Verfassungsschutzbericht 2008 Landesamt für erfassungsschutz www.hamburg.de/verfassungsschutz www.verfassungsschutz.hamburg.de Verfassungsschutzbericht 2008 Im Text finden Sie vielfach die Symbole und Das Sinnbild "Buch" verweist auf eine Fundstelle in diesem Verfassungsschutzbericht. Das Symbol "Weltkugel" bedeutet, dass es zu dem Thema weitere Informationen auf unseren Internetseiten gibt. Unter http://www.hamburg.de/verfassungsschutz finden Sie regelmäßig aktuelle Informationen über alle Arbeitsfelder des Hamburger Verfassungsschutzes. Herausgeber: Freie und Hansestadt Hamburg Behörde für Inneres Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Johanniswall 4, 20095 Hamburg Telefon: 040 / 24 44 43 Telefax: 040 / 33 83 60 Internet: http://www.hamburg.de/verfassungsschutz E-Mail des LfV: poststelle@verfassungsschutz.hamburg.de E-Mail Öffentlichkeitsarbeit: info@verfassungsschutz.hamburg.de Auflage 1.000 Juni 2009 Redaktionsschluss: Februar 2009 Satz/Layout, Grafik: Landesamt für Verfassungsschutz Druck: Siepmann GmbH, Ruhrstr. 126, 22761 Hamburg Vorwort Vorwort von Innensenator Christoph Ahlhaus Liebe Hamburgerinnen und Hamburger, der aktuelle "Verfassungsschutzbericht 2008" gibt einen aufschlussreichen Überblick über Gefährdungen unseres demokratischen Rechtsstaates durch politisch motivierte Extremisten. Sie halten eine hervorragende Übersicht in den Händen, aus der Sie erkennen können, welche Gruppierungen und Personen für unsere Demokratie gefährlich sind. Ich ermuntere Sie ausdrücklich, den Bericht zu lesen, denn die breite Information der Bürger darüber, wer in welcher Form unser Grundgesetz, unsere Gesellschaft bekämpft, ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass diese Gegner unserer Gesellschaft keine Chance bekommen. So hält die Bedrohung unserer Gesellschaft durch den internationalen islamistischen Terrorismus unverändert an, auch wenn im Jahr 2008 in Deutschland keine konkreten Anschlagsplanungen oder -vorbereitungen festgestellt worden sind und es, anders als 2007, keine Anschlagsversuche gab. Wir wissen aber, dass Deutschland - wie andere westliche Industrienationen - weiter ein Ziel für gewaltbereite islamistische Gruppierungen ist. Nicht zuletzt durch unser weltweites Engagement für den Frieden, speziell in Afghanistan, ist Deutschland sogar in das unmittelbare Zielspektrum islamistischer Gruppierungen geraten, die unsere demokratische Staatsordnung und unsere Grundrechte mit allen Mitteln bekämpfen. Die Beobachtung des weltweiten Netzwerkes islamistischer Terroristen bleibt deshalb die zentrale Aufgabe des Verfassungsschutzes. Ich möchte an dieser Stelle allen Menschen in Hamburg versichern: Wir werden unseren konsequenten Kurs gegen gefährliche ausländische Extremisten auch in Zukunft fortsetzen, die Szene im Visier behalten und die Öffentlichkeit informieren. Wir werden weiter mit allen rechtsstaatlichen Mitteln gegen Extremisten vorgehen. Wer mit fundamentalistischen islamistischen Bestrebungen die Sicherheit der Menschen bedroht und so unsere Gastfreund- 3 Vorwort schaft missbraucht, hat bei uns in Deutschland nichts zu suchen. Seit 2003 haben insgesamt 18 ausländische Islamisten Hamburg verlassen müssen, gegen die von der Innenbehörde ausländerrechtliche Maßnahmen (z.B. Ausweisungsverfügungen, Einreiseverbote) verfügt worden waren. Unverändert ist der Hamburger Verfassungsschutz eng in das Hamburger Konzept zur ganzheitlichen Bekämpfung des islamistischen Terrorismus eingebunden. So arbeitet das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) neben seiner Beteiligung im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) in Berlin in allen wesentlichen Arbeitsund Projektgruppen des Verfassungsschutzverbundes mit. Die enge Zusammenarbeit des LfV mit der Anti-Terrorismus-Koordination (ATK) der Behörde für Inneres hat sich bewährt und zu einem wichtigen Bindeglied bei der Abwehr terroristischer Gefahren entwickelt. Schutzmaßnahmen, die den Hamburger Hafen noch sicherer machen sollen, wurden intensiviert. Dazu trägt bei, dass sich ein erweiterter Personenkreis einer Zuverlässigkeitsüberprüfung durch das LfV unterziehen muss. Diese und weitere Schritte sind unverändert sachgerechte und notwendige Antworten auf die aktuelle Bedrohungslage. Neben dem gewaltbereiten Islamismus gibt es weitere verfassungsfeindliche Bestrebungen, die unsere Demokratie bedrohen und bekämpfen, zum Beispiel linksund rechtsextremistische Gruppen. Militante Autonome verübten im Jahr 2008 sechs Brandanschläge und 16 Sachbeschädigungen in Hamburg bzw. mit Hamburg-Bezug. Gewalt und Zerstörungswut eskalierten am 1. Mai 2008 bei Protesten gegen eine Demonstration von Rechtsextremisten. Autonome führten zahlreiche - überwiegend spontane - militante Aktionen durch. Am 6. September 2008 jährte sich das Schanzenviertelfest in den Straßenzügen um die Rote Flora zum zwanzigsten Mal. Am Abend kam es zu schweren Ausschreitungen. Aus einer Gruppe von etwa 400 Personen heraus, zu der wie in den Vorjahren auch Angehörige der linksextremistischen Szene gehörten, wurden Müllcontainer und Pkws in Brand gesetzt, Straßenbarrikaden errichtet, Gegenstände auf Polizeibeamte geworfen und Scheiben einer Ladenzeile zerstört. Für mich steht fest: In Hamburg wird es auch zukünftig kein Zurückweichen vor extremistischen Gewalttätern - linken wie rechten - geben. Rechtsfreie Räume werden nicht geduldet. 4 Vorwort Die Demonstration vom 1. Mai 2008 machte im Übrigen deutlich, dass auch künftig mit aller Konsequenz gegen Linksextremisten, aber auch gegen Rechtsextremisten vorgegangen werden muss. Das Auftreten eines rechtsextremistischen Schwarzen Blocks bei dieser Demonstration bedeutete für Hamburg eine neue Qualität. Insbesondere im Zusammenhang mit der Mai-Demonstration und mit dem Bürgerschaftswahlkampf 2008 kam es zu politisch motivierten Straftaten, die aber von Hamburgs Sicherheitsbehörden ohne Wenn und Aber verfolgt wurden und denen auch zukünftig mit allem Nachdruck begegnet werden wird. Es war erfreulich, dass Rechtsextremisten in Hamburg bei Wahlen einmal mehr kläglich scheiterten. Die verfassungsfeindliche Scientology-Organisation hat uns auf besondere Weise beschäftigt: Die Innenminister und -senatoren der Länder haben auf ihrer Konferenz in Potsdam am 21. November 2008 einvernehmlich zum Ausdruck gebracht, dass von der Scientology-Organisation nach wie vor Gefahren für die Menschen in unserer Gesellschaft und für die freiheitliche demokratische Grundordnung in Deutschland ausgehen. Die Ideologie des Scientology-Gründers Hubbard ist antidemokratisch und deshalb mit unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar. Hamburg wird deshalb auch weiterhin vor den von der Scientology-Organisation ausgehenden Gefahren warnen und ihr konsequent begegnen. Der vorliegende Verfassungsschutzbericht warnt nicht nur vor Scientology, sondern benennt auch viele andere extremistische Bestrebungen. Damit gibt er Informationen und Argumente für die politische Auseinandersetzung mit dem Extremismus an die Hand. Ich appelliere an Sie, liebe Hamburgerinnen und Hamburger: Unterstützen Sie den Kampf unseres Hamburger Verfassungsschutzes für unseren demokratischen Rechtsstaat, gegen jede Form von Extremismus. Es gilt, unsere Sicherheit und damit unsere Demokratie und unsere Freiheit entschlossen zu verteidigen. Hier können wir 60 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland auf eine sehr erfolgreiche Geschichte zurückschauen: Antidemokraten von links und von rechts und auch ausländischen Extremisten ist es bislang in keiner Weise gelungen, unsere demokratische Gesellschaft nachhaltig zu beschädigen. Hier haben wir aus dem Scheitern der Weimarer Republik gelernt: Die erste deutsche Demokratie ist unter anderem auch deswegen zu 5 Vorwort Grunde gegangen, weil sie systematisch von rechts und von links bekämpft und schließlich von rechts zerstört wurde. Weimar fehlte in vielen Bereichen die demokratische Basis, zu der auch ein effektives "Frühwarnsystem" wie unser Verfassungsschutz zählt, der früh genug vor antidemokratischen Aktivitäten warnt. Dass unsere Demokratie heute auf so festen Beinen steht, ist auch das Verdienst der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, denen ich für ihre engagierte, erfolgreiche und für die Sicherheit der Menschen in Hamburg unverzichtbare Arbeit an dieser Stelle ausdrücklich danken möchte. Christoph Ahlhaus Präses der Behörde für Inneres der Freien und Hansestadt Hamburg 6 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Impressum 2 Vorwort des Senators Christoph AHLHAUS 3 I. Verfassungsschutz in Hamburg 1. Verfassungsschutz und Demokratie 16 2. Gesetzliche Grundlage 17 3. Aufgaben des Verfassungsschutzes 17 4. Arbeitsweise und Befugnisse des 19 Verfassungsschutzes 5. Informationsverarbeitung 19 6. Kontrolle 20 7. Strukturdaten, Regelanfragen und Überprüfungen 21 8. Organigramm des LfV Hamburg 23 II. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick 26 2. Potenziale 27 3. Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) 29 4. Allgemeines 29 5. Internationaler islamistischer Terrorismus 31 5.1 Aktuelle Entwicklungen 31 5.2 al-Qaida-Netzwerk 33 * Kern-al-Qaida 33 * "al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM) 38 * "al-Qaida im Irak" - "Islamic State of Iraq" (ISoI) 39 * "al-Qaida auf der arabischen Halbinsel" 40 * "Armee der Gläubigen der al-Qaida in Palästina" 41 5.3 "Islamische Jihad-Union" (IJU) 41 5.4 "Lashkar-e Taiba" (LeT) 43 5.5 Anschläge und Anschlagsplanungen in Europa 45 8 Inhaltsverzeichnis 5.6 Prozesse, Ermittlungsverfahren und Festnahmen 45 * National 45 * International 48 5.7 Situation in Hamburg 49 6. Sonstige islamistische Gruppierungen 51 6.1 Transnationale Organisationen 51 * Hizb ut-Tahrir (HuT) 51 * Muslimbruderschaft (MB; JAMA'A IKHWAN 54 AL-MUSLIMIN) * Tablighi Jama'at (TJ) 55 6.2 Palästinensische und libanesische Organisationen 57 * HAMAS (HARAKAT AL-MUQAWAMA AL-ISLA57 MIYYA, Islamische Widerstandsbewegung) * HIZB ALLAH (Partei Gottes) 58 6.3 Iranische Islamisten 60 6.3.1 Allgemeines 60 6.3.2 Anhänger der iranischen "Islamischen Revolution" 62 6.4 Türkische Islamisten 66 6.4.1 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) 66 * Die IGMG in Deutschland 69 * Die IGMG in Hamburg 71 6.4.2 Türkische Hizbullah 73 III. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick 76 2. Potenziale 78 3. Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) 81 4. KONGRA GEL [Volkskongress Kurdistans (früher 82 PKK, Arbeiterpartei Kurdistans)] 4.1 Entwicklungen und Organisatorisches 82 4.2 Aktivitäten und Schwerpunkte in Deutschland 84 4.3 Situation in Hamburg 90 9 Inhaltsverzeichnis 5. Türken 94 Revolutionär-marxistische Gruppierungen 94 * DHKP-C (Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephe, 94 Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) * TKP/ML (Türkiye Komünist Partisi / Marksist 96 Leninist, Türkische Kommunistische Partei / Marxisten Leninisten) und MKP (Maoist Komünist Partisi, Maoistische Kommunistische Partei) * TKP/ML-Partizan (Türkiye Komünist Partisi / 97 Marksist Leninist, Türkische Kommunistische Partei / Marxisten Leninisten) * MKP (Maoist Komünist Partisi, Maoistische 98 Kommunistische Partei) * MLKP (Marksist Leninist Komünist Partisi, 98 Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei) 6. Iraner 99 Iranische Oppositionelle 99 * Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) 99 * Arbeiterkommunistische Partei Iran (API) 102 IV. Linksextremismus 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick 106 2. Potenziale 108 3. Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) 110 4. Linksextremistischer Terrorismus und autonome 112 Militanz 5. Autonome und anarchistische Gruppen 115 5.1 Gruppen und Strukturen in Hamburg 115 * Trefforte und Kommunikationszentren 115 * Rote Flora 116 * AVANTI - Projekt undogmatische Linke 118 * Rote Hilfe e. V. 120 * Antiimperialistischer Widerstand (AIW) 121 * Freie Arbeiter-Union (FAU) 123 5.2 Aktionsfelder 125 5.2.1 "Antirepression" 125 5.2.2 "Antifaschismus" 128 10 Inhaltsverzeichnis 5.2.3 Antirassismus 136 5.2.4 Linksextremistisch beeinflusste Initiativen gegen 140 Stadtentwicklungspolitik 5.2.5 Linksextremistische Einflussnahme auf die 142 Anti-AKW-Bewegung 6. Extremistische Teilstrukturen in der Partei DIE LINKE. 145 * Kommunistische Plattform (KPF) 146 7. Orthodoxe Kommunisten 148 * Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 148 * Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 153 * Marxistische Abendschulen (MASCH) in 154 Hamburg 8. Trotzkisten 155 * "marx21 - Netzwerk für internationalen 156 Sozialismus" (marx 21) * "Sozialistische Alternative" (SAV) 156 9. Marxistische Gruppe (MG) 157 V. Rechtsextremismus 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick 160 2. Potenziale 162 3. Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) 165 4. Volksfront von Rechts 168 5. Aktionistisch orientierte Rechtsextremisten 171 5.1 Bestrebungen in Hamburg und im Umland 172 5.2 Bestrebungen im Bundesgebiet 176 5.3 Aktivitäten 178 6. Subkulturell geprägte und sonstige gewaltbereite 183 Rechtsextremisten 7. Rechtsextremistische Musik 184 8. Rechtsextremistische Parteien 188 8.1 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 188 * Hamburg 191 8.2 Deutsche Volksunion (DVU) 195 * Hamburg 199 11 Inhaltsverzeichnis 9. Sonstige rechtsextremistische Organisationen und 199 Bestrebungen 10. Revisionismus 203 11. Verbot rechtsextremistischer Gruppierungen 211 VI. Scientology-Organisation (SO) 1. Zielsetzungen 216 2. Strukturen und Organisationseinheiten der SO 219 3. Aktivitäten 221 4. Strukturen in Hamburg / Mitgliederzahlen 225 VII. Spionageabwehr 1. Überblick 230 2. Proliferation und Wissenstransfer der Nachrichten231 dienste der "Krisenländer" 3. Wirtschaftsspionage 233 4. Die Nachrichtendienste der Russischen Föderation 235 5. Chinesische Nachrichtendienste 236 6. Nachrichtendienste des Nahen und Mittleren Ostens 237 sowie Nordafrikas VIII. Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz 1. Allgemeines 240 2. Wirtschaftsschutz 240 3. Geheimund Sabotageschutz 241 3.1 Geheimschutz 241 3.1.1 Personeller Geheimschutz in Hamburger öffentlichen 242 Stellen 3.1.2 Personeller Sabotageschutz in Hamburg 243 3.1.3 Materieller Geheimschutz 243 12 Inhaltsverzeichnis IX. Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz 246 * Abkürzungsverzeichnis 277 * Stichwortverzeichnis 284 13 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Verfassungsschutz in Hamburg I. Verfassungsschutz in Hamburg 1. Verfassungsschutz und Demokratie Im Gegensatz zur Weimarer Verfassung, die in ihrem Anspruch, ein Höchstmaß an Freiheit und Demokratie zu garantieren, darauf verzichtet hatte, ausreichende Vorkehrungen gegen ihre eigene Abschaffung zu treffen, enthält das Grundgesetz (GG) - dem Prinzip der wehrhaften Demokratie folgend - Schutzmechanismen gegen Beeinträchtigungen der Verfassung. Hierzu gehören im Wesentlichen: * Die Unabänderlichkeit der in den Artikeln 1 und 20 GG niedergelegten elementaren Verfassungsgrundsätze, * Das Verbot von Parteien und sonstigen Vereinigungen wegen verfassungswidriger Aktivitäten (Artikel 9 Abs. 2 und Artikel 21 Abs. 2 GG), * Die Verwirkung von Grundrechten, wenn diese zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht werden (Artikel 18 GG), * Die Pflicht der Angehörigen des Öffentlichen Dienstes zur Verfassungstreue (Artikel 5 Abs. 3 und Artikel 33 Abs. 5 GG in Verbindung mit den beamtenrechtlichen Vorschriften), * Die Verfolgung von Straftaten, die sich gegen den Bestand des Staates oder gegen die Verfassung richten (Staatsschutzdelikte). Ziel ist der Schutz der Werteentscheidungen der Verfassung. Zu ihren höchsten Werten zählen * die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten * die Volkssouveränität * die Gewaltenteilung * die Verantwortlichkeit der Regierung * die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung * die Unabhängigkeit der Gerichte * das Mehrparteienprinzip 16 Verfassungsschutz in Hamburg * die Chancengleichheit für alle politischen Parteien und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder dienen der Gewährleistung dieser Verfassungsgrundsätze. Zentrale Aufgabe des Verfassungsschutzes ist die Beobachtung von Bestrebungen und Tätigkeiten, die die Werteentscheidungen der Verfassung beseitigen oder außer Geltung setzen wollen und/oder den Bund, die Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen beabsichtigen [vgl. SS 1 Abs. 1, SS 4 und SS 5 des Hamburgischen Verfassungsschutzgesetzes (HmbVerfSchG, IX.) sowie Artikel 73 Nr. 10 b und Artikel 87 Abs. 1 Satz 2 GG, SS 2 Abs. 2 Bundesverfassungsschutzgesetz]. Wegen seines Auftrags, frühzeitig politisch-extremistische Bestrebungen zu erkennen, ist der Verfassungsschutz ein "Frühwarnsystem" der Demokratie. 2. Gesetzliche Grundlage Das Hamburgische Verfassungsschutzgesetz ist die wichtigste gesetzliche Grundlage für die Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV). Der Verfassungsschutz ist, wie jede andere Behörde auch, bei der Erfüllung seiner Aufgaben an Gesetz und Recht gebunden und muss bei Eingriffen in die Rechte der Bürger den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. 3. Aufgaben des Verfassungsschutzes Hauptaufgabe des LfV ist nach SS 4 Abs. 1 HmbVerfSchG die Sammlung und Auswertung von Informationen über * Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der verfassungsmäßigen Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben, 17 Verfassungsschutz in Hamburg * sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht in der Bundesrepublik Deutschland, * Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, * Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Art. 9 Abs. 2 GG), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Art. 26 Abs. 1 GG) gerichtet sind. Das Landesamt wertet die mit offenen oder mit nachrichtendienstlichen Mitteln ( Ziff. I., 4) gewonnenen Erkenntnisse aus und informiert über entsprechende Gefahren. Neben seiner Informationsverpflichtung gegenüber dem Senat und der Weitergabe von Informationen an andere staatliche Stellen informiert das LfV mit seinem jährlichen Verfassungsschutzbericht, mit weiteren Publikationen und Pressemitteilungen sowie aktuellen Berichten auf seiner Internetseite auch die Öffentlichkeit über die Ergebnisse seiner Arbeit - soweit diese offen dargestellt werden können. Extremisten können leichter nachhaltige Erfolge erzielen, wenn es ihnen gelingt, die Bürger über ihre wirklichen Absichten zu täuschen. Verfassungsschutz durch Information der Öffentlichkeit ist daher ein wichtiges Anliegen. Beobachtungsfelder sind Rechtsund Linksextremismus, extremistische Bestrebungen von LfV Ausländern sowie die Spionagetätigkeit fremder Geheimdienste. Einen besonderen Beobachtungsschwerpunkt bilden seit 2001 der Islamismus und der islamistische Terrorismus. Anders als die Polizei befasst sich der Verfassungsschutz nicht nur mit Straftaten und sonstigen konkreten Gefahren, sondern er setzt mit seiner Beobachtungstätigkeit bereits im "Vorfeld" dieser Phänomene an. Wirtschafts-, Geheimund Sabotageschutz gehören zu den weiteren Aufgaben des Verfassungsschutzes. 18 Verfassungsschutz in Hamburg 4. Arbeitsweise und Befugnisse des Verfassungsschutzes Die Informationen, die das LfV zur Wahrnehmung seiner Aufgaben benötigt, beschafft es z.T. aus offen zugänglichen Quellen, die grundsätzlich jedem Bürger auch zur Verfügung stehen, z.B. aus Zeitungen, dem Internet, aus Zeitschriften, Broschüren, Flugblättern, Archiven und anderen Medien sowie aus Unterlagen anderer staatlicher Stellen. Neben der offenen Informationsgewinnung darf das LfV auch Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln "verdeckt" erheben. Zu diesen Mitteln, die in SS 8 Abs. 2 HmbVerfSchG ( IX) aufgezählt sind, gehören z.B. die Führung von verdeckt eingesetzten Personen, die Observation, Bildund Tonaufzeichnungen und - nach Maßgabe des "Art.10-Gesetzes" - die Überwachung des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs. Im Jahre 2002 wurden im Rahmen der Umsetzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes die Befugnisse des Landesamtes in wichtigen Punkten erweitert. Hierzu zählt u.a. das Mittel der Finanzermittlung, um z.B. Geldtranfers im Zusammenhang mit der Finanzierung des islamistischen Terrorismus aufdecken zu können. Das LfV darf nicht an eine polizeiliche Dienststelle angegliedert werden. Ihm stehen weder polizeiliche Befugnisse noch Weisungsbefugnisse gegenüber polizeilichen Dienststellen zu noch darf es die Polizei im Amtshilfeweg veranlassen, Maßnahmen zu ergreifen, zu denen es selbst nicht befugt ist ("Trennungsgebot"). Das schließt einen Informationsaustausch zwischen Polizei und Verfassungsschutz nicht aus, im HmbVerfSchG ist dies im Detail geregelt. 5. Informationsverarbeitung Die Verfassungsschutzbehörden sammeln und speichern sachund personenbezogene Daten über extremistische Bestrebungen sowie sicherheitsgefährdende und geheimdienstliche Tätigkeiten. Zu den Instrumenten der gegenseitigen Unterrichtung der Verfassungsschutzbehörden zählen unter anderem gemeinsame Dateien. Die "klassische" gemeinsame Datei ist das bundesweite Nachrichtendienstliche Infor19 Verfassungsschutz in Hamburg mationssystem (NADIS, Zahl der Hamburger Speicherungen: I., 7), das sich im Stadium einer grundlegenden Neukonzeption befindet. NADIS ist eine allen Verfassungsschutzbehörden zur Verfügung stehende Datenbank, in der jede Verfassungsschutzbehörde biographische Grunddaten von Personen und Objekten in eigener Verantwortung speichert. NADIS enthält aber keine Einzelerkenntnisse über die dort gespeicherten Personen, sondern nur Hinweise auf Aktenfundstellen. Um Näheres über die Person zu erfahren, muss die speichernde Verfassungsschutzbehörde in einem zweiten Schritt um Übermittlung Microsoft / LfV der Einzelerkenntnisse gebeten werden. Zugriff auf die gespeicherten Daten haben ausschließlich die Verfassungsschutzbehörden. Sie sind verpflichtet, diese Daten in bestimmten Fristen daraufhin zu prüfen, ob ihre weitere Speicherung noch erforderlich ist. Ist dies nicht der Fall, werden die Daten gelöscht. Am 30.03.07 wurde die Arbeit mit einer gemeinsamen zentralen "Antiterrordatei" (ATD) aufgenommen und zum Anfang des Jahres 2008 im HmbVerfSchG die Möglichkeit eingeräumt, mit den anderen Bundesund Landesicherheitsbehörden gemeinsame Projektdateien zu betreiben. Mit diesen Dateien werden die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden unterstützt und der Informationsaustausch verbessert. Dabei stellt das "Antiterrordateigesetz" sicher, dass die Anforderungen des Quellenund Geheimhaltungsschutzes ebenso beachtet werden wie datenschutzrechtliche Belange. Projektdateien unterstützen befristete gemeinsame Projekte der Sicherheitsbehörden. 6. Kontrolle Der Verfassungsschutz ist an klare gesetzliche Vorgaben gebunden, und seine Arbeit unterliegt parlamentarischer Kontrolle. In Hamburg wird diese Aufgabe vom "Ausschuss zur parlamentarischen Kontrolle des Senats auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes" (verkürzt auch "PKA" für "Parlamentarischer Kontrollausschuss" genannt) der Hamburgischen Bürgerschaft wahrgenommen. Bei Eingriffen in das Post20 Verfassungsschutz in Hamburg und Fernmeldegeheimnis entscheidet die G 10-Kommission der Bürgerschaft. Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte hat ebenfalls umfängliche Kontrollbefugnisse, z.B., ob die Prüfungsund Löschungsfristen im NADIS beachtet werden. Wie bei allen anderen Behörden ist auch das Verwaltungshandeln des Verfassungsschutzes grundsätzlich gerichtlich nachprüfbar. 