gibt auch Konzerte in Europa, unter anderem in Deutschland. Allerdings besteht gegen einzelne Mitglieder des Kollektivs ein Einreiseverbot, weswegen sie bei Auftritten durch andere Personen ersetzt werden. Die Auftritte des Musikerkollektivs stehen in der Regel unter einem Motto (zum Beispiel "Herz und Stimmen gegen den Rassismus"). In der Regel wird für Konzerte von Grup Yorum eigens geworben und es wird selbst bei Auftritten im Rahmen eines Festivals mit Auftritten mehrerer Bands ein Eintrittsgeld für das Musikerkollektiv erhoben. Außerdem werden die Auftritte grundsätzlich mit politischen Reden insbesondere von DHKP-C-Funktionären oder Ansprachen befreundeter politischer Organisationen verbunden. IdeoLogIe/ZIeLe die dHkP-c ist marxistisch-leninistisch ausgerichtet und strebt die Schaffung einer revolutionären Situation an, mit deren Hilfe die bestehende Staatsund gesellschaftsordnung in der türkei überwunden werden soll. gemäß ihrer linksextremistischen politischen orientierung will die organisation in der türkei eine sozialistische gesellschaft errichten. AUF EINEN BLICK * "Bewaffneter kampf" gegen die "faschistische" türkei * agitation zugunsten "politischer gefangener" "Bewaffneter kampf" gegen die "faschistische" türkei | Von Beginn an sah die DHKP-C den "bewaffneten Kampf" als unersetzliches Mittel für die Schaffung einer revolutionären Situation sowie für den Kampf gegen die "faschistische" Türkei an und versuchte dies entsprechend umzusetzen. Dabei gehen die Verantwortlichen der Terrororganisation davon aus, dass durch den Einsatz von Guerillakräften ihr "Krieg" gegen die Türkei zur Sache des Volks und damit erfolgreich umsetzbar würde. agitation zugunsten "politischer gefangener" | In Deutschland tritt die DHKP-C grundsätzlich gewaltfrei und wenig öffentlichkeitswirksam auf. Neben dem Sammeln von "Spenden" und der Umsetzung ihrer Ziele agitiert die DHKP-C vor allem für die Freilassung der von ihr als "politische Gefangene" bezeichneten Mitglieder, wie zum Beispiel den 2016 festgenommenen und vom Hanseatischen OLG in Hamburg im Februar 2019 verurteilten ehemaligen Europaleiter der Organisation. Aber auch Solidaritätsaktionen und Hungerstreiks für in der Türkei inhaftierte Personen stehen mittlerweile regelmäßig im Aktionsspektrum der DHKP-C. Zugleich versucht die Organisation, sich die Unterstützung auch deutscher marxistisch-leninistisch ausgerichteter Gruppierungen und Personen zu sichern. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 217 EXTREMISMUS MIT AUSLANDSBEZUG BeweRtung/auSBLIck Deutschland ist innerhalb der EU ein wichtiger finanzieller und logistischer Rückzugsraum der DHKP-C. Dabei ist besonders auffällig, dass es ihr trotz des Verbots immer wieder gelingt, finanzielle Ressourcen aufzubauen, die der Organisation in der Türkei zur Verfügung gestellt werden. Neben jährlichen "Spenden"-Kampagnen spielen insbesondere der illegale Verkauf der verbotenen Zeitschrift Yürüyüs und in der Regel kostenpflichtige Auftritte des der DHKP-C zuzurechnenden Musikerkollektivs Grup Yorum eine besondere Rolle. Insofern sehen hessische Behörden eine besondere Aufgabe darin, solche Konzerte und Festveranstaltungen durch Auflagen massiv einzudämmen oder ganz zu verhindern. Unabhängig davon agiert die DHKP-C bei internen Veranstaltungen für ihre Anhänger auch weiterhin politisch-propagandistisch. Außerdem bemüht sie sich weiterhin um eine solidarische Unterstützung durch oder gar Zusammenarbeit mit marxistisch-leninistischen Strukturen in Deutschland. 218 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 EXTREMISMUS MIT AUSLANDSBEZUG eXtReMIStIScHe StRafund gewaLttaten MIt auSLandSBeZug Die im Jahr 2017 erhöhte Zahl der Strafund Gewalttaten resultierte vor allem aus der deutlich gestiegenen Anzahl der Propagandadelikte, die sich als Reaktion hiesiger Extremisten auf Entwicklungen in der Türkei bzw. auf in Hessen ansässige politische Gegner mit Türkeibezug erklären ließ. Auch im Berichtsjahr bewegten sich nunmehr Brandstiftungen und Widerstandsdelikte in diesem Zusammenhang, wobei sich die Gesamtzahl der Strafund Gewalttaten dem Niveau des Berichtsjahrs 2016 annäherte. (Siehe im Glossar unter dem Stichwort Politisch motivierte Kriminalität zur Erfassung politisch motivierter Strafund Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund.) | 2018 2017 2016 2015 2014 Deliktart Tötung Versuchte Tötung Körperverletzung 5 1 6 6 2 Brandstiftung/Sprengstoffdelikte 3 3 Landfriedensbruch 1 1 1 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs-, Luftund Straßenverkehr Freiheitsberaubung, Raub, Erpressung, 3 1 Widerstandsdelikte Gewalttaten insgesamt 12 1 10 8 2 Sonstige Straftaten Sachbeschädigung 25 8 13 17 3 Nötigung/Bedrohung 2 2 Andere Straftaten (insbesondere 47 107 48 34 36 Propagandadelikte) Strafund Gewalttaten insgesamt 84 118 71 61 41 Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 219 EXTREMISMUS MIT AUSLANDSBEZUG 220 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ORGANISIERTE KRIMINALITÄT ORGANISIERTE KRIMINALITÄT organisierte kriminalität (ok) ist ein komplexes kriminalitätsphänomen. Seine wesentlichen Merkmale sind in SS 2 abs. 2 nr. 5 HVSg definiert und dienen somit dem LfV als Rechtsgrundlage für die Beobachtung der ok. AUF EINEN BLICK * Planmäßiges Begehen von Straftaten * Missbrauch der freiheitlichen demokratischen grundordnung * weitgehende konspirativität * Schaden in Milliardenhöhe * Strukturaufklärung im Vorfeld konkreter Straftaten * Maßnahmen des LfV - Bereitstellen von erkenntnissen * Rockerkriminalität * Russische und italienische ok Planmäßiges Begehen von Straftaten | Die OK wird demnach beschrieben als die von Gewinnund Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung für die Rechtsordnung sind, durch mehr als zwei Beteiligte, die auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig tätig werden * unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen oder * unter Anwendung von Gewalt oder durch entsprechende Drohungen oder * unter Einflussnahme auf Politik, Verwaltung, Justiz, Medien oder Wirtschaft. Missbrauch der freiheitlichen demokratischen grundordnung | Akteure der OK - Täter, Hintermänner und Nutznießer - missbrauchen die freiheitliche demokratische Grundordnung, um ihre auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Interessen mit dem Begehen von Straftaten, dem Einsatz von Gewalt oder der Einflussnahme auf Institutionen durchzusetzen. Illegal erwirtschaftete Gelder werden oftmals im Rahmen legaler Wirtschaftstätigkeit gewaschen und in legale und illegale Unternehmungen reinvestiert. weitgehende konspirativität | OK-Gruppen passen ihre Aktionsfelder kriminellen "Markterfordernissen" an und reagieren flexibel auf deren Veränderungen. Die OK ist generell darauf ausgelegt, nicht erkannt zu werden. Da sie weitgehend konspirativ agiert, ist es schwer, sie als solche zu erkennen. Schaden in Milliardenhöhe | Erfahrungswerte zeigen, dass die OK in jedem Jahr in Deutschland seit Jahren einen Schaden in dreistelliger 222 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ORGANISIERTE KRIMINALITÄT Millionenhöhe verursacht. Unter Einrechnung einer erheblichen Dunkelziffer kann sogar von einem Schaden in Milliardenhöhe ausgegangen werden. Strukturaufklärung im Vorfeld konkreter Straftaten | Seinem Auftrag entsprechend agiert der Verfassungsschutz bei der Beobachtung und Aufklärung der OK im Vorfeld konkreter Straftaten. Ziel ist die Erkenntnisgewinnung in Bezug auf personelle, logistische, organisatorische, finanzielle und deliktische Strukturen. Neben dem frühzeitigen Ansatz der Erkenntnisgewinnung bietet die Beobachtung durch Nachrichtendienste den Vorteil einer langfristigen und nicht auf einzelne Strafverfahren bezogenen Beobachtung. Die Strukturaufklärung des Verfassungsschutzes ist dabei nicht auf die Bearbeitung einzelner Delikte ausgerichtet, sondern analysiert die kriminellen Strukturen in einem ganzheitlichen Zusammenhang. Daraus können in der Folge auch Erkenntnisse für Strafverfolgungsbehörden resultieren. Maßnahmen des LfV - Bereitstellen von erkenntnissen | Die vom LfV überwiegend mit nachrichtendienstlichen Mitteln und im Rahmen der Zusammenarbeit mit anderen Verfassungsschutzbehörden und ausländischen Nachrichtendiensten gesammelten Erkenntnisse werden den einzelnen Bedarfsträgern gezielt und in geeigneter Form zur Verfügung gestellt. Dadurch unterstützt das LfV in seiner Funktion als "Frühwarnsystem" das Handeln von Politik, Polizei, weiteren staatlichen Einrichtungen und anderen öffentlichen Stellen. Diese Erkenntnisse eignen sich selten für eine öffentliche Darstellung. Besonders wachsam werden weiterhin Versuche von OK-Gruppen beobachtet, die möglicherweise darauf ausgerichtet sein könnten, Einfluss auf Politik, Verwaltung, Justiz, Medien und Wirtschaft zu erlangen. Rockerkriminalität | Der Rockerkriminalität sind jene Straftaten zuzurechnen, die einzelne oder mehrere Angehörige einer Rockergruppe begehen, wenn deren Tatmotivation in direktem Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe und der Solidarität zu ihr zu sehen ist. Mit dem Begriff Outlaw Motorcycle Gang (OMCG) werden diejenigen Rockergruppierungen bezeichnet, deren hauptsächliches Ziel es ist, organisierte Straftaten zu begehen. Im Bereich der kriminellen Rockergruppierungen OMCG in Hessen dauerte die Aufklärung des Tötungsdelikts vom Oktober 2016 zum Nachteil des Gießener Präsidenten des Hells Angels MC, Aygün Mucuk, an. Auch sogenannte Boxclubs - wie etwa die ehemaligen Osmanen BC - waren dem Phänomenbereich OK zuzuordnen. Solche GruppierunHessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 223 ORGANISIERTE KRIMINALITÄT gen ähneln zwar optisch und in ihren hierarchischen Strukturen den OMCG, sie grenzen sich jedoch von diesen ab und verstehen sich vielmehr als Streetgang. Motorräder spielen innerhalb der "Boxclubs" keine Rolle. Im Berichtsjahr fiel der Fokus bei der Beobachtung der Rockerkriminalität vor allem auf den Osmanen Frankfurt BC, da der Osmanen Germania BC, nachdem er einschließlich seiner Teilorganisationen durch den Bundesinnenminister am 19. Juni verboten worden war, seine Aktivitäten nahezu einstellte. Der Osmanen Frankfurt BC war von dem Verbot nicht betroffen, da er sich 2016 von den Osmanen Germania BC wegen interner Streitigkeiten abgespaltet hatte. Russische und italienische ok | Bei der russischen und italienischen OK handelt es sich um ethnisch geprägte kriminelle Gruppierungen, die international vernetzt sind und nach wie vor Bezüge zu ihren Herkunftsregionen haben. Das LfV beobachtete Aktivitäten von Gruppen und in diesen Strukturen agierende Einzelpersonen zum Beispiel aus Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Von besonderem Interesse waren deren Verbindungen in das Rhein-Main-Gebiet. Die Protagonisten sowohl der russischen als auch der italienischen OK verschleierten ihre Aktivitäten und handelten äußerst konspirativ. Auffällig im Bereich der italienischen OK waren Verbindungen der in Kalabrien - im südlichen Festland Italiens - beheimateten 'Ndrangheta im Rhein-Main-Gebiet, die mit besonderem Augenmerk durch das LfV bearbeitet werden. Neben den klassischen Deliktsbereichen Eigentumskriminalität, Drogenhandel, Schmuggel und illegaler Waffenhandel spielte die Geldwäsche eine hervorgehobene Rolle. Hohe Geldsummen, deren meist ausländische Herkunft kaum nachvollziehbar war, dienten zum Beispiel dem Erwerb von hochwertigen Immobilien oder Kunstgegenständen und wurden so zu legalen Vermögenswerten. Die italienische OK reinvestierte dazu ihre illegal aus dem Drogenhandel erwirtschafteten Gelder häufig in Gastronomie-/Hotelbetriebe der gehobenen Klasse und in legale Immobiliengeschäfte und nutzte auf diese Weise Deutschland als Ruheund Rückzugsraum. Aufgrund umfangreicher Ermittlungen deutscher und italienischer Sicherheitsbehörden wurden in Nordhessen im Berichtsjahr fünf Personen festgenommen, die mutmaßlich der 'Ndrangheta angehören. 224 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 SPIONAGEABWEHR SPIONAGEABWEHR das LfV geht aufgrund seines gesetzlichen auftrags jedem Spionageanfangsverdacht nach, stellt sich auf gesellschaftlichen, politischen und technischen wandel ein und trägt diesem in seiner arbeit Rechnung. diese arbeit wird mit einem "Rundumblick" durchgeführt: die Verfassungsschutzbehörden überprüfen alle Hinweise auf gegen deutsche Interessen gerichtete nachrichtendienstliche aktivitäten, unabhängig von welchem Staat sie ausgehen. AUF EINEN BLICK * Beobachtungsschwerpunkte * Ziele und arbeitsweisen ausländischer nachrichtendienste * cyberabwehr * flüchtlinge im Visier ausländischer nachrichtendienste * nachrichtenund Sicherheitsdienste der Volksrepublik china * nachrichtenund Sicherheitsdienste der Russischen föderation * nachrichtendienst der türkei * Proliferation * gastwissenschaftler Beobachtungsschwerpunkte | Zum Bereich der Spionageabwehr zählen folgende Beobachtungsschwerpunkte: * Geheimdienstliche Agententätigkeit/Oppositionellenausspähung gemäß SS 99 StGB, * Proliferation, * Cyberabwehr, * Einflussnahme fremder Staaten auf die Meinungsbildung und die Politik mittels Desinformation, Propaganda, hybrider Kriegsführung, * Staatsterrorismus. Ziele und arbeitsweisen ausländischer nachrichtendienste | Nach wie vor wurden Mitglieder der Gruppe der 20 wichtigsten Industrieund Schwellenländer Opfer nachrichtendienstlicher Angriffe. Die von den G20-Staaten getroffenen Entscheidungen in Bezug auf internationale Finanz-, Wirtschaftsund Energiefragen standen im Fokus des Interesses ausländischer Nachrichtendienste. Weiteres Ziel ist langfristig auch die EU als militärischer Faktor in der NATO mit Deutschland als stabilem Partner der großen Industrieund Wirtschaftsnationen. Unverändert standen neue militärische Forschungserkenntnisse sowie zukunftsorientierte Technologien im Zentrum von Spionageaktivitäten. Ausländische Nachrichtendienste spähten fortgesetzt in Deutschland ansässige Organisationen und Volksgruppen aus, die im Herkunftsland als Oppositionelle politisch verfolgt oder beobachtet wurden. 226 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 SPIONAGEABWEHR Die entsprechenden Staaten nutzten für nachrichtendienstliche Operationen in Deutschland neben amtlichen Einrichtungen (zum Beispiel Botschaften, Generalkonsulate) halbamtliche Vertretungen ihrer Länder (so etwa Presseagenturen, Fluggesellschaften). Ausländische Nachrichtendienste waren in unterschiedlicher Stärke in den jeweiligen Einrichtungen ihrer Staaten in Deutschland präsent. Auch in Hessen wurden diese als Legalresidenturen bezeichneten Stützpunkte ausländischer Nachrichtendienste unterhalten. Getarnt agierten sie aus den offiziellen Einrichtungen heraus und nutzten den Schutz des diplomatischen Status oder traten als halboffizielle Vertreter von Presseorganen, Fluggesellschaften oder Firmen mit staatlicher Beteiligung der Herkunftsländer auf. Dies geschah unter Ausnutzen zum Beispiel der Pressefreiheit oder in Firmen im Rahmen wirtschaftlicher Gepflogenheiten. Für den Bankenund Wirtschaftsstandort Frankfurt am Main als Metropole der Rhein-Main-Region galt dies in erster Linie für dort ansässige Generalkonsulate. cyberabwehr | In den Bereich der Cyberabwehr fallen nicht nur die Beobachtung staatlich initiierter Cyberangriffe mit dem Ziel der Informationsbeschaffung, sondern auch Cyberangriffe, die auf das Schädigen bzw. die Sabotage dieser Systeme zielen. In ihrer extremsten Ausprägung enthält diese Vorgehensweise, die oft als hybride Kriegsführung bezeichnet wird, den Einsatz von klassischer Cyberspionage über Sabotage, Desinformation in Form bewusst lancierter Falschmeldungen, über die gezielte, überhöhte Weiterverbreitung von Positionen, die den eigenen Narrativen entsprechen sowie klassische Propaganda und Informationspolitik bis hin zum Einsatz von militärischen Mitteln in der eigenen Einflusssphäre. Schwerpunktmäßig wurden im Berichtszeitraum Cyberaktivitäten mit russischem Hintergrund beobachtet, das heißt vor allem Angriffe auf Infrastrukturbetreiber und die Energiebranche. Im Berichtszeitraum ging beim Verfassungsschutz eine Vielzahl von Hinweisen auf Verdachtsfälle hinsichtlich möglicher Wirtschaftsund Wissenschaftsspionage gegen hessische Unternehmen und Institutionen ein. Das LfV prüfte diese Hinweise in Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern und half den Betroffenen bei der Abwehr weiterer Angriffe. Häufig waren Forschungseinrichtungen und forschungsintensive Branchen betroffen. Insbesondere iranische und chinesische Cyberaktivitäten ließen auf ein andauerndes Interesse an wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Zielen schließen. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 227 SPIONAGEABWEHR flüchtlinge im Visier ausländischer nachrichtendienste | Der überwiegende Teil der im Berichtsjahr in die Bundesrepublik eingereisten Flüchtlinge stammte aus Ländern, in denen staatliche Strukturen nur noch begrenzt vorhanden waren, wie etwa Syrien und Irak, aber auch Algerien und Marokko. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Nachrichtendienste dieser Länder nach wie vor existent sind. Daher gilt für die in Deutschland ankommenden Flüchtlinge: Wer sich im Heimatland gegen das Regime engagierte, gerät eventuell auch in Deutschland in das Visier fremder Nachrichtendienste. Flüchtlinge und deren Familien in der Heimat können ausgespäht werden, gegebenenfalls versuchen fremde Nachrichtendienste, sie als menschliche Quelle zu gewinnen. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass ausländische Nachrichtendienste daran interessiert sind, Informationen über bestimmte Flüchtlingsgruppen und das Agieren der in den Herkunftsländern verbliebenen Opposition zu erhalten. nachrichtenund Sicherheitsdienste der Volksrepublik china | Das von der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) autoritär regierte Land hat sich - auch unter Einsatz seiner Nachrichtendienste - als wirtschaftliche und militärische Großmacht etabliert. Beobachtung und Kontrolle der Oppositionsbewegungen im Ausland blieben ein wichtiger Schwerpunkt seiner Dienste. Auch in Deutschland betrieben sie die Ausspähung der in China als "Fünf Gifte" bezeichneten Bewegungen: * Mitglieder der regimekritischen Meditationsbewegung Falun Gong, * Organisationen von Angehörigen der muslimischen Uiguren, * Organisationen von Unterstützern eines autonomen Tibets, * Organisationen von Anhängern der Demokratiebewegung, * Organisationen von Befürwortern der Eigenstaatlichkeit Taiwans. Um politische, wirtschaftliche und militärische Informationsbeschaffung der chinesischen Dienste bei Auslandsbesuchen in China abzuwehren, sollten Besucher auf elektronische Angriffe achten. Ferner beabsichtigt China, das freie Internet im Land bzw. die VirtualPrivate-Network-Zugänge (VPN) in Gänze einzustellen. Private Nutzer haben bereits seit einiger Zeit erschwerten Zugriff zum freien Internet. Deutliche Erleichterungen waren lediglich eingeschränkten Nutzern - wie etwa Firmen - vorbehalten, die global vernetzt sind und auf diese Weise mit anderen Firmenstandorten kommunizieren. Im Berichtsjahr wurde die Nutzung von VPN-Technik weiter eingeschränkt. China versuchte darüber hinaus, Perspektiventscheidungen der G20Staaten in der Wirtschafts-, Energieund Finanzpolitik frühzeitig in 228 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 SPIONAGEABWEHR Erfahrung zu bringen, um entsprechende eigene Strategien anzupassen. nachrichtenund Sicherheitsdienste der Russischen föderation | Politische Einrichtungen der Exekutive und der Legislative in der EU waren nach wie vor von zentralem Interesse für die beiden russischen Auslandsnachrichtendienste: * Der Slushba Wneschnej Raswedki (SWR) ist für zivile Objekte und Themen (speziell für Politik, Wirtschaft und Wissenschaft/Technologien) zuständig. * Die Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije (GRU, Hauptverwaltung beim Generalstab der Streitkräfte der Russischen Föderation) interessiert sich für das gesamte militärische Spektrum, insbesondere für neue Technologien in der Entwicklung und im Einsatz. Die Aktivitäten des russischen Inlandsnachrichtendiensts Federalnaja Slushba Besopasnosti (FSB, Föderaler Dienst für Sicherheit der Russischen Föderation) sind anhaltend intensiv. Vor allem die Reisen von Ausländern nach Russland ließen eine risikolose Ansprache auf eigenem Territorium zu. Dem FSB sind alle Grenztruppen angeschlossen, sodass bereits bei der Einreise "Vorabkontrollen" möglich waren. nachrichtendienst der türkei | Der Nachrichtendienst Milli Istihbarat Teskilati (MIT, Nationale Nachrichtendienstorganisation) ist der mit Exekutivbefugnissen ausgestattete Inund Auslandsnachrichtendienst der Türkei. Die Kernaufgabe des Dienstes ist die Ausspähung von Oppositionellen. Darüber hinaus versucht der MIT, Einfluss auf die Meinungsbildung in Deutschland zu nehmen. Eine wichtige Vorfeldorganisation für die Einflussnahme auf politischer und gesellschaftlicher Ebene im Sinne der Adalet ve Kalkinma Partisi (AKP, Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung) ist die türkische Diasporaorganisation Union Internationale Demokraten (UID). Sie ist mit einigen Verbänden in Hessen organisiert und vertritt die Interessen der türkischen Regierung in Deutschland und Europa. Sie ist die inoffizielle Auslandsorganisation der türkischen Regierungspartei AKP. Proliferation | Im sicherheitspolitischen Zusammenhang bezeichnet der Begriff "Proliferation" die Weiterverbreitung bzw. Weitergabe von Massenvernichtungswaffen sowie den Erwerb passender Trägersysteme und entsprechender Technologien an Staaten, die bislang nicht über solche Waffen verfügen. Neben dem Import kompletter Waffensysteme umfasst Proliferation die illegale Beschaffung von KomHessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 229 SPIONAGEABWEHR ponenten, relevanten Technologien und Herstellungsverfahren sowie die Abwerbung wissenschaftlich-technischen Personals. Vor diesem Hintergrund waren im Berichtszeitraum Massenvernichtungswaffen weiterhin ein machtpolitisches Instrument, das sowohl in regionalen als auch in internationalen Krisensituationen die Stabilität eines gesamten Staatengefüges erschüttern konnte. Insbesondere Staaten wie Iran, Nordkorea, Pakistan und Syrien versuchten im Rahmen der Proliferation solche Waffen zu erwerben und weiterzuverbreiten, indem sie etwa die Transportwege über Drittstaaten verschleierten. Ziel solcher nachrichtendienstlichen Maßnahmen war es, Kontrollmechanismen in Staaten, die nicht besonderen EmbargoVorschriften unterliegen, zu umgehen. Bezüglich der im Iran sowie in Nordkorea, Pakistan und Syrien tätigen Firmen sind folgende Aspekte, Hinweise und Anhaltspunkte, die eventuell auf proliferationsrelevante Aktivitäten hinweisen, zu berücksichtigen: * Der tatsächliche Verbleib der Güter ist unklar und kann nicht plausibel erklärt werden. * Der Kunde kann nicht erklären, wofür das Produkt gebraucht wird. * Der beabsichtigte Verwendungszweck weicht erheblich von der vom Hersteller vorgegebenen Produktbestimmung ab. * Der Kunde handelt üblicherweise mit militärischen Gütern. * Die Person, die als Käufer auftritt, verfügt nicht über das erforderliche Fachwissen. * Die tatsächliche Identität eines Neukunden ist nicht bekannt. * Es werden ohne erkennbaren Grund Zwischenhändler eingeschaltet, gegebenenfalls auch im Ausland (sogenannte Umweglieferung). * Der Kunde wünscht eine außergewöhnliche Etikettierung oder Kennzeichnung bzw. Beschriftung, um die Güter neutral zu bezeichnen. * Angebotene Zahlungsbedingungen sind besonders vorteilhaft, wie zum Beispiel Barzahlung, hohe Vorauszahlungen oder ungewöhnliche Provisionen. * Der Käufer verzichtet auf das Einweisen in die Handhabung, auf Serviceleistungen oder auf Garantie. * Firmenangehörige werden zu Ausbildungszwecken zu der Herstellerfirma nach Deutschland geschickt, obwohl eine Einweisung vor Ort praktischer und sinnvoller wäre. * Mitglieder von Besucherdelegationen werden namentlich nicht vorgestellt. * Zu weiteren Geschäftskontakten nach Deutschland wird geschwiegen. 230 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 SPIONAGEABWEHR * Neutrale Handelsfirmen täuschen den Verkäufer über den tatsächlichen Kauf durch staatlich gesteuerte Unternehmen. * Hochschulen des jeweiligen Landes treten als Empfänger auf, um die Identität des Endverbrauchers zu verschleiern. Es ist daher für Unternehmen, die möglicherweise proliferationsrelevante Waren ausführen, immer empfehlenswert, sich zu Detailfragen bei eventuell genehmigungspflichtigen Sachverhalten unmittelbar mit dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Verbindung zu setzen. gastwissenschaftler | Auch das Thema "Gastwissenschaftler" steht im Zusammenhang mit Proliferationssachverhalten. Der wissenschaftliche Austausch von Studierenden und ausgebildeten Fachkräften zwischen Universitäten und Forschungseinrichtungen ist zwar politisch und wirtschaftlich gewollt und sinnvoll, dennoch geschieht dies oft mit Kenntnis der jeweiligen ausländischen Nachrichtendienste. Relevante Staaten mit solchen illegalen Beschaffungsmethoden sind insbesondere Iran, Nordkorea und Pakistan. Beispiel hierfür ist der Bereich Elektrotechnik im Verbund mit dem Einsatz von Zentrifugen im Prozess der Urananreicherung. Hier gibt es immer wieder Verdachtsmomente, dass ausländische Nachrichtendienste eigene Gastwissenschaftler unter Druck setzen, um das gewünschte technische Know-how zu erlangen. Ein weiteres Beispiel für nachrichtendienstliche Steuerung ist der Forschungsaustausch von Universitätsinstituten in dem Sektor chemisch-biologische Verfahren. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 231 SPIONAGEABWEHR 232 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 GEHEIMUND WIRTSCHAFTSSCHUTZ GEHEIMUND WIRTSCHAFTSSCHUTZ aufgaBen/ZIeLe das arbeitsfeld des LfV umfasst nicht nur die Beobachtung extremistischer Bestrebungen, sondern erstreckt sich auch auf den sogenannten geheimund wirtschaftsschutz. In den Bereich geheimschutz fällt insbesondere die Mitwirkung des Verfassungsschutzes im Rahmen von Sicherheitsüberprüfungen nach dem Hessischen Sicherheitsüberprüfungsgesetz (HSÜg). So unterstützt das LfV Behörden und unternehmen, die mit staatlichen Verschlusssachen umgehen müssen, bei der Bewältigung dieser Sicherheitsaufgaben. Ziel des wirtschaftsschutzes ist es, unternehmen in ihrem Bemühen zu unterstützen, sich vor ausspähung zu schützen. die gesammelten erfahrungen und das methodische wissen des Verfassungsschutzes bilden dabei die grundlage für eine präventive arbeit zum knowhow-Schutz in wirtschaft, wissenschaft und forschung. AUF EINEN BLICK * definition und aufgaben des geheimschutzes * Personeller geheimschutz * Materieller geheimschutz * definition und aufgaben des wirtschaftsschutzes * cyberabwehr * extremismusprävention * auslandsreisen * das LfV als ansprechpartner geHeIMScHutZ definition und aufgaben des geheimschutzes | Informationen, die als Verschlusssache eingestuft sind, bedürfen bei ihrer Bearbeitung und Aufbewahrung eines besonderen Schutzes. Dies gilt für öffentliche Stellen und die Privatwirtschaft gleichermaßen. Der Geheimschutz befasst sich mit dem ordnungsgemäßen Umgang mit Verschlusssachen, das heißt mit im staatlichen Interesse geheimzuhaltenden Informationen, die Unbefugten nicht zur Kenntnis gelangen dürfen. Entsprechende Maßnahmen richten sich nach der Verschlusssachenanweisung (VSA) des Landes Hessen. Das LfV berät alle Behörden und Unternehmen in Hessen, die Umgang mit Verschlusssachen haben. Es informiert, wie Verschlusssachen durch geeignete personelle und materielle Maßnahmen vor unberechtigtem Zugriff geschützt werden können. Staatliche Verschlusssachen werden durch eine Vielzahl von Maßnahmen perso234 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 GEHEIMUND WIRTSCHAFTSSCHUTZ neller und organisatorisch-technischer Natur geschützt (personeller und materieller Geheimschutz). Personeller geheimschutz | Zweck des personellen Geheimschutzes ist es, zu verhindern, dass mit einem Sicherheitsrisiko behaftete Personen Zugang zu Verschlusssachen erhalten oder an sicherheitsempfindlicher Stelle innerhalb von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt werden. Ein Sicherheitsrisiko besteht zum Beispiel bei: * Unzuverlässigkeit, * fehlender Verfassungstreue, * Erpressbarkeit durch Überschuldung und * bei besonderer Gefährdung durch Werbungsversuche ausländischer Nachrichtendienste, insbesondere bei Reisen in entsprechende Länder. Bevor eine Person zum Umgang mit Verschlusssachen ermächtigt wird, muss eine Sicherheitsüberprüfung durchgeführt werden. Hierbei ist das LfV mitwirkende Behörde, die auf Ersuchen der zuständigen Stelle tätig wird. Sicherheitsüberprüfungen im Rahmen des Geheimschutzes in der Wirtschaft veranlasst das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen. Im Hessischen Sicherheitsüberprüfungsgesetz (HSÜG) sind die Verfahrensabläufe für unterschiedliche Überprüfungsarten geregelt. Eine Überprüfung findet nur mit Einwilligung des Betroffenen statt. Im Rahmen der Mitwirkung an Sicherheitsüberprüfungen wurden im Berichtsjahr 496 Überprüfungen abgeschlossen. Die Mitwirkung bei Sicherheitsüberprüfungen von Beschäftigten an sicherheitsempfindlichen Stellen in lebenswichtigen oder verteidigungswichtigen Einrichtungen (Sabotageschutz) ist seit 2013 ebenfalls Aufgabe des Verfassungsschutzes. In diesem Zusammenhang wurden im Berichtsjahr zusätzlich 481 Sicherheitsüberprüfungen abgeschlossen. Materieller geheimschutz | Der materielle Geheimschutz umfasst organisatorische und technische Maßnahmen. Sie sind im Wesentlichen in der VSA zusammengefasst, die sich auch an die Unternehmen in Hessen richtet. Die VSA regelt unter anderem die Herstellung, Aufbewahrung und Vernichtung von Verschlusssachen. Das LfV hat auch hier eine mitwirkende Funktion, das heißt, es berät und unterstützt Dienststellen und geheimschutzbetreute Unternehmen, die Verschlusssachen erstellen und bearbeiten. