Verfassungsschutzbericht 2009 Landesamt für erfassungsschutz www.hamburg.de/verfassungsschutz Verfassungsschutzbericht 2009 Im Text finden Sie vielfach die Symbole und Das Sinnbild "Buch" verweist auf eine Fundstelle in diesem Verfassungsschutzbericht. Das Symbol "Weltkugel" bedeutet, dass es zu dem Thema weitere Informationen auf unseren Internetseiten gibt. Unter http://www.hamburg.de/verfassungsschutz finden Sie regelmäßig aktuelle Informationen über alle Arbeitsfelder des Hamburger Verfassungsschutzes. Herausgeber: Freie und Hansestadt Hamburg Behörde für Inneres Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Johanniswall 4, 20095 Hamburg Telefon: 040 / 24 44 43 Telefax: 040 / 33 83 60 Internet: http://www.hamburg.de/verfassungsschutz E-Mail des LfV: poststelle@verfassungsschutz.hamburg.de E-Mail Öffentlichkeitsarbeit: info@verfassungsschutz.hamburg.de Auflage: 1.000 Juni 2010 Redaktionsschluss: Februar 2010 Satz/Layout, Grafik: Landesamt für Verfassungsschutz Druck: Siepmann GmbH, Ruhrstr. 126, 22761 Hamburg Vorwort Vorwort von Innensenator Christoph Ahlhaus Liebe Hamburgerinnen und Hamburger, der "Verfassungsschutzbericht 2009" informiert über Gefährdungen unseres demokratischen Rechtsstaates durch politisch motivierte Extremisten. Fundierte Informationen über Bestrebungen gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung sollen die Öffentlichkeit aufklären, sensibilisieren und so einen Beitrag zur politischen Auseinandersetzung mit extremistischen Tendenzen leisten. Diese Aufklärung ist unverzichtbar und alle Demokraten in unserer Gesellschaft sollten sich gegen jede Form des politischen Extremismus gemeinsam wehren! Die seit Jahren anhaltende Bedrohung der inneren Sicherheit durch den internationalen islamistischen Terrorismus hat sich im Jahr 2009 noch zugespitzt. Obwohl konkrete Anschlagsplanungen oder -vorbereitungen nicht festgestellt werden konnten, war Deutschland im Vorfeld der Bundestagswahl im September 2009 das Ziel einer Propagandaoffensive durch eine Vielzahl jihadistischer Veröffentlichungen im Internet. Auch den Hamburger Sicherheitsbehörden wurde in dieser Phase ein besonders hohes Maß an Wachsamkeit abverlangt: Die Jihadisten drohten mit Anschlägen, falls das Wahlergebnis nicht zu einem Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan führe. Diese Situation verdeutlichte nachdrücklich, dass die Bundesrepublik Deutschland - wie andere westliche Nationen auch - wegen ihrer Beteiligung am weltweiten Antiterrorkampf und ihres auch militärischen Engagements in Afghanistan weiter im Fokus des gewaltbereiten Islamismus steht. Deshalb bleibt die Beobachtung des weltweiten Netzwerkes islamistischer Terroristen zentrale Aufgabe des Verfassungsschutzes. Die Hamburger Sicherheitsbehörden werden auch künftig entschlossen und mit allen rechtsstaatlichen Mitteln gegen gefährliche ausländische Extremisten vorgehen. Wer mit gewaltbereiten Bestrebungen die öffentliche Sicherheit gefährdet, muss mit seiner Ausweisung 3 Vorwort rechnen. Seit 2003 haben insgesamt 19 Islamisten Hamburg verlassen müssen, weil die Innenbehörde ausländerrechtliche Maßnahmen gegen sie verfügt hatte. Der Hamburger Verfassungsschutz ist eng in bundesweite und übergreifende Konzepte zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus eingebunden. So ist das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) nicht nur am Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) in Berlin beteiligt, sondern wirkt auch in allen wesentlichen Arbeitsund Projektgruppen des Verfassungsschutzverbundes mit. Die enge Zusammenarbeit des LfV mit der Anti-Terrorismus-Koordination (ATK) der Behörde für Inneres hat sich bewährt und zu einem wichtigen Bindeglied bei der Abwehr terroristischer Gefahren entwickelt. Im Bereich des Linksextremismus haben im Jahr 2009 die Ereignisse im Zusammenhang mit dem sogenannten Schanzenfest eine besondere Rolle gespielt. In diesem Jahr fanden erstmals zwei Schanzenfeste statt. Die autonome Szene versuchte, diese Straßenfeste zum Synonym für politische Freiräume zu erklären. Die nach dem Fest regelmäßig stattfindenden Krawalle sollten als legitimer und angemessener Widerstand gegen den Staat etabliert werden. Als Reaktion auf den von der autonomen Szene als "repressiv" bezeichneten Polizeieinsatz beim ersten "Schanzenfest" fand am 12.09.2009 ein weiteres statt. Im Anschluss an die zunächst friedlichen Veranstaltungen mit je 5.000 Besuchern kam es in beiden Nächten zu inzwischen ritualisierten Krawallen im Schanzenviertel, an denen sich neben Autonomen auch zahlreiche Jugendliche beteiligten, die nur auf Krawall aus waren. Nach dem Fest am 12.09.2009 griffen ca. 150 Personen die Polizeiwache in der Lerchenstraße an, setzten einen Pkw vor der Wache in Brand und beschädigten mehrere Scheiben des Polizeigebäudes. Am 03.12.2009 wurde dieselbe Wache von ca. 20 Vermummten überfallen: Bei diesem Angriff bewarfen sie Polizeibeamte, die aus der Wache eilten und keine Schutzkleidung trugen, mit faustgroßen Steinen. Sie rollten eine brennende Mülltonne direkt an das Gebäude, dessen Eingangstür sie zuvor verschließen wollten. Mit dieser Tat erreichte die von Autonomen ausgehende Gewalt in Hamburg eine seit Jahren nicht mehr gesehene Qualität. Durch ihr Handeln nahmen die Täter bewusst eine erhebliche Gefährdung von Menschenleben in Kauf. Ich verurteile diese feigen Anschläge auf das Schärfste. Das ist 4 Vorwort in meinen Augen ein Angriff auf unsere Demokratie. Aber ich sage auch ganz deutlich: Von solchen Taten lassen wir uns in keiner Weise einschüchtern. In Hamburg wird es auch zukünftig kein Zurückweichen vor extremistischen Gewalttätern geben. Rechtsfreie Räume werden unsere Sicherheitsbehörden nicht dulden. Wer unsere demokratische Werteordnung mit Füßen tritt, muss die ganze Härte des Gesetzes zu spüren bekommen. Politik, Sicherheitsbehörden und alle demokratischen Gruppen unserer Gesellschaft müssen gemeinsam und vor allem laut und deutlich den Linksextremismus in seine Schranken weisen. Im Rechtsextremismus ist der Niedergang der "Deutschen Volksunion" (DVU) zu nennen, der ungebremst anhielt. 2009 verlor die DVU rund ein Viertel ihrer Mitglieder. Bei Wahlen musste die Partei Verluste hinnehmen. In Hamburg ist sie kaum aktiv. Auch die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) verfehlte im Berichtsjahr bei Landtagswahlen und der Bundestagswahl ihre Wahlziele. Die NPD bot 2009 das Bild einer heillos zerstrittenen und dem finanziellen Kollaps nahestehenden Partei. Die für den Schulterschluss von NPD und Neonazis bislang wichtigste Integrationsfigur, der Hamburger Rechtsanwalt und NPD-Landesvorsitzende Jürgen RIEGER, starb überraschend am 29.10.2009. Damit verlor die rechtsextremistische Szene in Deutschland einen ihrer wichtigsten Protagonisten. Durch die von ihm forcierte Verzahnung der Partei mit der Neonazi-Szene war die NPD in den letzten Jahren auch in Hamburg deutlich aktionsfähiger geworden. Unabhängig dieser Tendenzen im rechten Spektrum werden die Sicherheitsbehörden nicht nachlassen, den rechtsextremistischen Gefahren für unseren freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat unverändert entschieden entgegenzutreten. Unverbesserliche rechte Ideologen und Gewalttäter dürfen sich in unserer Gesellschaft niemals mehr breitmachen. Im vergangen Jahr zielten alle Aktivitäten der Scientology-Organisation (SO) - neben dem ausgeprägten Interesse an neuen Mitgliedern und deren Geld - auf eine umfassende Expansion in diverse gesellschaftliche Bereiche. Dieses Ziel hat die SO in Deutschland wie auch in Hamburg im Berichtsjahr nicht erreichen können. Es hat sich ausge- 5 Vorwort zahlt, dass das LfV die SO weiterhin ganz genau unter Beobachtung hatte. Die Gesamtzahl der Hamburger Scientologen und auch der Mitglieder im Einzugsbereich Hamburgs ist 2009 weiter zurückgegangen. Hier müssen wir ansetzen, damit die SO mit ihrer anti-demokratischen und menschenverachtenden Ideologie bald überhaupt keine Rolle mehr in Deutschland spielt. Ich werde mich deshalb auch weiterhin für ein vereinsrechtliches Verbot der SO in Deutschland einsetzen und hoffe auf die Unterstützung von Bund und Ländern. Auch Extremisten sind gelegentlich bemüht, ihre Vorstellungen in neuer "Verpackung" anzubieten. Manche wollen ihren Aktivitäten einen bürgerlichen Anstrich geben, um so von ihren tatsächlichen Zielen abzulenken. Damit haben sie keine Chance, wenn sie auf gut informierte Bürgerinnen und Bürger treffen, die sich nicht so ohne weiteres täuschen lassen. Der vorliegende Verfassungsschutzbericht soll dabei helfen und wertvolle Informationen liefern. Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hamburger Verfassungsschutzes für ihre wertvolle und erfolgreiche Aufklärungsarbeit des vergangenen Jahres. Sie haben einmal mehr ihren unverzichtbaren Beitrag geleistet, dass wir alle in Freiheit und Sicherheit in Hamburg und ganz Deutschland leben können. Ich wünsche dem LfV, dass der vorliegende Bericht viele interessierte Leserinnen und Leser finden wird. Christoph Ahlhaus Präses der Behörde für Inneres der Freien und Hansestadt Hamburg 6 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Impressum 2 Vorwort von Innensenator Christoph AHLHAUS 3 I. Verfassungsschutz in Hamburg 1. Verfassungsschutz und Demokratie 16 2. Gesetzliche Grundlage 17 3. Aufgaben des Verfassungsschutzes 17 4. Arbeitsweise und Befugnisse des 19 Verfassungsschutzes 5. Informationsverarbeitung 19 6. Kontrolle 20 7. Strukturdaten, Regelanfragen und Überprüfungen 21 8. Organigramm des LfV Hamburg 23 II. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick 26 2. Allgemeines 28 3. Potenziale 28 4. Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) 30 5. Transnationaler islamistischer Terrorismus 31 5.1 Aktuelle Entwicklungen 31 5.2 al-Qaida-Netzwerk 33 * Kern-al-Qaida 33 * "al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM) 37 * "al-Qaida im Irak" - "Islamic State of Iraq" (ISoI) 38 * "al-Qaida auf der arabischen Halbinsel" 39 5.3 "Islamische Bewegung Usbekistans" (IBU) 40 5.4 "Islamische Jihad-Union" (IJU) 41 5.5 "Lashkar-e Taiba" (LeT) 43 5.6 "Jemaah Islamiyah" (JI) 44 8 Inhaltsverzeichnis 5.7 Prozesse, Ermittlungsverfahren und Festnahmen 45 * National 45 * International 47 5.8 Situation in Hamburg 49 * Ausreise von Islamisten 50 6. Sonstige islamistische Gruppierungen 52 6.1 Transnationale Organisationen 52 * Hizb ut-Tahrir (HuT) 52 * Muslimbruderschaft (MB; JAMA'A IKHWAN 55 AL-MUSLIMIN) * Tablighi Jama'at (TJ) 56 6.2 Palästinensische und libanesische Organisationen 57 * HAMAS (Harakat Al-Muqawama Al-Islamiyya, 57 Islamische Widerstandsbewegung) * HIZB ALLAH (Partei Gottes) 59 6.3 Iranische Islamisten 61 6.3.1 Allgemeines 61 6.3.2 Anhänger der iranischen "Islamischen Revolution" 62 6.4 Türkische Islamisten 66 6.4.1 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) 66 * Die IGMG in Deutschland 66 * Die IGMG in Hamburg 70 6.4.2 Türkische Hizbullah 71 III. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick 74 2. Potenziale 77 3. Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) 80 4. PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) 81 4.1 Entwicklungen und Organisatorisches 81 4.2 Aktivitäten und Schwerpunkte in Deutschland 85 4.3 Situation in Hamburg 89 9 Inhaltsverzeichnis 5. Türken 93 Revolutionär-marxistische Gruppierungen 93 * DHKP-C (Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephe, 93 Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) * TKP/ML (Türkiye Komünist Partisi / 95 Marksist Leninist) * TKP/ML-Partizan (Türkiye Komünist Partisi / 95 Marksist Leninist, Türkische Kommunistische Partei / Marxisten Leninisten) mit Nebenorganisationen * MKP (Maoist Komünist Partisi, 96 Maoistische Kommunistische Partei) * MLKP (Marksist Leninist Komünist Partisi, 96 Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei) 6. Iraner 97 Iranische Oppositionelle 97 6.1 Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) 97 6.2 Arbeiterkommunistische Partei Iran (API) 100 IV. Linksextremismus 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick 104 2. Potenziale 106 3. Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) 109 4. Linksextremistischer Terrorismus und 110 autonome Militanz 5. Undogmatische Linksextremisten 113 5.1 Trefforte und Kommunikationszentren in Hamburg 114 * Rote Flora 115 * Centro Sociale 117 5.2 Gruppen und Strukturen 118 5.2.1 AVANTI - Projekt undogmatische Linke 118 5.2.2 Rote Hilfe e. V. 122 5.2.3 Antiimperialistischer Widerstand (AIW) 123 5.2.4 Freie Arbeiterinnenund Arbeiter Union (FAU) 124 5.2.5 Antideutsche / Antinationale Strukturen 126 5.3 Aktionsfelder 127 10 Inhaltsverzeichnis 5.3.1 "Antirepression" 127 5.3.2 "Antifaschismus" 131 5.3.3 Antirassismus 135 5.3.4 Linksextremistisch beeinflusste Initiativen gegen 136 Stadtentwicklungspolitik 5.3.5 Linksextremistische Einflussnahme auf Proteste 140 gegen die Energiepolitik 6. Extremistische Teilstrukturen in der Partei DIE LINKE. 144 * "Kommunistische Plattform" (KPF) 144 * "Linksjugend ['solid]" (['solid]) 145 * "marx21 - Netzwerk für internationalen 145 Sozialismus" (marx 21) 7. Orthodoxe Kommunisten 146 * Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 146 * Hamburg 148 * Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 150 * Marxistische Abendschulen (MASCH) in Hamburg 152 8. Trotzkisten 152 9. Marxistische Gruppe (MG) 153 V. Rechtsextremismus 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick 156 2. Potenziale 157 3. Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) 161 4. Volksfront von Rechts 164 5. Neonazismus 166 5.1 Bestrebungen in Hamburg und im Umland 168 5.2 Bestrebungen im Bundesgebiet 171 5.3 Aktivitäten 172 6. Rechtsextremistische Skinheads und sonstige 176 gewaltbereite Rechtsextremisten 7. Rechtsextremistische Musik 178 8. Rechtsextremistische Parteien 182 8.1 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 182 * Hamburg 188 11 Inhaltsverzeichnis 8.2 Deutsche Volksunion (DVU) 191 * Hamburg 195 9. Jürgen RIEGER: Rassistischer Ideologe - 196 Multifunktionär - Finanzier ( 29.10.09) 9.1 Reaktionen auf RIEGERs Tod 197 9.2 Aktivitäten und Funktionen in der 198 rechtsextremistischen Szene 9.3 Finanzund Immobiliengeschäfte 201 9.4 Strafverfahren 203 10. Pennale Burschenschaft Chattia Friedberg 204 zu Hamburg 11. Sonstige rechtsextremistische Organisationen 206 und Bestrebungen VI. Scientology-Organisation (SO) 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick 212 2. Potenziale 213 3. Strukturen und Organisationseinheiten 214 4. Strukturen in Hamburg 217 5. Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) 219 6. Aktivitäten 220 VII. Spionageabwehr 1. Überblick 226 2. Proliferation und Wissenstransfer 227 3. Wirtschaftsspionage 228 4. Die Nachrichtendienste der Russischen Föderation 229 5. Chinesische Nachrichtendienste 230 6. Nachrichtendienste des Nahen und Mittleren Ostens 232 sowie Nordafrikas 12 Inhaltsverzeichnis VIII. Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz 1. Allgemeines 234 2. Wirtschaftsschutz 234 3. Geheimund Sabotageschutz 235 3.1 Geheimschutz 235 3.1.1 Personeller Geheimschutz in Hamburger 236 öffentlichen Stellen 3.1.2 Personeller Sabotageschutz in Hamburg 237 3.1.3 Materieller Geheimschutz 238 IX. Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz 240 * Abkürzungsverzeichnis 271 * Stichwortverzeichnis 278 13 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Verfassungsschutz in Hamburg I. Verfassungsschutz in Hamburg 1. Verfassungsschutz und Demokratie Im Gegensatz zur Weimarer Verfassung, die in ihrem Anspruch, ein Höchstmaß an Freiheit und Demokratie zu garantieren, darauf verzichtet hatte, ausreichende Vorkehrungen gegen ihre eigene Abschaffung zu treffen, enthält das Grundgesetz (GG) - dem Prinzip der wehrhaften Demokratie folgend - Schutzmechanismen gegen Gefährdungen der Verfassung. Hierzu gehören im Wesentlichen: * Die Unabänderlichkeit der in den Artikeln 1 und 20 GG niedergelegten elementaren Verfassungsgrundsätze, * Das Verbot von Parteien und sonstigen Vereinigungen wegen verfassungswidriger Aktivitäten (Artikel 9 Abs. 2 und Artikel 21 Abs. 2 GG), * Die Verwirkung von Grundrechten, wenn diese zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht werden (Artikel 18 GG), * Die Pflicht der Angehörigen des Öffentlichen Dienstes zur Verfassungstreue (Artikel 5 Abs. 3 und Artikel 33 Abs. 5 GG in Verbindung mit den beamtenrechtlichen Vorschriften), * Die Verfolgung von Straftaten, die sich gegen den Bestand des Staates oder gegen die Verfassung richten (Staatsschutzdelikte). Ziel ist der Schutz der Werteentscheidungen der Verfassung. Zu ihren höchsten Werten zählen * die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten * die Volkssouveränität * die Gewaltenteilung * die Verantwortlichkeit der Regierung * die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung 16 Verfassungsschutz in Hamburg * die Unabhängigkeit der Gerichte * das Mehrparteienprinzip * die Chancengleichheit für alle politischen Parteien und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder dienen der Gewährleistung dieser Verfassungsgrundsätze. Zentrale Aufgabe des Verfassungsschutzes ist die Beobachtung von Bestrebungen und Tätigkeiten, die die Werteentscheidungen der Verfassung beseitigen oder außer Geltung setzen wollen und/oder den Bund, die Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen beabsichtigen [vgl. SS 1 Abs. 1, SS 4 und SS 5 des Hamburgischen Verfassungsschutzgesetzes (HmbVerfSchG, IX.) sowie Artikel 73 Nr. 10 b und Artikel 87 Abs. 1 Satz 2 GG, SS 2 Abs. 2 Bundesverfassungsschutzgesetz]. Wegen seines Auftrags, frühzeitig politisch-extremistische Bestrebungen zu erkennen, ist der Verfassungsschutz ein "Frühwarnsystem" der Demokratie. 2. Gesetzliche Grundlage Das Hamburgische Verfassungsschutzgesetz ( IX.) ist die wichtigste gesetzliche Grundlage für die Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV). Der Verfassungsschutz ist, wie jede andere Behörde auch, bei der Erfüllung seiner Aufgaben an Gesetz und Recht gebunden und muss bei Eingriffen in die Rechte der Bürger den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. 3. Aufgaben des Verfassungsschutzes Hauptaufgabe des LfV ist nach SS 4 Abs. 1 HmbVerfSchG die Sammlung und Auswertung von Informationen über * Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung 17 Verfassungsschutz in Hamburg der Amtsführung von Mitgliedern der verfassungsmäßigen Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben, * sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht in der Bundesrepublik Deutschland, * Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, * Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Art. 9 Abs. 2 GG), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Art. 26 Abs. 1 GG) gerichtet sind. Das Landesamt wertet die mit offenen oder mit nachrichtendienstlichen Mitteln ( 4.) gewonnenen Erkenntnisse aus und informiert über entsprechende Gefahren. Neben seiner Informationsverpflichtung gegenüber dem Senat und der Weitergabe von Informationen an die zuständigen staatlichen Stellen zur Gefahrenabwehr informiert das LfV mit seinem jährlichen Verfassungsschutzbericht, mit weiteren Publikationen und Pressemitteilungen sowie aktuellen Berichten auf seiner Internetseite auch die Öffentlichkeit über die Ergebnisse seiner Arbeit - soweit diese offen dargestellt werden können. Extremisten können leichter nachhaltige Erfolge erzielen, wenn es ihnen gelingt, die Bürger über ihre wirklichen Absichten zu täuschen. Verfassungsschutz durch Information der Öffentlichkeit ist daher ein wichtiges Anliegen. Beobachtungsfelder sind Rechtsund Linksextremismus, extremistische Bestrebungen von Ausländern sowie die Spionagetätigkeit fremder Geheimdienste. Einen besonderen Beobachtungsschwerpunkt bilden seit 2001 der Islamismus und der islamistische Terrorismus. Anders als die Polizei befasst sich der Verfassungsschutz nicht nur mit Straftaten und sonstigen konkreten Gefahren, sondern er setzt mit seiner Beobachtungstätigkeit bereits im "Vorfeld" dieser Phänomene an. Wirtschafts-, Geheimund Sabotageschutz gehören zu den weiteren Aufgaben des Verfassungsschutzes. 18 Verfassungsschutz in Hamburg 4. Arbeitsweise und Befugnisse des Verfassungsschutzes Die Informationen, die das LfV zur Wahrnehmung seiner Aufgaben benötigt, beschafft es z.T. aus offen zugänglichen Quellen, die grundsätzlich jedem Bürger auch zur Verfügung stehen, z.B. aus Zeitungen, dem Internet, aus Zeitschriften, Broschüren, Flugblättern, Archiven und anderen Medien sowie aus Unterlagen anderer staatlicher Stellen. Neben der offenen Informationsgewinnung darf das LfV auch Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln "verdeckt" erheben. Zu diesen Mitteln, die in SS 8 Abs. 2 HmbVerfSchG ( IX.) aufgezählt sind, gehören z.B. die Führung von verdeckt eingesetzten Personen, die Observation, Bildund Tonaufzeichnungen und - nach Maßgabe des "Art.10-Gesetzes" - die Überwachung des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs. Im Jahre 2002 wurden im Rahmen der Umsetzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes die Befugnisse des Landesamtes in wichtigen Punkten erweitert. Hierzu zählt u.a. das Mittel der Finanzermittlung, um z.B. Geldtranfers im Zusammenhang mit der Finanzierung des islamistischen Terrorismus aufdecken zu können. Das LfV darf nicht an eine polizeiliche Dienststelle angegliedert werden. Ihm stehen weder polizeiliche Befugnisse noch Weisungsbefugnisse gegenüber polizeilichen Dienststellen zu noch darf es die Polizei im Amtshilfeweg veranlassen, Maßnahmen zu ergreifen, zu denen es selbst nicht befugt ist ("Trennungsgebot"). Das schließt einen Informationsaustausch zwischen Polizei und Verfassungsschutz nicht aus, im HmbVerfSchG ist dies im Detail geregelt. 5. Informationsverarbeitung Die Verfassungsschutzbehörden sammeln und speichern sachund personenbezogene Daten über extremistische Bestrebungen sowie sicherheitsgefährdende und geheimdienstliche Tätigkeiten. Zu den Instrumenten der gegenseitigen Unterrichtung der Verfassungsschutzbehörden zählen unter anderem gemeinsame Dateien. Die "klassische" gemeinsame Datei ist das bundesweite Nachrichtendienstliche Infor19 Verfassungsschutz in Hamburg mationssystem (NADIS, Zahl der Hamburger Speicherungen: 7.), das sich im Stadium einer grundlegenden Neukonzeption befindet. NADIS ist eine allen Verfassungsschutzbehörden zur Verfügung stehende Datenbank, in der jede Verfassungsschutzbehörde biographische Grunddaten von Personen und Objekten in eigener Verantwortung speichert. NADIS enthält aber keine Einzelerkenntnisse über die dort gespeicherten Personen, sondern nur Hinweise auf Aktenfundstellen. Um Näheres über die Person zu erfahren, muss die speichernde Verfassungsschutzbehörde in einem zweiten Schritt um Übermittlung der Einzelerkenntnisse gebeten werden. Zugriff auf die gespeicherten Daten haben ausschließlich die Verfassungsschutzbehörden. Sie sind verpflichtet, diese Daten in bestimmten Fristen daraufhin zu prüfen, ob ihre weitere Speicherung noch erforderlich ist. Ist dies nicht der Fall, werden die Daten gelöscht. Am 30.03.07 wurde die Arbeit mit einer gemeinsamen zentralen "Antiterrordatei" (ATD) aufgenommen und zum Anfang des Jahres 2008 im HmbVerfSchG die Möglichkeit eingeräumt, mit den anderen Bundesund Landesicherheitsbehörden gemeinsame Projektdateien zu betreiben. Mit diesen Dateien werden die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden unterstützt und der Informationsaustausch verbessert. Dabei stellt das "Antiterrordateigesetz" sicher, dass die Anforderungen des Quellenund Geheimhaltungsschutzes ebenso beachtet werden wie datenschutzrechtliche Belange. Projektdateien unterstützen befristete gemeinsame Projekte der Sicherheitsbehörden. 6. Kontrolle Der Verfassungsschutz ist an klare gesetzliche Vorgaben gebunden, und seine Arbeit unterliegt parlamentarischer Kontrolle. In Hamburg wird diese Aufgabe vom "Ausschuss zur parlamentarischen Kontrolle des Senats auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes" (verkürzt auch "PKA" für "Parlamentarischer Kontrollausschuss" genannt) der Hamburgischen Bürgerschaft wahrgenommen. Bei Eingriffen in das Postund Fernmeldegeheimnis entscheidet die G 10-Kommission der Bürgerschaft. 20 Verfassungsschutz in Hamburg Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte hat ebenfalls umfängliche Kontrollbefugnisse, z.B., ob die Prüfungsund Löschungsfristen im NADIS beachtet werden. Wie bei allen anderen Behörden ist auch das Verwaltungshandeln des Verfassungsschutzes grundsätzlich gerichtlich nachprüfbar. 7. Strukturdaten, Regelanfragen und Überprüfungen STELLENPLAN Nach den Terroranschlägen vom 11.09.01 in den USA war der Personalbestand des LfV mit dem Stellenplan 2002 zunächst um 15,5 Stellen aufgestockt worden. In den Jahren 2003 bis 2008 wurde der Stellenbestand insgesamt um weitere elf Stellen auf 151 erhöht. Im Berichtsjahr ist der Stellenbestand noch einmal um zwei Stellen auf 153 angehoben worden. HAUSHALTSANSATZ Im Jahr 2009 betrug der Haushaltsansatz für das LfV insgesamt 11.805.000 EUR (2008: 11.429.000 EUR). Darin enthalten waren 9.289.000 EUR für Personalausgaben (2008: 8.966.000 EUR). HAMBURGER NADIS-SPEICHERUNGEN Vom LfV waren am 31.12.09 im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS, 5.) Daten von 36.608 Personen gespeichert (31.12.08: 31.124), davon 29.219 (79,82 %) im Zusammenhang mit Sicherheitsüberprüfungen (31.12.08: 23.520 = 75,57 %). EINBÜRGERUNGSVERFAHREN Mit Wirkung vom 22.10.01 wurde in Hamburg die Regelanfrage bei Einbürgerungen eingeführt: Das Einwohner-Zentralamt als Einbürgerungsbehörde fragt vor jeder Entscheidung beim LfV nach, ob Erkenntnisse vorliegen, die einer Einbürgerung entgegenstehen könnten. Vor Einführung dieser Regelung wurde nur angefragt, wenn bereits der Einbürgerungsbehörde Anhaltspunkte für den Verdacht auf politischextremistische Bestrebungen aufgefallen waren. 21 Verfassungsschutz in Hamburg Im Jahr 2009 gab es 5.520 Anfragen (2008: 5.434), die nach einer Dateiabfrage im NADIS ( 5.) und ggf. weiteren Ermittlungen beantwortet wurden. Im Jahr 2009 wurden in 19 Fällen (2008: 10 Fälle) vom Verfassungsschutz Bedenken gegen eine Einbürgerung erhoben. Sie führen in der Regel zur Ablehnung des Antrags. AUFENTHALTSVERFAHREN Seit dem 01.05.04 führen die Ausländerdienststellen bei Personen aus bestimmten Herkunftsländern vor Erteilung oder Verlängerung von Aufenthaltstiteln eine Sicherheitsbefragung durch. In jedem Fall wird auch das LfV beteiligt. Im Jahr 2009 wurden 4.153 Anfragen beantwortet (2008: 4.332). In 20 Fällen (2008: 21) wurden Ermittlungen angestellt; Bedenken mussten in fünf Fällen erhoben werden (2008 gab es keinen solchen Fall). SCHENGENER VISUMVERFAHREN Im Jahr 2009 gab es im "Schengener Visumverfahren" 507 Anfragen an das LfV (2008: 366). In sieben Fällen wurden Bedenken erhoben (2008: 14), denen entsprochen wurde. Das Verfahren wird ausgelöst, wenn der Antragsteller aus einem "Problemstaat" stammt. In das Verfahren eingebunden sind das Auswärtige Amt, das Bundesamt für Verfassungsschutz und ggf. die Verfassungsschutzbehörde des jeweiligen Bundeslandes. SICHERHEITSUND ZUVERLÄSSIGKEITSÜBERPRÜFUNGEN * Im Jahr 2009 hat das LfV Hamburg 913 Sicherheitsüberprüfungen im Rahmen des sog. Personellen Geheimschutzes ( VIII., 3.1.1) bearbeitet (2008:798). * Personen, die in sicherheitsempfindlichen Bereichen des Hamburger Flughafens beschäftigt werden sollen, werden nach SS 7 des Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG) überprüft. Im Jahr 2009 wurden 8.729 Überprüfungen für den Bereich des Hamburger Flughafens unter Mitwirkung des LfV vorgenommen (2008: 9.115). Diese Aufgabe gehört zum sog. Personellen Sabotageschutz ( VIII.,3.1.2). * Im Rahmen des Hafensicherheitsgesetzes wurden im Berichtsjahr 50 Zuverlässigkeitsüberprüfungen ( VIII.,3.1.2) vorgenommen (2008: 59). 22 8. Amtsleiter Abteilung 1 Abteilung 2 Abteilung 3 Staatsschutz Abwehr Zentrale Aufgaben (Stellv. Amtsleiter) Rechtsangelegenheiten Referat V 21 Referat V 31 Auswertung Referat V 11 Wirtschaftsschutz; Ausländerextremismus Verwaltung Geheimund Islamismus Sabotageschutz Öffentlichkeitsarbeit Referat V 22 Auswertung Referat V 12 Referat V 32 Linksextremismus IuK, Techn. Dienst Spionageaufklärung Rechtsextremismus Scientology-Organisation Organigramm des LfV Hamburg Referat V 23 Referat V 13 Beschaffung Operative Technik Forschung / Werbung Referat V 24 Observation Konspirative Ermittlung Verfassungsschutz in Hamburg 23 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten II. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick Die seit Jahren konstatierte Bedrohung der inneren Sicherheit durch den internationalen islamistischen Terrorismus erfuhr 2009 eine Zuspitzung; tatsächliche Anschlagsplanungen oder -vorbereitungen wurden jedoch nicht festgestellt. Deutschland war insbesondere im Vorfeld der Bundestagswahlen im September Ziel einer Propagandaoffensive durch jihadistische Internetveröffentlichungen ( 5.2). Diese drohten mit Anschlägen, falls aus dem Wahlergebnis kein Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan resultiere. Dies macht deutlich, dass die Bundesrepublik Deutschland wie andere westliche NatioEinzelbild aus dem Video: nen aufgrund ihrer Beteiligung am "Der Ruf zur Wahrheit" weltweiten Antiterrorkampf und ihres auch militärischen Engagements in Afghanistan weiter im Zielspektrum gewaltbereiter islamistischer Gruppierungen steht. Die im Internet durch verschiedene islamistische Terrorgruppen verbreiteten Aufrufe, sich dem Jihad in Afghanistan anzuschließen, waren durchaus erfolgreich. Auch aus Deutschland begaben sich vermehrt Personen nach Afghanistan. Die Anschläge, auch Selbstmordanschläge, auf Angehörige der Bundeswehr in Afghanistan nahmen weiter zu. In erster Linie sind nach wie vor muslimische Länder und dortige Einrichtungen und Interessen westlicher Staaten von terroristischer Gewalt betroffen. Die Beobachtung des weltweiten Netzwerkes islamistischer Terroristen bleibt zentrale Aufgabe des Verfassungsschutzes. Neben der Beobachtung von Radikalisierungsprozessen hat vor allem die Aufklärung personeller Strukturen und Unterstützungshandlungen etwa durch finanzielle Leistungen, logistische Unterstützung oder Propaganda höchste Priorität. 26 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Auch in Hamburg gibt es Islamisten, die der Jihad-Ideologie anhängen ( 5.8). Im Fokus des Verfassungsschutzes stehen darüber hinaus die Anhänger Gewalt befürwortender Gruppen wie die palästinensische HAMAS, die libanesische HIZB ALLAH und die "Türkische Hizbullah" wie auch die Anhänger der Hizb-ut Tahrir ( 6.1). Islamistische Bestrebungen gehen auch von gewaltfreien Organisationen wie der "Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs" (Islam Toplumu Milli Görüs, IGMG, 6.4.1) aus. Sie beteuert zwar, auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen, in der Gesamtschau hat sich aber an ihrer islamistischen Grundhaltung bisher nichts Wesentliches geändert. Insbesondere die ältere Generation steht weiterhin zu den politischen und ideologischen Vorgaben des Führers der Milli Görüs-Bewegung Necmettin ERBAKAN (Foto). Neben den genannten sunnitisch-islamistischen Gruppen und Vereinigungen existieren in Hamburg auch islamistische Strukturen schiitischer Ausrichtung. Kristallisationspunkt der Schiiten ist das iranisch geprägte Islamische Zentrum Hamburg (IZH, 6.3.2). Hier treffen sich auch Anhänger der schiitischen HIZB ALLAH ( 6.2). Aufsehen nicht nur in Deutschland erregte der Mord an der Ägypterin Marwa EL-SHERBINI am 01.07.09 im Dresdner Landgericht. Obwohl der Tat ein ausschließlich fremdenfeindliches, also kein besonderes islamistisches Motiv zugrunde lag, fand sie in der islamistischen Szene ein nachhaltiges Echo. Das 31-jährige Opfer war anlässlich einer Berufungsverhandlung als Zeugin geladen, um nochmals gegen den Täter auszusagen, den 28 Jahre alten russischen Spätaussiedler W. Er hatte im August 2008 Frau EL-SHERBINI als "Terroristin", "Schlampe" und "Islamistin" beschimpft. Als sie zusammen mit ihrem Ehemann das Gericht verlassen wollte, stach W. 30 Mal auf das Ehepaar ein. Für Marwa EL-SHERBINI kam jede Hilfe zu spät, sie verstarb noch am Tatort. Ihr Ehemann überlebte schwer verletzt. Am 10. und 11.07.09 gab es in mehreren deutschen Städten Protestveranstaltungen von insgesamt ca. 800 Personen. Vorhergehende 27 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Reaktionen im Internet deuteten darauf hin, dass Personen aus dem jihadistischen Milieu teilnehmen und ein erhebliches Eskalationspotenzial darstellen könnten. Zu nennenswerten Aktionen kam es jedoch nicht. Allerdings wurde der Sachverhalt zur Polemik gegen "den Westen" bzw. Deutschland instrumentalisiert, so in der al-Qaida-Videobotschaft "Der Westen und der dunkle Tunnel" ( 5.2) vom 22.09.09 und in dem al-Qaida-nahen Online-Magazin "TALA'I KHOROSAN" vom 27.09.09. Ebenfalls im Internet meldete sich einer der Vorreiter und Propagandisten der salafistischen Bewegung in Deutschland, Pierre VOGEL, zu Wort. Er kritisierte deutsche Medien aufgrund ihrer angeblich hetzerischen Berichterstattung über den Islam und kündigte an, mehrere Tausend E-Mails weltweit zu versenden, um eine mögliche Vertuschung des Vorfalls durch Politiker und Medien zu unterbinden. Informationen über Salafisten finden sich auf den Internetseiten des LfV, Arbeitsfeld Islamismus / Grundbegriffe des Islamismus 2. Allgemeines Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder haben die gesetzliche Aufgabe, extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen zu beobachten. Hierzu gehören auch solche, die sich auf den Islam berufen und daher als islamistisch bezeichnet werden. Dabei ist zwischen dem Islam als Religion und dem Islamismus als Ideologie auf religiöser Basis deutlich zu unterscheiden. Islamisten streben die Übertragung ihrer als absolut gesetzten religiösen Werte und Ordnungsvorstellungen auf alle Bereiche des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens an und stellen sich damit gegen die Grundprinzipien unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. 3. Potenziale Das bundesweite Potenzial der Anhänger islamistischer Bestrebungen hat sich auf 36.270 Personen (2008: 34.720) erhöht. Diese Steigerung resultiert aus dem Anwachsen der Mitgliederzahl der türkischen 28 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten IGMG ( 6.4.1), der jetzt 29.000 Personen (2008: 27.500) zuzurechnen sind. Bund: Gesamt-Personenpotenzial im Ausländerextremismus mit dem Anteil der Islamisten 80000 70000 60000 58.800 59.100 57.350 57.300 57.520 57.420 57.300 58.420 59.470 60.980 50000 40000 30000 20000 31.450 31.950 30.600 30.950 31.800 32.100 32.050 33.170 34.720 36.270 10000 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Ausländerextremisten davon insgesamt Islamisten - Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet - Informationen über extremistische Ausländer, die keine Islamisten sind, enthält das Kapitel III des vorliegenden Berichtes "Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus)". Dem islamistischen Potenzial in Hamburg wurden zum Ende des Berichtsjahres insgesamt 2.010 Personen zugerechnet (2008: 2.005). Davon gehören allein 1.600 der IGMG ( 6.4.1) an, deren Mitgliederzahl in Hamburg seit 2007 konstant blieb. Der Teil des islamistischen Gesamtpotenzials, der als gewaltbereit eingeschätzt wird, umfasst wie im Vorjahr 200 Personen. 29 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Hamburg: Gesamt-Personenpotenzial im Ausländerextremismus mit dem Anteil der Islamisten 3500 3000 2500 2.590 2.630 3.055 3.265 3.000 3.000 2.985 2.930 2000 1500 1.200 1.300 1.600 2.000 2.000 2.030 2.005 2.010 1000 500 0 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Ausländerextremisten Islamisten insgesamt - Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet - 4. Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) Seit 2001 wird der Deliktsbereich der Politisch Motivierten Kriminalität (PMK) bundesweit nach einheitlichen Kriterien erfasst. Sämtliche politisch motivierten Straftaten werden dabei berücksichtigt und extremistische Straftaten als Teilmenge registriert. Als politisch motiviert gilt eine Tat insbesondere dann, wenn die Umstände der Tat oder die Einstellung des Täters darauf schließen lassen, dass sie sich gegen eine Person aufgrund ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft, sexuellen Orientierung, Behinderung oder ihres äußeren Erscheinungsbildes bzw. ihres gesellschaftlichen Status richtet. Politisch motivierte Straftaten in Hamburg, die eindeutig Islamisten zuzurechnen sind, wurden 2009 nicht festgestellt. Dies liegt auch 30 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten daran, dass die statistische Erfassung Politisch Motivierter Kriminalität (PMK) bei den von Ausländern begangenen Straftaten keine Differenzierung zwischen islamistisch und anderweitig extremistisch motivierten Delikten vorsieht. Die Relevanz politisch motivierter Kriminalität von Islamisten macht sich allerdings nicht an Fallzahlen fest, sondern an der möglichen Schwere eines gelungenen Anschlags. Auffällig ist, dass Personen aus dem islamistischen Spektrum nicht selten allgemein-kriminelle Delikte begehen. Da es zwischen dem islamistischen und dem allgemein-kriminellen Milieu Schnittmengen gibt, sind die Motive für die Straftaten (Schleusungen, Fälschungsdelikte u.a.) in diesem Bereich häufig nicht eindeutig zu klären. 5. Transnationaler islamistischer Terrorismus 5.1 Aktuelle Entwicklungen Mit einer Medienkampagne hat das internationale Netzwerk islamistischer Terroristen im Vorfeld der Bundestagswahl 2009 das Wahlverhalten der Deutschen beeinflussen, Rekruten für den Jihad werben und klarmachen wollen, dass Deutschland nach wie vor im Fadenkreuz des islamistischen Terrorismus steht ( 5.2). Auch deutsche Interessen im Ausland sind gefährdet, wie die angespannte Bedrohungslage für die Bundeswehr in Afghanistan zeigt. Dort gab es im Jahr 2009 immer wieder Anschläge auf Bundeswehrangehörige, zu denen sich u.a. die radikal-islamistischen Taleban bekannten. Zwar wurden in Deutschland 2009 keine Anschlagsversuche verzeichnet, dennoch stellen die hohe Zahl der Strafverfahren gegen Jihadisten ( 5.7) und die Zahl bisher vereitelter Anschläge in Deutschland die Gefährlichkeit der gewaltbereiten islamistischen Szene unter Beweis. 31 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Auch Deutschland muss sich dem Phänomen des sogenannten home-grown terrorism stellen: Die Sicherheitsbehörden registrieren im islamistisch-jihadistischen Spektrum einen wachsenden Anteil deutschstämmiger Konvertiten und junger Männer, die in Deutschland geboren und sozialisiert wurden. Zwar kann man bei diesen Personen den ideologischen Einfluss al-Qaidas ( 5.2) nachweisen, eine organisatorische Verbindung zu dieser oder anderen transnational operierenden terroristischen Gruppen besteht jedoch häufig nur indirekt. Eine wichtige Rolle für die ideologische Verfestigung solcher Strukturen spielt dabei das Internet. Die Zahl islamistischer und islamistischterroristischer Internetseiten geht mittlerweile in die Tausende. Diese flutartige Verbreitung islamistisch-jihadistischer Propaganda ist ohne das Internet nicht vorstellbar. Damit wächst auch die Gefahr der Indoktrination und Radikalisierung hierfür anfälliger Muslime. Das Internet ermöglicht außerdem die Bildung virtueller Netzwerke, die durch zum Teil abgeschottete Diskussionsforen und Chats sowie per E-Mail und Internet-Telefonie miteinander kommunizieren. Die dabei teilweise angewendeten Verschlüsselungstechnologien stellen die Sicherheitsbehörden vor weitere Herausforderungen, zumal diese Verständigung untereinander auch für die Planung terroristischer Aktivitäten genutzt wird. Die erste explizit an Deutschland gerichtete jihadistische Verlautbarung ("Eine Nachricht an die Regierungen von Deutschland und Österreich") wurde am 10.03.07 durch den deutschsprachigen Ableger des home-grown-Netzwerks der "Global Islamic Media Front" (Globale islamische Medienfront, GIMF) lanciert. Hier wurde erstmals auf das deutsche Engagement in Afghanistan und die deutsche Unterstützung der Amerikaner hingewiesen. Nach der Schließung des deutschsprachigen Zweigs der GIMF im Juli 2008 avancierten andere Foren und "Medienanstalten" zu den Hauptverbreitern jihadistischer Online-Propaganda. Zu nennen sind hier insbesondere die "as-Sahab-Media" für Kern-al-Qaida ( 5.2) und "al-Furqan" für al-Qaida im Irak ( 5.2), die von ihnen produzierte Videos von der Mediendienststelle "al-Fajr" im Netz verbreiten lassen. In diesem Zusammenhang spielen Web 2.0Anwendungen wie z.B. YouTube eine immer wichtigere Rolle. Es werden verstärkt Anstrengungen unternommen, jihadistische Propaganda einem deutschsprachigen Publikum zugänglich zu machen 32 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten ( 5.2). Die Verbreitung solcher Audiound Videobotschaften nahm 2009 weiter zu. 5.2 al-Qaida-Netzwerk Kern-al-Qaida Der internationale islamistische Terrorismus ist nach wie vor eng mit dem Namen al-Qaida ("Die Basis") verbunden. Ihren Anspruch auf die ideologische Führung im globalen Jihad macht die Organisation mittlerweile vorwiegend mit ihrer über das Internet verbreiteten Medienpropaganda geltend. Die Kern-al-Qaida, d.h. die Führungsebene des Terrornetzwerkes, hat zwar in der afghanisch-pakistanischen Grenzregion noch immer funktionsfähige Strukturen, dort halten sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ihre führenden Köpfe, Usama BIN LADEN (Foto) und Aiman AZ-ZAWAHIRI, auf. Ihre operativen Fähigkeiten sind jedoch offenkundig begrenzt, insbesondere was die Steuerung von Anschlagsplanungen betrifft. Der starke Verfolgungsdruck und der Verlust wichtiger Akteure und Führungspersonen durch gezielte militärische Operationen zwingen die Organisation zudem dazu, sich ständig strukturell anzupassen. Trotz dieser Maßnahmen kann von einer nachhaltigen Zerschlagung nicht gesprochen werden. Die sich weiter verschlechternde Sicherheitslage in Afghanistan und im Nordwesten Pakistans sowie das Erstarken der Taleban begünstigen die Handlungsmöglichkeiten al-Qaidas. Es ist daher weiter davon auszugehen, dass die Terrororganisation Anschläge gegen westliche Interessen in der Region und weltweit plant. Das anhaltende Bestreben, westliche Muslime zu rekrutieren und auszubilden, zeigt, dass al-Qaida nach wie vor versucht, ihre internationale Handlungsfähigkeit zu sichern. Von großer Bedeutung ist für die Terrorgruppe die weitere Beteiligung am Jihad in Afghanistan. Die gesamte Führung hat sich öffentlichkeitswirksam dem Taleban-Führer Mullah OMAR untergeordnet. 33 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Neben Kern-al-Qaida existieren Regionalorganisationen im Irak ("alQaida im Irak" [ISoI], s.u.), im Maghreb ("al-Qaida im islamischen Maghreb" [AQM], s.u.), in Saudi-Arabien und im Jemen (mittlerweile zusammengeschlossen als "al-Qaida auf der arabischen Halbinsel" [AQAH], s.u.) sowie weitere Gruppen, u.a. in Somalia, die Anschluss an dieses Netzwerk suchen. Offensichtlich steigt die von diesen Teilstrukturen ausgehende Gefahr, je mehr die Kern-al-Qaida in Bedrängnis gerät. Aufgrund des attraktiven Etiketts "al-Qaida" traten in den letzten Jahren auch in Ägypten, im Sudan und in Syrien militante Kreise unter diesem Namen auf. Die Organisation verfügt weltweit über ein quantitativ nur schwer einschätzbares Potenzial von Anhängern, die sich der Ideologie des gewaltsamen Jihad verschrieben haben. Al-Qaida vermittelt so das Bild einer am gemeinsamen Ziel des globalen Jihad orientierten, aber dennoch unabhängig voneinander agierenden Netzwerkstruktur einzelner Terrorgruppen, die sich möglicherweise nur anlassbezogen zusammenfinden und in eigener Abschätzung ihrer Handlungsfähigkeit sowie der logistischen Möglichkeiten in den Dienst von al-Qaida stellen. BIN LADEN und AZ-ZAWAHIRI (Foto) fungieren dabei in erster Linie als Ideenund Inspirationsgeber ("spiritus rector") sowohl für die mit der Kern-al-Qaida verbundenen regionalen Organisationen als auch für unabhängige terroristische Gruppen und Zellen, die im Geiste alQaidas handeln, organisatorisch mit ihr aber nicht verbunden sind. Propagandaoffensive Auch 2009 wandten sich BIN LADEN, AZ-ZAWAHIRI und andere alQaida-Protagonisten in zahlreichen Audiound Videobotschaften an die Öffentlichkeit. Dabei waren zwei Trends zu beobachten: Zum einen gab es eine fast schon als inflationär zu bezeichnende Häufung solcher Verlautbarungen, andererseits waren die Veröffentlichungen zunehmend professioneller gestaltet und wurden mittlerweile durch einen eigenen "Mediendienst" hergestellt und durch eine Propagandaabteilung verbreitet. Darüber hinaus summierten sich Deutschlandbezüge in den Verlautbarungen; insbesondere im Zusammenhang mit 34 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten der Bundestagswahl 2009 konnte man von einer regelrechten Propagandaoffensive sprechen. Die Sicherheitsbehörden hatten sich intensiv auf diese Gefahrenlage vorbereitet und hochsensibel alle notwendigen Sicherheitsmaßnahmen getroffen. In der Offensive tat sich besonders der Deutsch-Marokkaner Bekkay HARRACH (alias "Abu Talha al-Almani") hervor, ein aus Bonn stammender al-Qaida-Anhänger, der sich 2007 nach Pakistan abgesetzt hatte. Bereits am 17.01.09 wurde ein Video mit dem Titel "Das Rettungspaket für Deutschland" auf einem jihadistischen Internetportal gesichert. Der ca. 30-minütige, von as-Sahab-Media produzierte Beitrag wurde vermutlich Ende 2008 fertiggestellt. HARRACH hielt seine Ansprache auf Deutsch, arabische Untertitel wurden eingeblendet. Ziehe Deutschland die Bundeswehr nicht aus Afghanistan ab, würden al-Qaida und die Taleban die Deutschen dort nicht verschonen. Mit der bevorstehenden Bundestagswahl am 27.09.09 hätten die Bundesbürger die "einmalige und greifbare Chance, zu zeigen, dass sie bisher keine Alternative hatten (gemeint ist, dem Afghanistan-Einsatz zuzustimmen oder ihn abzulehnen). Ich gehe davon aus, dass das deutsche Volk die richtige Wahl treffen wird und jeden unnötigen Ärger vermeiden will". Andernfalls drohe der Einsatz von Autobomben. Zudem äußerte HARRACH den Wunsch, sich "für Allah in die Luft zu sprengen". In einem weiteren Video "Der Islam und die Finanzkrise" widmete HARRACH sich dem "verderbten Wesen" des Kapitalismus und interpretierte die Finanzkrise als Strafe Gottes wegen der Nichtbeachtung göttlicher Gebote. Der Höhepunkt seiner Auftritte war das am 18.09.09 - kurz vor der Bundestagswahl - veröffentlichte Video "Sicherheit - ein geteiltes Schicksal". Im dunklen Anzug, mit Krawatte, vor einem roten Samtvorhang stehend, kündigte er bei seinem Videoauftritt an, das Schicksal 35 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten des deutschen Volkes sei vom Ausgang der Wahlen abhängig: Habe das Wahlergebnis nicht den Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan zur Folge, sei innerhalb von zwei Wochen nach dem Wahltag mit Anschlägen in Deutschland zu rechnen. Allerdings sei auch ein anderer Ausgang möglich: "Wenn das deutsche Volk sich dem Frieden jetzt zuneigt, dann werden die Mujahidin sich dem Frieden auch zuneigen. Und mit dem Abzug des letzten deutschen Soldaten aus Afghanistan, wird der letzte Mujahid aus Deutschland zurückgezogen. Dafür steht al-Qaida mit ihrem Namen." Kurz darauf, am 20.09.09, sprach HARRACH in einem Audio mit Standbildern ("Oh Allah, ich liebe Dich I") die deutschsprachigen Muslime an. Der sicherste Weg zum Heil seien der bewaffnete Jihad und der Märtyrertod. Am 25.09.09 rief HARRACH in einem zweiten Teil die Muslime erneut zum Jihad auf. Konkrete Bezüge zur deutschen Politik oder Anschlagsdrohungen gab es nicht. Auch andere al-Qaida-Protagonisten wandten sich per Video an Deutschland. Anlässlich des Jahrestages der Anschläge vom 11.09.01 erschien "Der Westen und der dunkle Tunnel". Dieses Video spricht die Finanzkrise, die Situation in Afghanistan, Pakistan, Irak etc. an und enthält Drohungen gegen die USA, die EU-Staaten und ausdrücklich auch Deutschland. Auch in dieser Aufzeichnung thematisierte ein alQaida-Protagonist namens ATIYATALLAH die Bundestagswahlen und bezog sich konkret auf HARRACHs Drohungen. In der Video-"Botschaft von Scheich Usama BIN LADEN an die Völker Europas" vom 25.09.09, die nur ein Standbild BIN LADENs zeigte, forderte dieser den Abzug aus Afghanistan und drohte andernfalls mit Vergeltung. Zwar wurde Deutschland nicht ausdrücklich genannt, aber das Video enthielt deutsche Untertitel. BIN LADEN wurde vor einem schwarz-rot-goldenen Hintergrund gezeigt, Deutschland als "Herz Europas" umschrieben und ist so Hauptadressat der Drohungen. Auch die Nummer zwei der al-Qaida, Ayman AZ-ZAWAHIRI, drohte Deutschland und dem "Rest der kreuzzüglerischen Verbrecherbande" 36 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten in dem Video "Nachruf auf den Märtyrer und Emir Baitullah [...]" (erschienen am 28.09.09). Wenn auch schon früher Drohbotschaften gegen Deutschland veröffentlicht worden waren, stellt die beschriebene ausschließliche Adressierung der Bundesrepublik doch eine Besonderheit dar. Vor dem Hintergrund des deutschen Engagements in Afghanistan waren von al-Qaida geplante Terroranschläge gegen deutsche Einrichtungen und Interessen insbesondere in Afghanistan zu befürchten. Neben den genannten Veröffentlichungen erschienen weitere Videound Audiobotschaften über die Lage in der islamischen Welt und sonstige al-Qaida-relevante Themen. "al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM) Im September 2006 schloss sich die algerische "Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat" (GSPC, Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf) al-Qaida an; seit Januar 2007 operiert sie unter dem Namen "al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM). Sie versteht sich als führende Organisation aller maghrebinischen Jihadisten und bemüht sich um den Ausbau der Kontakte zu gleichgesinnten Mujahidin aus der Region. Die Einbindung in das Netzwerk al-Qaidas hat zu einer merklichen Stärkung der Gruppe geführt. Seit ihrem Anschluss haben sich auch Zielrichtung und Ausführung von Aktionen bei der AQM verändert. Diese richten sich verstärkt gegen Ausländer in Algerien, es werden auch Selbstmordattentate verübt. Das Ziel ist, so AZ-ZAWAHIRI, das algerische Volk von Amerika und Frankreich sowie deren Kollaborateuren zu befreien. An die Mujahidin im Maghreb appellierte er, muslimische Opfer bei Anschlägen zu vermeiden. Insbesondere wegen der hohen Zahl ziviler muslimischer Opfer bei Selbstmordanschlägen in Algier 2007 war die AQM stark in die Kritik geraten. 37 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Trotz starken Verfolgungsdrucks durch die algerischen Sicherheitskräfte war die AQM auch 2009 in der Lage, gut gesicherte staatliche Institutionen und Sicherheitskräfte erfolgreich anzugreifen. Westliche Touristen stehen ebenfalls im Fokus der Organisation: Ende November wurden drei Angehörige einer spanischen Hilfsorganisation entführt. Die AQM bekannte sich auch zur Entführung zweier italienischer Staatsbürger am 18.12.09 in Mauretanien. Hinweise auf eine konkrete Unterstützung der AQM durch in Deutschland lebende Anhänger gibt es nicht. "al-Qaida im Irak" - "Islamic State of Iraq" (ISoI) Nach mehreren Umbenennungen operiert "al-Qaida im Irak" seit 2006 unter dem formellen Oberbefehl des "Islamic State of Iraq" (ISoI, Islamischer Staat im Irak). Der ISoI ging aus einer Dachorganisation sunnitischer Widerstandsgruppen hervor. In dieser Organisation konnte "al-Qaida im Irak" ihren Führungsanspruch jedoch nicht durchsetzen, was zu Konflikten und ihrer zunehmenden Isolierung führte. "Al-Qaida im Irak" zählte bislang zu den schlagkräftigsten und einflussreichsten Terrorgruppen im Irak. Durch die Vielzahl der Anschläge und wegen der medienwirksam in Szene gesetzten Gewalttaten und Verlautbarungen war und ist die Organisation eine Anlaufstelle für Jihadisten aus dem Irak und aus der ganzen Welt. Die Handlungsfähigkeit der Organisation besteht zwar weiter fort, ist aber aufgrund der umfangreichen und anhaltenden militärischen Operationen der USA und ihrer Verbündeten mittlerweile eingeschränkt. Die Zahl der Anschläge ist seit 2007 rückläufig. Ursächlich hierfür sind vor allem die verbesserte Zusammenarbeit zwischen dem irakischen Staat, USTruppen und sunnitischen Stämmen sowie der Bruch der Allianz zwischen al-Qaida und einigen nationalirakischen Widerstandsgruppen. "Al-Qaida im Irak" zeichnete auch 2009 für etliche schwere Attentate verantwortlich, die sich nicht nur gegen die multi-nationalen Einsatztruppen im Irak richteten, sondern auch gegen die schiitische Bevölkerungsmehrheit. Allein in der zweiten Jahreshälfte kam es zu drei Serien von Großanschlägen [19.08., 25.10. (Foto rechts) und 08.12.], vornehmlich gegen Regierungseinrichtungen, bei denen hunderte Opfer zu beklagen waren. Diese rücksichtslose Vorgehensweise stößt selbst 38 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten bei anderen islamistischen Terrorgruppen im Irak, wie der Ansar al-Islam, auf große Akzeptanzprobleme. Auffälligstes Merkmal der "al-Qaida im Irak" war bislang, dass viele ihrer Kämpfer nicht Iraker waren, sondern aus dem Ausland kamen. Mittlerweile ist der Anteil irakischer Rekruten deutlich gestiegen. "al-Qaida auf der arabischen Halbinsel" Als weitere Gruppe mit vorrangig regionalen Interessen agiert "al-Qaida auf der arabischen Halbinsel". Dieser saudi-arabische al-Qaida-Ableger fusionierte 2009 mit "alAP Qaida im Jemen". Al-Qaida verfolgt in Saudi-Arabien das Ziel, mit Bombenanschlägen, Selbstmordattentaten und Entführungen die "Ungläubigen" zu vertreiben. Dabei steht besonders die US-Präsenz im Fokus. Nach Ansicht AZ-ZAWAHIRIs würden Angriffe auf "amerikanische, zionistische und sonstige Ziele der Kreuzzügler" von der Bevölkerung verstanden und damit die Unterstützung für den Jihad stärken. Langfristig strebt die Organisation den Sturz des saudischen Königshauses an. Aufgrund der konsequenten Bekämpfung durch den saudischen Staat mussten die saudi-arabischen Mujahidin erhebliche Rückschläge hinnehmen. In den letzten Jahren konnten mehrere Anschläge verhindert und zahlreiche Terrorverdächtige festgenommen werden. Dennoch gelang es der Organisation, am 27.08.09 einen Selbstmordanschlag gegen den saudischen Vize-Innenminister Bin Naif (Foto nächste Seite) zu verüben. Obwohl der Minister fast unverletzt blieb, konnte die al-Qaida auf der arabischen Halbinsel mit der Aktion erneut ihr Operationspotenzial beweisen. Erstmals transportierte ein Attentäter den Sprengsatz in seinem Körper. Im Dezember versuchte der Nigerianer Umar Farouk ABDULMUTALLAB, ein Flugzeug mit annähernd 300 Passagieren kurz vor der Landung in den USA zu sprengen ( 5.7). Der Täter hatte den Anschlag nach 39 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten eigenen Aussagen im Auftrag von "al-Qaida auf der arabischen Halbinsel" verüben sollen. Sie bestätigte in einer Internetbotschaft diese Angaben. Bei zwei Anschlägen auf südkoreanische Touristen am 15. und 18.03.09 kamen sieben Menschen ums Leben. Die AQaH übernahm in einer Videobotschaft am 26.06.09 die Verantwortung. DPA 5.3 "Islamische Bewegung Usbekistans" (IBU) Die "Islamische Bewegung Usbekistans" (IBU) wurde im August 1999 mit dem Ziel gegründet, das Regime des usbekischen Präsidenten Islam KARIMOV zu stürzen und durch ein islamisches Staatswesen zu ersetzen, in dem die Scharia eingeführt wird. Seitdem ist die IBU auch in anderen Staaten aktiv und strebt mittlerweile in ganz Zentralasien die Einführung eines islamischen Staates an. Enge Verbindungen bestehen zu al-Qaida ( 5.2) und den Taleban, mit denen sie zusammen gegen die Koalitionstruppen in Afghanistan kämpft. Im Jahr 2009 hat die IBU per Video zahlreiche Verlautbarungen verbreitet, die sich mit dem Jihad in den afghanischen und pakistanischen Kampfgebieten befassen und Deutschlandbezüge enthalten. Den Auftakt machte Anfang Januar ein von der "Jundullah", der Medienstelle der IBU, veröffentlichtes Video "Frohe Botschaft aus Afghanistan". Es verherrlicht die Teilnahme am bewaffneten Kampf und wirbt damit, dass Kampfentschlossene auch Frauen und Kinder mitbringen können. In einem weiteren Video "Soldaten Allahs", erschienen am 27.02.09, rufen zwei IBU-Mitglieder, Abu ADAM und Abu IBRAHEEM, zum Jihad auf. Das aus Bonn stammende Brüderpaar hatte sich 2008 der IBU angeschlossen. Unterlegt sind die Videos mit Kampfszenen. Auch das Video "Sieg oder Shahada" (Shahada = Märtyrertod) fordert die Muslime auf Deutsch zur Teilnahme am Jihad auf. Ein Sprecher mit dem Namen Taher FARUQ bezeichnet in arabischer Sprache die deutsche Regierung als verbrecherisch, da sie sich am Krieg in 40 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Afghanistan beteiligt. Konkrete Drohungen gegen Deutschland enthält die Aufzeichnung nicht. In dem Video "Der Vorzug des Jihad" - am 03.10.09 auf einschlägigen Internetseiten eingestellt - ruft der Hamburger Shahab D. (alias "Abu Askar") zum Jihad auf. Er hatte zusammen mit anderen Jihadisten im März 2009 die Ausreise nach Pakistan angetreten, um sich dort in einem terroristischen Ausbildungslager trainieren zu lassen. Im letzten Video im Januar 2010 mit Deutschlandbezug "Abu Safiyya in: Er kam, sah und siegte" geht es um den angeblichen Märtyrertod eines Javad SEDIQI (alias Abu SAFIYYA) Darüber hinaus ist der - in solchen Videos fast obligatorische - Aufruf zum Jihad explizit auch an Frauen gerichtet. Auch in diesem Video tritt der Hamburger Shahab D. als "Abu Askar" auf. Neben diesen Videos wurden im Berichtsjahr weitere Verlautbarungen der IBU veröffentlicht; sie hatten keinen konkreten Deutschlandbezug. 5.4 "Islamische Jihad-Union" (IJU) Die "Islamische Jihad-Union" (IJU), eine Abspaltung der "Islamischen Bewegung Usbekistans" (IBU, 5.3), trat erstmals 2002 auf. Sie steht in enger Verbindung zur Kern-al-Qaida ( 5.2) und anderen Terrororganisationen im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet. Ihr Ziel ist die Errichtung eines Kalifats in Zentralasien und der restlichen Welt. Internationale Aufmerksamkeit erregte die Gruppe durch zwei am 30.07.04 verübte Selbstmordanschläge auf die israelische und die 41 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten US-Botschaft in der usbekischen Hauptstadt Taschkent. In Deutschland wurde die IJU insbesondere im Zusammenhang mit der Festnahme der Islamisten Fritz GELOWICZ, Daniel SCHNEIDER und Adem YILMAZ, der sogenannten Sauerlandgruppe, bekannt. Sie wurden am 04.09.07 im Sauerland / NRW wegen des Verdachts der Vorbereitung terroristischer Anschläge verhaftet. Die Urteile wurden am 04.03.10 verkündet ( 5.7). Nachdem die IJU sich anfänglich an Türkischsprachige richtete, wendet sie sich seit Ende 2007 auch auf Deutsch an ihr Publikum. Exemplarisch ist Eric BREININGER Foto), der sich in mehreren Audiound Videobotschaften sowie Textpublikationen an Deutschland bzw. ein deutschsprachiges Publikum richtete. Er ist mittlerweile den Taleban und nicht mehr der IJU zuzurechnen. Im Januar 2009 betonte die IJU in einem Interview - erschienen in einem jihadistischen Forum -, dass deutsche Ziele weiterhin in ihrem Fokus stehen. Gründe hierfür seien ein Bundeswehr-Stützpunkt im usbekischen Termez, der Kampf gegen die Taleban in Afghanistan und die Teilnahme Deutschlands "an der Besatzungspolitik der christlichen Welt". Ebenfalls im Januar erschien ein Video "Botschaft der Islamischen Jihad Union 'Ihr seid nicht allein...'" Das Video ist eine Produktion der IJU-Medienstelle Badr at-Tawheed, befasst sich mit der Situation der Palästinenser und setzt sich kritisch mit der deutschen Nahostpolitik auseinander. Im Berichtsjahr bestätigten sich enge Kontakte der IJU zur Kern-alQaida ( 5.2). So wurde am 03.06.09 ein Video gesichert, in dem der mutmaßliche stellvertretende Anführer der IJU, Abdullah FATIH, mit hochrangigen al-Qaida-Kadern auftritt und das Märtyrertum verherrlicht wird. 42 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Am 21.04.09 wurden in der Türkei 37 Personen festgenommen, die IJUMitglieder sein sollen. Einige werden verdächtigt, in Afghanistan terroristische Ausbildungslager besucht zu haben. Bei der FestnahmeAktion wurden Propagandamaterial, Schusswaffen und Computer sichergestellt. Ende Mai kam es zu gewaltsamen Ausschreitungen und einem Selbstmordanschlag in der usbekischen Provinz Andischan, dem ein Polizist zum Opfer fiel. Der Anschlag wird der IJU zugeschrieben. Nachdem Führungspersonen durch amerikanische Drohnenangriffe getötet wurden, ist die Gruppierung erheblich geschwächt, bleibt aber operativ handlungsfähig und bedroht nach wie vor deutsche Interessen. 5.5 "Lashkar-e Taiba" (LeT) 1987 wurde in Pakistan die religiöse Organisation "Markaz-ud-Dawawa-l-Irshad" (MDI, "Zentrum für Propagierung und Rechtleitung") gegründet. Als militärischer Arm des MDI entstand die - im Januar 2002 von den pakistanischen Behörden verbotene - "Lashkar-e Taiba" (LeT, "Armee der Reinen"), die zu den aktivsten und schlagkräftigsten Terrorgruppen in Kaschmir zählt. Sie unterhält Trainingslager und Büros im pakistanischen Teil Kaschmirs sowie in anderen Regionen Pakistans. Die Gruppierung wurde in der Vergangenheit nicht nur für zahlreiche Anschläge und andere Gewaltverbrechen im indischen Teil Kaschmirs verantwortlich gemacht. Sie soll auch an einem bewaffneten Angriff auf das indische Parlament in Neu-Delhi im Dezember 2001 und an weiteren Terroranschlägen in anderen Teilen Indiens beteiligt gewesen sein, so im Juli 2006 an den schweren Anschlägen in Mumbai (früher Bombay) mit mehr als Symbol der LeT 200 Toten. Besonders brutal ging die LeT zuletzt am Abend des 26.11.08 vor, als eine zehnköpfige Gruppe von Terroristen zwei Luxushotels und 43 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten andere Einrichtungen in der indischen Metropole Mumbai überfiel. Unter den Anschlagzielen befanden sich ein hauptsächlich von Touristen besuchtes Restaurant, das jüdische Zentrum, ein Krankenhaus und der Hauptbahnhof. Die Kämpfe zwischen den Terroristen und den indischen Sicherheitskräften dauerten drei Tage an. Insgesamt wurden bei dem Massaker über 170 Menschen getötet, mehr als 300 Menschen verletzt. Im Berichtsjahr machte die LeT vor allem durch die mutmaßliche Verstrickung in einen Anschlag auf die Kricket-Nationalmannschaft Sri Lankas im pakistanischen Lahore am 03.03.09, bei dem acht Menschen getötet und weitere 19 verletzt wurden, von sich reden. Allerdings bestritt ein Sprecher der LeT am 05.03.09 jegliche Beteiligung seiner Organisation. Die Spur der LeT führte im Herbst 2009 nach Europa. Im Oktober wurde bekannt, dass der US-amerikanische Staatsbürger David Coleman HEADLEY Kontakt zu zwei LeT-Angehörigen hielt, um einen Anschlag in Dänemark zu verüben. HEADLEY wurde in den USA verhaftet, wo ihm mittlerweile der Prozess gemacht wird. Im Dezember 2008 verfügte der oberste Gerichtshof in Lahore die Entlassung Hafiz Muhammad SAID, Mitbegründer und Führer der LeT, aus dem Hausarrest, unter den er nach den Terrorangriffen auf Mumbai gestellt worden war. Offiziell fungiert SAID als Vorsitzender der angeblichen Wohlfahrtsorganisation Jamaat-ud-Dawa (JuD), die als Tarnorganisation der LeT gilt, was die JuD bestreitet. Nach derzeitigen Erkenntnissen hat die Terrorgruppe in der Bundesrepublik Deutschland keine Organisationsstrukturen, allerdings halten sich hier einzelne Mitglieder auf. 5.6 Jemaah Islamiyah (JI) Die JI wird als Ableger der al-Qaida ( 5.2) in Südostasien angesehen und auch "al-Qaida in Südostasien" genannt. Zu den schwersten Anschlägen, die im Jahr 2009 von al-Qaida-inspirierten Terrorgruppen verübt wurden, gehörten die Bombenanschläge vom 17.07.09 auf vorwiegend von Ausländern, insbesondere Amerikanern, frequentierte 44 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Luxushotels in Jakarta. Diese Terrorakte, denen neun Menschen zum Opfer fielen, sind der Jemaah Islamiyah (JI) zuzurechnen. 