7. Strukturdaten, Regelanfragen und Überprüfungen STELLENPLAN Nach den Terroranschlägen vom 11.09.01 in den USA war der Personalbestand des LfV mit dem Stellenplan 2002 zunächst um 15,5 Stellen aufgestockt worden. Im Jahr 2003 waren es 135 und 2004 140 Stellen. Ihre Zahl war 2005 auf 144 gestiegen und blieb 2006 unverändert. Mit dem Stellenplan 2007 hat sich der Bestand auf 148 erhöht und blieb im Jahr 2008 unverändert. HAUSHALTSANSATZ Im Jahr 2008 betrug der Haushaltsansatz für das LfV insgesamt 11.589.000 EUR (2007: 11.562.000 EUR). Darin enthalten waren 8.966.000 EUR (2007: 8.939.000 EUR) für Personalausgaben. HAMBURGER NADIS-SPEICHERUNGEN Vom LfV waren am 31.12.08 im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS, I.,5) Daten von 31.124 Personen gespeichert (31.12.07: 23.543), davon 23.520 (75,57%) im Zusammenhang mit Sicherheitsüberprüfungen (31.12.07: 15.659 = 66,51%). EINBÜRGERUNGSVERFAHREN Mit Wirkung vom 22.10.01 wurde in Hamburg die Regelanfrage bei Einbürgerungen eingeführt: Das Einwohner-Zentralamt als Einbürgerungsbehörde fragt vor jeder Entscheidung beim LfV nach, ob Erkenntnisse vorliegen, die einer Einbürgerung entgegenstehen könnten. Vor Einführung dieser Regelung wurde nur angefragt, wenn bereits der Einbürgerungsbehörde Anhaltspunkte für den Verdacht auf politischextremistische Bestrebungen aufgefallen waren. 21 Verfassungsschutz in Hamburg 2008 gab es 5.434 Anfragen (2007: 4.966), die nach einer Dateiabfrage im NADIS (s.o.) und ggf. weiteren Ermittlungen beantwortet wurden. Im Jahr 2008 wurden in 10 Fällen (2007: 17 Fälle) vom Verfassungsschutz Bedenken gegen eine Einbürgerung erhoben. Sie führen in der Regel zur Ablehnung des Antrags. AUFENTHALTSVERFAHREN Seit dem 01.05.04 führen die Ausländerdienststellen bei Personen aus bestimmten Herkunftsländern vor Erteilung oder Verlängerung von Aufenthaltstiteln eine Sicherheitsbefragung durch. In jedem Fall wird auch das LfV beteiligt. Im Jahr 2008 wurden 4.332 Anfragen beantwortet (2007: 4.352). In 21 Fällen (2007: 80) wurden weitere Ermittlungen angestellt, Bedenken mussten jedoch in keinem Fall erhoben werden (2007: Fünf Fälle). SCHENGENER VISUMVERFAHREN Im Jahr 2008 gab es im "Schengener Visumverfahren" 366 Anfragen an das LfV (2007: 484). In 14 Fällen wurden Bedenken erhoben (2007: 30), denen entsprochen wurde. Das Verfahren wird ausgelöst, wenn der Antragsteller aus einem "Problemstaat" stammt. In das Verfahren eingebunden sind das Auswärtige Amt, das Bundesamt für Verfassungsschutz und ggf. die Verfassungsschutzbehörde des jeweiligen Bundeslandes. SICHERHEITSUND ZUVERLÄSSIGKEITSÜBERPRÜFUNGEN Im Jahr 2008 hat das LfV Hamburg 798 Sicherheitsüberprüfungen im Rahmen des sog. Personellen Geheimschutzes ( VIII., 3.1.1) bearbeitet (2007: 944). Im Jahr 2008 wurden 9.115 Personen (2007: 12.011) aus dem Bereich des Hamburger Flughafens unter Mitwirkung des LfV auf ihre Zuverlässigkeit überprüft. Diese Aufgabe gehört zum sog. Personellen Sabotageschutz ( VIII.,3.1.2). Im Rahmen des Hafensicherheitsgesetzes wurden 2008 59 Zuverlässigkeitsüberprüfungen ( VIII.,3.1.2) vorgenommen (2007: 25). 22 8. Amtsleiter Abteilung 1 Abteilung 2 Abteilung 3 Staatsschutz Abwehr Zentrale Aufgaben (Stellv. Amtsleiter) Rechtsangelegenheiten Referat V 21 Referat V 31 Referat V 11 Auswertung Wirtschaftsschutz; Verwaltung Ausländerextremismus Geheimund Öffentlichkeitsarbeit Sabotageschutz Referat V 22 Auswertung Referat V 12 Referat V 32 Linksextremismus IuK, Techn. Dienst Spionageaufklärung Rechtsextremismus Scientology-Organisation Organigramm des LfV Hamburg Referat V 23 Referat V 13 Beschaffung Operative Technik Forschung / Werbung Referat V 24 Observation Konspirative Ermittlung Verfassungsschutz in Hamburg 23 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten II. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick Die Bedrohung der inneren Sicherheit durch den internationalen islamistischen Terrorismus hielt 2008 unverändert an, auch wenn im Gegensatz zu den Vorjahren im Berichtsjahr in Deutschland keine konkreten Anschlagsplanungen oder -vorbereitungen festgestellt wurden und es zu keinen Anschlagsversuchen kam. Die Bundesrepublik Deutschland liegt, wie andere westliche Industrienationen, aufgrund ihrer Beteiligung am weltweiten Antiterrorkampf und ihres auch militärischen Engagements in Afghanistan weiterhin im Zielspektrum gewaltbereiter islamistischer GruppieSymbolfoto rungen. Hervorzuheben ist vor allem die deutliche Zunahme von Anschlägen, auch Selbstmordanschlägen, auf Angehörige der Bundeswehr in Afghanistan. Zwar sind in erster Linie muslimische Länder und dort u.a. Einrichtungen und Interessen westlicher Staaten von terroristischer Gewalt betroffen, es muss aber weiter davon ausgegangen werden, dass al-Qaida ( 5.2) oder andere mit ihr verbundene Terrorgruppen Anschläge in Europa und damit auch in Deutschland planen. Die Beobachtung des weltweiten Netzwerkes islamistischer Terroristen bleibt daher zentrale Aufgabe des Verfassungsschutzes. Neben der Beobachtung von Radikalisierungsprozessen, die bei einzelnen Islamisten auch in eine direkte Beteiligung an terroristischen Handlungen im Inund Ausland münden können, hat vor allem die Aufklärung entsprechender personeller Strukturen und Unterstützungshandlungen etwa in Form von finanziellen Leistungen, logistischer Unterstützung oder Propaganda höchste Priorität. 26 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Auch in Hamburg leben Islamisten, die der Jihad-Ideologie anhängen (Jihadisten). Zu den sonstigen Gewalt befürwortenden Gruppen, die in Hamburg aktiv sind, gehören u.a. die multiethnische "Hizb ut-Tahrir" (HuT, 6.1) und die "Türkische Hizbullah" (TH, 6.4.2). Eine Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung geht aber auch von gewaltfreien islamistischen Organisationen aus. Hier ist in erster Linie die mitgliederstärkste Organisation dieses Spektrums, die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs" (IGMG, 6.4.1), zu nennen. Zwar beteuert die IGMG, auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen, es gibt jedoch weiterhin Anhaltspunkte für den Verdacht, dass sich an ihrer islamistischen Grundhaltung bisher nichts Entscheidendes verändert hat. Zumindest gilt dies für große Teile der IGMG in Deutschland, die sich insbesondere dem Führer der Milli Görüs-Bewegung, Necmettin ERBAKAN, weiterhin verbunden fühlen. Neben den erwähnten sunnitisch-islamistischen Gruppen und Vereinigungen existieren in Hamburg auch islamistische Strukturen schiitischer Ausrichtung. Kristallisationspunkt der Schiiten ist das iranisch geprägte "Islamische Zentrum Hamburg" (IZH Foto, 6.3.2). Hier verkehren auch Anhänger der schiitischen "Hizb Allah" ( 6.2). 2. Potenziale Das bundesweite Potenzial der Anhänger islamistischer Bestrebungen hat sich auf 34.720 Personen (2007: 33.170) erhöht. Diese Steigerung resultiert auch aus dem Anwachsen der Mitgliederzahl der türkischen IGMG ( 6.4.1), der 2008 etwa 27.500 Personen zugerechnet worden sind (2007: 27.000). Diese Zahlen allein sind kein hinreichender Indikator für Gefahren, die von Islamisten für die innere Sicherheit ausgehen. Insoweit geht mit dem Anwachsen des Potenzials nicht automatisch eine höhere Gefährdung einher. 27 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Bund: Gesamt-Personenpotenzial im Ausländerextremismus mit dem Anteil der Islamisten 60000 59.700 58.800 59.100 57.350 57.300 57.520 57.420 57.300 58.420 59.470 50000 40000 30000 31.350 31.450 31.950 30.600 30.950 31.800 32.100 32.050 33.170 34.720 20000 10000 0 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Ausländerextremisten davon insgesamt Islamisten - Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet - In Hamburg wurden - zum Stichtag 31.10.08 - 2.005 Personen dem islamistischen Potenzial zugerechnet (Vorjahr: 2.030). Davon gehören allein 1.600 der IGMG ( 6.4.1) an, deren Mitgliederzahl in Hamburg gegenüber 2007 unverändert blieb. Der Teil des islamistischen Gesamtpotenzials, der als gewaltbereit eingeschätzt wird, umfasst 200 Personen (2007: 210). Informationen über extremistische Ausländer, die keine Islamisten sind, enthält das Kapitel III des vorliegenden Berichtes "Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamisten)". 28 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Hamburg: Gesamt-Personenpotenzial im Ausländerextremismus mit dem Anteil der Islamisten 3500 3000 2500 2.590 2.630 3.055 3.265 3.000 3.000 2.985 2000 1500 1.200 1.300 1.600 2.000 2.000 2.030 2.005 1000 500 0 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Ausländerextremisten insgesamt Islamisten - Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet - 3. Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) Politisch motivierte Straftaten von Islamisten wurden 2008 in Hamburg nicht festgestellt. Die Relevanz politisch motivierter Kriminalität von Islamisten macht sich allerdings nicht an den Fallzahlen fest, sondern an der möglichen Schwere eines gelungenen Anschlages. Allerdings fallen Personen aus dem islamistischen Spektrum nicht selten durch allgemein-kriminelle Delikte auf. Da es zwischen dem islamistischen und dem allgemein-kriminellen Milieu Schnittmengen gibt, sind die Motive für die Straftaten (Schleusungen, Fälschungsdelikte u.a.) in diesem Bereich häufig nicht eindeutig zu klären. 4. Allgemeines Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder haben die gesetzliche Aufgabe, extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen zu beobachten. Hierzu gehören auch solche politischen 29 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Bestrebungen, die sich auf den Islam berufen und daher als islamistisch bezeichnet werden. Dabei ist zwischen dem Islam als Religion und dem Islamismus als Ideologie auf religiöser Basis deutlich zu unterscheiden. Islamisten streben die Übertragung ihrer als absolut gesetzten religiösen Werte und Ordnungsvorstellungen auf alle Bereiche des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens an und stellen sich damit gegen die Werte und Grundprinzipien unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Unterschiede zwischen den verschiedenen islamistischen Organisationen bestehen sowohl in ideologischer Hinsicht als auch in der Vorgehensweise, d.h. insbesondere in der Frage der Legitimation von Gewalt. Die Verfassungsschutzbehörden unterscheiden daher zwischen gewaltfreien und gewaltbereiten bzw. -befürwortenden Organisationen. Gewaltfreie Organisationen stellen den größten Teil der Islamisten in Deutschland und in Hamburg. Ihr Ziel, die eigenen Vorstellungen vom Islam politisch umzusetzen, verfolgen sie mit legalen Mitteln. Aber auch sie streben eine Staatsund Gesellschaftsordnung an, die mit unserer Verfassung nicht in Einklang zu bringen ist. Gewaltbefürwortende bzw. -bereite Organisationen rechtfertigen die Anwendung von Gewalt zum Erreichen politischer Ziele. Sie bejahen grundsätzlich die Legitimität des bewaffneten Jihad (Heiliger Krieg) als Mittel des politischen Kampfes. Neben al-Qaida ( 5.2) und den mit ihr vernetzten Strukturen gehöSymbolfoto ren regional verwurzelte Organisationen wie die HAMAS ( 6.2) oder transnational operierende Bewegungen wie die "Hizb ut-Tahrir" ( 6.1) zu diesem Spektrum. Das gilt auch für unorganisierte Gruppen und Einzelpersonen, die islamistisch motivierte Gewalttaten verüben oder gewalttätige Bestrebungen im Inoder Ausland unterstützen. 30 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten 5. Internationaler islamistischer Terrorismus 5.1 Aktuelle Entwicklungen Insbesondere die angespannte Bedrohungslage für die Bundeswehr in Afghanistan hat deutlich gemacht, dass Deutschland und deutsche Interessen zunehmend im Blickfeld islamistischer Gewalttäter stehen. 2008 wurden drei gezielte Selbstmordattentate auf Bundeswehrangehörige verübt. Während beim ersten Selbstmordanschlag am 31.08.08 außer dem Attentäter keine Personen zu Schaden kamen, wurden beim zweiten Anschlag am 20.10.08 ebenfalls in der Nähe von Kunduz im Nordosten Afghanistans zwei deutsche Soldaten und fünf afghanische Kinder getötet. Der Attentäter hatte sich mit einem Fahrrad, an dem ein Sprengsatz befestigt war, einem als Straßensperre eingesetzten deutschen Fahrzeug genähert und den Sprengsatz ausgelöst. Zu dem Anschlag bekannten sich die Taleban. Der letzte Selbstmordanschlag, bei dem deutsche Soldaten und Zivilpersonen verletzt wurden, ereignete sich am 16.11.08 in der Provinz Baghlan. Auch hierfür liegt eine Tatbekennung der Taleban vor. Auch wenn es in Deutschland 2008 zu keinen Anschlagsversuchen kam, zeigen die hohe Zahl der Strafverfahren gegen Jihadisten und die Zahl der bisher vereitelten Anschläge in Deutschland, dass die gewaltbereite islamistische Szene keineswegs untätig ist. Auch für Deutschland ist das Phänomen des sogenannten homegrown terrorism festzustellen. Die Sicherheitsbehörden registrieren innerhalb des islamistisch-jihadistischen Spektrums einen wachsenden Anteil von jungen Männern, die in Deutschland geboren und sozialisiert wurden, sowie von deutschstämmigen Konvertiten. Zwar ist bei all diesen Personen der ideologische Einfluss al-Qaidas nachweisbar, eine organisatorische Verbindung zu dieser oder anderen international operierenden terroristischen Gruppen besteht jedoch häufig nur indirekt. Zu beobachten ist, dass sich bestehende Gruppen und Strukturen verselbständigen und teilweise völlig autonom agieren, d.h. ohne unmittelbare Führung und Anleitung von außen. Eine wichtige Rolle für die ideologische Verfestigung solcher Strukturen spielt dabei das Internet. Die Zahl islamistischer und islamistischterroristischer Internetseiten geht mittlerweile in die Tausende. Die 31 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten flutartige Verbreitung islamistisch-jihadistischer Propaganda ist ohne das Internet nicht vorstellbar. Damit wächst auch die Gefahr, dass hierfür anfällige Muslime indoktriniert und radikalisiert werden. Das Internet ermöglicht außerdem die Bildung virtueller Netzwerke, die durch zum Teil abgeschottete Diskussionsforen und Chats sowie E- Mail und Internet-Telefonie miteinander kommunizieren. Die dabei teilweise angewendeten Verschlüsselungstechnologien stellen die Sicherheitsbehörden vor neue Herausforderungen, zumal diese Kommunikationsmöglichkeiten auch für die Planung terroristischer Aktivitäten genutzt werden können. Eine der wichtigsten Internetplattformen, in denen jihadistische Inhalte einschließlich konkreter Drohungen verbreitet werden, ist die "Global Islamic Media Front" (Globale islamische Medienfront, GIMF), die seit Mai 2006 auch über einen deutschsprachigen Ableger verfügt. Im Juli 2008 schloss die deutschsprachige GIMF allerdings ihr Online-Forum. In einer am 21.07.08 veröffentlichten Erklärung schrieben die Verantwortlichen, dass die Nutzer das Forum für zu unsicher hielten und sich wegen der wenigen Interessenten die Fortführung des Forums nicht mehr lohne. Ersatz leisten sollte ein Blog, auf dem weiterhin Meldungen aus der Welt des militanten Jihad zu finden sein sollten. Der Rückgang der Nutzerzahlen und die daraus resultierende Schließung des Forums dürften maßgeblich auf die Verhaftung der ehemaligen GIMF-Verantwortlichen am 12.09.07 in Wien zurückzuführen sein ( 5.6). Neben der GIMF gehört das "al-Ansar Media Battalion" (AAMB) zu den bekannteren jihadistischen Internetforen. Dort werden hauptsächlich Videos eingestellt, aber auch Texte von jihadistischen Ideologen. Generell ist zu beobachten, dass verstärkt Anstrengungen unternommen werden, jihadistische Propaganda einem deutschsprachigen Publikum zugänglich zu machen. Die Verbreitung entsprechender Audiound Videobotschaften nimmt weiter zu. 32 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten 5.2 al-Qaida-Netzwerk Kern-al-Qaida Der internationale islamistische Terrorismus ist nach wie vor eng mit dem Namen al-Qaida (Die Basis) verbunden. Ihren Anspruch auf die ideologische Führerschaft im globalen Jihad macht die Organisation aber mittlerweile vorwiegend mit ihrer über das Internet verbreiteten Medienpropaganda geltend. Die Kern-al-Qaida, d.h. die Führungsebene des Terrornetzwerkes, verfügt zwar in der afghanisch-pakistanischen Grenzregion noch immer über funktionsfähige Strukturen, dort halten sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ihre führenden Köpfe, Usama BIN LADEN und Aiman AZ-ZAWAHIRI, auf. Hinsichtlich ihrer operativen Fähigkeiten scheint sie jedoch Einschränkungen hinnehmen zu müssen, insbesondere was die Steuerung von Anschlagsplanungen betrifft. Der starke Verfolgungsdruck und der Verlust wichtiger Akteure und Führungspersonen durch gezielte militärische Operationen zwingen die Organisation zudem dazu, sich ständig strukturell anzupassen. Trotz dieser Maßnahmen kann von einer nachhaltigen Zerschlagung nicht gesprochen werden. Die sich weiter verschlechternde Sicherheitslage in Afghanistan und im Nordwesten Pakistans sowie das Erstarken der Taleban begünstigen auch die zukünftigen Handlungsmöglichkeiten al-Qaidas. Es muss daher weiter davon ausgegangen werden, dass die Terrororganisation Anschläge gegen westliche Interessen in der Region und weltweit plant. Das anhaltende Interesse an der Rekrutierung und Ausbildung westlicher Muslime zeigt, dass al-Qaida nach wie vor versucht, ihre internationale Handlungsfähigkeit zu sichern. Von großer Bedeutung ist für die Terrorgruppe die weitere Beteiligung am Jihad in Afghanistan. Die gesamte Führung hat sich öffentlichkeitswirksam dem Taleban-Führer Mullah OMAR (Foto) untergeordnet. Neben der Kern-al-Qaida existieren offizielle Regionalorganisationen im Irak ("al-Qaida im Irak", s.u.), im Maghreb ("al-Qaida im islamischen Maghreb", s.u.), in Saudi-Arabien ("al-Qaida auf der arabischen Halbinsel", s.u.), im Jemen ("al-Qaida im Jemen", s.u.) und in Palästina ( s.u.) sowie weitere Gruppen, u.a. in Somalia, die 33 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Anschluss an dieses Netzwerk suchen. Wie im Januar 2009 bekannt wurde, haben sich die Mujahidin in Saudi-Arabien (bislang organisiert als "al-Qaida auf der arabischen Halbinsel", s.u.) und Jemen (bislang organisiert als "al-Qaida im Jemen", s.u.) jüngst unter der Führung des jemenitischen al-Qaida-Anführes unter dem Namen "al-Qaida auf der arabischen Halbinsel" zusammengeschlossen. Aufgrund des attraktiven Etiketts "al-Qaida" traten in den letzten Jahren auch in Ägypten, im Sudan und in Syrien militante Kreise unter dem Namen "al-Qaida" auf. Die Organisation verfügt weltweit über ein quantitativ nur schwer einschätzbares Potenzial von Anhängern, die sich der Ideologie des gewaltsamen Jihad verschrieben haben. AlQaida vermittelt so das Bild einer am gemeinsamen Ziel des globalen Jihad orientierten, aber dennoch unabhängig voneinander agierenden Netzwerkstruktur einzelner Terrorgruppen, die sich möglicherweise nur anlassbezogen zusammenfinden und in eigener Abschätzung ihrer Handlungsfähigkeit sowie der logistischen Möglichkeiten in den Dienst von al-Qaida stellen. BIN LADEN und AZ-ZAWAHIRI fungieren dabei in erster Linie als Ideenund Inspirationsgeber sowohl für die mit der Kern-al-Qaida verbundenen regionalen Organisationen als auch für unabhängige terroristische Gruppen und Zellen, die im Geiste al-Qaidas handeln, organisatorisch mit ihr aber nicht verbunden sind. Auch 2008 wandten sich BIN LADEN und AZ-ZAWAHIRI wiederholt in zahlreichen Audiound Videobotschaften an die Öffentlichkeit. Die Veröffentlichungen, die auf einschlägigen Internetseiten zu finden sind oder von arabischen Sendern ausgestrahlt werden, sind professionell gestaltet und werden durch eine eigene Propagandaabteilung verbreitet, die sich "as-SahabMedia" nennt. In einer Audiobotschaft vom 19.03.08 ging BIN LADEN (Foto) auf die erstmals Anfang 2006 und 2008 erneut veröffentlichten Mohammad-Karikaturen ein und bezeichnete diese als Angriff auf den Islam, der schwerer wiege als Anschläge, 34 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten bei denen Frauen und Kinder getötet würden. Die Veröffentlichung sei ein Beleg für die Fortsetzung des Krieges gegen die Muslime. Im Mai 2008 meldete sich der al-Qaida-Führer anlässlich des 60. Jahrestages der Gründung Israels zu Wort. Den Regierungen der islamischen Länder warf er erneut vor, zu wenig zur Befreiung Palästinas zu unternehmen. Sie seien lediglich Befehlsempfänger des Westens und daher legitime Ziele im Jihad. Im Dezember 2007 hatte Aiman AZ-ZAWAHIRI (Foto) in einem Interview mit dem al-Qaida-Medienzentrum as-Sahab dazu aufgefordert, Fragen an ihn zu stellen, die er dann in den einschlägigen Internet-Foren beantworten würde. Eine gleichlautende Aufforderung erging auch an die Medien. Nachdem am 02.04.08 ein erster Teil seiner Antworten veröffentlicht worden war, folgte am 22.04.08 der zweite Teil der Audiobotschaft mit dem Titel "Offene Begegnung mit Shaikh Aiman AZ-ZAWAHIRI", der in diversen jihadistischen Internetforen verbreitet wurde. Die Antworten AZ-ZAWAHIRIs beinhalteten vielfach nur Wiederholungen aus vorangegangenen Botschaften und Stellungnahmen. Gerichtet an die Muslime in Europa führte er u.a. aus, dass es an ihnen sei, die individuelle Pflicht zum Jihad zu erfüllen und alles zu tun, die muslimischen Gebiete zu befreien. In einer Auflistung von JihadSchauplätzen nannte AZ-ZAWAHIRI neben Palästina, Irak, Afghanistan, Tschetschenien und Saudi-Arabien auch "al-Andalus" (Andalusien) sowie die beiden spanischen Exklaven Ceuta und Melilla. Priorität hat für ihn ein Einsatz als Kämpfer, mehrmals wies er allerdings auch darauf hin, dass finanzielle Unterstützung von Nöten sei. Außerdem könne man den Jihad unterstützen, wenn man über besondere Fähigkeiten, z.B. in der Medienarbeit, verfüge. Muslime in Nordamerika und Europa sollten laut AZ-ZAWAHIRI über sichere Kanäle mit den Mujahidin Kontakt aufnehmen, um ihr Vorgehen mit diesen abzustimmen. Sollte dies nicht möglich sein, gebe es mehrere Alternativen: Man könne allein oder in Kleingruppen den Kampf aufnehmen oder sich zu den Mujahidin begeben und sich ihnen anschließen. 