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 235 GEHEIMUND WIRTSCHAFTSSCHUTZ wIRtScHaftSScHutZ definition und aufgaben des wirtschaftsschutzes | Der Wirtschaftsschutz als präventiver Teil der Spionageabwehr ist seit je her ein fester Bestandteil der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden. Dabei ist es das Ziel, Spionageaktivitäten zu verhindern und die Wirtschaft durch Beratung und Aufklärung vor solchen Angriffen zu schützen. Hierzu ist es notwendig, die Sensibilität von Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen gegenüber Gefahren, die durch Angriffe drohen, zu erhöhen, Kenntnisse über Methoden und Ziele ausländischer Nachrichtendienste zu vermitteln und Hilfestellung beim Einsatz geeigneter Schutzmaßnahmen zu leisten ("Prävention durch Information"). Die Erfahrungen und das methodische Wissen des Verfassungsschutzes bilden die Grundlage für die präventive Arbeit im Wirtschaftsschutz. Es liegt im staatlichen Interesse, einen Beitrag zum Know-how-Schutz in Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung zu leisten. Zur erfolgreichen Bekämpfung dieser Herausforderung ist daher eine intensive Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Verfassungsschutz nötig. Das LfV pflegt daher zu vielen Unternehmen, die in Know-how-intensiven Branchen tätig sind, einen vertrauensvollen Umgang und Informationsaustausch. Auch Unternehmen, die den kritischen Infrastrukturen (KRITIS) zuzurechnen sind, stehen im Austausch mit dem LfV, um sich vor möglichen Gefahren durch Spionage und Sabotage zu schützen. Zusätzlich gibt es etablierte Strukturen und Arbeitskreise, in denen auch die hessischen Firmen, die sich in der Geheimschutzbetreuung des Bundes oder des Landes Hessen befinden, ihre Kontakte zum Wirtschaftsschutz des LfV pflegen können. Das LfV hat in den letzten Jahren seine Aktivitäten im Wirtschaftsschutz deutlich verstärkt. In den vergangenen Jahren führte das LfV über 400 Beratungen und Vorträge bei Firmen sowie Veranstaltungen durch, wobei der thematische Schwerpunkt auf der Abwehr von Cyberangriffen mit staatlichem Hintergrund lag. Darüber hinaus war das LfV für die Firmen bei aus Sicht der Unternehmenssicherheit wichtigen Themen - wie etwa möglichen Gefahren durch Terrorismus und Extremismus - ein wichtiger Ansprechpartner. Im Bedarfsfall wurden Experten aus den Fachabteilungen des LfV hinzugezogen. 236 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 GEHEIMUND WIRTSCHAFTSSCHUTZ cyberabwehr | Etwa 250 hessische Unternehmen erhielten direkt vom LfV Sicherheitshinweise zu Cyberkampagnen. Hierin enthalten waren auch technische Indikatoren, mit denen sich die Firmen gegen diese Angriffe schützen konnten. Außerdem erhielten Multiplikatoren, wie Verbände und IT-Dienstleister, diese Hinweise für ihre Kunden. Somit erreichten die Hinweise des LfV weit über 400 Unternehmen in Hessen und darüber hinaus. Wer einen Ausspähversuch vermutet, Angriffe auf Informationsund Kommunikationstechnik feststellt oder allgemeine Fragen zum Know-how-Schutz hat, kann sich an den Wirtschaftsschutz des LfV wenden (siehe unten die Rubrik Das LfV als Ansprechpartner). extremismusprävention | Im Rahmen der Sicherheitskooperation mit der Vereinigung für die Sicherheit der Wirtschaft e. V. (VSW) werden seit 2016 zweimal jährlich Workshops zu verschiedenen Aspekten des Wirtschaftsschutzes durchgeführt. So wurde im Berichtsjahr am 19. Juni ein Workshop zu dem Thema "Unternehmensbetroffenheit salafistischer Radikalisierung & Pre Employment Screening" in den Seminarräumen des VSW in Mainz (Rheinland-Pfalz) angeboten. Der Workshop setzte sich im ersten Teil mit dem Thema "Islamismus und Radikalisierungsgründe" auseinander und zeigte auf, dass dieses Problem nicht nur eine gesellschaftliche Gefahr für den demokratischen Rechtsstaat darstellt, sondern in besonderer Weise Wirtschaftsunternehmen betreffen kann, wenn deren Mitarbeiter in extremistische Kreise geraten. Ebenso wie Unternehmen aufgrund ihrer Geschäftstätigkeit Zielscheibe islamistischer Angriffe von außen werden können, besteht die Notwendigkeit, Radikalisierungen von Mitarbeitern rechtzeitig zu erkennen und diesen mit geeigneten Maßnahmen entgegenzuwirken. Im zweiten Teil des Workshops wurde das Instrument Pre Employment Screening (PES, Recherchen vor Mitarbeitereinstellungen) vorgestellt, das in vielschichtigen und variablen Anwendungsund Ausgestaltungsmöglichkeiten den Wirtschaftsunternehmen helfen kann, die Angaben von Bewerbern in deren Lebenslauf zuverlässig zu überprüfen. Der zweite Workshop in Kooperation mit dem VSW fand am 6. November unter dem Titel "Linksextremismus - eine unveränderte Herausforderung" statt. Es wurde die These diskutiert, dass der Linksextremismus - gerade im Konflikt mit dem politischen Gegner - sich häufig selbst als vermeintlich "guten Extremismus" präsentiert bzw. als solcher wahrgenommen wird. Linksextremistische Themen werden öffentlich als möglichst anschlussfähig dargestellt, wobei Linksextremisten in Wahrheit die freiheitliche demokratische Grundordnung überwinden wollen. Bei Blockaden, Demonstrationen und Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 237 GEHEIMUND WIRTSCHAFTSSCHUTZ massiven Sachbeschädigungen nehmen Linksextremisten vor dem Hintergrund ihrer antikapitalistischen Ideologie vor allem die Wirtschaft ins Visier. Unter anderem wurden folgende Fragen diskutiert: Wie wirken linksextremistische Ideologien in die Gesellschaft? Welche Aktionsformen sind risikorelevant? Wie lassen sich linksextremistische Personen erkennen bzw. ihre Aktionen verhindern? auslandsreisen | Einen weiteren Schwerpunkt des LfV im Bereich Wirtschaftsschutz bilden die Beratung vor Auslandsreisen und FeedbackGespräche nach Auslandsreisen. Rein präventiv sind hier regelmäßig folgende Aspekte zu berücksichtigen: * Gefahren drohen nicht nur, wenn sich ein Benutzer weltweit im Internet bewegt oder entsprechende Kommunikationsmittel benutzt. Gefahren entstehen auch bei Reisen in Länder, in denen die Verhältnisse politisch instabil sind, Unruhen herrschen oder sich Krisen ausgebreitet haben. Der Aufenthalt in solchen Ländern ist stets mit einem hohen Risiko behaftet. Das persönliche Verhalten in solchen Regionen erfordert größte Vorsicht und ständige Aufmerksamkeit. * Vor allem die Konflikte in Regionen in Afghanistan und in Pakistan sowie in Syrien und im Irak, in denen Stammeszugehörigkeiten oder Glaubensgemeinschaften über gemeinsame Grenzen hinausreichen, stellen für Reisende ein besonderes Sicherheitsproblem dar. Es besteht die Gefahr von Attentaten, Überfällen, Entführungen und anderen Gewaltverbrechen. Bei Reisen in Länder wie China und Russland können Angehörige unliebsamer Minderheiten von erheblichem Interesse für die dortigen Nachrichtendienste sein. Dies trifft auch auf Reisende zu, die über besonderes Wissen in Wirtschaft, Technik und Politik verfügen. Bei Besuchen in solchen Staaten sind einige Regeln zu beachten, um im Rahmen der vor Ort notwendigen Kommunikation den unnötigen Abfluss von Daten zu verhindern bzw. zu minimieren: * Telekommunikation so weit wie möglich einschränken. * Nur eigene Kommunikationsmittel nutzen und Sprechdisziplin einhalten. Kein Kommunikationsmittel des Gastgebers zum Austausch sensibler Informationen verwenden. * Informationen auf mehrere Kommunikationsmittel sowie getrennte inhaltliche Nachrichten aufteilen (E-Mail, Telefon, persönliche Gespräche). * Bei Besprechungen Akku aus dem Handy entfernen oder zumindest ungenutzte Schnittstellen (zum Beispiel Bluetooth, Infrarot, WLAN) deaktivieren. * Laptops, Tablets, USB-Sticks, Handys, Smartphones, Navigationsgeräte oder andere elektronische Geräte nicht aus der Hand geben bzw. nicht im Hotel zurücklassen. 238 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 GEHEIMUND WIRTSCHAFTSSCHUTZ * Überwachungen im Hotel einkalkulieren. * Nur absolut notwendige Daten auf (externen) Medien speichern. * Visaund Meldebestimmungen sowie die Vorschriften bezüglich der Einund Ausfuhr von Devisen beachten. * Jede Beteiligung an illegalen Transaktionen, unter anderem den Geldtausch auf der Straße und den Kauf gefälschter Gegenstände, vermeiden. * Sonstige Einund Ausfuhrbestimmungen beachten. * Fotografierund Filmverbote befolgen. * Keine negativen Äußerungen über das Gastland und sein Gesellschaftssystem tätigen. * Bei unverschuldetem oder auch verschuldetem Fehlverhalten gegenüber Behörden sofort die nächste diplomatische oder konsularische Vertretung der Bundesrepublik Deutschland verständigen (schon vor Reisebeginn entsprechende Daten beschaffen). * Vorsicht bei Taxifahrten walten lassen und ein Fahrzeug eines öffentlichen Taxistands nehmen. * Menschenmengen und Demonstrationen meiden. das LfV als ansprechpartner | Wer einen Ausspähversuch vermutet, Angriffe auf Informationsund Kommunikationstechnik feststellt oder allgemeine Fragen zum Schutz von Know-how hat, kann sich unter folgenden Kontaktdaten an das LfV wenden: Telefonnummer: 0611-720600 E-Mail-Adresse: wirtschaftsschutz@lfv.hessen.de Zur vertraulichen Kommunikation bietet das LfV verschiedene verschlüsselte Übertragungswege an. Weitere Informationen hierzu erhalten Sie auf der Homepage des LfV unter lfv.hessen.de/presse/ anfragen-oder-beratung-zum-thema-wirtschaftsschutz oder bei einem persönlichen Kontakt, wobei das LfV auch eine vertrauliche Zusammenarbeit anbietet. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 239 GEHEIMUND WIRTSCHAFTSSCHUTZ 240 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 MITWIRKUNGSAUFGABEN DES LFV MITWIRKUNGSAUFGABEN DES LFV neben der Beobachtung der in SS 2 abs. 2 HSVg genannten Bestrebungen und tätigkeiten als kernaufgabe des Verfassungsschutzes nimmt das LfV gesetzlich geregelte Mitwirkungsaufgaben wahr. Mit seinen erkenntnissen und empfehlungen trägt das LfV dazu bei, dass etwa extremisten weder ihren aufenthalt in der Bundesrepublik deutschland verfestigen können noch Zugang zu sicherheitsempfindlichen Infrastrukturen erhalten. AUF EINEN BLICK * gesetzlicher auftrag * erteilung von aufenthaltstiteln * einbürgerung * Visumverfahren * konsultationsverfahren im asylprozess * Überprüfung der Zuverlässigkeit * Statistik gesetzlicher auftrag | Um ihren Stellenwert als integralen Bestandteil der Sicherheitsarchitektur hervorzuheben, wurden die Mitwirkungsangelegenheiten ausdrücklich in SS 20 Abs. 1 Nr. 2 HVSG aufgeführt. Dem LfV kommt dabei die wesentliche Aufgabe zu, auf Ersuchen von Behörden bei der Überprüfung von Antragstellern mitzuwirken (SS 2 Abs. 3 HVSG). Das LfV wertet im Rahmen seiner Mitwirkungsangelegenheiten die ihm vorliegenden Erkenntnisse aus (SS 4 Abs. 5 HVSG). Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel kommt dabei nicht in Betracht. erteilung von aufenthaltstiteln | Die Ausländerbehörden übermitteln vor erstmaliger Erteilung oder Verlängerung von Aufenthaltstiteln die personenbezogenen Daten der Antragsteller an das LfV, um zu prüfen, ob Versagungsgründe vorliegen (SS 73 Abs. 2 AufenthG, Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet). Werden dem LfV nachträglich sicherheitsrelevante Informationen bekannt, ist es verpflichtet, diese mitzuteilen (sogenannte Nachberichtspflicht nach SS 73 Abs. 3 AufenthG). Seit 2009 besteht in Hessen eine regelmäßig tagende Arbeitsgruppe, an der unter anderem Vertreter des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport, der Polizei und des LfV teilnehmen. Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich ausschließlich mit in Hessen lebenden Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft, die aus Sicht von Polizei und LfV dem islamistischen Spektrum zuzuordnen sind. Ziel ist eine enge behördenübergreifende Zusammenarbeit bei Einzelfällen, die eine besondere Sicherheitsrelevanz aufweisen und bei 242 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 MITWIRKUNGSAUFGABEN DES LFV denen aufenthaltsbeendende oder aufenthaltsbeschränkende Maßnahmen geboten sind. einbürgerung | Auch bei Einbürgerungsbewerbern, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, fragen die zuständigen Regierungspräsidien vor ihrer Entscheidung im Einbürgerungsverfahren beim LfV nach Erkenntnissen an (SSSS 32 u. 37 Abs. 2 StAG, Staatsangehörigkeitsgesetz). Visumverfahren | Beantragt ein Ausländer aus einem konsultationspflichtigen Staat bei einer Auslandsvertretung ein Visum zur Einreise nach Deutschland bzw. in das Gebiet der Schengener Staaten, sind eine Vielzahl inländischer Stellen, wie etwa die nationalen Sicherheitsbehörden, zu beteiligen. Zur Feststellung eventueller Versagungsgründe oder sonstiger Sicherheitsbedenken ist dabei eine Übermittlung von personenbezogenen Daten über das Bundesverwaltungsamt als technischen Dienstleister an das BfV möglich. Ergibt sich bei einem automatisierten Datenabgleich mit dem NADIS eine Eintragung des LfV, wird es an dem Verfahren beteiligt (SS 73 Abs. 1 AufenthG). konsultationsverfahren im asylprozess | Seit 2017 wird bei unerlaubt eingereisten bzw. aufhältigen Personen sowie bei Asylund Schutzsuchenden mit der Erstregistrierung im Ausländerzentralregister ein automatisierter Sicherheitsabgleich initiiert, an dem das LfV - dem Visumverfahren vergleichbar - beteiligt wird (SS 73 Abs. 1a u. 3a AufenthG). Überprüfung der Zuverlässigkeit | Das LfV wirkt bei einer Vielzahl von Zuverlässigkeitsüberprüfungen mit, so etwa nach dem * Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe (SprengG), * Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) und * Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (AtG). Werden bei der Zuverlässigkeitsüberprüfung nach dem LuftSiG bzw. AtG im Nachhinein Informationen bekannt, die für die Beurteilung der Zuverlässigkeit von Bedeutung sind, besteht für das LfV eine Nachberichtspflicht. Auch Personen, die ein Bewachungsgewerbe betreiben oder als Wachperson arbeiten wollen, unterliegen einer Zuverlässigkeitsüberprüfung (SS 34a Gewerbeordnung, GewO). Werden diese Personen bei der Bewachung von Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften sowie bei der Bewachung von zugangsgeschützten Großveranstaltungen eingesetzt, wirkt das LfV mit. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 243 MITWIRKUNGSAUFGABEN DES LFV SS 20 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. l) HVSG regelt die Übermittlungsbefugnis des LfV auch für die Fälle gesetzlich an anderer Stelle normierter Überprüfungen. Dies betrifft zum Beispiel die für den Bereich der Polizei geltenden SSSS 13a und 13b des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG). Das LfV wird nur dann in die Überprüfungen einbezogen, wenn dies im Einzelfall erforderlich ist und die betroffene Person einwilligt. So wirkt das LfV etwa bei der Überprüfung von Personen mit, die eine Tätigkeit als Bedienstete einer Behörde mit Vollzugsaufgaben anstreben oder einen unbegleiteten Zutritt zu staatlichen Einrichtungen erhalten sollen. Gleiches gilt bei Personen, für die ein privilegierter Zutritt zu einer Veranstaltung einer Behörde oder öffentlichen Stelle oder zu einer besonders gefährdeten Veranstaltung in nicht öffentlicher Trägerschaft beantragt wird. Auf Grundlage des SS 13a HSOG wirkt das LfV bei der Überprüfung von Personen mit, die im sicherheitssensiblen Bereich des Hessentags eingesetzt werden sollen. Schließlich wirkt das LfV auch bei der Zuverlässigkeitsüberprüfung von an der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge und ihren Außenstellen (HEAE) beschäftigten Dolmetschern mit (SS 20 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. h) HVSG). Statistik | 2018 wurden 176.096 Anfragen an das LfV gerichtet. Zu den anfragestärksten Mitwirkungsaufgaben zählen insbesondere die Beteiligung bei Aufenthaltstiteln, Einbürgerungen, Visa und die Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem LuftSiG. Die anfragestärksten Prüfungsbereiche werden statistisch erfasst. ANZAHL DER ANFRAGEN NACH VERFAHREN 100.000 88.987 81.548 80.000 60.000 40.000 32.551 36.587 29.926 28.269 19.689 20.521 20.000 11.301 9.171 2017 2018 0 Sonstige Einbürgerung VISA LuftSiG Aufenthalt 244 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ANHANG - aBkÜRZungSVeRZeIcHnIS - gLoSSaR - eXtReMIStIScHe oRganISatIonen und gRuPPIeRungen - RegISteR - geSetZ ZuR neuauSRIcHtung deS LfV ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS aBkÜRZungSVeRZeIcHnIS abs. aRd Absatz Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands abt. Abteilung art. Artikel afd Alternative für Deutschland atdg Antiterrordateigesetz ag Amtsgericht atg Gesetz über die friedliche Verag5 wendung der Kernenergie und antifaschistische gruppe 5 den Schutz gegen ihre GefahaHe ren Abschiebehafteinrichtung atÄdegk akP Avrupa Türkiyeli Isciler KonfeAdalet ve Kalkinma Partisi (Parderasyonu (Konföderation der tei für Gerechtigkeit und AufArbeiter der Türkei in Europa) schwung) atk ak racoons Avrupa Türk Konfederasyon Antifaschistisches Kollektiv ra(Türkische Konföderation in coons Europa) ak.069 au Antifaschistisches Kollektiv 069 Afrikanische Union aMgt auf Avrupa Milli Görüs Teskilatlari Antifa United Frankfurt (Vereinigung der neuen Weltaufenthg sicht in Europa e. V.) Gesetz über den Aufenthalt, aMISoM die Erwerbstätigkeit und die African Mission in Somalia Integration von Ausländern im anf Bundesgebiet Ajansa Nuceyan a Firate (FiratB.a.S.H. news Agency) Bündnis antifaschistischer arab. Strukturen Hessen arabisch Bafa a.R.a.g. Bundesamt für Wirtschaft und Antifaschistische Revolutionäre Ausfuhrkontrolle Aktion Gießen BaMad Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst 246 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS BaMf dHkP-c Bundesamt für Migration und Devrimci Halk Kurtulus PartisiFlüchtlinge Cephesi (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) Bc Boxclub dÄdegtÄdegB Diyanet Isleri Türk Islam Birligi BfV (Türkisch-Islamische Union der Bundesamt für VerfassungsAnstalt für Religion e. V.) schutz dkP BgB Deutsche Kommunistische Bürgerliches Gesetzbuch Partei BgBl. dMg Bundesgesetzblatt Deutsche Muslimische GeBka meinschaft e. V. Bundeskriminalamt dMS Bkag DokumentenmanagementBundeskriminalamtgesetz system Bnd dS Bundesnachrichtendienst Deutsche Stimme BPol dt. Bundespolizei deutsch BVerfSchg dVu Gesetz über die ZusammenarDeutsche Volksunion beit des Bundes und der LändwR der in Angelegenheiten des Die Wahre Religion Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfase. V. sungsschutz eingetragener Verein bzw. ecfR beziehungsweise European Coucil for Fatwa and Research (Europäischer Rat für cdk Fatwa und Forschung) KoordA(r)nasyona Civaka DemokratA(r)k a Kurdistan (Koordination eIHS der kurdisch-demokratischen European Institute of Human Gesellschaft) Sciences (Europäisches Institut für Humanwissenschaften) cdu Christlich Demokratische eIHw Union Europäisches Institut für Humanwissenschaften in dev Sol Deutschland e. V. Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 247 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS eMug getZ Europäische Moscheebau und Gemeinsames ExtremismusUnterstützungsgemeinschaft und Terrorismusabwehrzentrum engl. englisch gewo Gewerbeordnung eta Euskadi Ta Askatasuna (BasgVBl. kenland und Freiheit) Gesetzund Verordnungsblatt für das Land Hessen eu Europäische Union gg Grundgesetz eZB Europäische Zentralbank gI Generation Identitaire fau Freie Arbeiterinnenund ArgI beiter-Union Generation Islam faQ gIZ Frequently Asked Questions Gemeinsames Internetzentrum fda gmbH Föderation Deutschsprachiger Gesellschaft mit beschränkter Anarchisten Haftung ff. gRu fortfolgende Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije (Hauptverwaltung fIoe beim Generalstab der StreitFöderation Islamischer Organikräfte der Russischen Föderasationen in Europa tion) fnS gtaZ Freies Netz Gemeinsames TerrorismusabfP wehrzentrum Fazilet Partisi (Tugendpartei) gZd fSB Generalzolldirektion Federalnaja Slushba BesopasHaMaS nosti (Föderaler Dienst für SiHarakat al-Muqawama al-Islacherheit der Russischen Födemiya (Islamische Widerstandsration) bewegung) fwH Heae Freier Widerstand Hessen Hessische ErstaufnahmeeingBa richtung für Flüchtlinge und ihGeneralbundesanwaltschaft ren Außenstellen geb. geboren 248 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS HetaZ IBH Hessisches Extremismusund Identitäre Bewegung Hessen Terrorismus-Abwehrzentrum IBÖ Hke Identitäre Bewegung ÖsterHessisches Informationsund reich Kompetenzzentrum gegen ExIeSH tremismus Institut Europeen des Sciences HMdIS Humaines (Europäisches InstiHessisches Ministerium des Intut für Humanwissenschaften) nern und für Sport Igd Hng Islamische Gemeinschaft in Hilfsorganisation für nationale Deutschland e. V. politische Gefangene und deIgMg ren Angehörige e. V. Islamische Gemeinschaft MillA(r) HPg Görüs e. V. Hezen Parastina Gel (VolksverIL teidigungseinheiten) Interventionistische Linke HSk IS Heyva Sor a Kurdistane (KurdiIslamischer Staat scher Roter Halbmond) It HSog Informationstechnik Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und OrdIue nung Islamische Union Europa e. V. HSÜg Jn Hessisches SicherheitsüberJunge Nationalisten prüfungsgesetz JVa Hut Justizvollzugsanstalt Hizb ut-Tahrir (Partei der BefreiJXk ung) Jinen Xwendekar en Kurdistan HVSg (Studierende Frauen aus KurHessisches Verfassungsschutzdistan) gesetz kadek Iac Kongreya AzadA(r) A" Demokrasiya Ismail Aga Cemaati Kurdistane (Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans) IB Identitäre Bewegung kcdk-e Kongreya Civaken Demokratik IBd a Kurdistaniyen Ewrupa (KurdiIdentitäre Bewegung Deutschscher Demokratischer Gesellland schaftskongress in Europa) Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 249 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS kck MB Koma Civaken Kurdistan (GeMuslimbruderschaft meinschaft der Kommunen Mc Kurdistans) Motorclub kfz MHS Kraftfahrzeug Mietshäuser Syndikat kIa MÄdegt Koordinierte InternetauswerMilli Istihbarat Teskilati (Natiotung nale NachrichtendienstorganikongRa geL sation) Kongreya Gele Kurdistane MLPd (Volkskongress Kurdistans) Marxistisch-Leninistische Partei koReX Deutschlands Kompetenzzentrum gegen MnP Rechtsextremismus MillA(r) Nizam Partisi (Nationale kPch Ordnungspartei) Kommunistische Partei Chinas nadIS kPd Nachrichtendienstliches InforKommunistische Partei mationssystem Deutschlands nato kPL North Atlantic Treaty OrganizaKommunistische Partei Luxemtion (Organisation des Nordatburg lantikvertrags) kRItIS naV-deM Kritische Infrastrukturen Navenda Civaka DemokratA(r)k ya Kurden li Almanyaye (Demolat. kratisches Gesellschaftszenlateinisch trum der KurdInnen in LfV Deutschland e. V.) Landesamt für VerfassungsncPM schutz Neue Kommunistische Partei Lka der Niederlande Landeskriminalamt nIaS LPP Nachrichtendienstliche InforLandespolizeipräsidium mationsund Analysestelle Ltte nPd Liberation Tigers of Tamil EeNationaldemokratische Partei lam Deutschlands LuftSig nr. Luftsicherheitsgesetz Nummer 250 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS nSdaP PLo Nationalsozialistische DeutPalestine Liberation Organizasche Arbeiterpartei tion (Palästinensische Befreiungsorganisation) nSMk Nationale Sozialisten Main-KinPMk zig Politisch motivierte Kriminalität nSu PR Nationalsozialistischer UnterPublic Relations grund Pyd ok Partiya YekA(r)tiya Demokrat (ParOrganisierte Kriminalität tei der Demokratischen Union) oLg Raf Oberlandesgericht Rote Armee Fraktion oMcg ReVo Outlaw Motorcycle Gang Revolution Paaf RH PhänomenbereichsübergreiRote Hilfe e. V. fende wissenschaftliche AnalyRHd sestelle Antisemitismus und Rote Hilfe Deutschlands Fremdenfeindlichkeit RHS PCdk Rheinland-Pfalz/Hessen/SaarPartiya Careseriya Demokratik land [= Landesverband der a Kurdistane (Partei für eine MLPD] politische Lösung in Kurdistan) RI PeS Realität Islam PreEmployment Screening (Recherchen vor MitarbeitereinRIg stellungen) Rat der Imame und Gelehrten e. V. PIaS Polizeiliche Informationsund s. Analysestelle siehe PJak SaV Partiya Jiyana Azad a KurdisSozialistische Alternative tane (Partei für ein freies Leben SdaJ in Kurdistan) Sozialistische Deutsche ArbeiPkk terjugend Partiya Karkeren Kurdistan (ArSdf beiterpartei Kurdistans) Syrian Democratic Forces (DePkV mokratische Kräfte Syriens) Parlamentarische Kontrollkommission Verfassungsschutz Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 251 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS Soko ug Sonderkommission ...ums Ganze! SP uId Saadet Partisi (Partei der GlückUnion Internationale Demokraseligkeit) ten SPd un Sozialdemokratische Partei United Nations (Vereinte NatioDeutschlands nen) Sprengg uSa Gesetz über explosionsgefährUnited States of America (Verliche Stoffe einigte Staaten von Amerika) SRP uSBV Sozialistische Reichspartei unkonventionelle Sprengund Stag uz Staatsangehörigkeitsgesetz unsere zeit StgB v. chr. Strafgesetzbuch vor Christus SwR Vg Slushba Wneschnej Raswedki Verwaltungsgericht (Dienst der Außenaufklärung vgl. der Russischen Föderation) vergleiche tak VPn Teyrebazen Azadiya Kurdistan Violence Prevention Network (Freiheitsfalken Kurdistans) VPn tcS Virtual-Private-Network-ZuTevgera Ciwanen Soresger (Begänge wegung der revolutionären Jugend) vs. versus (lat., das heißt dt. getH gen) Türkische Hizbullah VS tkP/ML Verschlusssache Türkiye Komünist Partisi/Marksist Leninist (Türkische KommuVSa nistische Partei/Marxisten-LeniVerschlusssachenanweisung nisten) VSw türk. Vereinigung für die Sicherheit türkisch der Wirtschaft e. V. ucc Uniform Commercial Code 252 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS VVn-Bda Verein der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e. V. yÖP Yeni Özgür Politika (Neue Freie Politik) yPg Yekineyen Parastina Gel (Volksverteidigungseinheiten) yPJ Yekineyen Parastina Jin (Frauenverteidigungseinheiten) yXk Yekitiya Xwendekaren Kurdistan (Verband der Studierenden aus Kurdistan) ZIt Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 253 GLOSSAR anarchismus Im Gegensatz zu anderen linksextremistischen Richtungen fehlt es dem Anarchismus an verbindlichen Theorien und gemeinsamen Organisationsstrukturen. Anarchismus ist vielmehr eine Sammelbezeichnung für politische Auffassungen und Bestrebungen, die auf die Abschaffung jeglicher Herrschaft von Menschen über Menschen abzielen. Das Feindbild aller anarchistischen Strömungen ist der Staat. Die Institution des Staats gilt im anarchistischen Selbstverständnis als repressive Zwangsinstanz, die zugunsten einer herrschaftsfreien Gesellschaft aufgelöst oder zerschlagen werden muss. Dabei differenzieren Anarchisten nicht zwischen demokratisch und diktatorisch organisierten Staaten. Nach anarchistischer Vorstellung soll sich die Gesellschaft auf der Basis völliger Freiwilligkeit selber organisieren. Häufig schließt eine