Verfassungsschutzbericht 2010 Landesamt für erfassungsschutz Verfassungsschutzbericht 2010 Im Text finden Sie vielfach die Symbole und Das Sinnbild "Buch" verweist auf eine Fundstelle in diesem Verfassungsschutzbericht. Das Symbol "Weltkugel" bedeutet, dass es zu dem Thema weitere Informationen auf unseren Internetseiten gibt. Unter http://www.hamburg.de/verfassungsschutz finden Sie regelmäßig aktuelle Informationen über alle Arbeitsfelder des Hamburger Verfassungsschutzes. Herausgeber: Freie und Hansestadt Hamburg Behörde für Inneres und Sport Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Johanniswall 4, 20095 Hamburg Telefon: 040 / 24 44 43 Telefax: 040 / 33 83 60 Internet: http://www.hamburg.de/verfassungsschutz E-Mail des LfV: poststelle@verfassungsschutz.hamburg.de E-Mail Öffentlichkeitsarbeit: info@verfassungsschutz.hamburg.de Auflage: 1.000 Juni 2011 Redaktionsschluss: April 2011 Satz/Layout, Grafik: Landesamt für Verfassungsschutz Druck: Siepmann GmbH, Ruhrstr. 126, 22761 Hamburg Vorwort Vorwort von Innensenator Michael Neumann Liebe Hamburgerinnen und Hamburger, vernünftige Sicherheitspolitik ist ohne fundierte Informationen nicht möglich. Dies gilt auch und gerade für den Bereich des politischen Extremismus. Der "Verfassungsschutzbericht 2010" des Landesamtes für Verfassungsschutz bietet deshalb eine wichtige Grundlage der notwendigen Diskussion über aktuelle Gefahren für unsere freiheitlich-demokratische GrundMichael Zapf ordnung. Im Bereich des politischen Extremismus geht die größte Gefährdung für die innere Sicherheit weiterhin von islamistisch motivierten Terroristen aus. Die gezielte Tötung von zwei amerikanischen Soldaten im März 2011 am Frankfurter Flughafen hat dies auf drastische Weise belegt. Bei dieser Tat eines radikalisierten Einzeltäters handelte es sich um den ersten islamistisch motivierten Anschlag in Deutschland, der vollendet wurde. Auch in Hamburg leben Befürworter des weltweiten Jihad. Es gilt, eine Verfestigung ihrer Strukturen rechtzeitig zu erkennen und gezielt gegenzusteuern. Auch aus diesem Grund wurde im August 2010 die Taiba-Moschee geschlossen: Dort hatten sich junge Jihadisten getroffen, vernetzt und weitere Pläne geschmiedet. Dies konnte nicht länger toleriert werden. Die Beobachtung der jihadistischen Szene bleibt zentrale Aufgabe des Verfassungsschutzes. Um Radikalisierungsprozessen vorzubeugen, wird das LfV Hamburg seine Präventionsaufgabe durch intensive Öffentlichkeitsarbeit und gezielte Beratung verstärkt wahrnehmen. Diese präventive Komponente der Arbeit des Verfassungsschutzes werden wir in allen Bereichen des politischen Extremismus intensivieren. Die Konferenz der Innenminister und -senatoren des Bundes und der Länder tagte im Jahr 2010 zweimal in Hamburg, dies war ein besonderer Dorn im Auge der gewaltorientierten Linksextremisten. Auf ihr Konto ging eine 3 Vorwort Vielzahl von Sachbeschädigungen und Anschlägen. Die "autonome Szene" ist seit vielen Jahren in Hamburg von besonderer Virulenz und wird entsprechend intensiv vom Verfassungsschutz beobachtet. Im vergangenen Jahr wurde zudem ein Zulauf leider oft recht junger Menschen bei den so genannten antiimperialistischen Gruppen festgestellt. Das rechtsextremistische Lager hatte sich von der Fusion zwischen DVU und NPD neuen Aufschwung erhofft. Diese Hoffnung wurde zumindest in Hamburg gründlich enttäuscht, bei der Bürgerschaftswahl im Februar scheiterte die NPD deutlich; sie wird kein Geld aus der staatlichen Parteienfinanzierung erhalten. Der Verfassungsschutz wird aber auch die rechtsextremistische Szene weiterhin aufmerksam beobachten. Durch seine gezielte Öffentlichkeitsarbeit, seine Beratungsangebote und auch durch seine Mitwirkung im "Beratungsnetzwerk Rechtsextremismus" trägt er dazu bei, rechtsextremistischen Gefahren entschieden zu begegnen. Das Beratungsangebot des Verfassungsschutzes wurde 2010 auch auf den Bereich Scientology ausgeweitet und wird dort rege angenommen. Die sich rasant verändernden Möglichkeiten zur Nutzung des Internets haben auch auf das Verhalten von Extremisten einen großen Einfluss. Sie verändern Informationsströme, prägen das Kommunikationsverhalten und tragen zu Radikalisierungsprozessen bei. Hierauf stellt sich der Verfassungsschutz ein, er entwickelt neue Konzepte zur Auswertung des Internets und schafft die dafür notwendigen technischen und organisatorischen Voraussetzungen. Um seine Aufgaben erfolgreich wahrnehmen zu können, ist der Verfassungsschutz auch auf die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger angewiesen. Der vorliegende Bericht informiert Sie deshalb nicht nur über dessen Erkenntnisse, sondern soll Sie auch ermuntern, sich aktiv für den Schutz unserer Verfassung einzusetzen. Michael Neumann Präses der Behörde für Inneres und Sport der Freien und Hansestadt Hamburg 4 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Impressum 2 Vorwort von Innensenator Michael Neumann 3 I. Verfassungsschutz in Hamburg 1. Verfassungsschutz und Demokratie 14 2. Gesetzliche Grundlage 15 3. Aufgaben des Verfassungsschutzes 15 4. Arbeitsweise und Befugnisse des 17 Verfassungsschutzes 5. Informationsverarbeitung 17 6. Kontrolle 18 7. Strukturdaten, Regelanfragen und Überprüfungen 19 8. Organigramm des LfV Hamburg 21 II. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick 24 2. Allgemeines 25 3. Potenziale 26 4. Politisch motivierte Kriminalität (PMK) 28 5. Transnationaler islamistischer Terrorismus 28 5.1 Aktuelle Entwicklungen 28 5.2 al-Qaida-Netzwerk 30 * Kern-al-Qaida 30 * Filialen der al-Qaida 32 * "al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM) 33 * "al-Qaida im Irak" - "Islamic State of Iraq" (ISoI) 34 * "al-Qaida auf der arabischen Halbinsel" (AQAH) 35 5.3 "Islamische Bewegung Usbekistans" (IBU) 36 5.4 "Islamische Jihad-Union" (IJU) 38 5.5 al-Shabab-Miliz (Die Jugend) 39 5.6 "Lashkar-e Taiba" (LeT) 40 6 Inhaltsverzeichnis 5.7 Anschläge weltweit von al-Qaida-inspirierten 42 Gruppierungen im Jahr 2010 5.8 Prozesse, Ermittlungsverfahren und Festnahmen 43 * National 43 * International 45 5.9 Situation in Hamburg 46 * Verbot des Trägervereins der Taiba-Moschee 47 * Internet als Kommunikationsund 48 Propagandamedium * Ausreise von Islamisten 48 6. Sonstige islamistische Gruppierungen 49 6.1 Transnationale Organisationen 49 * Hizb ut-Tahrir (HuT) 49 * Muslimbruderschaft (MB; Jama'a Ikhwan 52 al-Muslimin) * Tablighi Jama'at (TJ; Gemeinschaft der Verkündigung 54 und Mission) 6.2 Palästinensische und libanesische Organisationen 55 * HAMAS (Harakat Al-Muqawama Al-Islamiyya / 55 Islamische Widerstandsbewegung) * HIZB ALLAH (Partei Gottes) 56 6.3 Iranische Islamisten 58 6.3.1 Allgemeines 58 6.3.2 Anhänger der iranischen "Islamischen Revolution" in 60 Hamburg 6.4 Türkische Islamisten 64 6.4.1 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) 64 * Die IGMG in Deutschland 64 * Die IGMG in Hamburg 69 6.4.2 Türkische Hizbullah 71 6.5 Afghanische Organisationen 73 * Hezb-e Eslami-ye Gulbuddin 73 (HIG, Islamische Partei Gulbuddin) / Hezb-e Eslami-ye Afghanistan (HIA, Islamische Partei Afghanistans) 7 Inhaltsverzeichnis III. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick 76 2. Potenziale 77 3. Politisch motivierte Kriminalität (PMK) 80 4. PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) 81 4.1 Entwicklungen und Organisatorisches 81 4.2 Aktivitäten und Schwerpunkte in Deutschland 84 4.3 Situation in Hamburg 90 5. Türkische Extremisten 92 Revolutionär-marxistische Gruppierungen 92 * DHKP-C (Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephe, Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) * TKP/ML (Türkiye Komünist Partisi / Marksist Leninist) * TKP/ML-Partizan (Türkiye Komünist Partisi / Marksist Leninist, Türkische Kommunistische Partei / Marxisten Leninisten) mit Nebenorganisationen * MKP (Maoist Komünist Partisi, Maoistische Kommunistische Partei) * MLKP (Marksist Leninist Komünist Partisi, Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei) IV. Linksextremismus 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick 96 2. Potenziale 98 3. Politisch motivierte Kriminalität (PMK) 100 4. Linksextremistischer Terrorismus und 102 autonome Gewalt 5. Undogmatische Linksextremisten 104 5.1 Trefforte und Kommunikationszentren in Hamburg 104 * Rote Flora 105 * Centro Sociale 107 * Libertäres Zentrum (LIZ) 108 8 Inhaltsverzeichnis 5.2 Gruppen und Strukturen 108 5.2.1 AVANTI - Projekt undogmatische Linke 108 5.2.2 Rote Hilfe e.V. (RH) 111 5.2.3 Antiimperialistischer Widerstand (AIW) 112 5.2.4 Freie Arbeiterinnenund Arbeiter Union (FAU) 114 5.2.5 Antideutsche / Antinationale Strukturen in Hamburg 115 5.3 Aktionsfelder 117 5.3.1 "Antirepression" 117 5.3.2 "Antifaschismus" 123 5.3.3 Antirassismus 128 5.3.4 Linksextremistisch beeinflusste Initiativen gegen 129 Stadtentwicklungspolitik 5.3.5 Linksextremistische Einflussnahme auf Proteste gegen 132 die Energiepolitik 6. Extremistische Teilstrukturen in der Partei DIE LINKE. 135 * "Kommunistische Plattformen" (KPF) 136 * "Linksjugend ['solid]" 136 7. Orthodoxe Kommunisten 137 * Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 137 * Hamburg 139 * Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 140 * Marxistische Abendschulen (MASCH) in Hamburg 142 8. Trotzkisten 143 9. Marxistische Gruppe (MG) 143 V. Rechtsextremismus 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick 146 2. Potenziale 147 3. Politisch motivierte Kriminalität (PMK) 151 4. Neonazismus 154 4.1 Bestrebungen in Hamburg und im Umland 156 4.2 Bestrebungen im Bundesgebiet 157 9 Inhaltsverzeichnis 4.3 Aktionsfelder 158 5. Subkulturell geprägte Rechtsextremisten 163 6. Rechtsextremistische Musik 164 7. Rechtsextremistische Parteien 168 7.1 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 168 * Hamburg 173 7.2 Deutsche Volksunion (DVU) 177 * Hamburg 185 8. Pennale Burschenschaft Chattia Friedberg 185 zu Hamburg (PB! Chattia) 9. Sonstige rechtsextremistische Organisationen und 188 Bestrebungen 9.1 "Gesellschaft für freie Publizistik" (GfP) 188 9.2 "Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemein189 schaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V." (Artgemeinschaft-GGG) 9.3 "Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik 191 und Verhaltensforschung e.V." (GfbAEV) 9.4 Deutsches Rechtsbüro (DRB) 193 9.5 Deutsches Kolleg (DK) 195 VI. Scientology-Organisation (SO) 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick 198 2. Potenziale 200 3. Politisch motivierte Kriminalität (PMK) 200 4. Strukturen und Organisationseinheiten 201 4. Strukturen in Hamburg 203 6. Aktivitäten 204 VII. Spionageabwehr 1. Überblick 208 2. Proliferation und Wissenstransfer 209 10 Inhaltsverzeichnis 3. Wirtschaftsspionage 209 4. Die Nachrichtendienste der Russischen Föderation 210 5. Chinesische Nachrichtendienste 212 6. Nachrichtendienste des Nahen und Mittleren Ostens 213 sowie Nordafrikas VIII. Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz 1. Allgemeines 216 2. Wirtschaftsschutz 216 3. Geheimund Sabotageschutz 218 3.1 Geheimschutz 218 3.1.1 Personeller Geheimschutz in Hamburger 218 öffentlichen Stellen 3.1.2 Personeller Sabotageschutz in Hamburg 219 3.1.3 Materieller Geheimschutz 220 IX. Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz 222 * Abkürzungsverzeichnis 254 * Stichwortverzeichnis 261 11 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Verfassungsschutz in Hamburg I. Verfassungsschutz in Hamburg 1. Verfassungsschutz und Demokratie Im Gegensatz zur Weimarer Verfassung, die in ihrem Anspruch, ein Höchstmaß an Freiheit und Demokratie zu Grundgesetz garantieren, darauf verzichtet hatte, ausreichende Vorkehfür die Bundesrepublik Deutschland rungen gegen ihre eigene Abschaffung zu treffen, enthält das Grundgesetz (GG) - dem Prinzip der wehrhaften SS Demokratie folgend - Schutzmechanismen gegen GefährSS dungen der Verfassung. Hierzu gehören im Wesentlichen: SS * Die Unabänderlichkeit der in den Artikeln 1 und 20 GG niedergelegten elementaren Verfassungsgrundsätze, * Das Verbot von Parteien und sonstigen Vereinigungen wegen verfassungswidriger Aktivitäten (Artikel 9 Abs. 2 und Artikel 21 Abs. 2 GG), * Die Verwirkung von Grundrechten, wenn diese zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht werden (Artikel 18 GG), * Die Pflicht der Angehörigen des Öffentlichen Dienstes zur Verfassungstreue (Artikel 5 Abs. 3 und Artikel 33 Abs. 5 GG in Verbindung mit den beamtenrechtlichen Vorschriften), * Die Verfolgung von Straftaten, die sich gegen den Bestand des Staates oder gegen die Verfassung richten (Staatsschutzdelikte). Ziel ist der Schutz der Werteentscheidungen der Verfassung. Zu ihren höchsten Werten zählen * die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten * die Volkssouveränität * die Gewaltenteilung * die Verantwortlichkeit der Regierung * die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung * die Unabhängigkeit der Gerichte * das Mehrparteienprinzip 14 Verfassungsschutz in Hamburg * die Chancengleichheit für alle politischen Parteien und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder dienen der Gewährleistung dieser Verfassungsgrundsätze. Zentrale Aufgabe des Verfassungsschutzes ist die Beobachtung von Bestrebungen und Tätigkeiten, die die Werteentscheidungen der Verfassung beseitigen oder außer Geltung setzen wollen und/oder den Bund, die Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen beabsichtigen [vgl. SS 1 Abs. 1, SS 4 und SS 5 des Hamburgischen Verfassungsschutzgesetzes (HmbVerfSchG, IX.) sowie Artikel 73 Nr. 10 b und Artikel 87 Abs. 1 Satz 2 GG, SS 2 Abs. 2 Bundesverfassungsschutzgesetz]. Wegen seines Auftrags, frühzeitig politisch-extremistische Bestrebungen zu erkennen, ist der Verfassungsschutz ein "Frühwarnsystem" der Demokratie. 2. Gesetzliche Grundlage Das Hamburgische Verfassungsschutzgesetz ( IX.) ist die wichtigste gesetzliche Grundlage für die Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV). Der Verfassungsschutz ist, wie jede andere Behörde auch, bei der Erfüllung seiner Aufgaben an Gesetz und Recht gebunden und muss bei Eingriffen in die Rechte der Bürger den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. 3. Aufgaben des Verfassungsschutzes Hauptaufgabe des LfV ist nach SS 4 Abs. 1 HmbVerfSchG die Sammlung und Auswertung von Informationen über * Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der verfassungsmäßigen Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben, * sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht in der Bundesrepublik Deutschland, 15 Verfassungsschutz in Hamburg * Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, * Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Art. 9 Abs. 2 GG), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Art. 26 Abs. 1 GG), gerichtet sind. Das Landesamt wertet die mit offenen oder mit nachrichtendienstlichen Mitteln ( 4.) gewonnenen Erkenntnisse aus und informiert über entsprechende Gefahren. Neben seiner Informationsverpflichtung gegenüber dem Senat und der Weitergabe von Informationen an die zuständigen staatlichen Stellen zur Gefahrenabwehr informiert das LfV mit seinem jährlichen Verfassungsschutzbericht, mit weiteren Publikationen und Pressemitteilungen sowie aktuellen Berichten auf seiner Internetseite auch die Öffentlichkeit über die Ergebnisse seiner Arbeit - soweit diese offen dargestellt werden können. Beobachtungsfelder sind Rechts- ( V.) und Linksextremismus ( IV.), extremistische Bestrebungen von Ausländern ( III.), die Spionagetätigkeit ( VII.) fremder Geheimdienste und die Scientology-Organisation ( VI.). Einen besonderen Beobachtungsschwerpunkt bilden seit 2001 der Islamismus und der islamistische Terrorismus ( II.). Anders als die Polizei befasst sich der Verfassungsschutz nicht nur mit Straftaten und sonstigen konkreten Gefahren, sondern er setzt mit seiner Beobachtungstätigkeit bereits im "Vorfeld" dieser Phänomene an. Wirtschafts-, Geheimund Sabotageschutz ( VIII.) gehören zu den weiteren Aufgaben des Verfassungsschutzes. 16 Verfassungsschutz in Hamburg 4. Arbeitsweise und Befugnisse des Verfassungsschutzes Die Informationen, die das LfV zur Wahrnehmung seiner Aufgaben benötigt, beschafft es z.T. aus offen zugänglichen Quellen, die grundsätzlich jedem Bürger auch zur Verfügung stehen, z.B. aus Zeitungen, dem Internet, aus Zeitschriften, Broschüren, Flugblättern, Archiven und anderen Medien sowie aus Unterlagen anderer staatlicher Stellen. Neben der offenen Informationsgewinnung darf das LfV auch Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln "verdeckt" erheben. Zu diesen Mitteln, die in SS 8 Abs. 2 HmbVerfSchG ( IX.) aufgezählt sind, gehören z.B. die Führung von verdeckt eingesetzten Personen, die Observation, Bildund Tonaufzeichnungen und - nach Maßgabe des "Art.10-Gesetzes" - die Überwachung des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs. Im Jahre 2002 wurden im Rahmen der Umsetzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes die Befugnisse des Landesamtes in wichtigen Punkten erweitert. Hierzu zählt u.a. das Mittel der Finanzermittlung, um z.B. Geldtranfers im Zusammenhang mit der Finanzierung des islamistischen Terrorismus aufdecken zu können. Das LfV darf nicht an eine polizeiliche Dienststelle angegliedert werden. Ihm stehen weder polizeiliche Befugnisse noch Weisungsbefugnisse gegenüber polizeilichen Dienststellen zu noch darf es die Polizei im Amtshilfeweg veranlassen, Maßnahmen zu ergreifen, zu denen es selbst nicht befugt ist ("Trennungsgebot"). Das schließt einen Informationsaustausch zwischen Polizei und Verfassungsschutz nicht aus, im HmbVerfSchG ist dies im Detail geregelt. 5. Informationsverarbeitung Die Verfassungsschutzbehörden sammeln und speichern sachund personenbezogene Daten über extremistische Bestrebungen sowie sicherheitsgefährdende und geheimdienstliche Tätigkeiten. Zu den Instrumenten der gegenseitigen Unterrichtung der Verfassungsschutzbehörden zählen unter anderem gemeinsame Dateien. Die "klassische" gemeinsame Datei ist das bundesweite Nachrichtendienstliche Informationssystem (NADIS, Zahl der Hamburger Speicherungen: 7.), das sich im Stadium einer grundlegenden Neukonzeption befindet. NADIS ist eine allen Verfassungsschutzbehörden zur Verfügung stehende Datenbank, in der jede Verfas17 Verfassungsschutz in Hamburg sungsschutzbehörde biographische Grunddaten von Personen und Objekten in eigener Verantwortung speichert. NADIS enthält aber keine Einzelerkenntnisse über die dort gespeicherten Personen, sondern nur Hinweise auf Aktenfundstellen. Um Näheres über die Person zu erfahren, muss die speichernde Verfassungsschutzbehörde in einem zweiten Schritt um Übermittlung der Einzelerkenntnisse gebeten werden. Zugriff auf die gespeicherten Daten haben ausschließlich die Verfassungsschutzbehörden. Sie sind verpflichtet, diese Daten in bestimmten Fristen daraufhin zu prüfen, ob ihre weitere Speicherung noch erforderlich ist. Ist dies nicht der Fall, werden die Daten gelöscht. Am 30.03.07 wurde die Arbeit mit einer gemeinsamen zentralen Antiterrordatei (ATD) aufgenommen und zum Anfang des Jahres 2008 im HmbVerfSchG die Möglichkeit eingeräumt, mit den anderen Bundesund Landessicherheitsbehörden gemeinsame Projektdateien zu betreiben. Symbolfoto: Microsoft Mit diesen Dateien werden die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden unterstützt und der Informationsaustausch verbessert. Dabei stellt das "Antiterrordateigesetz" sicher, dass die Anforderungen des Quellenund Geheimhaltungsschutzes ebenso beachtet werden wie datenschutzrechtliche Belange. Projektdateien unterstützen befristete gemeinsame Projekte der Sicherheitsbehörden. 6. Kontrolle Der Verfassungsschutz ist an klare gesetzliche Vorgaben gebunden, seine Arbeit unterliegt parlamentarischer Kontrolle. In Hamburg wird diese Aufgabe vom "Ausschuss zur parlamentarischen Kontrolle des Senats auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes" (verkürzt auch "PKA" für "Parlamentarischer Kontrollausschuss" genannt) der Hamburgischen Bürgerschaft wahrgenommen. Bei Eingriffen in das Postund Fernmeldegeheimnis entscheidet die G10-Kommission der Bürgerschaft. Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte hat ebenfalls umfängliche Kontrollbefugnisse, z.B., ob die Prüfungsund Löschungsfristen im NADIS beachtet werden. 18 Verfassungsschutz in Hamburg Wie bei allen anderen Behörden ist auch das Verwaltungshandeln des Verfassungsschutzes grundsätzlich gerichtlich nachprüfbar. 7. Strukturdaten, Regelanfragen und Überprüfungen STELLENPLAN Nach den Terroranschlägen vom 11.09.01 in den USA war der Personalbestand des LfV mit dem Stellenplan 2002 zunächst um 15,5 Stellen aufgestockt worden. In den Jahren 2003 bis 2008 wurde der Stellenbestand insgesamt um weitere elf Stellen auf 151 erhöht. Im Jahr 2010 verfügte das LfV über 154 Stellen. HAUSHALTSANSATZ Im Jahr 2010 betrug der Haushaltsansatz für das LfV insgesamt 11.944.000 EUR (2009: 11.805.000 EUR). Darin enthalten waren 9.428.000 EUR für Personalausgaben (2009: 9.289.000 EUR). HAMBURGER NADIS-SPEICHERUNGEN Vom LfV waren am 31.12.10 im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS, 5.) Daten von 46.644 Personen gespeichert (31.12.09: 36.608), davon 39.369 (84,40 %) im Zusammenhang mit Sicherheitsüberprüfungen [31.12.09 = 29.219 (79,82 %)]. EINBÜRGERUNGSVERFAHREN Mit Wirkung vom 22.10.01 wurde in Hamburg die Regelanfrage bei Einbürgerungen eingeführt: Das Einwohner-Zentralamt als Einbürgerungsbehörde fragt vor jeder Entscheidung beim LfV nach, ob Erkenntnisse vorliegen, die einer Einbürgerung entgegenstehen könnten. Vor Einführung dieser Regelung wurde nur angefragt, wenn bereits der Einbürgerungsbehörde Anhaltspunkte für den Verdacht auf politisch-extremistische Bestrebungen aufgefallen waren. Im Jahr 2010 gab es 7.909 Anfragen (2009: 5.520), die nach einer Dateiabfrage im NADIS ( 5.) und ggf. weiteren Ermittlungen beantwortet wurden. Im Jahr 2010 wurden in 29 Fällen (2009: 19 Fälle) vom Verfas19 Verfassungsschutz in Hamburg sungsschutz Auskünfte zu den Antragstellern erteilt. Sie führen in der Regel zur Ablehnung des Antrags. AUFENTHALTSVERFAHREN Seit dem 01.05.04 führen die Ausländerdienststellen bei Personen aus bestimmten Herkunftsländern vor Erteilung oder Verlängerung von Aufenthaltstiteln eine Sicherheitsbefragung durch. In jedem Fall wird auch das LfV beteiligt. Im Jahr 2010 wurden 4.145 Anfragen beantwortet (2009: 4.153). In 8 Fällen (2009: 20) wurden Ermittlungen angestellt; Bedenken mussten in 2 Fällen erhoben werden (2009: Fünf Fälle). SCHENGENER VISUMVERFAHREN Im Jahr 2010 gab es im "Schengener Visumverfahren" 1.379 Anfragen an das LfV (2009: 507). In 8 Fällen wurden Bedenken erhoben (2009: Sieben), denen entsprochen wurde. Das Verfahren wird ausgelöst, wenn der Antragsteller aus einem "Problemstaat" stammt. In das Verfahren eingebunden sind das Auswärtige Amt, das Bundesamt für Verfassungsschutz und ggf. die Verfassungsschutzbehörde des jeweiligen Bundeslandes. SICHERHEITSUND ZUVERLÄSSIGKEITSÜBERPRÜFUNGEN * Im Jahr 2010 hat das LfV Hamburg 860 Sicherheitsüberprüfungen im Rahmen des sog. Personellen Geheimschutzes ( VIII., 3.1.1) bearbeitet (2009: 913). * Personen, die in sicherheitsempfindlichen Bereichen des Hamburger Flughafens beschäftigt werden sollen, werden nach SS 7 des Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG) überprüft. Im Jahr 2010 wurden 8.671 Überprüfungen für den Bereich des Hamburger Flughafens unter Mitwirkung des LfV vorgenommen (2009: 8.729). Diese Aufgabe gehört zum sog. Personellen Sabotageschutz ( VIII., 3.1.2). * Im Rahmen des Hafensicherheitsgesetzes wurden 74 Zuverlässigkeitsüberprüfungen im Jahr ( VIII., 3.1.2) vorgenommen (2009: 50). 20 Verfassungsschutz in Hamburg 8. Organigramm des LfV Hamburg Referat V 01 Amtsleiter Öffentlichkeitsund Gremienarbeit Abteilung 1 Abteilung 2 Abteilung 3 Staatsschutz Abwehr Zentrale Aufgaben (Stellv. Amtsleiter) Rechtsangelegenheiten Referat V 21 Referat V 31 Referat V 11 Auswertung Geheimund Verwaltung Ausländerextremismus Sabotageschutz Islamismus Wirtschaftsschutz Referat V 22 Auswertung Referat V 12 Referat V 32 Linksextremismus IuK, Techn. Dienst Spionageaufklärung Rechtsextremismus Scientology-Organisation Referat V 23 Referat V 13 Beschaffung Operative Technik Forschung / Werbung Referat V 24 Observation Konspirative Ermittlung 21 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten II. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick Die seit Jahren bestehende Bedrohung der Sicherheit Deutschlands durch den internationalen islamistischen Terrorismus spitzte sich in den zurückliegenden zwei Jahren zu. Im Herbst 2010 gab es eine Vielzahl von Hinweisen auf mögliche Anschlagsplanungen von al-Qaida gegen europäische Länder, speziell auch gegen Deutschland ( 5.1). Die deutschen Sicherheitsbehörden wurden über diese Planungen insbesondere von ausländischen Nachrichtendiensten informiert; weiterhin gab es Hinweise aus den Befragungen zweier inhaftierter Mitglieder der sogenannten "Hamburger Reisegruppe". Der Bundesinnenminister unterrichtete am 17.11.10 die Öffentlichkeit über die Bedrohungslage, und bundesweit wurden die Sicherungsmaßnahmen vor allem an Flughäfen und Bahnhöfen erhöht. Diese Maßnahmen wurden Anfang Februar 2011 nach umfangreichen Ermittlungen zurückgefahren, konkrete Anschlagsplanungen wurden nicht festgestellt. Im Einsatzgebiet der Bundeswehr in Nordafghanistan gibt es seit Jahren eine Zusammenarbeit von Mitgliedern der IBU und den Taleban. Dort kamen auch im Jahr 2010 deutsche Soldaten während ihres Einsatzes durch Anschläge ums Leben (5.1). Nach wie vor sind in erster Linie muslimische Länder sowie dort existierende Einrichtungen, Vertretungen und Interessen westlicher Staaten von terroristischer Gewalt betroffen. Im Jahr 2010 wurden jedoch auch Dänemark und Schweden Ziele islamistischer Terroristen ( 5.8). Weltweit sind die meisten Opfer islamistischer Terroranschläge Menschen muslimischen Glaubens. Am 02.03.2011 gab es in Deutschland erstmals ein islamistisch motiviertes Tötungsdelikt. Ein in Deutschland lebender 21 Jahre alter Kosovoalbaner verübte am Frankfurter Flughafen einen Schusswaffenanschlag auf USMilitärangehörige. Der Attentäter tötete zwei Soldaten, zwei weitere wur24 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten den schwer verletzt. Die Soldaten waren auf dem Weg nach Afghanistan. Nach bisherigem Ermittlungsstand handelt es sich um die Tat eines Einzeltäters, der sich über islamistische Netzwerke im Internet radikalisiert hat. Eigenen Angaben zufolge wollte er die in einem Internet-Video gezeigte angebliche Vergewaltigung einer Muslimin durch amerikanische Soldaten rächen. Die Hamburger Innenbehörde verbot am 09.08.2010 den Trägerverein der Taiba-Moschee (ehemals Quds-Moschee). Dadurch wurde den in Hamburg lebenden Anhängern der Jihad-Ideologie der wichtigste Anlaufpunkt genommen ( 5.9). Darüber hinaus beobachtet der Verfassungsschutz die Anhänger sonstiger Gewalt befürwortender Gruppen wie die palästinensische HAMAS, die libanesische HIZB ALLAH und die "Türkische Hizbullah" wie auch die Angehörigen der in Deutschland verbotenen Hizbut Tahrir ( 6.1). Islamistische Bestrebungen gehen auch von gewaltfreien Organisationen wie der "Islamischen Gemeinschaft Milli Görus" (Islam Toplumu Milli Görus, IGMG ( 6.4.1) aus. Die IGMG beteuert zwar, auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen, im Ergebnis hat sich aber an ihrer islamistischen Grundhaltung bisher nichts Grundsätzliches geändert. Ein Großteil der IGMG-Mitglieder stand bisher zu den politischen und ideologischen Vorgaben des Führers der Milli-Görus-Bewegung Necmettin ERBAKAN, der am 27. Februar 2011 im Alter von 84 Jahren in Ankara starb. Neben den erwähnten sunnitisch-islamistischen Gruppen und Vereinigungen existieren in Hamburg auch islamistische Strukturen schiitischer Ausrichtung. Kristallisationspunkt der Schiiten ist das iranisch geprägte Islamische Zentrum Hamburg (IZH) ( 6.3.2). Hier treffen sich auch Anhänger der schiitischen Hizb Allah ( 6.2). Weitere Erläuterungen zu den genannten Gruppen und Begriffen finden Sie auf den Internetseiten des LfV Hamburg im "Arbeitsfeld Islamismus", dort unter "Grundbegriffe des Islamismus", "Formen des Islamismus" sowie "Gruppierungen". 2. Allgemeines Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder haben die gesetzliche Aufgabe, extremistische und sicherheitsgefährdende Bestre25 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten bungen zu beobachten. Hierzu gehören auch solche verfassungsfeindlichen Bestrebungen, die sich auf den Islam berufen und daher als islamistisch bezeichnet werden. Dabei ist deutlich zwischen dem Islam als Religion und dem Islamismus als Ideologie auf religiöser Basis zu unterscheiden. Islamisten streben die Übertragung ihrer als unveränderlich gesetzten religiösen Werte und Ordnungsvorstellungen auf alle Bereiche des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens an und stellen sich damit gegen die Grundprinzipien unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. ( I.1) Unterschiede zwischen den verschiedenen islamistischen Organisationen bestehen dabei sowohl in ideologischer Hinsicht als auch in der Vorgehensweise, d.h. insbesondere in der Frage der Legitimation von Gewalt. Die Verfassungsschutzbehörden unterscheiden daher zwischen gewaltfreien und Gewalt befürwortenden Organisationen. 3. Potenziale Das bundesweite Potenzial der Anhänger islamistischer Bestrebungen hat sich auf 37.470 Personen (2009: 36.270) erhöht. Diese Steigerung Bund: Gesamt-Personenpotenzial im Ausländerextremismus mit dem Anteil der Islamisten 70000 60000 59.100 57.350 57.300 57.520 57.420 57.300 58.420 59.470 60.980 62.380 50000 40000 30000 20000 31.950 30.600 30.950 31.800 32.100 32.050 33.170 34.720 36.270 37.470 10000 0 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Ausländerextremisten davon insgesamt Islamisten - Alle Zahlen sind gerundet - 26 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten resultiert hauptsächlich aus dem Hamburg: 2.065 Personen mit Anwachsen der Mitgliederzahl der türislamistischen Bestrebungen kischen IGMG, der jetzt 30.000 Personen davon 200 Gewalt (2009: 29.000) zuzurechnen sind. befürwortende davon davon Informationen über extremistische Aus1.650 IGMG 40 Jihadisten länder, die keine Islamisten sind, enthält das Kapitel III des vorliegenden Verfassungsschutzberichtes 2010 "Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus)". Ende 2010 wurden in Hamburg insgesamt 2.065 Personen islamistischen Bestrebungen zugerechnet, rund 60 mehr als im Jahr 2009. Hauptursache dafür war der Anstieg der Mitgliederzahl der IGMG um 50 auf 1.650 ( 6.4.1). Von den aktuell 2.065 Islamisten sind 200 als Gewalt befürwortend einzuschätzen, hiervon werden 40 als "Jihadisten" bezeichnet. Hamburg: Gesamt-Personenpotenzial im Ausländerextremismus mit dem Anteil der Islamisten 3500 3000 2.590 2.630 3.055 3.265 3.000 3.000 2.985 2.930 2.985 2500 2000 1500 1.200 1.300 1.600 2.000 2.000 2.030 2.005 2.010 2.065 1000 500 0 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Ausländerextremisten Islamisten insgesamt - Alle Zahlen sind gerundet - 27 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten 4. Politisch motivierte Kriminalität (PMK) Seit 2001 wird der Deliktsbereich "Politisch motivierte Kriminalität" (PMK) bundesweit nach einheitlichen Kriterien erfasst. Darin sind sämtliche politisch motivierten Straftaten verzeichnet, extremistische Straftaten werden dabei als Teilmenge registriert. Die statistische Erfassung politisch motivierter Kriminalität sieht im Phänomenbereich "Ausländerextremismus" keine Differenzierung zwischen islamistisch und anderen extremistisch motivierten Delikten vor. Politisch motivierte Straftaten in Hamburg, die eindeutig Islamisten zuzurechnen sind, wurden 2010 nicht festgestellt. Die Relevanz politisch motivierter Kriminalität von Islamisten macht sich allerdings nicht an den Fallzahlen fest, sondern an der möglichen Schwere eines gelungenen Anschlages. Insoweit haben Zahlen bezüglich dieser Klientel nur begrenzten Aussagewert. Allerdings fallen Personen speziell aus dem jihadistischen Spektrum häufig durch allgemeinkriminelle Delikte auf. Da es zwischen dem jihadistischen und dem allgemein-kriminellen Milieu Schnittmengen gibt, sind die Motive für die Straftaten (Schleusungen, Fälschungsdelikte u.a.) in diesem Bereich nicht immer eindeutig zu klären. 5. Transnationaler islamistischer Terrorismus 5.1 Aktuelle Entwicklungen Während das zweite Halbjahr 2009 noch durch eine hohe Anzahl von Verlautbarungen seitens al-Qaida, der "Islamischen Bewegung Usbekistans" (IBU) und der "Islamischen Jihad Union" (IJU) gegenüber Deutschland geprägt war, hat die Intensität von Drohbotschaften islamistisch-terroristischer Gruppen gegen Deutschland 2010 nachgelassen. Diverse Audiound Videobotschaften mit Deutschlandbezug, wie etwa von den "Deutsche Taleban Mujahidin" (DTM), der IBU oder der IJU, richteten sich hauptsächlich an deutschsprachige Unterstützer bzw. Sympathisanten. Dabei beinhalteten viele Veröffentli28 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten chungen den Appell, sich den Kämpfern im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet anzuschließen. So rief zum Beispiel der Deutsch-Marokkaner Mounir CHOUKA aus Bonn, alias "Abu Adam", im August 2010 in einem Video der IBU mit dem Titel "Boden der Ehre - Teil 1" deutsche Muslime zur Teilnahme am Jihad im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet auf. Die Verbreitung derartiger Nachrichten erfolgte über das Internet, wichtigstes Kommunikationsmittel der Jihadisten. In Afghanistan sahen sich deutsche Soldaten im Verlauf des Jahres 2010 einer Vielzahl von terroristischen Angriffen ausgesetzt. So kam es zu diversen Anschlägen auf Angehörige der Bundeswehr. Dabei wurde deutlich, dass im deutschen Verantwortungsgebiet in Nordafghanistan zunehmend eine Kooperation zwischen der IBU und den Taleban stattfand, was zu einer erhöhten Bedrohungslage führte. Ein Beispiel hierfür war das Feuergefecht am 02.04.2010 im Distrikt Chahar Darreh (Provinz Kunduz), in dessen Verlauf drei deutsche Soldaten starben und acht weitere zum Teil schwer verwundet wurden ( 5.3). Ein weiterer folgenschwerer Anschlag ereignete sich am 15.04.2010. Dabei wurden drei deutsche Soldaten durch eine Sprengfalle getötet. Am selben Tag geriet ein Fahrzeugverband der Bundeswehr unter schweres Infanteriefeuer. Ein weiterer deutscher Soldat starb. Die Taleban bekannten sich zu dem Anschlag. Im September 2010 wurden mögliche Anschlagsvorbereitungen von alQaida gegen Europa bekannt. Demnach sollten in Frankreich, Großbritannien oder in Deutschland Anschläge im Stile der Mumbai-Attentate vom November 2008 durchgeführt werden ( VSB 2008). Das Bundesministerium des Innern bestätigte das Vorliegen entsprechender Hinweise, machte jedoch auch deutlich, dass keine konkreten Hinweise auf Anschlagsvorbereitungen in Deutschland und Europa vorlägen. Zwei im Sommer 2010 festgesetzte Mitglieder der "Hamburger Reisegruppe" machten Aussagen über einen langfristig angelegten Plan von al-Qaida, der sich gegen Europa und die USA richten und von dem sich in Pakistan aufhaltenden al-Qaida-Mitglied Yunis al-MAURETANI ausgehen sollte. Die Mitglieder der "Hamburger Reisegruppe" hatten sich in der "Taiba-Moschee" (ehemals Quds-Moschee) formiert. Die Moschee, die viele junge Muslime auch aus anderen Regionen der Bundesrepublik anzog, veranstaltete im April 2010 ein sala29 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten fistisch ausgerichtetes Islamseminar unter dem Motto "Drei Tage unter den Flügeln der Engel". Der Trägerverein der Moschee wurde mit Wirkung vom 09.08.10 durch die Behörde für Inneres verboten, da er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richtete. Internetseite der Behörde für Inneres und Sport, Pressemitteilung vom 09.08.2010, "Innenbehörde verbietet Arabisch-Deutschen Kulturverein Taiba". Über eine anhängige Klage des Vereins gegen das Verbot wurde bis zum Redaktionsschluss des Verfassungsschutzberichtes noch nicht entschieden. Die Taiba-Moschee hatte auf ihrer Internetseite neben Beiträgen über ihre Islamseminare auch Grundsatzartikel von Sayyid QUTB (1906 - 1966) veröffentlicht, einem ideologischen Vordenker der Muslimbruderschaft. QUTB rechtfertigt in seinen Werken den bewaffneten Jihad. Internetseite des LfV Hamburg, Arbeitsfeld Islamismus, Ideologische Vordenker, Sayyid QUTB. Das Internet spielt eine wichtige Rolle für die Indoktrination und Radikalisierung junger Muslime und bei der Bildung extremistischer Netzwerke. Die flutartige Verbreitung islamistisch-jihadistischer Propaganda ist ohne das Internet nicht vorstellbar. Das Medium ermöglicht die Bildung virtueller Netzwerke, die durch zum Teil abgeschottete Diskussionsforen und Chats sowie E-Mail-Verkehr und Internet-Telefonie miteinander kommunizieren. Die Verwendung von Verschlüsselungstechnologien stellt die Sicherheitsbehörden vor neue Herausforderungen, zumal diese Kommunikationsmöglichkeiten auch für die Planung terroristischer Aktivitäten genutzt werden. 5.2 al-Qaida-Netzwerk Kern-al-Qaida Der internationale islamistische Terrorismus ist nach wie vor eng mit dem Namen al-Qaida ("Die Basis") verbunden. Ihren Anspruch auf die ideologische Führung im globalen Jihad macht die Organisation aber mittler30 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten weile vorwiegend mit ihrer im Internet verbreiteten Propaganda geltend. Die Zahl entsprechender Veröffentlichungen hat im Jahr 2010 eher nachgelassen. Die Kern-al-Qaida, d.h. die Führungsebene des Terrornetzwerkes, verfügt zwar in der afghanisch-pakistanischen Grenzregion noch immer über funktionsfähige Strukturen, dort halten sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ihre führenden Köpfe, Usama BIN LADEN und Aiman AZZAWAHIRI, auf. Ihre operativen Fähigkeiten sind jedoch eingeschränkt. Gründe für die im Vergleich zum Vorjahr geringeren Propagandaaktivitäten und die eingeschränkte Handlungsfähigkeit sind u.a. auf den militärischen Druck durch die pakistanischen Militäroffensiven in Waziristan 2009 und die verstärkte gezielte Ausschaltung hoher al-Qaida-Angehöriger durch den Einsatz von Drohnen seitens der USA zurückführen. Der hohe Verfolgungsdruck, eine zunehmend prekäre finanzielle Situation und der Verlust wichtiger Akteure und Führungspersonen zwingen die Organisation dazu, sich ständig strukturell anzupassen. Von einer nachhaltigen Zerschlagung kann aber noch nicht gesprochen werden. Es ist weiter davon auszugehen, dass die Terrororganisation Anschläge gegen westliche Interessen in der Region und weltweit plant. Dies wurde durch im September 2010 bekannt gewordenen Gefahrenmeldungen gestützt. Auch das anhaltende Interesse an der Rekrutierung und Ausbildung westlicher Muslime weist darauf hin, dass al-Qaida nach wie vor versucht, ihre internationale Handlungsfähigkeit zu sichern. Auch 2010 wandten sich BIN LADEN und AZ-ZAWAHIRI (Foto) an die Öffentlichkeit. Während BIN LADEN bereits seit Jahren nicht mehr in Videos aufgetreten ist und lediglich Audioerklärungen abgibt, konnten 2010 erstmals auch von AZ-ZAWAHIRI keine Videobotschaften mehr festgestellt werden. Die Nummer zwei der Kern-al-Qaida meldete sich 2010 ebenfalls nur per Audiomitteilungen. In den Verlautbarungen gab es keine Deutschlandbezüge. Die geringere Zahl von Veröffentlichungen durch Kern-al-Qaida wurde jedoch zum Teil durch entsprechende Produktionen anderer al-Qaida-Filialen wie "al-Qaida 31 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten auf der Arabischen Halbinsel" oder "al-Qaida im islamischen Maghreb" kompensiert. Auch sie enthielten keine konkreten Deutschlandbezüge. Filialen der al-Qaida Neben der Kern-al-Qaida existieren Regionalorganisationen im Irak ("alQaida im Irak"), im Maghreb ("al-Qaida im islamischen Maghreb"), in Saudi-Arabien und im Jemen ("al-Qaida auf der arabischen Halbinsel") sowie weitere Gruppen, u.a. in Somalia ( 5.5), die Anschluss an dieses Netzwerk suchen. Aufgrund des "attraktiven" Etiketts "al-Qaida" traten in den letzten Jahren auch in Ägypten, Indonesien, Syrien und im Sudan militante Kreise unter dem Namen "al-Qaida" auf. Die Organisation verfügt weltweit über ein schwer schätzbares Potenzial von Anhängern, die sich der Ideologie des gewaltsamen Jihad verschrieben haben. Al-Qaida vermittelt so das Bild einer am gemeinsamen Ziel des globalen Jihad orientierten, aber dennoch unabhängig voneinander agierenden Netzwerkstruktur einzelner Terrorgruppen, die operativ weitgehend autark agieren. BIN LADEN und AZ-ZAWAHIRI fungieren dabei in erster Linie als Ideenund Inspirationsgeber sowohl für die mit der Kern-al-Qaida verbundenen regionalen Organisationen als auch für unabhängige terroristische Gruppen und Zellen, die im Geiste al-Qaidas handeln, organisatorisch mit ihr aber nicht verbunden sind. Insgesamt lässt sich von einer Diffusion al-Qaidas sprechen, was jedoch nicht bedeutet, dass die terroristische Gefahr sinkt. In westlichen Ländern ist in Zukunft verstärkt mit der Entstehung von "self-starter"-Zellen zu rechnen, d.h. von kleinen Gruppen oder Einzelpersonen, die sich eigenständig radikalisieren und autonom Anschläge vorbereiten. Unter dieses Szenario ist nach bisherigen Erkenntnissen der Anschlag vom 11.12.10 in Stockholm einzustufen ( 5.7). Diese weitgehend unabhängig agierenden Zellen, deren Entstehung mit dem Phänomen des "home-grown"-Terro32 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten rismus einhergeht, sind ein zusätzliches Risiko, weil sie für die Sicherheitsbehörden kaum erkennbar sind. "al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM) Im September 2006 schloss sich die algerische "Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat" (GSPC, Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf) dem al-Qaida-Netzwerk an; seit Januar 2007 operiert sie unter dem Namen "al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM). Sie versteht sich als führende Organisation aller maghrebinischen Jihadisten und bemüht sich um den Ausbau der Kontakte zu gleichgesinnten Mujahidin aus der gesamten Region. Die Einbindung in das Netzwerk al-Qaidas hat dabei zu einer merklichen Stärkung der Gruppe geführt. Seit ihrem Anschluss änderten sich die Anschlagsziele und die Art der Ausführung. Diese richten sich verstärkt gegen Ausländer in Algerien, wobei auch Selbstmordattentate verübt werden. Ziel sei es, so AZ-ZAWAHIRI, das algerische Volk von Amerika und Frankreich sowie deren Kollaborateuren zu befreien. An die Mujahidin im Maghreb appellierte er, muslimische Opfer bei Anschlägen zu vermeiden. Insbesondere wegen der hohen Zahl ziviler muslimischer Opfer bei Selbstmordanschlägen in Algier im Jahr 2007 war die AQM stark in die Kritik geraten. Mittlerweile hat sich AQM zu einer Organisation entwickelt, die außer in Algerien auch in Libyen, Mali, Burkina Faso, Niger und Mauretanien sehr aktiv ist. Zu ihren Operationen gehören u.a. Entführungen von westlichen Ausländern. Durch Lösegeldzahlungen konnte AQM hohe Einnahmen erzielen. Es ist daher anzunehmen, dass die Organisation dieses "Geschäftsmodell" 2011 fortführen Kämpfer der AQM wird. Als eine Aktion AQMs mit Europabezug ist für das Jahr 2010 die Entführung von sieben Personen, darunter fünf Franzosen, in Niger am 16.09.10 zu nennen. AQM ist mittlerweile in der Lage, Armeestützpunkte der oben genannten Staaten anzugreifen. So attackierten AQM-Kämpfer im März 2010 einen 33 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Armeestützpunkt der nigrischen Armee in Tiloa/Niger und töteten dabei fünf Soldaten. Zudem wurden Waffen und Fahrzeuge erbeutet. Im Gegensatz zur Kern-al-Qaida kann im Jahr 2010 bei AQM keine Schwächung festgestellt werden. "al-Qaida im Irak" - "Islamic State of Iraq" (ISoI) Nach mehreren Umbenennungen operiert "al-Qaida im Irak" seit 2006 unter dem formellen Oberbefehl des "Islamischen Staats im Irak" (ISoI). ISoI geht auf eine ebenfalls 2006 gegründete Dachorganisation mit Namen "Mujahidin-Rat im Irak" zurück, die von dem irakischen al-Qaida-Ableger und fünf weiteren sunnitischen Widerstandsgruppen gegründet worden war. Der "Mujahidin-Rat im Irak" schloss sich im Jahr 2006 der Gründung mit drei weiteren irakisch-sunnitischen Widerstandsgruppen zur "Allianz der Wohlduftenden" zusammen. Diese Allianz rief am 16.10.06 schließlich den "Islamischen Staat Irak" aus. Seit seiner Gründung werden im Namen des ISoI Verlautbarungen veröffentlicht und Anschläge begangen. Dem ISoI beigetretene Gruppierungen publizierten seitdem nicht mehr unter dem eigenen Namen. ISoI zählt zu den schlagkräftigsten und einflussreichsten Terrorgruppen im Irak. Durch die Vielzahl der Anschläge und der medienwirksam in Szene gesetzten Gewalttaten und Verlautbarungen ist die Organisation eine Anlaufstelle für Jihadisten. Der ISoI änderte seit Mitte/Ende 2009 seine Anschlagsstrategie. Statt vieler kleiner Attacken mit geringeren Folgeschäden beging er medienwirksame Großanschläge - mit hohen Sachund Personenschäden - gegen irakische Regierungseinrichtungen, internationale Hotels und diplomatische Vertretungen. Mit den Anschlägen auf drei Botschaften in Bagdad am 04.04.10 wurde erstmalig auch eine deutsche diplomatische Vertretung im Ausland von einer al-Qaida-Filiale angegriffen. Bei einer Operation irakischer Sicherheitskräfte, die mit amerikanischer Unterstützung durchgeführt wurde, kamen am 18.04.10 der "Emir" 34 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten (Befehlshaber) des ISoI, Abu Omar al-BAGHDADI, sowie der "Kriegsund Premierminister" des ISoI, Abu Hamza al-MUHAJIR, ums Leben. Nach der Tötung al-BAGHDADIs wurde Abu Bakr al-BAGHDADI al-HUSAINI alQURAISHI in einer auf den 15.05.10 datierten Erklärung als neuer Emir des ISoI bekannt gegeben. Ein auffälliges Merkmal der "al-Qaida im Irak" war bislang, dass viele ihrer Kämpfer nicht Iraker waren, sondern aus dem Ausland kamen. Mittlerweile ist der Anteil irakischer Rekruten deutlich gestiegen. "al-Qaida auf der arabischen Halbinsel" (AQAH) Als weitere Gruppe mit bisher vorrangig regionalen Interessen agiert "alQaida auf der arabischen Halbinsel" (AQAH). Der unter diesem Namen firmierende saudi-arabische al-Qaida-Ableger fusionierte 2009 mit "alQaida im Jemen". Besonders aktiv war die AQAH 2010 im Jemen. Hervorzuheben ist der gescheiterte Selbstmordanschlag auf den britischen Botschafter am 26.04.10 in Sanaa. Der Jemen hat sich auch zu einem Rückzugsgebiet für die AQAH entwickelt. Hier konnte auch der US-jemenitische Prediger Anwar AL-AWLAKI (Foto) Schutz finden. Dieser wird von US-Behörden als einer der gefährlichsten Ideologen und Strategen eingeschätzt - nicht zuletzt wegen seines Einflusses auf die islamistische Szene in den USA selbst. Am 20.03.10 wurde auf einer US-amerikanischen Internetseite eine Audiobotschaft AL-AWLAKIs veröffentlicht, mit der er die amerikanischen Muslime zum Jihad aufruft. Auch Saudi-Arabien bleibt weiterhin ein operatives Zielgebiet der Gruppe, jedoch gab es im Jahr 2010 keine schweren Anschläge. Allerdings orientiert sich die AQAH zunehmend auch international, insbesondere gegen die USA. Dies zeigte zunächst das gescheiterte Attentat vom 25.12.09 auf ein von Amsterdam/NL in Richtung Detroit fliegendes Flugzeug mit annähernd 300 Passagieren an Bord ( VSB 2009). Die AQAH bekannte sich zu dieser Tat und zur Ausbildung des - auch als "Unterhosen-Bomber" bekannt gewordenen - Attentäters Omar Faruk ABDULMUTALLAB. 35 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Am 29.10.10 konnte an den Flughäfen Dubai und East Midlands bei Nottingham / GB je ein Paket - aus Sanaa/Jemen kommend mit Endziel Chicago - abgefangen werden. Die Pakete enthielten in Druckern verbaute Sprengvorrichtungen, die mit dem Plastiksprengstoff PETN bestückt waren. Im Jemen wurden 24 weitere verdächtige Pakete sichergestellt. Es ist daher möglich, dass die beiden in Dubai und Großbritannien aufgefundenen Pakete nur Teil einer breiter angelegten AQAH-Aktion waren. In einer Internet-Botschaft wertete die AQAH auch die gescheiterten Anschlagsversuche als Erfolg. Diese hätten in der Folge wirtschaftliche Schäden in Millionenhöhe verursacht. Die AQAH kündigt im Rahmen einer "Tausend-Schritte-Strategie" weitere Anschläge an. 5.3 "Islamische Bewegung Usbekistans" (IBU) Die IBU wurde im August 1999 mit dem Ziel gegründet, das Regime des usbekischen Präsidenten Islam KARIMOV zu stürzen und durch ein islamisches Staatswesen zu ersetzen, in dem die Scharia (Internetseiten des LfV Hamburg, Arbeitsfeld Islamismus, Grundbegriffe des Islamismus) Anwendung finden soll. Seitdem ist die IBU aber auch in anderen Staaten aktiv geworden und strebt mittlerweile die Einführung eines islamischen Staates in ganz Zentralasien an. Enge Verbindungen bestehen zu al-Qaida und den Taleban, mit denen sie zusammen gegen die Koalitionstruppen in Afghanistan kämpft. Erstmalig bekannte sich die IBU am 06.05.10 zu einem Anschlag gegen deutsche Soldaten am 02.04.10 im Distrikt Chahar Darreh in der Provinz Kunduz. Dabei kamen drei deutsche Soldaten ums Leben, acht weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Es liegen Hinweise vor, dass dieser Anschlag gemeinsam mit den Taleban begangen worden sein könnte. Bereits im Jahr 2009 veröffentlichte die IBU eine Vielzahl von Video-Verlautbarungen, die sich inhaltlich mit dem Jihad in den afghanischen und pakistanischen Kampfgebieten befassten und sich auch auf Deutschland bezogen. 2010 wurden erneut Videos der IBU bekannt, die zwar keine 36 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Drohungen gegen Deutschland enthielten, sich jedoch u.a. an ein deutschsprachiges Publikum richteten. So rief der aus Deutschland stammende Monir CHOUKA (ABU ADAM, Foto links) in einem Anfang August veröffentlichten 39-minütigen Video "Boden der Ehre - Teil 1" die muslimische Jugend in Deutschland auf, sich am Jihad zu beteiligen. In einem weiteren - Ende August veröffentlichten - Video der IBU mit dem Titel "Labbaik" treten Monir CHOUKA sowie dessen Bruder Yassin CHOUKA (ABU IBRAHEEM,) auf. In diesem Video werden die Zuschauer wiederholt mit "Meine lieben Geschwister in Deutschland" angeredet. Zudem wird am Ende der Botschaft ein Lied speziell den "muslimischen Geschwistern in Deutschland" gewidmet. Das Propagandavideo zielt darauf ab, eigene Erfolge im Kampf gegen die pakistanische Armee zu rühmen, einen Einblick in den Alltag der Kämpfer zu geben sowie um aktive Beteiligung und finanzielle Unterstützung zu werben. Bereits seit 2009 kursierten Gerüchte um den Tod des IBU-Gründers und -Anführers Taher YULDASHEV. Der Tod YULDASHEVs wurde am 16.08.10 erstmalig auch von der IBU bestätigt. Nachfolger sei Usmon ODIL, angeblich ein langjähriger Weggefährte des Getöteten. YULDASHEV kam laut IBU-Erklärung bereits am 27.08.09 bei einem Drohnenangriff in Pakistan ums Leben. Die Nachricht sei zunächst geheim gehalten worden, da zum damaligen Zeitpunkt nicht "den Feinden die Stimmung gehoben" werden sollte und befürchtet worden sei, die Bestätigung des Todes könne die IBU-Sympathisanten demoralisieren. Die IBU pflegt weiterhin ein gutes Verhältnis zur "Tehrik-e Taliban-e Pakistan" (TTP). So existieren Bilder, die ODIL neben dem Führer der TTP Hakimullah MEHSUD zeigen. Teile der Hamburger Reisegruppe ( 5.9) schlossen sich 2009 vorübergehend der IBU an. 37 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten 5.4 "Islamische Jihad-Union" (IJU) Die "Islamische Jihad-Union" (IJU), eine Abspaltung der "Islamischen Bewegung Usbekistans" (IBU, 5.3), trat erstmals 2002 auf. Sie steht in enger Verbindung zur Kern-al-Qaida ( 5.2) und anderen Terrororganisationen im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet. Ihr Ziel ist die Errichtung eines Kalifats (Internetseiten des LfV Hamburg, Arbeitsfeld Islamismus, Grundbegriffe des Islamismus) zunächst in Zentralasien und der restlichen Welt. Internationale Aufmerksamkeit erregte die IJU durch zwei am 30.07.04 verübte Selbstmordanschläge auf die israelische und die USBotschaft in der usbekischen Hauptstadt Taschkent. In Deutschland wurde die IJU im Jahr 2007 im Zusammenhang mit der Festnahme der Islamisten Fritz GELOWICZ, Daniel SCHNEIDER und Adem YILMAZ, der sogenannten Sauerlandgruppe, bekannt. Nachdem die IJU sich anfänglich an Türkischsprachige richtete, wendet sie sich seit Ende 2007 auch auf Deutsch an ihr Publikum. Exemplarisch sind die Audiound Videobotschaften Eric BREININGERs, der sich an Deutschland bzw. an deutschsprachige Menschen richtete. Er verließ die IJU und gründete die Gruppierung "Deutsche Taliban Mujahidin" (DTM). Die Nachricht vom Tode BREININGERs am 30.04.10 wurde am 03.05.10 über jihadistische Foren von der - ebenfalls türkischsprachigen - jihadistischen Organisation "Taifatul Mansura" in Pakistan verbreitet. Einen Tag später wurde auf diesen Seiten eine angebliche Autobiographie BREININGERs mit dem Titel "Mein Weg nach Jannah" veröffentlicht. Die Authentizität der 108 Seiten umfassenden Schrift vorausgesetzt, gibt der Text Einsicht in die Radikalisierung BREININGERs, seinen Weg zur IJU, deren Aktivitäten sowie die Gründung der DTM. Während im Jahr 2009 noch mehrere Videos der IJU veröffentlicht wurden, hat sich ihr Propagandaaufkommen 2010 deutlich verringert. Nachdem bereits am 14.09.09 der damalige Führer der IJU Najmuddin JALOLOV bei einem Drohnenangriff der USA in Waziristan getötet 38 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten worden war, wurden die Drohnenangriffe gegen das Führungspersonal der IJU 2010 fortgesetzt. So kam am 08.09.10 der hochrangige IJU-Kommandeur QURESHI ums Leben. Die IJU ist aufgrund des Todes dieser Führungskader erheblich geschwächt, wird aber weiterhin als handlungsfähig und Bedrohung für deutsche Interessen angesehen. 5.5 al-Shabab-Miliz (Die Jugend) Die al-Shabab ist eine in Somalia aktive militante Organisation mit Nähe zur al-Qaida ( 5.2). Sie bekämpft die somalische Übergangsregierung, die von den USA und den Truppen der "African Union Mission in Somalia" (AMISOM) unterstützt wird. In Territorien, die von der al-Shabab dominiert werden, wird die Scharia sehr streng angewendet. So wird u.a. die Steinigung als Bestrafung für Ehebruch verhängt - sowohl für Männer als auch Frauen. Berüchtigt sind die al-Shabab auch wegen der von ihr durchgeführten und teilweise gefilmten Enthauptungen von "Spionen". Am 24.08.10 griffen zwei Militante das "Muna"-Hotel in Mogadischu an, das weniger als zwei Kilometer vom Präsidentenpalast entfernt liegt. Etwa 30 Personen, darunter sechs Parlamentsabgeordnete, starben bei dem Überfall. Nur einen Tag vor dem Anschlag hatte die al-Shabab erklärt, einen "finalen Krieg" gegen die somalische Übergangsregierung zu führen. Der Anschlag auf das Hotel reiht sich in die Strategie al-Shababs ein, Repräsentanten der Übergangsregierung sowie Angehörige der AMISOM-Truppen anzugreifen, um den Aufbau staatlicher Strukturen zu verhindern. Im Zuge ihrer verstärkten Operationen während des Ramadan hat al-Shabab am 09.09.10 einen Anschlag auf den Flughafen Mogadischu verübt. Zum Zeitpunkt des Angriffs hielten sich zwei ranghohe Vertreter der Vereinten Nationen sowie der Afrikanischen Union zusammen mit somalischen Repräsentanten am Flughafen auf. Dieser Anschlag war nach dem 39 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Angriff auf das Hotel "Muna" die zweite große "Märtyrer-Operation" der al-Shabab während des Ramadan 2010. In den Reihen der al-Shabab soll es auch zahlreiche europäische - insbesondere britische und skandinavische - sowie US-amerikanische Staatsbürger geben. Diese erhalten in Somalia eine militärische Ausbildung sowie Kampferfahrung und würden im Falle einer Rückkehr in ihre Heimatländer ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellen - insbesondere auch deswegen, weil die al-Shabab durchaus willens und in der Lage ist, Ziele außerhalb Somalias anzugreifen, was der verheerende Anschlag während der Fußball-WM in Ugandas Hauptstadt Kampala verdeutlicht hat ( 5.7). 5.6 "Lashkar-e Taiba" (LeT) 1987 wurde in Pakistan die religiöse Organisation "Markaz ud-Dawa wa-lIrshad" (MDI, "Zentrum für Propagierung und Rechtleitung") gegründet. Als militärischer Arm des MDI entstand die "Lashkar-e Taiba" (LeT, "Armee der Reinen"), die zu den aktivsten und schlagkräftigsten Terrorgruppen in Kaschmir zählt. Im Januar 2002 wurde die LeT von den pakistanischen Behörden verboten. Sie unterhält dennoch weiterhin Trainingslager und Büros im pakistanischen Teil Kaschmirs sowie in anderen Regionen Pakistans. Die Gruppierung wurde in der Vergangenheit nicht nur für zahlreiche Anschläge und andere Gewaltverbrechen in Kaschmir verantwortlich gemacht, sondern soll auch an einem bewaffSymbol der LeT neten Angriff auf das indische Parlament in Neu-Delhi im Dezember 2001 und an weiteren Terroranschlägen in anderen Teilen Indiens beteiligt gewesen sein - so im Juli 2006 an den schweren Anschlägen auf Züge in der indischen Metropole Mumbai mit mehr als 200 Toten. Die LeT soll außerdem über Kontakte zum internationalen Terrornetzwerk, insbesondere zu al-Qaida ( 5.2), verfügen. Besondere Bekanntheit erlangte die LeT zuletzt am 26.11.08, als eine zehnköpfige Gruppe von Terroristen zwei DPA Luxushotels und andere Einrichtungen 40 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten in Mumbai überfiel (Foto links). Insgesamt wurden bei dem Massaker über 170 Menschen ermordet, mehr als 300 wurden verletzt. 2009 machte die LeT vor allem durch die mutmaßliche Involvierung in einen Anschlag auf die Kricket-Nationalmannschaft Sri Lankas im pakistanischen Lahore am 03.03.09, bei dem acht Menschen getötet und weitere 19 verletzt wurden, von sich reden. Ein Sprecher der LeT bestritt allerdings am 05.03.09 jegliche Verstrickung seiner Organisation in den Anschlag. Auch wird die LeT verdächtigt - eventuell in Kooperation mit anderen Gruppen - an einem Anschlag auf eine Polizeischule in Lahore am 30.03.09 beteiligt gewesen zu sein. Die Spur der LeT führte schließlich im Herbst 2009 auch nach Europa. So wurde im Oktober 2009 bekannt, dass der US-amerikanische Staatsbürger David Coleman HEADLEY Kontakt zu zwei LeT-Angehörigen hatte, um einen Anschlag in Dänemark auszuführen. Diese Pläne konnten verhindert werden. Im Dezember 2008 entließ der oberste Gerichtshof in Lahore / Pakistan Hafiz Muhammad SAID, Mitbegründer und Führer der LeT, aus dem Hausarrest, unter den er nach den Terrorangriffen auf Mumbai Ende November 2008 gestellt worden war. Offiziell fungiert SAID als Vorsitzender der angeblichen Wohlfahrtsorganisation Jamaat-ud-Dawa (JuD), welche allerdings als Tarnorganisation der LeT gilt. Dies wird von der JuD bestritten. Die JuD wurde trotz ihrer UN-Listung als terroristische Organisation im Jahr 2008 von Pakistan nicht verboten. Auch der Lahore District Court bestätigte in einer Entscheidung anlässlich eines Verfahrens gegen die LeT/JuD Führung Mitte 2009, dass die JuD in Pakistan nicht verboten sei. 15 Monate nach den Anschlägen von Mumbai drängte die LeT Anfang 2010 wieder verstärkt an die Öffentlichkeit. So veranstaltete die JuD im Januar und Februar 2010 Großkundgebungen in Lahore, Islamabad und Muzaffarabad und rief anlässlich des Kaschmir-Solidaritätstages 2010 zum Heiligen Krieg auf. Anschläge größeren Ausmaßes in Pakistan, Indien oder in anderen Ländern, die auf das Konto der LeT gehen könnten, sind 2010 nicht bekannt geworden. 41 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Nach derzeitigen Erkenntnissen unterhält die Terrorgruppe in der Bundesrepublik Deutschland keine Organisationsstrukturen. Dem LfV Hamburg sind keine in Hamburg wohnenden Mitglieder der LeT bekannt. 5.7 Anschläge weltweit von al-Qaida-inspirierten Gruppierungen im Jahr 2010 Anschläge von al-Qaida-inspirierten Terrorgruppen in Europa oder den USA konnten im Jahr 2010 zumeist in einem frühen Stadium der Vorbereitung verhindert werden oder scheiterten aus unterschiedlichen Gründen. * In Russland kam es am 29.03.10 zu einem folgenschweren Angriff auf die Moskauer Metro, wobei mindestens 39 Menschen getötet und über 100 verletzt wurden. Der Emir des "Kaukasischen Emirats" Dokku UMAROV bekannte sich in einem Video vom 31.03.10 zu der Tat. UMAROV (Foto) rechtfertigte sie als eine "Racheaktion" für die Ermordung von Zivilisten im inguschetischen Dorf Arschty am 11.02.10, die laut UMAROV vom russischen Inlandsgeheimdienst FSB begangen wurde. Die Attentate auf die Moskauer U-Bahn können somit in den Konflikt zwischen Rebellen der autonomen Republik innerhalb der russischen Föderation Inguschetien und dem russischen Staat eingeordnet werden, wobei die genannten Rebellengruppen zum globalen Netzwerk des islamistischen Terrorismus Kontakte unterhalten. * Am 01.05.10 scheiterte der Versuch Faisal SHAZADs, auf dem Times Square in New York eine Autobombe detonieren zu lassen. SHAZAD ist US-Amerikaner mit pakistanischen Wurzeln mit Verbindung zur Tehrek-e Taliban-e Pakistan (TTP), die am 02.05.10 die Verantwortung für den gescheiterten Anschlag übernahm. * Bei einem Selbstmordanschlag am 11.12.10 in Stockholm kam außer dem Attentäter Taimour al-ABDALY niemand ums Leben, mehrere Personen wurden jedoch verletzt. Es wird vermutet, dass alABDALY - ein zuletzt in England lebender schwedischer Staatsbürger irakischer Herkunft - Helfer bei der Aktion gehabt haben könnte. Der 42 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Anschlag dürfte jedoch auf seine Initiative zurückgehen. Eine Tatbekennung einer terroristischen Gruppierung ist bislang nicht bekannt geworden. * Zu den schwersten Anschlägen, die 2010 von al-Qaida-inspirierten Terrorgruppen in Ländern außerhalb Europas, der USA, Russlands und der Hauptkampfzonen Irak, Afghanistan und Pakistan begangen wurden, zählen die zeitgleichen Sprengstoffanschläge gegen ein Restaurant und einen Sportclub während der Übertragung des Fußball-WM-Finales in der ugandischen Hauptstadt Kampala am 11.07.10. Dabei kamen 74 Personen ums Leben. Am 12.07.10 übernahm die somalische al-Qaida-nahe Organisation "al-Shabab" ( 5.5) in einer Presseerklärung durch ihren offiziellen Sprecher, Ali DHEERE, die Verantwortung für die Anschläge. Bislang hatte sich die al-Shabab auf verbale unspezifische Drohungen gegen Uganda beschränkt, hauptsächlich wegen dessen Engagement für den AMISOM-Einsatz ( 5.5) in Somalia. Dieser Anschlag ist der erste, den die al-Shabab außerhalb Somalias verübt hat. 5.8 Prozesse, Ermittlungsverfahren und Festnahmen Allein in Deutschland werden nach Auskunft des Bundeskriminalamtes (BKA) Ende 2010 ca. 350 Ermittlungsverfahren im Bereich des islamistischen Terrorismus geführt, darüber hinaus hat es auch 2010 wieder eine Vielzahl von Prozessen und Festnahmen gegeben, von denen hier eine Auswahl dargestellt wird: National * Zu den Prozessen, die bereits 2009 im Fokus medialen Interesses standen und im Jahr 2010 fortgesetzt wurden, gehörte der sogenannte Sauerlandprozess ( VSB 2009, S. 45 f., des LfV Hamburg). Die Hauptangeklagten wurden aufgrund ihrer Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, der IJU, der Vorbereitung eines Sprengstoffattentates und anderer Straftatbestände am 04.03.10 zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. 