35 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Wer sich in die Kampfgebiete aufmachen wolle, brauche keine besondere Vorbereitung, da die Mujahidin für die politische, islamrechtliche und militärische Ausbildung sorgen würden. AZ-ZAWAHIRIs Worte an die Muslime in Nordamerika und Europa sollen den Eindruck erwecken, in diesen Regionen gingen Vorbereitungen zu terroristischen Aktivitäten voran. Unabhängig davon, ob dies den Tatsachen entspricht oder nicht, wird somit zumindest indirekt eine Drohkulisse gegenüber Nordamerika und Europa aufgebaut. Wie BIN LADEN ging auch der al-Qaida-Vize auf die "Beleidigung des Propheten" durch die Mohammad-Karikaturen ein und erklärte, es sei die Pflicht eines jeden Muslims, Dänemark jeden nur möglichen Schaden zuzufügen. Alle Länder, die "den Propheten beleidigt" hätten, müssten bestraft werden. Diesem Aufruf wurde bald darauf Folge geleistet. Am 02.06.08 wurden bei einem Autobombenanschlag auf die dänische Botschaft in Islamabad (Foto) mindestens sechs Menschen getötet und mehrere Dutzend Personen verletzt. Das präparierte Fahrzeug konnte trotz verschärfter Sicherheitsvorkehrungen vor der Botschaft von den Terroristen DPA gesprengt werden. Am 04.06.08 wurde eine Mitteilung veröffentlicht, nach der sich al-Qaida zu dem Anschlag bekannte. Dieser sei ein Racheakt für die Veröffentlichung der Mohammad-Karikaturen in der dänischen Presse gewesen. Anstatt sich für diese Verunglimpfung zu entschuldigen, habe Dänemark die Karikaturen noch ein zweites Mal veröffentlicht. Der Anschlag sei auch Ergebnis des Versprechens BIN LADENs, dass auf Worte Taten folgen würden und die Verunglimpfung des Propheten nicht ungestraft bleiben dürfe. Dänemark müsse seine Taten bereuen und sich entschuldigen, sonst würden weitere Aktionen folgen. Betont wurde, dass pakistanische Mujahidin bei der Vorbereitung des Anschlages eine besondere Rolle gespielt hätten. Vor diesem Hintergrund muss auch eine sich explizit gegen Deutschland richtende Videobotschaft al-Qaidas sehr ernst genommen werden, die am 17.01.09 auf einem jihadistischen Internetportal gesichert 36 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten wurde. Das ca. 30-minütige, von as-Sahab-Media produzierte Video mit dem Titel "Das Rettungspaket für Deutschland" wurde vermutlich Ende 2008 fertiggestellt, ein Teil des Videos ist auf Ende Oktober 2008 datiert. Bei dem in dem Video auftretenden Mann, der als "alHafidh Abu Talha der Deutsche" bezeichnet wird, handelt es sich um den aus Bonn stammenden deutsch-marrokanischen al-Qaida-Anhänger Bekkay HARRACH, der sich 2007 nach Pakistan abgesetzt hatte. Seine Ansprache hält HARRACH auf Deutsch - eingeblendet werden arabische Untertitel. Darin fordert er Deutschland auf, die Bundeswehr aus Afghanistan abzuziehen. Ansonsten würden die Deutschen von alQaida und den Taleban in Afghanistan nicht verschont werden. Konkret wird mit dem Einsatz von Autobomben gedroht. Zudem äußert HARRACH den Wunsch, sich "für Allah in die Luft zu sprengen". Zwar wurden auch in der Vergangenheit immer wieder Drohbotschaften gegen Deutschland veröffentlicht, die ausschließliche Adressierung an Deutschland stellt jedoch eine Besonderheit dar. Sie lässt angesichts der spezifischen Auseinandersetzung mit dem deutschen Engagement in Afghanistan befürchten, dass al-Qaida einen oder mehrere größere Terroranschläge gegen deutsche Einrichtungen und Interessen insbesondere in Afghanistan plant. Zu den schwersten Anschlägen, die im Jahr 2008 - neben den Terrorangriffen am 26.11.08 in Mumbai (früher Bombay, 5.4) - auf das Konto von al-Qaida-inspirierten Terrorgruppen gingen, gehörte der Bombenanschlag vom 21.09.08 auf das vorwiegend von Ausländern, 37 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten insbesondere Amerikanern, frequentierte Marriott-Hotel (Foto) in Islamabad, bei dem ein mit Sprengstoff beladener LKW eingesetzt wurde. Obwohl dieser die Sicherheitsabsperrungen vor dem Hotel nicht überwinden konnte, wurden die Front des Hotels durch die Druckwelle zerstört und ein Brand ausAP gelöst, der das Gebäude nahezu komplett zerstörte. Bei dem Anschlag kamen mindestens 53 Menschen ums Leben, über 260 wurden verletzt. "al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM) Im September 2006 schloss sich die algerische "Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat" (GSPC, Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf) al-Qaida an; seit Januar 2007 operiert sie unter dem Namen "al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM). Sie versteht sich als führende Organisation aller maghrebinischen Jihadisten und bemüht sich um den Ausbau der Kontakte zu gleichgesinnten Mujahidin aus der gesamten Region. Die Einbindung in das Netzwerk al-Qaidas hat dabei zu einer merklichen Stärkung der Gruppe geführt. Seit ihrem Anschluss sind auch hinsichtlich der Zielrichtung und Ausführung von Anschlägen bei der AQM Änderungen festzustellen. Diese richten sich verstärkt gegen Ausländer in Algerien, wobei auch Selbstmordattentate verübt werden. Ziel sei es, so AZ-ZAWAHIRI, das algerische Volk von Amerika und Frankreich sowie deren Kollaborateuren zu befreien. An die Mujahidin im Maghreb richtete er allerdings auch den ernsten Appell, muslimische Opfer bei Anschlägen zu vermeiden. Insbesondere wegen der hohen Zahl ziviler muslimischer Opfer bei Selbstmordanschlägen in Algier 2007 war die AQM stark in die Kritik geraten. Trotz hohen Verfolgungsdrucks durch die algerischen Sicherheitskräfte war die AQM auch 2008 in der Lage, gut gesicherte staatliche Institutionen und Sicherheitskräfte erfolgreich anzugreifen. Allein im Februar 2008 kam es in Algerien zu 15 Zwischenfällen, bei denen Sprengstoffanschläge gegen Sicherheitskräfte und Politiker des Landes ver38 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten übt wurden. Darüber hinaus verübte die AQM weitere Anschläge mit vielen Toten und Verletzten. Am 02.01.08 fuhren Selbstmordattentäter einen mit Sprengstoff beladenen PKW gegen das Gebäude der Justizpolizei der Stadt Naceria/Boumerdas. Bei dem Bombenanschlag wurden mindestens sieben Menschen getötet, 25 wurden verletzt, darunter ca. zehn Polizisten. Am 19.08.08 war die Polizeischule in Issers (Ostalgerien) das Ziel eines Anschlages, bei dem über 40 Personen, überwiegend Polizeischüler, ums Leben kamen. Am 22.02.08 wurden zwei aus Österreich stammende Touristen durch die AQM entführt. Obwohl die von der AQM aufgestellten Forderungen nach Lösegeld, der Freilassung von in Österreich inhaftierten Terrorverdächtigen und dem Abzug von österreichischen Soldaten aus Afghanistan nicht erfüllt wurden, kamen die Entführten am 03.11.08 in Mali unversehrt frei. Hinweise auf eine konkrete Unterstützung der AQM durch in Deutschland lebende Anhänger liegen nicht vor. "al-Qaida im Irak" - "Islamic State of Iraq" (ISoI) Nach mehreren Umbenennungen operiert "al-Qaida im Irak" seit 2006 unter der Bezeichnung "Islamic State of Iraq" (ISoI, Islamischer Staat im Irak). Der ISoI wiederum ging aus einer von dem irakischen al-Qaida-Ableger gegründeten Dachorganisation sunnitischer Widerstandsgruppen hervor. Innerhalb dieser Organisation konnte "al-Qaida im Irak" ihren Führungsanspruch jedoch nicht durchsetzen, was zu entsprechenden Konflikten und einer zunehmenden Isolierung führte. "Al-Qaida im Irak" zählte bislang zu den schlagkräftigsten und einflussreichsten Terrorgruppen im Irak. Durch die Vielzahl der Anschläge und der medienwirksam in Szene gesetzten Gewalttaten und Verlautbarungen war und ist die Organisation eine Anlaufstelle für Jihadisten im Irak und aus der ganzen Welt. Die Handlungsfähigkeit der Organisation besteht zwar weiter fort, aufgrund der umfangreichen und anhaltenden militärischen Operationen ist diese aber mittlerweile eingeschränkt. Die Anschlagsintensität ließ seit 2007 39 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten spürbar nach. Ursächlich für diese Schwächung sind vor allem die verbesserte Zusammenarbeit zwischen dem irakischen Staat, US-Truppen und sunnitischen Stämmen sowie der Bruch der Allianz zwischen al-Qaida und einigen nationalirakischen Widerstandsgruppen. Trotz der Schwächung kann jedoch nicht von einem Rückgang der Bedrohung gesprochen werden. "Al-Qaida im Irak" zeichnete auch 2008 für etliche schwere Attentate verantwortlich, die sich nicht nur gegen die multi-nationalen Einsatztruppen im Irak richteten, sondern auch gegen die schiitische Bevölkerungsmehrheit. Bei diesen Anschlägen waren regelmäßig hohe Opferzahlen zu beklagen. Diese rücksichtslose Vorgehensweise stößt selbst bei anderen islamistischen Terrorgruppen im Irak, wie der Ansar al-Islam, auf große Akzeptanzprobleme. Auffälligstes Merkmal der "al-Qaida im Irak" war bislang, dass viele ihrer Kämpfer nicht Iraker waren, sondern aus dem Ausland kamen. Mittlerweile ist der Anteil irakischer Rekruten deutlich gestiegen. 2007 war im Rahmen der Zerschlagung eines logistischen Schleusernetzwerkes in der Nähe von Sinjar an der irakisch-syrischen Grenze eine Liste mit den Personalien von ca. 600 ausländischen Mujahidin aufgefunden worden. Von diesen stammten rund 40% aus Saudi-Arabien; rund 20% waren Libyer, die sich großteils für Selbstmordoperationen angeboten hatten. Unter den 600 Jihadisten befanden sich auch einzelne, die aus Deutschland kamen. "al-Qaida auf der arabischen Halbinsel" Als weitere Gruppe mit vorrangig regionalen Interessen agiert "alQaida auf der arabischen Halbinsel". Der unter diesem Namen firmierende saudi-arabische al-Qaida-Ableger fusionierte 2009 mit "al-Qaida im Jemen". Al-Qaida verfolgt in Saudi-Arabien das Ziel, mit Bombenanschlägen, Selbstmordattentaten und Entführungen die "Ungläubigen" zu vertreiben. Dabei steht besonders die US-Präsenz im Fokus. Nach Ansicht AZ-ZAWAHIRIs würden Angriffe auf "amerikanische, zionistische und sonstige Ziele der Kreuzzügler" von der Bevölkerung unmittelbar verstanden und damit die Unterstützung für den Jihad stärken. Langfristig strebt die Organisation den Sturz des saudischen Königshauses 40 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten und die Einführung der Scharia (islamische Gesetzgebung, Gesamtheit der islamischen Gebote) an. Aufgrund der konsequenten Bekämpfung durch den saudischen Staat mussten die saudi-arabischen Mujahidin jedoch erhebliche Rückschläge hinnehmen. In den letzten Jahren konnten mehrere Anschläge verhindert und zahlreiche Terrorverdächtige festgenommen werden. Mehr Erfolg hatte "Al-Qaida im Jemen", die am 17.09.08 einen Bombenanschlag auf die US-amerikanische Botschaft in der Hauptstadt Sanaa (Foto) verübte. Bei dem Anschlag kamen 16 Menschen Reuters ums Leben. "Armee der Gläubigen der al-Qaida in Palästina" Seit 2006 existiert die "Armee der Gläubigen der al-Qaida in Palästina". Diese Gruppe verübte u.a. am 10.01. und 12.01.08 kleinere Anschläge gegen die amerikanische internationale Schule im Gazastreifen. Obwohl BIN LADEN und AZ-ZAWAHIRI in ihren Botschaften häufig ihre Solidarität mit dem Befreiungskampf des palästinensischen Volkes bekräftigen, ist das Engagement al-Qaidas in Palästina eher begrenzt. Bezug nehmend auf Aussagen des getöteten palästinensischen al-Qaida-Ideologen Abdullah AZZAM betont AZ-ZAWAHIRI, dass zunächst Afghanistan "befreit" werden müsse, bevor Palästina und die Aqsa-Moschee erobert werden könnten. 5.3 "Islamische Jihad-Union" (IJU) Die "Islamische Jihad-Union" (IJU), eine Abspaltung der "Islamischen Bewegung Usbekistans" (IBU), trat erstmals 2002 auf. Sie steht in enger Verbindung zur Kern-al-Qaida und anderen sich im afghanischpakistanischen Grenzgebiet aufhaltenden Terrororganisationen. Internationale Aufmerksamkeit erregte die IJU durch zwei am 30.07.04 verübte Selbstmordanschläge auf die israelische und die USBotschaft in der usbekischen Hauptstadt Taschkent. In Deutschland wurde die 41 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten IJU insbesondere im Zusammenhang mit der Festnahme der sogenannten Sauerlandgruppe bekannt. 2008 sorgte die IJU durch einen Terroranschlag mit Deutschlandbezug erneut für Schlagzeilen. Am 03.03.08 verübte der aus Deutschland (Bayern) stammende türkische Staatsangehörige Cüneyt CIFTCI in einem Militärlager in der afghanischen Provinz Khost mit einem mit Sprengstoff beladenen Lastkraftwagen einen Selbstmordanschlag, bei dem zwei USund zwei afghanische Soldaten mit in den Tod gerissen wurden. Drei Tage später bekannte sich die IJU auf einer türkischsprachigen Internetseite zu diesem Anschlag (Foto). Zugleich wurden zahlreiche jihadistische Videos veröffentlicht, die ausführlich die Anschlagsvorbereitungen und den Anschlag selber zeigen. CIFTCI ist damit der erste Selbstmordattentäter, der in Deutschland geboren und aufgewachsen ist. Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden stand CIFTCI, der im April 2007 nach Afghanistan ausgereist war, in engem Kontakt zu einem der mutmaßlichen Attentäter der "Sauerlandgruppe". Die am 04.09.07 im Sauerland wegen des Verdachts der Vorbereitung terroristischer Anschläge verhafteten Islamisten Fritz GELOWICZ, Daniel SCHNEIDER und Adem YILMAZ sollen ebenfalls der international agierenden IJU angehören. Dass noch weitere Jihadisten aus Deutschland Verbindungen zur IJU unterhalten bzw. sich dieser Terrorgruppe angeschlossen haben, belegt der Fall Eric BREININGER. Am 28.04.08 wurden im Internet zwei Videobotschaften der mit der IJU in Verbindung stehenden Medienabteilung Badr at-Tawhed veröffentlicht. In einem der Videos wird der aus dem Saarland stammende deutsche Konvertit - zum Teil auf Deutsch - interviewt. In dem Interview wendet sich BREININGER an die in Deutschland lebenden Muslime und ruft zur aktiven Teilnahme am Jihad auf. Des Weiteren würdigt er den Selbstmordanschlag des Cüneyt CIFTCI in Afghanistan. Im zweiten Video wird eine Gruppe gezeigt, die mit unterschiedlichen Waffensystemen Schießübungen durchführt. In diesem Video ist auch BREININGER zu sehen. In einem weiteren am 23.05.08 im Internet veröffentlichten Interview ver42 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten suchte BREININGER zu begründen, warum Deutschland zu den Feinden der Mujahidin gehöre. Zudem äußerte er den Wunsch, im Jihad als Märtyrer zu sterben. Aufgrund von Hinweisen auf eine mögliche Rückkehr BREININGERs nach Deutschland wurde am 25.09.08 eine öffentliche Fahndung nach ihm ausgelöst. Diese Hinweise bestätigten sich jedoch nicht. Am 21.10.08 wurde eine weitere Videobotschaft BREININGERs bekannt, in der er u.a. auf die Fahndung nach seiner Person einging. Er gab an, weiterhin in Afghanistan zu sein und persönlich keinen Anschlag in Deutschland geplant zu haben oder zu planen. Allerdings wiederholte er darin Forderungen nach dem Abzug deutscher Truppen aus Afghanistan und Usbekistan und erklärte, dass Deutschland bis dahin mit Anschlägen zu rechnen habe. Zuletzt wurde am 23.12.08 auf der genannten türkischsprachigen jihadistischen Internetseite eine neue schriftliche Verlautbarung BREININGERs festgestellt, die unter dessen Kampfnamen "Abdulgaffar el-Almani" veröffentlicht wurde. Die Verlautbarung enthält Propaganda allgemeiner Art, weist jedoch keine Deutschlandbezüge auf. Ihr vorangestellt ist das Logo der IJU; dem Text angehängt sind drei Fotos BREININGERs. 5.4 "Lashkar-e Taiba" (LeT) Am Abend des 26.11.08 überfiel eine zehnköpfige Gruppe von Terroristen, in Kleingruppen aufgeteilt und nahezu simultan, zwei Luxushotels und andere Einrichtungen in der indischen Metropole Mumbai (früher Bombay). Unter den Anschlagzielen befanden sich ein hauptsächlich von Touristen besuchtes Restaurant, das jüdische Zentrum, ein Krankenhaus und der Hauptbahnhof. Die schwer bewaffneten Attentäter schossen wahllos in die Menschenmenge und richteten ein Blutbad an. Nach Symbol der LeT Augenzeugenberichten suchten sie in den Hotels auch gezielt nach amerikanischen, britischen und israelischen Staatsbürgern, 43 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten um diese zu töten. Die Kämpfe mit den indischen Sicherheitskräften dauerten drei Tage an. Insgesamt wurden bei dem Massaker über 170 Menschen brutal ermordet, mehr als 300 Menschen wurden verletzt. Auch drei deutsche Staatsbürger kamen ums Leben. Von den Attentätern überlebte nur einer die Kämpfe. Nach Erkenntnissen der indischen Sicherheitsbehörden gehörten die Angreifer zu der im pakistanischen Teil Kaschmirs operierenden islamistischen Terrorgruppe "Lashkar-e Taiba" (LeT,"Armee der Reinen"). Die weiteren Ermittlungen ergaben, Reuters dass die Anschläge minutiös geplant und über Monate vorbereitet worden waren. Die 1990 in Afghanistan entstandene und im Januar 2002 von den pakistanischen Behörden verbotene LeT zählt zu den aktivsten und schlagkräftigsten Terrorgruppen in Kaschmir. Sie unterTaj-Hotel hält weiterhin Trainingslager und Büros im pakistanischen Teil Kaschmirs sowie in anderen Regionen Pakistans. Die Gruppierung wurde in der Vergangenheit nicht nur für zahlreiche Anschläge und andere Gewaltverbrechen in Kaschmir verantwortlich gemacht, sondern soll auch an einem bewaffneten Angriff auf das indische Parlament in Neu-Delhi im Dezember 2001 und an weiteren Terroranschlägen in anderen Teilen Indiens beteiligt gewesen sein, so im Juli 2006 an den schweren Anschlägen in Mumbai mit mehr als 200 Toten. Die LeT soll außerdem Kontakte zum internationalen Terrornetzwerk, insbesondere zu al-Qaida und den Taleban, besitzen. Nach derzeitigen Erkenntnissen unterhält die Terrorgruppe in der Bundesrepublik Deutschland keine Organisationsstrukturen. Allerdings halten sich hier einzelne Mitglieder auf. Zwar ist gegenwärtig nicht davon auszugehen, dass diese in Deutschland unmittelbar Anschläge vorbereiten, nach Angaben des Bundesministeriums des Innern gibt es jedoch Bezüge zur IJU ( 5.3), die in Deutschland Anschläge geplant hatte. 44 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten 5.5 Anschläge und Anschlagsplanungen in Europa * Am 22.05.08 wollte ein 22 Jahre alter britischer Konvertit in einem vollbesetzten Restaurant in einem neu eröffneten Einkaufszentrum in Exeter (Südwestengland) einen Sprengsatz explodieren lassen. Bei dessen vorzeitiger Explosion auf der Toilette des Restaurants zog sich der Attentäter Verletzungen im Gesicht zu. Da der Mann unter Autismus leidet, bestand zunächst die Vermutung, er sei von Hintermännern gezielt und unter Ausnutzung seiner psychischen Störung für diesen Anschlag eingesetzt worden. Die britischen Sicherheitsbehörden gehen jetzt davon aus, dass der Mann als Einzeltäter gehandelt hat. Die Anleitung für den Sprengsatz habe er sich aus dem Internet beschafft. * Am 09.07.08 wurde ein Angriff auf das US-Generalkonsulat in Istanbul verübt. Die drei türkischen Attentäter waren mit einem Kleinbus vor den Haupteingang gefahren. Drei der Insassen stiegen aus und eröffneten das Feuer auf die Polizisten, die dort postiert waren. Bei dem minutenlangen Schusswechsel kamen die drei Angreifer und drei Polizisten ums Leben, zwei Zivilisten wurden verletzt. Der vierte im Auto verbliebene Attentäter flüchtete. Türkische Regierungsstellen verdächtigten al-Qaida, für die Terrorattacke verantwortlich zu sein. * Am 11.12.08 nahm die belgische Polizei bei einer nächtlichen Razzia an 16 Orten in Brüssel und Lüttich 14 Terrorverdächtige fest. Einer der mutmaßlichen Islamisten soll nach Angaben der Ermittler einen Selbstmordanschlag vorbereitet haben. Ob dieser mit dem tags darauf begonnenen EU-Gipfel in Verbindung stand, ist bisher nicht geklärt. Gegen sechs Festgenommene wurde am 12.12.08 Haftbefehl erlassen. 5.6 Prozesse, Ermittlungsverfahren und Festnahmen National * Das OLG Celle verurteilte am 19.06.08 den irakischen Staatsangehörigen Ibrahim RASCHID (Georgsmarienhütte/Niedersachsen) zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe. Er wurde der Werbung von 45 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Mitgliedern oder Unterstützern für eine ausländische terroristische Vereinigung für schuldig befunden, weil er zwischen September 2005 und Oktober 2006 in 22 Fällen Audiound Videobotschaften u.a. von den al-Qaida-Führern Usama BIN LADEN und Aiman AZ-ZAWAHIRI im Internet in allgemein zugänglichen Chaträumen verbreitet hatte. Laut Anklage hätten diese Botschaften terroristische Anschläge gerechtfertigt und verherrlicht; zudem habe RASCHID sie mit zustimmenden Kommentaren versehen, durch die er gezielt Kämpfer für den "Heiligen Krieg" habe gewinnen wollen. Mit diesem Schuldspruch wurde zum ersten Mal in Deutschland jemand allein wegen des Verbreitens islamistischer Audiound Videobotschaften im Internet zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Die Taten RASCHIDs gingen nach Auffassung des Gerichts weit über reines Sympathiebekunden für al-Qaida hinaus. In seinen Kommentaren habe er die Terroristen als seine Brüder bezeichnet und sich somit als "uneinsichtiger fanatischer Kämpfer" für eine extremistische Ideologie dargestellt. Gegen seine Verurteilung legte RASCHID Revision ein, die aber vom Bundesgerichtshof verworfen wurde. Das Urteil des OLG Celle ist somit rechtskräftig. * Nach mehr als zweijähriger Verhandlungsdauer verurteilte das OLG Stuttgart am 15.07.08 Ata ABDOULAZIZ RASHID zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren, Rafik MOHAMAD YOUSEF zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren sowie Mazen ALI HUSSEIN zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten. Die drei irakischen Staatsangehörigen wurden der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit der versuchten Beteiligung an einem Mord für schuldig befunden. In seiner Urteilsfindung ging das OLG Stuttgart von folgendem Sachverhalt aus: Bis zu seiner Festnahme war ABDOULAZIZ RASHID in Deutschland als führendes Mitglied für die terroristische Vereinigung "Ansar al-Islam" tätig und unterhielt ein Netz von weiteren Anhängern, Unterstützern und Sympathisanten der Organisation. MOHAMAD YOUSEF, der plante, mit Zustimmung von ABDOULAZIZ RASHID und ALI HUSSEIN am 03.12.04 in Berlin ein Attentat auf den damaligen irakischen Ministerpräsidenten Dr. ALLAWI zu begehen, war ebenfalls Mitglied der "Ansar al-Islam". 46 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Ehe es jedoch zu einer konkreten Gefahr für Dr. ALLAWI kommen konnte, wurden die drei Angeklagten in den Morgenstunden des 03.12.04 festgenommen und befinden sich seitdem in Haft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. * Die Generalbundesanwaltschaft erhob am 02.09.08 vor dem OLG Düsseldorf Anklage gegen drei Angehörige der sogenannten Sauerlandgruppe. Fritz GELOWICZ, Daniel SCHNEIDER und Adem YILMAZ, mutmaßliche Mitglieder der islamistischen Terrorgruppe "Islamische Jihad-Union" (IJU, 5.3), waren am 04.09.07 im Sauerland bei der Vorbereitung von Sprengstoffanschlägen in Deutschland verhaftet worden. Ihnen wird die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, Mitgliedschaft bzw. bei Fritz GELOWICZ Rädelsführerschaft in einer inländischen terroristischen Vereinigung, Vorbereitung eines Sprengstoffverbrechens sowie die Verabredung eines Mordes und eines Sprengstoffverbrechens vorgeworfen. Eine weitere Person aus dem Umfeld der Attentäter, der deutsche Staatsangehörige türkischer Herkunft Atilla SELEK, der im Verdacht steht, die Gruppe in der Tatvorbereitung unterstützt zu haben, wurde am 06.11.08 in Konya/Türkei festgenommen und am 20.11.08 nach Deutschland ausgeliefert. * Am 25.11.08 nahm das BKA in Baden-Württemberg, Bayern, Bremen und Nordrhein-Westfalen Durchsuchungen bei acht Beschuldigten vor, die im Verdacht stehen, für die deutschsprachige Seite des jihadistischen Internetforums GIMF ( 5.1) verantwortlich zu sein bzw. dort mitgearbeitet und damit den internationalen islamistischen Terrorismus unterstützt zu haben. Dabei konnten umfangreiche schriftliche Unterlagen, PCs, Laptops und externe Festplatten sichergestellt werden. Zwei Tatverdächtige wurden verhaftet, ein dritter saß bereits wegen einer anderen Straftat in Untersuchungshaft. * In dem Verfahren gegen den sogenannten Trolley-Bomber Youssef EL HAJ DIB wurde am 09.12.08 das Urteil gesprochen. Das OLG Düsseldorf befand den Angeklagten des versuchten vielfachen Mordes sowie der versuchten Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion für schuldig und verhängte gegen ihn eine lebenslange Freiheitsstrafe. Nach Auffassung des Gerichts sei es erwiesen, 47 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten dass EL HAJ DIB und der bereits im Dezember 2007 im Libanon zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilte Jihad HAMAD am 31.07.06 aus Rache für die Veröffentlichung von Mohammad-Karikaturen in deutschen Zeitungen zwei Kofferbomben zur Explosion bringen wollten. Im Hauptbahnhof Köln platzierten sie die Sprengsätze in zwei Regionalzügen mit dem Ziel, eine möglichst große Zahl von Menschen zu töten. Die Gasflaschen waren nur deshalb nicht explodiert, weil den Tätern bei der Herstellung ein Konstruktionsfehler unterlaufen war. Die Verteidigung kündigte Revision gegen das Urteil an. International * Spanische Sicherheitsbehörden durchsuchten in der Nacht vom 18. auf den 19.01.08 mehrere Wohnungen in Barcelona und nahmen 14 Personen fest. Den Maßnahmen waren Ermittlungen gegen eine Gruppierung pakistanischer und indischer Islamisten vorangegangen, die im Verdacht standen, über Verbindungen zu wichtigen Mitgliedern der al-Qaida zu verfügen und eine Reihe von Anschlägen in Westeuropa, u.a. in Spanien, Großbritannien und Deutschland, zu planen. Ein Angehöriger der Zelle hielt sich zeitweise auch in Deutschland auf. Nach seiner späteren Festnahme in den Niederlanden wurde er im August 2008 nach Spanien ausgeliefert. * In Österreich wurde 2008 das Verfahren gegen ein Ehepaar fortgesetzt, das am 12.09.07 in Wien unter dem Verdacht festgenommen worden war, die deutschsprachige Seite der GIMF ( 5.1) betrieben zu haben. Das Landgericht Wien verurteilte das Ehepaar am 12.03.08 u.a. wegen Unterstützung terroristischer Vereinigungen und Nötigung der österreichischen Bundesregierung zunächst zu Haftstrafen von vier Jahren bzw. 22 Monaten ohne Bewährung. Im Juli 2008 hob der Oberste Gerichtshof der Republik Österreich die Urteile allerdings auf, sodass der Prozess 48 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten neu aufgenommen werden musste. Auch in Deutschland sind Ermittlungsverfahren gegen Angehörige der islamistischen Szene anhängig, denen Aktivitäten für die GIMF vorgeworfen werden ( s.o., National). * Vor einem Gericht in London begann Anfang April 2008 der Prozess gegen die sogenannten Flüssigbomber. Die acht britischen Staatsbürger asiatischer Herkunft waren im August 2006 nach aufwändigen Überwachungsaktionen festgenommen worden. Ihnen wurde vorgeworfen, mit Hilfe von in Trinkflaschen mitgeführtem Flüssigsprengstoff Anschläge auf Flugzeuge im Transatlantikverkehr geplant zu haben. Mehrere Mitglieder dieser Gruppe waren zuvor nach Pakistan gereist und sollen dort in Kontakt zu Operateuren der al-Qaida gestanden haben. Am 08.09.08 wurden drei der Angeklagten der Verschwörung zum Mord für schuldig befunden. Ein Strafmaß wurde noch nicht festgesetzt. Fluggäste dürfen seit November 2006 nur noch eine beschränkte Menge von Flüssigkeiten im Handgepäck mitnehmen. Die Europäische Union hat diese Sicherheitsvorschriften als Reaktion auf die o.g. vereitelten Anschläge zum Schutz der zivilen Luftsicherheit erlassen. 