5.7 Prozesse, Ermittlungsverfahren und Festnahmen Im Jahr 2009 gab es im Zusammenhang mit islamistischen Strukturen eine Reihe von Prozessen, Ermittlungsverfahren und Festnahmen. Eine Auswahl wird hier vorgestellt: National * Am 22.04.09 begann vor dem Oberlandesgericht (OLG) in Düsseldorf die Hauptverhandlung gegen die sogenannte Sauerlandgruppe. In einem der größten Prozesse gegen Terrorismusverdächtige seit den Prozessen gegen Mitglieder der deutschen linksextremistischen "Rote Armee Fraktion" (RAF) wurden die deutschen Konvertiten Fritz GELOWICZ (Foto unten links) und Daniel Martin SCHNEIDER (Foto unten rechts), der Türke Adem YILMAZ (Foto oben rechts) und der 2008 von der Türkei ausgelieferte "Deutsch-Türke" Attila SELEK (Foto oben links) angeklagt. Sie sollen als Mitglieder der Islamischen Jihad Union (IJU, 5.4) simultane Sprengstoffanschläge in Deutschland gegen westliche Ziele - insbesondere amerikanische Staatsbürger und Institutionen - beabsichtigt und vorbereitet haben. Die Generalbundesanwaltschaft (GBA) warf den vier Angeklagten die Mitgliedschaft - GELOWICZ zudem die Rädelsführerschaft - in einer inländischen terroristischen Vereinigung vor. Damit ist die Sauerland-Gruppe an sich gemeint, die als eine Zelle der IJU anzusehen ist. Da DDP diese eine usbekische Terrororganisation ist, lautete die Anklage gegen die vier Tatverdächtigen auf Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung. Darüber hinaus wurden die Verdächtigen - bis auf Attila SELEK - auch wegen Vorbereitung 45 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten eines Sprengstoffverbrechens sowie der Verabredung eines Mordes und eines Sprengstoffverbrechens angeklagt. Zudem wurde gegen SCHNEIDER wegen des Verdachts des versuchten Mordes verhandelt, da er bei seiner Festnahme auf einen Polizeibeamten schoss, ohne diesen zu verletzen. Am 04.03.10 verkündete das OLG Düsseldorf das Urteil: SCHNEIDER und GELOWICZ wurden zu jeweils zwölf Jahren Freiheitsstrafe, YILMAZ zu elf Jahren und SELEK zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Am 20.11.09 wurde auch gegen den 24-jährigen Deutsch-Türken Kadir T. Anklage erhoben. Er ist u. a. ebenfalls beschuldigt, die IJU unterstützt zu haben. Im Auftrag eines Angeklagten im Sauerland-Prozess soll Kadir T. Ausrüstungen für die Terrororganisation besorgt haben. * Das OLG Koblenz verurteilte am 13.07.09 den 47 Jahre alten deutschen Staatsangehörigen pakistanischer Herkunft Aleem NAZIR zu einer achtjährigen Freiheitsstrafe. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte seit 2004 in die Befehlsstrukturen der al-Qaida ( 5.2) eingebunden war und Geld sowie Ausrüstungsgegenstände für den bewaffneten Kampf beschafft hat. Darüber hinaus hat er die Ideologie der al-Qaida verbreitet und neue Mitglieder bzw. Unterstützer geworben, die bereit waren, sich in einem militärischen Lager ausbilden zu lassen, um anschließend für den Jihad zu kämpfen bzw. terroristische Anschläge zu begehen. Aleem NAZIR hat selbst ein Ausbildungslager durchlaufen und sich u.a. an Militäraktionen der al-Qaida gegen ISAF-Truppen in Afghanistan beteiligt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. In diesem Zusammenhang hat der GBA gegen zwei weitere Personen Anklage erhoben. Den beiden türkischen Staatsangehörigen Ömer Ö. und Sermet I. werden Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz vorgeworfen. * Der fünfte Strafsenat des OLG Frankfurt / Main verkündete am 13.10.09 das Urteil gegen die beiden 28 Jahre alten Omid S. und Hüseyin Ö. Während der deutsche Staatsangehörige afghanischer Abstammung Omid S. eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten erhielt, wurde der türkische Staatsangehörige 46 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Hüseyin Ö. zu einem Jahr und zwei Monaten Freiheitsentzug verurteilt. Die Strafen wurden nicht zur Bewährung ausgesetzt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Angeklagten eine terroristische Vereinigung im Ausland unterstützt haben, indem sie für die "Islamische Jihad Union" (IJU, 5.4) u.a. Ausrüstungsgegenstände beschafften und Geldmittel zur Verfügung stellten. International In Paris begann am 05.01.09 der Prozess gegen den deutschen Konvertiten Christian GANCZARSKI. Er ist wegen Beihilfe zum Mord und versuchten Mordes im Zusammenhang mit dem Selbstmordanschlag auf die Synagoge "La Ghriba" (Foto) auf der tunesischen Ferieninsel Djerba angeklagt. Bei dem Anschlag am 11.04.02 waren 21 Personen, darunter vierzehn deutsche und zwei französische Staatsangehörige, getötet worden. GANCZARSKI soll in die Planung und Durchführung des Anschlags verwickelt sein. Er wurde bei einem Zwischenstopp auf dem Flughafen AFP Charles de Gaulle in Paris am 03.06.03 von den französischen Sicherheitsbehörden festgenommen und befindet sich seitdem in französischer Haft. Am 05.02. verurteilte das französische Sonderschwurgericht den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von 18 Jahren. Das Gericht sah seine Beteiligung an dem Selbstmordattentat als erwiesen an. Neben Christian GANCZARSKI erhielt Walid N., der Bruder des Selbstmordattentäters, eine Freiheitsstrafe von zwölf Jahren. * Ein Londoner Gericht verurteilte im September drei britische Muslime wegen Verschwörung zum Massenmord zu lebenslangen Freiheitsstrafen. Die Männer hatten im Jahr 2006 Anschläge auf Flugzeuge mit Flüssigsprengstoff in Getränkeflaschen geplant und bereits Chemikalien für ca. 20 Bomben sowie entsprechende Zünder beschafft. Der Sprengstoff sollte an Bord der Flugzeuge 47 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten gemischt, anschließend die Bombe über Zündvorrichtungen scharf gemacht werden. Die Täter, die nach Angaben der britischen Staatsanwaltschaft ihre Tat von einem unbekannten Terroristen in Pakistan mit Verbindungen zum Terrornetzwerk al-Qaida ( 5.2) planen ließen, konnten damals rechtzeitig festgenommen werden. Als Konsequenz waren die Sicherheitsvorkehrungen an Flughäfen weltweit verschärft worden. Flüssigkeiten und Gel dürfen nur noch in einem sehr begrenzten Umfang in Flugzeugen mitgeführt werden. * Türkische Sicherheitskräfte gingen in diesem Jahr erneut massiv gegen mutmaßliche Mitglieder des Terrornetzwerks al-Qaida ( 5.2) vor. Im April und im Oktober wurden insgesamt fast 70 Personen festgenommen, die der Islamischen Jihad Union (IJU, 5.4) zugerechnet werden. Die Festgenommenen sollen u.a. Anschläge auf NATO-Einrichtungen in Deutschland geplant haben. * Viel Aufsehen in den USA erregte die Festnahme von vier mutmaßlichen Terroristen am 21.05.09 in New York. Die von der USBundespolizei FBI festgenommenen Männer wurden beschuldigt, Sprengstoffanschläge auf eine Synagoge, ein jüdisches Gemeindezentrum sowie den Raketenbeschuss von Militärflugzeugen geplant zu haben. Die vorbestraften muslimischen Täter standen mit keinem internationalen Terrornetzwerk in Kontakt. * Am 25.12.09 versuchte der 24-jährige nigerianische Staatsbürger Umar Farouk ABDULMUTALLAB (Foto), ein vollbesetztes Passagierflugzeug der Linie Northwest-Airlines beim Landeanflug auf Detroit zu sprengen. Den Sprengstoff hatte er in seiner Unterwäsche deponiert. Engagiertes Eingreifen mitgereister Passagiere und eine Fehlfunktion des Sprengsatzes vereitelten den Anschlag. Durch eine kleinere Detonation zog sich der Täter Verbrennungen zu. Informationen amerikanischer Geheimdienste zufolge soll der Nigerianer im Jemen für den Anschlag auf das Flugzeug ausgebildet worden sein. Gegen 48 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten ihn wurde Anklage wegen versuchten Mordes und versuchten Gebrauchs einer Massenvernichtungswaffe erhoben. Der Anschlag entfachte weltweit eine erneute Diskussion um die Verschärfung von Sicherheitskontrollen an Flughäfen. 5.8 Situation in Hamburg Die Beobachtung von Befürwortern des weltweiten Jihad und sonstiger gewaltbereiter Islamisten ist weiterhin ein besonderer Schwerpunkt in der Arbeit des Verfassungsschutzes. Die jihadistische Szene in Hamburg besteht aus zum Teil sehr kleinen Gruppen. Ihr gehören 45 Personen an (Stichtag: 01.11.09; 2008 waren es 50 Personen); sie werden als sogenannte Jihadisten eingestuft. Sie befürworten oder unterstützen durch propagandistische, logistische, finanzielle oder sonstige Hilfsleistungen den weltweiten bewaffneten Jihad (Heiliger Krieg) im Sinne der Ideologie der al-Qaida ( 5.2), sehen diesen als legitimes Mittel im Kampf gegen die "Ungläubigen" an und arbeiten konspirativ. Dieser Personenkreis ist u.a. infolge etlicher erfolgreicher Ausweisungen und Abschiebungen in den letzten Jahren zunehmend vorsichtiger und konspirativer geworden und hält sich öffentlich mit extremistischen Äußerungen zurück. Dies gilt auch für die Predigten in den einschlägigen Moscheen, da einige Imame befürchten, als "Hassprediger" eingestuft und ausgewiesen zu werden. Aufrufe zur Unterstützung terroristischer oder sonstiger gewaltbereiter Gruppen werden allenfalls angedeutet. Die Ausweisung einzelner führender Jihadisten hatte zudem zur Folge, dass bisher um diese Personen bestehende Gruppenstrukturen an Bedeutung verloren haben oder sich ganz auflösten. Die weit über Hamburgs Grenzen hinaus bekannte Quds-Moschee am Steindamm 103, in der schon die Attentäter vom 11.09.01 verkehrten, war wie in den Vorjahren der Hauptanziehungspunkt für die jihadistische Szene. Diese Moschee, zwischenzeitlich umbenannt in Taiba-Moschee, ist zugleich auch der Haupttreffpunkt von in Hamburg lebenden Salafisten. 49 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Weitere Informationen über Salafisten finden sich auf den Internetseiten des LfV, Arbeitsfeld Islamismus / Grundbegriffe des Islamismus Die Verantwortlichen des Trägervereins weigern sich, im "Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg" (SCHURA) mitzuarbeiten, die SCHURA selbst hat sich klar von der Taiba-Moschee distanziert. Neben der Taiba-Moschee gibt es noch weitere Moscheen, in denen sich Kleingruppen mit salafistisch-jihadistischer Ausrichtung zusammenfinden oder zu deren Klientel jihadistisch orientierte Einzelpersonen gehören. Für die Kommunikation in der islamistisch-terroristischen Szene wird auch von Hamburger Jihadisten immer häufiger das Internet genutzt. Insbesondere jüngere Jihadisten sind in ein bundesweites virtuelles Netzwerk eingebunden und wirken zum Teil auch an der Verbreitung islamistisch-jihadistischer Inhalte mit. Das Internet ist dadurch ein bedeutender Faktor im Radikalisierungsprozess von Jihadisten geworden. Ausreise von Islamisten Zu Beginn des Jahres 2009 waren ungewöhnlich viele Ausreisen von Jihadisten aus Deutschland in die pakistanisch / afghanische Grenzregion zu verzeichnen. Anfang März 2009 reiste auch eine größere Gruppe Hamburger Jihadisten nach Pakistan / Afghanistan aus, vermutlich um sich dort in ein militärisches Ausbildungslager zu begeben und auf eine spätere Teilnahme an Kampfhandlungen vorzubereiten. Zu dieser "Hamburger Reisegruppe" werden elf Personen gezählt. Die meisten hatten die deutsche Staatsangehörigkeit, ihre Herkunft liegt größtenteils im Nahen und Mittleren Osten sowie im Kaukasusgebiet. Einige waren Konvertiten. Drei aus der elfköpfigen Gruppe waren unter 30. Zwei Gruppenangehörige waren Frauen. Unter den Gruppenangehörigen waren auch ältere und erfahrenere Jihadisten, die mutmaßlich, auch aufgrund ihrer Kontakte, eine wichtige Rolle für die Umsetzung der Ausreisepläne spielten. 50 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Die elf Personen wählten unterschiedliche Reisewege: Einige reisten über die Vereinigten Arabischen Emirate nach Pakistan ein, andere wählten eine Route über Iran. * Einer Person wurde noch in Deutschland der Pass entzogen und sie so an der Ausreise gehindert. * Zwei Personen wurden nach ihrer Einreise in Pakistan von dortigen Sicherheitsbehörden festgenommen und nach Deutschland zurückgeschickt. * Eine der ausgereisten Personen ist nach über neunmonatigem Aufenthalt in Pakistan / Afghanistan nach Hamburg zurückgekehrt. Die Gruppe hatte sich in der Taiba-Moschee formiert und konspirativ verhalten. Die individuellen Radikalisierungsverläufe der Ausgereisten sind unterschiedlich; wichtiger und einender Faktor für die Radikalisierung der Gruppenmitglieder waren sicher die gemeinsamen Besuche dieser Moschee. Eine weitere wichtige Rolle für die Radikalisierung - insbesondere der jüngeren Gruppenangehörigen - spielte offensichtlich das Internet. Mindestens einer der ausgereisten Hamburger hat sich in Pakistan der Islamischen Bewegung Usbekistan (IBU, 5.3) angeschlossen. In dem Anfang Oktober erschienenen Video "Der Vorzug des Jihad" (Fadlu 'l-Jihad), das der IBU zuzuordnen ist, trat der aus Hamburg kommende "Abu Askar" (alias für Shahab D.,Foto) auf ( 5.3). Im November war "Abu Askar" in einem weiteren Video "Abu Safiyya in: Er kam, sah und siegte", einem Märtyrervideo zum Tod des Abu Safiyya, zu sehen. Er beschrieb darin u.a. ein gemeinsames Kampferlebnis. Es ist davon auszugehen, dass sich auch weitere Mitglieder der Hamburger Reisegruppe der IBU oder zumindest dem militärischen Kampf angeschlossen haben. 51 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Eine Prognose, inwieweit von den ausgereisten Jihadisten bei einer eventuellen Rückkehr eine Gefahr in Deutschland ausgeht, ist schwierig. Die Angehörigen der sog. Sauerlandgruppe ( 5.7) reisten zunächst aus, um sich an Kampfhandlungen im Ausland zu beteiligen. Später, nach ihrer militärischen Ausbildung, kehrten sie jedoch - auf Weisung des IJU-Kommandanten - zurück und planten bis zu ihrer Festnahme Anschläge gegen Ziele in Deutschland. 6. Sonstige islamistische Gruppierungen 6.1 Transnationale Organisationen Hizb ut-Tahrir (HuT) Die multinationale "Hizb ut-Tahrir" (HuT, auch "Hizb Al Tahrir al Islami", "Befreiungspartei") wurde 1953 von Taqiuddin AN-NABHANI in Jerusalem gegründet. Ihr Ziel ist die Errichtung eines weltweiten islamischen Kalifats auf der Grundlage der Scharia unter der Herrschaft eines Kalifen. Die HuT bezeichnet den Islam als Ideologie, an der sich alle Völker und Gemeinschaften auszurichten hätten, selbst wenn sie davon nicht überzeugt seien. Nicht der Islam sei der Realität anzupassen, sondern die Realität sei so zu verändern, dass sie den Regeln der Scharia (islamische Gesetzgebung, Gesamtheit der islamischen Gebote) entspreche. Die HuT behauptet, weder Gewalt noch Terrorismus zu fördern. In ihrem Buch "Lebensordnung des Islam" - das bis heute wichtigste ideologische Fundament der Bewegung - rechtfertigt sie jedoch die gewalttätige Form des Jihad im Sinne eines gewaltsamen Angriffs auf die "Ungläubigen" als legitimes Mittel. Die HuT ist in erster Linie eine politische Bewegung, die den Absolutheitsanspruch des Islam mit einem entsprechenden politischen Modell (Kalifat) verbindet und jede hiervon abweichende "ungläubige" Staats52 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten form bekämpft. Ebenso wird jede Teilnahme am politischen Leben in den "blasphemischen Systemen" kategorisch abgelehnt. Feindbild der HuT sind vor allem "die Juden" und die nach ihrer Ansicht mit Israel und westlichen Regierungen kollaborierenden Herrscher der arabischen bzw. islamischen Welt. Mit Israel stehe man faktisch im Krieg, es sei zu bekämpfen und zu vernichten. In zahlreichen öffentlichen Äußerungen zum israelisch-palästinensischen Konflikt wurde zur gewaltsamen Beseitigung des Staates Israel und zur Tötung von Juden aufgerufen. Die HuT ist in nahezu allen arabischen Staaten verboten, weil sie die dortigen Herrschaftsordnungen ablehnt und ihre Staatsoberhäupter als Apostaten (vom Glauben Abgefallene) ansieht; die Muslime müssen sich nach Ansicht der HuT dieser Herrschaftscliquen entledigen. Trotz der Verbote ist die Organisation in vielen dieser und in anderen islamischen Staaten aktiv, insbesondere im Kaukasus und in Zentralasien. Die Partei ist auch in zahlreichen europäischen Staaten vertreten; ihre Europazentrale befindet sich in London. In Deutschland unterliegt die HuT, anders als etwa in Großbritannien, einem Betätigungsverbot. Dem BMI-Betätigungsverbot vom 15.01.03 zufolge richtet sich die Organisation gegen den Gedanken der Völkerverständigung, befürwortet Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele, verneint das Existenzrecht des Staates Israel und ruft zu dessen Vernichtung auf. Sie verbreitet massive antijüdische Hetzpropaganda und fordert zur Tötung von Juden auf. Das Verbot umfasst auch die Produktion und Verbreitung der der HuT zuzurechnenden deutschsprachigen Zeitschrift "Explizit" einschließlich ihrer Internetseite. Das Verbot wurde durch das Bundesverwaltungsgericht am 25.01.06 erstund letztinstanzlich bestätigt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sich die Tätigkeit der Organisation gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Es stellte zudem fest, dass die HuT keine Religionsoder Weltanschauungsgemeinschaft ist. HuT-Anhänger setzten dennoch - auch in Hamburg - ihre politische Agitation fort. Beharrlich versuchen sie, ihren Einflussbereich zu erweitern. Sie verhalten sich dabei konspirativ und vorsichtig, um keine eindeutigen Belege für einen Verstoß gegen das Betätigungsverbot zu 53 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten liefern. Der Name "Hizb-ut Tahrir" fällt nur in kleineren Kreisen, auf größeren Versammlungen ist die Gruppierung jedoch anhand der vermittelten Ideologie erkennbar. Da die Gruppierung in Deutschland nicht offen auftreten kann, versuchen ihre Mitglieder unter Verschleierung des wahren organisatorischen Hintergrundes neue Anhänger zu gewinnen. Außer im Umfeld einzelner Moscheen missionieren HuT-Anhänger auch an Hamburger Hochschulen und an einzelnen Schulen. Durch diese intensiven Bemühungen ist der Kreis insbesondere junger Anhänger gewachsen, die sich für die fundamentalistischen Aussagen und die HuT-Propaganda empfänglich zeigen. Einzelne lassen zudem erkennen, dass sie den Vorgaben auch Aktionen folgen lassen wollen. Gegenwärtig können der HuT in Hamburg ca. 75 - vorwiegend afghanischund türkischstämmige - Anhänger zugerechnet werden. Sie treffen sich regelmäßig zu öffentlichen Sitzungen und Schulungen in einem Objekt am Steindamm in St. Georg. Einflussnahmen sind in der Billstedter Ibrahim-Khalilullah-Moschee und der Moschee der muslimischen Gemeinschaft in Steilshoop festzustellen. Auch in anderen Moscheen wollen HuT-Angehörige Fuß fassen. Obwohl sie die deutsche Staatsund Gesellschaftsordnung als nicht islamkonform ablehnen, streben nicht wenige HuT-Mitglieder die deutsche Staatsbürgerschaft an. Das dazu notwendige Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung kann jedoch nur als Lippenbekenntnis gewertet werden, da ein Muslim nach Auffassung der HuT allein dem Kalifen zu schwören habe. Sogar die Teilnahme an Wahlen wird als unislamisch abgelehnt. Massive Kritik übt die Bewegung auch an den Integrationsbemühungen einiger islamischer Organisationen und Verbände. Nach Ansicht der HuT bedeute Integration die Anerkennung einer Verfassung, die bereits von vornherein gegen die islamische Ordnung verstoße. In Schulungen wird jungen HuT-Angehörigen vermittelt, dass das Eintreten für eine bessere Integration der Muslime in Deutschland deshalb "haram" (vom Koran verboten) sei. Zu den Schulungsinhalten gehört auch die Aussage, es gehöre zu den Pflichten eines jeden Muslim, den Jihad zu befolgen, wenn es einen Angriff gegen einen einzelnen Muslim oder eine einzelne Muslima abzuwehren gelte. 54 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Die eigentliche von der HuT in Hamburg ausgehenden Gefahr resultiert aber nicht aus ihrer desintegrativen Wirkung, sondern aus ihrer Funktion als eine Art "Durchlauferhitzer". So finden immer wieder durch die HuT rekrutierte Muslime ihren Weg auch in jihadistische Zusammenhänge. Muslimbruderschaft (MB; JAMA'A AL-IKHWAN AL-MUSLIMIN) Die sunnitische "Muslimbruderschaft" (MB) wurde 1928 von Hassan AL-BANNA (Foto) in Ägypten gegründet und breitete sich in den 30erund 40er-Jahren in die gesamte arabische Welt aus. Die ideologische Ausrichtung der MB basiert auf den Schriften von Hassan AL-BANNA. Die MB sieht ihren Auftrag vor allem darin, dem eigenen Islamverständnis weltweit Geltung zu verschaffen. Ziel der MB ist u.a. die Errichtung islamischer "Gottesstaaten". 1951 trat Sayyid QUTB der MB bei. Er trug mit seinen Werken "Meilensteine" und "Zeichen auf dem Weg" maßgeblich zur Radikalisierung der MB bei und rechtfertigte den bewaffneten Jihad. Die Ideologie der MB führte zur Gründung zahlreicher islamistischer Organisationen im arabischen Raum, wie zum Beispiel der palästinensischen HAMAS ( 6.2) oder der algerischen FIS. Als ihr oberster Führer steuerte Muhammad Mahdi AKIF viele Jahre die Organisation von ihrem Sitz in Kairo aus. Im Januar 2010 wurde Mohammad BADIE als sein Nachfolger gewählt. Die islamistisch ausgerichtete MB ist nicht nur in den arabischen Staaten verbreitet, sondern nach eigenen Angaben auch in zahlreichen Ländern weltweit vertreten. Nach ihrer Ideologie sind die meisten Regime in der muslimischen Welt unislamisch. Ziel der MB ist deren Umgestaltung in Staaten islamistischer Prägung auf der Grundlage der Scharia, der islamischen Rechtsund Lebensordnung. Neuerungen in den Bereichen Politik, Kultur und Bildung werden als Bedrohung angesehen. 55 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Anders als in den 50erund 60er-Jahren lehnt sie mittlerweile Gewalt als Mittel in der Politik ab, billigt diese aber ausdrücklich im Kampf gegen den "Besatzer" Israel. Obwohl in Ägypten verboten, ist die MB im Land weiterhin ein gesellschaftlicher und politischer Faktor. Ihre Aktivitäten werden von der MUBARAK-Regierung geduldet. Zu den Strukturen in der Bundesrepublik Deutschland gehört die "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD), die aus der 1960 in München gegründeten "Moscheebau-Kommission e.V." hervorgegangen ist. Die IGD gehört zu den Gründungsmitgliedern der 1989 gegründeten "Föderation islamischer Organisationen in Europa" (FIOE), die als Sammelbecken für Organisationen der Muslimbruderschaft in Europa gilt. Die IGD unterhält in Deutschland zahlreiche islamische Zentren. Die unter dem Einfluss der ägyptischen MB stehende IGD wird seit 2002 von Ibrahim AL-ZAYAT geleitet. Sie hat ihren Sitz im "Islamischen Zentrum München" und ist Mitglied der FIOE. In Deutschland sind zahlreiche MB-Anhänger in der IGD aktiv. In Hamburg ist diese als Organisation nicht vertreten. Ihre Anhänger und Sympathisanten treffen sich hier überwiegend in der MouhajerinMoschee. Tablighi Jama'at (TJ) Die sunnitisch-islamistische Tablighi Jama'at (TJ, "Gemeinschaft der Verkündigung und Mission") wurde 1927 in Indien von dem Religionsgelehrten Mawlana Muhammad ILYAS als eine Wiedererweckungsbewegung gegründet. Vom indischen Subkontinent ausgehend verbreitete sie sich über mehrere Kontinente und ist heute in nahezu 100 Ländern vertreten. Die TJ verfügt weltweit über mehrere Millionen Anhänger, zu deren Selbstverständnis die wörtliche Auslegung von Koran und Sunna sowie die weltweite Mission gehören. Überall dort, wo Muslime leben, befasst sich die TJ mit der Festigung der islamischen Lebensweise, d.h. Muslime sollen zu einem Leben gemäß Koran und Sunna im Sinne eines funda56 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten mentalistischen Islamverständnisses angeleitet werden. Langfristiges Ziel ist dabei die globale Islamisierung. Obwohl die TJ Gewalt grundsätzlich ablehnt, besteht aufgrund ihres fundamentalen Islamverständnisses und der weltweiten Missionierungstätigkeit die Gefahr, dass die TJ islamistische Radikalisierungsprozesse befördert. So weisen einige islamistische Attentäter einen Vorlauf in der TJ auf. Durch die gemeinsame ideologische Basis mit militanten Gruppierungen besteht zudem die Gefahr, dass die weltweiten Strukturen der Bewegung von terroristischen Netzwerken genutzt werden. In Hamburg werden der TJ etwa 70 Personen - unter ihnen keine Frauen - zugerechnet. Ihr Zentrum ist in der Al Salam-Moschee in Hamburg-St.Georg. Aus diesem Kreis gibt es immer wieder Äußerungen, die eine fundamentale Ausrichtung ihres Glaubens, eine ablehnende Haltung gegenüber wichtigen Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (z.B. Achtung der Menschenrechte) und Intoleranz gegenüber Andersgläubigen deutlich machen. Frauen werden durchgängig als minderwertig dargestellt. Eine Vielzahl der TJ-Anhänger befürwortet die Einführung der Scharia (islamische Gesetzgebung, Gesamtheit der Gebote im Islam). Im März 2009 fand in Hamburg das internationale Deutschlandtreffen (Ijtimaa) mit etwa 800 TJ-Anhängern aus der ganzen Welt statt. Es wurde von einem religiösen Lehrer aus Großbritannien geleitet. 6.2 Palästinensische und libanesische Organisationen HAMAS (Harakat al-Muqawama al-Islamiya, Islamische Widerstandsbewegung) Nach Beginn der ersten Intifada im Dezember 1987 schlossen sich im Januar 1988 im Gaza-Streifen Mitglieder der palästinensischen Muslimbruderschaft (MB, 6.1) um Scheich YASIN zur HAMAS ("Islamische Widerstandsbewegung") zusammen. Am 14.12.87 veröffentlichte die Bruderschaft eine Erklärung, die die Bevölkerung zum "Widerstand gegen die israelische Besatzung" aufrief und die israelischen Geheimdienste beschuldigte, die Moral der palästinensischen Jugend zu unterwandern. 57 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten In ihrer 1988 verfassten Charta bekennt sich die HAMAS zur MB und zum Jihad als einzigem Mittel zur Befreiung Palästinas. Die HAMAS bekämpft Israel mit Terrorakten und verübt Selbstmordattentate nicht nur gegen militärische Ziele. Über ein großes Netzwerk religiöser und sozialer Einrichtungen in den palästinensischen Gebieten hat die HAMAS einen starken Rückhalt in der Bevölkerung. Die in einen zivilen und einen militärischen Arm ("Izzaddin al-Qassam-Brigaden") gegliederte Symbol der HAMAS HAMAS liefert sich seit den von ihr gewonnenen Parlamentswahlen zum Palästinensischen Legislativrat im Jahre 2006 bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen mit der säkular ausgerichteten FATAH, die mit Mahmut ABBAS weiterhin den palästinensischen Präsidenten stellt. Zur Beendigung dieses Konfliktes einigten sich beide Organisationen auf die Bildung einer Einheitsregierung, die im März 2007 mit dem HAMAS-Mitglied Ismail HANIYA als Premierminister ihre Arbeit aufnahm. Sie zerbrach, als die HAMAS Mitte Juni 2007 die Macht im Gazastreifen, ihrer Hochburg, übernahm und die in der Mehrzahl der FATAH zuzurechnenden Sicherheitskräfte gewaltsam von dort vertrieb. Die etwa 300 HAMAS-Anhänger in Deutschland sind in keine feste Struktur eingebunden. Von ihnen gingen bisher keine gewaltsamen Aktionen in Deutschland aus. Die Anhänger beschränken sich auf Propaganda wie der Teilnahme an Demonstrationen und das Organisieren von Kundgebungen zum Nahost-Konflikt - so zuletzt im Januar 2008 in Hamburg und anderen bundesdeutschen Städten. In den letzten Jahren gab es einen Rückgang öffentlichkeitswirksamer Aktivitäten in Deutschland. Auch die Auseinandersetzungen zwischen HAMAS und FATAH im Gazastreifen führten nicht zu besonderen Aktionen in Deutschland. In Hamburg sind nur einzelne Unterstützer für die HAMAS aktiv, ohne sich als solche zu erkennen zu geben. 58 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten HIZB ALLAH (Partei Gottes) Die HIZB ALLAH wurde im Sommer 1982 nach dem Einmarsch israelischer Truppen auf Initiative und mit maßgeblicher Unterstützung iranischer Stellen im Libanon gegründet. Sie entwickelte sich aufgrund massiver iranischer Unterstützung rasch zu einer militanten Sammlungsbewegung libanesischer Schiiten mit Schwerpunkten im Bekaa-Tal, Süd-Libanon und den Vororten von Beirut. Dort agiert sie als parastaatliche Ordnungsmacht. Eine Entwaffnung dieser Miliz gemäß der UN-Resolution 1559 vom 02.09.04 wurde vom politischen Flügel vehement abgelehnt und gelang bisher nicht. Erklärtes Ziel der Organisation ist der Schutz des libanesischen Territoriums vor israelischen Militäraktionen und der Kampf gegen den Staat Israel, den sie vernichten will. Das lange propagierte Fernziel, Symbol der Hizb Allah die Umwandlung des Libanon in eine islamische Republik nach iranischem Vorbild, hat sich im Lauf der Zeit gewandelt. Nunmehr steht die allgemeinere Forderung nach mehr politischem Einfluss und einer Revision des konfessionellen Proporzsystems (Taifija) im politischen und administrativen Bereich zugunsten der Muslime und insbesondere der Schiiten im Vordergrund. Die enge ideologische Beziehung zur Islamischen Republik Iran besteht jedoch unverändert fort. Unter dem Dach der HIZB ALLAH agieren eine seit 1992 im libanesischen Parlament vertretene Partei, verschiedene Wohlfahrtsorganisationen sowie der militärische Flügel "Islamischer Widerstand" ("alMuqawama al-Islamiya"). Die HIZB ALLAH ist im Libanon seitdem zu einem festen Bestandteil des politischen Systems geworden und stellte nach den Wahlen im Mai / Juni 2005 zusammen mit der (schiitischen) AMAL-Bewegung den zweitstärksten Block im Parlament. Bei den Parlamentswahlen am 07.06.09 gewann die von Ministerpräsident Saad HARIRI angeführte, als pro-westlich angesehene "Allianz des 14. März" (benannt nach dem Datum der größten antisyrischen Demonstration des Jahres 2005) mit 71 von 128 Parlamentssitzen. Die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit gelang fünf Monate später nach langwierigen Verhandlungen. Im November nahm HARIRI 59 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten zwei Minister der oppositionellen HIZB ALLAH in die Regierung auf. Die HIZB ALLAH ist mit elf Sitzen im libanesischen Parlament vertreten. Damit ist es der Opposition gelungen, ihre Beteiligung an der Macht zu konsolidieren. Die Aufrechterhaltung der unabhängigen militärischen Strukturen der HIZB ALLAH und die engen Beziehungen der Organisation zu Iran setzen den Libanon jedoch weiterhin der Gefahr aus, in regionale Konflikte verwickelt zu werden. Durch Beschluss des Bundestages wurde die Beteiligung der Bundeswehr an der maritimen Komponente der UNIFIL-Mission MTF 448 (Maritime Task Force) bis Ende Juni 2010 verlängert. Die Obergrenze der Einsatzkräfte wurde auf 800 Soldaten herabgesetzt. Ziel dieses Flottenverbandes ist die Aufklärung und Kontrolle der Seewege innerhalb der libanesischen Hoheitsgewässer und die Umleitung der Schiffe im Verdachtsfall. Damit soll der Waffenschmuggel der HIZB ALLAH von der libanesischen Seeseite her unterbunden werden. Grundlage bildet die UN-Sicherheitsratsresolution 1701 vom 24.08.07. In Deutschland existieren ca. 30 Kulturund Moscheevereine, in denen sich regelmäßig Sympathisanten der HIZB ALLAH treffen. Die Vereinsaktivitäten beschränken sich im Wesentlichen auf interne Treffen, Diskussionsveranstaltungen und religiöse Feiern (z. B. Ramadan und Ashura), die die Bindungen der hier lebenden Libanesen an ihre Heimat und an die Organisation festigen sollen. Darüber hinaus gehört das Sammeln von Spendengeldern zu den wichtigsten Aufgaben der Vereine. Der Organisation werden bundesweit etwa 900 Anhänger zugerechnet. Mit Wirkung vom 01.11.08 hat das Bundesministerium des Innern den libanesischen HIZB ALLAH-Fernsehsender "Al-Manar TV" ("Leuchtturm") verboten, da sich dessen Inhalte gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten. Der Fernsehsender ist in Deutschland jedoch weiterhin über Satellit zu empfangen Lesen Sie hierzu auch unseren Internetbeitrag "Holocaustleugnung als 'psychologische Waffe': Ahmadinejad und Hizb Allah's Al-Manar TV" im Archiv 2006. 60 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Die Anordnung des HIZB ALLAH-Generalsekretärs Hassan NASRALLAH, sich in Deutschland gesetzeskonform zu verhalten, um keine Angriffsfläche für staatliche Maßnahmen zu bieten, wird weiterhin befolgt. Als Konsequenz treten viele HIZB ALLAH-Anhänger kaum mehr politisch in Erscheinung. In Hamburg gibt es etwa 30 HIZB ALLAH-Anhänger, die auch im "Islamischen Zentrum Hamburg" (IZH, 6.3.2) verkehren. 6.3 Iranische Islamisten 6.3.1 Allgemeines Die iranische Politik ist insbesondere seit dem Amtsantritt Mahmoud AHMADINEDSCHADs als Präsident im Jahre 2005 von medienwirksamen und international vorgetragenen aggressiven anti-israelischen Äußerungen geprägt, zu denen der Aufruf zum Kampf gegen Israel, das Absprechen dessen Existenzrechts, Verschwörungstheorien sowie Holocaustleugnungen gehören. AHMADINEDSCHAD nutzte auch die UN-Vollversammlung im September 2009 für Hasstiraden gegen das "zionistische Regime", dem er "Völkermord an den Palästinensern" vorwarf. In einer Rede zum "Quds-Tag" ("Jerusalem-Tag") am 18.09.09 bezeichnete er den Holocaust als eine "falsche Behauptung, ein Märchen, das als Vorwand für Verbrechen gegen die Menschheit" missbraucht werde. Der Revolutionsführer Ali KHAMENEI bezeichnete in einer Rede an der Universität Teheran zum Ende des Fastenmonats Ramadan Israel als "tödliches Krebsgeschwür", das sich in der Region ausbreite. Die iranische Regierung schränkt die Freiheitsund Menschenrechte drastisch ein, zensiert Zeitungen, Internet sowie andere Medienund Kommunikationsbereiche erheblich und betreibt eine Politik massiver staatlicher Repression gegenüber jeglichen Oppositionsund Reformansätzen. 61 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten 6.3.2 Anhänger der iranischen "Islamischen Revolution" Nach der umstrittenen und von Vorwürfen des Wahlbetrugs begleiteten erneuten Wahl des bisherigen Amtsinhabers AHMADINEDSCHAD zum Staatspräsidenten Irans im Juni 2009 liegen alle entscheidenden Institutionen des Landes - insbesondere der Sicherheitsund Propagandaapparat - weiterhin in konservativ-islamischer Hand. Antiisraelische Propaganda und das Beharren auf unnachgiebigen Positionen im Streit um das iranische Atomprogramm kennzeichnen diese Regierung. Das Leitmotiv der radikal-antiwestlichen iranischen Außenpolitik ist in Verbindung mit der in der iranischen Verfassung deklarierten Islamisierung der westlichen Nationen ("Export der islamischen Revolution") zu sehen. Proiranische Einrichtungen in Deutschland sind Instrumente der iranischen Staatsführung und vertreten deren theokratische Staatsdoktrin. Sie repräsentieren eine Werteordnung, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar ist. Das an der Außenalster gelegene "Islamische Zentrum Hamburg" (IZH), Träger der "Imam Ali-Moschee", gehört in Europa zu den wichtigsten iranisch-islamischen Einrichtungen. Mit deren Hilfe versucht Iran, Schiiten aller Nationalitäten an sich zu binden sowie die gesellschaftlichen, politischen und religiösen Grundwerte der islamischen Revolution in Europa zu verbreiten. Durch eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit (Zeitschriften, Internetpräsenz, öffentliche Veranstaltungen u.a.) und vielfältige Bildungsangebote propagiert das IZH den Islam iranischer Prägung und strebt damit an, den "Export der islamischen Revolution" zu verwirklichen. Die Inhalte sind dabei bewusst moderat formuliert und bieten kaum Angriffsflächen. Nach außen operiert das IZH als rein religiöse Einrichtung, die keine politischen Aktivitäten in ihrem Wirkungsfeld gestattet. Jede öffentliche Verbindung oder Identifizierung mit der iranischen Staatsführung wird vermieden. Dennoch lassen Veröffentlichungen aus früheren Jahren die islamistisch geprägten Überzeugungen des IZH deutlich erkennen. Das z.B. in seiner Faltblattserie "Muslime im Dialog" in Nr. 6 "Einheit von Religion und Politik" zum Ausdruck kommende islamistische Staatsund Gesellschaftsverständ62 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten nis des IZH ist erkennbar vom Primat der Religion gegenüber Demokratie und Rechtsstaat gekennzeichnet. Damit steht es in einem unlösbaren Widerspruch zu den Prinzipien und Werten der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die "Imam Ali-Moschee" (Foto) ist ein Anlaufpunkt für die in Hamburg und Norddeutschland lebenden Schiiten verschiedener Nationen. Hier finden neben regelmäßigen Gebetsveranstaltungen auch religiöse Feierlichkeiten statt. Zudem bietet das IZH Lehrveranstaltungen an, darunter Sprachunterricht in Arabisch, Deutsch und Persisch. Des Weiteren sollen die Mitglieder der schiitischen, vorwiegend iranischen Gemeinde durch ein weit gefächertes Vereinsangebot an das IZH gebunden werden. Dieses vielfältige Angebot soll es den Angesprochenen ermöglichen, sich mit dem schiitischen Glauben iranischer Prägung zu identifizieren. Gleichzeitig bietet es Andersgläubigen oder bereits am islamischen Glauben interessierten Menschen ein Forum für Information und Austausch. Das Ziel ist, diese zum Islam zu bekehren. Deutschsprachige Konvertiten werden z.B. in speziellen Seminarkursen religiös betreut. Neben dem eigentlichen Trägerverein, dem IZH, sind weitere Vereine in Hamburg bekannt (z.B. "Islamische Akademie Deutschland e.V." [IAD] und "Verein der Förderer einer iranisch-islamischen Moschee in Hamburg e.V."), die allerdings kaum Aktivitäten entfalten - nicht einmal regelmäßige Vorstandswahlen bzw. Mitgliederversammlungen. Die von der IZH-Leitung geförderte Jugendgruppe "Schöne Aussicht" ist eine Anlaufstelle für Jugendliche schiitischen Glaubens. Mit der Intensivierung der Jugendarbeit strebt das IZH eine stärkere Bindung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen an die Einrichtung an. Eine bundesweite Jugendveranstaltung im Oktober 2009 im IZH fand großen Anklang. 63 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Dem IZH und seinen angegliederten Vereinen und Einrichtungen sind insgesamt etwa 150 Mitglieder zuzurechnen. Die wöchentlichen Gebetsveranstaltungen am Donnerstag und Freitag werden durchschnittlich von etwa 100 Gläubigen besucht. Im Mai 2009 wurde der im Januar 2004 eingesetzte IZH-Leiter Ayatollah Seyed Abbas HOSSEINI GHAEMMAGHAM von Ayatollah Dr. Reza RAMEZANI abgelöst. RAMEZANI hat zuvor das "Islamische Zentrum Wien" geleitet und sich bereits dort als Verfechter der iranischen Staatsdoktrin gezeigt. Wie auch seine Vorgänger gilt er als Vertreter des Revolutionsführers KHAMENEI in Europa. Es ist davon auszugehen, dass der religiöse Führer Irans eine solch wichtige internationale Position nur mit einem linientreuen Anhänger der iranischen Staatsdoktrin und der islamischen Revolutionsziele besetzt. RAMEZANI ist Mitglied des "Expertenrates" der Islamischen Republik Iran. Der 88 Personen umfassende Expertenrat überwacht alle vom Parlament beschlossenen Gesetze auf Verfassungskonformität und hat ein Vetorecht. Er ist im Staatsaufbau Irans das einzige Instrument zur Kontrolle des Revolutionsführers und laut Verfassung für dessen Ernennung und Überwachung zuständig. Damit ist der Expertenrat das einzige Gremium, das zumindest theoretisch den Revolutionsführer absetzen könnte. Der Expertenrat wird vom Volk gewählt. Seine Kandidaten werden zuvor vom Wächterrat überprüft, dessen Mitglieder wiederum vom Revolutionsführer ernannt oder entlassen. Letztlich bestimmt so der Revolutionsführer selbst, durch wen er kontrolliert wird. Da er Dr. Reza RAMEZANI für den Expertenrat zugelassen und zum Leiter des IZH ernannt hat, setzt KHAMENEI (Foto) offenkundig großes Vertrauen in RAMEZANIs Amtsführung im Sinne der iranischen Revolution. Bis 2004 war das IZH noch ein aktiver Unterstützer der jährlich in Berlin stattfindenden israelfeindlichen Demonstration zum "Jerusalem-Tag" ("Quds-Tag"), es übte seitdem jedoch eher Zurückhaltung. Diese hat das IZH offenbar wieder aufgegeben, weil es im Berichtsjahr öffent64 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten lich zur Teilnahme an der Demonstration aufrief sowie Transportmöglichkeiten und Verpflegung zur Verfügung stellte. Damit könnte der öffentliche "Revolutionsexport" wieder intensiviert werden. Der bundesweite Einfluss des IZH auf schiitische Zentren ist ungebrochen. Gemeinden, zu denen Verbindungen des IZH bestehen, sind u.a.: * "Islamisches Zentrum Salman Farsi Moschee Langenhagen e.V.", Hannover * "Akademie Baghiatallah e.V.", Bremen * "Islamische Kulturgemeinde der Iraner in Berlin e.V.", Berlin * "Islamische Vereinigung in Bayern e.V.", München * "Ehli-Beyt-Alevitische Religionsgemeinschaft Ehli Beyt Alevi Federasyonu e.V.", Frankfurt a.M. Das IZH ist zudem in führender Position in mehreren islamischen Dachverbänden vertreten. Auf lokaler Ebene ist dies der "Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg e.V." (SCHURA), auf Bundesebene der "Zentralrat der Muslime in Deutschland" (ZMD) sowie die "Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden in Deutschland e.V." (IGS) und auf europäischer Ebene die "Islamisch-Europäische Union der Schia-Gelehrten und Theologen" (IEUS). Nach jahrelangen Vorbereitungen festigte das IZH 2009 seinen Führungsanspruch innerhalb der schiitischen Gemeinden in Deutschland. Die IZH-Leitung engagierte sich an führender Stelle bei den Vorbereitungen für die am 07.03.09 in Hamburg erfolgte Gründung eines Dachverbandes, der IGS. Dieser soll als "oberste und einzige Vertretung der schiitischen Gemeinden auf Bundesebene" fungieren und die Gemeindemitglieder aus verschiedenen Herkunftsländern repräsentieren. Zum Vorsitzenden für vier Jahre wurde der ehemalige IZH-Leiter HOSSEINI GHAEMMAGHAM gewählt. Siehe hierzu auch den Beitrag "Wie das 'Islamische Zentrum Hamburg' verstärkt seinen ideologischen Einfluss ausbauen will" (25.05.09) unter "Schlagzeilen aus dem politischen Extremismus" 65 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten 6.4 Türkische Islamisten 6.4.1 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) Die IGMG in Deutschland Die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. (IGMG) ist mit ihren ca. 29.000 Mitgliedern die mit Abstand größte islamistische Organisation in der Bundesrepublik Deutschland. Die Vereinszentrale hat ihren Sitz in Kerpen (Nordrhein-Westfalen) und gliedert sich bundesweit in 15 Regionalverbände. Da dem IGMG-Verbund eigenständige Vereine sowie untergeordnete Nebenorganisationen und Zusammenschlüsse von Vereinen angehören, ist die Struktur der Organisation schwer zu überblicken. Eigenen Angaben zufolge verfügt die IGMG über 514 Moscheeund Kulturvereine, davon 323 in Deutschland. Geleitet wird sie derzeit von Yavuz Celik Karahan und dem Generalsekretär Oguz Ücüncü. Die IGMG unterhält zahlreiche Jugendorganisationen, Studentenvereine, Bildungseinrichtungen und Frauenvereinigungen und setzt damit den Schwerpunkt ihrer Arbeit in den Bereichen Bildung, Familie und Jugend. Dieses umfangreiche Angebot soll die Mitglieder an die Organisation binden und gleichzeitig die Ideologie der IGMG weitergeben. Damit die IGMG eine umfassende Betreuung der Mitglieder gewährleisten kann, tragen religiöse wie unternehmerische Aktivitäten zu ihrer Finanzierung bei. Haupteinnahmequellen sind Mitgliedsbeiträge, Spenden, Gewinne aus unternehmerischen Tätigkeiten, die Organisation von Pilgerfahrten nach Mekka sowie der Handel mit Immobilien. Die "Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft e.V." (EMUG) ist für die Verwaltung dieser Immobilien verantwortlich. Geschäftsführer ist Ibrahim El-Zayat, der zugleich Vorsitzender der 66 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Vereinigung "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD) ist, die der Muslimbruderschaft (MB, 6.1) zugerechnet wird. Die IGMG ist sowohl in ihren ideologischen Wurzeln als auch personell und organisatorisch eng mit der Ideologie der Milli Görüs-Bewegung ("Nationale Sicht") in der Türkei verbunden. Ideologie und Gründung der Milli Görüs gehen auf den ehemaligen türkischen Ministerpräsidenten Prof. Dr. Necmettin ERBAKAN (Foto links) zurück. Milli Görüs strebt langfristig die Überwindung des laizistischen Systems an, d.h. die Überwindung der Trennung von Religion und Staat in der Türkei. Weiteres über die Entstehung und Entwicklung der Milli Görüs-Bewegung unter "Arbeitsfeld Islamismus / Gruppierungen / Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." Sprachrohr der IGMG-Bewegung in Deutschland sowie der Milli GörüsBewegung in der Türkei ist die türkischsprachige Tageszeitung "Milli Gazete" ("Nationalzeitung"), die mit einer modifizierten Europa-Ausgabe auch in Deutschland erscheint. Die Zeitung ist nach außen hin eigenständig und formal unabhängig. Ihre wesentliche Aufgabe besteht jedoch darin, die Milli GörüsIdeologie zu vermitteln. Durch ihre umfangreiche Berichterstattung über IGMG-Veranstaltungen und die Entwicklung der IGMG hat die Zeitung eine wichtige Funktion für den Zusammenhalt der Mitglieder. Wie schon in den Vorjahren veröffentlichte die Milli Gazete auch im Jahr 2009 antidemokratische und antiwestliche Artikel: * Am 29.08.09 kritisierte ein Beitrag das Fehlen eines islamischen Staates, in dem die göttlichen Gesetze angewendet werden. * In der Ausgabe vom 31.08.09 behauptet ein Autor, dass die islamische Renaissance, der islamische Aufstieg, die islamische Freiheit und der Jihad auf dem Weg Gottes nur von Sunniten realisiert werden könnten. Weiter heißt es, dass die Konfessionslosigkeit und das Abstreiten der islamischen Rechtswissenschaften die islamische Scharia gefährden und schwere und zerstörerische Ketzerei bedeuten. Sämtliche Bewegungen, die die Grundwerte des Islams mit der Moderne zu verbinden versuchen und sich 67 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten nicht auf den Koran, die Sunna, die einheitliche Ansicht der islamischen Gelehrten, die islamischen Rechtswissenschaften, die Scharia und die einwandfreie Glaubenslehre stützen, seien falsch und ungültig. * Am 05.10.09 schrieb ein anderer Autor, dass er nicht aufhören werde, das Sunnitentum, die islamischen Orden und die islamische Mystik, die mit der Scharia übereinstimme, zu verteidigen. Die Milli Gazete verbreitet ferner die Theorie, dass es Verschwörungen gegen den Islam und die IGMG-Bewegung gibt. In einem Artikel vom 11.07.09 "Die Spione und Agenten unter uns" werden die Leser vor "Separatisten, Agenten und Provokateuren" in der islamischen Gesellschaft gewarnt und dazu aufgefordert, "einen makellos gelehrten, tugendhaften, gebildeten, moralisch gefestigten und weisen Imam-i Kebair (wichtiger, großer Imam), also einen Emir (Herrscher) mit einem festen Glauben, (zu) wählen und ihm (zu) huldigen und ihm (zu) gehorchen. [...]" "Der Koran, die Sunna, die Gemeinde und der Islam als Konsens der Gelehrten müssen als Grundlage genommen werden, und dem Reformismus und dem Orientalismus darf kein Platz eingeräumt werden. [...]" "Um Haram (Anmerkung: im Islam Verbotenes) zu vermeiden, muss ein ideeller und moralischer Jihad ausgerufen werden. [...] ""Nur so könnten sich die Muslime von den Separatisten, Agenten und Provokateuren, die sich unter ihnen befinden, befreien." In der Milli Görüs-Bewegung werden die westlichen Gesellschaften für politische und wirtschaftliche Missstände verantwortlich gemacht. In einem Symposium, das anlässlich des 40-jährigen Bestehens in Ankara (TR) organisiert wurde, kritisierte Prof. Dr. Necmettin ERBAKAN die westliche Gesellschaft und setzte sie mit Imperialisten gleich. Nach seiner Auffassung hat Milli Görüs die Aufgabe, "den Imperialisten die Welt aus den Händen zu nehmen". Nach allem entwickeln die Milli Gazete als Sprachrohr der Milli GörüsBewegung und ERBAKAN Theorien, wonach westliche Mächte gegen 68 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten den Islam agitieren und in der Bevölkerung Feindseligkeit und Ressentiments schüren. Die Übernahme deutscher Werte und Normen und die Integration von türkischstämmigen Zuwanderern in die deutsche Gesellschaft werden von der IGMG kritisch betrachtet und als "Assimilation" gewertet. Die IGMG verordnet ihren Anhängern, ihre Lebensführung nach den Vorgaben des Propheten auszurichten. Die Internetseite der IGMG publiziert entsprechende Handlungsanweisungen. Seit einiger Zeit bemüht sich die IGMG um ein moderateres Auftreten in der Öffentlichkeit. Auch sie kommt an einem Generationswechsel und damit einhergehenden Veränderungen nicht vorbei: Bei der Besetzung von Leitungsstellen spielen inzwischen Bildungsstand und Sprachkenntnisse eine wichtige Rolle. Die neue Generation der Funktionäre hat andere Vorstellungen als die alte Führungsriege. Sie will nicht als bloßer deutscher Ableger der Milli Görüs-Bewegung gesehen werden, sondern ist darum bemüht, sich vorsichtig von der türkischen Organisation zu emanzipieren. Es ist offen, wie groß der Einfluss dieser Funktionäre ist. In den Moscheegemeinden überwiegt die Zahl der ERBAKAN-Anhänger, für die er weiterhin unumstrittener spiritueller Führer ist. Am 04.04.09 hielt die Jugendhochschulabteilung der IGMG in der Westfalenhalle in Dortmund eine der größten Zusammenkünfte der IGMG ab. An der Veranstaltung nahmen ca. 3.000 Personen teil. Sie wurde vom gesamten leitenden Vorstand der IGMG, von Oberstufenschülern, Studenten, Hochschulabsolventen und europäischen IGMG-Regionalverantwortlichen besucht. Der IGMG-Generalsekretär Oguz ÜCÜNCÜ, der IGMG-Vorsitzende Yavuz Celik KARAHAN und der Vorsitzende der "Saadet Partisi" (SP, "Glückseligkeitspartei", politische Partei der Milli Görüs-Bewegung in der Türkei), Numan KURTULMUS, hielten dort Ansprachen. Durch ihre Präsenz machten sie klar, welche Bedeutung sie der Jugendhochschulabteilung beimessen. 69 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Die IGMG ist weiterhin im Fokus der Steuerfahndung: Am 02.12.09 wurden bundesweit IGMG-Büros durchsucht und Arrestbeschlüsse vollstreckt. Der Organisation wird u. a. Spendenbetrug (im Zusammenhang mit Kurbanund Opferlammspenden) vorgeworfen. Der dadurch entstandene Schaden soll sich auf mehrere Millionen Euro belaufen. Der Organisation wird ferner vorgeworfen, Sozialabgaben für angestellte Mitarbeiter nicht abgeführt zu haben. Die IGMG dementiert die Vorwürfe zwar, hält sich aber mit öffentlichen Äußerungen und auch gegenüber ihren Anhängern sehr zurück. Die IGMG in Hamburg In Hamburg wird die IGMG vom "Bündnis der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland e.V." (BIG) repräsentiert, dem insgesamt 15 Moscheevereine (davon neun in Hamburg, fünf in Schleswig-Holstein und eine im nördlichen Niedersachsen) sowie mehrere regionale und lokale Nebenorganisationen angehören. Außerdem hat das BIG weitere Organisationen u.a. in den Bereichen Frauen, Bildung, Studenten und Jugendliche, hierzu gehören z.B. die "Islamische Hochschulgemeinde e.V." (IHg) und die "Muslimische Frauengemeinschaft" (MFG). Den BIG-Vereinen sind in Hamburg ca. 1.600 Mitglieder zuzurechnen. Neben der "Centrum Moschee" in der Böckmannstraße (St. Georg) gibt es BIG-Moscheen auf der Veddel, in Wilhelmsburg, Harburg, Eidelstedt, Altona, Neugraben und Neuenfelde. Das BIG unterhält neben den Moscheen Bildungsstätten in Harburg und im niedersächsischen Seevetal. Das BIG ist als Verein zwar rechtlich unabhängig, tatsächlich jedoch als Hamburger Regionalverband (Bölge) fest in das hierarchische Organisationsgefüge der IGMG eingebunden. Der Vorsitzende Ramazan Ucar ist der IGMG-Zentrale in Kerpen unterstellt. Die BIG-Funktionäre streiten ihre Zugehörigkeit zur IGMG nicht ab, sind aber bemüht, eine 70 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten gewisse Eigenständigkeit zu wahren und einer vollständigen Vereinnahmung durch die IGMG-Führung in Kerpen und durch die Milli GörüsBewegung in der Türkei entgegenzuwirken. So werden seit ca. zwei Jahren immer weniger Redner aus der Türkei zu BIG-Veranstaltungen eingeladen. Das BIG wird von der Politik in Hamburg als seriöser Ansprechpartner akzeptiert. Es beruft sich darauf, in die Verhandlungen zwischen den muslimischen Gemeinden in Hamburg einerseits und der Freien und Hansestadt Hamburg andererseits über einen "Staatsvertrag" einbezogen zu sein, in dessen Rahmen die Organisationen die Anerkennung als Religionsgemeinschaften anstreben. Darüber hinaus finden öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen statt wie der "Tag der offenen Moscheen" oder der jährliche "Iftar"-Empfang, das gemeinsame Fastenbrechen im Ramadan. Neben vorsichtigen Bemühungen einiger BIG-Funktionäre, hier und da auf Distanz zu der IGMG-Führung zu gehen, gibt es weitere Anzeichen dafür, dass sich das BIG allmählich von der ERBAKAN-Linie lösen könnte: Jüngere IGMG-Anhänger sind stärker an ihrer Situation hier interessiert, Probleme in der Türkei, ob politisch oder wirtschaftlich, sind für sie eher von untergeordneter Bedeutung. Viele junge Mitglieder haben keine besondere emotionale Bindung an ERBAKAN. Gleichwohl orientiert sich die BIG-Gemeinde an den Vorgaben und Arbeitsweisen der IGMG-Zentrale. Die Funktionäre nehmen regelmäßig an Treffen in Kerpen teil. Insbesondere die ältere Generation steht weiterhin zu den politischen und ideologischen Vorgaben ERBAKANs. 6.4.2 Türkische Hizbullah Die sunnitisch-islamistische "Türkische Hizbullah" (TH) entstand durch den Zusammenschluss einiger kurdischer Gruppierungen in der Türkei. Sie strebt einen auf der Scharia basierenden islamischen Staat in der Türkei, letztlich weltweit, an. Zur Durchsetzung ihrer Ziele befürwortet die TH ausdrücklich auch gewaltsame Methoden. In der Türkei kam es in den 80er- / 90er-Jahren zu Kämpfen zwischen ihr und der PKK ( III.,4.), bei denen mehrere Hundert Personen getö71 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten tet worden sein sollen. Darüber hinaus wird die TH für zahlreiche politisch motivierte Morde in der Türkei verantwortlich gemacht. Intensive Maßnahmen der dortigen Strafverfolgungsbehörden haben die Organisation nachhaltig geschwächt. Mehrere Führungskader kamen ums Leben oder wurden inhaftiert, andere flohen in europäische Länder, auch nach Deutschland. In Deutschland sind ihr aktuell mehrere Hundert Anhänger zuzurechnen; auch hier konzentriert sie sich auf den Ausbau ihrer strukturellen und finanziellen Möglichkeiten. In Hamburg gibt es etwa 50 TH-Anhänger. Ihre Aktivitäten mit Außenwirkung sind vorwiegend religiös und kulturell geprägt. Ihr wichtigster Anlaufpunkt ist die Vahdet-Moschee am Steindamm. Der Hamburger TH-Struktur ist auch die Musikgruppe "Vuslat" zuzurechnen, die überwiegend auf TH-Festivitäten im In-und Ausland auftritt - so bei einer TH-Großveranstaltung in Österreich am 12.04.09. Zum Repertoire der Gruppe gehören auch Lieder, in denen der "Märtyrertod" ihres Mitbegründers Hüseyin VELIOGLU und der bewaffnete Jihad glorifiziert werden. 72 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten III. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick Bei der Beobachtung der in Deutschland aktiven extremistischen Ausländerorganisationen liegt unverändert ein Schwerpunkt auf der PKK, der "Arbeiterpartei Kurdistans" ( 4.). Trotz stagnierender Mitgliederzahlen kann sie weiterhin kurzfristig mit Aktionen auf politische Entwicklungen reagieren, insbesondere im Zusammenhang mit der Inhaftierung Abdullah ÖCALANs in der Türkei; auch 2009 gab es einzelne gewalttätige Reaktionen der PKK ( 4.3). Banner auf einer PKK-Internetseite mit Foto von Abdullah ÖCALAN Im Berichtsjahr bestimmten insbesondere zwei Ereignisse die Aktivitäten ( 4.2) der Organisation: * die angebliche Verschlechterung der Haftbedingungen Abdullah ÖCALANs in seinem Gefängnis auf der Insel Imrali, * das Verbot der PKK-nahen kurdischen "Partei für eine demokratische Gesellschaft" (DTP) durch das türkische Verfassungsgericht am 11.12.09. Die wegen der Haftbedingungen ÖCALANs organisierten Demonstrationen und Kundgebungen in Hamburg verliefen friedlich. Ursache hierfür ist wahrscheinlich der am 29.03.09 von der Organisation in der Türkei verkündete einseitige Waffenstillstand. Beflügelt von dem sehr guten Abschneiden der DTP bei den Kommunalwahlen im Jahr 2009 in der Türkei wurde die Ausrichtung auf den Waffenstillstand beibehalten: Die Aktivisten und Sympathisanten stellten sich nach außen friedlich dar und verzichteten weitestgehend auf Gewalttaten. Unmittelbar nach dem DTP-Verbot kam es in der Türkei zu schweren Ausschreitungen zwischen Kurden und der Polizei. An den Aus74 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten einandersetzungen beteiligten sich auch türkische Nationalisten, die sich enttäuscht von der Initiative des Premierministers ERDOGAN zur Lösung der Kurdenproblematik gezeigt und bereits im Vorfeld mehrere Büros der DTP verwüstet hatten. In Hamburg gingen von türkischen linksextremistischen Organisationen ( 5.) keine nennenswerten Aktivitäten aus. Hier besteht die türkische linksextremistische Szene aus den Organisationen Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephe (DHKP-C) ( 5.), der Türkiye Komünist Partisi/ Marksist Leninist (TKP/ML) ( 5.), der Maoist Komünist Partisi (MKP) ( 5.) und der Marksist Leninist Komünist Partisi (MLKP) ( 5.). Die türkischen Linksextremisten sind trotz der ideologischen Gemeinsamkeiten stark zersplittert, die Mitgliederzahlen stagnieren seit Jahren im niedrigen zweistelligen Bereich. Ihre Aktivitäten beschränken sich im Wesentlichen auf Kundgebungen und Demonstrationen. Außerdem unterstützen sie ihre in der Türkei aktiven Guerillaorganisationen durch Spendensammlungen. Der Ausgang der Präsidentschaftswahlen am 12.06.09 in Iran brachte viel Bewegung in die Organisationen der iranischen Oppositionellen in Hamburg ( 6.). Im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Wahlmanipulation kam es häufig zu Kundgebungen vor dem iranischen Generalkonsulat in der Stadt, an denen sich auch extremistische iranische Gruppen beteiligten. An den Protestveranstaltungen beteiligten sich u. a. Anhänger der linksextremistischen "Arbeiterkommunistischen Partei Iran" (API), die die Machtübernahme in Iran anstrebt, um dort ein kommunistisches Gesellschaftssystem zu etablieren ( 6.2). Im Gegensatz dazu will der "Nationale Widerstandsrat Iran" (NWRI) das gegenwärtige "Mullah-Regime" durch ein vorgeblich demokratisches Gesellschaftssystem ersetzen. Der NWRI ist der politische Arm der in Iran jahrelang terroristisch agierenden "Volksmojahedin IranOrganisation" (Modjahedin-E-Khalq = MEK), deren Guerilla im Jahr 2003 in einem Lager im Irak entwaffnet worden war. Die MEK hält mit deutlichen Worten daran fest, die Machtverhältnisse in Iran notfalls auch mit Waffengewalt ändern zu wollen ( 6.1). Nach langem Bemühen ist es dem NWRI im Jahr 2009 gelungen, von der "EU-Liste 75 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten terroristischer Organisationen" ("EU-Terrorliste") gestrichen zu werden. Gewaltbereite separatistische asiatische Gruppen traten im Berichtsjahr in Hamburg vorwiegend durch das Beschaffen von Spendengeldern unter ihren Anhängern und durch propagandistische Unterstützung ihrer Organisationen in ihren jeweiligen Heimatländern auf. Sie wurden hierbei von der Öffentlichkeit jedoch kaum wahrgenommen. Am bekanntesten ist die Organisation "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE), die seit 1983 auf Sri Lanka einen Guerilla-Krieg der tamilischen Bevölkerungsminderheit gegen die von Singhalesen dominierte Zentralregierung in Colombo führte. Insbesondere nach dem am 03.01.08 von der Regierung aufgehobenen Waffenstillstand von 2002 verübte die LTTE weiterhin Bombenanschläge - auch durch Selbstmordattentäter. Den sri-lankischen Regierungstruppen gelang es, die LTTE im Mai 2009 militärisch zu besiegen. In Hamburg treten die Anhänger und Sympathisanten der LTTE kaum öffentlich auf. Am 23.07.09 fand eine Demonstration "Gegen den Krieg in Sri Lanka" mit neun Teilnehmern statt, auf der u. a. LTTE-Flaggen gezeigt wurden. Weitere separatistische asiatische Gruppen sind die extremistischen Organisationen der Sikhs, die "Babbar Khalsa International (BK)", die "International Sikh Youth Federation (ISYF)" sowie die "Kamagata Maru Dal International (KMDI)". Die Sikhs sind Anhänger einer Ende des 15. Jahrhunderts in Nordindien gegründeten religiösen Reformbewegung, die im Ursprung auf eine gedankliche Auseinandersetzung mit den Religionstheorien des Hinduismus und des Islam zurückzuführen ist. Weltweit werden ca. 18 Millionen Menschen dieser Religionsgemeinschaft zugerechnet. Bei der Neuordnung des indischen Staatswesens 1966 siedelten sich die Sikhs überwiegend im neuen Bundesstaat Pandschab an, was aus Sicht der Sikhs jedoch eine politische und wirtschaftliche Benachteiligung darstellte. Sie versuchen daher seit den 1980iger-Jahren, auch 76 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten mit terroristischen Anschlägen gegen indische Einrichtungen und deren Repräsentanten die Gründung eines unabhängigen Staates "Khalistan" (Land der Reinen) zu erzwingen. Die Hamburger Anhänger der extremistischen Sikh-Organisationen beschränken sich überwiegend auf propagandistische Aktionen und das Beschaffen von Geld. 2. Potenziale Die Zahl der Anhänger extremistischer Ausländerorganisationen (ohne Islamisten) in Deutschland betrug im Jahr 2009 etwa 24.710 (2008: 24.750). Bund: Personenpotenzial im nichtislamistischen Ausländerextremismus 30000 25000 27.350 27.150 26.750 26.350 25.720 25.320 25.250 25.250 24.750 24.710 20000 15000 10000 5000 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 - Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet - Im Berichtsjahr wurden in Deutschland 16.870 (2008: ebenso) Personen linksextremistischen ausländischen Organisationen sowie rund 77 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten 7.840 (Vorjahr: 7.880) Personen extrem-nationalistischen ausländischen Organisationen zugerechnet. Bundesebene: Anhängerpotenzial im nichtislamistischen Ausländerextremismus (nach Staats-/Volkszugehörigkeit und ideologischer Ausrichtung) Staatsbzw. Linksextremisten Nationalisten Volkszugehörigkeit 2008 2009 2008 2009 Kurden 11.500 11.500 - Türken 3.150 3.150 7.000 7.000 Araber 150 150 - Iraner 1.150 1.150 - Sonstige 920 920 880 840 Gesamt 16.870 16.870 7.880 7.840 - Alle Angaben sind geschätzt oder gerundet - Personen aus dem kurdischen Kulturkreis bilden mit etwa 11.500 Personen (2008: ebenso) den überwiegenden Teil des Potenzials ausländischer extremistischer Gruppierungen. Die zweitgrößte Volksgruppe mit 10.150 Anhängern (2008: ebenso) stellen Personen türkischer Herkunft (ohne Kurden). Das nachstehende Diagramm veranschaulicht den Anteil der Islamisten am Gesamtpotenzial ausländischer Extremisten in der Bundesrepublik Deutschland. Die geringe Zahl der deutschen Konvertiten wurde hier vernachlässigt. 78 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Bund: Gesamt-Personenpotenzial im Ausländerextremismus mit dem Anteil der Islamisten 80000 70000 60000 58.800 59.100 57.350 57.300 57.520 57.420 57.300 58.420 59.470 60.980 50000 40000 30000 20000 31.450 31.950 30.600 30.950 31.800 32.100 32.050 33.170 34.720 36.270 10000 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Ausländerextremisten davon insgesamt Islamisten - Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet - Informationen darüber, um welche islamistischen Gruppierungen es sich im Wesentlichen handelt, welche Gefahren von ihnen ausgehen und wie sich die Situation in Hamburg darstellt, finden sich im Kapitel "II. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten". In Hamburg gibt es etwa 920 (2008: 980) Anhänger ausländischer politisch-extremistischer Gruppierungen (ohne Islamisten). Sie gehören den folgenden Teilbereichen an: * Die Anhängerschaft der PKK ( 4.) wird - wie im Vorjahr - auf knapp 600 Personen geschätzt. * Die Zahl türkischer Linksextremisten ( 5.) betrug 140 (Vorjahr: ebenso), 79 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten * Die Anhängerschaft extremistischer Organisationen iranischer Nationalität wird auf 180 (2008: 230) geschätzt ( 6). Die Zahl des Hamburger NWRI-Potenzials wurde nach unten korrigiert. Informationen über iranische Islamisten: II.6.3 Hamburg: Gesamt-Personenpotenzial im Ausländerextremismus mit dem Anteil der Islamisten 3500 3.265 3.055 3.000 3.000 2.985 2.930 3000 2.590 2.630 2500 1.390 1.330 1.455 1.265 1.000 970 980 920 2000 1500 1.200 1.300 1.600 2.000 2.000 2.030 2.005 2.010 1000 500 0 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Ausländerextremisten Islamisten ohne Islamisten - Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet - 3. Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) Im Jahr 2009 wurden 30 politisch motivierte Straftaten im Ausländerextremismus in Hamburg erfasst, deutlich weniger als die 46 Straftaten im Jahr 2008 (Definition PMK: II.4). Diese Taten lassen sich einem breiten Spektrum von Delikten zuordnen. Häufig wurden Farbschmierereien und Sachbeschädigungen festgestellt. Es wurden jedoch auch schwerere Straftaten begangen: 80 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten In der Nacht zum 04.02.09 gab es in Hamburg-Altona eine versuchte Brandstiftung. Unbekannte Täter hatten drei Brandsätze auf ein türkisches Lokal geworfen; sie erloschen von selbst und verursachten nur einen geringen Sachschaden. Auf einer der Jugendorganisation der PKK, den "Komalen Ciwan", nahestehenden Internetseite wurde eine Bekennung zu dem Anschlag veröffentlicht. PMK2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Ausländer PMKAusländer 25 29 31 39 42 33 46 30 insgesamt davon extrem. 15 16 12 20 13 12 35 7 Kriminalität hiervon extrem. 