43 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Im Verlauf des Berichtsjahres gab es in diesem Zusammenhang weitere Verurteilungen. So sprach das OLG Frankfurt/M. am 26.01.10 gegen den 24-jährigen Deutsch-Türken Kadir T. eine einjährige Bewährungsstrafe aus. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte einem der Hauptangeklagten der "Sauerlandgruppe" bei der logistischen Unterstützung der IJU behilflich war, indem er dieser u.a. eine Videokamera und ein Nachtsichtgerät übergeben hatte. Ein weiteres Urteil erging am 08.03.10: Der 23-jährige Burhan Y. erhielt eine neunmonatige Freiheitsstrafe wegen Unterstützungshandlungen für die IJU. Während die Strafe gegen Y. ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurde, traf es am 15.10.10 den deutschen Staatsangehörigen türkischer Abstammung Salih S. deutlich härter. Das Gericht verurteilte den 28-Jährigen zu drei Jahren und drei Monaten Freiheitsentzug. Ihm war nicht nur die Unterstützung der IJU in 22 Fällen nachgewiesen worden, sondern auch die aktive Beteiligung an Kampfhandlungen auf Seiten der Terrororganisation. * Auch im Prozess gegen mutmaßliche al-Qaida-Mitglieder vor dem OLG Koblenz wurden weitere Urteile gesprochen. Nachdem im vergangenen Jahr gegen den Hauptangeklagten Alem N. eine Freiheitsstrafe von acht Jahren ausgesprochen wurde, verurteilte das Gericht am 19.07.10 die mitangeklagten türkischen Staatsangehörigen Ömer Ö. und Sermet I. wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (al-Qaida) und Verstößen gegen das Außenwirtschaftsgesetz zu Freiheitsstrafen von sechs bzw. zwei Jahren und sechs Monaten. Strafverschärfend wirkte sich aus, dass Ö. den durch Videobotschaften bekannten deutschen al-Qaida-Propagandisten Bekkay HARRACH für die Terrororganisation rekrutierte. Im Herbst 2009 drohte HARRACH der deutschen Bevölkerung anlässlich der Bundestagswahlen in Videobotschaften mit Anschlägen, wenn sie durch ihre Wahlentscheidung nicht für den Abzug deutscher Soldaten aus Afghanistan stimmen würden ( VSB 2009, S. 35 f., des LfV Hamburg). * Ebenfalls wegen Unterstützungsleistungen für die IJU ( 5.4) und die DTM (auch 5.4) wurden am 20.02.10 Filiz G. (28) sowie die beiden Deutschen Alican T. und Fatih K. festgenommen. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, die Organisationen mit Geldzuwendungen sowie der Rekrutierung potenzieller Kämpfer und deren Entsendung 44 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten in die Jihadgebiete Afghanistans und Pakistans unterstützt zu haben. Gegen diese drei Personen erhob die Bundesanwaltschaft am 10.08.10 Anklage. International * Am 01.05.10 hatte der 31-jährige US-Bürger pakistanischer Abstammung Faisal SHAZAD versucht, eine Autobombe in New York zu zünden. Zwei Tage später nahmen ihn amerikanische Sicherheitskräfte am Flughafen John F. Kennedy fest. Mit dem Anschlag wollte S. gegen die Militäreinsätze der USA in muslimischen Ländern protestieren. Technisches Versagen hatte die Explosion und damit möglicherweise größeres Blutvergießen verhindert. Der Täter räumte die Tat ein und gab darüber hinaus zu, im pakistanischen Waziristan eine Ausbildung zum Bombenbau erhalten zu haben. Eigenen Angaben zufolge stand er mit den radikalislamischen Taleban in Verbindung. Faisal S. wurde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. * Zum Tode verurteilte ein Sondergericht in Indien am 06.05.10 den einzigen überlebenden Attentäter der Anschläge von Mumbai. Der 22-jährige Pakistaner Mohammad Ajmal Amir KASAB und neun weitere Terroristen hatten am 26.11.08 fast gleichzeitig mindestens sieben Ziele in der indischen Stadt mit Sprengstoff, Schnellfeuergewehren und Handgranaten angegriffen. Bei dem Anschlag wurden über 170 Menschen ermordet, über 300 wurden zum Teil schwer verletzt ( VSB 2009, S. 43 f., des LfV Hamburg). Unter den Opfern waren auch sechs Deutsche. * Am 10.09.10 kam es im Hotel "JOERGENSEN" in Kopenhagen zu einer vermutlich versehentlich ausgelösten Explosion eines Selbstlaborats. Der Täter, der belgische Staatsbürger Lors D., wurde durch die Detonation erheblich verletzt. Er versteckte sich anschließend in einer nahegelegenen Parkanlage, wo ihn die Polizei nach kurzer Zeit festnahm. In seinen mitgeführten Taschen wurden auch ein Messer und eine Schusswaffe sowie zwei Magazine mit Munition sichergestellt. Die genauen Hintergründe der Tat waren bei Redaktionsschluss noch nicht abschließend geklärt. Lors D. ist dem gewaltorientierten islamistischen Spektrum zuzurechnen und hat auch Kontakte in Deutschland. 45 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten * Am 11.12.10 kam es in Stockholm zu einem teilweise gescheiterten Selbstmordattentat (Foto), bei dem außer dem Attentäter Taimour al-ABDALY keine weiteren Personen starben, jedoch mehrere verletzt wurden. Es wird vermutet, dass al-ABDALY, ein zuletzt in England lebender schwedischer Staatsbürger irakischer Herkunft, Helfer bei der Aktion gehabt haben könnte. Eine Tatbekennung einer terroristischen Gruppierung ist jedoch bisher nicht bekannt. REUTERS/Reuters TV 5.9 Situation in Hamburg Unterstützer und Sympathisanten des bewaffneten Jihad (Heiliger Krieg) werden unverändert intensiv beobachtet. Jihadisten befürworten oder unterstützen durch propagandistische, logistische, finanzielle oder sonstige Hilfsleistungen den weltweiten bewaffneten Jihad im Sinne der alQaida-Ideologie und sehen ihn als legitimes Mittel im Kampf gegen die "Ungläubigen" an. Dieser Personenkreis agiert vorsichtig und konspirativ und versucht zunehmend, den Sicherheitsbehörden Falschinformationen zuzuspielen. Die Zahl der Jihadisten in Hamburg hat sich auf 40 Personen (2009: 45) verringert. Grund hierfür ist in einigen Fällen, dass die aktuellen Erkenntnisse eine Einstufung als Jihadist nicht mehr rechtfertigen. Darüber hinaus wohnen einige Personen nicht mehr in Hamburg, sondern sind in Haft oder halten sich in Afghanistan / Pakistan auf oder sind dort ums Leben gekommen. Offene extremistische Äußerungen von Jihadisten gibt es kaum noch. Dies gilt weiterhin auch für Predigten in den einschlägigen Moscheen. Aufrufe zur Unterstützung terroristischer oder sonstiger gewaltbereiter Gruppen werden allenfalls angedeutet. Die salafistisch geprägte Taiba-Moschee (ehemals Quds-Moschee) am Steindamm, in der schon die Attentäter vom 11.09.01 verkehrten, war in der ersten Jahreshälfte weiterhin der Hauptanziehungspunkt für die jihadistische Szene. In der Taiba-Moschee verkehrten auch die in Hamburg lebenden Salafisten. Vom 09.-11.04.10 wurde in der Moschee ein Islam46 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Seminar mit dem Titel "Drei Tage unter den Flügeln der Engel" veranstaltet. Dabei traten mehrere bundesweit bekannte Islamprediger auf, die einer sehr strikten salafistischen Ausprägung des Islam anhängen. Junge Muslime auch aus anderen Regionen Deutschlands wurden zunehmend vom hier verbreiteten salafistischen Gedankengut angezogen. Weitere Informationen über Salafisten und über das Islamseminar finden sich auf den Internetseiten des LfV, "Arbeitsfeld Islamismus" / "Grundbegriffe des Islamismus" und unter "Schlagzeilen aus dem politischen Extremismus". * Verbot des Trägervereins der Taiba-Moschee Der Trägerverein der Taiba-Moschee (Foto) wurde mit Wirkung vom 09.08.10 durch die Behörde für Inneres verboten. In der Verbotsverfügung wurde festgestellt, dass sich der Verein u.a. gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richtete. Das Verbot ist allerdings noch nicht rechtskräftig, da der Verein Klage eingereicht hat. Durch die Schließung der Moschee wurde der Szene der zentrale Ort der Radikalisierung und der Unterstützung jihadistischer Aktivitäten genommen. Weitere Informationen hierzu unter "Schlagzeilen aus dem politischen Extremismus", "Verbot des Trägervereins der Taiba-Moschee". Die ehemaligen Besucher der Moschee suchen mittlerweile verschiedene andere Moscheen im Hamburger Stadtgebiet und im Umland zum Beten auf. Siehe hierzu auch den Beitrag "Innensenator Heino Vahldieck begrüßt klare Distanzierung der Schura von Extremisten der ehemaligen Taiba-Moschee" v. 13.10.10. 47 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten * Internet als Kommunikationsund Propagandamedium Die Bedeutung des Internets als Kommunikationsund Propagandamedium für Islamisten und Jihadisten in Hamburg hat weiter zugenommen. Über Diskussionsforen und Chatrooms wird Kontakt zu Gleichgesinnten aufgenommen. Neben dem regen Austausch zu islamistischen Themen werden auch aktuelle Ereignisse erörtert. Auf diese Weise entstehen überregionale Netzwerke, die durch die Verbreitung islamistischer und jihadistischer Propaganda zur Radikalisierung insbesondere jüngerer Islamisten beitragen. * Ausreise von Islamisten Vorwiegend aus Hamburg kommende Jihadisten reisten als Gruppe im März 2009 nach Pakistan / Afghanistan aus. Einige von ihnen wollten sich dort an Kampfhandlungen beteiligen ( VSB 2009 des LfV Hamburg, S. 50 ff.). Die Aktivitäten dieser Gruppe beschäftigten die Sicherheitsbehörden auch im Jahr 2010 in vielfältiger Weise. Von den ursprünglich elf Personen der Reisegruppe, unter ihnen auch zwei Frauen, hielten sich Anfang 2010 noch sieben in der Region auf. Zwei Mitglieder waren kurz nach ihrer Einreise in Pakistan festgenommen und nach zwei Monaten in pakistanischem Gewahrsam nach Deutschland zurückgeschickt worden. Eine weitere Person kehrte im Dezember 2009 nach Hamburg zurück. Vor seiner Ausreise hatte der Personenkreis die Taiba-Moschee besucht, in der er sich offensichtlich als Gruppe formierte und radikalisierte. Dieser Fakt unterstreicht die Bedeutung, die der Moschee als Treffpunkt und Ort der Radikalisierung und Unterstützung jihadistischer Aktivitäten beizumessen war. Der Generalbundesanwalt (GBA) leitete im Herbst 2009 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland bzw. deren Unterstützung ein. In der Folge wurden am 22.06.10 mehrere Wohnungen durchsucht; Festnahmen gab es keine. Im Juni bzw. Juli 2010 versuchten zwei weitere Angehörige der Reisegruppe, Rami M. und Ahmad Wali S., aus Pakistan nach Deutschland zurückzukehren; sie wurden auf ihrem Rückweg in Pakistan bzw. Afgha48 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten nistan festgenommen. Rami M. wurde nach kurzer Haft in Pakistan nach Deutschland zurückgebracht. Anschließend erließ der Bundesgerichtshof (BGH) am 25.08.10 Haftbefehl wegen des dringenden Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland; Rami M. ist seitdem in Hessen inhaftiert. Ahmad Wali S. wurde in Kabul/Afghanistan festgenommen und befindet sich in US-amerikanischem Gewahrsam. Beide machten in den Vernehmungen Aussagen über mögliche Anschlagsplanungen in Europa. Durch seinen Auftritt in zwei im Herbst 2009 erschienenen Videos der IBU wurde der zur Reisegruppe zählende Shahab D. alias Abu Askar öffentlich bekannt. Es ist davon auszugehen, dass er sich in Pakistan zumindest zeitweise der IBU angeschlossen hatte. Shahab D. kam im Oktober 2010 in Pakistan mit weiteren aus Deutschland stammenden Islamisten bei einem Drohnenangriff ums Leben. Hamburger Jihadisten versuchen auch weiterhin, in ein Jihad-Gebiet auszureisen. Das rechtzeitige Erkennen entsprechender Planungen und, soweit möglich, das Ergreifen entsprechender Maßnahmen gehören nach wie vor zu den Hauptaufgaben der Sicherheitsbehörden. 6. Sonstige islamistische Gruppierungen 6.1 Transnationale Organisationen Hizb ut-Tahrir (HuT) Die multinationale "Hizb ut-Tahrir" (HuT, auch "Hizb Al Tahrir al Islami", "Befreiungspartei") wurde 1953 von Taqiuddin AN-NABHANI in Jerusalem gegründet. Ihr Ziel ist die Errichtung eines weltweiten islamischen Kalifats auf der Grundlage der Scharia (Internetseiten des LfV Hamburg, Arbeitsfeld Islamismus, Grundbegriffe des Islamismus) unter der Herrschaft eines Kalifen. Die HuT bezeichnet den Islam als Ideologie, an der sich alle Völker und Gemeinschaften auszurichten hätten. Nicht der Islam sei der Realität anzupassen, sondern die Realität so zu verändern, dass sie den Regeln der Scharia entspreche. Die HuT behauptet zwar, weder Gewalt noch Terrorismus zu fördern, in ihrer Programmschrift "Lebensordnung des Islam", dem bis heute wichtigsten ideologischen Fundament der Bewegung, rechtfertigt sie jedoch die gewalttätige Form 49 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten des Jihad im Sinne eines gewaltsamen Angriffs auf die "Ungläubigen" als legitimes Mittel. Die HuT ist in erster Linie eine politische Bewegung, die den Absolutheitsanspruch des Islam mit einem entsprechenden politischen Modell (Kalifat) verbindet und jede hiervon abweichende "ungläubige" Staatsform bekämpft. Ebenso wird jede Teilnahme am politischen Leben in den "blasphemischen Systemen" kategorisch abgelehnt. Feindbild der HuT sind vor allem "die Juden" und die nach ihrer Ansicht mit Israel und westlichen Regierungen kollaborierenden Herrscher der arabischen bzw. islamischen Welt. In zahlreichen öffentlichen Äußerungen zum israelisch-palästinensischen Konflikt wurde zur gewaltsamen Beseitigung des Staates Israel und zur Tötung von Juden aufgerufen. Die HuT ist in nahezu allen arabischen Staaten verboten, weil sie die dortigen Herrschaftsordnungen ablehnt und ihre Staatsoberhäupter als Apostaten (vom Glauben Abgefallene) ansieht. Die Muslime müssen sich der HuT zufolge dieser Herrschaftscliquen entledigen. Trotz der Verbote ist sie in vielen dieser und in anderen islamischen Staaten aktiv, insbesondere im Kaukasus und in Zentralasien. Die Partei ist auch in zahlreichen europäischen Staaten vertreten; ihre Europazentrale befindet sich in London. In Deutschland unterliegt die HuT, anders als etwa in Großbritannien, einem Betätigungsverbot. In der Verfügung des BMI vom 15.01.03 wurde festgestellt, dass die Organisation sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richte, Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele befürworte, das Existenzrecht des Staates Israel verneine und zu seiner Vernichtung aufrufe. Sie verbreite massive antijüdische Hetzpropaganda und fordere zur Tötung von Juden auf. Das Verbot umfasst auch die Produktion und Verbreitung der der HuT zuzurechnenden deutschsprachigen Zeitschrift "Explizit" einschließlich ihrer Internetseite. Das Verbot wurde durch das BVerwG am 25.01.06 bestätigt. Es stellte fest, dass es sich bei der HuT nicht um eine Religionsoder Weltanschauungsgemeinschaft handele, sie unterliege insoweit auch nicht dem entsprechenden besonderen Schutz des Grundgesetzes. 50 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Die HuT-Anhänger setzten dennoch - auch in Hamburg - ihre politische Agitation fort. Beharrlich versuchen sie, ihren Einflussbereich zu erweitern. Sie verhalten sich dabei konspirativ und vorsichtig, um keine eindeutigen Belege für einen Verstoß gegen das Betätigungsverbot zu liefern. Der Name "Hizb-ut Tahrir" fällt nur in kleineren Kreisen, auf größeren Versammlungen ist die HuT jedoch anhand der vermittelten Ideologie erkennbar. Da die Organisation in Deutschland nicht offen auftreten kann, versuchen ihre Mitglieder - zunächst unter Verschleierung des wahren organisatorischen Hintergrundes - neue Anhänger zu gewinnen. Außer im Umfeld einzelner Moscheen missionieren HuT-Anhänger auch an Hamburger Hochschulen und an einzelnen Schulen. Durch diese intensiven Bemühungen ist der Kreis insbesondere junger Anhänger gewachsen, die sich für die fundamentalistischen Aussagen und die Propaganda der HuT empfänglich zeigen. Einzelne lassen zudem erkennen, dass sie den Vorgaben auch Aktionen folgen lassen wollen. Obwohl sie die Staatsund Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik als nicht islamkonform ablehnen, streben auch HuT-Mitglieder die deutsche Staatsangehörigkeit an (Zur Regelanfrage beim Verfassungsschutz im Einbürgerungsverfahren I.7). Das dazu notwendige Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung kann jedoch nur als Lippenbekenntnis gewertet werden, da ein Muslim nach Auffassung der HuT allein dem Kalifen zu schwören habe. Sogar die Teilnahme an Wahlen wird als unislamisch abgelehnt. Massive Kritik übt die Bewegung auch an den Integrationsbemühungen einiger islamischer Organisationen und Verbände, z.B. der Hamburger SCHURA. Nach Ansicht der HuT bedeute Integration die Anerkennung einer Verfassung, die bereits von vornherein gegen die islamische Ordnung verstoße. In Schulungen wird jungen HuT-Angehörigen vermittelt, das Eintreten für eine bessere Integration der Muslime in Deutschland sei aus eben diesem Grunde "haram" (vom Koran verboten). Zu den Schulungsinhalten gehört auch die Aussage, dass es zu den Pflichten eines jeden Muslim gehöre, den Jihad zu befolgen, wenn es einen Angriff gegen einen einzelnen Muslim oder eine einzelne Muslima abzuwehren gelte. Der HuT können in Hamburg ca. 70 - vorwiegend afghanischund türkischstämmige - Anhänger zugerechnet werden, diese sind gut vernetzt 51 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten und können bei einzelnen Veranstaltungen auch bis zu 200 Personen mobilisieren. Sie treffen sich regelmäßig zu öffentlichen Sitzungen und Schulungen in einem Haus im Kreuzweg / St. Georg. Der Einfluss in der Billstedter Ibrahim-Khalilullah-Moschee wurde schwächer; Gesprächskreise existieren sowohl in der Steilshooper Moschee als auch in verschiedenen afrikanischen Moscheen. Auch in anderen Moscheen wollen HuTAngehörige Fuß fassen. Eine besondere Gefahr geht von der HuT in Hamburg für junge Muslime aus. Diesen vermittelt sie ihre fundamentalistische Ideologie und trägt dadurch zur Desintegration bei. In den vergangenen Jahren haben bereits einige HuT-Anhänger den Weg in jihadistische Kreise gefunden, ohne die Kontakte zur Organisation komplett abzubrechen. Diesem Weg sind bereits mehrere jüngere Muslime gefolgt, sodass die HuT als eine Art "Durchlauferhitzer" zu sehen ist. Muslimbruderschaft (MB; Jama'a Ikhwan al-Muslimin) Die ägyptische "Muslimbruderschaft" (MB), 1928 von Hassan AL BANNA in Ägypten gegründet, ist eine der ältesten und einflussreichsten islamistischen Bewegungen. Sie breitete sich in den 30erund 40er-Jahren in der gesamten arabischen Welt aus. Als ihr oberster Führer steuerte Muhammad Mahdi AKIF die Organisation von ihrem Sitz in Kairo aus. Nachdem Ende 2009 die Traditionalisten die Oberhand in der Muslimbruderschaft überSymbol der nommen hatten und bei den am 21.12.09 erstmals seit Muslimbruderschaft 1995 durchgeführten Wahlen zum Exekutivbüro das 18-köpfige Gremium fast ausschließlich von ihnen geprägt war, wurde Mohammed BADI der "Oberste Führer der MB". Der bisherige Führer AKIF hatte erklärt, nicht mehr für das Amt kandidieren zu wollen. Die MB ist in Ägypten zwar offiziell verboten, war aber dennoch durch "unabhängige Kandidaten" mit 20 % der Sitze im Parlament vertreten. Bei den Parlamentswahlen im November 2009 musste die Organisation schwere Verluste hinnehmen und sprach von Wahlbetrug, da im ersten Wahlgang keiner der 130 "Unabhängigen" gewählt worden sei. 52 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Die ideologische Ausrichtung der MB basiert auf den Schriften von Hassan AL BANNA. Die MB sieht ihren zentralen Auftrag darin, dem eigenen Islamverständnis weltweit Geltung zu verschaffen. Nach dem Eintritt von Sayyid QUTB im Jahr 1951 setzte eine Radikalisierung der MB ein. Aus seinen Werken "Meilensteine" und "Zeichen auf dem Weg" lässt sich eine Rechtfertigung des bewaffneten Jihad ableiten. Auf die Werke von QUTB beriefen sich auch Anhänger der im August 2010 geschlossenen "TaibaMoschee" in Hamburg ( 5.9). Ziel der MB ist u.a. die Errichtung islamischer "Gottesstaaten". Die islamistisch ausgerichtete Organisation ist nicht nur in den arabischen Staaten verbreitet, sondern nach eigenen Angaben auch in zahlreichen Ländern weltweit vertreten. Nach ihrer Ideologie sind die meisten Regime in der muslimischen Welt unislamisch. Ziel der MB ist die Umgestaltung dieser Staaten auf der Grundlage der Scharia (Internetseiten des LfV Hamburg, Arbeitsfeld Islamismus, Grundbegriffe des Islamismus). Neuerungen in den Bereichen Politik, Kultur und Bildung werden als Bedrohung angesehen. BADI (Foto) bekräftigte nach seiner Wahl zum Obersten Führer den Gewaltverzicht der MB und erklärte, dass die MB ihre Ziele ausschließlich mit friedlichen und legalen Mitteln erreichen möchte. Der Gewaltverzicht der MB gilt allerdings weiterhin nicht für "Besatzer" wie Israel. Vor allem die Palästinenserfrage ist laut BADI für die MB von großer Bedeutung. Hier rechtfertigt die MB den militanten Jihad mit einer Verteidigungssituation und erklärt ihn auf diese Weise für legitim. Aus der MB bildete sich eine Reihe von terroristischen Gruppierungen, die sich verselbstständigen, darunter "al-Gama'a al Islamiya" (GI) und "alJihad al-Islami" (JI). Zu den weiteren Organisationen zählt auch die palästinensische HAMAS. Zu den Strukturen in Deutschland gehört die "Islamische Gemeinschaft Deutschland e.V." (IGD), die aus der 1960 in München gegründeten "Moscheebau-Kommission e.V." hervorgegangen ist. Die IGD gehört zu den Gründungsmitgliedern der 1989 gegründeten "Föderation islamischer Organisationen in Europa" (FIOE), die als Sammelbecken für Organisatio53 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten nen der Muslimbruderschaft in Europa gilt. Die IGD unterhält in Deutschland zahlreiche islamische Zentren. Sie ist heute der größte Zusammenschluss von Mitgliedern und Anhängern der MB. Die unter dem Einfluss der ägyptischen MB stehende IGD wird seit Januar 2010 von Samir FALAH geleitet und hat ihren Sitz im "Islamischen Zentrum München". Bundesweit gehören eine Reihe weiterer Islamischer Zentren (IZ) zur IGD. In Hamburg ist die IGD organisatorisch nicht vertreten. Ihre Anhänger und Sympathisanten treffen sich überwiegend in der Mouhajerin-Moschee an der Kirchenallee. Tablighi Jama'at (TJ; Gemeinschaft der Verkündigung und Mission) Die sunnitisch-islamistische "Tablighi Jama'at" (TJ) wurde 1927 in Indien von dem Religionsgelehrten Mawlana Muhammad ILYAS als eine Wiedererweckungsbewegung gegründet. Vom indischen Subkontinent ausgehend verbreitete sie sich über mehrere Kontinente und ist heute in nahezu 100 Ländern vertreten. Die TJ verfügt bundesweit über ca. 600 Anhänger, zu deren Selbstverständnis die wörtliche Auslegung von Koran und Sunna sowie die weltweite Mission gehört. Überall dort, wo Muslime leben, befasst sich die TJ mit der Festigung der islamischen Lebensweise, d.h. Muslime sollen zu einem Leben gemäß Koran und Sunna im Sinne eines fundamentalistischen Islamverständnisses angeleitet werden. Dieses eng am Wortlaut von Koran, Sunna (die Überlieferung von Aussprüchen des Propheten Muhammad) und Scharia (Internetseiten des LfV Hamburg, Arbeitsfeld Islamismus, Grundbegriffe des Islamismus) orientierte Verständnis trägt zur Abgrenzung von NichtMuslimen und der Ablehnung des westlichen Wertesystems bei. Obwohl die TJ Gewalt grundsätzlich ablehnt, besteht aufgrund ihres Islamverständnisses und der weltweiten Missionierungstätigkeit die Gefahr, dass die TJ islamistische Radikalisierungsprozesse befördert. So haben einige islamistische Attentäter einen Vorlauf in der TJ. Durch die weitgehend gemeinsame ideologische Basis mit militanten Gruppierungen 54 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten besteht zudem die Gefahr, dass die weltweiten Strukturen der Bewegung von terroristischen Netzwerken genutzt werden. Der TJ in Hamburg werden etwa 70 männliche Personen zugerechnet. Ihr Hauptanlaufpunkt ist die Al Salam-Moschee in St.Georg. In den letzten Jahren gab es wiederholt Äußerungen, die eine ablehnende Haltung und Intoleranz gegenüber wichtigen Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (z.B. Achtung der Menschenrechte) und Intoleranz gegenüber Andersgläubigen deutlich machen. Aus den Äußerungen ging auch hervor, dass eine Vielzahl ihrer Anhänger die Einführung der Scharia befürwortet. 6.2 Palästinensische und libanesische Organisationen HAMAS (Harakat al-Muqawama al-Islamiya / Islamische Widerstandsbewegung) Nach Beginn der ersten Intifada im Dezember 1987 schlossen sich im Januar 1988 im Gazastreifen Mitglieder der palästinensischen Muslimbruderschaft um Scheich YASIN zur HAMAS zusammen. Als Hauptziele nannte die HAMAS die Vernichtung des Staates Israel und die Errichtung eines Staates "Palästina" auf dem gesamten israelischen Gebiet. Sie bezeichnet sich in ihrer Charta als palästinensischen Teil der MusSymbol der HAMAS limbruderschaft. Nach wie vor verübt die HAMAS Terroranschläge gegen den Staat Israel. Aufgrund ihrer umfangreichen sozialen Aktivitäten insbesondere im Gazastreifen und Westjordanland genießt die Organisation starken Rückhalt in der palästinensischen Bevölkerung. Die etwa 300 HAMAS-Anhänger in Deutschland sind in keine feste Struktur eingebunden. Von ihnen gingen bisher keine gewaltsamen Aktionen in Deutschland aus. In Hamburg sind nur einzelne Unterstützer der HAMAS bekannt. 55 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Hizb Allah (Partei Gottes) Die HIZB ALLAH wurde im Sommer 1982 nach dem Einmarsch israelischer Truppen auf Initiative und mit maßgeblicher Unterstützung Irans im Libanon gegründet. Sie entwickelte sich aufgrund massiver iranischer Unterstützung rasch zu einer militanten Sammlungsbewegung libanesischer Schiiten mit Schwerpunkten im Bekaa-Tal, SüdLibanon und den Vororten von Beirut. Hier agiert sie als parastaatliche Ordnungsmacht. Eine Entwaffnung dieser Miliz ist nach wie vor eine nicht umgesetzte Forderung der Symbol der Hizb Allah UN-Resolution 1559 vom September 2004. Hauptziel der HIZB ALLAH ist der Kampf - auch mit terroristischen Mitteln - gegen Israel als "unrechtmäßigen Besatzer palästinensischen Bodens". Die HIZB ALLAH bezeichnet diesen Kampf als "legitimen Widerstand". Das lange propagierte Fernziel, die Umwandlung des Libanon in eine islamische Republik nach iranischem Vorbild, hat sich im Lauf der Zeit gewandelt. Nunmehr steht die allgemeinere Forderung nach mehr politischem Einfluss und einer Revision des konfessionellen Proporzsystems (Taifija) im politischen und administrativen Bereich zugunsten der Muslime und insbesondere der Schiiten im Vordergrund. Die enge ideologische Beziehung zur Islamischen Republik Iran besteht jedoch unverändert fort. Der begeisterte Empfang des iranischen Präsidenten im Oktober 2010 im Libanon unterstreicht diese enge Bindung. Unter dem Dach der HIZB ALLAH agieren eine seit 1992 im libanesischen Parlament vertretene Partei, verschiedene Wohlfahrtsorganisationen sowie der militärische Flügel "Islamischer Widerstand" ("al-Muqawama al-Islamiya"). Die HIZB ALLAH ist im Libanon seitdem zu einem festen Bestandteil des politischen Systems geworden. Bei den letzten Parlamentswahlen im Juni 2009 gewann die von Ministerpräsident Saad HARIRI angeführte, als pro-westlich angesehene "Allianz des 14. März" (benannt nach dem Datum der größten antisyrischen Demonstration des Jahres 2005) mit 71 von 128 Parlamentssitzen. Dennoch ist die HIZB ALLAH mit zwei Ministern in der Regierung HARIRI und mit elf Sitzen im libanesischen Parlament vertreten. Damit ist es der Opposition gelungen, ihre Beteiligung an der Macht zu konsolidieren. 56 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Durch Beschluss des Bundestages vom 17.06.10 wurde die Beteiligung der Bundesmarine an der maritimen Komponente der UNIFIL-Mission MTF 448 (Maritime Task Force) bis 30.06.11 verlängert. Die Obergrenze des Einsatzes wurde auf 300 Soldaten (vormals 1.200 bzw. 800) herabgesetzt. Ziel des Flottenverbandes ist die Aufklärung und Kontrolle der Seewege innerhalb der libanesischen Hoheitsgewässer und die Umleitung der Schiffe im Verdachtsfall. Damit soll der Waffenschmuggel der HIZB ALLAH von der libanesischen Seeseite her unterbunden werden. Grundlage bildet die UN-Sicherheitsratsresolution 1701 vom August 2006. Am 04.07.10 verstarb der Großayatollah Mohammad Hussein FADLALLAH. Vor allem während der ersten Jahre der HIZB ALLAH-Miliz galt er als ihr geistlicher Führer und Mentor. Sein militanter Tonfall aus dieser Zeit, als er den "amerikanischen Imperialismus" anprangerte, mäßigte sich später und wurde pragmatischer. Er gehörte zu den ersten islamischen Gelehrten, die die Anschläge des 11.09.01 öffentlich verurteilten. Derzeit sind in Deutschland etwa 30 Kulturund Moscheevereine bekannt, in denen sich regelmäßig Sympathisanten der HIZB ALLAH treffen. Diese Vereine sind überwiegend im Vereinsregister eingetragen. Ihre Aktivitäten beschränken sich im Wesentlichen auf interne Treffen, Diskussionsveranstaltungen und religiöse Feiern (z. B. Ramadan und Ashura) und sollen die Bindungen der hier lebenden Libanesen an ihre Heimat und an die Organisation festigen. Darüber hinaus gehört das Sammeln von Spendengeldern zu den wichtigsten Aufgaben der Vereine. Der Organisation werden bundesweit etwa 900 Anhänger zugerechnet. Der HIZB ALLAH-Fernsehsender "Al Manar TV" ("Leuchtturm") wurde vom Bundesminister des Innern (BMI) mit Wirkung vom 01.11.08 verboten, da sich dessen Inhalte gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten. Der Sender ist in Deutschland jedoch weiterhin über Satellit zu empfangen. Die Anordnung des HIZB ALLAH-Generalsekretärs HASSAN NASRALLAH (Foto), sich in Deutschland gesetzeskonform zu verhalten, um keine Angriffsfläche für staatliche Maßnahmen zu bieten, wird weiterhin befolgt. Als Konsequenz treten HIZB ALLAH-nahe Muslime kaum noch offen politisch auf. 57 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten In Hamburg gibt es etwa 30 HIZB ALLAH-Anhänger, die auch im "Islamischen Zentrum Hamburg" (IZH, 6.3.2) verkehren. 6.3 Iranische Islamisten 6.3.1 Allgemeines Die iranische Politik basiert auf dem Prinzip der absoluten Herrschaft des anerkannten Rechtsgelehrten bzw. des Klerus (Velayat-e Faqih), das von dem verstorbenen Großayatollah KHOMEINI geprägt wurde. Die - nicht nur propagandistische - Bekämpfung Israels ist seit über 30 Jahren einer der Eckpfeiler iranischer Politik und wird regelmäßig auch von KHOMEINIs Nachfolger betont, dem "Revolutionsführer" Ali KHAMENEI. Er forderte wiederholt dazu auf, sich gegen das "Krebsgeschwür Israel" und dessen Beschützer zu verteidigen. Bereits KHOMEINI habe von der "Eliminierung" des "Krebsgeschwüres Israel" gesprochen. Im Zuge der islamischen Revolution von 1979 hatte KHOMEINI darüber hinaus die Unterstützung der Palästinenser angeordnet. Gleichermaßen prangert KHAMENEI "amerikanische und britische Komplotte" an. Radikale iranische Gruppierungen wie die von ihm hochgelobten Bassidsch (paramilitärische iranische Miliz aus Freiwilligen) boten sich an, nach Gaza zu ziehen, um Israel vor Ort zu bekämpfen. Insbesondere seit dem Amtsantritt Mahmoud AHMADINEDSCHADs (Foto) als Präsident im Jahre 2005 ist die iranische Politik von provokanten und international medienwirksam vorgetragenen anti-israelischen Äußerungen geprägt, die u.a. den Aufruf zum Kampf gegen Israel, das Absprechen seines Existenzrechts, Verschwörungstheorien und die Leugnung des Holocaust umfassen. Wiederholt nutzte er auch UN-Vollversammlungen für Hasstiraden gegen das "zionistische Regime". In einer Rede im September 2010 hielt sich AHMADINEDSCHAD mit antiisraelischen Äußerungen zurück, sorgte aber dennoch für einen Eklat mit der Erklärung, eine Mehrheit der US-Bürger und anderer Nationen gehe von 58 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten einer Beteiligung der USA an den Anschlägen vom 11.09.01 aus. Zahlreiche Delegationen verließen daraufhin den New Yorker Sitzungssaal. Im Gegensatz dazu führte die Rede im iranischen Parlament zu Solidaritätsbekundungen und zu einem Statement, wonach die Äußerungen den "Muslimen und Freiheit suchenden Nationen der Welt" Freude gemacht hätten. Im Rahmen seines ersten Besuches im Libanon sprach AHMADINEDSCHAD im Oktober 2010 erneut von einem "rassistischen zionistischen Regime" und versprach, Libanon im Kampf gegen die "Bedrohungen des zionistischen Regimes" auch militärisch beizustehen ( 6.2; HIZB ALLAH). Insgesamt stellt die iranische Strategie die Fortsetzung der bisher bekannten Politik zur Destabilisierung des Friedensprozesses und der Unterstützung von Terrorbewegungen im Nahen Osten dar. Auf die Frage, weshalb er nicht mehr den Satz von der Vernichtung Israels wiederhole, antwortete AHMADINEDSCHAD sibyllinisch, dass sei nicht mehr nötig, weil das "zionistische Regime" ohnehin zugrunde gehen werde. Die entscheidenden Institutionen Irans - insbesondere der Sicherheitsund Propagandaapparat - liegen in konservativ-islamischer Hand. Die iranische Regierungspolitik ist durchdrungen von Einschränkungen der Freiheitsund Menschenrechte, erheblicher Zensur von Zeitungen, Internet und anderen Medien sowie einer Ausweitung der staatlichen Repression gegenüber jeglicher Opposition und Reformansätzen. Dies wurde besonders deutlich bei der Niederschlagung der "Grünen Bewegung", die sich nach der umstrittenen und von Vorwürfen des Wahlbetrugs begleiteten erneuten Wahl des bisherigen Amtsinhabers AHMADINEDSCHAD zum Staatspräsidenten Irans (Juni 2009) gebildet hatte. Ein weiteres Leitmotiv der radikal-antiwestlichen iranischen Außenpolitik ist die in der iranischen Verfassung deklarierte Islamisierung der westlichen Nationen ("Export der islamischen Revolution"). Proiranische Einrichtungen in Deutschland sind grundsätzlich Instrumente der iranischen Staatsführung und vertreten deren theokratische Staatsdoktrin. Sie repräsentieren damit eine Werteordnung, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar ist. 59 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten 6.3.2 Anhänger der iranischen "Islamischen Revolution" in Hamburg Eine der bedeutendsten proiranischen Einrichtungen in Europa ist das an der Schönen Aussicht gelegene "Islamische Zentrum Hamburg" (IZH), Trägerverein der "Imam Ali-Moschee". Mit ihrer Hilfe versucht die Islamische Republik Iran, Schiiten aller Nationalitäten an sich zu binden sowie die gesellschaftlichen, politischen und religiösen Grundwerte der islamischen Revolution in Europa zu verbreiten. Im Mai 2009 wurde der im Januar 2004 eingesetzte IZH-Leiter Ayatollah Seyed Abbas HOSSEINI GHAEMMAGHAM von Ayatollah Dr. Reza RAMEZANI abgelöst. RAMEZANI hatte zuvor das "Islamische Zentrum Wien" geleitet und sich bereits dort als Verfechter der iranischen Staatsdoktrin gezeigt. Wie auch seine Vorgänger gilt RAMEZANI als Vertreter des Revolutionsführers KHAMENEI in Europa und ist in der schiitischen Gemeinde als religiöser Repräsentant der Islamischen Republik Iran bekannt. Darüber hinaus ist er Mitglied des annähernd 90 Personen umfassenden "Expertenrates" der Islamischen Republik Iran. Dieser überwacht alle vom Parlament beschlossenen Gesetze auf Verfassungskonformität und hat ein Vetorecht. Er ist als Instrument zur Kontrolle des Revolutionsführers konzipiert und laut iranischer Verfassung für dessen Ernennung und Überwachung und - theoretisch - für dessen Absetzung zuständig. Die Position des IZH-Leiters wird traditionell von KHAMENEI (Foto links) mit einem linientreuen Anhänger der iranischen Staatsdoktrin und der islamischen Revolutionsziele besetzt. Welcher Stellenwert der "Linientreue" beigemessen wird, zeigte sich im Lauf des Jahres: KHAMENEI warnte in einer Freitagspredigt in Teheran im Juni 2010 seine politischen Gegner und stufte sie als "Feinde des Imam KHOMEINI" ein. Wer die Linie des Revolutionsführers verlässt, wird zum Feind erklärt. Zumindest sollte die Exilopposition, auch wenn sie nicht in den Iran zurückkehre, alles bereuen, was sie bisher getan habe, und aufhören, die "islamische Ordnung" zu bekämpfen. Er erinnerte 60 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten an KHOMEINIs (im Foto rechts) Worte, dass die Opposition freiwillig ihre Strafe auf sich nehmen solle und auch Hinrichtungen hinnehmen müsse. Diese Aufforderungen gingen auch am IZH nicht spurlos vorbei. Diverse IZH-Besucher, die mit der "Grünen Bewegung" sympathisierten und somit riskierten, als "Feinde", "Abweichler" oder gar "Verräter" eingestuft zu werden, hüteten sich aus Angst vor Repressalien davor, ihre Meinung kundzutun. In diesem Zusammenhang gab es Hinweise, dass sich im IZH ein Richtungswechsel vollzieht. Für den IZH-Leiter sind derartige Ängste allerdings "haltloses Gerede und nicht ernst zu nehmen". KHAMENEI verpflichtete im September 2010 die iranischen Gebetsvorsteher bei einer öffentlichen Veranstaltung in Teheran, auf die "Verschwörungen und Intrigen der Feinde" aufmerksam zu machen. Auch der IZHLeiter ist als iranischer Gebetsvorsteher dieser Pflicht unterworfen. Die "Imam Ali-Moschee" dient als Anlaufpunkt, in dem neben regelmäßigen Gebetsveranstaltungen auch religiöse Feiern stattfinden. Zudem bietet das IZH verschiedene Lehrveranstaltungen an, darunter Sprachunterricht in Arabisch, Deutsch und Persisch. Das Angebot zielt darauf ab, die Besucher eng an den schiitischen Glauben iranischer Prägung zu binden. Gleichzeitig dient es dazu, Andersgläubigen oder am islamischen Glauben Interessierten ein Forum für Information und Austausch zu bieten mit dem Ziel, diese zum Islam zu bekehren. Deutschsprachige Konvertiten werden z.B. in speziellen Seminarkursen religiös betreut. Durch die Öffentlichkeitsarbeit (Zeitschriften, Internetpräsenz, öffentliche Veranstaltungen u.a.) und die Bildungsangebote will das IZH den Islam iranischer Prägung propagieren und damit das langfristige Ziel des "Exportes der islamischen Revolution" realisieren. Die Inhalte sind bewusst moderat formuliert und bieten kaum Angriffsflächen. Nach außen operiert das IZH als rein religiöse Einrichtung, die keine politischen Aktivitäten in ihrem Wirkungsfeld gestattet. Jede öffentliche Verbindung oder Identifizierung mit der iranischen Staatsführung wird vermieden. RAMEZANI bezeichnete sich als "religiösen Vater" und reduziert sich damit nur auf einen Teil des Systems, er blendet seine Rolle als Mitglied im Expertenrat völlig aus. Am Pfingstwochenende, 21.-23.05.10, fand eine vom Verein "Islamischer Weg e.V." aus Delmenhorst organisierte "Isla61 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten mische Tagung deutschsprachiger Muslime" im IZH statt. Der Verein wurde 1993 von den Brüdern Dr. Yavuz und Gürhan ÖZOGUZ gegründet, die gemeinsam ein Internetportal betreiben. Beide sind Verfechter der iranischen Staatsdoktrin und agitieren auf ihrer Internetseite im Sinne der Führung der Islamischen Republik Iran. Einer Vorankündigung des Vereines zufolge sei diese Tagung nach Vereinbarung mit RAMEZANI und verantwortlichen Mitgliedern des Vereins "Islamischer Weg e.V." nach Jahren "wieder belebt" worden. RAMEZANI betonte in einem Interview mit dem "Hamburger Abendblatt", dass derartige Veranstaltungen zu den langen Traditionen des IZH gehörten. Er erwähnte dabei jedoch nicht, dass die letzte dieser Art hier 2002 stattgefunden hat. Sein Amtsvorgänger HOSSEINI GHAEMMAGHAM hatte diese Veranstaltungen unterbunden. Ein seit Jahren im IZH verkehrender deutscher Konvertit hatte im Vorfeld der Tagung öffentlich harsche Kritik an der geplanten Veranstaltung geübt, die seiner Ansicht nach zur Indoktrination im Sinne des iranischen Regimes genutzt werden sollte. Mit Statements langjähriger IZH-Besucher wollte er den stark interessierten Medien ein "Gesamtmeinungsbild" vermitteln. RAMEZANI beklagte sich später über die "mediale Verunreinigung", und der Veranstaltungsleiter vom Verein "Islamischer Weg e.V." machte die Springer-Presse dafür verantwortlich. Insbesondere das "dem Zionismus nahestehende Hamburger Abendblatt" verbreite angeblich "Lügen". Insgesamt wurde somit ein Riss zwischen dem strengen Kurs der IZH-Leitung und gemäßigteren Gemeindemitgliedern deutlich. Um seine Machtposition im IZH abzusichern und einen linientreuen Kurs zu festigen, hat RAMEZANI mittlerweile eine Reihe von wichtigen Positionen im IZH mit Vertrauten besetzt. Zum sogenannten Al-Quds-Tag (Jerusalem-Tag) findet alljährlich in Berlin eine israelfeindliche Großdemonstration statt. Der "Al-Quds-Tag" wird seit 1996 in Deutschland von Angehörigen der Berliner iranischen Gemeinde organisiert und von Schiiten verschiedener Herkunft begangen. Dabei soll an die Besetzung Jerusalems [arab.: al-quds = die Heilige (Stadt)] erinnert werden. Ayatollah KHOMEINI hatte diesen Gedenktag 1979 ausgerufen, um damit an seine Anordnung zur Unterstützung der Palästinenser zu erinnern. Bei dieser Großdemonstration trat das IZH zumindest bis 2004 regelmäßig als Mitorganisator auf. Teilnehmer der Demonstration skandie62 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten ren häufig auch antisemitische Parolen ("Tod für Israel", "Juden sind Terroristen", "Kindermörder Israel"). Im Zeitraum 2005 bis 2009 hielt sich das IZH bei der Unterstützung der Großveranstaltung sehr zurück. Zum "Al-Quds-Tag" im September 2010 in Berlin - mit etwa 500 Teilnehmern - änderte sich dies. Im IZH wurde öffentlich zur Beteiligung aufgefordert und die Veranstaltung logistisch unterstützt, u.a. mit Transportmöglichkeiten und der Verpflegung von etwa 100 Teilnehmern aus dem Hamburger Einzugsgebiet. Dies war ein weiterer Anhaltspunkt für die besondere Linientreue des aktuellen IZH-Leiters. Neben dem eigentlichen Trägerverein, dem IZH, sind weitere Vereine in Hamburg bekannt [z.B. die "Islamische Akademie Deutschland e.V." (IAD) und der "Verein der Förderer einer iranisch-islamischen Moschee in Hamburg e.V."]. Sie bestehen allerdings faktisch nur auf dem Papier, und es gibt keine Aktivitäten - noch nicht einmal regelmäßige Vorstandswahlen bzw. Mitgliederversammlungen. Dem IZH und seinen angegliederten Vereinen und Einrichtungen sind insgesamt etwa 150 Mitglieder zuzurechnen. Die wöchentlichen Gebetsveranstaltungen am Donnerstag und Freitag werden von etwa 100 Gläubigen besucht. Der bundesweite Einfluss des IZH auf schiitische Zentren ist ungebrochen, aber nicht unumstritten. Zu den Gemeinden, zu denen Verbindungen des IZH bestehen, gehören u.a.: * "Islamisches Zentrum Salman Farsi Moschee Langenhagen e.V.", Hannover * "Akademie Baghiatallah e.V.", Bremen * "Islamische Kulturgemeinde der Iraner in Berlin e.V.", Berlin * "Islamische Vereinigung in Bayern e.V.", München * "Ehli-Beyt-Alevitische Religionsgemeinschaft Ehli Beyt Alevi Federasyonu e.V.", Frankfurt / M. Das IZH ist zudem in mehreren islamischen Dachverbänden vertreten. Auf lokaler Ebene ist dies der "Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg e.V." (SCHURA), auf Bundesebene der "Zentralrat der Muslime in Deutschland" (ZMD) sowie die "Islamische Gemeinschaft der schiitischen 63 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Gemeinden in Deutschland e.V." (IGS) und auf europäischer Ebene die "Islamisch-Europäische Union der Schia-Gelehrten und Theologen" (IEUS). Nach jahrelangen Vorbereitungen festigte das IZH seinen Führungsanspruch innerhalb der schiitischen Gemeinden in Deutschland mit der am 07.03.09 erfolgten Gründung des Dachverbandes IGS. Dieser sollte als "oberste und einzige Vertretung der schiitischen Gemeinden auf Bundesebene" fungieren und die multinationalen Gemeindemitglieder vertreten. Zum Vorsitzenden für vier Jahre wurde der ehemalige IZH-Leiter, Ayatollah HOSSEINI GHAEMMAGHAM, gewählt. Allerdings kam es nach dem Führungswechsel an der IZH-Spitze bereits ab Mitte des vergangenen Jahres zu Diskussionen wegen der Amtsführung des ehemaligen IZH-Leiters und zu Unmutsäußerungen wegen der mutmaßlich angestrebten Dominanz Irans. HOSSEINI GHAEMMAGHAM und sein Stellvertreter traten im Frühjahr 2010 von ihren Ämtern zurück. Die Neuwahl der Führungspositionen erfolgte im Oktober 2010. 6.4 Türkische Islamisten 6.4.1 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) Die IGMG in Deutschland Die IGMG ist mit ca. 30.000 Mitgliedern die größte islamistische Organisation in der Bundesrepublik Deutschland. Ihre Mitglieder sind überwiegend türkischer und türkischstämmiger Herkunft. Sie verfolgt Bestrebungen, deren Ziele nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu vereinbaren sind. Sie strebt eine Ordnung nach den Regeln der Scharia (Internetseiten des LfV Hamburg, Arbeitsfeld Islamismus, Grundbegriffe des Islamismus) an. Nach außen betonen die IGMG-Funktionäre und -Mitglieder ihre Eigenständigkeit und Verfassungstreue, tatsächlich gibt es aber eine Reihe von Anhaltspunkten für ihre ideologische, personelle und organisatorische Verflechtung mit der Milli Görüs-Bewegung ("Nationale Sicht") in der 64 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Türkei. Gründung und Ideologie der Milli Görüs gehen auf den ehemaligen türkischen Ministerpräsidenten Prof. Dr. Necmettin ERBAKAN (27.02.2011, Foto links) zurück. Die Milli Görüs strebt die Überwindung des türkischen Laizismus und ein national-religiöses türkisches Großreich an. Ihr Geltungsanspruch ist universal. Die IGMG dient als europäischer Ableger, während die "Saadet Partisi" (SP), "Partei der Glückseligkeit", politischer Arm der Milli Görüs in der Türkei ist. Nach der Aufhebung des gegen ihn verhängten Politikverbots wurde der Vorsitz der SP im Oktober 2010 erneut von ERBAKAN übernommen. Seit ERBAKANs Tod im Februar 2011 sucht die SP einen Nachfolger, da im Juni 2011 Parlamentswahlen stattfinden. Bis zum Redaktionsschluss im gab es zur Nachfolgeregelung keine Entscheidung. Die Milli Görüs-Bewegung sieht sich "als Vertreterin des nationalen, einheimischen und unabhängigen Gedankenguts", die im politischen Leben der Türkei einen besonderen Platz einnimmt. Deshalb glaubt sie, dass "gewisse Kreise aus Presse und Kapital, die es auf die Ausbeutung von Volk und Staat abgesehen haben, und die imperialistischen Mächte der Welt" ihr Schaden zufügen wollen. Verschwörungstheorien innerhalb der Milli Görüs sind nichts Neues. Hierzu zählt auch die Vorstellung, dass "die Juden" die Finanzwelt beherrschen. So erklärte ERBAKAN in einer Konferenz am 28.02.10, "dass der rassistische Imperialismus mit seinem Dollar und seinen kollaborierenden Führern heute die Welt beherrsche und der Dollar die Währung des Zionismus sei". (Milli Gazete, 02.03.10) Als Sprachrohr der Milli Görüs-Bewegung in der Türkei sowie der IGMGBewegung in Deutschland fungiert die formal unabhängige türkissprachige Tageszeitung "Milli Gazete" ("Nationalzeitung"). In Deutschland ist sie als modifizierte EuropaAusgabe erhältlich. Ihre Berichterstattung besteht überwiegend aus Artikeln zur Verbreitung der Milli GörüsIdeologie, indem ausführlich über IGMG-Veranstaltungen berichtet wird. Eine weitere Publikation der IGMG ist die Zeitschrift "Perspektif". Anlässlich des 38. Jahrestags der Gründung der Milli Gazete gab ERBAKAN eine Erklärung ab: "Die Milli Görüs ist die einzige Lösung für die Rettung der Menschheit. Die Milli Gazete ist dabei die Vorreiterin. Die Milli 65 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Gazete leistet der Menschheit einen heiligen Dienst. Die Milli Görüs ist sehr wichtig und die Milli Gazete ist ebenfalls sehr wichtig." Weiteres über die Entstehung und Entwicklung der Milli Görüs-Bewegung findet sich unter "Arbeitsfeld Islamismus / Gruppierungen / Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." Eigenen Angaben zufolge hat die IGMG in Europa über 514 Moscheeund Kulturvereine, von denen sich 323 in Deutschland befinden. Die deutsche Vereinszentrale hat ihren Sitz in Kerpen (Nordrhein-Westfalen) und gliedert sich bundesweit in 15 Regionalverbände. Des Weiteren hat die IGMG Zweigstellen in Australien und Kanada. Durch die große Anzahl der formal eigenständigen Vereine sowie die untergeordneten Nebenorganisationen und Zusammenschlüsse von Vereinen ist die Struktur der Organisation sehr unübersichtlich. Geleitet wird sie derzeit von Osman DÖRING (innerhalb der Organisation Yavuz Celik KARAHAN genannt) und dem Generalsekretär Oguz ÜCÜNCÜ, der die Organisation nach außen vertritt. Die "Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft e.V." (EMUG) ist für die zahlreichen Immobilien der IGMG verantwortlich. Deren Geschäftsführer ist Ibrahim EL-ZAYAT, der zugleich Vorsitzender der Vereinigung "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD) ist, die der Muslimbruderschaft (MB, 6.1) zugerechnet wird. Ferner ist die IGMG im "Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland" vertreten, in der sie die größte Mitgliedsorganisation ist. Aufgrund dieses Zusammenschlusses ist die IGMG auch im "Koordinierungsrat der Muslime" (KRM) präsent, der während der "Deutschen Islamkonferenz" (DIK) gegründet wurde. Im März 2010 stellte der BMI seine Ideen für eine zweite Islamkonferenz vor und schloss zeitgleich den Islamrat aus der DIK aus. Gründe für den Ausschluss waren u.a. die gegen die IGMG laufenden Steuerermittlungsverfahren. Ihr wird zur Last gelegt, Spenden nicht ordnungsgemäß abgerechnet bzw. zweckentfremdet zu haben. Außerdem wird der Organisation vorgeworfen, Sozialabgaben für Imame nicht abgeführt zu haben. Die gegen die IGMG eingeleiteten Steuerverfahren haben die Organisation in eine finanzielle Krise gestürzt. Ein Ermittlungsverfahren gegen den Generalsekretär der IGMG, Oguz ÜCÜNCÜ, wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung wurde inzwischen eingestellt. 66 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Haupteinnahmequellen der IGMG sind Spenden, die Einnahmen aus der Organisation von Pilgerfahrten nach Mekka, Mitgliedsbeiträge, Gewinne aus unternehmerischen Tätigkeiten sowie der Handel mit Immobilien. Die IGMG setzt einen deutlichen Schwerpunkt ihrer Arbeit in den Bereichen Bildung, Familie und Jugend. Dadurch werden neue Mitglieder akquiriert, bereits geworbene an die Organisation gebunden und mit der Ideologie der IGMG indoktriniert: "Die Muslime müssen offen zeigen, dass sie wandelnde Korane sind. [...] Alle Muslime haben die Pflicht, die Welt in einen Ort zu verwandeln, an dem keine Sünden begangen werden. [...] Jeder Muslim muss sein Leben der Aufgabe widmen, den Islam lebbar zu machen. Diese Verhaltensweise und diese Geisteshaltung sind ein Schritt in Richtung Islamisierung der gesamten Welt. Auf diese Pflicht hat uns bereits der Prophet hingewiesen." ["Milli Gazete" ( s.u.) vom 22.02.10] Am 29.05.10 fand in Leverkusen eine Großveranstaltung der IGMGJugendabteilung mit ca. 2.900 Teilnehmern aus ganz Europa unter Beteiligung von hochrangigen IGMG-Funktionären statt. Mit der Veranstaltung sollte das Zusammengehörigkeitsgefühl der Jugendlichen gestärkt und die eigenen Erfolge gefeiert und gewürdigt werden. Begriffe wie "Assimilation" und "Integration" werden im Bereich der Jugendarbeit häufig gebraucht. Die IGMG ist bestrebt, der Assimilation entgegenzuwirken. Für sie soll das Leben in Deutschland vorrangig von islamischen Wertund Gesellschaftsvorstellungen geprägt sein. Außerdem werden von IGMG-Jugendverbänden Reisen in die Türkei organisiert, um z.B. Einrichtungen der Milli Görüs zu besuchen. Damit der Nachwuchs in der Organisation höherwertige Funktionen erlangen kann, werden entsprechende Seminare angeboten. Bei einem Seminar der IGMG für Studenten in Mannheim (Datum nicht genannt) ging KARAHAN in einer Rede auf die Bedeutung einer guten Ausbildung ein. Dabei betonte er, der Weg zur Gestaltung des Umfelds führe über die Formung der eigenen Person. "Der Ausgangspunkt der IGMG ist der Koran und die Sunna. Wir sind stolz darüber, eine solche Bewegung zu sein". (Milli Gazete, 25.05.10) Zu den Feierlichkeiten zum 40-jährigen Bestehen der Milli Görüs-Bewegung reiste ERBAKAN am 15. 04.10 nach Berlin. Er trat dort bei einer Veranstaltung auf, an der ca. 1.500 Personen ihn mit dem Ruf "Müjahid ERBAKAN" ("Glaubenskämpfer ERBAKAN") empfingen. Organisiert wurde die Veranstaltung von der IGMG in Berlin. Im Verlauf seiner Anspra67 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten che definierte ERBAKAN den Begriff des Jihad als eine "ständige Bemühung". Der Kapitalismus und der Kommunismus seien "Zwillingsgeschwister" und Systeme der Unterdrückung. Seit den 90er-Jahren habe sich die Welt in zwei geteilt: in die Milli Görüs und in die imperialistischen Kollaborateure. ERBAKAN war auch Gast bei einer Veranstaltung zum 40. Jahrestag der Milli Görüs am 18.04.10 in Duisburg mit 2.500 Teilnehmern aus ganz Europa. In seiner Rede definierte er die Ziele der Milli Görüs, deren Ideologie weltweit Umsetzung finden soll: "Diese Bewegung ist nicht irgendeine. Sie ist eine Bewegung zur Rettung der Menschen aus der erstickenden Welt, in der sie unter enorm belastenden Grausamkeiten leiden. Sie ist eine Bewegung zur Gründung einer gerechten Welt". Großveranstaltungen wie in Berlin und Duisburg belegen den hohen Organisationsund Mobilisierungsgrad der IGMG. Videosequenzen im Internet machen deutlich, dass die Verherrlichung ERBAKANs durch seine Anhänger in Europa ungebrochen ist und - gemessen an den Reaktionen der Veranstaltungsteilnehmer - große Teile der IGMG seine Ideologie nach wie vor teilen. Ein einschneidendes Ereignis für die Organisation in Deutschland war das Verbot der "Internationalen Humanitären Hilfsorganisation e.V." (IHH) mit Verfügung vom 23.06.10 durch den BMI. Bei der IHH (Sitz: Frankfurt/M.) handelte es sich um einen weltweit tätigen Verein zur Sammlung von Spenden, die der IHH zufolge nur für humanitäre Zwecke bestimmt waren. Am 12.07.10 wurden 29 Objekte durchsucht, darunter der Vereinssitz in Frankfurt, die IGMG-Zentrale in Kerpen sowie Privaträume von Funktionären und Mitarbeitern. Vorsitzender der IHH war Mustafa YOLDAS, der gleichzeitig langjähriger IGMG-Funktionär in Hamburg ist. Laut Verbotsbegründung habe die personell und strukturell eng mit der IGMG verflochtene IHH e.V. Spendengelder u. a. an palästinensische Organisationen weitergeleitet, die der islamistischen HAMAS ( 6.2) nahestehen. Durch diese Unterstützungshandlung verstoße die IHH e.V. gegen den Gedanken der Völkerverständigung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. SS 3 Abs. 1 VereinsG. Als Folge des Verbotsvollzugs wurden die Bankkonten der IHH vorläufig beschlagnahmt und die Immobilie der IHH in Frankfurt mit einem Veräußerungsverbot belegt. 68 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Die enge Verbindung zwischen IHH und IGMG lässt sich auch durch die aktive Kooperation beider Institutionen belegen. Bis zum Verbot wurden in der Europa-Ausgabe der Milli Gazete regelmäßig Spendenaufrufe zugunsten der IHH veröffentlicht. Sowohl der ehemalige Vorsitzende der IHH, Mustafa YOLDAS, als auch der Generalsekretär der IGMG, Oguz ÜCÜNCÜ, übten in scharfer Form Kritik am Verbot der IHH. YOLDAS bezeichnete es auf einer Pressekonferenz am 14.07.10 als "schändlich und rechtswidrig" und kündigte zeitgleich an, umgehend rechtlich gegen die Verbotsverfügung vorgehen zu wollen. Inzwischen liegt eine Klage der IHH gegen diese Verfügung beim BVerwG vor. Die IGMG in Hamburg Das "Bündnis der islamischen Gemeinden in Norddeutschland e.V." (BIG) ist der Regionalverband der IGMG in Hamburg. Dem BIG gehören insgesamt 15 Moscheevereine (davon neun in Hamburg, fünf in Schleswig-Holstein und einer im nördlichen Niedersachsen) sowie zahlreiche regionale und lokale Nebenorganisationen an. Dazu zählen in Hamburg neben der "Centrum Moschee" in der Böckmannstraße (St. Georg) Moscheen in Wilhelmsburg, Harburg, auf der Veddel, Eidelstedt, Altona, Neugraben und Neuenfelde. Zudem unterhält das BIG Bildungsstätten in Harburg und im niedersächsischen Seevetal. Dem BIG gehören weitere Organisationen in den Bereichen Frauen, Bildung, Studenten und Jugendliche an, wie etwa die "Islamische Hochschulgemeinde e.V." (IHg) und die "Muslimische Frauengemeinschaft" (MFG). In Hamburg sind den BIG-Vereinen ca. 1.650 Mitglieder zuzurechnen. Das BIG ist als Verein zwar rechtlich unabhängig, tatsächlich jedoch als Hamburger Regionalverband ("Bölge") fest in das hierarchische Organisationsgefüge der IGMG eingebunden. Der Vorsitzende Ramazan UCAR ist der IGMG-Zentrale in Kerpen unterstellt, sowie sein Stellvertreter 69 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Ahmet YAZICI sind der IGMG-Zentrale in Kerpen unterstellt. Die BIGFunktionäre streiten ihre Zugehörigkeit zur IGMG nicht ab, sind aber bemüht, eine gewisse Eigenständigkeit zu wahren und einer vollständigen Vereinnahmung durch die IGMG-Führung in Kerpen und durch die Milli Görüs-Bewegung in der Türkei entgegenzuwirken. So greift das BIG in der Regel bei Veranstaltungen auf Redner aus den eigenen Reihen zurück und lädt nur selten Personen ein, die offiziell der IGMG oder der SP zuzurechnen sind. In der TAZ vom 14.05.10 distanzierte sich der Hamburger BIG-Funktionär Ahmet YAZICI sogar deutlich von dem mittlerweile verstorbenen Necmettin ERBAKAN. YAZICI bezeichnet den Begründer der türkischen Milli Görüs darin als einen "Politiker aus der Türkei, der nach türkischen innenpolitischen Verhältnissen spricht. Milli Görüs, die wir hier in Europa haben, ist seinerseits ein Teil dieser türkischen politischen Bewegung gewesen. Aber in den letzten Jahren hat sie sich immer weiter entfernt von der politischen Linie in der Türkei." Der führende Hamburger IGMG-Funktionär Ramazan UCAR äußerte in demselben Interview, dass er mit ERBAKAN nichts zu tun haben möchte. Mustafa YOLDAS ging an gleicher Stelle noch einen Schritt weiter und fordert, dass ERBAKAN abtreten müsse. Trotz dieser Aussagen bestehen Verbindungen zur Milli-Görüs-Bewegung und damals auch zu ERBAKAN in der Türkei, die die ambivalente Haltung der Hamburger BIG-Funktionäre zeigt: Zum 40. Jahrestag der Milli Görüs saß YAZICI auf einer Veranstaltung in Duisburg (s.o.) gemeinsam mit ERBAKAN auf dem Podium. Dieser öffentliche Auftritt verdeutlichte, dass sich das BIG nicht glaubwürdig von der Person ERBAKAN und ihrer Bedeutung für die IGMG distanzieren konnte. Auch aus Hamburg sind IGMG-Mitglieder mit mehreren Reisebussen nach Duisburg gefahren, um an der Veranstaltung teilzunehmen. Insgesamt orientieren sich viele BIG-Funktionäre weiterhin eng an den Vorgaben und Arbeitsweisen der IGMG-Zentrale in Kerpen und der Milli Görüs-Bewegung in der Türkei. Die Funktionäre nehmen regelmäßig an Treffen in Kerpen teil. Insbesondere die ältere Generation der BIG-Angehörigen steht nach wie vor zu den politischen und ideologischen Vorgaben ERBAKANs (27.02.2011). Im Zuge einer Nachfolge für ERBAKAN wird sich künftig zeigen, inwiefern diese Orientierung an der Zentrale in Kerpen und an der Milli-Görüs-Bewegung in der Türkei Bestand haben wird. 70 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Als einer der größten muslimischen Verbände in Hamburg ist das BIG Ansprechpartner für die Politik und den Senat der Freien und Hansestadt Hamburg. So ist es in die Verhandlungen zwischen den muslimischen Gemeinden in Hamburg und dem Senat über einen Staatsvertrag einbezogen, in denen eine Anerkennung der muslimischen Gemeinden als Religionsgemeinschaft angestrebt wird. Darüber hinaus werden Vertreter der Hamburger Politik und des Senats zu öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen eingeladen wie zum "Tag der offenen Moscheen" oder zum jährlichen "Iftar"-Empfang (gemeinsames Fastenbrechen im Ramadan). 