5.7 Situation in Hamburg Die Beobachtung islamistischer Terroristen und sonstiger gewaltbereiter Islamisten bildet einen besonderen Schwerpunkt in der Arbeit des Verfassungsschutzes. Ca. 50 Personen werden in Hamburg als sogenannte Jihadisten eingestuft (2007: 60). Sie befürworten oder unterstützen durch propagandistische, logistische, finanzielle oder sonstige Hilfsleistungen den weltweiten bewaffneten Jihad (Heiliger Krieg). Rund ein Drittel der Jihadisten stammt aus den nordafrikanischen Staaten Marokko, Tunesien, Algerien und Ägypten. Etwa ein Fünftel kommt aus dem Irak und Syrien. Nur vereinzelt sind Konvertiten oder in Deutschland geborene Personen mit Migrationshintergrund festzustellen. Gut zwei Drittel der Jihadisten sind zwischen 25 und 40 Jahre alt, nur wenige sind jünger als 25 Jahre. Wenngleich die meisten dieser gewaltbereiten Islamisten wahrscheinlich nie den letzten Schritt zu Anschlägen gehen werden, bleiben sie aufgrund ihrer Gewaltaffini49 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten tät und ihrer möglicherweise auch strafrechtlich relevanten Aktivitäten im Visier der Sicherheitsbehörden. Die jihadistische Szene in Hamburg besteht zum Teil aus sehr kleinen Gruppen, was die Beobachtung erschwert. Hinzu kommt, dass dieser Personenkreis infolge etlicher erfolgreicher Ausweisungen und Abschiebungen in den letzten Jahren zunehmend vorsichtiger geworden ist und sich öffentlich mit extremistischen Äußerungen zurückhält. Dies gilt auch für die Predigten in den einschlägigen Moscheen, da einige Imame befürchten, als "Hassprediger" eingestuft und ausgewiesen zu werden. Aufrufe zur Unterstützung terroristischer oder sonstiger gewaltbereiter Gruppen werden allenfalls angedeutet. Die Ausweisung einzelner führender Jihadisten hatte zudem zur Folge, dass bisher um diese Personen bestehende Gruppenstrukturen an Bedeutung verloren haben oder sich ganz auflösten. Die weit über Hamburgs Grenzen hinaus bekannte Quds-Moschee am Steindamm 103, in der schon die Attentäter vom 11.09.01 verkehrten, bildete wie in den Vorjahren den Hauptanziehungspunkt für die jihadistische Szene. Diese Moschee ist zugleich auch der Haupttreffpunkt von in Hamburg lebenden Salafisten. Unter Salafiya versteht man die Strömungen des Islam, die sich an der Zeit der "frommen Altvorderen" orientieren und eine Reinigung der koranischen Botschaft von späteren Entwicklungen wünschen. Sie erhofften sich eine Modernisierung der eigenen Gesellschaften - unter spezifisch islamischen Vorzeichen und in Abgrenzung zum Westen. Seit den 60er-Jahren haben, vor allem unter dem Einfluss des Muslimbruders Sayyid QUTB, militante Tendenzen Eingang in diese ursprünglich gewaltlose Denkschule gefunden. (Weitere Informationen über Salafisten finden sich auf den Internetseiten des LfV, Arbeitsfeld Islamismus / Grundbegriffe des Islamismus). Die Verantwortlichen des Trägervereins weigern sich bislang aus ideologischen Gründen, im "Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg" (Schura) mitzuarbeiten. Neben der Quds-Moschee gibt es noch weitere Moscheen, in denen sich Kleingruppen mit salafistischjihadistischer Ausrichtung zusammenfinden oder zu deren Klientel jihadistisch orientierte Einzelpersonen gehören. 50 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Auch in Hamburg ist festzustellen, dass sich die Kommunikation innerhalb der islamistisch-terroristischen Szene verstärkt ins Internet verlagert. Insbesondere jüngere Jihadisten sind in ein bundesweites virtuelles Netzwerk eingebunden und wirken zum Teil auch an der Verbreitung islamistisch-jihadistischer Inhalte mit. 6. Sonstige islamistische Gruppierungen Neben den islamistisch-terroristischen Strukturen gibt es weitere islamistische Organisationen und Gruppen, die der Beobachtung durch den Verfassungsschutz unterliegen. Einige davon sind ebenfalls als grundsätzlich gewaltbereit einzustufen. Hierzu zählen u.a. die "Hizbut Tahrir" (HuT, 6.1), die libanesische "Hizb Allah" ( 6.2), die "Türkische Hizbullah" ( 6.4.2) sowie die HAMAS ( 6.2). Diese Organisationen sind auch in Hamburg mehr oder weniger aktiv. Zum Spektrum gewaltbereiter Islamisten (einschließlich der 50 Jihadisten) werden etwa 200 Personen (2007: 210) gerechnet. Der größte Teil des islamistischen Personenpotenzials (2.005 zum Stichtag 31.10.08) in Hamburg gehört jedoch gewaltfreien Organisationen an wie der "Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs" (IGMG, 6.4.1), der Missionsbewegung "Tablighi Jama'at" (TJ, 6.1) oder der "Muslimbruderschaft" (MB, 6.1). Zu den gewaltfreien Islamisten zählen auch die Anhänger des iranisch-schiitischen Staatsislams, der vom "Islamischen Zentrum Hamburg" (IZH, 6.3.2) repräsentiert wird. Nachfolgend werden die genannten Organisationen unter dem Aspekt ihrer Herkunft bzw. ihres Aktionsraumes aufgeführt. 6.1 Transnationale Organisationen Hizb ut-Tahrir (HuT) Die multinationale "Hizb ut-Tahrir" (HuT, auch "Hizb Al Tahrir al Islami", "Befreiungspartei") wurde 1953 von Taqiuddin AN-NABHANI in Jerusalem gegründet. Ihr Ziel ist die Errichtung eines weltweiten islamischen Kalifats auf der Grundlage der Scharia unter der Herrschaft eines Kalifen. Die HuT bezeichnet den Islam als Ideologie, an 51 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten der sich alle Völker und Gemeinschaften auszurichten hätten, selbst wenn sie davon nicht überzeugt seien. Nicht der Islam sei der Realität anzupassen, sondern die Realität sei so zu verändern, dass sie den Regeln der Scharia (islamische Gesetzgebung, Gesamtheit der islamischen Gebote) entspreche. Die HuT behauptet zwar, weder Gewalt noch Terrorismus zu fördern, in ihrem Buch "Lebensordnung des Islam", dem bis heute wichtigsten ideologischen Fundament der Bewegung, rechtfertigt sie jedoch die gewalttätige Form des Jihad im Sinne eines gewaltsamen Angriffs auf die "Ungläubigen" als legitimes Mittel. Die HuT ist in erster Linie eine politische Bewegung, die den Absolutheitsanspruch des Islam mit einem entsprechenden politischen Modell (Kalifat) verbindet und jede hiervon abweichende "ungläubige" Staatsform bekämpft. Ebenso wird jede Teilnahme am politischen Leben in den "blasphemischen Systemen" kategorisch abgelehnt. Feindbild der HuT sind vor allem "die Juden" und die nach ihrer Ansicht mit Israel und westlichen Regierungen kollaborierenden Herrscher der arabischen bzw. islamischen Welt. Mit Israel stehe man faktisch im Krieg, es sei zu bekämpfen und zu vernichten. In zahlreichen öffentlichen Äußerungen zum israelisch-palästinensischen Konflikt wurde zur gewaltsamen Beseitigung des Staates Israel und zur Tötung von Juden aufgerufen. In einer Verlautbarung vom 28.12.08 zum GazaKonflikt verurteilt die HuT die Angriffe des feindlichen "Zionistengebildes" und die ihrer Meinung nach untätigen islamischen Regierungen. Die Mobilisierung der Armeen sei "die einzige Pflicht der Herrscher gegenüber dem Massaker in Gaza." Ansonsten hätten sie Allah, seinen Gesandten und die Gläubigen verraten. Die Muslime werden aufgefordert, ihre ganze Kraft gegen deren "Paläste" zu richten und sie zu zwingen, die Armeen zum Kampf in Gang zu setzen. Den Soldaten stellt die HuT einen nahen Sieg oder das Märtyrern verheißene Paradies in Aussicht. Die HuT ist in nahezu allen arabischen Staaten verboten, weil sie die dortigen Herrschaftsordnungen ablehnt und ihre Staatsoberhäupter als Apostaten (vom Glauben Abgefallene) ansieht. Die Muslime müssen sich nach Ansicht der HuT dieser Herrschaftscliquen entledigen. Trotz 52 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten der Verbote ist sie in vielen dieser und in anderen islamischen Staaten aktiv, insbesondere im Kaukasus und in Zentralasien. Die Partei ist auch in zahlreichen europäischen Staaten vertreten; ihre Europazentrale befindet sich in London. In Deutschland unterliegt die HuT, anders als etwa in Großbritannien, einem Betätigungsverbot. In der Verbotsverfügung des Bundesministers des Innern vom 15.01.03 wurde festgestellt, dass die Organisation sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richte, Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele befürworte, das Existenzrecht des Staates Israel verneine und zu seiner Vernichtung aufrufe. Sie verbreite massive antijüdische Hetzpropaganda und fordere zur Tötung von Juden auf. Das Verbot umfasst auch die Produktion und Verbreitung der der HuT zuzurechnenden deutschsprachigen Zeitschrift "Explizit" einschließlich ihrer Internetseite. Das Verbot wurde durch das Bundesverwaltungsgericht am 25.01.06 erstund letztinstanzlich bestätigt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sich die Tätigkeit der Organisation gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Es stellte zudem fest, dass es sich bei der HuT nicht um eine Religionsoder Weltanschauungsgemeinschaft handelt. Die HuT-Anhänger setzten dennoch auch in Hamburg ihre politische Agitation fort. Beharrlich versuchen sie, ihren Einflussbereich zu erweitern. Sie verhalten sich dabei konspirativ und vorsichtig, um keine eindeutigen Belege für einen Verstoß gegen das Betätigungsverbot zu liefern. Der Name "Hizb-ut Tahrir" fällt nur in kleineren Kreisen, auf größeren Versammlungen ist die HuT jedoch anhand der vermittelten Ideologie erkennbar. Da die Organisation in Deutschland nicht offen auftreten kann, versuchen ihre Mitglieder - zunächst unter Verschleierung des wahren organisatorischen Hintergrundes - neue Anhänger zu gewinnen. Außer im Umfeld einzelner Moscheen missionieren HuT-Anhänger auch an Hamburger Hochschulen und an einzelnen Schulen. Durch diese intensiven Bemühungen ist der Kreis insbesondere junger Anhänger gewachsen, die sich für die fundamentalistischen Aussagen und die Propaganda der HuT empfänglich zeigen. Einzelne lassen zudem erkennen, dass sie den Vorgaben auch Aktionen folgen lassen wollen. 53 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Gegenwärtig können der HuT in Hamburg ca. 60 - vorwiegend afghanischund türkischstämmige - Anhänger zugerechnet werden. Sie treffen sich regelmäßig zu öffentlichen Sitzungen und Schulungen in einem Objekt am Steindamm in St. Georg. Zudem finden Gesprächskreise in der Billstedter Ibrahim-Khalilullah-Moschee statt. Auch in anderen Moscheen wollen HuT-Angehörige Fuß fassen. Obwohl sie unsere Staatsund Gesellschaftsordnung als nicht islamkonform ablehnen, streben nicht wenige HuT-Mitglieder die deutsche Staatsbürgerschaft an. Das dazu notwendige Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung kann jedoch nur als Lippenbekenntnis gewertet werden, da ein Muslim nach Auffassung der HuT allein dem Kalifen zu schwören habe. Sogar die Teilnahme an Wahlen wird als unislamisch abgelehnt. Massive Kritik übt die Bewegung auch an den Integrationsbemühungen einiger islamischer Organisationen und Verbände. Nach Ansicht der HuT bedeute Integration die Anerkennung einer Verfassung, die bereits von vornherein gegen die islamische Ordnung verstoße. In Schulungen wird jungen HuT-Angehörigen vermittelt, dass das Eintreten für eine bessere Integration der Muslime in Deutschland aus eben diesem Grunde "haram" (vom Koran verboten) sei. Zu den Schulungsinhalten gehört auch die Aussage, dass es zu den Pflichten eines jeden Muslim gehöre, den Jihad zu befolgen, wenn es einen Angriff gegen einen einzelnen Muslim oder eine einzelne Muslima abzuwehren gelte. Muslimbruderschaft (MB; JAMA'A IKHWAN AL-MUSLIMIN) Die sunnitische "Muslimbruderschaft" (MB) wurde 1928 von Hassan AL-BANNA in Ägypten gegründet und breitete sich in den 30erund 40er-Jahren in die gesamte arabische Welt aus. Ihre Ideologie führte zur Herausbildung zahlreicher islamistischer Organisationen wie z.B. der palästinensischen Widerstandsbewegung HAMAS ( 6.2). Mit einer geschätzten Zahl von einer Million Anhängern allein in Ägypten gilt die MB heute als größte und einflussreichste islamistische Gruppierung überhaupt. Als ihr Oberster Führer (al-murshid al-'amm) steuert Symbol der MB 54 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Muhammad Mahdi AKIF (Foto) die Organisation von ihrem Sitz in Kairo / Ägypten aus. Die MB betrachtet die in den muslimischen Staaten herrschenden Regime nahezu ausnahmslos als unislamisch. Ihr Ziel ist die Errichtung einer ausschließlich an Koran und Sunna orientierten, nach ihrer Interpretation "wahrhaft islamischen" Staatsordnung in den betreffenden Ländern. Im Gegensatz zu den 50erund 60er-Jahren lehnt sie mittlerweile Gewalt als Mittel der Politik ab, billigt diese aber ausdrücklich im Kampf gegen "Besatzer". Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Konflikte mit Israel. Obwohl offiziell verboten, stellt die MB in Ägypten weiterhin einen gesellschaftlichen und politischen Faktor dar, ihre Aktivitäten werden von der MUBARAK-Regierung geduldet. In Deutschland sind zahlreiche MB-Anhänger in der "Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD) aktiv, die sich als größte Organisation von Muslimen mit arabischem Hintergrund sieht. Die 1960 als "Moscheebau-Kommission" gegründete und unter dem Einfluss der ägyptischen MB stehende IGD wird seit 2002 von Ibrahim AL-ZAYAT geleitet. Ihre Zentrale ist das "Islamische Zentrum München". Daneben gehören eine ganze Reihe weiterer Islamischer Zentren (IZ) zur IGD. In Hamburg ist die IGD organisatorisch nicht vertreten, allerdings hat sie hier eine Reihe von Anhängern und Sympathisanten. Wichtiger Anlaufpunkt für diese ist die Mouhajerin-Moschee. Tablighi Jama'at (TJ) Die sunnitisch-islamistische Tablighi Jama'at (TJ, "Gemeinschaft der Verkündigung und Mission") wurde 1927 in Indien von dem Religionsgelehrten Mawlana Muhammad ILYAS als eine Wiedererweckungsbewegung gegründet. Vom indischen Subkontinent ausgehend verbreitete sie sich über mehrere Kontinente und ist heute in nahezu 100 Ländern vertreten. Die TJ verfügt weltweit über mehrere Millionen Anhänger, zu deren Selbstverständnis die wörtliche Auslegung von Koran und Sunna sowie die weltweite Mission gehören. Überall dort, wo Muslime leben, befasst sich die TJ mit der Festigung der islami55 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten schen Lebensweise, d.h. Muslime sollen zu einem Leben gemäß Koran und Sunna im Sinne eines fundamentalistischen Islamverständnisses angeleitet werden. Langfristiges Ziel ist dabei die globale Islamisierung. Obwohl die TJ Gewalt grundsätzlich ablehnt, besteht aufgrund ihres Islamverständnisses und der weltweiten Missionierungstätigkeit die Gefahr, dass die TJ islamistische Radikalisierungsprozesse befördert. So weisen einige islamistische Attentäter einen Vorlauf in der TJ auf. Durch die gemeinsame ideologische Basis mit militanten Gruppierungen besteht zudem die Gefahr, dass die weltweiten Strukturen der Bewegung von terroristischen Netzwerken genutzt werden. An dem internationalen Deutschlandtreffen, das im Mai 2008 in Saarbrücken stattfand, nahmen über 1.000 TJAnhänger teil. Wie bereits im Vorjahr kritisierten internationale Führungspersonen, dass das Engagement der in Deutschland lebenden TJ-Angehörigen zu wünschen übrig lasse. Extremistische Inhalte wurden bei diesem Treffen nicht verbreitet. In Hamburg werden etwa 70 Personen der TJ zugerechnet. In den letzten Jahren wurden aus diesem Kreis immer wieder Äußerungen bekannt, die eine ablehnende Haltung und Intoleranz gegenüber wichtigen Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (z.B. Achtung der Menschenrechte) und Intoleranz gegenüber Andersgläubigen deutlich machen. Frauen wurden mehrfach als minderwertig dargestellt. Aus den Äußerungen ging außerdem hervor, dass eine Vielzahl ihrer Anhänger die Einführung der Scharia (islamische Gesetzgebung, Gesamtheit der Gebote im Islam) befürwortet. Häufiger kam es zu antisemitischen oder antichristlichen Bekundungen. 56 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten 6.2 Palästinensische und libanesische Organisationen HAMAS (Harakat al-Muqawama al-Islamiya, Islamische Widerstandsbewegung) Nach Beginn der ersten Intifada, die im Dezember 1987 begann, schlossen sich im Januar 1988 im Gaza-Streifen Mitglieder der palästinensischen MB ( 6.1) um Scheich Ahmad YASIN zur HAMAS ("Islamische Widerstandsbewegung") zusammen. Ihr Name lässt sich mit "Eifer" oder "Enthusiasmus" übersetzen. Sie ist in einen politischen und einen militärischen Arm ("Izzaddin al-Qassam-Brigaden") gegliedert. Symbol der HAMAS Die HAMAS ist die größte und aktivste islamistische Gruppierung in den palästinensischen Gebieten. Ihr Ziel ist die Errichtung eines islamischen Staatswesens auf dem gesamten Gebiet Palästinas. Als erbitterter Gegner Israels lehnt sie territoriale Kompromisse ab. Nachdem sie 2006 die Wahlen zum Palästinensischen Legislativrat mit absoluter Mehrheit gewann, eskalierten die Spannungen zwischen der HAMAS und der FATAH-Bewegung des palästinensischen Präsidenten Mahmud ABBAS. Im Juni 2007 kam es zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen. Dieser innerpalästinensische Konflikt führte de facto zu einer Zweiteilung des palästinensischen Autonomiegebiets: während das Westjordanland durch die FATAH beherrscht wird, dominiert im Gazastreifen die HAMAS. Am 27.12.08 begann die israelische Armee ihre Operation "Gegossenes Blei", mit der Israel auf einen fortwährenden Raketenbeschuss seines Landes durch die HAMAS reagierte. Die Operation wurde durch einseitige Waffenstillstandserklärungen durch Israel vom 17.01.09 für zehn Tage und von der HAMAS vom 18.01.09 für sieben Tage vorläufig beendet. Seitdem gab es weitere wechselseitige Angriffe. In zahlreichen europäischen Städten demonstrierten insgesamt mehrere Zehntausend Menschen gegen das militärische Vorgehen Israels. In Hamburg kam es vom 29.12.08 bis 17.01.09 zu mehreren friedlichen Protestkundgebungen und Mahnwachen, an denen sich insgesamt über 9.000 Menschen beteiligten. An einer proisraelischen Demonstration am 17.01. auf dem Gerhard-Hauptmann-Platz nahmen zeitweise bis zu 750 Personen teil. 57 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten In Deutschland leben etwa 300 Anhänger der HAMAS, eine erkennbare Struktur existiert aber nicht. In Hamburg sind nur einzelne Unterstützer der HAMAS aktiv. HIZB ALLAH (Partei Gottes) Die HIZB ALLAH wurde 1982 im Libanon auf Initiative und mit maßgeblicher Unterstützung iranischer Stellen als Sammelbecken radikaler Schiiten gegründet. Hauptziel der Organisation, die in Teilen des Libanon als parastaatliche Ordnungsmacht agiert, ist der Schutz des libanesischen Territoriums vor israelischen Militäraktionen und der Kampf gegen den Staat Israel, den sie vernichten will. Das lange propagierte Fernziel, die Umwandlung des Libanon in eine islamische Republik nach iranischem Vorbild, ist im Lauf der Zeit gegenüber der allgemeineren Forderung nach mehr politischem Einfluss und einer Revision des konfessionellen Proporzsystems im politischen und administrativen Bereich zu Gunsten der Muslime und insbesondere der Schiiten in den Hintergrund getreten. Die enge ideologische Beziehung zur Islamischen Republik Iran besteht jedoch unverändert fort. Unter dem Dach der HIZB ALLAH agieren eine seit 1992 im libanesischen Parlament vertretene Partei, verschiedene Wohlfahrtsorganisationen sowie der militärische Flügel "Islamischer Widerstand" ("alMuqawama al-Islamiya"). Die HIZB ALLAH ist im Libanon seitdem zu einem festen Bestandteil des politischen Systems geworden und stellt nach den Wahlen im Mai / Juni 2005 zusammen mit der (schiitischen) AMAL-Bewegung den zweitstärksten Block im Parlament. Daneben war die Bewegung bis November 2006 auch mit mehreren Ministern im Kabinett SINIORA vertreten. Grund für den Rückzug aus dem Kabinett war die Forderung der HIZB ALLAH und prosyrischer Kräfte (u.a. Nabih BERRIs AMAL, Michel AOUNs FPM) nach Bildung einer "Regierung der nationalen Einheit". Nachdem die Amtszeit des Präsidenten LAHOUD im November 2007 endete, machte die Opposition ihre für die notwendige Zweidrittelmehr58 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten heit erforderliche Beteiligung an der Präsidentenwahl des Parlaments von einer vorherigen Einigung auf eine Regierung der nationalen Einheit und ein neues Wahlgesetz abhängig. Da zahlreiche Vermittlungsversuche scheiterten, blieb das Präsidentenamt über sechs Monate vakant. Die Entscheidung der Regierung im Mai 2008, gegen Einrichtungen der HIZB ALLAH vorzugehen, führte zu einer Eskalationsphase, in der HIZB ALLAHund AMAL-Kämpfer vorübergehend Westbeirut besetzten. Bei fünftägigen Verhandlungen in Doha, unter Vermittlung der Regierung von Katar, einigten sich alle libanesischen Parteien schließlich auf die Wahl Michel SULEIMANs zum Staatsoberhaupt, die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit mit 11 von 30 Funktionen für die Opposition, die damit Regierungsentscheidungen blockieren kann, sowie ein neues Wahlrecht. Am 25.05.08 wurde der maronitische Christ Michel SULEIMAN zum Präsidenten des Libanon gewählt. Der Stellvertreter des HIZB ALLAH-Führers Hassan NASRALLAH (Foto auf Vorseite), Imad MUGHNIJA, kam im Februar 2008 bei einem Autobombenanschlag in Beirut ums Leben. In einem von dem HIZB ALLAH-Fernsehsender "Al Manar" gesendeten Statement wurde Israel für den Anschlag verantwortlich gemacht. Israel dementierte jedoch jegliche Beteiligung an dem Gewaltakt. Im September 2008 wurde mit dem Drusen Saleh AL-ARIDI erstmals ein pro-syrischer Politiker bei einem Anschlag durch eine ferngezündete Autobombe getötet. AL-ARIDI war ein enger Weggefährte des pro-syrischen Politikers und Sportministers Talal ARSLAN, der zum HIZB ALLAH-Lager in der neuen Einheitsregierung im Libanon zählt. Durch Beschluss des Bundestages wurde die Beteiligung der Bundeswehr an der maritimen Komponente der UNIFIL-Mission MTF 448 (Maritime Task Force) bis Mitte Dezember 2009 verlängert und die Entsendung von bis zu 1.200 Soldaten erlaubt. Ziel dieses Flottenverbandes ist die Aufklärung und Kontrolle der Seewege innerhalb der libanesischen Hoheitsgewässer und die Umleitung der Schiffe im Verdachtsfall. Damit soll der Waffenschmuggel der HIZB ALLAH von der libanesischen Seeseite her unterbunden werden. Grundlage bildet die UN-Sicherheitsratsresolution 1773 vom 24.08.07. In Deutschland hat die HIZB ALLAH keine einheitliche Struktur. Sie ist in einer Reihe von Moschee-Vereinen vertreten, die relativ unab59 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten hängig voneinander agieren. Die Vereinsaktivitäten beschränken sich im Wesentlichen auf interne Treffen, Diskussionsveranstaltungen und religiöse Feiern (z.B. Ramadan und Ashura). Sie sind von dem Bemühen geprägt, die Bindungen der hier lebenden Libanesen an ihre Heimat und an die Organisation zu festigen. Darüber hinaus gehört das Sammeln von Spendengeldern zu den wichtigsten Aufgaben der Vereine. Der Organisation werden bundesweit etwa 900 Anhänger zugerechnet. Mit Wirkung zum 01.11.08 hat das Bundesministerium des Innern den libanesischen HIZB ALLAH-Fernsehsender "Al Manar TV" ("Leuchtturm") verboten, da sich dessen Inhalte gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten. Auf der Webseite des Senders wurde das Verbot von "Al Manar" als Folge des Drucks der "zionistischen Lobby" in Europa bezeichnet. Der Fernsehsender ist in Deutschland weiterhin über Satellit zu empfangen. Im Jahre 2002 hatte Generalsekretär Hassan NASRALLAH angeordnet, sich in Deutschland gesetzeskonform zu verhalten, um keine Angriffsfläche für staatliche Maßnahmen zu bieten. Als Konsequenz treten viele HIZB ALLAH-nahe Muslime kaum mehr politisch in Erscheinung. In Hamburg gibt es etwa 30 HIZB ALLAH-Anhänger, die auch im "Islamischen Zentrum Hamburg" (IZH, 6.3.2) verkehren. 