1 7 6 12 2 4 7 1 Gewaltdelikte Die Zahlen stammen von der Polizei Hamburg. - Stand: Februar 2010 - Am 18.06.09 durchsuchte die Polizei im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der räuberischen Erpressung, der Bildung einer kriminellen Vereinigung und der Mitgliedschaft in einer verbotenen Vereinigung (PKK bzw. KONGRA GEL) die Wohnungen von fünf PKK-Angehörigen in Hamburg. Dabei wurden neben umfangreichen Beweismitteln für die Unterstützung der PKK auch eine scharfe Schusswaffe mit Munition gefunden. Der Abschluss des Verfahrens steht noch aus. 4. PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) 4.1 Entwicklungen und Organisatorisches Die am 27.11.78 in der Türkei gegründete PKK, die in Deutschland am 26.11.93 mit einem vereinsrechtlichen Betätigungsverbot belegt worden war, setzte ihre Aktivitäten ab April 2002 zunächst unter der Bezeichnung KADEK fort. Nachdem die Organisation sich im Oktober 2003 formell aufgelöst hatte, firmiert sie seit 15.11.03 als KONGRA 81 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten GEL. Das gegen die PKK verhängte Betätigungsverbot gilt auch für diese Nachfolgeorganisationen. Die PKK hatte 1984 hauptsächlich im Südosten der Türkei einen Guerillakrieg gegen das türkische Militär begonnen. Das Ziel, ein eigener kurdischer Staat, wurde später aufgegeben und durch die Forderung nach begrenzter Autonomie innerhalb des türkischen Staates ersetzt. Symbol des KONGRA GEL Der PKK-Gründer Abdullah ÖCALAN befindet sich seit 1999 auf der türkischen Insel Imrali in Haft. Über seine Anwälte hält er weiterhin Kontakt zur PKK und übt noch immer beträchtlichen Einfluss auf die Organisation sowie deren Strategie und Handeln aus. Für die Anhänger der PKK ist ÖCALAN weiterhin die unbestrittene Führungsund Integrationsfigur, sie betreiben einen regelrechten Personenkult um ihn. Die Forderung nach seiner Freilassung ist seit Jahren eines der zentralen Agitationsthemen. Basierend auf den Vorstellungen ÖCALANs wurde seit 2005 die Idee eines überstaatlichen Gemeinwesens der Kurden entwickelt. Als organisatorische Struktur wurde hierzu die KCK (Koma Ciwaken Kurdistan, Union der Gesellschaften Kurdistans) ins Leben gerufen, deren höchstes Beschlussgremium der KONGRA GEL ist. Aus der Haft fungiert formell ÖCALAN als Führer der KCK, tatsächlich liegt die Leitung jedoch in den Händen von Murat KARAYILAN (Foto), dem Vorsitzenden des KCK-Exekutivrates und designierten Nachfolger ÖCALANs. Ungeachtet der mehrfachen Namenswechsel sowie der diversen "Neugründungen" wie KONGRA GEL und KCK besteht weiterhin die Kernorganisation PKK. Die überwiegend gleichlautenden Aussagen und die teilweise Identität ihrer Protagonisten machen eine genauere Unterscheidung der Organisationsteile hinsichtlich Funktion und Bedeutung nahezu unmöglich. 82 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Ebenfalls über die Jahre unverändert ist die innere Struktur, die den Charakter einer autoritär geführten Kaderorganisation hat und durch ein ausgeprägtes Hierarchiedenken geprägt ist. Ein eigenständiges Handeln nachgeordneter Organisationseinheiten ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die von ÖCALAN und dem Exekutivrat der KCK festgelegte Führungslinie gilt quasi als Gesetz. Im Zusammenhang mit den Kommunalwahlen am 29.03.09 in der Türkei verkündete die PKK einen befristeten einseitigen Waffenstillstand ("Phase der Aktionslosigkeit"), der zwischenzeitlich mehrfach verlängert wurde. Das Ergebnis der Kommunalwahlen - die DTP wurde in den kurdischen Gebieten stärkste Kraft - ermutigte die KCK, intensiver auf politische statt auf militärische Lösungen zu setzen. Im Gegenzug signalisierte die türkische Regierung unter dem Schlagwort "kurdische Öffnung" ihre Bereitschaft, den Kurden mehr Rechte zuzuerkennen. ÖCALAN (Foto) versuchte, den Annäherungsprozess voranzutreiben, indem er eine "Roadmap" ankündigte, die Schritte zu einer friedlichen Lösung der Kurdenfrage aufzeigen sollte. Nachdem er dieses Papier im August 2009 fertiggestellt hatte, wurde es an die Gefängnisleitung auf Imrali übergeben, aber vom türkischen Staat bisher nicht veröffentlicht. Die konkreten Inhalte der "Roadmap" waren daher bei Redaktionsschluss nicht bekannt. Auf Anregung ÖCALANs entschied die PKK Mitte Oktober 2009, "Friedensgruppen" in die Türkei zu entsenden. Ziel dieser Geste sei es, wie die PKK erklärte, die noch in den Anfängen steckende "Phase für einen demokratischen Frieden" positiv zu beeinflussen. Am 19.10.09 reiste eine insgesamt 34-köpfige "Friedensgruppe", der u.a. auch Guerillakämpfer aus dem Kandil-Gebirge angehörten, nahezu ungehindert aus dem Nordirak in die Türkei ein. In einem von der Gruppe mitgeführten Schreiben waren als Grundlage für eine Diskussion über die kurdische Frage folgende Punkte zu einem Forderungspaket formuliert: * Freigabe der von ÖCALAN vorgeschlagenen "Roadmap" * Beendigung der militärischen und politischen Operationen 83 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten * Anerkennung und verfassungsmäßig garantierte Akzeptanz der kurdischen Identität sowie der kurdischen Sprache und Namen * Toleranz gegenüber der kurdischen Kultur, Kunst und Erziehung * Selbstbestimmungsrecht, Recht auf politische Betätigung und freie Meinungsäußerung * Einstellung der Kriegshandlungen in von Kurden bewohnten Provinzen und Garantie für sicheres und friedliches Leben in diesen Gebieten * Demokratisierung der Türkei Trotz des begonnenen Friedensprozesses greift die PKK aber auch weiterhin auf militärische Mittel zurück. Der von ihr ausgerufene einseitige Waffenstillstand gilt nicht uneingeschränkt, sondern die Organisation behält sich das Recht auf "Selbstverteidigung", das zu dem Kernbereich ihres Selbstverständnisses zählt, ausdrücklich vor. Dabei wird die "kurdische Öffnung" einerseits als Chance angesehen, andererseits wird die Option des (bewaffneten) Kampfes offengehalten, weil gegenüber dem türkischen Staat unverändert tiefes Misstrauen besteht. So äußerte ein Funktionär der PKK in einer Erklärung, dass die "kurdische Öffnung" tatsächlich ein Plan zur Vernichtung der PKK und der Guerilla sei. Eine demokratisch-politische Lösung des Kurdenproblems könne ohne die Guerilla nicht erreicht werden, deshalb sei es die demokratische Hauptpflicht jedes Patrioten, diese zu beschützen. Die "Selbstverteidigung" schließt nach dem Verständnis der PKK das Verüben von Anschlägen ein. Am 29.04.09 kamen bei der Explosion eines ferngezündeten Sprengsatzes in der Nähe der südostanatolischen Stadt Lice neun türkische Soldaten ums Leben, die dem Vorauskommando eines Militärkonvois angehörten. Zu der Aktion bekannten sich die "Volksverteidigungskräfte" (HPG), der bewaffnete Arm der PKK. Einer Mitteilung der HPG zufolge sei der Anschlag aufgrund der Operationen des türkischen Militärs in der Region sowie als Reaktion auf die Festnahme kurdischer Politiker in der Türkei erfolgt. Es sei ein Vergeltungsschlag zu Verteidigungszwecken gewesen. 84 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Die grundsätzliche Bereitschaft zum Einsatz gewaltsamer Mittel wurde beispielhaft an einem Aufruf der "Komalen Ciwan" (Jugendunion), der Jugendorganisation der PKK, deutlich. Nachdem es anlässlich von Veranstaltungen zum 60. Geburtstag Abdullah ÖCALANs (04.04.09) zu Auseinandersetzungen zwischen Kurden und türkischen Sicherheitskräften gekommen war, forderten die "Komalen Ciwan": "Alle Angriffe dieses Feindes müssen gerächt werden. Insbesondere in Nordkurdistan und der Türkei müssen wie von jeher Racheeinheiten gebildet werden. Es müssen Selbstverteidigungseinheiten einschreiten." Es ist davon auszugehen, dass die PKK ihre Doppelstrategie - verstärkte Bemühungen um eine friedliche Lösung der Kurdenfrage bei gleichzeitigem Festhalten am bewaffneten Kampf - fortsetzen wird. Dieses zweigleisige Vorgehen ist zum einen taktisch bedingt, zum anderen aber auch Ausdruck von unterschiedlichen Ansichten innerhalb der Organisation über den künftigen Weg. 4.2 Aktivitäten und Schwerpunkte in Deutschland Auf der Europaebene liegt die Parteiarbeit der PKK in den Händen ihres politischen Arms, der CDK (Koordinasyona Civaka Demokratik ya Kurden Ewrupa, Koordination der kurdischen demokratischen Gesellschaft in Europa). In Deutschland tritt für die Belange der PKK die Dachorganisation YEK-KOM (Yekitiya Komelen Kurd il Almanya, Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V.) ein. Die YEK-KOM übernimmt vor allem Propagandatätigkeiten, indem sie für Presseerklärungen und Flugblätter verantwortlich zeichnet und häufig als Anmelderin von öffentlichen Veranstaltungen fungiert. Neben aktuellen Kampagnen (z.B. gegen Festnahmen von Funktionären oder die Haftbedingungen ÖCALANs) setzt sich die YEK-KOM kontinuierlich für die Aufhebung des Betätigungsverbots ein und fordert die Streichung der PKK und ihrer Nachfolgeorganisationen von der "EU-Terrorliste". 85 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Am 03.04.08 hatte das Gericht Erster Instanz der EU die - im Jahr 2002 erfolgte - Aufnahme der PKK und des KONGRA GEL in die "Terrorliste" für nichtig erklärt. Die Richter sahen die Listung als nicht ausreichend begründet an. Trotzdem ist sie bisher nicht aufgehoben worden, da nach Auffassung des EU-Ministerrates das Gerichtsurteil die Gültigkeit der "Terrorliste" nicht berühre. Eine endgültige Entscheidung der europäischen Gerichte steht noch aus. Für das in Deutschland bestehende vereinsrechtliche Betätigungsverbot der PKK sowie ihrer Nachfolgeund Teilorganisationen hat das Urteil keine unmittelbaren Auswirkungen. Auch die Strafverfahren gegen die Organisation und ihre Funktionäre als "kriminelle Vereinigung" richten sich seit Jahren nach den Bestimmungen des SS 129 StGB. Insgesamt wurden seit dem Betätigungsverbot rund einhundert Angehörige der mittleren und oberen Führungsebene der PKK wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu Freiheitsstrafen verurteilt. So verurteilte z.B. das OLG Düsseldorf am 31.07.09 einen hochrangigen Kader der PKK wegen Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung und Nötigung in einem besonders schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Betreffende zwischen 2006 und 2008 als Führungsfunktionär der PKK konspirativ gearbeitet hat und für die Schleusung von Guerillakämpfern ebenso verantwortlich gewesen ist wie für Schutzgelderpressungen. Wie das Urteil des OLG Düsseldorf bestätigt, verfügt die PKK ungeachtet des Betätigungsverbots in Deutschland über einen illegalen und konspirativ handelnden Funktionärskörper. Ebenso besteht weiterhin eine feste Organisationsstruktur: Deutschland ist in die drei Bereiche Nord, Mitte und Süd unterteilt. Auf der darunter liegenden (Hierarchie-) Ebene sind "Gebiete" angesiedelt; Hamburg bildet zusammen mit seinem "Umland" in Schleswig-Holstein und Niedersachsen ein solches Gebiet. Zentrale Aufgaben der PKK sind die Finanzierung der Organisation und die Mobilisierung der Anhänger. Für ihren großen Funktionärsapparat und ihre umfangreichen Aktivitäten sowie zur Unterstützung der Guerilla in der Türkei benötigt die PKK erhebliche finanzielle Mittel, die vor allem in Europa beschafft werden. Im Einzelnen stammen die Einnahmen aus Beiträgen der Mitglieder, dem Verkauf von Publikatio86 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten nen und den Erlösen aus der Durchführung von Veranstaltungen. Den größten Teil bringen die jährlichen Spendensammlungen ein, die von September bis in das folgende Jahr hinein stattfinden. Hierbei erhält jedes Gebiet eine Zielvorgabe und steht unter dem organisationsinternen Druck, diese zu erfüllen. Für Deutschland sollten für 2009 insgesamt ca. sechs Millionen Euro, für Europa etwa 18 Millionen erreicht werden. Den Spendern wird - entsprechend dem Selbstverständnis der PKK, alle Kurden zu vertreten - erklärt, dass ihre Zahlungen eine "Steuer" zur "Befreiung Kurdistans" seien, der man sich nicht entziehen könne. Die PKK bzw. die ihr angeschlossenen Organisationen führen pro Jahr mehrere bundesweite Großveranstaltungen durch, die in erster Linie den inneren Zusammenhalt stärken sollen. Unabhängig von ihrem konkreten Anlass dienen solche Veranstaltungen regelmäßig dazu, aus Sicht der PKK wichtige Themen (z.B. die Haftsituation ÖCALANs) im Bewusstsein der eigenen Anhänger wachzuhalten. Um dies zu erreichen, ist die PKK bereit, das Betätigungsverbot in Deutschland offen zu ignorieren. Dazu hieß es organisationsintern, es sei unabdingbar, die Basis in Europa zu aktivieren. Die Europäer sollten spüren, dass sie von den Kurden gestört würden, solange man gegen diese vorgehe, die Kurdenfrage nicht gelöst und der Führer Apo (ÖCALAN) in Geiselhaft sei. Bei allen Aktionen müssten Symbole, Fahnen und ÖCALANTransparente mitgeführt werden, gegen alle Widerstände. Insoweit dürfe nicht gezögert werden. Am 14.02.09 erinnerten Anhänger der PKK öffentlichkeitswirksam an den zehnten Jahrestag der Festnahme ÖCALANs (15.02.99). Neben mehreren kleineren Kundgebungen in Deutschland fand wie in den Vorjahren eine Großdemonstration in Straßburg / Frankreich statt, an der mehr als 10.000 Personen, davon ein Großteil aus Deutschland, teilnahmen. Laut Medienberichten äußerte der Vorsitzende des KONGRA GEL, Murat KARAYILAN, in einer Rede u.a.: "Wir sind an der Seite unseres Volksführers, bis er die Freiheit erlangt." Rund 15.000 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet versammelten sich am 21.03.09 in Hannover zu einer von der YEK-KOM angemeldeten Großkundgebung anlässlich des kurdischen Neujahrsfestes Newroz. Im Vorfeld und während der Veranstaltung wurden mehr als 87 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten 2.000 Fahnen mit verbotenen Symbolen sichergestellt und 80 Ermittlungsverfahren eingeleitet, davon 70 wegen Verstößen gegen das Betätigungsverbot. Zuvor waren bereits am 18.03.09 im Zuge der Gefahrenabwehr die Räumlichkeiten der YEK-KOM in Hannover durchsucht worden. Zu dem von der YEK-KOM organisierten "17. Internationalen Kurdischen Kulturfestival", das am 12.09.09 in Gelsenkirchen stattfand (Motto "Ein freier Führer, eine freie Identität und demokratische Autonomie"), reisten ca. 40.000 Teilnehmer aus ganz Europa an. Der Vorsitzende der YEK-KOM forderte in seiner Eröffnungsrede die Beachtung der von ÖCALAN entworfenen Roadmap. Er kritisierte den deutschen Staat, indem er die Aufhebung des Verbots kurdischer Symbole forderte. Wolle man mit den Kurden in Frieden leben, müsse man die Repressionen und Verbote gegen sie aufheben. Der Vorsitzende des KCKExekutivrates, Murat KARAYILAN, würdigte in einer eingespielten Botschaft die "Heldentaten des Widerstandes". Weitere Großveranstaltungen sollen speziell Frauen und Jugendliche ansprechen. In Gelsenkirchen fand am 06.06.09 das "5. Zilan-Frauenfestival" mit annähernd 4.000 Teilnehmern statt. Namensgeberin des Festivals ist Zeynep KINACI alias "Zilan", die in PKK-Kreisen als Märtyrerin gilt, nachdem sie 1996 in Tunceli / Türkei einen Selbstmordanschlag auf eine Militärparade verübt hatte. Am 11.07.09 fand in Köln zum zwölften Mal das "Mazlum Dogan JugendKulturund Sportfestival" statt, benannt nach einem 1982 in türkischer Haft umgekommenen und deshalb als Märtyrer verehrten ehemaligen PKK-Funktionär. Bei den rund 6.500 Teilnehmern handelte es sich überwiegend um Kurden jüngeren Alters aus Deutschland und dem benachbarten Ausland. Eingebettet in ein kulturelles Rahmenprogramm dominierten sportliche Wettkämpfe, daneben wurden in 88 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Redebeiträgen aber auch politische Inhalte thematisiert. Einer Pressemeldung zufolge rief Murat KARAYILAN die Jugendlichen in einer eingespielten Botschaft auf, sich aktiv am Kampf zu beteiligen. Sie seien die Vorreiter des Freiheitskampfes und die Hoffnung des kurdischen Volkes. Allein der Umstand, dass bei Großveranstaltungen regelmäßig auch "gefallene Märtyrer" glorifiziert werden, belegt beispielhaft, welch hohen Stellenwert der bewaffnete Kampf (in der Türkei) für die PKK unverändert besitzt - trotz ihrer gleichzeitigen verstärkten Bemühungen um eine friedliche Lösung der Kurdenfrage. Gegenüber Deutschland ist die PKK zwar grundsätzlich um einen friedlichen Kurs bemüht, gleichzeitig jedoch werden gewaltsame Aktionen ihrer jugendlichen Anhänger auf deutschem Boden zumindest gebilligt. Das Mobilisierungspotenzial dieser Jugendlichen ist nur schwer einzuschätzen. Sie werden in einschlägigen Medien, insbesondere im Internet, stets zu Engagement und Aktionen motiviert. Außerdem werden sie verstärkt dazu aufgerufen, sich der Guerilla anzuschließen. Die PKK unternimmt große Anstrengungen, um Nachwuchs zu gewinnen und richtet dafür Veranstaltungen sportlicher oder kultureller Art aus (z.B. das o.g. Festival zum Gedenken an Mazlum DOGAN), mit denen Jugendliche an die Organisation herangeführt werden sollen. 4.3 Situation in Hamburg Die politische Linie des Dachverbandes YEK-KOM ( 4.2) wird auf regionaler Ebene von den jeweiligen lokalen Vereinen umgesetzt. In Hamburg befinden sich diese Vereinsstrukturen derzeit im Umbruch. Das "Kurdistan Volkshaus e.V." und der "Verein freier Frauen aus Mesopotamien e.V.", die beide der PKK zuzurechnen waren, haben ihre Auflösung beschlossen, befinden sich in der Liquidation oder existieren bereits nicht mehr. Ihre Aufgaben gingen auf neue Vereine über. 89 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Das Ende 2008 gegründete "Kurdisch-deutsche Kulturzentrum e.V." hat Räume im Steindamm 62 angemietet. Bei der Eröffnungsveranstaltung im September 2009 hielt u.a. der Vorsitzende der YEK-KOM eine Rede. Die Räumlichkeiten dienen als Anlaufpunkt für Anhänger der PKK, die damit nach längerer Zeit wieder über ein eigenes Domizil verfügen. Als weiterer Verein trat das seit Oktober 2008 bestehende "Nujiyan Frauenzentrum e.V." (Nujiyan = Neues Leben) auf. Medienberichten zufolge habe der Verein wiederholt Veranstaltungen für (kurdische) Frauen durchgeführt, u.a. zu der von einer Unterorganisation des KONGRA GEL initiierten Kampagne "Unsere Ehre ist unsere Freiheit" gegen die Unterdrückung der Frau. Vereinzelt werden lokale Aktivitäten auch unter dem Namen "Kurdischer Volksrat Hamburg" organisiert - andere Bezeichnungen wie "Kurdistan Volksrat" oder "Volksrat" sind ebenfalls gebräuchlich. Den Vorsitzenden des "Volksrates" auf "Volksversammlungen" wählen zu lassen und die Existenz zahlreicher Ausschüsse - etwa für Frauen, Jugend, Schulung und Propaganda, Kultur und Kunst, Außenbeziehungen, religiöse Gruppen und Finanzen - sollen den Anschein von Mitbestimmung und Basisdemokratie erwecken. Tatsächlich änderte sich mit dem Modell der "Volksräte" die vorhandene, streng hierarchische Führungsstruktur aber nicht. Weiterhin sind die von der PKK nach einem Rotationsprinzip für einige Monate bis zu einem Jahr entsandten Kader die wirklichen Entscheidungsträger in Hamburg. Das personelle Potenzial der PKK bewegt sich wie im Vorjahr auf relativ niedrigem Niveau. Außer ihren rund 600 Anhängern verfügt die Organisation in Hamburg über ein Sympathisantenumfeld, das sich ebenfalls weitgehend mit ihren Zielen und insbesondere mit ÖCALAN als Person und Führungsfigur im "Freiheitskampf" des kurdischen Volkes identifiziert. Dieses Umfeld stagniert bei etwa 1.500 Personen, tendenziell sinkend, nachdem es vor einigen Jahren noch geschätzte 3.000 gewesen waren. Der Rückgang der Anhängerund Sympathisantenzahlen ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Zum einen haben die organisatorischen Veränderungen der letzten Jahre (Umbenennungen, Neugründungen, neue Strukturen) intern Verwirrung hervorgerufen und letztlich mehr Schaden als Nutzen gebracht. Daneben ist die Kaderebene in Hamburg derzeit nicht in der Lage, die eigene Gefolgschaft nachhaltig zu 90 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten mobilisieren. Die "Volksversammlungen", bei denen den Anhängern Ideologie und Ziele der PKK vermittelt werden sollen, finden nur noch sporadisch statt. Als Folge dieser Entwicklungen lässt das Engagement für die PKK auf breiter Front nach. Der Organisation mangelt es vor allem an Aktivisten, die die "Arbeit auf der Straße" leisten, d.h. Spenden sammeln, Publikationen und Karten für Veranstaltungen verkaufen sowie für die Teilnahme an Demonstrationen werben. Mit Rücksicht auf ein möglichst legales Erscheinungsbild geht die PKK im Vergleich zu früheren Jahren - wenn überhaupt - zurückhaltender gegen Personen vor, die Spendenzahlungen verweigern. Direkter Druck wird kaum noch ausgeübt, trotzdem kommt es aber in Einzelfällen weiter zu entsprechenden Straftaten. Am 18.06.09 durchsuchte die Polizei im RahSymbolfoto:Microsoft men eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der räuberischen Erpressung, der Bildung einer kriminellen Vereinigung und der Mitgliedschaft in einer verbotenen Vereinigung (PKK bzw. KONGRA GEL) die Wohnungen von fünf Angehörigen der PKK in Hamburg. Dabei wurden umfangreiche Beweismittel sichergestellt, die die Tätigkeit der Betroffenen für die PKK untermauern. Eine der Personen war außerdem im Besitz einer scharfen Schusswaffe mit Munition. Ausgangspunkt für das Ermittlungsverfahren war eine Anzeige wegen Spendengelderpressung. Die Zahl der Teilnehmer an Demonstrationen und Kundgebungen mit PKK-Hintergrund lag 2009 zwischen 30 und 500 und damit noch niedriger als im Vorjahr. Diese geringe Unterstützung ist einerseits eine Folge der derzeitigen organisatorischen Schwäche der PKK in Hamburg, gleichzeitig aber auch Ausdruck einer fortschreitenden Entpolitisierung. Größere Resonanz wird nur noch punktuell mit emotional ansprechenden Themen, z.B. der Haftsituation ÖCALANs, erreicht: * Für den 13.02.09 war in der Innenstadt eine Demonstration mit erwarteten 100 Teilnehmern zu dem Thema "Frieden in Kurdistan, Freiheit für ÖCALAN" angemeldet worden, tatsächlich erschienen nur 65 Personen. 91 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten * Als Reaktion auf Maßnahmen des türkischen Staates gegen Mitglieder der DTP ( 1., 4.1) kam es am 18.04.09 in der Innenstadt zu einer Protestdemonstration unter dem Motto "Schluss mit der Repression in der Türkei, gegen Wahlbetrug und Freiheit für Abdullah ÖCALAN". Die ca. 390 Teilnehmer zogen vor das Türkische Generalkonsulat, wo eine Abschlusskundgebung mit Redebeiträgen stattfand. * Der 31. Jahrestag der PKK-Gründung wurde am 29.11.09 in Hamburg-Allermöhe als Saalveranstaltung begangen - deklariert als Feier anlässlich des Opferfestes. Rund 600 Besucher hörten mehrere Ansprachen, deren Kernaussage die Befürchtung war, mit der "kurdischen Öffnung" ( 4.1) könne der türkische Staat versuchen, die PKK durch geringe Zugeständnisse hinzuhalten. In Wirklichkeit werde aber eine unehrliche Politik gegenüber den Kurden betrieben. * Am 05.12.09 demonstrierten 400 Personen für eine Verbesserung der Haftbedingungen ÖCALANs. Die Abschlusskundgebung fand vor dem Türkischen Generalkonsulat statt. Hintergrund dieses Aufzuges waren Äußerungen ÖCALANs, unter gesundheitlichen Problemen zu leiden, weil die Gefängnisleitung seine Haftumstände verschlechtert habe. Daraufhin hatten Kurden sowohl in der Türkei als auch in verschiedenen europäischen Staaten Protestveranstaltungen organisiert. In der Türkei kam es dabei zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften. Bereits Anfang 2009 waren ÖCALANs Haftbedingungen der Auslöser für zum Teil militante Protestaktionen. Eine versuchte Brandstiftung wurde in der Nacht zum 04.02.09 in Hamburg-Altona festgestellt. Unbekannte Täter hatten auf ein türkisches Lokal drei Brandsätze geworfen, die aber von selbst wieder erloschen und nur geringen Sachschaden verursachten. Auf einer den "Komalen Ciwan" nahestehenden Internetseite wurde eine Bekennung auch zu diesem Anschlag in Hamburg veröffentlicht (auch in anderen deutschen Städten hatte es Brandanschläge auf türkische Einrichtungen gegeben). Übereinstimmend wurde betont, es habe sich um Reaktionen auf die verschärften Haftumstände sowie auf den Jahrestag des "internationa92 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten len Komplotts" gehandelt - gemeint ist die Festnahme ÖCALANs am 15.02.99. Die Brandanschläge bestätigen einmal mehr, dass insbesondere die jüngeren Anhänger der PKK situationsabhängig - auch in Deutschland - gewaltsame Mittel einsetzen. Zu den weiteren Aktivitäten der "Komalen Ciwan" in Hamburg zählt die Anwerbung von Jugendlichen für organisationsinterne "Lehrgänge", bei denen die Jugendlichen vorwiegend ideologisch geschult werden. Im Mai 2009 wurden Anzeigen erstattet, weil zwei minderjährige Personen ohne Zustimmung ihrer Eltern nach Frankreich gebracht worden waren, um an einem solchen "Lehrgang" teilzunehmen. 5. Türken Revolutionär-marxistische Gruppierungen DHKP-C (Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephe, Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) Die seit dem 13.08.98 in Deutschland verbotene marxistisch-leninistisch ausgerichtete DHKP-C hat ihren Ursprung in der schon 1983 verbotenen Devrimci Sol (Revolutionäre Linke). Die Organisation besteht aus einem politischen (Revolutionäre Volksbefreiungspartei, DHKP) und einem militärischen Arm (Revolutionäre Volksbefreiungsfront, DHKC). Der politische Arm propagiert weiterhin den "bewaffneten Kampf" in der Türkei. Anlässlich des Todestages ihres Parteigründers Dursun KARATAS verkündete die DHKP in ihrer Internetveröffentlichung vom 11.08.09: "Um das Versprechen, das wir unseren Gefallenen, insbesondere unserem Führer, gegeben haben, umzusetzen, werden wir 93 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten ohne zu zögern und ohne Halt den Krieg fortsetzen. Unser Führer hat uns in erster Linie zwei Hauptaufgaben hinterlassen: 1. Sich zu organisieren und 2. Den bewaffneten Krieg zu intensivieren. Diese Aufgaben haben wir immer noch vor uns. Unser Versprechen werden wir einhalten, indem wir den bewaffneten Krieg intensivieren und die Massen organisieren." Am 29.04.09 verhinderten türkische Sicherheitskräfte in Ankara auf dem Gelände der Universität einen Selbstmordanschlag, der gegen den ehemaligen türkischen Justizminister Hikmet Sami TÜRK gerichtet war. Die beiden mutmaßlichen Täterinnen wurden am Tatort festgenommen; eine war wegen Mitgliedschaft in der DHKP-C bereits vorbestraft. Auf ihrer Internetseite bekannte sich die DHKP-C zu dem Anschlag: "Egal wo sich diese Mörder, Folterknechte und Ausbeuter aufhalten, die Gerechtigkeit des Volkes wird sie immer finden und bestrafen." In Deutschland haben intensive Strafverfolgungsmaßnahmen mit Festnahmen, Gerichtsverfahren und Verurteilungen der wichtigsten Führungsfunktionäre die Wirkungsmöglichkeiten der Organisation nachhaltig beeinträchtigt. Bundesweit gehören der DHKP-C über 650 Mitglieder an, in Hamburg sind es etwa 20. Die Finanzierung erfolgt hauptsächlich durch Mitgliedsbeiträge, Spendensammlungen und Musikveranstaltungen. So fand am 15.11.09 im "Delphi Showpalast" in Hamburg eine Konzertveranstaltung mit 750 Besuchern (Eigenangabe) statt, bei der die Vorsitzende der DHKP-C-Umfeldorganisation "Anatolische Föderation e.V." als Rednerin auftrat. Sie thematisierte insbesondere die Festnahmen der ehemaligen Vorsitzenden der "Anatolischen Föderation" Nurhan ERDEM, Cengiz OBAN und Ahmet ISTANBULLU und erklärte, dass der "Kampf gegen die Unterdrückung der Völker" intensiviert werden soll. Der "Solidaritätsverein mit den politischen Gefangenen und deren Familien in der Türkei" (TAYAD) greift politische Themen im Sinne der DHKP-C auf. Am 03.09.09 veranstaltete das TAYAD-Komitee 94 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Hamburg unter dem Tenor "Freilassung der krebskranken Gefangenen Gülar Zere aus türkischem Gefängnis!" vor dem türkischen Generalkonsulat eine Kundgebung, an der ca. 15 Personen teilnahmen. Die "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ ML) war eine marxistisch-leninistisch-maoistische Partei, die 1972 von Ibrahim KAYPAKKAYA (Foto) gegründet wurde. Ihr Ziel war ein bewaffneter Umsturz in der Türkei und die Gründung eines "demokratischen Volksstaats" unter Führung des Proletariats. Nach mehreren Abspaltungen zerfiel die TKP/ML im Wesentlichen in die Organisationen TKP/ML-Partizan und "Maoistische Kommunistische Partei" (MKP). Die TKP/ML-Partizan (Türkiye Komünist Partisi / Marksist Leninist, Türkische Kommunistische Partei / Marxisten Leninisten) bekennt sich unverändert zum Marxismus-Leninismus und dem in der Türkei praktizierten bewaffneten "Volkskrieg". In einem Flugblatt heißt es, die sich aktuell zuspitzenden Klassenwidersprüche - u.a. in der Türkei - seien ein wichtiger Aspekt für das Vorantreiben von Klassenkämpfen. Die aktuelle Finanzmarktkrise wird als Indikator für das Zusammenbrechen des "imperialistischen und kapitalistischen Systems" gewertet. Daraus erwachse den Kommunisten die Aufgabe, dieses System endgültig zu stürzen. Die Verfasser führen zum revolutionären Kampf aus: "Die Existenz unserer Partei TKP/ML beruft sich darauf, in unserem Land (Türkei) die Neu-Demokratische Revolution durchzuführen und unter der proletarischen Diktatur bis zum Endziel, dem Kommunismus, voranzuschreiten. Diese Revolution ist ein Teil der Weltrevolution. Der Volkskrieg, den wir organisieren wollen, hat einen lang andauernden und schweren Weg vor sich, und für diesen Weg muss man ohne Weiteres viele Opfer bringen. In diesem Zusammenhang hat unsere Partei bereits viele Opfer gebracht, und es wird auch noch mehr Opfer kosten." Ihr militärischer Arm in der Türkei ist die "Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee" (TIKKO). 95 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten An der alljährlichen Gedenkveranstaltung zum 36. Todestag des Parteigründers Ibrahim KAYPAKKAYA am 09.05.09 in Ludwigshafen (RP) nahmen rund 2.000 Anhänger und Sympathisanten der TKP/ML aus Deutschland und dem benachbarten Ausland teil. Propagandistische Arbeit wird vorwiegend durch die der Organisation nahestehende "Föderation der Arbeiter aus der Türkei" (ATIF) geleistet. Bundesweit gehören der TKP/ML-Partizan ca. 800 Mitglieder an, in Hamburg sind es 40. Wie die TKP/ML erinnert auch die MKP (Maoist Komünist Partisi, Maoistische Kommunistische Partei) jedes Jahr mit einer Gedenkveranstaltung an den Tod von Ibrahim KAYPAKKAYA. Ihre diesjährige Feier fand mit ca. 1.000 Teilnehmern am 23.05.09 in Köln statt. Als militärischer Arm der MKP fungiert in der Türkei die "Volksbefreiungsarmee" (HKO). Die AGIF, die ATIK und die "Konföderation für demokratische Rechte in Europa" (ADHK), die alle eine thematische Nähe zur MKP aufweisen, haben sich am 25.04.09 in Hamburg im Rahmen der Kampagne "Nein zu Repressionsgesetzen" mit einem Informationsstand (Foto) präsentiert. In Deutschland gehören der MKP rund 500 Personen an, davon ca. 40 in Hamburg. Die 1994 in der Türkei gegründete MLKP (Marksist Leninist Komünist Partisi, Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei) vertritt die Lehren von Marx, Engels, Lenin und Stalin. Ihr Ziel ist, das türkische Staatsgefüge durch eine gewaltsame Revolution zu beseitigen und in eine Diktatur des Proletariats umzuwandeln. Die nur in der Türkei agierenden "Bewaffneten Einheiten der Armen und Unterdrückten" (FESK) werden von den dortigen Sicherheitsbehörden als bewaffneter Arm der MLKP angesehen. 96 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Auf ihrem vierten Parteitag vom 15.08. bis zum 01.09.09 kündigte die MLKP - wie in den Vorjahren - eine Revolution in der Türkei an: "Der 4. Parteitag ist eine öffentliche Bekanntmachung, dass unsere Partei mit der Entschlossenheit, die Revolution zu organisieren und den Sozialismus aufzubauen, in ihr 16. Kampfjahr eintritt." [...] "Der 4. Parteitag der MLKP ist ein Aufruf, den regionalen und internationalen Kampf gegen den Imperialismus zu verstärken, gegen den Kapitalismus den Sozialismus aufzubauen..." In Deutschland zählt die MLKP ca. 550 Mitglieder, in Hamburg sind es ca. 40. Die ihr nahestehende "Föderation der Arbeiterimmigrantinnen aus der Türkei in Deutschland e.V." (AGIF) behandelt zusätzlich auch Themen, die sich spezifisch auf Deutschland beziehen. 6. Iraner Iranische Oppositionelle 6.1 Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) Die "Volksmodjahedin Iran-Organisation" ("Modjahedin-E-Khalq", MEK) ist die größte und aktivste extremistische iranische Oppositionsgruppierung, die den Sturz des islamischen Regimes in Teheran anstrebt. In Europa und Nordamerika wird die MEK durch ihren politischen Arm, den "Nationalen Widerstandsrat Iran" (NWRI), vertreten. In der iranischen Bevölkerung haben die Volksmodjahedin wenig Rückhalt. Grund dafür ist die Beteiligung der MEK am Iran-Irak-Krieg von 1980 bis 1988 auf Seiten des damaligen irakischen Regimes von Saddam HUSSEIN. Bis Anfang 2002 war der im Irak ansässige militärische Arm der Organisation, die "Nationale Befreiungsarmee" (NLA), für zahlreiche 97 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Anschläge auf Einrichtungen und Repräsentanten in Iran verantwortlich. Im Mai 2003 wurde die NLA jedoch im Zuge des Irak-Krieges entwaffnet. Die MEK ist seitdem faktisch ihrer militärischen und terroristischen Möglichkeiten beraubt. Die ca. 3.500 ehemaligen Kämpfer der NLA befinden sich in dem nördlich von Bagdad gelegenen "Lager Ashraf", das unter den Schutz der vierten Genfer Konvention gestellt worden ist. Zunächst stand das Lager unter der Aufsicht US-amerikanischer Streitkräfte; Anfang 2009 übernahmen irakische Sicherheitsbehörden die Verwaltung. Die MEK legitimiert nach wie vor die Anwendung von Gewalt. Dies wird vor allem dadurch deutlich, dass die Organisation weiterhin am Fortbestand der NLA festhält. Beispielhaft hierfür ist eine Audio-Botschaft des MEK-Führers Massoud RADJAVI (Foto) vom 20.06.09. Darin nimmt er Stellung zu den Geschehnissen im Zusammenhang mit dem Ausgang der iranischen Präsidentschaftswahlen: "... Wenn ihr (das Regime) euch nicht zurückhaltet und nach den Prinzipien von Ahmadinejad vorgeht, Säuberungsund Unterdrückungsaktionen durchführt und Blutbäder anrichtet, um den Aufstand zu stoppen, findet die letzte Begegnung der Befreiungsarmee mit euch (dem Regime) in Teheran statt. ...Der Lösungsweg von Maryam Radjawi wird in der Hauptstadt des Löwen und der Sonne (gemeint: Teheran) siegen" (Hervorhebung nicht im Original). Massoud RADJAVI verweist damit auch 2009 auf den von Maryam RADJAVI bereits in den Vorjahren propagierten "Dritten Weg", der als eine Option für die Beseitigung des iranischen Regimes auch den Einsatz der "Nationalen Befreiungsarmee" vorsieht. Noch bis Ende 2008 feierte der NWRI in seiner Publikation "Mojahed" die NLA mit der Parole "Es lebe die nationale Befreiungsarmee, der starke Arm des tapferen iranischen Volkes". Auch 2009 hat sich der NWRI somit nicht von seiner grundsätzlichen Gewaltoption gelöst. In den USA gilt die MEK seit 1997, in Großbritannien seit 2001 als terroristische Organisation. Auf Initiative der britischen Regierung nahm 98 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten der Rat der Europäischen Union erstmals im Mai 2002 die MEK und die NLA in die EU-Liste terroristischer Organisationen auf. Nach mehreren Klageverfahren sind die MEK und die NLA seit Juni 2008 von der britischen Terrorliste gestrichen worden. Seit Januar 2009 sind sie auch auf der "EU-Terrorliste" nicht mehr vertreten. Wichtiges Agitationsthema im Berichtsjahr waren für die MEK die Ereignisse in dem "Lager Ashraf". Am 28.07.09 eskalierte die Situation (Foto), als irakische Sicherheitskräfte bei der Errichtung eines Polizeipostens im Lager auf den Widerstand der Bewohner stießen. Bei den Auseinandersetzungen wurden 36 Personen von irakischen Sicherheitskräften festgenommen, sie kamen wieder frei. NWRI-Anhänger in Deutschland reagierten auf die Auseinandersetzungen im "Lager Ashraf" mit mehreren Protestkundgebungen. Darüber hinaus traten ca. 35 NWRI-Anhänger vor dem Auswärtigen Amt in Berlin in Hungerstreik. Am 15.12.09 legte die irakische Regierung den Bewohnern des Lagers einen freiwilligen Abzug nahe. Bundesweit gehören dem NWRI ca. 900 Mitglieder an, in Hamburg etwa 150. Die Aktivitäten der Organisation sind rein propagandistisch ausgerichtet und darauf konzentriert, sich als demokratische Exilbewegung und einzige politische Alternative zum iranischen Regime darzustellen. So kritisiert der NWRI vornehmlich die Menschenrechtslage in Iran und das iranische Nuklearprogramm, um auf sich und seine politischen Ziele aufmerksam zu machen. Hierzu führen die Organisation bzw. die ihr angeschlossenen Vereine Demonstrationen, Protestkundgebungen sowie Unterschriftenaktionen durch und betreuen Infotische. Bei seiner Lobbyarbeit setzt der NWRI vorrangig auf die Unterstützung politischer Entscheidungsträger. Die Akzeptanz des NWRI ist unter den iranischen Oppositionellen nur gering, was zur Folge hatte, dass die Organisation nur eigene Protestaktionen - z.B. gegen die angebliche Wahlmanipulation in Iran - durchführte und damit lediglich geringe Resonanz erzielte. 99 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Seine Aktivitäten finanziert der NWRI außer durch Beiträge seiner Anhänger auch über Spendeneinnahmen (bei Straßensammlungen, Veranstaltungen sowie Hausbesuchen bei potenziellen Spendern). Angeblicher Zweck der bundesweit betriebenen Sammlungen sind humanitäre Ziele. Zur Verschleierung der tatsächlichen Verwendung des Erlöses gründete der NWRI in den letzten Jahren mehrere neue Spendenvereine, nachdem frühere als NWRI-Tarnorganisationen bekannt und aufgelöst worden waren. Zu den im Zusammenhang mit Spendensammlungen aufgefallenen Tarnvereinen zählen der "Verein für Menschen und Freiheit e.V." sowie der "Menschenrechtsverein für Migranten e.V.". Der letztgenannte Verein sammelte u.a. in Hamburg Spenden. Laut Vereinssatzung dient der Verein u.a. der "Förderung der Hilfe für politisch, rassisch oder religiös Verfolgte und Flüchtlinge". Tatsächlich werden die Spenden auch für Transportund Übernachtungskosten von NWRI-Anhängern zu zentralen Propaganda-Veranstaltungen in fünfstelliger Höhe verwendet, z. B. zu einer Großveranstaltung am 20.06.09 in Paris. Hamburg gehört zu den wichtigen Stützen des NWRI in Deutschland. Seine organisatorische Basis ist der Tarnverein "Iranische Gemeinschaft in Hamburg e.V." (IGH). Die IGH veranstaltete im Berichtsjahr Informationsstände (Foto) und Protestkundgebungen in der Hamburger Innenstadt. An den friedlich verlaufenen Protestaktionen nahmen zwischen 10 und 40 Anhänger teil. Die Hamburger Sektion beteiligte sich darüber hinaus an den deutschlandund europaweiten Veranstaltungen des NWRI in Berlin, Paris, Brüssel und Genf. 6.2 Arbeiterkommunistische Partei Iran (API) Die "Arbeiterkommunistische Partei Iran" (API) hat ihre Wurzeln in der "Kommunistischen Partei Irans", von der sie sich 1991 abspaltete. Die Organisation besteht seit 2004 aus zwei eigenständigen Fraktionen, der API-Altpartei und der API-HEKMATIST, benannt nach dem Parteigründer Mansour HEKMAT. Bei beiden Gruppierungen handelt es 100 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten sich um marxistisch-leninistische Kaderorganisationen, die den Sturz der iranischen Regierung unter Einsatz von Gewalt und die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung in Iran anstreben. Die Hekmatisten geben sich moderater als die Altpartei, da sie bereit sind, auf dem Weg ihres politischen Kampfes Koalitionen mit anderen Gruppierungen einzugehen. Beide Fraktionen unterhalten in Iran einen militärischen Arm. In Europa ist die API u.a. in Schweden, den Niederlanden, Großbritannien (mit Sitz ihrer Europazentrale in London) und in Deutschland vertreten. Sie unterhält verschiedene Nebenorganisationen wie beispielsweise die "Internationale Föderation Iranischer Flüchtlingsund Immigrantenräte e.V." (IFIR) und die "Internationale Kampagne zur Verteidigung der Frauenrechte im Iran e.V.". Die strikt hierarchisch aufgebauten Organisationen verfügen in Deutschland über insgesamt rund 250 Mitglieder. Sie unterteilen sich in einen regionalen Unterbau - bestehend aus den jeweiligen Gebietssektionen, die sich in ihrem Wirkungsbereich weitgehend an der föderalen Struktur Deutschlands orientieren. In Deutschland bestanden die - aus der Zentrale in Köln vorgegebenen - Aktionen der API aus friedlich verlaufenen Protestkundgebungen, Unterschriften-Kampagnen und Infoständen. Die Aktivitäten der jeweils rund 30 Mitglieder zählenden Organisationen in Hamburg waren 2009 wie im Vorjahr unauffällig und rückläufig. Die Protestaktionen befassten sich u.a. mit den Themen Hinrichtungen in Iran, Wahlbetrug, Freilassung von politischen Gefangenen. Bei den Demonstrationen gegen den Ausgang der Präsidentschaftswahlen in Iran mischte sich die API im Juli unter die iranische Opposition. 101 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Linksextremismus IV. Linksextremismus 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick Die Entwicklung des linksextremistischen Spektrums in Hamburg verlief im Jahr 2009 sehr unterschiedlich. Die Zahlen der Aktivitäten und Mitglieder orthodox-kommunistischer sowie revolutionär-marxistischer Organisationen blieben weitgehend konstant. Dagegen waren die undogmatischen Linksextremisten, insbesondere Autonome, vor allem in der zweiten Jahreshälfte sehr mobilisierungsfähig und militant, obwohl es 2009 kein szenerelevantes Großereignis in Hamburg gab. Die Zahl der gewaltorientierten Linksextremisten in Hamburg stieg gegenüber dem Jahr 2008 um 60 Personen an. Bei einem Überfall auf das Polizeikommissariat 16 in der Lerchenstraße (Foto) am 03.12.09 griffen DPA militante Autonome gezielt Polizeibeamte an und nahmen dabei bewusst eine erhebliche Gefährdung von Menschenleben in Kauf ( 5.3.1). Die mit dem "AutonomKongress" im Oktober 2009 in Hamburg verknüpften Erwartungen an eine inhaltliche, strukturelle und perspektivische Neubestimmung der Szene wurden nicht erfüllt ( 5.1). Zu diesem Kongress war bundesweit mobilisiert worden. Bei Protesten gegen internationale Großereignisse - wie die Feiern zum 60. Jahrestag der NATO-Gründung in Straßburg / Frankreich (Foto) und Baden-Baden / Baden-Württemberg sowie gegen den Klimagipfel in Kopenhagen / Dänemark ( 5.3.5) - kam es insbesondere durch autonome Gruppen zu schweren Ausschreitungen. Wegen der räumlichen Entfernung zu den Ereignissen 104 Linksextremismus war die Bereitschaft zur Teilnahme der Hamburger Szene geringer als bei den Aktionen gegen das G8-Treffen 2007 in Heiligendamm / Mecklenburg-Vorpommern. Aktionsschwerpunkte der autonomen Szene in Hamburg waren der Protest gegen die Aufwertung von Stadtvierteln ("Gentrifizierung") zum Nachteil einkommensschwacher Bevölkerungsteile ( 5.3.4) und der Kampf gegen staatliche "Repression" ( 5.3.1). Die nur in Norddeutschland aktive Gruppe "AVANTI - Projekt für eine undogmatische Linke" erweiterte ihren Einflussbereich durch Gründung einer achten Ortsgruppe ( 5.2.1). Linksextremistische Antifaschisten konnten aufgrund ihrer mangelnden Koordination nur wenige isolierte Aktionen durchführen. Längerfristig angelegt war nur die Kampagne "Brauner Sack" (Logo) gegen Infostände von Rechtsextremisten ( 7). Orthodoxe Kommunisten und revolutionäre Marxisten, darunter Strömungen in der Partei "DIE LINKE.", richteten den Fokus ihrer Aktivitäten auf die Agitation gegen Bundeswehreinsätze im Ausland, die Finanzkrise und gegen Kürzungen im Sozialund Bildungsbereich ( 6. bis 8). 105 Linksextremismus 2. Potenziale Linksextremistischen Organisationen und Vereinigungen gehörten im Jahre 2009 bundesweit 25.300 Personen an (2008: 25.200). Dieser Zahl sind noch 6.600 Personen (2008: 6.300) der Kategorie "Gewaltorientierte Linksextremisten" hinzuzurechen [Autonome ( 4.), Anarchisten und "Antiimperialistischer Widerstand" ( 5.2.3)]. Bund: Linksextremistische Personenpotenziale 35000 30000 25000 20000 15000 33.500 32.900 31.100 31.300 30.800 30.600 30.700 30.800 31.200 31.600 10000 5000 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 - Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet - Die Zahlen für die Bundesebene enthalten auch die Mitglieder der offen extremistischen Zusammenschlüsse in der Partei DIE LINKE., aber nicht die Gesamtzahl ihrer Mitglieder. In Hamburg waren im Berichtsjahr 1.200 Linksextremisten erfasst (nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften). Die Differenz zur Vorjahreszahl (1.120) resultiert insbesondere aus Zuwächsen im Bereich der undogmatischen Linksextremisten (Autonome, Antiimperialisten, Anarchisten). 106 Linksextremismus Linksextremistisches Personenpotenzial 2008 2009 auf Bundesebene Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten (Angehörige von Kernund Nebenorganisationen)1 25.200 25.300 Gewaltorientierte Linksextremisten2 6.300 6.6003 Gesamtpotenzial (abzüglich Mehrfachmitgliedschaften)4 31.200 31.600 - Alle Zahlen sind z.T. geschätzt oder gerundet - 1 Einschließlich der offen extremistischen Zusammenschlüsse innerhalb der Partei "DIE LINKE." 2 Enthält nicht nur tatsächlich als Täter / Tatverdächtige festgestellte Personen, sondern auch solche Linksextremisten, bei denen lediglich Anhaltspunkte für Gewaltorientierung gegeben sind. Erfasst sind nur Personenzusammenschlüsse, die feste Strukturen aufweisen und über einen längeren Zeitraum aktiv waren 3 Das Mobilisierungspotenzial der "Szene" umfasst zusätzlich mehrere Tausend Personen 4 In den Zahlen nicht enthalten sind Mitglieder linksextremistisch beeinflusster Organisationen Die Zahl der Angehörigen des autonomen Lagers ( 5.) erhöhte sich von 400 im Vorjahr auf 480. Ein erheblicher Teil dieses Zuwachses erklärt sich daraus, dass die Anhänger von AVANTI ( 5.2.1) erstmals den Autonomen zugerechnet wurden. Das Potenzial des "Antiimperialistischen Widerstandes" (AIW) blieb mit 60 Personen nahezu konstant, während das der Anarchisten leicht auf 40 schrumpfte. Insgesamt werden 580 der beim LfV Hamburg gespeicherten Linksextremisten (Autonome, Anarchisten und AIW) als gewaltorientiert eingestuft (Vorjahr: 520). Die Mitgliederzahl marxistisch-leninistischer Kernund Nebenorganisationen sowie revolutionär-marxistischer Gruppen entsprach mit 620 in etwa der des Vorjahres (600). 107 Linksextremismus Hamburg: Linksextremistische Personenpotenziale 1.300 1.340 1.130 1.500 1.500 1.480 1.500 1.500 1.120 1.200 520 520 500 480 480 470 500 500 520 580 - Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet - Linksextremistisches Personenpotenzial 2008 2009 in Hamburg Angehörige marxistisch-leninistischer Kernu. Nebenorganisationen sowie andere revolutionäre Marxisten und Trotzkisten 6001 6201 Gewaltorientierte (Autonome, Anarchisten u. Antiimperialistischer Widerstand) 5202 5802 Gesamtpotenzial (abzüglich Mehrfachmitgliedschaften) 1.120 1.200 -Alle Zahlen sind z.T. geschätzt oder gerundet- 1 Die Zahl enthält die Mitglieder der revolutionär-marxistischen Organisationsteile der Partei "DIE LINKE." 2 Das Mobilisierungspotenzial der "Szene" umfasst zusätzlich mehrere Hundert Personen 108 Linksextremismus 3. Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) Die Zahl der im Rahmen der PMK erfassten Strafund Gewalttaten in Hamburg stieg im Berichtsjahr gegenüber 2008 von 535 auf 757. Die darin enthaltenen linksextremistischen Straftaten gingen allerdings von 92 im Jahr 2008 auf 41 zurück; die linksextremistischen Gewaltdelikte verringerten sich von 51 auf 37. Die Rückgänge sind vornehmlich damit zu erklären, dass es 2009 keine szenerelevanten Großereignisse in Hamburg gab (Definition PMK: II.4). Schwerpunkte waren Brandanschläge und Sachbeschädigungen aus verschiedenen Anlässen, tätliche Angriffe auf Polizeibeamte (u.a. im Zusammenhang mit Demonstrationen) und Auseinandersetzungen zwischen Linksund Rechtsextremisten. Neben dem brutalen Vorgehen gegen Polizisten am 11.09.09 im Anschluss an Proteste autonomer "Antifaschisten" gegen eine Kundgebung ( 5.3.1) der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD, V.,8.1) sowie dem Überfall auf Beamte des Polizeikommissariats im Schanzenviertel am 03.12.09 und den Brandlegungen an Streifenwagen und am Dienstgebäude ( 5.3.1) werden hier folgende Straftaten exemplarisch genannt: Am 12.03.09 wurden fünf Kraftfahrzeuge der DHL in drei Stadtteilen Hamburgs in Brand gesetzt ( 4). PMK2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Links PMK-Links 221 308 254 289 255 453 535 757 insgesamt davon linksextrem. 16 16 23 32 18 98 92 41 Straftaten hiervon extrem. 4 11 16 19 9 49 51 37 Gewaltdelikte Die Zahlen stammen von der Polizei Hamburg - Stand: Februar 2010 - 109 Linksextremismus Am 19.11.09 verübten militante Autonome zeitgleich einen Brandanschlag auf ein Fahrzeug einer Werbefirma und beschädigten das Wohnhaus des Vorstandsmitgliedes eines Energieunternehmens mit Steinen und Farbe ( 5.3.5). Ein Brandanschlag auf fünf Fahrzeuge der Deutschen Bahn AG wurde am 23.11.09 in Hamburg-Altona verübt ( 5.3.5). 4. Linksextremistischer Terrorismus und autonome Militanz Seit der Auflösung der "Roten Armee Fraktion" (RAF) im Jahre 1998 gibt es in Deutschland keine terroristischen Strukturen mehr, die zielgerichtete Anschläge gegen Personen bis hin zum Mord begehen. Internetseiten des LfV Hamburg, Arbeitsfeld Linksextremismus, Terrorismus und Gewalt Die Berliner "militante gruppe" (mg), gegen die ein Ermittlungsverfahren nach SS129a StGB (Bildung / Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung) geführt wurde, ist nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahre 2007 als kriminelle Vereinigung zu bewerten. Am 16.10.09 verurteilte das Berliner Kammergericht drei Angehörige der mg wegen eines versuchten Brandanschlags auf LKW der Bundeswehr in Brandenburg zu mehrjährigen Haftstrafen. Die mg war eine linksextremistische klandestine Gruppe, die sich 2001 gegründet hatte und im Juli 2009 ihre Auflösung bekannt gab. Ihr Ziel war der Aufbau einer revolutionären Gegenmacht, um das System der Bundesrepublik Deutschland zu zerschlagen. An dessen Stelle sollte eine klassenlose Gesellschaft entstehen. Die mg bekannte sich zu 28 Brandanschlägen in Berlin und im Umland, um die "Angreifbarkeit des kapitalistischen Systems" deutlich zu machen. Die Gruppe veröffentlichte neben ihren Bekennungen auch viele intellektuell überfrachtete Erklärungen und Diskussionspapiere zur historischen und aktuellen Entwicklung des "bewaffneten Kampfes". Ein Zwischenschritt sei, militante Gruppierungen zu vernetzen, die Notwendigkeit von Militanz in der politischen Arbeit zu vermitteln und grundsätzliche Diskussionen über die Verbreitung militanter Aktionen zu führen ("Militanzdebatte"). 110 Linksextremismus Damit erzielte die mg jedoch nur geringe Resonanz in der militanten linksextremistischen Szene. Autonome Militanz richtet sich insbesondere gegen das staatliche Gewaltmonopol. Autonome bilden - neben Anarchisten und Antiimperialisten - den gewaltorientierten Bereich des linksextremistischen Spektrums. Sie vermeiden die Bildung von Hierarchien und Organisationsstrukturen. Autonome Gruppierungen sind netzwerkartig gegliedert und Fluktuationen unterworfen. Sie verbindet eine grundsätzliche Gegnerschaft zum Staat und seinen Einrichtungen, insbesondere dem "Repressionsapparat" (Polizei, Justiz und Nachrichtendienste). Ihr Ziel besteht in einer nicht konkret beschriebenen "herrschaftsfreien Gesellschaft" bzw. in der "Auflösung jeglicher Form von Herrschaft". Die Anwendung von Gewalt zur Erreichung politischer Ziele gehört zu den Grundelementen ihrer politischen Praxis. Autonome bestreiten das staatliche Gewaltmonopol und reklamieren für sich ein Recht auf "Widerstand". Autonome Aktivitäten stellen auf die Möglichkeiten des Einzelnen ab und können von "subversivem Schwarzfahren" bis zu Brandlegungen an Fahrzeugen oder Angriffen auf den politischen Brandanschlag auf BundeswehrGegner reichen. Fahrzeuge in Dresden Politische Großereignisse wie der NATO-Gipfel in Straßburg im April oder die UN-Klimakonferenz in Kopenhagen im Dezember 2009 haben für - insbesondere militante - Linksextremisten eine hohe Attraktivität. Sie sind häufig treibende Kraft bei der Mobilisierung von Gegenaktionen und in den Aufbau der entsprechenden Protestinfrastruktur eng eingebunden. Mit ihrem Widerstand wollen Autonome Öffentlichkeit herstellen für Missstände und Ungerechtigkeiten, die die "Systempresse" angeblich verschweigen oder bewusst falsch darstellen. In Hamburg kam es 2009 zu mehreren militanten Aktionen. Mit der Begründung, die Firma DHL (Szenebezeichnung: "Deutsche Heeres Logistik") bewerbe sich "um einen Milliarden-Großauftrag über Lage111 Linksextremismus rung und Transport von Kriegsgerät und Material" der Bundeswehr, verübten Autonome am 12.03.09 einen Brandanschlag auf fünf DHL-Transporter in Hamburg. Frankfurter Linksextremisten hatten bereits im Oktober 2008 einen Aufruf für eine "aktionsbezogene Mobilisierung im Vorfeld der NATO-Feierlichkeiten" Anfang April 2009 veröffentlicht. Hiermit sollte der "Kriegslogistiker DHL" im Rahmen einer Kampagne "ins Visier genommen" werden. Seitdem wurden in Deutschland 18 Brandanschläge und weitere Sachbeschädigungen in diesem Begründungszusammenhang begangen. Auch zur Mobilisierung für Proteste gegen den Klimagipfel in Kopenhagen ( 5.3.5) wurden Brandanschläge und Sachbeschädigungen in Hamburg begangen ( 3). So beschädigten unbekannte Täter am 19.11.09 das Haus eines RWE-Managers mit Steinund Farbwürfen und entzündeten ein Fahrzeug einer für den Energiekonzern tätigen Werbeagentur ( 5.3.5). Die gestiegene Gewaltbereitschaft gegen Polizeibeamte findet sich auch - mit entsprechender politischer "Rechtfertigung" - in der autonomen Szene wieder. So verlangten unbekannte Verfasser in der Berliner Autonomen-Zeitschrift "interim" (Nr. 697, 25.09.09), die "Polizei in den Focus der Angriffe von radikalen Linken zu nehmen" und forderten, Repressionsorgane zu "ständigen Zielen von Angriffen" zu machen. Mit dem Überfall auf Beamte und das Gebäude des Polizeikommissariats 16 im Schanzenviertel am 03.12.09 erreichte autonome Militanz eine neue Qualität ( 5.3.1). 112 Linksextremismus Neben den linksextremistisch motivierten Brandstiftungen an Fahrzeugen wurden im Berichtsjahr in der ganzen Stadt zahlreiche Autos in Brand gesetzt; die Täter blieben zumeist unerkannt. Die Hamburger Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass es sich überwiegend um Resonanztaten ohne erkennbare politische Motivation handelt, für die auch Allgemeinkriminelle oder jugendliche bzw. heranwachsende Täter in Frage kommen. "Unsichtbare zellen" äußerten in der "interim" vom September 2009 unverhohlen Verständnis für solche Brandlegungen. Der Zuzug von Yuppies in attraktive alternative Stadtteile würde zur Verdrängung ärmerer Bevölkerungsschichten führen. Hier müsse der richtige Ansatz gefunden werden, um "zielgerichtete militanz als probates mittel gegen solche Entwicklungen für breitere schichten akzeptabel zu machen, das setzt allerdings voraus, dass die kleinwagen von frau meier und herrn yildirim verschont bleiben...". Im Übrigen müsse man nicht zu jeder Aktion ein seitenlanges Bekennerschreiben verfassen: "Die besten aktionen sprechen immer noch für sich selbst". Die Beliebigkeit dieser willkürlichen und wahllosen Brandlegungen hat bei einigen Autonomen Verunsicherung hervorgerufen. In der Tatbekennung zu dem Farbanschlag auf das Wohnhaus des Hamburger Innensenators im Oktober 2009 hieß es dazu kritisch: "Wagensport wird mehr und mehr breitensport (über kriterien und verantwortungsvollem ungedopten vorgehen muß allerdings dringend diskutiert werden)". (Die Schreibfehler finden sich im Original). 5. Undogmatische Linksextremisten Autonome sind gewaltorientiert, undogmatisch und organisationskritisch, d.h., sie lehnen formelle Hierarchien und Organisationsstrukturen konsequent ab. Zu den 580 undogmatischen Linksextremisten in Hamburg zählen Autonome, Anarchisten und Antiimperialisten ("Antiimps"). Während Autonome und Anarchisten einander ideologisch nahestehen und gemeinsame Aktivitäten durchführen, gibt es zwischen ihnen und den Antiimperialisten deutliche politische Diskrepanzen. Der internationalistisch geprägte Marxismus-Leninismus und die Orientierung an 113 Linksextremismus "Befreiungsbewegungen" der "Antiimps" stoßen bei Autonomen und Anarchisten auf Ablehnung, weil diese Bewegungen zumeist mit Personenkult einhergehen. 5.1 Trefforte und Kommunikationszentren in Hamburg Trefforte und Kommunikationszentren erfüllen eine wichtige Funktion für das innere soziale Gefüge und die Mobilisierungsfähigkeit der autonomen Szene. Sie bieten Raum für Treffen, gruppenübergreifende Diskussionen und weitere Veranstaltungen und wirken identitätsstiftend. Das wichtigste linksextremistische Kommunikationszentrum in Hamburg und zugleich einzige mit überregionaler Bedeutung ist die "Rote Flora" (Foto) im Schanzenviertel (s.u.). Neben wenigen verbliebenen traditionellen Anarchisten nutzt insbesondere die junge autonome Szene Hamburgs das "Libertäre Zentrum" (LIZ) im Karolinenviertel als Veranstaltungsund Versammlungsort. Im "Libertären Kulturund Aktionszentrum" (LKA) in Altona trifft sich vor allem die anarchistische "Freie Arbeiter-Union" (FAU; 5.2.4). Seit 2008 gewinnt das - auch von Nichtextremisten besuchte - "Centro Sociale" (s.u.) im Schanzenviertel als Veranstaltungsund Treffort linksextremistischer Gruppen an Bedeutung. Das "Internationale Zentrum Brigittenstraße 5" (B 5) im Stadtteil St. Pauli ist der wichtigste Anlaufpunkt für die antiimperialistische Szene Hamburgs ("AIW", 5.2.3). Innerhalb der linksextremistischen Szene nimmt die Akzeptanz gegenüber dem B 5 ab. Für Kritik durch Gruppierungen des autonomen, antifaschistischen Spektrums sorgte die von Personen aus dem Zentrum verhinderte Vorführung eines proisraelischen Filmes im Oktober 2009 in einem benachbarten Kino ( 5.2.5). 114 Linksextremismus Die "Rote Flora" und das "Centro Sociale" werden nachstehend näher beschrieben: "Rote Flora" Das alternative Stadtteilzentrum ist seit 1989 der bedeutendste politische Treffund Veranstaltungsort für die autonome Szene Hamburgs. Zu bestimmten Anlässen finden dort "Vollversammlungen" zu Themen und Aktivitäten von grundsätzlicher Bedeutung für Hamburger Autonome statt. Nach Darstellung des "Autonomenplenums" wird das Gebäude "selbstverwaltet"; tatsächlich jedoch werden die derzeitigen Nutzer aufgrund vertraglicher Regelungen des Privateigentümers mit dem Hamburger Senat lediglich geduldet. 2009 fanden in der Roten Flora zahlreiche Solidaritäts-, Informationsund Mobilisierungsveranstaltungen zu klassischen autonomen Themen wie Antifaschismus, Antirepression, Antimilitarismus und Antirassismus statt. Hierzu gehörte z.B. eine Informationsveranstaltung zu den "Wir bleiben Alle!"-Aktionswochen im Sommer 2009 in Berlin, die unter dem Motto "Selbstorganisierte Freiräume erkämpfen und verteidigen" stand. Die Plakatwände (Foto) an der Außenfassade des autonomen Stadtteilzentrums werden anlassbezogen aktualisiert, um auf Themenschwerpunkte der linksextremistischen Szene aufmerksam zu machen sowie zu Veranstaltungen und Demonstrationen zu mobilisieren. Szeneangehörige lehnen eine zunehmende kommerzielle Nutzung der Roten Flora für subkulturelle Musikveranstaltungen ab, die überwiegend von jungen, nichtextremistischen Partygängern besucht werden. Die Rote Flora zeichnet nach wie vor verantwortlich für die zweimonatlich in einer Auflage von 2.000 Exemplaren erscheinende "Zeck". Hierin diskutiert die autonome Szene aktuelle Themen, veröffentlicht 115 Linksextremismus Termine und Demonstrationsaufrufe sowie Selbstbezichtigungsschreiben zu Sachbeschädigungen und Brandanschlägen mit linksextremistischem Hintergrund. 2009 war die Rote Flora erneut Ausgangspunkt von Demonstrationen sowie Schauplatz gewalttätiger Auseinandersetzungen. Am Abend des 30.04.09 fand eine friedliche "revolutionäre" 1. Mai-Demonstration mit ca. 550 Personen statt, Tenor: "Kapitalismus abschaffen". Anschließend kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen im Schanzenviertel. Randalierer setzten Müllcontainer in Brand, zogen Bauzäune auf die Straße und warfen Flaschen gegen eine Sparkasse. Drei Personen wurden vorläufig festgenommen. Auch nach den "Schanzenviertelfesten" am 04.07. und 12.09.09 kam es zu Ausschreitungen im Umfeld der Roten Flora ( 5.3.4). Auch Ereignisse außerhalb Hamburgs waren häufig Themen: So fand am 16.04.09 eine Vollversammlung anlässlich der Räumung eines besetzten Hauses in Erfurt statt. Im Anschluss beteiligten sich ca. 200 Personen an einer störungsfrei verlaufenen spontanen Demonstration "Solidarität mit den Erfurter Besetzern". Zur Feier des 20-jährigen "Jubiläums" der Roten Flora organisierten Autonome vom 23.09. bis 31.10.09 ein Programm. Neben einer Informationsund Diskussionsveranstaltung über die 2007 erfolgte polizeiliche Räumung eines Hauses in Kopenhagen fanden u.a. Treffen zu den Themen "Antisemitismus in der Linken" und "Autonome Zentren" statt. Autonomenkongress Das herausragende Ereignis im Rahmen der "Jubiläumsfeiern" war der überregional angelegte Autonomenkongress vom 09. bis 11.10.09. In einem unter der Überschrift "Spreng-Sätze!" auch in der "Zeck" (Nr. 116 Linksextremismus 150, Mai/Juni 2009) veröffentlichten Papier schlug ein "Zusammenhang aus dem Umfeld der Roten Flora" einen "AutonomKongress" im Oktober 2009 in Hamburg vor. Ein im Sommer 2009 veröffentlichtes Aufruf-Flugblatt verdeutlichte, dass auf diesem Kongress über "Selbstverständnis, Stand und Perspektiven der autonomen Bewegung im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang" diskutiert werden sollte. An dem Kongress beteiligten sich bis zu 200 Personen. Einer im Internet (Indymedia) veröffentlichten Nachbetrachtung zufolge sei im Laufe der Diskussion häufig der Wunsch nach "Autonome(n) Vollversammlungen in verschiedenen Städten und Regionen" thematisiert worden. Zudem hätten die Teilnehmer diskutiert, ob die autonome Szene für neue Aktivisten und eine Zusammenarbeit "mit anderen Strömungen und Spektren" offener sein solle. "Eine Analyse der Verhältnisse und eine Strategiebestimmung" hätten dagegen nicht stattgefunden. Im Zuge der zunehmenden Gentrifizierung ( 5.3.4) des Schanzenviertels rechnen die autonomen Betreiber der Roten Flora mit einer Räumung des Gebäudes. Im Jahr 2011 endet die vertraglich festgeschriebene Verpflichtung des Eigentümers, die Rote Flora nicht zu veräußern. In einer Erklärung der "Floristen" hierzu heißt es: "Wir werden jeden Versuch [...], das Projekt Rote Flora anzugreifen oder gar beenden zu wollen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln politisch und praktisch verhindern." Sie drohten zudem, dass sich der Eigentümer im Falle einer Räumung "Gedanken über den unversehrten Fortbestand seiner eigenen Projekte" machen müsse. "Centro Sociale" Der selbstorganisierte "autonome Stadtteiltreff Centro Sociale" wird seit Herbst 2008 von Gruppen und Einzelpersonen "aus dem Karound Schanzenviertel, Eimsbüttel und St. Pauli - und rundrum" betrieben. Dem Internetauftritt des "Centro Sociale" zufolge versteht es 117 Linksextremismus sich als "Kontrapunkt zur Gentrifizierung", d.h., als Gegenentwurf und "Rückzugsort in der zunehmend umstrukturierten Stadt" ( 5.3.4). Das "Centro Sociale" wird von Hamburger Linksextremisten regelmäßig für Veranstaltungen genutzt. Die Gruppe "AVANTI - Projekt undogmatische Linke" ( 5.2.1) bot dort 2009 u.a. die von ihr mitorganisierte Veranstaltungsreihe "Bildung & Kapitalismus" an. Beratungen durch die "Rote Hilfe e.V." ( 5.2.2) finden wöchentlich in den Räumen des Stadtteiltreffs statt. 5.2 Gruppen und Strukturen 5.2.1 "AVANTI - Projekt undogmatische Linke" Die Gruppe "AVANTI - Projekt undogmatische Linke" entstand 1989 als Zusammenschluss zweier autonomer Gruppen aus Schleswig-Holstein. Die Gruppe wird der Autonomenszene zugerechnet, obwohl sie deren Unverbindlichkeit ablehnt. Ebenso wenig akzeptiert sie die zentralistisch-hierarchische Organisationsform kommunistischer Gruppierungen. Seit der Gründung des "Projektes" bildeten sich acht Ortsgruppen: Vier in Schleswig-Holstein und je eine in Berlin, Bremen, Hannover und Hamburg. Mit dem Titel "Hauptstadt wir kommen" verkündete AVANTI die Gründung seiner Berliner Gruppe im Juni 2009. Man sei optimistisch, durch diesen Schritt wichtige Erfahrungen überregionaler Organisierung zu sammeln und seine Strukturen unter den "Prämissen Verbindlichkeit, Autonomie und Vertrauen" weiterzuentwickeln. Ziel der Gruppierung ist die revolutionäre Überwindung der bestehenden Gesellschaft. AVANTI sieht sich selber als eine der hierfür notwendigen "revolutionären Organisationen". Während die theoretische Basis kommunistischen Weltanschauungen ähnelt, agieren seine Angehörigen wie Autonome. Eine Zusammenarbeit mit nichtextremistischen Kräften wird dennoch ausdrücklich befürwortet. 