6.4.2 Türkische Hizbullah Die sunnitisch-islamistische "Türkische Hizbullah" (TH) entstand Anfang der 80er-Jahre durch den Zusammenschluss einiger kurdischer Gruppierungen aus dem Raum Diyarbakir (Osttürkei). Sie strebt - zumindest für die Türkei - einen auf der Scharia basierenden islamischen Staat an. Zur Durchführung ihrer Ziele befürwortet die TH ausdrücklich auch den bewaffneten Jihad. In der Türkei kam es in den 80erund 90er-Jahren zu Kämpfen zwischen ihr und der PKK ( III.4), bei denen mehrere Hundert Personen getötet worden sein sollen. Darüber hinaus wird die TH für zahlreiche politisch motivierte Morde in der Türkei verantwortlich gemacht; sie hat sich jedoch nie zu einer der ihr zugeschriebenen Aktionen bekannt. Intensive Maßnahmen der türkischen Strafverfolgungsbehörden haben die Organisation nachhaltig geschwächt. Mehrere Führungskader kamen ums Leben oder wurden inhaftiert, andere flohen in verschiedene europäische Länder, auch nach Deutschland. Hier sind ihr aktuell mehrere Hundert Anhänger zuzurechnen. Hinweise auf die Anwendung von Gewalt liegen hier nicht vor, vielmehr scheint die TH sich in erster Linie auf den Ausbau ihrer strukturellen und finanziellen Möglichkeiten zu konzentrieren. In der Türkei wurde 2010 laut Gerichtsbeschluss die Hilfsorganisation "Mustazaf-Der" verboten mit der Begründung, "Aktivitäten im Sinne der 71 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Terrororganisation Hizbullah" begangen zu haben. Die von der Generalstaatsanwaltschaft Adana geführten Ermittlungen ergaben außerdem, dass Mustazaf-Der zwar angab, Bedürftige, Gefangene und Verurteilte generell zu unterstützen, in Wirklichkeit seien es jedoch ausschließlich solche Gefangene und deren Familien, die wegen Mitgliedschaft in der Terrororganisation Hizbullah inhaftiert waren. In einer Reaktion auf der TH-nahen Homepage hurseda.net heißt es, hinter dem Vereinsverbot steckten die Drahtzieher des "Tiefen Staates" in der Türkei (gemeint sind intransparente Verflechtungen zwischen Organisierter Kriminalität, Politik und Sicherheitskräften), die beabsichtigten, Mitglieder der Hizbullah und Kurden gegeneinander aufzuhetzen. In Hamburg gibt es etwa 50 TH-Anhänger, die sich nicht öffentlich politisch betätigen; ihre Aktivitäten mit Außenwirkung sind vorwiegend religiös und kulturell geprägt. Ihr wichtigster Anlaufpunkt ist die VahdetMoschee am Steindamm. Auch 2010 fanden wieder zahlreiche Veranstaltungen und Feierlichkeiten in TH-Kreisen sowohl in Deutschland als auch im europäischen Ausland statt. So wurde am 17.01.10 in einigen deutschen Städten, darunter auch Hamburg, des Todestages von Hüseyin VELIOGLU gedacht. VELIOGLU war der Gründer der Türkischen Hizbullah und wurde bei einer Polizeioperation am 17.01.00 in Istanbul getötet. Im April fand in Temse/Belgien eine Veranstaltung anlässlich des "Geburtstags des Propheten" statt, an der ca. 1.500 Personen, auch aus Deutschland, teilnahmen. In der Hamburger Vahdet Moschee wurde am 01.05.10 eine Wohltätigkeitsveranstaltung unter dem Motto "Hilfe für die Bedürftigen" abgehalten. Außerdem gedachte man dort am 29.06.10 anlässlich des 17. Jahrestages der Opfer des Massakers im Dorf Susa (Provinz Diyarbakir). 1992 waren dort mehrere Besucher einer Moschee bei einem Überfall von PKKMitgliedern ermordet worden. 72 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten 6.5 Afghanische Organisationen Hezb-e Eslami-ye Gulbuddin (HIG, Islamische Partei Gulbuddin) / Hezb-e Eslami-ye Afghanistan (HIA, Islamische Partei Afghanistans) Mitte der 70er-Jahre gründete Gulbuddin HEKMATYAR im pakistanischen Exil die "Hezb-e Eslami-ye Afghanistan" (HIA). Ihr Ziel ist es, sämtliche Bereiche des öffentlichen Lebens an islamischen Prinzipien und dem islamischen Recht (Scharia) auszurichten. 1979 zerfiel die Partei in unterschiedliche Fraktionen, wobei die Strömung um HEKMATYAR zumeist als "Hezb-e Eslami-ye Gulbuddin" (HIG) bezeichnet wird. Während der Besatzung Afghanistans durch die UdSSR bekämpfte die HIG die russischen Streitkräfte und wurde hierbei vom pakistanischen Geheimdienst Inter Service IntelliEmblem der HIG gence (ISI) intensiv gefördert. Nach dem Ende des Taliban-Regimes im Jahr 2001 setzte ein Spaltungsprozess innerhalb der HIG ein, der das Entstehen einer radikalen und einer moderaten Strömung zur Folge hatte: Während die heutige "Hezb-e Eslami-ye Afghanistan" (HIA) sich am parlamentarischen Prozess und an Wahlen in Afghanistan beteiligt, lehnt die HIG die Präsenz ausländischer Truppen in Afghanistan ab und bekämpft diese auch militärisch. 2006 hatte sich HEKMATYAR öffentlich "unter das Banner" von Al Qaida und Usama BIN LADEN gestellt. Das Ausmaß der tatsächlichen Differenzen zwischen der militärisch agierenden HIG und der politischen HIA sowie der Einfluss HEKMATYARs auf die HIA sind schwer einzuschätzen. Obwohl sich die HIA am politischen Prozess beteiligt, betont sie immer wieder die eigene Mujahidin-Vergangenheit und auch die besondere Rolle HEKMATYARs hierin. In Deutschland verfügt die HIG/HIA über keine, von außen erkennbare Organisationsstruktur. Die Anhängerschaft der HIG in Hamburg besteht nur aus Einzelpersonen, diese verfügen aber über bundesweite Ausstrahlung und sind zudem international gut vernetzt. HEKMATYAR-Befürworter treffen sich in privaten und geschäftlich genutzten Objekten, einige auch in einer Hamburger Moschee. Sie stehen zudem mit Angehörigen der in Deutschland verbotenen Hizb-ut Tahrir (HuT) in Kontakt. 73 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten III. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ausgenommen islamistische Bestrebungen) 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick Die in Deutschland aktiven extremistischen Ausländerorganisationen wurden auch im Jahr 2010 maßgeblich von den politischen Entwicklungen in ihren Herkunftsländern beeinflusst. Ein Schwerpunkt der Beobachtung liegt auf der mit einem Betätigungsverbot belegten "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK, 4.). Trotz stagnierender Mitgliederzahlen ist sie weiterhin in der Lage, auch kurzfristig auf bestimmte Ereignisse zu reagieren, insbesondere im Zusammenhang mit der Inhaftierung Abdullah ÖCALANs (Foto) in der Türkei oder Sanktionen des türkischen Staates gegen kurdische politische Parteien. Wie schon in den Vorjahren verliefen diese Aktionen in Hamburg gewaltfrei. Im Jahr 2010 war das Verbotsverfahren gegen den PKK-nahen Fernsehsender "Roj TV" in Deutschland und Dänemark häufiges Thema bei Kundgebungen der Organisation. Dieses Verfahren endete am 19.10.10 mit einem vorläufigen Erfolg für die PKK, weil ein Kopenhagener Gericht das Sendeverbot gegen "Roj TV" aufhob. Allerdings plant die dortige Staatsanwaltschaft, gegen diese Entscheidung in die Berufung zu gehen. Türkische linksextremistische Organisationen ( 5.) sind in Hamburg mit der "Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephe" (DHKP-C), der "Türkiye Komünist Partisi/Marksist Leninist" (TKP/ML), der "Maoist Komünist Partisi" (MKP) und der "Marksist Leninist Komünist Partisi" (MLKP) vertreten, die allerdings kaum öffentlich agieren. Inhaltlich konzentrieren sie sich auf Migrantenund Arbeiterinteressen, insbesondere auf sozialpolitische Themen in Deutschland und in der Türkei. Von türkisch-nationalistischen Organisationen gehen in Hamburg kaum öffentliche Aktivitäten aus. Für Aufmerksamkeit sorgte allerdings ein Hackerangriff auf die Webseiten der CDU in Hamburg, bei dem auch ein 76 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Wappen des Osmanischen Reiches verwendet wurde. Ein eindeutiger Beleg für einen extremistischen Hintergrund steht bis heute aus. Separatistische asiatische Gruppen fielen im Jahr 2010 in Hamburg vorwiegend durch das Beschaffen von Spendengeldern für ihre Organisationen in den Heimatländern auf. Sie wurden hierbei von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Seit 2006 wird die "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) auf der EU-"Terrorliste" geführt. In Deutschland wird sie durch das "Tamil Coordination Comitee" (TCC) vertreSymbol der LTTE ten, das auch weiterhin propagandistisch aktiv ist und Spenden für die LTTE sammelt. Ihre Zentrale befindet sich in Oberhausen. Im März 2010 wurden drei mutmaßliche Führungsfunktionäre der LTTE verhaftet und vor dem OLG Düsseldorf u. a. wegen der Mitgliedschaft und Unterstützung einer ausländischen terroristischen Organisation angeklagt. Sie sollen in Deutschland Geld und Material für den Kampf der LTTE in Sri Lanka beschafft haben. In Hamburg sind keine öffentlich wirksamen Aktivitäten der Organisation bekannt geworden. 2. Potenziale Im Jahr 2010 betrug in Deutschland die Zahl der Anhänger extremistischer Ausländerorganisationen (ohne Islamisten) 24.910 (2009: 24.710). Davon wurden 17.070 Personen (2009: 16.870) linksextremistischen ausländischen Organisationen sowie 7.840 Personen (2009: 7.840) extrem-nationalistischen ausländischen Organisationen zugerechnet. Personen aus dem kurdischen Kulturkreis bildeten mit gut 11.500 Personen (2009: ebenfalls 11.500) den überwiegenden Teil des Potenzials ausländischer extremistischer Gruppierungen. Die zweitgrößte Volksgruppe mit 10.600 Anhängern (2009: 10.150) waren Personen türkischer Herkunft (ohne Kurden). Das nachstehende Diagramm veranschaulicht den Anteil der Islamisten am Gesamtpotenzial ausländischer Extremisten in der Bundesrepublik Deutschland. Die geringe Zahl der deutschen Konvertiten wurde hier vernachlässigt. 77 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Bund: Personenpotenzial im nichtislamistischen Ausländerextremismus 30000 25000 27.150 26.750 26.350 25.720 25.320 25.250 25.250 24.750 24.710 24.910 20000 15000 10000 5000 0 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 - Alle Zahlen sind gerundet - Bundesebene: Anhängerpotenzial im nichtislamistischen Ausländerextremismus (nach Staats-/Volkszugehörigkeit und ideologischer Ausrichtung) Linksextremisten Nationalisten Staatsbzw. Volkszugehörigkeit 2009 2010 2009 2010 Kurden 11.500 11.500 - Türken 3.150 3.150 7.000 7.000 Araber 150 150 Iraner 1.150 1.150 - - Sonstige 920 1.120 840 840 Gesamt 16.870 17.070 7.840 7.840 - Alle Angaben sind gerundet - 78 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Informationen darüber, um welche islamistischen Gruppierungen es sich im Wesentlichen handelt, welche Gefahren von ihnen ausgehen und wie sich die Situation in Hamburg darstellt, finden Sie im Kapitel "II. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten". Bund: Gesamt-Personenpotenzial im Ausländerextremismus mit dem Anteil der Islamisten 70000 60000 59.100 57.350 57.300 57.520 57.420 57.300 58.420 59.470 60.980 62.380 50000 40000 30000 20000 31.950 30.600 30.950 31.800 32.100 32.050 33.170 34.720 36.270 37.470 10000 0 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Ausländerextremisten davon insgesamt Islamisten - Alle Zahlen sind gerundet - In Hamburg wurde die Zahl der Anhänger ausländischer politisch-extremistischer Gruppierungen (ohne Islamisten) im Jahr 2010 wie im Vorjahr konstant auf etwa 920 Personen geschätzt. Sie verteilen auf die verschiedenen Phänomenbereiche wie folgt: * Die Anhängerschaft der PKK ( 4.) wird auf rund 600 Personen geschätzt (2009: 600), * Die Zahl türkischer Linksextremisten ( 5.) betrug 140 (2009: 140), * Die Anhängerschaft extremistischer Organisationen iranischer Nationalität wird auf 180 (2009: 180) geschätzt ( 6). 79 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Hamburg: Gesamt-Personenpotenzial im Ausländerextremismus mit dem Anteil der Islamisten 3500 3.265 3.055 3.000 3.000 2.985 2.930 2.985 3000 2.590 2.630 2500 1.390 1.330 1.455 1.265 970 920 920 1.000 980 2000 1500 1.200 1.300 1.600 2.000 2.000 2.030 2.005 2.010 2.065 1000 500 0 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Ausländerextremisten Islamisten ohne Islamisten - Alle Zahlen sind gerundet - Informationen über iranische Islamisten: II.6.3 3. Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) Im Jahr 2010 wurden 14 politisch motivierte Straftaten im Ausländerextremismus in Hamburg erfasst, deutlich weniger als die 30 Straftaten im Jahr 2009 (Definition PMK: II.4). Diese Taten lassen sich einem breiten Spektrum von Delikten zuordnen. Häufig handelte es sich um Farbschmierereien und Sachbeschädigungen. Im Gegensatz zum Vorjahr waren jedoch keine schweren Straftaten zu verzeichnen. Ein Grund für diese Entwicklung ist möglicherweise der seit 2009 andauernde "einseitige Waffenstillstand", den die PKK auch ihren Mitgliedsorganisationen im Ausland verordnet hatte. Daher verliefen sämtliche Kundgebungen der Organisation in Hamburg im Jahr 2010 friedlich, während in vorangegangenen Jahren mitunter Straftaten nach Kundgebungen begangen wurden. 80 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten PMKAusländer 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 PMKAusländer 25 29 31 39 42 33 46 30 14 insgesamt davon extrem. 15 16 12 20 13 12 35 7 3 Kriminalität hiervon extrem. 1 7 6 12 2 4 7 1 1 Gewaltdelikte Quelle: Polizei Hamburg - Stand: Februar 2011 - 4. PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) 4.1 Entwicklungen und Organisatorisches Die PKK hatte 1984 hauptsächlich im Südosten der Türkei einen Guerillakrieg gegen das türkische Militär begonnen. Das Ziel, ein eigener kurdischer Staat, wurde später aufgegeben und durch die Forderung nach begrenzter Autonomie innerhalb des türkischen Staates ersetzt. Banner auf einer PKK-Internetseite Die am 27.11.78 in der Türkei gegründete PKK wurde in Deutschland am 26.11.93 verboten. In der Folge gab es erhebliche Auseinandersetzungen. Die Organisation setzte ihre Aktivitäten ab April 2002 zunächst als KADEK fort; seit 15.11.03 firmiert sie als KONGRA GEL. Das gegen die PKK verhängte Betätigungsverbot gilt auch für diese und alle anderen Nachfolgeorganisationen. Ungeachtet der mehrfachen Namenswechsel besteht die Kernorganisation PKK weiter. Über die Jahre unverändert ist die innere Struktur mit dem Charakter einer autoritär geführten Kaderorganisation. Der PKK-Gründer Abdullah ÖCALAN (Foto) befindet sich seit 1999 auf der türkischen Insel Imrali in Haft. Über seine Anwälte hält er weiterhin 81 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Kontakt zur PKK und übt noch immer beträchtlichen Einfluss auf die Organisation sowie deren Strategie und Handeln aus. Für die Anhänger der PKK ist ÖCALAN weiterhin die unbestrittene Führungsund Integrationsfigur, um die sie einen regelrechten Personenkult betreiben. Die Forderung nach seiner Freilassung ist seit Jahren eines der zentralen Agitationsthemen. Basierend auf den Vorstellungen ÖCALANs wurde seit 2005 die Idee eines überstaatlichen Gemeinwesens der Kurden entwickelt. Als organisatorische Struktur wurde hierzu die KCK ins Leben gerufen, deren höchstes Beschlussgremium der KONGRA GEL ist. Aus der Haft fungiert formell ÖCALAN als Führer der KCK. Zwar liegt die Leitung in den Händen von Murat KARAYILAN (Foto), dem Vorsitzenden des KCK-Exekutivrats und designierten Nachfolger ÖCALANs, jedoch gilt die von ÖCALAN und dem Exekutivrat der KCK festgelegte Führungslinie quasi als Gesetz. Die von ÖCALAN im Sommer 2009 übergebene "Roadmap", die Schritte zu einer friedlichen Lösung der Kurdenfrage aufzeigt und den Annäherungsprozess vorantreiben soll, stieß beim türkischen Staat auf geringe Resonanz. Im Mai 2010 äußerte ÖCALAN über seine Anwälte, er habe seither keinen Ansprechpartner finden können und werde sich nach dem 31.05.10 zurückziehen. Dies sei zwar kein Aufruf zum Krieg, jedoch müssten dann andere die Verantwortung tragen. Damit einher gehe nun die Einleitung einer von ÖCALAN so bezeichneten "vierten Phase", in der das kurdische Volk ein eigenes demokratisches System errichten und die demokratische Autonomie ausrufen solle. Trotz des eingeleiteten Friedensprozesses greift die PKK auch weiterhin auf militärische Mittel zurück. Der von ihr ausgerufene einseitige Waffenstillstand gilt nicht uneingeschränkt, sondern die Organisation behält sich das Recht auf "Selbstverteidigung" ausdrücklich vor, das zu dem Kernbereich ihres Selbstverständnisses zählt. Dabei wird die "kurdische Öffnung" einerseits als Chance angesehen, andererseits wird die Option des (bewaffneten) Kampfes offengehalten, weil gegenüber dem türkischen Staat unverändert tiefes Misstrauen besteht. Eine demokratisch-politische Lösung des Kurdenproblems könne ohne Guerilla nicht erreicht werden, deshalb sei es die demokratische Hauptpflicht jedes Patrioten, diese zu 82 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten beschützen. Die "Selbstverteidigung" schließt nach dem Verständnis der PKK das Verüben von Anschlägen ein. Bereits im April und Mai nahmen die militärischen Auseinandersetzungen zwischen dem türkischen Militär und den Guerillaeinheiten der "Volksverteidigungskräfte" (HPG) erheblich zu. Die PKK beendete daraufhin offiziell zum 01.06.10 ihren seit März 2009 geltenden "einseitigen Waffenstillstand". Die Auseinandersetzungen verschärften sich danach weiter mit erheblichen Verlusten auf beiden Seiten. Zudem gab es in zahlreichen türkischen Städten gewalttätige Aktionen, zumeist Brandanschläge von Jugendlichen. Auch die "Freiheitsfalken Kurdistans" (TAK) verübten im Juni erstmals seit zwei Jahren wieder Anschläge auf Angehörige türkischer Sicherheitskräfte in der Türkei, bei denen mehrere Personen getötet und weitere verletzt wurden. Ende Oktober 2010 zündete ein Selbstmordattentäter, welcher der TAK zuzurechnen war, in Istanbul einen Sprengsatz. Bei der Explosion wurden mehr als 30 Personen, darunter mehrere Polizisten, verletzt. Nach vorliegenden Erkenntnissen formierte sich die TAK 2004 aus den Reihen der HPG. Bereits zwischen 2004 und 2008 verübte sie vor allem in Metropolen und Tourismuszentren zahlreiche Anschläge, insbesondere gegen zivile Ziele, aber auch gegen Angehörige staatlicher Einrichtungen in der Westtürkei. Auf politischer Ebene traten die Anhänger der im Dezember 2009 vom türkischen Verfassungsgericht wegen ihrer Nähe zur PKK verbotenen "Partei der demokratischen Gesellschaft" (DTP) nahezu geschlossen der bereits 2008 durch DTP-Mitglieder gegründeten "Partei des Friedens und der Demokratie" (BDP) bei. Die im türkischen Parlament vertretene BDP rief ihre Gefolgschaft zum Boykott des Verfassungsreferendums am 12.09.10 auf, da aus ihrer Sicht die Belange der kurdischen Bevölkerung nicht hinreichend berücksichtigt worden seien. 83 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten 4.2 Aktivitäten und Schwerpunkte in Deutschland Auf der Europaebene liegt die Parteiarbeit der PKK in den Händen ihres politischen Arms, der "Koordination der kurdischen demokratischen Gesellschaft in Europa" (CDK). Ebenfalls auf Europaebene obliegt die Koordinierung des Vereinslebens dem europäischen Dachverband "Konföderation der kurdischen Vereine in Europa" (KON-KURD), der 1993 gegründet wurde und in Brüssel ansässig ist. Ihm sind die jeweiligen nationalen - der PKK nahestehenden - Dachverbände kurdischer Vereine als Mitgliedsorganisationen angeschlossen. In Deutschland tritt für die Belange der PKK die Dachorganisation "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V." (YEK-KOM) ein, der über 40 Ortsvereine angehören. Die YEK-KOM übernimmt vor allem Propagandatätigkeiten, indem sie für Presseerklärungen und Flugblätter verantwortlich zeichnet und häufig als Anmelderin von öffentlichen Veranstaltungen fungiert. Neben aktuellen Kampagnen (z.B. gegen Festnahmen von Funktionären oder die Haftbedingungen ÖCALANs) setzt sich die YEK-KOM kontinuierlich für die Aufhebung des Betätigungsverbots ein und fordert die Streichung der PKK und ihrer Nachfolgeorganisationen von der EU-"Terrorliste". Am 03.04.08 hatte das Gericht Erster Instanz der EU die - im Jahr 2002 erfolgte - Aufnahme der PKK und des KONGRA GEL in die "Terrorliste" für nichtig erklärt. Die Richter sahen die Listung als nicht ausreichend begründet an. Trotzdem ist sie bisher nicht aufgehoben worden, da nach Auffassung des EU-Ministerrates das Gerichtsurteil die Gültigkeit der "Terrorliste" nicht berührt. Eine endgültige Entscheidung der europäischen Gerichte steht weiterhin aus. Für das in Deutschland bestehende vereinsrechtliche Betätigungsverbot der PKK sowie ihrer Nachfolgeund Teilorganisationen hat das Urteil keine unmittelbaren Auswirkungen. Auch die Strafverfahren gegen die Organisation und ihre Funktionäre als "kriminelle Vereinigung" richten sich seit Jahren nach den Bestimmungen des SS129 StGB. 84 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Insgesamt wurden seit dem Betätigungsverbot rund einhundert Angehörige der mittleren und oberen Führungsebene der PKK wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu Freiheitsstrafen verurteilt. Die PKK verfügt ungeachtet des Betätigungsverbots in Deutschland über einen illegalen und konspirativ handelnden Funktionärskörper. Ebenso besteht weiterhin eine feste Organisationsstruktur: Deutschland ist in die drei Bereiche unterteilt - Nord, Mitte und Süd. Auf der darunter liegenden (Hierarchie-) Ebene sind "Gebiete" angesiedelt; Hamburg bildet zusammen mit seinem "Umland" in Schleswig-Holstein und Niedersachsen ein solches Gebiet. Zentrale Aufgaben der PKK sind die Finanzierung ihrer Struktur und die Mobilisierung der Anhängerschaft, die in Deutschland ca. 11.500 Personen umfasst. Für ihren großen Funktionärsapparat und ihre umfangreichen Aktivitäten sowie zur Unterstützung der Guerilla in der Türkei benötigt die PKK erhebliche finanzielle Mittel, die vor allem in Europa beschafft werden. Im Einzelnen stammen die Einnahmen aus Beiträgen der Mitglieder, dem Verkauf von Publikationen und den Erlösen aus Veranstaltungen. Den größten Teil bringen die jährlichen Spendensammlungen ein, die vom Spätsommer an bis in das folgende Jahr hinein stattfinden. Hierbei erhält jedes Gebiet eine teilweise kaum zu erreichende Zielvorgabe und steht unter dem organisationsinternen Druck, diese zu erfüllen. Den Spendern wird - entsprechend dem Selbstverständnis der PKK, alle Kurden zu vertreten - erklärt, dass ihre Zahlungen eine "Steuer" zur "Befreiung Kurdistans" seien, der man sich nicht entziehen könne. Die PKK bzw. die ihr angeschlossenen Organisationen führen pro Jahr mehrere bundesweite Großveranstaltungen durch, die in erster Linie den inneren Zusammenhalt stärken sollen. Unabhängig von ihrem konkreten Anlass dienen solche Veranstaltungen regelmäßig dazu, aus Sicht der PKK wichtige Themen (z.B. die Haftsituation ÖCALANs) im Bewusstsein der eigenen Anhänger wachzuhalten. Um dies zu erreichen, ist die PKK bereit, das Betätigungsverbot in Deutschland offen zu ignorieren. * Am 14.01. demonstrierten Anhänger der PKK in Berlin, Frankfurt/M., Hamburg und München vor den jeweiligen türkischen Konsulaten gegen die Staudammprojekte in Ilisu und in Dersim. Mitinitiator des "bundesweiten Aktionstages" war die PKK-Studentenorganisation "Bund der Studierenden aus Kurdistan" (YXK), die im Internet zur Teilnahme an der Kundgebung in Frankfurt/M. aufgerufen hatte. Alle Veranstaltungen verliefen friedlich unter geringer Beteiligung. Die 85 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Demonstranten forderten die türkische Regierung auf, ihre Staudammprojekte im Südosten des Landes, insbesondere den IlisuStaudamm, zu stoppen. Die Realisierung dieser Projekte führe zur Verarmung Tausender von Menschen und zur Zerstörung zahlreicher Ökosysteme und Hunderter archäologischer Stätten wie der antiken Stadt Hasankeyf. * Ende Januar veranstaltete die Jugendorganisation "Komalen Ciwan" ("Jugendunion") bundesweit Konzerte, die von Sympathiebekundungen für die PKK-Guerilla und den PKK-Führer ÖCALAN begleitet wurden. Alle Veranstaltungen verliefen störungsfrei. * Mehrere Tausend Teilnehmer aus Deutschland besuchten am 13.02. eine Großdemonstration in Straßburg/Frankreich aus Anlass des elften Jahrestags der Festnahme ÖCALANs. Mit nur insgesamt etwa 6.500 Personen war in diesem Jahr die Teilnehmerzahl im Vergleich zu den Vorjahren rückläufig. Am 24.02. urteilte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in der Hauptsache über das Verbot des PKK-nahen Fernsehsenders "Roj TV" und entschied, dass die Sendungen von "Roj TV" zwar gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoßen, die Anwendung dieses Verbotsgrundes nach deutschem Recht vor dem Hintergrund der europäischen Fernseh-Richtlinie jedoch fraglich ist. Das Verfahren wurde ausgesetzt und dem EuGH (Europäischen Gerichtshof) vorgelegt, weil evtl. europäisches Recht berührt ist. Aus Anlass von Exekutivmaßnahmen belgischer Behörden gegen Einrichtungen und Funktionäre der PKK sowie gegen den Fernsehsender "Roj TV" am 04.03.10 kam es u.a. in Köln, Frankfurt/M., Berlin, Hamburg und Stuttgart durch deren Anhänger zu mehreren, weitgehend friedlichen Demonstrationen mit jeweils einigen Hundert Teilnehmern. Im Anschluss an eine Veranstaltung am 06.03.10 in Hannover gingen ca. 20 Demonstranten jedoch gewaltsam gegen die eingesetzten Polizeikräfte vor. Gegen sechs Personen wurden Strafverfahren wegen Landfriedensbruchs eingeleitet. 86 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Ebenfalls am 06.03.10 wurden drei Brandsätze gegen das Gebäude des Türkischen Generalkonsulats (GK) in Münster geworfen, sie beschädigten die Fassade. An einem Rolltor des Konsulats wurde der Schriftzug "Roj TV" aufgesprüht. Diverse PKK-nahe Organisationen verurteilten in Erklärungen das Vorgehen der belgischen Behörden, die CDK bezeichnete es als "barbarischen Angriff", der die Kurden in Wut versetze. Die Anhänger der PKK werten die Exekutivmaßnahmen als Teil eines "internationalen schmutzigen Komplotts". Man bezichtigt die Türkei, international Druck aufzubauen, um eine Lösung der sogenannten Kurdenfrage zu verhindern. Die PKK führte auch 2010 viele Veranstaltungen großen Umfangs durch. Beispielhaft werden folgende genannt: * Rund 20.000 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet versammelten sich am 19.03.10 in Düsseldorf zu einer von der YEK-KOM organisierten Großkundgebung anlässlich des kurdischen Neujahrsfestes Newroz. Im Rahmen der weitgehend störungsfrei verlaufenen Veranstaltung wurden auch diesmal Fahnen mit verbotenen Symbolen sichergestellt. * Am 12.04.10 wurde der ehemalige Vorsitzende der in der Türkei im Dezember 2009 verbotenen DTP, Ahmet TÜRK, bei einer Veranstaltung in der türkischen Stadt Samsun tätlich angegriffen und leicht verletzt. Als Reaktion darauf kam es deutschlandweit - so in Berlin, Duisburg, Frankfurt/M., Hamburg, Mannheim und Kassel - zu friedlichen Kundgebungen mehrerer Hundert PKK-Anhänger. * Am 10.07.10 richtete die PKK-Jugendorganisation "Komalen Ciwan" im Kölner Südstadion das "13. Mazlum Dogan Jugend-, Kulturund Sportfestival" aus. An der friedlich verlaufenen Veranstaltung unter dem Motto: "Entweder ein freier Führer und ein freies Kurdistan oder ein imposanter Widerstand!" nahmen ca. 5.000 Personen aus Deutschland und dem benachbarten Ausland teil. Während der Veranstaltung, die überwiegend den Charakter eines Sportfestes mit kulturellem Rahmenprogramm hatte, wurden auch politische Inhalte thematisiert. 87 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten * Vom 15. bis 24.07.10 gab es aus Anlass angeblicher Leichenschändungen des türkischen Militärs an getöteten Guerillakämpfern der HPG - überwiegend von der YEK-KOM organisierte - Veranstaltungen in Form von Demonstrationen und / oder Mahnwachen in annähernd 30 deutschen Städten. Die Demonstrationen verliefen bis auf kleinere Störungen friedlich. Die Teilnehmerzahlen variierten zwischen 15 bis 600 Personen. Auch in anderen europäischen Städten, so u.a. in Paris und London, fanden entsprechende Veranstaltungen statt. Bei einigen Demonstrationen wurde auch die Freilassung des am 18.07.10 in Italien - auf der Grundlage eines von türkischen Justizbehörden ausgestellten internationalen Haftbefehls - festgenommenen Vorsitzenden der KON-KURD gefordert. * Die über mehrere Monate laufende Kampagne "Tatort Kurdistan", initiiert von einem Aktionsbündnis u. a. aus deutschen linksextremistischen Gruppierungen und der YEK-KOM, verlief ohne größere Resonanz. * Im Rhein-Energie Stadion in Köln fand am 18.09.10 das von der YEK-KOM organisierte "18. Internationale Kurdische Kulturfestival" unter dem Motto "Freiheit für Abdullah Öcalan - Frieden in Kurdistan" statt. Die Veranstaltung, die von ca. 35.000 Teilnehmern aus ganz Europa besucht wurde, war geprägt von diversen folkloristischen Darbietungen und einer Videobotschaft Murat KARAYILANs. * Anlässlich des zwölften Jahrestages der Ausweisung ÖCALANs aus Syrien führten Anhänger der PKK diverse Kundgebungen in europäischen Metropolen und auch in Deutschland durch, so in Berlin, Darmstadt, Essen, Frankfurt/M., Gießen, Hamburg, Köln, Mannheim, Oldenburg, Saarbrücken und Stuttgart. Die meisten Veranstaltungen verliefen friedlich. Während der Demonstration in Berlin kam es jedoch bei der Festnahme einer Versammlungsteilnehmerin, die eine verbotene Fahne gezeigt hatte, zu einer versuchten Gefangenenbefreiung, zu Körperverletzungen, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Landfriedensbruch durch mehrere männliche Versammlungsteilnehmer. Nach Auffassung der PKK markiert 88 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten dieser Tag den Beginn eines "internationalen Komplotts" (ÖCALAN wurde am 15.02.99 in Kenia festgenommen und am 29.06.99 in der Türkei verurteilt). * Am 20. November 2010 fand in Heilbronn eine Kundgebung mit etwa 500 Teilnehmern unter dem Motto "Frieden und Freiheit für Kurdistan! Keine Waffenlieferungen an das türkische Militär! Stoppen wir die türkischen Kriegstreiber und ihre Verbündeten!" statt. Hierzu hatten zahlreiche linksextremistische Organisationen im Internet aufgerufen und auch mit Flyern geworben. Im Verlauf der Versammlung wurden Polizeibeamte von Demonstrationsteilnehmern mit Feuerwerkskörpern und anderen Gegenständen beworfen und auch mit Holzstöcken und Fahnenstangen angegriffen. Dabei wurden 13 Beamte verletzt. Die Polizei löste die Versammlung auf, nahm 41 Personen in Gewahrsam und sprach gegen 82 Demonstrationsteilnehmer Platzverweise aus. * Im Rahmen eines von der Staatsanwaltschaft Dortmund geführten Ermittlungsverfahrens gegen "Komalen Ciwan"-Mitglieder durchsuchten Polizeibeamte am 29. Dezember 2011 eine Jugendherberge in Nordrhein-Westfalen; es war bekannt geworden, dass dort zu dieser Zeit ein "Schulungscamp" zur Ausbildung potenzieller Rekruten für die Guerilla der PKK durchgeführt werden sollte. Dabei wurden 44 Personen - darunter hochrangige Kader der "Komalen Ciwan" - vorläufig festgenommen und umfangreiches Material sichergestellt - insbesondere Notebooks, mobile Festplatten, USB-Sticks, Speicherkarten sowie Schulungsmaterial zu den Themen Guerillataktik und Verhalten in den Bergen, in denen es kriegerische Auseinandersetzungen mit der türkischen Armee gibt. Zu den Schulungsteilnehmern gehörten sechs minderjährige Personen, darunter eine 14-Jährige. Dass bei Großveranstaltungen regelmäßig auch "gefallene Märtyrer" glorifiziert werden, belegt den hohen Stellenwert des bewaffneten Kampfes in der Türkei für die PKK. Gegenüber Deutschland ist sie zwar grundsätzlich um einen friedlichen Kurs bemüht, zeitgleich jedoch werden gewaltsame Aktionen ihrer jugendlichen Anhänger auf deutschem Boden zumindest gebilligt. Sie werden in einschlägigen Medien, insbesondere im Internet, stets zu Engagement und Aktionen motiviert. Außerdem werden sie verstärkt dazu aufgerufen, sich der Guerilla anzuschließen. 89 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten 4.3 Situation in Hamburg Die politische Linie des Dachverbandes YEK-KOM ( 4.2) wird auf regionaler Ebene von den jeweiligen lokalen Vereinen umgesetzt. Die über lange Jahre in der Hamburger Organisationsstruktur verankerten Vereine "Kurdistan Volkshaus e.V." und "Verein freier Frauen aus Mesopotamien e.V." existieren nicht mehr. Ihre Aufgaben gingen auf neue Vereine über. Das Ende 2008 gegründete "Kurdisch-deutsche Kulturzentrum e.V." konnte sich am Steindamm etablieren. Die Räume dienen als Anlaufpunkt für PKK-Anhänger, die damit nach längerer Zeit wieder über ein eigenes Domizil verfügen. Als weiterer Verein trat das seit Oktober 2008 bestehende "Nujiyan Frauenzentrum e.V." auf (Nujiyan = Neues Leben), das gelegentlich Veranstaltungen mit kurdischen Themen durchführte. Vereinzelt werden lokale Aktivitäten auch unter dem Namen "Kurdischer Volksrat Hamburg" organisiert - Bezeichnungen wie "Kurdistan Volksrat" oder "Volksrat" sind ebenfalls gebräuchlich. Den Vorsitzenden des "Volksrates" auf "Volksversammlungen" wählen zu lassen und die Existenz zahlreicher Ausschüsse - etwa für Frauen, Jugend, Schulung und Propaganda, Kultur und Kunst, Außenbeziehungen, religiöse Gruppen und Finanzen - sollen den Anschein von Mitbestimmung und Basisdemokratie erwecken. Tatsächlich aber änderte sich mit dem Modell der "Volksräte" die vorhandene, streng hierarchische Führungsstruktur nicht. Das personelle Potenzial der PKK liegt seit Jahren auf niedrigem Niveau. Außer ihren rund 600 Anhängern verfügt die Organisation in Hamburg über ein Sympathisantenumfeld, das sich ebenfalls weitgehend mit ihren Zielen und insbesondere mit ÖCALAN als Person und Führungsfigur im "Freiheitskampf" des kurdischen Volkes identifiziert. Dieses Umfeld stagniert bei etwa 1.500 Personen. Die eigentlichen örtlichen Entscheidungsträger der Organisation in Hamburg sind die von der PKK nach einem Rotationsprinzip für einige Monate bis zu einem Jahr entsandten Kader. Diese sind weiterhin nicht in der Lage, die eigene Gefolgschaft nachhaltig zu mobilisieren. Dies liegt sicher auch an den kurzen Verweilzeiten dieser Kader, die ihnen einen tieferen Einblick in interne Abläufe und informelle Strukturen mit ihren regionalen Besonderheiten kaum zulassen. 90 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Obwohl die PKK-Jugendorganisation "Komalen Ciwan" in Hamburg - anders als im Vorjahr - nicht durch gewalttätige Aktionen auffiel, ist weiter damit zu rechnen, dass sie situationsabhängig Gewalt als Mittel einsetzt. Zu ihren weiteren Aktivitäten in Hamburg zählt die Anwerbung von Jugendlichen für organisationsinterne "Lehrgänge", die vorwiegend der ideologischen Schulung dienen. Der Organisation mangelt es in Hamburg schon seit Jahren vor allem an Aktivisten, die die "Arbeit auf der Straße" leisten, d.h. Spenden sammeln, Publikationen und Karten für Veranstaltungen verkaufen sowie für die Teilnahme an Demonstrationen werben. Die Zahl der Teilnehmer an Demonstrationen und Kundgebungen mit PKK-Hintergrund lag 2010 zwischen 20 und 380 Personen und damit deutlich niedriger als im Vorjahr. Diese geringe Unterstützung ist einerseits eine Folge der anhaltenden organisatorischen Schwäche der PKK in Hamburg, gleichzeitig aber auch Ausdruck einer nachlassenden Bindungskraft der PKK-Ideologie. An einigen Veranstaltungen nahmen auch Einzelpersonen aus dem linksextremistischen Umfeld teil, die sich der Organisation verbunden fühlen. Eine höhere Beteiligung wird nur noch punktuell mit emotional ansprechenden Themen erreicht: * Anlässlich eines tätlichen Angriffs auf einen kurdischen Politiker in der Türkei versammelten sich am 13.04.10 ca. 200 Personen zu einer Kundgebung mit Redebeiträgen vor dem Generalkonsulat der Türkei in Rotherbaum. Als verantwortlicher Veranstaltungsanmelder fungierte erneut der Verein "Kurdisch-deutsches Kulturzentrum e.V.". Nach einem Pressebericht habe der "Volksrat" zu der Demonstration aufgerufen. * Am 22.05.10 versammelten sich am Hauptbahnhof etwa 250 Personen zu einer Demonstration "Protest gegen die Hinrichtungen von Kurden im Iran". Hintergrund waren die wenige Tage zuvor in Teheran vollstreckten Hinrichtungen mehrerer Mitglieder der in Iran agierenden PKK-Nebenorganisation "Partei für ein freies Leben in Kurdistan" (PJAK). Eine Abschlusskundgebung am Gänsemarkt beendete die störungsfrei verlaufene Veranstaltung. * Unter dem Motto "Stoppt den Krieg" fand am 09.07.10 eine Protestaktion statt, der sich ca. 180 Personen anschlossen. Als verantwort91 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten licher Organisator trat das "Bündnis Tatort Kurdistan" auf, das u. a. die Einstellung der türkischen Militäroperationen, die Freilassung von ÖCALAN und eine friedliche Lösung der Kurdenfrage forderte. Während des Protestmarsches vom Hauptbahnhof zum Gänsemarkt zeigten die Teilnehmer mehrfach Fahnen mit verbotener Symbolik und skandierten lautstark "PKK". * Am 31.07.10 protestierten in Hamburg ca. 380 Personen im Wesentlichen friedlich "Gegen die Maßnahmen der Türkei gegenüber den Kurden". In der Innenstadt wurde der Aufzug kurzfristig von Polizeikräften gestoppt, da Fahnen mit verbotenen Symbolen gezeigt wurden. Nach einer Abschlusskundgebung vor dem türkischen Generalkonsulat endete die Veranstaltung. * In einem Veranstaltungsraum in Hamburg-Veddel kamen am 5. Dezember 2010 mehrere hundert Personen zusammen, um den 32. Gründungstag der PKK zu feiern. Hier konnten an Informationsständen u.a. PKK-Fahnen und entsprechende Literatur erworben werden. 5. Türkische Extremisten Revolutionär-marxistische Gruppierungen Türkische linksextremistische Organisationen haben ihre ideologischen Wurzeln im Marxismus-Leninismus bzw. Maoismus. Sie propagieren einen revolutionären Umsturz in der Türkei und wollen dort eine kommunistische Staatsund Gesellschaftsordnung einführen. Sie rechtfertigen den bewaffneten Kampf und führen in der Türkei terroristische Aktionen durch. In Hamburg sind folgende türkische linksextremistische Organisationen präsent: * "Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephe" (DHKP-C) * "Türkiye Komünist Partisi/Marksist Leninist" (TKP/ML) 92 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten * "Maoist Komünist Partisi" (MKP) und der * "Marksist Leninist Komünist Partisi" (MLKP) Trotz ihrer ideologischen Gemeinsamkeiten und punktuellen Bemühungen um eine stärkere Vernetzung ist die gesamte Szene stark zersplittert. Die Mitgliederzahlen der einzelnen Gruppierungen liegen seit Jahren im niedrigen zweistelligen Bereich. Sie organisieren Kundgebungen und Demonstrationen mit zumeist wenigen Teilnehmern. Ihre in der Türkei aktiven Guerillaorganisationen unterstützen sie durch Spendensammlungen. 93 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Linksextremismus IV. Linksextremismus 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick Die Entwicklung des linksextremistischen Spektrums in Hamburg verläuft seit mehreren Jahren zweigeteilt: Orthodoxe Kommunisten ( 7.) und revolutionäre Marxisten ( 6., 8. und 9.) verzeichnen, wenn überhaupt, nur geringen Zulauf und entfalten kaum wahrnehmbare Aktivitäten. Undogmatische Linksextremisten (Autonome, Antiimperialisten und Anarchisten 5.2) sind zu unterschiedlichen Anlässen auch über Hamburg hinaus sehr mobilisierungsfähig und verknüpfen politische Kampagnen mit gezielten Sachbeschädigungen bzw. Brandlegungen. Bei ihren Taten nehmen sie ein negatives Medienecho in Kauf. Das seit Jahren für die Diskussionen und Aktivitäten der undogmatischen - insbesondere der autonomen - Szene prägende Thema ist "Antirepression". Die entsprechende Kampagne wendet sich gegen Maßnahmen des Staates zur Strafverfolgung und Prävention. Die Frühjahrsund Herbsttagungen der Innenministerkonferenz (IMK) in Hamburg im Mai und im November 2010 waren Ziel vielfältiger, auch gewalttätiger Proteste. 96 Linksextremismus Militante Linksextremisten bekannten sich zu mehreren Sachbeschädigungen bzw. Brandanschlägen. Mit ihren Bekennungen wollen sie an aktuelle Diskussionen oder Aktivitäten der Szene anknüpfen, öffentliche Aufmerksamkeit erreichen. Gleichzeitig wollen sie sich von dem Anschlagsverhalten sogenannter Trittbrettfahrer absetzen. Schwerpunkte waren die Themen "Antirepression" und "Antimilitarismus" ( 4 und 5.3.1). Ein weiteres, den Autonomen wichtiges Thema ist der Widerstand gegen die Stadterneuerung, der von der autonomen Szene besonders unter dem Aspekt des "Erhalts erkämpfter Freiräume" vorangetrieben wird und sich vornehmlich auf das Schanzenund Karolinenviertel erstreckt. 2010 wurden in diesem Zusammenhang leer stehende Häuser vorübergehend "besetzt" ( 5.3.4). Linksextremistische "Antifaschisten" erreichten nicht das Aktionsniveau der Vorjahre. Maßgeblich hierfür waren vor allem nachlassende öffentliche Aktivitäten der Hamburger Rechtsextremisten ( 5.3.2 und V.). Antiimperialistische Gruppen ( 5.2.3) verzeichneten erstmals seit mehr als zehn Jahren wieder personelle Zuwächse und gestiegenes Interesse an den von ihnen aufgegriffenen Themenfeldern "Militarisierung der Gesellschaft" und Bildungspolitik. Sie versuchten, insbesondere junge Menschen an sich zu binden. Orthodoxe Kommunisten und revolutionäre Marxisten ( 6 bis 9) bemühten sich zumeist erfolglos, ihre linksextremistische Agitation insbesondere im Bereich der Sozialund Bildungspolitik vor Ort zu verankern. Begrenzten Zuspruch fanden lediglich die insbesondere von ['solid]" (parteinahe Jugendorganisation der Linken, 6.) veröffentlichte Kritik und Protestaktionen gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr. 97 Linksextremismus 2. Potenziale Bundesweit gehörten 2010 der linksextremistischen Szene 32.200 Personen an (2009: 31.600). Davon sind 6.800 Personen als "Gewaltorientierte Linksextremisten" einzustufen (Autonome, Anarchisten und "Antiimperialistischer Widerstand", 5.). Bund: Linksextremistische Personenpotenziale 35000 30000 25000 20000 15000 32.900 31.100 31.300 30.800 30.600 30.700 30.800 31.200 31.600 32.200 10000 5000 0 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 - Alle Zahlen sind gerundet - Die Zahlen für die Bundesebene enthalten auch die Mitglieder der offen extremistischen Zusammenschlüsse in der Partei DIE LINKE., aber nicht die Gesamtzahl ihrer Mitglieder. In Hamburg wurden im Jahr 2010 1.150 Personen linksextremistischen Bestrebungen zugerechnet. Die Differenz zur Vorjahreszahl (1.200) resultiert insbesondere aus Veränderungen bei den gewaltorientierten Linksextremisten und Rückgängen im Bereich der orthodoxen Kommunisten. Die Zahl der Angehörigen des autonomen Lagers ( 5.) ging auf 440 gegenüber 2009 (480) zurück, während die der anarchistischen Szene mit 40 annähernd konstant blieb. Das Potenzial des Antiimperialistischen Widerstandes (AIW) wuchs dagegen auf 90 Personen (2009: 60). 98 Linksextremismus Linksextremistisches Personenpotenzial 2009 2010 auf Bundesebene Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten (Angehörige von Kernund Nebenorganisationen)1 25.300 25.800 Gewaltorientierte Linksextremisten2 6.6003 6.8003 Gesamtpotenzial (abzüglich Mehrfachmitgliedschaften)4 31.600 32.200 - Alle Zahlen sind gerundet - 1 Einschließlich der offen extremistischen Zusammenschlüsse innerhalb der Partei "DIE LINKE." 2 Enthält nicht nur tatsächlich als Täter / Tatverdächtige festgestellte Personen, sondern auch solche Linksextremisten, bei denen lediglich Anhaltspunkte für Gewaltorientierung gegeben sind. Erfasst sind nur Personenzusammenschlüsse, die feste Strukturen aufweisen und über einen längeren Zeitraum aktiv waren. 3 Das Mobilisierungspotenzial der "Szene" umfasst zusätzlich mehrere Tausend Personen. 4 In den Zahlen nicht enthalten sind Mitglieder linksextremistisch beeinflusster Organisationen. Hamburg: Linksextremistische Personenpotenziale 1500 1200 1.340 1.130 1.500 1.500 1.480 1.500 1.500 1.120 1.200 1.150 900 600 300 520 500 480 480 470 500 500 520 580 570 0 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Gesamtzahl Gewaltorientierte - Alle Zahlen sind gerundet - Die Angaben für die Jahre 2003 bis 2007 enthalten die Gesamtzahl der Mitglieder der "Partei des demokratischen Sozialismus" (PDS) bzw. der "Linkspartei.PDS" bzw. die der Partei "DIE LINKE.", ab 2008 nur noch deren extremistische Teilstrukturen. 99 Linksextremismus Linksextremistisches Personenpotenzial 2009 2010 in Hamburg Angehörige marxistisch-leninistischer Kernu. Nebenorganisationen sowie andere revolutionäre Marxisten und Trotzkisten 6201 5801 Gewaltorientierte (Autonome, Anarchisten u. Antiimperialistischer Widerstand) 5802 5702 Gesamtpotenzial 1.200 1.150 -Alle Zahlen sind gerundet- 1 Die Zahl enthält die Mitglieder der revolutionär-marxistischen Organisationsteile der Partei "DIE LINKE." 2 Das Mobilisierungspotenzial der "Szene" umfasst zusätzlich mehrere Hundert Personen. Insgesamt werden 570 der beim LfV Hamburg erfassten Linksextremisten als gewaltorientiert eingestuft (2009: 580). Die Mitgliederzahl marxistisch-leninistischer Kernund Nebenorganisationen sowie revolutionär-marxistischer Gruppen reduzierte sich von 620 im Jahr 2009 auf 580. 3. Politisch motivierte Kriminalität (PMK) Die Zahl der im Rahmen der PMK Links insgesamt erfassten Straftaten in Hamburg sank im Jahr 2010 gegenüber 2009 von 757 auf 470. Die darin enthaltenen linksextremistischen Straftaten stiegen allerdings von 41 im Jahr 2009 auf 70. Dieser Anstieg beruht wesentlich auf den von Linksextremisten, insbesondere Autonomen im Zusammenhang mit der Herbsttagung der Innenministerkonferenz verübten Straftaten. Die Zahl der linksextremistischen Gewaltdelikte ging von 37 auf 27 zurück. Die Entwicklung der PMK Links hing auch im Jahr 2010 insbesondere von szenerelevanten Großereignissen ab. 100 Linksextremismus Schwerpunkte waren Brandanschläge und Sachbeschädigungen aus verschiedenen Anlässen, außerdem Auseinandersetzungen zwischen Linksund Rechtsextremisten und tätliche Angriffe auf Polizeibeamte sowie weitere Straftaten und Auflagenverstöße u.a. im Zusammenhang mit Demonstrationen. Insgesamt wurden im Jahr 2010 18 Sachbeschädigungen, darunter zwei Brandanschläge, verübt, zu denen sich Linksextremisten bekannten. PMK2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Links PMK-Links 221 308 254 289 255 453 535 757 470 insgesamt davon linksextrem. 16 16 23 32 18 98 92 41 70 Straftaten hiervon extrem. 4 11 16 19 9 49 51 37 27 Gewaltdelikte Quelle: Polizei Hamburg - Stand: Februar 2011 - Exemplarisch werden hier folgende Straftaten genannt: * Am 17.07.10 attackierten insgesamt ca. 50 Vermummte mehrere Rechtsextremisten, die in Hamburg-Farmsen und -Berne abgestellte Fahrzeuge von Teilnehmern eines Aufzuges der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD, 5.3.2 und 7.1) in Wandsbek bewachten, und verletzten einige von ihnen. * In der Nacht zum 06.09.10 setzten linksextremistische Gewalttäter vier Fahrzeuge, darunter eines der Bundeswehr, vor dem ehemaligen Hamburger Kreiswehrersatzamt in Hamburg-Rotherbaum in Brand. In der Tatbekennung einer Gruppe "Rebels of Engagement" wurde kritisiert, dass die als "Massaker in Kundus" bezeichnete Bombardierung eines Tanklastzuges im September 2009 auf Einsatzregeln der Bundeswehr zurückzuführen sei. Zudem trage die IMK in Hamburg ( 5.3.1, 5.3.3) maßgeblich zu einer Aufrüstung im Bereich der inneren Sicherheit bei. * Im Oktober 2010 wurden ein Farbanschlag auf das Wohnhaus des Hamburger Innensenators verübt, das Fahrzeug des Bundesvorsit101 Linksextremismus zenden der Gewerkschaft der Polizei zerstört und zwei Feuerwerkskörper auf das Grundstück der Generalbundesanwältin geworfen (Weitere militante Aktionen im Zusammenhang mit den Protesten gegen die IMK 5.3.1). 4. Linksextremistischer Terrorismus und autonome Gewalt Seit der Auflösung der "Roten Armee Fraktion" (RAF) im Jahre 1998 gibt es in Deutschland keine terroristischen Strukturen mehr, die zielgerichtete Anschläge auf Personen bis hin zum Mord begehen. 33 Jahre nach dem Mord an Generalbundesanwalt (GBA) Siegfried BUBACK begann vor dem OLG in Stuttgart-Stammheim die Hauptverhandlung gegen die am 30.11.89 begnadigte Ex-Terroristin Verena BECKER, um den Verdacht ihrer Tatbeteiligung zu prüfen. Autonome Gewalt richtet sich insbesondere gegen das staatliche Gewaltmonopol. Autonome lehnen Hierarchien und Regeln ab, selbstbestimmte Ordnung ohne Herrschaft ist das Ziel ihres Politikverständnisses. Es besteht eine grundsätzliche Gegnerschaft zum Staat. Seine Ermittlungsbehörden (Polizei, Justiz) und seine Nachrichtendienste werden als "Repressionsapparat" denunziert. Autonome halten die Anwendung von Gewalt zur Durchführung ihrer politischen Ziele für legitim und rechtfertigen sie als angeblich unverzichtbares Mittel gegen die "strukturelle Gewalt" eines Systems von "Zwang, Ausbeutung und Unterdrückung". Form und Ausmaß autonomer Gewalt werden in der linksextremistischen Szene unter vielen Aspekten diskutiert. Dabei geht es um Fragen zur Rechtfertigung und Ausübung von Gewalt bis zu Aufforderungen und Anleitungen, militante Aktionen zu begehen. Militanz um ihrer selbst willen und zielgerichtete Gewalt gegen Menschen werden überwiegend als nicht vermittelbar abgelehnt. Bei Konfrontationen mit Rechtsextremisten und auch mit Polizisten bei Demonstrationen werden allerdings auch Verletzte zumindest in Kauf genommen. Das Interesse an Publikationen zur "Militanzdebatte" - insbesondere an Bauanleitungen für 102 Linksextremismus Anschlagsmittel - ist gestiegen. So erschien im Frühjahr 2010 die Broschüre "prisma", in der einige ältere Beiträge aus Szene-Zeitschriften wie dem Berliner Untergrundheft "radikal" und der "INTERIM" abgedruckt waren. Sie beschrieben militante Aktionsformen, Sabotage an Bahnstrecken und die Herstellung von Brandsätzen. Sinn der Schrift ist die Befürwortung militanter Aktionen, die jedoch keine Menschenleben gefährden und das Eigentum Unbeteiligter schonen sollte. Die Broschüre wurde wegen des Aufrufs zur Begehung von Straftaten am 28.04.10 vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten verboten. Die in ihr beschriebenen Tatmittel waren allerdings nicht neu. Überwiegend plädieren Autonome für ein "verantwortungsvolles" Vorgehen bei gewalttätigen Aktionen und kritisieren die sogenannte "Hassbrennerei". Bei herausragenden Einzelfällen wie dem Überfall auf das Hamburger Polizeikommissariat 16 im Dezember 2009 ( VSB 2009) hatten autonome Gewalttäter die selbst gesetzte Schwelle jedoch deutlich überschritten, Passanten gefährdet und ungeschützte Polizisten angegriffen. Im Zusammenhang mit Großereignissen wurde neben militanten Aktionen von Linksextremisten eine zunehmende Beteiligung junger, nicht primär politisch motivierter Straftäter festgestellt. Für diese Randalierer, die von Linksextremisten organisierte Anlässe als Ausgangspunkt nutzen, ist Gewalt lediglich Selbstzweck - so z.B. nach Beendigung der "revolutionären 1.Mai-Demonstration" und nach dem Schanzenviertelfest am 04.09.10. Auch 2010 wurden zahlreiche Fahrzeuge ohne erkennbare politische Motivation in Brand gesetzt. Diese Entwicklung zu ungezieltem Vandalismus missfällt Teilen der autonomen Szene in Hamburg. Sie befürchten, dass sie für die "Hassbrennerei" verantwortPolizei Hamburg lich gemacht werden und sich die ablehnende Haltung der Bevölkerung gegen Aktionen der linksautonomen Szene verstärkt. Siehe "Schlagzeilen aus dem politischen Extremismus", "Autonome erteilen 'Hassbrennern' eine Absage", Beitrag v. 18.05.10. In Hamburg verübten autonome Gruppen eine Reihe von Anschlägen zu den Themen "Antirepression", "Antirassismus" und "Antimilitarismus". 103 Linksextremismus Bekennungen, die der Presse zugingen, sollten für öffentliche Aufmerksamkeit sorgen und die Aktionen in der "Szene" vermitteln. Am 24.05.10 wurde der Pavillon der Polizeiaußenstelle Hamburg-Rissen mit Steinwürfen beschädigt und das Fahrzeug einer Catering-Firma in Brand gesetzt. In einer Tatbekennung nannten die Täter, welche sich als "Autonome Gruppe zur Erinnerung an die Toten in Hamburger Abschiebehaft" bezeichneten, eine Vielzahl von Themen als Motiv ihrer Aktion: IMK-Tagung in Hamburg, Asylpolitik, Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan, zunehmende "Militarisierung der Gesellschaft". Am 05.08.10 warfen unbekannte Täter mit roter Farbe gefüllte Glasflaschen an das Wohnhaus des Eimsbütteler Bezirksamtsleiters. In einem Selbstbezichtigungsschreiben ohne Gruppenbezeichnung begründeten sie die Tat mit seiner Funktion als Reserveoffizier im Stab der 1. Panzerdivision in Hannover. 5. Undogmatische Linksextremisten Zu den 570 undogmatischen Linksextremisten in Hamburg zählen Autonome, Anarchisten und Antiimperialisten. Autonome sind gewaltorientiert und organisationskritisch; sie lehnen formelle Hierarchien und Organisationsstrukturen ab. 2010 wurde allerdings in mehreren Bundesländern, u.a. in Hamburg und Berlin, mit der Einführung regelmäßiger "Autonomer Vollversammlungen" (AVV) eine Tendenz zur überregionalen Vernetzung erkennbar. Während Autonome und Anarchisten einander ideologisch nahestehen und gemeinsame Aktivitäten durchführen, gibt es zu den Antiimperialisten deutliche politische Diskrepanzen. Der internationalistisch geprägte Marxismus-Leninismus und die Orientierung an "Befreiungsbewegungen" der Antiimperialisten stoßen bei Autonomen und Anarchisten auf Ablehnung, weil diese Bewegungen zumeist mit Personenkult einhergehen. 5.1 Trefforte und Kommunikationszentren in Hamburg Trefforte und Kommunikationszentren erfüllen eine wichtige Funktion für das innere soziale Gefüge und die Mobilisierungsfähigkeit der autonomen 104 Linksextremismus Szene. Sie bieten Raum für Treffen, gruppenübergreifende Diskussionen und weitere Veranstaltungen und wirken identitätsstiftend. Rote Flora Das alternative Stadtteilzentrum Rote Flora ist seit 1989 der bedeutendste politische Treffund Veranstaltungsort der autonomen Szene Hamburgs. Nach Darstellung des "Autonomenplenums" wird das Gebäude "selbstverwaltet"; tatsächlich jedoch werden die derzeitigen Nutzer aufgrund vertraglicher Regelungen des Privateigentümers mit dem Hamburger Senat lediglich geduldet. 2010 fanden in der Roten Flora zahlreiche Solidaritäts-, Informationsund Mobilisierungsveranstaltungen zu autonomen Themen wie "Antirepression" oder der "Erhalt erkämpfter Freiräume" statt. Darunter waren auch mehrere Veranstaltungen im Rahmen der Proteste gegen die IMK in Hamburg ( 5.3.1), z.B. zu "Polizeigewalt" oder "Widerstand". Szeneangehörige lehnen eine kommerzielle Nutzung der Roten Flora für subkulturelle Musikveranstaltungen ab, die vorwiegend von jungen, nichtextremistischen Partygängern besucht werden. Autonome aus dem Umfeld der Roten Flora geben nach wie vor die zweimonatlich erscheinende Publikation "Zeck" heraus. Hierin diskutiert die autonome Szene aktuelle Themen und veröffentlicht Termine, Demonstrationsaufrufe sowie Selbstbezichtigungsschreiben zu Brandanschlägen und sonstigen Sachbeschädigungen mit linksextremistischem Hintergrund. Mit Plakatwänden an der Außenfassade des autonomen Stadtteilzentrums machen Autonome anlassbezogen auf ihre aktuellen Themenschwerpunkte sowie auf Termine aufmerksam. Ein Resultat des "Autonom-Kongresses" vom Oktober 2009 ( VSB 2009) sind die seit Februar 2010 regelmäßig stattfindenden monatlichen "Autonomen Vollversammlungen" (AVV) in der Roten Flora. In diesem Rahmen befassen sich bis zu 100 Hamburger Autonome mit Themen und Aktivitäten, die für sie von grundsätzlicher Bedeutung sind. Die monatlichen Vollversammlungen sind der Versuch, "Gruppen und Einzelpersonen 105 Linksextremismus aus dem ganzen Spektrum der linksradikalen, undogmatischen Szene zusammenzubringen". Im Rahmen der AVV im August und September 2010 wurde die szeneintern so genannte "Militanzdebatte" - eine seit Jahren geführte Diskussion um Formen, Ziele und Grenzen politisch motivierter Gewaltanwendung - aufgegriffen. In dem Papier "Widerstand und Militanz", das zur Vorbereitung der AVV im Internet veröffentlicht wurde, hieß es: "Wir wollen mehr Steine und Farbeier. Wir wollen mehr kollektive und individuelle Aneignung. Wir wollen feurige Aktionen in den Straßen." Im Internet veröffentlichten AVV-Protokollen war zu entnehmen, dass weiterhin der Konsens vorherrscht, bei gewalttätigen Aktionen keine Menschenleben zu gefährden. Darüber hinaus wurde darauf hingewiesen, dass der "Krawalltourismus" - u.a. anlässlich des Schanzenfestes - kein Bestandteil "militanter Politik/Aktionen" sei. Dies ändere jedoch nichts daran, dass jeder "mit welchen Mitteln auch immer ihren/seinen Unmut äußern dürfen" müsse. Auch 2010 war das räumliche Umfeld der Roten Flora wieder Schauplatz DPA gewalttätiger Auseinandersetzungen: * Am 03.04.10 beteiligten sich bis zu 170 Personen an einem alternativen Osterfeuer im Florapark. Es wurden Flaschen auf Polizeibeamte geworfen und ein Müllcontainer in Brand gesetzt. Insgesamt gab es vier Festnahmen. * An Ausschreitungen im Schanzenviertel am 30.04. und 01.05.10 (Foto) beteiligten sich bis zu 200 Personen. Sie entzündeten Gegenstände auf der Fahrbahn und bewarfen Polizeibeamte mit Steinen und Flaschen. Neun Personen wurden festgenommen. Die Gruppe "Sozialistische Linke" (SoL, 5.2.3) gehörte zu den Mitorganisatoren der Demonstration am 01.05.10 unter dem Tenor: "Revolutionäre 1. Mai Demonstration: Kapitalismus zerschlagen!", in deren Anschluss es zu gewalttätigen Ausschreitungen im Schanzenviertel kam. Das "Plenum der Roten Flora" hatte im April 2010 zur "Nichtteilnahme an der Ham106 Linksextremismus burger revolutionären 1. Mai Demo 2010" aufgerufen, was die Autonomen weitgehend befolgten. Anlass hierfür war eine "antisemitische Aktion". Gemeint war die Verhinderung der Filmvorführung "Warum Israel" im Oktober 2009 ( VSB 2009), an der die Gruppe SoL beteiligt gewesen sei. Mit ihr gebe es keine Zusammenarbeit mehr - sie sei "weder bündnisfähig noch sonstwie politisch akzeptabel!". Auch nach dem "Schanzenviertelfest" am 04.09.10 beteiligten sich mehrere Hundert Störer an Ausschreitungen im Umfeld der Roten Flora ( 5.3.4). Wegen der fortlaufenden "Gentrifizierung" des Schanzenviertels diskutierte die autonome Szene die Konsequenzen einer möglichen Räumung der Roten Flora. Am 26.03.2011 endete die vertraglich festgeschriebene Verpflichtung des Eigentümers, das Objekt nicht zu veräußern. Bereits im Januar 2010 begannen Autonome aus der Roten Flora mit der Planung einer Kampagne "Unverträglich glücklich" gegen eine mögliche Räumung des Projekts. Sie äußerten, dass die "militante Verteidigung [...] ein wesentlicher Aspekt unmittelbar vor und nach einer Räumung" sein werde. Dennoch müsse klar sein, dass die Räumung letztlich nicht militant, sondern nur politisch zu verhindern sei. In einem weiteren Papier "Zur aktuellen Situation der Roten Flora", das u.a. im September 2010 auf der auch von Linksextremisten genutzten Internetplattform Indymedia veröffentlicht wurde, suchen die autonomen Verfasser den solidarischen Schulterschluss mit anderen Akteuren von "Kämpfen und Konflikten um städtischen Raum" in Hamburg, wie z.B. der "Recht auf Stadt"-Bewegung. Centro Sociale Seit 2008 befindet sich in der Sternstraße der "autonome Stadtteiltreff Centro Sociale". Linksextremistische Gruppen wie [a2] ( 5.3.2 ), AVANTI ( 5.2.1) und "Anarchist Black Cross" (ABC) nutzen ihn für eigene Informationsund Mobilisierungsveranstaltungen. Im Juli 2010 fand dort eine einwöchige Veranstaltungsreihe zum Thema "Repression und Polizeigewalt" ( 5.3.1) statt. 107 Linksextremismus 2010 traf sich dort außerdem ein autonomer Vorbereitungskreis für Proteste gegen die IMK ( 5.3.1). Darüber hinaus bietet die "Rote Hilfe e.V." ( 5.2.2) in den Räumen wöchentlich eine Beratung an. Libertäres Zentrum (LIZ) Insbesondere traditionelle Anarchisten, aber auch Angehörige der autonomen Szene Hamburgs nutzen das "Libertäre Zentrum" (LIZ) im Karolinenviertel als Veranstaltungsund Treffort. Während der Protestwoche gegen die Herbsttagung der IMK ( 5.3.1) diente das LIZ als Sammlungsund Informationsstelle. "Internationales Zentrum Brigittenstraße 5" (B 5) Das im Stadtteil St. Pauli gelegene "B5" ist der wichtigste Anlaufpunkt für die antiimperialistische Szene Hamburgs ("AIW"). Auch hier finden regelmäßige Gruppentreffen und Veranstaltungen statt. Innerhalb der linksextremistischen Szene sinkt die Akzeptanz gegenüber dem B 5 (5.2.3). 5.2 Gruppen und Strukturen 5.2.1 AVANTI - Projekt undogmatische Linke Die Gruppe "AVANTI - Projekt undogmatische Linke" wurde 1989 von Angehörigen autonomer Gruppierungen in Schleswig-Holstein gegründet. Sie unterhält Ortsgruppen in Berlin, Bremen, Hamburg, Hannover, Flensburg, Kiel, Lübeck und Norderstedt. Die ca. 40 Angehörigen der Hamburger Ortsgruppe brachten sich 2010 in nahezu alle linksextremistischen Aktionsfelder ein: Die Schwerpunkte in Hamburg waren Antifaschismus, Sozialpolitik, Antirassismus und Klima/Umwelt. Ihre extremistische Ausrichtung und ihre Ziele verdeutlicht AVANTI in einem Grundsatzpapier: "Unsere Überzeugung war und ist, dass die heutige Gesellschaft revolutionär verändert werden muss und dass die hierfür notwendige gesellschaftliche Gegenmacht nicht allein aus spontanen Bewegungen bestehen kann, sondern die Beteiligung revolutionärer Orga108 Linksextremismus nisationen braucht. [...] Deswegen sagen wir, dass der Kapitalismus revolutionär überwunden werden und an seine Stelle der Sozialismus treten muss, der auf der Vergesellschaftung der Produktionsmittel und der demokratischen Organisation der Produktion und Verteilung beruht. [...] Um eine solche tatsächliche, aktive und umfassende Demokratie durchzusetzen, muss die demokratisch nicht legitimierte Macht des Kapitals gebrochen werden. [...] Deswegen gehen wir von der Notwendigkeit einer Revolution aus, die neue demokratische Strukturen schaffen wird, wie dies in vorangegangenen Revolutionen in Form der Räte der Fall war." Zur Gewaltfrage nimmt AVANTI klar Stellung: "Unsere Utopie ist [...] die einer gewaltund herrschaftsfreien Gesellschaft. Dennoch haben RevolutionärInnen immer wieder zum Mittel der Gewalt gegriffen. [...] Wir sind daher der Überzeugung, dass die Entscheidung zum Einsatz revolutionärer Gewalt sehr genau abgewogen werden muss und nur als letztes Mittel gelten kann." AVANTI wird der autonomen Szene zugerechnet, obwohl sie sich von der typischen organisationskritischen Einstellung autonomer Gruppierungen abhebt. Zwar ähnelt die theoretische Basis AVANTIs der kommunistischen Weltanschauung; jedoch wird die zentralistisch-hierarchische Organisationsform vieler kommunistischer Gruppierungen nicht akzeptiert. Zudem entsprechen AVANTIs Aktionsformen eher denen der Autonomen. Eine Zusammenarbeit mit nicht-linksextremistischen Kräften wird ausdrücklich befürwortet. Überregional engagiert sich AVANTI in der "Interventionistischen Linken" (IL), bei der es sich um einen bundesweiten Zusammenschluss von Einzelpersonen und Gruppierungen aus der antiimperialistischen und autonomen Szene sowie einzelnen nichtextremistischen Organisationen und Personen handelt. Die IL betrachtet sich als maßgeblichen Teil einer organisierten, "undogmatischen linksradikalen" Strömung, die sich durch Intervention in praktische Kämpfe fortentwickeln will. AVANTI zählt zu den in Norddeutschland wichtigsten IL-Gruppen. Der überwiegende Teil der im Netzwerk IL zusammengeschlossenen Gruppen, auch AVANTI, unterstützte den im September 2010 erschienen Aufruf "Castor? Schottern!". Dieser richtete sich gegen den Transport von radioaktivem Material von Frankreich in das Zwischenlager Gorleben am 07.11.10. Den Schotter aus dem Gleisbett zu entfernen, um die Strecke 109 Linksextremismus für den Transportzug unbefahrbar zu machen, sei "notwendig und legitim". Die Staatsanwaltschaft Lüneburg leitete Ermittlungsverfahren gegen die Initiatoren der Kampagne und deren Unterstützer wegen öffentlichen Aufrufes zu Straftaten ein. Im Vorfeld zu den Aktionen gegen den CastorTransport organisierte AVANTI u.a. in Hamburg sogenannte SchotternAktionstrainings, um die Aktivisten auf "verschiedene Widerstandsaktionen von Schottern bis zu Sitzblockaden" vorzubereiten. AVANTI arbeitete auch im Jahr 2010 in Bündnissen mit anderen, auch nicht-extremistischen Gruppen mit, und strebt so eine breitere gesellschaftliche Verankerung an. Die Gruppierung veröffentlichte im Winter 2009/10 einen Aufruf zu einer bundesweiten Bündnisdemonstration gegen den Aufmarsch von Rechtsextremisten in Dresden am 13.02.10 ( V.4.3). Darin wurde betont, es sei 2009 gelungen, durch zivilen Ungehorsam den "Naziaufmarsch" in Dresden zu behindern. Anknüpfend an diese Erfahrung, sollten die "Nazis" mit "der Stärke einer bundesweiten Mobilisierung" durch Massenblockaden vertrieben werden. Die Verhinderung des rechtsextremistischen Aufmarsches wertete AVANTI als Erfolg: "Teile des zivilgesellschaftlich-bürgerlichen Spektrums brachten den Mut auf, aus dem Raum des Symbolischen herauszutreten und die Bereitschaft, einen kollektiven Regelübertritt zu begehen. [...]