6.3 Iranische Islamisten 6.3.1 Allgemeines Wichtigstes innenpolitisches Ereignis in Iran waren die Wahlen zum iranischen Parlament am 14.03. bzw. 25.04.08 (Stichwahlen), aus denen die Konservativen als klare Gewinner hervorgingen. Sie kamen auf etwa 69% der Sitze, die Reformer erzielten lediglich 16,4%, die sog. Unabhängigen ca. 14,2%. Der Wächterrat hatte zuvor bereits die Weichen für diesen Wahlausgang gestellt, indem er viele Kandidaten der Reformparteien gar nicht erst zuließ. 60 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Trotz dieser deutlichen Machtverhältnisse stehen die Konservativen längst nicht geschlossen hinter der amtierenden Regierung unter Führung des Präsidenten Mahmud AHMADINEDSCHAD (Foto). Die Konservativen sind in zwei Lager gespalten: Auf der einen Seite die Anhänger des Präsidenten, auf der anderen Seite die ihm eher kritisch Gesonnenen, die sich keiner einheitlichen Position zuordnen lassen. Die iranische Regierung setzte 2008 ihre Repressionspolitik gegen die eigene Bevölkerung fort. So ließ sie z.B. die Zeitung "Tehran Today" am 21.06.08 schließen und den Chefredakteur wegen Beleidigung vor Gericht stellen, weil sich die Publikation kritisch über den Präsidenten geäußert hatte. Verbote von Zeitungen gehören ebenso zur politischen Praxis Irans wie die Beschlagnahme von Parabol-Antennen oder die Kontrolle des Internet, womit die Regierung eine kritische politische Meinungsbildung der Bevölkerung zu verhindern sucht. Damit einher gehen Maßnahmen, mit denen die Regierung die seit ihrem Amtsantritt im Jahr 2005 forcierte Islamisierung der Bevölkerung vorantreiben will. Außenpolitisch behielt die iranische Regierung ihren Konfrontationskurs gegenüber dem Westen, insbesondere den USA, bei. Im Januar 2008 führte ein Zwischenfall in der Meerenge von Hormuz zwischen Einheiten der iranischen Revolutionswächter (Pasdaran) und patrouillierenden US-Kriegsschiffen fast zu einer Eskalation, nachdem die US-Marineeinheiten bereits Schussbefehl erteilt hatten. Die Situation konnte schließlich entschärft werden. Das Atomprogramm der iranischen Regierung, das noch 2007 zu einem internationalen Wirtschaftsund Finanzboykott gegen Iran geführt hatte, blieb auch 2008 auf der politischen Tagesordnung. Die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) in Wien verurteilte im März 2008 die Versäumnisse Teherans, den Forderungen des VNSicherheitsrates gemäß seine früheren Nuklearaktivitäten offenzule61 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten gen, die Urananreicherung einzustellen und detaillierte Inspektionen zuzulassen. Die Wirtschaftssanktionen gegen Iran wurden daraufhin verschärft. Das Leitmotiv der iranischen Außenpolitik ist in Verbindung mit der in der iranischen Verfassung deklarierten Islamisierung der westlichen Nationen ("Export der islamischen Revolution") zu sehen. Äußerungen des iranischen Revolutionsführers KHAMENEI (Foto) belegen diese Verzahnung: Das deutsche Internet-Programm des iranischen Radiosenders IRIB veröffentlichte einen Auszug seiner Rede, die er vor Botschaftern und Vertretern Irans im Ausland gehalten hatte: Dort erklärte er u.a., "die Verbreitung des islamischen Gedankengutes in der Welt und der Sieg des Widerstandsgedankens gegenüber dem Vorherrschaftssystem sind ein klares Beispiel dafür, dass die Islamische Republik Iran (...) Fortschritte gemacht hat...". Proiranische Einrichtungen in Deutschland sind grundsätzlich als Instrumente der iranischen Staatsführung anzusehen, die deren theokratische Staatsdoktrin vertreten. Sie repräsentieren eine Werteordnung, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar ist. 6.3.2 Anhänger der "Islamischen Revolution" Das "Islamische Zentrum Hamburg" (IZH, Schöne Aussicht 36, 22085 Hamburg), Träger der schiitischen "Imam Ali-Moschee", gehört in Europa zu den wichtigsten islamischen Einrichtungen. Mit ihrer Hilfe versucht die Islamische Republik Iran, Schiiten aller Nationalitäten an sich zu binden sowie die gesellschaftlichen, politischen und religiösen Grundwerte der islamischen Revolution in Europa zu verbreiten. 62 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Insbesondere durch die umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit (Zeitschriften, Internetpräsenz, öffentliche Veranstaltungen u.a.) und die vielfältigen Bildungsangebote versucht das IZH, den Islam iranischer Prägung zu propagieren und damit das Ziel des "Exportes der islamischen Revolution" zu realisieren. Die Inhalte sind dabei bewusst moderat formuliert und bieten kaum Angriffsflächen. Dennoch lassen Veröffentlichungen aus früheren Jahren die islamistisch geprägten Überzeugungen des IZH deutlich erkennen. Das beispielsweise in der hauseigenen Faltblattserie "Muslime im Dialog" in Nr. 6 "Einheit von Religion und Politik" zum Ausdruck kommende islamistische Staatsund Gesellschaftsverständnis des IZH ist erkennbar vom Primat der Religion gegenüber der Politik gekennzeichnet. Damit steht es in einem unlösbaren Widerspruch zu den Prinzipien und Werten der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die vom IZH betriebene "Imam Ali-Moschee" dient den in Hamburg und Norddeutschland lebenden Schiiten verschiedener Nationen als Anlaufpunkt, in dem neben den regelmäßigen Gebetsveranstaltungen religiöse Feierlichkeiten stattfinden. Zudem bietet das IZH verschiedene Lehrveranstaltungen an, darunter Sprachunterricht in Arabisch, Deutsch und Persisch. Des Weiteren werden die Mitglieder der schiitischen, vorwiegend iranischen Gemeinde durch ein weit gefächertes Vereinsangebot an das IZH gebunden. Zu den Nebenvereinen des IZH zählt vor allem die auf dem Gelände der Moschee errichtete "Islamische Akademie Deutschland e.V." (IAD). Sie beherbergt ein Lehrinstitut mit einer islamischen Bücherei. Das IZH gibt außerdem die deutschsprachigen Publikationen AL FADSCHR und SALAM (für Kinder) heraus und veröffentlicht ins Deutsche übersetzte Abhandlungen und Bücher iranischer Islamwissenschaftler. Dieses vielfältige Angebot zielt darauf ab, dass sich die Angesprochenen mit dem schiitischen Glauben iranischer Prägung identifizieren. Gleichzeitig dient es dazu, Andersgläubigen oder bereits am islamischen Glauben interessierten Menschen ein Forum für Information und Austausch zu bieten mit dem Ziel, diese zum Islam zu bekehren. Deutschsprachige Konvertiten werden z.B. in speziellen Seminarkursen religiös betreut. 63 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Neben dem eigentlichen Trägerverein, dem "Islamischen Zentrum Hamburg e.V.", und der oben genannten IAD sind die folgenden Vereine in Hamburg als Nebenorganisationen bekannt: * "Islamische Imamia Föderation in Europa e.V.", * "Verein der Förderer einer iranisch-islamischen Moschee in Hamburg e.V.", * "Waisenkinder-Hilfe Iran e.V." und * "Iranischer Sportverein e.V." Die von der IZH-Leitung geförderte Jugendgruppe "Islamische Jugend Deutschland" dient den Jugendlichen schiitischen Glaubens als Anlaufstelle. Mit der Intensivierung der Jugendarbeit durch die nach eigenen Angaben im Mai 2008 zusätzlich gegründete Jugendgruppe "Schöne Aussicht" strebt das IZH eine stärkere Bindung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen an die Einrichtung an. Dem IZH und seinen angegliederten Vereinen und Einrichtungen sind insgesamt etwa 150 Mitglieder zuzurechnen. Die wöchentlichen Gebetsveranstaltungen am Donnerstag und Freitag werden durchschnittlich von etwa 100 Gläubigen besucht. Nach außen hin operiert das IZH als rein religiöse Einrichtung, die keine politischen Aktivitäten in ihrem Wirkungsfeld gestattet. Jede öffentliche Verbindung oder Identifizierung mit der iranischen Staatsführung wird vermieden. Diese seit einiger Zeit praktizierte Strategie dürfte mit dem jetzigen Revolutionsführer Ayatollah KHAMENEI abgestimmt, wenn nicht gar von diesem angeordnet worden sein. Hierfür spricht, dass der IZH-Leiter Seyed Abbas GHAEM MAGHAMI - wie auch seine Vorgänger - direkt von KHAMENEI in diese Funktion eingesetzt wurde und diesem unmittelbar unterstellt ist. Der Leiter des IZH vertritt offiziell den Revolutionsführer in Europa und ist in der schiitischen Gemeinde als Repräsentant der Islamischen Republik Iran bekannt. Es ist davon auszugehen, dass der religiöse Führer Irans eine solch wichtige internationale Position nur mit einem linientreuen Anhänger der iranischen Staatsdoktrin und der islamischen Revolutionsziele besetzt. GHAEM MAGHAMI selbst vermittelt in seinem öffentlichen Auftreten einen kooperativen, unpolitischen Eindruck und präsentiert sich als religiöser Gelehrter, der für eine moderatere Islaminterpretation eintritt 64 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten und den interreligiösen Dialog in den Mittelpunkt seiner öffentlichen Aktivitäten stellt. Hierfür boten insbesondere der im Rahmen der Europawoche am 10.05.08 veranstaltete Tag der offenen Tür sowie der Tag der offenen Moschee im IZH am 03. und 04.10.08 Gelegenheit. Gleichwohl führte das IZH im Juni 2008 anlässlich des Todestages KHOMEINIs (Foto) eine Gedenkveranstaltung durch, auf der dem Leben und Wirken des ehemaligen Revolutionsführers gehuldigt wurde. Der Einfluss des IZH auf schiitische Zentren in ganz Deutschland ist ungebrochen. Zu den Gemeinden, zu denen Verbindungen des IZH bestehen, gehören u.a.: * "Islamisches Zentrum Salman Farsi Moschee Langenhagen e.V.",Hannover * "Akademie Baghiatallah e.V.", Bremen * "Islamische Kulturgemeinde der Iraner in Berlin e.V.", Berlin * "Islamische Vereinigung in Bayern e.V.", München * "Ehli-Beyt-Alevitische Religionsgemeinschaft Ehli Beyt Alevi Federasyonu e.V.", Frankfurt a.M. * "Islamischer Kulturverein Imam Hossein e.V.", Wiesbaden. Das IZH ist zudem in führender Position in mehreren islamischen Dachverbänden vertreten. Auf lokaler Ebene ist dies der "Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg e.V." (SCHURA), auf Bundesebene der "Zentralrat der Muslime in Deutschland" (ZMD) und auf europäischer Ebene die "Islamisch-Europäische Union der Schia-Gelehrten und Theologen" (IEUS). 2008 festigte das IZH seinen Führungsanspruch innerhalb der schiitischen Gemeinden in Deutschland. Die IZH-Leitung engagierte sich an führender Stelle bei den Vorbereitungen für die Gründung eines Dachverbandes der schiitischen Gemeinden in Deutschland. Ihm sollen in Deutschland ansässige schiitische Vereine (u.a. von Libanesen, Irakern, Iranern) angehören, und er soll ein einheitliches Sprachrohr der schiitischen Interessen gegenüber Politik und Gesellschaft in Deutschland werden. 65 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten 6.4 Türkische Islamisten 6.4.1 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) Die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) ist mit ca. 27.500 Mitgliedern (2007: 27.000) die mit Abstand größte islamistische Organisation in der Bundesrepublik Deutschland. Organisatorisch gliedert sich die IGMG in bundesweit 15 Regionalverbände, darüber hinaus ist sie in zehn weiteren europäischen Ländern vertreten. Der Sitz der Europaund Deutschland-Zentrale befindet sich in Kerpen (NW). Der IGMG gehören nach eigenen Angaben 514 Moscheevereine an, davon 323 in Deutschland. Sie unterhält Nebenorganisationen speziell für Frauen, Jugendliche, Studenten und Kinder sowie etliche Bildungseinrichtungen und einen Beerdigungsfonds, wodurch eine umfassende Betreuung der Mitglieder gewährleistet wird. Für die Verwaltung des IGMG-Immobilienbesitzes ist die verbandseigene "Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft e.V." (EMUG) zuständig. Die IGMG hat ihre ideologischen Wurzeln im Gedankengut der durch den ehemaligen türkischen Ministerpräsidenten Necmettin ERBAKAN (* 1926) Ende der 1960er bzw. Anfang der 1970er Jahre in der Türkei initiierten "Milli Görüs"-Bewegung und wird von dieser nach wie vor beeinflusst. "Milli Görüs" strebt langfristig die Überwindung des laizistischen Systems, d.h. die Überwindung der strengen Trennung von Religion und Staat in der Türkei, an. Diese Bestrebungen sind verbunden mit dem Ziel, eine am Vorbild des "Osmanischen Reiches" orientierte "neue Groß-Türkei" und - letztlich auch auf globaler Ebene - eine weltweite, islamistisch geprägte Staatsund Gesellschaftsordnung zu errichten. Ideologische Schlüsselbegriffe dieser islamistischen Vision sind "Milli Görüs" ("Nationale Sicht") und "Adil Düzen" ("Gerechte Ordnung"). Das hier zum Ausdruck kommende Staatsund Gesellschaftsverständnis steht in einem unauflösbaren Widerspruch zu den Werten und Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. 66 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Die 2001 gegründete "Saadet Partisi" (SP, "Glückseligkeitspartei") bildet den parteipolitischen Arm der Bewegung; im türkischen Parlament ist sie jedoch nicht vertreten. Nach einem Bericht der türkischen Tageszeitung "Hürriyet" vom 28.10.08 sind Sohn und Tochter ERBAKANs in den Parteivorstand der SP gewählt worden. Zum Einflussbereich ERBAKANs bzw. der "Milli Görüs"-Bewegung zählen zudem u.a. die Tageszeitung "Milli Gazete" und der Satelliten-Fernsehsender "TV5". Die SP sichert sich ihren Einfluss auf die europäische IGMG u.a. durch zahlreiche persönliche Kontakte. Namhafte Parteifunktionäre besuchen regelmäßig Veranstaltungen der IGMG, um dort in Reden und Vorträgen die Anhänger in Deutschland über die Vorstellungen der Gesamtbewegung zu informieren. Die "Milli Gazete" stellt ebenfalls ein wichtiges Bindeglied zwischen der IGMG und der Bewegung in der Türkei dar. In Deutschland erscheint das "Sprachrohr" der "Milli Görüs" mit einem um Nachrichten aus Europa erweiterten Teil und berichtet ausführlich über die Politik der SP. In einem Artikel zum 35-jährigen Bestehen der Zeitung vom 12./13.01.08 wird zum Selbstverständnis u.a. ausgeführt, die "Milli Gazete" habe ihre Berichterstattung 1973 mit dem Ziel aufgenommen, "eine Stimme für 'Milli Görüs'" zu sein. Sie sei "die Vorkämpferin der Ideologie unserer Ahnen, die uns diesen Boden anvertraut haben". Die "Milli Gazete" prägt das Islamverständnis der Bewegung und beeinflusst damit auch das Meinungsbild innerhalb der IGMG. Da das Blatt weiterhin offen islamistische und antisemitische Positionen vertritt, distanzieren sich Teile der IGMG-Führung von diesen Inhalten, um negative Auswirkungen auf die Organisation in Deutschland zu vermeiden. Die "Milli Görüs"-Bewegung zeichnet sich durch ein ausgeprägtes Freund-Feind-Denken und eine prinzipiell antiwestliche, antijüdische und antidemokratische Grundhaltung aus. Aus der Berichterstattung der Zeitung wird das eindeutig ablesbar. In einem Artikel in der "Milli Gazete" vom 10.01.08 heißt es u.a. : " ... wir sagen deutlich, dass 67 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten das demokratische System nicht zur Lösung der Probleme beiträgt, dass es sogar noch mehr schaden könnte ...". In der Ausgabe vom 01.12.08 wird zu den Terroranschlägen von Mumbai/Indien (früher Bombay) vom November 2008 ( 5.4) ausgeführt, dass dies "ein Szenario der globalen Mächte" gewesen sei, die die "Muslime weiterhin als Zielscheibe" sehen wollten. Die Tat sei "zu Ehren des neuen amerikanischen Präsidenten ... inszeniert" worden. Unter der Überschrift "Die Ereignisse in Griechenland und der universelle Niedergang" behauptet eine Kolumnistin der Zeitung (Ausgabe vom 15.12.08), wiederum in weltverschwörerischer Diktion, dass die Unruhen in Griechenland vom Dezember 2008 u.a. "durch das Zionismus-Projekt des rassistischen Imperialismus", das "seit 5.000 Jahren" bestehe, verursacht worden seien. Der universelle Anspruch der "Milli Görüs", ihr Selbstverständnis und ihre Ziele wurden u.a. in einem Beitrag in der "Milli Gazete" vom 12./13.01.08 deutlich formuliert und mit einem entsprechenden Appell verbunden: "Die Milli Görüs ist viel mehr als der Slogan einer politischen Partei. Sie legt uns dar, warum wir auf diesem Boden leben. ... Du musst als Diener Gottes deine Pflichten erfüllen. Dies fängt mit dem Jihad an. ... Das Hauptziel des Jihad ist die Bildung einer gerechten Welt. Wenn die Milli Görüs von einer "Neuen Welt" spricht, meint sie dieses Ziel. ... Daher sagen wir: Wieder eine Großtürkei. Dafür bedarf es gleichzeitig einer Neuen Welt ...". Auch der neue Parteivorsitzende der SP, Numan KURTULMUS, erklärte, dass die SP gemeinsam mit allen Parteiangehörigen durch Überzeugung und Verinnerlichung von "Milli Görüs" tatkräftig daran arbeiten solle, die Ziele der "Milli Görüs", eine neue "Groß-Türkei" und eine "neue Welt", zu verwirklichen ("Milli Gazete" vom 20.10.08). Um diese Ziele zu erreichen, ist die "Milli Görüs"-Bewegung in Europa bestrebt, ihre Identität als selbst ernannte Statthalterin des wahren Islam zu schützen. Forderungen nach einer weitergehenden Integration werden zurückgewiesen; stattdessen wird vor den vermeintlichen Gefahren der Assimilation gewarnt. Dem Konzept eines moderaten Euro-Islam, der zwischen islamischen Glaubensvorstellungen und den Werten der westlichen Gesellschaften Brücken bauen will und die Trennung von Staat und Religion akzeptiert, wird eine klare Absage erteilt. Nach Überzeugung der IGMG dürfe man sich nicht von sei68 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten nen Glaubenswurzeln entfernen. Mit diesem Islamverständnis trägt die IGMG jedoch maßgeblich zur Aufrechterhaltung und Verfestigung parallelgesellschaftlicher Strukturen bei. Die IGMG in Deutschland Ihre anhaltende Beeinflussung durch die Gedankenwelt der "Milli Görüs"-Bewegung in der Türkei und ihres Gründers Necmettin ERBAKAN (Foto) ist ein eindeutiger Anhaltspunkt dafür, dass die IGMG in Deutschland verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt. Zwar wurde auch im Berichtsjahr 2008 deutlich, dass Teile der deutschen IGMG offenbar gewillt sind, zur Bewegung in der Türkei auf Distanz zu gehen. Dennoch muss sich die IGMG als europäischer Ableger der "Milli Görüs" deren Ideologie zurechnen lassen, zumal die nach außen betonte Distanz nicht den tatsächlichen internen Machtverhältnissen entspricht und ERBAKAN weiterhin Einfluss nimmt. Dass bisher keine klare Trennung von der Führung in der Türkei erfolgte, hängt allerdings auch mit der Furcht vor den negativen Auswirkungen eines solchen Schrittes zusammen. Die ideologischen Vorstellungen der "Milli Görüs" spiegeln sich auch in verschiedenen Äußerungen von in Deutschland agierenden Funktionsträgern wider. So betonte der stellvertretende Generalvorsitzende der IGMG: "Unsere Mission ist der Islam. Unsere Absicht ist Allahs Willen zu erfüllen ..." ("Milli Gazete" vom 07.03.08). Für die Anhänger der IGMG steht ein Leben nach den Regeln des Islam im Vordergrund, dabei werden westliche Werte und Vorstellungen skeptisch bis ablehnend betrachtet. Die IGMG ist deshalb weiter bestrebt, Kinder und Jugendliche im Sinne ihrer Glaubensvorstellungen zu festigen und eine starke islamische Identität zu entwickeln. Dass sich die IGMG dabei weiterhin im selben ideologischen Fahrwasser wie die Mutterorganisation in der Türkei bewegt, wird besonders bei Großveranstaltungen deutlich. Auf dem "Tag der Funktionäre" am 19.04.08 in Wuppertal, an dem nach eigenen Angaben mehr als 69 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten 2.500 Funktionäre der Jugendorganisation teilnahmen, sprach sich der Vorsitzende der Jugendorganisation u.a. gegen "Assimilation" und für "Koran und Sunna als Wegweiser für die 'Milli-Görüs-Jugend'" aus ("Milli Gazete" vom 22.04.08). Während der Veranstaltung wurde zudem durch "frenetischen Applaus" Loyalität für ERBAKAN bekundet. Ein Beleg dafür, dass bei einem erheblichen Teil der jungen IGMGAnhänger hinter dieser Ehrbekundung eine klare Zustimmung auch zu den politischen Zielen der "Milli Görüs"-Bewegung und zu ERBAKAN als politischem Führer steht. Ein weiterer Beleg hierfür ist ein im Internet veröffentlichtes Video der "Mevlana-Jugend" aus Offenbach / Hessen, das u. a. die Porträts von Necmettin ERBAKAN und des ehemaligen SP-Vorsitzenden Recai KUTAN sowie den türkischen Schriftzug "Die einzige Lösung ist die Saadet-Partei" und das Logo des "Milli Görüs"-Fernsehsenders "TV5" zeigt. Weiterhin erscheinen die türkischen Schriftzüge "Die türkisch-islamische Einheit, die der Welt von neuem Ruhe, Frieden und Liebe bringen wird" und "Die in Treue zum Bündnis stehende, mit Leidenschaft für ihre Mission eintretende, ihrem Führer verbundene Mevlana-Jugend" sowie das Wappen der Osmanen-Dynastie. Der Video-Clip ist musikalisch mit einem Text unterlegt, dessen Refrain übersetzt folgendermaßen lautet: "Sag, Bruder, ... wer sind wir? ... Wir sind die Generation der Eroberer". Am Ende des Videos ist Folgendes zu hören: "Wir haben es auf dieser Welt weder auf Geld noch Gut abgesehen, wir sind auf dem schönsten Weg, wir marschieren auf dem Weg Allahs. Wir sind die Soldaten der Milli Görüs, unser lichtvolles Herz ist mit Glauben angefüllt, Qualen sind uns ganz egal, das Paradies ist unser Traum. Wir sind die Soldaten der Milli Görüs ...". Am "Tag der Brüderlichkeit und Solidarität" am 31.05.08 im belgischen Hasselt nahmen nach unterschiedlichen Angaben etwa 10.000 bis 15.000 IGMG-Anhänger aus ganz Europa teil. Die IGMG selbst spricht von 25.000 Teilnehmern. Laut "Milli Gazete" vom 02.06.08 wurden unter Beifall der Zuhörer eine Botschaft von ERBAKAN vorgetragen und "unter Tränen" Slogans wie "Mücahid ERBAKAN" ("Glaubenskämpfer 70 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten ERBAKAN") skandiert. Der IGMG-Vorsitzende KARAHAN ging in seiner Rede insbesondere auf die Notwendigkeit einer "islamischen Identität" ein. Den Muslimen müsse das Bewusstsein vermittelt werden, dass die "Ausübung der religiösen Pflichten ihre wichtigste Eigenschaft" sei. Während der Rede KARAHANs hielten einige Jugendliche ein Transparent mit positiven Bekundungen für ERBAKAN in die Höhe. Die vorstehenden Beispiele belegen, dass die IGMG nach wie vor personell, organisatorisch und ideologisch mit der "Milli-Görüs"-Bewegung in der Türkei verbunden ist. Es gibt weitere Anhaltspunkte dafür, dass gerade in Teilen der nachwachsenden Generation statt größerer Integrationsbemühungen islamistische Bestrebungen erkennbar werden. Führende Vertreter der IGMG bekunden immer wieder, dass die IGMG auf dem Boden des Grundgesetzes stehe. Die Bemühungen des reformorientierten Flügels der IGMG, konservativ-islamisches Gedankengut und orthodoxe Glaubenspraxis mit den Werten und Grundprinzipien unserer Verfassung in Einklang zu bringen, stehen nach wie vor im Konflikt mit der "Milli-Görüs"-Bewegung. Solange die ideologischen Wurzeln zur "Milli Görüs"-Bewegung und zu ihrem Spiritus Rector, Necmettin ERBAKAN, nicht gekappt werden, haben die Bemühungen der Reformer nur begrenzte Erfolgsaussichten. Zu entscheidenden Reformschritten wird es wohl erst am Ende der Ära ERBAKAN kommen. Ein weiteres Thema, das die IGMG im Berichtsjahr stark beschäftigte, waren Durchsuchungsmaßnahmen der Steuerfahndung am 26.08.08 in der IGMG-Zentrale in Kerpen/NW und in verschiedenen IGMG-Regionalverbänden. Ermittelt wurde wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. So sollen Einnahmen aus Pilgerreisen in erheblichem Umfang nicht den Finanzbehörden gemeldet worden sein. Die IGMG in Hamburg In Hamburg wird die IGMG von dem "Bündnis der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland e.V." (BIG) repräsentiert, dem 17 Moscheevereine angehören. In Hamburg sind dies neun, in Schleswig-Holstein sechs und in Niedersachsen zwei sowie verschiedene regionale Nebenorganisationen u.a. für Frauen, Studenten und Jugendliche, z.B. die "Muslimische Frauengemeinschaft" (MFG) und die "Islamische Hochschulgemeinde e.V." (IHg). Dem BIG sind in Hamburg ca. 1.600 71 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Mitglieder zuzurechnen. Neben der "Centrum Moschee" in St. Georg gibt es Hamburger BIG-Moscheen in den Stadtgebieten Veddel, Wilhelmsburg, Harburg, Eidelstedt, Altona, Neugraben und Neuenfelde. Zudem unterhält das BIG zwei Bildungseinrichtungen in Hamburg-Harburg sowie im niedersächsischen Seevetal. Das BIG ist als eingetragener Verein zwar rechtlich unabhängig, tatsächlich jedoch als Hamburger Regionalverband weiterhin fest in das straffe, hierarchisch strukturierte Organisationsgefüge der IGMG eingebunden. Der BIG-Vorsitzende, Ramazan UCAR, ist der Zentrale in Kerpen unterstellt. Der Hamburger Regionalverband orientiert sich, wie andere IGMG-Regionalverbände auch, in der Struktur und Arbeitsweise an den Vorgaben der Zentrale. Diese Vorgaben werden auch entsprechend kontrolliert. Führungsfunktionäre des BIG nehmen regelmäßig an Sitzungen in Kerpen teil. Die von der IGMG-"Irschad-Abteilung" (Abteilung für Rechtleitung, "religiöse Wegweisung") herausgegebenen Freitagspredigten werden von mehreren BIG-Gemeinden übernommen. Wie in den Vorjahren wurden 2008 vereinzelt Beiträge mit BIG-Bezug in der "Milli Gazete" publiziert. Das BIG wird jedoch namentlich nicht erwähnt, die Rede ist nur von der "IGMG Hamburg" oder dem "Gebiet Hamburg". Angesichts der durchgehend islamistisch geprägten Berichterstattung der "Milli Gazete" ist den BIG-Verantwortlichen weiterhin daran gelegen, so wenig wie möglich mit der Zeitung in Verbindung gebracht zu werden. Auch in Hamburg gibt es eine Reihe von jungen IGMG-Anhängern, die Necmettin ERBAKAN als "Führer" der "Milli Görüs"-Bewegung verehren. Auf einer überwiegend auf Türkisch verfassten Internetseite des "Islamischen Jugendbundes e.V." (IJB), dem regionalen Zusammenschluss der BIG-Jugendinitiativen, werden unter der Rubrik "Links" fast ausschließlich IGMG-bezogene Seiten angezeigt, darunter auch solche, die zu einer türkischsprachigen Internetseite des "Milli Görüs"72 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Fernsehsenders "TV5" sowie zu einem türkischsprachigen "Milli Görüs"-Archiv führen, in dem zumindest bis Juli 2008 verschiedene Videobeiträge mit Necmettin ERBAKAN abrufbar waren. Die Führungsspitze des BIG sieht sich auf einem Weg der Reformen. Sie betont ihre Eigenständigkeit gegenüber der Bundesorganisation in Kerpen. Mit dieser Orientierung will sie auch erreichen, dass sie - insbesondere im Hinblick auf die angestrebte staatliche Anerkennung - von der Politik als seriöser Ansprechpartner akzeptiert wird. Um Dialogbereitschaft zu bekunden, werden öffentlichkeitswirksame Aktionen wie der "Tag der offenen Moschee" oder der jährliche "Iftar"-Empfang durchgeführt. Insgesamt kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kurs der Führungsspitze von allen IGMG-Anhängern in Hamburg mitgetragen wird. Eine grundsätzliche Abkehr von der "Milli Görüs"-Bewegung ist nach wie vor nicht zu erkennen. 