118 Linksextremismus AVANTI formulierte seine politischen Ziele in seinem 2004 überarbeiteten Grundsatzpapier: "Deswegen sagen wir, dass der Kapitalismus revolutionär überwunden werden [...] muss". Dazu müsse "die demokratisch nicht legitimierte Macht des Kapitals gebrochen werden". [...] Deswegen gehen wir von der Notwendigkeit einer Revolution aus, [...]". Zur Gewaltfrage gibt es eine klare Stellungnahme: "Unsere Utopie ist [...] die einer gewaltund herrschaftsfreien Gesellschaft. Dennoch haben RevolutionärInnen immer wieder zum Mittel der Gewalt gegriffen. [...] Wir sind daher der Überzeugung, dass die Entscheidung zum Einsatz revolutionärer Gewalt sehr genau abgewogen werden muss und nur als letztes Mittel gelten kann." AVANTIs besondere Rolle bei Aktivitäten undogmatischer Linksextremisten besteht darin, breite Aktionsbündnisse herzustellen. Diese Bündnisaktivitäten und das öffentliche Interesse daran wurden wiederholt - z.B. bei den Protesten gegen den G-8-Gipfel 2007 in Heiligendamm oder bei einer Demonstration von Rechtsextremisten am 01.05.08 in Hamburg - von Teilen der autonomen Szene zu gewalttätigem Vorgehen genutzt. Interessen und Aktivitäten der Organisation sind breit gefächert: AVANTI befasst sich mit Antifaschismus, Globalisierung, Bildungspolitik, sozialen Kämpfen und Klimawandel. Im Januar 2009 organisierte AVANTI mit einer gewerkschaftlichen Studentengruppe eine sechsmonatige bundesweite Veranstaltungsreihe "Bildung im Kapitalismus". Mehrere Veranstaltungen mit den Titeln "Schule im Kapitalismus", "Lernverhältnisse im High-Tech-Kapitalismus", "Zwischen Selbstaktivierung und der Organisation von Ungleichheiten" sowie "Bildungsstreik: Geil oder Scheiße" fanden im Hamburger Centro Sociale ( 5.1) statt. Im April 2009 veröffentlichte AVANTI gemeinsam mit der DGBGewerkschaft ver.di die Broschüre "Die Reihen fest geschlossen..." 119 Linksextremismus (Internetbeitrag des LfV "AVANTI - nach allen Seiten offen?" vom 15.06.09 unter "Schlagzeilen aus dem politischen Extremismus"). Solche Antifaschismusarbeit ist eines der Hauptbetätigungsfelder AVANTIs. Die Gruppierung arbeitet seit Jahren in dem "Hamburger Bündnis gegen Rechts" ( 7.) mit, an dem Linksextremisten maßgeblich beteiligt sind. Im Mai 2009 organisierten AVANTI und die "Autonome Jugendantifa Hamburg" [aujah] zum dritten Mal einen Jugendkongress "Her mit dem schönen Leben!", der Workshops zu den Themen Klima, Schule, Antikapitalismus und Rassismus anbot. Zudem sollte diskutiert werden, wie das kapitalistische System mit Klimawandel, Leistungsdruck in der Schule, Sexismus und Rassismus verknüpft ist und wie Widerstand und Kampf für eine befreite Gesellschaft möglich sind. In ganz Norddeutschland war AVANTI an Aktionen zu den bundesweiten Bildungsstreiks im Juni 2009 beteiligt und brachte dazu eine "Bildungsstreikzeitung" in einer Auflage von 10.000 Exemplaren (Eigenangabe) heraus. Im Dezember 2009 rief ein Bündnis "Recht auf Stadt" in Hamburg zu einer als "Parade" deklarierten Demonstration auf ( 5.3.4). Sie sollte auf die "soziale Kälte" und die aus Sicht der Initiatoren verfehlte Stadtentwicklungspolitik aufmerksam machen. Auf einem bei der Demonstration mitgeführten AVANTI-Transparent wurde gefordert: "Schluss mit hohen Mieten, Aufwertung & Vertreibung. Nehmen wir uns die Stadt". Überregional engagiert sich AVANTI in der "Interventionistischen Linken" (IL), einem bundesweiten Zusammenschluss von Einzelpersonen und Gruppierungen aus der antiimperialistischen und autonomen Szene 120 Linksextremismus sowie einzelnen nichtextremistischen Organisationen. Die IL sieht sich als organisierte, undogmatische und linksradikale Strömung, die sich durch Intervention in praktische Kämpfe fortentwickeln will. Ihre verfassungsfeindliche Zielsetzung machte sie in ihrer im Frühjahr 2007 erschienenen Zeitung "G8-Xtra - ZEITUNG FÜR EINE INTERVENTIONISTISCHE LINKE" deutlich: "In der Radikalisierung und Ausweitung all dieser Initiativen wird sich letztendlich auch die Frage nach einem Bruch mit dem klassenherrschaftlichen, patriarchalen, rassistischen und imperial(istisch)en System ...neu stellen". AVANTI zählt in Norddeutschland zu den wichtigsten Gruppen der IL. Die Zusammenarbeit innerhalb der IL - die Frage nach Organisierung schlechthin - ist für AVANTI wichtig, weil die Überwindung der derzeitigen Herrschaftsverhältnisse ohne revolutionäre Organisierung nicht möglich sei. AVANTI griff auch das Thema Klimapolitik auf und begann bereits im April 2009 mit der Agitation gegen den UN-Klimagipfel im Dezember. Die Organisation forderte in einem Mobilisierungsaufruf unter der Überschrift "Nicht nur Kopenhagen: Die Klimabewegung muss radikal und lokal sein" mit Blick auf die geplanten Proteste: "Unsere Antwort auf die absehbare Niederlage der NGO's, mit Gipfelverhandlungen den Klimaschutz zu verstärken, muss der Verweis auf direkten Widerstand sein". Die Proteste in Kopenhagen dürften kein "singuläres Event" sein. Vielmehr müsse mit entsprechenden Aktionen der "weltweite Beginn einer kämpferischen Klimabewegung markiert" werden. Auch als Teil der IL mobilisierte AVANTI auf seiner Homepage gegen den Klimagipfel. "Es geht darum, [...].mit einer radikalen Vielfalt von Aktionen und Taktiken diesem Gipfeltreiben Einhalt zu gebieten". Mehrere Mobilisierungsund Informationsveranstaltungen in Norddeutschland wurden von AVANTI ausgerichtet bzw. unterstützt. Anfang Oktober 2009 erschien eine gemeinsame Broschüre von linksjugend ['solid, 6] und AVANTI "KLIMA-CASINO SCHLIESSEN!". In der Broschüre werden die internationalen Klimaschutzbemühungen als Misserfolg angeprangert. 121 Linksextremismus 5.2.2 Rote Hilfe e.V. Die "Rote Hilfe e.V." (RH) geht auf eine gleichnamige, 1923 gegründete Organisation der "Kommunistischen Partei Deutschland" (KPD) in der Weimarer Republik zurück. Um Gesinnungsgenossen in "politischen" Prozessen finanzielle Hilfe, insbesondere für Anwaltsund Gerichtskosen, leisten zu können, sammelt die "Rote Hilfe" Mitgliedsbeiträge und Spenden. Sie definiert sich als "parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutzund Solidaritätsorganisation" und will als Selbsthilfeeinrichtung "verbindendes Element innerhalb der Linken gegen staatliche Repression" sein. Obwohl der Verein bundesweit mehrere Tausend Mitglieder (Bund: > 4.980, Hamburg: > 470) hat, sind nur die wenigsten von ihnen in den Ortsgruppen (OG) aktiv. Die OG Hamburg bietet wöchentliche Beratungstermine im Kommunikationszentrum "Centro Sociale" ( 5.1) an. Auf ihrer Homepage veröffentlichte sie 2009 insbesondere Presseerklärungen und Beiträge zum Thema "Staatliche Repression". Im Vorfeld des Nato-Gipfels im April in Straßburg und Baden-Baden ( 4.) veröffentlichte die Gruppe den von der Bundesorganisation ausgearbeiteten Beitrag "RechtshilfeTipps für Frankreich", in dem Hinweise für das Verhalten gegenüber der französischen Polizei zusammengestellt wurden. Die Bundesorganisation gibt seit 2008 den Newsletter "pressback" heraus, der auch von der Hamburger OG unterstützt wird. Im Jahre 2009 wurden darin u. a. die Themen "Selber Extremist! Klimaund Antirassismuskamp zieht verfahren nach sich", "...Neues aus dem mg-Prozess", "Videoüberwachung im Schanzenviertel" und die "Ter122 Linksextremismus rorparagrafen 129 a und b Strafgesetzbuch: Terrorist_innen gibt es jetzt auch im Single pack" behandelt. 5.2.3 Antiimperialistischer Widerstand (AIW) Antiimperialisten verbinden grundlegende Elemente des MarxismusLeninismus mit dem sogenannten Internationalismus. Ihre Agitation richtet sich gegen die Industrienationen, nationale und supranationale Institutionen sowie international tätige Konzerne, da deren Reichtum auf der ökonomischen Ausbeutung von Ressourcen in den Entwicklungsländern beruhe und militärisch gesichert werde. In der Vergangenheit lehnten sich Antiimperialisten eng an die Ideologie der 1998 aufgelösten "Rote Armee Fraktion" (RAF) an. Seitdem unterstützen sie überwiegend Befreiungsbewegungen, u.a. in der Türkei, Palästina und Südostasien. Sie haben im linksextremistischen Spektrum weiter an politischer Bedeutung verloren. Angehörige des AIW sind in Hamburg als Einzelpersonen aktiv oder in kleineren Gruppen organisiert. Sie nutzen überwiegend das "Internationale Zentrum" in der Brigittenstraße 5 (B 5) als Treffort. Wie Autonome lehnen sie das Gewaltmonopol des Staates ab und reklamieren für sich zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele ein Recht auf Widerstand gegen das "System", das grundsätzlich gewalttätige Aktionen einbezieht. Berührungspunkte mit Autonomen sind selten, ihre ideologischen Vorstellungen und politischen Schwerpunkte stoßen dort auf geringe Resonanz. Dem AIW-Spektrum gehören ca. 60 Personen an, die diesem Milieu z.T. schon seit Jahrzehnten zugerechnet werden. Das Hamburger "Bündnis gegen imperialistische Aggression" rief in einer Veröffentlichung von September 2009 zum Kampf gegen das bestehende System auf. Deutschland sei eine "Demokratie für die Blutsauger, die von der Ausbeutung des Proletariats in diesem Land und von der Ausbeutung der unterdrückten Länder" lebe. Dieses System wolle man in den "Mülleimer der Geschichte werfen". Als Perspektive forderte die Gruppe, den Kampf gegen "diesen finsteren Staat BRD" zu beginnen. Hierfür würden "Organisationen und Weltanschauungen" 123 Linksextremismus benötigt, um letztendlich "die Gewehre zu greifen und ein Land aufzubauen, das den Völkern der ganzen Welt dient". Eine weitere Kleingruppe des AIW ist die "Sozialistische Linke" (SoL), die sich als revolutionärer Jugendverband bezeichnet. Sie sieht ihre Schwerpunkte im Kampf gegen jede Form von Sexismus, Faschismus, Antisemitismus, Antiislamismus, Militarismus und Rassismus. In einem auf ihrer Homepage eingestellten Selbstverständnispapier warf die SoL dem "deutschen Imperialismus" vor, Armutsländer im Kampf um die Aufteilung der weltweiten Märkte wirtschaftlich zu erpressen und Kriege zur Absicherung von Ressourcenausbeutung zu führen. Auch innenpolitisch werde die Militarisierung vorangetrieben. Mit der simplen Botschaft "Kapitalismus bedeutet Krieg und Krise - Unsere Antwort Revolution" versucht die SoL, insbesondere Jugendliche anzusprechen. "Kompass" des politischen Handelns des Jugendverbandes sei der "gelebte wissenschaftliche Sozialismus", der sich an der Kommunistischen Partei Deutschlands von Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg und Ernst Thälmann und an der großen sozialistischen Oktoberrevolution von 1917 orientiere. Diese Grundlagen sollen in Schulungen vermittelt werden. 5.2.4 Freie Arbeiterinnenund Arbeiter Union (FAU) Die bedeutendste Gruppe in der anarchistischen Szene Hamburgs ist die "Freie Arbeiterinnenund Arbeiter Union" (FAU) - Ortsgruppe Hamburg. Sie nutzt und betreibt das "Libertäre Kulturund Aktionszentrum" (LKA) in Altona als Treffund Veranstaltungsort. Die 1977 gegründete FAU ist an die "Internationale Arbeiter Assoziation" (IAA) angebunden, bezeichnet sich selbst als anarcho-syndikalistische Gewerkschaftsföderation und strebt "die herrschaftslose, ausbeutungsfreie, auf Selbstverwaltung begründete Gesellschaft" an. Die 124 Linksextremismus "Selbstbestimmung in allen Lebensbereichen" sei die grundlegende Idee des Anarcho-Syndikalismus. Anhänger dieser sogenannten libertären Strömung des Anarchismus befürworten Mittel der "Direkten Aktion" (z.B. Streiks, Betriebsbesetzungen, Boykotts, Sabotage), um dieses Ziel zu erreichen. Die FAU-IAA verbreitet bundesweit die Zeitung "direkte aktion", die seit 1977 mit einer Auflage von etwa 3.000 Exemplaren (eigene Darstellung) erscheint. Sondernummern würden teilweise in einer Auflage von 50.000 Stück gedruckt. "Die Zeitung soll ein möglichst offenes Projekt für all diejenigen sein, die für eine selbstverwaltete Gesellschaft ohne Bosse, Staat, Parteien und Funktionäre eintreten". Die FAU ist in Deutschland mit ca. 30 Ortsgruppen, Syndikaten und Ansprechpartnern präsent. Sie hat bundesweit etwa 300 Mitglieder, davon etwa 30 in Hamburg. Die Hamburger Ortsgruppe ist die mitgliederstärkste Gruppe in Norddeutschland. Im Mai und Juni 2009 beteiligte sich die FAU an internationalen Aktionstagen gegen eine irische Fluggesellschaft. Eine mit der FAU assoziierte spanische Gewerkschaft warf der Fluglinie vor, gewerkschaftliche Organisierung zu behindern und die Mitarbeiter einzuschüchtern. Um den Druck auf die Fluglinie weiter zu erhöhen, bat die spanische Gewerkschaft um europaweite Unterstützungsaktionen. In Berlin und am Flughafen Lübeck-Blankensee / Schleswig-Holstein machten Mitglieder der FAU mit Flugblättern auf die Arbeitsbedingungen aufmerksam. Die FAU beteiligte sich auch an Aktivitäten, die von anderen linksextremistischen - insbesondere autonomen - Zusammenhängen mitgetragen wurden. Sie gehörte zu den Unterstützern und Teilnehmern der Demonstration des "Bündnisses gegen Hamburger Unzumutbar125 Linksextremismus keiten" am 13.12.09 ( 5.2.5), das für eine ungestörte Aufführung des Films "Warum Israel" eintrat. Am 18.12.09 nahm die FAU an einer "Recht auf Stadt"-Demonstration ( 5.3.4) teil, die sich gegen "Gentrifizierung" richtete. 5.2.5 Antideutsche / Antinationale Strukturen Nach der Wiedervereinigung Deutschlands formierten sich Anfang der 90er-Jahre Linksextremisten verschiedener Strömungen, vor allem aus der sogenannten Radikalen Linken, zu einem "antinationalen" bzw. später zu einem "antideutschen" Lager. "Antinationale" entwickelten eine Ideologie, die sich generell gegen Nationalstaaten richtet, während das zentrale ideologische Element für "Antideutsche" darüber hinaus - vor dem Hintergrund der Shoah - das Existenzrecht Israels ist. Die Übergänge zwischen beiden Strömungen sind fließend. Beide eint die Auffassung, dass mit der deutschen Wiedervereinigung ein erneutes Erstarken des Nationalsozialismus zu befürchten sei. "Antideutsche Strukturen" haben in der linksextremistischen Szene den Ruf einer theoretisierenden und teilweise provozierend auftretenden Polit-Sekte. Ihre extremen Ansichten führen immer wieder zur Polarisierung. In den letzten Jahren entzündete sich der Streit zwischen "Antideutschen Strukturen" und der übrigen linksextremistischen Szene vor allem an unterschiedlichen Positionen zum Israel-Palästina-Konflikt. "Antideutsche" unterstellen insbesondere dem antiimperialistischen Lager ( 5.2.3) antisemitische Tendenzen, da dieses für einen palästinensischen Staat eintritt und Israel als "Aggressor" einstuft. In den letzten Jahren konnte zumindest für gemäßigte pro-israelische Positionen der Antideutschen eine zunehmende Akzeptanz in der linksextremistischen Szene beobachtet werden. Dies lässt sich u.a. für das Antifa-Lager, wie beispielsweise die Gruppe [a2], feststellen ( 5.3.2), die im Jahr 2008 gegen die Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit in Hamburg agitierte ( VSB 2008). 2009 wurden insbesondere im Internet vermehrte Aktivitäten von Hamburger Gruppen mit antideutscher bzw. antinationaler Ausrichtung festgestellt. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass hinter diesen zahlreichen Auftritten dieselben Akteure stehen. Den Versuch, sich innerhalb 126 Linksextremismus der linksextremistischen Szene wieder mehr in den Fokus zu rücken und die Diskussion über "Antisemitismus in der Linken" erneut zu entfachen, verdeutlichen die Aktivitäten der Gruppe "Kritikmaximierung Hamburg". Im Juli 2009 bezog sie unter dem Tenor "Deutschland ist kein Grund zum Feiern" Stellung gegen die Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag der Wiedervereinigung. Für den 25.10.09 hatte diese Gruppe die Vorführung des Films "Warum Israel" in einem Programmkino in Hamburg-Altona angekündigt. Antiimperialistische Zusammenhänge aus dem benachbarten "Internationalen Zentrum Brigittenstraße 5" ( 5.1, 5.2.3) verhinderten die von ihnen als Provokation verstandene Aufführung nach Darstellungen aus der linksextremistischen Szene unter Gewaltandrohung. Sie bezeichneten die Filmbesucher als "reaktionäre Kräfte", deren Ziel die "Zerstörung der internationalistischen und antiimperialistischen Linken" sei. Aufgrund dieses Vorfalls formierte sich ein "Bündnis gegen Hamburger Unzumutbarkeiten", das die Neuansetzung des Films am 13.12.09 in demselben Kino unterstützte und zu einer Demonstration am selben Tag aufrief, um "die Angreiferinnen und Angreifer vom 25.10.09 politisch zu isolieren und eine Wiederholung ihres antisemitischen Gewaltspektakels zu verunmöglichen". Zu den Erstunterzeichnern des Demonstrationsaufrufs unter dem Tenor "Antisemitische Schläger unmöglich machen - auch linke!" gehörten Gruppierungen wie die "Antideutsche Gruppe Hamburg", "sous la plage" und die "Hamburger Studienbibliothek". Diese Demonstration verlief mit ca. 500 Teilnehmern, denen etwa 70 Protestierer aus dem B 5-Umfeld gegenüberstanden, friedlich. 5.3 Aktionsfelder 5.3.1 "Antirepression" "Antirepression" gehört zu den klassischen Betätigungsfeldern von Autonomen, die das von ihnen durch Straftaten hervorgerufene Einschreiten staatlicher Organe als "Repression" empfinden. Vor diesem 127 Linksextremismus Hintergrund rechtfertigen sie wiederum gewalttätige Aktionen und Anschläge. 2009 war das Thema "Antirepression" in Hamburg Anlass für mehrere Aktivitäten - u.a. im Zusammenhang mit Festnahmen, Gerichtsverhandlungen, den Schanzenfesten und dem ersten Todestag eines griechischen Jugendlichen, der 2008 in Athen durch Polizeischüsse ums Leben kam. Zu den Hamburger autonomen Gruppen, die sich überwiegend mit "Antirepression" befassen, gehören "Anarchist-BlackCross"-Hamburg (ABC) und die "Antirepressionsgruppe Hamburg". ABC veranstaltet alle zwei Monate ein Cafe in der Roten Flora ( 5.1). Hier informiert die Gruppe "über Gefangenenunterstützung und Antiknastkampf"; sie tritt für "den Sozialen Aufstand, den Anarchismus und die totale Freiheit" ein. Die "Antirepressionsgruppe Hamburg" veröffentlichte 2009 mehrere Papiere. Im Juni 2009 äußerte sie sich unter dem Tenor "JEDER WIRD GEFILMT" zur polizeilichen "Kameraüberwachung im Schanzenviertel" (Indymedia) und rief indirekt zu Straftaten auf: "Achtet auf Kameras auf euren Wegen und gefährdet weiterhin die innere Sicherheit!" In einem in der interim Nr. 699 (06.11.09) veröffentlichten Text unter dem Tenor "antirepressionsarbeit reloaded" äußerte die "Antirepressionsgruppe Hamburg", für "die nichtanerkennung des staatlichen gewaltmonopols, für die perspektive eines revolutionäres umsturzes" und "permanente revolte im herrschenden system" zu stehen. Die beste Antirepressionsarbeit sei, "eine handlungsfähige bewegung aufzubauen und diesen staat und die herrschende klasse anzugreifen und abzuschaffen". In diesem Sinn betrachtete der autonome Vorbereitungskreis die Schanzenfeste 2009 ( 5.3.4) als temporäre Aneignung eines Freiraums und wertete einschränkende behördliche Maßnahmen als Repression. Mit dem Plakat "SchwarzGrüne ZUSTÄNDE ZERSCHLAGEN" kritisierten Hamburger Autonome das von ihnen als repressiv empfundene Vorgehen der Polizei - u.a. beim Schanzenfest - und betonten: "Wir werden das auch weiterhin nicht hinnehmen!". 128 Linksextremismus Am 25.08.09 wurde eine Hamburger Autonome wegen versuchter Brandstiftung festgenommen, nachdem sie in einem Internetcafe eine Bekennung mit der Überschrift "Der Bundeswehr und ihren PartnerInnen Feuer unterm Arsch machen!" verfasst hatte. Darin ging es um geplante Brandanschläge auf Fahrzeuge der Deutschen Post und der DHL; die Taten wurden nicht ausgeführt. "Freund_Innen und Genoss_ Innen" erklärten sich per Flyer wenige Tage später solidarisch mit der Beschuldigten. In der Nacht zum 07.10.09 verübten unbekannte Täter zeitgleich Anschläge auf die Wohnobjekte des Hamburger Innensenators und der Hamburger Wissenschaftssenatorin ( 4). In einer am 09.10.09 veröffentlichten "Pressemitteilung", die sich "gegen den Innensenator der Stadt Hamburg" und die Innenbehörde richtete, bekannte sich eine Gruppe "O.R.C.A. (Organized Rebels Clash Ahlhaus)" zu den Anschlägen. In der Bekennung zählen die unbekannten Verfasser zahlreiche Aspekte der "staatlichen Repression" in Hamburg auf. Der Innensenator sei angegriffen worden, weil er "kerniger Verfechter eines Kontrollund Sicherheitsstaates" sei. Hamburger Polizeibeamte wurden als "Schläger und Schlägerinnen" der Innenbehörde bezeichnet. "Widerständiges Verhalten und Militanz" habe die Polizei nicht unter Kontrolle, daher seien unkontrollierbare Angriffe "auf die herrschende Ordnung" möglich. Mit der Aktion sollten "Anwohner und Besucher" ermuntert werden, "dem Innensenator nachdrücklich die Meinung zu sagen". Am 16.10.09 verurteilte das Berliner Kammergericht drei mutmaßliche Angehörige der Berliner "militanten gruppe" (mg) ( 4). In der Roten Flora ( 5.1) gab es im Vorfeld der Urteilsverkündung Informationsveranstaltungen zum aktuellen Stand im Verfahren gegen die "mg". Im linksextremistischen Spektrum wurde bundesweit zu Solidaritätsaktionen aufgerufen, die am Tag der Urteilsverkündung stattfinden sollten. In Hamburg nahmen etwa 280 Personen an einer überwiegend störungsfrei verlaufenen Demonstration teil. 129 Linksextremismus Ein "Bündnis zur Verbesserung der Haftbedingungen" organisierte eine Kundgebung als letzte Aktion zum Thema Antirepression im Jahr 2009 in Hamburg. Am 31.12.09 beteiligten sich ca. 200 Personen an der weitgehend friedlich verlaufenen Versammlung vor dem Untersuchungsgefängnis Holstenglacis (Tenor: "Unterstützt die Gefangenen auch an Silvester"). Überfall auf die Polizeiwache Lerchenstraße In den späten Abendstunden des 03.12.09 warfen ca. 20 Vermummte mit Steinen mehrere Fensterscheiben der Polizeiwache Lerchenstraße ein und setzten zwei Streifenwagen in Brand. Sie bewarfen Polizeibeamte, die aus der Wache eilten und keine Schutzkleidung trugen, massiv mit faustgroßen Steinen und rollten eine brennende Mülltonne direkt an das Gebäude, dessen Eingangstür sie zuvor DPA verschließen wollten. Zur Fluchtabsicherung errichteten sie brennende Barrikaden und verteilten Krähenfüße auf den Fahrbahnen. Mit dieser Tat erreichte die von Autonomen ausgehende Gewalt in Hamburg eine neue Qualität. Durch ihr Handeln nahmen die Täter bewusst eine erhebliche Gefährdung von Menschenleben in Kauf. Die Täter überschritten den bisher überwiegend eingehaltenen Szenekodex, der die körperliche Unversehrtheit von Unbeteiligten bzw. nicht durch entsprechende Kleidung geschützten Polizisten einschloss. Am 05.12.09 erhielt eine Hamburger Zeitung ein zweiseitiges Bekennerschreiben, das mit "KOUKOULOFORI" (griechisch für "Kapuzenträger") unterzeichnet ist. Danach wurde die Tat anlässlich des ersten Todestages eines griechischen Jugendlichen begangen, der am 06.12.08 in Athen / Griechenland durch Schüsse eines Polizisten ums Leben gekommen war. Dies hatte heftige Unruhen in Griechenland und Solidaritätsdemonstrationen in ganz Europa ausgelöst ( VSB 2008). Da der "Funke nicht nach Deutschland übergesprungen" sei, bemühe man sich nun, "die Kräfteverhältnisse zu unseren Gunsten zu verän130 Linksextremismus dern". Die Verfasser sprachen sich für die Vorbereitung von "crash flash mobs" aus (gemeint sind kurze, scheinbar spontane Menschenansammlungen mit spektakulären Aktionen auf öffentlichen Plätzen). "Auf dem Weg der Revolte" werde man "an handfesten Konfrontationen auch mit den Repressionsorganen nicht vorbeikommen". Die unbekannten Verfasser drohten weiterhin, dass man sich "bestimmt wiedertreffen" werde, "falls die Räumungsambitionen [...] bezüglich der Roten Flora konkreter werden". Offensichtlich setzten sie auf die "Idee des Aufstands", wie sie bereits im Vorfeld des Autonomenkongresses ( 5.1) formuliert worden war. Am 04.12.09 wurden in Berlin zehn Brandanschläge bzw. Sachbeschädigungen an Gebäuden und Fahrzeugen von Behörden und Privatfirmen verübt, darunter das Bundeskanzleramt sowie ein vom Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Bundeskriminalamt genutzter Komplex. Eine ins Internet gestellte Bekennung erinnerte an den Jahrestag eines in Athen von der Polizei getöteten Jugendlichen, wandte sich gegen "staatliche Repression" und bezeichnete das Verfahren gegen Angehörige der kriminellen Vereinigung "militante gruppe" ( 4.) als "Schauprozess". Im Januar 2010 veröffentlichte eine Gruppe "Immer Ärger im Revier" einige "Anmerkungen zum Angriff auf die Lerchenwache". Die Verfasser gehen davon aus, dass es "Konsens innerhalb der militant agierenden Linken" sei, "Menschen nicht vorsätzlich zu schaden und die Gefährdung Unbeteiligter auszuschließen". In diesem Rahmen sei der Angriff auf die Polizeiwache erfolgt. 5.3.2 Antifaschismus Der "antifaschistische Kampf" gegen Rechtsextremisten ist unverändert ein zentrales Aktionsfeld der linksextremistischen, insbesondere der autonomen Szene. Da Rechtsextremismus und Faschismus nach Auffassung von Linksextremisten Ausfluss eines kapitalistischen Staates seien, streben Linksextremisten darüber hinaus die Beseitigung des "herrschenden Systems" an. Häufig arbeiten sie in einem breiten Bündnis gesellschaftlicher Grup131 Linksextremismus pen und Parteien zusammen. Im Mittelpunkt stehen demonstrative Protestaktionen gegen Aufmärsche, Veranstaltungen und Infostände von Rechtsextremisten sowie das gezielte Vorgehen gegen Einzelpersonen. Die Bereitschaft zur Gewaltanwendung wird im Rahmen des "Kampfes gegen Rechts" als legitimes Mittel angesehen. Dabei wird eine Eskalation von Konflikten bewusst in Kauf genommen und als Ausdruck besonders konsequenten Handelns betrachtet. Auffällig ist, dass sich an Aktionen und Protesten gegen Rechtsextremisten nach wie vor zahlreiche Jugendliche beteiligen. Deren primäres Ziel ist die Konfrontation selbst, die auch vor Polizisten nicht Halt macht. Mehr als andere autonome Gruppierungen sind die der Antifaszene kurzlebig und Fluktuationen unterworfen. Kontinuierliche politische Arbeit kommt dadurch selten zustande. Autonome Antifaschisten beteiligen sich an Informationsveranstaltungen über rechtsextremistische Strukturen, wobei die Organisation und Durchführung zumeist den schon länger bestehenden Gruppierungen wie dem linksextremistisch beeinflussten "Hamburger Bündnis gegen Rechts" (HBgR, 7.) oder "AVANTI" ( 5.2.1) überlassen werden. Für die autonome Antifa ist die Recherchearbeit besonders wichtig. Angehörige von Antifa-Gruppen spähen hierbei einzelne Rechtsextremisten gezielt aus, sammeln Informationen aus deren privatem und beruflichem Umfeld und nutzen diese für "Outing-Aktionen" in der Nachbarschaft bzw. am Arbeitsplatz des Betroffenen oder für Veröffentlichungen im Internet und in Szene-Publikationen. Die Aktionen sollen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten aus der Anonymität lösen und ihre Gesinnung öffentlich machen. So wurden an mehreren Orten Handzettel mit der Überschrift "Ihr Nachbar, ein Neonazi?" bzw. "Ihr Arbeitskollege, ein Neonazi?" verteilt. Unter dem Tenor "Operation Ragnarök" fanden im August und September 2009 insgesamt sechs "Outing-Aktionen" in Hamburg statt ("Ragnarök" steht in der altgermanischen Mythologie für den Weltuntergang). Zu den wichtigsten Internetplattformen der Hamburger Antifa-Szene zählt die Internetseite des "Antifa Info Pool Hamburg". Seit 2004 enga132 Linksextremismus giert sich diese Gruppierung in der autonomen Szene. Die Initiatoren bezeichnen sich als "Zusammenschluss von Personen verschiedener Hamburger Gruppen und Projekte der radikalen Linken", der zur "Stärkung lokaler Antifa-Strukturen beitragen" wolle. Nicht organisierten Antifaschisten soll die Möglichkeit gegeben werden, sich gezielt über "News, Aktionen und sonstige Veranstaltungen" zu informieren. Bei einem Antifa-Jugendkongress im April 2008 entstand das "Antifaschistische Hamburger Offene Jugendplenum" (AHOJ). Diese Gruppierung veranstaltet in regelmäßigen Abständen ein "offenes antifaschistisches Jugendplenum" in Form einer Cafe-Veranstaltung. Überwiegend geht es dabei um die Planung von Aktionen der autonomen Szene. Nachdem die Homepage längere Zeit inaktuell war, wurde im Herbst 2009 ein neues Programm vorgestellt, demzufolge man sich aktiv gegen "Faschismus, Rassismus und Sexismus einsetzen" und "gemeinsam sowohl theoretisch als auch praktisch gegen herrschende Verhältnisse" vorgehen werde. Ebenfalls seit April 2008 gibt es die Gruppierung [a2]-Hamburg, die sich überwiegend der "antifaschistischen linksradikalen" Politik widmet. Auch sie mobilisierte für den Protest eines antifaschistischen Bündnisses gegen den jährlich im Februar stattfindenden Aufzug von Rechtsextremisten in Dresden ( V.,5.3). [a2] gehörte zu den Gruppierungen, die gegen eine Kundgebung der NPD ( V., 8.1) am 11.09.09 im Stadtteil Borgfelde, Tenor: "Recht und Ordnung durchsetzen - Schanzenfest dauerhaft verbieten!" Protestaktionen vorbereiteten. Für [a2] stand fest: "Kommen die Nazis, kommen wir auch und werden ihre Kundgebung zum Desaster machen, egal wann und wo!". Protest gegen die NPD-Kundgebung am 11.09.09 gegen das "Schanzenfest" Aus dem Internet wurde im Vorfeld bekannt, dass "autonome, antifaschistische und linksextremistische Gruppen" nicht an der offiziellen Gegendemonstration des HBgR teilnehmen wollten. Diese sei von 133 Linksextremismus Rednern aus Parteien und Gewerkschaften geprägt, und die autonome Antifa wolle sich nicht in deren Wahlkampf einspannen lassen. Am 06.09.09 veröffentlichte die "Antifa Hamburg" einen Aufruf an autonome und antifaschistische Gruppen: "Die angemeldete Demonstration droht [...] zu einer Veranstaltung im [...] Wahlkampf zu werden - wir wollen aber keine Wahlkampfreden hören, sondern aktiv den Nazis die Plattform nehmen [...] Kommt alle direkt zum Berliner Tor [...] Seid wachsam, entschlossen und reagiert angemessen auf Provokationen - auch von den Bullen!" Am Abend des 11.09.09 versammelten sich ca. 500 Personen, größtenteils Angehörige autonomer und antifaschistischer Gruppen, am Ort der NPD-Kundgebung, um diese zu verhindern, zumindest zu stören. Sie bewarfen den Lautsprecherwagen, in dem sich auch der damalige NPDLandesvorsitzende befand, mit Steinen. Nach der - unter Polizeischutz beendeten - Kundgebung wurden Polizisten mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern angegriffen, Barrikaden errichtet und Brände gelegt. Mit Stahlstangen wurden Fahrzeuge unbeteiligter Verkehrsteilnehmer massiv angegriffen, sodass sich ein Beamter der Verkehrsstaffel gezwungen sah, einen Warnschuss abzugeben. Insgesamt wurden 23 Personen festgenommen, darunter mehrheitlich Erwachsene aus Hamburg. Diese heftigen Angriffe galten für einen Teil der - nicht nur linksextremistischen - Szene offenbar als Auftakt für das am nächsten Tag stattgefundene "Schanzenfest", das nach anfangs friedlichem Verlauf in weitere Ausschreitungen mündete ( 5.3.4). Auch im Jahr 2009 beteiligten sich Hamburger Antifaschisten an überregionalen Veranstaltungen und Aktivitäten. Eine Demonstration (Tenor: "Wir können sie stoppen"; V.,5.3) in Lübeck / Schleswig-Holstein am 28.03.09 richtete sich gegen einen Aufzug von Rechtsextremisten. An der Gegendemonstration nahmen ca. 1.500 Personen teil, von denen einige in Kleingruppen gewaltsam 134 Linksextremismus gegen den Aufzug der Rechtsextremisten vorgingen. Dabei griffen sie auch Verkehrsposten und Einsatzfahrzeuge der Polizei an. Unter den 176 vorläufig Festgenommenen befanden sich 13 Personen aus Hamburg. Am 14.11.09 fand in Göttingen / Niedersachsen eine bundesweite Demonstration anlässlich des Todestages einer Linksextremistin statt, die dort vor 20 Jahren bei Auseinandersetzungen zwischen Linksund Rechtsextremisten von einem Auto erfasst worden und ums Leben gekommen war. An dem Aufzug nahmen 1.400 - überwiegend linksextremistischen, autonomen Zusammenhängen zuzurechnende - Personen teil, darunter 600 Auswärtige u.a. aus Berlin, Hannover und Hamburg. Bei polizeilichen Vorkontrollen wurden in zwei aus Hamburg stammenden Fahrzeugen u.a. Pfefferspray, Sturmhauben und Holzknüppel sichergestellt. 14 der Insassen wurden zur Gefahrenabwehr vorübergehend in Gewahrsam genommen. Nach der Demonstration kam es zu Ausschreitungen, bei denen u.a. Autos und Müllcontainer in Brand gesetzt wurden. 5.3.3 Antirassismus Antirassistische Initiativen wollen die Situation von Flüchtlingen verbessern. Linksextremistische - überwiegend autonome - "Antirassisten" versuchen, Einfluss auf demokratische Gruppierungen zu nehmen. Dabei verschleiern sie zumeist die eigentliche Triebfeder ihrer vorgeblich antirassistischen Politik, die sich tatsächlich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet. Ihre Aktivitäten reichen von Demonstrationen und Blockaden vor Dienststellen der Ausländerbehörden über Aufrufe, dort tätige - namentlich genannte - Bedienstete an deren Wohnorten zu "kontaktieren". 2009 richtete sich die Agitation linksextremistisch beeinflusster Flüchtlingsinitiativen insbesondere gegen die "rigide Ausgrenzungs135 Linksextremismus und Abschiebepolitik", bei der Hamburg "Vorreiter" sei. Die Unterbringung von Flüchtlingen im Aufnahmelager Nostorf-Horst / Mecklenburg-Vorpommern kritisierten sie als "Entrechtung" der Asylbewerber, die unbemerkt von der Öffentlichkeit vorangetrieben werde. Vom 25. bis 31.08.09 fand auf der griechischen Insel Lesbos ein antirassistisches "No Border Camp" statt, an dem sich ca. 300 Personen - darunter etwa 60 Hamburger Linksextremisten - beteiligten. Militante Aktionen - wie von einigen Teilnehmern erwogen - lehnten griechische Camp-Aktivisten überwiegend ab. Autonome und anarchistische Teilnehmer kritisierten diese Einstellung und fühlten sich von Teilen der Vorbereitungsgruppen funktionalisiert und kontrolliert. In Internetforen wurde deutlich, dass dies insbesondere für die Hamburger Teilnehmer eine neue Erfahrung zu sein schien, da es beim "ANTIra-Camp" 2008 in Hamburg Konsens war, sich nicht von militanten Aktionsformen zu distanzieren. Am 04.12.09 entzündeten Unbekannte zwei auf dem Gelände des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge abgestellte Dienstfahrzeuge des Hauptzollamtes Hamburg. Hierzu bekannte sich niemand; die Tat könnte mit der damaligen Innenministerkonferenz in Bremen in Verbindung stehen, da dort auch Modalitäten bei der Umsetzung der Bleiberechtsregelung für Flüchtlinge beschlossen wurden. Die antirassistischen Initiativen konnten insgesamt nicht an Umfang und Intensität ihrer Aktionen im Jahr 2008 anknüpfen. 5.3.4 Linksextremistisch beeinflusste Initiativen gegen Stadtentwicklungspolitik Das "Freie Netzwerk zum Erhalt des Schanzenparks" agitierte 2009 weiterhin gegen das Mövenpick-Hotel im ehemaligen Wasserturm des Schanzenparks. Direkt vor dem Hotelrestaurant fanden monatlich "Volksküchen" statt, bei denen Transparente u.a. mit der Aufschrift: "MÖVENPICK zu Gast bei Feinden" gezeigt wurden. Ferner war das 136 Linksextremismus Hotel mehrfach Ziel von Sachbeschädigungen mit Buttersäure, Steinen und Farbe. Der Protest gegen die Gentrifizierung (soziale Umstrukturierung, Aufwertung des Wohnumfeldes) gewann im Jahre 2009 zunehmend an Bedeutung. Mittlerweile hat sich der Widerstand aus dem Schanzenviertel auf andere Initiativen und Gruppen in weiteren Hamburger Stadtteilen ausgeweitet, z.B. auf Wilhelmsburg und Bereiche der Neustadt. Neben verschiedenen nichtextremistischen sowie vereinzelt linksextremistisch beeinflussten Künstlerprojekten und Bürgerinitiativen sehen auch die Betreiber der "Roten Flora" den Fortbestand ihres Projekts gefährdet ( 5.1). Vor diesem Hintergrund hat sich 2009 das linksextremistisch beeinflusste Netzwerk "Recht auf Stadt" gegründet, in dem auch die "Rote Flora", das "Centro Sociale" ( 5.1) und das "Freie Netzwerk zum Erhalt des Schanzenparks" vertreten sind. Insbesondere im ersten Halbjahr 2009 wurden mit Steinen und Farbe zahlreiche Geschäfte im Schanzenviertel beschädigt, deren Ansiedlung aus Sicht der Gentrifizierungsgegner eine Aufwertung des Stadtteils, steigende Mieten und eine "Verdrängung" der hier lebenden Bevölkerung bewirken. Auch ohne eine entsprechende Bekennung wurde die Intention der unbekannten Täter deutlich. Neben mehreren Demonstrationen richteten sich auch die Schanzenviertelfeste am 04.07. und 12.09.09 gegen die "Gentrifizierung". Am 13.06.09 beteiligten sich ca. 900 Personen - darunter zahlreiche Linksextremisten - an der friedlichen Demonstration "Die Stadt gehört allen! Gegen Mieterhöhung, Privatisierung & Vertreibung". Mitgeführte Transparente forderten neben einem "Wohnund Bleiberecht für Alle!" auch "Hände weg vom Schanzenfest". 137 Linksextremismus "Schanzenfeste" 2009 fanden in Hamburg erstmals zwei "Schanzenfeste" statt. Die Ankündigung des Innensenators, das Fest wegen der anschließenden Ausschreitungen nicht mehr unangemeldet dulden zu wollen, nahm die insbesondere im Umfeld der "Roten Flora" ( 5.1) konzentrierte autonome Szene zum Anlass, das Straßenfest zum Synonym für politische Freiräume und zum Symbol für den Widerstand gegen eine zunehmende Gentrifizierung des Schanzenviertels zu erklären. In einem auch in der Autonomenschrift "Zeck" veröffentlichten Text forderten unbekannte Verfasser dazu auf, sich am 04.07.09 am "Schanzenfest" zu beteiligen: "Nehmt euch die Stadt und besetzt den öffentlichen Raum. Macht euch einen schönen Tag und genießt die auflodernden Sehnsüchte in der krisenhaften Dämmerung". Damit wollten sie die nach dem Fest regelmäßig stattfindenden Krawalle als legitimen und angemessenen Widerstand gegen den Staat etablieren. Als Reaktion auf den von der autonomen Szene als "repressiv" empfundenen Polizeieinsatz beim ersten "Schanzenfest" fand am 12.09.09 ein weiteres statt. Im direkten zeitlichen Vorlauf beider Feste wurden jeweils mehrere Pkw in Brand gesetzt. Die "Schanzenfeste" verliefen mit jeweils 5.000 Besuchern zunächst friedlich. Im Anschluss kam es in beiden Nächten zu den inzwischen ritualisierten Krawallen im Schanzenviertel, an denen sich jeweils mehrere Hundert Personen beteiligten, darunter neben Autonomen auch zahlreiche "erlebnisorientierte" Jugendliche. Nach dem Fest am 12.09.09 begannen die Krawalle deutlich später als am 04.07.09 und in den Vorjahren. Nachdem die Randalierer 138 Linksextremismus auch durch kleinere Brandlegungen und dem Zünden pyrotechnischer Gegenstände keinen Polizeieinsatz provozieren konnten, griffen gegen ein Uhr ca. 150 Personen die Polizeiwache in der Lerchenstraße an ( 5.3.1). Sie setzten einen Pkw vor der Wache in Brand und beschädigten mehrere Scheiben des Polizeigebäudes. Anschließend zogen sich die unbekannten Täter ins Schanzenviertel zurück und randalierten dort weiter. Eine Stellungnahme des Vorbereitungskreises für das Schanzenfest (Indymedia) bezeichnete das zweite Fest als vollen Erfolg. Allerdings sei "beileibe nicht alles gut, was in diesem Zusammenhang vorgefallen ist". Die Verfasser versuchten dennoch, den wahllosen Ausschreitungen eine politische Bedeutung zu geben. Am 04.07.09 wurden 86 Personen festgenommen, darunter 60 mit Wohnsitz in Hamburg. Drei Fünftel der festgenommenen Störer waren bis 25 Jahre alt. Achtzehn weitere Personen wurden in Gewahrsam genommen. Am 12.09.09 wurden 47 Personen festgenommen, darunter 37 mit Wohnsitz in Hamburg. Rund drei Viertel der Inhaftierten waren jünger als 25 Jahre. Darüber hinaus wurden 20 Personen in Gewahrsam genommen. An einer zunächst friedlich verlaufenden Demonstration "Bambule - 7 Jahre Bordsteinkante! Gegen Gentrifizierung und für neue Bauwagenplätze in Hamburg" beteiligten sich am 28.11.09 ca. 1.450 Personen. Anschließend wurden im Karolinenviertel Feuer entfacht und Holzpaletten sowie Müllcontainer auf die Fahrbahn gezogen. Zwei Personen wurden vorläufig festgenommen. Eine Demonstration des Netzwerks "Recht auf Stadt" (s.o.) am 18.12.09 stand unter dem Motto "Gegen ein Unternehmen Hamburg! Für eine grundsätzlich andere - soziale und gerechte Stadt". In ihrem Aufruf wiesen die Organisatoren darauf hin, dass die "Leitbilder der unternehmerischen und wachsenden Stadt" nicht ihre seien, darum 139 Linksextremismus würden sie "demonstrieren, Häuser besetzen und Straßenfeste feiern". An der weitgehend friedlichen Demonstration beteiligten sich fast 3.000 Personen, darunter zumindest 500 Linksextremisten. 5.3.5 Linksextremistische Einflussnahme auf Proteste gegen die Energiepolitik Auch im Berichtsjahr waren Linksextremisten nur ein kleiner Teil der Anti-Atom-Bewegung. Sie haben ihren Protest mittlerweile um das Thema Klimawandel erweitert. Die noch junge linksextremistische Klimabewegung sieht den vielfältigen Widerstand gegen die Atomenergie als Vorbild und versteht den Klimawandel als zwangsläufige Folge kapitalistischer Produktionsverhältnisse. Um ihn zu stoppen, sei die Abschaffung des kapitalistischen Systems zwingend notwendig. Zu den wenigen in Hamburg aktiven linksextremistischen Anti-AKW-Gruppen gehören die Gruppe "Systemoppositionelle Atomkraft Nein Danke (SAND)" und das "Anti-Atom-Büro (AAB)". Während die Gruppe SAND auf ihrer Homepage häufig Termine des Anti-AKW-Widerstandes veröffentlichte, äußerte das AAB in der von AVANTI ( 5.2.1) und der "Linksjugend ['solid]" ( 6.) herausgegebenen Broschüre "KLIMA-CASINO SCHLIESSEN!", das "Ziel der Anti-Atom-Bewegung" sei "eine grundlegend andere Gesellschaft". Eine alternative Energieerzeugung könne nur durch eine "herrschaftsfreie und selbstbestimmte Gesellschaft" erreicht werden, die sich nicht nur an Profitinteressen orientiere. "Autonome aus Bremen und Hamburg" riefen im Rahmen einer Großdemonstration gegen Atomkraft mit 50.000 Teilnehmern am 05.09.09 in Berlin zu einem "antikapitalistischen Block" auf. "Wir wollen ...unseren Widerstand gegen die Atompolitik, AKWs, Atommafia und die herrschenden Verhältnisse zum Ausdruck bringen." Vor dem Hintergrund der Diskussion um längere Laufzeiten von Atomreaktoren, mögliche Endlagerstandorte für Atommüll und der "15. Vertragsstaatenkonferenz der UN-Klimarahmenkonvention" (auch "COP15" oder UN-Klimakonferenz) vom 07. bis 18.12.09 in Kopenhagen waren im Jahr 2009 verstärkte Protestaktivitäten deutscher 140 Linksextremismus Linksextremisten zu verzeichnen; sie verübten Brandanschläge und Sachbeschädigungen, auch auf Fahrzeuge eines Energiekonzerns. In der Nacht zum 12.01.09 setzten unbekannte Täter in Hamburg einen Transporter der Deutschen Bahn in Brand. In der "Zeck" Nr. 149 (März/April 2009) bekannte sich eine "Autonome Gruppe" zu der Tat: "Die deutsche und französische bahn machen die castor-transporte erst möglich und sind damit ziel von militanten aktionen. Diese werden weitergehen, unabhängig, ob die castoren gerade rollen oder nicht!" Die Tat erfolgte aus Solidarität mit französischen Anti-AKW-Aktivisten, die im November 2008 in Frankreich unter dem Verdacht festgenommen worden waren, Anschläge auf die Bahnstrecke von La Hague / Frankreich zur deutschen Grenze verübt zu haben. UN-Klimagipfel vom 07. bis 18.12.09 Der UN-Klimagipfel im Dezember 2009 war Anlass für mehrere im Vormonat begangene Straftaten; die entsprechenden Taterklärungen richteten sich insbesondere gegen die "Aufkündigung des Atomkonsenses". In der Nacht zum 19.11.09 setzten unbekannte Täter einen Pkw der Werbeagentur Jung von Matt in Brand und warfen Pflastersteine und mit Farbe gefüllte Glasbehältnisse gegen das Wohnhaus des Vorstandsvorsitzenden des Energiekonzerns RWE. Die Werbeagentur zeichnete verantwortlich für eine RWE-Werbekampagne. Am 20.11.09 ging bei einer Hamburger Zeitung ein Selbstbezichtigungsschreiben ohne Gruppenbezeichnung ein. Danach richteten sich die Anschläge letztlich gegen die RWE-Firmenpolitik und die Energiepolitik der Bundesregierung. Die unbekannten Verfasser forderten: "Fahrt alle im Dezember nach Kopenhagen und gebt euer Bestes!". Bislang unbekannte Täter setzten in der Nacht zum 23.11.09 in Hamburg fünf mit Firmenlogos der Deutschen Bahn AG (Foto) versehene Transporter in Brand. DDP 141 Linksextremismus In derselben Nacht verübten in Berlin Unbekannte einen Brandanschlag auf fünf DB-Fahrzeuge. Am Tag darauf ging bei einer Berliner Zeitung ein Bekennerschreiben ein, in dem "Bewegte Autonome" feststellten, dass es 2009 zwar keinen Castor-Transport gegeben habe, die "Gewinne der Atommafia" aber trotzdem weiterrollen würden. "Deshalb haben wir bundesweit in der Nacht vom 22. November Unternehmen angegriffen, die das ganze Jahr über von der Entwicklung und Unterstützung der Atomtechnologie profitieren." Auch sie hofften "auf breiten Widerstand gegen den Klimagipfel im Dezember in Kopenhagen". Aus den gemeinsamen Vorbereitungen zum Klimacamp 2008 in Hamburg ( VSB 2008) war das ebenfalls aktiv an den Protesten beteiligte "Klima!BewegungsNetzwerk" hervorgegangen, das sich als "offenes, breites aber radikales Netzwerkbündnis" versteht. Die Mobilisierungsschwerpunkte deutscher Linksextremisten zum COP15 lagen in Berlin und Norddeutschland. In Hamburg waren insbesondere die Gruppen "Atmospheric disorder" und AVANTI in den nachstehend genannten Netzwerken aktiv. "Atmospheric disorder" vertritt die Position, eine Veränderung des Klimas sei nur über "systemkritische Perspektiven" erreichbar. Die Gruppe lud vom 06.-08.11.09 zu einem Vernetzungsund Mobilisierungstreffen des Netzwerks "NTAC" nach Hamburg in die Rote Flora ein ( 5.1). Darüber hinaus fanden mehrere weitere, von "Atmospheric disorder" und AVANTI organisierte, Informationsund Mobilisierungsveranstaltungen in Hamburg und anderen deutschen Städten statt. 142 Linksextremismus International mobilisierten mehrere Netzwerke gegen den UN-Klimagipfel, darunter das auch linksextremistische Gruppierungen umfassende "Climate Justice Action"-Netzwerk (CJA) sowie das autonome Netzwerk "Never Trust A Cop" (NTAC). In einem Protestaufruf gegen den UN-Klimagipfel wurden die militante Ausrichtung des "NTAC"Netzwerks und der Wunsch nach einem "Aufstand" deutlich: "Es ist Zeit festzustellen, dass wir die Strukturen, welche den COP15 unterstützen in vollem Bewusstsein angreifen werden: Wir werden Polizeiketten durchbrechen; [...] wir weisen alle Regierungen und alle Formen von Governance zurück und wollen nicht lediglich die gegenwärtige delegitimieren." Höhepunkt der Proteste gegen den UN-Klimagipfel war eine weitgehend friedliche, internationale Großdemonstration am 12.12.09 in Kopenhagen mit bis zu 100.000 Teilnehmern. In den Folgetagen fanden weitere Aktionen u.a. zu den Themen Antikapitalismus und Antirassismus statt. Da die dänische Polizei insgesamt fast 2.000 Personen zwischen dem 12. und 18.12.09 vorläufig festnahm, konnten gewalttätige Ausschreitungen weitgehend verhindert werden. Unter den festgenommenen deutschen Staatsangehörigen war ein Hamburger Linksextremist. Die IL ( 5.2.1) als eine der maßgeblichen deutschen Initiatorengruppen bilanzierte die Proteste trotz der großen Teilnehmerzahl auffällig zurückhaltend: sie seien wegen "gravierender Schwächen" - politisch wie aktionistisch - "bestenfalls ein erster Meilenstein" gewesen. In mehreren deutschen Städten, u.a. in Hamburg, gab es aufgrund der zahlreichen Festnahmen in Kopenhagen solidarische Resonanzaktionen. Am 15.12.09 fand in Hamburg - ausgehend von der Roten Flora ( 5.1) - eine Demonstration "Solidarität für den in Kopenhagen inhaftierten Christian" statt. An der friedlich verlaufenen Aktion beteiligten sich ca. 40-50 Personen, die ein Transparent mit der Aufschrift "One day we will shoot back" mit sich führten. 143 Linksextremismus Eine weitere weitgehend friedlich verlaufene Solidaritätsdemonstration am 17.12.09 mit ca. 150 Teilnehmern, Tenor: "Solidarität mit den Gefangenen in Kopenhagen!", führte zum dänischen Konsulat. 6. Extremistische Teilstrukturen in der Partei "DIE LINKE." Seit Mai 2008 beobachtet der Hamburger Verfassungsschutz nur noch die eindeutig extremistischen Strömungen in der Partei "DIE LINKE.", das sind vor allem die "Kommunistische Plattform" (KPF), "marx21" und die "Linksjugend ['solid]". Ihnen werden ca. 70 Personen zugerechnet, die überwiegend Theoriearbeit leisten. (Internetseiten des LfV HH, "Arbeitsfeld Linksextremismus", Extremistische Strukturen in der Partei "DIE LINKE.") "Kommunistische Plattform" (KPF) Die KPF arbeitet als Zusammenschluss von Kommunistinnen und Kommunisten in der Partei "DIE LINKE.". Die Bewahrung und Weiterentwicklung marxistischen Gedankengutes ist ihr wesentliches Anliegen. Wie sie auf der vierten Tagung der 14. Bundeskonferenz am 22.11.09 beschloss, ist der Sozialismus für sie strategisches Ziel. Dazu müsse die Herrschaft des kapitalistischen Privateigentums überwunden und dessen reale Vergesellschaftung erreicht werden. Sie strebt ein breites Bündnis u.a. mit kommunistischen Parteien an und will dazu eine Zusammenarbeit mit der DKP entwickeln. Zum Jahresende 2009 waren nach Eigenangaben 1.050 Personen in der KPF organisiert. In Hamburg existieren seit 2003 zwei KPF-Strukturen; eine mit dem Zusatz "Clara Zetkin" und die von der "Liste Links" gegründete "KPF". Sie agieren getrennt, verstehen sich aber als inhaltlicher Zusammenschluss im Landesverband der Partei und sehen sich als "Teil der antikapitalistischen Bewegung in der BRD und weltweit". Als politische Bündnispartner bezeichnen sie u.a. die DKP, die VVNBdA und das Hamburger Bündnis gegen Rechts ( 7). 144 Linksextremismus "Linksjugend ['solid]" (['solid]) Programmatisch versteht sich die Organisation als Plattform und Jugendverband in der Partei "DIE LINKE.". Sie hat sich einem "konsequenten Antifaschismus" verpflichtet, den sie als Kampfbegriff gegen den demokratischen Rechtsstaat ideologisiert. Faschismus sei danach in der Logik des "Kapitalismus" selbst begründet. Um dies zu ändern, müsse mit einem grundsätzlichen Systemwechsel das Privateigentum an Produktionsmitteln abgeschafft und eine sozialistische Gesellschaft aufgebaut werden. Dabei bezieht sich die Organisation auf Traditionen des Kommunismus (['solid]-Programm 2008/09). Im Hinblick auf die Kopenhagener Weltklimakonferenz ( 5.3.5) im Dezember 2009 wurde bereits Anfang Oktober die von den Gruppen AVANTI ( 5.2.1) und ['solid] ( 6.) verfasste Broschüre "KLIMACASINO SCHLIESSEN! - Materialien für eine Klimabewegung von unten - Gegen Emissionshandel und andere Katastrophen" publiziert ( 5.2.1). Einer der ['solid]-Beiträge führt dazu aus, dass die "Herrschenden" als "zentraler Bestandteil der Klimapolitik in Kopenhagen und danach mit einer globalen Bewegung für Klimagerechtigkeit" entsorgt werden (S. 7 der Broschüre), der Kapitalismus überwunden und durch eine sozialistische Gesellschaft ersetzt werden müssten. Die Hamburger Gruppe trifft sich im Parteibüro der LINKEN. "Basisgruppen" existieren nach eigenen Angaben in den Bezirken HamburgAltona und Hamburg-Nord sowie im Stadtteil Wilhelmsburg. Sie gehörte auch zu den Unterstützern des Aufrufs zur Hamburger Demonstration "Gebührenfreie Bildung...für Alle" am 12.12.09. "marx21 - Netzwerk für Internationalen Sozialismus" (marx21) Die trotzkistische ( 8) Gruppe "marx21 - Netzwerk für Internationalen Sozialismus" versteht sich als Teil der Neuen Linken und der globalisierungskritischen Bewegung. Als "Klassenorganisation" will sie die Interessen der Arbeiterklasse und ihrer Gewerkschaften stärken. Ihr Ziel ist eine kommunistische Gesellschaftsordnung durch eine Revo145 Linksextremismus lution; eine parlamentarische Überwindung des Kapitalismus hält sie für unmöglich ("Politische Leitsätze" marx21). Nach einem Beschluss ihrer Bundesorganisation traten ihre Mitglieder 2007 nahezu geschlossen in die Partei "DIE LINKE." ein, um nach trotzkistischem Muster auf sie einzuwirken. Von der Gruppe gingen in Hamburg auch 2009 keine nennenswerten Aktivitäten aus. 7. Orthodoxe Kommunisten Als "orthodoxe Kommunisten" werden Parteien und Organisationen bezeichnet, deren Ideologie auf den Theorien von Marx, Engels und Lenin (Marxismus-Leninismus) beruht. Die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP, s.u.) ist die Kernorganisation der orthodoxen Kommunisten. (Internetseiten des LfV HH, "Arbeitsfeld Linksextremismus", Linksextremistische Ideologie) "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Überalterung, Nachwuchssorgen, angespannte Finanzverhältnisse und zunehmende Mitglieder: <4.000 Flügelkämpfe kennzeichnen Bundessitz: Essen die im Niedergang befindliche Vorsitzender: Heinz STEHR Partei. Ihr Potenzial stagniert bei 4.000 Mitgliedern - trotz Bezirksorganisation Hamburg Wirtschaftskrise und verstärkter Ideologie-Schulungen (s.u., Mitglieder: etwa 220 "Marxistische AbendschuVorsitzender: Olaf HARMS len"). Nur 1.200 Mitglieder - so die Parteizeitung "Unsere Zeit" (UZ), 24.09.09 - seien zu aktiver Mitarbeit bereit. Auch deshalb richtet die DKP ihr Hauptaugenmerk auf bündnispolitische Aktivitäten. 146 Linksextremismus Die Ergebnisse der Bundestagsund Europawahlen 2009 waren für die DKP desaströs. In den "Positionen der DKP zur Europawahl 2009 - Den Weg für ein sozialistisches Europa öffnen" plädierte sie dafür, den politischen Kurs der Europäischen Union grundlegend zu verändern. Sie trat damit auch einer parteiinternen Opposition entgegen, die einen Austritt aus der EU fordert. Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament am 07.06.09 erreichte sie bundesweit mit 0,1% zwar wieder den Prozentwert des Jahres 2004 - damals waren es aber noch 37.160 Stimmen gegenüber 25.615 im Berichtsjahr (Verlust: 31%). (Internetseiten des LfV HH, Schlagzeilen aus dem politischen Extremismus, "DKP: Auch in der Krise keine Alternative") Zur Bundestagswahl am 27.09.09 trat die DKP nach vorangegangenen Querelen zwischen dem Parteivorstand (PV) und dem Berliner Landesverband nur in Berlin an. Sie erzielte in Berlin 1.894 Zweitstimmen. Die wöchentlich erscheinende UZ kämpft bei anhaltenden Abonnentenverlusten ums Überleben. Im Juli 2009 waren es noch 5.434 Abonnenten (2008: 5.660). Im Westen Deutschlands sinke die Auflage seit 1997, im Osten seit 2006 (UZ, 24.07.09). Während des 16. UZ-Pressefestes (19. bis 21.06.09 in Dortmund) fand am 21.06.09 eine Diskussionsveranstaltung "Wege aus der Krise - Es ist Zeit für gesellschaftliche Allianzen" statt. Dem DKP-Vorsitzenden STEHR zufolge wachse bei den Menschen im Land die Angst, während die Linke noch kein mobilisierendes Projekt habe. Angesichts der tiefen Krise des Kapitalismus forderte er dazu auf, die Eigentumsfrage in den Mittelpunkt der Diskussion zu stellen und die Debatte über gesellschaftliche Zukunftsvisionen, über den Sozialismus zu führen (UZ, 26.06.09). Verteidigungspolitisch fordert die DKP den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Den vermeintlichen Widerspruch, dass in Umfragen 70% der Bevölkerung gegen diesen Einsatz seien, die von ihr unterstützten "Friedensaktivitäten" jedoch kaum Zulauf gewinnen, kann sie nicht erklären. Gleichwohl sieht sie "keine denkbare Alternative zur weiteren Formierung und Politisierung der außerparlamentarischen Bewegung" (UZ, 18.12.09). In einer Presseerklärung vom 05.04.09 anlässlich des 147 Linksextremismus 60. Jahrestages der NATO-Gründung im April in Straßburg und BadenBaden ( 4.) wertete die DKP die Proteste gegen den Gipfel als weiteren Höhepunkt der außerparlamentarischen Bewegung. Hamburg Die Mitgliederzahl der Hamburger DKP ging im Vergleich zum Vorjahr von 220 auf 210 zurück. Im März 2009 erschien erstmals die Publikation "Die öffentliche Hand - Zeitung der Betriebsgruppe Öffentlicher Dienst" der DKP Hamburg. In der zweiten Ausgabe, November 2009, wurde gefordert: "Der Widerstand muss weiter gehen!" und " [...] Wir sind ohnehin noch viel zu zahm. Es ist Zeit für uns, ein wenig französisch zu lernen...". Der Artikel bezog sich auf eine DGB-Demonstration am 16.05.09 in Berlin ("Die Krise bekämpfen - Sozialpakt für Europa"), bei der auch die DKP gut vertreten gewesen sei. Die Empfehlung zur Verbesserung der Französisch-Kenntnisse stellte auf spektakuläre Aktionen zur Arbeitsplatzverteidigung in Frankreich wie "Festsetzungen von Managern" oder Betriebsbesetzungen ab. Außerdem begann eine Fortsetzungsserie unter der Überschrift "Demokratische (oder sozialistische) Zukunft öffentlicher Betriebe". Durch Wahlbündnisse mit der LINKEN ( 6.) zu den Hamburger Bürgerschaftsund Bezirksversammlungswahlen im Februar 2008 erzielte die DKP Ergebnisse, die sie alleine nicht hätte realisieren können: Für DIE LINKE. wurde 2008 ein DKP-Mitglied direkt in die Bezirksversammlung Hamburg-Nord gewählt. Im März 2009 rückte der Hamburger DKP-Vorsitzende HARMS nach dem Tod eines Abgeordneten in die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte nach. Im Zusammenhang mit der Europawahl 2009 wurde in der DKP-Zeitung "Hamburger Utsichten" vom Frühjahr 2009 ein Gegensatz zur herrschenden Sichtweise in der Bundespartei deutlich (s.o.). Der innerparteilich auf Oppositionskurs liegende DKP-Bezirk Hamburg formulierte "klipp und klar Nein zur EU!". Auf der 31 Personen umfassenden Bundesliste der Partei zur Europawahl im Juni 2009 kandidierte deshalb auch kein Mitglied aus Hamburg. Das Ergebnis des Hamburger Landesverbandes mit 521 Stimmen (0,1%) bedeutete einen Verlust 148 Linksextremismus von 42% gegenüber dem von 2004 und lag damit noch unter dem Bundesergebnis. Das Dilemma der Partei ist deutlich: Immer dann, wenn sie unter eigenem Namen antritt, ist der Zuspruch aus der Bevölkerung gering - auch in Krisenzeiten. "Hamburger Bündnis gegen Rechts" (linksextremistisch beeinflusst) Die DKP konzentriert ihre Kräfte im bündnispolitischen Bereich. Ihr Hauptaktionsfeld in Hamburg ist seit Jahren das Thema "Antifaschismus" ( 5.3.2). Sie engagiert sich in dem linksextremistisch beeinflussten "Hamburger Bündnis gegen Rechts" (HBgR), in dem Linksextremisten verschiedener Zugehörigkeit und Nichtextremisten auf der Basis einer "Hamburger Erklärung gegen Rassismus und Faschismus" zusammenarbeiten. Darin setzt sich das HBgR u.a. "für die Diskussion über alternative Gesellschaftsmodelle ein, in denen Faschismus keine Chance hat". Der linksextremistische Hintergrund des Bündnisses ergibt sich aus der Zusammensetzung der beteiligten Personen und Organisationen. Linksextremistische Bestrebungen verfolgt neben der DKP insbesondere die Gruppe AVANTI ( 5.2.1). Der Hamburger DKP-Vorsitzende ist seit Jahren Sprecher des Bündnisses und für dessen Internet-Auftritt presserechtlich verantwortlich. Damit unterstreicht er die herausgehobene Bedeutung der politischen Arbeit des HBgR für die Hamburger DKP. Das Bündnis initiierte im Vorfeld der Bundestagswahl 2009 die Aktion "Brauner Sack". Sie zielte darauf ab, von August bis zur Bundestagswahl am 27.09.09 von NPD-Informationsständen stammendes Propagandamaterial vor Ort in Müllsäcken zu entsorgen. Hierbei kam es mehrmals zu handgreiflichen Auseinandersetzungen mit Rechtsextremisten und der Polizei. Die Hamburger Spitzenfunktionärin der linksextremistisch beeinflussten "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - VVN-BdA" meldete eine Demonstration am 11.09.09 gegen eine NPD-Versammlung im 149 Linksextremismus Stadtteil Borgfelde an (Motto "Kein Platz für Nazis in Hamburg - nicht in den Parlamenten, nicht im Stadtteil, nicht im Betrieb!", 5.3.2.). Mit etwa 2.700 Teilnehmern führte die Demonstration friedlich durch die Innenstadt. Bereits im Vorfeld waren Unstimmigkeiten im Bündnis über das Rederecht von Politikern aus den demokratischen Parteien und den Umgang mit autonomen Antifaschisten veröffentlicht worden ( 5.3.2). Diese Dissonanzen verdeutlichten die unterschiedlichen taktischen Ansätze orthodoxer Kommunisten und anderer Linksextremisten. Während die DKP im Rahmen ihrer bündnispolitischen Bemühungen Personen aus demokratischen Parteien zur eigenen Aufwertung als Redner gewinnen möchte, lehnen Autonome dies wegen ihrer Befürchtung ab, für Wahlkampfzwecke vereinnahmt zu werden. Ihre Kritik zielte offensichtlich auf die im Bündnis dominierenden Kräfte unter Einfluss der DKP ("Lokalberichte Hamburg", Nr. 19, 26.09.09). Eine "Antifa-Konferenz" der DKP fand am 19.09.09 in Altona statt. Der DKP-Eröffnungsredner betonte, "ein nazifreies Hamburg ist ein gemeinsames Ziel - über politische Grenzen hinweg". Mit der Kampagne "Brauner Sack" - so ein HBgR-Sprecher - sei es gelungen, den NPD-Wahlkampf empfindlich zu stören. Nun gehe es darum, die Kontakte in den Stadtteilen zu pflegen und zu festigen (junge Welt, 23.09.09). Die "Gedenkstätte Ernst Thälmann" e.V. Hamburg (GET), die ihren Sitz in Hamburg hat, wurde 1969 als Einrichtung der DKP zum Gedenken an den 1944 im KZ Buchenwald hingerichteten KPD-Vorsitzenden Ernst THÄLMANN gegründet. "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) Die formal selbständige SDAJ verbinden weiterhin ideologische und organisatorische Übereinstimmungen sowie gleiche Ziele, gemeinsame Büros und Doppelmitgliedschaften mit der DKP. Ihre Mitgliederzahl stagniert seit Jahren bundesweit bei 300. 150 Linksextremismus Am 14./15.03.09 fand der 19. SDAJ-Bundeskongress in Hannover mit ca. 100 Teilnehmern unter dem Motto "Keinen Menschen der Bundeswehr! Kein Fußbreit den Faschisten! Keine Chance dem Kapitalismus!" statt Zum neuen Bundesvorsitzenden wurde Björn SCHMIDT (Oldenburg/ Niedersachsen) gewählt. Er betonte bei seinen Ausführungen zur Wirtschaftskrise, die Aufgabe der SDAJ bestünde darin, "die Wut und Empörung über die Umverteilungsaktionen und Krisenfolgen unter den Jugendlichen zu verstärken und den wirklichen Verursacher der Krise zu benennen: den Kapitalismus" (SDAJ-Homepage). Auf dem Kongress wurde eine "Kampagne gegen die Werbeoffensive der Bundeswehr" beschlossen, in deren Rahmen 2010 möglichst viele Schulen und Städte zu "bundeswehrfreien Zonen" erklärt werden sollen. Nach eigener Einschätzung sieht sich die SDAJ in Interessenvertretungen an Schulen und in Betrieben gestärkt, machte dazu aber keine konkreten Ausführungen. Der Kongress erhielt diverse Solidaritätsadressen von Organisationen des linksextremistischen Spektrums, darunter DKP, Rote Hilfe ( 5.2.2) und Linksjugend ['solid] ( 6.) sowie der venezolanischen und der kubanischen Botschaften. Aus dem Umfeld des DKP-Parteivorstands hieß es, "dass sich der revolutionäre Jugendverband der BRD mit allen Facetten des Klassenkampfes auseinandersetzt und dieses verbrecherische System dorthin befördern will, wo es hingehört, auf die Müllhalde der Geschichte" (Homepage "dkp-queer"). Die Hamburger SDAJ bietet wöchentlich im "Havanna-Club" Gruppenabende an, er ist Teil des Hamburger DKP-Zentrums. In der August-Ausgabe ihrer Gruppenzeitung "Likedeeler" wurden aktuelle bundesund landespolitische Themen wie Bildungsstreik und Schulreform in Hamburg aufgegriffen. Zu eigenen öffentlichen Aktionen ist die Gruppe wegen ihrer geringen Mitgliederzahl nur selten in der Lage. Sie unterstützt deswegen Aktionen, von denen sie glaubt, sie könnten zur Erreichung ihrer sozialistischen Zielsetzung hilfreich sein. Die SDAJ Hamburg beteiligte sich am 151 Linksextremismus Nord-Pfingstcamp der SDAJ, das vom 29.05. bis 01.06.09 auf dem Jugendzeltplatz Falkenstein bei Kiel stattfand. Marxistische Abendschulen (MASCH) in Hamburg Seit 2007 gibt es in Hamburg neben der seit 1981 tätigen MASCH eine zweite Einrichtung dieser Art in Wilhelmsburg. Die Hoffnungen dieser im Sinne orthodox-kommunistischer Politik betriebenen "Ideologie-Schmieden", während der anhaltenden Wirtschaftskrise mehr Menschen für marxistische Theorie begeistern und letztlich für die DKP gewinnen zu können, haben sich bislang nicht erfüllt. Die seit 1981 bestehende "Marxistische Abendschule Hamburg - Forum für Politik und Kultur e.V." (MASCH e.V.) bietet hauptsächlich in Räumen der Universität Hamburg Kurse an. Die Referenten stammen vorwiegend aus den Reihen der DKP, auf deren Initiative die Gründung zurückgeht. Zu den jährlich angebotenen Kursen gehört der Lektürekurs "Das Kapital" von Karl Marx. Die 2007 auf DKP-Initiative gegründete Wilhelmsburger "Marxistische Abendschule *MASCH*" ("Marxistische Arbeiterschule e.V.") sieht ihre zentrale Aufgabe in der Vermittlung ideologischer Grundlagenkenntnisse anhand von Texten von Marx, Engels und Lenin. Veranstaltungen der *MASCH* in Wilhelmsburg finden häufig im örtlichen Bürgerhaus statt. Weitere Kurse wurden in Hamburg-Bergedorf und - Altona angeboten. In Altona kooperierte die *MASCH* mit der Gruppe "SoL" ( 5.2.3). 8. Trotzkisten Der Namensgeber und Ideologiestifter des Trotzkismus, Leo TROTZKI, vertrat die Auffassung, dass es einer "permanenten Revolution" bedarf, da mit der proletarischen Revolution der politische Prozess 152 Linksextremismus nicht abgeschlossen sein könne (Internetseiten des LfV HH, "Arbeitsfeld Linksextremismus", Linksextremistische Ideologie). Trotzkisten versuchen, durch Mitarbeit in anderen Organisationen Einfluss auszuüben (Entrismus). Zu den in Hamburg vertretenen trotzkistischen Gruppen gehört auch "marx21 - Netzwerk für Internationalen Sozialismus", dessen Mitglieder 2007 bundesweit in DIE LINKE. eingetreten sind ( 6). Eine weitere trotzkistische Gruppe ist die "Sozialistische Alternative" (SAV). Ihr Hamburger Ableger blieb auch 2009 weitgehend bedeutungslos (Weitere Informationen über die SAV: Internetseiten des LfV HH, "Arbeitsfeld Linksextremismus", Organisationen und Gruppen). 