. Wir werden an ... dem erfolgreichen Konzept der Massenblockaden festhalten [...]." Seit 2009 arbeitet AVANTI in Hamburg im Netzwerk "Recht auf Stadt" mit, in dem sich neben zahlreichen nichtextremistischen Gruppierungen und Personen auch Linksextremisten engagieren. Laut Internet gab AVANTI 110 Linksextremismus die Initiative zur ersten "Fette-Mieten-Party" im April 2010, bei der Aktivisten aus dem Umfeld dieses Netzwerkes eine Wohnungsbesichtigung mit sarkastischer Kritik gegen Wohnungsnot verbanden. Den eigenen Standpunkt in der "Recht auf Stadt"-Bewegung erläuterte AVANTI in dem Flyer "Nehmen wir uns die Stadt!": "[...] die Idee und die Forderung [...], sich gegen eine neoliberale Stadtentwicklungspolitik zu wehren, die nur den Interessen des Kapitals dient. [...]. Für ein "Recht auf Stadt" einzutreten, bedeutet, Prozesse der Selbstermächtigung [...] zu stärken." AVANTI forderte hier eine Legalisierung von Besetzungen. Seit 2005 beeinflusst AVANTI die Aktivitäten des "Hamburger Bündnis gegen Rechts" (HBgR; 5.3.2) mit und unterstützte dessen Kampagne gegen das "extrem rechte" Zeitungsprojekt "Zuerst!", auf ihrer Homepage. Gemeinsam mit der "Autonomen Jugendantifa Hamburg" [aujah] veranstaltete AVANTI im Mai 2010 zum vierten Mal seit 2006 den Jugendkongress "Her mit dem schönen Leben". Es wurden verschiedene Workshops zu den Themen Schule, Kapitalismus und Rassismus, ebenso Blockadetrainings und Street-Art, angeboten. 5.2.2 Rote Hilfe e.V. (RH) Die RH geht auf eine gleichnamige Organisation der "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) in der Weimarer Republik zurück. Um Gesinnungsgenossen in "politischen" Prozessen finanzielle Hilfe, insbesondere für Anwaltsund Gerichtskosten, leisten zu können, erhebt die RH Mitgliedsbeiträge und sammelt Spenden. Sie definiert sich als "parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutzund Solidaritätsorganisation" und möchte als Selbsthilfeeinrichtung "verbindendes Element innerhalb der Linken gegen staatliche Repression" sein. Auch 2010 verzeichnete die RH in Hamburg sowie bundesweit Mitgliederzuwächse. Von den bundesweit 5.500 RH-Mitgliedern und den 480 in Hamburg sind nur die wenigsten in der Organisation aktiv. Die RH veröffentlichte zum "Tag des politischen Gefangen" im März 2010 ein Sonderheft zum SS 129a StGB (Bildung und Unterstützung einer ter111 Linksextremismus roristischen Vereinigung) unter dem Titel "Wir sind alle 129a - der Hunger des Staates nach Feinden". Das Heft endet mit einem Ausblick: "[...] um dem Staatsterror [...] entgegenzuwirken, bedarf es in erster Linie ernsthafter und starker politischer Kämpfe, aber eben auch einer aktiven Antirepressionsarbeit". Die Ortsgruppe Hamburg bietet im Centro Sociale ( 5.1) wöchentliche Beratungstermine und bei Bedarf Veranstaltungen zu aktuellen Themen an. Im Vergleich zu den Vorjahren gingen ihre Aktivitäten stark zurück, dies betraf insbesondere Informationsveranstaltungen. Der von der Bundesorganisation seit 2008 herausgegebene und von der Hamburger OG unterstützte Newsletter "pressback" beschäftigte sich 2010 u.a. mit den Themen Videoüberwachung, dem Anstieg der "linksmotivierten Gewalt" und mit den Protesten gegen die IMK-Tagungen in Hamburg ( 5.3.1). 5.2.3 Antiimperialistischer Widerstand (AIW) Antiimperialisten verknüpfen Kernelemente des Marxismus-Leninismus mit dem Vorwurf, der Reichtum der Industrienationen beruhe auf der ökonomischen Ausbeutung von Ressourcen in den Entwicklungsländern und werde militärisch gesichert. Ihre politische Agitation richtet sich gegen nationale und supranationale Institutionen sowie international tätige Konzerne. In der Vergangenheit bildeten die Antiimperialisten das Unterstützerfeld der 1998 aufgelösten Rote Armee Fraktion (RAF). Das Antiimperialistische Lager hat sich 2010 personell verstärkt, neu strukturiert und verjüngt. Es umfasst aktuell ca. 90 Angehörige. Ihr Treffort ist das "Internationale Zentrum" an der Brigittenstraße 5 ("B5"). Zu den Kleingruppen des AIW gehören derzeit * Bündnis gegen imperialistische Aggression, * Karawane Hamburg, * Palästina Arbeitskreis Hamburg, * Rote Szene Hamburg (RSH) und * Sozialistische Linke (SoL). 112 Linksextremismus Die Personen, die dieser Szene schon seit etlichen Jahren angehören, befassen sich traditionell mit Unterstützungsarbeit für Befreiungsbewegungen, u.a. in der Türkei, Palästina und Südostasien. Das Engagement der jüngeren Gruppen wendet sich mit marxistisch-leninistischer Ideologie an Jugendliche und junge Erwachsene. Wie Autonome lehnen die Antiimperialisten das Gewaltmonopol des Staates ab und reklamieren für sich zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele ein Recht auf Widerstand gegen das "System". Dies schließt auch gewalttätige Aktionen ein. Gruppierungen des autonomen Spektrums lehnen eine Zusammenarbeit mit den Antiimperialisten ab. Antideutsche ( 5.2.5) unterstellen diesen antisemitische Tendenzen, da sie für einen palästinensischen Staat eintreten und Israel als Aggressor einstufen. Die "Sozialistische Linke" (SoL), die aus jüngeren Angehörigen besteht, einige mit türkischem Migrationshintergrund, orientiert sich ideologisch am "wissenschaftlichen Sozialismus" der KPD und an der Sozialistischen Oktoberrevolution von 1917 in Russland. Deshalb gehören Lehrstunden über "politische Aktionen, Kultur und Freizeitaktivitäten" ebenso zu ihrer Arbeit wie die "theoretische Entwicklung unserer MitstreiterInnen". Für den 01.05.10 hatte ein SoL-Angehöriger eine Demonstration unter dem Tenor "Revolutionäre 1. Mai Demonstration: Kapitalismus zerschlagen" angemeldet, in deren Anschluss es zu heftigen Ausschreitungen gegen Polizeibeamte, Plünderungen von Banken und Geschäften sowie weiteren schweren Sachbeschädigungen im Schanzenviertel kam. Die Gewalttäter waren überwiegend stark alkoholisierte Jugendliche und junge Erwachsene, vielfach mit Migrationshintergrund, ohne erkennbare politische Zielrichtung, für die offenbar der "Erlebnisfaktor" und nicht die Politik im Vordergrund stand. Die "Rote Szene Hamburg" (RSH) will eine "starke antikapitalistische Jugendbewegung" aufbauen und mit "linker revolutionärer Politik" insbesondere Jugendliche im Westen Hamburgs ansprechen. Sie will Jugendliche in ihrer täglichen Konfrontation mit "Staat und Kapital" unterstützen 113 Linksextremismus und Widerstand organisieren "gegen das, was Marx vor über 150 Jahren als 'Kapitalismus' bezeichnete". Sowohl SoL als auch RSH verzeichneten 2010 personellen Zuwachs und Interesse an ihrer Arbeit. Zusammen gehören ihnen etwa 40 Personen an. Ein Bündnis linksextremistischer Gruppen, unter ihnen auch SoL und RSH, rief für den 16.10.10 zu einer Kundgebung gegen eine von der Hamburger Wochenzeitung DIE ZEIT organisierte Konferenz "Internationale Sicherheitspolitik" auf, zu der auch Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu GUTTENBERG anreiste. Die Demonstranten kritisierten die Konferenz, weil sie die Vernetzung ziviler und militärischer Akteure deutscher Sicherheitspolitik und die Diskussion über "neue imperialistische Strategien der BRD" vorantreibe. SoL und RSH arbeiten sporadisch mit orthodoxen Kommunisten (SDAJ 7) und der der LINKEN nahestehenden Jugendorganisation "Linksjugend ['solid]" zusammen. 5.2.4 Freie Arbeiterinnenund Arbeiter Union (FAU) Die FAU-Ortsgruppe war die einzige Gruppierung im anarchistischen Lager Hamburgs, von der 2010 wahrnehmbare Aktivitäten ausgingen. Die 1977 gegründete FAU mit Anbindung an die bundesweite "Internationale Arbeiter Assoziation" (IAA) versteht sich als eine anarcho-syndikalistische Gewerkschaft. Sie "strebt eine libertäre, klassenlose Gesellschaft an, in der sich alle Menschen gemäß ihren Bedürfnissen und ihren Fähigkeiten frei entfalten können". Die "Selbstbestimmung in allen Lebensbereichen" ist die grundlegende Idee des von ihnen propagierten AnarchoSyndikalismus. Um dieses Ziel zu erreichen, gehören sogenannte direkte Aktionen - wie z. B. Streiks, Besetzungen und Boykotte - zu ihrer Aktionspalette. Internetseiten des LfV Hamburg, Arbeitsfeld Linksextremismus, Organisationen und Gruppierungen, Anarchisten. 114 Linksextremismus Gegenwärtig ist die FAU in Deutschland mit über 30 Ortsgruppen, Syndikaten und Ansprechpartnern präsent, die sich einmal jährlich zu einem Kongress treffen, um Fragen der Gesamtorganisation zu diskutieren. Sie hat bundesweit rund 300 Mitglieder, davon etwa 30 in Hamburg. Die von der FAU-IAA bundesweit herausgegebene Zeitung "Direkte Aktion" (DA) erscheint zweimonatlich mit einer Auflage von ca. 3.000 Exemplaren. Sie soll als "revolutionäre Gewerkschaftszeitung" und auf der "Grundlage des Klassenkampfes [...] den Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit deutlich machen". Als Treffund Veranstaltungsort benutzt und betreibt die Hamburger Ortsgruppe der FAU das "Libertäre Kulturund Kommunikationszentrum" (LKA) in Altona. Zu ihren Aktivitäten gehörte die Unterstützung und Beteiligung an einer Demonstration "Gegen Wohnungsnot" im Oktober 2010 (Foto), zu dem auch ein von Nichtextremisten gebildetes Bündnis "Leerstand zu Wohnraum" aufgerufen hatte. 5.2.5 Antideutsche / Antinationale Strukturen in Hamburg Nach der Wiedervereinigung formierten sich Anfang der 90er-Jahre Linksextremisten verschiedener Strömungen, vor allem aus der sogenannten "Radikalen Linken", zu einem "antideutschen" bzw. "antinationalen" Lager. "Antideutsche Strukturen" verneinen jedwede Existenzberechtigung von Nationalstaaten, insbesondere die des deutschen Staates, da sie ein erneutes Erstarken des Nationalsozialismus befürchten. Für die jüdische Gemeinschaft sei jedoch aufgrund des Holocaust und des weltweit verbreiteten Antisemitismus die Existenz des Staates Israel auf unabsehbare Zeit überlebenswichtig. Im Zusammenhang mit dem Israel-Palästina-Konflikt unterstellen Antideutsche Teilen der linksextremistischen Szene antisemitische Tendenzen. Diese Kritik gilt insbesondere dem antiimperialistischen Lager, das den Staat Israel als "Aggressor" einstuft. ( 5.2.3) 115 Linksextremismus Der Konflikt entzündete sich im Oktober 2009 erneut an der Verhinderung der Vorführung des proisraelischen Films "Warum Israel" im Programmkino "B-Movie" durch antiimperialistische Personen aus dem internationalen Zentrum "B5" ( VSB 2009). Als Folge dieses Vorfalls formierte sich das antideutsche "Bündnis gegen Hamburger Unzumutbarkeiten", das seitdem versucht, die Diskussion über "Antisemitismus in der Linken" am Leben zu erhalten und sich so innerhalb der linksextremistischen Szene in den Fokus zu rücken. In zahlreichen Veröffentlichungen im Internet und in der Autonomenschrift "Zeck" im Jahr 2010 setzte sich die autonome Szene Hamburgs mit diesem anhaltenden Konflikt auseinander. Hierbei wurde deutlich, dass für sie aus ideologischen Gründen häufig weder eine Zusammenarbeit noch eine Solidarisierung mit den beiden Extremen "Antideutsche" und "Antiimperialisten" möglich ist. Als Replik auf das Ausblenden dieses Themas durch Hamburger autonome Gruppen hat das "Bündnis gegen Hamburger Unzumutbarkeiten" im Oktober 2010 eine Broschüre mit dem Titel "Willkommen in der Provinz" verfasst. Darin setzen sich die Autoren ausführlich mit den Ereignissen Ende 2009 und der anschließenden Diskussion auseinander. Hier wird nicht nur mit den Antiimperialisten aus der "B5" abgerechnet, sondern auch mit der gesamten autonomen Szene Hamburgs: "Antiimperialistischer Wahn" sei "vollendete Realitätsverweigerung", und in diesem Sinne sei auch die fehlende Solidarisierung der autonomen Szene mit Israel ein Zeichen für den weiterhin vorhandenen "Antisemitismus in der Linken". 2010 gab es von "Antideutschen Strukturen" nur wenige wahrnehmbare Aktivitäten, wie z.B. die Beteiligung an Informationsund Diskussionsveranstaltungen zu antideutschen Themen. 116 Linksextremismus 5.3 Aktionsfelder 5.3.1 "Antirepression" "Antirepression" ist ein klassisches Themenfeld von Autonomen, weil sie die durch ihre Straftaten hervorgerufenen Reaktionen staatlicher Organe als "Repression" ansehen. Vor diesem Hintergrund rechtfertigen die Autonomen gewalttätige Aktionen und Anschläge. Aktivitäten zum Thema Antirepression entwickelten Hamburger Autonome im Jahr 2010 insbesondere gegen die Innenministerkonferenz (IMK) in Hamburg und mit einer einwöchigen Veranstaltungsreihe anlässlich des Todestages eines italienischen Globalisierungsgegners, der am 20.07.01 bei Protesten gegen den G8-Gipfel in Genua ums Leben gekommen war. Zu den Hamburger autonomen Gruppen, die sich überwiegend mit dem Thema "Antirepression" befassen, gehören die "Antirepressionsgruppe Hamburg" sowie die Gruppen "Nella Faccia" und "Anarchist Black Cross" (ABC). Die "Antirepressionsgruppe Hamburg" gehörte Anfang 2010 zu den Organisatoren von Solidaritätsund Informationsveranstaltungen zum Thema "Repression gegen migrantische und deutsche Linke". Hierbei wurde über laufende Verfahren gegen Personen, denen die Mitgliedschaft in der DHKP- C nach SS129b StGB [Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland] vorgeworfen wird, informiert und Parallelen zur "verschärften Repression" gegen deutsche Linksextremisten aufgezeigt. Schon RAF-Mitglieder seien mit ähnlichen Methoden wie die derzeitigen "SS129b-Gefangenen" gefoltert worden. In einer taz-Beilage vom 11.03.10 zum "Tag der politischen Gefangenen" wurde ein entsprechender Text der "Antirepressionsgruppe Hamburg" unter dem Tenor "Die BRD als Akteur globaler Repression - Zur Entwicklung und strategischen Bestimmung des SS129b" veröffentlicht. Darin macht die Gruppe deutlich, dass Repression politisch nur bekämpft werden könne, "wenn wir die kapitalistischen Verhältnisse bekämpfen". Vom 19. bis 24.07.10 organisierte die Gruppe "Nella Faccia" mit Unterstützung der "Antirepressionsgruppe Hamburg" eine Veranstaltungsreihe zum 117 Linksextremismus Thema "Repression und Polizeigewalt". Der Einladung war zu entnehmen, dass diskutiert werden sollte, inwiefern "Übergriffe des Staates" die alltägliche Praxis beeinflussten und wo es Möglichkeiten gebe, diese ins Leere laufen zu lassen. Hilfreich hierzu seien "solidarische und inhaltliche Zusammenarbeit, Vernetzung und die Entwicklung neuer Ideen". Am 23.07.10 fand im Centro Sociale ( 5.1) eine entsprechende Veranstaltung unter dem Motto "Repression bei Massenveranstaltungen" statt. Die Veranstaltungsreihe endete mit einer Antirepressionsdemonstration am 24.07.10 unter dem Tenor "Lost in Repression? Gegen jede Repression und Polizeigewalt!" an der sich rund 800 Personen, darunter ca. 400 Autonome, beteiligten. Während der Demonstration wurden mehrere Transparente zum Tenor gezeigt, u.a. mit dem Text "In offener Feindschaft mit Knästen, Repression, Unterdrückung, Ausbeutung, den Schergen der IMK und dem ganzen Scheißsystem!". Bereits aus dem Auszug heraus wurden Flaschen und Böller auf Einsatzkräfte geworfen. Nach der Demonstration hielten sich im Schanzenviertel bis in die späten Nachtstunden noch mehrere Hundert Personen auf, die Polizeibeamte mit Steinen und Flaschen bewarfen und die Scheiben der HASPA-Filiale im Schulterblatt mit einem Einkaufswagen beschädigten. Kommentaren auf der auch von Linksextremisten genutzten Internetplattform Indymedia war zu entnehmen, dass die Ausschreitungen nach der Demonstration auch kritisch gesehen wurden, da zeitgleich in der Roten Flora eine Solidaritätsparty stattfand. Die Gruppe ABC wurde insbesondere im Zusammenhang mit den Protesten gegen die IMK aktiv (s.u.). Sie organisierte am 11.06.10 eine Veranstaltung im Centro Sociale unter dem Tenor "Europäische "Homeland Defence" / Zur Entwicklung innerer Sicherheit in der Europäischen Union" und eine weitere am 22.10.10 in der St. Pauli-Hafenstrasse unter dem Motto "Bis die Welt der Gitter und Papiere in Flammen aufgeht!". Unter der Überschrift "Für die Aneignung des öffentlichen Raumes! Gegen Repression und Vertreibungspo118 Linksextremismus litik!" wurde in der Juli/August-Ausgabe der Autonomenschrift "Zeck" Nr.157 für das Schanzenviertelfest am 04.09.10 geworben. Das Fest wurde auch in den Kontext der bundesweiten Mobilisierung gegen die IMK gestellt. Ankündigungen behördlicher Maßnahmen wurden bereits im Vorfeld des Festes als Repression gewertet. ( 5.3.4) Am 12.05.10 veröffentlichte ein "Solizusammenhang Hamburg" ein Papier unter dem Tenor "Gedanken zu Repression, Ohnmacht und der Suche nach Perspektiven". Hiermit erklärten sie sich solidarisch mit einer im August 2009 festgenommenen Aktivistin, die in einem Internetcafe beim Verfassen eines Bekennungsschreibens festgenommen wurde ( VSB 2009). In diesem Papier werden die polizeilichen Ermittlungen gegen die Tatverdächtige "als Angriff auf alle linken Strukturen" gewertet. Am selben Tag nahmen ca. 200 Personen an einer Kundgebung unter dem Motto "Solidarität mit der protestierenden Bevölkerung in Griechenland!" teil. Hintergrund waren "repressive" Maßnahmen der griechischen Polizei, nachdem bei Ausschreitungen in Athen drei Angestellte in einer in Brand gesetzten Bankfiliale ums Leben gekommen waren. In einem Aufrufpapier zu der Hamburger Solidaritätskundgebung hieß es: "Ungeachtet dessen bleibt der Kampf breiter Teile der griechischen Bevölkerung richtig. [...] Kapitalismus ist Krieg und Krise! Für den sozialen Aufstand!!!" Proteste gegen die ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) Hamburg hatte im Jahr 2010 den Vorsitz der IMK und war Gastgeber beider Konferenzen, die vom 27. bis 30.05.10 und vom 17. bis 19.11.10 stattfanden. Regelmäßige Themen der IMK sind u.a. die Innere Sicherheit, das Ausländerund Asylrecht, Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und kommunale Fragen. Zu Protesten gegen die Konferenz wurde in den Vorjahren vor allem von antirassistischen Gruppen mobilisiert. Zwei der Kernthemen der IMK im Jahre 2010, "Gewalt gegen die Polizei" und "politisch motivierte Gewalt" veranlassten auch linksextremistische Gruppen, sich insbesondere mit dem Schwerpunkt "Antirepression" in die Protestvorbereitungen einzubringen. Im Zusammenhang mit den Protestplanungen waren "Antimilita119 Linksextremismus rismus" und Gentrifizierung ( 5.3.4) weitere, für Linksextremisten bedeutsame Themen. In dem "No-IMK-Bündnis" waren insbesondere autonome Gruppen, wie die "Antirepressionsgruppe Hamburg" und "ABC", aber auch nichtextremistische Gruppen und Einzelpersonen aktiv. Vor der Frühjahrskonferenz 2010 forderte das Bündnis "ein Leben frei von Kontrollen und Überwachung, keinen Krieg und kein Militär, keine Repression, keinen Rassismus, keine Festung Europa und keinen Kapitalismus! ... Sie bereiten am 27. & 28. Mai die IMK für November vor - wir unseren Widerstand!" [...] und endete mit dem Tenor "Hamburg unsicher machen! - Innenministerkonferenz ins Wasser fallen lassen!" Im Vorfeld der Konferenz wurden mehrere Sachbeschädigungen, darunter ein Brandanschlag, verübt. So bewarfen unbekannte Täter am 16.04.10 die Geschäftsstelle der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in St. Georg mit Farbflaschen und hinterließen Flugblätter mit Parolen wie "Fight Cops", "Fight IMK" oder "IMK angreifen!". Am 24.05.10 wurde ein Fahrzeug einer Cateringfirma im Stadtteil St. Pauli in Brand gesetzt, zu deren Geschäftsbereich die Versorgung von Flüchtlingsunterkünften gehört. Außerdem wurde ein Anschlag auf die PolizeiAußenstelle in Rissen verübt. Zu beiden Taten bekannte sich eine "Autonomen Gruppe zur Erinnerung an die Toten in Hamburger Abschiebehaft". Die Verfasser erklärten u.a., dass sie sich "als Teil einer auch militanten Bewegung" sähen, die sich gegen "die zunehmende Aufrüstung nach innen und außen, gegen den Polizeikongress in Berlin, gegen die Sicherheitskonferenz in München, gegen die Innenministerkonferenz in Hamburg, [...] gegen DHL und Bundeswehr" wende. Es gebe "legitime Gründe für Gewalt gegen Behörden, Reviere, Bullen und Einsatzkräfte". An Protestaktionen gegen die Frühjahrskonferenz beteiligten sich nur wenige Linksextremisten, da die Herbstkonferenz als Schwerpunkt der Protestaktivitäten galt und die Frühjahrsproteste vornehmlich zur Information und Mobilisierung dienten. 120 Linksextremismus Die Herbstkonferenz wurde innerhalb des linksextremistischen Spektrums als herausragendes Ereignis des Jahres 2010 mit bundesweiter Bedeutung thematisiert, u.a. in dem bundesweit vertriebenen Faltblatt "Sicher? Unsicher? Entsichert!". Darin hieß es "Unsere Kritik an der IMK ist synonym mit einer Kritik an Herrschaft, an Machtund Gewaltstrukturen. Unser Protest gegen staatliche Repression und autoritäre Ideologien im Inneren ist auch Protest gegen ein weltweites kapitalistisches Ausbeutungsund Unterdrückungssystem. Nur eine herrschaftsfreie Gesellschaft kann ein gerechtes Zusammenleben möglich machen." Auch weitere Formulierungen wie "Hamburg soll im November zur No-Go-Area für die IMKSchergen werden. Zeigen wir, dass wir ihre Politik zum Kotzen finden!" verdeutlichen den Charakter der Aufrufe sowie die vornehmlich an Szeneangehörige zur Mobilisierung gerichtete Diktion. Gegen das Herbsttreffen wurde über das Internet und mit Informationsveranstaltungen des "No-IMK-Bündnisses" in verschiedenen deutschen Städten mobilisiert. Außerdem wurden u.a. in Hamburg Anschläge mit direktem Bezug zur IMK verübt: Am 21.10.10 warfen Unbekannte zwei Feuerwerkskörper auf das Wohngelände der Generalbundesanwältin. Am 23.10.10 wurde das Wohnhaus des Innensenators mit Farbe beschädigt und der Pkw des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP) zerstört. In einem u.a. in der November/Dezember-Ausgabe der "Zeck", Nr.159 veröffentlichten Selbstbezichtigungsschreiben bekannten sich "autonome(n) gruppen" zu den Taten. Sie wollten nicht "zusehen, wenn sich die Akteure der sogenannten "inneren sicherheit treffen, [...] sondern schon jetzt unseren teil für eine gelungene veranstaltung beitragen". Das Schreiben endet: "wir wollen ein selbstbestimmtes leben, frei von kontrolle und überwachung! wir alle sind die unruhe - wir alle sind die revolte - wir alle sind das leben!" Neben den Sachbeschädigungen in Hamburg wurden in Berlin drei Gewalttaten mit IMK-Bezug begangen, darunter ein Brandanschlag auf die Bundesakademie für öffentliche Verwaltung in Charlottenburg-Wilmersdorf. Zudem wurde in der Nacht zum 18.11.10 eine Mauer vor dem Eingang der Ausländerbehörde in Freiburg errichtet und mit der Aufschrift "Hamburg beschließt - Freiburg schiebt ab - IMK blockieren!" auf die Herbstkonferenz in Hamburg Bezug genommen. Den Auftakt der Aktionswoche des "No-IMK-Bündnisses" bildeten am 13.11.10 zwei Demonstrationen und das dazwischen platzierte "jump & 121 Linksextremismus run-"Konzept, welches als Bindeglied für beide Aufzüge fungieren sollte. Mehrere kleine Gruppen sollten unangemeldete Aktionen im Innenstadtbereich durchführen, Öffentlichkeitswirkung herstellen und ein "unkontrollierbares Element" darstellen. An der Auftaktdemonstration mit dem Tenor "Freedom of movement is everybodys right" nahmen rund 1.000 Teilnehmer, darunter ca. 300 Autonome, teil. Die Antirepressionsdemonstration unter dem Motto "Gegen rassistische Flüchtlingspolitik, staatliche Repression und innere Sicherheitsdiskurse - IMK versenken" zählte ca. 2.000 Teilnehmer, weit überwiegend Linksextremisten, insbesondere Autonome. Der erste Aufzug und das "jump & run-" Konzept verliefen weitgehend friedlich; während und nach der zweiten Demonstration kam es zu Straftaten. Teilnehmer warfen mehrere Scheiben der Staatsanwaltschaft Hamburg und eines Kreditinstitutes ein. Bei zahlreichen weiteren Straftaten handelte es sich vornehmlich um Verstöße gegen polizeiliche Auflagen, das Vermummungsverbot sowie um das Hantieren mit pyrotechnischen Gegenständen. Nach Beendigung des Aufzuges wurden im Stadtteil Ottensen drei Autos in Brand gesetzt und die Scheiben eines Geldinstitutes eingeworfen. Insgesamt wurden vier Personen festund 19 in Gewahrsam genommen. In einem Aufruf hatten die Verfasser deutlich gemacht, dass sie die Demonstration als Ausdruck ihrer "grundsätzlichen Infragestellung des herrschenden gesellschaftlichen und ökonomischen Systems" verstehen. In einer schriftlichen Stellungnahme nach der Antirepressionsdemonstration machten "Autonome aus Hamburg" deutlich, dass sie in den vergangenen Tagen "in Hamburg ein gewaltsames Bild polizeilicher Repression" wahrgenommen hätten. Bereits die Präsenz der Einsatzkräfte sei "als latente Gewaltandrohung" zu verstehen. Letztlich sei die Antirepressionsdemonstration Opfer von "Repression" geworden. 122 Linksextremismus Bei den weiteren Aktivitäten der Protestwoche kam es nur vereinzelt zu Straftaten. Am 15.11.10 fand ein Stadtteilrundgang mit dem Tenor "Gegen Gentrifizierung und Repression" im Bereich Schanzenviertel statt, an dem sich 300 Personen beteiligten. In einem Flugblatt mit der Überschrift "Unangemeldeter Anti-Knastspaziergang - Feuer den Knästen und jedem Staat! IMK versenken!" wurde für den 16.11.10 zu einer Protestkundgebung mobilisiert: "Wir wollen die konstante Konfrontation mit diesem Staat, den Bullen, Gerichten und all denen, die uns unsere Freiheit nehmen wollen. Die Aufrufer betonten, sie seien "gegen den Knast, weil wir diese Gesellschaft zerstören wollen, weil wir uns nicht friedlich in ihre Städte, ihre Schulen, ihre Kasernen, ihre Einkaufszentren integrieren wollen [...]". 100 Linksextremisten folgten diesem Aufruf und fanden sich zu einer unangemeldeten Kundgebung vor der Untersuchungshaftanstalt am Holstenglacis ein. Im Verlauf der Veranstaltung wurden pyrotechnische Gegenstände gezündet. Dabei kam es zu vier vorläufigen Festund einer Ingewahrsamnahme. Weitere Aktivitäten wie z.B. der sogenannte "MobMove" am 18.11.10 verliefen unspektakulär und mit geringer Beteiligung. 5.3.2 "Antifaschismus" Ein zentrales Aktionsfeld von Linksextremisten ist der "antifaschistische Kampf" gegen Rechtsextremisten, deren Strukturen und Aktivitäten. Da Rechtsextremismus und Faschismus nach ihrer Auffassung zwangsläufige Folgen kapitalistischer Staaten seien, verbinden sie ihre Agitation mit der Beseitigung des "herrschenden Systems". Im Mittelpunkt der Aktivitäten stehen demonstrative Protestaktionen gegen Aufmärsche, Infostände und Veranstaltungen von Rechtsextremisten sowie das direkte Vorgehen gegen Einzelpersonen. Die Bereitschaft zur Gewaltanwendung wird im Rahmen des "Kampfes gegen Rechts" als legitimes und geeignetes Mittel angesehen. Eine gewalttätige Eskalation von Konflikten wird dabei bewusst in Kauf genommen und als Ausdruck besonders konsequenten Handelns angesehen. 123 Linksextremismus Am 17.07.10 kam es im Zusammenhang mit einer Kundgebung der NPD gegen die geplante Schulreform und Gegenprotesten in Wandsbek im Bereich der Bahnhöfe Farmsen und Berne zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Linksund Rechtsextremisten. Zehn schwarz gekleidete Vermummte attackierten auf einem U-Bahnhof Angehörige des rechten Spektrums und verletzen sie teilweise. An anderer Stelle bewachten drei Männer Fahrzeuge der NPD-Versammlungsteilnehmer, als sie von 40 Personen aus der autonomen Antifa angegriffen wurden. Eine Person wurde schwer verletzt, zwei Fahrzeuge und die Scheiben einer Tankstelle beschädigt. Am 21.09.10 überfielen mehrere Linksextremisten einen NPD-Funktionär und dessen Begleiter beim Verlassen eines Lokals im Hamburger Stadtteil St. Pauli. Er wurde durch Schläge ins Gesicht verletzt. Neben diesem offen gewalttätigen Auftreten ist die "Recherchearbeit" für die autonome Antifa von besonderer Bedeutung. Angehörige von Antifa-Gruppen spähen einzelne Rechtsextremisten gezielt aus, sammeln Informationen über sie und nutzen diese Informationen u.a. für "OutingAktionen" in der Nachbarschaft des Betroffenen bzw. für Veröffentlichungen in Szene-Publikationen und im Internet. Die Aktionen sollen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten aus der Anonymität lösen und ihre Gesinnung öffentlich machen. Autonome Antifaschisten beteiligen sich zudem an Informationsveranstaltungen über rechtsextremistische Strukturen. Die Inhalte dieser Veranstaltungen stammen dabei zum Teil aus den o.g. Recherchen; Organisation und Durchführung liegen aber zumeist bei organisierten Gruppierungen - wie antifaschistischen Organisationen mit orthodox-kommunistischen Hintergrund, z.B. dem linksextremistisch beeinflussten "Hamburger Bündnis gegen Rechts" (HBgR) oder AVANTI ( 5.2.1). Zu den Informationsplattformen der Hamburger Antifa-Szene zählt u.a. seit 2004 die Internetseite des "Antifa Info Pool Hamburg". Die Initiatoren bezeichnen sich "als Zusammenschluss von Personen verschiedener Hamburger Gruppen und Projekte". Organisierten und nicht organisierten Antifaschisten soll damit die Möglichkeit gegeben werden, sich gezielt 124 Linksextremismus über Veranstaltungen und Aktionen zu informieren, um zu einer Stärkung der lokalen Antifa-Strukturen beizutragen. Seit 2010 verweist die Homepage zusätzlich auf Twitter, so dass in Zukunft von einem stärkeren Informationsfluss und einer erhöhten Mobilisierungsfähigkeit autonomer Antifa-Gruppen ausgegangen werden kann. Seit Mai 2006 findet regelmäßig das "Antifa-Cafe" eines "gruppenübergreifenden Zusammenhanges" in St. Pauli statt. Es sei notwendig, einen Ort des Austausches zu haben, "der es nicht nur ermöglicht sich mit aktuellen Infos oder Materialien einzudecken, sondern darüber hinaus auch Entstehungsplatz vielfältiger antifaschistischer Aktionen sein kann." Die Veranstaltungen wurden überwiegend mit der Mobilisierung für Hamburger und überregionale Aktivitäten autonomer Antifaschisten verbunden. Im Mai 2010 blieb das Cafe anlässlich des Hamburger Hafengeburtstages geschlossen, da die Geschichte des Hafens von "deutscher Kolonialpolitik, Kriegshafen und Zwangsarbeit gekennzeichnet" sei. Die antideutsche Haltung ( 5.2.5) im Grundverständnis der Betreiber spiegelt sich in der Ankündigung wider: "Stattdessen findet ihr uns irgendwo im politischen Kontrastprogramm der Hafenstraße, wo wir uns auf den 65. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus einstimmen werden. In diesem Sinne. Hamburg muss sterben! Und Deutschland sowieso!" Im HBgR, das bereits im Jahr 2002 gegründet wurde, arbeiten Linksextremisten verschiedener Zugehörigkeit und Nichtextremisten auf der Basis einer "Hamburger Erklärung gegen Rassismus und Faschismus" zusammen, u.a. orthodoxe Kommunisten und AVANTI. Darin setzt sich das HBgR u.a. "für die Diskussion über alternative Gesellschaftsmodelle ein, in denen Faschismus keine Chance hat". Während 2009 das Hauptaugenmerk des Bündnisses auf die Kampagne "Brauner Sack" ( VSB 2009, S. 149) gelegt wurde, richtete sich dessen Augenmerk 2010 auf die seit Dezember 2009 von einem Hamburger Verlag vertriebenen Zeitschrift "Zuerst". Der Verleger dieser Zeitschrift sei "seit Jahren im extrem rechten Verlagswesen eine Scharnierfunktion zum organisierten Neofaschismus". In 125 Linksextremismus Form eines modernen unverfänglichen Nachrichtenmagazins versuche die Zeitschrift Rassismus, Nationalismus und antisemitische Verschwörungstheorien zu präsentieren. Am 03.07.10 führte das HBgR eine Protestkundgebung in St. Pauli anlässlich einer vom Verlag organisierten Sportveranstaltung mit ca. 100 Teilnehmern durch. Unterstützung erhielt das Bündnis von autonomen Antifa-Gruppen, die bei der Flugblatt-Verteilung dabei waren. Nach dem 11.09.09, als das HBgR eine Protestkundgebung gegen eine rechtsextremistische Veranstaltung aus Sicht der autonomen Antifa zu Wahlkampfzwecken missbraucht hatte ( VSB 2009, S. 133 ff.) und es deswegen zu einem Bruch zwischen antifaschistischen Organisationen mit orthodox-kommunistischen Hintergrund und autonomen Gruppen gekommen war, ist eine solche öffentliche Zusammenarbeit möglicherweise ein erster Ansatz für eine erneute Vernetzung. Die autonome Gruppe [a2]-Hamburg widmet sich seit April 2008 überwiegend der "antifaschistischen linksradikalen Politik". Auf deren Homepage wird hauptsächlich die Mobilisierung zu regionalen und überregionalen Antifa-Aktionen vorangetrieben. Im Jahr 2010 engagierte sich die Gruppe zudem im "No IMK Bündnis". In diesem Zusammenhang äußerte [a2], seine radikale Kritik an den Verhältnissen weiterhin vielseitig zu gestalten und gegen die IMK aktiv zu werden. "Lasst uns gemeinsam die IMK versenken - gegen Staat, Nation, Kapital und das Märchen vom Extremismus." Für das diesjährige "Schanzenfest" rief [a2] auf: "Hier in Hamburg ist es vor dem Hintergrund der Infragestellung unseres Squats der Roten Flora dringend nötig, andere Freiräume, wie das Schanzenfest, gegen Bullen und andere Unsympath_innen mit vielen kreativen und ggf. auch direkten Mitteln und auf diversen Ebenen durchzusetzen. [...] Wie auch in Hamburg, sind dabei alle Mittel einzusetzen, um diesem Ziel möglichst nahe zu kommen." Staat, Nation und Kapital sollen offensiv und direkt angegriffen werden. Zum Jahresende veröffentlichte [a2] schließlich einen Artikel darüber, wie einem bekannten Rechtsextremisten nach antifaschistischer Intervention seine Nebentätigkeit in einem Lokal in St Pauli gekündigt wurde. Die Antifaschisten informierten den Arbeitgeber mit dem bereits im Jahr 2009 verwendeten Outing-Flyer. 126 Linksextremismus Auch im Jahr 2010 beteiligten sich Hamburger Antifaschisten an bundesweiten Veranstaltungen und Aktivitäten. Eine breite überregionale Beteiligung erfolgte am 13.02.10 mit den Protesten gegen den von Rechtsextremisten angemeldeten "Trauermarsch" anlässlich des Jahrestages der Bombardierung Dresdens. Aus Hamburg reisten bis zu 500 Personen, davon etwa 200 gewaltorientierte Linksextremisten, nach Dresden, die bereit waren, das im Vorfeld angekündigte Blockadekonzept mitzutragen. Nach der Verhinderung der rechtsextremistischen Demonstration mit Hilfe der Massenblockaden, kam die Antifa darin überein, dass die Blockade als geeignetes Instrument in die Zivilgesellschaft hineingetragen werden konnte, um eine möglichst breite Öffentlichkeit zu mobilisieren und Raum auch für gewalttätige Aktionen zu eröffnen. Am 27.03.10 fand in Lübeck eine weitere von Rechtsextremisten angemeldete Demonstration unter dem Motto: "Bomben für den Frieden?" statt. Ein breites Bündnis aus örtlichen und überregionalen Antifa-Zusammenhängen rief nach dem Vorbild Dresdens dazu auf, mittels Massenblockaden den Aufzug der NPD effektiv zu stören. Aus Hamburg erfolgte eine gemeinsame Anreise von Linksextremisten nach Lübeck. Insgesamt versperrten etwa 450 Demonstranten durch Sitzblockaden den Aufzug des rechten Spektrums, woraufhin dieser aufgelöst werden musste. In Einzelfällen kam es zu Sachbeschädigungen und Landfriedensbruch sowie Flaschenwürfe auf Polizeibeamte. Zu Demonstrationen anlässlich des 1. Mai mobilisierte die Hamburger Antifa-Szene 2010 überwiegend für die Aktionen in Rostock und Berlin, da sie sich an einer von der SoL angemeldeten Demonstration in Hamburg unter dem Tenor: "Revolutionäre 1. Mai Demonstration. Kapitalismus zerschlagen!" nicht anschließen wollte. Hintergrund ist ein Konflikt zwischen antideutschen Strukturen und der SoL ( 5.2.5). Die regionalen antifaschistischen Aktivitäten hingegen waren 2010 von vergleichsweise geringer Bedeutung, weil insbesondere von der NPD ( 7.1) deutlich weniger Aktivitäten als in den Vorjahren ausgingen. 127 Linksextremismus 5.3.3 Antirassismus Linksextremistische - überwiegend autonome - "Antirassisten" protestieren insbesondere gegen die Asylpolitik. Im Rahmen zeitlich begrenzter Kampagnen mit regionalen oder inhaltlichen Schwerpunkten werden Forderungen wie "generelle(r) Abschiebestopp" und "Grenzen auf - Bleiberecht für alle" erhoben. Bei Protestaktionen streben Linksextremisten häufig eine Zusammenarbeit mit demokratischen und humanitären Organisationen an. Dabei versuchen sie, die Zielrichtung der Aktivitäten zu dominieren. Linksextremistische Antirassisten haben sich dem Bündnis "No IMK" angeschlossen, und somit ihren Fokus auf die Frühjahrsund Herbstkonferenz der Innenminister (IMK) 2010 in Hamburg gerichtet. Vom 25.09. bis 03.10.10 fand in Brüssel ein sogenanntes "No BorderCamp" statt, in dem Antirassisten verschiedener europäischer Länder gegen die Migrationspolitik der Europäischen Union protestierten. Initiator dieser Camps ist ein europäisches Netzwerk und loser Zusammenschluss autonomer Gruppen sowie nichtextremistischer Flüchtlingsinitiativen. Es richtet sich gegen "die europäische Politik der Abschottung" gegenüber Flüchtlingen aus anderen Kontinenten. Die Camps finden seit den 90erJahren zumeist an den Außengrenzen der EU statt (2009 z.B. auf der griechischen Insel Lesbos). Zu der vom Dachverband Europäischer Gewerkschaften organisierten "Eurodemonstration" am 29.09.10 in Brüssel hatten neben nichtextremistischen Initiativen auch linksextremistische Gruppen aufgerufen und zur Teilnahme an einem "antikapitalistischen Block" und zu "direkten Aktionen" aufgefordert. Die Polizei nahm während der Demonstration zahlreiche Teilnehmer fest - unter ihnen auch fünf Hamburger Linksextremisten. Vom 14.10. bis zum 17.10.10 fand in der Roten Flora ein antirassistischer Kongress ("arak 10") "Gegen den rassistischen Normalzustand" statt, an 128 Linksextremismus dem täglich bis zu 100 Personen teilnahmen. Der Kongress befasste sich u.a. mit dem Thema "antirassistische Sondergesetze", informierte über den "aktuellen Widerstand im Abschiebelager Horst" (gemeint ist die Flüchtlingsunterkunft in Nostorf-Horst, Mecklenburg-Vorpommern, in der Asylbewerber untergebracht werden) und mobilisierte mit einer Informationsveranstaltung gegen die IMK im Herbst 2010. 5.3.4 Linksextremistisch beeinflusste Initiativen gegen Stadtentwicklungspolitik Proteste gegen die sogenannte "Gentrifizierung" (soziale Umstrukturierung, Aufwertung des Wohnumfeldes) spielten 2010 für Linksextremisten in Hamburg eine bedeutende Rolle. Mit dem Widerstand gegen "Umstrukturierung" befassten sich zahlreiche Initiativen und Gruppen in Hamburger Stadtteilen. In dem 2009 gegründeten Netzwerk "Recht auf Stadt" engagieren sich neben vielen nichtextremistischen Gruppierungen auch die "Rote Flora", das "Centro Sociale" ( 5.1), das "Freie Netzwerk zum Erhalt des Schanzenparks" und "AVANTI - Projekt undogmatische Linke" (AVANTI 5.2.1). AVANTI zufolge sei "Recht auf Stadt [...] als oppositionelle Forderung und konstituierendes Moment sozialer Gegenmacht von unten" zu verstehen und weise daher "tendenziell über den Kapitalismus hinaus". Insgesamt verfügen extremistische Gruppen in dem wachsenden Netzwerk nicht mehr über prägende Einflussmöglichkeiten. In einem Papier gegen Umstrukturierung vom Frühjahr 2010 vertritt das Floraplenum ( 5.1) die Ansicht, dass sich die Stadtentwicklung gegen alle ärmeren Menschen wende, solange der Kapitalismus ihre Grundlage sei: "Deshalb richtet sich unser Widerstand nicht nur gegen deren schlimmste Auswüchse, sondern gegen das ganze verdammte System." Das "Freie Netzwerk zum Erhalt des Schanzenparks" setzte seine Aktivitäten gegen das Mövenpick-Hotel im Schanzenpark fort. Regelmäßig 129 Linksextremismus wurden "Volksküchen" vor dem hoteleigenen Restaurant durchgeführt und Transparente u.a. mit der Aufschrift: "Die Spinnen, Die Bullen, Die Schweine" und "MÖVENPIG VERPISS DICH" gezeigt. Darüber hinaus wurden wiederholt Fensterscheiben des Restaurants und Kraftfahrzeuge durch sogenannte "Krähenfüße" auf der Zufahrt zum Hotelrestaurant beschädigt. Am 06.05.10 wurde das Fahrzeug des Senators für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz von unbekannten Tätern mit Gläsern beworfen, die mit Farbe gefüllt waren, und dabei erheblich beschädigt. Der Senator hielt sich anlässlich einer Diskussionsrunde zum Thema "Unsere Jugend - unsere Verantwortung. Zeit zu handeln" in der Ganztagesschule St. Pauli auf. In diesem Zusammenhang kritisierte eine "Angry Byciclist Brigade" in der Zeck Ausgabe Nr.157 Juli/August 2010 unter der Überschrift "Parke nicht in der Bernhard-Nocht-Strasse!", dass erhebliche Teile der Bevölkerung bereits durch steigende Mieten aus ihrem Viertel vertrieben worden seien. Daher habe man eine solche Veranstaltung "unmittelbar neben den Hafenstrassenhäusern" nicht unkommentiert lassen können. Der Text endete mit den Worten: "Rote Flora bleibt, Hafenstrasse come back!". In der Nacht zum 30.05.10 verschafften sich bis zu 200 Personen, darunter auch Hamburger Autonome, gewaltsam Zutritt zum ehemaligen "Erotic Art Museum" und begingen im Gebäude weitere Sachbeschädigungen. Auf der auch von Linksextremisten genutzten Internetplattform Indymedia äußerten die Aktivisten, dass sie das Gebäude besetzt hätten, weil die Aufwertung des Bernhard-Nocht-Quartiers ein Beispiel für die zunehmende Verdrängung der Anwohner sei. "Gegen diese kontrollierte Stadt" setze man "die Unberechenbarkeit des Widerstands". Das "Schanzenfest" am 04.09.10 wurde im Jahr 2010 als "Interventionsort und Teil der Auseinandersetzung um die Rote Flora" sowie als Teil des Kampfes um ein "Recht auf Stadt" und der bundesweiten Mobilisierung gegen die Innenministerkon130 Linksextremismus ferenz gesehen. Das Fest sei "eine Form der Aneignung [...] in den [...] Alltagsrealitäten einer alles durchdringenden Ökonomie". Im Vorfeld des Festes wurden am 28.08.10 die Eingangstür der Geschäftsstelle der GAL in Eimsbüttel mit Farbe beschmiert sowie 14 Scheiben des Altonaer Rathauses eingeschlagen. Das Straßenfest selbst verlief mit bis zu 8.500 Besuchern zunächst friedlich. Verschiedene Transparente in den Straßenzügen ließen erkennen, dass die autonome Szene maßgeblich an der Organisation des Festes mitgewirkt hatte: "Feuer und Flamme gegen Repression", "Schwarze Blöcke statt runder Tische". Mehrfach war zuvor betont worden, dass das Fest wieder sichtbar politischer gestaltet werden sollte, um dem "Eventcharakter" und den anschließenden Ausschreitungen entgegenzuwirken. Dennoch verfolgten Teile der linksextremistischen Szene offenbar eine gezielte Eskalation, indem sie in den Tagen vor dem Fest im Schanzenviertel eine "Karte mit Tipps für den gepflegten Krawall" verteilten. Unter der Überschrift "Bambule Fans, welcome in Hamburg Schanzenviertel" wurde auf verschiedene "Angriffsziele" im Viertel aufmerksam gemacht, darunter die Polizeiwache in der Lerchenstraße, die am 03.12.09 von Vermummten angegriffen worden war ( VSB 2009). Im Anschluss an das Fest kam es zu massiven Ausschreitungen, an denen sich mehrere Hundert Randalierer, überwiegend gewaltorientierte junge Menschen, beteiligten. Polizisten wurden mit Steinen, Flaschen und Molotowcocktails beworfen, mehrere Fahrzeuge und Müllcontainer in Brand gesetzt. Die Polizei nahm 42 Personen fest, darunter die Hälfte mit Hamburger Wohnsitz. Rund drei Viertel der Festgenommen waren jünger als 25 Jahre. Am 16.10.10 drangen mehrere Personen in ein leer stehendes Objekt an der Juliusstraße ein. Bei der Räumung durch die Polizei kam es zu vereinzelten Ausschreitungen. Mit der Aktion mobilisierten die Aktivisten zu der Demonstration "Leerstand zu Wohnraum - endlich die Wohnungsfrage lösen" am 23.10.10. An der weitgehend friedlich verlaufenen Demonstra131 Linksextremismus tion nahmen ca. 3.200 Personen, darunter bis zu 370 Linksextremisten teil. Es wurden Transparente mitgeführt, denen z.B. zu entnehmen war "Autonome Projekte verteidigen" und "gegen Polizeigewalt und Repressionen". 5.3.5 Linksextremistische Einflussnahme auf Proteste gegen die Energiepolitik Linksextremisten machen seit mehreren Jahren nur noch einen geringen Teil der Anti-Atom-Bewegung aus. Mittlerweile haben sie ihren Protest um das Thema Klimawandel erweitert. Die Abschaffung des kapitalistischen Systems sei notwendig, um den Klimawandel als zwangsläufige Folge kapitalistischer Produktionsverhältnisse zu stoppen. In diesem Sinne seien auch Atomkraftwerke lediglich Ausdruck der kapitalistischen Verhältnisse und müssten somit stillgelegt werden. Im Jahr 2009 hatten sich linksextremistische Klimaaktivisten insbesondere mit den Protesten gegen den UN-Klimagipfel in Kopenhagen befasst. In Hamburg galt dies insbesondere für die Gruppen "AVANTI" ( 5.2.1) und "atmospheric disorder". Letztgenannte brachten sich über das autonome Netzwerk "Never Trust A Cop" (NTAC) in die internationale Mobilisierung ein ( VSB 2009). Anfang 2010 lud die Gruppe "atmospheric disorder" unter dem Tenor "Jokenhagen" zu einem "Gedankenaustausch" zum Klimagipfel ein, da man bisher "viel zu wenig von den systemkritischen Inhalten" gehört habe. In diesem Zusammenhang kritisierte das linksextremistische "Klima!Bewegungsnetzwerk" die Proteste als nicht erfolgreich, da nicht die gewünschte Wirkung in der Öffentlichkeit erzielt worden sei. In einem Papier mit dem Titel "Der Gipfel des Scheiterns [...] zaghafte Schritte einer dringend notwendigen Klimabewegung" äußerte AVANTI, dass die Proteste in Kopenhagen zugleich Startschuss und Sinnkrise der Klimabewegung gewesen seien. Eine Radikalisierung der Klimabewegung sei erforderlich. Die Systemfrage sei bereits erfolgreich in die Klimadebatte 132 Linksextremismus getragen worden und "in vielen Diskussionsveranstaltungen in eine solide Kapitalismuskritik" umgeschlagen. In Hamburg waren 2010 Aktionen linksextremistischer Klimaaktivisten kaum wahrzunehmen. Lediglich am 18.08.10 organisierte das "Klimaplenum Hamburg", in dem neben nichtextremistischen Organisationen auch Linksextremisten wie AVANTI organisiert sind, Proteste gegen das sogenannte "Greenwashing" (Bemühen von Unternehmen um ein umweltfreundliches Image durch Sponsoring-Aktivitäten) im Rahmen einer internationalen Radsport-Veranstaltung in Hamburg. Die Organisatoren werteten ihre Aktionen im Anschluss als Erfolg, da eine positive Resonanz in der Öffentlichkeit erfolgt sei. Die Veranstaltung wurde jedoch nicht beeinträchtigt. Vor dem Hintergrund längerer Laufzeiten für Atomkraftwerke und der Diskussion um mögliche Endlagerstandorte für Atommüll erhielt die AntiAtom-Bewegung insgesamt im Jahr 2010 starken Zulauf. Bei vielen Aktivisten stand der Castor-Transport von La Hague nach Gorleben im November 2010 im Fokus. Linksextremisten profitierten von diesem Zuspruch für die Anti-Atom-Bewegung jedoch kaum. Am 24.04.10 nahmen bis zu 93.000 Menschen an einer friedlich verlaufenen Protestaktion (Menschenkette) anlässlich des Tschernobyl-Jahrestages unter dem Tenor: "KettenReaktion - Atomkraft abschalten" teil. Das linksextremistische Anti-Atom-Büro (AAB) Hamburg hatte der Protestaktion im Vorfeld eine Absage erteilt, da solche Großaktionen zu sehr von Parteien geprägt seien: "Atomausstieg bleibt Handarbeit und kein parlamentarisches Schaulaufen!" Die fehlende Forderung nach einer "sofortige(r)n Stilllegung aller Atomanlagen" sei für das AAB als undogmatische AKW-Gegner nicht tragbar. Bereits im September 2010 rief ein Bündnis "Castor? Schottern!" zum massenhaften Schottern an den Gleisen der Transportstrecke des Castor-Transports nach Gorleben auf. ( 5.2.1) 133 Linksextremismus Zu den Unterzeichnern des Aufrufs gehörten u.a. das AAB und das "Klima!Bewegungsnetzwerk". In der Mobilisierungszeitung des Bündnisses "Castor? Schottern!" forderte das AAB erneut die sofortige Stilllegung aller Atomanlagen. Dies sei eine "Entscheidung für die Betroffenen und gegen neo-koloniale Verhältnisse". Die linksextremistische Gruppe "Systemoppositionelle Atomkraft Nein Danke" (SAND) agitierte neben dem Castor-Transport nach Gorleben auch gegen Atomtransporte, die über den Hamburger Hafen abgewickelt werden. "Atomtransporte verhindern heißt die Atomanlagen stilllegen und das ist genau unser Ziel." Beide Gruppen beteiligten sich an Informationsund Mobilisierungsveranstaltungen sowie "Schotter"-Trainings in Hamburg vor dem Castor-Transport. Auch im Rahmen der Autonomen Vollversammlung am 15.10.10 in der Roten Flora wurde über den Widerstand gegen den Castor-Transport informiert. Der Transport startete am 05.11.10 und erreichte seinen Zielort mit erheblicher Verspätung am 09.11.10. Die Auftaktdemonstration in Dannenberg am 06.11.10 verlief mit bis zu 25.000 Teilnehmern, darunter ca. 300 Autonome, weitgehend friedlich. In den darauffolgenden Tagen versuchten Tausende Aktivisten den Transport durch mehrfache Sitzund Treckerblockaden auf den Schienen und der Straße sowie mit der Aktion "Castor? Schottern!" aufzuhalten. Hierbei kam es mehrfach zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei, an denen sich insgesamt rund 500 Linksextremisten beteiligten. Die Organisatoren der Kampagne "Castor? Schottern!" zogen eine positive Bilanz ihrer Aktion. Der Widerstand sei "massenhafter und ungehorsamer" geworden. 134 Linksextremismus Im Rahmen der "Autonomen Vollversammlung" am 15.12.10 in der Roten Flora wurden die Proteste thematisiert. Demnach hätten mehrere Gruppen von der "Castor? Schottern!"-Kampagne Abstand genommen, weil die Aktionsform bereits in den Vorjahren von "autonom anarchistischen Zusammenhängen" erfolgreich durchgeführt worden und diese nun "durch die Instrumentalisierung der Aktion zur Massenmobilisierung" für einige nicht mehr tragbar sei. Darüber hinaus käme eine Zusammenarbeit mit Parteien nicht in Frage. Die Aktion sei überdies wenig erfolgreich gewesen und habe den Castor-Transport nicht aufhalten können. Im Dezember 2010 mobilisierte die Gruppe SAND auf ihrer Homepage auch zu den Protesten gegen weitere Castor-Transporte nach Lubmin bei Greifswald und zur Großdemonstration gegen Atomkraft in Ahaus. Die Teilnehmerzahlen an den demonstrativen Aktionen im Raum Greifswald blieben weit hinter der großen Zahl der Protestler im Wendland zurück. Aktivitäten der linksextremistischen autonomen Szene wurden nicht festgestellt. Ein geplanter Atomtransport von Ahaus nach Majak (Russland) wurde kurzfristig abgesagt. Dies verbuchte die Gruppe SAND im Dezember 2010 unter dem Tenor: "Keine Atomtransporte durch Hamburg und anderswo!" als Erfolg. Die Atomtechnologie sei "bewusster, konsequenter Ausdruck" der "herrschenden Verhältnisse", die man "angreifen" müsse. 6. Extremistische Teilstrukturen in der Partei "DIE LINKE:" Seit Mai 2008 beobachtet der Hamburger Verfassungsschutz nur noch eindeutig extremistische Strömungen in der Partei "DIE LINKE". Von ihrer Bedeutung in Hamburg her sind die "Kommunistischen Plattformen" (KPF) und die "Linksjugend ['solid] zu erwähnen. Von der trotzkistischen Gruppe "marx21 - Netzwerk für Internationalen Sozialismus" gingen 2010 keine nennenswerten Aktivitäten aus. Insgesamt sind in den extremistischen Teilstrukturen der Partei "DIE LINKE" ca. 70 Personen aktiv. Internetseiten des LfV Hamburg, Arbeitsfeld Linksextremismus, Extremistische Strukturen in der Partei "DIE LINKE". 135 Linksextremismus "Kommunistische Plattformen" (KPF) Die KPF verstehen sich als Zusammenschluss von Kommunisten in der Partei "DIE LINKE". Die beiden in der Hamburger Partei "DIE LINKE" existierenden KPF, eine mit dem Namenszusatz "Clara Zetkin", arbeiten überwiegend theoriebezogen und entfalten kaum öffentliche Aktivitäten. Die KPF "Clara Zetkin" unterhält eine - inaktuelle - Internetseite. In der Frage des privaten Eigentums an den Produktionsmitteln sieht die KPF "Clara Zetkin" nach wie vor das Haupthindernis für eine "fortschrittliche gesellschaftliche Entwicklung". Es gelte, "den grundlegenden Widerspruch dieser Gesellschaftsordnung, nämlich den zwischen Arbeit und Kapital, zu lösen". Zu erkämpfen sei die "Überwindung aller Herrschaftsformen, vor allem der kapitalistischen". Sie versteht sich als Teil der "antikapitalistischen Bewegung in der BRD". Anlässlich der von Linksextremisten mit initiierten Aktion gegen den Transport von Castoren ins Zwischenlager Gorleben im November unterzeichneten auch zwei Angehörige der Hamburger KPF den Aufruf "Castor? Schottern!", gegen dessen Unterstützer wegen öffentlichen Aufrufes zur Begehung von Straftaten ( 5.3.5) ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. "Linksjugend ['solid]" Der Hamburger Landesverband dieser der Partei "DIE LINKE" nahestehenden Jugendorganisation ist in verschiedene, zumeist kurzlebige "Basisgruppen" untergliedert. ['solid] beteiligte sich an einem Jugendaktionsbündnis für die Einführung der Primarschule, das zu einer Demonstration in Hamburg am 03.06.10 aufrief. Später distanzierte sich die Gruppe von dem Bündnis mit der Begründung, die beteiligten "Bildungsund Sozialabbauparteien können keine Bündnispartner sein. Die Teilnahme an solchen Bündnissen schürt einerseits Illusionen in die Regierung und macht uns andererseits unglaubwürdig". 136 Linksextremismus Die Gruppe engagierte sich auch im Themenkomplex "Antimilitarismus" und gehörte neben MASCH e.V., SDAJ ( 7.) und SoL (5.2.3) zu den Veranstaltern einer Vortragsveranstaltung am 24.09.10 im Bürgerhaus Wilhelmsburg "Wer am Hindukusch nichts verloren hat, kann auch nicht(s) gewinnen - Warum Deutschland dort nur verlieren kann". Die Wochenzeitung "DIE ZEIT" führte am 18.10.10 eine Konferenz "Internationale Sicherheitspolitik" im Stadtteil Rotherbaum durch, an welcher der Bundesminister der Verteidigung, Karl-Theodor zu GUTTENBERG, teilnahm. Die Linksjugend ['solid] rief gemeinsam mit antiimperialistischen und antimilitaristischen Hamburger Gruppen wie SoL und RSH ( 5.2.3) unter dem Tenor "Keine Kriegskonferenz in Hamburg" zu einer Gegenkundgebung vor dem Veranstaltungsort auf. Bei störungsfreiem Verlauf beteiligten sich etwa 130 Personen - und damit weniger, als von den Veranstaltern erwartet. 7. Orthodoxe Kommunisten Als "orthodoxe Kommunisten" werden Parteien und Organisationen bezeichnet, deren Ideologie auf den Theorien von Marx, Engels und Lenin (Marxismus-Leninismus) beruhen. Nach ihrer Weltanschauung sei nur der Sozialismus/Kommunismus als "historische Alternative zum Kapitalismus" (DKP-Parteiprogramm 2006) in der Lage, sämtliche gesellschaftlichen Probleme zu lösen. Die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) ist die Kernorganisation der orthodoxen Kommunisten. Sie kämpft seit Jahren um ihr politisches Überleben. Internetseiten des LfV HH, Arbeitsfeld Linksextremismus, Linksextremistische Ideologie. Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Der seit Jahren geführte Streit um die ideologische Ausrichtung und den Weg der Partei zum Sozialismus/Kommunismus spitzte sich bei der DKP im Jahr 2010 weiter zu. Im Vorfeld des 19. DKP-Parteitages, der am 9./10.10.10 in Frankfurt am Main unter dem Motto "Widerstand entwickeln, Kapitalismus überwinden" stattfand, gab es öffentlich ausgetragene 137 Linksextremismus Debatten - auch abseits der Parteimedien - über die ideologiMitglieder: <4.000 schen Differenzen. Bundessitz: Essen Hauptstreitpunkte zwischen den Vorsitzende: Bettina JÜRGENSEN unterschiedlichen Lagern - der größere Flügel um die ParteivorBezirksorganisation Hamburg stands (PV)-Mehrheit auf der einen und der ParteivorstandsMitglieder: <200 Opposition auf der anderen Seite Vorsitzender: Olaf HARMS - waren die Inhalte der "Politischen Thesen". Die Mehrheit des PV sprach sich darin für eine "Bewegungsorientierung" unter Aufgabe des eigenen Avantgarde-Anspruchs aus, während die Minderheit nicht bereit ist, diesen Anspruch als unabdingbares Wesensmerkmal einer Kommunistischen Partei aufzugeben. Sie sieht darin eine verwässerte Identität der Partei. Zu weiteren ideologischen Streitpunkten zählt vor allem die von der Minderheit eingeforderte Gültigkeit der leninschen Imperialismustheorie (Imperialismus als höchste Stufe des Kapitalismus). Außerdem favorisiert die Minderheit konzeptionell eine Beschränkung auf ausgewählte Politikfelder. Für den nicht mehr zum Parteivorsitz kandidierenden, langjährigen Vorsitzenden, Heinz STEHR, wurde Bettina JÜRGENSEN mit 111 Jabei 44 Nein-Stimmen zur neuen Vorsitzenden gewählt. Damit steht erstmals eine Frau an der Spitze der DKP. Einer der drei Stellvertreter, Patrik KÖBELE ist ein gegen den Willen der PV-Mehrheit gewählter Exponent des oppositionellen Flügels. Unter den 31 PV-Angehörigen sind aus dem oppositionellen Hamburger DKP-Bezirk nur noch zwei Personen (zuvor drei) vertreten; darunter befindet sich der Hamburger DKP-Bezirksvorsitzende Olaf HARMS, der bei der Bezirksversammlungswahl 2011 in Wilhelmsburg auf Platz 1 der Wahlkreisliste der Partei "DIE LINKE" kandidierte. Wie fragil die Mehrheitsverhältnisse auf dem Parteitag waren, wurde an mehreren Abstimmungsergebnissen deutlich. Während der Debatten sah sich der bisherige engere Führungskreis (das so genannte "Sekretariat", der Arbeitsaus138 Linksextremismus schuss des PV) mit dem Vorwurf mangelnder Offenheit und Transparenz konfrontiert. Der Parteitag verständigte sich darauf, im Jahr 2011 eine "bildungspolitische Konferenz" auf der Grundlage des 2006 beschlossenen Parteiprogramms durchzuführen. Die nicht zur Abstimmung gelangten "Politischen Thesen" sollen nur noch "Diskussionsmaterial" sein. Während der konstituierenden Tagung des PV am 24.10.10 schlug dieser den ebenfalls zur innerparteilichen Opposition gehörenden Hamburger Bezirksvorsitzenden HARMS für die Wahl in das Sekretariat vor. HARMS unterlag jedoch in der Abstimmung. Nach dem Parteitag trat KÖBELE einer "Aufweichung revolutionärer Grundsätze" entgegen und betonte, gemäß der von Marx, Engels und Lenin entwickelten Lehren sei es die Hauptaufgabe der Kommunistischen Partei, innerhalb der Arbeiterbewegung ein Klassenbewusstsein zu verbreiten. Nach dem Beschluss der Bundesregierung zur Laufzeitverlängerung der AKWs erneuerte die DKP ihre Forderungen in einem Flugblatt vom 18. 09.10: "Mafia abschalten - Power to he people", Energiekonzerne zu enteignen und unter "demokratische Kontrolle" zu stellen. Außerdem wurde der sofortige Ausstieg aus der Atomenergie gefordert. Zu den Unterzeichnern des von Linksextremisten mit initiierten Aufrufes zur illegalen Aktion "Castor Schottern" ( 5.3.5) im November gehörten auch Spitzenfunktionäre der DKP, darunter der Hamburger Bezirksvorsitzende HARMS. Das Zentralorgan der Partei, "Unsere Zeit" (UZ) ist als Folge stetig sinkender Abonnentenzahlen weiter unter finanziellem Druck. Hamburg Auch der Schrumpfungsprozess der Hamburger DKP hält an. Sie hat nun weniger als 180 Mitglieder. Dies schmälert ihre Schlagkraft und stärkt die Bedeutung ihrer bündnispolitischen Bemühungen. Entsprechend ihres Postulates, den Widerstand zu organi139 Linksextremismus sieren, stellt die DKP ihr nach einer Hamburger Kommunistin benanntes Parteizentrum "Magda Thürey-Zentrum" (MTZ) an der Lindenallee 72 seit Jahren auch anderen linksextremistischen Gruppierungen für Veranstaltungen zur Verfügung ( SDAJ). Damit trägt sie auch zur Finanzierung und zum Erhalt des Zentrums bei. Um die Außenwirkung zu erhöhen, versieht die DKP seit Mitte 2010 den Namen MTZ mit dem Zusatz "Kultur-, Informationsund Begegnungszentrum der DKP Hamburg". Die "antifaschistische Bündnispolitik" nimmt einen hohen Stellenwert für die DKP ein. So zeichnet der Hamburger DKP-Vorsitzende HARMS seit Jahren presserechtlich verantwortlich für den Internet-Auftritt des "Hamburger Bündnisses gegen Rechts" (HBgR 5.3.2). Hier bietet sich der DKP die Gelegenheit, Kontakte sowohl zu anderen linksextremistischen Gruppierungen als auch in den nichtextremistischen Bereich zu knüpfen und ihre Inhalte breiter zu verankern. Die DKP fokussierte 2010 ihre kommunalpolitischen Aktivitäten auf die Personen, welche in die Bezirksversammlungen Hamburg-Mitte und Hamburg-Nord gewählt worden sind. Diese waren über die Kooperation mit der Partei "DIE LINKE" als Kandidaten auf deren Liste in die Parlamente eingezogen. In diesem Zusammenhang strebt die DKP an, Aufmerksamkeit und Kompetenz in "sozialen Fragen" zu erlangen. So werden über den seit 2009 im MTZ angesiedelten und seitdem in Gründung befindlichen Verein "alerta" so genannte "Sozialberatungen" koordiniert und auch außerhalb des MTZ angeboten. Der auf DKP-Initiative mit gegründete Verein kooperiert auch mit dem "Internationalen Zentrum B5 ( 5.2.3) und Anhängern der TKP/ML. Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) Im Januar startete die SDAJ eine von der DKP unterstützte Antimilitarismus-Kampagne unter dem Motto "Bundeswehrfreie Zone", deren Durchführung ihr Bundeskongress 2009 beschlossen hatte. Damit wollte sie die Rekrutierungsarbeit der Bundeswehr an Schulen beeinträchtigen. Protestaktionen gegen die Bundeswehr auf Jobmessen und öffentlichen Plätzen gehörten dazu. Jede Gruppe war aufgerufen, bis zum "Festival der Jugend" im Mai 2010 mindestens eine öffentliche Aktion dazu durchzuführen. 