solche Auffassung einen grundsätzlichen Antiinstitutionalismus mit ein. So gelten auch Parlamente, Parteien, Kirchen und Vereine als Einrichtungen, die einer freiwilligen Assoziation von emanzipierten und mündigen Menschen entgegenstehen. Im Mittelpunkt stehen Freiheit, Freizeit, Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung. Die Ablehnung von Hierarchie und Unterordnung führt zu einer generellen Skepsis gegenüber politischen Organisationsformen. Anarchisten bilden deshalb zumeist nur lose strukturierte Gruppierungen. Gegenwärtig bestehen nur wenige Kleinorganisationen, die sich dezidiert dem Anarchismus verschrieben haben wie zum Beispiel die Freie Arbeiterinnenund Arbeiter-Union (FAU). Daneben sind jedoch auch die meisten autonomen Gruppierungen durch anarchistische Theoriefragmente beeinflusst. (http://www.verfassungsschutz.bayern.de/linksextremismus/definition/ideologie/anarchismus/index.html, abgerufen im Mai 2019.) "antifaschismus" ... als Begriff wird auch von Demokraten verwendet, um ihre Ablehnung des Rechtsextremismus zum Ausdruck zu bringen. Linksextremisten versuchen den breiten gesellschaftlichen Konsens gegen den Rechtsextremismus zu nutzen, um von Demokraten als Partner akzeptiert zu werden. Im linksextremistischen Sinn ist "Antifaschismus" weit mehr als das Engagement gegen Rechtsextremismus. Er steht für eine grundsätzliche Ablehnung von Parlamentarismus und demokratischem Verfassungsstaat. "Antifaschismus" im linksextremistischen Sinn behauptet, dass die bürgerliche Gesellschaftsordnung mit Kapitalismus, Parlamentarismus und Rechtsstaat die Ursache von Faschismus und Rechtsextremismus sei. Demokratischen Staaten wie der Bundesrepublik Deutschland wird unterstellt, sich unausweichlich in Richtung eines neuen Faschismus zu entwickeln. Das politische Ziel linksextremistischer Antifaschisten ist deshalb die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Der Begriff "Antifaschismus" geht zurück auf die inneritalienische Opposition gegen die Herrschaft Benito Mussolinis (1883 bis 1945) zwischen 1922 und 1943. Die Wurzeln des deutschen Antifaschismus liegen im Widerstand gegen die Diktatur des "Dritten Reichs". Neben dem bürgerlich-liberal geprägten Antifaschismus, der für den Erhalt 254 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 GLOSSAR bzw. die Wiederherstellung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eintrat, entwickelte sich ein kommunistisch orientierter, der alle nichtmarxistischen Systeme als potenziell faschistisch oder zumindest als Vorstufe zum Faschismus betrachtet. Der Faschismus gilt dabei als die reaktionärste, chauvinistischste und imperialistischste Form des Kapitalismus. Nur wenn das Privateigentum an Produktionsmitteln abgeschafft und ein sozialistisches System errichtet werde, könne der Faschismus zerstört werden. Die Forderung nach der Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist die folgerichtige Konsequenz. Linksextremistische Parteien streben im Rahmen ihrer Bündnispolitik die Übernahme von Leitungsund Steuerungsfunktionen in antifaschistischen Organisationen und Bündnissen an. Zur "Legitimation" ihres Führungsanspruchs verweisen sie häufig auf den Kampf kommunistischer Widerstandskämpfer gegen Hitler und die Verfolgung von Kommunisten zur Zeit des deutschen Nationalsozialismus. Daneben nutzen gewaltbereite Autonome den "antifaschistischen Kampf" seit Jahren zur Mobilisierung ihrer Anhänger und zur Legitimierung ihrer militanten Aktionen gegen Staat und Polizei mit dem Argument, diese schützten Rechtsextremisten. Die so genannten "Faschos" gelten bei den Autonomen als Feindbild schlechthin. Nach dem Motto "Schlagt die Nazis, wo ihr sie trefft!" wird offen zur Gewaltanwendung aufgerufen. "Antifaschismus" ist nicht generell linksextremistisch. Es kommt vielmehr darauf an, was die jeweiligen Akteure konkret unter "Faschismus" verstehen und welche Forderungen sie daraus ableiten. (Vgl. http://www.verfassungsschutz.bayern.de/linksextremismus/ definition/aktionsfelder/antifaschismus/index.html, abgerufen im Mai 2019.) Die Stadt gilt insbesondere gewaltorientierten Linksextremisten tra"antigentrifizierung" ditionell als zentraler Ort des Klassenkampfs, als Ort der Zuspitzung der Klassengegensätze. Durch die Verbindung mit anderen Gruppen erhoffen sich Linksextremisten Möglichkeiten der Massenmilitanz, die in Städten leichter organisierbar ist als in bevölkerungsschwachen Räumen. Ziel gewaltorientierter Linksextremisten ist insbesondere der Erhalt sogenannter Freiräume, die von der Szene als notwendige Widerstandsstrukturen angesehen werden. Mit dem Thema "Antigentrifizierung" versuchen Linksextremisten ihre eigenen Interessen in eine aktuelle stadtund gesellschaftspolitische Diskussion einzubetten und damit in größeren Bevölkerungskreisen politisch Akzeptanz zu finden. Der Begriff "Gentrifizierung" kommt ursprünglich aus der Stadtsoziologie und bezeichnet soziale Umstrukturierungsprozesse in Stadtteilen, die zu steigenden Mieten und einer Verdrängung der bisherigen Bewohner führen. Viele Bewohner von Großstädten beschäftigt dieses Thema. Es bilden sich Initiativen, die in aller Regel von demokratischen Kräften getragen werden. Linksextremisten versuchen, sich diesen Initiativen anzuschließen bzw. im gleichen Themenfeld eigene Aktionen zu entwickeln, um damit ihre gesellschaftliche AkHessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 255 GLOSSAR zeptanz zu steigern und sich vordergründig als sozialpolitische Akteure zu profilieren, wobei sie extremistische Ziele verfolgen, die deutlich über die Sozialpolitik hinausreichen. Autonome Linksextremisten entwickeln im Zusammenhang mit dem Themenfeld "Antigentrifizierung" auch gewalttätige Aktivitäten: Insbesondere Immobilienmakler werden von ihnen als Mitverantwortliche für die "Gentrifizierung" und damit als Feindbild wahrgenommen. Büros und Fuhrpark von Immobilienfirmen sind immer wieder Ziele militanter Attacken aus der linksextremistischen Szene. (Vgl. http://www.verfassungsschutz.bayern.de/linksextremismus/ definition/aktionsfelder/antigentrifizierung/index.html, abgerufen im Mai 2019.) "antiimperialismus" Der Imperialismus, bei dem russischen revolutionären Politiker Lenin (1870 bis 1924) als "höchstes Stadium des Kapitalismus" definiert, ist für Linksextremisten ein Gegenstand heftigster Ablehnung. Nach der klassischen marxistisch-leninistischen Imperialismus-Theorie neigen "kapitalistische" Ökonomien und Staaten dazu, sich zur Maximierung des Profits Märkte für Rohstoffe, Arbeitskräfte und den Absatz von Produkten notfalls gewaltsam zu erschließen, was zu Kolonialismus und Kriegen zwischen "kapitalistischen" Staaten führe. Diese Analyse legt für Linksextremisten eine "antiimperialistische" und "internationalistische" Ausrichtung nahe: Sie verstehen sich als solidarisch mit den "um ihre nationale Befreiung von kolonialistischer Ausbeutung kämpfenden Völkern", falls letztere ein "sozialistisches" Regime errichten wollen. (Vgl. http://www.bpb.de/politik/extremismus/linksextremismus/33626/ antideutsche-und-antiimperialisten, hier die komplette Fassung des oben gekürzten Glossareintrags, abgerufen im Mai 2019.) anti-IS-koalition Die wichtigsten Mitglieder der Koalition waren die USA, Großbritannien, Dänemark, Belgien und Kanada. Partner im Nahen Osten waren Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrein, Qatar und Jordanien. (Vgl. https://www.srf.ch/news/international/das-sind-diewichtigsten-mitglieder-der-anti-is-allianz, abgerufen im Mai 2019.) "antikapitalismus" Aus linksextremistischer Sicht kennzeichnen den "Kapitalismus" nicht nur soziale Missstände, sondern auch gesellschaftspolitische Phänomene wie Faschismus, Rechtsextremismus, Rassismus, Repression, Gentrifizierung und Militarismus. Umso wichtiger erscheint Linksextremisten folglich der "antikapitalistische Kampf". Insbesondere die globale Wirtschaftsund Finanzkrise bildet vor diesem Hintergrund den Bezugsrahmen für verschiedene Protestaktionen unter Beteiligung von Linksextremisten. Im Fokus der sogenannten Krisenproteste steht dabei Frankfurt am Main, deutsche Finanzmetropole und zugleich Sitz der Europäischen Zentralbank, die unter Linksex256 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 GLOSSAR tremisten gleichsam als Symbol der "kapitalistischen Gesellschaft" gilt ("Haut den Banken auf die Pranken"). (Vgl. Linksextremismus. Erscheinungsformen und Gefährdungspotenziale. Hrsg. v. Bundesamt für Verfassungsschutz. Köln 2016, S. 26.) ... ist ein zentrales Ideologieelement des Rechtsextremismus und in antisemitismus allen seinen Äußerungsformen virulent, seien sie publizistisch, parlamentarisch oder auch aktionistisch orientiert. Antisemitismus zielt auf die Diffamierung und Diskriminierung einer behaupteten Gesamtheit "der Juden" ab. Der rechtsextremistische Antisemitismus baut insbesondere auf dem rassistischen Weltbild des Nationalsozialismus auf, der das Judentum als "nichtdeutsche, fremde Rasse" definierte und diesen "Feind der eigenen Rasse" "ausmerzen" wollte. Nicht zuletzt aufgrund der strafrechtlichen Konsequenzen meiden Rechtsextremisten mittlerweile in ihrer Propaganda offenen, rassistisch motivierten Antisemitismus. Vielmehr weichen sie auf einen angedeuteten Antisemitismus aus, insbesondere durch die Behauptung eines übermäßigen politischen Einflusses von Juden (politischer Antisemitismus). Auch religiös begründeter Antisemitismus ist gelegentlich zu beobachten. Oftmals findet antisemitische Propaganda nur unterschwellig statt, unter anderem durch subtil judenfeindlich gefärbte Zeitungsartikel oder Anspielungen. Rechtsextremisten nutzen die im politischen und gesellschaftlichen Alltag geäußerte Kritik an der Politik Israels, um die Existenzberechtigung des Staates Israel in Frage zu stellen. Die grundsätzliche Ablehnung Israels basiert auf der prinzipiellen Ablehnung des Judentums. Gleichsetzungen der israelischen Politik mit den Verbrechen an Juden im Nationalsozialismus sind ebenfalls ein gängiges Muster des antizionistischen Antisemitismus. Im Rahmen des sekundären Antisemitismus wird den Juden vorgeworfen, sie benutzten die Verantwortung Deutschlands für den Holocaust als Mittel der Erpressung, um finanzielle und politische Forderungen durchzusetzen. Antisemitischen Verschwörungstheorien zufolge wird Deutschland im Rahmen einer planvollen Konspiration instrumentalisiert, um den "jüdischen Einfluss" zu vergrößern oder das Ziel der jüdischen Weltherrschaft zu erreichen. Häufig wird ein "jüdischer Einfluss" auf politische Entscheidungen der Regierungsverantwortlichen behauptet. Zu den Feindbildern islamistischer Organisationen gehören prinzipiell der Staat Israel bzw. "die Zionisten", denen - je nach Standort im islamistischen Spektrum mehr oder weniger offen - die verschwörerische Manipulation westlicher Staaten, vor allem der USA, unterstellt wird. Die jüdische Einwanderung in Palästina, die Entstehung des Staates Israel und der seither ungelöste NahostKonflikt waren Auslöser für die Entstehung eines islamistischen Antizionismus. Dieser war und ist stark antijüdisch gefärbt, insofern auch auf die prinzipielle, nach Auffassung von Islamisten im Koran belegte und durch die islamistische Geschichtsauffassung gestützte ewige Feindschaft "der Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 257 GLOSSAR Juden" gegen die Muslime/den Islam Bezug genommen wird. Im Unterschied zum Antisemitismus deutscher Rechtsextremisten ist der islamistische Antisemitismus nicht rassistisch begründet. (Vgl. https://www.verfassungsschutz.de/de/service/glossar/ antisemitismus, abgerufen im Mai 2019.) apo ... ist die in der PKK übliche Bezeichnung für ihren inhaftierten Anführer Abdullah Öcalan. da'wa Salafisten versuchen, ihre Ideologie durch intensive Propagandaaktivitäten zu verbreiten. Dadurch wollen sie Staat und Gesellschaft in einem langfristigen Prozess nach salafistischen Normen umgestalten. Diese sogenannte da'wa-Arbeit (dt. Missionierung) betreiben sie insbesondere im Internet, über Musik sowie im Rahmen von Infoständen, Islamseminaren und Benefizveranstaltungen. Die professionelle Verbreitung der salafistischen Ideologie übt eine beträchtliche Anziehungskraft aus auf vor allem junge, emotional und sozial noch nicht gefestigte Muslime, darunter auch Konvertiten. Für eine Reihe von Personen aus dem salafistisch-jihadistischen Bereich sind die da'wa-Aktivitäten ein wesentlicher Baustein in ihrer Radikalisierungsbiographie. (Vgl. http://www.verfassungsschutz.bayern.de/islamismus/ definition/strategie/dawaarbeit/index.html, abgerufen im Mai 2019.) "ethnopluralismus" Die Positionen der IB umfassen nicht alle zentralen Elemente rechtsextremistischer Ideologie. In ihren programmatischen Texten finden sich fremdenund insbesondere islamfeindliche Aussagen sowie verschwörungsideologische Ansätze, die auf den Grundannahmen des "Ethnopluralismus" fußen. Dieses Denkmodell geht von der Existenz einzelner Völker bzw. Ethnien aus, deren jeweilige kulturelle Eigenschaften durch die Vermischung der verschiedenen Völker bedroht sind. Verfechter ethnopluralistischer Positionen treten daher für eine strikte Trennung ein: Jedes Volk soll ausschließlich auf dem eigenen Territorium leben und auf diese Weise seine Identität bewahren. Migration nehmen sie grundsätzlich als Bedrohung wahr; in der Folge fordern sie unter dem Schlagwort "Remigration" die Umkehrung der Migrationsbewegungen. Ein ethnisches Verständnis des Volksbegriffs und eine damit verbundene Ausgrenzung bestimmter Bevölkerungsteile steht im Widerspruch zum Prinzip der Achtung der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG. In zentralen Texten der IBD wird die aktuelle Zuwanderungssituation als Verschwörung der Medien und der politischen Parteien und Eliten gewertet. Letztere verfolgen nach Auffassung der IBD das Ziel, die angestammten Völker Europas vollständig durch außereuropäische Zuwanderer zu ersetzen und damit traditionelle europäische Kultur(en) 258 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 GLOSSAR zu zerstören. In diesem Zusammenhang spricht sie von einem planmäßigen "großen Austausch". (Vgl. http://www.verfassungsschutzbw.de/,Lde/Startseite/ Arbeitsfelder/Identitaere+Bewegung+Deutschland, abgerufen im Mai 2019.) faschismus s. "antifaschismus" ... richtet sich gegen Menschen, die sich durch Herkunft, Nationalität, fremdenfeindlichkeit (s. auch Religion oder Hautfarbe von der als "normal" erachteten Umwelt unRassismus) terscheiden. Die mit dieser Zuweisung typischerweise verbundenen vermeintlich minderwertigen Eigenschaften werden als Rechtfertigung für einschlägige Straftaten missbraucht. Insbesondere das rechtsextremistische Weltbild ist geprägt von einer Überbewertung ethnischer Zugehörigkeit, aus der unter anderem Fremdenfeindlichkeit resultiert. (Vgl. https://www.verfassungsschutz.de/de/service/glossar/_lF, abgerufen im Mai 2019.) ... galt als das Grundgesetz nationalsozialistischer Weltanschauung. "führerprinzip" Es verpflichtete nach dem Motto "Führer befiehl, wir folgen" zu blindem Gehorsam und bedingungsloser Treue gegenüber Adolf Hitler (1889 bis 1945) als dem obersten "Führer" sowie die jeweilige Gefolgschaft zu Gehorsam gegenüber den Befehlen der Führer auf mittlerer und unterer Ebene. Das Führerprinzip war unter Berufung auf Hitlers Buch "Mein Kampf" als Gegensatz zu jeder Art von demokratischer Entscheidung und Mitbestimmung formuliert und fand im Kult um die Person Adolf Hitlers seinen höchsten Ausdruck. Im Willen des Diktators war alle hoheitliche Gewalt des Reichs verkörpert. Nach der damals gültigen Definition war die "Führergewalt" nicht durch Kontrollen gehemmt, sie war ausschließlich und unbeschränkt. Mit der Anerkennung des nationalsozialistischen "Führerprinzips", das bis 1933 nur innerhalb der NSDAP galt und dann auf alle Bereiche von Staat und Gesellschaft ausgedehnt wurde, verzichteten die Deutschen auf alle bürgerlichen Rechte der Gestaltung ihrer Verhältnisse und damit auch auf rationale Strukturen der Politik, die nun ausschließlich vom Willen der "Führer" gesteuert wurde. Das "Führerprinzip" galt nicht nur im politischen und sozialen Bereich, auch die Wirtschaft wurde nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam gelenkt. Das Führerprinzip war Inbegriff der Selbstaufgabe des Individuums im nationalsozialistischen Staat. Als Anspruch ist das "Führerprinzip" auch für den modernen Rechtsextremismus typisch und kennzeichnender Ausdruck antidemokratischer Gesinnung. (Vgl. https://www.bpb.de/politik/extremismus/antisemitismus/37986/ argumente-gegen-rechte-vorurteile?p=9, hier die komplette Fassung des oben gekürzten Glossareintrags, abgerufen im Mai 2019.) Der "Führerabsolutismus" gründete sich nicht allein auf Hitlers "führerstaat" Machtwillen oder besondere persönliche Qualitäten, sondern auch Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 259 GLOSSAR und vor allem auf die Zustimmungsund Unterordnungsbereitschaft in Verwaltung und Gesellschaft sowie auf die besondere Herrschaftsmechanik im nationalsozialistischen Führerstaat. Der "Führer"-Mythos wurde zum gemeinsamen Nenner der inneren Herrschaftsmechanik sowie der Legitimation durch die Gesellschaft. Bereits während der Aufstiegsphase der NSDAP war Hitler zum machtpolitischen und ideologischen Bezugspunkt der nationalsozialistischen Bewegung geworden. Er hatte zudem diese Machtstellung durch die "Führer"Erwartung innerhalb der NSDAP sowie durch den "Führer"-Kult propagandistisch verstärken bzw. überhöhen können. Nach der Machtübernahme 1933 übertrug sich dieser Prozess der wechselseitigen Verstärkung von allgemeiner Erwartung einer charismatischen Erlöserund Retterfigur und von dem nunmehr staatlichen Kult um den "Führer" auf die gesamte Gesellschaft. (Vgl. http://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/dossiernationalsozialismus/39550/ausbau-des-fuehrerstaates?p=all, hier die komplette Fassung des oben gekürzten Glossareintrags, abgerufen im Mai 2019.) gentrifizierung s. "antigentrifizierung" hadd ... sind im Islam "Grenzvergehen", bei denen es sich um Alkoholgenuss, außerehelichen Geschlechtsverkehr, Diebstahl, Straßenraub und Raubmord handelt. Aus salafistischer Perspektive müssen dafür Strafen wie Auspeitschen, Abtrennen von Gliedmaßen, Enthaupten oder Steinigen verhängt werden. Die Definition der "Grenzvergehen" und deren Bestrafung haben ihre Grundlage im Koran und gelten für Salafisten als unmittelbarer und unfehlbarer Wille Allahs. In diesem Rahmen besitzen die Menschenrechte für Islamisten keine Gültigkeit. (Vgl. Salafistische Bestrebungen in Deutschland. Hrsg. v. Bundesamt für Verfassungsschutz und Landesbehörden für Verfassungsschutz. Köln 2012, S. 10 bis 12.) "Heldengedenken" Der historische Nationalsozialismus ist nach wie vor Vorbild für große Teile der rechtsextremistischen Szene. Die Verbrechen der nationalsozialistischen Diktatur werden dabei ausgeblendet. Vor allem die militärische Komponente des historischen Nationalsozialismus übt auf heutige Rechtsextremisten nach wie vor eine hohe Faszination aus. Dies zeigt sich sowohl in der Verehrung der im Zweiten Weltkrieg kämpfenden Verbände wie auch in der Leugnung der durch deutsche Soldaten begangenen Verbrechen. Viele Rechtsextremisten sammeln Gegenstände mit Bezug zum Dritten Reich. Dazu zählen neben Fahnen und militärischen Gegenständen auch Bilder und Büsten von maßgeblichen nationalsozialistischen Protagonisten. Darüber hinaus interessieren sich viele Rechtsextremisten für Liedgut, Literatur und Filme des Dritten Reichs. Die positive Bezugnahme auf den Nationalsozialismus äußert sich auch in der Verehrung, die Rechtsextremisten bis heute nationalsozialistischen Führungsper260 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 GLOSSAR sonen entgegenbringen. Eine besondere Rolle nimmt dabei der Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß (geb. 1894) ein, der in der neonazistischen Szene als Märtyrer verehrt wird. Heß, der in den Nürnberger Prozessen zu lebenslanger Haft verurteilt worden war, saß bis zu seinem Selbstmord am 17. August 1987 im Kriegsverbrechergefängnis in BerlinSpandau. Gerade dieses Datum wird von Rechtsextremisten und Neonazis zum Anlass genommen, im Rahmen von Demonstrationen und Gedenkveranstaltungen der ehemaligen nationalsozialistischen Größen zu erinnern und hierbei revisionistische Geschichtsbilder und Verschwörungstheorien zu den Todesumständen von Heß zu propagieren. Im Kern der rechtsextremistischen Theorien zum Tod von Rudolf Heß steht die Behauptung, dass Heß nicht Selbstmord begangen habe, sondern durch die Alliierten ermordet worden sei. Das Grab von Rudolf Heß befand sich bis 2011 auf dem städtischen Friedhof der Stadt Wunsiedel (Bayern). Der Ort hat für Rechtsextremisten bis heute einen hohen Symbolwert und dient nach wie vor einmal jährlich als Veranstaltungsort für die Partei Der Dritte Weg und ihre "Heldengedenken"-Veranstaltung. Seit 2005 steht in Deutschland die Verherrlichung des nationalsozialistischen Regimes unter Strafe. Auf Grundlage der entsprechenden Strafvorschrift sind seither Rudolf-Heß-Gedenkmärsche in Wunsiedel verboten. Die "Heldengedenken" des Dritten Wegs finden nur noch unter strengen behördlichen Auflagen statt. Unter anderem werden die namentliche Nennung von Rudolf Heß oder andere direkte Bezugnahmen zu seiner Person im Rahmen von öffentlichen Veranstaltungen regelmäßig untersagt. Rechtsextremisten sind daher bestrebt, ihre Verehrung möglichst indirekt auszudrücken bzw. auf andere von konkreten Verbotsauflagen unberührte Personen mit Bezug zum Nationalsozialismus zu beziehen. (Vgl. http://www.verfassungsschutz.bayern.de/rechtsextremismus/ definition/ideologie/nationalsozialismus/index.html, hier die komplette Fassung des oben gekürzten Glossarbeitrags, abgerufen im Mai 2019.) ... stammt als Begriff von dem griechischen Wort holokaustus und Holocaust bedeutet "völlig verbrannt". Der Begriff wird verwendet, wenn von der systematischen Vernichtung ganzer Bevölkerungsgruppen während des Nationalsozialismus gesprochen wird. Im Hebräischen spricht man von Schoah, was auch große Katastrophe bedeutet. Als die Nationalsozialisten in Deutschland 1933 die Herrschaft übernahmen, begannen sie, einzelne Bevölkerungsgruppen auszugrenzen. Die Nationalsozialisten betrachteten sich als "Herrenrasse". Die Juden waren für sie eine "minderwertige Rasse" und wurden für viele Missstände im Land verantwortlich gemacht. Sie wurden angegriffen und viele durften ihre Berufe nicht mehr ausüben. Wehren konnten sie sich nicht, weil man ihnen auch ihre Bürgerrechte entzogen hatte. Sie mussten ab 1941 den sogenannten Judenstern tragen. Man nahm den Juden ihr Eigentum, ihre Wohnungen und Häuser, sie wurden aus Deutschland deportiert. Viele von ihnen wurden direkt in Lager getrieben und dort ermordet. Mehr als 180.000 vertriebene Juden wurden in den von Deutschland besetzten Ländern in Osteuropa Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 261 GLOSSAR in Ghettos angesiedelt. Als die Nationalsozialisten ihren Eroberungskrieg auf ganz Europa ausdehnten, wurden die Juden überall verfolgt. Es begann ein systematischer Völkermord. Die Nationalsozialisten schafften die Juden wie auch Sinti und Roma, Obdachlose, Behinderte, politisch Verfolgte, sogenannte Asoziale und Kriegsgefangene in Konzentrationslager. Über sechs Millionen jüdische Menschen wurden von 1933 bis 1945 getötet. (Vgl. http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/das-junge-politiklexikon/161214/holocaust, abgerufen im Mai 2019.) Ideologie Der Begriff steht für sogenannte Weltanschauungen, die vorgeben, für alle gesellschaftlichen Probleme die richtige Lösung zu haben. Menschen, die solche weltanschaulichen Ideen oftmals starr und einseitig vertreten, nennt man "Ideologen". Das Wort stammt aus dem Griechischen und bedeutet "Lehre von den Ideen". Bis ins 19. Jahrhundert war "Ideologie" eine Bezeichnung für die Wissenschaft, die sich mit der Entstehung und Entwicklung von geistesgeschichtlichen und philosophischen Ideen befasst. (Vgl. https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/das-junge-politiklexikon/161222/ideologie, hier auch die komplette Fassung des oben gekürzten Glossareintrags, abgerufen im Mai 2019.) Imperialismus ... bezeichnet eigentlich das Streben von Staaten, ihre Macht weit über die eigenen Landesgrenzen hinaus auszudehnen. Das kann dadurch geschehen, dass schwächere Länder gezielt politisch, wirtschaftlich, kulturell oder mit anderen Methoden beeinflusst und vom stärkeren Land abhängig gemacht werden. Manchmal führt auch ein stärkeres Land direkt einen Krieg gegen ein schwächeres Land, um die Kontrolle über dieses Land zu erreichen. Als Zeitalter des klassischen Imperialismus gilt der Zeitraum zwischen 1880 und 1918. Damals teilten die Kolonialmächte die Gebiete Afrikas und Asiens, die noch keine Kolonien waren, unter sich auf. (Vgl. http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/das-junge-politiklexikon/161225/imperialismus, hier die komplette Fassung des oben gekürzten Glossareintrags, abgerufen im Mai 2019.) jihad Die wörtliche Übersetzung dieses Begriffs ist "Anstrengung" oder "Bemühung". Es gibt zwei Formen des Jihad: die geistig-spirituelle Bemühung des Gläubigen um das richtige religiöse und moralische Verhalten gegenüber Gott und den Mitmenschen (sogenannter großer Jihad) oder der kämpferische Einsatz zur Verteidigung oder Ausdehnung des islamischen Herrschaftsgebiets (sogenannter kleiner Jihad). Von militanten Gruppen wird der Jihad häufig als religiöse Legitimation für Terroranschläge verwendet. Islamistische Terroristen führen unter dem Leitprinzip dieses Jihad ihren gewalttätigen Kampf/"heiligen Krieg" gegen die angeblichen Feinde des Islam. (Vgl. https://www.verfassungsschutz.de/de/service/glossar/_lJ, abgerufen im Mai 2019.) 262 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 GLOSSAR ... ist eine autokratische Herrschaftsform, in der sowohl die politische kalifat als auch die religiöse Herrschaft durch eine Person, das heißt den Kalifen, ausgeübt wird. (Vgl. Lexikon des Dialogs. Grundbegriffe aus Christentum und Islam, Bd. 1. Hrsg. v. Richard Heinzmann in Zusammenarbeit mit Peter Antes, Martin Thurner, Mualla Selcuk u. Halis Albayrak. Freiburg, Basel u. Wien 2013, S. 392f.) ... sind in der Regel neonazistische lokale Gruppierungen, die meiskameradschaften tens zehn bis 20 Mitglieder umfassen. Im Gegensatz zu den einzelnen Gruppen der subkulturell geprägten gewaltbereiten rechtsextremistischen Szene/Skinheads sind sie deutlich durch den Willen zu politischer Aktivität geprägt. Obwohl Kameradschaften meist keine oder nur geringe vereinsähnliche Strukturen aufweisen, sind sie durch eine verbindliche Funktionsverteilung deutlich strukturiert. (Vgl. https://www.verfassungsschutz.de/de/service/glossar/_lK, abgerufen im Mai 2019.) Kommunisten glauben an die Lehre von Karl Marx (1818 bis 1883), der kommunismus zufolge sich die gesamte Menschheitsgeschichte als Wechselspiel von Ausbeutung und Revolte dagegen verstehen lässt. Daran beteiligten Gruppen werden materielle Interessen unterstellt, die in der kommunistischen Lehre als "objektiv" verstanden werden. Sollen es in der Geschichtsauffassung der Kommunisten erst Sklavenhalter und Sklaven, dann Feudalherren und Bauern gewesen sein, die einen "Klassenkampf" führten, so stehen sich heute angeblich "Bourgeoisie" und "Proletariat" gegenüber. Das "Proletariat" soll eine Diktatur errichten, die den Übergang zu einer klassenlosen Gesellschaft einleiten wird. Besonders die von Wladimir I. Lenin (1870 bis 1924) eingeführte Lehre, wonach das "Proletariat" dabei von einer "Avantgarde" geführt werden muss, hat die Erscheinungsform kommunistischer Gruppen in den letzten Jahrzehnten geprägt. Von der marxistisch-leninistischen Orthodoxie abweichende kommunistische Strömungen berufen sich oft auf Berufsrevolutionäre wie Leo Trotzki (1879 bis 1953), Joseph Stalin (1878 bis 1953) oder Mao Zedong (1893 bis 1976). (Vgl. https://verfassungsschutz.brandenburg.de/cms/detail.php/ lbm1.c.33 6524.de, abgerufen im Mai 2019.) ... ist das heilige Buch des Islam, das die vom Propheten Mohammed koran verkündeten Offenbarungen Allahs enthält. Der Koran ist in 114 Abschnitte (Suren) unterteilt, die Erzählungen über Propheten, Weissagungen, Belehrungen, Vorschriften, Predigten und die Auseinandersetzungen mit "heidnischen" Mekkanern, Juden und Christen umfassen. Die islamische Welt betrachtet den Koran als Gesetzbuch und als religiöse Unterrichtung. (Vgl. Der Brockhaus. Religionen. Glauben, Riten, Heilige. Hrsg. v. der Lexikonredaktion des Verlags F. A. Brockhaus, Mannheim. Leipzig u. Mannheim 2004, S. 370-372, hier die komplette Fassung des oben gekürzten Glossareintrags.) Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 263 GLOSSAR "LIeS!"-kampagne Seit 2011 verteilten vor allem salafistische Missionierungsvereinigungen in Deutschland, Österreich, Frankreich, Spanien, Nordafrika sowie in der Schweiz und der Ukraine kostenlos Koranexemplare in der jeweiligen Landessprache. Ziel des Projekts war es, 25 Millionen Stück zu verteilen, um nahezu jedem Haushalt in Deutschland ein Buch zur Verfügung zu stellen. Die Beteiligung an der "LIES!"-Kampagne war für Sympathisanten - in den meisten Fällen Jugendliche - oft der Einstieg in die salafistische Szene. Hierdurch konnte ein Prozess angestoßen werden, der Sympathisanten zu Anhängern der salafistischen Ideologie, dann zu aktiv eingebundenen Akteuren und letztlich zu salafistischen Propagandisten werden ließ. Dieser Prozess musste nicht per se den Anfang einer weiteren Radikalisierung bedeuten, dennoch zeigen Fälle ehemaliger "LIES!"-Akteure, die nach Syrien und in den Irak ausreisten, um sich dort am gewaltsamen Jihad zu beteiligen, dass der Übergang vom politischen zum jihadistischen Salafismus ein fließender ist und "LIES!" als Engagementplattform für Salafisten jeglicher Couleur die hierfür nötigen Kontakte ermöglichte. Mit dem im November 2016 vollzogenen Verbot der Vereinigung Die Wahre Religion (DWR) kamen die "LIES!"-Verteilaktionen, nachdem sie bereits vorher zurückgegangen waren, endgültig zum Erliegen. Laizismus ... ist eine Mitte des 19. Jahrhunderts in Frankreich entstandene Bezeichnung für eine politische Bewegung, die sich gegen jeden Einfluss des Klerus auf Staat, Kultur und Erziehung wendet, sich für die Trennung von Staat und Kirche ausspricht und die Kirchen in den rein sakralen Bereich zurückdrängen will. (Vgl. https://www.wissen.de/lexikon/laizismus, abgerufen im Mai 2019.) Maoismus ... ist die Bezeichnung für die Gesamtheit der Lehren Mao Zedongs (1893 bis 1976) sowie für die von ihm maßgeblich bestimmte Theorie und Praxis des chinesischen Kommunismus. Der Maoismus verbindet Gedanken des Marxismus-Leninismus mit traditionell chinesischen Elementen. Das im Westen verbreitete Bild des Maoismus wurde unter anderem durch die "Kulturrevolution" (1966 bis 1969) geprägt: * die betont nationale Ausrichtung, * die Ablehnung einer zentralen Führung der kommunistischen Weltbewegung, * die Verbundenheit mit der Dritten Welt im Kampf gegen die Supermächte, * die Auffassung, dass die armen Bauern (und nicht das Proletariat) die Hauptkraft der Revolution bilden, * die Konzeption der Machteroberung durch Guerillakrieg von ländlichen Stützpunkten aus, * die Auffassung, dass Klassenkampf und Revolution auch unter sozialistischen Verhältnissen fortdauern. Der Maoismus ist verantwortlich für Millionen von Opfern unter der chinesischen Bevölkerung (so etwa während der Zeit des Großen 264 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 GLOSSAR Sprungs nach vorn, 1958 bis 1961, und während der Kulturrevolutionen 1966 bis 1969 und 1972 bis 1974). (Vgl. https://www.wissen.de/lexikon/maoismus, abgerufen im Mai 2019.) ... ist eine von Karl Marx (1818 bis 1883) und Friedrich Engels (1820 Marxismus bis 1895) begründete Gesellschaftslehre und Theorie der politischen Ökonomie, zu deren Kernpunkt die von Marx kritisierten kapitalistischen Produktionsverhältnisse in seiner Zeit gehören. Danach wird die Gesellschaft nicht durch die politischen, rechtlichen oder moralischen Vorstellungen bestimmt, sondern durch den Fortschritt der materiellen Produktionstechnik. Die kapitalistischen Produktionsverhältnisse bewirken nach marxistischer Auffassung, dass sich die gesellschaftliche Arbeitsteilung vertieft und der wirtschaftliche Reichtum nur von der Arbeiterklasse (Proletariat) geschaffen wird, während sich der Reichtum und das Eigentum an den Produktionsmitteln in den Händen immer weniger Kapitalisten konzentriert. Dieser, von Marx als Grundwiderspruch der kapitalistischen Produktion bezeichnete Gegensatz zwischen gesellschaftlicher Produktion durch die Arbeiterklasse und der privaten Aneignung der Gewinne durch die Kapitalisten, kann nur durch die revolutionäre Erhebung der Arbeiterklasse beseitigt werden. Die Arbeiterklasse enteignet dabei die Kapitalisten und das Eigentum an den Produktionsmitteln wird in Gesellschaftseigentum überführt. Der Kapitalismus wird vom Sozialismus abgelöst. Letztlich wird aber die Schaffung einer klassenlosen Gesellschaft im Kommunismus angestrebt. (Vgl. https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/lexikon-der-wirtschaft/20092/marxismus, abgerufen im Mai 2019.) ... ist das Bekenntnis und die Verehrung nur eines einzigen Gottes, Monotheismus der im Glauben als personales Gegenüber verstanden wird und im Verständnis der Gläubigen als Schöpfer und Erhalter der Welt gilt. Theologisch zeichnet sich der Monotheismus somit durch den Ausschließlichkeitscharakter und Universalitätsanspruch Gottes aus. (Vgl. Der Brockhaus. Religionen. Glauben, Riten, Heilige. Hrsg. v. d. Lexikonredaktion des Verlags F. A. Brockhaus, Mannheim. Leipzig u. Mannheim 2004, S. 442f.) ... sammeln Informationen über die innere oder äußere Sicherheit nachrichtendienste eines Staats gefährdende Bestrebungen und werten sie aus. Hierbei können die Nachrichtendienste verdeckt arbeiten. Die Ergebnisse der Analyse werden in Berichtsform zusammengefasst und den politischen Entscheidungsträgern sowie den Kontrollgremien zur Verfügung gestellt. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es drei Nachrichtendienste: Inlandsnachrichtendienst (Verfassungsschutzbehörden: BfV und LfV), Auslandsnachrichtendienst BND, BAMAD. Der Verfassungsschutz in der Bundesrepublik Deutschland ist föderal organisiert. Dementsprechend existieren 17 Verfassungsschutzbehörden, ein Bundesamt BfV und 16 LfV. Sie arbeiten auf gesetzlicher Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 265 GLOSSAR Grundlage in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammen. Die Verfassungsschutzbehörden der Länder können als untergeordnete Abteilung unmittelbar im jeweiligen Innenministerium angesiedelt sein oder sind als eigenständige Landesoberbehörde dem jeweiligen Innenministerium nachgeordnet. (Vgl. https://www.verfassungsschutz.de/de/service/glossar/_lN, hier die komplette Fassung des oben gekürzten Glossareintrags, abgerufen im Mai 2019.) nationalismus ... ist ein übersteigertes Bewusstsein vom Wert und der Bedeutung der eigenen Nation. Im Gegensatz zum Nationalbewusstsein und zum Patriotismus (Vaterlandsliebe) glorifiziert der Nationalismus die eigene Nation und setzt andere Nationen herab. Zugleich wird ein Sendungsbewusstsein entwickelt, möglichst die ganze Welt nach den eigenen Vorstellungen zu formen. (Vgl. https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/pocketpolitik/16503/nationalismus, abgerufen im Mai 2019.) nationalsozialismus Unter Nationalsozialismus versteht man die völkisch-antisemitischnationalrevolutionäre Bewegung in der Zwischenkriegszeit (1918 bis 1939), die sich in Deutschland als Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) organisierte und die unter der Führung Adolf Hitlers (1889 bis 1945) 1933 bis 1945 eine totalitäre Diktatur errichtete. Der Nationalsozialismus gehört überdies in den Zusammenhang der europäischen faschistischen Bewegungen der Zwischenkriegszeit, die außer in Deutschland nur in Italien aus eigener Kraft und ohne ausländische militärische Unterstützung an die Macht kamen. Der Nationalsozialismus stellt innerhalb der europäischen Faschismen aufgrund seines Rassenantisemitismus und seiner Vernichtungspolitik die radikalste Variante dar. Die Geschichte der NSDAP unterteilt sich in die sogenannte Bewegungsphase (1919 bis 1933) und die Regimephase (1933 bis 1945). (Vgl. http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/handwoerterbuchpolitisches-system/202075/nationalsozialismus?p=all, hier die komplette Fassung des oben gekürzten Glossareintrags, abgerufen im Mai 2019.) outings Mittels Outings versuchen Linksextremisten, die Deutungsund Definitionshoheit darüber, welche Personen, Organisationen und Handlungsweisen als rechtsextremistisch gelten, an sich zu ziehen. Dabei werden Personen gebrandmarkt und erleben unter Umständen Nachteile im familiären, sozialen und beruflichen Umfeld. Diese Outings finden unter Missachtung der Rechtsstaatlichkeit und Verhältnismäßigkeit statt. Ob die Behauptungen inhaltlich fundiert sind und welche Maßstäbe Linksextremisten bzw. Autonome bei der Bewertung anlegten, ist für Dritte oftmals nicht ersichtlich oder überprüfbar. 266 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 GLOSSAR Zum 1. Januar 2001 wurden mit Beschluss der InnenministerkonfePolitisch motivierte kriminalität renz das Definitionssystem PMK sowie die Richtlinien für den Krimi(PMk) nalpolizeilichen Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität eingeführt, um für politisch motivierte Straftaten eine einheitliche polizeiliche Datenerhebung, -erfassung und -auswertung zu ermöglichen. Der PMK werden alle Straftaten zugeordnet, die einen oder mehrere Straftatbestände der sogenannten klassischen Staatsschutzdelikte erfüllen, dies unabhängig davon, ob eine politische Motivation im Einzelfall festgestellt werden kann. Zu den Staatsschutzdelikten zählen unter anderem: Hochverrat und Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates, Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit, Straftaten gegen ausländische Staaten, Straftaten gegen Verfassungsorgane sowie bei Wahlen und Abstimmungen, Bildung terroristischer Vereinigungen, Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland sowie Volksverhetzung. Neben den Staatsschutzdelikten fallen unter die PMK auch diejenigen Straftaten, die in der Allgemeinkriminalität begangen werden können (wie zum Beispiel Tötungsund Körperverletzungsdelikte, Brandstiftungen, Widerstandsdelikte, Sachbeschädigungen), wenn in Würdigung der gesamten Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte für eine politische Motivation gegeben sind. Die von der PMK erfassten Straftaten werden folgenden staatsschutzrelevanten Phänomenbereichen zugeordnet: * PMK - rechts: Straftaten, bei denen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie einer rechten Orientierung zuzurechnen sind, ohne dass die Tat bereits die Außerkraftsetzung oder Abschaffung eines Elements der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zum Ziel haben muss, insbesondere wenn Bezüge zum völkischen Nationalismus, Rassismus, Sozialdarwinismus oder Nationalsozialismus ganz oder teilweise ursächlich für die Tatbegehung waren. * PMK - links: Straftaten, bei denen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie einer linken Orientierung zuzurechnen sind, ohne dass die Tat bereits die Außerkraftsetzung oder Abschaffung eines Elements der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zum Ziel haben muss, insbesondere wenn Bezüge zu Anarchismus oder Kommunismus einschließlich Marxismus ganz oder teilweise ursächlich für die Tatbegehung waren. * PMK - ausländische Ideologie: Straftaten, bei denen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine aus dem Ausland stammende nichtreligiöse Ideologie entscheidend für die Tatbegehung war, insbesondere wenn die Tat darauf gerichtet ist, Verhältnisse und Entwicklungen im Inund Ausland zu beeinflussen. * PMK - religiöse Ideologie: Straftaten, bei denen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine religiöse Ideologie entscheidend für die Tatbegehung war und die Religion zur Begründung der Tat instrumentalisiert wird. Innerhalb der PMK werden jene Delikte als extremistische Straftaten bewertet, bei denen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie auf die Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 267 GLOSSAR abzielen. Sie werden als extremistisch motiviert eingestuft und stellen als solche eine Teilmenge der PMK dar. Nur letztere werden seitens des LfV in den Tabellen in Bezug auf Strafund Gewalttaten im Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2018 ausgewiesen. (Vgl. https://www.bundestag.de/resource/blob/579832/.../WD-7194-18-pdf-data.pdf, hier die komplette Fassung des oben gekürzten und bearbeiteten Glossareintrags, abgerufen im Mai 2019.) Proliferation ... bezeichnet die Weiterverbreitung von atomaren, biologischen oder chemischen Massenvernichtungswaffen und entsprechenden Waffenträgersystemen bzw. der zu deren Herstellung verwendeten Produkte, einschließlich des dazu erforderlichen Know-how. Im Fokus der Proliferation stehen Waren/Produkte, die sowohl für zivile Anwendungen als auch für militärische Zwecke (= doppelte Verwendbarkeit) geeignet sind. Voraussetzung für eine Exportgenehmigung ist die eindeutige Feststellung einer ausschließlich zivilen Nutzung durch den Endempfänger. (Vgl. http://www.verfassungsschutz.de/de/service/glossar/_lP u. http://www.verfassungsschutz.de/de/service/glossar/_lD#dual-usegueter, abgerufen jeweils im Mai 2019.) Rassismus/ Allen Rechtsextremisten gemeinsam ist die Auffassung, die Zugehöfremdenfeindlichkeit rigkeit zu einer Ethnie, Nation oder "Rasse" entscheide über den Wert eines Menschen. Rassisten gehen von nicht oder kaum veränderbaren "Rassen" aus. Sie leiten daraus "naturbedingte" Besonderheiten und Verhaltensweisen von Menschen ab und unterscheiden zwischen "höherwertigen" und "minderwertigen" Menschen. Mit der Bezeichnung als "Rasse" werden Menschen nach ethnischen Besonderheiten in Gruppen aufgeteilt. Ab Ende des 17. Jahrhunderts bis ins 20. Jahrhundert versuchten zahlreiche Wissenschaftler dies zu belegen. Sie scheiterten allesamt. Dennoch fand der Rassismus weite Verbreitung. Über die Kriterien zur trennscharfen Definition von "Rassen" bestand keine Einigkeit. Die Anhänger des "Rasse"-Konzepts benannten die verschiedensten Unterscheidungsmerkmale. Mal war von nur zwei, mal von über 60 "Rassen" die Rede. Bis heute sind menschliche "Rassen" biologisch nicht belegt. Belegt sind dagegen soziologische Funktionen des Rassismus: "Rassen" werden bemüht, um Menschen auszugrenzen und Zugehörigkeit zu erzeugen. Das "Rasse"-Modell bietet einfache Erklärungen. Rechtsextremisten finden es daher attraktiv. Rassisten meinen, "Rassen" optisch unterscheiden zu können. Äußere Merkmale werden dadurch zum entscheidenden Kriterium, ob einer Person bestimmte Rechte zustehen oder nicht. Rassisten in Deutschland werten die "weiße" bzw. "arische Rasse" auf und sehen alle anderen "Rassen" als minderwertig an. Dabei haben sie keine einheitliche Vorstellung einer "weißen" oder "arischen Rasse": Die einen denken dabei an "Deutsche" und Skandinavier, andere meinen alle Europäer, einige verstehen darunter alle optisch als "Weiße" erkennbare Menschen. 268 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 GLOSSAR Nach der Vorstellung von Rechtsextremisten soll das deutsche Volk vor der Integration "rassisch minderwertiger Ausländer" und vor einer "Völkervermischung" bewahrt werden. Rechtsextremisten befürchten den Untergang der "Rasse" des deutschen Volkes infolge einer "Durchmischung mit fremdem Blut". Der Rassismus verstößt gegen elementare Menschenrechte und damit gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Die Ausgrenzung jener Menschen, die nicht dem rassischen Ideal der Rechtsextremisten entsprechen, widerspricht dem Grundsatz der Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz. Die Würde des Menschen ist bedingungsund voraussetzungslos jedem Menschen eigen und nicht von der biologisch-genetischen Teilhabe an der "Volksgemeinschaft" abhängig (Art. 1 GG). (Vgl. http://www.verfassungsschutz.bayern.de/rechtsextremismus/ definition/ideologie/rassismus/index.html, abgerufen im Mai 2019.) ... heißt soviel wie "Rückeroberung". Der Begriff steht symbolisch für Reconquista die Wiedergewinnung der iberischen Halbinsel durch die Nachfahren der Westgoten. Muslimische Eroberer nahmen im frühen Mittelalter Anfang des 8. Jahrhunderts die iberische Halbinsel ein und zerschlugen das westgotische Reich. Kurz danach formten sich neue Kräfte, die bis 1492 die iberische Halbinsel "zurückeroberten". (Vgl. http://www.enforex.com/spanisch/kultur/reconquista.html, hier die komplette Fassung des oben gekürzten Glossareintrags, abgerufen im Mai 2019.) ... ist ein getarnter nachrichtendienstlicher Stützpunkt im OperatiResidentur onsgebiet. Befindet sich der Stützpunkt in einer offiziellen oder halboffiziellen Vertretung (zum Beispiel Botschaft, Handelsvertretung) spricht man von einer Legalresidentur. Hiervon zu unterscheiden ist eine illegale Residentur, die aus einer Gruppe von konspirativ arbeitenden Agenten besteht. (Vgl. http://www.verfassungsschutz.de/de/service/glossar/_lR, abgerufen im Mai 2019.) Der das Bestreben nach einer kritischen Überprüfung von ErkenntRevisionismus, nissen beschreibende Begriff Revisionismus wird von Rechtsextrerechtsextremistischer misten zur Umdeutung der Vergangenheit verwendet. Ihnen geht es dabei nicht um eine wissenschaftlich objektive Erforschung der Geschichte, sondern um die Manipulation des Geschichtsbilds, um insbesondere den Nationalsozialismus in einem günstigen Licht erscheinen zu lassen. Man kann unterscheiden zwischen einem Revisionismus im engeren Sinn, der den Holocaust leugnet, und einem Revisionismus im weiteren Sinn, der etwa die deutsche Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges bestreitet. Der zeitgeschichtliche Revisionismus bedient sich unterschiedlicher Aussagen und Methoden. So beinhaltet die Leugnung des Holocaust, das Ausmaß der Ermordung von Millionen europäischer Juden durch das natioHessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 269 GLOSSAR nalsozialistische Regime zu verharmlosen oder sogar abzustreiten. Dabei werden vorhandene Dokumente auf unseriöse Weise fehlinterpretiert oder fadenscheinige Vorwände zur Leugnung der Ereignisse gesucht. Forschungsergebnisse seriöser Historiker, die eindeutig belegen, dass die "Endlösung der Judenfrage" unzweifelhaft stattgefunden hat, werden durch rechtsextremistische Revisionisten bewusst ignoriert. (Vgl. http://www.verfassungsschutz.de/de/service/glossar/_lR, abgerufen im Mai 2019.) Scharia ... ist das religiös begründete, auf Offenbarung zurückgeführte Recht des Islam. Es regelt nicht nur Rechtsfragen (zum Beispiel Eheoder Strafrecht), sondern enthält der Idee nach die Gesamtheit der aus der Offenbarung zu gewinnenden Normen für das Handeln des Menschen im Verhältnis zu Gott und zu den Mitmenschen. Nach traditioneller, heute jedoch nicht mehr von allen Muslimen geteilter Überzeugung ist die Verwirklichung der Scharia ein zentraler, unverzichtbarer Bestandteil der islamischen Religion. (Vgl. Der Brockhaus. Religionen. Glauben, Riten, Heilige. Hrsg. v. d. Lexikonredaktion des Verlags F. A. Brockhaus, Mannheim. Leipzig u. Mannheim 2004, S. 289.) Schulhof-cd NPD und JN nutzten in den letzten Jahren zunehmend das Propagandapotenzial von Musik-CDs, sogenannte Schulhof-CDs, für ihre Wahlkampfund Rekrutierungszwecke und produzierten verschiedene eigene Tonträger. In der Folge kamen anlässlich einzelner überregionaler Wahlen (Bundestagsund Landtagswahlen) solche CDs bundesweit zur Verteilung. Die Initiatoren des "Projekts Schulhof" setzten gezielt auf die Wirkung der Musik, mit der sie das Interesse an der rechtsextremistischen Szene wecken und ihre Ideologie an Jugendliche und Heranwachsende herantragen wollten, um der Verbreitung rechtsextremistischen Gedankenguts Vorschub zu leisten. (Vgl. http://www.verfassungsschutz-bw.de/,Lde/Startseite/ Arbeitsfelder/Neue+Schulhof_CD+der+JN+indiziert, hier die komplette Fassung des oben gekürzten Glossareintrags, abgerufen im Mai 2019.) Schwarzer Block ..., das heißt vermummte Aktivisten in einheitlicher Kampf ausrüstung, ist eine Aktionsform, die ursprünglich im linksextremistischen autonomen Spektrum entwickelt wurde und vor allem bei Demonstrationen angewandt wird. Der schwarze Block ist keine zentral organisierte und koordinierte Organisationsform, sondern ein punktueller Zusammenschluss gewaltorientierter Linksextremisten. Ziel dieses Auftretens ist die erschwerte Zuordnung von Strafund Gewalttaten zu Einzelpersonen durch die Polizei. Jeder schwarze Block enthält jedoch ein einzelfallbezogenes, spezifisch bestimmendes Gewaltpotenzial, das sich je nach Lageentwicklung dynamisch und auch kurzfristig noch verändern kann. Wenngleich der schwarze Block überwiegend ein Ausdruck linksextremistischer Massen270 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 GLOSSAR militanz (Straßenkrawalle im Rahmen von Demonstrationen) ist, schließt die Teilnahme eines schwarzen Blocks an einer Demonstration keinesfalls einen friedlichen Demonstrationsverlauf aus. Seit einigen Jahren ist die Aktionsform des schwarzen Blocks auch bei den rechtsextremistischen Autonomen Nationalisten zu beobachten. (Vgl. http://www.verfassungsschutz.de/de/service/glossar/_lS, abgerufen im Mai 2019.) ...sind linksextremistische autonome Zentren, denen häufig Info"Selbstverwaltete freiräume" läden angeschlossen sind. Hier finden unter anderem Gruppentreffen, Vorträge und Mobilisierungsveranstaltungen vor Demonstrationen statt. Meist von einer Vielzahl von Gruppen und Einzelpersonen frequentiert, sind sie zudem ein Ort der Vernetzung der Szene. Darüber hinaus stellen solche Räumlichkeiten den meist nur locker organisierten autonomen Gruppen eine Infrastruktur für deren politische Arbeit zur Verfügung. Hier können benötigte Informationen aus Archiven beschafft werden und es existiert eine umfangreiche Büroausstattung. Infoläden dienen außerdem häufig als Postadressen für konspirativ agierende Gruppen. ... als Begriff kommt vom lateinischen Wort separare (dt. trennen) und Separatismus beschreibt die Absicht eines Teils der Bevölkerung, sich von dem Staat, in dem er lebt, zu trennen und einen eigenen Staat zu gründen. Manchmal wollen sich Separatisten nicht nur vom eigenen Staat trennen, sondern sie wollen sich auch einem anderen Staat anschließen. (Vgl. http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/das-junge-politiklexikon/210464/separatismus-sezession, abgerufen im Mai 2019.) Die Verfassungsschutzbehörden haben auch die Aufgabe, bei der Sicherheitsüberprüfung Sicherheitsüberprüfung von Personen mitzuwirken, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Informationen anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, oder die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen. (Vgl. http://www.verfassungsschutz.de/de/service/glossar/_lS, abgerufen im Mai 2018.) ... ist die Übertragung der von Charles Darwin (1809 bis 1882) beSozialdarwinismus schriebenen Mechanismen der "Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl" auf Sozialbeziehungen des Menschen. Insbesondere Herbert Spencer (1820 bis 1903), der auch die Formel vom "Überleben der Tüchtigsten" (engl. survival of the fittest) prägte, legt die Grundsteine des Sozialdarwinismus. Letzterer geht davon aus, dass eine übergroße Population nur diejenigen überleben lässt, die sich im "Kampf ums Dasein" überlegen zeigen. Selektion ist damit der Motor jeden Fortschritts. Bejahung umfassender sozialer Auslese und Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 271 GLOSSAR Legitimation der vorhandenen gesellschaftlichen Ungleichheiten leitet der Sozialdarwinismus aus dieser Biologisierung sozialer Verhältnisse ab. Als rational kann danach nur eine Politik gelten, die den schon vorhandenen Selektionsdruck ungehindert walten lässt, bzw. noch verstärkt. Wirkungsmächtig wurden sozialdarwinistische Konzepte vor allem im ausgehenden 19. und im 20. Jahrhundert. In diesem Zusammenhang ist auf zwei folgenreiche Ausformungen hinzuweisen. So greifen Rassenlehren Kampfsemantik und Ausmerzungsvokabular des Sozialdarwinismus auf. Er diente zur Begründung des kolonialistischen Ausgreifens europäischer Staaten und der USA. Binnengesellschaftlich entwickelt sich eine sozialdarwinistische Eugenik, die in der Existenz von körperlich und geistig "Minderwertigen" eine Bedrohung für den "Überlebenskampf" der jeweiligen Gesellschaft, des "Volkes", sieht. Faschismus und Nationalsozialismus griffen diese Ideen auf und legitimierten mit den wissenschaftlich unhaltbaren Vereinfachungen des Sozialdarwinismus ihre Ausrottungspolitik. (Vgl. https://www.spektrum.de/lexikon/philosophie/ sozialdarwinismus/19 03, hier die komplette Fassung des oben gekürzten Glossareintrags, abgerufen im Mai 2019.) Sunna ... ist die Gesamtheit der vom Propheten Mohammed überlieferten Aussprüche, Entscheidungen und Verhaltensweisen. Die Sunna ist neben dem Koran eine der Hauptquellen des islamischen Rechts. Die Muslime, die sich an die Sunna halten, werden Sunniten genannt. Die Schiiten haben ihre eigene Sunna, die auf einer gesonderten, auf Ali und seine Angehörigen zurückgeführten, Tradition beruht. (Vgl. Der Brockhaus. Religionen. Glauben, Riten, Heilige. Hrsg. v. d. Lexikonredaktion des Verlags F. A. Brockhaus, Mannheim. Leipzig u. Mannheim 2004, S. 618.) terrororganisation ... ist eine Gruppe von mehr als zwei Personen, die es sich zum Ziel gesetzt hat, zur Erreichung ihrer politischen, religiösen oder sozialen Ziele terroristische Straftaten zu begehen. Dies können Anschläge auf Leib, Leben und Eigentum anderer Menschen, aber auch andere schwere Straftaten sein, die in SS 129a Abs. 1 und 2 StGB genannt sind. trennungsgebot ... gibt eine organisatorische Trennung von Verfassungsschutz und Polizei vor. Dies ist für das LfV Hessen in SS 1 Abs. 1 HVSG geregelt. Eine solche Trennung verbietet jedoch nicht den Informationsaustausch zwischen Verfassungsschutz und Polizei. Dieser ist vielmehr notwendig, um trotz der Trennung effektiv arbeiten zu können. Nur durch eine Vernetzung von Nachrichtendiensten und Polizeibehörden ist es möglich, die in der jeweiligen Sphäre gewonnenen Erkenntnisse auszutauschen und zu analysieren. (Vgl. https://www.verfassungsschutz.de/de/service/glossar/_lT, abgerufen im Mai 2019.) 