9. "Marxistische Gruppe" (MG) Die MG ist eine revolutionär-marxistische Organisation, die ihre umstürzlerischen Absichten nicht öffentlich propagiert. Um ihre Beobachtung durch die Sicherheitsbehörden zu erschweren, löste sie sich im Mai 1991 zum Schein formal auf. Aber auch achtzehn Jahre danach ist sie noch aktiv - bundesweit und unter Tarnbezeichnungen. Verbreitet tritt sie unter dem Namen "GegenStandpunkt" auf. Ihre politisch-ideologische Ausrichtung hat sich seit der Wiedervereinigung Deutschlands nicht verändert. Mit destruktiv-zynischer Kritik stellt sie die gesellschaftspolitischen Verhältnisse in Deutschland weitgehend in Frage, ohne eine konkrete Alternative anzubieten. Die Mehrzahl ihrer Angehörigen sind Akademiker. Auch deswegen konzentriert sie ihre Aktivitäten auf Universitätsstädte. Führungsfunktionäre sind im bundesländerübergreifenden Austausch als Referenten tätig. Ihr ideologisch verbindendes Printmedium ist die Broschüre "GegenStandpunkt - Politische Vierteljahreszeitschrift". Die Hamburger MG bot unter den Bezeichnungen "GegenStandpunkt", "AK-Gegenargumente / Arbeitskreis Lektüre", "Forum Gegenargumente Hamburg", "Arbeitslose Akademiker-Nachwuchsorganisation" 153 Linksextremismus (AANO) und einer Kombination der beiden letztgenannten öffentliche Veranstaltungen in Altona sowie in Räumen der Hamburger Universität an. Die Publikation "GegenArgumente" erschien 2009 dreimal. Mit einem bundesweit verbreiteten Flugblatt "Ihr wollt nicht für die Krise des Kapitals zahlen? Dann lasst es doch!" lud die Gruppe zu einer Veranstaltung "Das Beispiel Opel: Die Krise in der 'Realwirtschaft' - und wie der Staat die Macht des Kapitals wieder in Gang bringen will" am 07.04.09 in Altona ein. Vor und nach der Bundestagswahl führte die MG in Hamburg mehrere Veranstaltungen durch, u.a. zum Thema "Die Wahl - Eine Sternstunde demokratischer Herrschaft: Die nationale Führung lässt wählen - Das Volk bekommt, was es immer bekommt: Eine neue Regierung [...] Wählen ist verkehrt!". Ihre verächtliche Kritik am politischen System Deutschlands kann schon deswegen kaum überzeugen, weil sich ihre Führungskader keinen demokratischen Wahlen stellen müssen. 154 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Rechtsextremismus V. Rechtsextremismus 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick Die wichtigste Organisation und treibende Kraft des Rechtsextremismus in Deutschland ist nach wie vor die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD, 8.1). Innerparteiliche Machtkämpfe zwischen dem parlamentsorientierten Flügel, der einen "gegenwartsbezogenen und volksnahen Nationalismus" propagiert, und dem aktionsorientierten, neonazistischen Flügel sowie ausbleibende Wahlerfolge ( 8.1, Wahlteilnahme) führten 2009 jedoch insgesamt zu einer Schwächung der Partei. Auch die Mitgliederentwicklung ist leicht rückläufig. Die gemeinsamen Aktivitäten mit Angehörigen der neonazistischen Kameradschaften ( 5.) setzten sich fort. Nach dem Tod Jürgen RIEGERs am 29.10.09 ist offen, wie sich die Hamburger NPD entwickeln wird. RIEGER kam eine wichtige Integrationsfunktion zu, die jetzt fehlt ( 8.1, Hamburg). Der Niedergang der "Deutschen Volksunion" (DVU, 8.2) hielt ungebremst an. Im letzten Jahr verlor die DVU rund ein Viertel ihrer Mitglieder. Dem Bundesvorsitzenden FAUST gelang es nicht, den angekündigten Neuaufbau der Partei umzusetzen. Bei Wahlen ( 8.2) musste die Partei Verluste hinnehmen. In Hamburg ist die DVU kaum aktiv ( 8.2, Hamburg). Das desaströse Abschneiden der DVU bei der Europawahl am 07.06.09 führte in den NPD-Gremien zu dem Entschluss, den Deutschlandpakt ( 4.) vorzeitig zu beenden. Die Auflösung dieser Vereinbarung wurde offiziell am 27.06.09 verkündet. Die neonazistischen Kameradschaften ( 5.) sind maßgeblich an öffentlichen rechtsextremistischen Aktivitäten beteiligt. Eine neuere Erscheinungsform sind die "Autonomen Nationalisten" ( 5.), die sich in ihrer Kleidung und ihrem Auftreten linken Autonomen annähern. Unstimmigkeiten zwischen den Kameradschaften und der NPD gab 156 Rechtsextremismus es insbesondere hinsichtlich der Bewertung des historischen Nationalsozialismus und seiner Bedeutung für die politische Strategie und Praxis. Die für den Schulterschluss von NPD und Neonazis bislang wichtigste Integrationsfigur, der Hamburger Rechtsanwalt Jürgen RIEGER (Foto) , starb überraschend am 29.10.09. Damit verlor die rechtsextremistische Szene in Deutschland einen ihrer wichtigsten Protagonisten ( 9.). Erhebliche Auswirkungen hat sein Tod auch auf die rechtsextremistische Szene in Hamburg. RIEGER war nicht nur stellvertretender Parteivorsitzender der Bundes-NPD, sondern auch Landesvorsitzender in Hamburg ( 8.1, Hamburg). Die Reaktionen ( 9.1) auf seinen Tod zeigen, dass die Szene davon ausgeht, seinen Verlust kaum kompensieren zu können. In Hamburg engagierten sich nicht zuletzt aufgrund seiner Persönlichkeit und seines Einflusses etliche Neonazis in der NPD ( 9.2). Der intensiv und aufwändig geführte Wahlkampf der Hamburger NPD zur Bundestagswahl wäre ohne Mithilfe der Aktivisten aus der neonazistischen Szene nicht möglich gewesen ( 5.1). Eigene Unternehmungen der Neonazis traten dagegen in den Hintergrund. Entsprechend groß war daher angesichts des schlechten Wahlergebnisses die Enttäuschung, dass ihr Einsatz nicht belohnt worden war. 2. Potenziale Die Gesamtzahl der Personen im Bundesgebiet, die der Verfassungsschutz rechtsextremistischen Bestrebungen zuordnet, sinkt seit Jahren kontinuierlich. 2009 wurde erstmals seit 1988 die Zahl von 30.000 Personen unterschritten. 2009 gehörten nur noch 26.600 Personen dem rechtsextremistischen Gesamtpotenzial an. Dies entspricht einem Minus von 11,3 %. Zurückzuführen ist diese Entwicklung zu einem erheblichen Teil auf die Mitgliederverluste der DVU ( 8.2). 2009 verließen rund 1.500 Personen die Partei, die insgesamt noch 4.500 Mitglieder hat. Auch bei der NPD ( 8.1) sank die Mitgliederzahl, nämlich von 7.000 auf 6.800 Personen. 157 Rechtsextremismus Bund: Rechtsextremistische Personenpotenziale 60000 50000 40000 30000 50.900 49.700 45.000 41.500 40.700 39.000 38.600 33.000 30.000 26.600 20000 10000 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 - Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet - Zudem gab es bei den "Sonstigen rechtsextremistischen Organisationen" ( 11.) im Jahr 2009 einen deutlichen Rückgang: Statt 3.800 wurden in diesem Bereich nur noch 2.500 Rechtsextremisten gezählt. Die "sonstigen" Organisationen umfassen viele sehr unterschiedliche Gruppen, Vereine und andere Personenzusammenschlüsse. Der Mitgliederrückgang ist u.a. auf die Streichung mehrerer Beobachtungsobjekte der Verfassungsschutzbehörden zurückzuführen, aber auch auf die zwischenzeitlich erfolgte Zuordnung einzelner Gruppen zum neonazistischen oder subkulturell geprägten rechtsextremistischen Spektrum. Den rechtsextremistischen Skinheads und sonstigen gewaltbereiten Rechtsextremisten sind ebenfalls weniger Personen zuzurechnen als 2008; hier sank die Zahl von 9.500 auf 9.000 Personen. Neonazistische Gruppierungen konnten dagegen Anhänger gewinnen - ihre Zahl stieg von 4.800 auf 5.000. 158 Rechtsextremismus Die Zahl der rechtsextremistischen Parteien, Organisationen, Gruppen und sonstigen Personenzusammenschlüsse erhöhte sich 2009 auf 195 (2008: 156). Rechtsextremistisches Personenpotenzial 2008 2009 auf Bundesebene Rechtsextremistische Skinheads und sonstige gewaltbereite Rechts9.500 9.000 extremisten1 Neonazis2 4.800 5.000 Parteien 13.000 11.300 davon DVU 6.000 4.500 davon NPD 7.000 6.800 Sonstige rechtsextremistische 3.800 2.500 Organisationen Summe 31.100 27.800 abzügl. Mehrfachmitgliedschaften3 1.100 1.200 Gesamtpotenzial 30.000 26.600 - Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet - 1 Die meisten rechtsextremistischen Skinheads und sonstigen gewaltbereiten Rechtsextremisten sind nicht in Gruppen organisiert. In die Statistik sind als gewaltbereit nicht nur tatsächlich als Täter/Tatverdächtige festgestellte Personen einbezogen, sondern auch solche Rechtsextremisten, bei denen lediglich Anhaltspunkte für Gewaltbereitschaft gegeben sind 2 Nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften in der Neonazi-Szene. In der Zahl der Gruppen sind nur diejenigen neonazistischen Gruppierungen enthalten, die ein gewisses Maß an Organisierung aufweisen. 3 Die Mehrfachmitgliedschaften im Bereich der Parteien und sonstigen rechtsextremistischen Organisationen wurden vom gesamten Personenpotenzial abgezogen (für das Jahr 2008: 1.100; für das Jahr 2009: 1.200). 159 Rechtsextremismus Hamburg Die Zahl der Rechtsextremisten in Hamburg liegt mit 530 Personen knapp unterhalb der Vorjahreszahl von 540. Während die Zahl der NPD-Mitglieder ( 8.1, Hamburg) stabil blieb, ist die Mitgliederentwicklung der DVU ( 8.2, Hamburg) weiter rückläufig. Hamburg: Rechtsextremistische Personenpotenziale 1000 800 600 400 910 820 640 590 530 550 540 540 540 530 200 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 -Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundetEine starke personelle Überschneidung gibt es nach wie vor zwischen der NPD und der Neonazi-Szene. Etwa 40 der insgesamt 80 Neonazis gehören gleichzeitig dem Hamburger Landesverband der NPD an. Auch die Mitgliederzahlen der beiden neonazistischen Kameradschaften stagnieren. Die Werbung neuer Anhänger gestaltet sich für sie äußerst schwierig. Die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten hat leicht abgenommen: Diesem Spektrum werden nur noch 140 (2008: 150) Personen, vornehmlich Jugendliche und Heranwachsende, zugerechnet. 160 Rechtsextremismus Rechtsextremistisches Personenpotenzial 2008 2009 in Hamburg Rechtsextremistische Skinheads und sonstige gewaltbereite Rechts150 140 extremisten Neonazis 80 80 Parteien 300 290 davon DVU 160 150 davon NPD 140 140 Sonstige rechtsextremistische 75 80 Organisationen Summe 605 600 abzügl. Mehrfachmitgliedschaften 65 60 Gesamtpotenzial 540 530 -Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet3. Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) Bei rechtsextremistischen Straftaten (einschließlich der Gewalttaten) wird grundsätzlich nach fremdenfeindlichen, rassistischen und antisemitischen Motiven unterschieden (Definition PMK: II.4). Im Jahr 2009 wurden in Hamburg 297 rechtsextremistische Straftaten gezählt und damit 72 weniger als 2008 (369). Die Zahl der Gewalttaten ging ebenfalls klar von 45 auf 30 zurück. Die deutlich höhere Zahl der Gewalttaten im Jahr 2008 war insbesondere auf die Ausschreitungen am Rande der 1. Mai-Demonstration zurückzuführen. Unter den Gewalttätern befanden sich viele Auswärtige. Rund zwei Drittel der 297 Straftaten sind Propagandadelikte; dem ganz überwiegenden Teil dieser Propagandastraftaten liegt der Tatbestand des SS86 a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) zugrunde. Hierunter fallen - neben dem Verwenden von Hakenkreuzen - vor allem das Zeigen des "Hitler-Grußes" und 161 Rechtsextremismus das Skandieren der Parole "Sieg Heil". Bei diesen häufig unter Alkoholeinfluss verübten Delikten ist der Anteil der Tatverdächtigen, die rechtsextremistischen Parteien oder neonazistischen Kameradschaften angehören oder zu deren Umfeld zählen, eher gering. PMK2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Rechts PMKRechts 309 189 214 314 441 349 385 318 insgesamt davon rechtsextrem. 184 139 173 285 400 332 369 297 Straftaten hiervon extrem. 13 4 9 20 29 22 45 30 Gewaltdelikte Die Zahlen stammen aus den jeweiligen Jahres-Statistiken der Polizei Hamburg - Stand: Februar 2010 - Nicht ganz die Hälfte der 2009 verübten SS86a-Delikte betrifft die Verwendung von Hakenkreuzen, meist in Form von Schmierereien oder dem Einritzen in Gegenständen (Autos u.a.). In über 90% der Fälle sind keine Täter bekannt. Diese Straftaten werden grundsätzlich als rechtsextremistisch eingestuft, es sei denn, dass die Tatumstände einen solchen Hintergrund unwahrscheinlich erscheinen lassen oder dieser auszuschließen ist. Bei den rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten waren ebenfalls viele Tatverdächtige bisher nicht als Rechtsextremisten bekannt. Etwa 40% der 2009 ermittelten Tatverdächtigen hatten einen rechtsextremistischen Vorlauf bzw. waren zuvor durch die Beteiligung an rechtsextremistischen Aktivitäten aufgefallen. Grundsätzlich lehnen Hamburger Neonazis Gewaltanwendung aus taktischen Gründen ab, da diese gegenwärtig politisch nicht zielführend oder gar kontraproduktiv sei. Angehörige der Kameradschaften werden daher angehalten, sich in der Öffentlichkeit gesetzeskonform zu verhalten. Dennoch kann es u.a. beim Aufeinandertreffen mit politischen Gegnern auch zu Gewalttaten von organisierten Rechtsextremisten kommen. An einem Infostand der NPD am 15.08.09 in 162 Rechtsextremismus Barmbek stieß ein NPD-Aktivist eine Frau zu Boden, die zuvor Flugblätter vom Infotisch entwendet hatte. Die Geschädigte gehörte zu den Teilnehmern einer Spontandemonstration gegen den NPD-Stand. Auch eine andere Frau, die sich dem Infostand näherte und als Gegendemonstrantin bekannt war, wurde körperlich angegriffen. Bei einem weiteren Infostand der NPD am 22.08.09 in Bramfeld kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen drei Neonazis und einem dunkelhäutigen englischen Staatsangehörigen, der NPD-Material zerrissen hatte. Er wurde durch Schläge und Tritte verletzt und erlitt u.a. einen Rippenbruch. Hamburg 2009: Aufteilung der rechtsextremistischen 2008 2009 Straftaten nach Delikten Gesamt 369 297 Propagandadelikte 240 197 Fremdenfeindliche Delikte 61 60 Antisemitische Delikte 25 24 Gewalttaten 45 30 Die Zahlen stammen von der Polizei Hamburg - Stand: Februar 2010 - Die nachfolgenden Fälle stellen eine Auswahl rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten dar: * Am 21.01.09 schlugen zwei Männer einem aus Togo stammenden Mann in einem Bus ohne erkennbaren Grund ins Gesicht. * Am 30.05.09 schubsten vier unbekannte Täter am Bergedorfer S-Bahnhof einen angetrunkenen Mann zu Boden und schlugen ihm mit den Fäusten ins Gesicht. Zuvor hatten sie ihn mit "Sieg Heil" begrüßt. * Am 01.09.09 steckte ein 31-jähriger NPD-Aktivist Wahlzettel in die Briefkästen eines Mehrfamilienhauses in Wilhelmsburg. Nachdem ihm dieses vom Hausmeister untersagt worden war, kam es zunächst zu einer verbalen Auseinandersetzung und dann zu 163 Rechtsextremismus Tätlichkeiten. Dabei wurde der Hausmeister durch Pfefferspray verletzt. * Am 15.11.09 klebte ein Mann bei einem Ampel-Stopp einen NPD-Aufkleber mit fremdenfeindlichem Inhalt an das Fahrzeug eines neben ihm haltenden dunkelhäutigen Portugiesen. Als dieser ausstieg und den Mann zur Rede stellen wollte, wurde er brutal niedergeschlagen. Das Opfer erlitt eine Hirnblutung und musste notoperiert werden. Unter Tatverdacht steht ein 31-jähriger einschlägig Polizeibekannter. 4. Volksfront von Rechts Der 2004 eingeschlagene Kurs des rechtsextremistischen Spektrums, die politischen Kräfte in einer "Volksfront von Rechts" zu bündeln, fand 2009 ein vorzeitiges Ende. Nachdem es bereits 2008 zu massiven Konflikten zwischen Teilen der NPD-Führung und führenden Neonazis wie Thomas WULFF gekommen war, gab es nun zwischen NPD ( 8.1) und DVU ( 8.2) nach der Wahl zum Europäischen Parlament im Juni 2009 einen endgültigen Bruch. (Schlagzeilen aus dem politischen Extremismus / Beitrag "Rechtsextremisten uneinig: Auseinandersetzung zwischen NPD und DVU spitzt sich zu") Am 15.01.05 hatten die beiden rechtsextremistischen Parteien im Rahmen der "Volksfront"-Strategie den sogenannten Deutschlandpakt geschlossen. Darin verpflichteten sie sich, bis ins Jahr 2009 bei Wahlen auf Bundesund Landesebene nicht gegeneinander anzutreten, sondern jeweils der Partei mit den größeren Wahlchancen den Vortritt zu lassen. Die offenkundige Schwäche der DVU hatte jedoch bereits 2008 bei der NPD Zweifel ausgelöst, ob ein Festhalten an den Absprachen sinnvoll sei. Die Ergebnisse der Kommunalwahl in Brandenburg 2008, an der sich beide Parteien beteiligten, bestätigten die Einschätzung der NPD, dass sie aufgrund ihrer stärkeren lokalen und regionalen Verankerung selbst in der bisherigen DVU-Hochburg Brandenburg bessere Ergebnisse erzielen könnte. In der Folge war die DVU 164 Rechtsextremismus entgegen der ursprünglichen Planung sogar bereit, zugunsten der NPD auf die Teilnahme an der Landtagswahl am 30.08.09 in Thüringen zu verzichten. Auf ihrem Bundesparteitag im Januar 2009 wurde ein entsprechender Beschluss gefasst. Die DVU konzentrierte sich absprachegemäß auf die Europawahl im Juni sowie die Brandenburger Landtagswahl am 27.09.09. In Sachsen, Thüringen, im Saarland und in Schleswig-Holstein sowie bei der Bundestagswahl trat die NPD an. Nach dem desaströsen Abschneiden der DVU bei der Europawahl am 07.06.09, bei der die Partei lediglich 0,4% der Stimmen erreichte, beendete die NPD den Deutschlandpakt vorzeitig und kündigte an, zur Landtagswahl in Brandenburg selbst anzutreten. Dieser Schritt wurde mit der Aussichtslosigkeit eines Wiedereinzuges der DVU in den Potsdamer Landtag begründet. Die weitere Entwicklung in der NPD wird zeigen, ob sich die personelle Verknüpfung und die enge Zusammenarbeit von Teilen der Partei und der neonazistischen Szene ( 5.) fortsetzen. Über den Kurs der Partei kam es 2009 zu heftigen innerparteilichen Auseinandersetzungen. Sie mündeten in dem letztlich erfolglosen Versuch, auf einem Sonderparteitag am 04./05.04.09 den Parteivorsitzenden Udo VOIGT abzuwählen ( 8.1). Sowohl VOIGT als auch sein Stellvertreter Jürgen RIEGER (am 29.10.09 verstorben; 8.1, 9) wurden wiedergewählt. Durch die Stärkung des neonazistischen Flügels im Bundesvorstand gelang es VOIGT in der Folge, das Verhältnis zu den "Freien Kräften" ( 5.1) innerhalb und außerhalb der Partei wieder zu stabilisieren. Mit dem Tod RIEGERs haben sich die Gewichte in der NPD und damit auch im Verhältnis zu den Freien Kräften aber wieder verschoben ( 8.1), womit sich die Zusammenarbeit zwischen den Protagonisten der ehemaligen "Volksfront" künftig noch schwieriger gestalten dürfte. In Hamburg gab es Anfang 2009 zunächst Anzeichen für eine Intensivierung der Zusammenarbeit von NPD und DVU. Diese Hoffnung verband sich in erster Linie mit der Person des Hamburger DVU-Landesvorsitzenden Matthias FAUST ( 8.2), der im Januar 2009 auch den Bundesvorsitz übernahm. Die Hamburger NPD ( 8.1) gratulierte ihrem ehemaligen Mitglied zu seinem neuen Amt und brachte die Hoffnung zum Ausdruck, "dass jetzt die so ähnlichen Parteien DVU und NPD zusammenfinden" könnten. Zu einer weiteren Annäherung kam es jedoch nicht, was nicht zuletzt an der Inaktivität des DVU-Lan165 Rechtsextremismus desverbandes lag. Nach der Aufkündigung des Deutschlandpakts war klar, dass es auch in Hamburg keine Zusammenarbeit mehr geben würde. Etliche Neonazis aus den Kameradschaften ( 5.) waren in den letzten Jahren in die Hamburger NPD eingetreten ( 8.1), um deren Strukturen und Ressourcen für die politische Arbeit zu nutzen. Gleichzeitig unterstützten sie die NPD insbesondere in Wahlkämpfen und bei öffentlichen Versammlungen. Ohne diese aktive Hilfe wäre die NPD in Hamburg kaum aktionsfähig. Da viele Kameradschaftsangehörige ihr Engagement für die Partei mit der Person Jürgen RIEGERs ( 8.1, 9) verknüpft hatten, der in Hamburg wie auf Bundesebene eine wichtige Integrationsfunktion ausübte, ist die künftige Entwicklung und Ausrichtung der Hamburger NPD ungewiss. Das enttäuschende NPD-Ergebnis bei der Bundestagswahl hat die Motivation der jungen Aktivisten spürbar gedämpft, sich in der Parteiarbeit zu engagieren. 5. Neonazismus Neonazis in Deutschland definieren sich durch die positive Bezugnahme auf den historischen Nationalsozialismus und das Dritte Reich als ideale Staatsordnung. Sie lehnen die freiheitlich demokratische Grundordnung ab und befürworten einen autoritären "Führerstaat" mit einer ethnisch homogenen Bevölkerungsstruktur. Nach neonazistischer Auffassung stehen die Werte des Grundgesetzes, die im übergeordneten Schutz der Menschenwürde ihren besonderen Ausdruck finden, den vorrangigen Bedürfnissen der "Volksgemeinschaft" entgegen. Die neonazistische Szene in Deutschland setzt sich überwiegend aus Kameradschaften und lose strukturierten Gruppen zusammen, die auf lokaler oder regionaler Ebene miteinander vernetzt sind. Ein 166 Rechtsextremismus neueres Phänomen im Neonazismus sind die "Autonomen Nationalisten". Die Unterscheidungsmerkmale zu anderen Neonazis liegen weniger im ideologischen Bereich als vielmehr in den Aktionsformen und im Erscheinungsbild. Die revolutionäre Attitüde wird durch martialisches Auftreten ("Schwarzer Block", s.u.; Vermummung) sowie Verwendung einzelner - aus der linksautonomen Szene bekannter und entsprechend abgewandelter - Symbole und Parolen unterstrichen. Kennzeichnend für die meist noch sehr jungen Autonomen Nationalisten ist eine deutlich höhere Gewaltbereitschaft, die sich nicht nur auf Drohungen beschränkt, sondern bei Demonstrationen auch offen ausbrechen kann. Das Überwinden von Polizeiketten und Angriffe auf Gegendemonstranten gehören mittlerweile zu den Mitteln, um sich auf der Straße durchzusetzen. Die Bildung Schwarzer Blöcke bei rechtsextremistischen Demonstrationen war auch 2009 zu beobachten. Diese bestehen jedoch nicht ausschließlich aus Autonomen Nationalisten. Während Schwarze Blöcke bewusst bedrohlich wirken sollen und unberechenbar erscheinen, achten Führungskader aus der traditionellen Kameradschaftsszene bei öffentlichen Auftritten auf diszipliniertes Verhalten, um insbesondere Passanten nicht abzuschrecken, sondern sie für ihre politische Anliegen und Ziele zu gewinnen. In der in Kameradschaftskreisen weit verbreiteten "Aktivistenfibel" heißt es dazu: "Eine undisziplinierte Freizeitmentalität negiert die politische Außenwirkung unserer Aktionen!". Auch vor diesem Hintergrund arbeiten traditionelle Neonazi-Kameradschaften und Autonome Nationalisten nicht immer vorbehaltlos zusammen. Schwarze Blöcke werden zwar als Aktionsform und Druckmittel gegenüber Polizei und Gegendemonstranten akzeptiert. Das selbstbewusste Agieren dieser vornehmlich jüngeren Aktivisten stellt aber die Autorität und Durchsetzungsfähigkeit alteingesessener Führungskader in Frage und wird entsprechend kritisch beäugt. In Hamburg gibt es Einzelpersonen, die den Autonomen Nationalisten zuzurechnen sind bzw. sich dort anlassbezogen einreihen. Ab Mai 2009 waren diese Personen unter der Bezeichnung "Autonome Nationalisten Hamburg" mit einem Internetauftritt präsent, der allerdings nach wenigen Monaten wieder eingestellt wurde. Eine feste Gruppierung wie in einigen anderen Bundesländern hat sich hier bisher nicht 167 Rechtsextremismus gebildet. (Schlagzeilen aus dem politischen Extremismus / Beitrag "'Autonome Nationalisten' (AN) auch in Hamburg") Überschneidungen bestehen auch zwischen der neonazistischen und Teilen der rechtsextremistischen Skinhead-Szene ( 6.). 5.1 Bestrebungen in Hamburg und im Umland In Hamburg bestehen weiterhin die beiden neonazistischen Kameradschaften "Kameradenkreis Neonazis in Hamburg" und "Neonaziund Skinheadszene in Bramfeld". Beide sind nach dem Konzept der "Freien Nationalisten" organisiert, das Ende der 90er-Jahre nach dem Verbot mehrerer neonazistischer Organisationen entwickelt wurde. Der Verzicht auf feste Organisationsstrukturen wie Vorstände oder offizielle Führungsfunktionen soll Verbotsverfahren verhindern. Angehörige von Neonazi-Kameradschaften bezeichnen sich als "Freie Kräfte" oder "Freie Nationalisten". Damit betonen sie auch ihre Unabhängigkeit von rechtsextremistischen Parteien - insbesondere der NPD ( 8.1) -, die bei den beiden Kameradschaften unterschiedlich ausgeprägt ist. Diese Kameradschaften und ihr Umfeld bilden das Kernpotenzial der Hamburger Neonazi-Szene, der insgesamt etwa 80 Personen zuzurechnen sind. Dem Kameradenkreis Neonazis in Hamburg gehören 10 bis 15 ideologisch gefestigte Mitglieder an, die sich regelmäßig an lokalen wie überregionalen Aktivitäten (Demonstrationen, Flugblattverteilungen, Infoständen etc.) beteiligen ( 5.3.). Die Kameradschaft hält im Gegensatz zu den "Bramfeldern" am Konzept der Freien Nationalisten ohne Abstriche fest und steht der Zusammenarbeit mit der NPD eher kritisch gegenüber, ohne sich dieser gänzlich zu verweigern. Trotz Rekrutierungsbemühungen hat sich der Kreis der Aktivisten in den letzten Jahren nicht vergrößert. Mit der Internetseite "Jugend zu uns" konnte die Kameradschaft aber zumindest in Einzelfällen Jugendliche und junge Heranwachsende für die politische Arbeit interessieren. Um diese Werbemöglichkeit einzuschränken, beschloss die Bundes168 Rechtsextremismus prüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) auf Anregung des LfV Hamburg am 25.06.09, die Internetpräsenz auf den Index für jugendgefährdende Medien zu setzen. (Schlagzeilen aus dem politischen Extremismus / Beitrag "Neonazis in Hamburg: Kampagne 'Jugend zu uns' von Bundesprüfstelle indiziert") In der Begründung wurde dazu Folgendes ausgeführt: "Kinder und Jugendliche [...] können aus diesem Angebot als Eindruck einzig mitnehmen, dass die Bundesrepublik Deutschland ein Unrechtsstaat sei und die verfassungsmäßigen Grundprinzipien einzig dazu dienten, dieses Unrecht aufrechtzuerhalten. Als aktiv zu erkämpfende Alternative wird durch klare sprachliche und inhaltliche Bezüge der Nationalsozialismus propagiert. Jugendliche werden zur direkten tatkräftigen Mitarbeit, zum Kampf, aufgefordert [...].". Seit September 2009 ist die Internetseite nicht mehr abrufbar. Wie die Internetseite "Jugend zu uns" lässt sich auch der Internetauftritt des "Aktionsbüros Norddeutschland" inzwischen nicht mehr aufrufen. Beide Seiten wurden von Tobias THIESSEN, einem Angehörigen des Kameradenkreises Neonazis in Hamburg, betrieben. Das Aktionsbüro übte für viele Jahre eine Schlüsselfunktion für überregionale Vernetzungsbestrebungen aus. Auf seinem Internetangebot konnten sich norddeutsche Kameradschaften über Termine informieren sowie Pressemitteilungen, Berichte und Propagandamaterial abrufen. Zeitnah zur Abschaltung der Internetseite des Aktionsbüros wurde aber eine ähnlich aufgebaute Internetseite festgestellt, deren Inhalte sich auf den Hamburger Raum beschränken. Verwiesen wird dort auf weitere, ebenfalls regional ausgerichtete Infoseiten. Auch das Ende der 90er-Jahre ins Leben gerufene "Nationale und Soziale Aktionsbündnis Norddeutschland" (NSAN) existiert in der ursprünglichen Form nicht mehr. Die Führungskader der norddeutschen Kameradschaften kommen aber nach wie vor regelmäßig zu Koordinierungstreffen zusammen, insbesondere um überregionale Aktionen und Veranstaltungen zu planen und hierfür zu mobilisieren. Die mit dem Arbeitsbegriff Neonaziund Skinheadszene in Bramfeld bezeichnete Kameradschaft wird von ideologisch gefestigten Kadern geleitet, die der neonazistischen Szene in Hamburg bereits seit vielen Jahren angehören und seit einiger Zeit auch führende Funktionen in der Hamburger NPD ( 8.1) einnehmen. Hierzu gehören in erster Linie der Landesgeschäftsführer der NPD, Jan-Steffen HOLTHUSEN, und 169 Rechtsextremismus der ehemalige "Blood & Honour"-Aktivist Torben KLEBE (Foto), der nach dem Tod Jürgen RIEGERs ( 8.1, 9) den Hamburger Landesverband kommissarisch leitet. Wahlkampfbedingt führte die Kameradschaft im Jahr 2009 kaum eigenständige Aktivitäten durch, sondern war fast ausschließlich für die NPD aktiv. Dadurch verfügten die Mitglieder der Kameradschaft über erheblichen Einfluss in der Hamburger NPD; die Kameradschaft fungierte praktisch als NPD-Ortsgruppe. Deshalb wandten sich nicht parteigebundene Kameradschaftsmitglieder teilweise von der - szeneintern nur "Bramfelder" genannten - Kameradschaft ab. Dieser Personenkreis gehört aber weiterhin zum Mobilisierungspotenzial der Gruppe. Gleiches gilt für überwiegend subkulturell geprägte Personen aus dem Umfeld der Kameradschaft, die weniger ideologisch gefestigt sind, sich aber dennoch an Aktivitäten wie Demonstrationen beteiligen. Die Kameradschaft verfügt mit ihrem Umfeld über ein Mobilisierungspotenzial von etwa 25 Personen. Zudem unterhalten ihre Mitglieder auch Kontakte zu Jugendcliquen, die für rechtsextremistisches Gedankengut empfänglich sind, aus umliegenden Stadtteilen. Bei eigenen Aktionen treten die "Bramfelder" zumeist als Bürgerinitiative unter dem Motto "Für unsere Zukunft" auf. Im Leitfaden der Freien Nationalisten "Freier Widerstand - parteifrei politisch arbeiten" wird betont, dass die Zusammenarbeit mit der NPD "kein einseitiger Hilfsdienst" sein darf, sondern gleichberechtigt sein muss. Angesichts der engen Verzahnung zwischen der Hamburger NPD und den Bramfeldern und deren intensivem Wahlkampfeinsatz gelang es den übrigen parteifreien Neonazis kaum, im Berichtszeitraum eigene Akzente zu setzen. Auch bei öffentlichen Aktionen, an denen sich der Kameradenkreis Neonazis in Hamburg beteiligte, war für Außenstehende nur die NPD wahrzunehmen. Dennoch wird die Neonazigruppe um Tobias THIESSEN in Hamburg die enge Zusammenarbeit mit den Bramfeldern und damit auch der NPD aufgrund der eigenen Mobilisierungsschwäche vermutlich fortsetzen. Ob die Hamburger NPD auch zukünftig eine starke Anziehungskraft auf die Freien Kräfte ausüben wird, ist nach dem Tod RIEGERs, der als 170 Rechtsextremismus Integrationsfigur für beide Seiten überaus wichtig war, fraglich. Bisher hatten sich die Konflikte in der NPD auf Bundesebene nicht auf die Hamburger Kameradschaftsszene ausgewirkt. Nach Thomas WULFF, der bereits vor einigen Jahren nach Mecklenburg-Vorpommern verzogen war, hat mit Christian WORCH 2009 ein weiterer Neonazi, der langjährig in Hamburg aktiv war, seine Heimatstadt in Richtung Osten verlassen. Er wohnt jetzt in Parchim / MV. WORCH, der seit einiger Zeit ohne Gruppenanbindung als Einzelaktivist agiert, ist wegen seiner Kenntnisse über die versammlungsrechtliche Durchsetzung von Veranstaltungen weiterhin ein gefragter Experte und tritt bundesweit als Anmelder und Veranstalter von rechtsextremistischen Demonstrationen auf. Allerdings ist er aufgrund seines jüngsten Engagements für die DVU ( 8.2) in der neonazistischen Szene mittlerweile sehr umstritten. Angesichts des schlechten Abschneidens der DVU bei Wahlen im Jahr 2009, innerparteilicher Spannungen und der mehr als ungewissen Zukunft der Partei ist allerdings fraglich, ob sich WORCH weiter für ihren Aufbau engagieren wird. 5.2 Bestrebungen im Bundesgebiet Das bundesweite neonazistische Personenpotenzial ist 2009 erneut gestiegen. Gegenüber 2008 erhöhte sich die Zahl um 200 auf insgesamt 5.000 Personen, die überwiegend, dem Konzept der Freien Nationalisten ( 5.1) folgend, in Kameradschaften ohne formale Organisationstruktur eingebunden sind. Mit etwa 600 Mitgliedern ist die 1979 gegründete "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) weiterhin die einzige bundesweit agierende neonazistische Vereinigung. Sie engagiert sich insbesondere in der Betreuung inhaftierter Rechtsextremisten. Damit trägt sie dazu bei, diese an die Szene zu binden. Die Herausgabe der "Nachrichten der HNG", die an alle Mitglieder kostenlos sowie gegen Bezahlung an einige Abonnenten versandt wird, ist ein weiterer wichtiger Tätigkeitsbereich. In dem wenig professionell aufgemachten Blatt 171 Rechtsextremismus wird vor allem Kritik an staatlichen Maßnahmen gegen das nationale Lager und einzelne Personen artikuliert. Dadurch soll auch dem Entstehen von Unrechtsbewusstsein bei den Inhaftierten entgegengewirkt werden. Auch die am 31.03.09 verbotene "Heimattreue Deutsche Jugend" (HDJ) war überregional aktiv. Der Verein war 1990 gegründet worden. Seit 2001 lautet seine vollständige Bezeichnung "Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) - Bund zum Schutz für Umwelt, Mitwelt und Heimat e. V.". Der in Berlin beheimatete Verein hatte mehrere Hundert Mitglieder und gliederte sich in Bundesführung und untergeordnete "Leitstellen" (Nord, Mitte, Süd, West) und "Einheiten". Regionale Schwerpunkte waren Brandenburg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bayern. In Hamburg waren keine festen Strukturen oder Aktivitäten der HDJ festgestellt worden. Mit dem Verbot wurde das Vermögen beschlagnahmt. Die HDJ legte gegen die Verbotsverfügung Rechtsmittel ein. Über die Klage ist noch nicht entschieden worden, das Verbot mithin noch nicht rechtskräftig. Ehemalige Angehörige sind bemüht, ihre Aktivitäten fortzusetzen. 5.3 Aktivitäten Während die neonazistische Szene in Hamburg 2007 mit einer Kampagne gegen den Bau einer Moschee in Hamburg-Bergedorf öffentlich auf sich aufmerksam gemacht und 2008 die Hamburger 1. MaiDemonstration veranstaltet hatte, zeigten ihre Aktivitäten im Jahr 2009 deutlich weniger Außenwirkung. In der zweiten Jahreshälfte stellte sie sich im Zusammenhang mit der Bundestagswahl fast ausschließlich in den Dienst der NPD ( 8.1). Eigene Akzente setzten die Kameradschaften lediglich in Form einer regional abgestimmten ausländerfeindlichen Kampagne. Hierzu wurde u.a. das Flugblatt "Ausländer REIN? Wir sagen NEIN!" aus den Vorjahren aktu172 Rechtsextremismus alisiert und bei verschiedenen Anlässen verteilt. Darin wird behauptet, der "Zuwanderungswahnsinn" mache die Deutschen zu Fremden im eigenen Land. Die "verantwortungslose Überfremdungspolitik" führe zu sozialen Spannungen, da Millionen Ausländer auf den Arbeitsmarkt drängten. Im Widerspruch dazu wird allerdings erklärt, dass viele Ausländer gar nicht arbeiteten, sondern im Sozialsystem lebten, das "von uns aufgebaut wurde". Dass diese Agitation gegen Ausländer rassistisch motiviert ist, wird u.a. in folgender Aussage deutlich: Die Integration von Millionen Ausländern sei längst gescheitert, da aus einer "Kartoffel ... nun mal kein Apfel" werde und "aus einem Menschen völlig fremder Herkunft kein Deutscher." Vorgeworfen wird den Einwanderern auch eine "immer hemmungslosere Kriminalität". Aktuelle Kriminalstatistiken belegten, dass Ausländer um ein Vielfaches krimineller seien als Deutsche. Vor allem Gewaltverbrechen seien bei Ausländern "oftmals herkunftsbedingt und daher auch nicht therapierbar." Höhepunkt der neonazistischen Kampagne war die von der "Initiative 'Zukunft statt Überfremdung'" veranstaltete Abschlussdemonstration am 06.06.09 in Pinneberg, die unter dem Motto "Tag der deutschen Zukunft 2009" stand. Insgesamt beteiligten sich daran 200 Rechtsextremisten. Der zweite "Tag der deutschen Zukunft" ist bereits angekündigt und soll im Juni 2010 in Hildesheim stattfinden. Das Thema "Überfremdung" bleibt somit für die norddeutsche Neonaziszene ein wichtiges Agitationsfeld. Schon seit längerem besteht die Auffassung, dass einzelne politische Aktionen in eine breiter angelegte Kampagne eingebettet werden müssten, um politische Wirkung zu erzielen. Neben der Hetze gegen Ausländer haben auch revisionistische Themen in der politischen Agitation einen hohen Stellenwert. Gedenkveranstaltungen anlässlich der Jahrestage der Zerstörung deutscher Städte während des Zweiten Weltkriegs, das Anprangern der alliierten Kriegführung als Kriegsverbrechen ("Bombenholocaust") und das Gedenken an die Soldaten der Wehrmacht sind Themen für öffentliche Aktivitäten der Kameradschaftsszene. Ziel dieser Aktionen ist es, 173 Rechtsextremismus durch die Umkehr von Täterund Opferrolle die Verantwortung des nationalsozialistischen Deutschlands für die Kriegsgräuel zu relativieren bzw. auf die Alliierten abzuwälzen. Der am 14.02.09 zum Jahrestag der Bombardierung durchgeführte Trauermarsch in Dresden war mit über 6.000 Personen wieder eine der größten rechtsextremistisch geprägten Veranstaltungen. Dabei gelang es den Verantwortlichen, nicht nur Aktivisten aus der NPD und den Kameradschaften, sondern auch Angehörige des national-konservativen Spektrums einzubinden. An dem Lübecker Gedenkmarsch am 28.03.09 beteiligten sich ca. 350 Rechtsextremisten. In Hamburg fand wie in den Vorjahren auf dem Ohlsdorfer Friedhof (Foto) eine Gedenkveranstaltung für die Hamburger Bombenopfer statt. Die Kameradschaftsszene verzichtete in diesem Jahr auf eine Zusammenarbeit mit den der DVU ( 8.2) nahestehenden Initiatoren, die in den Vorjahren die Veranstaltung organisiert hatten. Sie veranstaltete am 02.08.09 eine eigene Gedenkaktion mit bis zu 20 Teilnehmern. Diese wurde konspirativ vorbereitet und nach kurzer Zeit beendet, um möglichen Störungen durch Antifaschisten ( IV; 5.3.2) zu entgehen. Am Gedenkmarsch in Bad Nenndorf / NI am 01.08.09 beteiligten sich etwa 750 Rechtsextremisten. Die alljährliche Veranstaltung gilt innerhalb der Kameradschaftsszene mittlerweile als Pflichttermin. In Bad Nenndorf befand sich ein von den Alliierten betriebenes Kriegsgefangenenlager, das von den Veranstaltern als "alliiertes Folterlager" bezeichnet wird. Dort soll es - so die neonazistische Propaganda - zu Kriegsverbrechen an deutschen Soldaten gekommen sein. Die ehemals wichtigste Veranstaltung der Neonaziszene, der Gedenkmarsch anlässlich des Todestags des HITLER-Stellvertreters Rudolf 174 Rechtsextremismus Heß im August, wurde auch für das Jahr 2009 rechtskräftig verboten. Begründet wurde das Verbot mit einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, da durch das öffentliche Gedenken an Heß die nationalsozialistische Gewaltund Willkürherrschaft gebilligt würde und somit ein Verstoß gegen SS 130 Abs. 4 StGB zu erwarten sei. Gedenkmarsch in Bad Nenndorf / NI am 01.08.09 Gegen die Verbotsverfügungen hatte der inzwischen verstorbene Anmelder Jürgen RIEGER ( 8.1, 9) jahrelang vergeblich geklagt, eine Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des SS 130 Abs. 4 StGB stand jedoch noch aus. In seinem Beschluss vom 04.11.09 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Regelung für vereinbar mit dem Grundgesetz. Ein Verstoß gegen die Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) liege nicht vor. Angesichts des sich allgemeinen Kategorien entziehenden Unrechts und des Schreckens, die die nationalsozialistische Herrschaft über Europa und weite Teile der Welt gebracht habe, seien der Gutheißung der nationalsozialistischen Gewaltund Willkürherrschaft verfassungsimmanente Schranken gesetzt, die eine Ausnahme vom Verbot des Sonderrechts für meinungsbezogene Gesetze zuließen. Damit ist nicht nur Rechtssicherheit geschaffen, sondern den Versammlungsbehörden auch ein wichtiges Mittel in die Hand gegeben worden, neonazistische Aufmärsche leichter verbieten zu können. Bisher wollte die Szene das Verbot durch Spontandemonstrationen umgehen. Dies hatte jedoch häufig keinen Erfolg. So versuchten am 17.08.09 Neonazis, zum Gedenken an Rudolf Heß durch Kellinghusen / SH zu marschieren. Der Aufzug wurde von der Polizei durch Platzverweise unterbunden. Sozialen und wirtschaftlichen Themen wurde 2009 zwar weniger Aufmerksamkeit als in den Vorjahren gewidmet, dennoch versuchte auch die Neonaziszene aus der aktuellen Finanzund Wirtschaftskrise politisches Kapital zu schlagen und die Stimmungslage in der Bevölkerung propagandistisch auszunutzen. Nachdem die unter dem Motto "Schluss mit Verarmung, Überfremdung und Meinungsdiktatur - natio175 Rechtsextremismus naler Sozialismus jetzt!" angemeldete Großdemonstration zum 1. Mai in Hannover verboten worden war, versammelten sich ca. 150 Neonazis aus Schleswig-Holstein und Hamburg, um in Itzehoe zu demonstrieren. Versammlungsverbote und -auflösungen bieten Neonazis oftmals einen Anlass für neue Aktionen, um die Repression gegenüber der rechtsextremistischen Szene anzuprangern. Sie versuchen sich dabei als die einzig wahre Opposition darzustellen. Ihre Kritik an der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung werde unterdrückt und ihr Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt. Der neonazistische Protest richtet sich in erster Linie gegen die Versammlungsbehörden, die Demonstrationen unberechtigterweise verbieten würden, und die Polizei, die bei Störungen durch Gegendemonstranten nicht eingreife und das Recht auf Versammlungsfreiheit nicht durchsetze. Am 23.05.09 versammelten sich ca. 120 Rechtsextremisten - darunter zahlreiche Angehörige der Hamburger Neonaziszene - in Lüneburg, um "Gegen Behördenwillkür" zu demonstrieren. Anlass war die Auflösung einer Demonstration am 11.04.09 in Lüneburg. Während des Bundestagswahlkampfes machten sich Neonazis die öffentliche Präsenz demokratischer Parteien zunutze. Wiederholt verteilten sie im Umfeld von Infoständen insbesondere der CDU eigenes Material, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und sich so ins Gespräch zu bringen. Diese Provokationen wurden jedoch nicht immer tatenlos hingenommen. Vereinzelt kam es zu verbalen Auseinandersetzungen und auch zu Handgreiflichkeiten, bei denen Personen auf beiden Seiten leicht verletzt wurden. 6. Rechtsextremistische Skinheads und sonstige gewaltbereite Rechtsextremisten Die seit den 80er-Jahren äußerlich vom Skinhead-Outfit geprägte rechtsextremistische Jugendszene hat sich in den letzten Jahren stark 176 Rechtsextremismus gewandelt. Der typische rechtsextremistische Skinhead mit Glatze, Springerstiefeln und Bomberjacke gehört zwar immer noch - vor allem in Ostdeutschland - zum Erscheinungsbild der rechtsextremistischen Szene. Der Anteil der Jugendlichen und jungen Heranwachsenden, die der klassischen Skinhead-Bewegung zuzurechnen sind, nimmt jedoch kontinuierlich ab. Jugendliche Rechtsextremisten orientieren sich zunehmend an allgemeinen Trends in der Jugendmode, passen sich dem Mainstream an oder entdecken neue Kleidungsund Musikstile für sich. Längere Haare und Piercings sind mittlerweile keine Seltenheit. Zum Dresscode gehören aber nach wie vor einschlägige Marken, die den Träger als Angehörigen des rechten Spektrums ausweisen. Im Gegensatz zu politisch aktiven Kadern, die eher selten Gewalt ausüben, weil diese aus taktischen Gründen gegenwärtig als nicht zielführend angesehen wird, bewegen sich insbesondere im Umfeld der neonazistischen Kameradschaften ( 5.) rechtsextremistische Skinheads und andere jugendliche Rechtsextremisten, die eine stärkere Gewaltaffinität aufweisen. In Hamburg ist die Gesamtzahl der rechtsextremistischen Skinheads und sonstigen gewaltbereiten Rechtsextremisten mit ca. 140 Personen (2008 = 150 Personen) leicht gesunken. Personen, die sich für Gewaltanwendung aussprechen oder auf andere Weise Gewaltbereitschaft erkennen lassen, werden als gewaltbereite Rechtsextremisten eingestuft. Eine Teilmenge davon bilden Personen, die bereits eine rechtsextremistisch motivierte Gewalttat verübt haben (gewalttätige Rechtsextremisten). Der ganz überwiegende Teil der insgesamt als gewaltbereit eingeschätzten Rechtsextremisten ist unter 30 Jahre alt. Unter den gewalttätigen Rechtsextremisten ist der Anteil der über 30-jährigen deutlich höher. Bei vielen Einzeltätern liegen keine weiteren Erkenntnisse vor. Sie sind häufig auch keiner einschlägig bekannten Gruppe zuzuordnen. Zur klassischen rechtsextremistischen Skinhead-Szene ist die Gruppierung "Weisse Wölfe Terror Crew" (WWTC) zu rechnen. Diese Gruppe, 177 Rechtsextremismus der außer Hamburgern auch Personen aus anderen Bundesländern angehören, war 2008 erstmals in den Fokus der Sicherheitsbehörden geraten, nachdem einzelne Mitglieder mehrfach durch szenetypische Straftaten sowie Körperverletzungsdelikte und Sachbeschädigungen aufgefallen waren. Im Rahmen eines in Brandenburg eingeleiteten Strafverfahrens wurden am 28.10.09 auf Betreiben der Staatsanwaltschaft Hamburg zeitgleich insgesamt 13 Durchsuchungsbeschlüsse gegen Mitglieder der WWTC in Berlin, Brandenburg, Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen vollstreckt. Den 23 Beschuldigten im Alter von 20 bis 33 Jahren wurde vorgeworfen, gegen das Uniformverbot verstoßen zu haben. Als Erkennungszeichen der Gruppe dienten schwarze T-Shirts mit dem Gruppennamen Weisse Wölfe Terror Crew, der Abbildung eines Schlagrings sowie dem Schriftzug "Unbelehrbar" und dem Kürzel "C 18". Die Polizei stellte zahlreiche Beweismittel sicher, u. a. Bekleidungsstücke, Tonträger und Computer. C18 steht für "Combat 18", dem gewaltbereiten Arm des weltweit tätigen rechtsextremistischen Netzwerks Blood & Honour. Der deutsche Ableger "Blood & Honour Division Deutschland" war im Jahr 2000 durch den Bundesminister des Innern verboten worden. Die Zahl 18 steht für den ersten und achten Buchstaben des Alphabets, A und H, die Initialen Adolf HITLERs. 7. Rechtsextremistische Musik Musik ist ein wichtiges, identitätsstiftendes Ausdrucksmittel jugendlicher Subkulturen und damit auch für die rechtsextremistische Jugendszene von herausragender Bedeutung. Der 1993 verstorbene und bis heute von rechtsextremistischen Skinheads verehrte Begründer des neonazistischen Blood & Honour-Netzwerks und Sänger der SkinheadKultband "Skrewdriver", Ian STUART DONALDSON, erklärte: "Musik 178 Rechtsextremismus ist das ideale Mittel, Jugendlichen den Nationalsozialismus näher zu bringen, besser als das in politischen Veranstaltungen gemacht werden kann, kann damit Ideologie transportiert werden". Über die Musik soll bei jungen Menschen Interesse an nationalen Themen geweckt werden. In Deutschland sind insgesamt ca. 150 rechtsextremistische Bands aktiv, die überwiegend einen lauten und aggressiven Musikstil bevorzugen. Die Palette reicht von Oi-Punk über Hardoder Hatecore bis zu Black Metal. Vor allem die Texte der aus der klassischen Skinhead-Szene stammenden Musikgruppen weisen in starkem Maße rassistische, volksverhetzende, antisemitische und gewaltverherrlichende Inhalte auf. Neben den Musikgruppen sind eine Reihe von Liedermachern aktiv, die ebenfalls Konzertabende veranstalten. Im Jahr 2009 gab es bundesweit 130 Skinhead-Konzerte. Der Handel mit rechtsextremistischen Tonträgern findet hauptsächlich über Vertriebsplattformen im Internet statt. Zudem gibt es einige Downloadportale für einschlägige Musikangebote. Mit der Produktion und dem Verkauf rechtsextremistischer CDs werden jährlich mehrere Millionen Euro in Deutschland umgesetzt, insbesondere der illegale Handel mit verbotenen Tonträgern ist ein lukratives Geschäft. Im März 2009 wurden die Wohnungen und Geschäftsräume von rund 200 Händlern der rechtsextremistischen Internetplattform "Unser Auktionshaus" durchsucht. Dabei wurden ca. 45.000 Tonträger mit strafrechtlich relevanten Texten sichergestellt. Zudem wurden während der Aktion ca. 70 Waffen bzw. Waffenteile beschlagnahmt. Im März 2009 veröffentlichte die Band "Sturm 5" die CD "In den Pharussälen", die rassistische, antisemitische und den Nationalsozialismus verherrlichende Liedtexte enthält. In dem Lied "Nationalsozialisten" diffamiert die Musikgruppe deutsche Politiker als "Demokratenschweine", die "gut bezahlte Marionetten [...] an den Fäden [...] des jüdischen Zentralrats" sind. 179 Rechtsextremismus Die CD wurde am 30.04.09 von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien auf den Index, Liste B, gesetzt, womit gleichzeitig die strafrechtliche Relevanz festgestellt wird. Das Amtsgericht Cottbus erließ am 16.06.09 einen entsprechenden Beschlagnahmebeschluss wegen Volksverhetzung (SS130 StGB). Der Vertrieb des Tonträgers steht in Deutschland somit unter Strafe. Eine weitere Veröffentlichung, die durch ihre besonders rassistischen und volksverhetzenden Inhalte heraussticht, ist die im September erschienene CD "Die Ewigen" der Band "Autonom". Konzertveranstaltungen mit rechtsextremistischen Musikgruppen ziehen nach Auswertung der Verfassungsschutzbehörden durchschnittlich ca. 150 Besucher an. Die Konzerte werden oftmals als Geburtstagsfeiern getarnt und so auch bei potenziellen Vermietern geeigneter Räumlichkeiten angemeldet, da sich diese wegen der Öffentlichkeitsarbeit der Sicherheitsbehörden zunehmend aufgeklärt und kritisch zeigen. In den vergangenen Jahren wichen Rechtsextremisten mangels anderer Räume häufig auf Vereinsheime in Kleingartenkolonien aus. Für solche Konzerte wird generell nicht öffentlich geworben, sondern konspirativ, meist via SMS und Kontakttelefon. Besondere Konzerte finden im Rahmen von Großveranstaltungen der NPD ( 8.1) statt, die sich die Popularität einiger rechtsextremistischer Musikgruppen zunutze macht und diese engagiert. Solche Veranstaltungen haben einen deutlich professionelleren Rahmen und ziehen mehr Publikum an. Am 11.07.09 - im Vorfeld der thüringischen Landtagswahl - organisierte die NPD eine Open-Air-Veranstaltung "Hier bleiben - Anpacken! Rock für Deutschland" in Gera / TH. Bandauftritte und Wahlkampfreden wechselten einander ab. Zu der Veranstaltung reisten ca. 3.900 Rechtsextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland an. Nach den Gruppen "Brainwash", "Blitzkrieg" und "Sleipnir" trat als Hauptattraktion "Die Lunikoff Verschwörung" auf. 180 Rechtsextremismus Die Band des ehemaligen "Landser"-Sängers Michael REGENER alias LUNIKOFF ist in der rechtsextremistischen Szene ausgesprochen beliebt. Der große Publikumsandrang dürfte maßgeblich auf ihn zurückzuführen sein. REGENER war im Februar 2008 nach knapp dreijähriger Haft aus der Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel entlassen worden. Das Kammergericht Berlin hatte ihn als Frontmann der Band Landser wegen Bildung und Rädelsführerschaft einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. In Hamburg waren die Aktivitäten der rechtsextremistischen Musikszene gering. Zurzeit gibt es hier nur eine als rechtsextremistisch eingestufte Musikgruppe: die Skinhead-Band "Schall und Rauch". 2009 wurden zwei Konzerte der Band festgestellt. Am 18.04.09 trat sie in Hamburg gemeinsam mit einer weiteren Band vor ca. 80 Besuchern auf. Das zweite Konzert fand am 11.12.09 im Hamburger Umland vor ca. 70 Zuhörern statt. Im November 2009 veröffentlichte "Schall und Rauch" bei dem rechtsextremistischen Chemnitzer Label "PC Records" ihr Debütalbum "Same". Die Liedtexte der Hamburger Band weisen teilweise rassistische, nationalistische und gewaltverherrlichende Aussagen auf. Mit dem Titel "Hamburger Skinheads" glorifiziert "Schall und Rauch" die rechtsextremistische Skinhead-Szene und bekennt sich zu neonazistischen Parolen. Zuspruch in der rechtsextremistischen Szene findet auch die Band "Kategorie C - Hungrige Wölfe", die am 14.03.09 in einer Gaststätte im Stadtteil Hamburg-Moorburg vor ca. 500 Besuchern ein Konzert gab. Die aus Bremen stammende Band, die sich nach der Polizeiklassifizierung für "gewaltsuchende" Fußballfans ("Kategorie C") benannt hat, wurde bis vor einigen Jahren von den Verfassungsschutzbehörden als rechtsextremistische Band eingestuft. In den letzten Jahren verfolgt sie jedoch zunehmend kommerzielle Ziele und spricht überwiegend die Hooligan-Szene an. 181 Rechtsextremismus 8. Rechtsextremistische Parteien 8.1 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) Die NPD ist trotz eines leichten Rückgangs nach wie vor die mitgliederstärkste rechtsextreMitglieder: 6.800 mistische Partei in Deutschland. Bundessitz: Berlin Gegenüber 2008 sank die Zahl Vorsitzender: Udo VOIGT der Mitglieder um 200 auf 6.800 Personen. Mit den "Jungen NatioLandesverband Hamburg naldemokraten" (JN) verfügt die Mitglieder: 140 NPD über eine eigene JugendorVorsitzender: Jürgen RIEGER (bis ganisation. Sie ist laut Satzung 29.10.2009) der NPD integraler Bestandteil der Torben KLEBE Partei und hat bundesweit ca. 400 (kommissarisch seit Anhänger. Die JN sehen sich als November 2009) Bindeglied zwischen Partei und unabhängigen Aktivisten aus dem neonazistischen Spektrum. Sie tun sich allerdings schwer, die beanspruchte Scharnierfunktion zwischen Partei und Freien Kräften erfolgreich auszuüben. Nicht nur wegen der Mitgliederentwicklung war das Jahr 2009 für die NPD enttäuschend. Auch bei den zahlreichen Landtagswahlen ( 4.) und der Bundestagswahl verfehlte sie ihre Wahlziele. (Schlagzeilen aus dem politischen Extremismus / Beitrag "Bundestagswahlen: Schwere Niederlagen der Hamburger Rechtsextremisten") Mitursächlich hierfür waren neben der finanziell prekären Lage die heftigen innerparteilichen Auseinandersetzungen in der ersten Jahreshälfte. Die NPD bot das Bild einer heillos zerstrittenen und dem finanziellen Kollaps nahestehenden Partei. Im April kam es zur Machtprobe zwischen dem neonazistisch geprägten und dem parlamentsorientierten Flügel um die Landtagsfraktionen aus Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Der Versuch der parteiinternen Kritiker um Holger APFEL (NPD-Fraktionsvorsitzender in Sachsen), Andreas MOLAU (damaliger stellvertretender niedersächsischer Landesvorsitzender) und Udo PASTÖRS (Fraktionsvorsitzender 182 Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern), den Parteivorsitzenden Udo VOIGT (Foto) aus dem Amt zu drängen und den Einfluss des neonazistischen Flügels einzudämmen, misslang jedoch. Auf dem Sonderparteitag am 04./05.04.09 wurde VOIGT wiedergewählt. Auch der am 29.10.09 verstorbene Jürgen RIEGER, der vor allem von den Delegierten aus der neonazistischen Kameradschaftsszene ( 5.) unterstützt worden war, konnte sich bei der Wahl durchsetzen und wurde in seinem Amt bestätigt. Die Hamburger NPD zeigte sich hocherfreut, dass mit seiner Wahl der "jahrzehntelange Einsatz für unser Land durch unseren Landesvorsitzenden, aber auch die erfolgreiche Arbeit des Hamburger NPD-Landesverbandes unter der Führung von Jürgen RIEGER, ihre Würdigung durch die Delegierten des Bundesparteitages" gefunden habe. Zu weiteren Stellvertretern wurden der Vorsitzende des NPD-Landesverbandes Thüringen Frank SCHWERDT und der Münchner Stadtrat Karl RICHTER gewählt. Mit der Neuwahl des Bundesvorstandes fand der innerparteiliche Streit, der zum Teil von persönlichen Herabsetzungen begleitet war, zumindest einen vorläufigen Abschluss. Die parlamentsorientierten Kräfte um Holger APFEL (Foto) mussten ihre Niederlage eingestehen. In einer kurz nach dem Parteitag veröffentlichten Presseerklärung machte APFEL aber erneut deutlich, wo für ihn die innerparteiliche Frontlinie verläuft. Er warb für den "sächsischen Weg", d.h. für einen "gegenwartsbezogenen und volksnahen Nationalismus, ... der sich von unpolitischer Nostalgiepflege, ziellosem Verbalradikalismus und pubertärem Provokationsgehabe" abgrenze. Gleichwohl versicherte er, "in kritischer Loyalität" zum neugewählten Vorstand zu stehen. Als Reaktion darauf veröffentlichte der Bundesvorstand am 26.04.09 das Positionspapier "Eine Standortbestimmung - Der deutsche Weg". Darin wird betont, die Erfolge der NPD bei den Landtagswahlen 183 Rechtsextremismus 2004 in Sachsen und 2006 in Mecklenburg-Vorpommern seien auf die Wahrnehmung der NPD als echte Systemalternative zurückzuführen. Entsprechend wird gefordert, die Partei weiterhin kompromisslos an der "Überwindung des liberalkapitalistischen Systems und des bestehenden volksfeindlichen Parteienstaats" auszurichten. Eine einseitige Hinwendung zu national-konservativen Kreisen, wie dies von Teilen der NPD angestrebt werde, stelle einen gefährlichen Anpassungskurs dar. Stattdessen müsse die Partei der stetig wachsenden Zahl derer eine Stimme geben, die dem System distanziert gegenüberstünden. Bei einer Anpassung an konservative Schichten aber verlöre der klare sozialrevolutionäre Kurs der NPD seine Glaubwürdigkeit. Die NPD dürfe mit ihrer Argumentation nicht versuchen, in die Mitte der Gesellschaft zu drängen, sondern müsse diese zu sich ziehen. Die veröffentlichten Stellungnahmen zeigen, dass die NPD weiter in zwei Lager gespalten ist. Während insbesondere die Landtagsfraktionen aktuelle politische Themen aufgreifen und Bezüge zum Nationalsozialismus vermeiden, um potenzielle Wähler aus dem bürgerlichkonservativen Spektrum zu erreichen, ist der durch Personen aus der neonazistischen Kameradschaftsszene ( 5.) geprägte Flügel nicht an seriöser Parlamentsarbeit, sondern an politischer Provokation und Aktionen auf der Straße interessiert. Wichtiger als der Einzug in die Landesparlamente ist den neonazistischen Kräften in der NPD, unter dem Schutz des Parteienprivilegs weiterhin ungestört agieren, agitieren und Mittel aus der staatlichen Parteienfinanzierung in Anspruch nehmen zu können. Die zweite Jahreshälfte stand ganz im Zeichen des Wahlkampfes. Die NPD trat am 30.08.09 bei den Landtagswahlen im Saarland, in Sachsen und in Thüringen an und beteiligte sich am 27.09.09 an der Bundestagswahl sowie an den Landtagswahlen in Brandenburg und Schleswig-Holstein. Bei der für die NPD wichtigsten Landtagswahl in Sachsen gelang ihr zwar, wieder in das Landesparlament in Dresden einzuziehen, mit 5,6% der Wählerstimmen musste sie gegenüber dem Ergebnis von 2004 (9,2%) allerdings deutliche Stimmeneinbußen hinnehmen. Das eigene Wahlziel lag bei "10 % plus X". Die widerstreitenden Partei184 Rechtsextremismus flügel werteten das Wahlergebnis jeweils als Bestätigung der eigenen Position. Jürgen RIEGER kritisierte, dass die Landtagsfraktion viel zu "brav" und zu bürgerlich aufgetreten sei. Diese Strategie hätte sich nicht ausgezahlt. Man hätte vielmehr auf die Protestwähler setzen sollen, die mit dem ganzen "System" unzufrieden seien, statt auf das bürgerlich-konservative Lager zu schielen. Erstmals den Wiedereinzug in ein Landesparlament erreicht zu haben, dürfte die innerparteiliche Position des Landesverbandes Sachsen und damit APFELs deutlich stärken. Wahlteilnahme der NPD 2009 Ergebnis Ergebnis Datum Wahl 2004 2009 30.08.09 Landtagswahl Saarland 4,0 % 1,5 % 30.08.09 Landtagswahl Sachsen 9,2 % 5,6 % 30.08.09 Landtagswahl Thüringen 1,6 % 4,3 % Bei der Thüringer Landtagswahl blieb der NPD ein ähnlicher Erfolg verwehrt. Dort kam die Partei zwar auf beachtliche 4,3 % der Stimmen (2004: 1,6 %), verpasste aber den Einzug in den Erfurter Landtag. Die Bundespartei hatte den Wahlkampf unter der Prämisse, sich demonstrativ als "authentische Systemalternative" präsentieren zu wollen, mit hohem Aufwand unterstützt. Für die Partei war es enttäuschend, das Wahlziel dennoch deutlich verfehlt zu haben. Für ihre Wahlteilnahme in Brandenburg kündigte die NPD am 27.06.09 den Deutschlandpakt ( 4.) mit der DVU ( 8.2) auf. Auch hier hatte sich die NPD Hoffnung gemacht, die Fünf-Prozent-Hürde überspringen zu können, kam jedoch nur auf 2,5%. Insgesamt erhielt sie aber mehr als doppelt so viele Stimmen wie die DVU, die lediglich einen Stimmenanteil von 1,2% erreichte. Bei der vorgezogenen Landtagswahl in Schleswig-Holstein erzielte die NPD mit 0,9 % der Wählerstimmen weniger als die Hälfte im Vergleich zu 2005 (1,9%). Da sie unter einem Prozent der Wählerstimmen blieb, verlor sie auch den Anspruch auf staatliche Teilfinanzierung. 