140 Linksextremismus Die Organisation betätigte sich auch an "antifaschistischen" Aktionen. Sie war eine von mehreren linksextremistischen Gruppen, die als Erstunterzeichner zur Blockade gegen den Aufmarsch nazistischer Gruppen am 1. Mai 2010 in Berlin aufrief. In der Zeit vom 21. bis 24.05.10 fand erneut das "Festival der Jugend" der SDAJ im Jugendpark Köln unter dem Motto "Zeit zu kämpfen, Zeit zu feiern" satt. Nach einem UZ-Bericht "Sommer - Sonne - Sozialismus - Hunderte feierten mit der SDAJ in Köln" beteiligten sich über 400 Dauergäste und einige Hundert Tagesgäste. SDAJ-Gruppen gehörten auch zu den Unterzeichnern des Aufrufes "Castor? Schottern!" ( 5.3.5) Die Hamburger SDAJ führt ihre im Internet beworbenen, wöchentlichen Zusammenkünfte im zum MTZ (s. DKP) gehörenden "Havanna-Club" durch. Hauptthemen ihrer öffentlichen Agitation waren Antimilitarismus und Bildung. Gemeinsam mit anderen antimilitaristisch tätigen Gruppen protestierte die SDAJ am 27.02.10 gegen den Stand der Bundeswehr auf der Hamburger Berufseinsteiger-Messe "Einstieg Hamburg". Dabei wurden Transparente "Keinen Menschen, keinen Cent & keinen Fußbreit der Bundeswehr" gezeigt, Flugblätter verteilt und gegen die Bundeswehr, die kein normaler Arbeitgeber sei, polemisiert. Im Rahmen der bundesweiten Antimilitarismus-Kampagne publizierte sie auch in Hamburger DKP-Kleinzeitungen "Bundeswehr raus aus der Schule" und wandte sich "entschieden gegen den Versuch, mit der von der Bundeszentrale für politische Bildung erarbeiteten Schulstunde ,Die Schulstunde als Talkshow: Ein Leben als Soldat?' die propagandistische Rechtfertigung der Kriegseinsätze der Bundeswehr und letztlich die Werbung für den Soldatenberuf ins Klassenzimmer zu tragen". Sie behauptete, die Bundeswehr diene keinen friedlichen oder demokratischen Zwecken, sondern den "imperialistischen Zielen der Herrschenden" und stehe "gegen uns und unser Interesse an kostenloser Bildung und Ausbildung und wirklich sicheren Arbeitsplätzen". Außerdem bringe sie "unendliches Leid über die 141 Linksextremismus Bevölkerung der überfallenen und besetzten Länder" (DKP-Zeitung "wandsbek links", Ausgabe 52, Juni 2010). Zum Hamburger Volksentscheid zur Primarschule im Juli 2010 gab die SDAJ ein "Extra" ihrer Publikation "Likedeeler" heraus. Darin warb sie -wie die DKP - für ihre auf Totalverweigerung zielende Abstimmungsempfehlung: "Wir wollen mehr: 2X Nein beim Volksentscheid!" und forderte "Eine Schule für alle, mehr demokratische Mitbestimmung an den Schulen, Solidarität statt Konkurrenz beim Lernen, keine Ausrichtung der Schule an den Interessen der Unternehmen". Gleichzeitig konzedierte sie: "Wir wissen, dass alle unsere Forderungen nur in einer anderen Gesellschaft - dem Sozialismus - verwirklicht werden können. Da wir aber im Hier und Jetzt dafür kämpfen müssen, heißt des für uns: zweimal Nein beim Volksentscheid!" Daher beteiligte sich die Gruppe nicht an einem Jugendaktionsbündnis "Die Schulverbesserer" ( 6, ['solid]), das sich - wie zuvor alle Parlamentsfraktionen der Hamburgischen Bürgerschaft - für die Einführung der Primarschule aussprach. Marxistische Abendschulen (MASCH) in Hamburg In Hamburg bestehen zwei auf DKP-Initiative zurückzuführende MASCHEinrichtungen. Die 1981 gegründete "Marxistische Abendschule Hamburg - Forum für Politik und Kultur e.V." betätigt sich überwiegend an der Universität Hamburg und befasst sich kontinuierlich mit der wissenschaftlichen Vertiefung marxistischer Ideologie. Die seit 2007 in Wilhelmsburg tätige "MASCH e.V." mit ihrem Trägerverein "Marxistische Arbeiterschule e.V." und mit Ablegern in den Stadtteilen Altona und Bergedorf hat den Anspruch formuliert, verschiedene deutsche Linke und Linksextremisten sowie iranische und türkische Kommunisten unter ihrem Dach zu sammeln und Ideologieschulung zu betreiben. Die Referenten und Funktionäre stammen fast ausschließlich von der DKP oder der KPF. 142 Linksextremismus 8. Trotzkisten Der nach Leo TROTZKI benannte Trotzkismus wird geprägt durch die sogenannte "Theorie der permanenten Revolution", wonach der politische Prozess nicht mit einer proletarischen Revolution ende. Die trotzkistische "Sozialistische Alternative"(SAV) merkte dazu an, dass dieser Ansatz höchste Aktualität für die Aufgaben der Arbeiterbewegung in Afrika, Asien und Lateinamerika habe. Trotzkistische Gruppen versuchen, durch eine "Entrismus" genannte Unterwanderungstaktik in anderen Organisationen Einfluss zu gewinnen und auszuüben. Als trotzkistisch ausgerichtete Gruppen sind in Hamburg "marx21" und die SAV vertreten. Lediglich die SAV ist mit einer eigenständigen Gruppenstruktur wahrnehmbar, aber von geringer Bedeutung. Sie trifft sich wöchentlich in Altona. 2010 versuchte sie, Einfluss auf die Hamburger Linksjugend ['solid] ( 6) zu gewinnen. 9. "Marxistische Gruppe" (MG) Im Mai 1991 löste sich die MG zum Schein formal auf, um der Beobachtung durch die Sicherheitsbehörden zu entgehen, arbeitet seitdem aber mit unverändertem Spitzenpersonal unter verschiedenen Tarnbezeichnungen weiter. Die bundesweit bekannteste Tarnbezeichnung für ihre öffentlichen Auftritte ist "Gegenstandpunkt". Der Name ist abgeleitet von ihrer gleichnamigen Publikation, die vierteljährlich erscheint. Ihre Spitzenfunktionäre sind durch keinerlei Wahl demokratisch legitimiert, was aus ihrer Sicht nur konsequent ist, da sie sich im Besitz der alleinigen Wahrheit wähnen und organisationsintern nicht um Inhalte ringen müssen. Mit destruktiv-zynischer Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen in Deutschland will die MG die ablehnende Haltung ihrer Anhänger gegenüber dem demokratischen Rechtsstaat dokumentieren und stärken. Weitere Wesensmerkmale dieser überwiegend aus Akademikern bestehenden Gruppe sind seit jeher ein hohes Maß an Konspiration der Führungszirkel, das Fehlen positiv definierter Ziele und abgeschottete Wohnverhältnisse der Mitglieder. 143 Linksextremismus Im Februar 2010 überzog eine anonyme Person im Internet die Organisation unter dem Tenor "Warnung vor Tarnorganisationen der Marxistischen Gruppe" mit harscher Kritik. Die MG untergrabe "jede revolutionäre antikapitalistische Regung". Ihre Hetzschriften seien ein bedeutsamer Faktor, sympathisierende wie kritische Kräfte zu binden und für andere Projekte lahmzulegen. In Hamburg war die MG unter den Namen "Redaktion Gegenstandpunkt", "Forum Gegenargumente", "Arbeitslose Akademiker/Nachwuchsorganisation", "Arbeitskreis ,Das Kapital' tätig. Führungspersonal und Wirkungsstätten (Altonaer Werkhof, Universität) sind seit Jahren unverändert. Veranstaltungen zu aktuellen Themen wie Bildungsabbau, Wirtschaftsund Finanzkrise sowie Auslandseinsätze der Bundeswehr werden von bis zu 100 Personen besucht. Die Hamburger Publikation "Gegenargumente" wird mehrmals im Jahr aufgelegt und korrespondiert inhaltlich mit den Veranstaltungsthemen. 144 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Rechtsextremismus V. Rechtsextremismus 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick Das Jahr 2010 stand ganz im Zeichen der angestrebten Fusion der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) mit der "Deutschen Volksunion" (DVU). Mit der Unterzeichnung des Verschmelzungsvertrages am 29.12.10 sollte die Fusion zum 01.01.11 wirksam. Die Vereinigung der beiden Parteien zur "NPD - Die Volksunion" wurde jedoch durch eine einstweilige Verfügung des Landgerichts München I vom 25.01.11 vorerst gestoppt. Ob die von Fusionsgegnern aus den Reihen der DVU eingereichte Klage letztlich Erfolg hat, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Die NPD, die den Namenszusatz "Die Volksunion" zumindest übergangsweise tragen will, würde durch die Vereinigung mit der DVU zur einzigen bundesweit aktiven rechtsextremistischen Partei in Deutschland avancieren. Die als historische Entscheidung für eine "starke vereinigte Rechte" gefeierte Fusion kann allerdings nicht den Blick darauf verstellen, dass mit diesem Schritt weder in personeller, organisatorischer noch in strategischer Hinsicht eine wesentliche Stärkung der NPD einhergeht. Denn sie hat die Konkursmasse einer ohnehin kaum noch handlungsfähigen Partei übernommen. Die Hamburger NPD stabilisierte sich im Laufe des Jahres 2010, obwohl sie nicht nur das schlechte Bundestagswahlergebnis vom September 2009 verkraften musste, sondern auch den überraschenden Tod ihres Vorsitzenden Jürgen RIEGER. Zwar erreichte sie nicht das Aktionsniveau des Vorjahres, in dem anlässlich des Bundestagswahlkampfes über 40 Infostände stattfanden, mit Hilfe auswärtiger Aktivisten wie Christian WORCH und Thomas WULFF führte sie jedoch einige Kundgebungen durch. Thematischer Schwerpunkt war die Kampagne gegen die geplante Schulreform. Seit November 2010 gehört WULFF, der nach wie vor in Mecklenburg-Vorpommern wohnt, dem Hamburger Landesverband an und ist seitdem Vorsitzender des Kreisverbandes Bergedorf. Auch ließ er bereits verlauten, dass er für den Landesvorsitz zur Verfügung stünde. 146 Rechtsextremismus Die Fusion mit der DVU hat für den Hamburger Landesverband der NPD so gut wie keine Auswirkungen. Die Hamburger DVU existiert seit Jahren nur noch auf dem Papier. Lediglich einzelne DVU-Mitglieder, die sich weiter parteipolitisch engagieren wollen, sind zwischenzeitlich in die NPD eingetreten. Die parteiunabhängige Neonazi-Szene in Hamburg hat im Jahr 2010 weiter an Schlagkraft verloren. Die wichtigsten Aktivisten der Bramfelder Kameradschaft haben ihr Wirkungsfeld mittlerweile vollständig in die NPD verlagert und üben dort zum Teil Führungsfunktionen aus. 2010 fanden praktisch keine eigenständigen Aktivitäten der Bramfelder Gruppe mehr statt. Auch der maßgeblich von Tobias THIESSEN geleitete "Kameradenkreis Neonazis in Hamburg" verfügt nur noch über einen relativ kleinen Aktivistenstamm. Um bei öffentlichen Aktionen genügend Mitstreiter auf die Straße zu bekommen, ist die Kameradschaft regelmäßig auf die Unterstützung von NPD-Mitgliedern angewiesen. Die subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene ist in Hamburg weitgehend unauffällig. Musikvertriebe, Szeneläden oder -kneipen gibt es hier nicht. Von den 165 rechtsextremistischen Bands in Deutschland stammen nur zwei aus Hamburg. Auch die Skinhead-Gruppierung "Weisse Wölfe Terror Crew" (WWTC), deren Angehörige 2008 und 2009 mehrfach durch szenetypische Straftaten aufgefallen waren, trat 2010 in Hamburg kaum in Erscheinung. 2. Potenziale Die Gesamtzahl der Personen im Bundesgebiet, die nach den Kriterien der Verfassungsschutzbehörden rechtsextremistischen Bestrebungen zugeordnet werden, sinkt seit mehreren Jahren. 2010 zählten die Verfassungsschutzbehörden noch 25.000 Personen (2009: 26.600). Dem Spektrum der "Subkulturell geprägten Rechtsextremisten", das sich überwiegend aus rechtsextremistischen Skinheads und Angehörigen anderer rechtsextremistischer Jugendszenen und Subkulturen zusammensetzt, werden bundesweit noch 8.300 Personen zugerechnet. 2009 lag die Zahl der "Subkulturell geprägten Rechtsextremisten" bei 9.000 Personen, 2008 bei 9.500. 147 Rechtsextremismus Bund: Rechtsextremistische Personenpotenziale 50000 40000 30000 49.700 45.000 41.500 40.700 39.000 38.600 33.000 30.000 26.600 25.000 20000 10000 0 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 - Alle Zahlen sind gerundet - Ein gegenläufiger Trend ist bei den Neonazis zu beobachten. Ihre Zahl stieg das zweite Jahr in Folge, von 4.800 (2008) auf 5.000 (2009) und 2010 auf 5.600 Anhänger. Diese Zunahme ist auch darauf zurückzuführen, dass - entwicklungsund altersbedingt - Aktivisten von der subkulturellen in die neonazistische Szene gewechselt sind oder sich einige Gruppen stärker neonazistisch ausgeprägt haben. Die beiden rechtsextremistischen Parteien NPD und DVU mussten 2010 erneut Mitgliederverluste hinnehmen. Statt 6.800 (2009) hat die NPD noch 6.600 Anhänger, die DVU büßte ein Drittel ihrer Mitglieder ein und verfügte bis zur ihrer formellen Auflösung zum 01.01.11 nominell noch über ca. 3.000 Mitglieder (2009: 4.500). Mit 2.500 Personen ist die Zahl der Rechtsextremisten, die den "sonstigen Organisationen" zugerechnet werden, gleich geblieben. Dieses Spektrum umfasst zahlreiche, sehr unterschiedliche Gruppen, Vereine und andere Personenzusammenschlüsse. 148 Rechtsextremismus Rechtsextremistisches Personenpotenzial 2009 2010 auf Bundesebene Subkulturell geprägte Rechts9.000 8.300 extremisten1 Neonazis2 5.000 5.600 Parteien 11.300 9.500 davon DVU 4.500 3.000 davon NPD 6.800 6.600 Sonstige rechtsextremistische 2.500 2.500 Organisationen Summe 27.800 26.000 abzügl. Mehrfachmitgliedschaften3 1.200 1.000 Gesamtpotenzial 26.600 25.000 davon gewaltorientierte - 9.500 Rechtsextremisten4 - Alle Zahlen sind gerundet - 1 Bisherige Bezeichnung: "Rechtsextremistische Skinheads und sonstige gewaltorientierte Rechtsextremisten" (s.a. Anmerkung 4). 2 Nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften in der Neonazi-Szene. 3 Die Mehrfachmitgliedschaften im Bereich der Parteien und sonstigen rechtsextremistischen Organisationen wurden vom gesamten Personenpotenzial abgezogen (für das Jahr 2009: 1.200; für das Jahr 2010: 1.000). 4 Die Gesamtzahl der gewaltorientierten Rechtsextremisten wird 2010 erstmals gesondert ausgewiesen. Hierzu gehören neben den subkulturell geprägten Rechtsextremisten (rechtsextremistische Skinheads u.a.) die "Autonomen Nationalisten" und Rechtsextremisten aus anderen Bereichen, die individuelle Merkmale von Gewaltbereitschaft aufweisen oder bereits als Gewalttäter aufgefallen sind. Gesondert ausgewiesen wird ab 2010 die Zahl der gewaltorientierten Rechtsextremisten. Neben den "Subkulturell geprägten Rechtsextremisten" werden auch die zu den Neonazis zählenden "Autonomen Nationalisten" als generell gewaltbereit eingestuft. Berücksichtigt werden zudem Personen aus anderen Bereichen des organisierten Rechtsextremismus, die individuelle Merkmale von Gewaltbereitschaft aufweisen oder bereits als Gewalttäter aufgefallen sind. Von den insgesamt 25.000 Rechtsextre149 Rechtsextremismus misten gelten 9.500 als gewaltorientiert. Dies entspricht einer Quote von 38 %. Hamburg Auch in Hamburg sank die Zahl der Rechtsextremisten. Sie liegt nun bei 480 Personen (2009: 530). Zurückzuführen ist dieser Rückgang um 50 Personen auf die Mitgliederverluste der DVU und bei den "sonstigen rechtsextremistischen Organisationen" sowie auf die leicht rückläufige Tendenz bei den Neonazis. Durch die Auflösung der DVU bzw. die angestrebte Fusion mit der NPD ist für 2011 mit einem weiteren deutlichen Rückgang des rechtsextremistischen Personenpotenzials zu rechnen, da voraussichtlich nur ein relativ kleiner Teil der bisherigen Hamburger DVUMitglieder zur NPD wechseln wird. Hamburg: Rechtsextremistische Personenpotenziale 1000 800 600 400 820 640 590 530 550 540 540 540 530 480 200 0 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 -Alle Zahlen sind gerundetEin besonderes Merkmal der rechtsextremistischen Szene in Hamburg ist die starke neonazistische Prägung der NPD. Das Personenpotenzial von NPD und Neonazi-Szene überschneidet sich erheblich. Rund 40 der insgesamt 70 Personen, die dem neonazistischen Spektrum zugeordnet werden, sind gleichzeitig Mitglied im Hamburger Landesverband der NPD. Dessen Mitgliederzahl liegt unverändert bei 140. 150 Rechtsextremismus Die Zahl der Angehörigen der sonstigen rechtsextremistischen Organisationen ist von 80 auf 60 zurückgegangen. Die größte Gruppierung dieses Spektrums ist die Pennale Burschenschaft Chattia Friedberg zu Hamburg ( 8.). Rechtsextremistisches Personenpotenzial 2009 2010 in Hamburg Subkulturell geprägte Rechts140 140 extremisten Neonazis 80 70 Parteien 290 270 davon DVU 150 130 davon NPD 140 140 Sonstige rechtsextremistische 80 60 Organisationen und Einzelpersonen Summe 590 540 abzügl. Mehrfachmitgliedschaften 60 60 Gesamtpotenzial 530 480 davon gewaltorientierte - 180 Rechtsextremisten -Alle Zahlen sind gerundetAußer in der subkulturellen Szene sind gewaltorientierte Rechtsextremisten in Hamburg sowohl in der parteiunabhängigen Neonazi-Szene als auch in der NPD anzutreffen. Gut ein Drittel aller Rechtsextremisten in Hamburg (180 = 38 %) sind bereits entweder durch Gewalttaten aufgefallen oder werden als gewaltorientiert eingeschätzt. 3. Politisch motivierte Kriminalität (PMK) Bei rechtsextremistischen Straftaten (einschließlich der Gewalttaten) wird nach fremdenfeindlichen, rassistischen und antisemitischen Motiven unterschieden. 151 Rechtsextremismus Im Jahr 2010 wurden in Hamburg 316 rechtsextremistische Straftaten verübt und damit 19 mehr als 2009 (297). Dies entspricht einem Anstieg um 6,4 %. Deutlich zurückgegangen sind jedoch die rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten. 2010 wurden 21 Gewalttaten gezählt, 2009 waren es noch 30 (- 30,0 %). Ihr Anteil an der Gesamtzahl der Straftaten liegt bei 6,6 %. PMKRechts 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 PMKRechts 309 189 214 314 441 349 385 318 321 insgesamt davon rechtsextrem. 184 139 173 285 400 332 369 297 316 Straftaten hiervon extrem. 13 4 9 20 29 22 45 30 21 Gewaltdelikte Die Zahlen stammen aus den jeweiligen Jahres-Statistiken der Polizei Hamburg - Stand: Februar 2011 - Fast drei Viertel der 316 Straftaten (228 = 72,2%) waren Propagandadelikte. Die meisten dieser Delikte betrafen den Tatbestand des SS 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen). In rund 60% der SS-86a-Fälle ging es um die Verwendung von Hakenkreuzen - meist in Form von Schmierereien. Zum Teil wurden die Kreuze auch in Autos, Türen und andere Gegenstände geritzt. Tatverdächtige konnten nur selten festgestellt werden. Über die Motive der Täter lassen sich daher auch nur bedingt Aussagen treffen. Die Straftaten werden aber generell als rechtsextremistisch eingestuft - es sei denn, die Tatumstände lassen einen solchen Hintergrund unwahrscheinlich erscheinen oder schließen diesen aus. In die Kategorie der Propagandadelikte fallen auch das Zeigen des "HitlerGrußes" und das Skandieren der Parole "Sieg Heil". Bei diesen Straftaten, die häufig unter Alkoholeinfluss verübt werden, ist auffällig, dass der Anteil bereits bekannter Rechtsextremisten unter den festgestellten Tatverdächtigen relativ klein ist. Die Auswertung der als rechtsextremistisch eingestuften Straftaten deutet darauf hin, dass das Gros dieser Straftaten von Personen verübt wird, die zwar über unterschiedlich starke rechtsex152 Rechtsextremismus tremistische Einstellungen verfügen, organisatorisch aber nicht in die rechtsextremistische Szene eingebunden bzw. politisch dort nicht aktiv sind. Hamburg 2010: Aufteilung der rechtsextremistischen 2009 2010 Straftaten nach Delikten Gesamt 297 316 Propagandadelikte 197 228 Fremdenfeindliche Delikte 60 48 Antisemitische Delikte 24 29 Gewalttaten 30 21 Quelle: Polizei Hamburg - Stand: Februar 2011 - Deutlich wird dies auch bei den rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten. Nur sieben der insgesamt 25 ermittelten Tatverdächtigen waren dem Verfassungsschutz vorher bekannt. Zwei davon haben ihren Wohnsitz nicht in Hamburg. Von den übrigen fünf Gewalttätern gehören zwei der Hamburger NPD an. In beiden Fällen ging es jeweils um eine Auseinandersetzung mit einem politischen Gegner. Am 28.01.10 griff ein bereits hinlänglich als Gewalttäter bekannter NPD-Anhänger in Bergedorf einen Jugendlichen aus der linken Szene grundlos an. Er stieß ihn zu Boden und trat ihm in die Seite. Das zweite Verfahren mit Beteiligung eines NPDMitglieds wurde eingestellt. Die Altersstruktur der gewaltorientierten Aufklärungsquote der rechtsex50 Rechtsextremisten 2010 tremistischen Gewalttaten lag 63 51 40 41 42 44 2010 bei 87,0 % (2009: 80,0 %). 38 Der Personenkreis der gewaltbe30 reiten Rechtsextremisten hat fol22 20 gende Altersstruktur: 15 9 10 8 6 13 Nachfolgend einige Beispiele für 6 2 2 rassistisch motivierte rechtsextre- 0 Unter 20 20 bis 25 26 bis 30 31 bis 40 über 40 Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre mistische Gewalttaten: Gewalttäter Gewaltorientierte Gesamt Am 06.06.10 beleidigte in Rahlstedt ein 66-jähriger Deutscher einen aus dem Iran stammenden Mann auf üble Art und Weise mit Ausdrücken, die 153 Rechtsextremismus Bezug auf die NS-Diktatur nahmen. Außerdem soll der Beschuldigte auf den Mann zugegangen sein und ihn auf den Brustkorb geschlagen haben. Am 07.10.11 versperrte in Billstedt ein 70-jähriger Mann einer aus Syrien stammenden Frau, die mit einem Kinderwagen in die U-Bahn einsteigen wollte, den Weg. Nachdem diese dennoch einstieg und sich beschwerte, rief er: "[...] Kehrt doch zurück zu euren Wurzeln, wo ihr hergekommen seid! [...]!" Er gebrauchte weitere Kraftausdrücke, bespuckte das Kind im Kinderwagen und ging weg. Eine Afrikanerin, die den Vorfall beobachtete, folgte ihm und rief die Polizei. Daraufhin begann der Beschuldigte, die Zeugin an den Kopf und ins Gesicht zu schlagen und beschimpfte sie ebenfalls. Am 23.11.10 wurde eine blinde Frau abends im Eilbeker Park, die einen Blindenhund mitführte, festgehalten und auf äußerst menschenverachtende Art und Weise beleidigt. Zudem sollen der Täter und ein weiterer, bislang unbekannter Mann dem Opfer eine Vergewaltigung angedroht, sie geschlagen und versucht haben, eigene mitgeführte Hunde auf sie zu hetzen. 4. Neonazismus Neonazis in Deutschland definieren sich durch die positive Bezugnahme auf den historischen Nationalsozialismus und das Dritte Reich; sie befürworten einen autoritären "Führerstaat" mit einer ethnisch homogenen Bevölkerungsstruktur. Insbesondere die von der Verfassung besonders geschützte Würde des einzelnen Menschen ist mit den kollektivistischen Überzeugungen von Neonazis unvereinbar, die den Vorrang der "Volksgemeinschaft" propagieren. In der Publikation "Freier Nationalist - Mein Selbstverständnis" wird dazu betont: "Was meinem Volk nutzt ist Recht". Konstitutiv für den Neonazismus ist ein expliziter Rassismus, der die Welt in höherund minderwertige Völker unterteilt und diese Unterscheidung auch zum Kriterium für die Ausgrenzung von Angehörigen fremder Kulturen in Deutschland erhebt. Der ebenfalls sehr ausgeprägte Antisemitismus der neonazistischen 154 Rechtsextremismus Szene stützt sich auf die bereits durch den historischen Nationalsozialismus verbreitete These, Deutschland sei das Angriffsziel einer internationalen jüdischen Verschwörung, die die Weltherrschaft zum Ziel habe. Aktuelle politische Ereignisse werden vor diesem ideologischen Hintergrund interpretiert. So verbreitete der 2009 verstorbene Hamburger Neonazi Jürgen RIEGER etwa die These, dass eine große deutsche Hypothekenbank letztlich nur deshalb auf Kosten des Steuerzahlers mit Milliardensummen gerettet worden sei, weil der Sohn der damaligen Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland im Aufsichtsrat dieser Bank säße. Die neonazistische Szene in Deutschland setzt sich überwiegend aus Kameradschaften sowie Aktionsgruppen und weiteren nur lose strukturierten Personenzusammenschlüssen zusammen, die auf lokaler oder regionaler Eben meist miteinander vernetzt sind. Eine aktuelle Erscheinungsform des Neonazismus sind die "Autonomen Nationalisten" (AN), denen vorwiegend jüngere und gewaltbereite Aktivisten angehören. Hervorstechendste Eigenschaften der AN sind ihr Auftreten als "Schwarzer Block", mit dem sie versuchen, sich bei Aufmärschen ggf. gewaltsam gegen Blockaden von Gegendemonstranten und Polizeiabsperrungen durchzusetzen. Zudem verwenden sie zum Teil aus der linksautonomen Szene bekannte und entsprechend abgewandelte Symbole und Parolen ("Fight the System!", "Kapitalismus zerschlagen, autonomen Widerstand organisieren!" u.a.). Sie propagieren einen revolutionären nationalen Sozialismus und greifen aktuelle sozialund wirtschaftspolitische Themen und Debatten auf. In Hamburg umfasst die neonazistische Szene die Angehörigen von zwei Kameradschaften und deren Umfeld sowie einzelne "Autonome Nationalisten". Eine feste AN-Struktur hat sich hier nicht herausgebildet. Ein Teil der Neonazis hat sich in den letzten Jahren in der Hamburger NPD etabliert und bildet dort deren aktionistischen Kern. Aber auch die parteiunabhängigen Neonazis arbeiten anlassbezogen eng mit der NPD zusammen. Überschneidungen bestehen zudem zwischen der neonazistischen und Teilen der rechtsextremistischen Skinheadszene, wenn auch - verglichen mit früheren Jahren - in sehr viel geringerem Maße. 155 Rechtsextremismus 4.1 Bestrebungen in Hamburg und im Umland Die neonazistische Szene in Hamburg wurde im vergangenen Jahrzehnt insbesondere durch die Kameradschaften "Kameradenkreis Neonazis in Hamburg" und die "Neonaziund Skinheadszene in Bramfeld" geprägt. Als eigenständig aktive Kameradschaft ist nur der "Kameradenkreis Neonazis in Hamburg" übrig geblieben. Mit dem Wechsel ihrer Führungsaktivisten zur NPD hat die Bramfelder Neonaziund Skinheadszene als eigenständige neonazistische Gruppierung seit Jahren weiter an Bedeutung verloren. ( 7.1). Eigenständige Aktivitäten fanden 2010 nicht mehr statt. Da bei einem Großteil der alten Bramfelder Szene an parteipolitischer Arbeit jedoch kaum Interesse besteht, ist diese für politische Kampagnen und Aktionen nur noch sehr eingeschränkt mobilisierbar - am ehesten noch für Aktionen mit direktem Stadtteilbezug. Zusammen mit den etwa zehn fest der Kameradschaft zuzurechnenden NPD-Mitgliedern sind der "Neonaziund Skinheadszene in Bramfeld" etwa 20 Personen zuzurechnen. Ihre frühere Stellung als mobilisierungsstärkste rechtsextremistische Gruppierung in Hamburg hat die Bramfelder Kameradschaft eingebüßt. Weitere Rechtsextremisten, die als Gelegenheitsaktivisten ohne feste Gruppenanbindung dem neonazistischen Umfeld zugerechnet werden, sind in den letzten Jahren ebenfalls immer seltener aufgetreten. Auch der von Tobias THIESSEN angeführte "Kameradenkreis Neonazis in Hamburg" umfasst noch etwa zehn ideologisch gefestigte Mitglieder. Die Anfänge der Kameradschaft reichen bis zum Verbot der "Nationalen Liste" (NL, 1995) zurück, die 1989 von Anhängern des 1991 verstorbenen NeonaziFührers Michael KÜHNEN gegründet und in den 90er-Jahren von Christian WORCH und Thomas WULFF geleitet wurde. Das nach dem NL-Verbot maßgeblich von WULFF entwickelte Konzept der "Freien Nationalisten" ist für die Kameradschaft weiterhin Richtschnur ihres politischen Handelns. Obwohl WULFF selbst seit Jahren der NPD und sogar dem Bundesvorstand angehört, hält der Kreis um THIESSEN an einer parteiunabhängigen Ausrichtung fest. Allerdings hat die Anziehungskraft der Gruppe abgenommen. Versuche, neue Interessenten an die Kameradschaft heranzuführen und zu verlässlichen Aktivisten heranzubilden, waren in den zurückliegenden Jahren nur sehr bedingt erfolgreich. 156 Rechtsextremismus Mitglieder des Kameradenkreises waren auch 2010 in die Planung und Ausführung politischer Aktivitäten im Raum Hamburg eingebunden und haben sich an überregionalen Demonstrationen in Norddeutschland und teilweise darüber hinaus beteiligt. Die propagandistische Auswertung der eigenen Aktivitäten erfolgt ebenso wie der Kontakt zu Interessenten über die Internetseite "mein-hh.info". Sie ersetzte die im Jahr 2009 von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) indizierte und danach von Tobias THIESSEN nicht weiter betriebene Internetseite "Jugend zu uns". Darüber hinaus ersetzt die neue Internetseite den bisherigen Internetauftritt des "Aktionsbüros Norddeutschland". Der Zugang der neonazistischen Szene zu Terminankündigungen, Pressemitteilungen, Berichten und Propagandamaterial wird somit nicht mehr überregional gewährleistet, sondern durch ein spezielles Hamburger Internetangebot. Vergleichbare Internetseiten bestehen in verschiedenen Regionen Norddeutschlands. Materialund Informationsaustausch zwischen den Betreibern stellt eine flächendeckende Versorgung der Szene sicher. Die norddeutschen Kameradschaften sind miteinander in einem informellen Netzwerk verbunden. Auf Koordinierungstreffen der Führungskader, die sich in der Regel auch persönlich gut kennen, werden u.a. überregionale Aktionen geplant. Vor allem die gesunkene Mobilisierungsfähigkeit der einzelnen rechtsextremistischen Gruppierungen in Hamburg hat dazu geführt, dass sich eine intensive Zusammenarbeit zwischen den freien Nationalisten des "Kameradenkreises Neonazis in Hamburg" und der Hamburger NPD etabliert hat, um für öffentlichkeitswirksame Aktivitäten ausreichend Aktivisten auf die Straße zu bekommen. Dabei achten die "Freien Nationalisten" um THIESSEN sehr darauf, dass die Zusammenarbeit kein einseitiger Hilfsdienst wird, sondern gleichberechtigt erfolgt. 4.2 Bestrebungen im Bundesgebiet Die Zahl der Neonazis ist 2010 bundesweit auf 5.600 Personen (2009: 5000) gestiegen. Der überwiegende Teil dieser Aktivisten ist in eine der rund 150 neonazistischen Gruppierungen (Kameradschaften, Aktionsgruppen u.a.) eingebunden. Durch sogenannte Aktionsbüros und Aktionsbünd157 Rechtsextremismus nisse bzw. Koordinierungsgruppen sowie durch regionale Internetangebote werden die Aktivitäten der Kameradschaften auf überregionaler Ebene koordiniert und vernetzt. Die 1979 gegründete "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) ist weiterhin die einzige bundesweit agierende neonazistische Vereinigung. Das BMI hat 2010 gegen sie ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Es prüft, ob sich die Aktivitäten des Vereins in aggressivkämpferischer Weise gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten und seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderläuft. In diesem Zusammenhang wurden im September 2010 bundesweit Wohnräume von Funktionären, Mitgliedern und Anhängern der HNG durchsucht. Objekte in Hamburg waren nicht betroffen. Die HNG verfügt über etwa 600 Mitglieder, von denen ein großer Teil gleichzeitig in regionale rechtsextremistische Zusammenhänge eingebunden ist. Die HNG übt so bundesweit eine integrierende Funktion aus. Insbesondere engagiert sich die Vereinigung bei der Betreuung inhaftierter Rechtsextremisten. Dadurch soll deren Loslösung von der Szene verhindert werden. Die Veröffentlichung der "Nachrichten der HNG", die an alle Mitglieder kostenlos sowie gegen Bezahlung an einige Abonnenten versandt wird, ist ein weiterer wichtiger Tätigkeitsbereich. In der Publikation wird vor allem Kritik an staatlichen Maßnahmen gegen rechtsextremistische Aktivitäten artikuliert. Trotz ihrer wenig professionellen Aufmachung tragen die HNG-Nachrichten mit dazu bei, dem Entstehen eines Unrechtsbewusstseins bei den Inhaftierten entgegenzuwirken. 4.3 Aktionsfelder Im Jahr 2010 gab es mehrere Agitationsschwerpunkte der neonazistischen Szene in Hamburg, die in der Öffentlichkeit besonderes Aufsehen erregende Themen aufgegriffen und für ihre Zwecke instrumentalisiert haben. Eines dieser Themen war die Debatte um Kindesmissbrauch in kirchlichen und anderen Jugendeinrichtungen sowie Meldungen über Personen, 158 Rechtsextremismus denen Kindesmissbrauch oder der Besitz von Kinderpornografie vorgeworfen wird. Bis Juli 2010 wurden entsprechende Aufkleber und Flugblätter produziert. Um die Strafverfolgung wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten zu vermeiden, wurden die Texte auf ihre rechtliche Zulässigkeit hin überprüft und entsprechend vorsichtig formuliert. Auf der Internetseite mein-hh.info wurden Betroffene, gegen die ermittelt wurde, namentlich erwähnt. Auch die öffentliche Debatte über die Hamburger Schulreform wurde für eigene Zwecke genutzt. Neonazis unterstützten hierzu eine Kampagne der Hamburger NPD gegen die Reform. Die Primarschule wurde als "Volksverdummung mit Migrationshintergrund" diffamiert und bestmögliche Bildung "für alle Deutschen" gefordert. Die fremdenfeindlich motivierte Kampagne wurde als Erfolg gewertet, man habe sich "kompromisslos für eine deutsche Bildungspolitik" eingesetzt. Ihre fremdenfeindliche Agitation setzte die Neonaziszene auch in anderer Form fort. Da die Hetze gegen Migranten ein Dauerthema ist und sich die politischen Forderungen ständig wiederholen, greifen die Neonazis häufig auf ältere Flugblätter und Aufklebermotive zurück, die zumeist nur aktualisiert oder anlassbezogen überarbeitet werden. Im Zusammenhang mit der von Thilo SARRAZIN zugespitzten Debatte über Integrationsdefizite insbesondere muslimischer Migranten wurde u.a. behauptet, Zuwanderung sei ein von den "Herrschenden" gewolltes und genutztes Instrument, um den "Volkstod" herbeizuführen und eine willfährige ausbeutbare Masse zu schaffen. Im Oktober veröffentlichten parteiunabhängige Neonazis zusammen mit Aktivisten aus der NPD unter der Überschrift "Überfremdungsfalle" ein neues Flugblatt, das "Schluss mit Überfremdung und Multikulti" fordert. Weiter wird darin dazu aufgerufen, Widerstand zu leisten: "Die Politik bringt uns den Untergang - Wann stehst DU endlich dagegen auf? [...] Wir müssen das System abschaffen, bevor das System uns Deutsche abschafft!". Trotz der aggressiven Kritik an "Überfremdung" halten sich Neonazis - anders als etwa die NPD - mit Islamkritik eher zurück. Hintergrund dafür ist, dass die Neonaziszene in der Tradition des historischen 159 Rechtsextremismus Nationalsozialismus das Judentum als Hauptfeind betrachtet, die islamische Welt dagegen als potenziellen Verbündeten. Siehe hierzu den Beitrag "SARRAZIN-Thesen unter Rechtsextremisten umstritten" v. 16.09.10 unter "Schlagzeilen aus dem politischen Extremismus" Das Thema "Überfremdung" bildete auch den Hintergrund des 2010 zum zweiten Mal von der norddeutschen Neonaziszene organisierten "Tages der deutschen Zukunft". An der Demonstration, die am 07.06.10 in Hildesheim stattfand, nahmen mindestens 600 Rechtsextremisten teil. An der ersten Demonstration zum "Tag der deutschen Zukunft" am 06.06.09 in Pinneberg hatten sich lediglich 200 Neonazis beteiligt. In der zweiten Jahreshälfte 2010 waren Angehörige des "Kameradenkreises Neonazis in Hamburg" federführend bei der Kampagne "Gegen linke Gewalt" in HamburgBergedorf. Hintergrund war eine Ausstellung über "Opfer rechter Gewalt" im September und Oktober 2010 in der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Lohbrügge. Die Stadtteile Bergedorf und Lohbrügge wurden in den vergangenen Jahren häufiger für Schwerpunktaktionen genutzt - mehrfach kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen der linken Szene und Rechtsextremisten. Eine Gegenkampagne sollte auf die von "Linken" ausgehende Gewalt aufmerksam machen. Hierzu war auch beabsichtigt, sich direkt vor Ort einzumischen. So besuchte eine Gruppe von Neonazis am 09.09.10 eine Begleitveranstaltung zu der Ausstellung in Bergedorf und setzte sich demonstrativ in die ersten Reihen. Der Veranstalter rief die Polizei, die die ungebetenen Besucher zum Verlassen des Saals aufforderte. Auf ihrer Internetseite beschwerten sie sich gegen diese Maßnahme: "Aber so kennen wir dieses System! Linker, antideutscher Mainstream wird um jeden Preis hofiert - dagegen volkstreue Meinungen und Menschen notfalls auch mit Polizeigewalt unterdrückt." Zwei Tage später verteilten mehrere Neonazis eigens hergestellte Flugblätter in der Bergedorfer Fußgängerzone - in unmittelbarer Nähe eines Informationsstandes der SPD. Auch hier erhielten die Aktivisten Platzverweise, denen sie widerwillig nachkamen. Zum Schluss der Kampagne wurden am 25.09.10 erneut Flugblätter 160 Rechtsextremismus verteilt. Einzelne Neonazis besuchten außerdem die in ihren Augen "verleumderische Hetzausstellung" und legten Flugblätter aus. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt veranstalteten Hamburger Neonazis 2010 mehrfach Gedenkaktionen für in den frühen 30er-Jahren gewaltsam zu Tode gekommene SA-Männer. Im Umfeld der historischen Tatorte stellten sie Gedenktafeln auf. Anstoß für die Ehrungen gab das 2008 erschienene Buch "Blutzeugen - Beiträge zur Praxis des politischen Kampfes in der Weimarer Republik" von Andre BUSCH, dem am 20.12.10 gestorbenen Mitglied der PB! Chattia ( 8.). Darin stellt BUSCH mit erkennbarer Sympathie für die nationalsozialistische Bewegung die akribisch recherchierten Todesumstände zahlreicher SA-Männer dar. In der anschließenden Internetberichterstattung auf mein-hh.info wurden die getöteten Personen für ihre "persönliche Opferbereitschaft im Kampf um Deutschland" als Vorbilder gewürdigt. Mit der Ehrung der gestorbenen SA-Männer bekennen sich Hamburger Neonazis offen zum historischen Nationalsozialismus. Ehrbekundungen für getötete SA-Angehörige sind, wie die Gedenkveranstaltungen anlässlich der Jahrestage der Zerstörung deutscher Städte während des Zweiten Weltkriegs und das Anprangern der alliierten Kriegsführung als Kriegsverbrechen ("Bombenholocaust"), Teil einer breit angelegten revisionistischen Kampagne. Mit ihr versucht die neonazistische Szene, die Stigmatisierung des historischen Nationalsozialismus aufzubrechen, indem sie Deutsche verstärkt als Opfer darstellt. Der jährlich im Februar stattfindende Trauermarsch zum Gedenken an die Zerstörung Dresdens war in den vergangenen Jahren die teilnehmerstärkste rechtsextremistische Veranstaltung in Deutschland. Auch im Jahr 2010 reisten mehr als 6.000 Rechtsextremisten an. Der Marsch wurde durch Blockaden von Gegendemonstranten verhindert. Für die norddeutsche Neonaziszene ist der im März stattfindende Lübecker Gedenkmarsch von großer Bedeutung. Am 27.03.10 kamen 250 Rechtsextremisten (2009: 350) nach Lübeck, die jedoch eben161 Rechtsextremismus falls nicht marschieren konnten, da ihnen mehrere Hundert Gegendemonstranten den Weg versperrten. Zu einer weiteren für norddeutsche Neonazis wichtigen Veranstaltung hat sich in den vergangenen Jahren der Gedenkmarsch in Bad Nenndorf entwickelt. Hintergrund der Veranstaltung ist ein dort nach dem Zweiten Weltkrieg betriebenes Kriegsgefangenenlager, das von Neonazis als "alliiertes Folterlager" bezeichnet wird. Am Gedenkmarsch nahmen 2010 mit ca. 1.000 Rechtsextremisten mehr Personen teil als in den Vorjahren. Dagegen haben Gedenkaktionen zum Todestag von Rudolf Heß (17. August) weiter an Bedeutung verloren. Nachdem in jahrelanger Praxis HeßGedenkveranstaltungen verboten worden waren und das Bundesverfassungsgericht 2009 die Verfassungsmäßigkeit des SS 130 Abs. 4 StGB als Verbotsgrundlage festgestellt hatte, war den Neonazis verwehrt, zu Veranstaltungen mit direktem Heß-Bezug aufzurufen. Auch wenn diese szeneintern als Heß-Gedenken interpretiert wurden, ließen sich weder Größenordnung noch öffentliche Aufmerksamkeit früherer Jahre erreichen. Zu der für den 21.08.10 geplanten Gedenkaktion in Neumünster zu Ehren Friedrichs des Großen, dessen Todestag ebenfalls der 17. August ist, fanden sich lediglich ca. 90 Teilnehmer ein. Wegen der großen Anzahl von Gegendemonstranten ließ die Polizei nur eine stationäre Kundgebung zu. Die Neonazis brachen daraufhin die Versammlung ab. Die Hamburger Neonaziszene gedenkt seit Jahren der Opfer der Bombardierung Hamburgs ("Operation Gomorrha") durch eine Kranzniederlegung auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Am 25.07.10 wollten ca. 20 Neonazis auf dem Friedhof wie jedes Jahr einen Kranz ablegen. Sie wurden jedoch von der Polizei daran gehindert. Daraufhin entfernte sich die Gruppe und verlegte die Veranstaltung nach Bramfeld zu einem dortigen Soldaten-Ehrenmal. An gleicher Stelle versam162 Rechtsextremismus melten sich am Volkstrauertag (14.11.10, Foto links unten) etwa 20 Hamburger Neonazis zu ihrem traditionellen "Heldengedenken". 5. Subkulturell geprägte Rechtsextremisten Die subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene hat sich in den letzten zehn Jahren deutlich gewandelt. Der typische rechtsextremistische Skinhead mit Glatze, Springerstiefeln und Bomberjacke gehört zwar noch immer - vor allem in Ostdeutschland - zum Erscheinungsbild der Szene. Der Anteil der Rechtsextremisten, die der klassischen Skinhead-Bewegung entstammen, nimmt jedoch - auch altersbedingt - weiter ab. Mit dem Generationswechsel hat sich auch der in der Szene vorherrschende Musikund Lebensstil verändert. Jugendliche und junge Erwachsene, die diesem Spektrum zugerechnet werden, geben aber anhand anderer Merkmale zu erkennen, "rechts" eingestellt zu sein. Hierzu gehört das Tragen bestimmter Kleidungsmarken sowie das Tragen typischer Symbole oder entsprechender Tätowierungen. Kennzeichnend ist das Ausleben eines "rechten" Lebensgefühls, zu dem neben rechtsextremistischer Rockmusik mit nationalistischen und fremdenfeindlichen Texten auch starker Alkoholkonsum und szenetypische Straftaten gehören. Insbesondere über die Musik und das Internet kommen diese Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit rechtsextremistischem Gedankengut und Ideologiefragmenten in Berührung. An zielgerichteter politischer Arbeit besteht in der Regel nur geringes Interesse. Gleichwohl sind Angehörige dieser Szene auf Demonstrationen und Veranstaltungen der NPD und der neonazistischen Kameradschaften. Sie bilden daher weiterhin ein wichtiges Mobilisierungspotenzial. Das Zusammengehörigkeitsgefühl wird durch gemeinsame Freizeitgestaltung wie dem Besuch von Konzerten oder anderen Szeneveranstaltungen zusätzlich gestärkt. Neben und teilweise überschneidend mit den neonazistischen Gruppen bzw. ihrem Umfeld existiert auch in Hamburg eine rechtsextremistische Jugendszene, die äußerlich kaum noch der Subkultur der Skinheads zugerechnet werden kann. Ihr gehören etwa 140 Personen an. Besondere örtliche Schwerpunkte haben sich in den vergangenen Jahren in der Stadt nicht verfestigt. Die von der subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene ausgehende Gefahr besteht vor allem in ihrer Gewaltbereitschaft. Eine frem163 Rechtsextremismus denfeindliche bis rassistische Einstellung ist häufig Auslöser für gewalttätige Übergriffe, die jedoch selten geplant sind, sondern häufig aus einer Gruppe heraus und unter Alkoholeinfluss spontan verübt werden. Zur klassischen rechtsextremistischen Skinheadszene gehört die Gruppe "Weisse Wölfe Terror Crew" (WWTC), die 2008 und 2009 in Hamburg durch eine Reihe szenetypischer Straftaten und Körperverletzungsdelikte auffiel. Gegründet wurde sie von Anhängern der rechtsextremistischen Rockband "Weisse Wölfe". Der WWTC gehören 20 bis 25 Personen an, die aus verschiedenen Bundesländern stammen (Brandenburg, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Hamburg). Die Gruppe unterhält über einzelne Mitglieder auch Kontakte zu Rockern in Brandenburg. Auch 2010 wurden Hamburger WWTC-Mitglieder polizeilich auffällig: Sie beleidigten in der Silvesternacht 2009/10 eine dunkelhäutige Frau, rempelten sie an und schlugen ihr gegen den Kopf. Insgesamt sind die Aktivitäten der Gruppe in Hamburg deutlich zurückgegangen. Ein Grund dafür dürfte sein, dass der informelle Anführer der Hamburger WWTC-Gruppe seit Anfang 2010 in Brandenburg wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit zwei Fällen der vorsätzlichen Körperverletzung eine 14-monatige Haftstrafe verbüßte. Bei einem Polizeieinsatz gegen Mitglieder der WWTC hatte er im Juni 2008 im Hamburger Jacobi-Park eine Polizeibeamtin schwer verletzt. Auch Durchsuchungen am 28.10.09 in mehreren Bundesländern bei 23 WWTC-Angehörigen wegen Verstoßes gegen das Uniformverbot haben ihre Wirkung offenbar nicht verfehlt ( "Verfassungsschutzbericht 2009", S. 178). 6. Rechtsextremistische Musik Wie in anderen Jugendkulturen hat Musik für die subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene eine wichtige identitätsstiftende Funktion. Zudem ist sie für die Verbreitung rechtsextremistischen Gedankengutes von zentraler Bedeutung und bietet Außenstehenden eine leicht zugängliche Einstiegsmöglichkeit, sich mit den Inhalten zu beschäftigen. Auch über den Besuch von Konzerten rechtsextremistischer Bands und politischer Veranstaltungen der NPD mit Musikprogramm wird versucht, Interessen164 Rechtsextremismus ten enger an die rechtsextremistische Szene heranzuführen und sie für die "nationale Sache" zu gewinnen. Neben dem aus der Skinhead-Bewegung bekannten Oi-Rock haben sich mittlerweile schnellere und noch härtere Spielarten wie NS-Hardcore bzw. -Hatecore und NS-Black-Metal in der Szene etabliert. Zwar wird angesichts drohender Strafverfolgung stärker darauf geachtet, keine volksverhetzenden, rassistischen, beleidigenden oder gewaltverherrlichenden Inhalte zu verbreiten; die hinter den entschärften, teilweise sozialkritisch verbrämten Texten stehende rechtsextremistische Ideologie kommt jedoch weiter deutlich zum Vorschein. Unter der Hand werden allerdings auch weiterhin konspirativ hergestellte Musikproduktionen mit strafrechtlich relevanten Texten verbreitet. Ihr Anteil an der Gesamtproduktion rechtsextremistischer Musik ist jedoch gering. 2010 waren 165 rechtsextremistische Bands in Deutschland aktiv sowie 29 Liedermacher. 2010 zählten die Verfassungsschutzbehörden 128 rechtsextremistische Konzerte mit einer durchschnittlichen Besucherzahl von 130 Personen. Rechtsextremistisches Musikund Propagandamaterial wird vorwiegend über das Internet vertrieben. Neben Online-Händlern, Auktionshäusern, Downloadportalen und privaten Tauschbörsen gibt es vor allem in Ostdeutschland noch zahlreiche Szeneläden sowie mobile Händler, die einschlägige Ware u.a. auf Konzerten anbieten. Mit der Produktion und dem Verkauf rechtsextremistischer CDs werden jährlich mehrere Millionen Euro umgesetzt. Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten und Volksverhetzung gab es im Juli 2010 in Berlin zwei Durchsuchungen gegen den "Wearwolf-Versand". Dabei wurden u.a. mehr als 6.500 Tonträger rechtsextremistischer Bands beschlagnahmt. Auch über Internetradio werden rechtsextremistische und teilweise strafbare Inhalte verbreitet. Am 02.11.10 durchsuchten Ermittler des Bundeskriminalamtes (BKA) in zehn Bundesländern - Schwerpunkt: RheinlandPfalz und Nordrhein-Westfalen - 22 Wohnungen und Häuser von Betreibern des rechtsextremistischen Internetradios "Widerstand-Radio". 23 Personen wurden vorläufig festgenommen. Gegen sie besteht der Verdacht der Volksverhetzung. Außerdem wird ihnen die Bildung einer kriminellen Ver165 Rechtsextremismus einigung vorgeworfen. Die Beschuldigten sollen sich als Administratoren und Moderatoren des Radios mit Kommentaren und dem Abspielen von Musiktiteln deutscher und internationaler Skinhead-Bands mit menschenverachtenden, rassistischen und zum Teil nationalsozialistischen Inhalten strafbar gemacht haben. Neben der strafrechtlichen Verfolgung ist auch die Indizierung rechtsextremistischer CDs ein probates Mittel, deren Verbreitung stark einzuschränken. So wurde im September 2010 die neue "Schulhof-CD" der NPD Mecklenburg-Vorpommern durch eine vorläufige Anordnung von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) auf den Index gesetzt, d.h. in die Liste der jugendgefährdenden Medien aufgenommen, da Aussagen der CD u.a. den Nationalsozialismus verherrlichten. Das Eilverfahren war angestrengt worden, da die neue CD kurzfristig in einer Auflage von 25.000 Stück in Umlauf gebracht und insbesondere vor Schulen verteilt werden sollte. Geplante Verteilaktionen wurden daraufhin unterbunden bzw. fanden nicht statt. Rechtsextremisten nutzen die "Schulhof-CDs" seit 2004, um durch die massenhafte Verteilung von Rechtsrock-CDs ihre Ideologie an Schülerinnen und Schüler heranzutragen. Politisch nicht gefestigte Jugendliche sollen so leichter für die rechtsextremistische Szene gewonnen werden. Eingesetzt wurden die CDs häufig im Vorfeld von Wahlen, um Erstund Jungwähler anzusprechen. Die aktuell indizierte CD mit dem Titel "Freiheit statt BRD!" umfasst 14 Lieder bekannter rechtsextremistischer Interpreten wie "ARISCHE JUGEND" oder "BLITZKRIEG" und sollte offenbar propagandistisch auf die Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern am 04.09.11 vorbereiten. Seit einigen Jahren tritt auch die NPD als Veranstalter von Konzerten auf bzw. verbindet politische Veranstaltungen mit einem musikalischen Rahmenprogramm. Sie erreicht damit ein relativ großes Publikum. Zu der von der NPD alljährlich organisierten Konzertveranstaltung "Rock für Deutschland", die am 10.07.10 in Gera stattfand, kamen immerhin 1.200 Besucher. 2009 hatten mehr als dreimal so viele - ca. 3.900 Personen - die Veranstaltung besucht, insbesondere um die in der rechtsextremistischen Szene 166 Rechtsextremismus sehr populäre Band "DIE LUNIKOFF-VERSCHWÖRUNG" zu hören, die Band des ehemaligen "Landser"-Sängers Michael REGENER alias LUNIKOFF. Ein solcher Publikumsmagnet fehlte 2010. Rechtsextremistische Konzerte werden oftmals als Geburtstagsoder sonstige Privatfeiern getarnt und so auch bei potenziellen Vermietern geeigneter Räumlichkeiten angemeldet, da diese sich zunehmend aufgeklärt und kritisch zeigen. In Hamburg griffen Rechtsextremisten in den vergangenen Jahren mangels anderer Möglichkeiten auf Vereinshäuser in Kleingartenvereinen als Veranstaltungsorte zurück. Für solche Konzerte wird generell nicht öffentlich, sondern konspirativ - meist via SMS und Kontakttelefon - geworben. 2010 fanden in Hamburg zwei Konzerte der rechtsextremistischen Szene statt. Am 15.05.10 gaben die rechtsextremistischen Bands "TIMEBOMB", "BLITZKRIEG" und "PROJEKT VRIL" ein Konzert in einer Kleingartenanlage in Hamburg-Moorfleet vor etwa 250 Besuchern, die meisten davon aus dem Hamburger Umland. Am 27.11.10 trat die Hamburger Band "Schall und Rauch" im Rahmen eines Konzertes mit weiteren Bands in einer abgelegenen Werkshalle am östlichen Stadtrand auf. Bei der anschließenden Personenkontrolle stellte die Polizei etwa 100 Konzertbesucher fest. Im Dezember 2009 hatte die Band an gleicher Stelle ein Konzert gegeben. Das im November 2009 veröffentlichte Debütalbum von "Schall und Rauch" wurde 2010 von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) ausgewertet. Die BPjM kam zu dem Schluss, dass von dem Tonträger eine erhebliche Jugendgefährdung ausgeht, da sein Inhalt zum Rassenhass aufreizt, verrohend wirkt und zu Gewalthandlungen auffordert. Mit Entscheidung vom 11.11.10 wurde die CD gem. SS18 Abs. 2 Nr. 1 des Jugendschutzgesetzes in den Teil A der Liste der jugendgefährdenden Medien aufgenommen und darf Jugendlichen somit nicht mehr zugänglich gemacht werden. Zudem fand am 20.03.10 ein Konzert der Musikgruppe "KATEGORIE C - HUNGRIGE WÖLFE" in einer Gaststätte im Stadtteil Hamburg-Moorburg statt. Die Band war bereits am 14.03.09 an gleicher Stelle aufgetreten. Ihr Name leitet sich von der Polizeiklassifizierung für "gewaltsuchende" Fußballfans ab, die in die "Kategorie C" fallen. Die Gruppe 167 Rechtsextremismus wird gegenwärtig zwar nicht als rechtsextremistisch eingestuft, erfreut sich allerdings sowohl bei Hooligans als auch in der rechtsextremistischen Szene großer Beliebtheit. Unter den insgesamt ca. 450 Besuchern befanden sich dementsprechend viele Rechtsextremisten. 7. Rechtsextremistische Parteien 7.1 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) Durch die Fusion mit der DVU, die zum 01.01.2011 wirksam werden sollte, wollte die NPD zur einzigen Mitglieder: 6.600 bundesweit aktiven rechtsextremistiBundessitz: Berlin schen Partei in Deutschland aufsteiVorsitzender: Udo VOIGT gen. Durch eine einstweilige Verfügung des Landgerichts München I Landesverband Hamburg vom 25.01.11 wurde die Fusion Mitglieder: 140 jedoch vorerst gestoppt. Ob die VerVorsitzender: Torben KLEBE schmelzung, die bereits formal voll(kommissarisch) zogen wurde, Bestand haben wird, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Ihre Vorrangstellung im rechtsextremistischen Parteienspektrum und ihre Wahlerfolge der vergangenen Jahre konnte die NPD bislang nicht in Mitgliederzuwächse ummünzen. Im Gegenteil: Bereits das zweite Jahr in Folge ging die Zahl der Mitglieder zurück, Ende 2009 hatte sie noch 6.800 Mitglieder. Nach den insgesamt enttäuschenden Wahlergebnissen des Vorjahres rief VOIGT Anfang 2010 eine Strategiekommission zusammen, die die Gründe für das schlechte Abschneiden analysieren und Vorschläge für eine politisch-strategische Neuausrichtung erarbeiten sollte. Am 16. und 17.01.10 trafen sich in Berlin hierzu Funktionsträger aus allen Teilen der Partei, Landtagsabgeordnete und parteilose Experten. Aus den verabschiedeten Empfehlungen, wie etwa der "Öffnung der Partei für alle volksund heimattreuen Kräfte, um deren Einheit zu fördern", ließ sich bereits ablesen, dass die "radikalen" Kräfte in der NPD, die auf kompromisslose Systemopposition setzten, weiter an Rückhalt verloren hatten. Die Vertreter des 168 Rechtsextremismus so genannten "Sächsischen Wegs", die für einen "gegenwartsbezogenen und volksnahen Nationalismus" plädierten, konnten in der Folge ihren Einfluss in der NPD weiter ausbauen. Angeführt wird dieser Parteiflügel vom Fraktionsund Landesvorsitzenden der NPD in Sachsen, Holger APFEL. Während VOIGT es 2009 noch als gefährlichen Anpassungskurs wertete, eine einseitige Hinwendung zu "national-konservativen" Kreisen anzustreben, lässt das neue, am 04./05.06.10 auf dem Bundesparteitag in Bamberg verabschiedete Parteiprogramm eine gewisse Umorientierung erkennen. In der zwei Tage dauernden Programmdebatte setzte sich mit Unterstützung VOIGTs die Vorlage der Programmkommission mit dem Titel "Das Parteiprogramm der NPD. Arbeit, Familie, Vaterland" mehrheitlich durch. Das angenommene Programm ist eine Kombination von Textpassagen aus dem Programmentwurf des Parteivorstands vom April und Programmänderungsvorschlägen des sächsischen Landesverbandes. Frühere Textentwürfe wiesen zunächst punktuelle Radikalisierungen im Vergleich zum Parteiprogramm von 1996 auf. Sie wurden entschärft. Im Unterschied zum Parteivorstandsentwurf greift das neue Programm z.B. in den Kapiteln, die sich mit Wirtschaftsund Sozialfragen befassen, weniger auf antisemitisch besetzte Begriffe wie "internationale Hochfinanz" oder "operierendes Finanzkapital" zurück. An der Ablehnung der Globalisierung hält die NPD jedoch fest und setzt programmatisch weiterhin auf das Konzept der "Volksgemeinschaft". Dieses Prinzip findet durchgehend Anwendung in den verschiedenen Arbeitsfeldern. Ein Kapitel steht unter dem Titel "Deutschland den Deutschen" und hat die polemische Unterüberschrift "Integration ist Völkermord". Ein weiteres Kapitel trägt die Überschrift "Schuldkult beenden". Dort fordert die NPD, dem "staatlich verordneten Schuldkult", der nicht zuletzt "im Dienst fremder Finanzinteressen stehe", eine Absage zu erteilen. APFEL betonte in einer Stellungnahme zum neuen Parteiprogramm, die Partei habe sich als "sozialrevolutionäre Kraft" positioniert. Der Dreiklang "nationale Identität, nationale Souveränität und nationale Solidarität" ziehe sich wie ein roter Faden durch das Programm, das in wesentlichen Punkten die Handschrift der "sächsischen Nationaldemokraten" trage. 169 Rechtsextremismus Noch vor Beginn des Parteitags kündigten VOIGT und der DVU-Vorsitzende Matthias FAUST in einer Pressekonferenz an, eine Fusion beider Parteien herbeiführen zu wollen. Im Juli 2010 führten NPD und DVU hierzu Mitgliederbefragungen durch. Gefragt wurde: 1. Halten Sie eine Vereinigung von NPD und DVU für sinnvoll, sofern der NPD daraus keine neuen Schulden entstehen? 2. Soll eine Vereinigung auch mit anderen Parteien und Organisationen angestrebt werden? 3. Halten Sie bei einer Vereinigung einen neuen Parteinamen für sinnvoll? Nach eigenen Angaben hat sich etwa ein Drittel der NPD-Mitglieder an der Befragung beteiligt. Gut 90% sprachen sich danach für die geplante Verschmelzung aus. Der Sonderparteitag, auf dem über die Verschmelzung abgestimmt wurde, fand am 06./07.11.10 in Hohenmölsen (SachsenAnhalt) statt. 194 der 207 Delegierten (93,7 %) votierten für die Fusion, 193 (93,2%) stimmten auch dem zwischenzeitlich ausgearbeiteten Verschmelzungsvertrag zu. Bei den Nachwahlen zum Parteivorstand wurde FAUST zu einem der drei stellvertretenden Parteivorsitzenden der NPD gewählt. Durch den Tod Jürgen RIEGERs war dieser Stellvertreterposten vakant geworden. Der Landesvorsitzende der DVU in Sachsen und Sachsen-Anhalt, Ingmar KNOP, wurde zusammen mit DVU-Präsidiumsmitglied Heiner HÖVING ebenfalls in den Bundesvorstand der NPD gewählt. Im Dezember 2010 folgte die nach der NPD-Satzung erforderliche Urabstimmung über die Parteitagsbeschlüsse. Nach Parteiangaben seien 2.375 Antworten eingegangen; 95,15 % der teilnehmenden NPD-Mitglieder hätten sich für den Zusammenschluss ausgesprochen. Nachdem die NPD den so genannten "Deutschlandpakt", der Wahlabsprachen bis Ende 2009 beinhaltete, im Juni 2009 vorzeitig aufgekündigt hatte, schien eine weitere Zusammenarbeit mit der DVU zunächst in weite Ferne gerückt. Bereits im Februar 2010 ging FAUST jedoch wieder auf die NPD 170 Rechtsextremismus zu. VOIGT nahm das Angebot zum Zusammenschluss von NPD und DVU positiv auf und forcierte in der Folgezeit die Fusionsverhandlungen. Den Weg zur Vereinigung der beiden Parteien ebnete jedoch letztlich VOIGTs langjähriger Widersacher, der ehemalige DVU-Parteivorsitzende Dr. Gerhard FREY. Durch den Verzicht auf die Rückzahlung von Darlehen in Höhe von rund einer Million Euro, die er der DVU privat zur Verfügung gestellt hatte, wurde der entscheidende Hinderungsgrund beseitigt. Der als "historische Entscheidung von großer strategischer Reichweite" gefeierte Zusammenschluss von NPD und DVU bezieht seine Bedeutung in erster Linie aus dem dahinterstehenden Willen, den politischen Konkurrenzkampf unter den rechtsextremistischen Parteien zu beenden und die politischen Kräfte zu bündeln. Zur Vier-Säulen-Strategie der NPD gehört der sogenannte "Kampf um den organisierten Willen" mit dem Ziel, die Einheit des rechtsextremistischen Lagers zu verwirklichen. (Internetseiten des LfV Hamburg, Arbeitsfeld Rechtsextremismus, Parteien und Organisationen, NPD) Zwar wäre die NPD diesem Ziel durch den Zusammenschluss - sollte er Bestand haben - einen entscheidenden Schritt näher gekommen; faktisch führt dies jedoch zu keiner nennenswerten Stärkung der Partei. Die DVU befand sich 2010 personell, organisatorisch und finanziell in einer desolaten Situation und war politisch nahezu handlungsunfähig. Ein Stammwählerpotenzial war kaum noch vorhanden. Auch die Annahme, dass die Mitgliederzahl nach der Fusion auf über 10.000 ansteigen könnte, war von Anfang an nur theoretischer Natur. Selbst der NPD-Vorsitzende rechnete im Dezember 2010 allenfalls mit 1.000 neuen Mitgliedern. Im Verschmelzungsvertrag wurde festgelegt, dass die DVU sich formell auflösen und jedes Mitglied seinen Beitritt zur "NPD - Die Volksunion" persönlich erklären muss. Angesichts der vielen passiven DVU-Mitglieder dürfte daher selbst diese Zahl nur schwer zu erreichen sein. Zudem dürfte die NPD vielen ehemaligen DVU-Mitgliedern zu neonazistisch ausgerichtet sein. Die zur Gesichtswahrung der DVU gewählte Formulierung, dass die Vereinigung auf Augenhöhe stattfinde, entspricht somit nicht der Realität. Tatsächlich hat die NPD die Konkursmasse der DVU aufgenommen und diejenigen, die ihr die Partei und ihr Vermögen zugeführt haben, zum Teil mit lukrativen Posten belohnt. Zurückgeblieben ist eine nicht unerhebliche Zahl aufgebrachter DVU-Funktionäre, die die Fusion zwar nicht verhindern 171 Rechtsextremismus konnten, aber weiterhin mit juristischen Mitteln versuchen, sie rückgängig zu machen ( 7.2, DVU). Insgesamt hat sich durch die Fusion die Ausgangslage der NPD für das "Superwahljahr 2011" eher verbessert. Schwerpunkt für die NPD ist die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am 20.03.11. Dort erhofft sie sich, nach Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern in ein drittes Landesparlament einziehen zu können. Auch bei der Bürgerschaftswahl am 22.05.11 in Bremen rechnet sie sich Chancen aus, über die Sonderregelung für Bremerhaven zumindest ein Mandat in der Bürgerschaft zu erringen. 2010 fielen Abgeordnete der NPD erneut mit rechtsextremistischen und antisemitischen Entgleisungen auf. So sorgte Holger APFEL bei einer Rede im Dresdner Landtag am 17.06.10 für Empörung, als er bezogen auf Israel vom "jüdischen Schurkenstaat" sprach und die "blühende Holocaust-Industrie" geißelte. APFEL musste daraufhin den Saal verlassen. Weil er sich zunächst weigerte zu gehen, wurden Polizisten herbeigerufen, die ihn aus dem Saal begleiteten. Bis Dezember 2010 wurde er von der Teilnahme an den Plenarsitzungen ausgeschlossen. Seine dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Wie in den Vorjahren legten NPD und JN einen Schwerpunkt ihrer öffentlichen Aktionen auf den 1. Mai. Zu den insgesamt fünf Veranstaltungen kamen knapp 1.500 Teilnehmer. An der Demonstration in Rostock beteiligten sich etwa 450 Rechtsextremisten, darunter die komplette NPDLandtagsfraktion aus Mecklenburg-Vorpommern. In seiner Rede thematisierte der Fraktionsvorsitzende Udo PASTÖRS die "demographische Katastrophe" in Deutschland und den "drohenden Volkstod". In Erfurt versammelten sich ebenfalls rund 450 Personen zu einem Aufzug unter dem Motto "Arbeit statt Abwanderung". Der NPD-Bundesvorsitzende Udo VOIGT (Foto) führte in seiner Rede aus, die NPD setze der "Entfremdung und Entsolidarisierung in der multikulturellen Gesellschaft" die Idee der "solidarischen Volksgemeinschaft" entgegen. Statt Integration von Zuwanderern gelte es, ein "Gesetz zur Ausländerheimführung" durchzusetzen. Unter dem Motto "Arbeit für Deutsche - Fremdarbeiter-Invasion stoppen" fand in Zwickau eine Kundgebung mit rund 400 Teilnehmern statt. Hier hielt APFEL 172 Rechtsextremismus eine äußerst aggressive Rede, in der er gegen ausländische Arbeitnehmer und "Sozialschmarotzer" hetzte. Um die heimische Wirtschaft und die deutschen Arbeitnehmer gleichermaßen zu schützen, müsse der Kampf gegen "Fremdarbeiter" aufgenommen werden. Die einzige "Opposition zum liberalistischen Ausbeutersystem", so APFEL, sei heutzutage die "Kapitalismuskritik von rechts". Deutlich weniger Zulauf hatte die NPD im Westen. Zu Kundgebungen in Pirmasens und Solingen erschienen nur 100 bzw. 30 NPD-Anhänger. Auch an den Wahlergebnissen lässt sich ablesen, dass die NPD in den westdeutschen Ländern sehr viel weniger Zustimmung erfährt als im Osten. Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 09.05.10 erzielte die NPD einen Stimmenanteil von 0,7 % und lag damit noch um 0,2 Prozentpunkte unter dem Ergebnis von 2005. Als Grund für das schlechte Abschneiden wurden vor allem die unzureichende finanzielle Ausstattung seitens der Bundespartei und die schwache Unterstützung durch andere Landesverbände angeführt. Der nordrhein-westfälische Landesverband kritisierte, dass der Bundesvorstand die Landtagswahl augenscheinlich ignoriert habe. Die Jugendorganisation der NPD, die "Jungen Nationaldemokraten" (JN), hat ca. 430 Mitglieder. Die JN sehen sich als Bindeglied zwischen Partei und unabhängigen Aktivisten aus dem neonazistischen Spektrum. Bei den Vorstandswahlen auf dem Bundeskongress am 26.06.10 in Korb (Baden-Württemberg) wurde der seit Oktober 2007 amtierende Vorsitzende Michael SCHÄFER mit großer Mehrheit in seinem Amt bestätigt. SCHÄFER entstammt der neonazistischen Szene in Sachsen-Anhalt. Auch seine drei Stellvertreter sind erfahrene Aktivisten mit engen Verbindungen zu parteiunabhängigen Neonazis. Hamburg Der Hamburger NPD ist es in den vergangenen Jahren nicht gelungen, ihre Mitgliederzahl zu vergrößern; sie liegt seit 2006 konstant bei rund 140 Personen. Seit 2008 gibt es einen Stützpunkt der JN in Hamburg, dem jedoch nur wenige Aktivisten angehören. Sie beteiligten sich an Kundgebungen und Infoständen der NPD, eigenständige Aktivitäten gingen von ihnen nicht aus. 173 Rechtsextremismus Der Hamburger Landesverband brauchte insgesamt mehrere Monate, um sich nach dem Tod des Landesvorsitzenden Jürgen RIEGER neu zu formieren. Neben dem Verlust RIEGERs hatte die Hamburger NPD auch mit den Nachwirkungen des intensiv geführten Bundestagswahlkampfes 2009 zu tun. Wichtigstes Kampagnenthema in der ersten Jahreshälfte war die Kritik an der beabsichtigten Hamburger Schulreform. Die NPD versuchte, sich die breite Ablehnung in der Hamburger Bevölkerung zunutze zu machen. In diversen Verlautbarungen auf ihrer Internetseite agitierten die Rechtsextremisten gegen das "Schulreformchaos der Bürgerschaft". Zum Teil wurde die Ablehnung der Schulreform auch mit rassistischen Begründungen unterlegt, wie u.a. ein Artikel vom 16.06.10 deutlich macht. Darin wird mit Bezug auf das schlechte Abschneiden der beiden Stadtstaaten Bremen und Hamburg bei den PISA-Studien behauptet, dass Intelligenz und Arbeitsmoral eben auch ethnisch bedingt seien. Nicht alle Schüler brächten die gleichen Voraussetzungen mit: "Während der Eine schon schreiben kann, hat der Andere noch Kontinenzprobleme während der Schulzeit". Das Niveau des Gymnasiums könne nicht soweit heruntergefahren werden, dass "ethnisch und sozial bedingt weniger Begabte massenhaft ihre Abiturprüfung ablegen können". Auch aktionistisch wurde das Thema umgesetzt. Anhänger der NPD verteilten mit Unterstützung parteiunabhängiger Neonazis mehrere Tausend Flugblätter und fertigten Plakatschilder an, die in der Zeit bis zum Volksentscheid (18.07.10) in Hamburg aufgestellt wurden. Zudem führte die NPD zwei Infostände zu dem Thema durch. Obwohl die Initiative "Wir wollen lernen!" klarstellte, dass sie jegliche Unterstützung des Volksentscheids durch linksoder rechtsextremistische Parteien und Gruppierungen ablehne, setzte die NPD ihre Kampagne bis zum Juli fort und versuchte den Eindruck zu erwecken, nur sie würde die Interessen der Schulreformgegner politisch vertreten. Höhepunkt der Kampagne war eine Kundgebung am Wandsbeker Markt, die am 17.07.10 (Foto) stattfand. An der Veranstaltung beteiligten sich knapp 70 Rechtsextremisten, die zum Teil aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein kamen. Die Redebeiträge enthielten die typischen rechtsextremistischen Argumentationsmuster und Verschwörungstheorien. Das dreigliedrige Schulsystem sei die Grundlage für den Erfolg Deutschlands gewesen. Heute werde versucht 174 Rechtsextremismus - vom Morgenthau-Plan über die Frankfurter Schule bis zur jetzigen Politik - dieses erfolgreiche Schulmodell abzuschaffen. Linke Ideologen und "Deutschenhasser" betrieben eine Umkehrung der Werte. Zwanzig Jahre nach dem Mauerfall gebe es wieder "kommunistische Bildungspolitik".Von "schwarz-rosa-schwul bis rot-grün" werde in der Bildung Gleichmacherei betrieben. Gefordert wurde, getrennte Klassen für deutsche und ausländische Kinder einzurichten. Die Kundgebung dauerte etwa zweieinhalb Stunden und verlief weitgehend störungsfrei. Sie wurde NPD-intern als Erfolg gewertet. In einer am Tag des Volksentscheids (18.07.10) veröffentlichten Stellungnahme legte die NPD noch einmal nach. Sie diffamierte türkische Migranten als "Zuwanderer aus dem orientalischen Raum", die "häufig eher ein Kombilohnmodell aus Hartz IV und Kriminalität" anstrebten, als sich "auf dem deutschen Arbeitsmarkt die Hände schmutzig zu machen". Neben der Schulreform und dem angeblich geringen Bildungsniveau von Migranten wurde auch die Kriminalitätsbelastung durch Straftäter mit Migrationshintergrund kontinuierlich thematisiert. Ursache der meisten gesellschaftlichen Probleme sei die in Deutschland entstandene "MultiKulti-Gesellschaft". Im Zusammenhang mit einer Meldung vom 01.05.10 über eine schwere Körperverletzung durch "vier Südländer" wurden die Folgen der "Verausländerung" beklagt: "Ein durch Schuldpsychosen wehrunfähig gemachtes deutsches Volk steht der Landnahme durch raumund kulturfremde Zivilokkupanten hilflos gegenüber." Und in einem Beitrag vom 25.05.10 wurde unter der Überschrift "Vorstadtghettos: Brutstätten der Gewalt" in rassistischer Diktion unterstellt, dass "überall, wo das durchrasste Subproletariat auf das Normalvolk" trifft, Gefahr in der Luft liege. Solange es "15,6 Millionen Zivilokkupanten in Deutschland" gäbe, könne man keine Politik für das deutsche Volk machen. Die einzige Lösung des Problems sieht die NPD in der konsequenten "Rückführung" von Ausländern in ihre Heimatländer. Während im Wahljahr 2009 noch rund 40 Informationsstände durchgeführt worden waren, fanden 2010 von 18 geplanten Infoständen nur vier statt. Nachdem einzelne Bezirksämter die Sondernutzung des öffentlichen Raums versagten, u.a. wegen gewalttätiger Auseinandersetzungen mit 175 Rechtsextremismus politischen Gegnern bei früheren Informationsständen, und Rechtsmittel erfolglos blieben, ging die Zahl der Anmeldungen deutlich zurück. Um die Abhängigkeit von behördlichen Genehmigungen zu reduzieren, entwickelten Mitglieder der NPD einen mobilen, auf Rollen aufgebauten Infostand mit NPD-Schirm, für den keine Genehmigung erforderlich ist. Zum ersten Mal wurde er am 26.06.10 in Bergedorf eingesetzt. Aus Protest gegen abgelehnte Sondernutzungsanträge rief die NPD unter dem Tenor "Gegen behördliche Repressionen - gleiches Recht für alle Parteien!" für den 27.02.10 in Winterhude (Foto) und 10.04.10 in Barmbek zu Kundgebungen auf. An den Veranstaltungen, die weitgehend störungsfrei verliefen, beteiligten sich jeweils nicht mehr als 30 Rechtsextremisten. In Winterhude waren erstmals seit Jahren Christian WORCH (Versammlungsleiter) und Thomas WULFF (Redner) wieder gemeinsam an einer Aktion in Hamburg beteiligt. Zum ersten Todestag von Jürgen RIEGER führte die NPD am 14.11.10 im oberfränkischen Wunsiedel einen Gedenkmarsch durch. Während sich 2009 noch über 800 Rechtsextremisten am ersten Gedenkmarsch zu Ehren RIEGERs beteiligten, waren es 2010 nur etwa 150. Auch aus Hamburg waren nur wenige NPD-Mitglieder angereist. Als Hauptredner trat Thomas WULFF auf, der seit November 2010 dem Hamburger Landesverband offiziell angehört. Im Februar 2010 war WULFF entgegen seiner Erwartung nicht in den Landesvorstand der NPD in Schleswig-Holstein gewählt worden. Seitdem suchte er ein neues Betätigungsfeld. Am 11.11.10 wurde er zum neuen Vorsitzenden des Kreisverbandes Bergedorf gewählt. Auch als möglicher neuer Landesvorsitzender brachte er sich bereits ins Gespräch. Die letzte Veranstaltung der NPD im Jahr 2010 fand am 04.12.10 in Rissen (Foto rechts) statt. Die als "Kundgebung gegen Behördenwillkür" angemeldete Versammlung wurde nach dem Bruch der schwarz-grünen Koalition kurzerhand zum "Wahlkampfauftakt" umgewidmet. Der ursprünglich für den 04.12. geplante Infostand auf der Mönckebergstraße war vom zuständigen Bezirksamt nicht genehmigt worden. 17 Aktivisten versammelten sich daher am Sonnabendvormittag am Rissener Marktplatz, um gegen "Staatsterrorismus" und die angebliche "Unterdrückung der natio176 Rechtsextremismus nalen Opposition" zu protestieren. Redebeiträge hielten u.a. Christian WORCH und Thomas WULFF. Die Versammlung verlief störungsfrei, wurde allerdings auch von den Passanten kaum beachtet. Die Fusion von NPD und DVU hat für Hamburg kaum Auswirkungen, da die DVU in Hamburg seit Jahren inaktiv ist. Nur wenige DVU-Mitglieder wechselten zur NPD. Eine Zusammenarbeit mit dem DVU-Bundesvorsitzenden und Vorsitzenden des Hamburger Landesverbandes, Matthias FAUST, kommt für die Hamburger NPD aus persönlichen wie politischen Gründen hingegen nicht in Frage. FAUST gehörte bereits 2006/07 für kurze Zeit der Hamburger NPD an. Die Bundespartei benannte ihn daher als Spitzenkandidaten für die Bremer Bürgerschaftswahl im Mai 2011. 7.2 "Deutsche Volksunion" (DVU) Die Situation der DVU war 2010 von massiven Auflösungserscheinungen und einem Machtkampf um die Zukunft der Partei geprägt. Dem Mitglieder: 3.000 inneren und äußeren Zerfall der DVU Bundessitz: Hamburg versuchte der Parteivorsitzende MatVorsitzender: Matthias FAUST thias FAUST durch eine geordnete Fusion mit der NPD zuvorzukomLandesverband Hamburg men. Diese wurde formell zum 01.01.11 vollzogen. Begleitet wurde Mitglieder: 130 der Fusionsprozess von heftigen Vorsitzender: Matthias FAUST Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern und Gegnern der Vereinigung mit der NPD. Durch gegenseitige Ordnungsmaßnahmen versuchten beide Lager, die Oberhand im innerparteilichen Machtkampf zu gewinnen. Zwar konnten FAUSTs Widersacher die Unterzeichnung des Fusionsvertrages nicht rechtzeitig verhindern, ihre beim Landgericht München I eingereichte Klage gegen den Fusionsbeschluss bzw. dessen Zustandekommen erscheint jedoch keineswegs aussichtslos. Am 25.01.11 erließ das Gericht eine einstweilige Verfügung gegen die Fusion 177 Rechtsextremismus von NPD und DVU. Bei der von der DVU durchgeführten Urabstimmung über die Verschmelzung mit der NPD seien erhebliche, mit den Anforderungen an demokratische Abstimmungen unvereinbare Mängel glaubhaft gemacht worden. Da eine Verschmelzungsurkunde nicht vorgelegt wurde, war das Gericht allerdings davon ausgegangen, dass der Vertrag noch nicht unterzeichnet worden war. Eine Entscheidung in der Hauptsache war bis Redaktionsschluss noch nicht erfolgt. Zu den schärfsten Kritikern von FAUST gehörten die Landesvorsitzenden Ingeborg LOBOCKI (Schleswig-Holstein), Hans-Gerd WIECHMANN (Niedersachsen), Max BRANGHOFER (Nordrhein-Westfalen) und Thorsten MEYER (Berlin) sowie Nicht-Mitglied Christian WORCH aus MecklenburgVorpommern, der 2009 die Wahlkämpfe der DVU logistisch und finanziell unterstützt hatte. Die anfänglich freundschaftliche Verbundenheit WORCHs zu FAUST zerbrach im Laufe des Jahres 2010. WORCH warf FAUST persönlich motiviertes Machtstreben zu Lasten der DVU vor und machte u.a. öffentlich, dass der Parteivorsitzende 2009 eine eidesstattliche Versicherung über seine Vermögensverhältnisse abgeben musste. Zu den wichtigsten Unterstützern von FAUST gehört sein Stellvertreter Ingmar KNOP, der von Beruf Rechtsanwalt ist. KNOP ist Landesvorsitzender in Sachsen-Anhalt und Sachsen und arbeitet seit Ende 2009 gleichzeitig als Parlamentarischer Berater der sächsischen NPD-Landtagsfraktion. Nach den katastrophalen Wahlniederlagen des Vorjahres und angesichts der prekären personellen, organisatorischen und finanziellen Situation war die weitere politische Handlungsfähigkeit der DVU als eigenständige Partei Ende 2009 massiv bedroht. Ein hoher Schuldenstand, die geringe Anzahl an aktiven und motivierten Mitgliedern, die fehlenden Erfolge bei der Umstrukturierung und Neubelebung der Landesverbände und der Rückgang an öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten kennzeichneten den desolaten Zustand der Partei. In vielen Gliederungen der DVU kam die politische Arbeit fast vollständig zum Erliegen. FAUST war es bis dato nicht gelungen, eine politische Perspektive für die DVU zu entwickeln und der Parteiarbeit neue Impulse zu verleihen. Einzig die relativ regelmäßige Veröffentlichung von Berichten und Stellungnahmen zu aktuellen politischen Themen auf der Internetseite der DVU vermittelte den Eindruck einer zumindest virtuellen Lebendigkeit. 178 Rechtsextremismus Durch die Wahlniederlagen drohten zudem weitere finanzielle Einbußen. Anfang 2010 wechselte der schwedische Millionär Patrik BRINKMANN, der 2009 eine großzügige finanzielle Unterstützung der DVU in Aussicht gestellt hatte, zur PRO-Bewegung in Nordrhein-Westfalen. Seiner Ansicht nach war die DVU "nicht lebensfähig". Die Kritik an FAUST und an seinen Führungsfähigkeiten wurde entsprechend lauter. Als hauptamtlicher Mitarbeiter nahm er zudem einen Großteil der regelmäßigen Einnahmen in Anspruch. In ähnlicher Höhe schlugen die Personalkosten für "Pressesprecher" Andreas MOLAU zu Buche, der für die Öffentlichkeitsarbeit und die Internetpräsenz der DVU verantwortlich zeichnete. Als Konsequenz aus dieser finanziell prekären Situation erhielt MOLAU zum 31.03.2010 seine Kündigung. Im April trat er aus der DVU aus und schloss sich der PRO-Bewegung an. Auch sein Mandat im Wolfenbütteler Kreistag gab er zurück. Dort war er im Dezember 2007 als Nachrücker für die NPD eingezogen, der er vorher angehört hatte. Zunächst versuchte FAUST die Situation der DVU noch zu beschönigen. Er räumte zwar ein, dass die Partei schmerzliche Wahlniederlagen erlitten und sie der Bruch des sogenannten "Deutschlandpaktes" im Juni 2009 unvorbereitet getroffen hätten, dies habe der DVU jedoch in Gänze nicht geschadet. Durch ihre derzeitige Ausrichtung habe die NPD der DVU politische Räume überlassen und Möglichkeiten zu neuen politischen Bündnisgesprächen. In den Landesverbänden der DVU werde kontinuierliche Aufbauarbeit geleistet, die DVU positioniere sich täglich als "moderne, demokratische Rechtspartei". Nachdem jedoch sehr schnell deutlich wurde, dass weder die PRO-Bewegung noch "Die Republikaner" (REP) an einer Zusammenarbeit mit der DVU interessiert waren, schwenkte FAUST in Richtung NPD, um über ein neues Bündnis bzw. eine mögliche Fusion zu verhandeln. Anfang März 2010 wurde bekannt, dass FAUST bereits im Februar 2010 mit Spitzenfunktionären der NPD unter Führung von Parteichef Udo VOIGT entsprechende Gespräche begonnen hatte. Nach anfänglichem Zögern ließ sich die NPD-Führung auf dieses Angebot ein und wurde schnell zur treibenden Kraft im Vereinigungsprozess. Die Chance, die DVU als mögliche Konkurrentin bei den 2011 anstehenden Landtagswahlen insbesondere in Sachsen-Anhalt und Bremen außen vor zu halten, sollte genutzt werden. Angesichts der vorher geübten massiven Kritik an der vorzeitigen Auflösung des "Deutschlandpaktes" durch die NPD kam das nahezu vorbehaltund bedingungslose Angebot von FAUST nicht 179 Rechtsextremismus nur für die NPD, sondern auch für die meisten DVU-Mitglieder überraschend. Auf einer Pressekonferenz vor Beginn des Bundesparteitages der NPD am 04. und 05.06.10 kündigten die Parteivorsitzenden FAUST und VOIGT offiziell an, eine Verschmelzung von NPD und DVU herbeiführen zu wollen. Die Fusion sollte in folgenden Schritten erfolgen: Mitgliederbefragung, Verschmelzungsbeschluss, Verabschiedung des Vertrages durch beide Bundesparteitage und schließlich Urabstimmung in beiden Parteien. Die Verschmelzung sollte durch die Aufnahme der DVU in die NPD erfolgen. FAUST erhielt die Gelegenheit zu einem Grußwort, in dem er auf die bereits in vollem Gange befindlichen Auseinandersetzungen in der DVU einging: "Die Störer, die Hetzer und Intriganten", die den gemeinsamen Weg torpedieren wollten, seien die "wahren Volksverräter", so FAUST. FAUSTs Gegner warfen ihm dagegen vor, er wolle die DVU zerschlagen, von einer Verhandlung auf Augenhöhe könne keine Rede sein. Am 08.06.10 enthob das Bundesschiedsgericht der DVU in einem Eilverfahren FAUST seines Amtes und schloss ihn wegen parteischädigendem Verhalten aus der DVU aus. Der Parteivorsitzende hätte ohne entsprechende Vollmacht des DVU-Vorstandes die Vereinigung mit der NPD angekündigt und damit der DVU schweren Schaden zugefügt. Dagegen reichte FAUST Beschwerde beim Landgericht München ein. Dieses hob den Beschluss am 18.06.10 wegen einer gegen das Parteiengesetz verstoßenden Bestimmung in der DVU-Satzung auf. Die Ordnungsmaßnahme (Ausschluss) hatte sich u.a. auf die Regelung gestützt, dass ein Mitglied, das in den vergangenen fünf Jahren eine eidesstattliche Versicherung über seine Vermögensverhältnisse abgegeben hat, seine Mitgliedschaft in der DVU verwirkt. Eine Wiedereinsetzung FAUSTs als Bundesvorsitzender lehnte das Gericht unter Verweis auf das Hauptsacheverfahren jedoch ab. Eine hiergegen gerichtete Beschwerde wies das Oberlandesgericht München am 28.07.10 zurück. Erst am 27.10.10 entschied das Landgericht München I, dass der Beschluss des Bundesschiedsgerichtes vom 08.06.10 rechtswidrig war. Ferner stellte das Gericht fest, dass FAUST nach wie vor Mitglied und Bundesvorsitzender der DVU ist. Der Versuch einer "kleinen PutschistenTruppe, mit rechtswidrigen Mitteln den Bundesvorsitzenden seines Amtes zu berauben", sei gescheitert, so FAUST. Seine Gegner zeigten sich allerdings empört darüber, dass er jegliche Auskunft darüber verweigert habe, wie dieses Urteil zustande gekommen sei. In dem Verfahren sei die DVU 180 Rechtsextremismus von Rechtsanwalt Ingmar KNOP vertreten worden, der im innerparteilichen Streit auf der Seite FAUSTs stehe. Die vom 05. bis 21.07.10 durchgeführte Mitgliederbefragung erbrachte sowohl bei der NPD als auch bei der DVU ein eindeutiges Ergebnis. FAUST nannte auf der Internetseite der DVU am 23.07.10 die entsprechenden Zahlen. Ca. 1.100 (von ca. 4.500) Mitglieder hätten sich an der Abstimmung beteiligt. 90,95% hätten angegeben, dass sie ein Zusammengehen von DVU und NPD für sinnvoll hielten. 68,39% hätten sich gleichzeitig dafür ausgesprochen, der Partei einen neuen Namen zu geben. Im Zuge des verbissen geführten Machtkampfes, in dem beide Seiten sich mit immer neuen juristischen Angriffen auszumanövrieren versuchten, traten nicht nur viele Mitglieder aus, auch die innerparteilichen Strukturen lösten sich zunehmend auf. Seit Frühjahr 2010 gaben eine Reihe von DVU-Funktionären ihren Rücktritt bekannt. Hierzu gehörten u.a. die Landesvorsitzenden von Bremen, Brandenburg, Hessen und Bayern. Im Gegensatz zur DVU konnte die NPD den Fahrplan zur Fusion problemlos einhalten. Obwohl noch kein DVU-Parteitag über die Vereinigung abgestimmt hatte, wurde FAUST auf dem Fusionsparteitag der NPD am 06.11.10 in Hohenmölsen (Sachsen-Anhalt) auf Vorschlag der NPD-Führung zum stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt. FAUST-Stellvertreter KNOP und DVU-Vorstandsmitglied Heiner HÖVING gelangten als Beisitzer ebenfalls in den Bundesvorstand der NPD. Beschlossen wurde außerdem, FAUST auf Honorarbasis als Mitarbeiter zu übernehmen. Er soll die konkrete Umsetzung der Fusion 2011 hauptamtlich begleiten. Schließlich wurde der ehemalige DVU-Chef auch zum Spitzenkandidaten für die Bremer Bürgerschaftswahl im Mai 2011 gewählt. Im Vorfeld des Parteitages war bereits das größte Hindernis für die Fusion aus dem Weg geräumt worden: die Schulden der DVU bei ihrem früheren Vorsitzenden Dr. Gerhard FREY. Im Oktober wurde bekannt, dass FREY auf eine Rückzahlung verzichtete. Nach Angaben des Deutschen Bundestages ging am 20.10.10 auf dem Konto der DVU eine Spende in Höhe von genau 1.030.898,97 Euro ein. Bei der Spende handelte es sich um den angekündigten Schuldenerlass. Zudem stellte FAUST eine weitere finanzielle Zuwendung für die NPD in Aussicht. Die DVU habe eine Immobilie in Freiburg geerbt, deren Verkaufserlös nach Abzug der Steuern und Befrie181 Rechtsextremismus digung von weiteren Erbberechtigten an die NPD fließen solle - zusammen mit Barvermögen in fünfstelliger Höhe, das ebenfalls zum Erbe gehöre. Zeitgleich zum NPD-Parteitag trafen sich die Fusionsgegner in Berlin, um eine Resolution zu beschließen, in der u.a. gefordert wurde, auf die Tagesordnung des anstehenden außerordentlichen Mitgliederparteitages der DVU den Tagesordnungspunkt "Neuwahl des Bundesvorstands" zu setzen. Verlangt wurde auch die "notarielle Überwachung der Stimmauszählung einer eventuell zu erfolgenden Urabstimmung". Aufgrund organisatorischer Verzögerungen fand der Fusionsparteitag erst am 12.12.10 in Kirchheim (Thüringen) statt. Lediglich 156 Mitglieder und Gäste nahmen daran teil. Nachdem deutlich wurde, dass es keine Neuwahl des Bundesvorstands geben würde, verließen die anwesenden Gegner der Fusion noch vor der Abstimmung über den Entwurf des Verschmelzungsvertrages geschlossen die Veranstaltung und kündigten an, den Bundesparteitag und dessen Ergebnisse anzufechten. Die verbliebenen DVU-Mitglieder stimmten der Verschmelzung einstimmig zu. Von den 79 noch anwesenden stimmberechtigten DVU-Mitgliedern votierten 70 auch für die Annahme des Vertrages. Da die Fusion nach den zivilrechtlichen Vorgaben des BGB-Vereinsrechts erfolgt, musste die DVU formal aufgelöst werden. Der Auflösung stimmten 69 Mitglieder zu. Alle DVU-Mitglieder, die Mitglied der NPD werden wollen, müssen nach diesem Fusionsmodell ihren Beitritt persönlich erklären. Hierzu erhielten sie im Rahmen der Urabstimmung Gelegenheit, die im Anschluss an den Parteitag erfolgte. Berücksichtigt wurden alle Antworten, die bis zum 27.12.10 eingingen. Wie viele Mitglieder sich daran beteiligten und wie viele davon zur NPD wechselten, wurde nicht bekannt gegeben. In einer 182 Rechtsextremismus Presseerklärung der NPD vom 30.12.10 gab FAUST lediglich zu Protokoll, dass sich rund 87,5 % der Mitglieder "beeindruckend deutlich für eine starke Rechte aus NPD und DVU entschieden" hätten. Auf Seiten der Fusionsgegner wurde die "völlig chaotische und rechtswidrige" Abstimmung als "Witz des Jahrhunderts" bezeichnet. Zahlreiche Mitglieder seien so spät angeschrieben worden, dass sie nicht mehr fristgerecht antworten konnten. Dennoch unterzeichneten VOIGT und FAUST am 29.12.10 beim Notar den Verschmelzungsvertrag, der zum 01.01.11 wirksam wurde. Aus Sicht der Fusionsgegner ist damit aber das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die vier Landesvorsitzenden von Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Berlin reichten noch vor Unterzeichnung des Vertrages Klage beim Landgericht München ein. Die Beschlüsse des Parteitages vom 12.12.10 seien nicht ordnungsgemäß zustande gekommen. Zum einen sei die bereits im September 2010 schriftlich beantragte Neuwahl des Bundesvorstands verweigert und zum anderen sei ein Beschluss des Bundesvorstandes vom 11.10.09 missachtet worden, nachdem es für Neumitglieder keine Doppelmitgliedschaften geben dürfe. An der Abstimmung am 12.12.10 hätten jedoch auch NPD-Mitglieder teilgenommen, die kurz zuvor in die DVU eingetreten seien. Angefochten wurde auch die Rechtmäßigkeit der Urabstimmung, an der viele Mitglieder wegen des späten Versandes der Unterlagen und zu kurzer Fristsetzung nicht hätten teilnehmen können. Mit der Unterzeichnung des Vertrages setzte sich FAUST auch über einen Beschluss des Bundesschiedsgerichts der DVU hinweg, das am 29.12.10 im Eilverfahren entschieden hatte, dass der Verschmelzungsvertrag mit der NPD bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Landgerichts München nicht unterzeichnet werden dürfe. Die als "historisches Ereignis" bewertete Fusion von NPD und DVU zur "NPD - Die Volksunion" hat voraussichtlich keine nennenswerte Stärkung des rechtsextremistischen Lagers zur Folge, sondern hat vorrangig symbolische Bedeutung. Die notorische Zerstrittenheit der rechtsextremistischen Wahlparteien hat zwar jetzt ein Ende; die erneute Einsicht, die Kräfte zu bündeln und nicht mehr gegeneinander zu arbeiten, kam jedoch erst, als die DVU existenziell bedroht war und keine ernsthafte Konkurrenz mehr für die NPD darstellte. Mit deutlich besseren Wahlergebnissen für eine "vereinigte Rechte" ist daher nicht zu rechnen. Zweifelhaft ist auch, ob die Mitgliederzahl der NPD stärker ansteigen wird. Aufgrund der Überalterung und weitgehenden Inaktivität der DVU-Mitgliedschaft ist mit kei183 Rechtsextremismus nem großen Zulauf zu rechnen. Das deutlich radikalere Auftreten der NPD und ihre Nähe zum Neonazismus dürften zudem nicht wenige DVU-Mitglieder zusätzlich davon abhalten, sich der NPD anzuschließen. Selbst VOIGT rechnete mit höchstens 1.000 zusätzlichen "aktiven Kadern". Wie viele ehemalige DVU-Mitglieder außerhalb der NPD eine politische Heimat suchen werden, ist ungewiss. Eine bundesweit aktive parteipolitische Alternative gibt es nicht mehr. Viele Mitglieder haben die Partei auch schon vorher verlassen. Neben den Landesverbänden Niedersachsen, SchleswigHolstein, Nordrhein-Westfalen und Berlin, die zusammen bereits knapp die Hälfte aller DVU-Mitglieder repräsentierten, werden nach Aussage von Fusionsgegnern auch Teile der Landesverbände Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Bayern nicht zur NPD übertreten. Die von den Fusionsgegnern kolportierte Zahl von maximal 400 DVU-Mitgliedern, die zur NPD wechseln würden, dürfte daher eine realistische Größenordnung darstellen. Außer Frage steht hingegen, dass führende Funktionäre der DVU mit FAUST an der Spitze sich größeren politischen Einfluss und entsprechende Posten im Führungskader der NPD erhofften und nunmehr am Ziel angelangt sind. Angesichts seiner sehr wandlungsfähigen Positionen drängt sich der Eindruck auf, dass für den ehemaligen DVU-Vorsitzenden weniger strategisch-politische, sondern vornehmlich persönliche und wirtschaftliche Gründe dafür ausschlaggebend waren, die DVU als Fusionspartner anzubieten. Die Fusion mit der NPD zeigt im Übrigen, dass zwischen beiden Parteien bisher keine fundamentalen Unterschiede bestanden. FAUST bestätigte in der "Deutschen Stimme" (November 2010), dass NPD und DVU "schon immer eine sehr große politische Schnittmenge" gehabt hätten. Auch auf Seiten der Fusionsgegner fand eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der in Teilen neonazistisch geprägten NPD nicht statt. Die Ablehnung der Fusion kaprizierte sich vornehmlich auf formalistische und persönliche Aspekte. Die rechtsextremistische und fremdenfeindliche Ausrichtung der DVU kam auch 2010 in etlichen Äußerungen zum Vorschein. In einer Rede vor NPD-Mitgliedern auf einer Aschermittwoch-Veranstaltung im Saarland führte FAUST u.a. aus: "Die Probleme sind die Entfremdung unseres Landes durch einen ungebrochenen Massenzuzug von Fremden, die auf Kosten unseres Sozialsystems leben wollen, und daraus resultierend das 184 Rechtsextremismus Zusammenbrechen eben dieser Sozialsysteme." Ein Mitglied des Bundesvorstandes behauptete in einem Beitrag auf der Internetseite der DVU zum Thema Integration u.a.: "Wer integriert, zwingt zusammen, was nicht zusammen gehört. ... Integration bedeutet Raub an Heimat und Volkstum." Die DVU besitze nicht die "Dreistigkeit linker Multi-Kulti-Befürworter, Menschen aller Rassen, Kulturen und Religionen in einen Topf zu schütten und kräftig umzurühren, auf dass ein wertloser und desorientierter Einheitsmenschenbrei dabei herauskommt." Hamburg Dem Hamburger Landesverband gehören Ende 2010 noch etwa 130 Mitglieder an. Das Parteileben ist jedoch vollständig zum Erliegen gekommen. Eine politische Arbeit findet nicht mehr statt, eine eigene Internetseite existiert nicht mehr. Bezeichnend ist zudem, dass außer FAUST, der gleichzeitig Hamburger Landesvorsitzender ist, nur noch ein einziges Hamburger DVU-Mitglied am Parteitag am 12.12.10 teilgenommen hat: Björn NEUMANN, der den Bundesparteitag in Kirchheim (Thüringen) als Tagungspräsident leitete, war nach Angaben der NPD vor seinem Eintritt in die Hamburger DVU Mitglied der "Partei Rechtstaatliche Offensive" (P.R.O.) des ehemaligen Hamburger Innensenator Ronald B. SCHILL. Mit in Kirchheim waren hingegen mehrere NPD-Mitglieder aus Hamburg. FAUST trat im Jahr 2010 in Hamburg nicht in Erscheinung und konzentrierte seine Kraft ausschließlich auf Bundesangelegenheiten und die angestrebte Fusion mit der NPD. Obwohl die Hamburger NPD an Neuzugängen aus der DVU interessiert ist, dürfte ein Übertritt auf Einzelfälle beschränkt bleiben, zumal der hiesige Landesverband stark neonazistisch geprägt ist. FAUST ist allerdings nicht willkommen. Er war bereits 2006/07 Mitglied des Hamburger Landesverbandes und hatte sich hier nachhaltig unbeliebt gemacht. 8. Pennale Burschenschaft Chattia Friedberg zu Hamburg (PB! Chattia) Seit den 1990er-Jahren beobachtet das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz - wie auch andere Verfassungsschutzbehörden - die Verbindungen einzelner Burschenschaften zum Rechtsextremismus. Auch die 185 Rechtsextremismus Entwicklungen innerhalb des Dachverbandes Deutsche Burschenschaft (DB) und hier vor allem in der rechtsgerichteten Burschenschaftlichen Gemeinschaft, der etwa ein Drittel aller im DB organisierten Burschenschaften angehören, begründen den Verdacht, dass dort zum Teil rechtsextremistische Positionen vertreten werden oder zumindest auf fruchtbaren Boden fallen. Die Kritik an dieser Entwicklung kam und kommt dabei auch aus den eigenen Reihen. So wurde von gemäßigteren Bünden im Vorfeld des Burschenschaftstages 2010 u.a. ein "mangelhaftes Demokratieverständnis, permanentes Provokationsgehabe sowie ein Kokettieren mit nationalsozialistischer Symbolik" beklagt. Etliche Burschenschaften traten aufgrund der zunehmenden politischen Spannungen in den vergangenen Jahren aus dem Dachverband aus bzw. schlossen sich dem 1996 gegründeten Dachverband "Neue Deutsche Burschenschaft" an. Weitere Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen oder der Unterstützung ergeben sich u.a. aus dem Umstand, dass einzelne Bünde regelmäßig bekannte Rechtsextremisten zu Vortragsveranstaltungen einladen und Burschenschafter dieser Bünde der NPD oder anderen rechtsextremistischen Organisationen angehören. Dennoch ist das Meinungsspektrum auch innerhalb solcher Burschenschaften in der Regel nicht auf extremistische Positionen beschränkt. Eine eindeutig rechtsextremistische Prägung ist daher nur bei wenigen Burschenschaften nachweisbar. Obwohl sie in mehrfacher Hinsicht als Sonderfall einzustufen ist, ist hier die Pennale Burschenschaft Chattia Friedberg zu Hamburg (PB! Chattia) zu nennen. Sie gehört nicht dem DB an und verfügt im Gegensatz zu den meisten Burschenschaften auch nicht über eine lange Tradition. Sie wurde 1989 im hessischen Friedberg gegründet und trägt seit dem Wechsel des Bundessitzes 1992 den Namenszusatz "zu Hamburg". Als Pennale Burschenschaft wendet sie sich auch nicht vorrangig an Studenten, sondern an Schüler und Auszubildende. Die Verbindung hat etwa 40 Mitglieder, einschließlich der nicht aktiven Altherrenschaft. Die PB! Chattia betrachtet sich als "heimatverbundene Verbindung" und "Gemeinschaft patriotisch gesinnter Deutscher", welche die Begriffe "Ehre, Kameradschaft, Freiheit, Volk, Heimat, Ehrlichkeit" in Ehren halten will. Sie 186 Rechtsextremismus wendet sich gegen die "vielfachen Ausprägungen des Zeitgeistes in den verschiedenen Gebieten heutigen Lebens durch Weiterführung der Traditionen". Als sogenannte schlagende Verbindung erwartet sie von ihren aktiven Mitgliedern "mindestens einen Waffengang auf 'pennalen Säbel' gefochten", um die "Feiglinge und Dummschwätzer" aus ihren Reihen aussortieren zu können. Seit ihrer Gründung engagieren sich in der PB! Chattia auch Personen, die Beziehungen zur rechtsextremistischen Szene - insbesondere zur NPD und zu Neonazis - haben oder hatten. In den vergangenen Jahren haben sich Erkenntnisse, die eine nationalistische, revisionistische und völkische Ausrichtung der Burschenschaft belegen, weiter verdichtet. Mit öffentlichen Aktivitäten hält sie sich jedoch deutlich zurück. Beispielhaft für die in der Verbindung vorherrschende rechtsextremistische Geisteshaltung ist weiterhin das von dem langjährigen Chatten Andre BUSCH verfasste Buch "Blutzeugen - Beiträge zur Praxis des politischen Kampfes in der Weimarer Republik", in dem BUSCH offen mit der nationalsozialistischen Bewegung sympathisiert. BUSCH starb am 20.12.10 im Alter von 36 Jahren. Von dem erstmals im November 2008 im rechtsextremistischen Nordland-Verlag veröffentlichten Werk erschien 2010 eine zweite, erweiterte Auflage, an der er bis kurz vor seinem Tod arbeitete. Das Buch beschäftigt sich "mit den Lebensund Todesumständen von SAund SS-Männern ebenso wie mit den einundzwanzig Gefallenen der Hitlerjugend bis zum 31.01.1933". Die "Blutzeugen der nationalsozialistischen Bewegung" seien im Dritten Reich "als Märtyrer des weltanschaulichen Kampfes" geehrt worden, so BUSCH, mittlerweile jedoch kaum noch bekannt. Grund hierfür sei, dass "die Heldenverehrung ... sich seit Kriegsbeginn auf die gefallenen und hochdekorierten Soldaten der Wehrmacht" konzentriert habe. Parteisoldaten, die von "Rotfront und Reaktion" erschossen wurden, seien dahinter zurückgetreten und nach 1945 nahezu in Vergessenheit geraten. Hier sah der Chatte Handlungsbedarf. Zustimmung erhielt er nicht nur von der Hamburger NPD, die sein Buch als "einzigartiges Werk" lobte, sondern auch von einem "SA-Mann", der sich als "letzten noch lebenden Teilnehmer des Marsches auf die Feldherrnhalle am 09.11.1923 in München" bezeichnet und der im Geleitwort zum Buch - die damaligen Ereignisse resümierend - schreibt: "Die Hitlerbewegung hatte ihre ersten toten SA-Männer. Sie 187 Rechtsextremismus fielen für Deutschland." Hamburger Neonazis gab das Buch den Anstoß, Gedenktafeln für in Hamburg umgekommene SA-Männer aufzustellen ( 4.). Anlässlich der zweiten, um ca. 60 Seiten und etliche Fotos aus der "Kampfzeit" erweiterten Auflage des Buches gab BUSCH im August 2010 der NPD-Publikation "Deutsche Stimme" ein Interview, in dem er zur TäterOpfer-Verkehrung Stellung bezog und die Verantwortlichkeit der NSDAPAktivisten und deren Gewaltbereitschaft relativierte: "Die Männer, Frauen und Jugendlichen, deren Lebensund Todesumstände ich schildere, erlebten die nationalsozialistische Machtergreifung [...] nicht mehr. Wie und woran sollten sie sich schuldig gemacht haben, außer [...] für [ihre] individuelle Meinung gestritten zu haben? Das taten sie mit harten Bandagen ohne Frage, aber diese Art von Gewaltbereitschaft prägte damals eben Teile der politischen Landschaft." Unter der Überschrift "Wir trauern um Kamerad Andre BUSCH" wurde auf der von Neonazis aus Hamburg und Umgebung betriebenen Internetseite www.mein-hh.info am 30.12.10 ein Nachruf veröffentlicht, in dem BUSCH als "langjähriger treuer Mitstreiter" und Verfasser eines "geschichtspolitischen Grundlagenwerkes" gewürdigt wird. 9. Sonstige rechtsextremistische Organisationen und Bestrebungen Neben den bereits beschriebenen Organisationen und Personenzusammenhängen gibt es zahlreiche weitere Kleinparteien, Vereine, Einrichtungen und Initiativen, die sich sowohl in ihrer politisch-ideologischen Ausrichtung und ihren Agitationsthemen als auch hinsichtlich ihrer Größe, Bedeutung und ihres Aktionsradius deutlich unterscheiden. Insgesamt wurden diesem Spektrum 2010 bundesweit unverändert 2.500 Personen zugerechnet. 9.1 "Gesellschaft für freie Publizistik" (GfP) Die GfP ist die größte rechtsextremistische Kulturvereinigung in Deutschland. Ihr gehören nach wie vor etwa 500 Mitglieder an, vor allem Verleger, Buchhändler, Redakteure und Schriftsteller. Auch Hamburger Rechtsextre188 Rechtsextremismus misten beteiligen sich an GfP-Veranstaltungen. Der Verein setzt sich für die "Freiheit und Wahrheit des Wortes" ein und versucht, die angeblich verzerrte Darstellung des Dritten Reiches im geschichtsrevisionistischen Sinne zu korrigieren. Im Rahmen des Jahreskongresses 2010 wurde das 50. Jubiläum des Vereins begangen. An der Veranstaltung unter dem Motto "50 Jahre Kampf um die Meinungsfreiheit" vom 28. bis 30.05.10 in Kirchheim (Thüringen) nahmen ca. 130 Personen teil. Auf der vorgeschalteten Mitgliederversammlung erklärte Andreas MOLAU seinen erwarteten Rücktritt vom Amt des Vorsitzenden. Seit 2005 hatte der zuletzt als Pressesprecher für die DVU tätige Publizist die GfP geleitet. Zu seinem Nachfolger wurde der in Graz lebende deutsche Staatsangehörige und Publizist Martin PFEIFFER gewählt. Er erklärte in seinem Grußwort, den bewährten Weg der GfP als "überparteiliche Interessenvertretung der konservativ, patriotisch, heimattreu, national bzw. volksverbundenen eingestellten Journalisten, Publizisten und Verleger unseres Volkes" fortsetzen zu wollen. Der Kongress wurde inhaltlich durch Vorträge bekannter Rechtsextremisten gestaltet, in denen über Bevormundung, "Entsouveränisierung", Meinungsfreiheit und "Europarechte" referiert wurde. Die von der GfP alljährlich verliehene "Ulrich von Hutten-Medaille" erhielt der ehemalige Bundesvorsitzende der DVU und Herausgeber der "National Zeitung", Dr. Gerhard FREY. 9.2 "Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V." (Artgemeinschaft-GGG) Zu den von dem Hamburger Neonazi Jürgen RIEGER ( 2009) und seinen rassistischen Ideologien maßgeblich geprägten Vereinen gehört die 1951 gegründete Artgemeinschaft-GGG. Der 150 Mitglieder zählende Verein, zu dem auch Hamburger Rechtsextremisten gehören, propagiert die Bewahrung, Erneuerung und Weiterentwicklung der "kulturellen, volklichen und rassischen Identität der nordeuropäischen Menschenart". Er vertritt völ189 Rechtsextremismus kisch-rassistisches, fremdenfeindliches, revisionistisches und antisemitisches Gedankengut und sieht sich als Teil einer großen Gemeinschaft, in der "individueller Egoismus" dem "Gemeinwohl" nachrangig sein soll. Nach RIEGERs Tod im Oktober 2009 erklärten die Vereinsmitglieder, das geistige Erbe ihres ehemaligen Leiters fortführen zu wollen. Zum neuen Vorsitzenden der Glaubensgemeinschaft und des ihr angeschlossenen Vereins "Familienwerk e.V." wurde Axel SCHUNK aus Stockstadt (Bayern) gewählt. Unter ihrer neuen Leitung kamen die "Gefährten und Freunde" des Vereins weiterhin zu ihren überregionalen Gemeinschaftstagen in Ilfeld (Thüringen) zusammen, um ihr germanisches Brauchtum und Kulturerbe zu pflegen. An diesen bundesweiten Treffen, von denen die ArtgemeinschaftGGG jährlich vier veranstaltet, nahmen insgesamt um die 350 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet teil, darunter viele Familien mit Kindern (2009: 250 Personen). Das Ende 2008 von RIEGER initiierte "Siedlungsprojekt" des Vereins wurde ebenfalls weiterverfolgt. Ziel ist der Aufbau einer autarken Siedlungsgemeinschaft Gleichgesinnter. Anlass für das Vorhaben war die laut RIEGER bedrohliche Ausländerentwicklung in Deutschland, die zum "Exodus" der Deutschen führen werde. Als "Stimme des Artglaubens" wird vierteljährlich die "Nordische Zeitung" (NZ) herausgegeben. Neuer Schriftleiter und Nachfolger RIEGERs in dieser Funktion ist der langjährig aktive Rechtsextremist Jürgen MOSLER aus Oberhausen. Inhaltlich wird bislang an dem rassistisch, antisemitisch, fremdenund kirchenfeindlich geprägten Konzept festgehalten. Die Artgemeinschaft-GGG finanziert sich u.a. durch Herausgabe und Verkauf eigener Schriften und Bücher. Der "Buchdienst" ist jetzt in Havelberg (Sachsen-Anhalt) ansässig. Zu den neuesten Angeboten des Vereins gehört das im "Nordwelt Versand" erschienene Buch "Ahnenverehrung", das als "Vermächtnis" RIEGERs und "Standardwerk" für alle "Geschichtsund Religionsinteressierten" gepriesen wird. Nach Auffassung RIEGERs 190 Rechtsextremismus ist "Ahnenverehrung" ein "Kernpunkt artgemeinschaftlichen Glaubens". Mit der Christianisierung Europas sei das "unserer Art gemäße soziale Gefüge nahezu völlig vernichtet" worden. Notwendig sei daher eine weltanschaulichreligiöse "Neubesinnung", die Wiederbelebung des "Sippengedankens" und die "Rückbesinnung auf die natürlichen Grundlagen unseres Lebens", ohne dabei die Nation als bedeutende "übergeordnete Ganzheit" und die "Verpflichtung gegenüber unserer Art" zu vergessen. 9.3 "Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung e.V." (GfbAEV) Nach dem Tod RIEGERs geriet insbesondere die von ihm ebenfalls geleitete GfbAEV verstärkt in den Mittelpunkt auch des öffentlichen Interesses. Wie die Artgemeinschaft-GGG ( 9.2) gehört die GfbAEV zu den rassistisch und heidnisch geprägten Weltanschauungsvereinen. Gegründet wurde sie 1962 als "Deutsche Gesellschaft für Erbgesundheitspflege" und 1972 umbenannt. Seitdem führte RIEGER den Vorsitz. Neben der Artgemeinschaft-GGG und dem Verein "Nordischer Ring e.V." war die GfbAEV einer der drei Trägervereine des im Februar 1998 vom niedersächsischen Innenministerium verbotenen "Heide-Heim e.V.". Der wiederum fungierte als Trägerverein des zeitgleich geschlossenen Kommunikationsund Veranstaltungszentrums in Hetendorf (Niedersachsen). RIEGERs Ideologie der "Rassenreinheit" folgend, agitierte die GfbAEV gegen "Rassenmischung", die als "biologischer Verrat" bezeichnet wurde, und vertrat revisionistisches und fremdenfeindliches Gedankengut. Satzungsgemäßes Ziel ist die Förderung "lebensschützender und erbgesundheitlicher Bildungsund Aufklärungsarbeit", "volksgesundheitlicher Familienplanung" und "Sozialhygiene". Als Vereinssitz ist im Vereinsregister Ellerau (Schleswig-Holstein) bei Hamburg angegeben. Im Vorfeld des Verbotsverfahrens gegen den "Heide-Heim e.V." verlegte die GfbAEV ihren Sitz vorübergehend nach Schweden. Seit Ende der 90er-Jahre trat die GfbAEV nicht mehr öffentlich auf. Besondere Aufmerksamkeit erlangte die GfbAEV, der noch 15 bis 20 Mitglieder angehören, durch das Testament des 2002 verstorbenen Bremer Altnazis Wilhelm TIETJEN, der die Gesellschaft zur Alleinerbin bestimmte. 191 Rechtsextremismus Nach TIETJENs Willen sollte sein Vermögen für die Gründung einer Einrichtung zur "Mehrung elitärer Erbanlagen" eingesetzt werden. Bereits 2001 hatte RIEGER zu diesem Zweck in London die "Wilhelm TIETJEN-Stiftung für Fertilisation Ltd." (WTSfF) gegründet. In deren Namen ersteigerte er 2003 das "Schützenhaus" in Pößneck (Thüringen) und 2004 den "Heisenhof" in Dörverden (Niedersachsen). Beide Objekte waren in der Vergangenheit zwar für rechtsextremistische Zwecke genutzt worden, aber nie in dem von RIEGER angestrebten Umfang. Auflagen und Abrissverfügungen verhinderten dies. Dass der Erwerb dieser Immobilien dem von TIETJEN verfügten Verwendungszweck, dem Aufbau einer Samenbank, dienen sollte, ist mittlerweile mehr als zweifelhaft. RIEGER agierte in der Erbangelegenheit TIETJEN in dreifacher Funktion: als Testamentsvollstrecker, Vorsitzender der GfbAEV sowie als Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der WTSfF. Aufgrund letztgenannter Funktion fiel das Vermögen der WTSfF 2009 seinen Erben zu. Diese beabsichtigen jedoch, das gesamte Vermögen auf die GfbAEV zu übertragen, welche die rechtmäßige Erbin ist. Mit dem Tod RIEGERs wurde eine Neuwahl des Vereinsvorstandes notwendig. Diese fand während einer Mitgliederversammlung am 13.12.09 in dessen ehemaligem Haus in Hamburg-Blankenese statt. Zum neuen Vereinsvorsitzenden wurde der bisherige zweite Vorsitzende Dr. Siegward KNOF aus Grafrath (Bayern) gewählt. Neuer zweiter Vorsitzender wurde der Bankkaufmann Marc MÜLLER aus Lalendorf (Mecklenburg-Vorpommern). MÜLLER ist den Verfassungsschutzbehörden aus verschiedenen rechtsextremistischen Vereinigungen bekannt, u.a. war er Mitglied der 2009 verbotenen "Heimattreuen Deutschen Jugend". Auch gehört er der Artgemeinschaft-GGG an. Zum Geschäftsführer ("Director") der WTSfF wurde mit Wirkung vom 20.04.10 der Neonazi und ehemalige RIEGER-Vertraute Thomas WULFF ernannt. Am 23.05.10 erfolgte die Eintragung im englischen Handelsregister. Seit 2009 verfügt er über Vollmachten, die ihn formal zur Wahrung der geschäftlichen und rechtlichen Belange der WTSfF ermächtigen. In dieser Eigenschaft setzte sich WULFF insbesondere für den Erhalt des "Schützenhauses" in Pößneck (Thüringen) für die rechtsextremistische Szene ein. Welche Interessen der Vorstand der GfbAEV verfolgt, ist gegenwärtig noch unklar. Ein Verkauf der Immobilien und die Verwendung des Erlöses für andere Vereinszwecke sind zumindest denkbar. Weitere Entscheidungen 192 Rechtsextremismus sind von der abschließenden Regelung der Erbschaftsangelegenheit abhängig. 9.4 Deutsches Rechtsbüro (DRB) Das im April 1992 in Hamburg gegründete DRB fungiert als bundesweite Kontaktund Koordinierungsstelle für juristischen Rat suchende Personen und Organisationen aus der rechtsextremistischen Szene. Es beschreibt sich selbst als "Selbsthilfegruppe" zur Wahrung der Grundrechte "nationaler" und "politisch unkorrekter" Deutscher. Durch Schulungen, Vorträge und durch die Herausgabe juristischer Ratgeber soll Aufklärungsund Informationsarbeit geleistet werden. Formal gehört das DRB zum Verein "Deutscher Rechtsschutzkreis e.V." mit Sitz in Bochum. Maßgebliche Initiatorin und Hauptverantwortliche des DRB ist jedoch die Hamburger Szeneanwältin Gisa PAHL, die auch als Domain-Inhaberin der Internetseite deutsches-rechtsbuero.de eingetragen ist. Anfangs zeichnete sie noch namentlich für Verlautbarungen des DRB verantwortlich oder trat als dessen offizielle Vertreterin auf. Mittlerweile scheut sie die Öffentlichkeit, für Veröffentlichungen im Namen des DRB benutzt sie Pseudonyme. PAHL hat in der gesamten rechtsextremistischen Szene eine hohe Akzeptanz und wird häufig für Rechtsschulungen eingeladen, u.a. von Parteigliederungen der NPD. Eine enge Beziehung unterhält das DRB auch zur neonazistischen HNG ( 4.2). In deren Publikation "Nachrichten der HNG" wurden 2010 mehrere Beiträge des DRB veröffentlicht. PAHL prüft auch Broschüren, Flugblätter und Musiktexte auf rechtliche Unbedenklichkeit und spricht ggf. Änderungsempfehlungen aus. Als Rechtsanwältin stand sie in der Vergangenheit zahlreichen auch sehr bekannten Rechtsextremisten zur Seite. Nach dem Tod ihres Kollegen Jürgen RIEGER wird sie von Hamburger Rechtsextremisten häufiger in Anspruch genommen und um Rat und Hilfe gebeten. Seine vorrangige Aufgabe sieht das DRB in der juristischen Beratung. Hauptwerk ist der Ratgeber "Mäxchen Treuherz und die juristischen Fußangeln". Die erste Ausgabe dieses von PAHL unter dem Pseudonym Gisela 193 Rechtsextremismus SEDELMAIER verfassten Ratgebers erschien 1990. Herausgeber der vierten aktualisierten Auflage, die 2010 erschien, ist die GfP ( 9.1). Zu beziehen ist das Buch auch über den "Deutsche-StimmeVerlag" der NPD in Riesa. In der gleichnamigen Parteizeitung wird hierfür geworben. Das Buch enthält Fallbeispiele mit rechtlichen Interpretationsvarianten, "juristischen Fußangeln",Verhaltensmaßregeln, Rechtsmittelhinweisen und Musterbriefen, die den Betroffenen die Arbeit in den Bereichen Verwaltungs-, Versammlungs-, Wahlkampf-, Pressesowie Strafund Strafprozessrecht erleichtern soll. Der unter "politischen Aktivisten herrschende(n) Unwissenheit und Unsicherheit in juristischen Fragen" soll damit begegnet werden, um so "Kräfte, Energien und Gelder für die politische Auseinandersetzung im Volke" zu sparen und "rechtswidrige Maßnahmen" erfolgreich bekämpfen zu können. Über wichtige Rechtsentwicklungen informiert das DRB in seinen seit 2005 erscheinenden "Monatsnachrichten". Zudem gibt es ein Archiv, das Urteile zu strafrechtlich relevanten Themen enthält. Darüber hinaus vermittelt der Verein "national" eingestellte Rechtsanwälte, die bereit sind, "politisch unkorrekte" Personen in "politischen Verfahren" juristisch zu beraten, zu vertreten oder bei der rechtlichen Überprüfung von Texten zu helfen. Das DRB agitiert besonders gegen vermeintlich rechtswidrige Grundrechtseinschränkungen, insbesondere in den Bereichen der Meinungsund Versammlungsfreiheit, die sich aus dem herrschenden "Sonderrecht gegen Rechts" ergäben. Mit Hilfe dieser "Propagandadelikte" werde "nur die Äußerung von rechtsgerichteten Meinungen" bestraft. Auch rechtsgerichtete Versammlungen würden durch rigide Auflagen rechtswidrig behindert oder verzögert. Anhand aktueller Rechtsprechung will das DRB darüber aufklären, welche Äußerungen gerade noch vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt sind und welche nicht. So wird etwa bei der Abfassung von Flugschriften oder Internetbeiträgen von bestimmten Formulierungen abgeraten, z.B. die Bundesrepublik Deutschland als "Gesinnungsdiktatur" zu bezeichnen oder zu behaupten, dass sie sich "willig jüdischen Befehlen beuge". Die Beispiele zeigen, dass das DRB die rechtsextremistische Szene zwar grundsätzlich dazu anhält, Rechtsvorschriften zu beachten; die Verhaltens194 Rechtsextremismus empfehlungen zielen jedoch häufig darauf ab, die Grenze des rechtlich - auch strafrechtlich - gerade noch Zulässigen auszuloten. Dies schließt auch Hinweise ein, unter welchen Umständen sogar Gewaltanwendung gegen Pressevertreter, die mit besonderem Argwohn betrachtet werden, legitimiert sei. In den "Verhaltensmaßregeln gegenüber Medien" heißt es u.a., die Medien seien jeweils die ersten, die gegen "politisch unkorrekte Personen oder Verbände" vorgehen - und erst danach schalteten sich die Behörden mit ihren Maßnahmen ein. Zudem wird behauptet, dass Personen, die angeblich unrechtmäßig fotografiert würden, "Notwehr" leisten dürften. Dabei könnten sich die Betroffenen auch die Kamera gewaltsam aneignen, um dem Fotografen die Bilder abzunehmen, sofern dieser sich weigern sollte. Diese Handlungen seien erlaubt, "auch wenn es dabei zu einer Sachbeschädigung [...] oder sogar zu einer Körperverletzung [...] kommt". 9.5 Deutsches Kolleg (DK) Das von dem Hamburger Rechtsextremisten Reinhold OBERLERCHER ins Leben gerufene "Deutsche Kolleg" (DK) war 2010 praktisch inaktiv. Die letzte Veröffentlichung erschien im Juli 2009. In einem Interview in der September-Ausgabe der "Deutschen Stimme", dem Parteiorgan der NPD, erklärte der selbsternannte "Nationalmarxist" OBERLERCHER, die Arbeit des DK als vorbereitendes "Denkorgan" und Schulungszirkel der "nationalen Intelligenz" sei abgeschlossen. Als legitimer Vertreter des noch "handlungsunfähigen Deutschen Reiches" habe es mit seinen bisherigen "Wortergreifungen", Programmen, Gesetzesund Verfassungsentwürfen alles gesagt, was bis zum jetzigen Zeitpunkt gesagt werden musste. Die Arbeit der Theoretiker und Programmatiker in der "Neuen Deutschen National-Bewegung" sei im Großen und Ganzen beendet. Nun sei die "materielle Gewalt geschichtlich am Zuge" und müsse ihren Beitrag zu einem "Vierten Reich" leisten. Das System sei "geistig bereits enthauptet, jetzt ist es nur noch physisch zu enthaupten". Sollte es zum prognostizierten "Staatsuntergang der BRD und der übrigen Reichszertei195 Rechtsextremismus lungsregime" kommen, reklamiert das DK für sich die materielle Staatsgewalt. Diese schließe auch das grundsätzliche Recht ein, "Urteile körperlich zu vollstrecken und die Reichsfeinde militärisch unter Beschluß und Beschuß zu nehmen". Nachdem die Arbeit des DK ruht, sieht OBERLERCHER (Foto) gegenwärtig für sich keine konkreten politischen Wirkungsmöglichkeiten. 196 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Scientology-Organisation VI. Scientology-Organisation (SO) 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick Die "Scientology Organisation" (SO) wird aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen nach einem Beschluss der Innenminister und -senatoren seit 1997 von Verfassungsschutzbehörden beobachtet. Die Rechtmäßigkeit der Beobachtung wurde im Februar 2008 vom OVG Münster bestätigt. Das Gericht stellte in seiner Entscheidung fest, dass die SO eine Gesellschaftsordnung anstrebe, in der zentrale Grundwerte außer Kraft gesetzt werden sollen. Internetauftritt des LfV Hamburg: Arbeitsfeld Scientology-Organisation. "Alle Orgs werden im Jahr 2010 Ideale Orgs!" Das wurde Ende 2009 unter dem Titel "Sprint zum Jahreswechsel!" in einem europäischen Rundschreiben unter Scientologen verbreitet. "Ideale Orgs" sind ScientologyNiederlassungen, die renoviert worden sind, über mehr Personal verfügen und künftig eine größere politische und strategische Rolle spielen sollen. Das Kürzel "Org" ist die SO-interne Bezeichnung für den jeweiligen Sitz der Scientology-Niederlassungen. Bei ihrer beabsichtigten Ausbreitung in der Gesellschaft zielt die "Scientology Organisation" vorzugsweise auf politische Einrichtungen: In Brüssel auf das Europäische Parlament, in Berlin auf den Bundestag und in Hamburg auf den Senat, die Parteien und diverse Auslandsvertretungen. Es geht dabei um lobbyistische Arbeit, die Verbreitung von scientologischen Inhalten. Politiker werden gezielt angesprochen, und ihnen wird SO-Propaganda übersandt. In Deutschland erreichten 2010 keine der dafür vorgesehenen Niederlassungen den Status einer "Idealen Org". Nur mühsam ging es mit Renovierungen voran. Im Laufe der Jahre hatten die Scientologen für diese geplanten Neueröffnungen Summen in Millionenhöhe gespendet. In Hamburg sollte das Vorhaben Ende 2010 mit der Zusammenlegung der Hamburger und der Eppendorfer Org zustandekommen. Doch auch daraus wurde vorerst nichts. 198 Scientology-Organisation Die SO beabsichtigt, ihr totalitäres und führerorientiertes Wertesystem auf die staatliche Ordnung zu übertragen. Für diese Zielsetzung initiiert sie diverse Kampagnen. Kritiker werden als "geisteskranke Gegnerschaft" (Impact, 124/2010) verunglimpft. Nach außen geben sich die deutschen Scientologen stets freundlich und angestrengt religiös, intern dagegen kämpferisch als eingeschworene Gemeinschaft zur Durchsetzung ihrer Ziele. Die Scientologen glauben an den stets beschworenen Erfolg ihrer Organisation und ihre Fähigkeiten, eine aus ihrer Sicht "bessere" Gesellschaft zu erreichen: "Wir sind die einzige Gruppe auf der Erde, die wirklich eine brauchbare Lösung hat." (Impact, Ausgabe 124, 2010). Tatsächlich haben sich jedoch Mitgliederzahlen verringert, Erfolge sind ausgeblieben. Weltweit hat die SO schon länger an Renommee eingebüßt ( VSB 2009). Im Jahr 2010 war die Organisation in Deutschland sehr damit beschäftigt, ihr Stammpotenzial zusammenzuhalten und es noch intensiver als zuvor auf internen Veranstaltungen zu Spenden - insbesondere für Renovierungen und Modernisierungen der verschiedenen Räumlichkeiten - zu animieren. Norddeutsche Scientologen warben mit Informationsständen in Hamburg und in Schleswig-Holstein unverdrossen für ihre Inhalte und um neue Mitglieder. Vor Jahren hatte die SO außerdem ihren "Vorstoß im Cyberspace" begonnen und seither die Zahl ihrer Internetauftritte beträchtlich erweitert und professionalisiert. Mit Themen wie Menschenrechte und Antidrogenkampagnen erreicht sie besonders Jugendliche. "Scientology-Beratung" in Hamburg gewährleistet Weil die SO in vielen gesellschaftlichen Zusammenhängen aktiv ist, gibt es bei den Bürgerinnen und Bürgern einen Informationsund Beratungsbedarf. Ab September 2010 übernahm der Hamburger Verfassungsschutz Aufgaben der früheren "Arbeitsgruppe Scientology" (AGS) in der Innenbehörde und bietet seither Informationen, Beratung und Ausstiegshilfe an. Das Angebot des Landesamtes wird gut angenommen. Vom ersten Tag an meldeten sich viele Ratsuchende. Symbolfoto: Microsoft Am Ende des Jahres 2010 war es bereits zu mehr als 200 Anfragen an diese neue Beratungsstelle gekommen. 199 Scientology-Organisation 2. Potenziale "Angesichts eines explosionsartigen Wachstums der Scientology werden wir nicht nachlassen, bis der Planet Clear ist." (Scientology News 48/2010) Der Planet soll demnach "scientologisiert" (Clear) werden. Doch trotz eines enormen Werbeaufwands stagniert die Entwicklung. Weil ihre Ideologie (SO-intern "Technologie" genannt) jedoch für sie selbst als unfehlbar gilt und stets erfolgreich und expansiv funktionieren soll, werden übertrieben hohe Mitgliederzahlen angegeben. Der Scientology-Vorsitzende David Miscavige (Foto) sprach von "10 Millionen Mitgliedern" weltweit (Impact 155/2006). Seither sind keine weiteren oder abweichenden Angaben von Scientology bekannt geworden. Einschätzungen der Verfassungsschutzbehörden bewegen sich zwischen 100.000 und 120.000 Scientologen weltweit. In Deutschland hat sich ihre Anzahl in den vergangenen Jahren verringert. Für das Jahr 2010 werden der SO in Deutschland gut 4.500 Personen zugerechnet (2009 waren es etwa 5.500). Die "Scientology Kirche Deutschland e.V." - mit Sitz in München - behauptete dagegen im November 2010: "Es gibt in Deutschland etwa 12.000 Scientologen [...]". In Hamburg ist der Mitgliederbestand im Jahr 2010 gegenüber dem Vorjahr mit etwa 650 SO-Angehörigen in Hamburg und Umgebung unverändert. Aufgrund einer deutlichen Zunahme von SO-Aktivitäten in SchleswigHolstein ist dort mit einem leichten Anstieg zu rechnen, der auch für die Hamburger Org als zentrale Stelle für die norddeutschen SO-Bereiche zu höheren Mitgliederzahlen führen könnte. Schon jetzt kommen etwa ein Drittel der SO-Mitglieder aus dem Umland, vorwiegend aus SchleswigHolstein. 3. Politisch motivierte Kriminalität (PMK) Scientologisch motivierte Strafoder Gewalttaten wurden im Jahr 2010 in Hamburg nicht festgestellt. 200 Scientology-Organisation 4. Strukturen und Organisationseinheiten Aus taktischen Gründen vermeiden Scientologen in ihrer Öffentlichkeitsarbeit Reizwörter wie "Scientology" und "Dianetik", so z.B. bei der Menschenrechtsund Antidrogenthematik sowie im Zusammenhang mit ihrer Kampagne gegen die Psychiatrie. (Internetbeitrag des LfV Hamburg: "Vorsicht: Dianetik", 13.08.2009) Ausgangspunkte der meisten öffentlichen Aktivitäten im regionalen Bereich sind die "Scientology-Kirchen" und Dianetik-Zentren. (Internetbeitrag des LfV Hamburg: "Vorsicht: Scientology-Werbung!", 20.05.10) So gehören zur sogenannten "Association of Better Living and Education" (ABLE) "Narconon" für Drogenentzug, "Criminon" für die Resozialisierung Strafgefangener und für den Bildungsbereich "Applied Scholastics (ApS)". Auch sind sogenannte "Ehrenamtliche Geistliche", international "Volunteer Ministers" genannt, weltweit aktiv und nutzen Hilfseinsätze in Katastrophengebieten - wie z.B. 2010 in Haiti - zu Propagandazwecken. Dort treten sie in auffälliger gelbfarbener Kleidung auf. Broschüren wie "Der Weg zum Glücklichsein" und die Kampagne "Operation: Ein friedvoller Planet" dienen ebenfalls der Werbung. Ebenfalls weltweit aktiv ist die "The Way to Happiness Foundation". (Internetbeitrag des LfV Hamburg: "Verdeckte Werbung der SO. Das Heft 'Der Weg zum Glücklichsein'", 12.11.2007) Die "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte" (KVPM) - international "Citizens Commissons on Human Rights" (CCHR) - führt eine ständige Hetzkampagne gegen die Psychiatrie u.a. mit Ausstellungen namens "Psychiatrie: Tod statt Hilfe". (Internetbeitrag des LfV Hamburg: "Hasskampagne: Ausstellung der Scientology Organisation in Hamburg-Hohenfelde", 25.09.09) 201 Scientology-Organisation Zu Menschenrechtsthemen arbeiten in Deutschland die "Jugend für Menschenrechte" sowie international "Youth for Human Rights" und "United for Human Rights". In türkisfarbenen T-Shirts treten die Aktivisten des Vereins "Sag Nein zu Drogen - Sag Ja zum Leben" auf. Vor Niederlassungen und auf Informationsständen der SO werden "Stresstests" und "Dianetik" angeboten. (Internetbeitrag des LfV Hamburg: "Hamburger Scientologen verstärken Aktivitäten in Norddeutschland", 14.07.09) Ein 200-Fragen-Persönlichkeitstest, auch Free Personality Test und Oxford Capacity Analyse (OCA) genannt, wird in den SO-Niederlassungen sowie auch auf Esoterikseiten und in weiteren Bereichen des Internets angeboten. Näheres zu diesen Strukturen im Internetauftritt des LfV Hamburg: Arbeitsfeld Scientology-Organisation. SO-Führer David Miscavige und das internationale SO-Management haben ihren Sitz im Raum Los Angeles in den USA. Weitere internationale Strukturen befinden sich in Florida, in Großbritannien und in der Europazentrale in Kopenhagen. "Globale Kampagnen" werden von der "International Association of Scientologists" (IAS) gefördert. Beseitigt werden sollen von ihr "Plagen der Menschheit" und "Unterdrückung" (Scientology News, 48/2010). Damit soll alles aus dem Weg geräumt werden, was der Expansion von Scientology entgegensteht. (Siehe dazu die Broschüre "Der Geheimdienst der Scientology-Organisation" im Internetauftritt des LfV Hamburg unter Publikationen / Weitere Publikationen.) Eine paramilitärische, uniformierte Eliteeinheit der SO, die "Sea Organization", ist mit umfassender Machtbefugnis ausgestattet, um die internen Strukturen abzusichern. Sie betreibt auch die Straflager der SO, die "Rehabilitation Project Forces" (RPF), die es in Deutschland nicht gibt, zum Beispiel aber in den USA. (Siehe dazu die Broschüre im Internetauftritt des LfV Hamburg unter Publikationen / Weitere Publikationen.) 202 Scientology-Organisation Wirtschaftlich tätige Scientologen haben die Möglichkeit, sich im "World Institute of Scientology Enterprises" (WISE) zu organisieren. "WISE Chartercommittees" heißen die regionalen Aufsichtsgremien. Näheres zu den internationalen Organisationseinheiten: Arbeitsfeld Scientology - Organisation, Strukturen und Organisationseinheiten. 