272 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 GLOSSAR ... ist eine politisch-ideologische Richtung, die auf Leo Trotzki (1879 trotzkismus bis 1940), einen der Hauptakteure der russischen Oktoberrevolution 1917, zurückgeht. Ziele der Trotzkisten sind eine "permanente Revolution" und die "Diktatur des Proletariats" unter ihrer Führung. Trotzkistische Parteien stehen abseits von den übrigen kommunistischen Parteien. Um dennoch über ihre engen Zirkel hinaus Einfluss zu gewinnen, bedienen sich Trotzkisten der Methode des gezielten Unterwanderns (Entrismus). (Vgl. http://www.verfassungsschutz.brandenburg.de/cms/detail.php /lbm1.c.336513.de, abgerufen im Mai 2019.) Rechtsextremistische Ausländerorganisationen sind nationalistisch Ülkücü-Bewegung geprägt und messen der eigenen Volksgruppe einen höheren Stellenwert zu als anderen Ethnien. Ihrer Ideologie liegt ein übersteigertes Nationalbewusstsein zugrunde. Das Menschenbild solcher Gruppierungen ist stark von rassistischem Gedankengut beeinflusst. Zu diesem Spektrum gehört unter anderem die rechtsextremistische türkische Ülkücü-Bewegung, die in der Mitte des 20. Jahrhunderts in der Türkei entstand. Ziel der Ülkücü-Bewegung ist der Schutz des Türkentums sowie die Errichtung von "Turan", einem (fiktiven) ethnisch homogenen Staat unter Führung der Türken, der die Siedlungsgebiete der Turkvölker umfasst und - je nach ideologischer Lesart - vom Balkan bis nach Westchina oder sogar Japan reicht. (Vgl. https://www.verfassungsschutz.de/de/arbeitsfelder/ af-auslaenderextremismus-ohne-islamismus/was-istauslaenderextremismus/rechtsextremistische-tuerken, hier die komplette Fassung des oben gekürzten Glossareintrags, abgerufen im Mai 2019.) ... bezeichnet allgemein die Gemeinschaft der Muslime. umma ... ist nach Art. 9 Abs. 2 GG möglich, wenn der Zweck oder die TätigVereinsverbot keit des Vereins den Strafgesetzen zuwiderläuft oder sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Erst wenn dies durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, wird nach SS 3 Abs. 1 Vereinsgesetz der Verein als verboten behandelt. Ein Vereinsverbot wird durch den Landesbzw. Bundesinnenminister erlassen. (Vgl. http://www.verfassungsschutz.de/de/service/glossar/_lV, abgerufen im Mai 2019.) ... sind laut dem HSÜG im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbeVerschlusssachen dürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse unabhängig von ihrer Darstellungsform. Sie werden entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung eingestuft. Eine Verschlusssache wird entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit in folgender aufsteigender Wichtigkeit eingestuft: VS - Nur für Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 273 GLOSSAR den Dienstgebrauch, VS - Vertraulich, Geheim, Streng Geheim. Die Verschlusssachenanweisung (VS-Anweisung, VSA) für das Land Hessen regelt als Verwaltungsvorschrift den materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen sowie deren Kennzeichnung und Aufbewahrung. Völkischer kollektivismus/ Das rechtsextremistische Motto "Du bist nichts, dein Volk ist alles!" "Volksgemeinschaft" verdeutlicht die Ideologie des völkischen Kollektivismus, die in vielen Ausprägungen rechtsextremistischer Ideologie eine zentrale Rolle spielt. "Volksgemeinschaft" war ein zentraler Begriff im Nationalsozialismus. Nationalsozialisten verstanden darunter eine Schicksalsgemeinschaft, in der die Interessen des Einzelnen bedingungslos der Gemeinschaft der "Volksgenossen" untergeordnet wurden. Das Wohl der so definierten "Volksgemeinschaft" ging allen anderen Interessen vor. Die pauschale Überbewertung der Interessen der "Volksgemeinschaft" zu Lasten der Interessen und Rechte des Einzelnen führt zu einer Aushöhlung der Grundrechte. Daher steht der völkische Kollektivismus im Widerspruch zum Menschenbild des Grundgesetzes, das die Würde jedes einzelnen Menschen und die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit in den Mittelpunkt stellt. Der Staat wird im völkischen Kollektivismus als "ethnisch-rassisch" homogene "Volksgemeinschaft" angesehen. Der vermeintlich einheitliche Wille des Volks soll dabei von staatlichen Führern intuitiv umgesetzt werden. In einem so verstandenen autoritären Staat würden damit wesentliche Kontrollelemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung fehlen, zum Beispiel das Recht des Volks, die Staatsgewalt in Wahlen auszuüben oder das Recht auf Bildung und Ausübung einer Opposition. (Vgl. http://www.verfassungsschutz.bayern.de/rechtsextremismus/ definition/ideologie/voelkischer_kollekivismus/index.html, abgerufen im Mai 2019.) weiße Rose In den Jahren 1942/43 verbreitete die Münchner Gruppe Weiße Rose sechs Flugblätter gegen das nationalsozialistische Regime. Den Kern der Gruppe bildeten die Studenten Hans Scholl (1918 bis 1943) und Sophie Scholl (1921 bis 1943), Alexander Schmorell (1917 bis 1943), Christoph Probst (1919 bis 1943), Willi Graf (1918 bis 1943) und der Professor Kurt Huber (1893 bis 1943). Weitere Studenten, Schüler, Lehrer, Professoren, Ärzte, Schriftsteller und Buchhändler hatten losen Kontakt zur Weißen Rose. In einer ersten Aktionsphase im Juni/Juli 1942 veröffentlichte die Gruppe vier "Flugblätter der Weißen Rose" in einer Auflage von jeweils etwa 100 Exemplaren. Verteilt wurden diese Flugblätter an einen kleinen Kreis ausgesuchter Adressaten, von denen die meisten Akademiker in München und Umgebung waren. Im Januar 1943 entstand ein fünftes Flugblatt. Es erschien in einer Auflage von 6.000 bis 9.000 und tauchte in mehreren Städten Süddeutschlands und in Österreich auf. Ab Februar 1943 unternahm die Gruppe nächtliche Aktionen, bei denen sie verschiedene Gebäude in München mit Parolen wie "Nieder mit Hitler", "Hitler 274 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 GLOSSAR Massenmörder" und "Freiheit" beschrifteten. Ebenfalls im Februar 1943 entstand das sechste Flugblatt der Gruppe. Es richtete sich an die Münchner Studentenschaft und forderte vor dem Hintergrund der Schlacht um Stalingrad dazu auf, sich vom nationalsozialistischen System zu befreien. Bei der Verteilung dieses Flugblatts wurden die Geschwister Scholl am 18. Februar 1943 in der Münchner Universität beobachtet und verhaftet. Sie wurden am 22. Februar zusammen mit Christoph Probst vom Volksgerichtshof unter dessen Präsidenten Roland Freisler (1893 bis 1945) zum Tode verurteilt und noch am selben Tag hingerichtet. In einem weiteren Prozess wurden Graf, Schmorell und Huber am 19. April 1943 ebenfalls zum Tode verurteilt; auch sie wurden hingerichtet. Bis Mitte Oktober 1944 fanden noch fünf Prozesse statt, bei denen Freiheitsstrafen bis zu zwölf Jahren ausgesprochen wurden. (Vgl. https://www.dhm.de/lemo/kapitel/der-zweiteweltkrieg/ widerstand-gegen-den-nationalsozialismus/weisserose.html, abgerufen im Mai 2019.) Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 275 EXTREMISTISCHE ORGANISATIONEN eXtReMIStIScHe oRganISatIonen und gRuPPIeRungen In der unten stehenden Übersicht sind die in diesem Verfassungsschutzbericht genannten organisationen und gruppierungen aufgeführt, bei denen die hier bekannten Bestrebungen und tätigkeiten nach SS 2 abs. 2 HVSg oder tatsächliche anhaltspunkte hierfür in ihrer gesamtschau zu der Bewertung geführt haben, dass die organisation/gruppierung extremistische Ziele verfolgt, es sich mithin um eine extremistische organisation/gruppierung handelt. organisationen/gruppierungen aus den Phänomenbereichen organisierte kriminalität und Spionageabwehr wurden nicht in die Übersicht aufgenommen. Rechtsextremismus Nationale Sozialisten Main-Kinzig (NSMK) Berserker Pforzheim - Ortsgruppe Lahn-Dill Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) Club H5 Randgruppe Deutsch Combat 18 Deutschland (C 18 Deutschland) Revolution Chemnitz Der Dritte Weg/Der III. Weg Thule Seminar e. V. DIE RECHTE Wiking-Jugend Faust Freier Widerstand Hessen Reichsbürger und (FWH) Selbstverwalter Freies Netz Süd (FSN) Exilregierung Deutsches Reich Gruppe Freital Identitäre Bewegung Hessen Linksextremismus (IBH) antifaschistische Gruppe 5 Junge Nationalisten (JN) (ag5) Kameradschaft Aryans Antifaschistisches Kollektiv 069 (AK.069) Kategorie C - Hungrige Wölfe Antifaschistisches Kollektiv racNahkampf coons (ak raccoons) Nationaldemokratische Partei Antifa R4 Deutschlands (NPD) 276 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 EXTREMISTISCHE ORGANISATIONEN Antifaschistische Revolutionäre Islamismus Aktion Gießen (A.R.A.G.) Dar al Salem e. V. Antifa United Frankfurt (AUF) Erbakan Vakfi Hessen (ErbakanBündnis antifaschistischer Stiftung) Strukturen Hessen (B.A.S.H.) Europäisches Institut für HuDeutsche Kommunistische Parmanwissenschaften in tei (DKP) Deutschland e. V. (EIHW) d.i.s.s.i.d.e.n.t. Marburg Föderation Islamischer Organisationen in Europa (FIOE) d.o.r.n. Harakat al-Shabab al-Mujahidin Freie Arbeiterinnenund Ar(al-Shabab, Bewegung der Mubeiter-Union (FAU) jahidin-Jugend) Interventionistische Linke (IL) Hizb ut-Tahrir (HuT, Partei der Befreiung) Interventionistische Linke Darmstadt (IL Darmstadt) Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V. (IGD) Interventionistische Linke Frankfurt (IL Frankfurt) Teilstrukturen der Islamischen Gemeinschaft Milli-Görüs e. V. kritik&praxis - radikale Linke (IGMG) [f]rankfurt Islamischer Staat (IS) Marxistisch-Leninistische Partei Deutschland (MLPD) Ismail Aga Cemaati (IAC) REBELL MillA(r) Gazete (Nationale Zeitung) Revolution (REVO) Hessen Milli-Görüs-Bewegung Rote Hilfe e. V. (RH) Muslimbruderschaft (MB) siempre*antifa Frankfurt/M Rat der Imame und Gelehrten Sozialistische Alternative (SAV) e. V. (RIG) Sozialistische Deutsche ArbeiRealität Islam (RI) terjugend (SDAJ) Saadet Partisi (SP, Partei der T.A.S.K. Glückseligkeit) ...umsGanze! (uG) Türkische Hiszbullah (TH) "We-Love-Muhammad"-Projekt Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 277 EXTREMISTISCHE ORGANISATIONEN extremismus mit Partiya YekA(r)tiya Demokrat (PYD, auslandsbezug Partei der Demokratischen Union) Ciwanen Azad (Freie Jugend) Tevgera Ciwanen Soresger Devrimci Halk Kurtulus Partisi(TCS, Bewegung der revolutioCephesi (DHKP-C, Revolutionären Jugend) näre VolksbefreiungsparteiFront) Teyrebazen Azadiya Kurdistan (TAK, Freiheitsfalken KurdisGrup Yorum tans) Heyva Sor a Kurdistane (HSK, Yekineyen Parastina Gel (YPG, Kurdischer Roter Halbmond) Volksverteidigungseinheiten) Jinen Ciwanen Azad (BeweYekineyen Parastina Jin (YPJ, gung junger Frauen) Frauenverteidigungseinheiten) Jinen Xwendekar en Kurdistan Yekitiya Xwendekaren Kurdis(JXK, Studierende Frauen aus tan (YXK, Verband der StudieKurdistan) renden aus Kurdistan) Koma Civaken Kurdistan (KCK, Yeni Özgür Politika (YÖP, Neue Gemeinschaft der Kommunen Freie Politik) Kurdistans) Young Struggle Kongreya Civaken Demokratik a Kurdistaniyen Ewrupa (KCDKE, Kurdischer Demokratischer Gesellschaftskongress in Europa) KoordA(r)nasyona Civaka DemokratA(r)k a Kurdistan (CDK, Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft) Mesopotamisches Kulturzentrum e. V. Navenda Civaka DemokratA(r)k ya Kurden li Almanyaye (NAVDEM, Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e. V.) Partiya Careseriya Demokratik a Kurdistane (PCDK, Partei für eine politische Lösung in Kurdistan) Partiya Jiyana Azad a Kurdistane (PJAK, Partei für ein freies Leben in Kurdistan) Partiya Karkeren Kurdistan (PKK, Arbeiterpartei Kurdistans) 278 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 REGISTER REGISTER A Apfel, Holger 90 Böhnhardt, Uwe 107 Adalet ve Kalkinma Partisi (AKP, Apoistische Jugendinitiative 203 Boxclubs (BC) 63, 224 Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung) Ariadne 79 Brandenburg 90 185, 199, 200, 229 Armstroff, Klaus 94, 95 Bremen 89, 132 Afghanistan 238 Aryans s. Kameradschaft Aryans Brenner, Hans Peter 141 African Mission in Somalia (AMISOM) 193 as-Sadat, Anwar 178 Brück, Michael 101 Afrikanische Union (AU) 193 Autonome 37, 47, 54, 55, 56, 121, Brüssel (Belgien) 180, 206 122, 123, 124-139, 148, 202, Afrin (Syrien) 61, 198, 199, 200, 201, 202 Buchara (Usbekistan) 185 254, 255, 256, 266, 270, 271 Ägypten 175, 176, 178, 179 Budapest (Ungarn) 97 Autonome Region Kurdistan 208 Ahnenrad der Moderne 79 Bundesamt für Migration und Avrupa Milli Görüs Teskilatlari Flüchtlinge (BAMF) 32, 35, 59, 194 al-Assad, Baschar 87, 156 (AMGT, Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e. V.) Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) al-Banna, Hasan 178, 179 184, 185 19, 21, 25, 33, 34, 37, 243, 265 al-Ikhwan al-Muslimum fi Suriya Avrupa Türk Konfederasyon (ATK, Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhr(Muslimbruderschaft von Syrien) 175 Türkische Konföderation in Europa) 214 kontrolle (BAFA) al-Nahda 175 34, 35, 231 Avrupa Türkiyeli Isciler Konfederasyonu al-Qaida 157, 193 (ATIK, Konföderation der Arbeiter Bundeskriminalamt (BKA) 21, 32, 33, 34 der Türkei in Europa) 146 al-Qaradawi, Yusuf 180 BundesnachrichtenAzov-Bataillon 95 dienst (BND) 32, 33, 34, 35, 265 al-Qassam, Izz al-Din 189 Azov-Bewegung 97 Bundespolizei (BPol) 32, 33, 34 al-Rashta, Ata Abu (alias Abu Yasin) 171 B Bündnis antifaschistischer al-Wahhab, Muhammad Ibn Abd 164 Strukturen Hessen (B.A.S.H.) 138, 277 Baden-Württemberg 89, 98, 103 Algerien 228 Bündnis für Frieden in Afrin 202 Badi, Muhammad 175, 179 Altenstadt (Wetteraukreis) 83 Bündnis für Demokratie und Bahrein 256 Alternative für Deutschland (AfD) Frieden in Afrin 200 54, 126, 127, 128, 138 Bandelow, Prof. Dr. Borwin 41 Bündnis gegen Krieg Amsterdam (Niederlande) 160 Batman (Türkei) 190 und Imperialismus 87 an-Nabhani, Taqui ad-Din 172 Bayern 89, 97, 119, 132, 179, 261 C an-Nuqrashi, Mahmud Fahmi 178 Belgien 58, 160, 180, 192, 206, 256 Cafe ExZess 54, 57, 137, 146 Ankara (Türkei) 209 Bensheim (Kreis Bergstraße) 212 Cafe KoZ 54, 137 Anti-IS-Koalition 6, 58,154, 155, beratungsNetzwerk hessen - Carcassonne (Frankreich) 159 158, 159, 256 Mobile Intervention gegen Cayir, Nusret 182, 188 Rechtsextremismus 39 Antideutsche 135, 136 Centro 54, 137 Beratungsstelle Hessen - Religiöse Antifa United Frankfurt (AUF) 137, 277 Toleranz statt Extremismus 39 Chemnitz (Sachsen) 52, 95, 96, 100, 108 antifaschistische Bergisch-Gladbach China 63, 122,141, 155, 226, gruppe 5 (ag5) 137, 246, 276 (Nordrhein-Westfalen) 207 227, 228, 238, 264, 273 Antifaschistische Revolutionäre Berlin 31, 32, 42, 74, 148, 174, 200 Christlich Demokratische Aktion Gießen (A.R.A.G.) 127,137, Union Deutschlands (CDU) 89, 201, 202 202, 246, 277 Berserker Pforzheim - Ortsgruppe Lahn-Dill 76, 77, 276 Ciwanen Azad (Freie Jugend) Antifaschistisches 61, 195, 200, 202, 207, 208, 210 Kollektiv 069 (AK.069) 137, 276 Beuth, Peter 41 212, 213, 278 Antiimperialisten 133, 135, 136, 256 Bloc Identitaire - Club H5 49, 102, 103, 105, 276 Le mouvement social europeen 71 Antinationale 133, 135, 136, 137 Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 279 REGISTER Cocuk (Kind) 188 Dortmund (Nordrhein-Westfalen) 142 Federalnaja Slushba Besopasnosti (FSB, Föderaler Dienst für Sicherheit der Combat 18 Deutschland Dresden (Sachsen) 70, 97, 108 Russischen Föderation) 229 (C 18 Deutschland) 76, 77, 78, 276 Dubai (Vereinigte Arabische Emirate) 177 Fiedler, Jean-Christoph 93 Committee for a Dugin, Alexander 74 Workers' International 147 Firatnews Agency (ANF) 199, 210 Duma (Syrien) 87 Community for all - solidarische Fiß, Daniel 68 Gemeinschaft statt Abschiebegefängnis E Fischer, Matthias 95, 96 131 Ebert, Friedrich 14 Florstadt (Wetteraukreis) 6, 156 Courage 145 Ebner, Julia 41 Föderation Deutschsprachiger D Anarchisten (FdA) 202 Elazig Bingöl Kültür ve Dayanisma d.i.s.s.i.d.e.n.t. Marburg 125, 137, 277 Dernegi-Vahdet e. V. 188 Föderation Islamischer d.o.r.n. 125, 277 Engels, Friedrich 122, 265 Organisationen in Europa (FIOE) 180, 277 Dänemark 256 England 77 Frankfurt am Main 49, 54, 55, 56, 57, 58, Dar al Salem e. V. Marburg 161, 162, 277 Erbakan Vakfi 62, 63, 69, 70, 72, 75, 84, 125, 127, 128, (Erbakan-Stiftung) 182, 186, 187, 277 129, 130, 131, 132, 137, 141, 142, 144, Darmstadt 54, 56, 62, 75, 84, 97, 125, 127, 128, 131, 137, 140, Erbakan, Fatih 187 145, 146, 147, 148, 156, 162, 172, 174, 142, 144, 145, 172, 201, 204, 205, 180, 184, 187, 201, 202, 203, 204, 205, 212, 214, 215 Erbakan, Necmettin 207, 208, 212, 214, 215, 227, 256 182, 183, 184, 185, 186, 187 Darwin, Charles 271 Frankreich 58, 71, 87, 159, 160, Erfurt (Thüringen) 79 180, 192, 264 Deckert, Günter 86, 90 Eschborn (Main-Taunus-Kreis) 143 Franz, Frank 82, 86, 90 Demirci, Adil 147 Eschwege (Werra-Meißner-Kreis) 6, 84, 155 Freie Arbeiterinnenund Demokratisches Gesellschaftszentrum der Arbeiter-Union (FAU) 123, 254, 277 KurdInnen und Kurden Darmstadt e. V. Europäische Moscheebau und Unterstüt145 zungsgemeinschaft (EMUG) 185 Freier Widerstand Hessen (FWH) 76, 78, 101, 276 Der Dritte Weg/Der III. Weg Europäische Zentralbank (EZB) 148, 256 51, 52, 67,78, 94-100, 261, 276 Freies Netz Süd (FNS) 94 Europäisches Institut für HumanwissenDeutsche Bank 201 schaften in Deutschland e. V. (EIHW) Freital (Sachsen) 108 176, 177, 180, 181, 277 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Friedberg (Wetteraukreis) 86, 156 56, 122, 139, 140-142, 143, 202, 277 European Coucil for Fatwa and Research (ECFR, Europäischer Rat für Fatwa und ForFulda (Landkreis Fulda) 72, 84, 86, 97, 215 Deutsche Muslimische Gemeinschaft e. V. schung) 177, 180 G (DMG) 60, 176, 180, 181 European Institute of Human Sciences Gemeinsames Deutsche Stimme (DS) 82 (EIHS, Europäisches Institut für Internetzentrum (GIZ) 32, 33 Humanwissenschaften) 180 Deutsche Volksunion (DVU) 101 Gemeinsames Extremismusund Euskadi Ta Askatasuna (ETA) 197 Terrorismusabwehrzentrum Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi (DHKP-C, Revolutionäre VolksbefreiungsEvola, Julius 74 (GETZ) 32, 33, 34 partei-Front) 62, 195, 214-218, 278 Exilregierung Deutsches Reich 115, 276 Gemeinsames TerrorismusDevrimci Sol (Dev Sol, abwehrzentrum (GTAZ) 32, 33, 34 Revolutionäre Linke) 214, 216 F Generalbundesanwaltschaft DIE LINKE. 147, 148 Fair Play Forum 36, 39 (GBA) 32, 33, 34 DIE RECHTE 50, 67, 78, 79, 80, Fakultet za islamske studije Generalstaatsanwaltschaft 101, 102, 117, 276 (Faculty of Islamic Studies) 176 Frankfurt am Main 7, 35, 156 Die Wahre Religion (DWR) 264 Falun Gong 228 Generalstaatsanwaltschaft München 77 Diehl, Jörg 42 Fatwa-Ausschuss in Deutschland Generalzolldirektion (GZD) 32, 33, 34 176, 177, 181 Diyarbakir (Türkei) 190 Generation Identitaire (GI) 71 Faust 102, 105, 276 Dogru Haber (Wahre Nachricht) 188, 192 Georgensgemünd (Bayern) 119 Fazilet Partisi (FP, Tugendpartei) 185 280 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 REGISTER Gießen (Landkreis Gießen) 54, 75, 84, Hessisches Extremismusund TerrorismusInter-ventionistische Linke Darmstadt 87, 110, 125, 137, 140, 142, 144, 145, Abwehrzentrum (HETAZ) 7, 28, 30, 31, 35 (IL Darmstadt) 125, 127,128, 131, 137 202, 212, 223 Hessisches Informationsund KompetenzInterventionistische Linke Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije zentrum gegen Extremismus Frankfurt (IL Frankfurt) 125, 137, 138 (GRU, Hauptverwaltung beim Generalstab (HKE) 39, 40 Ädegnzar (Warnung) 188, 189 der Streitkräfte der Russischen Föderation) Hessisches Präventionsnetzwerk 229 Irak 58, 154, 157, 158, 206, 210, gegen Salafismus 39 211, 228, 238, 264 Goebbels, Dr. Joseph 15, 17, 52 Heß, Rudolf 261 Iran 63, 188, 210, 211, 227, 230, 231 Göppner, Christian 101 Heyva Sor a Kurdistane (HSK, Islamische Gemeinschaft Götschenberg, Michael 42 Kurdischer Roter Halbmond) 212, 278 in Süddeutschland e. V. 179 Graue Wölfe 200 Hezen Parastina Gel (HPG, Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V. Volksverteidigungseinheiten) 198 Groß-Gerau (Kreis Groß-Gerau) (IGMG) 182, 185, 186, 187, 277 60, 84, 85, 95 Hilfsorganisation für nationale politische Islamische Gemeinschaft in Deutschland Gefangene und deren Angehörige e. V. Großbritannien 18, 58, 70, 87, e. V. (IGD) 60, 175-181, 277 (HNG) 81 147, 155, 180, 189, 256 Islamische Union Hindenburg, Paul von 14, 15, 17 Großkrotzenburg (Main-Kinzig-Kreis) 182 Europa e. V. (IUE) 184, 185 Hitler, Adolf 15, 16, 17, 77, 79, 80, 255, Grup Yorum 62, 63, 214, 215, 216, Islamischer Staat (IS) 6, 47, 57, 58, 259, 260, 261, 266, 275 217, 218, 278 59, 154, 155, 157, 158, 159, Hizb al-Hurriya wal-Adala (Partei der 160, 170, 193, 205, 249, 256, 277 Gruppe Freital 108, 276 Freiheit und Gerechtigkeit) 178 Ismail Aga Cemaati (IAC) 182, 184, Gümüs, Bilal 161 Hizb Allah (Partei Gottes) 188 185, 186, 187, 188, 277 H Hizb ut-Tahrir (HuT, Partei der Israel 95, 135, 136, 137, 153, 172, Hagen (Nordrhein-Westfalen) 176 Befreiung) 60, 171-175, 277 173, 175, 180, 189, 191, 257 Halle/Saale (Sachsen-Anhalt) 18, 79 Hochtaunuskreis 176 Italien 63, 72, 188, 192, 222, 224, 254, 266 Hambacher Forst 131 I J Hamburg 11, 47, 55, 57, 62, 125, 126, Identitäre Bewegung (IB) 10, 49, 66, 67, 128,129, 138, 146, 148, 174, 214, 217 68, 71, 72 Jagsch, Stefan 83, 92 Hanau (Main-Kinzig-Kreis) 40, 60, 86, Identitäre Bewegung Japan 263 129, 172, 183, 187, 212 Deutschland (IBD) 49, 68-76 Jerusalem (Israel) 172 Hanbal, Ahmad Ibn 164 Identitäre Bewegung Jinen Ciwanen Azad Hessen (IBH) 49, 68-76, 276 Hannover (Niedersachsen) 89, 201 (Bewegung junger Frauen) 212, 278 Identitäre Bewegung Deutschland e. V. 72 Hantusch, Thassilo 87, 93 Jinen Xwendekar en Kurdistan (JXK, StuIdentitäre Bewegung Österreich (IBÖ) 71 dierende Frauen aus Kurdistan) 212, 278 Harakat Ahrar al-Sham al-Islamya/Ahrar al-Sham (Islamische Bewegung der Freien Identitärer Aktivist 68, 71 Jordanien 172, 179, 256 Männer Großsyriens) 156 Idstein (Rheingau-Taunus-Kreis) 97 Julmond 78 Harakat al-Muqawama al-Islamiya Ilim-Gruppe 190 Junge Nationalisten (JN) 51, 86-89, (HAMAS, Islamische Widerstands93, 270, 276 bewegung) 175, 191 Imrali (Türkei) 209, 211 Harakat al-Shabab al-Mujahidin (alInstitut Europeen des Sciences Humaines K Shabab, Bewegung der (IESH, Europäisches Institut für HumanKalabrien 224 Mujahidin-Jugend) 193, 277 wissenschaften) 180 Kameradschaft Aryans 50, 76, 78, 79, 276 Heidelberg (Baden-Württemberg) 98 Internationale Marxistische Tendenz Gießen 202 Kanada 256 Helge, Ingo 83, 92 Internationalistisches Bündnis Gießen 202 Kaplan, Ayten 199 Hells Angels MC 223 Interventionistische Linke (IL) Karatas, Dursun 214 Hessisches Landeskriminalamt (LKA) 7, 35 125, 137, 200, 202, 277 Kassel 54, 56, 61, 62, 75, 79, 85, 110, Hessische Lehrkräfteakademie 38 125, 137, 142, 144, 145, 147, 148, 199, 202, 204, 207, 212, 213, 215 Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 281 REGISTER Kategorie C - kritik&praxis - radikale Linke [f]rankfurt Marburg (Landkreis Marburg-Biedenkopf) Hungrige Wölfe 103, 105, 276 125, 130, 137, 277 49, 54, 69, 70, 75, 101, 102, 125, 131, 137, 142, 162, 180, 202 Kemal Atatürk, Mustafa 184 Krolzig, Sascha 101 Marokko 228 Kenia 203, 209 Kuba 141 Martell, Karl 71 Kiew (Ukraine) 97 "Kurdistan" 56, 139, 144, 198, 203, 208 Martin 103 Kirchheim (Thüringen) 95 L Marx, Karl 122, 142, 148, 263, 265 Kirchheim Lachmann, Daniel 82, 83, 84, 92, 93 (Landkreis Hersfeld-Rotenburg) 176 Marxistisch-Leninistische Partei Lahn-Dill-Kreis 39, 48, 54, 77, 83, 84, Deutschlands (MLPD) 56, 122, 139, Klapperfeld 54, 127, 129, 137 86, 87, 93, 98, 99, 102, 103, 144, 145, 202, 277 105, 106, 127 Kobane (Syrien) 205 Mecklenburg-Vorpommern 68, 82, 90 Landkreis Darmstadt-Dieburg 140 Köbele, Patrick 141 Mesopotamisch Kurdisches Landkreis Fulda 72, 86, 97, 215 Kulturzentrum e. V. [in Gießen] 144 Köln (Nordrhein-Westfalen) 34, 58, 147, 155, 180, 184, 200 Landkreis Gießen 54, 75, 87, 89, 110, Mesopotamisches Kulturzentrum e. V. 137, 140, 144, 145, 202, 212, 223 [in Frankfurt am Main] 201, 203, 278 Koma Civaken Kurdistan (KCK, Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans) Landkreis Hersfeld-Rotenburg 176 #Mietenwahnsinn-Hessen 130 210, 278 Landkreis Limburg-Weilburg 89, 98, 99, Mietshäuser Syndikat (MHS) 130 Kommunistische Partei Deutschlands 212 (KPD) 15, 140, 142, 143, 145 MillA(r) Gazete (Nationale Landkreis Marburg-Biedenkopf 49, 54, Zeitung) 182, 183, 186, 187, 277 Kommunistische Partei Chinas (KPCh) 228 69, 75, 97, 131, 137, 162, 180, 202 Milli Istihbarat Teskilati (MIT, Nationale Kommunistische Partei Landkreis Offenbach 210 Nachrichtendienstorganisation) 229 Luxemburgs (KPL) 141 Landkreis Waldeck-Frankenberg MillA(r) Nizam Partisi (MNP, Kompetenzzentrum gegen 41, 56, 142 Nationale Ordnungspartei) 184 Rechtsextremismus (KOREX) 36, 38, 39 Leipzig (Sachsen) 126 Milli-Görüs-Bewegung 60, 151, Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane Lenin s. Uljanow, Wladimir Iljitsch 182-188, 277 (KADEK, Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans) 210 Leun (Lahn-Dill-Kreis) 48, 83, 102, 103, Mogadischu (Somalia) 193 Kongreya Civaken Demokratik a Kurdista105 Molzhain (Rheinland-Pfalz) 176 niyen Ewrupa (KCDK-E, Kurdischer DemoLeverkusen (Nordrhein-Westfalen) 140 Mörfelden-Walldorf (Kreis Groß-Gerau) kratischer Gesellschaftskongress in Libanon 179, 188 60, 140, 171, 172, 174 Europa) 212, 278 Liberation Tigers of Moscheebau-Kommission e. V. 179 Kongreya Gele Kurdistane (KONGRA GEL, Volkskongress Kurdistans) 210 Tamil Eelam (LTTE) 197 Mubarak, Husni 178 Koordinasyona Civaka Demokratik a KurLiege (Belgien) 160 Mucuk, Aygün 223 distan (CDK, Koordination der kurdisch-de"LIES!"-Kampagne 161, 162, 264 mokratischen Gesellschaft) 212, 278 München (Bayern) 16, 41, 52, 56, 57, Limburg (Landkreis 77, 106, 131, 146, 179, 274, 275 Korbach (Landkreis Waldeck-Frankenberg) Limburg-Weilburg) 89, 98, 212 41, 56, 142 Mundlos, Uwe 107 linksjugend ['solid] 202 Mursi, Mohammed 175, 179 Körner, Dr. Burkhard 41 Loewenstein, Karl 18, 19 Muslimbruderschaft (MB) 60, 151, Körper & Geist 95 London (Großbritannien) 41, 147 153, 172, 175-181, 189, 190, 277 Kotku, Mehmet Zaid 185, 186 Luxemburg 116 Mussolini, Benito 254 Krebs, Dr. Pierre 79 M N Kreis Bergstraße 84, 212 Main-Kinzig-Kreis 40, 60, 86, 129, N.S. Heute 103 Kreis Groß-Gerau 60, 95, 140, 144, 172, 182, 183, 187, 212 Nachrichtendienstliche Informationsund 171, 172, 174, 177, 212 Malta 114, 118 Analysestelle (NIAS) 32, 33, 34 Kreymann, Lena 143 Mannheim, Karl 18, 19 Nahkampf 103, 276 282 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 REGISTER Naqshbandi, Baha' ad-Din 185 Osmanen BC 224 Rat der Imame und Gelehrten e. V. (RIG) 180, 181, 277 Naqshbandiya-Bruderschaft 185, 186 Osmanen Frankfurt BC 63, 224 Realität Islam (RI) 60, 171, 172, 173, Nationaldemokratische Partei DeutschOsmanen Germania BC 224 174, 175, 277 lands (NPD) 9, 48, 49, 50, 51, 54, 67, Österreich 71, 72, 116, 188, 192, 82-93, 94, 101, 102, 103, 127, 270, 276 REBELL 144, 277 264, 275 Nationale Sozialisten Main-Kinzig (NSMK) REBELL Gießen 144, 202 Outlaw Motorcycle Gang (OMCG) 223, 224 78, 276 Reichsbürger und Selbstverwalter Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter- P 46, 115-120, 276 partei (NSDAP) 15, 16, 82, 89, 259, Pakistan 230, 231, 238 Reinheim 260, 266 Palästina 135, 172, 173, 175, 189, 257 (Landkreis Darmstadt-Dieburg) 140 Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) Palestine Liberation Organization (PLO, Reuden (Sachsen-Anhalt) 119 21, 47, 52, 56, 107, 108, 131, 276 Palästinensische Befreiungsorganisation) Revolution (REVO) Hessen 202, 277 Navenda Civaka Demokratik ya Kurden li 135 Almanyaye (NAV-DEM, Demokratisches Revolution Chemnitz 108, 276 Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Paris (Frankreich) 6, 160 Deutschland e. V.) 199, 200, 212, 278 Rheingau-Taunus-Kreis 95, 96, 126 Parlamentarische Kontrollkommission 'Ndrangheta 63, 224 Verfassungsschutz (PKV) 22, 26, 27, 28 Rheinland-Pfalz 89, 94, 98, 103, 144, 176, 201, 205, 237 Neonazis 47, 50, 52, 65, 66, 67, 76-82, 87, Partiya Careseriya Demokratik a Kurdistane 90, 93, 94, 101, 104, 105, 126, 261, 263 (PCDK, Partei für eine politische Lösung in Richter, Wera 141 Kurdistan) 210, 278 Netzwerk kommunistische Politik 141 Riesa (Sachsen) 87 Partiya Jiyana Azad a Kurdistane (PJAK, Neu-Isenburg (Kreis Offenbach) 210 Robinson, Tommy 70 Partei für ein freies Leben in Neue Kommunistische Partei der Kurdistan) 210, 278 "Rojava" 202, 210 Niederlande (NCPM) 141 Partiya Karkeren Kurdistan Rote Armee Fraktion (RAF) 145 Niederlande 57, 58, 90, 160, 192, 210 (PKK, Arbeiterpartei Kurdistans) 56, 61, 62, 144, 190, 195, 198-214, Rote Hilfe Deutschlands (RHD) 145 Niedernhausen (Rheingau-Taunus-Kreis) 95 258, 278 Rote Hilfe e. V. (RH) 56, 57, 145-147, 277 Niedersachsen 89, 201 Partiya Yekitiya Demokrat (PYD, Rüsselsheim Partei der Demokratischen Union) (Kreis Groß-Gerau) 144, 172, 177, 212 Nordglanz 102 198, 200, 210, 278 Nordhausen (Thüringen) 97 Russland 229, 238 Pastörs, Udo 90 Nordrhein-Westfalen 48, 58, 60, 72, S Phänomenbereichsübergreifende wissen91, 98, 131, 140, 142, 155, 171, 176, Saadet Partisi (SP, Partei der Glückseligschaftliche Analysestelle Antisemitismus 180, 184, 200, 206, 207, 215 keit) 60, 182, 183, 184, 185, 186, und Fremdenfeindlichkeit (PAAF) North Atlantic Treaty Organization 29, 37, 41 187, 188, 277 (NATO, Organisation des NordatlantikSaarland 82, 91 Poitiers (Frankreich) 71 vertrags) 95, 226 Polizeiliche Informationsund Sachsen 51, 52, 70, 79, 82, 87, 90, Novi Pazar (Serbien) 176 91, 95, 100, 108, 119, 126 Analysestelle (PIAS) 32, 33, 34 NUCE-TV 198, 210 Sachsen-Anhalt 6, 50, 79, 119 Postautonome 125, 133 O Salafisten 57-59, 151, 153, 154-170, 264 Q Ober-Mossau (Odenwaldkreis) 176 Saudi-Arabien 165, 179, 256 Qatar 256 Oberursel (Hochtaunuskreis) 176 Schleswig-Holstein 89 Qutb, Sayyid 178, 179 Öcalan, Abdullah 62, 198, 200, 201, Schmid, Dr. Carlo 17, 18 202, 203, 204, 205, 207, 208, 209, 211, R 212, 213, 258 Rabenau (Landkreis Gießen) 89 Schmitt, Prof. Dr. Carl 74 Odenwaldkreis 176 Racheteam Cekdar Botan 200 Schweiz 161, 188, 192, 264 Offenbach am Main 129, 137, 162, Racheteam SahA(r)d Kawa 202 Serbien 176, 177 172, 212 Serxwebun (Unabhängigkeit) 198, 210 Randgruppe Deutsch 103, 276 Organisierte Kriminalität (OK) siempre*antifa Frankfurt/M 130, 137, 277 24, 26, 29, 45, 221-224, 276 Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 283 REGISTER Skinheadszene, rechtsextremistische Thüringen 50, 90 Vossische Zeitung 20 76, 90, 102, 263 Trebes (Frankreich) 159, 160 W Sleipnir Slushba Wneschnej Raswedki Treburer Wald 131, 132 Wackersdorf (Bayern) 132 (SWR) 229 Trotzki, Leo 263, 273 Wagnitz-Seminar des Hessischen Somalia 193 Ministeriums der Justiz 40 Trotzkisten 124, 147, 273 Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) 