185 Rechtsextremismus Wahlteilnahme der NPD 2009 Ergebnis Ergebnis Datum Wahl 2005 2009 27.09.09 Bundestagswahl 1,6 % 1,5 % Landtagswahl keine 27.09.09 2,5 % Brandenburg Teilnahme Landtagswahl 27.09.09 1,9 % 0,9 % Schleswig-Holstein Im Saarland kam die NPD lediglich auf einen Stimmenanteil von 1,5 % (2004: 4,0 %). Damit bestätigte sich, dass sie im Jahr 2004 vor allem Proteststimmen gebündelt hatte und im Saarland nicht substanziell verankert ist. Bei der Bundestagswahl erzielte die NPD mit einem Zweitstimmenanteil von 1,5 % fast das gleiche Ergebnis wie 2005 (1,6 % der Stimmen). In absoluten Zahlen gerechnet verlor die Partei aber gegenüber 2005 rund 110.000 Stimmen. Vor vier Jahren hatten 748.568 Wählerinnen und Wähler die NPD gewählt, am 27.09.09 waren es nur 635.437. Auch dieses Wahlergebnis blieb damit deutlich hinter den Erwartungen der NPD zurück. Die DVU ( 8.2), die sich kurz nach Auflösung des Deutschlandpaktes ( 4.) zur Teilnahme entschlossen hatte, konnte allerdings für das schlechte Abschneiden nicht verantwortlich gemacht werden; sie erreichte lediglich 0,1 % der Zweitstimmen. Das NPD-Präsidium versuchte, das enttäuschende Resultat u.a. damit zu erklären, dass die globale Finanzund Wirtschaftskrise "im Bewusstsein weiter Teile unseres Volkes immer noch nicht angekommen" sei. Zudem hätten die "Hetze" der Medien sowie der staatlich unterstützte "Kampf gegen Rechts" zum schlechten Ergebnis beigetragen. Gleichwohl hob man hervor, dass im Gegensatz zur Partei "Die Republikaner" (REP) und zur DVU, die vom "Wähler in die Bedeutungslosigkeit katapultiert" worden seien, die NPD dem Druck standgehalten und sich als einzige nationale Wahlpartei behauptet habe. Mit Ausnahme von Sachsen hat 186 Rechtsextremismus die NPD ihr Wahlziele 2009 nicht erreicht. Sie konnte weder von der Schwäche der DVU noch von der insgesamt niedrigen Wahlbeteiligung profitieren. Zu den wichtigsten Terminen der NPD für öffentlichkeitswirksame Aktionen gehört nach wie vor der 1. Mai. Die NPD und ihre Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) führten drei Veranstaltungen durch, an denen sich insgesamt ca. 1.500 Rechtsextremisten beteiligten. Während es bei den Veranstaltungen in Berlin und Dresden / SN ruhig blieb - dort hatten sich ca. 280 bzw. 200 NPD-Anhänger versammelt -, kam es bei der Demonstration in Ulm / BW zu schweren Krawallen. Gegendemonstranten versuchten, den Aufzug der ca. 1.000 Nationalisten mit Steinund Flaschenwürfen anzugreifen und lieferten sich Auseinandersetzungen mit der Polizei, bei denen zahlreiche Personen verletzt wurden. Rund um den Bahnhof wurden Müllcontainer angezündet und Fahrzeuge beschädigt. Im Anschluss fand eine von einem Vertreter der "Freien Nationalisten München" angemeldete weitere Demonstration mit ca. 700 Teilnehmern in Neu-Ulm (Bayern) statt, die einen deutlich ruhigeren Verlauf nahm. Nachdem die NPD im Jahr 2008 durch den damaligen Bundesschatzmeister Erwin KEMNA, der Parteigelder in Höhe von insgesamt 741.000 Euro veruntreut und auf seine Privatkonten bzw. auf Geschäftskonten umgeleitet hatte, finanziell in Schieflage geraten war, verurteilte das Berliner Verwaltungsgericht die Partei am 15.05.09 zur Zahlung von 1,27 Mio. Euro. Nachgewiesen wurden Unrichtigkeiten im NPDRechenschaftsbericht für das Jahr 2007. Gegen die Höhe der Strafzahlung legte die NPD Rechtsmittel ein. Der Partei drohen noch weitere Rückforderungen. Nach Ermittlungen des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen, die im November 2009 öffentlich bekannt wurden, besteht der Verdacht, dass die NPD jahrelang systematisch ihre Einnahmen nach oben manipuliert hat. So sollen Spenden und Mitgliedsbeiträge an den Parteivorstand für die Jahre 2002 bis 2006 in "erheblichem Umfang" zu hoch angege187 Rechtsextremismus ben worden sein. Die Summe der Fehlbeträge belaufe sich auf rund 870.000 Euro. Dadurch hätten sich auch die staatlichen Zuschüsse an die NPD erhöht, da Parteien für jeden Spenden-Euro zusätzlich Geld aus der Staatskasse erhalten. Auf diese Weise soll sich die NPD im Laufe der Jahre unberechtigte Zuschüsse in Höhe von knapp 270.000 Euro erschlichen haben. Sollte sich der Verdacht bestätigen, muss die NPD die zu Unrecht gezahlten Zuschüsse zurückzahlen sowie eine Strafzahlung in doppelter Höhe des Fehlbetrags leisten, also mehr als 1,7 Mio. Euro. Darüber hinaus war die Partei bisher auch auf Darlehen von Jürgen RIEGER angewiesen, insbesondere zur Vorfinanzierung von Wahlkämpfen ( 9.3). Hamburg Für den Hamburger NPD-Landesverband bedeutet der Tod seines Vorsitzenden Jürgen RIEGER eine erhebliche Schwächung. RIEGER, der gleichzeitig stellvertretender Parteivorsitzender war, starb am 29.10.09 ( 9.). Er hatte den Landesverband seit dem 25.02.07 geführt und ihn eindeutig neonazistisch geprägt. Es ist noch offen, in welche Richtung sich die Hamburger NPD entwickeln wird. Einiges spricht jedoch dafür, dass sie deutlich an Substanz und Aktivität verlieren wird. Dem Landesvorstand gehören Mitglieder der Hamburger Kameradschaft Neonaziund Skinheadszene in Bramfeld ( 5.1) an, unter anderem der Landesgeschäftsführer Jan-Steffen HOLTHUSEN und der stellvertretende Landesvorsitzende Torben KLEBE, der den Landesverband seit November 2009 kommissarisch leitet. HOLTHUSEN und KLEBE sind sich bewusst, dass RIEGER nicht zu ersetzen ist, wollen seinen Weg aber gemeinsam fortsetzen. Im Mittelpunkt der politischen Arbeit der Hamburger NPD standen die Vorbereitungen für die Bundestagswahl am 27.09.09 und der Wahlkampf. Insgesamt stellte die NPD im gesamten Hamburger Stadtgebiet 41 Infostände auf, 19 davon allein in der Hauptwahlkampfphase 188 Rechtsextremismus im August und September. Betreut wurden die Infostände zu einem erheblichen Teil von Angehörigen der Bramfelder Kameradschaft ( 5.1), aber auch von Personen aus der Kameradschaft Neonazis in Hamburg ( 5.1). Themen waren u. a. "Kapitalismus und Überfremdung bekämpfen, Nationalen Sozialismus durchsetzen", "Arbeit für Deutsche" und "Volksgemeinschaft statt Klassengesellschaft. Nationalismus voran!". Wiederholt wurden die Informationsstände von politischen Gegnern gestört. In Einzelfällen kam es auch zu tätlichen Auseinandersetzungen, bei denen NPD-Anhänger gewalttätig wurden. Am 15.08.09 wurden bei einem Stand in Barmbek zwei Frauen, die Handzettel entwendet hatten, körperlich angegriffen und verletzt. Die Polizei leitete drei Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der einfachen und der gefährlichen bzw. der versuchten gefährlichen Körperverletzung ein. Am 12.12.09 versuchte eine Gruppe antifaschistischer Aktivisten, einen Infostand der NPD in der Blankeneser Bahnhofsstraße anzugreifen. Dabei kam es zu tätlichen Auseinandersetzungen mit der Polizei, in deren Folge zehn Personen vorübergehend festgenommen wurden. In einem am 02.05.09 auf ihrer Internetseite veröffentlichten Artikel griff die Hamburger NPD das Thema "Überfremdung" in Hamburg-Harburg auf. In Harburg hätten nahezu 80.000 Menschen - so die NPD - einen Migrationshintergrund. Nachfolgend wurde skizziert, welche negativen Auswirkungen dies auf die Schulen, Arbeitsplätze und Wohnungen in dem Bezirk habe. Um mit diesem "Irrsinn" Schluss machen zu können, forderte die NPD: "Kein Wahlrecht für Ausländer, keine Sozialleistungen an Ausländer". "Kulturfremde Ausländer" hätten in Deutschland nichts zu suchen. Deutschland sei nicht der "Entsorgungsort für Bevölkerungsüberschüsse" aus Afrika und Asien. Abschließend rief die NPD dazu auf, bei der Bundestagswahl am 27.09. ein Zeichen "für den Erhalt des deutschen Volkes" zu setzen und mit Erstund Zweitstimme die NPD zu wählen. Zur Bundestagswahl trat die NPD in Hamburg nicht nur mit einer von Jürgen RIEGER angeführten Landesliste, sondern auch mit Direktkan189 Rechtsextremismus didaten in allen Wahlbezirken an. RIEGER kandidierte als Direktkandidat für den Bezirk Mitte. Eigenen Angaben zufolge wurden während des Wahlkampfes über 5.000 Schilder aufgestellt und Tausende von Handzetteln verteilt. Am 11.09.09 sorgte die Hamburger NPD mit der Kundgebung "Recht und Ordnung durchsetzen - Schanzenfest dauerhaft verbieten" für Schlagzeilen. Im Umfeld der Wahlkampfveranstaltung am Berliner Tor kam es zu den erwarteten gewalttätigen Protesten; die Provokationsstrategie der NPD ging auf. Die Veranstaltung erwies sich nach Ansicht der Hamburger NPD zwar als "thematischer Volltreffer", genutzt hat es ihr am Ende jedoch nichts. Entgegen der Erwartung, dass der NPD nun in größerem Umfang Wählerinnen und Wähler zuströmten, die das Eintreten der NPD für "Recht und Ordnung" unterstützen, lag das Wahlergebnis trotz des sehr aktiv geführten Wahlkampfes mit 0,9% erneut deutlich unter dem Bundesdurchschnitt und sogar noch 0,1-Prozentpunkte unter dem Hamburger Zweitstimmergebnis bei der Bundestagswahl 2005 (1,0%). Nach außen wurde das Wahlergebnis zwar als Achtungserfolg gewertet und besonders die Unterstützung durch freie Nationalisten gelobt, tatsächlich ist die Enttäuschung jedoch groß. Der Aufwand und das Engagement vieler Aktivisten haben sich nicht ausgezahlt. Der NPD dürfte es angesichts dieser Erfahrung schwer fallen, junge, aktive Mitglieder und parteifreie Kräfte aus dem neonazistischen Spektrum weiterhin für die politische Arbeit zu motivieren. Über eigenen Nachwuchs verfügt sie kaum. Nach jahrelanger Inaktivität wurde im Januar 2008 in Hamburg ein sogenannter JN-Stützpunkt gegründet. Eigenen Angaben zufolge versteht sich dieser als zukünftige Anlaufstelle für die aktivistische Jugend in der Hansestadt. Die JN Hamburg sollen als Gegenpol zu den "korrupten Systemparteien" der Jugend in Hamburg eine Perspektive bieten. Eigenständige Aktivitäten entwickelten sie seitdem in Hamburg nicht. Angehörige der JN beteiligten sich aber an Informationsständen der NPD. 190 Rechtsextremismus 8.2 Deutsche Volksunion (DVU) Die Mitgliederzahl der "Deutschen Volksunion" (DVU) ist seit Jahren rückläufig. Während im Jahr 2000 noch 17.000 PersoMitglieder: 4.500 nen der Partei angehörten, sank Bundessitz: Hamburg die Zahl 2009 auf 4.500 MitglieVorsitzender: Matthias FAUST der. Gegenüber 2008 verlor die DVU 1.500 Anhänger. Landesverband Hamburg Bis zum Bundesparteitag am Mitglieder: 160 11.01.09 führte ihr Gründer Dr. Vorsitzender: Matthias FAUST Gerhard FREY die Partei zentralistisch und autokratisch. Den 16 Landesverbänden blieb kaum Spielraum für politisch eigenständiges Handeln. Auch finanziell war die DVU von Dr. FREY abhängig. Nach dessen Rückzug wurde im Januar 2009 der Hamburger Matthias FAUST (Foto), der bereits in anderen Parteien aktiv war, zu seinem Nachfolger gewählt. FAUST war Anfang 2006 noch Landesbeauftragter der Partei "Die Republikaner" (REP) in Hamburg, danach wechselte er zur Hamburger NPD und kam schließlich im Frühjahr 2007 zur DVU, obwohl er diese noch im Dezember 2005 für "absolut nicht diskussionswürdig" gehalten hatte. Hier machte er schnell "Karriere": Er begann als Pressesprecher des Hamburger Landesverbandes, wurde Spitzenkandidat bei der Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft am 24.02.08, dann Bundesorganisationsleiter und zuletzt Bundesvorsitzender. Dem eigenen Anspruch, die Organisationsstruktur der Partei zu reformieren, die Eigenständigkeit der Landesverbände zu stärken sowie die DVU zu verjüngen und zu reaktivieren, wurde er bislang nicht gerecht. Weder bei der Umgestaltung der Partei noch bei der angestrebten rechten Einheitsbewegung sind sichtbare Fortschritte zu verzeichnen. Allerdings wurde eine Jugendorganisation, die "Junge Rechte" (JR), im Juli 2009 gegründet. Diese entfaltete aber bisher keine nennenswerten Aktivitäten. Mittlerweile wächst 191 Rechtsextremismus in der DVU die Kritik an FAUST, da sie unter seiner Führung stark an Bedeutung verloren hat und in der rechtsextremistischen Szene kaum noch eine Rolle spielt. FAUST verfolgt das Ziel, mit der DVU als Basispartei eine "politikfähige, bürgerliche 'Neue Rechte'" zu formieren, "die weit hinein in das 'normale' Wählerklientel vorstoßen" (Grammatikfehler im Original) könne. Vorbild ist für ihn die rechtspopulistische "Freiheitliche Partei Österreichs" (FPÖ). Nach seinen Vorstellungen sollten für dieses Ziel alle "konstruktiv arbeitenden nationalen Kräfte" in Deutschland kooperieren. Seine Gesprächsbereitschaft über eine rechte Zusammenarbeit beziehe sich auf jeden, so FAUST, der Gewalt ablehne. Dazu zählt er offenbar auch die Neonazi-Szene ( 5.). Der "Dialog mit den Freien Kameradschaften, mit der Jugend" habe für ihn "oberste Priorität", erklärte FAUST im März 2009. Gleichzeitig ist der DVU-Vorsitzende allerdings auch davon überzeugt, dass es wirkliche Erfolge nur durch eine "moderne, patriotische Politik", nicht mit "Parolen von Vorgestern" geben könne. Sein Ziel, der DVU ein neues, gemäßigteres Image zu geben, um bürgerlich-konservative Wählerschichten zu erreichen, lässt sich durch eine Zusammenarbeit mit neonazistischen Kameradschaften aber kaum verwirklichen. Auch eine andere Äußerung FAUSTs verdeutlicht, dass es dem DVU-Vorsitzenden nicht um eine inhaltliche Wandlung, sondern nur um ein anderes Erscheinungsbild geht. In einem im Internet veröffentlichen Livestream-Interview vom 15.09.09 räumte er ein, dass die inhaltlich-programmatischen Unterschiede zur NPD ( 8.1) - trotz sonstiger Differenzen - nicht so groß seien. Diente während der Ära FREY, der seine Mitarbeit in der Partei eingestellt hat, die "National-Zeitung" (NZ) als Sprachrohr der Partei, so setzt die DVU nun ganz auf das Internet. Die mit dem Zusatz "Die neue Rechte" versehene Internetseite wurde neu und aufwändig gestaltet. Sie enthält viele Berichte und Stellungnahmen zu aktuellen politischen 192 Rechtsextremismus Geschehnissen und verweist auf zusätzliche Informationsangebote aus dem national-konservativen und dem rechtsextremistischen Spektrum. Mehrere Links führen zu Artikeln aus der National-Zeitung. Diese hat jedoch keinen direkten Bezug mehr zur DVU. Inhaltlich und von der Diktion her stehen die Beiträge auf der Internetseite ganz in der Tradition bekannter rechtsextremistischer Argumentationsmuster. Ressentiments gegen Ausländer werden allerdings nicht in offen rassistischer Weise geschürt, sondern in das Konzept des Ethnopluralismus gekleidet. Dieses betont die Eigenständigkeit der Völker und wendet sich als Gegenentwurf zu einer multikulturellen Gesellschaft gegen jegliche "Vermischung". In "Nachrichten aus dem Überfremdungschaos (1)" vom 07.08.09 wird u.a. behauptet, "Multikulti" sei "das verordnete Zusammenzwängen von verschiedenen Kulturen". Dies lehne die DVU ab und strebe stattdessen "einen Ethnopluralismus an, in dem die Völker in ihrer Identität und Souveränität und unter Wahrung ihrer Tradition nebeneinander in Nationen und Regionen leben". Eine ehemalige DVU-Abgeordnete in Brandenburg und Kandidatin zur Europawahl sprach sich in einem Interview auf der Homepage der DVU "gegen einen multikulturellen Menscheneinheitsbrei" aus. In einigen Beiträgen wird auch ein antiislamischer und antisemitischer Ton angeschlagen. Im Zusammenhang mit der angeblich zunehmenden Islamisierung durch Zuwanderung aus der Türkei fordert die DVU Rückkehrprämien für Nicht-EU-Bürger und ihre Familien. Der DVUAbgeordnete in der Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung, Rudolf BARGMANN, erweiterte die Zielgruppe wie folgt: "Ich hätte nichts dagegen, auch Juden, die es wünschen, selbst denen mit der deutschen Staatsangehörigkeit, eine Prämie zu zahlen, um ihnen ein Leben im sogenannten gelobten Land zu ermöglichen." Andreas MOLAU, der noch bis Anfang 2009 stellvertretender Landesvorsitzender der NPD in Niedersachsen war und im März 2009 zum Pressesprecher der DVU ernannt wurde, warnte, dass, "wenn die westlichen Gesellschaften noch heruntergekommener sind als jetzt", diese "für aufstrebende muslimische Gemeinwesen eine leichte Beute darstellen werden". Auch revisionistische Themen greift die DVU weiterhin auf. So beklagte MOLAU anlässlich des 70. Jahrestages des Kriegsbeginns, 193 Rechtsextremismus dass die Geschichte von "antideutschen" Kräften instrumentalisiert werde: "Siebzig Jahre wurde die vorgebliche Schuld an diesem Krieg dazu genutzt, um deutsche Souveränität zu schwächen, um deutsche Identität zu zerstören und um deutsche Tradition zu kriminalisieren." Das Kalkül der DVU, sich neben der NPD als neue moderne Rechte zu positionieren, ist bisher nicht aufgegangen. Sie musste im Berichtsjahr nicht nur erhebliche Mitgliederverluste, sondern auch empfindliche Wahlniederlagen hinnehmen. Bei der Wahl zum Europäischen Parlament am 07.06.09 erreichte sie lediglich 0,4% der Stimmen (Hamburg: 0,4%). (Schlagzeilen aus dem politischen Extremismus / Beitrag "Schwäche der DVU hilft der NPD") Da sie unter 0,5% blieb, erhält die DVU auch keine Mittel aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Bei der Bundestagswahl am 27.09.09 trat sie in zwölf Bundesländern mit Landeslisten an und erreichte bundesweit lediglich 0,1% der Zweitstimmen (Hamburg: 0,1%). Bei der zeitgleich erfolgten Landtagswahl in Brandenburg verfehlte sie mit einem Stimmenanteil von 1,2% (2004: 6,1%) deutlich den Wiedereinzug in das Potsdamer Landesparlament. Die für eine Wahlkampfkostenerstattung bei Landtagswahlen erforderliche 1%-Hürde konnte sie allerdings überspringen. Zur kurzfristig getroffenen Entscheidung, an der Bundestagswahl teilzunehmen, hieß es offiziell, dies solle in erster Linie die Wahl in Brandenburg unterstützen, wo die DVU seit 1999 im Landtag vertreten war. Tatsächlich jedoch dürfte sie sich durch die vorzeitige Aufkündigung des Deutschlandpaktes ( 4.) durch die NPD unter Zugzwang gesehen haben. Es wäre den Wählerinnen und Wählern in Brandenburg nur schwer zu vermitteln gewesen - so die DVU -, wenn sie sich nur an der Landtags-, nicht aber an der Bundestagswahl beteiligt hätte, während die NPD auf beiden Listen zur Wahl stand. Zudem habe man der NPD das Feld nicht kampflos überlassen wollen. Auswirkungen auf das NPD-Ergebnis hatte diese Entscheidung allerdings kaum. Die Wahlkämpfe der DVU waren mit Ausnahme der Brandenburger Wahl in der Öffentlichkeit kaum wahrzunehmen. Neben den üblichen Verteilaktionen und Plakatierungen hielt die Partei in der Zeit vom 12.07 194 Rechtsextremismus bis zum 20.09.09 in Brandenburg sieben Wahlkampfkundgebungen ab, zu denen jedoch nur zwischen 20 und 70 Anhänger mobilisiert werden konnten. Hier zeigte sich bereits, dass die DVU kaum noch auf Resonanz in der Bevölkerung stieß. In den vergangenen Jahren hatte sie es versäumt, eine stabile Organisationsbasis in Brandenburg aufzubauen. Bereits am Wahlabend räumte der Bundesvorsitzende FAUST die Niederlage seiner Partei ein. Die DVU habe ihr Wahlziel klar verpasst. Verantwortlich hierfür sei vor allem die NPD, die durch den Bruch des Deutschlandpaktes und die Wahlteilnahme in Brandenburg "klar mit zu diesem Ergebnis beigetragen" habe. Dennoch werde man "tatkräftig und motiviert" weiter daran arbeiten, "Strukturen aufzubauen oder neu zu beleben". Dieser Misserfolg hat den Niedergang der DVU als Wahlpartei weiter beschleunigt. Ob sie sich von diesem Rückschlag erholen kann, ist fraglich. Ihr droht das gleiche Schicksal wie der Partei "Die Republikaner" (REP), die ebenfalls nach zwei Wahlperioden aus dem badenwürttembergischen Landtag gewählt wurde und seitdem politisch bedeutungslos ist. Auch die mit dem Verlust der Landtagsmandate verbundenen finanziellen Einbußen wird die DVU schwerlich ausgleichen können, da ihr bisheriger Finanzier Dr. Gerhard FREY nicht mehr zur Verfügung steht. Andere potenzielle Geldgeber dürften in Anbetracht der Erfolglosigkeit der DVU eher auf Distanz gehen. Ihre Hoffnung setzt die DVU jetzt auf eine erfolgreiche Teilnahme an der Bürgerschaftswahl 2011 in Bremen. Am 11.10.09 wurde beschlossen, dort einen Schwerpunktwahlkampf zu führen, in den die Gesamtpartei eingebunden werden soll. In der DVU wachsen mittlerweile aber Zweifel, ob FAUST der geeignete Mann ist, um den Weg in die politische Bedeutungslosigkeit noch aufhalten zu können. Hamburg Seit 2006 gehören dem Hamburger Landesverband zwar ca. 150 Mitglieder an, von diesen beteiligt sich jedoch nur ein kleiner Teil am Parteileben. Anlässlich der Bundestagswahl waren - wie schon im Europawahlkampf - in Hamburg kaum Aktivitäten der DVU festzustellen. Dies lag zum einen am lethargischen Zustand des Landesverbandes, zum anderen hatte FAUST eindeutig erklärt, Schwerpunkt des Wahlkampfes sei Brandenburg. FAUST - seit dem 01.03.09 auch Landesvorsit195 Rechtsextremismus zender in Hamburg -, konnte die nach der Bürgerschaftswahl 2008 propagierte "Jetzt erst recht"-Stimmung nicht nachhaltig vermitteln; zudem machte er sich in Hamburg sehr rar. Für die Arbeit im Landesverband blieb aufgrund der Wahlkampfaktivitäten in Brandenburg kaum Zeit. Von der Parteibasis kamen ebenfalls keine Impulse für die politische Arbeit. Selbst die Internetseite wurde nicht mehr regelmäßig aktualisiert. Dem Ziel, funktionierende Kreisverbände aufzubauen, ist die DVU 2009 nicht nähergekommen. Für die Bundespartei hat Hamburg allerdings in anderer Hinsicht Bedeutung erlangt: Im September 2009 wurde die DVU-Bundeszentrale von München hierher verlegt, tatsächlich gibt es in Hamburg jedoch nur ein Postfach der Partei. 9. Jürgen RIEGER: Rassistischer Ideologe - Multifunktionär - Finanzier ( 29.10.09) Jürgen RIEGER starb am 29.10.09 im Alter von 63 Jahren an den Folgen eines Hirnschlags, den er am 24.10. während einer NPD-Vorstandssitzung in Berlin erlitt. Mit ihm verlor die rechtsextremistische Szene in Hamburg und in ganz Deutschland einen ihrer einflussreichsten und wichtigsten Akteure (Schlagzeilen aus dem politischen Extremismus / Beitrag "Tod des Neonazis Jürgen RIEGER: Hamburgs Rechtsextremisten verlieren ihren wichtigsten Protagonisten"). Der Hamburger Rechtsanwalt, der seit Ende der 60er-Jahre in der rechtsextremistischen Szene aktiv war, konzentrierte in den letzten drei Jahren seine politische Tätigkeit stark auf die NPD ( 8.1). Als stellvertretender Parteivorsitzender und Vertreter des neonazistischen Flügels trat er vehement für eine kompromisslose politische Linie der NPD ein. Er gehörte zu den wichtigsten Unterstützern des NPD-Vorsitzenden VOIGT und dessen Forderung, die NPD als radikale "Systemalternative" zu positionieren. RIEGER förderte besonders den Schulterschluss zwischen NPD und Neonazis. Zugleich galt sein Engagement auch germanisch-neuheidnischen Vereinen wie der "Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V." (ArtgemeinschaftGGG; s.u.). 196 Rechtsextremismus Als Rechtsanwalt, der nicht nur bekannte Rechtsextremisten in zahlreichen Prozessen vertreten hat, geriet er auch selbst wiederholt in das Visier der Staatsanwaltschaft ( 9.4). RIEGER war ein vielgefragter Referent und Gesprächspartner. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er als Finanzier der NPD und vor allem durch seine Immobiliengeschäfte bekannt ( 9.3). Seine herausragende Rolle machte ihn mehrfach zum Ziel von Angriffen und Sachbeschädigungen durch antifaschistische Aktivisten. 9.1 Reaktionen auf RIEGERs Tod Sein Tod wurde von der gesamten rechtsextremistischen Szene bedauert. Die NPD würdigte ihn als "politischen Kopf" und "Unterstützer und Förderer nationaler Ideen und Kräfte". Er sei ein "Vorbild an Einsatzund Pflichterfüllung" gewesen. Für die neonazistische Szene in Deutschland war RIEGER von noch größerer Bedeutung. Er sei ein herausragender Anwalt, Organisator, Redner und Streiter gewesen und eine "tragende Säule im Kampf für die Freiheit und den Bestand unseres Volkes". Ziel müsse es nun sein, ihm nachzueifern, damit sein "Lebenswerk" zum Abschluss gebracht werde und sein Vermächtnis in einem "freien, nationalen und sozialistischen Deutschland" erfüllt werde. Auch lagerinterne Widersacher, die mit seinen Ansichten nicht immer einverstanden waren, erkannten dessen "gewaltige Lebensleistung" an. Besonders vermisst wird RIEGER von seinen Mitstreitern in der Hamburger NPD und der hiesigen Neonazi-Szene. Sein unermüdlicher "Kampf für Volk, Heimat und Land" werde in seinem Sinne fortgesetzt. Als besonderen Ausdruck ihrer Anteilnahme rief die Bundes-NPD "alle Kameradinnen und Kameraden des nationalen Widerstandes" zu einer zentralen Abschiedsveranstaltung unter dem Motto "Gedenkmarsch für Jürgen RIEGER - Ewig lebt der Toten Tatenruhm" am 14.11.09 in Wunsiedel auf. Auch die Hamburger NPD mobilisierte für den Marsch, 197 Rechtsextremismus an dem etwa 850 Personen teilnahmen. In den Jahren 2001 bis 2004 war RIEGER dort maßgeblicher Initiator und Organisator der jährlichen Gedenkveranstaltung zum Todestag des HITLERStellvertreters Rudolf Heß gewesen ( 5.3). Diese Reaktionen zeigen, dass RIEGERs plötzlicher Tod nahezu ausnahmslos als Schwächung des gesamten "nationalen Widerstandes" angesehen wird. Ein Nachfolger, der seine Funktion als anerkannte Führungsperson und Integrationsfigur für das neonazistische Lager sowie als Finanzier der rechtsextremistischen Szene übernehmen könnte, ist derzeit nicht in Sicht. 9.2 Aktivitäten und Funktionen in der rechtsextremistischen Szene RIEGERs Rolle in der NPD und bei der Einbindung der Freien Kräfte Der NPD ( 8.1) war RIEGER erst im Jahr 2006 beigetreten. Im November 2006 war er als Beisitzer in den Bundesvorstand gewählt worden und hatte die Leitung des Referates "Außenpolitik und Finanzbeschaffung" erhalten. Diese Funktion korrespondierte mit seiner finanziellen Unterstützung der Partei ( 9.3). Auf dem NPD-Sonderparteitag (Foto) am 04./05.04.09 wurde er vor allem von den Delegierten aus der neonazistischen Kameradschaftsszene ( 5.) unterstützt und in seinem Amt als stellvertretender Parteivorsitzender bestätigt, das er seit 25.05.08 ausübte. Aufgrund dieser Stärkung des neonazistischen Flügels im Bundesvorstand konnte das Verhältnis zu den Freien Kräften ( 5.1) innerhalb und außerhalb der Partei wieder stabilisiert werden. 198 Rechtsextremismus Zugleich war RIEGER auch NPD-Landesvorsitzender in Hamburg ( 8.1, Hamburg). Den Vorsitz hatte er am 25.02.07 nach längeren Streitigkeiten über den Kurs seiner Vorgängerin übernommen. Unter seiner Führung verfestigte sich der Trend zu mehr öffentlichen Aktivitäten der Hamburger NPD. Durch die von ihm forcierte Verzahnung der Partei mit der Hamburger Neonazi-Szene war die NPD in Hamburg deutlich aktionsfähiger geworden. Viele Angehörige neonazistischer Kameradschaften in Hamburg hatten ihr Engagement für die Hamburger NPD mit der Person RIEGERs verknüpft ( 8.1, Hamburg). Ob die NPD in Hamburg auch künftig eine starke Anziehungskraft auf die Freien Kräfte ausüben wird, ist nach dem Tod RIEGERs, der als Integrationsfigur für beide Seiten überaus wichtig war, fraglich. Leiter der "Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V." (Artgemeinschaft-GGG) Als Leiter der 1951 gegründeten und in Berlin ansässigen Artgemeinschaft-GGG organisierte und gestaltete RIEGER maßgeblich deren Aktivitäten. Die Gemeinschaft propagiert die Bewahrung, Erneuerung und Weiterentwicklung der "kulturellen, volklichen und rassischen Identität der nordeuropäischen Menschenart". Sie vertritt völkisch-rassistisches, revisionistisches und antisemitisches Gedankengut und sieht sich als Teil einer großen Gemeinschaft, in der "individueller Egoismus" dem "Gemeinwohl" nachrangig sein soll. An den vier überregionalen "Gemeinschaftstagen" des Vereins, die seit 2000 regelmäßig in Ilfeld / Nordthüringen stattfinden, pflegen die Vereinsangehörigen ihr germanisches Brauchtum und Kulturerbe. Im Rahmen dieser Treffen, die bis auf die Dezemberzusammenkunft auch 2009 von RIEGER geleitet wurden, fanden "Things" (Sitzungen des "Gemeinschaftsrats") und die Mitgliederversammlungen des "Familienwerks e.V." statt. An den Treffen 2009 nahmen jeweils bis zu 250 aktive "Gefährten und Freunde" aus dem gesamten Bundesgebiet teil. 199 Rechtsextremismus Seit Ende 2008 beschäftigt sich die Artgemeinschaft-GGG mit dem Aufbau eines nationalen "Siedlungsprojektes". RIEGER informierte im März 2009 über die Gründung eines "Arbeitskreises Siedlung", der für alle Interessenten zum Gedankenaustausch offen sei. Es wurden Geldgeber und siedlungswillige Personen gesucht, die ein weitgehend autarkes Gemeinschaftsleben mit Gleichgesinnten führen wollen. Die Notwendigkeit des Siedlungsprojektes begründete RIEGER mit der Ausländerentwicklung in Deutschland. Insbesondere Türken wollten die "Herrschaft" übernehmen und betrieben den "Exodus" der Deutschen. Die "germanisch bestimmte Bevölkerung" sei chancenlos. Wenn nicht "deutschbewusste Parteien an die Macht" kämen, hätten Deutsche hier "kein Bleiberecht" mehr. Die Artgemeinschaft-GGG betreibt eine Internetseite und finanziert sich u.a. durch die Herausgabe und den Verkauf eigener Schriften und Bücher. Als "Stimme des Artglaubens" wird vierteljährlich die "Nordische Zeitung" (NZ) herausgegeben. Agitation im Internet RIEGER verbreitete seine politischen und weltanschaulichen Überzeugungen auch auf einer eigenen Internetseite. Aus seiner extrem rassistischen Einstellung machte er dabei keinen Hehl. So sprach er in verschiedenen Zusammenhängen abwertend von "Negern" und "Negersiedlungen". Am 27.08.09 verurteilte ihn das Amtsgericht Hanau wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 1.500 Euro, nachdem er erklärt hatte: "Neger haben einen Intelligenzquotienten, der liegt vom schwachsinnigen Deutschen bis zum Normaldeutschen ...". In einer Stellungnahme zur Wirtschaftsund Bankenkrise erklärte RIEGER, in Deutschland regiere der "Irrsinn" der "Versager-Systemparteien". Die Deutschen würden von "diesem System ausgepresst". In anderem Zusammenhang betonte er, nur eine "nationale und soziale Politik" könne die Grundlage einer neuen "Volksgemeinschaft" schaf200 Rechtsextremismus fen, die Voraussetzung für die "Gesundung und das Fortbestehen" des deutschen Volkes und für einen "dritten Weg" und revolutionäre Veränderungen sei. Dass RIEGER ein überzeugter Nationalsozialist war, machte er in einem Beitrag auf der Internetseite des Hamburger NPD-Landesverbandes deutlich. Darin lobte er die Kompetenz und den Idealismus der "Führungskräfte im Dritten Reich" und prangerte die "hemmungslose Gier" der "Subjekte" an, die für den Niedergang der von 1933 bis 1945 bestehenden "Volksgemeinschaft" verantwortlich gewesen seien. 9.3 Finanzund Immobiliengeschäfte Neben seinem politischen Einsatz war RIEGER auch als Finanzier der NPD ( 8.1) von großer Bedeutung. Er verfügte über ein erhebliches Privatvermögen, das er in beachtlichem Umfang der NPD in Form von Darlehen zu Verfügung stellte. RIEGER hatte der NPD Darlehen in einem Gesamtvolumen von mehreren Hunderttausend Euro selbst gewährt oder vermittelt. Darüber hinaus verwaltete er treuhänderisch Kapitalvermögen, das er insbesondere für die Anschaffung von Immobilien und deren Ausbau zu rechtsextremistischen Treffund Schulungseinrichtungen einsetzte. Die Anwesen in Dörverden / NI ("Heisenhof") und in Pößneck / TH ("Schützenhaus") hatte RIEGER im Namen der "Wilhelm Tietjen Stiftung für Fertilisation Ltd." erworben. Diese in England registrierte "Limited" hatte RIEGER bereits im November 2001 gegründet, d.h. noch zu Lebzeiten des im Januar 2002 verstorbenen Namensgebers Wilhelm TIETJEN. Bis zu seinem Tod war RIEGER auch alleiniger Gesellschafter der Firma. Zur Alleinerbin des TIETJEN-Vermögens war jedoch die ebenfalls von RIEGER geleitete "Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung e.V." (GfbAEV) bestimmt worden. Nach RIEGERs Tod fällt das von ihm treuhänderisch verwaltete Vermögen des Bremer Altnazis Wilhelm TIETJEN wieder in den Besitz der GfbAEV. 201 Rechtsextremismus Weitere, zumindest zeitweise für extremistische Zwecke genutzte Immobilien besaß RIEGER in Hameln / Niedersachsen und in Hummelfeld / Schleswig-Holstein. Bereits in den 90er-Jahren leitete er als Vorsitzender des "Heide-Heim e.V." (Hamburg) und des "Heideheim e.V." (Buchholz) das von diesen Vereinen getragene rechtsextremistische Kommunikationsund Veranstaltungszentrum im niedersächsischen Hetendorf. Mit dem Verbot der beiden Vereine im Februar 1998 musste auch diese Einrichtung schließen. In den letzten Jahren strebte er die Einrichtung eines vergleichbaren Schulungszentrums an. Die von ihm später erworbenen Immobilien konnte er jedoch nie in dem von ihm angestrebten Umfang nutzen. Behördliche und gerichtliche Maßnahmen verhinderten dies. Für einige Gebäude des "Heisenhofs" (Dörverden) wurde der Symbolfoto Abriss verfügt, was RIEGER mit der "Kulturvernichtung" durch "alliierten Bombenterror" verglich. Für Veranstaltungen im "Schützenhaus" (Pößneck) galten Nutzungsbeschränkungen; einzelne Veranstaltungen konnten dort jedoch stattfinden. Obwohl sich mehrere Pläne zum Aufbau und zur Nutzung eines eigenen Veranstaltungsund Schulungszentrums nicht realisieren ließen, zeigte RIEGER anhaltendes Interesse am Erwerb weiterer Immobilien und kündigte an, diese für politische Zwecke nutzen zu wollen. In Faßberg / NI wollte er eine Hotelanlage mit Campingplatz ("Landhaus Gerhus") erwerben, um diese als Veranstaltungsund Schulungsstätte und zur Durchführung von Jugendlagern zu nutzen. Im Mai wurde das Hotel unter Zwangsverwaltung gestellt, und RIEGER legte einen fast zeitgleich abgeschlossenen Pachtvertrag vor. Um seine Ansprüche zu untermauern, wurde das Hotel am 17.07.09 von mehreren seiner Anhänger besetzt. Am 04.08.09 verfügte das Landgericht Lüneburg die Räumung des Hotels, das kurz zuvor von der Polizei wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Waffengesetz durchsucht worden war. Bei dieser und zwei Anschlussdurchsuchungen in Hannover und Rothenburg (Wümme) / NI wurden CO2-, Softairund Schreckschusswaffen sowie Luftgewehre, Messer und ein Schlagring sichergestellt. Nach der Räumung leitete die Lüneburger Staatsanwaltschaft gegen 202 Rechtsextremismus die Besetzer und deren Auftraggeber, Jürgen RIEGER, ein Ermittlungsverfahren wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung ein. Erwerben wollte RIEGER auch ein ehemaliges Möbelhaus in Wolfsburg, um dort ein "Kraft durch Freude"-Museum für alte Wehrmachtsfahrzeuge einzurichten, zugleich sollte das Objekt auch als Tagungsstätte des "nationalen Widerstandes" dienen. Um seine Absichten zu bekräftigen, gründete RIEGER dort am 04.07.09 den "Verein für ein KdF-Museum e.V.i.G.". Inwieweit RIEGER an diesen oder anderen Objekten ernsthaft interessiert war, kann nicht abschließend beurteilt werden. Im November 2009 wurde in einem Nachruf der rechtsextremistischen InternetPlattform "Altermedia Deutschland" die Behauptung verbreitet, dass es RIEGER wiederholt gelungen sei, "die Gutmenschenmafia durch angebliche oder tatsächliche Käufe von diversen Immobilien an der Nase herumzuführen" und "zum Narren zu machen". 9.4 Strafverfahren Aufgrund seiner extremistischen Aktivitäten und Äußerungen geriet RIEGER immer wieder ins Visier der Strafverfolgungsbehörden. Mehrfach wurde er rechtskräftig zu Geldstrafen von insgesamt 16.660 Euro verurteilt. In einem 2007 eingeleiteten Strafverfahren wegen des Verdachts der Volksverhetzung, Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener drohte ihm eine Freiheitsstrafe und die Verhängung eines Berufsverbots. RIEGER wurde vorgeworfen, als Verteidiger des am 15.02.07 zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilten Revisionisten Ernst ZÜNDEL durch verteidigungsfremde Eingaben den Holocaust abgestritten bzw. verharmlost zu haben. In Erwartung des Verfahrensbeginns in Mannheim hatte RIEGER im August 2009 den iranischen Präsidenten Mahmoud AHMADINEDSCHAD gebeten, Prozessbeobachter zu entsenden, damit die "Menschenrechtsverletzungen [...] in der BRD" allgemein bekannt würden. Er attestierte AHMADINEDSCHAD "Mut" im Umgang mit der Holocaustfrage. Die Ende 2006 in Teheran veranstaltete "Holocaust-Konferenz" sei ein 203 Rechtsextremismus "großer Durchbruch" gewesen. "Wissenschaftliche Untersuchungen" des Holocaust würden vom bundesdeutschen System gefürchtet und daher nicht zugelassen. Ein weiteres Verfahren erwartete RIEGER in Hamburg wegen Verdachts der gemeinschaftlichen Volksverhetzung. Auf Anordnung der Hamburger Staatsanwaltschaft waren am 20.02.09 die Wohnung RIEGERs und die weiterer Tatverdächtiger durchsucht worden. RIEGER soll als Landesvorsitzender der Hamburger NPD die Verbreitung des volksverhetzenden Flugblattes "Kriminelle Ausländer ausweisen! Überfremdung stoppen!" mitverantwortet haben. Das Auffinden und Sicherstellen eines Sturmgewehrs sowie von Flugblättern und Datenträgern durch die Polizei führte zur Einleitung eines zusätzlichen Verfahrens wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Das Verfahren wurde mittlerweile eingestellt. 10. Pennale Burschenschaft Chattia Friedberg zu Hamburg Die Pennale Burschenschaft Chattia Friedberg zu Hamburg (P.B! Chattia) wurde 1989 im hessischen Friedberg gegründet. Sie ist eine Verbindung, die sich vorrangig an Schüler ab 16 Jahre, aber auch an Auszubildende richtet. Mit dem Umzug eines maßgeblichen Gründungsmitglieds wurde 1992 der Sitz nach Hamburg verlegt. Die P.B! Chattia hat nach Eigenangaben 60 Mitglieder, einschließlich der "Altherrenschaft". Sie bekennt sich zu den Traditionen der "Urburschenschaft" von 1815 und bezeichnet sich selbst als "heimatverbundene Verbindung" und als "Gemeinschaft patriotisch gesinnter Deutscher". Chatten seien stolz darauf, Deutsche zu sein. In der Gemeinschaft der P.B! Chattia hätten "Begriffe wie Ehre, Kameradschaft, Freiheit, Volk, Heimat, Ehrlichkeit und unsere Natur" einen hohen Stellenwert. Ihr Leitspruch lautet: "Volkstum - Wahrheit - Recht". Die Verbindung wende sich "gegen die vielfachen Ausprägungen des Zeitgeistes in den verschiedenen Gebieten des heutigen Lebens durch die Weiterführung der Traditionen, die wert sind, das 21. Jahrhundert mit zu gestalten". 204 Rechtsextremismus Die P.B! Chattia gehört zu den schlagenden Verbindungen. Sie erwartet von ihren aktiven Mitgliedern, den sogenannten Füxen und Burschen, soweit möglich, mindestens einen Fechtgang mit dem Säbel, um so nach eigenem Bekunden die "Feiglinge und Dummschwätzer" aussortieren zu können. Dass nicht jeder den Ansprüchen für eine Mitgliedschaft in der P.B! Chattia genügt, wird auch aus diesem Zitat von ihrer Internetseite deutlich: "Wir fordern Männer, die bereit sind, ihr "ICH" hinter die Gemeinschaft zurückzustellen und die bereit sind, die ewigen Ideale Deutschlands zu leben". Seit ihrer Gründung wirken in der PB! Chattia Personen mit, die Beziehungen in die rechtsextremistische Szene unterhalten und für die NPD ( 8.1) aktiv sind oder waren. Bei Veranstaltungen der PB! Chattia traten über die Jahre aus verschiedenen Zusammenhängen bekannte Rechtsextremisten als Referenten auf. Im April 2005 veröffentlichte die P.B.! Chattia eine Werbeanzeige im Kleinanzeigenteil der NPDMonatszeitung "Deutsche Stimme", um so neue Mitglieder zu gewinnen. Auch die Inhalte ihrer Internetseite hatten zum damaligen Zeitpunkt einen deutlich rechtsextremistischen Einschlag. So bezeichneten sich die Chatten u.a. als "das letzte Aufgebot deutschen Volkstums [...] in Zeiten der Degeneration unseres Vaterlandes". Die Ablehnung des demokratischen Systems gipfelte in der Erklärung: "Das System hat keine Fehler - Das System ist der Fehler". Diese Aussagen wurden mittlerweile von der Internetseite entfernt (Archiv / 2005 "Hamburger Burschenschafter: Suche nach Mitgliedern in der rechtsextremistischen Szene"). In den letzen Jahren haben sich die Erkenntnisse, die eine nationalistische, revisionistische ( 11.) und völkische Ausrichtung der Burschenschaft belegen, weiter verdichtet. Dies wird auch durch die personellen Verbindungen zur NPD und zur neonazistischen Kameradschaftsszene ( 5.) in Hamburg deutlich. Ein weiterer Beleg für die rechtsextremistische Prägung der Verbindung sind die Veröffentlichung des Ende 2008 erschienenen Buches "Blutzeugen - Beiträge zur Praxis des politischen Kampfes in der Weimarer Republik" und die Reaktionen darauf. Autor des im rechtsextremistischen 205 Rechtsextremismus "Nordland-Verlag" veröffentlichten Werkes ist der langjährige Chatte Andre BUSCH (Schlagzeilen aus dem politischen Extremismus / Beitrag "Burschenschaftler hält Vorträge vor Neonazis und bei der Hamburger NPD"). In dem offen mit der nationalsozialistischen Bewegung sympathisierenden Buch beschäftigt sich BUSCH mit den "Lebensund Todesumständen von SAund SS-Männern sowie mit den einundzwanzig Gefallenen der Hitlerjugend bis zum 31.01.1933". Diese seien im Dritten Reich als "Märtyrer des weltanschaulichen Kampfes" geehrt worden. Gleich zu Anfang lässt BUSCH den "letzten noch lebenden Teilnehmer des Marsches auf die Feldherrenhalle am 9. November 1923 in München" zu Wort kommen, der die damaligen Ereignisse wie folgt kommentiert: "Die Hitlerbewegung hatte ihre ersten toten SA-Männer. Sie fielen für Deutschland". Die 569 Seiten starke, einen wissenschaftlichen Anspruch erhebende Publikation wurde von der Hamburger NPD als "einzigartiges Werk" gelobt. Am 15.12.08 hatte BUSCH Gelegenheit, sein Werk auf einer Veranstaltung des NPD-Kreisverbandes Hamburg Mitte-Nord vorzustellen. Anfang Februar 2009 war er zum selben Thema bei norddeutschen Neonazis zu Gast. 11. Sonstige rechtsextremistische Organisationen und Bestrebungen Neben den bereits beschriebenen Organisationen und Personenzusammenhängen gibt es viele kleinere Parteien, Vereine, Einrichtungen und Initiativen, die sich sowohl in ihrer politisch-ideologischen Ausrichtung als auch in ihrer Größe und Bedeutung sowie ihrer Themenfelder und ihres Aktionsradius erheblich unterscheiden. 2009 wurden diesem Spektrum bundesweit insgesamt 2.500 Personen (2008: 3.800) zugerechnet, darunter auch Hamburger Rechtsextremisten. Sie beteiligten sich z.B. an den Treffen der rechtsextremistischen Kulturvereinigung "Gesellschaft für freie Publizistik e.V." (GfP), die mit ca. 500 Mitgliedern eine der größten Organisationen in 206 Rechtsextremismus diesem Bereich ist; ihre Mitglieder kommen aus verschiedenen rechtsextremistischen Zusammenhängen. Während bis 2008 durch den GfPVorsitzenden Andreas MOLAU noch eine besondere Nähe zur NPD ( 8.1) bestand, stellte dieser 2009 seine Aktivitäten in der NPD ein und wandte sich der DVU zu, in der er seit März 2009 als Bundespressesprecher fungiert. Die GfP bekämpft ein Geschichtsbild, das Deutschland "zur ewigen Büßernation" stempele. Auf europäischer Ebene arbeitet die GfP nach eigener Aussage am Aufbau einer patriotischen "Eurorechten" mit und kämpft gegen "zentralistische Bestrebungen und gegen das EU-Verfassungsdiktat". Hamburger Rechtsextremisten beteiligten sich in der Vergangenheit auch an Aktivitäten bekannter Einrichtungen des deutschen Geschichtsrevisionismus wie dem am 07.05.08 vom BMI verbotenen "Collegium Humanum" (CH) und dessen Teilorganisation "Bauernhilfe e.V." sowie dem von dem ehemaligen RAF-Anwalt Horst MAHLER initiierten "Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten" (VRBHV). Nach Klagen des CH und der "Bauernhilfe", die am 05.08.09 vom Bundesverwaltungsgericht Leipzig abgewiesen wurden, ist das Verbot beider Vereine rechtskräftig. Der VRBHV hatte keine Rechtsmittel eingelegt. Ziel des Revisionismus ist die nachträgliche Rechtfertigung bzw. Verharmlosung des Nationalsozialismus, insbesondere die Leugnung des Holocaust. Hamburger Revisionisten engagierten sich auch beim "Deutschen Kolleg" (DK) des Hamburger Rechtsextremisten Dr. Reinhold OBERLERCHER und in der "Völkischen Reichsbewegung" (VRB), die von Horst MAHLER als "Reichsbürgerbewegung" (RBB) gegründet worden war. Gemeinsames Ziel des DK und der VRB ist die Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit des Deutschen Reiches und die Beseitigung der parlamentarischen Demokratie. (Arbeitsfeld Rechtsextremismus / Agitation / Antisemitismus / Revisionismus). 207 Rechtsextremismus Das von OBERLERCHER geleitete Deutschen Kolleg (DK) versteht sich als vorbereitendes "Denkorgan" und legitimer Vertreter des noch "handlungsunfähigen Deutschen Reiches". Es reklamiert für sich die geistige und materielle Staatsgewalt, die auch das grundsätzliche Recht einschließt, "Reichsfeinde" "militärisch unter Beschluß und Beschuß zu nehmen". Als Schwerpunkt seiner Aktivitäten sieht das DK die theoretische Schulung der "nationalen Intelligenz". 2009 bestand seine Arbeit im Wesentlichen aus der Veröffentlichung älteren Schulungsmaterials und bekannter rechtsextremistischer Konzepte. Die von MAHLER initiierte "Völkische Reichsbewegung" (VRB) versteht sich als ein "durch den völkischen Reichsgedanken und durch den Willen zur Behebung der Not von Volk und Reich zusammengefügtes Netzwerk von Deutschen, die noch Deutsche sein wollen". Seine Anhänger waren auch im Rahmen des von ihm propagierten "Feldzugs gegen die Offenkundigkeit des Holocaust" aktiv. Im Zentrum der Gedankenwelt MAHLERs steht die angebliche Verschwörung eines die Weltherrschaft anstrebenden Weltjudentums. Die VRB glorifiziert unverblümt den Nationalsozialismus und veröffentlicht auf ihren Internetseiten HITLER-Bilder und Hakenkreuze. MAHLER (Foto) selbst nannte HITLER einen "Erlöser des deutschen Volkes". Die VRB agiert im Wesentlichen im Internet. Dort wurden neben Prozessterminen, Berichten über die "Holocaustjustiz", "Literatur zur Wahrheitsfindung" wie HITLERs "Mein Kampf", Texte und Interviews MAHLERs sowie seine Briefe "aus der Kriegsgefangenschaft" veröffentlicht. Im Rahmen des von MAHLER propagierten "Feldzugs gegen die Offenkundigkeit des Holocaust" gehörte auch das Provozieren von Volksverhetzungsverfahren zu seiner Strategie. MAHLER rief seine Anhänger zu Selbstanzeigen auf und stellte diese auch gegen sich selbst. Die Gerichtsverfahren sollten von den "Opfern" der "jüdisch fremdgesteuerten" deutschen Justiz als Bühne zur Entlarvung des SS 130 StGB und zum "Töten" der "Holocaust-Lüge" genutzt werden. MAHLER zeigte sich trotz diverser Verfahren und Verurteilungen unbelehrbar 208 Rechtsextremismus und setzte seinen offensiven und aggressiven "Feldzug" auch aus dem Gefängnis unbeirrt fort. Seit dem 25.02.09 verbüßt er eine weitere Haftstrafe. MAHLER war vom LG München wegen Volksverhetzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und noch im Gerichtssaal in Haft genommen worden. Das Urteil ist seit dem 10.08.09 rechtskräftig. Aufgrund weiterer in der Zwischenzeit ergangener Urteile gegen MAHLER ist nicht mit einer baldigen Haftentlassung zu rechnen. 209 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Scientology-Organisation VI. Scientology-Organisation (SO) 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick Einem Beschluss der Innenminister und -senatoren zufolge wird die Scientology-Organisation (SO) seit 1997 aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen durch die Verfassungsschutzbehörden beobachtet. Die Rechtmäßigkeit dieser Beobachtung wurde bestätigt: Das OVG Münster stellte im Februar 2008 fest, Scientology strebe eine Gesellschaftsordnung an, in der zentrale Verfassungswerte außer Kraft gesetzt oder eingeschränkt werden sollten. Es gäbe tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass Scientology sein Wertesystem auf die staatliche Ordnung übertragen wolle. Das internationale Management der SO musste im Jahr 2009 herbe Rückschläge hinnehmen. Aus der SO-Führungsetage in Los Angeles / USA hatten sich in den vergangenen Jahren hochrangige Scientologen von der Organisation gelöst. Sie meldeten sich 2009 mit öffentlicher Kritik über eine menschenrechtsverletzende Behandlung der Mitglieder zu Wort. Im Oktober 2009 wurden in Frankreich nach Anzeigen ehemaliger Scientologen mehrere führende Scientology-Funktionäre wegen Betrugs verurteilt. Die SO kündigte Berufung an. Mit solchen Schäden am Renommee, durch finanzielle Verluste wegen Mitgliederrückgangs und aufgrund der Wirtschaftsund Finanzkrise büßte die SO weltweit an Durchschlagskraft für die von ihr stets angestrebte Ausdehnung ein. Zentrale europäische Expansionsvorhaben sollten durch die Einweihung sogenannter Idealer Orgs in Brüssel ( 6), Malmö und Rom realisiert werden. "Ideale Org" ist ein Synonym für eine erfolgreiche "Org" (=Scientology-Kirche) an einem strategischen Platz mit Einfluss in alle gesellschaftlichen und politischen Bereiche. 212 Scientology-Organisation 2009 ging der Mitgliederbestand in Deutschland deutlich zurück ( 2.), nachdem die SO hier schon in den Vorjahren an Boden verloren hatte. Nicht zuletzt die Aufklärungsarbeit der Verfassungsschutzbehörden über die Ziele der Organisation dürfte dazu beigetragen und auch umworbene Personen von einem Beitritt abgehalten haben. Noch verfügt die SO offenbar über eine "Kriegskasse", um neue Niederlassungen oder die Renovierung solcher Einrichtungen zu finanzieren, die als Basis für die angestrebte Ausdehnung gedacht sind. Die im Januar 2007 pompös eröffnete Ideale Org in Berlin, mit der "die obersten Ebenen der deutschen Regierung" erreicht werden sollten ( 6.), blieb bisher erfolglos. Auch den Hamburger Scientologen und deren Bestrebungen zur Expansion blieben Erfolge versagt ( 2. und 6.). In den vergangenen Jahren wurde Aufklärungsarbeit über die SO nicht nur durch den Verfassungsschutz, sondern auch von Scientology-Gegnern - insbesondere im Internet - betrieben. Seit etwa zwei Jahren kommt es zu weltweit abgestimmten Protesten gegen die SO. Die Demonstranten nennen sich Anonymous. Sie tragen Masken, um Aufmerksamkeit zu erregen und sich vor Nachstellungen der SO zu schützen. Mit ihrem Engagement für Freiheit und gegen Zensur im Internet nahmen sie ihren Protest gegen die SO Anfang 2008 auf, als diese versucht hatte, ein ihr peinliches Video mit dem Schauspieler und Scientologen Tom Cruise aus dem Netz zu entfernen. Protest von Anonymous gegen SO 2. Potenziale Das SO-Management ließ auch 2009 verkünden, dass die Organisation weltweit zehn Millionen Mitglieder habe. Angaben ehemals hochrangiger Scientologen aus den USA zufolge und nach Auswertung SO213 Scientology-Organisation interner Darstellungen kann man jedoch allenfalls von weltweit etwa 100.000 Scientologen ausgehen. Die Zahl der Scientologen im Bundesgebiet verringerte sich im Jahr 2009 seit Beginn der Beobachtung durch den Verfassungsschutz erstmals deutlich. Bislang wurden etwa 5.000 bis 6.000 Mitglieder gezählt. Da in vielen deutschen Niederlassungen bereits seit 2008 weniger Personen festzustellen waren und sich diese Beobachtung im Berichtsjahr bestätigte, wird nun von etwa 5.000 Scientologen ausgegangen. Die Schwerpunkte liegen unverändert in den Metropolregionen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hannover, München, Stuttgart und Hamburg. In Hamburg gibt es eine Vielzahl von SO-Gruppierungen ( 4.). Fast alle von ihnen waren 2009 den zwei Hamburger Orgs zuzurechnen, der Scientology Kirche Hamburg e.V. und der Scientology Kirche Eppendorf e.V. Die Gesamtzahl der Hamburger Scientologen einschließlich des Umlandes betrug 2009 etwa 650 (2008: 700). Sie ist damit nochmals zurückgegangen. Der Hamburger Org in der Innenstadt konnten noch 600 Personen zugerechnet werden, der Eppendorfer Org in BarmbekSüd 50 Mitglieder. Etwa ein Drittel der Mitglieder beteiligte sich aktiv an der Verbreitung von Scientology. Die große Mehrheit begnügte sich damit, gelegentlich Kurse zu absolvieren. Feststellbar ist, dass der Mitgliederbestand altert, weil es Probleme gibt, neue Mitglieder zu rekrutieren. Büros in dem großen Gebäude der Hamburger Org an der Domstraße standen leer. Die Kursräume waren in beiden Orgs nur gering belegt. Hamburg ist Einzugsgebiet für Scientologen aus den umliegenden Bundesländern. Etwa ein Drittel der Mitglieder kommen aus dem Hamburger Umland, die meisten davon aus Schleswig-Holstein. 3. Strukturen und Organisationseinheiten Das internationale Management der SO hat seinen Sitz in Los Angeles / Kalifornien. Weitere bedeutende Niederlassungen sind in Clearwater / 214 Scientology-Organisation Florida ansässig. Die Europazentrale (Foto) liegt im Stadtzentrum von Kopenhagen. Befehlsstrukturen führen vorwiegend von der internationalen über die europäische in die regionale Ebene der Länder. Für die interne internationale Aufsicht sorgt ein "Watch Dog Committee" (WDC). Für äußere Angelegenheiten wie Public Relations, rechtliche Auseinandersetzungen und die Ausforschung von Kritikern ist das "Office of Special Affairs" (OSA) zuständig, der sogenannte scientologische Geheimdienst. Eine dem internationalen Management angegliederte Organisationseinheit ist die "International Organization of Scientologists" (IAS), die eine "Kriegskasse" verwaltet, um Kampagnen zu finanzieren. Die IAS kassiert erhebliche Beiträge und erzeugt einen stetigen Spendendruck, dem sich viele Scientologen nicht entziehen können. Die scientologische Eliteorganisation "Sea Organization", kurz "Sea Org", tritt uniformiert auf und ist paramilitärisch organisiert. Deren Mitglieder haben ihr früheres Leben vollkommen aufgegeben und arbeiten nur noch für die Ziele ihrer Organisation. Auf der untersten Ebene der Organisationsstrukturen stehen regionale Niederlassungen, wie Scientology-Kirchen und Dianetik-Center. Weiteres zu den internen Strukturen: Arbeitsfeld Scientology-Organisation, Strukturen und Organisationseinheiten Angehörige der Scientology-Kirchen und -Missionen sowie diverser anderer SO-Gruppen werben sowohl offen als auch verdeckt für die Organisation. Vorzugsweise in Städten sind die Scientology-Kirchen ("Orgs"), Missionen und Dianetik-Center angesiedelt. Letztlich werden fast alle geworbenen Personen diesen Bereichen zugeführt, damit sie dort arbeiten oder kostenintensive Kurse und Ausbildungsstufen absolvieren. Außerdem unterliegen sie einem ständigen Druck, viel Geld zu spenden. Die folgenden Gruppen werden häufig von diesen regionalen Niederlassungen angeleitet, aber auch von internationalen SO-Bereichen. Sie 215 Scientology-Organisation sollen im Privaten oder im Beruf, auf Straßen, Plätzen und Promenaden sowie per Post oder im Internet für die Organisation werben. Zur "Association of Better Living and Education" (ABLE) gehören Narconon für Drogenentzug, Criminon für Resozialisierung, "Applied Scholastics" (ApS) für Bildung sowie die Kampagnen "Der Weg zum Glücklichsein" (Foto; Begleitmaterial) und "Operation: Ein friedvoller Planet". Internetbeitrag des LfV Hamburg "Vorsicht: Verdeckte Werbung für die SO. Das Heft 'Der Weg zum Glücklichsein'" Die "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte" (KVPM) führt eine Kampagne gegen die Psychiatrie mit regelmäßigen Kundgebungen, Ausstellungen wie "Psychiatrie - Tod statt Hilfe" und unter dem Motto "Einsatz für Kinder". Die internationale Organisation heißt "Citizens Commissions on Human Rights" (CCHR). Die SO-Gruppen "Jugend für Menschenrechte", "Youth for Human Rights International" und "Sag Nein zu Drogen - Sag Ja zum Leben" treten aktuell häufig in der Öffentlichkeit auf. Die "Foundation for a Drug-Free World" wirbt für ihre Zwecke auch unter der Bezeichnung "Operation: Drogenfreie Erde". Scientology-Kirchen melden in vielen Städten Deutschlands, auch in kleineren Orten, Informationsstände an, die nicht eindeutig als SOzugehörig erkennbar sind. Dort werden Dianetik und Stresstests angeboten. Internetbeitrag des LfV Hamburg "Vorsicht Dianetik" Zu den Aufgaben der gelb gekleideten Ehrenamtlichen Geistlichen ("Volunteer Ministers") gehört die weltweite Verbreitung von Scientology. Sie werben in gelben Zeltpavillons, die sie in deutschen Innenstädten aufbauen. Sie geben sich spirituell, verheißen Heilung durch 216 Scientology-Organisation Handauflegen und sollen SO-Bücher verkaufen. Bei Überflutungen oder anderen Katastrophen geben sie sich als Helfer aus. Im "World Institute of Scientology Enterprises" (WISE) sind Unternehmen und Geschäftsleute organisiert. Die WISE-Mitglieder sollen Scientology in die Geschäftswelt und in die Politik einbringen. Ihr regionales Kontrollgremium heißt WISE Charterkomitee. Häufig gelingt es der SO nicht, sich gänzlich unpolitisch darzustellen. In einem internen Magazin (Impact, Ausgabe 119) wurde der Scientology-Gründer, L. Ron Hubbard, zitiert: "Unsere Politik ist vorherbestimmt [...] Die Schlacht hat sich herauskristallisiert [...] Hier erkläre ich somit unseren Krieg". Zu bekämpfen sei das "Böse in der Welt". Hubbards Nachfolger als SO-Führer, David Miscavige, fordert die "Bloßstellung des Bösen" und ein "planetarisches Klären". Gemeint ist eine durchgehende Scientologisierung. Diese "neue Zivilisation" soll auch in Deutschland geschaffen werden. Für den 05.12.09 wurden Scientologen zu einem "Deutschland-Event" in Bad Salzschlierf / Hessen eingeladen. Erwartet wurden "...Mitstreiter aus ganz Deutschland, mit denen wir zusammen Deutschland klären werden!". 4. Strukturen in Hamburg Hamburg gehört zu den Schwerpunktgebieten der SO in Deutschland. Aufgrund des hohen Aufklärungsstands in der Stadt über die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der Organisation blieben hier im Laufe der Jahre nicht alle SONiederlassungen existenzfähig. Zu neuen Projekten kam es selten. Ein CelebrityCenter (CC) in Hamburg (für Prominente wie Künstler und Schauspieler) und eine Narconon-Niederlassung in Itzehoe / SH wurden bereits vor Jahren aufgegeben. Die Scientology Gemeinde Nord e.V. ist auch 2009 inaktiv geblieben. Die Scientology Kirche Eppendorf e.V. / Eppendorfer Org, im Marschnerstieg in Barmbek-Süd, war 2009 wenig aktiv. Nur selten waren dort mehr als fünf bis zehn Scientologen anzutreffen. Die Umsätze der Eppendorfer Org brachen massiv ein und deckten nicht 217 Scientology-Organisation mehr die festen Kosten. Daher war mit einer Schließung dieser Org und mit einer Angliederung des verbliebenen Personals an die Hamburger Org schon seit Langem zu rechnen. Ende 2009 wurde diese Fusion unter Hamburger Scientologen für 2010 angekündigt. Für die meisten Scientologen aus Hamburg und den umliegenden Bundesländern ist die zentral gelegene, repräsentative Scientology Kirche Hamburg e.V. / Hamburger Org (Foto) an der Domstraße im Stadtzentrum die wichtigste Einrichtung der SO. Trotz ihrer Bedeutung für den norddeutschen Raum hat auch sie weitere Mitglieder verloren ( 2.). Seit Jahren wird die Errichtung einer Idealen Org angestrebt, einer modernisierten Niederlassung, mit der mehr politischer Einfluss erreicht werden soll. Bei Personalmangel fehlte auch das Geld für nötige Renovierungsarbeiten. Der beabsichtigte Zusammenschluss der zwei Hamburger Orgs und intensivierte Spendenkampagnen lassen die Hamburger Scientologen hoffen, 2010 eine Ideale Org eröffnen zu können. Voraussichtlicher Sitz wäre die alte Hamburger Org an der Domstraße in renovierter Form und mit einem zu Werbezwecken neu gestalteten Foyer. Weil der Begriff "Scientology" insbesondere in Hamburg eher negativ besetzt ist, treten die Scientologen hier meist nicht offen als solche auf, sondern unter Bezeichnungen, die auf den ersten Blick nicht mit der SO in Zusammenhang gebracht werden können. Es handelt sich stets um Vereine, Initiativen oder Gruppen der SO im Rahmen der aus nationalen und internationalen SO-Bereichen bekannten Strukturen ( 3.). An Informationsständen, die z.B. nur die Aufschriften Dianetik oder Freier Stresstest (Foto) tragen, fehlen offenkundige Hinweise auf die SO. Zu den Strukturen der SO gehören neben den zwei benannten Orgs folgende Zusammenhänge: 218 Scientology-Organisation * Sag Nein zu Drogen - Sag Ja zum Leben * Jugend für Menschenrechte * Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte (KVPM) * Dianetik - Zentrum * Der Weg zum Glücklichsein * Operation: Ein friedvoller Planet * Ehrenamtliche Geistliche * Charterkomitee (WISE) * Criminon * Narconon * Applied Scholastics (ApS) Weitere Organisationseinheiten aus dem internationalen Bereich ( 3.) können auch hier jederzeit aktiv werden, und gelegentlich formieren sich Gruppen unter neuen Bezeichnungen. Über deren Namen und Aktivitäten informiert das LfV bei aktuellem Bezug auch unter der Rubrik "Schlagzeilen" seines Internetauftritts. In Hamburg und im näheren Umland waren im Jahr 2009 etwa 40 Firmen festzustellen, die von Scientologen geführt werden. Viele dieser Firmen gehören zum SOWirtschaftsverbund "World Institute of Scientology Enterprises" (WISE). Es sind vorwiegend kleine Betriebe ohne nennenswerten Einfluss in der Hamburger Wirtschaft. Weltweit gibt es rd. 4.500 WISE-Firmen, die meisten davon in den USA. 5. Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) Scientologisch motivierte Strafoder Gewalttaten wurden im Jahr 2009 in Hamburg nicht festgestellt (Definition PMK: II.4). 219 Scientology-Organisation 6. Aktivitäten Alle Aktivitäten der SO zielen - neben dem ausgeprägten Interesse an neuen Mitgliedern und deren Geld - auf eine umfassende Expansion in diverse gesellschaftliche Bereiche. Zu den internationalen Aktivitäten gehörte im Jahr 2009 das anhaltende Bestreben, Scientology-Kirchen zu Idealen Orgs auszubauen. Weltweit entstanden diese modernisierten Niederlassungen allerdings nicht in dem ursprünglich vorgesehenen Tempo. In Europa kam es im April 2009 zur Einweihung der Idealen Org Malmö / Schweden. Daran beteiligten sich etwa 2.000 Scientologen, unter ihnen der aus den USA angereiste SO-Führer David Miscavige (Foto). Dieser stellte unmissverständlich klar, es sei die Aufgabe aller Scientologen, den Planeten zu klären, d.h. aus fast allen Menschen Scientologen zu machen. Er forderte von seinen Anhängern noch größere Anstrengungen für dieses Ziel. Die Gründung Idealer Orgs sei ein notwendiger Schritt dorthin. Im Oktober wurde eine Ideale Org in Rom / Italien eröffnet. Die nächste europäische Ideale Org sollte in Brüssel entstehen. 2009 wurde bereits ab Juli Personal für diese Org europaweit, auch unter Hamburger Scientologen, rekrutiert. Eine Einweihung fand im Januar 2010 statt. Im Visier hat die SO in Brüssel insbesondere die NATO und Einrichtungen der EU. Internetbeitrag des LfV Hamburg "Scientology verstärkt Engagement am Sitz der EU-Kommission" Mit der Expansion ging es in Deutschland auch im Berichtsjahr nicht recht voran. Dem Aufbau der Idealen Org in Berlin Anfang 2007 folgten trotz intensiver Anstrengungen und regelmäßiger Ankündigungen bislang keine vergleichbaren Projekte. Der Umsatz sank, die Personaldecke der SO wurde kürzer. Die Arbeit für die verbliebenen Scientologen nahm zu. Erhöhter Spendendruck und nachhaltige Aufforderungen zur Mitarbeit in der Organisation verschreckten weitere 220 Scientology-Organisation Scientologen, schweißten die Verbleibenden z.T. noch mehr zusammen. Rekrutierungsmaßnahmen wurden auch in Hamburg mit Feierlichkeiten unterlegt, die mit Uniformen und entsprechender Musik weniger kirchentypische als paramilitärische Merkmale aufwiesen. Seit Jahren versucht die SO in Deutschland, ihren religiösen Status in den Vordergrund zu rücken, um von ihrer Verfassungsfeindlichkeit abzulenken. Daher bezeichnete die Scientology Kirche Hamburg e.V. Anfang 2009 in einer Pressemitteilung "karikative" Programme der Organisation als wesentliche Merkmale einer Religionsgemeinschaft. Die SO bietet ein breites Angebot, um in allen gesellschaftlichen Zusammenhängen Einfluss zu gewinnen. Die vorgeblich karikativen Programme, wie z.B. Antidrogenarbeit, sind dabei nur ein Vehikel. In ihrer Öffentlichkeitsarbeit in Hamburg und in den umliegenden Bundesländern traten die Angehörigen der Hamburger Org mit Informationsständen und scheinbar unverfänglichen Themen auf. Sie gaben sich zumeist nicht als Scientologen zu erkennen, sondern versteckten sich hinter diversen Nebenorganisationen. Mit den Themen Menschenrechte, Psychiatrie-Kritik und Antidrogen-Engagement sprachen sie Passanten direkt an. Die Angehörigen der Hamburger Org warben nicht nur regelmäßig auf Straßen und Plätzen, sondern veröffentlichten zusätzlich viele Erfolgsmeldungen als Pressemitteilungen im Internet. Im Januar 2009 wurde in einem Presseportal für neue "Videoclips zur Drogenaufklärung" unter dem Namen "Sag Nein zu Drogen - Sag Ja zum Leben" geworben. Unter diesem Tenor kam es zu diversen Aktivitäten, wie am 26.06.09 auf dem Ida-Ehre-Platz in der Hamburger Innenstadt, als sechs Scientologen in türkisfarbenen T-Shirts einen großen Infostand aufbauten und Broschüren verteilten. Als Scientologen waren sie nicht zu erkennen und stießen mit dem Thema bei Passanten auf Zustimmung. 221 Scientology-Organisation Vergleichbar gute Resonanz erzielte die Hamburger Org mit öffentlichen Aktionen der "Jugend für Menschenrechte". Unter der Aufsicht der für Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Stelle der Scientology Kirche Hamburg e.V. waren es meist junge Scientologen, die auf Menschenrechte hinwiesen und dafür Unterschriften sammelten. Die Forderung nach einer "Umsetzung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, um dem Dauerthema Gewalt unter Jugendlichen eine wirksame Waffe entgegenzusetzen", kam an. Es wurden Flugblätter verteilt und auf die Internetseite dieser SO-Initiative hingewiesen, ebenso auf den internationalen Zweig "Youth for Human Rights" sowie auf Broschüren der "Foundation for a Drug-Free World". Im Juni 2009 schrieb die Scientology-Kirche Hamburg e.V. Schulen in Hamburg an, um für die SO zu werben. Es wurde um eine Behandlung der Thematik "Scientology" in den Fächern Religion und Ethik gebeten und für den Unterricht SO-Material empfohlen. Ein Besuch in der Hamburger Org und Buchbestellungen waren ebenfalls im Angebot, von dem allerdings kein Gebrauch gemacht wurde. Im Internet kündigte die Scientology-Kirche Hamburg e.V. im Juli ein neues Dianetik-Seminar an, und vor der Hamburger Org versuchten Scientologen, mit einem Stresstest am E-Meter Neugierige anzulocken. Hamburger Scientologen verstärkten ihre Aktivitäten in anderen Teilen Norddeutschlands. Sie schwärmten ab Mitte des Jahres 2009 regelmäßig aus, um ihre Informationsstände auch in touristischen Zentren der Küstenländer aufzubauen. Internetbeitrag des LfV Hamburg "Hamburger Scientologen verstärken Aktivitäten in Norddeutschland" Als Angehörige der Hamburger Org am 01.08.09 zum wiederholten Mal in Heide / SH einen Informationsstand aufbauen wollten, kam es dort zu einer Gegenkundgebung von SO-Kritikern. Entnervt gaben die Scientologen auf und sagten ihren Stand ab. Am 15.08.09 erkannten viele Urlauber den Scientology-Hintergrund eines Dianetik-Standes mit kostenfreiem Stresstest im Ostseebad 222 Scientology-Organisation Kühlungsborn erst durch das Auftreten von Gegendemonstranten (Foto). Zu den vielen internen Veranstaltungen in der Hamburger Org gehörten diverse IASEvents. Dabei feierten die Hamburger Mitglieder dieser internationalen ScientologyVereinigung ihre angeblich weltweiten Erfolge, um die Besucher anschließend - unter Verweis auf die Notwendigkeit einer weiteren Expansion - massiv mit Spendenwünschen zu bedrängen. Am 19.09.09 fand ein besonders feierliches IAS-Event für norddeutsche Scientologen in einem Hamburger Luxushotel an der Alster statt. Zur 25. IAS-Jahresfeier im Oktober reisten Hamburger Scientologen zum Hauptsitz ihrer Vereinigung nach Saint Hill in England (Foto unten). Die Eppendorfer Org war 2009 kaum aktiv. In Barmbek und Bramfeld wurden Flyer verteilt, auf denen zu Vorträgen im Dianetik-Zentrum der Org im Marschnerstieg mit Themen wie "Haben Sie vor diesem Leben gelebt?" und "Das Geheimnis der Leistungsfähigkeit" eingeladen wurde. Die meisten dieser Vorträge fanden nicht statt, weil sich niemand dafür interessierte. In der zweiten Jahreshälfte wurden daraufhin Flyer verteilt, auf denen zu einem Dianetik-Film eingeladen wurde und denen Bestellzettel für SO-Bücher beilagen. Aktivitäten der KVPM-Ortsgruppe Hamburg wurden seit Jahren nur noch von wenigen Scientologen unterstützt. Ihr Büro in Wandsbek gaben sie Anfang 2009 nach längerem Leerstand endgültig auf und nutzten fortan als Vereinsadresse eine private Anschrift von Scientologen in Rahlstedt. Mit Flugblättern und Stellschildern und meist nur zu zweit fanden sie sich 2009 regelmäßig in der Mönckebergstraße ein, um gegen die Psychiatrie zu agitieren. Während der internationale Zweig 223 Scientology-Organisation CCHR eine üble Hetze gegen die Psychiatrie entfaltete, wonach Psychiater Verrückte, Vergewaltiger und Mörder seien, verhielt sich die Hamburger Gruppe eher zurückhaltend. Sie prangerte "Erfundene Krankheiten" sowie den "Verkauf von Psychopharmaka" an und forderte "Keine Psychodrogen für Kinder". In Gesprächen mit Passanten und in Flugblättern wurde ein ScientologyBezug konsequent vermieden. Vom 21.09. bis 02.10.09 gab es eine Ausstellung in einem zeitweilig leer stehenden Ladenlokal in Hamburg-Hohenfelde mit dem Tenor "Psychiatrie: Tod statt Hilfe". Mit dieser Wanderausstellung führen die KVPM und ihr internationaler Zweig, die CCHR, seit Jahren eine Hasskampagne gegen den Berufsstand der Psychiater. Die Scientologen beanspruchen "das Feld der geistigen Gesundheit" für sich und fordern ein Monopol für psychische Betreuung. Selbst auf Nachfragen gaben sich die Ausstellungsbetreuer nicht als Scientologen zu erkennen. Internetbeitrag des LfV Hamburg "Ausstellung der SO in Hamburg" Der Hamburger Ableger des sogenannten scientologischen Geheimdienstes OSA residiert in der "Führungsabteilung" der Scientology Kirche Hamburg e.V. als "Department of Special Affairs" (DSA). Auch 2009 war er in der konspirativen Ausspähung von Kritikern der SO aktiv, so am 04.12.09, als die Hamburger Behörde für Inneres (BfI) im Altonaer Rathaus über die Gefahren durch Scientology informierte. Die Besucher der Veranstaltung wurden von einem OSA-Agenten observiert Observant der SO bei der Arbeit und gefilmt. 224 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Spionageabwehr VII. Spionageabwehr 1. Überblick Deutschland ist für Nachrichtendienste fremder Staaten unverändert ein bevorzugtes Aufklärungsziel. Dazu gehören einige Länder aus der "Gemeinschaft Unabhängiger Staaten" (GUS) ebenso wie solche aus dem nah-, mittelund fernöstlichen sowie dem nordafrikanischen Raum. Symbolfoto: Microsoft An den in Deutschland unterhaltenen amtlichen und halbamtlichen Vertretungen dieser Länder sind deren Nachrichtendienste personell unterschiedlich stark präsent. Diplomaten auf Tarndienstposten bei sogenannten Legalresidenturen ( 4.) sind nachrichtendienstlich mit der Beschaffung von Informationen befasst. Ihr Interesse gilt dabei unverändert den klassischen Feldern der Spionage: Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung und Militär. Weitere Aktionsfelder sind die Ausspähung und Unterwanderung der in Deutschland ansässigen ausländischen oppositionellen Bewegungen ( 5., 6.). Darüber hinaus wollen einige Staaten in den Besitz atomarer, biologischer und chemischer Massenvernichtungswaffen sowie der dazu erforderlichen Trägersysteme gelangen. Zur Beschaffung einzelner Komponenten zu deren Herstellung und des erforderlichen Know-hows bedienen sich diese Länder auch ihrer Nachrichtendienste ( 2.). Wegen der anhaltenden Bestrebungen, durch Spionageaktivitäten insbesondere wirtschaftliche Vorteile zu erlangen, hat der Hamburger Verfassungsschutz seine präventive Spionageabwehr durch den hiesigen Bereich Wirtschaftsschutz (Geheimschutz in der Wirtschaft) verstärkt, um so Wirtschaftsspionage und Know-how-Verluste durch fremde Nachrichtendienste zu verhindern. 226 Spionageabwehr Insbesondere durch die globale elektronische Vernetzung ergeben sich auch für Nachrichtendienste neue Angriffsmöglichkeiten, um teilweise aus dem sicheren Heimatland auf - mangelhaft geschützte - Daten anderer Länder zugreifen zu können. Aber auch die Auswertung weitgehend offener Quellen - z. B. Forschungsberichte, Diplomarbeiten und Dokumentationen - gewinnt immer mehr an Bedeutung. 