5. Strukturen in Hamburg Regionale Zentrale ist die "Scientology Kirche Hamburg e.V.", der Hamburger Org an der Domstraße. Wenn Nebenorganisationen nicht direkt aus überregionalen Bereichen aktiv werden - was eher selten ist - organisiert und beaufsichtigt die Hamburger Org alles Notwendige. Ende 2010 wurden erneut Renovierungsarbeiten aufgenommen, aber die angestrebte Beförderung zu einer Idealen Org musste verschoben werden. So mangelte es auch weiterhin an festen Mitarbeitern ("Staffs") und am Geld. Zeitweise gab es unter den Hamburger Scientologen Überlegungen, die Hamburger Org mit der "Scientology Kirche Eppendorf e.V." / Eppendorfer Org zusammenzulegen. Doch auch daraus wurde nichts. Ende September schloss die umsatzschwache Eppendorfer Org ihre Räume in Barmbek Süd, zog ein paar Straßen weiter in noch kleinere Räume und hatte vorerst keinen öffentlich bekannten Sitz mehr. Die Scientology Gemeinde Nord blieb weiterhin inaktiv. Aktiver war dagegen das "Departement of Special Affairs" (DSA), der Hamburger Ableger des sogenannten scientologischen Geheimdienstes "Office of Special Affairs" (OSA), zuständig auch für Rechtsangelegenheiten und Öffentlichkeitsarbeit. Vom DSA (Sitz in der Hamburger Org) wurden Kampagnen verschiedener Gruppen angeleitet und beaufsichtigt wie "Jugend für Menschenrechte" und "Sag Nein zu Drogen - Sag Ja zum Leben". (Siehe dazu die Broschüre "Der Geheimdienst der Sciento203 Scientology-Organisation logy-Organisation" im Internetauftritt des LfV Hamburg unter Publikationen / Weitere Publikationen.) Im Rahmen der Antipsychiatriekampagnen, z.B. "Keine Psychopillen für Kinder", zeigten sich Angehörige der KVPM-Ortsgruppe auf den Straßen der Stadt. Die ABLE-Einheiten "ApS" und "Narconon" sind in Hamburg nicht besonders auffällig. "Criminon Deutschland e.V." in Barsbüttel wird dagegen von Hamburger und Schleswig-Holsteiner Scientologen engagiert betrieben, sie bieten Resozialisierung von Strafgefangenen und diverse SOKurse an. Wirtschaftlich tätige Scientologen sind in Hamburg häufig im "World Institute of Scientology Enterprises" (WISE) organisiert. Etwa 40 bis 50 Betriebe werden von Scientologen geführt. Es handelt sich vorwiegend um kleine mittelständische Betriebe ohne nennenswerten Einfluss im Hamburger Wirtschaftsgefüge. Über SO-Aktivitäten informiert das LfV Hamburg aus aktuellem Anlass auch unter "Schlagzeilen aus dem politischen Extremismus" in seinem Internetauftritt. 6. Aktivitäten Die SO ist ständig auf der Suche nach neuen Mitgliedern, die mit Psychound Sozialtechniken sowie mit scientologischer Ideologie beeinflusst werden sollen. Es geht um ihr Geld und ihre Arbeitskraft sowie letztlich um die Expansion der SO in alle gesellschaftlichen Bereiche, insbesondere in die Wirtschaft und in die Politik. An diesen Zielen orientieren sich stets alle Aktivitäten der Scientologen. Nachdem 2009 auch in Hamburg bereits Personal "für Brüssel" rekrutiert worden war, eröffnete dort im Januar 2010 eine europäisch zentral gelegene "Ideale Org" in der Nähe vieler EU-Einrichtungen. (Internetbeitrag des LfV Hamburg "Scientology verstärkt Engagement am Sitz der EU-Kommission in Brüssel", 28.07.09). 204 Scientology-Organisation In Deutschland waren die SO-Niederlassungen mit diversen internen Veranstaltungen beschäftigt, bei denen ein erheblicher Spendendruck auf die Mitglieder ausgeübt wurde. Mit den Spendeneinnahmen sollten alte Niederlassungen renoviert werden, um ihnen den Status "Ideale Org" verleihen zu können. Weil es der SO auch 2010 an Geld und besonders an Personal mangelte, ist die Berliner Org - 2007 zur "Idealen Org" erklärt - noch immer die einzige ihrer Art in Deutschland. Neu eingerichtete Internetseiten mit scientologischer Propaganda und Ideologie wurden beworben. Zudem wurden Politiker in ganz Deutschland mit Anschreiben darauf aufmerksam gemacht. Beigefügt waren SO-Schriften, wie das Propagandablatt "Freiheit". In Schleswig-Holstein nahmen die Aktivitäten der SO deutlich zu. In Kiel wurden z.B. im Sommer Werbeflyer der Hamburger Org verteilt, in anderen Orten das Propagandablatt "Freiheit" Wie schon im Jahr 2009 wurde in zahlreichen Städten und kleineren Gemeinden an Info-Ständen für Dianetik und Scientology geworben. Häufig protestierten gesellschaftliche Gruppen und engagierte Bürger dagegen, stellten Öffentlichkeit her und sorgten für Aufklärung. In Hamburg meldete die KVPM-Ortsgruppe auch 2010 Kundgebungen für die Innenstadt an. Es nahmen nur wenige Scientologen teil; sie trugen Plakate, verteilten Flugblätter und sammelten Unterschriften zu den üblichen KVPM-Themen wie "Keine Psychodrogen für Kinder". Der in Barsbüttel ansässige scientologische Verein "Criminon Deutschland e.V." wendet sich bereits seit Jahren an Haftanstalten, um dort Einsitzende zu resozialisieren zu wollen. Auf seiner Internetseite werden diverse Kurse mit Scientology-Inhalten angeboten. 2010 fanden in Hamburg und im Umland Kundgebungen der Gruppe "Jugend für Menschenrechte" statt; Gruppenangehörige sprachen Passanten an und verteilten Flugblätter. Bei einigen Passanten stießen die Inhalte der SO-Gruppe Sag Nein zu Drogen - Sag Ja zum Leben auf Resonanz. Die "Unterabteilung für spezielle Angelegenheiten", der Hamburger SOGeheimdienstableger DSA, "handhabt externe Angelegenheiten, um die Org gegen Konflikte von außen zu schützen". Dazu gehören detektivoder 205 Scientology-Organisation geheimdienstähnliche Tätigkeiten der "Untersuchungs-Sektion" - z.B. gelegentliche Observationen mit offener und verdeckter Fotografie, um die Kritikerszene auszuforschen und einzuschüchtern. Als im Jahr 2008 Protestgruppen namens Anonymous die SO weltweit kritisch ins Visier genommen hatten ( VSB 2009), wurde noch im selben Jahr ein junger DSA-Agent der SO in die Hamburger Anonymous-Gruppe eingeschleust. Er konnte diese Kritikergruppe bis zum März 2010 gründlich ausforschen. Seine Spitzeltätigkeit wurde Vermummter Scientologe durch das LfV Hamburg aufgedeckt. unter maskierten SO-Kritikern Ob im Lernoder Nachhilfebereich, bei Lebensberatungen oder persönlichen und geschäftlichen Kontakten verschiedener Art: Stets versuchen Scientologen sich in psychischer Beeinflussung potenziell neuer Mitglieder. Sie arbeiten dabei mit einfachen Erklärungsmustern und Weltbildern und bieten anschließend die scheinbare Geborgenheit einer elitären Gruppe. Dabei geht es um die Destabilisierung der aktuellen und früheren Lebensinhalte, um scheinbar attraktive neue Angebote und letztlich um die Etablierung eines neuen scientologischen Denkens. Bei Begegnungen dieser Art mit Scientologen ist höchste Vorsicht geboten, weil schnell Abhängigkeiten entstehen können. Wenn Sie im Zusammenhang mit der SO Beratung benötigen, wenden Sie sich gerne an das Team des Hamburger Verfassungsschutzes unter der Telefonnummer 040 / 244443. Nennen Sie das Stichwort "Scientology", und Sie finden fachkundigen Rat. Informationen und Beratung über die Scientology-Organisation durch den Verfassungsschutz im Internet (http://www.hamburg.de/verfassungsschutz/service/2470458/scientology-beratung-fhh-hamburg.html) 206 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Spionageabwehr VII. Spionageabwehr 1. Überblick Die Spionageabwehr hat die gesetzliche Aufgabe, Informationen über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Nachrichtendienste in der Bundesrepublik Deutschland zu sammeln und auszuwerten. Aufgeklärt werden deren Strukturen, Arbeitsmethoden und Ziele. Neben der klassischen Spionage zählen die Ausspähung, Verfolgung und Unterwanderung von Regimegegnern totalitärer Staaten in Deutschland zu den sicherheitsgefährdenden und geheimdienstlichen Tätigkeiten dieser Dienste. Im Fokus der Spionageabwehr stehen zunehmend auch die Aufklärung und Verhinderung aller Versuche sogenannter kritischer Staaten, in den Besitz von Massenvernichtungswaffen und die zu deren Einsatz benötigte Trägertechnologie sowie des dazu gehörenden Know-how zu gelangen. "Kritische Staaten" sind vor allem proliferationsrelevante Länder (Proliferation 2.). Von ihnen wird befürchtet, dass sie ABC-Waffen beschaffen und deren Einsatz androhen (u.a. Iran, Nordkorea, Syrien, Pakistan, Indien). Besondere Aktivitäten in der ProliferaDeutschland tionsbeschaffung entwickelt seit Jahren Iran. Die Bundesrepublik Deutschland ist nach wie vor ein bevorzugtes Ausspähungsziel ausländischer Nachrichfremder N achrichtendienste tendienste, was die anhaltend hohe Präsenz von Nachrichtendienstmitarbeitern an den staatlichen bzw. staatsnahen Vertretungen in Deutschland widerspiegelt. Ihr Aufklärungsinteresse am wirtschaftlichen Entwicklungsprozess und an den wissenschaftlich technologischen Ressourcen Deutschlands hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Die nachrichtendienstliche Aufklärung elektronischer Kommunikation hat zunehmende Bedeutung gewonnen. Die Ausforschung per Internet wird nicht zuletzt durch den sorglosen Umgang vieler Anwender mit ihren Daten begünstigt. 208 Spionageabwehr 2. Proliferation und Wissenstransfer der Nachrichtendienste "kritischer Staaten" Unter Proliferation versteht man die Weitergabe atomarer, biologischer und chemischer Waffen (ABC-Waffen) bzw. der zu ihrer Herstellung benötigten Komponenten sowie der entsprechenden Trägersysteme einschließlich des erforderlichen Wissenstransfers an proliferationsrelevante Länder. Um die seit einiger Zeit bestehenden restriktiven Exportkontrollbestimmungen in Europa - insbesondere auch in Deutschland - zu umgehen, setzen diese Länder ihre Geheimdienste und nachrichtendienstliche Methoden ein. So gründen sie z.B. im eigenen und auch im Zielland Tarnfirmen, schalten unverfänglich erscheinende Zwischenhändler ein und verschleiern durch Umweglieferungen über Drittländer den Endabnehmer und den Endverwendungszweck des einzuführenden Gutes. Um an das benötigte Know-how zu gelangen, nutzen die proliferationsrelevanten Länder internationale Kontakte zu Universitäten und sonstigen Instituten oder Forschungseinrichtungen, um sich Grundlagenwissen oder Spezialkenntnisse anzueignen. So wird auch der von staatlicher Seite unterstützte und geförderte internationale Informationsund Erfahrungsaustausch missbraucht. Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) informiert und sensibilisiert sowohl die Industrie als auch Bildungsund Forschungseinrichtungen in Hamburg über die Proliferationsthematik und die Risiken für die Betroffenen in Deutschland. Firmen, die in das Blickfeld proliferationswilliger Staaten geraten sind, bietet der Verfassungsschutz Gespräche an, um sie für die Problematik zu sensibilisieren und zu beraten ( VIII., 2. Wirtschaftsschutz). 3. Wirtschaftsspionage Unter Wirtschaftsspionage ist die von fremden Nachrichtendiensten ausgehende Ausforschung von Wirtschaftsunternehmen zu verstehen. Sie ist von der Industriebzw. Konkurrenzspionage zu unterscheiden, bei der es sich um die Ausforschung handelt, die ein Unternehmen gegen ein anderes - ohne nachrichtendienstliche Steuerung - betreibt. 209 Spionageabwehr Die Stärke der deutschen Wirtschaft beruht auf Wissensund Technologievorsprung und auf entsprechendem Innovationsreichtum. Durch die Globalisierung und Vernetzung des Wirtschaftslebens und des zunehmenden Konkurrenzdrucks in der Wirtschaft steigt auch die Gefahr eines illegalen Informationsabflusses. Damit einher geht das Risiko, Opfer von Wirtschafts-, Industriebzw. Konkurrenzspionage zu werden. Die Gefährdungslage in Deutschland ist konkret. Staaten wie Russland und China betreiben mit ihren Nachrichtendiensten aktiv Spionage in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung. Ausgespäht werden sowohl technische Informationen als auch Unternehmensstrategien. Eine große Bedrohung stellen derzeit internetbasierte Angriffe auf Computersysteme und die mobile Kommunikation hamburgischer Wirtschaftsunternehmen dar. Das eigene Know-how zu schützen ist und bleibt in erster Linie eine Aufgabe in Verantwortung der Unternehmen als Informationsträger und damit Gefährdete. Neben dem Informationsabfluss durch eigene Mitarbeiter erfolgt Wirtschaftsspionage z.B. durch Hackerangriffe, eingeschleuste Spionageprogramme, Abhören von Besprechungen, Einschleusen von Praktikanten und Doktoranden. Hier kann sich ein Unternehmen durch notwendige betriebliche Eigenvorsorge gegen nachrichtendienstliche Ausspähung wirkungsvoll schützen. 4. Die Nachrichtendienste der Russischen Föderation Die russischen Nachrichtendienste haben die Aufgabe, wichtige innenund außenpolitische Entscheidungen der Regierung zu unterstützen. Die Nachrichtenbeschaffung im Ausland obliegt hauptsächlich dem zivilen Auslandsnachrichtendienst SWR (Sluschba Wneschnej Raswedki). Er verfügt über ca. 13.000 Mitarbeiter, die sich auf die Informationsbeschaffung aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Technik sowie Politik konzentrieren. Neben dem SWR ist auch der militärische Nachrichtendienst GRU (Glawnoje Raswdywatelnoje Uprawleije) gegen die Bundesrepublik Deutschland aktiv. Die Aufklärungsarbeit des GRU (12.000 Mitarbeiter) betrifft die Berei210 Spionageabwehr che Sicherheitspolitik und Militär wie z.B. Bundeswehr oder NATO sowie militärische Technologie. Neben diesen beiden Nachrichtendiensten existiert der Inlandsnachrichtendienst FSB (Federalnaja Slushba Besopasnosti) mit 300.000 Beschäftigten. Er ist für die zivile und militärische Spionageabwehr, die Beobachtung des politischen Extremismus sowie für die Bekämpfung von Organisierter Kriminalität und Terrorismus zuständig. Er betreibt eine intensive Überwachung des Internets und hat ständigen Zugriff auf den gesamten Datenverkehr. Ausländische Staatsangehörige müssen damit rechnen, dass ihr Internetverkehr sowie Telefongespräche gezielt überwacht Hauptsitz des FSB in Moskau werden. Darüber hinaus kontrolliert der FSB die in die Russische Föderation einund ausreisenden Personen. Touristen und Geschäftsleute müssen mit Versuchen rechnen, sie für eine geheimdienstliche Agententätigkeit zu gewinnen. Die wesentlichen Aktivitäten in Deutschland und in Hamburg entwickeln die Mitarbeiter der russischen Auslandsnachrichtendienste SWR und GRU aus sogenannten Legalresidenturen heraus. Diese sind Bestandteil der diplomatischen und konsularischen Vertretungen. Einen Großteil ihres Informationsbedarfs decken die russischen Nachrichtendienstoffiziere durch die Auswertung offener Quellen wie des Internets und anderer Medien, des Besuchs von Industriemessen, der Teilnahme an öffentlichen Vortragsveranstaltungen, Tagungen und Diskussionsrunden sowie durch Gespräche mit Kontaktpersonen. Sie wenden aber auch konspirative Methoden an, um besonders sensible Informationen zu beschaffen. Aufsehen erregte die Aktivitäten eines russischen Spionagenetzes, das Ende Juni 2010 in Amerika enttarnt wurde. Das FBI war elf russischen Agenten, die als "brave Mittelstandsamerikaner" eingeschleust worden waren, auf die Spur gekommen. Sie waren mit einer komplett falschen Identität in das Land geschleust worden und hatten die Aufgabe, sich als amerikanische Bürger zu etablieren und anschließend aus diesen Positio211 Spionageabwehr nen heraus Informationen für die russischen Nachrichtendienste zu beschaffen. Es ist davon auszugehen, dass eine derartige Vorgehensweise, die bislang als überholt galt, auch in Deutschland angewendet wird. 5. Chinesische Nachrichtendienste Die nachrichtendienstliche Informationsbeschaffung Chinas in Deutschland obliegt überwiegend dem MSS (Ministry for State Security) und dem militärischen Informationsdienst MID (Military Intelligence Department). Beide entfalten Aufklärungsaktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland. Zu den Aufgaben chinesischer Nachrichtendienste gehört, zur ökonomischen Entwicklung und damit zur Stärkung der Stellung Chinas als aufstrebende Großmacht beizutragen. Daher bemühen sie sich um sensible Informationen aus der deutschen Wirtschaft. Darunter fallen insbesondere Erkenntnisse über neue Produkte und Herstellungsprozesse sowie aktuelle Forschungsergebnisse. Eine Kehrseite der guten Beziehungen zwischen China und Deutschland sowie der Exportorientierung der deutschen Wirtschaft ist der einseitige Wissensabfluss aus vielen Fachgebieten in Richtung China. Das Land setzt seine Nachrichtendienste auch dazu ein, die in vielen Bereichen noch erheblichen Technologierückstände zu den führenden Industrienationen auch durch zielgerichtete nachrichtendienstliche Arbeit zu kompensieren. Hierbei werden nicht nur ausgebildete Agenten eingesetzt, sondern vielmehr sogenannte Non-Professionals mit Zugang zu westlichem Knowhow. Dieser Personenkreis wie Wissenschaftler und Studenten zeichnet sich durch Fleiß, Bildungshunger, Karrieredenken und Erwerbsstreben aus. Daher kommen als potenzielle Ziele von Anwerbungen chinesischer Nachrichtendienste insbesondere Praktikanten, Gastdozenten, Doktoranden und wissenschaftliche Mitarbeiter aus China in Betracht und zum praktischen Einsatz. Die ausgeprägte Verbundenheit der Chinesen mit ihrer Heimat kommt dem chinesischen Nachrichtendienst entgegen. 212 Spionageabwehr Neben der Wirtschaftsspionage durch die Nutzung menschlicher Quellen betreibt China in erster Linie elektronische Aufklärung. Besonders groß ist das Risiko hierbei für mittelständische deutsche Unternehmen, die ihre Rechnernetzwerke nicht wie große Konzerne durch eine angemessene Sicherheitsarchitektur schützen können. Ein besonderes Sicherheitsrisiko stellt in diesem Zusammenhang die wachsende Nutzung der sogenannten Internet-Telefonie durch Unternehmen dar. Ein weiterer Aufklärungsschwerpunkt ist die chinesische Opposition im Ausland. Die chinesische Regierung diffamiert bestimmte Personengruppen als "5 Gifte", die sie nicht nur in der Heimat, sondern auch im Ausland ausspäht: Betroffen sind hier vor allem die in China des Separatismus verdächtigen Uiguren und Tibeter sowie die Angehörigen der Meditationsbewegung Falun Gong. Dazu zählt die Kommunistische Partei Chinas auch Mitglieder der Demokratiebewegung und Befürworter einer Eigenstaatlichkeit Taiwans als Staatsfeinde. Reisende nach China sollten sich vergegenwärtigen, dass Telekombetreiber und Internetdienstleister eng mit den Sicherheitsbehörden zusammenarbeiten. Geschäftsreisende müssen davon ausgehen, auf Reisen in Hotels und in Konferenzräumen umfassend überwacht und ausgespäht zu werden. 6. Nachrichtendienste des Nahen und Mittleren Ostens sowie Nordafrikas Bei Staaten des Nahen und Mittleren Ostens sowie Nordafrikas dominiert neben der klassischen Informationsbeschaffung die Ausforschung Oppositioneller aus diesen Ländern sowie die Unterwanderung ihrer Organisationen. Insbesondere Iran ist hierbei mit seinem zivilen Inund Auslandsnachrichtendienst MOIS (Ministry of Information and Security) besonders aktiv. Seine Beschaffungsschwerpunkte und Aufgabe sind die intensive Beobachtung und Bekämpfung oppositioneller Gruppierungen in Deutschland. Auch die Beschaffung von Informationen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft steht auf der Agenda dieses Dienstes. Weitere Ziele sind die deutsche Außenund Sicherheitspolitik. 213 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz VIII. Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz 1. Allgemeines Im Rahmen des Wirtschaftsschutzes betreuen LfV und das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) Unternehmen, die geheimhaltungsbedürftige Staatsaufträge erhalten haben. Diese Unternehmen werden als "geheimschutzbetreut" bezeichnet. Sowohl diese Firmen als auch andere Hamburgische Wirtschaftsunternehmen nutzen zudem das Beratungsund Informationsangebot des LfV. Im Bereich des Geheimund Sabotageschutzes ( 3.) strebt das LfV an, durch personelle, technische und organisatorische Vorkehrungen bei Behörden und Einrichtungen einen Schutz vor der Ausforschung staatlicher geheimhaltungsbedürftiger Informationen zu erreichen. Solche amtlich geheim zu haltenden Angelegenheiten, sogenannte VerschlussSymbolfoto: Microsoft sachen (VS), sind im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse. Dazu zählen insbesondere elektronische Speichermedien, Schriftverkehr, Transportwege, aber auch Räumlichkeiten. Sie werden nach ihrer Schutzbedürftigkeit von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung entweder als STRENG GEHEIM, GEHEIM, VS-VERTRAULICH oder VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH klassifiziert. Entscheidend für die Einstufung ist der mögliche Schaden, wenn Unbefugte von diesen Informationen Kenntnis erhalten. 2. Wirtschaftsschutz Ziel des Wirtschaftsschutzes ist es, das Sicherheitsbewusstsein in Hamburger Unternehmen zu erhöhen. Das Beratungsangebot des LfV umfasst Firmenbesuche, Informationsund Vortragsveranstaltungen, aktuelle Lageeinschätzungen sowie konkrete Verhaltensempfehlungen im Sicherheitsoder Verdachtsfall. 216 Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Insbesondere die Themen Schutz vor Ausspähung durch fremde Nachrichtendienste ( 4., VII. Spionageabwehr), sicherheitsbewusstes Verhalten auf Geschäftsreisen, IT-Sicherheit, Know-how-Schutz, Schutz kritischer Infrastrukturen sowie Hinweise zum Umgang mit sozialen Netzwerken sind Gegenstand häufiger Nachfragen. Eine 2009 durchgeführte Umfrage des LfV u.a. zu den Themen Wirtschaftsspionage ( 4., VII., 3.) Konkurrenzausspähung, IT-basierte Angriffe, unternehmensinterne Sensibilisierungsmaßnahmen und Know-how-Schutzkonzepte war Gegenstand häufiger Nachfragen und Diskussionen. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, wie groß der Beratungsbedarf gesehen wird und wie wichtig in diesem Zusammenhang die Tätigkeit des LfV ist. So haben beispielsweise 20 % der befragten Unternehmen schon negative Erfahrungen mit Wissensverlust durch Diebstahl gemacht; 10 % der Firmen sind bereits Opfer eines IT-basierten Angriffs geworden. Und 64 % der Unternehmen gaben an, im Verdachtsfall von Wirtschaftsspionage und Konkurrenzausspähung Kontakt zum LfV aufzunehmen. Weitere Informationen dazu finden Sie unter "Arbeitsfeld Wirtschaftsschutz / Publikationen Wirtschaftsschutz / Auswertung der Wirtschaftsschutzumfrage 2009". Etabliert haben sich die gemeinsamen Veranstaltungen mit dem BMWi zur Einweisung der neuen Sicherheitsbeauftragten der geheimschutzbetreuten Unternehmen. Die intensive Zusammenarbeit mit vielen Hamburger Wirtschaftsbetrieben und ihren Vereinigungen und das dadurch gewachsene Vertrauensverhältnis finden ihren Ausdruck in zahlreichen Hinweisen der Unternehmen an das LfV über sicherheitsrelevante Vorkommnisse. Die Zahl der vom LfV beratenen Unternehmen stieg 2010 auf ca. 450 Unternehmen an; davon sind ca. 90 geheimschutzbetreut. Firmen, die einen Beratungsbedarf haben, können sich jederzeit mit dem Landesamt in Verbindung setzen. Rufen Sie uns an unter der Telefonnummer 040 - 24 44 43 und lassen Sie sich mit dem Referat "Wirtschaftsschutz" verbinden. 217 Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz 3. Geheimund Sabotageschutz 3.1 Geheimschutz Ziel des staatlichen Geheimschutzes ist es, geheimhaltungsbedürftige Informationen des Staates, bestmöglich vor einer Preisgabe an Unbefugte zu sichern. Für VS ist deshalb ein optimaler Schutz zu gewährleisten. Der Umgang mit ihnen ist nicht nur materiell ( 3.1.3), sondern auch personenbezogen ( 3.1.1 / 3.1.2) zu regeln. In konsequenter Fortführung der materiellen Vorkehrungen dürfen nur solche Personen mit VS befasst werden, die dazu nach den Maßstäben des personellen Geheimschutzes befugt sind. Das Hamburgische Sicherheitsüberprüfungsgesetz (HmbSÜG, Internetseiten des LfV; Wir über uns / Gesetzliche Grundlagen) ist die Grundlage des personellen Geheimschutzes. Sicherheitsüberprüfungen dienen der Feststellung, ob einer bestimmten Person eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit übertragen werden kann. Sollten sicherheitserhebliche Erkenntnisse vorliegen, die die Zuweisung solcher Aufgaben aus Gründen des staatlichen Geheimschutzes verbieten - sogenannte Sicherheitsrisiken -, dürfen sicherheitsempfindliche Arbeiten nicht übertragen werden. Ein Sicherheitsrisiko liegt z.B. bei Unzuverlässigkeit, fehlender Verfassungstreue oder Erpressbarkeit bzw. bei besonderer Gefährdung durch Anbahnungsoder Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste vor. Um die Grundrechte der Betroffenen zu gewährleisten, wurde im HmbSÜG kein Zwang zur Sicherheitsüberprüfung festgelegt. Dieser Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht erfolgt nur mit Zustimmung der Betroffenen. Auch beim Ehegatten oder Lebenspartner, der bei bestimmten Überprüfungsarten in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen wird, ist die Zustimmung Voraussetzung. Falls die Sicherheitsüberprüfung verweigert wird, ist die Ausübung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit allerdings nicht möglich. 3.1.1 Personeller Geheimschutz in Hamburger öffentlichen Stellen Die Art der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit bestimmt das anzuwendende Überprüfungsverfahren. Der Umfang der Überprüfungen reicht von der Datensatzsichtung bis zur Befragung von Referenzpersonen. 218 Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Das HmbSÜG enthält gegenüber den Sicherheitsüberprüfungsgesetzen des Bundes und anderer Länder einen erweiterten Aufgabenkatalog. Unabhängig vom tatsächlichen Umgang mit VS können auch Personen überprüft werden, die in einer Dienststelle tätig sind, welche aufgrund ihrer Aufgabenstellung oder ihrer besonderen Bedeutung zum Sicherheitsbereich erklärt wurde. Überprüft werden können auch Personen, die in zentralen sicherheitsempfindlichen öffentlichen Bereichen in Funktionen der Informationsund Kommunikationstechnik - z.B. bei Dataport - tätig sind. Mit der sogenannten verkürzten Sicherheitsüberprüfung bietet das HmbSÜG gegenüber anderen Sicherheitsüberprüfungsgesetzen eine Besonderheit: Behörden dürfen den kurzzeitigen Zugang zu einem Sicherheitsbereich gewähren, ohne eine komplette - für diese kurzzeitige Tätigkeit unangemessene - Sicherheitsüberprüfung vornehmen zu müssen (z.B. bei unaufschiebbaren Maßnahmen von Handwerkern). Im Jahr 2010 hat das LfV Hamburg 860 (2009: 913) Sicherheitsüberprüfungen bearbeitet. 3.1.2 Personeller Sabotageschutz in Hamburg Beim personellen Sabotageschutz handelt es sich um präventive Überprüfungsmaßnahmen. Sie sollen potenzielle Saboteure, sogenannte Innentäter, von bestimmten sicherheitsempfindlichen Stellen bzw. Einrichtungen fernhalten. Im Rahmen des personellen Sabotageschutzes werden Zuverlässigkeitsüberprüfungen durchgeführt. Personen, die in sicherheitsempfindlichen Symbolfoto Bereichen des Hamburger Flughafens beschäftigt werden sollen, werden nach SS 7 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherungsaufgaben (Luftsicherheitsgesetz - LuftSiG) überprüft. Im Jahr 2010 wurden 8.671 (2009: 8.729) Überprüfungen für den www.mediaserver.hamburg.de/ Bereich des Hamburger Flughafens vorgeM. Penner nommen. 219 Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Symbolfoto Die Sicherheitsmaßnahmen für Hafenanlagen sehen auch Personenüberprüfungen vor. Die im Hafensicherheitsgesetz (HafenSG) definierten Sicherheitsmaßnahmen umfassen auch Zuverlässigkeitsüberprüfungen. Davon wurden im Jahr 2010 74 (2009: 50) vorgenommen. Das LfV Hamburg ist darüber hinaus an den www.mediaserver.hamburg.de/ Zuverlässigkeitsüberprüfungsverfahren des C. Spahrbier Gesetzes über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz - SprengG) beteiligt. Im Jahr 2010 wurden 3 Auskunftsersuchen beantwortet (2009: 5). 3.1.3 Materieller Geheimschutz Der materielle Geheimschutz umfasst technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz von "Verschlusssachen" und räumlichen Sicherheitsbereichen. VS sind im staatlichen Interesse vor dem Zugriff Unbefugter zu schützen. Sie sind daher entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit zu behandeln und zu verwahren. Das LfV berät die öffentlichen Stellen der Freien und Hansestadt Hamburg bei der Planung und Durchführung technischer und organisatorischer Sicherungsmaßnahmen. Besonderer Beratungsbedarf ergab sich im Jahr 2010 durch die räumliche Verlagerung der Sitzungen der G 10-Kommission vom LfV ins Hamburger Rathaus und dem damit verbundenen Wechsel der Geschäftsführung der G 10-Kommission. 220 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Anhang / Verfassungsschutzgesetz Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz (HmbVerfSchG) vom 07.03.1995 zuletzt geändert durch Gesetz vom 08.06.2010 1. Abschnitt Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz SS1 Zweck des Verfassungsschutzes SS2 Zuständigkeit SS3 Zusammenarbeit SS4 Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz SS5 Begriffsbestimmungen SS6 Voraussetzung und Rahmen für die Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz 2. Abschnitt Erheben und weitere Verarbeitung von Informationen SS7 Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz SS8 Erheben von Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln SS9 Weitere Verarbeitung personenbezogener Daten SS 10 Verarbeitung von Daten Minderjähriger SS 11 Berichtigung, Sperrung und Löschung 3. Abschnitt Datenübermittlung SS 12 Übermittlung nicht personenbezogener Daten SS 13 Übermittlung personenbezogener Daten an inländische Nachrichtendienste SS 14 Übermittlung personenbezogener Daten an inländische öffentliche Stellen und Strafverfolgungsbehörden SS 15 Übermittlung personenbezogener Daten an Stationierungsstreitkräfte SS 16 Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische öffentliche Stellen 222 Anhang / Verfassungsschutzgesetz SS 17 Übermittlung personenbezogener Daten an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs SS 18 Übermittlung personenbezogener Daten an die Öffentlichkeit SS 19 Übermittlung personenbezogener Daten an das Landesamt für Verfassungsschutz SS 20 Registereinsicht durch das Landesamt für Verfassungsschutz SS 21 Übermittlungsverbote und -einschränkungen SS 22 Übermittlung personenbezogener Daten Minderjähriger 4. Abschnitt Auskunftserteilung SS 23 Auskunftserteilung 5. Abschnitt Parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes SS 24 Parlamentarischer Kontrollausschuss SS 25 Zusammensetzung und Pflichten des Ausschusses SS 26 Aufgaben des Ausschusses SS 27 Eingaben 223 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 1. Abschnitt Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz SS1 Zweck des Verfassungsschutzes (1) Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder. (2) Zu diesem Zweck tritt dieses Gesetz neben das Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz - BVerfSchG) vom 20. Dezember 1990 (Bundesgesetzblatt I Seiten 2954, 2970), zuletzt geändert am 5. Januar 2007 (BGBl. I S. 7). SS2 Zuständigkeit (1) 1 Der Verfassungsschutz wird innerhalb der zuständigen Behörde vom Landesamt für Verfassungsschutz wahrgenommen. 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz ist ausschließlich hierfür zuständig. 3 Bei der Erfüllung seiner Aufgaben ist es an Gesetz und Recht gebunden (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf einer polizeilichen Dienststelle nicht angegliedert werden. 2 Ihm stehen polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse gegenüber polizeilichen Dienststellen nicht zu; es darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht befugt ist. SS3 Zusammenarbeit (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz ist verpflichtet, mit Bund und Ländern in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. 2 Die Zusammenarbeit besteht auch in gegenseitiger Unterstützung und Hilfeleistung sowie in der Unterhaltung gemeinsamer Einrichtungen. 224 Anhang / Verfassungsschutzgesetz (2) 1 Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz nach Maßgabe dieses Gesetzes und soweit eigenes Landesrecht dies zulässt, der Bund gemäß SS 5 Absatz 2 BVerfSchG nur im Benehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz tätig werden. 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf in den anderen Ländern tätig werden, soweit es die Rechtsvorschriften dieses Gesetzes und der anderen Länder zulassen. SS4 Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) 1 Aufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der verfassungsmäßigen Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht in der Bundesrepublik Deutschland, 3. Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, 4. Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Absatz 2 des Grundgesetzes), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Absatz 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind (SS 3 Absatz 1 BVerfSchG). 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat insbesondere den Senat über Gefahren für die Schutzgüter des SS 1 zu informieren und die dafür zuständigen staatlichen Stellen in die Lage zu versetzen, Maßnahmen zu ihrer 225 Anhang / Verfassungsschutzgesetz Abwehr zu ergreifen. 3 Darüber hinaus unterrichtet das Landesamt für Verfassungsschutz mindestens einmal jährlich die Öffentlichkeit über Gefahren für die Schutzgüter des SS 1. (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz wirkt gemäß SS 3 Absatz 2 Satz 1 BVerfSchG mit 1. bei der Überprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich dienstlich verschaffen können, 2. bei der Überprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensund verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen und Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. 2 Die Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz bei der Mitwirkung nach Satz 1 Nummern 1 und 2 sind im Hamburgischen Sicherheitsüberprüfungsgesetz (HmbSÜG) vom 25. Mai 1999, zuletzt geändert am 4. Dezember 2002 (HmbGVBl. S. 327, 330), geregelt. 3 Die Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz bei der Mitwirkung an Zuverlässigkeitsüberprüfungen zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Hamburger Hafens sind im Hafensicherheitsgesetz vom 6. Oktober 2005 (HmbGVBl. S. 424) geregelt. SS5 Begriffsbestimmungen (1) 1 Im Sinne dieses Gesetzes sind: 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes solche politisch motivierten zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihnen gehörendes Gebiet abzutrennen, 226 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes solche politisch motivierten zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen, 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch motivierten zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. 2 Für einen Personenzusammenschluss handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt (SS 4 Absatz 1 Sätze 1 und 2 BVerfSchG). 3 Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes sind auch Verhaltensweisen gemäß Satz 1 von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln, wenn sie gegen Schutzgüter dieses Gesetzes mit Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder diese sonst angreifen und bekämpfen. (2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne diese Gesetzes zählen gemäß SS 4 Absatz 2 BVerfSchG 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, 4. die Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung und ihre Ablösbarkeit, 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 227 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 6. der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und 7. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. SS6 Voraussetzung und Rahmen für die Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf nur Maßnahmen ergreifen, wenn und soweit sie zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind; dies gilt insbesondere für die Erhebung und weitere Verarbeitung personenbezogener Daten. 2 Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat es diejenige zu treffen, die den Einzelnen insbesondere in seinen Grundrechten und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. 3 Eine geringere Beeinträchtigung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Information aus allgemein zugänglichen Quellen oder durch eine behördliche Auskunft gewonnen werden kann. 4 Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. 5 Sie ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann. 2. Abschnitt Erheben und weitere Verarbeitung von Informationen SS7 Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben Informationen erheben und weiter verarbeiten. 2 Es darf personenbezogene Daten auch für die Vorgangsverwaltung nutzen und verarbeiten. 3 Ist zum Zwecke der Datenerhebung die Übermittlung von personenbezogenen Daten unerlässlich, ist sie auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken. 4 Schutzwürdige Interessen des Betroffenen dürfen nur in unvermeidbarem Umfang beeinträchtigt werden. (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf bei den hamburgischen Behörden und den der Aufsicht der Freien und Hansestadt Hamburg unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur die Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben, die diesen Stel228 Anhang / Verfassungsschutzgesetz len im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung bereits vorliegen und die zur Erfüllung der Aufgaben des Verfassungsschutzes erforderlich sind. 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz braucht die Ersuchen nicht zu begründen, soweit dies dem Schutz des Betroffenen dient oder eine Begründung den Zweck der Maßnahme gefährden würde. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf im Einzelfall bei denjenigen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen oder Telemediendienste erbringen oder daran mitwirken, unentgeltlich Auskunft über Daten einholen, die für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung, Änderung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses über Postdienstleistungen oder Telemediendienste (Bestandsdaten) gespeichert worden sind, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf im Einzelfall unentgeltlich Auskunft einholen bei 1. Luftfahrtunternehmen zu Namen und Anschriften des Kunden sowie zur Inanspruchnahme und den Umständen von Transportleistungen, insbesondere zum Zeitpunkt von Abfertigung und Abflug und zum Buchungsweg, 2. Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen zu Konten, Konteninhabern und sonstigen Berechtigten sowie weiteren am Zahlungsverkehr Beteiligten und zu Geldbewegungen und Geldanlagen, insbesondere über Kontostand und Zahlungseinund -ausgänge, 3. denjenigen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen erbringen oder daran mitwirken, zu den Umständen des Postverkehrs, 4. denjenigen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringen oder daran mitwirken, zu Verkehrsdaten nach SS 96 Absatz 1 Nummern 1 bis 4 des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190), zuletzt geändert am 18. Februar 2007 (BGBl. I S. 106, 116), und sonstigen zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung der Telekommunikation notwendigen Verkehrsdaten und 5. denjenigen, die geschäftsmäßig Telemediendienste erbringen oder daran mitwirken, zu 229 Anhang / Verfassungsschutzgesetz a) Merkmalen zur Identifikation des Nutzers eines Telemediendienstes, b) Angaben über Beginn und Ende sowie über den Umfang der jeweiligen Nutzung und c) Angaben über die vom Nutzer in Anspruch genommenen Telemediendienste, soweit dies zur Aufklärung von Bestrebungen oder Tätigkeiten erforderlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwerwiegende Gefahren für die in SS 4 Absatz 1 Satz 1 genannten Schutzgüter vorliegen. Im Falle des SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 gilt dies nur für Bestrebungen, die bezwecken oder auf Grund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, 1. zu Hass oder Willkürmaßnahmen gegen Teile der Bevölkerung aufzustacheln oder deren Menschenwürde durch Beschimpfen, böswilliges Verächtlichmachen oder Verleumden anzugreifen und dadurch die Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt zu fördern und den öffentlichen Frieden zu stören oder 2. Gewalt anzuwenden oder vorzubereiten, einschließlich dem Befürworten, Hervorrufen oder Unterstützen von Gewaltanwendung, auch durch Unterstützen von Vereinigungen, die Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten oder androhen. (5) Anordnungen nach Absatz 4 dürfen sich nur gegen Personen richten, bei denen 1. tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie die schwerwiegenden Gefahren nach Absatz 4 nachdrücklich fördern oder 2. auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist a) bei Auskünften nach Absatz 4 Satz 1 Nummern 1, 2 und 5, dass sie die Leistung für eine Person nach Nummer 1 in Anspruch nehmen oder b) bei Auskünften nach Absatz 4 Satz 1 Nummern 3 und 4, dass sie für eine Person nach Nummer 1 bestimmte oder von ihr herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben, oder im Falle des 230 Anhang / Verfassungsschutzgesetz Absatzes 4 Satz 1 Nummer 4, dass eine Person nach Nummer 1 ihren Anschluss benutzt. (6) 1 Die Zuständigkeit für Anordnungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 ist in einer Dienstvorschrift zu regeln, die der Zustimmung des Präses oder bei seiner Verhinderung des Staatsrates der zuständigen Behörde bedarf. 2 Anordnungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummern 2 bis 5 werden vom Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz oder seinem Vertreter schriftlich beantragt und begründet. 3 Im Falle der Auskunft nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 kann der Antrag auch von einem Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz gestellt werden, der die Befähigung zum Richteramt hat. 4 Zuständig für Anordnungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummern 2 bis 5 ist der Präses oder bei seiner Verhinderung der Staatsrat der zuständigen Behörde. 5 Die Anordnung einer Auskunft über künftig anfallende Daten ist auf höchstens drei Monate zu befristen. 6 Die Verlängerung dieser Anordnung um jeweils nicht mehr als drei Monate ist auf Antrag zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung fortbestehen. 7 Anordnungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummern 1 und 2 hat das Landesamt für Verfassungsschutz dem Betroffenen mitzuteilen, sobald eine Gefährdung des Zweckes des Eingriffs ausgeschlossen werden kann. (7) 1 Über Anordnungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummern 3 bis 5 unterrichtet die zuständige Behörde die G 10-Kommission nach SS 1 Absatz 1 des Gesetzes zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes vom 17. Januar 1969 (HmbGVBl. S. 5), zuletzt geändert am 17. Dezember 2002 (HmbGVBl. S. 332), vor deren Vollzug. 2 Bei Gefahr im Verzug kann der Präses oder bei seiner Verhinderung der Staatsrat der zuständigen Behörde den Vollzug der Entscheidung auch bereits vor der Unterrichtung der Kommission anordnen. 3 Die G 10-Kommission prüft von Amts wegen oder auf Grund von Beschwerden die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Einholung von Auskünften. 4 SS 15 Absatz 5 des Artikel 10-Gesetzes vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), zuletzt geändert am 18. Februar 2007 (BGBl. I S. 106), ist mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass die Kontrollbefugnis der Kommission sich auf die gesamte Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der nach Absatz 4 Satz 1 Nummern 3 bis 5 erlangten personenbezogenen Daten erstreckt. 5 Entscheidungen über Auskünfte, die die G10-Kommission für unzulässig oder nicht notwendig erklärt, sind unverzüglich aufzuheben. 6 Die Daten unterliegen in diesem Falle einem absoluten Verwendungsverbot und sind unverzüglich zu löschen. 7 Für die Verarbeitung der nach Absatz 4 Satz 1 Nummern 3 bis 5 erhobenen Daten ist SS 4 231 Anhang / Verfassungsschutzgesetz des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. 8 SS 12 Absätze 1 und 3 des Artikel 10-Gesetzes findet entsprechende Anwendung. (8) 1 Die nach Absatz 6 zuständige Behörde unterrichtet im Abstand von höchstens sechs Monaten den Kontrollausschuss gemäß SS 24 über die Durchführung der Maßnahmen nach den Absätzen 3 und 4; dabei ist insbesondere ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen zu geben. 2 Die nach Satz 1 zuständige Behörde erstattet ferner dem Parlamentarischen Kontrollgremium nach dem Kontrollgremiumgesetz vom 11. April 1978 (BGBl. I S. 453), zuletzt geändert am 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 1260), jährlich sowie nach Ablauf von drei Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes zusammenfassend zum Zweck der Evaluierung einen Bericht über die Durchführung sowie Art, Umfang und Anordnungsgründe der Maßnahmen nach den Absätzen 3 bis 5; dabei sind die Grundsätze des SS 2 Absatz 4 des Gesetzes zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes und des SS 5 Absatz 1 des Kontrollgremiumgesetzes zu beachten. (9) 1 Anordnungen sind dem Verpflichteten insoweit schriftlich mitzuteilen, als dies erforderlich ist, um ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung zu ermöglichen. 2 Anordnungen und übermittelte Daten dürfen dem Betroffenen oder Dritten vom Verpflichteten nicht mitgeteilt werden. (10) Das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird nach Maßgabe des Absatzes 4 Satz 1 Nummern 3 bis 5 und der Absätze 5 bis 7 eingeschränkt. SS8 Erheben von Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf mit nachrichtendienstlichen Mitteln Informationen verdeckt erheben. 2 Der Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln ist vorbehaltlich SS 6 nur zulässig, wenn 1. er sich gegen Organisationen, unorganisierte Gruppen, in ihnen oder einzeln tätige Personen richtet, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 bestehen, 232 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 2. er sich gegen andere als die in Nummer 1 genannten Personen richtet, von denen auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den Betroffenen bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben, um auf diese Weise Erkenntnisse über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder gewalttätige Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 zu gewinnen, 3. auf diese Weise die zur Erforschung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 erforderlichen Nachrichtenzugänge geschaffen werden können oder 4. dies zur Abschirmung der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Nachrichtenzugänge des Landesamtes für Verfassungsschutz gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. 3 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf die so gewonnenen Informationen nur für die in Satz 2 genannten Zwecke verwenden. 4 Unterlagen, die für diese Zwecke nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu vernichten. 5 Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Informationen von anderen schriftlichen Unterlagen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand getrennt werden können; in diesem Fall unterliegen sie einem Verwertungsverbot. (2) 1 Zulässige nachrichtendienstliche Mittel sind 1. verdeckt eingesetzte hauptamtliche Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, 2. verdeckt eingesetzte Personen, die nicht in einem arbeitsvertraglichen oder öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Landesamt für Verfassungsschutz stehen, wie Vertrauensleute, Informanten, Gewährspersonen, 3. planmäßig angelegte Beobachtungen (Observationen), 4. Bildaufzeichnungen, 5. verdeckte Ermittlungen und Befragungen, 233 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 6. verdecktes Mithören ohne Inanspruchnahme technischer Mittel, 7. verdecktes Mithören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes oder sonstiger Signale unter Einsatz technischer Mittel innerhalb und außerhalb von Wohnungen (Artikel 13 des Grundgesetzes), 8. Beobachten und Aufzeichnen des Funkverkehrs, soweit nicht der Postund Fernmeldeverkehr nach Maßgabe des Artikel 10-Gesetzes betroffen ist, 9. Aufbau und Gebrauch von Legenden, 10. Beschaffen, Erstellen und Verwenden von Tarnpapieren und Tarnkennzeichen, 11. Überwachen des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs nach Maßgabe des Artikel 10-Gesetzes sowie 12. weitere vergleichbare Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung, insbesondere das sonstige Eindringen in technische Kommunikationsbeziehungen durch Bild-, Tonund Datenaufzeichnungen, um die nach Absatz 1 erforderlichen Informationen zu gewinnen. 2 Die nachrichtendienstlichen Mittel sind abschließend in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher Informationserhebungen regelt. 3 Die Dienstvorschrift bedarf der Zustimmung des Präses der zuständigen Behörde. 4 Der oder dem Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. 5 Die Behörden der Freien und Hansestadt Hamburg sind verpflichtet, dem Landesamt für Verfassungsschutz Hilfe für Tarnungsmaßnahmen zu leisten. (3) 1 Der verdeckte Einsatz besonderer technischer Mittel zur Informationsgewinnung ist im Schutzbereich des Artikels 13 des Grundgesetzes innerhalb von Wohnungen in Abwesenheit einer für das Landesamt für Verfassungsschutz tätigen Person zur Abwehr dringender Gefahren für die Schutzgüter des SS 1 und unter Berücksichtigung des SS 6 nur zulässig, wenn die materiellen Voraussetzungen für einen Eingriff in das Brief-, Postoder 234 Anhang / Verfassungsschutzgesetz Fernmeldegeheimnis nach SS 1 Absatz 1 Nummer 1 und SS 3 Absatz 1 Satz 1 des Artikel 10-Gesetzes vorliegen und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. 2 Der verdeckte Einsatz besonderer technischer Mittel darf sich nur gegen den Verdächtigen richten. 3 Bei unmittelbar bevorstehender Gefahr darf der Einsatz sich auch gegen Personen richten, von denen aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für die Verdächtigen bestimmte oder von ihnen herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder dass die Verdächtigen sich in ihrer Wohnung aufhalten. 4 In den Fällen des SS 53 Absatz 1 der Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 11. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3970), sind Maßnahmen nach den Sätzen 1 bis 3 nur zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass bei den zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten die materiellen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen. (4) 1 Die Anordnung des Einsatzes besonderer technischer Mittel nach Absatz 3 Satz 1 trifft der Richter. 2 Bei Gefahr im Verzug kann der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz oder bei seiner Verhinderung sein Vertreter einen Einsatz nach Absatz 3 Satz 1 anordnen; die Tatsachen, die Gefahr im Verzug begründen, sind aktenkundig zu machen. 3 Eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. 4 Die Anordnungen sind auf längstens vier Wochen zu befristen; Verlängerungen um jeweils nicht mehr als vier weitere Wochen sind auf Antrag zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung fortbestehen. (5) 1 Die Anordnung des Einsatzes besonderer technischer Mittel nach Absatz 3 Satz 1 wird unter der Aufsicht eines Beschäftigten des Landesamtes für Verfassungsschutz vollzogen, der die Befähigung zum Richteramt hat. 2 Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor oder ist der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Informationsgewinnung nicht mehr erforderlich, ist die Maßnahme unverzüglich zu beenden. 3 Das Abhören und Aufzeichnen ist unverzüglich zu unterbrechen, soweit sich während der Überwachung Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, erfasst werden. 4 Aufzeichnungen über solche Äußerungen sind unverzüglich zu löschen. 5 Erkenntnisse über solche Äußerungen dürfen nicht verwertet werden. 6 Die Tatsache der Erfassung der Daten und ihrer Löschung ist zu dokumentieren. 7 Ist eine Maßnahme unterbrochen worden, so darf sie fortgeführt werden, soweit auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte, ins235 Anhang / Verfassungsschutzgesetz besondere zu der Art der zu überwachenden Räumlichkeiten und dem Verhältnis der zu überwachenden Personen zueinander, anzunehmen ist, dass durch die Überwachung Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, nicht mehr erfasst werden. (6) 1 Erkenntnisse und Unterlagen, die durch Maßnahmen nach Absatz 3 Satz 1 gewonnen wurden, dürfen zur Verfolgung und Erforschung der dort genannten Bestrebungen oder Tätigkeiten sowie nach Maßgabe des SS 4 Absätze 4 bis 6 des Artikel 10-Gesetzes verwendet werden. 2 SS 14 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt. 3 Für die Speicherung und Löschung der durch die Maßnahmen nach den Absätzen 3 und 7 erlangten personenbezogenen Daten sowie die Entscheidung über die nachträgliche Information der von Maßnahmen nach den Absätzen 3 und 7 Betroffenen gelten SS 4 Absatz 1 und SS 12 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend. 4 Die Zusammenarbeitsverpflichtung nach SS 3 bleibt unberührt. (7) 1 Der verdeckte Einsatz besonderer technischer Mittel im Schutzbereich des Artikels 13 des Grundgesetzes innerhalb von Wohnungen ist auch dann zulässig, wenn es ausschließlich zum Schutz der dort für den Verfassungsschutz tätigen Personen zur Abwehr von Gefahren für Leben, Gesundheit oder Freiheit unerlässlich ist und vom Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz oder bei seiner Verhinderung von seinem Vertreter angeordnet ist. 2 Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Kenntnisse zum Zweck der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr ist nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. 3 Die Tatsachen, die Gefahr im Verzug begründen, sind aktenkundig zu machen. (8) 1 Zuständiges Gericht zur Entscheidung nach den Absätzen 3 und 7 ist das Amtsgericht Hamburg. 2 Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. (9) Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) wird nach Maßgabe der Absätze 3 und 7 eingeschränkt. (10) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf unter den Voraussetzungen des SS 7 Absatz 4 technische Mittel zur Ermittlung des Standortes eines aktiv geschalteten Mobilfunkendgerätes oder zur Ermittlung der Geräte236 Anhang / Verfassungsschutzgesetz oder Kartennummer einsetzen. 2 Die Maßnahme ist nur zulässig, wenn ohne Einsatz technischer Mittel nach Satz 1 die Ermittlung des Standortes oder die Ermittlung der Geräteoder Kartennummer aussichtslos oder wesentlich erschwert ist. 3 Sie darf sich nur gegen die in SS 7 Absatz 5 Nummer 1 und Nummer 2 Buchstabe b bezeichneten Personen richten. 4 Für die Verarbeitung der Daten ist SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. 5 Personenbezogene Daten eines Dritten dürfen anlässlich solcher Maßnahmen nur erhoben werden, wenn dies aus technischen Gründen zur Erreichung des Zwecks nach Satz 1 unvermeidbar ist. 6 Sie unterliegen einem absoluten Verwendungsverbot und sind nach Beendigung der Maßnahme unverzüglich zu löschen. 7 SS 7 Absätze 6 bis 8 gilt entsprechend. 8 Das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses ( Artikel 10 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt. (11) 1 Erhebungen nach den Absätzen 3 bis 8 und Eingriffe, die in Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, bedürfen der Zustimmung des Präses, bei dessen Verhinderung des Staatsrates der zuständigen Behörde. 2 Sie sind dem Betroffenen mitzuteilen, sobald eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. 3 Lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilen, ob diese Voraussetzung vorliegt, ist die Mitteilung vorzunehmen, sobald eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. 4 Einer Mitteilung bedarf es nicht, wenn der Kontrollausschuss gemäß SS 24 einstimmig festgestellt hat, dass 1. diese Voraussetzung auch nach fünf Jahren nach Beendigung der Maßnahme noch nicht eingetreten ist, 2. diese Voraussetzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht eintreten wird und 3. die Voraussetzungen für eine Löschung sowohl bei der erhebenden Stelle als auch beim Empfänger vorliegen. SS9 Weitere Verarbeitung personenbezogener Daten (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Auf237 Anhang / Verfassungsschutzgesetz gaben personenbezogene Daten weiter verarbeiten, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass die betroffene Person an Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 teilnimmt, und dies für die Beobachtung der Bestrebung oder Tätigkeit erforderlich ist, 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 erforderlich ist, 3. dies zur Schaffung oder Erhaltung nachrichtendienstlicher Zugänge über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 erforderlich ist, 4. eine Mitwirkung bei Sicherheitsüberprüfungen nach SS 2 Absatz 3 des Artikel 10-Gesetzes oder bei Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem Hafensicherheitsgesetz oder eine Beteiligung bei Überprüfungen nach SS 7 des Luftsicherheitsgesetzes oder SS 12 b des Atomgesetzes erfolgt. 2 Das Recht der Nutzung und Verarbeitung personenbezogener Daten nach SS 7 Absatz 1 Satz 2 zur Vorgangsverwaltung bleibt unberührt. (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Speicherungsdauer auf das für seine Aufgabenerfüllung erforderliche Maß zu beschränken. 2 Bei der Einzelfallbearbeitung, im Übrigen jeweils spätestens vier Jahre beginnend ab der ersten Speicherung, prüft das Landesamt für Verfassungsschutz, ob die Speicherung der personenbezogenen Daten weiterhin erforderlich ist. (3) Gespeicherte personenbezogene Daten über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 oder 4 dürfen länger als zehn Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten Information nur mit Zustimmung des Präses der zuständigen Behörde oder der von ihm besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz gespeichert bleiben. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz ist befugt, gemäß SS 22 a BVerfSchG personenbezogene Daten in gemeinsamen Dateien mit den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder und anderen Sicherheitsbehörden zu verarbeiten, soweit besondere bundesrechtliche Vor238 Anhang / Verfassungsschutzgesetz schriften oder landesrechtliche Vorschriften Anlass, Umfang und sonstige datenschutzrechtliche Anforderungen regeln. SS 10 Verarbeitung von Daten Minderjähriger (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf unter den Voraussetzungen des SS 9 Daten über Minderjährige in Sachakten und amtseigenen Dateien speichern und weiter verarbeiten. 2 Daten über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nicht in gemeinsamen Dateien (SS 6 BVerfSchG), Daten Minderjähriger vor Vollendung des 14. Lebensjahres nicht in amtseigenen Dateien gespeichert werden. (2) Daten über Minderjährige in Dateien sind nach zwei Jahren auf die Erforderlichkeit der weiteren Speicherung zu überprüfen; spätestens nach fünf Jahren sind diese Daten zu löschen, es sei denn, dass nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse nach SS 4 Absatz 1 angefallen sind. SS 11 Berichtigung, Sperrung und Löschung (1) 1 Erweist sich eine Information nach ihrer Übermittlung als unrichtig oder unvollständig, hat die übermittelnde Stelle ihre Information unverzüglich gegenüber dem Empfänger zu berichtigen oder zu ergänzen, wenn durch die unrichtige oder unvollständige Übermittlung schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt sein können. 2 Die Berichtigung erfolgt dadurch, dass die unrichtigen Angaben, soweit sie in Akten enthalten sind, entfernt werden und, soweit sie in Dateien gespeichert sind, gelöscht werden. 3 Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Trennung von zu berichtigenden und richtigen Informationen nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist. (2) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle oder der Datensicherung gespeichert werden, dürfen nur für diese Zwecke oder bei Verdacht des Datenmissbrauchs genutzt werden. (3) Im Übrigen gilt für die Berichtigung, Sperrung und Löschung SS 19 des 239 Anhang / Verfassungsschutzgesetz Hamburgischen Datenschutzgesetzes vom 5. Juli 1990 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt Seiten 133, 165, 226), zuletzt geändert am 30. Januar 2001 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt Seite 9). 3. Abschnitt Datenübermittlung SS 12 Übermittlung nicht personenbezogener Daten Das Landesamt für Verfassungsschutz kann die im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgabenerfüllung erlangten Daten, die nicht personenbezogen sind, an andere Behörden und Stellen, insbesondere an die Polizei und die Staatsanwaltschaft, übermitteln, wenn sie für die Aufgabenerfüllung der Empfänger erforderlich sein können. SS 13 Übermittlung personenbezogener Daten an inländische Nachrichtendienste (1) Gemäß SS 5 Absatz 1 BVerfSchG übermittelt das Landesamt für Verfassungsschutz dem Bundesamt für Verfassungsschutz und den Verfassungsschutzbehörden der Länder alle personenbezogenen Daten, deren Kenntnis zur Erfüllung der Aufgaben der Empfänger erforderlich ist. (2) Gemäß SS 21 Absatz 2 BVerfSchG übermittelt das Landesamt für Verfassungsschutz dem Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst Informationen einschließlich personenbezogener Daten. SS 14 Übermittlung personenbezogener Daten an inländische öffentliche Stellen und Strafverfolgungsbehörden (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Informationen einschließlich personenbezogener Daten an inländische öffentliche Stellen übermitteln, wenn dies zum Schutz vor Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 zwingend erforderlich ist oder der Empfänger eine Sicherheits240 Anhang / Verfassungsschutzgesetz überprüfung durchführt. 2 Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur für den Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. 