6.4.2 Türkische Hizbullah Die sunnitisch-islamistische "Türkische Hizbullah" (TH) entstand Anfang der 80er-Jahre durch den Zusammenschluss einiger kleinerer kurdischer Gruppierungen in Diyarbakir/Türkei. Sie sieht sich selbst in einem "Kampf gegen das unislamische laizistische kemalistische Regime" in der Türkei und wirkt auf dessen Überwindung hin. Als weitere Ziele strebt sie die Schaffung eines auf der Scharia (islamische Gesetzgebung, Gesamtheit der islamischen Gebote) basierenden islamischen Staates, zunächst in der Türkei, letztlich weltweit an. Der in der Türkei zu gründende Staat soll zugleich "kurdisch" sein, um so die "Tyrannei" des "kemalistischen Regimes" gegenüber den Kurden zu beenden. Zur Durchführung ihrer Ziele befürwortet die TH ausdrücklich auch gewaltsame Methoden. Nach innen ist sie hierarchisch strukturiert und arbeitet konspirativ, so sind u.a. Decknamen gebräuchlich. In der Türkei kam es von Ende der 80erbis Mitte der 90er-Jahre zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen der TH und der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK, III.4.), in deren Verlauf laut türkischer Presse 73 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten mehrere hundert Personen getötet wurden. Darüber hinaus wird die TH für zahlreiche Morde wie z.B. den tödlichen Anschlag auf den Polizeipräsidenten Diyarbakirs am 24.01.01. verantwortlich gemacht; sie hat sich jedoch nie zu einer der ihr zugeschriebenen Aktionen bekannt. Durch intensive Maßnahmen der türkischen Strafverfolgungsbehörden in den Jahren 1999/2000 wurde die Organisation nachhaltig geschwächt. Mehrere ihrer Führungskader kamen ums Leben oder wurden inhaftiert, andere flohen in verschiedene europäische Länder, darunter Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, die Niederlande und die Schweiz. Nach vorliegenden Informationen soll sich die TH in der Türkei, auch mit Unterstützung von im Ausland lebenden Gefolgsleuten, gegenwärtig in einer Regenerationsphase befinden. Dabei verhält sie sich ruhig und unternimmt keine militanten Aktionen. Ihr vorrangiges Interesse gilt dem Aufbau neuer Strukturen und der Gewinnung weiterer Sympathisanten. In den genannten europäischen Ländern ist die TH ebenfalls darum bemüht, sich organisatorisch neu zu organisieren. In Deutschland sind ihr aktuell mehrere Hundert Anhänger zuzurechnen. Hinweise auf die Anwendung von Gewalt liegen hier nicht vor, vielmehr scheint die TH sich in erster Linie auf den Ausbau ihrer strukturellen und finanziellen Möglichkeiten zu konzentrieren. In Hamburg gibt es eine Reihe von TH-Anhängern, die sich jedoch nicht öffentlich politisch betätigen; ihre Aktivitäten mit Außenwirkung sind vorwiegend religiös und kulturell geprägt. Ihr wichtigster Anlaufpunkt ist die Vahdet-Moschee am Steindamm. Beispielhaft für das konspirative Vorgehen der TH war eine europaweite Saalveranstaltung mit ca. 800 Teilnehmern am 06.04.08 in Bischofsheim. Obwohl hinter der Veranstaltung eindeutig die TH stand, war dieser organisatorische Hintergrund nach außen kaum erkennbar und ließ sich nur daran festmachen, dass auf einer der TH zuzuordnenden Internetseite über das Ereignis berichtet wurde. Zu den Rednern auf der Veranstaltung gehörte einer der Imame der Vahdet-Moschee und ein hochrangiger IGMG-Funktionär aus Hamburg. 74 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten III. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick Bei der Beobachtung der in Deutschland aktiven extremistischen Ausländerorganisationen liegt weiterhin ein Schwerpunkt auf der PKKNachfolgeorganisation KONGRA GEL ( 4.). Sie verfügt in Hamburg über konstant hohe Mitgliederzahlen und ist weiterhin in der Lage, auch kurzfristig mit Demonstrationen und gewalttätigen Aktionen auf Entwicklungen, insbesondere im Zusammenhang mit der Haftsituation Abdullah ÖCALANs (Foto, Mitte) in der Türkei, zu reagieren. Wie schon in den Vorjahren gelang es dem KONGRA GEL auch im Jahr 2008, seine Mitglieder und Anhänger zur Teilnahme an Großveranstaltungen zu mobilisieren. So nahmen am "16. Internationalen Kurdischen Kulturfestival" im September in Gelsenkirchen nach Schätzungen bis zu 35.000 Anhänger teil. Die Aktivitäten des KONGRA GEL in Deutschland waren 2008 von folgenden Ereignissen geprägt ( 4.2.): dem Verbot des Fernsehsenders "ROJ TV" am 19.06.08 durch das Bundesministerium des Innern sowie Meldungen über die angebliche Misshandlung Abdullah ÖCALANs im Oktober 2008 durch Wärter auf der Gefängnisinsel Imrali. Obwohl der Sender in Deutschland über Satellit und Internet weiterhin empfangen werden kann, wurde das Verbot sehr scharf kritisiert und sogar mit dem Vorgehen der türkischen Armee gegen Kurden in Zusammenhang gebracht. Insbesondere im Internet wird das Verbot von ROJ TV immer wieder thematisiert und dessen Aufhebung gefordert. Es diente sogar als Begründung für die Entführung von drei deutschen Bergsteigern am 08.07.08 am Berg Ararat in der Türkei, die glücklicherweise am 18.07.08 wieder freikamen ( 4.2.). Türkische linksextremistische Organisationen ( III.5.) haben ihre ideologischen Wurzeln im Marxismus-Leninismus bzw. Maoismus und 76 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten daher dem Grunde nach annähernd gleiche Zielvorstellungen. Sie propagieren einen revolutionären Umsturz in der Türkei und wollen dort eine kommunistische Staatsund Gesellschaftsordnung einführen. Damit rechtfertigen sie einen bewaffneten Kampf und verüben in der Türkei auch terroristische Aktionen. In Hamburg setzt sich die türkische linksextremistische Szene aus den Parteien DHKP-C, der TKP/ ML, MKP und der MLKP zusammen. Sie ist trotz der ideologischen Gemeinsamkeiten stark zersplittert. Ihre Aktivitäten beschränken sich im Wesentlichen auf Kundgebungen und Demonstrationen. Außerdem unterstützen sie ihre in der Türkei aktiven Guerillaorganisationen durch Spendensammlungen. Auch Gruppierungen von iranischen Oppositionellen ( III.6.) machten sich im Berichtsjahr wiederholt bemerkbar. Für das linksextremistische Spektrum sind hier die "Arbeiterkommunistische Partei Iran" (API) und die von ihr im Jahr 2004 abgespaltene Gruppierung HEKMATIST zu nennen. Sie streben das Ziel an, die Macht in Iran zu übernehmen und ein kommunistisches Gesellschaftssystem zu etablieren. Der "Nationale Widerstandsrat Iran" (NWRI) behauptet, das "MullahRegime" durch ein demokratisches Gesellschaftssystem ersetzen zu wollen. Der NWRI ist der politische Arm der "Volksmodjahedin IranOrganisation" (Modjahedin-E-Khalq = MEK), die in Iran jahrelang terroristisch agiert hatte und deren Guerilla im Jahr 2003 entwaffnet worden war. Der NWRI ist seit Jahren darum bemüht, dauerhaft von der "EU-einheitlichen Liste terroristischer Organisationen" gestrichen zu werden. Um dieses Anliegen zu unterstützen und die hier lebenden Anhänger des NWRI zu motivieren, besuchte dessen Leiterin Maryam RADJAVI im November 2008 Deutschland zu einem offiziellen Besuch. Dabei traf sie u. a. auch Mitglieder des Deutschen Bundestages, was von den NWRI-Mitgliedern begeistert zur Kenntnis genommen wurde. Separatistische Gruppen aus mehreren Ländern Asiens traten im Berichtsjahr in Hamburg vorwiegend auf durch das Beschaffen von Spendengeldern unter ihren Anhängern und durch propagandistische Unterstützung ihrer Organisationen in den jeweiligen Heimatländern. Sie wurden hierbei von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Am bekanntesten ist die Organisation "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE), die sich auf Sri Lanka häufig Gefechte mit den dortigen 77 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Regierungstruppen liefert. Insbesondere nach dem am 03.01.08 von der Regierung in Colombo aufgehobenen Waffenstillstand von 2002 verübte die LTTE im Jahr 2008 auf Sri Lanka vermehrt Bombenanschläge - auch durch Selbstmordattentäter. Bei der überwiegenden Zahl der Opfer handelt es sich um Zivilisten, bei einem Anschlag im April 2008 wurde jedoch der Verkehrsminister des Landes getötet. Presseangaben zufolge fielen dem Bürgerkrieg zwischen den tamilischen Separatisten und der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit seit 1983 ca. 70.000 Menschen zum Opfer. Zur Finanzierung dieser Kampfhandlungen und Terroranschläge sammelt die Organisation auch in Hamburg sehr erfolgreich Spendengelder. 2. Potenziale Die Zahl der Anhänger extremistischer Ausländerorganisationen (ohne Islamisten) in Deutschland betrug im Jahr 2008 etwa 24.750 (2007: 25.250). Bund: Personenpotenzial im nichtislamistischen Ausländerextremismus 30000 25000 28.350 27.350 27.150 26.750 26.350 25.720 25.320 25.250 25.250 24.750 20000 15000 10000 5000 0 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 - Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet - 78 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Im Berichtsjahr wurden in Deutschland 16.870 (2007: ebenso) Personen linksextremistischen ausländischen Organisationen sowie rund 7.880 (Vorjahr: 8.380) Personen extrem-nationalistischen ausländischen Organisationen zugerechnet. Personen aus dem kurdischen Kulturkreis bilden mit etwa 11.500 Personen (2007: ebenso) den überwiegenden Teil des Potenzials ausländischer extremistischer Gruppierungen. Die zweitgrößte Volksgruppe mit 10.150 Anhängern (2007: 10.650) stellen Personen türkischer Herkunft (ohne Kurden). Bundesebene: Anhängerpotenzial im nichtislamistischen Ausländerextremismus (nach Staats-/Volkszugehörigkeit und ideologischer Ausrichtung) Staatsbzw. Linksextremisten Nationalisten Volkszugehörigkeit 2007 2008 2007 2008 Kurden 11.500 11.500 - - Türken 3.150 3.150 7.500 7.000 Araber 150 150 - - Iraner 1.150 1.150 - - Sonstige 920 920 880 880 Gesamt 16.870 16.870 8.380 7.880 - Alle Angaben sind geschätzt oder gerundet - Das nachstehende Diagramm veranschaulicht den Anteil der Islamisten am Gesamtpotenzial ausländischer Extremisten in der Bundesrepublik Deutschland. Die geringe Zahl der deutschen Konvertiten wurde hier vernachlässigt. Informationen darüber, um welche islamistischen Gruppierungen es sich im Wesentlichen handelt, welche Gefahren von ihnen ausgehen 79 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten und wie sich die Situation in Hamburg darstellt, finden sich im Kapitel "II. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten". Bund: Gesamt-Personenpotenzial im Ausländerextremismus mit dem Anteil der Islamisten 60000 59.700 58.800 59.100 57.350 57.300 57.520 57.420 57.300 58.420 59.470 50000 40000 30000 31.350 31.450 31.950 30.600 30.950 31.800 32.100 32.050 33.170 34.720 20000 10000 0 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Ausländerextremisten davon insgesamt Islamisten - Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet - In Hamburg gibt es etwa 980 (2007: 970) Anhänger ausländischer politisch-extremistischer Gruppierungen (ohne Islamisten). Die wichtigsten Teilbereiche sind: * Die Anhängerschaft des KONGRA GEL ( III.4.) wird - wie im Vorjahr - auf knapp 600 Personen geschätzt. * Die Zahl türkischer Linksextremisten ( III.5.) betrug 140 (Vorjahr: 130) , * Die Anhängerschaft extremistischer Organisationen iranischer Nationalität wird auf 230 (2007: dto.) geschätzt ( III.6). 80 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Informationen über iranische Islamisten: II.6.3 Hamburg: Gesamt-Personenpotenzial im Ausländerextremismus mit dem Anteil der Islamisten 3500 3.265 3.055 3.000 3.000 2.985 3000 2.590 2.630 2500 1.390 1.330 1.455 1.265 1.000 970 980 2000 1500 1.200 1.300 1.600 2.000 2.000 2.030 2.005 1000 500 0 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Ausländerextremisten Islamisten ohne Islamisten - Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet - 3. Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) Unter den in Hamburg polizeilich erfassten Straftaten mit ausländerextremistischem Bezug waren im Jahr 2008 ein Vielzahl von Farbschmierereien und anderen Sachbeschädigungen, aber auch Brandanschläge zu verzeichnen, z.B.: * In der Nacht vom 18.10. auf den 19.10.08 wurde ein Brandanschlag von unbekannten Tätern auf das Gemüsegeschäft in einem türkischen Gemeindezentrum in Hamburg-Hamm verübt. Es entstand nur ein geringer Sachschaden. Zuvor waren in der Gemeinde Drohschreiben mit rechtsradikalen Inhalten eingegangen, der Absender konnte jedoch identifiziert und als Täter ausgeschlossen werden. 81 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten * In derselben Nacht kam es zu weiteren Sachbeschädigungen, zu denen sich die "Apoistische Jugendinitiative" der PKK am 20.10.08 im Internet bekannte. Die Anschläge erfolgten als Reaktion auf den "physischen Angriff" gegen Abdullah ÖCALAN auf der Gefängnisinsel Imrali. Die Bekennung umfasste Sachbeschädigungen, die so nicht festgestellt werden konnten. Tatsächlich jedoch wurden - Fenster eines türkischen Reisebüros, einer türkischen Fluglinie sowie eines türkischen Transportunternehmens eingeworfen, - mehrere Kfz beschädigt und - Hauswände mit der Aufschrift "PKK" versehen. PMK2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Ausländer PMKAusländer 81 25 29 31 39 42 33 46 insgesamt davon extrem. 55 15 16 12 20 13 12 35 Kriminalität hiervon extrem. 11 1 7 6 12 2 4 7 Gewaltdelikte Die Zahlen stammen von der Polizei Hamburg. - Stand: Februar 2009 - 4. KONGRA GEL [Volkskongress Kurdistans (früher PKK, Arbeiterpartei Kurdistans)] 4.1 Entwicklungen und Organisatorisches Die am 27.11.78 von Abdullah ÖCALAN in der Türkei gegründete PKK, am 26.11.93 in Deutschland mit einem vereinsrechtlichen Betätigungsverbot belegt, setzte ihre Aktivitäten ab April 2002 unter der Bezeichnung KADEK fort. Die Organisation löste sich im Oktober 2003 formell auf und firmiert seit 15.11.03 als KONGRA GEL. Das gegen die PKK ausgesprochene Betätigungsverbot gilt auch für diese Nachfolgeorganisationen. 1984 hatte die PKK hauptsächlich im Südosten der Türkei einen Guerillakrieg gegen das türkische Militär begonnen. 82 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Das Ziel, ein eigener kurdischer Staat, wurde später aufgegeben. Es blieb die Forderung nach begrenzter Autonomie innerhalb des türkischen Staates. Erst nach seiner Ergreifung im Februar 1999 erklärte Abdullah ÖCALAN die Einstellung des bewaffneten Kampfes, um eine Lösung der Kurdenfrage primär auf politischem Wege zu erreichen. Die Guerilla, die HPG ("Volksverteidigungskräfte"), blieb allerdings unter Waffen und steht nach der Aufkündigung ihrer einseitig erklärten Waffenruhe seit Herbst 2007 in vermehrten Auseinandersetzungen mit der türkischen Armee. Banner auf einer PKK-Internetseite Der seit 1999 auf der türkischen Insel Imrali in Einzelhaft einsitzende PKK-Gründer verfügt immer noch über einen beträchtlichen Einfluss auf die Organisation und bestimmt deren Strategie und Handlungsoptionen. Äußerungen gegenüber seinen Anwälten werden von diesen als direkte Anweisungen an kurdische Medien und Gremien der Organisation weitergegeben. Das im Mai 2005 auf Anregung ÖCALANs beschlossene politische Konzept des "Demokratischen Konföderalismus Kurdistans" (KKK, "Koma Komalen Kurdistan") wurde ideologisch weiterentwickelt. Im Mai 2007 beschloss die fünfte Vollversammlung des KONGRA GEL die Namensänderung in "Koma Ciwaken Kurdistan" (KCK; zu Deutsch: "Union der Gesellschaften Kurdistans"). Diese Bezeichnung sollte den Gesellschaftsaspekt stärker unterstreichen. Der KONGRA-GEL ist eine autoritär geführte Kaderorganisation, deren Strukturen ein eigenständiges Handeln nachgeordneter Organisationsteile, wie etwa der HPG, grundsätzlich ausschließen. Die von ÖCALAN und dem Exekutivrat der KCK festgelegte Führungslinie gilt als Gesetz. Die KCK ist das übergeordnete Führungsgremium, dessen nomineller Führer nach wie vor ÖCALAN ist. Tatsächlich ist aber dessen designierter Nachfolger, Murat KARAYILAN, Vorsitzender des Exekutivrates und Leiter der KCK und damit des KONGRA-GEL. 83 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Trotz aller Veränderungen und neben den "Neuschöpfungen" wie KONGRA GEL und KCK besteht weiterhin eine Kernorganisation PKK. Die überwiegend gleichlautenden Aussagen und die teilweise Identität ihrer Protagonisten machen eine genauere Unterscheidung der Organisationsteile hinsichtlich Funktion und Bedeutung nahezu unmöglich. Im Grenzgebiet zwischen der Türkei und dem Irak, das für die PKK bereits seit vielen Jahren Rückzugsgebiet ist, kam es im Februar/März 2008 zu heftigen Auseinandersetzungen mit der türkischen Armee. Der Beschluss des türkischen Parlaments vom Oktober 2007, der die Armee - befristet für ein Jahr - ermächtigt, Kämpfer der PKK bis auf irakisches Territorium zu verfolgen, wurde im Oktober 2008 um ein Jahr verlängert. Die verlustreichste Aktion des bewaffneten Kampfes im Berichtsjahr war ein Angriff der PKK-Guerilla auf einen türkischen Armeeposten unweit der irakischen Grenze am 03.10.08. Dabei kamen 17 türkische Soldaten und 23 PKK-Kämpfer ums Leben. In der Folge bombardierte die türkische Armee mutmaßliche Stellungen der PKK im Nordirak. Im November 2008 einigten sich die türkische Regierung und die Regierung der kurdischen Autonomieregion im Nordirak erstmals in einem Abkommen auf ein gemeinsames Vorgehen gegen die PKK-Guerilla. In dem zunächst auf ein halbes Jahr begrenzten Abkommen verpflichtet sich die kurdische Regionalregierung u.a., ein Lebensmittelembargo gegen die Bevölkerung in den Kandil-Bergen im irakisch-iranischen Grenzgebiet zu verhängen. In dieser Region hat die PKK ihr Hauptquartier mit mehreren tausend Guerillakämpfern. In grenznahen Gebieten zur Türkei sollen neben den Peschmerga der kurdischen Regierung auch türkische Sondereinheiten stationiert werden, um logistische, politische und militärische Verbindungen der PKK zu unterbinden. 4.2 Aktivitäten und Schwerpunkte in Deutschland Trotz des Betätigungsverbotes unterhält der KONGRA GEL in Deutschland weiterhin einen illegalen und konspirativ handelnden Funktionärskörper. 