2. Proliferation und Wissenstransfer Unter Proliferation versteht man die Weitergabe von atomaren, biologischen und chemischen Waffen (ABC-Waffen) bzw. der zu ihrer Herstellung benötigten Komponenten sowie entsprechender Trägersysteme einschließlich des erforderlichen Know-hows an proliferationsrelevante Länder wie z.B. Iran, Syrien, Nordkorea und Pakistan. Die betreffenden Staaten sind bereit, zur Erreichung ihrer Ziele internationale Abkommen und nationale gesetzliche Bestimmungen zu unterlaufen. Dazu setzen sie auch direkt ihre Geheimdienste ein und nutzen nachrichtendienstliche Methoden: Sie gründen im eigenen und im Zielland Scheinfirmen, schalten unverfänglich erscheinende Zwischenhändler ein und verschleiern durch Umweg-Lieferungen über Drittländer den Endabnehmer und den Endverwendungszweck des einzuführenden Gutes. Staaten wie Iran, Nordkorea, Pakistan oder Syrien standen auch im Jahr 2009 im Mittelpunkt der Proliferationsabwehr. Sie betreiben seit längerem eigene Programme zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen und Trägersystemen. Insbesondere die von Iran vertretene unnachgiebige Haltung gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft hinsichtlich seines Atomprogramms ließ Zweifel an der von iranischer Seite beteuerten ausschließlich zivilen Nutzung der Atomtechnologie fortbestehen. Im offenen Widerspruch zu geltenden UNResolutionen erhöhte Iran die Zahl der für die Urananreicherung ver227 Spionageabwehr wandten Zentrifugen im iranischen Atomzentrum Natanz. Ein weiterer Ausbau des Atomprogramms wurde angekündigt. Forderungen nach einer sofortigen Einstellung des Anreicherungsprogramms sowie nach Kooperation und Transparenz liefen ins Leere. Daher sind die iranischen Aktivitäten von den Verfassungsschutzbehörden weiter intensiv zu beobachten und nach Möglichkeit zu verhindern. Firmen, die in das Blickfeld proliferationswilliger Staaten geraten sind oder geraten können, bietet der Verfassungsschutz Gespräche an, um sie für die Problematik zu sensibilisieren und zu beraten. Rufen Sie uns an unter der Telefonnummer (040) 24 44 43 und lassen Sie sich mit dem Referat "Wirtschaftsschutz" verbinden. 3. Wirtschaftsspionage Die Stärke der deutschen Wirtschaft beruht auf Wissensund Technologievorsprung und auf Innovationsreichtum. Im Rahmen des internationalen Wettbewerbs werden Informationen und Know-how intensiv ausgetauscht. Durch die Globalisierung und Vernetzung des Wirtschaftslebens und des zunehmenden Konkurrenzdrucks in der Symbolfoto: Microsoft Wirtschaft steigt auch die Gefahr eines illegalen Informationsabflusses. Damit einher geht das Risiko, Opfer von Wirtschafts-, Industrieoder Konkurrenzspionage zu werden. Wirtschaftsspionage ist definiert als staatlich gelenkte oder gestützte, von fremden Nachrichtendiensten ausgehende Ausforschung von Wirtschaftsunternehmen und Betrieben. Sie erfüllt den Tatbestand des SS 99 StGB (Geheimdienstliche Agententätigkeit), und ihre Abwehr ist Aufgabe der Spionageabwehr der Verfassungsschutzbehörden (BfV, LfV). Die zuständige Staatsanwaltschaft ist gem. SS 143 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) der Generalbundesanwalt (GBA). Bei der Industriespionage/Konkurrenzausspähung handelt es sich um die Ausforschung, die ein (konkurrierendes) Unternehmen oder eine Einzelperson gegen ein anderes Unternehmen betreibt. Die Straftaten 228 Spionageabwehr liegen hier zumeist im Bereich des SS 17 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) - Verrat von Betriebsund Geschäftsgeheimnissen -. Zuständig ist die örtliche (Landes-) Staatsanwaltschaft. Das eigene Know-how zu schützen ist und bleibt in erster Linie eine Aufgabe in Verantwortung der Unternehmen als Informationsträger und damit Gefährdeten. Neben dem Informationsabfluss durch eigene Mitarbeiter erfolgt Industriespionage durch Hackerangriffe, eingeschleuste Spionageprogramme, das Abhören von Besprechungen, von Telefonaten, das Mitlesen von Faxen oder E-Mails, Wanzen und Minisendern in Faxgeräten und Scannern und das "Social Engineering" (das Aushorchen/Ausspähen argloser Mitarbeiter z.B. auf Messen). 4. Die Nachrichtendienste der Russischen Föderation Für die Nachrichtendienste der Russischen Föderation ist Deutschland nach wie vor ein wichtiges Zielland. Dies wird u.a. durch den hohen Anteil ihrer Mitarbeiter am Personal der russischen Auslandsvertretungen deutRu ssland lich. Unter diplomatischer oder journalistischer Tarnung versuchen sie, Informationen aus allen klassischen Spionagebereichen zu erhalten. Hierbei verfügen die zahlenmäßig starken Nachrichtendienste der Russischen Föderation über erheblichen politischen Rückhalt. Von ihnen wird ein maßgeblicher Beitrag zur Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Situation erwartet. Der für sie gesetzlich verankerte Auftrag zur Beschaffung von wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Daten spiegelt sich trotz guter Beziehungen zwischen Russland und Deutschland auch in geheimdienstlichen Aktivitäten wider. Dabei hat sich die Vorgehensweise der russischen Nachrichtendienste über die Jahre gewandelt: Im Unterschied zu früheren, häufig aggressiven Aktivitäten spielt bei der Informationsbeschaffung mittlerweile die offene "Gesprächsabschöpfung" die wichtigste Rolle. Angesichts unserer offenen Gesellschaftsform und einer zunehmenden Aufgeschlossenheit gegenüber dem einstigen Gegner aus dem "Kalten 229 Spionageabwehr Krieg" sind insbesondere die Legalresidenturen bei der Beschaffung erfolgreich. Legalresidenturen sind abgetarnte Stützpunkte in den offiziellen Vertretungen des Auftraggeber-Landes (Botschaften, Konsulate, Handelsvertretungen). Die Aufklärungsziele richten sich nach dem aktuellen Informationsbedürfnis der russischen Staatsführung. Der deutschen Politik - hier besonders der Energieund Geldpolitik -, der EU und der NATO gilt regelmäßig das besondere Interesse der russischen Nachrichtendienste. Die Sicherheits-, Informationsund Kommunikationstechnik sowie technische Ausstattung und militärstrategische Fragen der Bundeswehr sind weitere Aufklärungsziele. Methoden der Informationsgewinnung sind unverändert die offene Beschaffung und die "konspirative Verbindung". Der Besuch von Messen, Vorträgen und Veranstaltungen aller Art eröffnet die Möglichkeit des Kontaktes zu interessanten Personen und der "Abschöpfung" von Zielpersonen. Ein aufgebautes Vertrauensverhältnis führt oft in eine "konspirative Verbindung", d.h. dieser Kontakt wird gegenüber anderen Personen verborgen. Das Ziel ist, Personen zu gewinnen, die langfristig Informationen gegen Geld oder andere Vorteile liefern können. 5. Chinesische Nachrichtendienste China erhebt mit seinem aktuellen Fünfjahresplan (2006 bis 2010) den Anspruch, zu den führenden Industrienationen aufzuschließen. Der Regierung ist klar, dass dieses ehrgeiChina zige Ziel nur mit massivem Transfer von Spitzentechnologie aus den hochentwickelten Industriestaaten zu erreichen sein wird. Dazu bedient sich China weltweit u.a. seiner Nachrichtendienste und betreibt auch in Deutschland eine immer intensivere nachrichtendienstliche Aufklärung einschließlich des Einsatzes nachrichtendienstlicher Quellen. Es besteht Interesse an wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, technischen und militärischen Informationen. Aber auch die anderen klassischen Auf230 Spionageabwehr klärungsbereiche wie die Außenund Sicherheitspolitik stehen im Zielspektrum der chinesischen Dienste. Deren weitere Aufgabe ist die Überwachung und Beeinflussung der außerhalb Chinas lebenden Landsleute. Diese Maßnahmen gelten insbesondere Personen und Gruppierungen, die von China als nicht systemkonform angesehen werden wie die 1999 verbotene buddhistisch-taoistische Falun-Gong-Bewegung. Auch die nach Selbstbestimmung strebenden islamischen Uiguren, deren Heimat die ölreiche und autonome Region der nationalen Minderheit Xinjiang im Nordwesten Chinas ist, sind ein bevorzugtes Aufklärungsziel. Die methodische Arbeitsweise der chinesischen Nachrichtendienste besteht bevorzugt in einer offenen Informationsabschöpfung auf breiter Front. Genutzt werden hierzu vorrangig eigene sprachlich ausgebildete Landsleute, die im Rahmen ihrer offiziellen Tätigkeit Kontakte zu deutschen Dienststellen unterhalten oder Veranstaltungen in den sie interessierenden Bereichen besuchen, um mit den dort vertretenen Zielgruppen Kontakte zu knüpfen. Informationen werden auch durch in Deutschland ständig oder vorübergehend lebende Chinesen gesammelt, die als hochqualifizierte Mitarbeiter bei großen deutschen Firmen, in wissenschaftlichen Instituten oder als postgraduierte Studenten tätig sind. Diese Personen werden von den diplomatischen Vertretungen oder anderen staatlichen Stellen Chinas unter Appell an das nationale Bewusstsein ("Dienst am Vaterland") dazu angehalten, die erworbenen Kenntnisse China zur Verfügung zu stellen. Seit Mitte 2003 werden auch elektronische Angriffe mit mutmaßlich chinesischem Ursprung gegen deutsche Regierungsstellen und Wirtschaftsunternehmen beobachtet. Die E-Mail-Angriffe verwenden eine Schadsoftware, die infizierte Rechner ausspähen und verändern kann. Bei Reisen nach China müssen ausländische Besucher - insbesondere Geschäftsreisende - davon ausgehen, in Hotels und Konferenzräumen umfassend überwacht zu werden. 231 Spionageabwehr 6. Nachrichtendienste des Nahen und Mittleren Ostens sowie Nordafrikas Die Nachrichtendienste von Staaten des Nahen und Mittleren Ostens sowie Nordafrikas sind in Deutschland vorrangig an der Aufklärung ihrer hier lebenden, in Opposition zum jeweiligen Regime ihrer Heimatländer stehenden Staatsbürger interessiert. Um Personen dieses Umfeldes für eine nachrichtendienstliche Zusammenarbeit zu gewinnen, wird nicht selten massiver Druck auf die Betreffenden oder auf Familienangehörige im Heimatland ausgeübt. Dies gilt insbesondere für den iranischen Nachrichtendienst VEVAK und die syrischen Dienste. Auch die Nachrichtendienste der Staaten des Nahen und Mittleren Ostens sowie Nordafrikas Logo des iranischen verstärken die Informationsbeschaffung über die Nachrichtendienstes Netzwerke ihrer nationalen islamistischen TerroVEVAK risten im Ausland. 232 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz VIII. Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz 1. Allgemeines Im Rahmen des Wirtschaftsschutzes werden geheimschutzbetreute Unternehmen, die geheimhaltungsbedürftige Staatsaufträge erhalten haben, gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) betreut. Die geheimschutzbetreuten Unternehmen sowie andere Hamburgische Wirtschaftsunternehmen nutzen zudem das Informationsund Beratungsangebot des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV). Im Bereich des personellen Geheimund Sabotageschutzes sowie des materiellen Geheimschutzes strebt das LfV an, durch personelle, technische und organisatorische Vorkehrungen bei Behörden und Einrichtungen einen Schutz vor der Ausforschung staatlicher geheimhaltungsbedürftiger Informationen durch Unbefugte zu erreichen. Solche amtlich geheim zu haltenden Angelegenheiten, sogenannte Verschlusssachen (VS), sind im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse - unabhängig von ihrer Darstellungsform. Sie werden nach ihrer Schutzbedürftigkeit von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung entweder als STRENG GEHEIM, GEHEIM, VS-VERTRAULICH Symbolfoto: Microsoft oder VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH klassifiziert. Entscheidend für die Einstufung ist die Schutzbedürftigkeit im Hinblick auf die Auswirkungen im Fall einer Kenntnisnahme durch Unbefugte. 2. Wirtschaftsschutz Ziel des Wirtschaftsschutzes ist es, die Unternehmen über Gefährdungslagen zu informieren und mögliche Schutzmaßnahmen und -konzepte zur Vermeidung und Verringerung von Schadensfällen anzuregen. 234 Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Das Informationsund Beratungsangebot des LfV hat sich bewährt und wird von den hamburgischen Wirtschaftsunternehmen angenommen. Der Schwerpunkt dieses Informationsangebotes lag in zahlreichen Vortragsveranstaltungen bei Unternehmen, Interessensverbänden, Arbeitskreisen, Kammern und anderen Vereinigungen. Auch im Jahre 2009 fand sich die Öffentlichkeitsarbeit des Wirtschaftsschutzes in regionalen und überregionalen Medien wieder. Der "Wirtschaftsschutztag" (Foto) im November 2009 stieß bei den Wirtschaftsvertretern auf großes Interesse: Mehr als 240 Besucher informierten sich über die aktuelle internationale und regionale Sicherheitslage mit Blick auf die Hamburger Wirtschaft. Im Mittelpunkt des Beratungsangebotes standen insbesondere der Schutz vor Ausspähungsaktivitäten fremder Nachrichtendienste, sicherheitsrelevantes Verhalten auf Geschäftsreisen, die IT-Sicherheit sowie der Know-how-Schutz. Daneben wurden aktuelle Sicherheitsfragen wie der Umgang mit den europäischen und nationalen Terrorlisten, Container-Screening und andere Themen angesprochen. Auch im Jahr 2009 fanden gemeinsame Veranstaltungen mit dem BMWi zur Einweisung der neuen Sicherheitsbeauftragten der geheimschutzbetreuten Unternehmen und zum Schutz von VS in Wirtschaftsunternehmen in der Behörde für Inneres statt. Derzeit betreut das LfV über 350 Unternehmen, davon ca. 120 "geheimschutzbetreute". 3. Geheimund Sabotageschutz 3.1 Geheimschutz Ziel des staatlichen Geheimschutzes ist es, geheimhaltungsbedürftige Informationen des Staates - z.B. im militärischen Bereich - bestmöglich vor einer Preisgabe an Unbefugte zu sichern. Für VS ist deshalb ein optimaler Schutz zu gewährleisten. Der Umgang mit ihnen ist nicht nur 235 Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz materiell, sondern auch personenbezogen zu regeln. In konsequenter Fortführung der materiellen Vorkehrungen dürfen nur solche Personen mit VS befasst werden, die dazu nach den Maßstäben des personellen Geheimschutzes befugt sind. Das Hamburgische Sicherheitsüberprüfungsgesetz (HmbSÜG, Internetseiten des LfV; Wir über uns / Gesetzliche Grundlagen) ist die Grundlage des personellen Geheimschutzes. Sicherheitsüberprüfungen dienen der individuellen Feststellung, ob einer bestimmten Person eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit übertragen werden kann. Sollten sicherheitserhebliche Erkenntnisse vorliegen, die die Zuweisung solcher Aufgaben aus Gründen des staatlichen Geheimschutzes verbieten - sogenannte Sicherheitsrisiken -, dürfen sicherheitsempfindliche Arbeiten nicht übertragen werden. 3.1.1 Personeller Geheimschutz in Hamburger öffentlichen Stellen Die Art der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit bestimmt das anzuwendende Überprüfungsverfahren. Der Umfang der Überprüfungen reicht von der Datensatzsichtung bis zur Befragung von Referenzpersonen. Das HmbSÜG enthält gegenüber den Sicherheitsüberprüfungsgesetzen des Bundes und anderer Länder einen erweiterten Aufgabenkatalog. Unabhängig vom tatsächlichen Umgang mit VS können auch Personen überprüft werden, die in einer Dienststelle tätig sind, die aufgrund ihrer Aufgabenstellung oder ihrer besonderen Bedeutung zum Sicherheitsbereich erklärt wurde. Überprüft werden können auch Personen, die in zentralen sicherheitsempfindlichen öffentlichen Bereichen in Funktionen der Informationsund Kommunikationstechnik - z.B. bei Dataport - tätig sind. Mit der sogenannten verkürzten Sicherheitsüberprüfung bietet das HmbSÜG gegenüber anderen Sicherheitsüberprüfungsgesetzen eine Besonderheit: Behörden dürfen den kurzzeitigen Zugang zu einem Sicherheitsbereich gewähren, ohne eine komplette - für diese kurzzeitige Tätigkeit unangemessene - Sicherheitsüberprüfung vornehmen zu müssen (z.B. bei unaufschiebbaren Maßnahmen von Handwerkern). 236 Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Im Jahr 2009 hat das LfV Hamburg 913 (2008: 798) Sicherheitsüberprüfungen bearbeitet. 3.1.2 Personeller Sabotageschutz in Hamburg Symbolfoto Beim personellen Sabotageschutz handelt es sich um präventive Überprüfungsmaßnahmen. Sie sollen potenzielle Saboteure, sogenannte Innentäter, von bestimmten sicherheitsempfindlichen Stellen bzw. Einrichtungen fernhalten. Im Rahmen des personellen Sabotageschutzes www.mediaserver.hamburg.de/ werden ZuverlässigkeitsüberprüM. Penner fungen durchgeführt. Personen, die in sicherheitsempfindlichen Bereichen des Hamburger Flughafens beschäftigt werden sollen, werden nach SS 7 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben (Luftsicherheitsgesetz - LuftSiG) überprüft. Im Jahr 2009 wurden 8.729 (2008: 9.115) Überprüfungen für den Bereich des Hamburger Flughafens vorgenommen. Die Sicherheitsmaßnahmen für HafenSymbolfoto anlagen sehen auch Personenüberprüfungen vor. Die im Hafensicherheitsgesetz (HafenSG) definierten Sicherheitsmaßnahmen umfassen auch Zuverlässigkeitsüberprüfungen. Davon wurden im Berichtsjahr 50 (2008: 59) vorgenommen. Das LfV Hamburg ist darüber hinaus an den Zuverlässigkeitsüberprüfungsverfahwww.mediaserver.hamburg.de/ C. Spahrbier ren des Gesetzes über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz - SprengG) beteiligt. Im Jahr 2009 wurden fünf Auskunftsersuchen beantwortet (2008: 8). 237 Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz 3.1.3 Materieller Geheimschutz Der materielle Geheimschutz umfasst technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz von VS und räumlichen Sicherheitsbereichen. VS sind im staatlichen Interesse vor dem Zugriff Unbefugter zu schützen. Sie sind daher entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit zu behandeln und zu verwahren. Die Verwahrung erfolgt in alarmgesicherten Räumen oder geeigneten Behältnissen, z.B. Panzerschränken. Ebenso muss der Versand oder Transport von VS besonderen Voraussetzungen genügen, um Verluste oder Preisgaben an Unbefugte wirksam zu verhindern. Da die öffentliche Verwaltung ganz überwiegend von der Informationsund KommunikationstechSymbolfoto: nik unterstützt wird, hat sich das Bild des klassiMicrosoft schen materiellen Geheimschutzes entsprechend angepasst. Tresore, mechanische Sicherungseinrichtungen und Alarmanlagen sind zwar weiterhin erforderlich, gleichwohl ist der Schutz elektronischer Daten ein immer wichtigeres Betätigungsfeld. Mit den steigenden Anforderungen an die Informationstechnik ist auch deren Komplexität stetig angewachsen. Eine datengestützte Herstellung und Verarbeitung von VS unterliegt insofern weiteren Risiken ungewollter Preisgabe, denen entgegengewirkt werden muss. Die üblichen informationstechnischen Sicherungsfunktionen wie etwa Zugangsoder Zugriffskontrollen reichen dabei oftmals nicht aus, vielmehr müssen nachhaltig wirksame Schutzmaßnahmen getroffen werden. Dabei arbeiten die Ämter für Verfassungsschutz eng mit dem Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zusammen ( 2.). Für die Umsetzung aller Schutzmaßnahmen ist die Einsicht der Betroffenen in die Notwendigkeit des materiellen Geheimschutzes eine wichtige Voraussetzung. Daher hat die Beratung und Schulung der betroffenen Behördenmitarbeiter einen hohen Stellenwert. Das LfV berät die öffentlichen Stellen der Freien und Hansestadt Hamburg bei der Planung und Durchführung technischer und organisatorischer Sicherungsmaßnahmen. 238 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Anhang / Verfassungsschutzgesetz Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz (HmbVerfSchG) vom 07.03.1995 zuletzt geändert durch Gesetz vom 17.02.09 1. Abschnitt Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz SS 1 Zweck des Verfassungsschutzes SS 2 Zuständigkeit SS 3 Zusammenarbeit SS 4 Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz SS 5 Begriffsbestimmungen SS 6 Voraussetzung und Rahmen für die Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz 2. Abschnitt Erheben und weitere Verarbeitung von Informationen SS7 Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz SS8 Erheben von Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln SS9 Weitere Verarbeitung personenbezogener Daten SS 10 Verarbeitung von Daten Minderjähriger SS 11 Berichtigung, Sperrung und Löschung 3. Abschnitt Datenübermittlung SS 12 Übermittlung nicht personenbezogener Daten SS 13 Übermittlung personenbezogener Daten an inländische Nachrichtendienste SS 14 Übermittlung personenbezogener Daten an inländische öffentliche Stellen und Strafverfolgungsbehörden SS 15 Übermittlung personenbezogener Daten an Stationierungsstreitkräfte SS 16 Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische öffentliche Stellen 240 Anhang / Verfassungsschutzgesetz SS 17 Übermittlung personenbezogener Daten an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs SS 18 Übermittlung personenbezogener Daten an die Öffentlichkeit SS 19 Übermittlung personenbezogener Daten an das Landesamt für Verfassungsschutz SS 20 Registereinsicht durch das Landesamt für Verfassungsschutz SS 21 Übermittlungsverbote und -einschränkungen SS 22 Übermittlung personenbezogener Daten Minderjähriger 4. Abschnitt Auskunftserteilung SS 23 Auskunftserteilung 5. Abschnitt Parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes SS 24 Parlamentarischer Kontrollausschuss SS 25 Zusammensetzung und Pflichten des Ausschusses SS 26 Aufgaben des Ausschusses SS 27 Eingaben 241 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 1. Abschnitt Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz SS1 Zweck des Verfassungsschutzes (1) Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder. (2) Zu diesem Zweck tritt dieses Gesetz neben das Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz - BVerfSchG) vom 20. Dezember 1990 (Bundesgesetzblatt I Seiten 2954, 2970), zuletzt geändert am 5. Januar 2007 (BGBl. I S. 7). SS2 Zuständigkeit (1) 1 Der Verfassungsschutz wird innerhalb der zuständigen Behörde vom Landesamt für Verfassungsschutz wahrgenommen. 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz ist ausschließlich hierfür zuständig. 3 Bei der Erfüllung seiner Aufgaben ist es an Gesetz und Recht gebunden (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf einer polizeilichen Dienststelle nicht angegliedert werden. 2 Ihm stehen polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse gegenüber polizeilichen Dienststellen nicht zu; es darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht befugt ist. SS3 Zusammenarbeit (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz ist verpflichtet, mit Bund und Ländern in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. 2 Die Zusammenarbeit besteht auch in gegenseitiger Unterstützung und Hilfeleistung sowie in der Unterhaltung gemeinsamer Einrichtungen. 242 Anhang / Verfassungsschutzgesetz (2) 1 Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz nach Maßgabe dieses Gesetzes und soweit eigenes Landesrecht dies zulässt, der Bund gemäß SS 5 Absatz 2 BVerfSchG nur im Benehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz tätig werden. 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf in den anderen Ländern tätig werden, soweit es die Rechtsvorschriften dieses Gesetzes und der anderen Länder zulassen. SS4 Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) 1 Aufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der verfassungsmäßigen Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht in der Bundesrepublik Deutschland, 3. Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, 4. Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Absatz 2 des Grundgesetzes), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Absatz 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind (SS 3 Absatz 1 BVerfSchG). 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat insbesondere den Senat über Gefahren für die Schutzgüter des SS 1 zu informieren und die dafür zuständigen staatlichen Stellen in die Lage zu versetzen, Maßnahmen zu ihrer Abwehr zu ergreifen. 3 Darüber hinaus unterrichtet das Lan243 Anhang / Verfassungsschutzgesetz desamt für Verfassungsschutz mindestens einmal jährlich die Öffentlichkeit über Gefahren für die Schutzgüter des SS 1. (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz wirkt gemäß SS 3 Absatz 2 Satz 1 BVerfSchG mit 1. bei der Überprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich dienstlich verschaffen können, 2. bei der Überprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensund verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen und Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. 2 Die Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz bei der Mitwirkung nach Satz 1 Nummern 1 und 2 sind im Hamburgischen Sicherheitsüberprüfungsgesetz (HmbSÜG) vom 25. Mai 1999, zuletzt geändert am 4. Dezember 2002 (HmbGVBl. S. 327, 330), geregelt. 3 Die Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz bei der Mitwirkung an Zuverlässigkeitsüberprüfungen zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Hamburger Hafens sind im Hafensicherheitsgesetz vom 6. Oktober 2005 (HmbGVBl. S. 424) geregelt. SS5 Begriffsbestimmungen (1) 1 Im Sinne dieses Gesetzes sind: 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes solche politisch motivierten zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihnen gehörendes Gebiet abzutrennen, 244 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes solche politisch motivierten zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen, 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch motivierten zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. 2 Für einen Personenzusammenschluss handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt (SS 4 Absatz 1 Sätze 1 und 2 BVerfSchG). 3 Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes sind auch Verhaltensweisen gemäß Satz 1 von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln, wenn sie gegen Schutzgüter dieses Gesetzes mit Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder diese sonst angreifen und bekämpfen. (2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne diese Gesetzes zählen gemäß SS 4 Absatz 2 BVerfSchG 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, 4. die Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung und ihre Ablösbarkeit, 245 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 6. der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und 7. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. SS6 Voraussetzung und Rahmen für die Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf nur Maßnahmen ergreifen, wenn und soweit sie zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind; dies gilt insbesondere für die Erhebung und weitere Verarbeitung personenbezogener Daten. 2 Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat es diejenige zu treffen, die den Einzelnen insbesondere in seinen Grundrechten und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. 3 Eine geringere Beeinträchtigung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Information aus allgemein zugänglichen Quellen oder durch eine behördliche Auskunft gewonnen werden kann. 4 Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. 5 Sie ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann. 2. Abschnitt Erheben und weitere Verarbeitung von Informationen SS7 Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben Informationen erheben und weiter verarbeiten. 2 Es darf personenbezogene Daten auch für die Vorgangsverwaltung nutzen und verarbeiten. 3 Ist zum Zwecke der Datenerhebung die Übermittlung von personenbezogenen Daten unerlässlich, ist sie auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken. 4 Schutzwürdige Interessen des Betroffenen dürfen nur in unvermeidbarem Umfang beeinträchtigt werden. 246 Anhang / Verfassungsschutzgesetz (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf bei den hamburgischen Behörden und den der Aufsicht der Freien und Hansestadt Hamburg unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur die Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben, die diesen Stellen im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung bereits vorliegen und die zur Erfüllung der Aufgaben des Verfassungsschutzes erforderlich sind. 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz braucht die Ersuchen nicht zu begründen, soweit dies dem Schutz des Betroffenen dient oder eine Begründung den Zweck der Maßnahme gefährden würde. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf im Einzelfall bei denjenigen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen oder Telemediendienste erbringen oder daran mitwirken, unentgeltlich Auskunft über Daten einholen, die für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung, Änderung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses über Postdienstleistungen oder Telemediendienste (Bestandsdaten) gespeichert worden sind, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf im Einzelfall unentgeltlich Auskunft einholen bei 1. Luftfahrtunternehmen zu Namen und Anschriften des Kunden sowie zur Inanspruchnahme und den Umständen von Transportleistungen, insbesondere zum Zeitpunkt von Abfertigung und Abflug und zum Buchungsweg, 2. Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen zu Konten, Konteninhabern und sonstigen Berechtigten sowie weiteren am Zahlungsverkehr Beteiligten und zu Geldbewegungen und Geldanlagen, insbesondere über Kontostand und Zahlungseinund -ausgänge, 3. denjenigen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen erbringen oder daran mitwirken, zu den Umständen des Postverkehrs, 4. denjenigen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringen oder daran mitwirken, zu Verkehrsdaten nach SS 96 Absatz 1 Nummern 1 bis 4 des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190), zuletzt geändert am 18. Februar 247 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 2007 (BGBl. I S. 106, 116), und sonstigen zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung der Telekommunikation notwendigen Verkehrsdaten und 5. denjenigen, die geschäftsmäßig Telemediendienste erbringen oder daran mitwirken, zu a) Merkmalen zur Identifikation des Nutzers eines Telemediendienstes, b) Angaben über Beginn und Ende sowie über den Umfang der jeweiligen Nutzung und c) Angaben über die vom Nutzer in Anspruch genommenen Telemediendienste, soweit dies zur Aufklärung von Bestrebungen oder Tätigkeiten erforderlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwerwiegende Gefahren für die in SS 4 Absatz 1 Satz 1 genannten Schutzgüter vorliegen. Im Falle des SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 gilt dies nur für Bestrebungen, die bezwecken oder auf Grund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, 1. zu Hass oder Willkürmaßnahmen gegen Teile der Bevölkerung aufzustacheln oder deren Menschenwürde durch Beschimpfen, böswilliges Verächtlichmachen oder Verleumden anzugreifen und dadurch die Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt zu fördern und den öffentlichen Frieden zu stören oder 2. Gewalt anzuwenden oder vorzubereiten, einschließlich dem Befürworten, Hervorrufen oder Unterstützen von Gewaltanwendung, auch durch Unterstützen von Vereinigungen, die Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten oder androhen. (5) Anordnungen nach Absatz 4 dürfen sich nur gegen Personen richten, bei denen 1. tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie die schwerwiegenden Gefahren nach Absatz 4 nachdrücklich fördern oder 2. auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist 248 Anhang / Verfassungsschutzgesetz a) bei Auskünften nach Absatz 4 Satz 1 Nummern 1, 2 und 5, dass sie die Leistung für eine Person nach Nummer 1 in Anspruch nehmen oder b) bei Auskünften nach Absatz 4 Satz 1 Nummern 3 und 4, dass sie für eine Person nach Nummer 1 bestimmte oder von ihr herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben, oder im Falle des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 4, dass eine Person nach Nummer 1 ihren Anschluss benutzt. (6) 1 Die Zuständigkeit für Anordnungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 ist in einer Dienstvorschrift zu regeln, die der Zustimmung des Präses oder bei seiner Verhinderung des Staatsrates der zuständigen Behörde bedarf. 2 Anordnungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummern 2 bis 5 werden vom Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz oder seinem Vertreter schriftlich beantragt und begründet. 3 Im Falle der Auskunft nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 kann der Antrag auch von einem Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz gestellt werden, der die Befähigung zum Richteramt hat. 4 Zuständig für Anordnungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummern 2 bis 5 ist der Präses oder bei seiner Verhinderung der Staatsrat der zuständigen Behörde. 5 Die Anordnung einer Auskunft über künftig anfallende Daten ist auf höchstens drei Monate zu befristen. 6 Die Verlängerung dieser Anordnung um jeweils nicht mehr als drei Monate ist auf Antrag zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung fortbestehen. 7 Anordnungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummern 1 und 2 hat das Landesamt für Verfassungsschutz dem Betroffenen mitzuteilen, sobald eine Gefährdung des Zweckes des Eingriffs ausgeschlossen werden kann. (7) 1 Über Anordnungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummern 3 bis 5 unterrichtet die zuständige Behörde die G 10-Kommission nach SS 1 Absatz 1 des Gesetzes zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes vom 17. Januar 1969 (HmbGVBl. S. 5), zuletzt geändert am 17. Dezember 2002 (HmbGVBl. S. 332), vor deren Vollzug. 2 Bei Gefahr im Verzug kann der Präses oder bei seiner Verhinderung der Staatsrat der zuständigen Behörde den Vollzug der Entscheidung auch bereits vor der Unterrichtung der Kommission anordnen. 3 Die G 10-Kommission prüft von Amts wegen oder auf Grund von Beschwerden die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Einholung von Auskünften. 4 SS 15 Absatz 5 des Artikel 10-Gesetzes vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 249 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 2298), zuletzt geändert am 18. Februar 2007 (BGBl. I S. 106), ist mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass die Kontrollbefugnis der Kommission sich auf die gesamte Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der nach Absatz 4 Satz 1 Nummern 3 bis 5 erlangten personenbezogenen Daten erstreckt. 5 Entscheidungen über Auskünfte, die die G10-Kommission für unzulässig oder nicht notwendig erklärt, sind unverzüglich aufzuheben. 6 Die Daten unterliegen in diesem Falle einem absoluten Verwendungsverbot und sind unverzüglich zu löschen. 7 Für die Verarbeitung der nach Absatz 4 Satz 1 Nummern 3 bis 5 erhobenen Daten ist SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. 8 SS 12 Absätze 1 und 3 des Artikel 10-Gesetzes findet entsprechende Anwendung. (8) 1 Die nach Absatz 6 zuständige Behörde unterrichtet im Abstand von höchstens sechs Monaten den Kontrollausschuss gemäß SS 24 über die Durchführung der Maßnahmen nach den Absätzen 3 und 4; dabei ist insbesondere ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen zu geben. 2 Die nach Satz 1 zuständige Behörde erstattet ferner dem Parlamentarischen Kontrollgremium nach dem Kontrollgremiumgesetz vom 11. April 1978 (BGBl. I S. 453), zuletzt geändert am 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 1260), jährlich sowie nach Ablauf von drei Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes zusammenfassend zum Zweck der Evaluierung einen Bericht über die Durchführung sowie Art, Umfang und Anordnungsgründe der Maßnahmen nach den Absätzen 3 bis 5; dabei sind die Grundsätze des SS 2 Absatz 4 des Gesetzes zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes und des SS 5 Absatz 1 des Kontrollgremiumgesetzes zu beachten. (9) 1 Anordnungen sind dem Verpflichteten insoweit schriftlich mitzuteilen, als dies erforderlich ist, um ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung zu ermöglichen. 2 Anordnungen und übermittelte Daten dürfen dem Betroffenen oder Dritten vom Verpflichteten nicht mitgeteilt werden. (10) Das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird nach Maßgabe des Absatzes 4 Satz 1 Nummern 3 bis 5 und der Absätze 5 bis 7 eingeschränkt. 250 Anhang / Verfassungsschutzgesetz SS8 Erheben von Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf mit nachrichtendienstlichen Mitteln Informationen verdeckt erheben. 2 Der Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln ist vorbehaltlich SS 6 nur zulässig, wenn 1. er sich gegen Organisationen, unorganisierte Gruppen, in ihnen oder einzeln tätige Personen richtet, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 bestehen, 2. er sich gegen andere als die in Nummer 1 genannten Personen richtet, von denen auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den Betroffenen bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben, um auf diese Weise Erkenntnisse über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder gewalttätige Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 zu gewinnen, 3. auf diese Weise die zur Erforschung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 erforderlichen Nachrichtenzugänge geschaffen werden können oder 4. dies zur Abschirmung der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Nachrichtenzugänge des Landesamtes für Verfassungsschutz gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. 3 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf die so gewonnenen Informationen nur für die in Satz 2 genannten Zwecke verwenden. 4 Unterlagen, die für diese Zwecke nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu vernichten. 5 Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Informationen von anderen schriftlichen Unterlagen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand getrennt werden können; in diesem Fall unterliegen sie einem Verwertungsverbot. 251 Anhang / Verfassungsschutzgesetz (2) 1 Zulässige nachrichtendienstliche Mittel sind 1. verdeckt eingesetzte hauptamtliche Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, 2. verdeckt eingesetzte Personen, die nicht in einem arbeitsvertraglichen oder öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Landesamt für Verfassungsschutz stehen, wie Vertrauensleute, Informanten, Gewährspersonen, 3. planmäßig angelegte Beobachtungen (Observationen), 4. Bildaufzeichnungen, 5. verdeckte Ermittlungen und Befragungen, 6. verdecktes Mithören ohne Inanspruchnahme technischer Mittel, 7. verdecktes Mithören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes oder sonstiger Signale unter Einsatz technischer Mittel innerhalb und außerhalb von Wohnungen (Artikel 13 des Grundgesetzes), 8. Beobachten und Aufzeichnen des Funkverkehrs, soweit nicht der Postund Fernmeldeverkehr nach Maßgabe des Artikel 10-Gesetzes betroffen ist, 9. Aufbau und Gebrauch von Legenden, 10. Beschaffen, Erstellen und Verwenden von Tarnpapieren und Tarnkennzeichen, 11. Überwachen des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs nach Maßgabe des Artikel 10-Gesetzes sowie 12. weitere vergleichbare Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung, insbesondere das sonstige Eindringen in technische Kommunikationsbeziehungen durch Bild-, Tonund Datenaufzeichnungen, um die nach Absatz 1 erforderlichen Informationen zu gewinnen. 252 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 2 Die nachrichtendienstlichen Mittel sind abschließend in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher Informationserhebungen regelt. 3 Die Dienstvorschrift bedarf der Zustimmung des Präses der zuständigen Behörde. 4 Der oder dem Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. 5 Die Behörden der Freien und Hansestadt Hamburg sind verpflichtet, dem Landesamt für Verfassungsschutz Hilfe für Tarnungsmaßnahmen zu leisten. (3) 1 Der verdeckte Einsatz besonderer technischer Mittel zur Informationsgewinnung ist im Schutzbereich des Artikels 13 des Grundgesetzes innerhalb von Wohnungen in Abwesenheit einer für das Landesamt für Verfassungsschutz tätigen Person zur Abwehr dringender Gefahren für die Schutzgüter des SS 1 und unter Berücksichtigung des SS 6 nur zulässig, wenn die materiellen Voraussetzungen für einen Eingriff in das Brief-, Postoder Fernmeldegeheimnis nach SS 1 Absatz 1 Nummer 1 und SS 3 Absatz 1 Satz 1 des Artikel 10-Gesetzes vorliegen und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. 2 Der verdeckte Einsatz besonderer technischer Mittel darf sich nur gegen den Verdächtigen richten. 3 Bei unmittelbar bevorstehender Gefahr darf der Einsatz sich auch gegen Personen richten, von denen aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für die Verdächtigen bestimmte oder von ihnen herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder dass die Verdächtigen sich in ihrer Wohnung aufhalten. 4 In den Fällen des SS 53 Absatz 1 der Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 11. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3970), sind Maßnahmen nach den Sätzen 1 bis 3 nur zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass bei den zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten die materiellen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen. (4) 1 Die Anordnung des Einsatzes besonderer technischer Mittel nach Absatz 3 Satz 1 trifft der Richter. 2 Bei Gefahr im Verzug kann der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz oder bei seiner Verhinderung sein Vertreter einen Einsatz nach Absatz 3 Satz 1 anordnen; die Tatsachen, die Gefahr im Verzug begründen, sind aktenkundig zu machen. 3 Eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. 4 Die Anordnungen sind auf längstens vier Wochen zu befristen; 253 Anhang / Verfassungsschutzgesetz Verlängerungen um jeweils nicht mehr als vier weitere Wochen sind auf Antrag zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung fortbestehen. (5) 1 Die Anordnung des Einsatzes besonderer technischer Mittel nach Absatz 3 Satz 1 wird unter der Aufsicht eines Beschäftigten des Landesamtes für Verfassungsschutz vollzogen, der die Befähigung zum Richteramt hat. 2 Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor oder ist der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Informationsgewinnung nicht mehr erforderlich, ist die Maßnahme unverzüglich zu beenden. 3 Das Abhören und Aufzeichnen ist unverzüglich zu unterbrechen, soweit sich während der Überwachung Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, erfasst werden. 4 Aufzeichnungen über solche Äußerungen sind unverzüglich zu löschen. 5 Erkenntnisse über solche Äußerungen dürfen nicht verwertet werden. 6 Die Tatsache der Erfassung der Daten und ihrer Löschung ist zu dokumentieren. 7 Ist eine Maßnahme unterbrochen worden, so darf sie fortgeführt werden, soweit auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte, insbesondere zu der Art der zu überwachenden Räumlichkeiten und dem Verhältnis der zu überwachenden Personen zueinander, anzunehmen ist, dass durch die Überwachung Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, nicht mehr erfasst werden. (6) 1 Erkenntnisse und Unterlagen, die durch Maßnahmen nach Absatz 3 Satz 1 gewonnen wurden, dürfen zur Verfolgung und Erforschung der dort genannten Bestrebungen oder Tätigkeiten sowie nach Maßgabe des SS 4 Absätze 4 bis 6 des Artikel 10-Gesetzes verwendet werden. 2 SS 14 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt. 3 Für die Speicherung und Löschung der durch die Maßnahmen nach den Absätzen 3 und 7 erlangten personenbezogenen Daten sowie die Entscheidung über die nachträgliche Information der von Maßnahmen nach den Absätzen 3 und 7 Betroffenen gelten SS 4 Absatz 1 und SS 12 des Artikel 10Gesetzes entsprechend. 4 Die Zusammenarbeitsverpflichtung nach SS 3 bleibt unberührt. (7) 1 Der verdeckte Einsatz besonderer technischer Mittel im Schutzbereich des Artikels 13 des Grundgesetzes innerhalb von Wohnungen ist auch dann zulässig, wenn Es ausschließlich zum Schutz der dort für den Verfassungsschutz tätigen Personen zur Abwehr von Gefah254 Anhang / Verfassungsschutzgesetz ren für Leben, Gesundheit oder Freiheit unerlässlich ist und vom Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz oder bei seiner Verhinderung von seinem Vertreter angeordnet ist. 2 Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Kenntnisse zum Zweck der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr ist nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. 3 Die Tatsachen, die Gefahr im Verzug begründen, sind aktenkundig zu machen. (8) 1 Zuständiges Gericht zur Entscheidung nach den Absätzen 3 und 7 ist das Amtsgericht Hamburg. 2 Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. (9) Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) wird nach Maßgabe der Absätze 3 und 7 eingeschränkt. (10) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf unter den Voraussetzungen des SS 7 Absatz 4 technische Mittel zur Ermittlung des Standortes eines aktiv geschalteten Mobilfunkendgerätes oder zur Ermittlung der Geräteoder Kartennummer einsetzen. 2 Die Maßnahme ist nur zulässig, wenn ohne Einsatz technischer Mittel nach Satz 1 die Ermittlung des Standortes oder die Ermittlung der Geräteoder Kartennummer aussichtslos oder wesentlich erschwert ist. 3 Sie darf sich nur gegen die in SS 7 Absatz 5 Nummer 1 und Nummer 2 Buchstabe b bezeichneten Personen richten. 4 Für die Verarbeitung der Daten ist SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. 5 Personenbezogene Daten eines Dritten dürfen anlässlich solcher Maßnahmen nur erhoben werden, wenn dies aus technischen Gründen zur Erreichung des Zwecks nach Satz 1 unvermeidbar ist. 6 Sie unterliegen einem absoluten Verwendungsverbot und sind nach Beendigung der Maßnahme unverzüglich zu löschen. 7 SS 7 Absätze 6 bis 8 gilt entsprechend. 8 Das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses ( Artikel 10 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt. (11) 1 Erhebungen nach den Absätzen 3 bis 8 und Eingriffe, die in Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, bedürfen der Zustimmung des Präses, bei dessen Verhinderung des Staatsrates der zuständigen Behörde. 2 Sie 255 Anhang / Verfassungsschutzgesetz sind dem Betroffenen mitzuteilen, sobald eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. 3 Lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilen, ob diese Voraussetzung vorliegt, ist die Mitteilung vorzunehmen, sobald eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. 4 Einer Mitteilung bedarf es nicht, wenn der Kontrollausschuss gemäß SS 24 einstimmig festgestellt hat, dass 1. diese Voraussetzung auch nach fünf Jahren nach Beendigung der Maßnahme noch nicht eingetreten ist, 2. diese Voraussetzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht eintreten wird und 3. die Voraussetzungen für eine Löschung sowohl bei der erhebenden Stelle als auch beim Empfänger vorliegen. SS9 Weitere Verarbeitung personenbezogener Daten (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben personenbezogene Daten weiter verarbeiten, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass die betroffene Person an Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 teilnimmt, und dies für die Beobachtung der Bestrebung oder Tätigkeit erforderlich ist, 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 erforderlich ist, 3. dies zur Schaffung oder Erhaltung nachrichtendienstlicher Zugänge über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 erforderlich ist, 4. eine Mitwirkung bei Sicherheitsüberprüfungen nach SS 2 Absatz 3 des Artikel 10-Gesetzes oder bei Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem Hafensicherheitsgesetz oder eine Beteiligung bei Überprüfungen nach SS 7 des Luftsicherheitsgesetzes oder SS 12 b des Atomgesetzes erfolgt. 256 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 2 Das Recht der Nutzung und Verarbeitung personenbezogener Daten nach SS 7 Absatz 1 Satz 2 zur Vorgangsverwaltung bleibt unberührt. (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Speicherungsdauer auf das für seine Aufgabenerfüllung erforderliche Maß zu beschränken. 2 Bei der Einzelfallbearbeitung, im Übrigen jeweils spätestens vier Jahre beginnend ab der ersten Speicherung, prüft das Landesamt für Verfassungsschutz, ob die Speicherung der personenbezogenen Daten weiterhin erforderlich ist. (3) Gespeicherte personenbezogene Daten über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 oder 4 dürfen länger als zehn Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten Information nur mit Zustimmung des Präses der zuständigen Behörde oder der von ihm besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz gespeichert bleiben. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz ist befugt, gemäß SS 22 a BVerfSchG personenbezogene Daten in gemeinsamen Dateien mit den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder und anderen Sicherheitsbehörden zu verarbeiten, soweit besondere bundesrechtliche Vorschriften oder landesrechtliche Vorschriften Anlass, Umfang und sonstige datenschutzrechtliche Anforderungen regeln. SS 10 Verarbeitung von Daten Minderjähriger (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf unter den Voraussetzungen des SS 9 Daten über Minderjährige in Sachakten und amtseigenen Dateien speichern und weiter verarbeiten. 2 Daten über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nicht in gemeinsamen Dateien (SS 6 BVerfSchG), Daten Minderjähriger vor Vollendung des 14. Lebensjahres nicht in amtseigenen Dateien gespeichert werden. (2) Daten über Minderjährige in Dateien sind nach zwei Jahren auf die Erforderlichkeit der weiteren Speicherung zu überprüfen; spätestens nach fünf Jahren sind diese Daten zu löschen, es sei denn, dass nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse nach SS 4 Absatz 1 angefallen sind. 257 Anhang / Verfassungsschutzgesetz SS 11 Berichtigung, Sperrung und Löschung (1) 1 Erweist sich eine Information nach ihrer Übermittlung als unrichtig oder unvollständig, hat die übermittelnde Stelle ihre Information unverzüglich gegenüber dem Empfänger zu berichtigen oder zu ergänzen, wenn durch die unrichtige oder unvollständige Übermittlung schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt sein können. 2 Die Berichtigung erfolgt dadurch, dass die unrichtigen Angaben, soweit sie in Akten enthalten sind, entfernt werden und, soweit sie in Dateien gespeichert sind, gelöscht werden. 3 Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Trennung von zu berichtigenden und richtigen Informationen nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist. (2) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle oder der Datensicherung gespeichert werden, dürfen nur für diese Zwecke oder bei Verdacht des Datenmissbrauchs genutzt werden. (3) Im Übrigen gilt für die Berichtigung, Sperrung und Löschung SS 19 des Hamburgischen Datenschutzgesetzes vom 5. Juli 1990 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt Seiten 133, 165, 226), zuletzt geändert am 30. Januar 2001 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt Seite 9). 3. Abschnitt Datenübermittlung SS 12 Übermittlung nicht personenbezogener Daten Das Landesamt für Verfassungsschutz kann die im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgabenerfüllung erlangten Daten, die nicht personenbezogen sind, an andere Behörden und Stellen, insbesondere an die Polizei und die Staatsanwaltschaft, übermitteln, wenn sie für die Aufgabenerfüllung der Empfänger erforderlich sein können. 258 Anhang / Verfassungsschutzgesetz SS 13 Übermittlung personenbezogener Daten an inländische Nachrichtendienste (1) Gemäß SS 5 Absatz 1 BVerfSchG übermittelt das Landesamt für Verfassungsschutz dem Bundesamt für Verfassungsschutz und den Verfassungsschutzbehörden der Länder alle personenbezogenen Daten, deren Kenntnis zur Erfüllung der Aufgaben der Empfänger erforderlich ist. (2) Gemäß SS 21 Absatz 2 BVerfSchG übermittelt das Landesamt für Verfassungsschutz dem Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst Informationen einschließlich personenbezogener Daten. SS 14 Übermittlung personenbezogener Daten an inländische öffentliche Stellen und Strafverfolgungsbehörden (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Informationen einschließlich personenbezogener Daten an inländische öffentliche Stellen übermitteln, wenn dies zum Schutz vor Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 zwingend erforderlich ist oder der Empfänger eine Sicherheitsüberprüfung durchführt. 2 Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur für den Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. 3 Hierauf ist er hinzuweisen. (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf über Absatz 1 hinaus Informationen einschließlich personenbezogener Daten an die Staatsanwaltschaften und die Polizei übermitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine in den SSSS 74 a und 120 Gerichtsverfassungsgesetz, SS 100 a Nummern 3 und 4 Strafprozessordnung und SSSS 130, 131 Strafgesetzbuch genannte Straftat plant, begeht oder begangen hat sowie sonstige Straftaten, bei denen aufgrund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die in Artikel 73 Nummer 10 Buchstabe b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind. 2 Personenbezogene Daten, die das Landesamt für Verfassungsschutz 259 Anhang / Verfassungsschutzgesetz selbst mit nachrichtendienstlichen Mitteln nach SS 8 erhoben hat, dürfen nur dann an die Staatsanwaltschaft oder an die Polizei übermittelt werden, wenn die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für deren Erhebung mit entsprechenden Befugnissen zur verdeckten Datenerhebung nach der Strafprozessordnung oder nach den SSSS 9 bis 12 und SS23 Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei vom 2. Mai 1991 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt Seiten 187, 191) vorgelegen hätten. SS 15 Übermittlung personenbezogener Daten an Stationierungsstreitkräfte 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Informationen einschließlich personenbezogener Daten an Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Streitkräfte vom 3. August 1959 (Bundesgesetzblatt II 1961 Seiten 1183, 1218) übermitteln. 2 Die Entscheidung für eine Übermittlung treffen der Präses der zuständigen Behörde oder die von ihm besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz. 3 Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, dass er die übermittelten Daten nur zur Verarbeitung für den Zweck erhält, zu dem sie ihm übermittelt wurden. SS 16 Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische öffentliche Stellen 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz an ausländische öffentliche Stellen sowie an überoder zwischenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung seiner Aufgaben oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist. 2 Die Entscheidung für eine Übermittlung treffen der Präses der zuständigen Behörde oder die von ihm besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz. 3 Die Übermittlung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interes260 Anhang / Verfassungsschutzgesetz sen des Betroffenen entgegenstehen oder wenn dadurch gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde. 4 Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, dass er die übermittelten Daten nur zur Verarbeitung für den Zweck erhält, zu dem sie ihm übermittelt wurden. SS 17 Übermittlung personenbezogener Daten an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs nicht übermitteln, es sei denn, dass die Übermittlung zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit des Bundes oder eines Landes erforderlich ist. 2 Die Entscheidung für eine Übermittlung treffen der Präses der zuständigen Behörde, bei dessen Verhinderung der Staatsrat oder die besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz. 3 Dies gilt nicht bei Erhebungen nach SS 7 Absatz 1 Sätze 2 und 3. (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz führt über die Übermittlung nach Absatz 1 einen Nachweis, aus dem der Zweck und die Veranlassung der Übermittlung, die Aktenfundstelle und der Empfänger hervorgehen. 2 Die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. (3) 1 Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur für den Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. 2 Hierauf ist er hinzuweisen. (4) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf eine Bewertung über personenbezogene Daten an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs übermitteln, soweit die Übermittlung für Zwecke einer Zuverlässigkeitsüberprüfung mit Einwilligung der Betroffenen erfolgt und im Hinblick auf den Anlass dieser Überprüfung, insbesondere den Zugang der Betroffenen zu einer besonders gefährdeten Veranstaltung, mit Rücksicht auf ein berechtigtes Interesse des Empfängers und wegen der Art oder des Umfangs der Erkenntnisse über den Betroffenen angemessen ist. 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz 261 Anhang / Verfassungsschutzgesetz hat den Betroffenen die Gründe für eine negative Bewertung mitzuteilen. Absätze 2 und 3 gelten entsprechend. SS 18 Übermittlung personenbezogener Daten an die Öffentlichkeit 1 Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit einschließlich der Medien über Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz ist die Übermittlung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn sie zu einer sachgerechten Information zwingend erforderlich ist. 2 Stehen schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegen, kommt eine Übermittlung der personenbezogenen Daten des Betroffenen nur dann in Betracht, wenn die Interessen der Allgemeinheit deutlich überwiegen. SS 19 Übermittlung personenbezogener Daten an das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Die hamburgischen Behörden und die der Aufsicht der Freien und Hansestadt Hamburg unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind befugt, die Daten zu übermitteln, um die das Landesamt für Verfassungsschutz nach SS 7 Absatz 2 ersucht hat, soweit sie diesen Stellen bereits vorliegen. (2) Die in Absatz 1 genannten Stellen übermitteln dem Landesamt für Verfassungsschutz alle ihnen im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung vorliegenden Informationen über gewalttätige Bestrebungen und Tätigkeiten oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gemäß SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummern 1, 3 und 4 und über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummern 2 und 3. (3) 1 Die Ausländerbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg übermittelt gemäß SS 18 Absatz 1 a BVerfSchG von sich aus dem Landesamt für Verfassungsschutz die ihr bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz erforderlich ist. 2 Die Übermittlung dieser personenbezogenen Daten an ausländische öffentli262 Anhang / Verfassungsschutzgesetz che Stellen sowie an überund zwischenstaatliche Stellen durch das Landesamt für Verfassungsschutz unterbleibt, wenn überwiegende schutzwürdige Belange der Person, deren Daten übermittelt werden sollen oder überwiegende schutzwürdige Belange Dritter entgegenstehen. 3 Vor einer Übermittlung ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu beteiligen. 4 Für diese Übermittlungen des Landesamtes für Verfassungsschutz gilt SS 7 Absatz 8 entsprechend. (4) 1 Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizei übermitteln auch andere im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung bekannt gewordene Informationen über Bestrebungen nach SS 4 Absatz 1, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz erforderlich ist. 2 Die Übermittlung personenbezogener Daten, die aufgrund eines Eingriffs in das Brief-, Postund Fernmeldegeheimnis bekannt geworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. 3 Die Übermittlung personenbezogener Informationen, die auf Grund anderer strafprozessualer Zwangsmaßnahmen oder verdeckter Datenerhebungen nach SS 2 Absatz 3 Satz 3 oder nach den SSSS 9 bis 12 des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei vom 2. Mai 1991 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt Seiten 187, 191) bekannt geworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für gewalttätige Bestrebungen oder sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten bestehen; die Übermittlung ist auch zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine in SSSS 74 a und 120 Gerichtsverfassungsgesetz und SSSS 130, 131 Strafgesetzbuch genannte Straftat bestehen oder eine sonstige Straftat, bei der aufgrund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die in Artikel 73 Nummer 10 Buchstabe b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet ist. 4 Die Übermittlung personenbezogener Daten, die auf Grund verdeckter Datenerhebung nach SS 8 Absatz 6 Satz 1 und SSSS 10 a bis 10 d des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei in der jeweils geltenden Fassung bekannt geworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. 5 Auf die nach Satz 2 übermittelten Informationen 263 Anhang / Verfassungsschutzgesetz und die dazu gehörenden Unterlagen ist SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. 6 Die nach Satz 2 übermittelten Informationen dürfen nur zur Erforschung gewalttätiger Bestrebungen oder sicherheitsgefährdender oder geheimdienstlicher Tätigkeiten genutzt werden. (5) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die übermittelten Informationen unverzüglich darauf zu überprüfen, ob sie zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind. 2 Ist dies nicht der Fall, sind die Unterlagen zu vernichten. 3 Die Vernichtung unterbleibt, wenn die Unterlagen von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand getrennt werden können; in diesem Fall unterliegen die personenbezogenen Daten einem Verwertungsverbot und sind entsprechend zu kennzeichnen. (6) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Informationsübermittlung aktenkundig zu machen. 2 Vorschriften in anderen Gesetzen über die Informationsübermittlung an das Landesamt für Verfassungsschutz und über ihre Dokumentation bleiben unberührt. SS 20 Registereinsicht durch das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf in von öffentlichen Stellen geführte Register und Datensammlungen einsehen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen über 1. Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind (SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1) oder 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht (SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2) oder 3. Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3) oder 264 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 4. Bestrebungen und Tätigkeiten, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind (SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4). (2) Eine Einsichtnahme ist nur zulässig, wenn 1. die Aufklärung auf andere Weise nicht möglich erscheint, insbesondere durch eine Übermittlung der Daten durch die registerführende Stelle der Zweck der Maßnahme gefährdet würde, 2. die betroffenen Personen durch eine anderweitige Aufklärung unverhältnismäßig beeinträchtigt würden und 3. eine besondere gesetzliche Geheimhaltungsvorschrift oder ein Berufsgeheimnis ihr nicht entgegensteht. (3) Die Anordnung für die Maßnahme treffen der Präses der zuständigen Behörde oder die von ihm besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz. (4) 1 Die auf diese Weise gewonnenen Unterlagen dürfen nur zu den in Absatz 1 genannten Zwecken verwendet werden. 2 Gespeicherte Daten sind zu löschen und Unterlagen zu vernichten, sobald sie für diese Zwecke nicht mehr benötigt werden. (5) 1 Über die Tatsache der Einsichtnahme ist ein gesonderter Nachweis zu führen, aus dem ihr Zweck, die in Anspruch genommenen Stellen sowie die Namen der Betroffenen hervorgehen. 2 Diese Aufzeichnungen sind gesondert aufzubewahren, durch technische und organisatorische Maßnahmen gegen unbefugten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. SS 21 Übermittlungsverbote und -einschränkungen (1) Die Übermittlung von Informationen nach diesem Abschnitt unterbleibt, wenn 265 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 1. eine Prüfung durch die übermittelnde Stelle ergibt, dass die Informationen zu vernichten sind oder einem Verwertungsverbot unterliegen oder für den Empfänger nicht mehr bedeutsam sind, 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern oder 3. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass unter Berücksichtigung der Art der Informationen und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen. (2) Besondere Rechtsvorschriften, die Informationsübermittlungen zulassen, einschränken oder verbieten sowie die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleiben unberührt. SS 22 Übermittlung personenbezogener Daten Minderjähriger (1) Personenbezogene Daten Minderjähriger vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Minderjährige eine der in SS 3 des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat, im Übrigen, solange die Voraussetzungen der Speicherung nach SS 10 erfüllt sind. (2) Personenbezogene Daten Minderjähriger vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht an ausländische oder überoder zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. 