3 Hierauf ist er hinzuweisen. (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf über Absatz 1 hinaus Informationen einschließlich personenbezogener Daten an die Staatsanwaltschaften und die Polizei übermitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine in den SSSS 74 a und 120 Gerichtsverfassungsgesetz, SS 100 a Nummern 3 und 4 Strafprozessordnung und SSSS 130, 131 Strafgesetzbuch genannte Straftat plant, begeht oder begangen hat sowie sonstige Straftaten, bei denen aufgrund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die in Artikel 73 Nummer 10 Buchstabe b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind. 2 Personenbezogene Daten, die das Landesamt für Verfassungsschutz selbst mit nachrichtendienstlichen Mitteln nach SS 8 erhoben hat, dürfen nur dann an die Staatsanwaltschaft oder an die Polizei übermittelt werden, wenn die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für deren Erhebung mit entsprechenden Befugnissen zur verdeckten Datenerhebung nach der Strafprozessordnung oder nach den SSSS 9 bis 12 und SS23 Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei vom 2. Mai 1991 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt Seiten 187, 191) vorgelegen hätten. SS 15 Übermittlung personenbezogener Daten an Stationierungsstreitkräfte 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Informationen einschließlich personenbezogener Daten an Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Streitkräfte vom 3. August 1959 (Bundesgesetzblatt II 1961 Seiten 1183, 1218) übermitteln. 2 Die Entscheidung für eine Übermittlung treffen der Präses der zuständigen Behörde oder die von ihm besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz. 3 Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, dass er die übermittelten Daten nur zur Verarbeitung für den Zweck erhält, zu dem sie ihm übermittelt wurden. 241 Anhang / Verfassungsschutzgesetz SS 16 Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische öffentliche Stellen 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz an ausländische öffentliche Stellen sowie an überoder zwischenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung seiner Aufgaben oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist. 2 Die Entscheidung für eine Übermittlung treffen der Präses der zuständigen Behörde oder die von ihm besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz. 3 Die Übermittlung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegenstehen oder wenn dadurch gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde. 4 Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, dass er die übermittelten Daten nur zur Verarbeitung für den Zweck erhält, zu dem sie ihm übermittelt wurden. SS 17 Übermittlung personenbezogener Daten an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs nicht übermitteln, es sei denn, dass die Übermittlung zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit des Bundes oder eines Landes erforderlich ist. 2 Die Entscheidung für eine Übermittlung treffen der Präses der zuständigen Behörde, bei dessen Verhinderung der Staatsrat oder die besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz. 3 Dies gilt nicht bei Erhebungen nach SS 7 Absatz 1 Sätze 2 und 3. (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz führt über die Übermittlung nach Absatz 1 einen Nachweis, aus dem der Zweck und die Veranlassung der Übermittlung, die Aktenfundstelle und der Empfänger hervorgehen. 2 Die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. 242 Anhang / Verfassungsschutzgesetz (3) 1 Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur für den Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. 2 Hierauf ist er hinzuweisen. (4) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf eine Bewertung über personenbezogene Daten an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs übermitteln, soweit die Übermittlung für Zwecke einer Zuverlässigkeitsüberprüfung mit Einwilligung der Betroffenen erfolgt und im Hinblick auf den Anlass dieser Überprüfung, insbesondere den Zugang der Betroffenen zu einer besonders gefährdeten Veranstaltung, mit Rücksicht auf ein berechtigtes Interesse des Empfängers und wegen der Art oder des Umfangs der Erkenntnisse über den Betroffenen angemessen ist. 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat den Betroffenen die Gründe für eine negative Bewertung mitzuteilen. Absätze 2 und 3 gelten entsprechend. SS 18 Übermittlung personenbezogener Daten an die Öffentlichkeit 1 Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit einschließlich der Medien über Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz ist die Übermittlung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn sie zu einer sachgerechten Information zwingend erforderlich ist. 2 Stehen schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegen, kommt eine Übermittlung der personenbezogenen Daten des Betroffenen nur dann in Betracht, wenn die Interessen der Allgemeinheit deutlich überwiegen. SS 19 Übermittlung personenbezogener Daten an das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Die hamburgischen Behörden und die der Aufsicht der Freien und Hansestadt Hamburg unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind befugt, die Daten zu übermitteln, um die das Landesamt für Verfassungsschutz nach SS 7 Absatz 2 ersucht hat, soweit sie diesen Stellen bereits vorliegen. (2) Die in Absatz 1 genannten Stellen übermitteln dem Landesamt für Verfassungsschutz alle ihnen im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung vorliegenden Informationen über gewalttätige Bestrebungen und Tätigkeiten oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gemäß SS 4 Absatz 1 Satz 243 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 1 Nummern 1, 3 und 4 und über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummern 2 und 3. (3) 1 Die Ausländerbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg übermittelt gemäß SS 18 Absatz 1 a BVerfSchG von sich aus dem Landesamt für Verfassungsschutz die ihr bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz erforderlich ist. 2 Die Übermittlung dieser personenbezogenen Daten an ausländische öffentliche Stellen sowie an überund zwischenstaatliche Stellen durch das Landesamt für Verfassungsschutz unterbleibt, wenn überwiegende schutzwürdige Belange der Person, deren Daten übermittelt werden sollen oder überwiegende schutzwürdige Belange Dritter entgegenstehen. 3 Vor einer Übermittlung ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu beteiligen. 4 Für diese Übermittlungen des Landesamtes für Verfassungsschutz gilt SS 7 Absatz 8 entsprechend. (4) 1 Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizei übermitteln auch andere im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung bekannt gewordene Informationen über Bestrebungen nach SS 4 Absatz 1, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz erforderlich ist. 2 Die Übermittlung personenbezogener Daten, die aufgrund eines Eingriffs in das Brief-, Postund Fernmeldegeheimnis bekannt geworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. 3 Die Übermittlung personenbezogener Informationen, die auf Grund anderer strafprozessualer Zwangsmaßnahmen oder verdeckter Datenerhebungen nach SS 2 Absatz 3 Satz 3 oder nach den SSSS 9 bis 12 des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei vom 2. Mai 1991 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt Seiten 187, 191) bekannt geworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für gewalttätige Bestrebungen oder sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten bestehen; die Übermittlung ist auch zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine in SSSS 74 a und 120 Gerichtsverfassungsgesetz und SSSS 130, 131 Strafgesetzbuch genannte Straftat bestehen oder eine sonstige Straftat, bei der aufgrund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür 244 Anhang / Verfassungsschutzgesetz vorliegen, dass sie gegen die in Artikel 73 Nummer 10 Buchstabe b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet ist. 4 Die Übermittlung personenbezogener Daten, die auf Grund verdeckter Datenerhebung nach SS 8 Absatz 6 Satz 1 und SSSS 10 a bis 10 d des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei in der jeweils geltenden Fassung bekannt geworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. 5 Auf die nach Satz 2 übermittelten Informationen und die dazu gehörenden Unterlagen ist SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. 6 Die nach Satz 2 übermittelten Informationen dürfen nur zur Erforschung gewalttätiger Bestrebungen oder sicherheitsgefährdender oder geheimdienstlicher Tätigkeiten genutzt werden. (5) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die übermittelten Informationen unverzüglich darauf zu überprüfen, ob sie zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind. 2 Ist dies nicht der Fall, sind die Unterlagen zu vernichten. 3 Die Vernichtung unterbleibt, wenn die Unterlagen von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand getrennt werden können; in diesem Fall unterliegen die personenbezogenen Daten einem Verwertungsverbot und sind entsprechend zu kennzeichnen. (6) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Informationsübermittlung aktenkundig zu machen. 2 Vorschriften in anderen Gesetzen über die Informationsübermittlung an das Landesamt für Verfassungsschutz und über ihre Dokumentation bleiben unberührt. SS 20 Registereinsicht durch das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf in von öffentlichen Stellen geführte Register und Datensammlungen einsehen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen über 1. Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind (SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1) oder 245 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht (SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2) oder 3. Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3) oder 4. Bestrebungen und Tätigkeiten, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind (SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4). (2) Eine Einsichtnahme ist nur zulässig, wenn 1. die Aufklärung auf andere Weise nicht möglich erscheint, insbesondere durch eine Übermittlung der Daten durch die registerführende Stelle der Zweck der Maßnahme gefährdet würde, 2. die betroffenen Personen durch eine anderweitige Aufklärung unverhältnismäßig beeinträchtigt würden und 3. eine besondere gesetzliche Geheimhaltungsvorschrift oder ein Berufsgeheimnis ihr nicht entgegensteht. (3) Die Anordnung für die Maßnahme treffen der Präses der zuständigen Behörde oder die von ihm besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz. (4) 1 Die auf diese Weise gewonnenen Unterlagen dürfen nur zu den in Absatz 1 genannten Zwecken verwendet werden. 2 Gespeicherte Daten sind zu löschen und Unterlagen zu vernichten, sobald sie für diese Zwecke nicht mehr benötigt werden. (5) 1 Über die Tatsache der Einsichtnahme ist ein gesonderter Nachweis zu führen, aus dem ihr Zweck, die in Anspruch genommenen Stellen sowie die Namen der Betroffenen hervorgehen. 2 Diese Aufzeichnungen sind gesondert aufzubewahren, durch technische und organisatorische Maßnahmen gegen unbefugten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. 246 Anhang / Verfassungsschutzgesetz SS 21 Übermittlungsverbote und -einschränkungen (1) Die Übermittlung von Informationen nach diesem Abschnitt unterbleibt, wenn 1. eine Prüfung durch die übermittelnde Stelle ergibt, dass die Informationen zu vernichten sind oder einem Verwertungsverbot unterliegen oder für den Empfänger nicht mehr bedeutsam sind, 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern oder 3. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass unter Berücksichtigung der Art der Informationen und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen. (2) Besondere Rechtsvorschriften, die Informationsübermittlungen zulassen, einschränken oder verbieten sowie die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleiben unberührt. SS 22 Übermittlung personenbezogener Daten Minderjähriger (1) Personenbezogene Daten Minderjähriger vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Minderjährige eine der in SS 3 des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat, im Übrigen, solange die Voraussetzungen der Speicherung nach SS 10 erfüllt sind. (2) Personenbezogene Daten Minderjähriger vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht an ausländische oder überoder zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. 247 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 4. Abschnitt Auskunftserteilung SS 23 Auskunftserteilung (1) 1 Den Betroffenen ist vom Landesamt für Verfassungsschutz auf Antrag gebührenfrei Auskunft zu erteilen über 1. die zu ihrer Person gespeicherten Daten, 2. die Zweckbestimmung und die Rechtsgrundlage der Speicherung, 3. die Herkunft der Daten, 4. die Stellen, denen die Daten im Rahmen regelmäßiger Übermittlungen übermittelt werden, und die an einem automatisierten Abrufverfahren teilnehmenden Stellen, auch soweit diese Angaben nicht zu ihrer Person gespeichert sind, aber mit vertretbarem Aufwand festgestellt werden können. 2 Die Betroffenen sollen die Art der personenbezogenen Daten, über die sie Auskunft verlangen, näher bezeichnen. 3 Aus Akten ist den Betroffenen Auskunft zu erteilen, soweit sie Angaben machen, die das Auffinden der Daten ermöglichen, und der für die Erteilung der Auskunft erforderliche Aufwand nicht außer Verhältnis zum Auskunftsinteresse der Betroffenen steht. 4 Das Landesamt für Verfassungsschutz bestimmt die Form der Auskunftserteilung nach pflichtgemäßem Ermessen; die Auskunft kann auch in der Form erteilt werden, dass den Betroffenen Akteneinsicht gewährt oder ein Ausdruck aus automatisierten Dateien überlassen wird. 5 SS 29 des Hamburgischen Verwaltungsverfahrensgesetzes bleibt unberührt. (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. durch sie die Nachrichtenzugänge gefährdet sein können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise des Landesamtes für Verfassungsschutz zu befürchten ist, 2. die personenbezogenen Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung 248 Anhang / Verfassungsschutzgesetz nach einer Rechtsvorschrift oder wegen der überwiegenden schutzwürdigen Interessen Dritter geheim gehalten werden müssen, 3. sie die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde. (3) Im Übrigen gilt für die Auskunft SS 18 Absätze 2 und 4 bis 6 des Hamburgischen Datenschutzgesetzes. 5. Abschnitt Parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes SS 24 Parlamentarischer Kontrollausschuss 1 Zur parlamentarischen Kontrolle des Senats auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes bildet die Bürgerschaft einen Kontrollausschuss. 2 Dieser tagt in nichtöffentlicher Sitzung. SS 25 Zusammensetzung und Pflichten des Ausschusses (1) Der Ausschuss besteht aus sieben Mitgliedern der Bürgerschaft. (2) Die Mitglieder des Ausschusses werden von der Bürgerschaft in geheimer Abstimmung gewählt. (3) 1 Die Mitglieder des Ausschusses sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit in dem Ausschuss bekannt geworden sind. 2 Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus dem Ausschuss oder aus der Bürgerschaft. 3 Satz 1 und Satz 2 gelten nicht für eigene Bewertungen bestimmter Vorgänge, sofern die Belange des Geheimschutzes beachtet werden. (3a) 1 Die Mitglieder des Ausschusses haben das Recht, zur Unterstützung ihrer Arbeit jeweils eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter je Fraktion zu benennen. 2 Voraussetzung für diese Tätigkeit ist die Ermächtigung zum Umgang mit Verschlusssachen und die förmliche Verpflichtung zur Geheimhaltung. 3 Die benannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind befugt, anlassbezogen die vom Ausschuss beigezogenen Akten und Dateien ein249 Anhang / Verfassungsschutzgesetz zusehen und die Beratungsgegenstände des Ausschusses mit den Mitgliedern zu erörtern; das Unterstützungsbegehren ist dem Vorsitzenden anzuzeigen und den Mitgliedern des Ausschusses zur Kenntnis zu geben. 4 Die benannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben keinen Zutritt zu den Sitzungen. 5 Absatz 3 Sätze 1 und 2 gilt entsprechend. (3b) 1 Dem Ausschuss ist die für die Erfüllung seiner Aufgaben notwendige Personalund Sachausstattung zur Verfügung zu stellen. 2 Für die Beschäftigten gelten Absatz 3 Sätze 1 und 2 sowie Absatz 3a Satz 2 entsprechend. 3 Zur Erfüllung ihrer Aufgaben ist ihnen Auskunft zu ihren Fragen zu erteilen. (4) 1 Der Ausschuss wählt einen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. 2 Beschlüsse des Ausschusses bedürfen der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder. (5) Sitzungsunterlagen und Protokolle verbleiben für die laufende Wahlperiode im Gewahrsam der Bürgerschaftskanzlei, im Übrigen im Gewahrsam des Landesamtes für Verfassungsschutz und können nur an diesen Orten von den Ausschussmitgliedern eingesehen werden. (6) 1 Scheidet ein Mitglied des Ausschusses aus der Bürgerschaft oder seiner Fraktion aus, so verliert es seine Mitgliedschaft im Ausschuss; für dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu bestimmen. 2 Das Gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus dem Ausschuss ausscheidet. (7) 1 Der Parlamentarische Kontrollausschuss berichtet der Bürgerschaft jährlich und im Übrigen anlassbezogen über seine Kontrolltätigkeit. 2 Dabei nimmt er auch dazu Stellung, ob der Senat seinen Pflichten gegenüber dem Ausschuss nachgekommen ist. 3 Die Berichte sollen so gefasst sein, dass die im Ausschuss vertretenen Meinungen und die Gründe, die zu Beschlüssen geführt haben, ersichtlich sind. 4 Sie müssen die Empfehlung des Ausschusses und das Abstimmungsverhältnis, mit dem die Empfehlung zustande gekommen ist, wiedergeben. 5 Bei der Erstellung des Berichts sind die Belange des Geheimschutzes zu beachten. 250 Anhang / Verfassungsschutzgesetz SS 26 Aufgaben des Ausschusses (1) 1 Der Ausschuss übt die parlamentarische Kontrolle auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes aus. 2 Die Rechte der Bürgerschaft bleiben unberührt. (2) 1 Der Senat hat den Ausschuss umfassend über die allgemeine Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten. 2 Der Ausschuss tagt in Abständen von höchstens drei Monaten oder auf Antrag eines Mitglieds. (3) 1 Zur Erfüllung seiner Kontrollaufgaben hat der Ausschuss auf Antrag mindestens eines seiner Mitglieder das Recht auf 1. Erteilung von Auskünften, 2. Einsicht in Akten, in Dateien gespeicherte Daten, Stellungnahmen und andere Unterlagen, 3. Zugang zu den Räumen des Landesamtes für Verfassungsschutz und 4. Anhörung bestimmter Angehöriger des öffentlichen Dienstes als Auskunftspersonen, die verpflichtet sind, vollständige und wahrheitsgemäße Angaben zu machen. 2 Die Befugnisse des Ausschusses nach Satz 1 Nummer 2 erstrecken sich nur auf Gegenstände, die der alleinigen Verfügungsberechtigung des Landesamtes für Verfassungsschutz unterliegen. 3 Die Rechte nach Satz 1 sind Befugnisse gegenüber dem Ausschuss als Ganzes. (4) Den Ersuchen nach Absatz 3 ist unverzüglich zu entsprechen. Der Senat bescheidet ein solches Ersuchen abschlägig oder schränkt die Aussagegenehmigung ein, soweit gesetzliche Vorschriften entgegenstehen oder wenn dieses aus zwingenden Gründen des Nachrichtenzugangs, des Schutzes von Persönlichkeitsrechten oder des Kernbereichs der exekutiven Eigenverantwortung erforderlich ist. In diesem Fall legt der Senat dem Ausschuss seine Gründe dar. (5) Der Senat hat dem Ausschuss insbesondere über 251 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 1. Gefahren für die Schutzgüter des SS 1, 2. die Dienstvorschrift über nachrichtendienstliche Mittel nach SS 8 Absatz 2 Satz 2 sowie ihre Änderungen, 3. die Maßnahmen nach SS 8 Absatz 11, 4. die Weiterspeicherung nach SS 9 Absatz 3, 5. die tatsächliche Arbeitsaufnahme mit einem automatisierten Verfahren, für das eine Verfahrensbeschreibung nach SS 9 Absatz 1 des Hamburgischen Datenschutzgesetzes vorgeschrieben ist, und seine wesentlichen inhaltlichen Änderungen, 6. die Übermittlung personenbezogener Daten an Stationierungsstreitkräfte nach SS 15, 7. die Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische öffentliche Stellen nach SS 16, 8. die Übermittlung personenbezogener Daten an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs nach SS 17, 9. Anfragen bei ausländischen öffentlichen Stellen nach SS 12 Absatz 5 Satz 3 HmbSÜG mitzuteilen und jährlich über die Prüfungen nach SS 9 Absatz 2 Satz 2 zu berichten. zu berichten. (6) Der Ausschuss kann dem behördlichen Datenschutzbeauftragten der zuständigen Behörde und dem Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Gelegenheit zur Stellungnahme in Fragen des Datenschutzes geben. SS 27 Eingaben 1 Eingaben einzelner Bürger oder einzelner Angehöriger des Verfassungsschutzes über ein sie betreffendes Verhalten des Landesamtes für Verfassungsschutz sind dem Ausschuss zur Kenntnis zu geben. 2 Der Ausschuss 252 Anhang / Verfassungsschutzgesetz bescheidet die an ihn gerichteten Eingaben, nachdem er diese dem Senat zur Stellungnahme übermittelt hat. 3 Der Ausschuss hat auf Antrag eines Mitglieds Petenten und Auskunftspersonen zu hören. 4 SS 26 Absätze 3 und 4 findet entsprechende Anwendung. 5 Die Rechte des Eingabenausschusses bleiben unberührt. 253 Anhang / Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis A AAB Anti-Atom-Büro (AAB) ABC Anarchist-Black-Cross ABLE Association of Better Living and Education AIW Antiimperialistischer Widerstand AMISOM African Union Mission in Somalia AN Autonome Nationalisten ApS Applied Scholastics AQAH al-Qaida auf der arabischen Halbinsel AQM al-Qaida im islamischen Maghreb ArtgemeinArtgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft-GGG schaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V. ATD Antiterrordatei aujah Autonome Jugendantifa Hamburg AVV Autonome Vollversammlung B B5 Internationales Zentrum Brigittenstraße 5 BfV Bundesamt für Verfassungsschutz BGBl Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BIG Bündnis der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland e.V. BIS Behörde für Inneres und Sport BKA Bundeskriminalamt BMI Bundesminister des Innern BMWi Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie BPjM Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien BVerfSchG Bundesverfassungsschutzgesetz BVerwG Bundesverwaltungsgericht C CCHR Citizens Commissions on Human Rights 254 Anhang / Abkürzungsverzeichnis CDK Koordination der kurdischen demokratischen Gesellschaft in Europa D DHKP-C Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephe DHL Paketund Brief-Express-Dienst (das Kürzel wurde aus den Anfangsbuchstaben der Nachnamen der Unternehmensgründer gebildet) DK Deutsches Kolleg DKP Deutsche Kommunistische Partei DRB Deutsches Rechtsbüro DSA Department of Special Affairs DTM Deutsche Taleban Mujahidin DTP Partei der demokratischen Gesellschaft DVU Deutsche Volksunion E EMUG Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft e.V. EU Europäische Union F FAU Freie Arbeiterinnenund Arbeiter Union FBI Federal Bureau of Investigation FIOE Föderation islamischer Organisationen in Europa FSB Federalnaja Slushba Besopasnosti (Inlandsnachrichtendienst) G G 10 Meint das geltende Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz (Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses) GBA Generalbundesanwalt(schaft) GfP Gesellschaft für freie Publizistik e.V. GfbAEV Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung e.V. 255 Anhang / Abkürzungsverzeichnis GG Grundgesetz GI al-Gama'a al Islamiya GSPC Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat GRU Glawnoje Raswdywatelnoje Uprawleije (Militärischer Nachrichtendienst) GVG Gerichtsverfassungsgesetz H HafenSG Hafensicherheitsgesetz HAMAS Harakat Al-Muqawama Al-Islamiyya HBgR Hamburger Bündnis gegen Rechts HIA Hezb-e Eslami-ye Afghanistan (Islamische Partei Afghanistan) HIG Hezb-e Eslami-ye Gulbuddin (Islamische Partei Gulbuddin HmbGVBl Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt HmbSÜG Hamburgisches Sicherheitsüberprüfungsgesetz HmbVerfSchG Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz HNG Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. HPG Hezen Parastina Gel HuT Hizb ut-Tahrir; auch Hizb Al Tahrir al Islami I IAA Internationale Arbeiter Assoziation IAD Islamische Akademie Deutschland e.V. IAS International Organization of Scientologists IBU Islamische Bewegung Usbekistans IEUS Islamisch-Europäische Union der Schia-Gelehrten und Theologen IGD Islamische Gemeinschaft Deutschland e.V. IGH Iranische Gemeinschaft in Hamburg e.V. IGMG Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. IGS Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden in Deutschland e.V. IHg Islamische Hochschulgemeinde e.V. IHH Internationale Humanitäre Hilfsorganisation e.V. IJU Islamische Jihad-Union 256 Anhang / Abkürzungsverzeichnis IL Interventionistische Linke IMK Innenministerkonferenz ISoI Islamic State of Iraq IZH Islamisches Zentrum Hamburg J JI al-Jihad al-Islami JN Junge Nationaldemokraten JuD Jamaat-ud-Dawa K KADEK Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane KCK Koma Ciwaken Kurdistan KON-KURD Konföderation der kurdischen Vereine in Europa KPD Kommunistische Partei Deutschland KPF Kommunistische Plattform KVPM Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte L LeT Lashkar-e Taiba LfV Landesamt für Verfassungsschutz LIZ Libertäres Zentrum LKA Landeskriminalamt LKA Libertäres Kulturund Aktionszentrum LTTE Liberation Tigers of Tamil Eelam LuftSiG Luftsicherheitsgesetz M MASCH Marxistische Abendschulen MASCH e.V. Marxistische Abendschule Hamburg - Forum für Politik und Kultur e.V. MB Muslimbruderschaft MDI Markaz ud-Dawa wa-l-Irshad MEK Modjahedin-E-Khalq MFG Muslimische Frauengemeinschaft MG Marxistische Gruppe 257 Anhang / Abkürzungsverzeichnis mg militante gruppe MKP Maoist Komünist Partisi MLKP Marksist Leninist Komünist Partisi MTF Maritime Task Force MTZ Magda Thürey-Zentrum N NADIS Nachrichtendienstliches Informationssystem NATO North Atlantic Treaty Organization NLA National Liberation Army NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands NTAC Netzwerk "Never Trust A Cop" NZ Nordische Zeitung O OLG Oberlandesgericht Org Organization OSA Office of Special Affairs OVG Oberverwaltungsgericht P PB! Chattia Pennale Burschenschaft Chattia Friedberg zu Hamburg PKA Parlamentarischer Kontrollausschuss PKK Partiya Karkeren Kurdistan PMK Politisch Motivierte Kriminalität PV Parteivorstand R RAF Rote Armee Fraktion REP Die Republikaner RH Rote Hilfe e.V. RSH Rote Szene Hamburg 258 Anhang / Abkürzungsverzeichnis S SAND Systemoppositionelle Atomkraft Nein Danke (SAND) SAV Sozialistische Alternative SDAJ Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend SO Scientology-Organisation SoL Sozialistische Linke SP Saadet Partisi SprengG Sprengstoffgesetz StGB Strafgesetzbuch SWR Sluschba Wneschnej Raswedki (ziviler Auslandsnachrichtendienst) T TAK Freiheitsfalken Kurdistans TH Türkische Hizbullah TJ Tablighi Jama'at TKP/ML Türkiye Komünist Partisi / Marksist Leninist TTP Tehrek-e Taliban-e Pakistan U UZ Unsere Zeit V V Verfassungsschutz (Kürzel im Organigramm des LfV) VereinsG Vereinsgesetz VS Verschlusssachen VSB Verfassungsschutzbericht W WISE World Institute of Scientology Enterprises WTSfF Wilhelm TIETJEN-Stiftung für Fertilisation Ltd. WWTC Weisse Wölfe Terror Crew 259 Anhang / Abkürzungsverzeichnis Y YEK-KOM Yekitiya Komelen Kurd il Almanya YXK Bund der Studierenden aus Kurdistan Z ZMD Zentralrat der Muslime in Deutschland 260 Anhang / Stichwortverzeichnis Stichwortverzeichnis A al-Qaida im Irak...................32, 34, 35 al-Qaida im islamischen Maghreb..32, [a2].........................................107, 126 33, 254 AAB..............................133, 134, 254 Al-Quds-Tag..............................62, 63 ABC.................107, 117, 118, 120, 254 al-Shabab-Miliz....................39, 40, 43 ABC-Waffen.........................208, 209 Al Manar TV....................................57 ABDULMUTALLAB, Omar Faruk....35 Al Salam-Moschee.........................55 ABLE..............................201, 204, 254 AN...................................49, 155, 254 Abu Askar......................................49 Anarchist Black Cross .............s. ABC Afghanistan...........25, 29, 36, 43, 44, Anarchisten....96, 98, 100, 104, 108, 114 45, 46, 48, 49, 73, 104, 256 AN-NABHANI, Taqiuddin................49 Ahaus..........................................135 Anonymous.................................206 AHMADINEDSCHAD, Mahmoud..58, Anschläge........24, 29, 31, 32, 34, 35, 59 36, 39, 40, 41, 42, 43, 45, 57, 83, 102, Ahnenverehrung, Buch..........190, 191 117, 121, 230 AIW...........................98, 108, 112, 254 Anschlagsplanungen...........24, 29, 49 Akademie Baghiatallah e.V.", Anti-Atom-Bewegung...........132, 133 Bremen..........................................63 Anti-Atom-Büro .......................s. AAB AKIF, Muhammad Mahdi................52 Antiimperialistischer Widerstand ...s. Aktionsbüro Norddeutschland......157 AIW al-ABDALY,Taimour....................42, 46 Antideutsche...................113, 115, 116 AL-AWLAKI, Anwar.........................35 Antifaschismus.....................108, 123 al-BAGHDADI, Abu Omar................35 Antifaschisten.....97, 124, 125, 126, 127 al-BAGHDADI al-HUSAINI alAntifa Info Pool Hamburg...............124 QURAISHI, Abu Bakr.....................35 Antiimperialisten..96, 104, 112, 113, 116 AL BANNA, Hassan...................52, 53 Antimilitarismus.......97, 103, 119, 137, al-Gama'a al Islamiya..............53, 256 140, 141 Ali DHEERE....................................43 Antinationale................................115 al-Jihad al-Islami.....................53, 257 Antirassismus................103, 108, 128 Allianz der Wohlduftenden.............34 Antirepression.96, 97, 103, 105, 117, 119 al-MAURETANI, Yunis.....................29 Antirepressionsgruppe Hamburg.117, al-MUHAJIR, Abu Hamza...............35 120 al-Muqawama al-Islamiya.........55, 56 Antisemitismus...............115, 116, al-Qaida...........24, 28, 29, 30, 31, 32, 154 33, 34, 35, 36, 38, 39, 40, 42, 43, 44, Antisemitismus in der Linken.......116 46, 73, 254 Antiterrordatei........................18, 254 al-Qaida auf der arabischen HalbinAPFEL, Holger................169, 172, 173 sel.....................................32, 35, 254 Apostaten......................................50 261 Anhang / Stichwortverzeichnis Applied Scholastics .................s. ApS Behörde für Inneres, Hamburg...2, 4, ApS................................201, 204, 254 30, 47, 254 AQAH................................35, 36, 254 Bekaa-Tal......................................56 AQM..................................33, 34, 254 Berlin.....62, 63, 67, 68, 85, 86, 87, 88, arak 10..........................................128 103, 104, 108, 120, 121, 127, 141, 164, Arbeiterpartei Kurdistans..........76, 81 165, 168, 178, 182, 183, 184, 198 ARISCHE JUGEND, rechtsextremistiBernhard-Nocht-Quartier.............130 sche Interpreten...........................166 BIN LADEN, Usama............31, 32, 73 Armee der Reinen..........................40 BIG...............................69, 70, 71, 254 Armeestützpunkt......................33, 34 BKA.................................43, 165, 254 Artgemeinschaft..........189, 190, 191, BLITZKRIEG, rechtsextremistische 192, 254 Band.....................................166, 167 Association of Better Living and Edu"Blutzeugen (...)",Buch...........161, 187 cation ....................................s. ABLE Bölge............................................69 atmospheric disorder...................132 Bombenholocaust.......................161 Aufenthaltsverfahren.....................20 BPjM.......................157, 166, 167, 254 aujah......................................111, 254 Bramfelder Kameradschaft.....147, 156 Auseinandersetzungen zwischen Brauner Sack................................125 Linksund Rechtsextremisten.....101, BREININGER, Eric..........................38 124 Bund der Studierenden aus Kurdistan Autonome.......4, 96, 97, 98, 100, 102, ...s. YXK 103, 104, 105, 107, 109, 111, 113, 116, Bundesprüfstelle für jugendgefähr117, 118, 120, 121, 122, 124, 126, 128, dende Medien.........157, 166, 167, 254 130, 131, 132, 134, 135, 149, 155, 254 Bundesverfassungsschutzgesetz Autonome Jugendantifa Hamburg .s. ...15, 224, 254 aujah Bundeswehr........24, 29, 97, 101, 104, Autonome Vollversammlungen...104, 120, 140, 141, 144, 211 105 Bündnis der islamischen Gemeinden AVANTI-Projekt für eine undogmain Norddeutschland e.V...................69 tische Linke...................107, 108, 109, Bündnis gegen Hamburger Unzumut110, 111, 124, 125, 129, 132, 133 barkeiten......................................116 AZ-ZAWAHIRI, Aiman.........31, 32, 33 Bündnis gegen imperialistische Aggression...................................112 B Bündnis Tatort Kurdistan..........88, 92 BADI, Mohammed....................52, 53 Burschenschaften........151, 185, 186, Bad Nenndorf...............................162 187, 258 Bambule......................................131 BUSCH, Andre................161, 187, 188 BDP................................................83 B 5.........................................108, 254 BECKER, Verena...........................102 Befreiungspartei...........................49 262 Anhang / Stichwortverzeichnis C 138, 140 Castor? Schottern!.......109, 133, 134, DIE LUNIKOFF-VERSCHWÖRUNG 135, 136, 141 ...167 Castor-Transport...........109, 110, 133, DIK................................................66 134, 135, 136, 139, 141 Direkte Aktion, Zeitung.................115 CCHR....................................201, 254 DK..................................195, 196, 255 CDK .........................................s. PKK DKP......137, 138, 139, 140, 141, 142, 255 Centro Sociale.........107, 112, 118, 129 DÖRING, Osman............................66 Centrum Moschee.........................69 Dörverden....................................192 China..............................210, 212, 213 DRB...............................193, 194, 255 CHOUKA, Mounir; Dresden..........................110, 127, 161 alias "Abu Adam".....................29, 37 Drohbotschaften............................28 CHOUKA,Yassin; ABU IBRAHEEM.37 D., Shahab (alias "Abu Askar")........49 Citizens Commissons on Human DSA.......................203, 205, 206, 255 Rights ..................................s. CCHR DTM.............................28, 38, 44, 255 Clara Zetkin...................................136 DTP.....................................83, 87, 255 Criminon........................201, 204, 205 DVU...4, 146, 147, 148, 149, 150, 151, 168, 170, 171, 172, 177, 178, 179, 180, D 181, 182, 183, 184, 185, 189, 255 Departement of Special Affairs..s. DSA Der Weg zum Glücklichsein, E Broschüre.....................................201 Ehli-Beyt-Alevitische ReligionsgeDeutsche Burschenschaft............186 meinschaft Ehli Beyt Alevi FederasyDeutsche Islamkonferenz ........s. DIK onu e.V.", Frankfurt / M...................63 Deutsche Kommunistische Partei ..s. Einbürgerungsverfahren...............19 DKP EL-ZAYAT, Ibrahim...........................66 Deutscher Rechtsschutzkreis e.V...193 EMUG....................................66, 255 Deutsches Kolleg ......................s. DK Engels, Friedrich.....................137, 139 Deutsches Rechtsbüro ...........s. DRB ERBAKAN, Necmettin Prof. Dr.......25, Deutsche Stimme..........184, 194, 195 65, 67, 68, 70 Deutsche Stimme, NPD Zeitung....188 EU-"Terrorliste"...........................77, 84 Deutsche Taliban Mujahidin............38 Europäische Moscheebauund UnterDeutsche Volksunion ..............s. DVU stützungsgemeinschaft e.V.............66 Deutschlandpakt...........................170 Explizit, Zeitschrift..........................50 Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephe ...76, 92, 255 F DHEERE, Ali...................................43 FADLALLAH, Mohammad Hussein, DHKP-C......................76, 92, 117, 255 Großayatollah................................57 Dianetik..........................201, 202, 205 FALAH, Samir.................................54 DIE LINKE........98, 99, 100, 135, 136, Falun Gong...................................213 263 Anhang / Stichwortverzeichnis Familienwerk e.V..........................190 Geheimund Sabotageschutz.......16, FAU.................................114, 115, 255 216, 218 FAUST, Matthias............170, 177, 178, GELOWICZ, Fritz............................38 179, 180, 181, 183, 184, 185 Gemeinschaft der Verkündigung und Festival der Jugend...............140, 141 Mission..........................................54 FIOE.......................................53, 255 Gentrifizierung.........107, 120, 123, 129 Floraplenum.................................129 Gesellschaft für biologische AnthroFöderation islamischer Organisatiopologie, Eugenik und Verhaltensfornen in Europa..........................53, 255 schung e.V. ........................s. GfbAEV Föderation kurdischer Vereine in Gesellschaft für freie Publizistik ...s. GfP Deutschland e.V..............................84 GfbAEV..........................191, 192, 255 Frankfurt...........44, 63, 68, 85, 86, 87, GfP..........................188, 189, 194, 255 88, 137 Gorleben.................109, 133, 134, 136 Freie Arbeiterinnenund Arbeiter Groupe Salafiste pour la Predication Union .......................................s. FAU et le Combat...........................33, 256 Freie Nationalisten................156, 157 GSPC......................................33, 256 Freier Nationalist - Mein SelbstverGuerilla..........................82, 85, 86, 89 ständnis, Publikation.....................154 Guerillakrieg..................................81 Freies Netzwerk zum Erhalt des Schanzenparks......................................129 H Freiheit statt BRD!, CD.................166 Hackerangriffe.............................210 FREY, Gerhard Dr...........171, 181, 189 HafenSG...............................220, 256 "Frühwarnsystem" der Demokratie Hafensicherheitsgesetz........20, 220, ...15 226, 238, 256 Freiheitsfalken Kurdistans.......83, 259 HAMAS...................25, 53, 55, 68, 256 FSB..................................42, 211, 255 Hamburger Bündnis gegen Rechts Fusion der "Nationaldemokratischen ...s. HBgR Partei Deutschlands" mit der "DeutHamburger Reisegruppe.........24, 29, schen Volksunion".............4, 146, 147, 37, 48, 49 150, 168, 170, 171, 172, 177, 179, Hamburgisches Verfassungsschutz180, 181, 182, 183, 184, 185 gesetz...................................222, 256 Harakat al-Muqawama al-Islamiya..55 G HARIRI, Saad..................................56 G 10-Kommission...........18, 220, 231 HARMS, Olaf..................138, 139, 140 G8................................................117 HARRACH, Bekkay.........................44 Gaza.........................................55, 58 Hassbrennerei.............................103 Gedenkmärsche............161, 162, 176 Havanna-Club...............................141 Gegenargumente, Publikation......144 HBgR......111, 124, 125, 126, 140, 256 Gegenstandpunkt.................143, 144 HEADLEY, David Coleman.............41 Geheimschutz....20, 218, 220, 249, 250 Heiliger Krieg............................41, 46 264 Anhang / Stichwortverzeichnis Heimattreue Deutsche Jugend.....192 IHH....................................68, 69, 256 Heisenhof....................................192 IJU......................28, 38, 39, 43, 44, 256 HEKMATYAR, Gulbuddin................73 IL...........................................109, 257 Heß, Rudolf...................................162 ILYAS, Mawlana Muhammad..........54 Hezb-e Eslami-yeAfghanistan..73, 256 Imam Ali-Moschee...................60, 61 Hezb-e Eslami-ye Gulbuddin....73, 256 IMK (Innenministerkonferenz).......96, HIA.........................................73, 256 101, 102, 104, 105, 108, 112, 117, 118, HIG.........................................73, 256 119, 120, 121, 122, 123, 126, 128, Hilfsorganisation für nationale poli129, 257 tische Gefangene und deren AngehöImrali.............................................81 rige e.V. s. HNG....................158, 256 Indymedia.......................107, 118, 130 Hitler............................................152 Innenministerkonferenz ...........s. IMK HIZB ALLAH.............25, 56, 57, 58, 59 INTERIM, Zeitschrift.....................103 Hizb Al Tahrir al Islami..............49, 256 International Association of Hizb ut-Tahrir ............................s. HuT Scientologists s. IAS....................202 HmbSÜG.........218, 219, 226, 252, 256 Internationale Arbeiter Assoziation HmbVerfSchG........15, 17, 18, 222, 256 ...s. IAA HNG...............................158, 193, 256 Internationalen Humanitären HilfsorHolocaust.........................58, 115, 172 ganisation e.V.................................68 home-grown - Terrorismus..............32 Internationales Kurdisches KulturfestiHOSSEINI GHAEMMAGHAM, Seyed val..................................................88 Abbas, Ayatollah.................60, 62, 64 Internationales Zentrum BrigittenHÖVING, Heiner.....................170, 181 straße 5 ......................................s. B 5 HPG.........................................s. PKK Interventionistische Linke............109 HuT.....................49, 50, 51, 52, 73, 256 Islamic State of Iraq.................34, 257 Islamische Bewegung Usbekistans I ...s. IBU IAA..................................114, 115, 256 Islamische Gemeinschaft DeutschIAD.........................................63, 256 land e.V. ....................................s. IGD IAS........................................202, 256 Islamische Gemeinschaft Milli Görüs Ibrahim-Khalilullah-Moschee.........52 e.V.........................................s. IGMG IBU............24, 28, 29, 36, 37, 38, 49, 256 Islamische Hochschulgemeinde e.V. Ideale Org................198, 203, 204, 205 ...69 IEUS.......................................64, 256 Islamische Kulturgemeinde der Iraner Iftar-Empfang.................................71 in Berlin e.V. Berlin..........................63 IGD...............................53, 54, 66, 256 Islamische Partei Afghanistans......73 IGMG..........25, 27, 64, 65, 66, 67, 68, Islamische Partei Gulbuddin...........73 69, 70, 256 Islamische Revolution.....................60 IGS..........................................64, 256 Islamischer Staat im Irak.................34 IHg..........................................69, 256 Islamischer Weg e.V..................61, 62 265 Anhang / Stichwortverzeichnis Islamisches Zentrum Hamburg ..s. IZH Jihad-Ideologie.............................25 Islamisches Zentrum München......54 Jihadisten.....3, 27, 29, 33, 34, 46, 48, 49 Islamisches Zentrum Salman Farsi JuD.........................................41, 257 Moschee Langenhagen e.V.", HannoJugendunion..................................86 ver..................................................63 Jugend für Menschenrechte.......202, Islamische Tagung deutschsprachiger 203, 205 Muslime........................................61 Jugend zu uns, Internetseite........157 Islamisch-Europäische Union der JÜRGENSEN, Bettina...................138 Schia-Gelehrten und Theologen....64, 256 K Islamischer Widerstand..................56 KADEK.....................................s. PKK Islamische Akademie Deutschland Kalifat..................................38, 49, 50 e.V. ........................................63, 256 Kameradenkreis Neonazis in HamIslamische Gemeinschaft der schiiburg.........................147, 156, 157, 160 tischen Gemeinden in Deutschland Kameradschaften.........147, 155, 156, e.V..................................................63 157, 158, 163, 186 Islamische Gemeinschaft in DeutschKARAHAN,Yavuz Celik..............66, 67 land e.V...........................................66 KARAYILAN, Murat...................82, 88 Islamische Jihad-Union...........38, 256 KASAB, Mohammad Ajmal Amir....45 Islamische Vereinigung in Bayern e.V.", KATEGORIE C - HUNGRIGE WÖLFE München.......................................63 ...167 Islamische Widerstandsbewegung Kaukasisches Emirat......................42 ...55 KCK........................................82, 257 Islamrat für die Bundesrepublik Kern-al-Qaida............30, 31, 32, 34, 38 Deutschland...................................66 KHAMENEI, Ali....................58, 60, 61 Islamseminar, salafistisch ausgerichKHOMEINI, Großayatollah......58, 60, tetes; Drei Tage unter den Flügeln der 61, 62 Engel........................................30, 47 KLEBE, Torben..............................168 ISoI....................................34, 35, 257 Klima!Bewegungsnetzwerk..132, 134 Israel................50, 53, 55, 56, 58, 59, Klimaplenum Hamburg.................133 63, 107, 113, 115, 116, 172 KNOF, Siegward Dr.......................192 israelisch-palästinensischer Konflikt KNOP, Ingmar.................170, 178, 181 ...50 KÖBELE, Patrik.....................138, 139 IZH...........25, 58, 60, 61, 62, 63, 64, 257 Kommission fürVerstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte....s. KVPM J Kommunistische Partei Deutschlands JALOLOV, Najmuddin.....................38 ...111, 138, 139 Jama'a Ikhwan al-Muslimin............52 Kommunistische Plattformen ...s. KPF Jamaat-ud-Dawa.....................41, 257 Konföderation der kurdischen Vereine Jerusalem-Tag...............................62 in Europa.................................84, 257 266 Anhang / Stichwortverzeichnis KONGRA GEL..........................s. PKK 257 Koordinierungsrat der Muslime.......s. LuftSiG.............................20, 219, 257 KRM Know-how-Schutz.......................217 M Komalen Ciwan...............86, 87, 89, 91 Magda Thürey-Zentrum.........140, 258 KON-KURD.......................84, 88, 257 1. Mai-Demonstration..........103, 106, Koordination der kurdischen demo107, 113, 127, 141, 172 kratischen Gesellschaft in Europa...84 Maoist Komünist Partisi......76, 93, 258 KPD.................................111, 113, 257 Markaz ud-Dawa wa-l-Irshad...40, 257 KPF..........................135, 136, 142, 257 Marksist Leninist Komünist Partisi KRM..............................................66 ...76, 93, 258 KÜHNEN, Michael........................156 marx21 - Netzwerk für Internationalen Kultur-, Informationsund BegegSozialismus...........................135, 143 nungszentrum der DKP Hamburg..140 Marxismus-Leninismus.........92, 104, Kurdisch-deutsches Kulturzentrum 112, 137 e.V............................................90, 91 Marxistische Abendschule Hamburg Kurdischer Volksrat Hamburg..........90 Forum für Politik und Kultur e.V......142 Kurdistan Volkshaus e.V..................90 Marxistische Abendschulen ...........s. Kurdistan Volksrat...........................90 MASCH KVPM....................201, 204, 205, 257 Marxistische Gruppe ................s. MG Marx, Karl........................114, 137, 139 L MASCH..........................137, 142, 257 Landser, Band...............................167 MASCH e.V.....................137, 142, 257 Lashkar-e Taiba........................40, 257 Mäxchen Treuherz und die juristischen Lebensordnung des Islam, Buch.....49 Fußangeln....................................193 Legalresidenturen........................211 Mazlum Dogan Jugend-, Kulturund Lenin, Wladimir Iljitsch Uljanow....137, Sportfestival...................................87 139 MB..........................52, 53, 54, 66, 257 LeT................................40, 41, 42, 257 MDI........................................40, 257 LiberationTigers ofTamil Eelam. s. LTTE MEHSUD, Hakimullah....................37 Libertäres Kulturund Kommunikationsmein-hh.info, Internetseite..157, 159, zentrum...................................s. LKA 161, 188 Libertäres Zentrum ....................s. LIZ MFG.......................................69, 257 Likedeeler, Publikation..................142 MG.................................143, 144, 257 Linksjugend.....114, 135, 136, 137, 143 Militanzdebatte.....................102, 106 LIZ.........................................108, 257 Milli Gazete....................65, 66, 67, 69 LKA.......................................115, 257 Milli Görüs..............25, 64, 65, 66, 67, LTTE........................................77, 257 68, 70, 256 Lubmin........................................135 Miscavige, David...................200, 202 Luftsicherheitsgesetz....20, 219, 238, MKP....................................76, 93, 258 267 Anhang / Stichwortverzeichnis MLKP..................................76, 93, 258 Newroz..........................................87 Mogadischu...................................39 No Border-Camp...........................128 MOLAU, Andreas..................179, 189 No-IMK-Bündnis...................121, 126 Moscheebau-Kommission e.V........53 Nordische Zeitung................190, 258 MOSLER, Jürgen.........................190 Nordkorea....................................208 Mouhajerin-Moschee....................54 NPD............4, 101, 124, 127, 146, 147, MTZ...............................140, 141, 258 148, 149, 150, 151, 153, 155, 156, Mujahidin..........28, 33, 34, 38, 73, 255 157, 159, 163, 164, 166, 168, 169, MÜLLER, Marc.............................192 170, 171, 172, 173, 174, 175, 176, 177, Muslimbruderschaft..........30, 52, 54, 178, 179, 180, 181, 182, 183, 184, 55, 66, 257 185, 186, 187, 188, 193, 194, 195, 258 Muslimische Frauengemeinschaft NTAC.....................................132, 258 ...69, 257 Nujiyan Frauenzentrum e.V............90 Mustazaf-Der............................71, 72 NZ.........................................190, 258 N O Nachrichten der HNG, Publikation OBERLERCHER, Reinhold.....195, 196 ...158, 193 ÖCALAN, Abdullah............76, 81, 82, Nachrichtendienstliches Informati84, 85, 86, 88, 89, 90, 92 onssystem................................17, 19 ODIL, Usmon.................................37 NADIS...........................17, 18, 19, 258 Office of Special Affairs ...........s. OSA Narconon..............................201, 204 Oi-Rock........................................165 NASRALLAH,HASSAN..................57 Operation: Ein friedvoller Planet, KamNationaldemokratische Partei pagne...........................................201 Deutschland ..........................s. NPD Org...........198, 200, 203, 204, 205, 258 Nationalen Liste...........................156 Organigramm des LfV Hamburg.....21 Nationale Sicht...............................64 Orthodoxe Kommunisten........96, 97, Nationalsozialismus.............115, 125, 125, 137 154, 155, 160, 161, 166 OSA......................................203, 258 Nationalzeitung..............................65 Outing-Aktionen..........................124 National Zeitung...........................189 ÖZOGUZ, Dr.Yavuz.........................62 Nella Faccia...................................117 ÖZOGUZ, Gürhan...........................62 Neonazis........147, 148, 149, 150, 151, 154, 155, 156, 157, 159, 160, 161, P 162, 163, 173, 174, 187, 188, 189, 192 PAHL, Gisa....................................193 Netzwerk islamistischer Terroristen Pakistan............29, 37, 38, 40, 41, 42, ...25, 30, 48 43, 45, 46, 48, 49, 208, 259 Neue Deutsche Burschenschaft....186 Palästina.....................55, 112, 113, 115 NEUMANN, Björn.........................185 Parlamentarischer Kontrollausschuss NeverTrust A Cop....................s. NTAC ...18, 223, 249, 258 268 Anhang / Stichwortverzeichnis Partei der demokratischen GesellRAMEZANI, Dr. Reza , Ayatollah....60, schaft ....................................83, 255 61, 62 Partei des Friedens und der DemokraRassismus........111, 120, 125, 126, 154 tie..................................................83 Recht auf Stadt, Bündnis......107, 110, Partei für ein freies Leben in Kurdi111, 129, 130 stan...............................................91 Rechtsextremistische Bands........147, Pennale Burschenschaft Chattia 167 Friedberg zu Hamburg........151, 161, Rechtsextremistische Tonträger..165, 185, 186, 187 166, 167 Perspektif, Zeitschrift......................65 REGENER, Michael alias LUNIKOFF PFEIFFER, Martin.........................189 ...167 PJAK..............................................91 Rehabilitation Project Forces .....s. RPF PKA.........................................18, 258 Referenzpersonen.......................218 PKK..........71, 72, 76, 79, 80, 81, 82, 83, Repression........59, 107, 111, 117, 118, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 258 119, 120, 121, 122, 123, 131 PMK...................28, 80, 81, 100, 101, RH.........................................111, 258 151, 152, 200, 258 RIEGER, Jürgen..................146, 155, PMK, Definition..............................28 170, 174, 176, 189, 190, 191, 192, 193 Politisch motivierte Kriminalität ......s. Roadmap.......................................82 PMK Roj TV...................................76, 86, 87 Pößneck.......................................192 Rote Armee Fraktion.................s. RAF pressback.....................................112 Rote Flora.....................105, 106, 107, Prinzip der wehrhaften Demokratie 118, 126, 128, 129, 130, 134, 135 ...14 Rote Hilfe e.V..............................s. RH prisma, Broschüre.........................103 Rote Szene Hamburg................s. RSH PROJEKT VRIL, rechtsextremistische RPF..............................................202 Band............................................167 RSH....................112, 113, 114, 137, 258 Proliferation..........................208, 209 Russische Föderation............210, 211 Propagandadelikte..........152, 153, 194 Russland...............42, 43, 113, 135, 210 Psychiatrie: Tod statt Hilfe, Ausstellung..............................................201 S Saadet Partisi.............................s. SP Q Sabotageschutz.........16, 20, 21, 216, Quds-Moschee....................25, 29, 46 218, 219 QUTB, Sayyid............................30, 53 Sag Nein zu Drogen - Sag Ja zum Leben...........................202, 203, 205 R SAID, Hafiz Muhammad.................41 Radikalisierungsprozesse........3, 4, 54 Salafismus...........................29, 46, 47 radikal, Zeitschrift.....................59, 103 Salafistische Gruppe für Predigt und RAF............................102, 112, 117, 258 Kampf............................................33 269 Anhang / Stichwortverzeichnis SAND.............................134, 135, 259 'solid......97, 114, 135, 136, 137, 142, 143 SARRAZIN,Thilo....................159, 160 Sozialismus............99, 109, 113, 135, Sauerlandgruppe......................38, 44 137, 141, 142, 155 SAV.......................................143, 259 Sozialistische Alternative..........s. SAV Schall und Rauch...........................167 Sozialistische Deutsche ArbeiterjuSchanzenviertel.............106, 107, 113, gend .......................................s. SDAJ 118, 123, 131 Sozialistische Linke...................s. SoL Schanzenviertelfest......103, 106, 107, SP.......................................65, 70, 259 119, 126, 130 Spendensammlungen..............85, 93 Scharia.............36, 39, 49, 53, 54, 55, Spionageabwehr......208, 210, 211, 217 64, 71, 73 SprengG...............................220, 259 Schengener Visumverfahren..........20 Sprengstoffgesetz................220, 259 Schiiten...........................25, 56, 60, 62 Sri Lanka.........................................41 SCHNEIDER, Daniel.......................38 staatliche Parteienfinanzierung........4 Schulhof-CD.................................166 STEHR, Heinz...............................138 SCHUNK, Axel..............................190 Stellenplan des LfV.........................19 Schusswaffenanschlag..................24 Stimme des Artglaubens..............190 Schwarzer Block...........................155 Stresstest....................................202 Scientology-Beratung...........199, 206 Sunna.......................................54, 67 Scientology Kirche Hamburg e.V...203 Systemoppositionelle Atomkraft Nein Scientology-Kirchen.....................201 Danke....................................s. SAND Scientology-Organisation...........s. SO Scientology Kirche Deutschland e.V. T ...200 Tablighi Jama'at............................s.TJ SDAJ..........114, 137, 140, 141, 142, 259 Tag der offenen Moscheen.............71 Sea Organization..........................202 Tag des politischen Gefangen........111 Selbstmordanschläge.......33, 35, 38, Tag der deutschen Zukunft............160 42, 46, 83 Taiba-Moschee........3, 25, 29, 30, 46, SHAZAD, Faisal.........................42, 45 47, 48, 53 Sicherheitsüberprüfung..........19, 20, Taifatul Mansura.............................38 218, 219, 238, 240 Taifija.............................................56 Sicherheitsüberprüfungsgesetz..218, TAK.........................................83, 259 226, 256 Taleban..............24, 28, 29, 36, 45, 255 Skinheads.........147, 149, 163, 165, 166 Tamil Coordination Comitee...........77 SO........198, 199, 200, 201, 202, 204, TCC...............................................77 205, 206, 259 Tehrek-eTaliban-e Pakistan..37, 42, 259 SoL...............106, 107, 112, 113, 114, Terrorismusbekämpfungsgesetz...17 127, 137, 259 Terrorismus, islamistischer.......17, 24, Soldaten, Anschläge auf......3, 24, 25, 42, 43 29, 34, 36, 44, 57 TH.................................25, 71, 72, 259 270 Anhang / Stichwortverzeichnis The Way to Happiness Foundation Verfassungsschutz, Auskunftsertei...201 lung......................................223, 248 THIESSEN,Tobias............147, 156, 157 Verfassungsschutz, DatenübermittTIETJEN,Wilhelm...........191, 192, 259 lung......................................222, 240 TIMEBOMB.................................167 Verfassungsschutz, Erheben und TJ.......................................54, 55, 259 weitere Verarbeitung von InformatioTKP/ML.......................76, 92, 140, 259 nen.......................................222, 228 Trägerverein...........25, 30, 47, 60, 63, Verfassungsschutz, Parlamentarische 142, 191 Kontrolle...............................223, 249 Trauermarsch in Dresden........127, 161 Verschlusssachen...216, 220, 249, 259 Trennungsgebot............................17 Videobotschaft, Boden der Ehre - TROTZKI, Leo...............................143 Teil 1.........................................29, 37 Trotzkisten............................100, 143 Videobotschaft, Deutsche Taleban TTP.....................................37, 42, 259 Mujahidin.......................................28 TÜRK, Ahmet.................................87 Videobotschaften.......28, 31, 36, 38, 44 Türkische Hizbullah......................s.TH Videobotschaft, Labbaik..................37 Türkiye Komünist Partisi/Marksist VOIGT, Udo..................168, 169, 170, Leninist..............................s. TKP/ML 171, 172, 179, 180, 183, 184 Volksküchen.................................130 U Volksrat.....................................90, 91 UCAR, Ramazan........................69, 70 Volksverteidigungskräfte..............83 ÜCÜNCÜ, Oguz.........................66, 69 Uiguren........................................213 W UMAROV, Dokku............................42 Warum Israel, Film..................107, 116 undogmatische Linksextremisten.104 Waziristan............................31, 38, 45 Ungläubige...............................46, 50 Weisse Wölfe...............................164 UNIFIL...........................................57 Weisse WölfeTerror Crew.....s. WWTC United for Human Rights................202 Werteentscheidungen der VerfasUnsere Zeit.................................s. UZ sung.........................................14, 15 UZ..................................139, 141, 259 Widerstand-Radio, Internetradio...165 Wilhelm TIETJEN-Stiftung für Fertilisa- V tion Ltd.................................s. WTSfF Vahdet-Moschee...........................72 Wirtschaftsschutz....21, 209, 216, 217 VELIOGLU, Hüseyin.......................72 Wirtschaftsschutz Beratungsbedarf Verein der Förderer einer iranisch-isla...217 mischen Moschee in Hamburg e.V...63 Wirtschaftsspionage...........209, 210, Verein freier Frauen aus Mesopota213, 217 mien e.V.........................................90 WISE.............................203, 204, 259 Verfassungsschutz, Aufgaben.....222, WISE Chartercommittees............203 224, 225, 244 271 Anhang / Stichwortverzeichnis WORCH, Christian.......146, 156, 176, 177, 178 World Institute of Scientology Enterprises....................................s. WISE WTSfF...................................192, 259 WULFF, Thomas...........146, 156, 176, 177, 192 WWTC............................147, 164, 259 Y YASIN, Scheich...............................55 YAZICI, Ahmet................................70 YEK-KOM................84, 87, 88, 90, 260 YILMAZ, Adem...............................38 YOLDAS, Mustafa.................68, 69, 70 Youth for Human Rights................202 YULDASHEV, Taher.........................37 YXK................................................85 Z Zeck, Publikation...........105, 116, 119, 121, 130 Zentralrat der Muslime in Deutschland.........................................63, 260 Zentrum für Propagierung und Rechtleitung............................................40 Zuerst!, Zeitungsprojekt.........111, 125 Zuverlässigkeitsüberprüfungen....20, 219, 220, 226, 238 272 Anhang / Stichwortverzeichnis 273 Anhang / Stichwortverzeichnis 274 Notizen Notizen Notizen Notizen Notizen Notizen