89, 201, 202 Wahlrod (Rheinland-Pfalz) 103 Tucholsky, Kurt 19 Sozialistische Weidenthal (Rheinland-Pfalz) 94 Tunesien 175 Alternative (SAV) 140, 147, 148, 277 Weiße Rose 75, 76, 274, 275 Türkei 60, 63, 146, 147, 182, 183, 184, Sozialistische Deutsche 185, 186, 187, 188, 190, 191, 192, 197, Weisse Wölfe Terrorcrew 81 Arbeiterjugend (SDAJ) 56, 139, 142, 198, 199, 201, 202, 203, 209, 210, 211, 143, 277 212, 213, 214, 215, 216, 217, 218, 219, "We-Love-Muhammad"-Projekt 226, 229, 273 59, 161, 162, 169, 277 Sozialistische Reichspartei (SRP) 89 Türkische Hizbullah (TH) 151, 188-192, Werra-Meißner-Kreis 6, 155 Spanien 264 277 Wettenberg (Landkreis Gießen) 110 Sparta 74, 75 Türkische Union Europa e. V. 184 Wetteraukreis 6, 83, 156 Spencer, Herbert 271 Türkiye Komünist Partisi/Marksist-Leninist Wetzlar (Lahn-Dill-Kreis) Sri Lanka 61, 197 (TKP/ML, Türkische Kommunistische 48, 54, 83, 86, 87, 92, 102, 103, 127 Partei/Marxisten-Leninisten) 146 St. Georgen (Baden-Württemberg) 103 Wiesbaden 30, 41, 51, 69, 86, 88, Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main 7, 35 U 89, 96, 101, 126, 128, 144, 145, 188, 189, 192, 201, 202, 212 Ukraine 97, 264 Stalin, Joseph 263 Wiking-Jugend 95, 276 Uljanow, Wladimir Iljitsch 122 Steinmeier, Dr. Frank-Walter 20 Wunsiedel (Bayern) 97, 261 Ülkücü-Bewegung 62, 199, 200, 273 Sterk TV 198, 210 ...umsGanze! (uG) 125, 277 Y Strasbourg (Frankreich) 160 Ungarn 97 Yasin, Abu s. al-Rashta, Ata Abu Sturm 18 e. V. 80, 81 Union Internationale Demokraten (UID) Yekineyen Parastina Gel (YPG, VolksverteidiSubkulturell orientierte gungseinheiten) 199, 200, 202, 278 229 Rechtsextremisten 65, 67, 102-105, 263 unsere Zeit (uz) 142 Yekineyen Parastina Jin (YPJ, FrauenverteiSwing 125 digungseinheiten) 198, 199, 200, 278 Usbekistan 185 Syrian Democratic Forces (SDF, Yekitiya Xwendekaren Kurdistan (YXK, Demokratische Kräfte Syriens) 155, 170 Ustaosmanoglu, Mahmud 185 Verband der Studierenden aus Kurdistan) Syrien 58, 87, 154, 156, 157, 158, 202, 212, 278 V 169, 170, 175, 179, 198, 199, 201, 202, Yeni Özgür Politika (YÖP, Neue Freie Politik) 203, 205, 207, 209, 210, 211, 228, 230, Vahdet Moschee Wiesbaden 188, 189, 198, 208, 210, 214, 278 238, 264 190, 192 Young Struggle 202, 278 T Velioglu, Hüseyin 188, 190 Yürüyüs (Marsch) 214, 216, 218 T.A.S.K. 137, 277 Verein der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifa- Z Taimiya, Taqi al-Din Ahmad Ibn 164 schisten e. V. (VVN-BdA) 141 Zedong, Mao 122, 263, 264 Taiwan 228 Vereinigte Arabische Emirate 177, 256 Zetkin, Clara 143 Teutonicus 48, 49, 83, 102, 103, Vereinigte Staaten von Amerika (USA) 104, 105, 106 16, 18, 87, 95, 97, 135, 153, 191, 256, Zschäpe, Beate 107 257, 272 Tevgera Ciwanen Soresger (TCS, Bewegung der revolutionären Jugend) Vietnam 141 207, 208, 212, 213, 278 Violence Prevention Network (VPN) 39, 40 Teyrebazen Azadiya Kurdistan (TAK, Freiheitsfalken Kurdistans) 198, 278 Vogel, Pierre 161, 172 Thule-Seminar e. V. 76, 79, 276 Voigt, Udo 90 284 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 GESETZ ZUR NEUAUSRICHTUNG DES LFV GESETZ ZUR NEUAUSRICHTUNG DES VERFASSUNGSSCHUTZES IN HESSEN Vom 25. Juni 2018 - veröffentlicht am 3. Juli 2018 im Gesetzund Verordnungsblatt für das Land Hessen, Nr. 13, S. 302ff. Artikel 1) Hessisches Verfassungsschutzgesetz (HVSG) PRÄAMBEL Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Er ist Dienstleister der Demokratie und hält insbesondere die analytischen Kompetenzen zur Beurteilung jener Gefahren vor, die Demokratie und Menschenrechten durch extremistische Bestrebungen drohen. Er tauscht sich mit Wissenschaft und Gesellschaft aus. Hierzu gehört auch der öffentliche Diskurs. Er berücksichtigt gesellschaftliche Vielfalt und gesellschaftliche Entwicklungen. ERSTER TEIL Organisation und Aufgaben des Landesamts ORGANISATION DES LANDESAMTS (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz (Landesamt) untersteht als obere Landesbehörde dem für den Verfassungsschutz zuständigen Ministerium. Es darf mit Polizeidienststellen organisatorisch nicht verbunden werden. (2) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen in Hessen nur im EinvernehSS1 men, das Bundesamt für Verfassungsschutz nur im Benehmen mit dem Landesamt tätig werden. Das Landesamt darf in anderen Ländern nur tätig werden, soweit die Rechtsvorschriften der anderen Länder dies zulassen. AUFGABEN DES LANDESAMTS (1) Das Landesamt ist zuständig für die Zusammenarbeit Hessens mit dem Bund und den anderen Ländern in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. Aufgabe des Landesamts ist es, es den zuständigen Stellen zu ermöglichen, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder zu treffen. SS2 Das Landesamt hat auch die Aufgabe, den in Abs. 2 genannten Bestrebungen und Tätigkeiten durch Information, Aufklärung und Beratung entgegenzuwirken und vorzubeugen (Prävention). Zur Aufklärung der Öffentlichkeit erstellt das Landesamt mindestens einmal jährlich einen Bericht über Bestrebungen und Tätigkeiten nach Abs. 2 oder tatsächliche Anhaltspunkte hierfür. Der Bericht wird von dem für den Verfassungsschutz zuständigen Ministerium herausgegeben und auf der Internetseite des Landesamts für fünf Jahre bereitgestellt. (2) Aufgabe des Landesamts ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder die eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben, Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 285 GESETZ ZUR NEUAUSRICHTUNG DES LFV 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht, 3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, 4. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Art. 26 Abs. 1 des Grundgesetzes), gerichtet sind, 5. Bestrebungen und Tätigkeiten der Organisierten Kriminalität im Geltungsbereich des Grundgesetzes. (3) Das Landesamt wirkt mit bei Sicherheitsüberprüfungen und Überprüfungen nach SS 3 Abs. 2 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2970), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Juni 2017 (BGBl. I S. 1634). (4) Das Landesamt ist zuständig für Sicherheitsüberprüfungen nach SS 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz) vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2998), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3202). BEGRIFFSBESTIMMUNGEN SS3 (1) Die Begriffsbestimmungen des SS 4 Abs. 1 Satz 1, 2 und 4 sowie Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes finden Anwendung. (2) Organisierte Kriminalität im Sinne dieses Gesetzes ist die von Gewinnoder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung für die Rechtsordnung sind, durch mehr als zwei Beteiligte, die auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig tätig werden 1. unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen, 2. unter Anwendung von Gewalt oder durch entsprechende Drohung oder 3. unter Einflussnahme auf Politik, Verwaltung, Justiz, Medien oder Wirtschaft. ZWEITER TEIL Befugnisse des Landesamts INFORMATIONSERHEBUNG SS4 (1) Das Landesamt darf die zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 2 Abs. 1 und 2 erforderlichen Informationen erheben und verarbeiten. Einzelheiten zum Umgang mit den erhobenen Informationen regelt eine von dem für den Verfassungsschutz zuständigen Ministerium zu erlassende Dienstvorschrift. (2) Das Landesamt darf personenbezogene Daten aus allgemein zugänglichen Quellen erheben und verarbeiten, um zu prüfen, ob tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 2 Abs. 2 vorliegen. (3) Liegen bei der betroffenen Person tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 2 Abs. 2 vor oder wird das Landesamt nach SS 2 Abs. 3 oder 4 tätig, darf es Auskünfte bei öffentlichen Stellen oder Dritten einholen, wenn die Daten 1. nicht aus allgemein zugänglichen Quellen, 2. nur mit übermäßigem Aufwand oder 3. nur durch eine die betroffene Person stärker belastende Maßnahme erhoben werden können. Würde durch die Erhebung von Auskünften nach Satz 1 der Zweck der Maßnahme gefährdet oder die betroffene Person unverhältnismäßig beeinträchtigt, darf das Landesamt Akten und Register öffentlicher Stellen einsehen. Im Übrigen gilt SS 18. 286 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 GESETZ ZUR NEUAUSRICHTUNG DES LFV (4) Das Landesamt muss Ersuchen auf Auskunft oder Einsicht nicht begründen, soweit dies dem Schutz der betroffenen Person dient oder eine Begründung den Zweck der Maßnahme gefährden würde. Es hat die Ersuchen aktenkundig zu machen. Über die Einsichtnahme nach Abs. 3 Satz 2 hat das Landesamt einen Nachweis zu führen, aus dem der Zweck, die ersuchte Behörde und die Aktenfundstelle hervorgehen. Der Nachweis ist gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr seiner Erstellung folgt, zu vernichten. (5) Zur Beantwortung von Übermittlungsersuchen nach SS 20 Abs. 1 Nr. 2 darf das Landesamt personenbezogene Daten nur erheben, soweit dies zur Überprüfung der dem Landesamt bereits vorliegenden Informationen erforderlich ist. Abs. 3 bleibt unberührt. (6) Werden Daten bei der betroffenen Person oder bei Dritten außerhalb des öffentlichen Bereichs offen erhoben, so sind die Befragten auf die Freiwilligkeit ihrer Angaben hinzuweisen. Gegenüber der betroffenen Person ist der Erhebungszweck anzugeben. Die Befragten sind bei einer Sicherheitsüberprüfung nach SS 2 Abs. 3 oder 4 auf eine dienst-, arbeitsrechtliche oder sonstige vertragliche Mitwirkungspflicht hinzuweisen. (7) Ein Ersuchen des Landesamts um Übermittlung personenbezogener Daten darf nur diejenigen personenbezogenen Daten enthalten, die für die Erteilung der Auskunft unerlässlich sind. Schutzwürdige Interessen der betroffenen Person dürfen nur in unvermeidbarem Umfang beeinträchtigt werden. (8) Zur Aufgabenerfüllung nach SS 2 dürfen personenbezogene Daten von Personen, bei denen keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie selbst Bestrebungen oder Tätigkeiten im Sinne des SS 2 Abs. 2 nachgehen (Unbeteiligte), nur erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn 1. dies für die Erforschung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 2 Abs. 2 vorübergehend erforderlich ist, 2. die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre und 3. überwiegende schutzwürdige Belange der betroffenen Personen nicht entgegenstehen. Personenbezogene Daten Unbeteiligter dürfen auch erhoben werden, wenn sie mit zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Informationen untrennbar verbunden sind. (9) Daten, die für das Verständnis der zu speichernden Informationen nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu löschen. Dies gilt nicht, wenn die Löschung nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist; in diesem Fall dürfen die Daten nicht verwertet werden. INFORMATIONSERHEBUNG MIT NACHRICHTENDIENSTLICHEN MITTELN (1) Das Landesamt darf Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln erheben. Für personenbezogene Daten gilt dies nur, wenn 1. bei der betroffenen Person tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 2 Abs. 2 vorliegen und anzunehmen ist, dass auf diese Weise SS5 zusätzliche Erkenntnisse erlangt werden können, 2. tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass auf diese Weise die zur Erforschung von Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 2 Abs. 2 erforderlichen Quellen gewonnen werden können, 3. dies zum Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Informationsquellen des Landesamts gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist oder 4. dies zur Überprüfung der Nachrichtenehrlichkeit und der Eignung von Vertrauensleuten erforderlich ist. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 287 GESETZ ZUR NEUAUSRICHTUNG DES LFV (2) Nachrichtendienstliche Mittel sind Mittel und Methoden, die mittelbar oder unmittelbar dem von der betroffenen oder außenstehenden Person nicht erkennbaren Erheben von Daten dienen. Als nachrichtendienstliche Mittel darf das Landesamt einsetzen: 1. Überwachung des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs im Sinne des Art. 10 des Grundgesetzes einschließlich notwendiger Begleitmaßnahmen nach SS 6, 2. technische Mittel zur Wohnraumüberwachung nach SS 7, 3. technische Mittel zur Ortung von Mobilfunkendgeräten nach SS 9, 4. besondere Auskunftsersuchen nach SS 10 zu a) den Umständen des Postverkehrs bei Unternehmen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen erbringen oder daran mitwirken, b) Telekommunikationsverbindungsund Teledienstenutzungsdaten bei Unternehmen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste und Teledienste erbringen oder daran mitwirken, c) Daten bei Verkehrsunternehmen, Betreibern von Computerreservierungssystemen und globalen Distributionssystemen sowie bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen, 5. Observation nach SS 11, 6. Verdeckte Mitarbeiterinnen, Verdeckte Mitarbeiter und Vertrauensleute nach den SSSS 12 und 13, 7. verdeckte Ermittlungen und Befragungen, 8. Tonund Bildaufzeichnungen außerhalb der Schutzbereiche der Art. 10 und 13 des Grundgesetzes mit und ohne Inanspruchnahme technischer Mittel, 9. Tarnmittel, 10. Funkbeobachtungen, 11. Beobachtung des Internets; dies beinhaltet auch die verdeckte Teilnahme an der im Internet geführten Kommunikation, insbesondere in Foren und elektronischen Kommunikationsplattformen. (3) In den Fällen des Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 dürfen nachrichtendienstliche Mittel nicht gezielt gegen Unbeteiligte eingesetzt werden; im Übrigen gilt SS 4 Abs. 8 Satz 2 und Abs. 9. Einzelheiten regelt das für den Verfassungsschutz zuständige Ministerium durch Dienstvorschrift, insbesondere die organisatorische Zuständigkeit für die Anordnung von Informationserhebungen mit nachrichtendienstlichen Mitteln. Die Dienstvorschrift ist der Parlamentarischen Kontrollkommission nach SS 1 des Verfassungsschutzkontrollgesetzes vom 25. Juni 2018 (GVBl. S. 302, 317) zu übersenden. (4) Gemeinden, Gemeindeverbände und die sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie die Gerichte und Staatsanwaltschaften und das Landesamt leisten sich gegenseitig Amtsund Rechtshilfe. Dies gilt insbesondere für die technische Hilfe bei Tarnmaßnahmen. Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen dem Landesamt nicht zu. Das Landesamt darf auch nicht im Wege der Amtshilfe Polizeibehörden um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht befugt ist. (5) Zur Erfüllung von Aufgaben aufgrund eines Gesetzes nach Art. 73 Nr. 10 Buchst. b und c des Grundgesetzes stehen dem Landesamt die Befugnisse zu, die es zur Erfüllung der entsprechenden Aufgaben nach diesem Gesetz hat. ÜBERWACHUNG DES BRIEF-, POSTUND FERNMELDESS6 VERKEHRS UND DER TELEKOMMUNIKATION Die Überwachung des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs im Sinne des Art. 10 des Grundgesetzes richtet sich nach dem Artikel 10-Gesetz mit den in Satz 2 bis 6 bestimmten Maßgaben und dem Hessischen Ausführungsgesetz zum Artikel 10-Gesetz vom 16. Dezember 1969 (GVBl. I S. 303), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. September 2012 (GVBl. I S. 290), in der jeweils geltenden Fassung. Dabei ist SS 3a Satz 12 des Artikel 10-Gesetzes mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Dokumentation sechs Monate nach der Mitteilung oder nach der Feststellung der endgültigen Nichtmitteilung nach SS 12 Abs. 1 Satz 1 oder 5 des Artikel 10-Gesetzes zu löschen 288 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 GESETZ ZUR NEUAUSRICHTUNG DES LFV ist. Ist eine laufende Kontrolle nach SS 4 Abs. 1 Satz 2 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Artikel 10-Gesetz durch die G 10-Kommission noch nicht beendet, ist die Dokumentation bis zum Abschluss der laufenden Kontrolle aufzubewahren. SS 3b des Artikel 10-Gesetzes ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass sich SS 3b Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes auch auf Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte erstreckt, die in anderen Mandatsverhältnissen als der Strafverteidigung tätig sind, auf Kammerrechtsbeistände sowie auf deren Berufshelfer nach SS 53a der Strafprozessordnung. SS 4 Abs. 1 Satz 5 des Artikel 10-Gesetzes ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Protokolldaten sechs Monate nach der Mitteilung oder nach der Feststellung der endgültigen Nichtmitteilung nach SS 12 Abs. 1 Satz 1 oder 5 des Artikel 10-Gesetzes zu löschen sind. SS 4 Abs. 1 Satz 6 des Artikel 10-Gesetzes ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Löschung der Daten auch unterbleibt, soweit die Daten für eine Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der Beschränkungsmaßnahme nach SS 4 Abs. 1 Satz 2 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Artikel 10-Gesetz durch die G 10-Kommission von Bedeutung sein können. VERDECKTER EINSATZ TECHNISCHER MITTEL ZUR WOHNRAUMÜBERWACHUNG (1) Das Landesamt darf bei der Erhebung personenbezogener Daten in einer Wohnung verdeckt technische Mittel einsetzen, um das nichtöffentlich gesprochene Wort abzuhören und aufzuzeichnen sowie Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen herzustellen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen für eine konkretisierte drinSS7 gende Gefahr für 1. den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes, 2. Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder 3. solche Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Bundes oder eines Landes oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt. (2) Die Anordnung einer Wohnraumüberwachung ist nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtlos oder wesentlich erschwert wäre. Die Maßnahme darf sich nur gegen eine Person richten, von der aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass sie für die Gefahr verantwortlich ist (Zielperson), und nur in deren Wohnung durchgeführt werden. In der Wohnung einer anderen Person ist die Maßnahme nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, dass sich die Zielperson dort zur Zeit der Maßnahme aufhält, sich dort für die Erforschung des Sachverhalts relevante Informationen ergeben werden und der Zweck der Maßnahme nicht allein unter Beschränkung auf die Wohnung der Zielperson zu erreichen ist. Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn andere Personen unvermeidbar betroffen werden. (3) Im Antrag auf eine richterliche Anordnung nach SS 8 Abs. 1 sind anzugeben: 1. die Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, soweit möglich, mit Name und Anschrift, 2. die zu überwachende Wohnung oder die zu überwachenden Wohnräume, 3. Art, Umfang und Dauer der Maßnahme, 4. der Sachverhalt sowie 5. eine Begründung. (4) Die Maßnahme ist unzulässig, soweit tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass durch sie allein Erkenntnisse gewonnen werden würden 1. aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung oder 2. bei einer Rechtsanwältin, einem Rechtsanwalt, einem Kammerrechtsbeistand, einer der in SS 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 oder 4 der Strafprozessordnung genannten Person oder einer diesen nach SS 53a Abs. 1 Satz 1 der Strafprozessordnung gleichstehenden Person, über die der Berufsgeheimnisträger das Zeugnis verweigern dürfte. Erfolgen Maßnahmen bei einem der im Übrigen in SS 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 3b oder 5 der Strafprozessordnung genannten Berufsgeheimnisträger oder einer diesen Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 289 GESETZ ZUR NEUAUSRICHTUNG DES LFV nach SS 53a Abs. 1 Satz 1 der Strafprozessordnung gleichstehenden Person, sind das öffentliche Interesse an den von dem Berufsgeheimnisträger wahrgenommenen Aufgaben und das Interesse an der Geheimhaltung der diesem anvertrauten oder bekannt gewordenen Tatsachen besonders zu berücksichtigen. Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 gelten nicht bei Maßnahmen zur Aufklärung von eigenen Bestrebungen oder Tätigkeiten der genannten zeugnisverweigerungsberechtigten Personen. (5) Ergeben sich während der Überwachung tatsächliche Anhaltspunkte im Sinne von Abs. 4 Satz 1, ist die Maßnahme unverzüglich zu unterbrechen, sobald dies ohne Gefährdung eingesetzter Personen möglich ist. Bestehen insoweit Zweifel, darf nur eine automatische Aufzeichnung fortgesetzt werden. Sind das Abhören und Beobachten nach Satz 1 unterbrochen worden, so darf die Maßnahme fortgeführt werden, wenn keine Anhaltspunkte nach Abs. 4 Satz 1 vorliegen. Erkenntnisse, die durch eine Maßnahme nach Abs. 1 erlangt worden sind, sind dem für die Anordnung zuständigen Gericht unverzüglich vorzulegen. Das Gericht entscheidet unverzüglich über die Verwertbarkeit oder Löschung. Soweit Erkenntnisse im Sinne von Abs. 4 Satz 1 durch eine Maßnahme nach Abs. 1 erlangt worden sind, dürfen sie nicht verwertet werden. Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen. Die Tatsachen der Erfassung der Daten und der Löschung sind zu dokumentieren. Die Dokumentation darf ausschließlich für Zwecke der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Die Dokumentation ist sechs Monate nach der Mitteilung oder nach Erteilung der gerichtlichen Zustimmung zur Feststellung der endgültigen Nichtmitteilung nach SS 8 Abs. 4 zu löschen. (6) Bei Gefahr im Verzug können die Erkenntnisse, die durch eine Maßnahme nach Abs. 1 erlangt worden sind, unter Aufsicht einer oder eines Bediensteten, die oder der die Befähigung zum Richteramt hat, gesichtet werden. Die oder der Bedienstete entscheidet im Benehmen mit der oder dem Datenschutzbeauftragten des Landesamts über eine vorläufige Verwertung der Erkenntnisse. Die Bediensteten sind zur Verschwiegenheit über die ihnen bekannt gewordenen Erkenntnisse, die nicht verwertet werden dürfen, verpflichtet. Die gerichtliche Entscheidung nach Abs. 5 Satz 4 und 5 ist unverzüglich nachzuholen. VERFAHREN BEI MASSNAHMEN NACH SS 7 SS8 (1) Der Einsatz technischer Mittel nach SS 7 bedarf einer richterlichen Anordnung. Die Anordnung ergeht schriftlich. Bei Gefahr im Verzug kann die Behördenleitung oder ihre Vertretung die Anordnung treffen; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. Die Anordnung ist auf höchstens einen Monat zu befristen. Verlängerungen um jeweils nicht mehr als einen weiteren Monat sind zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung fortbestehen. (2) Das Landesamt prüft unverzüglich und sodann in Abständen von höchstens sechs Monaten, ob die erhobenen personenbezogenen Daten für seine Aufgaben nach SS 2 Abs. 1 und 2 erforderlich sind. Soweit die Daten für diese Zwecke nicht erforderlich sind und nicht für eine Übermittlung an andere Stellen benötigt werden, sind sie unverzüglich unter Aufsicht einer oder eines Bediensteten, die oder der die Befähigung zum Richteramt hat, zu löschen. Die Löschung ist zu protokollieren. Die Protokolldaten dürfen ausschließlich zur Durchführung der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Die Protokolldaten sind sechs Monate nach der Mitteilung oder nach Erteilung der gerichtlichen Zustimmung zur Feststellung der endgültigen Nichtmitteilung nach Abs. 4 zu löschen. Die Löschung der Daten unterbleibt, soweit die Daten für eine Mitteilung nach Abs. 4 oder für eine gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme von Bedeutung sein können. In diesem Fall sind die Daten in der Verarbeitung einzuschränken; sie dürfen nur zu diesen Zwecken verwendet werden. (3) Die verbleibenden Daten sind zu kennzeichnen. Die Behördenleitung oder ihre Stellvertretung kann anordnen, dass bei der Übermittlung auf die Kennzeichnung verzichtet wird, wenn dies unerlässlich ist, um die Geheimhaltung einer Maßnahme nicht zu gefährden, und das für die Anordnung zuständige Gericht zugestimmt hat. 290 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 GESETZ ZUR NEUAUSRICHTUNG DES LFV Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung bereits vor der Zustimmung getroffen werden. Wird die Zustimmung versagt, ist die Kennzeichnung durch den Übermittlungsempfänger unverzüglich nachzuholen; die übermittelnde Behörde hat ihn hiervon zu unterrichten. Nach einer Übermittlung ist die Kennzeichnung durch den Empfänger aufrechtzuerhalten. (4) Eine Maßnahme nach SS 7 ist der betroffenen Person nach ihrer Einstellung mitzuteilen. Die Mitteilung unterbleibt, solange eine Gefährdung des Zwecks der Beschränkung nicht ausgeschlossen werden kann oder solange der Eintritt übergreifender Nachteile für das Wohl des Bundes oder eines Landes absehbar ist. Erfolgt die nach Satz 2 zurückgestellte Mitteilung nicht binnen zwölf Monaten nach Beendigung der Maßnahme, bedarf die weitere Zurückstellung der Zustimmung des für die Anordnung zuständigen Gerichts. Das Gericht bestimmt die Dauer der weiteren Zurückstellung. Einer Mitteilung bedarf es nicht, wenn das Gericht festgestellt hat, dass 1. eine der Voraussetzungen in Satz 2 auch nach fünf Jahren nach Beendigung der Maßnahme noch vorliegt, 2. sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft vorliegt und 3. die Voraussetzungen für eine Löschung sowohl beim Landesamt als auch beim Empfänger vorliegen. Eine Mitteilung kann auch auf Dauer unterbleiben, wenn überwiegende Interessen einer betroffenen Person entgegenstehen oder wenn die Identität oder der Aufenthaltsort einer betroffenen Person nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu ermitteln ist. Die Mitteilung obliegt dem Landesamt. Wurden personenbezogene Daten übermittelt, erfolgt die Mitteilung im Benehmen mit dem Empfänger. (5) Die aus der Anordnung sich ergebenden Maßnahmen sind unter Verantwortung des Landesamts und unter Aufsicht einer oder eines Bediensteten vorzunehmen, die oder der die Befähigung zum Richteramt hat. Die Maßnahmen sind unverzüglich zu beenden, wenn sie nicht mehr erforderlich sind oder die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vorliegen. Die Beendigung ist dem für die Anordnung zuständigen Gericht anzuzeigen. (6) Personenbezogene Daten aus Maßnahmen nach SS 7 dürfen nur verwendet werden 1. zur Abwehr einer drohenden Gefahr im Sinne von SS 7 Abs. 1, 2. wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die dringende Gefahr der Begehung von besonders schweren Straftaten im Sinne von SS 100b Abs. 2 der Strafprozessordnung vorliegen oder 3. zur Verfolgung von Straftaten, zu deren Aufklärung eine solche Maßnahme nach den entsprechenden Befugnissen der Strafprozessordnung angeordnet werden könnte. Personenbezogene Daten aus Maßnahmen nach SS 7, die durch Herstellung von Bildaufnahmen oder Bildaufzeichnungen erlangt wurden, dürfen nicht zu Strafverfolgungszwecken weiterverarbeitet werden. (7) Dient der Einsatz technischer Mittel nach SS 7 ausschließlich dem Schutz der für den Verfassungsschutz bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen, erfolgt die Anordnung abweichend von Abs. 1 durch die Behördenleitung oder ihre Vertretung. Eine anderweitige Verwendung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zulässig, wenn zuvor richterlich festgestellt wurde, dass die Maßnahme rechtmäßig ist und die Voraussetzungen des SS 7 Abs. 1 vorliegen; Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend. Im Übrigen sind die Daten unverzüglich zu löschen. (8) Zuständig für die richterlichen Entscheidungen ist das Amtsgericht am Sitz des Landesamts; über Beschwerden entscheidet das in SS 120 Abs. 4 Satz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichnete Gericht. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586, 2587), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2780), in der jeweils geltenden Fassung entsprechend; die Rechtsbeschwerde ist ausgeschlossen. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 291 GESETZ ZUR NEUAUSRICHTUNG DES LFV ORTUNG VON MOBILFUNKENDGERÄTEN SS9 (1) Das Landesamt darf technische Mittel zur Ermittlung des Standorts eines aktiv geschalteten Mobilfunkendgeräts oder zur Ermittlung der Geräteoder Kartennummer einsetzen, soweit tatsächliche Anhaltspunkte für eine schwerwiegende Gefahr für die von SS 2 umfassten Schutzgüter vorliegen. (2) SS 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 und die SSSS 9 und 10 Abs. 1 bis 3 des Artikel 10-Gesetzes gelten entsprechend. BESONDERE AUSKUNFTSERSUCHEN SS10 (1) Das Landesamt darf im Einzelfall, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 2 erforderlich ist, bei denjenigen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen erbringen oder Telemedien anbieten oder daran mitwirken, Auskünfte über Daten, die für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung, Änderung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses über Postdienstleistungen oder Telemedien gespeichert worden sind, einholen. (2) Das Landesamt darf im Einzelfall zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 2, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 2 Abs. 2 vorliegen, bei 1. Verkehrsunternehmen sowie Betreibern von Computerreservierungssystemen und Globalen Distributionssystemen für Flüge zu Namen und Anschriften von Kunden sowie zu Inanspruchnahme und Umständen von Transportleistungen, insbesondere zum Zeitpunkt von Abfertigung und Abflug und zum Buchungsweg, 2. Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen zu Konten, Konteninhabern und sonstigen Berechtigten sowie weiteren am Zahlungsverkehr Beteiligten und über Geldbewegungen und Geldanlagen, insbesondere über Kontostand und Zahlungseinund -ausgänge, einholen. Im Fall des SS 2 Abs. 2 Nr. 1 gilt dies nur für Bestrebungen, die bezwecken oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, 1. zu Hassoder Willkürmaßnahmen gegen Teile der Bevölkerung aufzustacheln oder deren Menschenwürde durch Beschimpfen, böswilliges Verächtlichmachen oder Verleumden anzugreifen und dadurch die Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt zu fördern und den öffentlichen Frieden zu stören oder 2. Gewalt anzuwenden oder vorzubereiten, einschließlich des Befürwortens, Hervorrufens oder Unterstützens von Gewaltanwendung, auch durch Unterstützen von Vereinigungen, die Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten oder androhen. (3) Das Landesamt darf im Einzelfall, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 2 erforderlich ist, von denjenigen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringen oder daran mitwirken, Auskünfte über die nach den SSSS 95 und 111 des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618), in der jeweils geltenden Fassung erhobenen Daten verlangen (SS 113 Abs. 1 Satz 1 des Telekommunikationsgesetzes). Dies gilt auch für Daten, mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder auf Speichereinrichtungen, die in diesen Endgeräten oder hiervon räumlich getrennt eingesetzt werden, geschützt wird (SS 113 Abs. 1 Satz 2 des Telekommunikationsgesetzes). Die Auskunft darf auch anhand einer zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesenen Internetprotokoll-Adresse verlangt werden (SS 113 Abs. 1 Satz 3 des Telekommunikationsgesetzes). Die Auskunft darf nur verlangt werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für das Nutzen der Daten vorliegen. (4) Das Landesamt darf im Einzelfall zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 2 unter den Voraussetzungen des SS 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes bei Personen und Unternehmen, die geschäftsmäßig 1. Postdienstleistungen erbringen oder daran mitwirken, Auskünfte zu Namen, Anschriften und Postfächern und sonstigen Umständen des Postverkehrs, 2. Telekommunikationsdienste erbringen oder daran mitwirken, Auskünfte zu Verkehrsdaten nach SS 96 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 des Telekommunikationsgesetzes 292 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 GESETZ ZUR NEUAUSRICHTUNG DES LFV 3. Telemedien anbieten oder daran mitwirken, Auskünfte über a) Merkmale zur Identifikation des Nutzers von Telemedien, b) Beginn und Ende sowie über den Umfang der jeweiligen Nutzung und c) die vom Nutzer in Anspruch genommenen Telemedien einholen. (5) Auskünfte nach Abs. 3, soweit Daten nach SS 113 Abs. 1 Satz 2 und 3 des Telekommunikationsgesetzes betroffen sind, und Auskünfte nach Abs. 4 dürfen nur auf Anordnung des für den Verfassungsschutz zuständigen Ministeriums eingeholt werden. Die Anordnung ist durch die Behördenleitung schriftlich zu beantragen. Der Antrag ist zu begründen. Das Ministerium unterrichtet unverzüglich die G 10-Kommission nach SS 2 Abs. 1 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Artikel 10-Gesetz über die Anordnung vor deren Vollzug und holt deren Zustimmung ein. Bei Gefahr im Verzug kann das Ministerium den Vollzug der Anordnung auch bereits vor Unterrichtung der G 10-Kommission anordnen. Die G 10-Kommission prüft von Amts wegen oder aufgrund von Beschwerden die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Einholung von Auskünften. SS 15 Abs. 5 des Artikel 10-Gesetzes ist entsprechend anzuwenden. Anordnungen, welche die G 10-Kommission für unzulässig erklärt, hat das Ministerium unverzüglich aufzuheben. (6) Bei Maßnahmen nach Abs. 2 bis 4 ist SS 4 des Artikel 10-Gesetzes mit der Maßgabe nach SS 6 Satz 5 und 6 dieses Gesetzes anzuwenden, die SSSS 9, 10, 11 Abs. 1 und 2, SS 12 Abs. 1 und 3, SS 17 Abs. 3 des Artikel 10-Gesetzes sowie SS 2 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Artikel 10-Gesetz sind entsprechend anzuwenden. Abweichend von SS 10 Abs. 3 des Artikel 10-Gesetzes genügt eine räumlich und zeitlich hinreichende Bezeichnung der Telekommunikation, sofern anderenfalls die Erreichung des Zwecks der Maßnahme aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Soweit dem Verpflichteten keine Entschädigung nach besonderen Bestimmungen zusteht, findet SS 20 des Artikel 10-Gesetzes entsprechende Anwendung. Im Übrigen hat der Verpflichtete die Auskunft unentgeltlich zu erteilen. (7) Die zur Erteilung der Auskunft erforderlichen Daten müssen unverzüglich, vollständig und richtig übermittelt werden. Das Auskunftsersuchen und die übermittelten Daten dürfen der betroffenen Person oder Dritten vom Verpflichteten nicht mitgeteilt werden. (8) Auf Auskünfte nach Abs. 4 Nr. 2 sind die Vorgaben des SS 8b Abs. 8 Satz 4 und 5 des Bundesverfassungsschutzgesetzes anzuwenden. Für die Erteilung von Auskünften nach Abs. 1, 2 und 4 Nr. 3 gilt die Nachrichtendienste-Übermittlungsverordnung vom 11. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2117), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3346), in der jeweils geltenden Fassung. (9) Dem Verpflichteten ist es verboten, allein aufgrund eines Auskunftsersuchens einseitige Handlungen vorzunehmen, die für die betroffene Person nachteilig sind und die über die Erteilung der Auskunft hinausgehen, insbesondere bestehende Verträge oder Geschäftsverbindungen zu beenden, ihren Umfang zu beschränken oder ein Entgelt zu erheben oder zu erhöhen. Die Anordnung ist mit dem ausdrücklichen Hinweis auf dieses Verbot und darauf zu verbinden, dass das Auskunftsersuchen nicht die Aussage beinhaltet, dass sich die betroffene Person rechtswidrig verhalten hat oder ein darauf gerichteter Verdacht bestehen müsse. OBSERVATION (1) Das Landesamt darf zur Aufklärung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 2 Abs. 2 außerhalb der Schutzbereiche der Art. 10 und 13 des Grundgesetzes Personen verdeckt mit oder ohne Inanspruchnahme technischer Mittel planmäßig observieren, insbesondere das nichtöffentlich gesprochene Wort mithören, abhören und aufzeichnen sowie Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen anfertigen. SS11 (2) Die Maßnahme ist im Einzelfall länger als 48 Stunden oder an mehr als drei Tagen innerhalb einer Woche (langfristige Observation) nur zur Aufklärung von Bestrebungen oder Tätigkeiten mit erheblicher Bedeutung zulässig, insbesondere, Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 293 GESETZ ZUR NEUAUSRICHTUNG DES LFV wenn sie darauf gerichtet sind, Gewalt anzuwenden oder Gewaltanwendung vorzubereiten. (3) Die Maßnahme darf sich nur gegen Personen richten, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass sie 1. an den Bestrebungen oder Tätigkeiten beteiligt sind, oder 2. im Zusammenhang mit einer Person nach Nr. 1 stehen und durch die Maßnahme Erkenntnisse, die nicht gleichermaßen nach Nr. 1 zu gewinnen sind, über die Bestrebungen oder Tätigkeiten gewonnen werden können. Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn andere Personen unvermeidbar betroffen werden. (4) Über die Anordnung einer langfristigen Observation nach Abs. 2 entscheidet die Behördenleitung oder ihre Vertretung. Die Anordnung ergeht schriftlich. Bei Gefahr im Verzug kann die zuständige Abteilungsleitung oder deren Vertretung die Anordnung treffen; die Entscheidung nach Satz 1 ist unverzüglich nachzuholen. Die Anordnung ist auf höchstens drei Monate zu befristen. Verlängerungen um jeweils nicht mehr als drei weitere Monate sind zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung fortbestehen. (5) In der Anordnung einer langfristigen Observation nach Abs. 2 sind anzugeben: 1. die Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, soweit möglich, mit Name und Anschrift, 2. Art, Umfang und Dauer der Maßnahme sowie 3. die wesentlichen Gründe. (6) Die Maßnahme ist unzulässig, soweit tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass durch sie allein Erkenntnisse gewonnen werden würden 1. aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung oder 2. bei einer Rechtsanwältin, einem Rechtsanwalt, einem Kammerrechtsbeistand, einer der in SS 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 oder 4 der Strafprozessordnung genannten Person oder einer diesen nach SS 53a Abs. 1 Satz 1 der Strafprozessordnung gleichstehenden Person, über die der Berufsgeheimnisträger das Zeugnis verweigern dürfte. Erfolgen Maßnahmen bei einem der im Übrigen in SS 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 3b oder 5 der Strafprozessordnung genannten Berufsgeheimnisträger oder einer diesen nach SS 53a Abs. 1 Satz 1 der Strafprozessordnung gleichstehenden Person, sind das öffentliche Interesse an den von dem Berufsgeheimnisträger wahrgenommenen Aufgaben und das Interesse an der Geheimhaltung der diesem anvertrauten oder bekannt gewordenen Tatsachen besonders zu berücksichtigen. Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 gelten nicht bei Maßnahmen zur Aufklärung von eigenen Bestrebungen oder Tätigkeiten der genannten zeugnisverweigerungsberechtigten Personen. (7) Ergeben sich während der Maßnahme tatsächliche Anhaltspunkte im Sinne von Abs. 6 Satz 1, ist die Maßnahme unverzüglich zu unterbrechen, sobald dies ohne Gefährdung eingesetzter Personen möglich ist. Bestehen insoweit Zweifel, darf nur eine automatische Aufzeichnung fortgesetzt werden. Sind das Abhören und Beobachten nach Satz 1 unterbrochen worden, so darf die Maßnahme fortgeführt werden, wenn keine Anhaltspunkte nach Abs. 6 Satz 1 vorliegen. Automatische Aufzeichnungen nach Satz 2 sind dem Amtsgericht am Sitz des Landesamts unverzüglich vorzulegen. Das Gericht entscheidet unverzüglich über die Verwertbarkeit oder Löschung; SS 8 Abs. 8 Satz 2 gilt entsprechend. Soweit Erkenntnisse im Sinne von Abs. 6 Satz 1 durch die Maßnahme erlangt worden sind, dürfen sie nicht verwertet werden. Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen. Die Tatsachen der Erfassung der Daten und der Löschung sind zu dokumentieren. Die Dokumentation darf ausschließlich für Zwecke der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Die Dokumentation ist sechs Monate nach der Mitteilung oder nach Zustimmung der Behördenleitung zur endgültigen Nichtmitteilung nach Abs. 9 zu löschen. (8) Bei Gefahr im Verzug können Aufzeichnungen nach Abs. 7 Satz 2 unter Aufsicht einer oder eines Bediensteten, die oder der die Befähigung zum Richteramt hat, gesichtet werden. Die oder der Bedienstete entscheidet im Benehmen mit der oder dem 294 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 GESETZ ZUR NEUAUSRICHTUNG DES LFV Datenschutzbeauftragten des Landesamts über eine vorläufige Verwertung der Erkenntnisse. Die Bediensteten sind zur Verschwiegenheit über die ihnen bekannt gewordenen Erkenntnisse, die nicht verwertet werden dürfen, verpflichtet. Die gerichtliche Entscheidung nach Abs. 7 Satz 4 und 5 ist unverzüglich nachzuholen. (9) Dauert eine langfristige Observation nach Abs. 2 durchgehend länger als eine Woche oder findet sie an mehr als 14 Tagen innerhalb eines Monats statt, ist die Maßnahme der betroffenen Person nach ihrer Einstellung mitzuteilen. Die Mitteilung unterbleibt, solange eine Gefährdung des Zwecks der Beschränkung nicht ausgeschlossen werden kann oder solange der Eintritt übergreifender Nachteile für das Wohl des Bundes oder eines Landes absehbar ist. Erfolgt die nach Satz 2 zurückgestellte Mitteilung nicht binnen zwölf Monaten nach Beendigung der Maßnahme, bedarf die weitere Zurückstellung der Zustimmung der Behördenleitung. Die Behördenleitung bestimmt die Dauer der weiteren Zurückstellung. Einer Mitteilung bedarf es nicht, wenn 1. eine der Voraussetzungen in Satz 2 auch nach fünf Jahren nach Beendigung der Maßnahme noch vorliegt, 2. sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft vorliegt und 3. die Voraussetzungen für eine Löschung vorliegen. Eine Mitteilung kann auch auf Dauer unterbleiben, wenn überwiegende Interessen einer betroffenen Person entgegenstehen oder wenn die Identität oder der Aufenthaltsort einer betroffenen Person nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu ermitteln ist. Die Mitteilung obliegt dem Landesamt. VERDECKTE MITARBEITERINNEN UND VERDECKTE MITARBEITER (1) Das Landesamt darf eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter einer ihnen verliehenen und auf Dauer angelegten Legende (Verdeckte Mitarbeiterinnen und Verdeckte Mitarbeiter) einsetzen. (2) Verdeckte Mitarbeiterinnen und Verdeckte Mitarbeiter dürfen weder zur SS12 Gründung von Bestrebungen nach SS 2 Abs. 2 noch zur steuernden Einflussnahme auf derartige Bestrebungen eingesetzt werden. Sie dürfen in Personenzusammenschlüssen oder für diese tätig werden, auch wenn dadurch ein Straftatbestand verwirklicht wird. Im Übrigen dürfen Verdeckte Mitarbeiterinnen und Verdeckte Mitarbeiter im Einsatz bei der Beteiligung an Bestrebungen solche Handlungen vornehmen, die 1. nicht in Individualrechte eingreifen, 2. von den an den Bestrebungen Beteiligten derart erwartet werden, dass sie zur Gewinnung und Sicherung der Informationszugänge unumgänglich sind, und 3. nicht außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts stehen. Sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Verdeckte Mitarbeiterin oder ein Verdeckter Mitarbeiter rechtswidrig einen Straftatbestand von erheblicher Bedeutung verwirklicht hat, wird ihr oder sein Einsatz unverzüglich beendet und die Strafverfolgungsbehörde unterrichtet. Über Ausnahmen von Satz 4 entscheidet die Behördenleitung oder ihre Vertretung. (3) Bei Einsätzen zur Erfüllung der Aufgabe nach SS 2 Abs. 2 Nr. 5 gilt SS 9a Abs. 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes entsprechend. (4) Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die verdeckt Informationen in sozialen Netzwerken und sonstigen Kommunikationsplattformen im Internet erheben, gelten Abs. 2 und 3 sowie SS 9a Abs. 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes entsprechend, auch wenn sie nicht unter einer auf Dauer angelegten Legende tätig werden. VERTRAUENSLEUTE (1) Für den Einsatz von Privatpersonen, deren planmäßige, dauerhafte Zusammenarbeit mit dem Landesamt Dritten nicht bekannt ist (Vertrauensleute), gilt SS 12 Abs. 1 bis 3 entsprechend. SS13 Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 295 GESETZ ZUR NEUAUSRICHTUNG DES LFV (2) Über die Verpflichtung von Vertrauensleuten entscheidet die Behördenleitung oder ihre Vertretung. Vertrauensleute müssen nach ihren persönlichen und charakterlichen Voraussetzungen für die Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz geeignet sein. Diese Eignung ist fortlaufend durch das Landesamt zu überprüfen. Als Vertrauensleute dürfen Personen nicht angeworben und eingesetzt werden, die 1. nicht voll geschäftsfähig, insbesondere minderjährig sind, 2. von den Geldoder Sachzuwendungen für die Tätigkeit auf Dauer als alleinige Lebensgrundlage abhängen würden, 3. an einem Aussteigerprogramm teilnehmen, 4. Mitglied des Europäischen Parlaments, des Deutschen Bundestages, eines Landesparlaments oder Mitarbeiterin oder Mitarbeiter eines solchen Mitglieds sind oder 5. im Bundeszentralregister mit einer Verurteilung wegen eines Verbrechens oder zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist, eingetragen sind. Die Behördenleitung oder ihre Vertretung kann eine Ausnahme von Satz 4 Nr. 5 zulassen, wenn die Verurteilung nicht als Täter eines Totschlags (SSSS 212, 213 des Strafgesetzbuchs) oder einer allein mit lebenslanger Haft bedrohten Straftat erfolgt ist und der Einsatz zur Aufklärung von Bestrebungen unerlässlich ist, die auf die Begehung von in SS 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes oder SS 100b Abs. 2 der Strafprozessordnung bezeichneten Straftaten gerichtet sind. Im Falle einer Ausnahme nach Satz 5 ist der Einsatz nach höchstens sechs Monaten zu beenden, wenn er zur Erforschung der in Satz 5 genannten Bestrebungen nicht zureichend gewichtig beigetragen hat. Auch im Weiteren ist die Qualität der gelieferten Informationen fortlaufend zu bewerten. SCHRANKEN NACHRICHTENDIENSTLICHER MITTEL SS14 (1) Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat das Landesamt diejenige zu treffen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt. (2) Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. (3) Eine Maßnahme ist nur zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann. (4) Eine Maßnahme ist unzulässig, soweit tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass durch sie allein Erkenntnisse gewonnen werden würden 1. aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung oder 2. bei einer Rechtsanwältin, einem Rechtsanwalt, einem Kammerrechtsbeistand, einer der in SS 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 oder 4 der Strafprozessordnung genannten Person oder einer diesen nach SS 53a Abs. 1 Satz 1 der Strafprozessordnung gleichstehenden Person, über die der Berufsgeheimnisträger das Zeugnis verweigern dürfte. Erfolgen Maßnahmen bei einem der im Übrigen in SS 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 3b oder 5 der Strafprozessordnung genannten Berufsgeheimnisträger oder einer diesen nach SS 53a Abs. 1 Satz 1 der Strafprozessordnung gleichstehenden Person, sind das öffentliche Interesse an den von dem Berufsgeheimnisträger wahrgenommenen Aufgaben und das Interesse an der Geheimhaltung der diesem anvertrauten oder bekannt gewordenen Tatsachen besonders zu berücksichtigen. Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 gelten nicht bei Maßnahmen zur Aufklärung von eigenen Bestrebungen oder Tätigkeiten der genannten zeugnisverweigerungsberechtigten Personen. (5) Ergeben sich während einer Maßnahme tatsächliche Anhaltspunkte im Sinne von Abs. 4 Satz 1, ist die Maßnahme unverzüglich zu unterbrechen, sobald dies ohne Gefährdung oder Enttarnung eingesetzter Personen möglich ist. Die Maßnahme darf fortgeführt werden, wenn keine Anhaltspunkte nach Abs. 4 Satz 1 mehr vorliegen. Soweit Erkenntnisse im Sinne von Abs. 4 Satz 1 durch eine Maßnahme erlangt worden sind, dürfen sie nicht verwertet werden. Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen. Die Tatsachen der Erfassung der Daten und der Löschung sind zu doku296 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 GESETZ ZUR NEUAUSRICHTUNG DES LFV mentieren. Die Dokumentation darf ausschließlich für Zwecke der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Die Dokumentation ist am Ende des Kalenderjahres, das der Protokollierung folgt, zu löschen. DRITTER TEIL Verarbeitung personenbezogener Daten GELTUNG DATENSCHUTZRECHTLICHER VORSCHRIFTEN Bei der Erfüllung der Aufgaben nach SS 2 durch das Landesamt findet das Hessische Datenschutzund Informationsfreiheitsgesetz vom 3. Mai 2018 (GVBl. S. 82) in der jeweils geltenden Fassung wie folgt Anwendung: 1. SS 1 Abs. 8, die SSSS 4, 14 Abs. 1 und 3, SS 19 sowie der Zweite Teil finden keine SS15 Anwendung, 2. die SSSS 41, 46 Abs. 1 bis 4 und die SSSS 47 bis 49, 57, 59, 78 und 79 sind entsprechend anzuwenden. SPEICHERUNG, BERICHTIGUNG, LÖSCHUNG UND VERARBEITUNGSEINSCHRÄNKUNG (1) Das Landesamt darf zur Erfüllung seiner Aufgaben personenbezogene Daten in Dateien speichern, verändern und nutzen, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 2 Abs. 2 vorliegen, SS16 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 2 Abs. 2 erforderlich ist oder 3. das Landesamt nach SS 2 Abs. 3 tätig wird. Unterlagen, die nach Satz 1 gespeicherte Angaben belegen, dürfen auch gespeichert werden, wenn in ihnen weitere personenbezogene Daten Dritter enthalten sind. Eine Abfrage von Daten Dritter ist unzulässig. (2) Umfang und Dauer der Speicherung personenbezogener Daten sind auf das für die Aufgabenerfüllung des Landesamts erforderliche Maß zu beschränken. (3) Das Landesamt darf Daten über eine minderjährige Person unter 14 Jahren in Dateien und zu ihrer Person geführten Akten nur speichern, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie eine der in SS 3 Abs. 1 und 1a des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. (4) In Dateien oder zu ihrer Person geführten Akten gespeicherte Daten über eine minderjährige Person sind nach zwei Jahren auf die Erforderlichkeit der Speicherung zu überprüfen und spätestens nach fünf Jahren zu löschen, es sei denn, dass nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse angefallen sind, die eine Fortdauer der Speicherung rechtfertigen. Nicht erforderliche Daten sind zu löschen. (5) Personenbezogene Daten, die erhoben worden sind, um zu prüfen, ob Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 2 Abs. 2 vorliegen, dürfen in Dateien erst gespeichert werden, wenn sich tatsächliche Anhaltspunkte für derartige Bestrebungen oder Tätigkeiten ergeben haben. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfen auch keine zur Person geführten Akten angelegt werden. (6) Unrichtige personenbezogene Daten sind zu berichtigen. Wird bei personenbezogenen Daten in Akten festgestellt, dass sie unrichtig sind, oder wird ihre Richtigkeit von der betroffenen Person bestritten, so ist dies zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten. (7) Das Landesamt prüft bei der Einzelfallbearbeitung und im Übrigen nach von ihm festgesetzten angemessenen Fristen, spätestens jedoch nach fünf Jahren, ob Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 297 GESETZ ZUR NEUAUSRICHTUNG DES LFV gespeicherte personenbezogene Daten zur Aufgabenerfüllung noch erforderlich sind. Gespeicherte personenbezogene Daten über Bestrebungen nach SS 2 Abs. 2 Nr. 1 und 3 bis 5 sind spätestens 15 Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten relevanten Information zu löschen, es sei denn, die Behördenleitung trifft im Einzelfall ausnahmsweise eine andere Entscheidung. Enthalten Sachakten oder Akten zu anderen Personen personenbezogene Daten, die nach Satz 2 zu löschen sind, dürfen sie nicht mehr verwendet werden. Soweit Daten automatisiert verarbeitet oder Akten automatisiert erschlossen werden, ist auf den Ablauf der Fristen nach Satz 1 und 2 hinzuweisen. Nicht erforderliche Daten sind zu löschen. (8) Personenbezogene Daten sind nicht zu löschen, sondern nur in der Verarbeitung einzuschränken, wenn 1. Grund zu der Annahme besteht, dass schutzwürdige Belange der betroffenen Person beeinträchtigt würden, 2. die Daten zur Behebung einer bestehenden Beweisnot unerlässlich sind oder 3. die Verwendung der Daten zu wissenschaftlichen Zwecken erforderlich ist. In den Fällen des Satz 1 Nr. 3 sind die Daten zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu anonymisieren. (9) Die Verpflichtung nach SS 8 Abs. 1 und 2 des Hessischen Archivgesetzes vom 26. November 2012 (GVBl. S. 458), geändert durch Gesetz vom 5. Oktober 2017 (GVBl. S. 294), in der jeweils geltenden Fassung bleibt unberührt. (10) Zum Zweck der gegenseitigen Information über den Einsatz von Vertrauenspersonen darf das Landesamt zusammen mit den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der anderen Länder eine Übersicht als gemeinsame Datei führen. Die Übersicht kann Angaben über wesentliche Eigenschaften der Vertrauenspersonen und deren Einsatzbereiche enthalten. Das Landesamt und das Hessische Landeskriminalamt koordinieren den jeweiligen Einsatz von Vertrauenspersonen; Näheres regeln gemeinsame Richtlinien. ZWECKBINDUNG SS17 (1) Das Landesamt darf personenbezogene Daten nur zum Zweck der Aufgabenerfüllung des Verfassungsschutzes im Sinne des SS 2 übermitteln. Zu anderen Zwecken dürfen personenbezogene Daten nur nach Maßgabe der SSSS 20 bis 23 übermittelt werden. (2) Personenbezogene Daten dürfen auch zur Ausübung von Aufsichtsund Kontrollbefugnissen übermittelt und in dem dafür erforderlichen Umfang verwendet werden. INFORMATIONSÜBERMITTLUNG DURCH SS18 ÖFFENTLICHE STELLEN AN DAS LANDESAMT (1) Die Behörden, Gerichte hinsichtlich der dort geführten Register, sonstigen öffentlichen Stellen des Landes Hessen sowie die Gemeinden, Gemeindeverbände und sonstigen der Aufsicht des Landes Hessen unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts haben dem Landesamt die ihnen bei Erfüllung ihrer Aufgaben bekanntgewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten auch ohne vorheriges Ersuchen des Landesamts zu übermitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Informationen für die Erfüllung der Aufgaben des Landesamts erforderlich sein können. SS 18 Abs. 1a und 1b des Bundesverfassungsschutzgesetzes bleibt unberührt. Die Übermittlung kann auch durch Einsichtnahme des Landesamts in Akten und Dateien der jeweiligen öffentlichen Stelle erfolgen, soweit die Übermittlung in sonstiger Weise den Zweck der Maßnahme gefährden oder einen übermäßigen Aufwand erfordern würde. Über die Einsichtnahme in amtlich geführte Dateien führt das Landesamt einen Nachweis, aus dem der Zweck und die eingesehene Datei hervorgehen; die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr 298 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 GESETZ ZUR NEUAUSRICHTUNG DES LFV ihrer Erstellung folgt, zu löschen. Unter den Voraussetzungen von Satz 1 übermitteln die Staatsanwaltschaften außerdem Anklageschriften und Urteile. (2) Das Landesamt überprüft die übermittelten Informationen nach ihrem Eingang unverzüglich darauf, ob sie für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, dass die Informationen nicht erforderlich sind, werden sie unverzüglich gelöscht. Die Löschung kann unterbleiben, wenn die Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand erfolgen kann; in diesem Fall dürfen die nicht erforderlichen Informationen nicht verwendet werden. (3) Die Übermittlung personenbezogener Daten nach Abs. 1, die aufgrund einer Maßnahme nach SS 100a der Strafprozessordnung bekannt geworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 Abs. 1 und 1a des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. Auf die dem Landesamt nach Satz 1 übermittelten Kenntnisse und Unterlagen findet SS 4 Abs. 1 und 4 bis 6 des Artikel 10-Gesetzes entsprechende Anwendung. (4) Die in Abs. 1 genannten Stellen sind zur Übermittlung verpflichtet, wenn im Einzelfall ein Ersuchen des Landesamts nach SS 4 Abs. 3 vorliegt. Hält die ersuchte Stelle das Verlangen nach Auskunft oder Einsichtnahme nach SS 4 Abs. 3 nicht für rechtmäßig, so teilt sie dies dem Landesamt mit. 3Besteht dieses auf dem Verlangen nach Auskunft oder Einsichtnahme, so entscheidet die für die ersuchte Stelle zuständige oberste Aufsichtsbehörde, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. INFORMATIONSÜBERMITTLUNG DURCH DAS LANDESAMT AN ÜBERGEORDNETE BEHÖRDEN (1) Das Landesamt unterrichtet die Ministerien und die Staatskanzlei über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 2 Abs. 2 oder tatsächliche Anhaltspunkte hierfür, die für deren Zuständigkeitsbereich von Bedeutung sind. Dabei dürfen auch personenbezogene Daten übermittelt werden. SS19 (2) Das für den Verfassungsschutz zuständige Ministerium und das Landesamt dürfen personenbezogene Daten zum Zweck der Aufklärung der Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 2 Abs. 2 oder tatsächliche Anhaltspunkte hierfür öffentlich bekanntgeben, wenn die Bekanntgabe für das Verständnis des Zusammenhangs oder der Darstellung von Organisationen erforderlich ist und das Allgemeininteresse das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person überwiegt. INFORMATIONSÜBERMITTLUNG DURCH DAS LANDESAMT INNERHALB DES ÖFFENTLICHEN BEREICHS (1) Das Landesamt darf Informationen einschließlich personenbezogener Daten, auch wenn sie mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhoben wurden, an inländische öffentliche Stellen übermitteln, wenn der Empfänger die Informationen benötigt 1. zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder sonst für SS20 Zwecke der öffentlichen Sicherheit oder der Strafverfolgung, soweit die Übermittlung nicht nach Abs. 2 beschränkt ist, oder 2. zur Erfüllung anderer ihm zugewiesener Aufgaben, sofern er dabei auch zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beizutragen oder Gesichtspunkte der öffentlichen Sicherheit oder auswärtige Belange zu würdigen hat, insbesondere bei a) der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, b) der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder beschäftigt werden sollen, Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 299 GESETZ ZUR NEUAUSRICHTUNG DES LFV c) der Überprüfung der Verfassungstreue von Personen, die sich um Einstellung in den öffentlichen Dienst bewerben, mit deren Einwilligung, d) der sicherheitsbehördlichen Überprüfung von Einbürgerungsbewerberinnen und Einbürgerungsbewerbern, e) der sicherheitsbehördlichen Überprüfung von Ausländerinnen und Ausländern im Rahmen der Bestimmungen des Ausländerrechts, f ) der Überprüfung der Zuverlässigkeit von Personen nach dem Luftsicherheits-, Atom-, Waffen-, Jagdund Sprengstoffrecht, g) der Überprüfung der Zuverlässigkeit von Personen nach den bewachungsund gewerberechtlichen Vorschriften, insbesondere aa) der Zulassung von Personen für den zugangsgeschützten Sicherheitsbereich von Veranstaltungen, bb) von an der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge und ihren Außenstellen beschäftigtem Sicherheitspersonal, cc) von an kommunalen Flüchtlingsunterkünften eingesetztem Wachpersonal, h) der Überprüfung der Zuverlässigkeit von an der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge und ihren Außenstellen beschäftigten Dolmetscherinnen und Dolmetschern, i) der anlassbezogenen Überprüfung der Zuverlässigkeit von Personen und Organisationen, mit denen die Landesregierung zusammenarbeitet aa) in begründeten Einzelfällen, bb) anlässlich der erstmaligen Förderung von Organisationen mit Landesmitteln, sofern diese in Arbeitsbereichen zur Bekämpfung von verfassungsfeindlichen Bestrebungen tätig werden sollen, mit deren Einwilligung und der Möglichkeit zur Stellungnahme, j) der Zuverlässigkeitsüberprüfung von anstaltsfremden Personen nach den hessischen Vollzugsgesetzen, soweit im Einzelfall erforderlich, k) Ordensverfahren zur Verleihung des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland - mit Ausnahme der Verdienstmedaille - und des Hessischen Verdienstordens, l) sonstigen Zuverlässigkeitsüberprüfungen und Überprüfungen von Personen, soweit dies gesetzlich vorgesehen ist, m) im besonderen öffentlichen Interesse liegenden sonstigen Überprüfungen von Personen mit deren Einwilligung. (2) Informationen, die mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhoben wurden, dürfen an die Staatsanwaltschaften, die Finanzbehörden nach SS 386 Abs. 1 der Abgabenordnung, die Polizeien, die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden, die Behörden des Zollfahndungsdienstes sowie andere Zolldienststellen, soweit diese Aufgaben nach dem Gesetz über die Bundespolizei vom 19. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2978, 2979), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Mai 2017 (BGBl. I S. 1066) wahrnehmen, nur übermittelt werden 1. zur Abwehr einer im Einzelfall bestehenden Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder für solche Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Bundes oder eines Landes oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt, 2. wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass der Empfänger die Informationen zur Verhinderung, sonstigen Verhütung oder Verfolgung von Straftaten von erheblicher Bedeutung benötigt oder 3. wenn der Empfänger die Informationen auch mit eigenen Befugnissen in gleicher Weise hätte erheben können. Unter Straftaten von erheblicher Bedeutung nach Satz 1 Nr. 2 fallen Verbrechen im Sinne des SS 12 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs und schwerwiegende Vergehen im Sinne des SS 12 Abs. 2 des Strafgesetzbuchs, wenn die Straftat im Einzelfall mindestens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzurechnen ist, sie den Rechtsfrieden empfindlich stört und dazu geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigten. Unter den Voraussetzungen des SS 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Abs. 2 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes ist das Landesamt zur Übermittlung verpflichtet. 300 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 GESETZ ZUR NEUAUSRICHTUNG DES LFV (3) Soweit Informationen übermittelt werden, die mit Maßnahmen nach SS 7 gewonnen wurden, gilt SS 8 Abs. 1 entsprechend. Der Empfänger darf die Informationen nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt worden sind. Der Empfänger ist auf die Verwendungsbeschränkung hinzuweisen. (4) Zur Übermittlung nach den Abs. 1 und 2 ist auch das für den Verfassungsschutz zuständige Ministerium befugt; Abs. 3 gilt entsprechend. INFORMATIONSÜBERMITTLUNG DURCH DAS LANDESAMT AN STATIONIERUNGSSTREITKRÄFTE UND AN AUSLÄNDISCHE ÖFFENTLICHE STELLEN (1) Das Landesamt darf Informationen einschließlich personenbezogener Daten, auch wenn sie mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhoben wurden, an Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte übermitteln, soweit die Bundesrepublik Deutschland dazu SS21 im Rahmen des Art. 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183, 1218) in der jeweils geltenden Fassung verpflichtet ist. (2) Das Landesamt darf Informationen im Sinne des Abs. 1 auch übermitteln an ausländische öffentliche Stellen sowie an überund zwischenstaatliche Stellen, wenn die Übermittlung zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist, es sei denn, auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland stehen der Übermittlung entgegen. (3) Die Übermittlung hat zu unterbleiben, wenn im Einzelfall ein datenschutzrechtlich angemessener und die elementaren Menschenrechte wahrender Umgang mit den Daten beim Empfänger nicht hinreichend gesichert ist. (4) Soweit Informationen übermittelt werden, die mit Maßnahmen nach SS 7 gewonnen wurden, gilt SS 8 Abs. 1 entsprechend. Der Empfänger darf die Informationen nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt worden sind. Der Empfänger ist auf die Verwendungsbeschränkung und darauf hinzuweisen, dass das Landesamt sich vorbehält, Auskunft über die Verwendung der Daten zu verlangen. (5) Zur Übermittlung nach Abs. 1 und 2 ist auch das für den Verfassungsschutz zuständige Ministerium befugt; Abs. 3 und 4 gelten entsprechend. INFORMATIONSÜBERMITTLUNG DURCH DAS LANDESAMT AN STELLEN AUSSERHALB DES ÖFFENT LICHEN BEREICHS (1) Das Landesamt darf personenbezogene Daten an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs nicht übermitteln, es sei denn, dass dies zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit des BunSS22 des oder eines Landes oder zur Gewährleistung der Sicherheit von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen nach SS 20 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b erforderlich ist und das für den Verfassungsschutz zuständige Ministerium im Einzelfall seine Zustimmung erteilt hat. Das Landesamt führt über die Auskunft nach Satz 1 einen Nachweis, aus dem der Zweck der Übermittlung, die Fundstelle und der Empfänger hervorgehen; die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr seiner Erstellung folgt, zu vernichten. Der Empfänger darf die übermittelten personenbezogenen Daten nur für den Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. Der Empfänger ist auf die Verwendungsbeschränkung und darauf hinzuweisen, dass das Landesamt sich vorbehält, Auskunft über die Verwendung der Daten zu verlangen. Satz 1 bis 4 finden keine Anwendung, wenn personenbezogene Daten zum Zwecke von Datenerhebungen nach SS 4 übermittelt werden. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 301 GESETZ ZUR NEUAUSRICHTUNG DES LFV (2) Soweit Informationen übermittelt werden, die mit Maßnahmen nach SS 7 gewonnen wurden, gilt SS 8 Abs. 1 entsprechend. Der Empfänger darf die Informationen nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt worden sind. Der Empfänger ist auf die Verwendungsbeschränkung und darauf hinzuweisen, dass das Landesamt sich vorbehält, Auskunft über die Verwendung der Daten zu verlangen. (3) Zur Übermittlung nach Abs. 1 ist auch das für den Verfassungsschutz zuständige Ministerium befugt; Abs. 2 gilt entsprechend. ÜBERMITTLUNGSVERBOTE SS23 (1) Die Übermittlung von Informationen nach diesem Teil unterbleibt, wenn 1. erkennbar ist, dass unter Berücksichtigung der Art der Informationen und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person das Interesse der Allgemeinheit oder des Empfängers an der Übermittlung überwiegen, 2. überwiegende Sicherheitsinteressen, insbesondere Gründe des Quellenschutzes oder des Schutzes operativer Maßnahmen, dies erfordern oder 3. besondere gesetzliche Regelungen entgegenstehen; die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt. (2) Ein Überwiegen im Sinne von Abs. 1 Nr. 1 und 2 liegt nicht vor, soweit die Übermittlung von Informationen erforderlich ist zur 1. Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für solche Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Bundes oder eines Landes oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt, oder 2. Verfolgung einer besonders schweren Straftat im Sinne von SS 100b Abs. 2 der Strafprozessordnung, es sei denn, dass durch die Übermittlung eine unmittelbare Gefährdung von Leib oder Leben einer Person zu besorgen ist und diese Gefährdung nicht abgewendet werden kann. Die Entscheidung trifft in den Fällen von Satz 1 die Behördenleitung oder ihre Vertretung, die unverzüglich das für den Verfassungsschutz zuständige Ministerium unterrichtet. Das für den Verfassungsschutz zuständige Ministerium unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission. MINDERJÄHRIGENSCHUTZ SS24 (1) Personenbezogene Daten minderjähriger Personen dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelt werden, solange die Voraussetzungen ihrer Speicherung nach SS 16 Abs. 3 erfüllt sind. Liegen diese Voraussetzungen nicht mehr vor, bleibt eine Übermittlung nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer erheblichen Gefahr oder zur Verfolgung einer der in SS 100a der Strafprozessordnung genannten Straftaten erforderlich ist. (2) Personenbezogene Daten minderjähriger Personen dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht an ausländische oder überoder zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. NACHBERICHTSPFLICHT SS25 Erweisen sich personenbezogene Daten nach ihrer Übermittlung nach den Vorschriften dieses Gesetzes als unvollständig oder unrichtig, sind sie unverzüglich gegenüber dem Empfänger zu berichtigen, wenn dies zu einer anderen Bewertung der Daten führen könnte oder zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der betroffenen Person erforderlich ist. 302 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 GESETZ ZUR NEUAUSRICHTUNG DES LFV AUSKUNFT (1) Das Landesamt erteilt der betroffenen Person über zu ihrer oder seiner Person gespeicherte Daten auf Antrag unentgeltlich Auskunft, soweit die betroffene Person hierzu auf einen konkreten Sachverhalt hinweist und ein besonderes Interesse an einer Auskunft darlegt. Legt die betroffene Person nach Aufforderung ein besonderes Interesse nicht dar, entscheidet das Landesamt nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Auskunft erstreckt sich nicht auf SS26 1. die Herkunft der Daten und die Empfänger von Übermittlungen und 2. Daten, die nicht strukturiert in automatisierten Dateien gespeichert sind, es sei denn, die betroffene Person macht Angaben, die das Auffinden der Daten ermöglichen, und der für die Erteilung der Auskunft erforderliche Aufwand steht nicht außer Verhältnis zu dem von der betroffenen Person dargelegten Auskunftsinteresse. Das Landesamt bestimmt das Verfahren, insbesondere die Form der Auskunftserteilung, nach pflichtgemäßem Ermessen. (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit durch sie 1. eine Gefährdung der Erfüllung der Aufgaben zu besorgen ist, 2. Nachrichtenzugänge gefährdet sein können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise des Landesamts zu befürchten ist, 3. die öffentliche Sicherheit gefährdet oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes ein Nachteil bereitet würde oder 4. Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung preisgegeben werden, die nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen. Die Entscheidung trifft die Behördenleitung oder eine von ihr besonders beauftragte Mitarbeiterin oder ein von ihr besonders beauftragter Mitarbeiter. (3) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung. Sie enthält einen Hinweis auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf, dass sich die betroffene Person an die Hessische Datenschutzbeauftragte oder den Hessischen Datenschutzbeauftragten wenden kann. Mitteilungen der oder des Hessischen Datenschutzbeauftragten an die betroffene Person dürfen ohne Zustimmung des Landesamts keine Rückschlüsse auf den Kenntnisstand des Landesamts zulassen. DATEIANORDNUNGEN (1) Für den erstmaligen Einsatz einer automatisierten Datei nach SS 16 trifft das Landesamt in einer Dateianordnung, die der Zustimmung des für den Verfassungsschutz zuständigen Ministeriums bedarf, die in SS 14 Abs. 1 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes genannten Festlegungen. Die oder der Hessische Datenschutzbeauftragte ist vor Erlass einer Dateianordnung anzuhören. Das Gleiche gilt für wesentliche Änderungen von Dateianordnungen. Das Landesamt führt ein SS27 Verzeichnis der geltenden Dateianordnungen. (2) Das Landesamt hat in angemessenen Abständen die Notwendigkeit der Weiterführung oder Änderung der Dateien zu überprüfen. (3) Ist im Hinblick auf die Dringlichkeit der Aufgabenerfüllung die vorherige Mitwirkung der in Abs. 1 genannten Stellen nicht möglich, so kann das Landesamt eine Sofortanordnung treffen. Das Verfahren nach Abs. 1 ist unverzüglich nachzuholen. Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 303 GESETZ ZUR NEUAUSRICHTUNG DES LFV VIERTER TEIL Schlussvorschriften EINSCHRÄNKUNG VON GRUNDRECHTEN SS28 Aufgrund dieses Gesetzes können die Grundrechte auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 des Grundgesetzes, Art. 14 Abs. 1 der Verfassung des Landes Hessen), Brief-, Postund Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 des Grundgesetzes, Art. 12 der Verfassung des Landes Hessen) und Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 des Grundgesetzes, Art. 8 der Verfassung des Landes Hessen) eingeschränkt werden. AUFHEBUNG BISHERIGEN RECHTS SS29 Das Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz vom 19. Dezember 1990 (GVBl. I S. 753)2), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Mai 2018 (GVBl. S. 82), wird mit Ausnahme der SSSS 20 bis 22 aufgehoben; die SSSS 20 bis 22 werden mit Ablauf des 17. Januar 2019 aufgehoben. INKRAFTTRETEN SS30 Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Artikel 2) Gesetz zur parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes in Hessen (Verfassungsschutzkontrollgesetz) PARLAMENTARISCHE KONTROLLE SS1 (1) Die Landesregierung unterliegt hinsichtlich der Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz der parlamentarischen Kontrolle. Sie wird von der Parlamentarischen Kontrollkommission ausgeübt. (2) Der Landtag wählt zu Beginn jeder Wahlperiode die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission aus seiner Mitte. (3) Er bestimmt die Zahl der Mitglieder, die Zusammensetzung und die Arbeitsweise der Parlamentarischen Kontrollkommission. (4) Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Landtags auf sich vereint. (5) Scheidet ein Mitglied aus dem Landtag oder seiner Fraktion aus oder wird es Mitglied der Landesregierung, so verliert es seine Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Kontrollkommission. Für dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu wählen; das Gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus der Parlamentarischen Kontrollkommission ausscheidet. (6) Die Parlamentarische Kontrollkommission wählt eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden aus ihrer Mitte und gibt sich eine Geschäftsordnung. Sie oder er wird durch eine bei der Präsidentin oder dem Präsidenten des Landtags eingerichtete Geschäftsstelle unterstützt. (7) Im Übrigen bleiben die Rechte des Landtags unberührt. 304 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 GESETZ ZUR NEUAUSRICHTUNG DES LFV GEHEIMHALTUNG, PROTOKOLLIERUNG, VERWENDUNG VON MOBILEN GERÄTEN (1) Die Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission sind geheim; das Sicherstellen der Geheimhaltung obliegt jedem Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission. Hierauf weist die oder der Vorsitzende vor Beginn jeder Sitzung hin. Die Mitglieder sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen SS2 bei ihrer Tätigkeit in der Parlamentarischen Kontrollkommission bekannt geworden sind. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden. (2) Die Sitzungen werden durch die Kanzlei des Landtags protokolliert. Zum Zwecke der Protokollierung werden die Sitzungen aufgezeichnet. Die Aufzeichnung ist spätestens zwei Wochen nach Fertigstellung des Protokolls zu löschen. Die Vorschriften der Verschlusssachenanweisung bleiben unberührt. Die oder der Vorsitzende leitet das Protokoll nach Fertigstellung der von der Präsidentin oder dem Präsidenten des Landtags bestimmten Stelle zur Registrierung und Verwaltung zu. Je eine Ausfertigung des Protokolls wird beim Landesamt für Verfassungsschutz sowie bei der Präsidentin oder dem Präsidenten des Landtags als Verschlusssache archiviert. (3) Den Mitgliedern ist gestattet, sich für die Beratungen während der Sitzungen handschriftliche Notizen anzufertigen. Aus Gründen des Geheimschutzes stellt die oder der Vorsitzende im Anschluss an jede Sitzung die Einziehung und Vernichtung der handschriftlichen Notizen mit Sitzungsbezug sicher, soweit von der Erstellerin oder dem Ersteller der Notizen eine Verwahrung durch die Landtagsverwaltung nicht gewünscht wird. Wird Verwahrung gewünscht, übergibt das Mitglied der oder dem Vorsitzenden die Unterlagen in einem verschlossenen Umschlag. Die von der Präsidentin oder dem Präsidenten des Landtags bestimmte Stelle zur Registrierung und Verwaltung von Verschlusssachen verwahrt die handschriftlichen Notizen mit dem Protokoll der Sitzung. Jedem Mitglied ist auf Verlangen Einsicht in seine Notizen zu gewähren. (4) Der Gebrauch von Mobiltelefonen, tragbaren elektronischen Datenverarbeitungsgeräten oder sonstigen Geräten zur Aufzeichnung von Bildund Tondaten während der Sitzung ist nicht gestattet. Die oder der Vorsitzende stellt vor Beginn der Sitzung sicher, dass keine der in Satz 1 genannten Geräte eingesetzt werden können. PFLICHT DER LANDESREGIERUNG ZUR UNTERRICHTUNG (1) Das für den Verfassungsschutz zuständige Ministerium unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission umfassend über die allgemeine Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz und über Vorgänge von besonderer Bedeutung, insbesondere über wesentliche Änderungen im Lagebild der inneren Sicherheit, behördeninterne SS3 Vorgänge mit erheblichen Auswirkungen auf die Aufgabenerfüllung und Einzelvorkommnisse, die Gegenstand politischer Diskussionen oder öffentlicher Berichterstattung sind. Das für den Verfassungsschutz zuständige Ministerium berichtet zu einem konkreten ema aus dem Aufgabenbereich des Landesamts für Verfassungsschutz, sofern die Parlamentarische Kontrollkommission dies wünscht. (2) Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission werden unter Beachtung des notwendigen Schutzes der Quellen durch die politische Verantwortung der Landesregierung bestimmt. (3) Das für den Verfassungsschutz zuständige Ministerium unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission 1. im Abstand von höchstens sechs Monaten über Auskunftsersuchen nach SS 10 des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes vom 25. Juni 2018 (GVBl. S. 302), insbesondere durch einen Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen, 2. in jährlichem Abstand durch einen Lagebericht zu a) Maßnahmen nach den SSSS 7, 9 und 11 des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes und Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 305 GESETZ ZUR NEUAUSRICHTUNG DES LFV b) dem Einsatz von Verdeckten Mitarbeiterinnen und Verdeckten Mitarbeitern sowie Vertrauensleuten nach den SSSS 12 und 13 des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes, 3. über die Dienstvorschrift des Landesamts für Verfassungsschutz für die Zusammenarbeit mit und insbesondere die Führung von Verdeckten Mitarbeiterinnen und Verdeckten Mitarbeitern sowie Vertrauensleuten nach den SSSS 12 und 13 des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes. (4) Das für den Verfassungsschutz zuständige Ministerium erstattet dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundes im Abstand von höchstens sechs Monaten einen Bericht nach SS 8b Abs. 10 Satz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2970), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Juni 2017 (BGBl. I S. 1634), über die Durchführung von Maßnahmen nach SS 10 Abs. 4 Nr. 2 und 3 des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes; dabei ist insbesondere ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen zu geben. (5) Das für den Verfassungsschutz zuständige Ministerium unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission über den Vollzug des Wirtschaftsplans im Haushaltsjahr. BEFUGNISSE DER PARLAMENTARISCHEN KONTROLLSS4 KOMMISSION (1) Jedes Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission kann die Einberufung einer Sitzung und die Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission verlangen. Diese hat Anspruch auf entsprechende Unterrichtung durch die Landesregierung. (2) Jedem Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission ist Akteneinsicht zu gewähren. Die Akteneinsicht erstreckt sich auch auf vom Landesamt für Verfassungsschutz amtlich verwahrte Schriftstücke sowie die Einsicht in Daten des Landesamts für Verfassungsschutz. Soweit im Rahmen der Akteneinsicht erforderlich, ist den Mitgliedern der Parlamentarischen Kontrollkommission Zutritt zu den Dienststellen des Landesamts für Verfassungsschutz zu gewähren. (3) Die Parlamentarische Kontrollkommission kann im Einzelfall zur Wahrnehmung ihrer Kontrollaufgaben mit der Mehrheit von zwei Dritteln ihrer Mitglieder nach Anhörung der Landesregierung beschließen, eine sachverständige Person mit der Durchführung von Untersuchungen zu beauftragen. Die sachverständige Person hat der Parlamentarischen Kontrollkommission über das Ergebnis der Untersuchungen zu berichten. Die Landesregierung ist der sachverständigen Person gegenüber in gleicher Weise zur Auskunft und Mitwirkung verpflichtet wie der Parlamentarischen Kontrollkommission. Insbesondere ist der sachverständigen Person auf Verlangen Akteneinsicht zu gewähren. SS 2 Abs. 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend für die sachverständige Person. (4) Die Parlamentarische Kontrollkommission kann der oder dem Hessischen Datenschutzbeauftragten Gelegenheit zur Stellungnahme in Fragen des Datenschutzes geben. (5) Der Haushaltsplan des Landesamts für Verfassungsschutz wird der Parlamentarischen Kontrollkommission zur Mitberatung überwiesen. UNTERSTÜTZUNG DER MITGLIEDER DER PARLAMENSS5 TARISCHEN KONTROLLKOMMISSION (1) Die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission haben das Recht, zur Unterstützung ihrer Arbeit je eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter ihrer Fraktion nach Anhörung der Landesregierung mit Zustimmung der Parlamentarischen Kontrollkommission zu benennen. Voraussetzung für diese Tätigkeit sind die Ermächtigung zum Umgang mit Verschlusssachen und die förmliche Verpflichtung zur Geheimhaltung. 306 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 GESETZ ZUR NEUAUSRICHTUNG DES LFV (2) Die benannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind befugt, die Beratungsgegenstände der Parlamentarischen Kontrollkommission mit den Mitgliedern der Parlamentarischen Kontrollkommission zu erörtern. Sie haben grundsätzlich keinen Zutritt zu den Sitzungen der Parlamentarischen Kontrollkommission. Die Parlamentarische Kontrollkommission kann im Einzelfall mit der Mehrheit von zwei Dritteln ihrer Mitglieder beschließen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen an bestimmten Sitzungen teilnehmen können. (3) Die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission haben auch das Recht, die Beratungsgegenstände der Parlamentarischen Kontrollkommission mit der Parlamentarischen Geschäftsführerin oder dem Parlamentarischen Geschäftsführer ihrer Fraktion zu erörtern. Für diese gilt SS 2 Abs. 1 entsprechend. BERICHTERSTATTUNG Die Parlamentarische Kontrollkommission erstattet dem Landtag mindestens in der Mitte und am Ende jeder Wahlperiode einen Bericht über ihre Kontrolltätigkeit. Dabei nimmt sie insbesondere dazu Stellung, ob die Landesregierung ihrer Unterrichtungspflicht zu Vorgängen von besonderer Bedeutung nachgekommen ist. Die Parlamentarische Kontrollkommission erstattet dem Landtag jährlich einen Bericht über die Durchführung sowie Art, Umfang und Anordnungsgründe der Auskunftsersuchen SS6 und Maßnahmen nach den SSSS 7, 9, 10 und 11 Abs. 2 des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes; dabei sind die Grundsätze des SS 2 Abs. 1 zu beachten. INKRAFTTRETEN Dieses Gesetz tritt am 18. Januar 2019 in Kraft. SS7 Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 - 307 IMPRESSUM Herausgeber Hessisches Ministerium des Innern und für Sport Friedrich-Ebert-Allee 12 65185 Wiesbaden Redaktionsschluss: August 2019 gestaltungskonzept & artwork Nina Faber de.sign, Wiesbaden Bildnachweise S. 5: (c) HMdIS | S. 9 +13: (c) Landesamt für Verfassungsschutz Hessen, Wiesbaden | S. 45: (c) picture alliance/Arne Dedert, (c) picture alliance/Andreas Arnold, (c) picture alliance/Markus Scholz, (c) picture alliance/Arne Dedert, (c) picture alliance/ Andrea DiCenzo, (c) picture alliance/Boris Roessler | S. 64: (c) picture alliance/Markus Scholz | S. 73: (c) picture alliance/Sebastian Gollnow | S. 74: (c) picture alliance/Paul Zinken | S. 77: (c) MediaWorldImages / Alamy Stock Foto | S. 80: (c) picture alliance/ Daniel Schäfer | S. 83: (c) picture alliance/Revierfoto | S. 111: (c) picture alliance/Patrick Seeger | S. 116: (c) picture alliance/Paul Zinken | S. 121: (c) picture alliance/Arne Dedert | S. 127: (c) picture alliance/Wolfram Steinberg | S. 128: (c) picture alliance/ imageBROKER | S. 136: (c) picture alliance/rtn - radio tele nord | S. 151: (c) picture alliance/Andrea DiCenzo, (c) picture alliance/ Boris Roessler | S. 156: (c) Pacific Press Agency / Alamy Stock Foto | S. 158: (c) picture alliance/Aboud Hamam | S. 168: (c) World History Archive / Alamy Stock Foto | S. 195: (c) picture alliance/Andreas Arnold | S. 204: (c) picture alliance/Wolfgang Minich | S. 221: (c) picture alliance/Boris Roessler | S. 225: (c) picture alliance/Ulrich Baumgarten | S. 233: (c) picture alliance/Matthias Balk | S. 241: (c) picture alliance/Thoralf Plath, (c) picture alliance/Jochen Zick, (c) picture alliance/Andreas Arnold, (c) picture alliance/Julian Stratenschulte kontakt Landesamt für Verfassungsschutz Hessen Konrad-Adenauer-Ring 49 65187 Wiesbaden Tel.: 0611-7200 Fax: 0611-720179 Internet: www.verfassungsschutz.hessen.de druck AC Medienhaus GmbH, Wiesbaden Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Hessischen Landesregierung herausgegeben. 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Den Parteien ist es jedoch gestattet, die Druckschrift zur Unterrichtung ihrer einzelnen Mitglieder zu verwenden. 308 - Hessischer Verfassungsschutzbericht 2018 Hessisches Ministerium des Innern und für Sport Friedrich-Ebert-Allee 12 65185 Wiesbaden www.hessen.de