84 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Auf der Europaebene liegt die Parteiarbeit des KONGRA GEL in den Händen seines politischen Arms, der CDK (Koordinasyona Civaka Demokratik ya Kurden Ewrupa, Koordination der kurdischen demokratischen Gesellschaft in Europa). In Deutschland tritt für die Belange des KONGRA GEL bzw. der CDK der Dachverband YEK-KOM (Yekitiya Komelen Kurd li Almanya, Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V.) ein. Er ist Mitglied im europäischen Dachverband KONKURD (Konfederasyona Komelen Kurd Li Avrupa, Konföderation der kurdischen Vereine in Europa). Kernaufgabe des CDK ist die Finanzierung der Organisation und die Mobilisierung der eigenen Gefolgschaft. Deutschland ist in drei Sektoren eingeteilt, Nord, Mitte und Süd. Darunter sind die sogenannten Gebiete angesiedelt. Hamburg und das in Niedersachsen und Schleswig-Holstein liegende Umland sind ein Gebiet. Im Oktober 2007 begannen die Aktivitäten der Kampagne "Edi Bese" ("Es reicht"). Ziele sind die Freilassung ÖCALANs und die Umsetzung seines sogenannten Modells des Demokratischen Konföderalismus, in dem eine "demokratische Autonomie und Organisierung in demokratisch-kommunaler Weise" der Kurden im Nahen Osten innerhalb der bestehenden Staatsgrenzen angestrebt wird. Ab dem 18.05.08 wurde die "zweite Etappe" der Kampagne "Edi Bese" auf dem Weg zur Umsetzung dieses Modells ausgerufen. YEK-KOM ist vor allem als Propagandaorganisation aktiv. Der Dachverband zeichnet verantwortlich für Presseerklärungen und Flugblätter und tritt häufig als Anmelder von Demonstrationen auf. Neben aktuellen Kampagnen (z.B. gegen Festnahmen von Funktionären, gegen das Verbot von ROJ TV, gegen die Haftbedingungen ÖCALANs und die Kampagne "Edi Bese") setzt sich YEK-KOM kontinuierlich für die Aufhebung des Betätigungsverbots ein und fordert die Streichung der 85 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten PKK und ihrer Nachfolgeorganisationen von der EU-Liste terroristischer Organisationen. Am 03.04.08 hat das Gericht Erster Instanz (GEI) der Europäischen Union (EU) die Aufnahme der PKK und des KONGRA GEL in die "EUTerrorliste" für nichtig erklärt. Die Richter sahen die Listung - aus dem Jahr 2002 - als unzureichend begründet an. Der KONGRA GEL-Vorsitzende Zübeyir AYDAR begrüßte die Entscheidung des Gerichts und bezeichnete die Listung als "große Ungerechtigkeit". Für das in Deutschland bestehende vereinsrechtliche Betätigungsverbot der PKK sowie ihrer Nachfolgeund Teilorganisationen hat das Urteil keine unmittelbaren Auswirkungen. Auch die Strafverfahren gegen die Organisation und ihre Funktionäre als "kriminelle Vereinigung" richten sich seit Jahren nach den Bestimmungen des SS 129 StGB. Diese rechtliche Einordnung wird durch die aktuelle Entscheidung nicht tangiert. Die PKK bzw. der KONGRA GEL wurden am 15.07.08 erneut gelistet. Am 19.06.08 wurde ein Verbot gegen den Sender ROJ TV mit Sitz in Dänemark und die "VIKO Fernseh Produktion GmbH" in Wuppertal als dessen Teilorganisation durch das Bundesministerium des Innern verfügt; der Sender sei in die "Organisationsstruktur" der PKK eingebunden. Das Verbot stützt sich auf SSSS 14 und 20 Vereinsgesetz. Die Verfügung gegen ROJ TV beschränkt sich auf den Geltungsbereich des deutschen Vereinsgesetzes. Der KONGRA GEL bezeichnet das Verbot als eine Staatshilfe Deutschlands für die Türkei, der Bundesinnenminister sei der "verlängerte Arm und willfährige Vollstrecker der türkischen Regierung", und man müsse sich gegen die "Vernichtungsund Zerschlagungsstrategie" zur Wehr setzen. Der Bürgermeister einer türkischen Stadt in den "kurdischen Gebieten" brachte das Vorgehen gegen ROJ TV in Deutschland sogar in einen Zusammenhang mit dem Vorgehen der türkischen Armee gegen Kurden. Ihm zufolge sei es "keine Überraschung", weil "50% des Krieges in Kurdistan mit deutschen Waffen bestritten" würden. ROJ TV sei die "Stimme von 40 Millionen Kurden, und niemand werde die Stimme dieses Senders oder anderer kurdischer Publikationen drosseln." Derartige Repressalien würden nur zu einem verstärkten Zusammenhalt unter den Kurden 86 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten führen (aus "Yeni Özgür Politika" v. 04.07.08, einer dem KONGRA GEL nahestehenden Tageszeitung). In der Folge wurde am 08.07.08 eine Gruppe von 13 deutschen Bergsteigern in ihrem Basislager am Berg Ararat in der Nähe der Ortschaft Dogubeyazit/Türkei von bewaffneten Kämpfern überfallen. Aus der Gruppe wurden drei Personen verschleppt. Der Polizei zufolge gaben sich die Bewaffneten als Kämpfer der PKK zu erkennen und thematisierten u. a. das Verbot der PKK in Deutschland. Grund für die Entführung sei die in der Bundesrepublik getroffene Maßnahme gegen ROJ TV und die "VIKO GmbH". Die HPG gaben in einer von der prokurdischen Nachrichtenagentur "Firat News" am 10.07.08 veröffentlichten Erklärung bekannt, die drei deutschen Bergsteiger seien von einer Guerillaeinheit der Organisation in Gewahrsam genommen worden. Die HPG würden die drei Deutschen nicht freilassen, solange sich Deutschland nicht bereit erkläre, auf seine gegen das kurdische Volk und gegen die PKK gerichtete Politik zu verzichten. Die YEK-KOM organisierte am 17.07.08 in Berlin eine Pressekonferenz, bei der die als "Gewahrsamnahme" bezeichnete Entführung u. a. als Folge einer zu "pro-türkisch" ausgerichteten Kurdenpolitik der Bundesregierung dargestellt wurde. Es handele sich aber nicht um einen "Racheakt". Die Bundesregierung wurde aufgefordert, sich gegenüber der Türkei für eine Einstellung der militärischen Operationen gegen die PKK einzusetzen und die angebliche "Repression" gegenüber den Kurden in Deutschland aufzuheben. Die Redner versuchten den Eindruck zu vermitteln, für die Entführung sei eine lokale Guerillagruppe verantwortlich. Die Geiseln wurden am Tag nach dieser Pressekonferenz am 18.07.08 freigelassen. Ein Empfang von ROJ TV ist weiterhin über Satellit und via Internet in Deutschland möglich. 87 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Wie in den Vorjahren organisierte YEK-KOM auch im Jahr 2008 überregionale Demonstrationen und Feste, darunter das "16. Internationale Kurdische Kultur Festival" am 06.09.08 auf der Trabrennbahn in Gelsenkirchen als Höhepunkt des Jahres. An der Veranstaltung, die unter dem Motto "Frieden für Kurdistan, Freiheit für Öcalan" stand, nahmen knapp 35.000 (Eigenangabe: Hunderttausende) Kurden aus Deutschland und dem benachbarten Ausland teil. Eingebettet in ein kulturelles Rahmenprogramm aus Musikund Tanzdarbietungen wurden verschiedene Ansprachen politischen Inhaltes zur Kurdenproblematik gehalten, in denen das ROJ TV-Verbot, die Operationen des türkischen Militärs sowie die Kurdenpolitik in Europa - insbesondere das Vorgehen Deutschlands - scharf kritisiert wurden. Zudem wurde eine Grußbotschaft des Vorsitzenden des KCK-Exekutivrates Murat KARAYILAN übertragen. Trotz des für Deutschland geltenden Verbots von ROJ TV gelang diesem eine Live-Sendung vom Festival. Der KONGRA GEL benötigt für seinen großen Organisationsapparat und seine umfangreichen Aktivitäten sowie zur Versorgung der Guerilla erhebliche finanzielle Mittel, die insbesondere in Europa, hier vor allem in Deutschland, aus den Beiträgen der Mitglieder, dem Verkauf von Publikationen und durch Erlöse aus der Durchführung von Veranstaltungen beschafft werden. Der größte Teil der Finanzen stammt jedoch aus den jährlichen Spendensammlungen, die von September bis ins darauf folgende Jahr hinein stattfinden. Hierbei erhält jedes Gebiet eine Zielvorgabe, sodass insgesamt für Deutschland etwa 5 Millionen Euro erreicht werden sollen (für Europa ca. 12 Millionen Euro). Den Spendern wird dabei erklärt, dass die Beiträge zur Spendenkampagne eine "Steuer" zur "Befreiung Kurdistans" sei, der man sich nicht entziehen könne. Bei mangelnder Freiwilligkeit der Spender wurde in der Vergangenheit auch massiver Druck ausgeübt, und nur selten wurden derartige Vorgehensweisen bei der Polizei angezeigt. Auch 2008 kam es zu Verhaftungen von Funktionären des KONGRA GEL sowie zu Gerichtsverfahren u.a. wegen Mitgliedschaft in einer 88 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten kriminellen Vereinigung und Verstoßes gegen das Vereinsgesetz. Insgesamt wurden seit dem Betätigungsverbot annähernd einhundert Personen der mittleren und oberen Führungsebene des KONGRA GEL wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu Freiheitsstrafen verurteilt. Die Türkei sucht international nach 174 führenden PKK-Mitgliedern. Gewaltausübung ist der Organisation nach wie vor immanent. Der auf Friedfertigkeit gerichtete Kurs des KONGRA GEL ist labil und weiterhin jederzeit umkehrbar. Das gilt unverändert insbesondere für den Fall, dass sich die Haftbedingungen oder der Gesundheitszustand ÖCALANs gravierend verschlechtern sollten. Im Oktober 2008 sorgten Meldungen über eine angebliche Misshandlung ÖCALANs durch Gefängniswärter auf der Insel Imrali europaweit für eine Welle von demonstrativen Aktionen und Anschlägen insbesondere gegen türkische Einrichtungen, so auch in Hamburg. Auch daran wird deutlich, dass die Organisation weiterhin eine Bedrohung für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt. Der KONGRA GEL ist in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich um einen friedlichen Kurs bemüht, gleichzeitig jedoch werden gewaltsame Aktionen seiner jugendlichen Anhänger zumindest gebilligt. Das Mobilisierungspotenzial dieser Jugendlichen ist nur schwer einzuschätzen. Sie werden in einschlägigen Medien wie der Zeitschrift "Ciwanen Azad" oder auf der Internetseite "rojaciwan.com" stets zu Engagement und Aktionen aufgerufen. Außerdem werden sie verstärkt dazu aufgefordert, sich der Guerilla in den Bergen anzuschließen. Der KONGRA GEL unternimmt große Anstrengungen, Nachwuchs zu gewinnen und organisiert zu diesem Zweck Veranstaltungen kultureller oder sportlicher Art, mit denen die Jugendlichen an die Organisation herangeführt werden sollen. 89 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten 4.3 Situation in Hamburg Die Politik der Dachverbände wird auf regionaler Ebene in den jeweiligen lokalen Vereinen umgesetzt. In Hamburg nimmt der Verein "Kurdistan Volkshaus e.V." die Funktion als Mitgliedsverein in der YEK-KOM wahr. Bis Ende 2006 hatte dieser Verein sein Domizil in der Friedensallee. Die Suche nach neuen eigenen Räumen ist bislang erfolglos verlaufen. Zwischenzeitliche Anlaufstellen sind die Räume des "Kurdistan Volkshauses e.V." und des "Vereins freier Frauen aus Mesopotamien e.V.", die beide dem KONGRA GEL zuzurechnen sind. Letzterer fungiert auch als Anmelder von Demonstrationen und Kundgebungen, die sich inhaltlich an den von der Organisationsführung vorgegebenen Kampagnenthemen orientieren. Gelegentlich wird für die Organisierung der lokalen Aktivitäten auch der "Kurdische Volksrat Hamburg" (auch weitere Schreibweisen wie "Kurdistan Volksrat" oder "Volksrat" sind gebräuchlich) herangezogen. Die Existenz zahlreicher Ausschüsse - u.a. für Frauen, Jugend, Schulung und Propaganda, Kultur und Kunst, Außenbeziehungen, religiöse Gruppen und Finanzen - soll den Mitgliedern Mitbestimmung und Basisdemokratie suggerieren. Tatsächlich änderte sich mit dieser neuen Organisationsstruktur das vorhandene Machtgefüge aber nicht. Nach wie vor sind die von der CDK für einige Monate bis zu einem Jahr entsandten Kader die wirklichen Entscheidungsträger in Hamburg. Außer den etwa 600 Hamburger KONGRA GEL-Anhängern existiert ein Sympathisantenumfeld, das sich ebenfalls weitgehend mit den Zielen des KONGRA GEL und insbesondere mit ÖCALAN als Person Quelle: Internetseite von identifiziert und das vorzugsweise für PKK-Unterstützern Großveranstaltungen mit kulturellem Hintergrund mobilisiert werden kann. Dieses Umfeld stagniert jedoch bei einer Zahl von etwa 1.500 Personen, tendenziell sinkend. Vor mehreren Jahren waren es noch geschätzte 3.000. Auch die Zahl der KONGRA GEL-Anhänger, die an Demonstrationen und Kundgebungen in Hamburg teilnehmen, sank in den letzten Jahren. Die Teilnehmerzahlen bei etwa 20 Demonstrationen im Jahr 2008 sind stark schwankend von etwa 40 bis zu 750 Personen. In der Regel - so bei 90 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten alljährlich wiederkehrenden Gedenktagen oder Ereignissen - sind etwa 150 Personen präsent. Als Reaktion auf besondere Ereignisse - so z.B. im Februar und Oktober 2008 - ist die Organisation allerdings auch in der Lage, einen größeren Teil ihres Sympathisantenpotenzials auszuschöpfen. Bei einer Demonstration am 23.02.08 als Protest gegen den Einmarsch der türkischen Armee in den Nordirak waren es etwa 580 Personen, am 18.10.08 protestierten ca. 750 Personen gegen die angebliche Misshandlung ÖCALANs in der Haft (Foto, Vorseite). "Yeni Özgür Politika" und ROJ TV verdreibzw. vervierfachen die tatsächlichen Zahlen oftmals. Anlässlich der Feier zum kurdischen Neujahrsfest NEWROZ versammelten sich in der Alsterdorfer Sporthalle etwa 6.000 Personen. Die Veranstaltung war als eindeutig im Zusammenhang mit der PKK bzw. dem KONGRA GEL stehend zu erkennen. In der Halle war ein ca. 3x2 Meter großes Transparent mit einem ÖCALAN-Bild und dem Text "Für eine politische Lösung in Kurdistan. Weg mit dem PKK Verbot" angebracht. Auf Veranlassung der Polizei wurden die Buchstaben PKK vom Veranstalter überklebt. Die organisatorischen Veränderungen der letzten Jahre (Umbenennungen, Neugründungen, neue Definitionen und Projekte) haben in der Anhängerschaft mehr Verwirrung gestiftet als Nutzen gebracht. Trotz der Kampagnen, Aktionen und Demonstrationen im Jahre 2008 lässt das Engagement für den KONGRA GEL kontinuierlich nach. Der Organisation fehlen insbesondere Aktivisten, die Spenden sammeln, Karten für Veranstaltungen und Publikationen verkaufen sowie für die Teilnahme an Demonstrationen und anderen Veranstaltungen werben. Dieser Mangel wirkte sich spürbar auf die finanzielle Situation der Organisation aus. Auch die Teilnehmerzahlen an "Volksversammlungen", bei denen den Anhängern Ideologie und Ziele der PKK vermittelt werden sollen, gingen merklich zurück. Die Gründe dafür liegen u.a. darin, dass etliche PKK-Anhänger ihre angestrebte Einbürgerung nicht gefährden wollen. Viele sind darüber hinaus aufgrund der Veränderungen in der Organisation und einer allgemeinen politischen Perspektivlosigkeit verunsi91 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten chert. Auch das sogenannte Volkshaus - früher fester Treffpunkt - hat wegen fehlender Räumlichkeiten seine Anziehungskraft eingebüßt. Mit Rücksicht auf ein möglichst legales Erscheinungsbild geht die Organisation im Vergleich zu früheren Jahren - wenn überhaupt - zurückhaltender gegen kritische Anhänger und Spendenunwillige vor, direkter Druck wird kaum noch ausgeübt. In Einzelfällen kommt es nach wie vor zu entsprechenden Anzeigen bei der Polizei. Auch wenn der KONGRA GEL in den letzten Jahren in Hamburg an Bedeutung und Schlagkraft verloren hat, gehen insbesondere von den Anhängern der "Komalen Ciwan" ("Jugendunion") weiterhin Gefahren für die öffentliche Sicherheit aus. Die sich vor allem unter dem Namen "Apoistische Jugendinitiative" präsentierende Jugendorganisation unterstreicht ihre Bereitschaft, kompromisslos für die kurdische Sache einzustehen und zugleich Anschläge zu verüben. In ihrem Eifer bekannten sich "Komalen Ciwan"-Aktivisten allerdings auch zu Straftaten, die entweder gar nicht stattgefunden hatten oder sich ganz anders darstellten als behauptet. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Erwartung der Organisation an die Jugend, mit spektakulären Aktionen auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen, diese erheblich unter Druck gesetzt und dazu verleitet hat, Anschläge und Protestaktionen zu erfinden oder aufzubauschen. Am 19.04.08 fand in Berlin eine vom lokalen KONGRA GEL-Verein organisierte Kundgebung für kurdische Jugendliche unter dem Motto "Freiheit für Öcalan, Frieden für Kurdistan" statt. Das Ausrichten dieser Veranstaltung eigens für jüngere KONGRA GEL-Anhänger stellt ein Novum dar. Als spezifische Jugendveranstaltung war bislang nur das "Mazlum Dogan Jugend, Kulturund Sportfestival" bekannt, das regelmäßig im Sommer stattfindet. Trotz europaweiter Mobilisierung nahmen - entgegen den Angaben der prokurdischen Nachrichtenagentur "Firat News Agency" (ANF), die von 5.000 Teilnehmern berichtete - lediglich 700 meist jüngere Anhänger des KONGRA GEL an der Demonstration teil. Im Verlauf der Kundgebung kam es durch z.T. vermummte Aufzugsteilnehmer wiederholt zu Verstößen gegen das Vereinsbzw. Versammlungsrecht sowie zu schwerem Landfriedensbruch. Demonstranten suchten massiv körperliche Auseinandersetzungen mit Personen 92 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten türkischer Herkunft, von denen sie sich provoziert fühlten. Zudem griffen Aufzugsteilnehmer mehrfach Polizeibeamte an und bewarfen diese mit Steinen, Flaschen und Holzlatten, wobei mehrere Beamte verletzt wurden. Die Sicherheitskräfte nahmen Dutzende von Personen vorübergehend in Gewahrsam. Darunter befanden sich 20 Jugendliche aus Hamburg. Die KCK kritisierte die "aggressive Haltung Deutschlands gegenüber den Kurden". Derartige Angriffe seien als "Unterstützung für die gegen die Kurden angewandte Einschüchterungspolitik" zu betrachten und deshalb heftig zu kritisieren (Yeni Özgür Politika v. 22.04.08). Wiederholt bekannten sich jugendliche Kurden via Internet zu Anschlägen, die - wie bereits erwähnt - in der dargestellten Art nicht festgestellt werden konnten. Im März wurden nach Eigenangaben mehrere türkische Teestuben verwüstet. Tatsächlich festgestellt wurde eine Sachbeschädigung an der gläsernen Eingangstür des Objektes "Atatürk Kulturzentrum Deutschland" im Stadtteil Hammerbrook am 13.03.08. Eindeutig dagegen war die Zuordnung mehrerer Sachbeschädigungen im Oktober 2008 möglich: Im Zusammenhang mit der Mitte Oktober bekannt gewordenen angeblichen Misshandlung ÖCALANs wurden die kurdischen Jugendlichen in Hamburg über eine einschlägige Internetseite zu Aktionen aufgerufen. Die Koordination der Komalen Ciwan hatte über den "letzten Angriff" auf ÖCALAN folgende Erklärung abgegeben: "Dieser Angriff ist der Moment, in dem das Messer an den Knochen angelangt ist. Von nun an werden wir den türkischen Staat und sämtliche faschistische Kräfte nicht mehr warnen." Am 20.10.08 wurde eine "Bekennung" der "Apoistischen Jugendinitiative" zu diversen Aktionen in Hamburg veröffentlicht, die sie am 18.10. und 19.10.08 wegen des "physischen Angriffs" auf ÖCALAN begangenen haben wollen. Darunter befanden sich wiederum Sachbe93 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten schädigungen, die so nicht festgestellt werden konnten, aber tatsächlich wurden * Fenster eines türkischen Reisebüros, einer türkischen Fluglinie sowie eines türkischen Transportunternehmens eingeworfen, * mehrere Kfz beschädigt und * Hauswände mit der Aufschrift "PKK" versehen. In der Erklärung hieß es, die Aktionen würden solange andauern, "bis die türkische Regierung ihre Maßnahmen gegen den Führer der Kurden beendet, sich beim Volk und Öcalan entschuldigt und Umstände, in denen sich Öcalan befindet, sofort verbessert." Am 30.11.08 war in der Festhalle in Buxtehude (Niedersachsen) eine zentrale Veranstaltung zum 30. Jahrestag der PKK-Gründung geplant. Die Anmeldung erfolgte durch zwei in Hamburg wohnhaften Personen. Ihre Durchführung wurde von den niedersächsischen Behörden zwar mehrere Tage vorher untersagt, dennoch reisten am 30.11.08 ca. 200 PKK-Anhänger und Sympathisanten an, überwiegend mit dem Zug. Sie sammelten sich am Bahnhof und feierten dort zunächst friedlich mit Musik und Tanz. Im weiteren Verlauf wurden jedoch Fahnen mit verbotenen Emblemen gezeigt und mit Sprechchören für die PKK geworben. Die Aufforderung der Polizei, dies zu unterlassen, wurde ignoriert, sodass die Personalien von allen rund 200 Teilnehmern festgestellt wurden. Im Übrigen verlief diese spontane Kundgebung jedoch friedlich, und nach einigen Stunden reisten die Kurden wieder ab. 5. Türken Revolutionär-marxistische Gruppierungen DHKP-C (Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephe, Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) Die marxistisch-leninistisch ausgerichtete DHKP-C ist seit dem 13.08.98 in Deutschland verboten. Ihren Ursprung hat sie in der - 1983 hier ebenfalls verbotenen - Devrimci Sol (Revolutionäre Linke). Die Organisation besteht aus einem politischen (Revolutionäre Volksbefreiungspartei, DHKP) und einem militärischen Arm (Revolutionäre 94 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Volksbefreiungsfront, DHKC). Der politische Arm propagiert weiterhin den "revolutionären Kampf" in der Türkei. In einer im Internet veröffentlichten Erklärung vom 25.03.08 gedachte die DHKP ihrer bisherigen "Gefallenen der Revolution" und ihres Gründungstages, den 30.03.94. Seit Bestehen der Organisation sei es ihr Ziel, den "bewaffneten Befreiungskrieg" in der Türkei zu führen und dort die "rote Fahne der Revolution und des Sozialismus" zu hissen. Die "ParteiFront" stehe für die "Verteidigung der Revolution und des Sozialismus unter jeder Bedingung". Dursun KARATAS, Begründer und langjähriger Generalsekretär der DHKP-C, erlag am 11.08.08 in den Niederlanden einem Krebsleiden. Bundesweit fanden Gedenkveranstaltungen statt. In Hamburg wurde am 23.08.08 nach einer Saalveranstaltung in der "B 5" ( IV. 5.,5.1) ein Gedenkmarsch mit etwa 60 Personen durchgeführt. Die intensiven Strafverfolgungsmaßnahmen deutscher Behörden mit Festnahmen, Gerichtsverfahren und Verurteilungen der wichtigsten Führungsfunktionäre haben die DHKP-C nachhaltig geschwächt. Derzeit gibt es keine Anzeichen dafür, dass sich diese Situation kurzfristig ändern wird. In Deutschland gehören der Organisation über 650 Mitglieder an, in Hamburg sind es etwa 20. Die Finanzierung der Organisation erfolgt hauptsächlich durch Mitgliedsbeiträge, Spendensammlungen und Musikveranstaltungen. So fand am 12.10.08 in Hamburg eine Konzertveranstaltung mit dem Tenor "Unsere Kraft gegen Rassismus ist unsere Einheit" statt. Der Internetseite der DHKP-C-Umfeldorganisation "Anatolische Föderation e.V." zufolge ist der ihr angeschlossene Hamburger Verein "AnadoluDer" Organisator dieser Veranstaltung gewesen. Neben musikalischen Darbietungen seien politische Reden gehalten worden. Bei der Ansprache sei auf den Rassismus in Europa - insbesondere in Deutschland - hingewiesen worden. Wörtlich heißt es hierzu: "Hier muss folgen95 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten des beachtet werden: In Europa wird der Rassismus durch staatliche Hände entwickelt. Im Namen der Sicherheit werden faschistische Gesetze herausgegeben und den Ausländern, die ihre Arbeit getan haben, wird gesagt, sie mögen in ihre Heimat zurückkehren. Dabei befinden wir uns hier mit unserer Arbeitskraft und wollen mit unseren Rechten leben. Diejenigen, die die Völker erniedrigen, die Völker einnehmen, assimilieren, diejenigen, die den Hunger und ein menschenunwürdiges Leben stützen, sollten wissen, dass die Völker solch ein Leben niemals akzeptieren werden! Und sagen deshalb, dass der Rassismus ein menschlicher Fehler, eine imperialistische Politik ist und unverzüglich beendet werden muss!" Der "Solidaritätsverein mit den politischen Gefangenen und deren Familien in der Türkei" (TAYAD) greift regelmäßig politische Themen im Sinne der DHKP-C auf. Am 16.10.08 veranstalte das TAYAD-Komitee vor dem türkischen Generalkonsulat in Hamburg eine Kundgebung zum Gedenken an Engin CEBER, an der ca. 15 Personen teilnahmen. CEBER, der am 28.08.08 beim Verkauf der DHKP-C-Publikation "Yürüyüs" (Marsch) festgenommen worden war, verstarb am 08.10.08 aufgrund einer Gehirnblutung in einem türkischen Gefängnis. TKP/ML (Türkiye Komünist Partisi / Marksist Leninist, Türkische Kommunistische Partei / Marxisten Leninisten) und Nebenorganisationen Im Jahr 1972 wurde die "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) von dem marxistisch-maoistischen Ideologen Ibrahim KAYPAKKAYA gegründet. Politisches Ziel der TKP/ML war die Beseitigung der bestehenden Staatsordnung in der Türkei. Mit Hilfe einer "demokratischen Volksrevolution" sollte eine kommunistische Gesellschaftsordnung errichtet werden. Nach mehreren Abspaltungen zerfiel die TKP/ML im Wesentlichen in die Organisationen TKP/ML-Partizan und "Maoistische Kommunistische Partei" (MKP). 96 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten TKP/ML-Partizan (Türkiye Komünist Partisi / Marksist Leninist, Türkische Kommunistische Partei / Marxisten Leninisten) mit den Nebenorganisationen "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland" (ATIF), "Kulturund Solidaritätsverein Hamburg e.V.", "Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee" (TIKKO), "Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa" (ATIK) Die TKP/ML-Partizan hielt auch im Jahr 2008 unbeirrt an ihrer linksextremistischen Ausrichtung fest. In einem Flugblatt anlässlich des 1.Mai 2008 hieß es dazu u. a.: "Um das Feuer des Aufstandes zu entfachen, lasst uns alle Felder des Kampfes erobern! Vorwärts - um die rote Flagge des Proletariats zu hissen! Nieder mit dem Imperialismus, Faschismus und jeglicher Reaktion! Lang lebe der 1. Mai!" Die propagandistische Arbeit der TKP/ML-Partizan wird vorwiegend durch die der Organisation nahestehende "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland" (ATIF) geleistet. Am 26.04.08 veranstaltete der der ATIF zuzurechnende "Kulturund Solidaritätsverein Hamburg e.V." eine Kundgebung mit dem Tenor "Gegen Rassismus", an der sich 60 Personen beteiligten. Ziel dieser Kundgebung war, einen Demonstrationszug von Neonazis am 01.Mai in Barmbek ( V.,5.3) zu verhindern. Ein weiteres Agitationsthema des "Kulturund Solidaritätsvereins Hamburg e.V." war die Festnahme des Önder DOLUTAS am 22.05.08 am Flughafen Frankfurt. Er war aufgrund eines Auslieferungsersuchens des türkischen Staates über Interpol in Haft genommen worden. Für seine Freilassung wurden am 07.06.08 eine Kundgebung mit ca. 50 Teilnehmern in Altona veranstaltet und am 19.09.08 ein Informationsstand in St. Pauli aufgebaut. DOLUTAS wurde am 08.10.08 wieder aus der Haft entlassen. Bundesweit gehören der TKP/ML-Partizan ca. 800 Mitglieder an, in Hamburg sind es 40. Ihr militärischer Arm in der Türkei ist die "Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee" (TIKKO). 