4. Abschnitt Auskunftserteilung SS 23 Auskunftserteilung (1) 1 Den Betroffenen ist vom Landesamt für Verfassungsschutz auf 266 Anhang / Verfassungsschutzgesetz Antrag gebührenfrei Auskunft zu erteilen über 1. die zu ihrer Person gespeicherten Daten, 2. die Zweckbestimmung und die Rechtsgrundlage der Speicherung, 3. die Herkunft der Daten, 4. die Stellen, denen die Daten im Rahmen regelmäßiger Übermittlungen übermittelt werden, und die an einem automatisierten Abrufverfahren teilnehmenden Stellen, auch soweit diese Angaben nicht zu ihrer Person gespeichert sind, aber mit vertretbarem Aufwand festgestellt werden können. 2 Die Betroffenen sollen die Art der personenbezogenen Daten, über die sie Auskunft verlangen, näher bezeichnen. 3 Aus Akten ist den Betroffenen Auskunft zu erteilen, soweit sie Angaben machen, die das Auffinden der Daten ermöglichen, und der für die Erteilung der Auskunft erforderliche Aufwand nicht außer Verhältnis zum Auskunftsinteresse der Betroffenen steht. 4 Das Landesamt für Verfassungsschutz bestimmt die Form der Auskunftserteilung nach pflichtgemäßem Ermessen; die Auskunft kann auch in der Form erteilt werden, dass den Betroffenen Akteneinsicht gewährt oder ein Ausdruck aus automatisierten Dateien überlassen wird. 5 SS 29 des Hamburgischen Verwaltungsverfahrensgesetzes bleibt unberührt. (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. durch sie die Nachrichtenzugänge gefährdet sein können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise des Landesamtes für Verfassungsschutz zu befürchten ist, 2. die personenbezogenen Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder wegen der überwiegenden schutzwürdigen Interessen Dritter geheim gehalten werden müssen, 3. sie die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde. 267 Anhang / Verfassungsschutzgesetz (3) Im Übrigen gilt für die Auskunft SS 18 Absätze 2 und 4 bis 6 des Hamburgischen Datenschutzgesetzes. 5. Abschnitt Parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes SS 24 Parlamentarischer Kontrollausschuss 1 Zur parlamentarischen Kontrolle des Senats auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes bildet die Bürgerschaft einen Kontrollausschuss. 2 Dieser tagt in nichtöffentlicher Sitzung. SS 25 Zusammensetzung und Pflichten des Ausschusses (1) Der Ausschuss besteht aus sieben Mitgliedern der Bürgerschaft. (2) Die Mitglieder des Ausschusses werden von der Bürgerschaft in geheimer Abstimmung gewählt. (3) 1 Die Mitglieder des Ausschusses sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit in dem Ausschuss bekannt geworden sind. 2 Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus dem Ausschuss oder aus der Bürgerschaft. (4) Der Ausschuss wählt einen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. (5) Sitzungsunterlagen und Protokolle verbleiben im Gewahrsam des Landesamtes für Verfassungsschutz und können nur dort von den Ausschussmitgliedern eingesehen werden. (6) 1 Scheidet ein Mitglied des Ausschusses aus der Bürgerschaft oder seiner Fraktion aus, so verliert es seine Mitgliedschaft im Ausschuss; für dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu bestimmen. 2 Das Gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus dem Ausschuss ausscheidet. 268 Anhang / Verfassungsschutzgesetz (7) 1 Der Parlamentarische Kontrollausschuss erstattet der Bürgerschaft jährlich einen Bericht über seine Kontrolltätigkeit. 2 Dabei sind die Grundsätze des Absatzes 3 zu beachten. SS 26 Aufgaben des Ausschusses (1) 1 Der Ausschuss übt die parlamentarische Kontrolle auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes aus. 2 Die Rechte der Bürgerschaft bleiben unberührt. (2) 1 Zur Erfüllung seiner Kontrollaufgaben kann der Ausschuss vom Senat die erforderlichen Auskünfte, Unterlagen, Akten und Dateieinsichten, Stellungnahmen und den Zutritt zu den Räumen des Landesamtes für Verfassungsschutz und die Entsendung bestimmter Angehöriger des öffentlichen Dienstes als Auskunftspersonen verlangen. 2 Der Senat bescheidet ein solches Kontrollbegehren abschlägig oder schränkt die Aussagegenehmigung ein, wenn gesetzliche Vorschriften oder das Staatswohl entgegenstehen. 3 In diesem Fall legt der Senat dem Ausschuss seine Gründe dar. (3) Der Senat unterrichtet den Ausschuss in Abständen von höchstens drei Monaten oder auf Antrag eines Mitglieds über die Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz. (4) Der Senat hat dem Ausschuss 1. Gefahren für die Schutzgüter des SS 1, 2. die Dienstvorschrift über nachrichtendienstliche Mittel nach SS 8 Absatz 2 Satz 2 sowie ihre Änderungen, 3. die Maßnahmen nach SS 8 Absatz 11, 4. die Weiterspeicherung nach SS 9 Absatz 3, 5. die tatsächliche Arbeitsaufnahme mit einem automatisierten Verfahren, für das eine Verfahrensbeschreibung nach SS 9 Absatz 1 des Hamburgischen Datenschutzgesetzes vorgeschrieben ist, und seine wesentlichen inhaltlichen Änderungen, 269 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 6. die Übermittlung personenbezogener Daten an Stationierungsstreitkräfte nach SS 15, 7. die Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische öffentliche Stellen nach SS 16, 8. die Übermittlung personenbezogener Daten an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs nach SS 17, 9. Anfragen bei ausländischen öffentlichen Stellen nach SS 12 Absatz 5 Satz 3 HmbSÜG mitzuteilen und jährlich über die Prüfungen nach SS 9 Absatz 2 Satz 2 zu berichten. SS 27 Eingaben 1 Eingaben einzelner Bürger oder einzelner Angehöriger des Verfassungsschutzes über ein sie betreffendes Verhalten des Landesamtes für Verfassungsschutz sind dem Ausschuss zur Kenntnis zu geben. 2 Der Ausschuss hat auf Antrag eines Mitglieds Petenten und Auskunftspersonen zu hören. 3 SS 26 Absatz 2 findet entsprechende Anwendung. 4 Die Rechte des Eingabenausschusses bleiben unberührt. 270 Anhang / Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis A AAB Anti-Atom-Büro (AAB) AANO Arbeitslose Akademiker-Nachwuchsorganisation ABC Anarchist-Black-Cross ABLE Association of Better Living and Education ADHK Avrupa Demokratik Haklar Konfederasyonu AGIF Almanya Göcmen Isciler Federasyonu AHOJ Antifaschistisches Hamburger Offenes Jugendplenum AIW Antiimperialistischer Widerstand API Arbeiterkommunistische Partei Iran ApS Applied Scholastics AQAH al-Qaida auf der arabischen Halbinsel AQM al-Qaida im islamischen Maghreb ArtgemeinArtgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft-GGG schaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V. ATD Antiterrordatei ATIF Almanya Türkiyeli Isciler Federasyonu ATIK Avrupa Türkiyeli Isciler Konferasyonu ATK Anti-Terrorismus-Koordination aujah Autonome Jugendantifa Hamburg B B5 Internationales Zentrum Brigittenstraße 5 BfI Behörde für Inneres BfV Bundesamt für Verfassungsschutz BGBl Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BIG Bündnis der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland e.V. BK Babbar Khalsa International BMI Bundesminister des Innern BMWi Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie BPjM Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien BVerfSchG Bundesverfassungsschutzgesetz 271 Anhang / Abkürzungsverzeichnis C C 18 Combat 18 CC Celebrity-Center CCHR Citizens Commissions on Human Rights CDK Koordinasyona Civaka Demokratik ya Kurden Ewrupa CH Collegium Humanum CJA Climate Justice Action COP15 steht für "15. Vertragsstaatenkonferenz der UN-Klimarahmenkonvention" in Kopenhagen D DSA Department of Special Affairs DHKC Devrimci Halk Kurtulus Cephesi DHKP-C Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephe DHL Paketund Brief-Express-Dienst (das Kürzel wurde aus den Anfangsbuchstaben der Nachnamen der Unternehmensgründer gebildet) DK Deutsches Kolleg DKP Deutsche Kommunistische Partei DTP Partei für eine demokratische Gesellschaft DVU Deutsche Volksunion E EMUG Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft e.V. EU Europäische Union F FAU Freie Arbeiterinnenund Arbeiter Union FBI Federal Bureau of Investigation FESK Fakirlerin ve Ezilenlerin Silahli Kuvettleri FIOE Föderation islamischer Organisationen in Europa FIS Front Islamique du Salut FPÖ Freiheitliche Partei Österreichs 272 Anhang / Abkürzungsverzeichnis G G 10 Meint das geltende Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz (Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses) GBA Generalbundesanwalt(schaft) GET Gedenkstätte Ernst Thälmann GfP Gesellschaft für freie Publizistik e.V. GfbAEV Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung e.V. GG Grundgesetz GIMF Global Islamic Media Front GSPC Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat GTAZ Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum GUS Gemeinschaft Unabhängiger Staaten GVG Gerichtsverfassungsgesetz H HafenSG Hafensicherheitsgesetz HAMAS Harakat Al-Muqawama Al-Islamiyya HBgR Hamburger Bündnis gegen Rechts HDJ Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) - Bund zum Schutz für Umwelt, Mitwelt und Heimat e. V. HKO Volksbefreiungsarmee HmbGVBl Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt HmbSÜG Hamburgisches Sicherheitsüberprüfungsgesetz HmbVerfSchG Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz HNG Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. HPG Hezen Parastina Gel HuT Hizb ut-Tahrir; auch Hizb Al Tahrir al Islami I IAA Internationale Arbeiter Assoziation IAD Islamische Akademie Deutschland e.V. IAS International Organization of Scientologists IBU Islamische Bewegung Usbekistans 273 Anhang / Abkürzungsverzeichnis IEUS Islamisch-Europäische Union der Schia-Gelehrten und Theologen IFIR Internationale Föderation Iranischer Flüchtlingsund Immigrantenräte e.V. IGD Islamische Gemeinschaft Deutschland e.V. IGH Iranische Gemeinschaft in Hamburg e.V. IGMG Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. IGS Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden in Deutschland e.V. IHg Islamische Hochschulgemeinde e.V. IJU Islamische Jihad-Union IL Interventionistische Linke ISoI Islamic State of Iraq ISYF International Sikh Youth Federation IZH Islamisches Zentrum Hamburg J JI Jemaah Islamiyah JN Junge Nationaldemokraten JuD Jamaat-ud-Dawa K KADEK Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane KCK Koma Ciwaken Kurdistan KMDI Kamagata Maru Dal International KPD Kommunistische Partei Deutschland KPF Kommunistische Plattform KVPM Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte L LeT Lashkar-e Taiba LfV Landesamt für Verfassungsschutz LIZ Libertäres Zentrum LKA Landeskriminalamt LKA Libertäres Kulturund Aktionszentrum LTTE Liberation Tigers of Tamil Eelam 274 Anhang / Abkürzungsverzeichnis LuftSiG Luftsicherheitsgesetz M MASCH Marxistische Arbeiterschule e.V. MASCH e.V. Marxistische Abendschule Hamburg - Forum für Politik und Kultur e.V. MB Muslimbruderschaft MDI Markaz-ud-Dawawa-l-Irshad MEK Modjahedin-E-Khalq MFG Muslimische Frauengemeinschaft MG Marxistische Gruppe mg militante gruppe MKP Maoist Komünist Partisi MLKP Marksist Leninist Komünist Partisi MTF Maritime Task Force N NADIS Nachrichtendienstliches Informationssystem NATO North Atlantic Treaty Organization NLA National Liberation Army NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands NSAN Nationales und Soziales Aktionsbündnis Norddeutschland NTAC Netzwerk "Never Trust A Cop" NWRI Nationaler Widerstandsrat Iran NZ National-Zeitung NZ Nordische Zeitung O O.R.C.A. Organized Rebels Clash Ahlhaus OG Ortsgruppe OLG Oberlandesgericht Org Scientology-Bezeichnung für "Scientology-Kirche" OSA Office of Special Affairs OVG Oberverwaltungsgericht 275 Anhang / Abkürzungsverzeichnis P P.B! Chattia Pennale Burschenschaft Chattia Friedberg zu Hamburg PKA Parlamentarischer Kontrollausschuss PKK Partiya Karkeren Kurdistan PMK Politisch Motivierte Kriminalität PV Parteivorstand R RAF Rote Armee Fraktion RBB Reichsbürgerbewegung REP Die Republikaner RH Rote Hilfe e.V. RWE Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk S SAND Systemoppositionelle Atomkraft Nein Danke (SAND) SAV Sozialistische Alternative SDAJ Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend Sea Org Sea Organization SO Scientology-Organisation SoL Sozialistische Linke SP Saadet Partisi SprengG Sprengstoffgesetz T TAYAD Solidaritätsverein mit den politischen Gefangenen und deren Familien in der Türkei TH Türkische Hizbullah TIKKO Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee TJ Tablighi Jama'at TKP/ML Türkiye Komünist Partisi / Marksist Leninist TKP/MLTürkiye Komünist Partisi / Marksist Leninist - Partizan Partizan 276 Anhang / Abkürzungsverzeichnis U UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb UZ Unsere Zeit V V Verfassungsschutz (Kürzel im Organigramm des LfV) VEVAK Vezarate Ettelaat Va Amniate Keshwar (Ministerium für Nachrichtenwesen und Sicherheit), Nachrichtendienst der Islamischen Republik Iran VRB Völkische Reichsbewegung VRBHV Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten VS Verschlusssachen VVN-BdA Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes W WDC Watch Dog Committee WISE World Institute of Scientology Enterprises WWTC Weisse Wölfe Terror Crew Y YEK-KOM Yekitiya Komelen Kurd il Almanya Z ZMD Zentralrat der Muslime in Deutschland 277 Anhang / Stichwortverzeichnis Stichwortverzeichnis Symbole men.......................................65 Akif, Muhammad Mahdi.............55 [a2]-Hamburg.................126, 133 Aktionsbüro Norddeutschland...169 'solid....121, 140, 144, 145, 151 Aktivistenfibel, Publikation.......167 1. Mai-Demonstration.....116, 161, Al-banna, Hassan.....................55 172 al-Fajr, Medienstelle..................32 11.09.01....................21, 36, 49 al-Furqan, Medienstelle..............32 Al-Manar TV............................60 A al-Muqawama al-Islamiya......57, 59 AAB.....................................140 al-Qaida.......28, 32, 33, 34, 35, 36, AANO..................................154 37, 38, 39, 40, 41, 42, 44, 46, 48, 49 Abbas, Mahmut.......................58 al-Qaida auf der arabischen HalbinABC.....................................128 sel................................34, 39, 40 ABC-Waffen..........................227 al-Qaida im Irak........32, 34, 38, 39 Abdulmutallab, Umar Farouk..39, 48 al-Qaida im islamischen MaghABLE....................................216 reb...................................34, 37 Abschiebungen................49, 136 al-Qaida in Südostasien.............44 Abu Askar.........................41, 51 Al-Zayat, Ibrahim......................56 Abu Safiyya........................41, 51 Alarmgesicherte Räume ..........238 Abu Talha al-Almani..................35 Algier.....................................37 Abzug der deutschen Truppen aus Altermedia Deutschland..........203 Afghanistan.....................3, 26, 36 Al Manar TV............................60 Adam, Abu..............................40 Al Salam-Moschee....................57 ADHK....................................96 AMAL....................................59 Afghanistan.......3, 26, 31, 32, 33, An-Nabhani, Taqiuddin.............52 35, 36, 37, 40, 41, 42, 43, 46, Anarchismus..................125, 128 50, 51, 147 Anarchist-Black-Cross............128 Agententätigkeit....................228 Anarchisten...........106, 107, 108, AGIF.................................96, 97 111, 113, 114 Ägypten......................34, 55, 56 Anatolische Föderation e.V.......94 Ahlhaus, Christoph.......3, 113, 129 Andischan..............................43 Ahmadinedschad, Mahmoud ....60, Ankara..............................68, 94 61, 62, 98, 203 Anonymous..........................213 AHOJ...................................133 Ansar al-Islam..........................39 AIW.................107, 114, 123, 124 Anti-AKW-Aktivisten, französische . AK-Gegenargumente / Arbeitskreis ...........................................141 Lektüre.................................153 Anti-Atom-Bewegung.............140 Akademie Baghiatallah e.V., BreAnti-Atom-Büro.....................140 278 Anhang / Stichwortverzeichnis Anti-Terrorismus-Koordination .....4 Arbeitskreis Siedlung..............200 Antideutsche..................126, 127 Arbeitslose Akademiker-NachAntifa-Konferenz der DKP........150 wuchsorganisation.................153 Antifaschismus......115, 119, 120, Armee der Reinen......................43 131, 145, 149 Artgemeinschaft............196, 199, Antifaschisten........105, 109, 126, 200 132, 133, 134, 150, 174 as-Sahab-Media..................32, 35 Antifaschistisches Hamburger OffeAssociation of Better Living and nes Jugendplenum.................133 Education.............................216 Antifa Info Pool Hamburg........132 ATD.......................................20 Antiimperialisten....106, 111, 113, Athen.....................128, 130, 131 114, 120, 123, 126, 127 ATIF......................................96 Antiimperialistischer Widerstand..... ATIK......................................96 106, 107, 108, 123 Atiyatallah..............................36 Antiislamismus...............124, 193 ATK.........................................4 Antikapitalismus.............120, 143 Atmospheric disorder..............142 Antimilitarismus.....................115 Audio, Oh Allah, ich liebe Dich..36 Antinationale.........................126 Audiobotschaften..............33, 34, ANTIra-Camp........................136 36, 42, 98 Antirassismus.........115, 135, 143 Aufenthaltsverfahren................22 Antirepression.......115, 127, 128, aujah....................................120 130 Ausbildungslager.......41, 43, 46, 50 Antirepressionsgruppe Hamburg.... Auseinandersetzungen zwischen ..128 Linksund Rechtsextremisten .109, Antisemitische Delikte.............163 135 Antisemitismus..............116, 124, Auskunftsersuchen................237 127, 193, 199, 207 Ausreisen von Jihadisten..........50 Antisemitismus in der Linken...116, Ausweisungen......................3, 49 127 Autobomben...........................35 Antiterrordatei.........................20 Autonom, Band......................180 Apfel, Holger..........182, 183, 185 Autonome.........4, 104, 105, 106, API...........................75, 100, 101 107, 108, 110, 111, 112, 113, Apostaten...............................53 114, 115, 116, 117, 118, 119, Apo (Öcalan)............................87 120, 123, 125, 127, 128, 129, Applied Scholastics.........216, 219 130, 131, 132, 133, 134, 135, ApS..............................216, 219 136, 138, 140, 141, 142, 143, AQaH.....................................40 150, 156, 167, 168, 231 AQM...........................34, 37, 38 Autonomenkongress......104, 116, Arbeiterkommunistische Partei Iran. 117, 131 ..100 Autonome Nationalisten..156, 167 279 Anhang / Stichwortverzeichnis AVANTI - Projekt für eine undogmatiBildungsstreik.........119, 120, 151 sche Linke........105, 107, 118, 119, Bin Laden, Usama............33, 34, 36 120, 121, 132, 140, 142, 145, 149 Bin Naif, Mohammed................39 Az-Zawahiri, Aiman......33, 34, 36, BK........................................76 37, 39 Blood & Honour..............170, 178 BMI..........................53, 178, 207 B BMWi............................234, 235 "Blutzeugen (...)", Buch..........205 Bölge.....................................70 Babbar Khalsa International.......76 Bombay..................................43 Baden-Baden............104, 122, 148 Bombenanschläge..........39, 44, 76 Badie, Mohammad....................55 Bombenholocaust.................173 Badr at-Tawheed, Medienstelle..42 Bombenopfer........................174 Bad Nenndorf.................174, 175 BPjM...................................169 Bagdad...................................98 Brandanschläge......81, 92, 93, 109, Bambule...............................139 110, 111, 112, 129, 131, 141, 142 Bargmann, Rudolf...................193 Brandanschläge auf Kfz des HauptBauernhilfe e.V. ......................207 zollamtes Hamburg.................136 Bauwagenplätze....................139 Brandanschläge auf Kfz in HamBayern......................65, 172, 187 burg..............................113, 138 Befreiungspartei......................52 Brandanschlag auf Fahrzeuge der Behörde für Inneres, Hamburg..2, DB-AG...........................110, 141 4, 6, 129, 224, 235 Brandanschlag auf Pkw der WerbeBeirut.....................................59 agentur Jung von Matt.......112, 141 Berlin..............4, 64, 65, 99, 100, Brandenburg..........110, 164, 165, 110, 115, 118, 125, 131, 135, 172, 178, 184, 185, 186, 193, 140, 142, 147, 148, 172, 178, 194, 195, 196 181, 182, 187, 196, 199, 213, Brauner Sack, Kampagne.........105, 214, 220 149, 150 Betätigungsverbot........53, 81, 82, Breininger, Eric.........................42 85, 86, 87, 88 Bremen...........65, 118, 136, 140, Bewaffneter Kampf.....18, 40, 43, 181, 195 46, 84, 85, 89, 93, 95, 96, 97, Brüssel..................100, 212, 220 98, 101, 110, 111, 243, 245, BSI......................................238 248, 264, 265 Bundesamt für die Sicherheit in der Bewaffnete Einheiten der Armen Informationstechnik.............238 und Unterdrückten...................96 Bundeskriminalamt.................131 Bewegte Autonome................142 Bundesministerium für Wirtschaft BfV......................................228 und Technologie.....................234 BGH.....................................110 Bundesprüfstelle für jugendgefährBIG...................................70, 71 dende Medien.................168, 180 280 Anhang / Stichwortverzeichnis Bundestagswahl September 2009.. CJA.....................................143 3, 5, 26, 31, 35, 36, 54, 59, 147, Clara Zetkin, KPF-Struktur.......144 149, 154, 156, 157, 164, 165, Clearwater............................214 166, 171, 172, 176, 182, 184, Climate Justice Action.............143 186, 188, 189, 190, 194, 195, 245 Collegium Humanum...............207 Bundesverfassungsgericht.......175 Combat 18............................178 Bundesverfassungsschutzgesetz.. COP15....................140, 142, 143 17, 242 crash flash mobs....................131 Bundesverwaltungsgericht..53, 207 Criminon........................216, 219 Bundeswehr.......26, 31, 35, 42, 60, Cruise, Tom...........................213 110, 111, 112, 129, 147, 151, 230 Bündnis der Islamischen Gemeinden D in Norddeutschland e.V. ...........70 D., Shahab (alias "Abu Askar")....41, Bündnis gegen Hamburger Unzu51 mutbarkeiten..................125, 127 Dänemark........................44, 104 Bündnis gegen imperialistische Dataport...............................236 Aggression.........................123 Datenschutzbeauftragter...........21 Bündnis zur Verbesserung der HaftbeDepartment of Special Affairs..224 dingungen.............................130 Der Weg zum Glücklichsein, KamBürgerschaftswahl 2011 in Brepagne............................216, 219 men.....................................195 Detroit...................................48 Burschenschaft..............204, 205 Deutsches Kolleg...........207, 208 Busch, Andre.........................206 Deutsche Stimme, NPD-Zeitung.205 B 5........................114, 123, 127 Deutsche Volksunion.........5, 156, 191 C Deutschlandpakt....156, 164, 165, C18.....................................178 166, 185, 186, 194, 195 Castor-Transport....................142 Devrimci Halk Kurtulus PartisiCC.......................................217 Cephe ...............................75, 93 CCHR............................216, 224 Devrimci Sol............................93 CDK.......................................85 DHKC....................................93 Celebrity-Center.....................217 DHKP...........................75, 93, 94 Centro Sociale.......114, 115, 117, DHKP-C........................75, 93, 94 118, 119, 122, 137 DHL...............109, 111, 112, 129 Centrum Moschee....................70 Dianetik................215, 216, 218, CH.......................................207 219, 222, 223 Chattia..........................204, 205 Die Basis.................................33 China............................230, 231 DIE LINKE......105, 106, 107, 108, Citizens Commissions on Human 144, 145, 146, 148, 153 Rights..................................216 Die Lunikoff Verschwörung......180 281 Anhang / Stichwortverzeichnis Die Reihen fest geschlossen, BroEntführungen.....................38, 39 schüre..................................119 Entrismus.............................153 Die Republikaner.......186, 191, 195 Erbakan, Necmettin Prof. Dr......27, Diktatur des Proletariats............96 67, 68, 69, 71 direkte aktion, Zeitung.............125 Erdem, Nurhan.........................94 Djerba....................................47 Erfurt.............................116, 185 DK................................207, 208 Ethnopluralismus...................193 DKP..............144, 146, 147, 148, EU-"Terrorliste"...........75, 76, 85, 149, 150, 151, 152 86, 99 Dogan, Mazlum........................89 Europa............44, 56, 62, 64, 67, Dörverden......................201, 202 85, 86, 87, 88, 96, 97, 101, 130, Dresden.....111, 133, 174, 184, 187 147, 148, 175, 220 DSA.....................................224 Europäische Moscheebauund UnterDTP.......................74, 75, 83, 92 stützungsgemeinschaft e.V. ......66 Düsseldorf...........45, 46, 86, 214 Europäische Union.......36, 75, 76, DVU.................5, 156, 157, 159, 85, 86, 99, 147, 148, 193, 207, 160, 161, 164, 165, 171, 174, 220, 230 185, 186, 187, 191, 192, 193, Europawahl 2009..................147, 194, 195, 196, 207 148, 156, 164, 165, 193, 194 DVU-Bundeszentrale..............196 Europazentrale, SO.................215 Expansion der Scientologen.........5, E 213, 220, 223 "Erlebnisorientierte" Jugendliche ... Explizit, Zeitschrift...................53 138 Export der islamischen Revolution E-Mail............2, 28, 32, 229, 231 ..62, 65 E-Mail-Adresse des LfV...............2 E-Mail-Adresse Öffentlichkeitsar- F beit..........................................2 "Frühwarnsystem" der Demokratie E-Mail-Angriffe.....................231 ..17 E-Meter................................222 "Freiheitskampf" des kurdischen VolEhli-Beyt-Alevitische Religionsgekes........................................90 meinschaft Ehli Beyt Alevi FederasFalun-Gong-Bewegung............231 yonu e.V., Frankfurt a.M.............65 Faruq, Taher............................40 Einbürgerungsverfahren............21 Faschismus...........124, 131, 133, El-Sherbini, Marwa....................27 145, 149 El-Zayat, Ibrahim......................66 Faßberg................................202 Emir..................................37, 68 FATAH...................................58 EMUG....................................66 Fatih, Abdullah.........................42 Engels, Friedrich..........96, 146, 152 FAU..............114, 124, 125, 126 England.........................201, 223 Faust, Matthias..............156, 165, 282 Anhang / Stichwortverzeichnis 191, 192, 195 Freiheitliche Partei Österreichs.192 FBI.........................................48 Fremdenfeindliche Delikte........163 FESK......................................96 Frey, Gerhard Dr.....191, 192, 195 Finanzermittlung......................19 Führerstaat...........................166 Finanzier der NPD...........197, 201 Für unsere Zukunft, "BürgerinitiaFinanzkrise..................35, 36, 95, tive"....................................170 105, 175, 186, 212 FIOE......................................56 G FIS........................................55 G8................................105, 121 Flüchtlingsinitiativen...............135 Ganczarski, Christian.................47 Flughafen, Hamburg.........22, 237 Gaza.................................57, 58 Flüssigsprengstoff...................47 GBA...........................45, 46, 228 Föderation der ArbeiterimmigrantinGedenkstätte Ernst Thälmann e. V. nen aus der Türkei in Deutschland Hamburg..............................150 e.V. .......................................97 Gefahrenabwehr........18, 88, 135, Föderation der Arbeiter aus der Tür255 kei.........................................96 GegenArgumente, Publikation...154 Föderation islamischer OrganisatiGegenStandpunkt..................153 onen in Europa.........................56 Geheimund Sabotageschutz.....18, Föderation kurdischer Vereine in 234, 235 Deutschland e.V.......................85 Geheimschutz..........22, 226, 234, Foren, jihadistische...................42 235, 236, 238 Forum Gegenargumente Hamburg Geheimschutzbetreute Unterneh..153 men..............................234, 235 Foundation for a Drug-Free World Gelowicz, Fritz.............42, 45, 46 ..216, 222 Gelsenkirchen.........................88 FPÖ.....................................192 Gemeinsames TerrorismusabwehrFrankfurt...........46, 65, 112, 214 zentrum....................................4 Frankreich...................37, 87, 93, Gemeinschaft Unabhängiger Staa104, 122, 141, 148, 212 ten.......................................226 Freies Netzwerk zum Erhalt des Generalbundesanwaltschaft....45 Schanzenparks................136, 137 Genf....................................100 Freie Arbeiterinnenund Arbeiter Gentrifizierung.......105, 117, 118, Union............................114, 124 126, 137, 138, 139 Freie Kräfte............165, 168, 170, Germanisches Brauchtum........199 182, 198, 199 Geschäftsreisen.............231, 235 Freie Nationalisten.........168, 170, Gesellschaft für biologische Anthro171, 187 pologie, Eugenik und VerhaltensforFreie Nationalisten, Leitfaden der schung e.V............................201 ..170 283 Anhang / Stichwortverzeichnis Gesellschaft für freie Publizistik Hafensicherheitsgesetz .........237, e.V. ....................................206 244, 256 Gesprächsabschöpfung....229, 230 HAMAS...................27, 55, 57, 58 GET.....................................150 Hamburg-Altona.....70, 81, 92, 110, Gewaltanwendung...53, 132, 162, 114, 124, 127, 145, 150, 152, 154 177, 248 Hamburg-Bergedorf...152, 163, 172 Gewaltanwendung, Verhältnis der Hamburg-St. Pauli..........114, 117 Neonazis zur..........................162 Hamburger Bündnis gegen Rechts Gewaltbereite Rechtsextremisten ..120, 132, 144, 149 ..158, 159, 160, 176, 177 Hamburger Reisegruppe......50, 51 Gewaltorientierte Linksextremisten Hamburger Studienbibliothek...127 ..104, 106, 119 Hamburger Utsichten, DKP-Zeitung GfbAEV................................201 ..148 GfP...............................206, 207 Hamburgisches VerfassungsschutzGG........................16, 17, 18, 175 gesetz....................................17 GIMF.....................................32 Haniya, Ismail..........................58 Globale islamische Medienfront Hannover.............65, 87, 88, 118, ..32 135, 151, 176, 202, 214 Globalisierung................119, 228 Harakat al-Muqawama al-Islamiya Global Islamic Media Front........32 ..57 Glückseligkeitspartei................69 Hariri, Saad.............................59 Gottesstaat.............................55 Harms, Olaf...................146, 148 Göttingen.............................135 Harrach, Bekkay.................35, 36 Griechenland.........................130 Hassprediger...........................49 Großbritannien.....53, 57, 98, 101 Haushaltsansatz des LfV...........21 Groupe Salafiste pour la Predication Havanna-Club........................151 et le Combat...........................37 HBgR............132, 133, 149, 150 Grundgesetz............16, 175, 246 HDJ.....................................172 GSPC.....................................37 Headley, David Coleman...........44 GTAZ......................................4 Heiliger Krieg...........................49 Guerilla......75, 76, 82, 83, 84, 86, 89 Heimattreue Deutsche Jugend...172 GUS.....................................226 Heisenhof.............................201 G 10-Kommission.............20, 249 Hekmat, Mansour...................100 Hekmatisten..........................101 H Heß, Rudolf...........174, 175, 198 "Her mit dem schönen Leben!", Hildesheim............................173 Jugendkongress....................120 Hilfsorganisation für nationale poliHackerangriffe.......................229 tische Gefangene und deren AngeHafen, Hamburg.....................237 hörige e.V.............................171 HafenSG...............................237 Hinduismus............................76 284 Anhang / Stichwortverzeichnis Hitler...............174, 178, 198, 208 Ijtimaa....................................57 Hizb-ut Tahrir.....................27, 54 IJU.................41, 42, 43, 45, 46, HIZB ALLAH..........27, 59, 60, 61 47, 48, 52 Hizb Al Tahrir al Islami...............52 IL...........................120, 121, 143 Hizb ut-Tahrir...........................52 Ilyas, Mawlana Muhammad........56 HKO......................................96 Imam Ali-Moschee.............62, 63 HmbSÜG................236, 244, 270 Immobiliengeschäfte.......197, 201 HmbVerfSchG......17, 19, 20, 240 Imrali............................74, 82, 83 HNG....................................171 Indien...................43, 44, 56, 76 Holocaust....61, 203, 204, 207, 208 Industriespionage............228, 229 Holocaust-Konferenz..............203 Indymedia..............117, 128, 139 Holocaustleugnung..................60 Informationsabschöpfung........231 Holthusen, Jan-Steffen.....169, 188 Informationsverarbeitung..........19 home-grown terrorism..............32 Infostände.......99, 100, 101, 105, Hooligans.............................181 132, 149, 162, 163, 168, 176, Hosseini Ghaemmagham, Seyed 188, 189, 216, 221, 222 Abbas...............................64, 65 Initiative 'Zukunft statt ÜberfremHPG.......................................84 dung'...................................173 Hubbard, L. Ron.....................217 Innenministerkonferenz...........136 Hungerstreik..........................99 interim, Autonomen-Zeitschrift...... Hussein, Saddam......................97 112, 113, 128 HuT........................52, 53, 54, 55 Internationales Zentrum Brigittenstraße 5..................114, 123, 127 I Internationale Arbeiter Assoziation "Iftar"-Empfang.......................71 ..124 IAA...............................124, 125 Internationale Föderation Iranischer IAD........................................63 Flüchtlingsund Immigrantenräte IAS...............................215, 223 e.V......................................101 Ibraheem, Abu.........................40 Internationale Kampagne zur VerIbrahim-Khalilullah-Moschee....54 teidigung der Frauenrechte im Iran IBU..............................40, 41, 51 e.V......................................101 Ideale Org......212, 213, 218, 220 Internationalismus..................123 IEUS......................................65 International Organization of ScienIFIR......................................101 tologists...............................215 IGD...................................56, 67 International Sikh Youth Federation IGH......................................100 ..76 IGMG..............27, 29, 66, 67, 68, Internet...............2, 3, 18, 19, 26, 69, 70, 71 28, 32, 33, 50, 51, 53, 61, 62, IGS........................................65 69, 74, 81, 89, 92, 94, 117, 126, IHg........................................70 131, 132, 133, 149, 167, 168, 285 Anhang / Stichwortverzeichnis 169, 179, 189, 192, 193, 196, Islamische Jihad-Union.............41 200, 201, 203, 205, 208, 213, Islamische Kulturgemeinde der Iraner 216, 221, 222 in Berlin e.V., Berlin..................65 Internet-Telefonie....................32 Islamische Revolution...............62 Internetcafe..........................129 Islamische Vereinigung in Bayern Interventionistische Linke.........120 e.V., München.........................65 Intifada..................................57 Islamische Widerstandsbewegung Irak.................32, 34, 36, 38, 39, ..57 75, 83, 97, 98, 99 Islamisierung..............57, 62, 193 Iran.................51, 59, 60, 61, 62, Islam Toplumu Milli Görüs.........27 63, 64, 75, 80, 97, 98, 99, 100, ISoI...................................34, 38 101, 203, 227, 228, 232 Israel.................41, 44, 48, 53, 56, Iran, Atomprogramm...62, 227, 228 57, 58, 59, 61, 64, 114, 126, 127 Iranische Gemeinschaft in Hamburg Israelisch-palästinensischer Konflikt e.V. .....................................100 ..53 ISAF......................................46 Istanbullu, Ahmet.....................94 Islamic State of Iraq.................38 ISYF......................................76 Islamisch-Europäische Union der IT-Sicherheit......230, 235, 236, 238 Schia-Gelehrten und Theologen...65 IZH...........27, 61, 62, 63, 64, 65 Islamischer Widerstand..............59 Izzaddin al-Qassam-Brigaden......58 Islamisches Zentrum Hamburg...27, 61, 62, 65 J Islamisches Zentrum München...56 "Jugend zu uns", Internetseite.168, Islamisches Zentrum Salman Farsi 169 Moschee Langenhagen e.V., HannoJakarta...................................45 ver.......................................65 JAMA'A AL-IKHWAN AL-MUSLIIslamisches Zentrum Wien.........64 MIN .......................................55 Islamische Akademie Deutschland Jamaat-ud-Dawa.....................44 e.V........................................63 Jemaah Islamiyah...............44, 45 Islamische Bewegung Usbekistans Jemen.........................34, 39, 48 ..40, 41 Jerusalem-Tag....................61, 64 Islamische Gemeinschaft der schiiJI......................................44, 45 tischen Gemeinden in Deutschland Jihad...............26, 27, 31, 33, 34, e.V........................................65 36, 39, 40, 41, 42, 45, 46, 47, 48, Islamische Gemeinschaft in Deutsch49, 51, 52, 54, 55, 58, 67, 68, 72 land e.V............................56, 67 Jihad-Ideologie........................27 Islamische Gemeinschaft Milli Görüs Jihadisten..........3, 31, 37, 38, 41, e.V.............................27, 66, 67 49, 50, 52 Islamische Hochschulgemeinde e.V JN..........................182, 187, 190 ..70 JR.......................................191 286 Anhang / Stichwortverzeichnis JuD.......................................44 Kategorie C - Hungrige Wölfe....181 Juden..............................53, 193 Kaukasus...........................50, 53 Jugendhochschulabteilung der Kaypakkaya, Ibrahim............95, 96 IGMG ....................................69 KCK.............................82, 83, 88 Jugendunion...........................85 Kemna, Erwin.........................187 Jugend für Menschenrechte.....216, Kern-al-Qaida.......32, 33, 34, 41, 42 219, 222 Kerpen.........................66, 70, 71 Jundullah, Medienstelle.............40 Khalistan................................77 Junge Nationaldemokraten......182 Khamenei, Ali.....................61, 64 Junge Rechte.........................191 Kinaci, Zeynep alias "Zilan"........88 junge Welt, Publikation............150 Klassenkampf.........................95 Justiz............................111, 208 Klebe, Torben...........170, 182, 188 Kleingartenkolonien................180 K Klima!BewegungsNetzwerk....142 "Kraft durch Freude"-Museum..203 KLIMA-CASINO SCHLIESSEN!, BroKADEK...................................81 schüre.....................121, 140, 145 Kaderorganisationen..........83, 101 Klimabewegung........121, 140, 145 Kairo......................................55 Klimacamp...........................142 Kalifat..........................41, 52, 54 Klimagipfel.............104, 111, 112, Kamagata Maru Dal International 121, 140, 141, 142, 143, 145 ..76 Klimapolitik....................121, 145 Kameradenkreis Neonazis in HamKMDI.....................................76 burg......................168, 169, 170 Know-how-Schutz.................235 Kameradschaften, neonazistische Köln..........................88, 96, 101 ..156, 160, 162, 166, 167, 168, Komalen Ciwan.........81, 85, 92, 93 169, 170, 171, 172, 173, 174, Koma Ciwaken Kurdistan...........82 177, 183, 184, 188, 189, 192, Kommission für Verstöße der Psych198, 199, 204, 205 iatrie gegen Menschenrechte...216, Kampf gegen Rechts...............132 219 Kandil-Gebirge........................83 Kommunismus..................95, 145 Kapitalismus..............35, 97, 116, Kommunistische Partei Deutsch118, 119, 124, 131, 145, 146, land.....................................122 147, 151, 189 Kommunistische Partei Irans.....100 Kapuzenträger.......................130 Kommunistische Plattform.......144 Karahan, Yavuz Celik..........66, 69 Konföderation für demokratische Karatas, Dursun........................93 Rechte in Europa.......................96 Karayilan, Murat.......82, 87, 88, 89 KONGRA GEL........81, 82, 86, 87, Karimov, Islam.........................40 90, 91 Karolinenviertel...............114, 139 Konvertiten...........32, 45, 47, 50, Kaschmir................................43 63, 78 287 Anhang / Stichwortverzeichnis Koordinasyona Civaka Demokratik La Hague...............................141 ya Kurden Ewrupa.....................85 Lebensordnung des Islam, Buch...52 Koordination der kurdischen demoLegalresidenturen............226, 230 kratischen Gesellschaft in Europa ..85 Leipzig.................................207 Kopenhagen..........104, 111, 112, Lenin, Wladimir Iljitsch Uljanow..96, 116, 121, 140, 141, 142, 143, 146, 152 144, 145, 215 Lesbos.................................136 Kopenhagen, Großdemonstration LeT...................................43, 44 am 12.12.09 anl. UN-Klimagipfel Leuchtturm.............................60 ..143 LfV Hamburg....................2, 4, 6, Koran...........................54, 56, 68 17, 18, 19, 21, 22, 23, 28, 50, KOUKOULOFORI....................130 107, 110, 120, 144, 146, 147, KPD..............................122, 150 153, 169, 216, 219, 220, 222, KPF......................................144 224, 228, 234, 235, 236, 237, 238 Kreuzzügler........................36, 39 Libanon.............................59, 60 Kriminelle Vereinigung........86, 110 Liberation Tigers of Tamil Eelam Kühlungsborn........................223 ..76 Kurden..................74, 78, 82, 83, Libertäres Kulturund Aktionszen84, 85, 87, 88, 92 trum..............................114, 124 Kurdenfrage...........83, 85, 87, 89 Libertäres Zentrum.................114 Kurdisch-deutsches Kulturzentrum Lice.......................................84 e.V........................................90 Liebknecht, Karl......................124 Kurdischer Volksrat Hamburg.....90 Likedeeler, Publikation............151 Kurdische Öffnung..............83, 84 Linksjugend.......140, 144, 145, 151 Kurdistan..............74, 81, 82, 87, Liste Links.............................144 89, 90, 91 LIZ.......................................114 Kurdistan Volkshaus e.V............89 LKA...............................114, 124 Kurdistan Volksrat....................90 Lobbyarbeit des NWRI...............99 Kurtulmus, Numan....................69 Lokalberichte Hamburg............150 KVPM............216, 219, 223, 224 London............................53, 101 Los Angeles....................212, 214 L LTTE......................................76 Lager Ashraf.......................98, 99 Lübeck....................125, 134, 174 Lahore....................................44 Ludwigshafen..........................96 Landeslisten...................189, 194 Luftsicherheitsgesetz.............237 Landser, Band........................181 LuftSiG............................22, 237 Landtagswahlen..........5, 165, 180, Lüneburg.......................176, 202 182, 183, 184, 185, 186, 194, 195 Lunikoff................................181 Lashkar-e Taiba........................43 Luxemburg, Rosa....................124 La Ghriba, Synagoge..................47 288 Anhang / Stichwortverzeichnis M militante gruppe.............110, 131 Maghreb............................34, 37 Militanz.............57, 59, 110, 111, Mahler, Horst............207, 208, 209 112, 129, 136, 141 Malmö...........................212, 220 Militanzdebatte......................110 Maoistische Kommunistische Partei Militarismus.........................124 ..95, 96 Milli Gazete.........................67, 68 Maoist Komünist Partisi........75, 96 Milli Görüs......27, 66, 67, 68, 69, 71 Markaz-ud-Dawa-wa-l-Irshad.....43 Miscavige, David..............217, 220 Marksist Leninist Komünist Partisi MKP.............................75, 95, 96 ..75, 96 MLKP..........................75, 96, 97 Märtyrertod...........36, 40, 41, 42, Modjahedin-E-Khalq.............75, 97 51, 72, 89 Mojahed, Publikation.................98 Marx, Karl..................96, 146, 152 Molau, Andreas.........182, 193, 207 marx21 - Netzwerk für InternationaMoscheebau-Kommission e.V.....56 len Sozialismus...144, 145, 146, 153 Moschee der muslimischen GemeinMarxismus-Leninismus......95, 107, schaft, Steilshoop.....................54 108, 113, 123, 144, 146, 152 Mouhajerin-Moschee................56 Marxistisch-Leninistische KommuMövenpick-Hotel....................136 nistische Partei.........................96 Mujahidin......................36, 37, 39 Marxistische Abendschulen.....146, Multikulti..............................193 152 Mumbai.............................43, 44 Marxistische Gruppe...............153 München...........56, 65, 187, 196, MASCH................................152 206, 209, 214 Massenvernichtungswaffen....226, Muslimbruderschaft...55, 56, 57, 67 227 Muslime im Dialog, Faltblatt.........62 Mazlum Dogan JugendKulturund Muslimische Frauengemeinschaft Sportfestival...........................88 ..70 MB..................55, 56, 57, 58, 67 MDI.......................................43 N Mecklenburg-Vorpommern.....105, Nachrichtendienste..111, 226, 227, 136, 171, 172, 182, 183, 184 229, 230, 231, 232, 235, 240, 259 Mehrfachmitgliedschaften......106, Nachrichtendienstliches Informati107, 108, 159, 161 onssystem..............................19 Mein Kampf...........................208 Nachrichten der HNG, Publikation MEK........................75, 97, 98, 99 ..171 Menschenrechtsverein für MigranNADIS..........................20, 21, 22 ten e.V.................................100 NADIS-Speicherungen, Hamburger MFG......................................70 ..21 MG...............................153, 154 Nahost-Konflikt.......................58 mg...................110, 111, 122, 129 Narconon................216, 217, 219 289 Anhang / Stichwortverzeichnis Nasrallah, Hassan.....................61 Nostorf-Horst........................136 Nationaler Widerstandsrat..........97 No Border Camp.....................136 Nationales und Soziales AktionsNPD...............5, 109, 133, 134, bündnis Norddeutschland........169 149, 150, 156, 157, 159, 160, Nationale Befreiungsarmee...97, 98 161, 162, 163, 164, 165, 166, Nationale Sicht.........................67 168, 169, 170, 171, 172, 174, Nationalismus..........156, 183, 189 180, 182, 183, 184, 185, 186, Nationalisten......75, 78, 156, 167, 187, 188, 189, 190, 191, 192, 168, 170, 171, 187, 190 193, 194, 195, 196, 197, 198, Nationalsozialismus........126, 157, 199, 201, 204, 205, 206, 207 166, 169, 179, 184, 189, 207, 208 NPD, Ergebnis bei der BundestagsNationalzeitung........................67 wahl 2009............................166 NATO.............48, 104, 111, 112, NPD-Kundgebung am 11.09., Berli148, 220, 230 ner Tor...........................133, 134 NATO-Gipfel............111, 112, 122 NPD-Rechenschaftsbericht......187 Nazir, Aleem............................46 NPD-Sonderparteitag.165, 183, 198 Neonaziund Skinheadszene in BramNSAN...................................169 feld...........168, 169, 170, 188, 189 NTAC............................142, 143 Neonazis...........5, 132, 157, 159, Nujiyan Frauenzentrum e.V.......90 160, 161, 162, 163, 164, 165, NWRI...........75, 80, 97, 98, 99, 100 166, 167, 168, 169, 170, 171, NWRI-Tarnorganisationen........100 172, 175, 176, 188, 189, 192, NZ................................192, 200 196, 197, 199, 206 Netzwerk islamistischer Terroristen O ..3, 26, 31, 33, 34, 37, 50, 57, 58, O.R.C.A...............................129 136, 137, 143, 145, 153, 208 Oban, Cengiz...........................94 Neu-Delhi...............................43 Oberlercher, Reinhold Dr. ..207, 208 Neue Linke............................145 Öcalan, Abdullah..........74, 82, 83, Neue Rechte..........................192 85, 87, 88, 90, 91, 92, 93 Never Trust A Cop...................143 Öcalans Haftsituation.........74, 85, Newroz.................................87 87, 91, 92 New York................................48 Office of Special Affairs...........215 Niederlande..........................101 Omar, Mullah...........................33 Niedersachsen...........70, 86, 135, Operation Ragnarök.................132 151, 172, 178, 193, 202 Org...............212, 213, 214, 215, NLA.............................97, 98, 99 217, 218, 220, 221, 222, 223 Nordische Zeitung...................200 Organigramm des LfV Hamburg...23 Nordkorea............................227 Organized Rebels Clash Ahlhaus Nordrhein-Westfalen........66, 172, ..129 178, 187 Orthodoxe Kommunisten...105, 146 290 Anhang / Stichwortverzeichnis OSA..............................215, 224 PMK, Definition........................30 Outing-Aktionen....................132 Politisch Motivierte Kriminalität..30, 80, 109, 161, 219 P Polizei..............4, 18, 19, 74, 81, Pakistan................33, 35, 36, 40, 91, 109, 111, 112, 122, 128, 41, 43, 44, 48, 50, 51, 227 129, 131, 135, 138, 139, 143, Palästina.....53, 55, 57, 58, 123, 126 149, 162, 163, 167, 175, 176, Palästinenser......................42, 58 178, 187, 189, 202, 204, 242, Pandschab..............................76 258, 259, 260, 263 Paris................................47, 100 Polizeibeamte, Angriffe auf.......109 Parlamentarischer KontrollausPolizeiwache Lerchenstraße........4, schuss......................20, 241, 268 104, 109, 112, 130, 131, 139 Parteienfinanzierung..184, 185, 194 Pößneck.........................201, 202 Partei für eine demokratische Potsdam........................165, 194 Gesellschaft............................74 pressback.............................122 Partei Gottes............................59 Prinzip der wehrhaften Demokratie Pastörs, Udo..........................182 ..16 Pfingstcamp der SDAJ............152 Projektdateien.........................20 PKA.......................................20 Proliferation..........................227 PKK.............71, 74, 79, 81, 82, 83, Propaganda, islamistisch-jihadisti84, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93 sche......................................32 PKK, bundesweite GroßveranstalPropagandadelikte...........161, 163 tungen...................................87 Propagandaoffensive, jihadistische PKK, Festnahme von Funktionären ..3, 26, 31, 34, 35 ..85 PKK, Friedensgruppe der............83 Q PKK, Funktionäre der.............86, 90 Quds-Moschee........................49 PKK, Nachfolgeund TeilorganisatioQuds-Tag...........................61, 64 nen........................................86 Quellen, offen zugängliche.........19 PKK, Selbstverteidigung.......84, 85 Qutb, Sayyid............................55 PKK-Führungsebene, Verurteilungen........................................86 R PKK-Führungsstruktur..............90 "Revolutionäre" 1. Mai-DemonstraPKK-Gebiete............................86 tion......................................116 PKK-Jugendliche.................89, 93 Radikalisierung von Muslimen....32, PKK-Lehrgänge........................93 50, 51, 55, 121 PKK-Rotationsprinzip für FunktioRadjavi, Maryam.......................98 näre.......................................90 Radjavi, Massoud.....................98 PMK..............30, 31, 80, 81, 109, RAF...................45, 110, 123, 207 161, 162, 219 Ramezani, Reza Dr. ..................64 291 Anhang / Stichwortverzeichnis Rassismus..120, 124, 133, 149, 199 128, 129, 131, 137, 138, 142, 143 Rat der islamischen Gemeinschaften Rote Hilfe e.V...........118, 122, 151 in Hamburg.........................50, 65 Russische Föderation..............229 RBB.....................................207 Russland...................27, 229, 230 Rechtsextremistische Tonträger.179 RWE..............................112, 141 Recht auf Stadt, Bündnis...........20, RWE-Vorstandsmitglied, Anschlag 126, 137, 139 auf Wohnhaus..........110, 112, 141 Referenzpersonen..................236 Regelanfragen.....................21 S Regener, Michael....................181 Saadet Partisi...........................69 Reichsbürgerbewegung...........207 Saarland...........165, 184, 185, 186 REP........................186, 191, 195 Sabotageschutz...........18, 22, 23, Repression...........61, 92, 105, 111, 234, 235, 237 112, 122, 127, 128, 129, 131, 176 Sachsen........165, 182, 183, 184, Resonanzaktionen zu der Kopenha185, 186 gener Klimagipfel-GroßdemonstraSag Nein zu Drogen - Sag Ja zum tion......................................143 Leben....................216, 219, 221 Revisionismus........173, 193, 199, Said, Hafiz Muhammad.............44 203, 207 Saint Hill...............................223 Revolution..................62, 64, 95, Salafismus....................28, 49, 50 96, 97, 119, 124, 145, 152 Salafistische Gruppe für Predigt und Revolutionäre Linke..................93 Kampf....................................37 Revolutionäre Marxisten.........104, SAND...................................140 105, 107, 108, 153 Saudi-Arabien.....................34, 39 Revolutionäre Volksbefreiungsfront Sauerlandgruppe............42, 45, 52 ..93 SAV.....................................153 Revolutionäre VolksbefreiungsparSchall und Rauch....................181 tei.........................................93 Schanzenfest....................4, 116, Revolutionäre Volksbefreiungspar128, 133, 134, 137, 138, 139, 190 tei-Front.................................93 Schanzenviertel....4, 109, 112, 114, RH.......................................122 116, 117, 122, 128, 137, 138, 139 Richter, Karl...........................183 Scharia......40, 52, 55, 57, 67, 68, 71 Rieger, Jürgen............5, 134, 156, Schengener Visumverfahren......22 157, 165, 166, 170, 175, 182, 183, Schiiten........27, 38, 59, 62, 63, 65 185, 188, 189, 190, 196, 197, Schleswig-Holstein............70, 86, 198, 199, 200, 201, 202, 203, 204 118, 125, 134, 165, 176, 184, Roadmap...........................83, 88 185, 186, 202, 214 Rom..............................212, 220 Schmidt, Björn.......................151 Rote Armee Fraktion.....45, 110, 123 Schneider, Daniel Martin...42, 45, 46 Rote Flora........14, 115, 116, 117, Schöne Aussicht, Jugend292 Anhang / Stichwortverzeichnis gruppe...................................63 SP.........................................69 SCHURA............................50, 65 Spenden.66, 91, 100, 122, 187, 188 Schusswaffe...........43,81, 91,202 Spendensammlungen...75, 87, 91, Schwarzer Block....................167 94, 100 Schweden......................101, 220 Spendenvereine.....................100 Schwerdt, Frank.....................183 Spionageabwehr.........12, 226, 228 SDAJ......................150, 151, 152 Sprengstoffgesetz.................237 Sea Organization....................215 Sri Lanka............................44, 76 Sediqi, Javad (alias Abu Safiyya) Staatsanwaltschaft Hamburg...178, ..41 204 Selbstmordanschläge............26, Stadtentwicklungspolitik..120, 136 37, 39, 41, 43, 47, 58, 76, 88, 94 Stehr, Heinz....................146, 147 Selek, Attila........................45, 46 Stellenplan des LfV....................21 Sexismus................120, 124, 133 Stimme des Artglaubens..........200 Shahada................................40 Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Sicherheitsüberprüfungen......21, türkische Führungsfunktionäre....94 22, 236, 237, 256, 259 Straßburg.....87, 104, 111, 122, 148 Sicherheitsüberprüfungsgesetz Stresstests..............216, 218, 222 ..236, 244 Strukturdaten..........................21 Sikhs....................................76 Stuart Donaldson, Ian..............178 Skinhead-Konzerte....179, 180, 181 Sturm 5................................179 Skinheads.....................158, 159, Stuttgart...............................214 161, 168, 176, 177, 178, 179, 181 Sudan....................................34 Skrewdriver..........................178 Südostasien.....................44, 123 SO................5, 6, 212, 213, 214, Sunna...............................56, 68 215, 216, 217, 218, 219, 220, Sunniten.......................38, 67, 68 221, 222, 223, 224 Synagoge..........................47, 48 Social Engineering..................229 Syrien..............................34, 227 SoL...............................124, 152 Systemoppositionelle Atomkraft Solidaritätsverein mit den politiNein Danke ..........................140 schen Gefangenen und deren Familien in der Türkei........................94 T Somalia..................................34 Tablighi Jama'at......................56 sous la plage..........................127 Tag der deutschen Einheit.........126 Sozialismus.....................97, 124, Tag der deutschen Zukunft.......173 144, 145, 147, 153, 176, 189 Taiba-Moschee..............49, 50, 51 Sozialistische Alternative.........153 Taifija.....................................59 Sozialistische Deutsche ArbeiterjuTALA'I KHOROSAN (Online-Magagend ...............................11, 150 zin)........................................28 Sozialistische Linke.................124 Taleban...............31, 33, 35, 40, 42 293 Anhang / Stichwortverzeichnis Tamilen..................................76 Ucar, Ramazan.........................70 Taschkent...............................42 Ücüncü, Oguz..........................66 TAYAD..................................94 Uiguren................................231 Teheran...............61, 97, 98, 203 Undogmatische Linksextremisten Termez...................................42 ..104, 106, 113, 119 Terrorismus, islamistischer.....3, 4, Ungläubige....................39, 49, 52 18, 19, 26, 31, 33, 34, 38, 39, UNIFIL....................................60 43, 44, 57, 232 Union der Gesellschaften KurdisTerrorismusbekämpfungsgesetz.19 tans .......................................82 TH....................................71, 72 Unsere Zeit...........................146 Thälmann, Ernst...............124, 150 Unser Auktionshaus................179 Thiessen, Tobias..............169, 170 Unsichtbare Zellen..................113 Thüringen.........165, 183, 184, 185 Untersuchungsgefängnis HolstenTietjen, Wilhelm......................201 glacis...................................130 TIKKO....................................95 USA.....................21, 36, 37, 38, TJ.....................................56, 57 39, 42, 43, 44, 48, 98, 212, 213, TKP/ML........................75, 95, 96 219, 220 TKP/ML-Partizan.................95, 96 Usbekistan...........40, 42, 43, 45, 51 Touristen.....................38, 40, 44 UZ................................146, 147 Trauermarsch in Dresden.........174 Trennungsgebot.....................19 Trotzki, Leo............................152 V Trotzkisten.108, 145, 146, 152, 153 Vahdet-Moschee...................72 Tunceli...................................88 Velioglu, Hüseyin......................72 Türkei.............27, 43, 45, 48, 66, Vereinigte Arabische Emirate......51 67, 69, 71, 72, 74, 75, 81, 82, Vereinigung der Verfolgten des Nazi83, 84, 85, 86, 88, 89, 92, 93, regimes - VVN-BdA..................149 94, 95, 96, 97, 123, 193 Vereinsverbot......................172 Türkische Arbeiterund BauernbeVerein der Förderer einer iranischfreiungsarmee.........................95 islamischen Moschee in Hamburg Türkische Hizbullah..............27, 71 e.V........................................63 Türkische Kommunistische Partei / Verein freier Frauen aus MesopotaMarxisten Leninisten.................95 mien e.V.................................89 Türkiye Komünist Partisi / Marksist Verein für Menschen und Freiheit Leninist..................................95 e.V......................................100 Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolg- U ten.......................................207 "Überfremdung"............173, 175, Verfassungsschutz...........2, 4, 16, 189, 204 17, 18, 19, 20, 22, 28, 131, 144, 294 Anhang / Stichwortverzeichnis 157, 158, 180, 181, 212, 213, Video, Frohe Botschaft aus Afgha214, 226, 228, 234, 238, 241, nistan.....................................40 242, 243, 244, 246, 249, 240, Video, Ihr seid nicht allein..........42 249, 243, 246, 247, 251, 252, Video, Nachruf auf den Märtyrer und 253, 254, 255, 256, 257, 258, Emir Baitullah...........................37 259, 260, 261, 262, 263, 264, Video, Sicherheit - ein geteiltes 265, 266, 267, 268, 269, 270 Schicksal................................35 Verfassungsschutz, Aufgaben..242, Video, Sieg oder Shahada..........40 243, 262, 263 Video, Soldaten Allahs...............40 Verfassungsschutz, AuskunftserteiVideobotschaften.....26, 28, 32, 33, lung.....................................266 34, 35, 36, 37, 40, 41, 42, 51, 213 Verfassungsschutz, BegriffsbestimVirtuelle Netzwerke.............32, 50 mungen................................244 Vogel, Pierre............................28 Verfassungsschutz, DatenübermittVoigt, Udo.........165, 182, 183, 196 lung.....................................258 Völkische Reichsbewegung.....207, Verfassungsschutz, Eingaben...270 208 Verfassungsschutz, Erheben und Volksbefreiungsarmee..............96 Verarbeiten von Informationen...246 Volksfront von Rechts.......164, 165 Verfassungsschutz, nachrichtenVolksgemeinschaft.........166, 189, dienstliche Mittel....................251 200, 201 Verfassungsschutz, ParlamentariVolksküchen.........................136 sche Kontrolle........................268 Volksmodjahedin Iran-OrganisaVermummung.......................167 tion........................................97 Versammlungsfreiheit............176 Volksrat.................................90 Verschlüsselungstechnologie.....32 Volksverhetzung............180, 200, Verschlusssachen..................234 203, 204, 209 VEVAK.................................232 Volksversammlungen...........90, 91 Video, Botschaft von Scheich Volksverteidigungskräfte...........84 Usama Bin Laden an die Völker EuroVorfeldbeobachtung................18 pas........................................36 VRB..............................207, 208 Video, Das Rettungspaket für VRBHV.................................207 Deutschland............................35 VS...................234, 235, 236, 238 Video, Der Islam und die FinanzVuslat, Musikgruppe.................72 krise......................................35 VVN-BdA.......................144, 149 Video, Der Vorzug des Jihad..41, 51 Video, Der Westen und der dunkle W Tunnel...............................28, 36 Wahlbetrug......................92, 101 Video, Er kam, sah und siegte....41, Wahlkampf der Hamburger NPD zur 51 Bundestagswahl....................157 Video, Fadlu 'l-Jihad..................51 Warum Israel, Film............126, 127 295 Anhang / Stichwortverzeichnis Wasserturm.........................136 land.......................................65 Watch Dog Committee............215 Zentrum für Propagierung und RechtWDC....................................215 leitung....................................43 Weisse Wölfe Terror Crew...177, 178 Zilan-Frauenfestival..................88 Weltrevolution.........................95 ZMD......................................65 Werteentscheidungen der VerfasZugangskontrollen..................238 sung.................................16, 17 Zündel, Ernst..........................203 Wiedervereinigung....126, 127, 153 Zuverlässigkeitsüberprüfungen..22, Wilhelm Tietjen Stiftung für Fertili237, 244, 256 sation Ltd..............................201 Wirtschaftsschutz............23, 226, 228, 234 Wirtschaftsschutztag.............235 Wirtschaftsspionage........226, 228 Wirtschaftsunternehmen........228, 231, 234, 235 WISE.............................217, 219 Wissenschaftssenatorin, Hamburger; Anschlag auf Wohnhaus....129 Worch, Christian.....................171 World Institute of Scientology Enterprises............................217, 219 Wulff, Thomas.................164, 171 Wunsiedel.............................197 WWTC..........................177, 178 Y Yasin, Scheich.........................57 YEK-KOM.........85, 87, 88, 89, 90 Yekitiya Komelen Kurd il Almanya..85 Yilmaz, Adem................42, 45, 46 Youth for Human Rights.....216, 222 YouTube...............................32 Yuppies................................113 Z Zeck, Publikation...........115, 116, 138, 141 Zentralasien...................40, 41, 53 Zentralrat der Muslime in Deutsch296 Notizen Notizen Notizen Notizen