97 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten An der alljährlichen Gedenkveranstaltung zum 35. Todestag des Parteigründers Ibrahim KAYPAKKAYA (Foto auf Vorseite) am 24.05.08 in Ludwigshafen (RP) nahmen rund 2.500 Anhänger und Sympathisanten der TKP/ML-Partizan aus Deutschland und dem benachbarten Ausland teil. MKP (Maoist Komünist Partisi, Maoistische Kommunistische Partei) mit den Nebenorganisationen "Konföderation für demokratische Rechte in Europa" (ADHK), "Volksbefreiungsarmee" (HKO) Die der MKP zuzurechnende "Konföderation für demokratische Rechte in Europa" (ADHK) gedachte am 29.06.08 in Hamburg der 17 Anhänger der MKP, die bei einer Offensive türkischer Sicherheitskräfte am 16./17.06.05 im Mercan-Tal in der Provinz Tunceli getötet worden waren. So hieß es auf der Internetseite der ADHK, auf der über die Gedenkfeier in Hamburg berichtet wurde: "Der Verlust der 17 ist nicht nur im Hinblick auf unsere Partei, sondern auch für die Revolution in der Türkei, Südkurdistan und der ganzen Welt ein bedeutender Verlust". Als militärischer Arm der MKP fungiert in der Türkei die "Volksbefreiungsarmee" (HKO). Auch die MKP erinnert jedes Jahr mit einer Gedenkveranstaltung an den Tod von Ibrahim KAYPAKKAYA. Ihre diesjährige Feier fand mit ca. 1.200 Teilnehmern am 10.05.08 in Köln statt. In Deutschland gehören der MKP rund 500 Personen an, in Hamburg sind es ca. 40. MLKP (Marksist Leninist Komünist Partisi, Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei) mit den Nebenorganisationen "Bewaffneten Einheiten der Armen und Unterdrückten" (FESK), "Föderation der Arbeiterimmigrantinnen aus der Türkei in Deutschland e.V." (AGIF) Die 1994 in der Türkei gegründete MLKP vertritt die Lehren von Marx, Engels, Lenin und Stalin. Ihr Ziel ist es, das türkische Staatsgefüge durch eine gewaltsame Revolution zu beseitigen und in eine Diktatur des Proletariats umzuwandeln. Die nur in der Türkei agierenden "Bewaffneten 98 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Einheiten der Armen und Unterdrückten" (FESK) werden von den dortigen Sicherheitsbehörden als bewaffneter Arm der MLKP angesehen. In Deutschland zählt die MLKP ca. 550 Mitglieder, in Hamburg sind es etwa 40. Die ihr thematisch nahestehende "Föderation der Arbeiterimmigrantinnen aus der Türkei in Deutschland e.V." (AGIF) behandelt in ihren Veröffentlichungen auch Deutschland-spezifische Themen. Bezugnehmend auf die politische Entwicklung in der Türkei forderte die MLKP in ihrer Publikation "Atilim" (Vorstoß) vom 01.03.08 mit der Überschrift "Internationale Solidarität gegen die Besetzung" alle "fortschrittlichen, revolutionären und kommunistischen Kräfte" dazu auf, sich aktiv gegen den Angriff der "kolonialistischen türkischen Armee" auf das kurdische Volk zu stellen und den nationalen kurdischen Widerstand gegen den "kolonialistischen Faschismus" zu stärken. Die MLKP beteiligte sich - ebenso wie die MKP und TKP/ML-Partizan - an der 1.Mai-Demonstration in Hamburg-Barmbek, die sich auch gegen den rechtsextremistischen Aufmarsch am selben Tag in Barmbek richtete ( V.,5.3.). In der "Atilim" vom 05.05.08 wird über die bundesweiten Demonstrationen - auch die in Hamburg - berichtet. Wörtlich hieß es darin: "Das Herz des 1. Mai schlug in Hamburg. Während der Demonstrationen wurde den Neonazis keine Chance gelassen. Stundenlang kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei und den Neonazis, die von der Polizei unterstützt wurden." 6. Iraner Iranische Oppositionelle Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) Die "Volksmodjahedin Iran-Organisation" ("Modjahedin-E-Khalq", MEK) ist die größte und aktivste iranische Oppositionsgruppierung, die den Sturz des islamischen Regimes in Teheran anstrebt. Die Anwendung von Gewalt hierbei ist für sie ein legitimes Mittel. 99 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten In Europa und Nordamerika wird die MEK durch ihren politischen Arm, den "Nationalen Widerstandsrat Iran" (NWRI), vertreten. In Iran lehnt die Bevölkerung die Organisation mehrheitlich ab. Hintergrund ist die Beteiligung der MEK am Iran-Irak-Krieg von 1980 bis 1988, in dem die MEK auf Seiten des damaligen irakischen Regimes von Saddam HUSSEIN den angestrebten Sturz des iranischen Mullah-Regimes unterstützt hatte. Bis Anfang 2002 war der im Irak ansässige militärische Arm der Organisation, die "Nationale Befreiungsarmee" (NLA), für zahlreiche Anschläge auf Einrichtungen und Repräsentanten in Iran verantwortlich. Im Mai 2003 wurde die NLA jedoch im Zuge des Irak-Krieges entwaffnet und die Organisation dadurch ihrer militärischen und terroristischen Möglichkeiten beraubt. In dem nahe Bagdad gelegenen Lager Ashraf, das bislang unter der Aufsicht US-amerikanischer Streitkräfte steht, befanden sich im Berichtsjahr noch ca. 3.500 ehemals bewaffnete Kämpfer der NLA, die unter den Schutz der Vierten Genfer Konvention gestellt wurden. Die ungewisse Zukunft des Lagers ist für die MEK ein wichtiges Agitationsthema, insbesondere vor dem Hintergrund einer möglichen Übergabe der Aufsicht über das Lager an irakische Behörden. Bundesweit gehören dem NWRI ca. 900 Mitglieder an, in Hamburg etwa 200. Die Aktivitäten der Organisation sind rein propagandistisch ausgerichtet und darauf konzentriert, sich als demokratische Exilbewegung und einzige politische Alternative zum iranischen Regime darzustellen. So kritisiert der NWRI vornehmlich die Menschenrechtslage in Iran und das iranische Nuklearprogramm, um mit diesem Protest letztlich auf sich und seine politischen Ziele aufmerksam zu machen. Hierzu führen die Organisation bzw. die ihr angeschlossenen Vereine Demonstrationen, Protestkundgebungen sowie Unterschriftenaktionen durch und betreuen 100 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Infotische. Bei seiner Lobbyarbeit setzt der NWRI vorrangig auf die Unterstützung politischer Entscheidungsträger. Höhepunkt der propagandistischen Aktivitäten in Deutschland war der offizielle Besuch der vom NWRI als "künftige Präsidentin des Iran" stilisierten Maryam RADJAVI (Foto auf Vorseite) im November 2008 in Berlin. Sie traf sich mit Mitgliedern des Deutschen Bundestages sowie des Berliner Abgeordnetenhauses, um für die Unterzeichnung einer Resolution zur Streichung der MEK von der "EU-Terrorliste" zu werben. Ihr Aufenthalt wurde von Sympathiebekundungen der in Deutschland lebenden Anhänger begleitet. In den USA gilt die MEK seit 1997, in Großbritannien seit 2001 als terroristische Organisation. Auf Initiative der britischen Regierung nahm der Rat der Europäischen Union erstmals im Mai 2002 die MEK und die NLA in die EU-Liste terroristischer Organisationen auf. Am 26.01.09 verabschiedete der EU-Rat eine aktualisierte Fassung der Liste; darin sind MEK und NLA nicht mehr vertreten. Anhänger der MEK und des NWRI feierten am Tag darauf in Brüssel diese Entscheidung im Rahmen einer Kundgebung. Daran nahmen nach Angaben der Organisation 15.000 Personen teil, darunter auch zahlreiche aus Deutschland. Seine Aktivitäten finanziert der NWRI außer durch Beiträge seiner Anhänger auch über Spendeneinnahmen (bei Straßensammlungen, Veranstaltungen sowie Hausbesuchen bei potenziellen Spendern). Angeblicher Zweck der bundesweit betriebenen Sammlungen sind humanitäre Ziele. Zur Verschleierung der tatsächlichen Verwendung des Erlöses tritt der NWRI unter den Namen von Tarnvereinen auf. In den letzten Jahren gründete er mehrere neue Spendenvereine, nachdem frühere als NWRI-Tarnorganisationen bekannt geworden und aufgelöst worden waren. Zu den Tarnvereinen, die im Berichtsjahr im Zusammenhang mit Spendensammlungen aufgefallen sind, zählen das "Menschenrechtszentrum für ExiliranerInnen e.V." (MEI), Düsseldorf, sowie der "Menschenrechtsverein für Migranten e.V.", Aachen. Der letztgenannte Verein sammelte u.a. in Hamburg Spenden. Hamburg gehört nach wie vor zu den wichtigsten Stützpunkten des NWRI in Deutschland. Seine organisatorische Basis ist hier der Tarnverein "Iranische Gemeinschaft in Hamburg e.V." (IGH). Sie veranstaltete 101 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten im Berichtsjahr Informationsstände und Protestkundgebungen in der Hamburger Innenstadt, auf denen das iranische Regime angeprangert und die Situation des Lagers Ashraf (s.o.) thematisiert wurden. An den friedlich verlaufenden Protestaktionen nahmen durchschnittlich 20 bis 30 Anhänger teil. Die Hamburger Sektion beteiligte sich darüber hinaus an den deutschlandund europaweiten Veranstaltungen des NWRI in Berlin, Köln, Genf, Straßburg und Paris. Arbeiterkommunistische Partei Iran (API) Die "Arbeiterkommunistische Partei Iran" (API) hat ihre Wurzeln in der "Kommunistischen Partei Irans", von der sie sich 1991 abspaltete. Die Organisation besteht seit 2004 aus zwei eigenständigen Fraktionen, der API-Altpartei und der API-HEKMATIST, benannt nach dem Parteigründer Mansour HEKMAT. Beide Gruppierungen sind marxistisch-leninistische Kaderorganisationen, die den Sturz der iranischen Regierung unter Einsatz von Gewalt und die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung in Iran anstreben. Die HEKMATISTEN geben sich nach eigener Darstellung moderater als die Altpartei, da sie bereit sind, auf dem Weg ihres politischen Kampfes Koalitionen mit anderen Gruppierungen einzugehen. Beide Fraktionen unterhalten in Iran einen militärischen Arm. In Europa ist die API u.a. in Schweden, den Niederlanden, Großbritannien (mit Sitz ihrer Europazentrale in London) und in Deutschland vertreten. Sie unterhält verschiedene Nebenorganisationen wie das "Internationale Komitee gegen Steinigung", die "Internationale Föderation Iranischer 102 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Flüchtlingsund Immigrantenräte e.V." (IFIR) und die "Internationale Kampagne zur Verteidigung der Frauenrechte im Iran e.V.". Die strikt hierarchisch aufgebauten Organisationen API und API-HEKMATIST verfügen in Deutschland über insgesamt rund 250 Mitglieder. Sie teilen sich in Gebietssektionen, die sich weitgehend an der föderalen Struktur Deutschlands orientieren. Der von den jeweiligen Sektionsmitgliedern gewählte - drei bis sieben Personen zählende - Vorstand, dem ein Mitglied als Sektionsverantwortlicher vorsteht, zeichnet für die Umsetzung der Vorgaben aus der Deutschlandzentrale verantwortlich, organisiert Protestaktionen vor Ort in eigener Regie oder mobilisiert Anhänger für die Aktivitäten der Organisation. In Deutschland gehen die meisten Aktivitäten der API sowie der APIHEKMATIST, die hier in etwa gleich stark vertreten sind, von ihren Sektionen in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Hamburg aus. 2008 wie auch in den Vorjahren veranstalteten sie friedliche Protestkundgebungen, Unterschriftenkampagnen und Infostände. Anfang 2008 startete die API-Deutschland in Frankfurt eine bundesweite Unterschriftenkampagne, mit der sich die Unterzeichner solidarisch mit dem Kampf der Studenten gegen das iranische Regime erklären sollten. Die Partei publizierte diese Aktion auf Fotoausstellungen und an Infoständen. Anlässlich dieser in Großstädten geführten Kampagne protestierte die API-Sektion Hamburg am 09.02.08 vor dem iranischen Generalkonsulat in der Stadt "Gegen die Festnahmen von Studenten im Iran". Auf einem Flyer appellierte die API "Schweigt nicht zu den tödlichen Überfällen auf die Studentenbewegung im Iran!". Es folgten am 20.05.08 eine weitere Protestveranstaltung an gleicher Stelle sowie im Verlaufe des Jahres einige Infostände. Thematisiert wurden die Menschenrechtsverletzungen in Iran sowie die Situation der iranischen Studenten und Arbeiter. Insgesamt waren die Aktivitäten beider Organisationen in Hamburg 2008 im Vergleich zum Vorjahr rückläufig. So wurde z. B. eine für den 08.07.08 angemeldete Protestveranstaltung wieder abgesagt, obwohl dies ein für die iranische Opposition symbolträchtiges Datum ist: 1999 schlug das iranische Regime an diesem Tag Studentenunruhen gewaltsam nieder. 103 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Die Gruppen zählen in Hamburg zusammen rund 30 Mitglieder und führen ihre Aktionen manchmal auch gemeinsam durch. Mit ihren mehrsprachigen Internetseiten und ihren monatlich erscheinenden Publikationen API-Brief und "KOMONIST" ergänzen die Organisationen ihre Auftritte in der Öffentlichkeit. 104 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Linksextremismus IV. Linksextremismus 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick Aktivitäten und Themen der Hamburger Linksextremisten hatten im Jahre 2008 eine große Bandbreite. Bei Autonomen ( 5.) reichten die Aktivitäten von internen Debatten zur eigenen Befindlichkeit über Demonstrationen mit z.T. gewalttätigen Ausschreitungen bis hin zu Brandanschlägen. Positive Resonanz fanden Autonome mit ihren Aktionen jedoch nur in ihrer eigenen Szene. Der Brandanschlag auf ein Servicefahrzeug eines Energiekonzerns im November 2008 gefährdete die unmittelbare Wohnumgebung des Tatortes, da die Ladung aus mehreren Sauerstoffund Acetylenflaschen bestand. Ein bei derartigen Taten übliches Bekennerschreiben blieb in diesem Fall aus. Das in den Vorjahren mit den Protesten gegen das G8-Treffen in Heiligendamm/Mecklenburg-Vorpommern erreichte Aktivitätsniveau konnten Autonome nicht aufrecht halten. Ihren weiteren Vernetzungsbemühungen fehlte ein gemeinsames Thema. Nur die "Interventionistische Linke" (IL) konnte die bei den G8-Protesten erzielte Dynamik teilweise auf neue Themen überleiten. Hierbei handelte es sich insbesondere um die Mobilisierung von Linksextremisten zu Protestaktivitäten gegen den NATO-Gipfel Anfang April 2009 in Straßburg/Frankreich und Baden-Baden/Baden-Württemberg. Der IL gehören neben einzelnen autonomen und antiimperialistischen Gruppierungen auch linksextremistisch beeinflusste friedensund umweltpolitische Initiativen sowie nichtextremistische Organisationen an. In Norddeutschland wird die IL durch die Gruppe "AVANTI - Projekt für eine undogmatische Linke" repräsentiert, die überregional aktiv ist ( 5.1). 106 Linksextremismus Auch das 10-tägige "Antirassismusund Klimacamp" im August in Hamburg ( 5.2.3) beruhte u.a. auf Initiativen aus dem Bereich der IL. Es stieß bei Hamburger Autonomen wegen des großen Anteils der nichtextremistischen Initiatoren und Teilnehmer sowie des Themas "Klimawandel" nur auf geringe Resonanz. Ein wichtiges Aktionsthema insbesondere der Hamburger autonomen Szene war auch 2008 der Antifaschismus ( 5.2.2). Die nachstehenden Strafund Gewalttaten auf diesem Feld sind hervorzuheben: * Vor der Bürgerschaftswahl im Februar sowie vor dem 1.Mai wurden Sachbeschädigungen an den Wohnhäusern rechtsextremistischer Kandidaten verübt ( 5.2.2 ). * Gewalt und Zerstörungswut bei Protesten gegen eine Demonstration von Rechtsextremisten am 01.05.08 (Foto) erreichten in Hamburg einen traurigen Höhepunkt ( 5.2.2). * Bei "antifaschistischen" Protesten im Herbst 2008 gegen einen Laden, der auch von Rechtsextremisten bevorzugte Kleidung anbot, wurden Straftaten verübt ( 5.2.2). Autonomen gelang es nicht, die Feierlichkeiten zum 18. Tag der Deutschen Einheit in Hamburg zu beeinträchtigen. Von orthodox-kommunistischen und trotzkistischen Gruppen gingen im Berichtsjahr insgesamt wenig Aktivitäten aus. 107 Linksextremismus 2. Potenziale Den linksextremistischen Organisationen und Vereinigungen gehörten im Jahre 2008 bundesweit 25.200 Personen an (2007: 24.800). Dieser Zahl sind noch etwa 6.300 Personen (2007: 6.300) der Kategorie "Gewaltbereite Linksextremisten" [Autonome, Anarchisten und "Antiimperialistischer Widerstand" (AIW; 5.1)] hinzuzurechen. Bund: Linksextremistische Personenpotenziale 35000 30000 25000 20000 15000 34.200 33.500 32.900 31.100 31.300 30.800 30.600 30.700 30.800 31.200 10000 5000 0 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 - Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet - Die Zahlen für die Bundesebene enthalten auch die Mitglieder der "Kommunistischen Plattform" (KPF; 6.) sowie weiterer linksextremistischer Vereinigungen in der Partei DIE LINKE., aber nicht die Gesamtzahl ihrer Mitglieder. Nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften betrug das linksextremistische Personenpotenzial bundesweit insgesamt etwa 31.200 Personen (2007: etwa 30.800 Personen). 108 Linksextremismus Linksextremistisches Personenpotenzial 2007 2008 auf Bundesebene Angehörige von Kernund Nebenorganisationen (Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten) 1 24.800 25.200 Gewaltbereite (Autonome, Anarchisten u. Antiimperialistischer Widerstand) 6.300 6.300 Gesamtpotenzial (abzüglich Mehrfachmitgliedschaften) 30.800 31.200 1 Einschließlich "Kommunistischer Plattform der Partei DIE LINKE." (KPF). Hinzu kommen die Mitglieder weiterer linksextremistischer Gruppen in der Partei "DIE LINKE.". - Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet - In Hamburg wurden im Berichtsjahr 1.120 Linksextremisten erfasst (nach Abzug von Doppelmitgliedschaften). Die Differenz zur VorjahHamburg: Linksextremistische Personenpotenziale 1.350 1.300 1.340 1.130 1.500 1.500 1.480 1.500 1.500 1.120 560 520 520 500 480 480 470 500 500 520 - Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet - 109 Linksextremismus reszahl (ca. 1.500) resultiert insbesondere daraus, dass das LfV Hamburg nur noch die Mitglieder der revolutionär-marxistischen Organisationsteile der LINKEN beobachtet ( 6.). Die Zahl der Angehörigen des autonomen Lagers ( 5.) erhöhte sich von 390 im Vorjahr auf 400. Altersund fluktuationsbedingt verringerte sich die Zahl der Angehörigen des "Antiimperialistischen Widerstandes" (AIW) um nahezu ein Viertel auf knapp 50 Personen, während die der gewaltbereiten Personen (Autonome, Anarchisten und AIW) von ca. 500 im Vorjahr auf 520 stieg. Die Mitgliederzahl marxistisch-leninistischer Kernund Nebenorganisationen sowie revolutionär-marxistischer Gruppen entsprach mit ca. 600 der des Vorjahres. Linksextremistisches Personenpotenzial 2007 2008 in Hamburg Angehörige marxistisch-leninistischer Kernu. Nebenorganisationen sowie andere revolutionäre Marxisten und Trotzkisten 600 6001 Gewaltbereite (Autonome, Anarchisten u. Antiimperialistischer Widerstand) 500 520 Gesamtpotenzial (abzüglich Mehrfachmitgliedschaften) 1.500 1.120 1 Die Zahl enthält die Mitglieder der revolutionär-marxistischen Organisationsteile der Partei "DIE LINKE." -Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet3. Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) Nach dem starken Anstieg der linksextremistischen Straftaten in Hamburg im Jahre 2007 war im Jahre 2008 ein leichter Rückgang von 98 auf 92 zu verzeichnen. 110 Linksextremismus Die Zahl der Gewalttaten stieg allerdings von 49 im Jahr 2007 auf 51 im Berichtsjahr. Schwerpunkte waren Auseinandersetzungen zwischen Linksund Rechtsextremisten insbesondere beim Aufmarsch von Rechtsextremisten am 1.Mai sowie anlässlich der Themen Energie-/Klimapolitik und Antirassismus. Weitere Straftaten wurden während oder nach Demonstrationen insbesondere von Angehörigen der autonomen Szene begangen. Hierbei handelte es sich überwiegend um Körperverletzungen gegen Polizeibeamte, Landfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Hervorzuheben sind folgende Straftaten: * Am 18.02. und am 21.04.08 verübten unbekannte Täter Sachbeschädigungen an Wohnhäusern und Fahrzeugen mehrerer Funktionäre der DVU ( V., 8.2) und der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD, V., 8.1). In Bekennerschreiben wurden die Taten mit der Kandidatur der Rechtsextremisten zur Hamburger Bürgerschaftswahl bzw. mit der rechtsextremistischen Demonstration am 01.05.08 in Hamburg begründet. Nach dem vorzeitigen Ende der Demonstration gegen den rechtsextremistischen Aufzug am 01.05.08 wurden zehn Fahrzeuge in Brand gesetzt, darunter ein Pkw der Bundespolizei; zwei auswärtige Tatverdächtige wurden festgenommen. * Im Zusammenhang mit der Debatte um Klimapolitik und Energieversorgung sowie dem Transport von Castor-Behältern ( 5.2.5) in das Zwischenlager Gorleben/Niedersachsen wurden im Oktober und November 2008 mehrere Fahrzeuge eines Hamburger Energiekonzerns beschädigt bzw. in Brand gesetzt. Zu einer dieser Taten bekannte sich eine "autonome gruppe für mehr bodenkontakt" (a.g.f.m.b.). * Im Vorfeld des Klimaund Antirassismuscamps in Hamburg ( 5.2.3) begingen militante Autonome Sachbeschädigungen an einem Kundenzentrum eines Energieversorgers, an den Wohnhäusern von drei Bediensteten der Hamburger Ausländerbehörde sowie Brandanschläge auf die Fahrzeuge zweier Firmen, die u.a. im Cateringservice von Flüchtlingsunterkünften tätig sind ( 5.2.3). In einer mit "Militante Antirassistische Gruppe Gegen das Imperium" (M.A.G.G.I.) unterzeichneten Bekennung wird den Behördenmitarbeitern eine Mitschuld an der "unwürdigen Ham111 Linksextremismus burger Abschiebepraxis" und den Firmen Profitstreben zu Lasten von Flüchtlingen vorgeworfen. PMK2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Links PMK-Links 202 221 308 254 289 255 453 535 insgesamt davon linksextrem. 90 16 16 23 32 18 98 92 Straftaten hiervon extrem. 43 4 11 16 19 9 49 51 Gewaltdelikte - Die Zahlen stammen von der Polizei Hamburg - Stand: Februar 2009 - 4. Linksextremistischer Terrorismus und autonome Militanz Terroristische Strukturen mit der Bereitschaft zu schwersten Anschlägen bis hin zum Mord gibt es in Deutschland im Linksextremismus seit Auflösung der "Roten Armee Fraktion" (RAF) im Jahre 1998 nicht mehr. Seit der Freilassung von Christian KLAR am 19.12.08 nach Verbüßung der festgesetzten Mindesthaftzeit von 26 Jahren ist Birgit HOGEFELD das letzte inhaftierte ehemalige RAF-Mitglied in Deutschland. Die "militante gruppe" (mg) wurde mit dem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 28.11.07 als kriminelle Vereinigung nach SS 129 StGB eingestuft, vorher war sie eine terroristische Vereinigung nach SS 129a StGB. Nach Auffassung des BGH waren ihre Brandanschläge gegen Gebäude und Fahrzeuge nicht geeignet, die Bundesrepublik Deutschland erheblich zu schädigen. Wegen der Bedeutung des Falles bleibt allerdings die Bundesanwaltschaft für die Ermittlungen gegen die "mg" zuständig. Drei mutmaßliche "mg"-Angehörige müssen sich seit dem 25.09.08 für einen versuchten Brandanschlag am 31.07.07 auf Bundeswehr-Fahrzeuge und wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vor dem Berliner Kammergericht verantworten. Die "mg" trat erstmals im Juni 2001 auf. Damals versandte sie scharfe Patronen u.a. an den Regierungsbeauftragten für die Entschädigung 112 Linksextremismus der Zwangsarbeiter und kritisierte in einem Bekennerschreiben u.a. die geringe Höhe der Entschädigungszahlungen. Bis Ende 2007 bekannte sie sich zu 28 Brandanschlägen in Berlin, u.a. gegen Gebäude und Fahrzeuge der Polizei, das Sozialgericht Berlin-Mitte, die italienische Handelskammer, ein Job-Center und Fahrzeuge bekannter Autohersteller. Im Jahre 2008 gab es keine "mg"-Anschläge. Autonome, Anarchisten und Antiimperialisten bilden den gewaltbereiten Teil des linksextremistischen Spektrums. Autonome sind organisationsund hierarchiefeindlich. Ihre Strukturen sind netzwerkartig gegliedert und häufigen Fluktuationen unterworfen. Sie lehnen den Staat und seine Einrichtungen, insbesondere den "Repressionsapparat" (Polizei, Justiz und Nachrichtendienste) ab und streben eine nicht konkret beschriebene "herrschaftsfreie Gesellschaft" bzw. die "Auflösung jeglicher Form von Herrschaft" an. Gewaltanwendung zur Erreichung politischer Ziele gehört zu den Grundelementen ihrer politischen Praxis. Die Entschlossenheit, diese auch gegen Polizeibeamte anzuwenden, ist bei Auseinandersetzungen zwischen Rechtsund Linksextremisten bzw. bei Demonstrationen beider Lager besonders groß. Ein Sprachrohr von bundesweiter Bedeutung für die autonome Szene ist die Berliner Zeitschrift "INTERIM". Sie ist eine Plattform für szenerelevante Texte wie Demonstrationsaufrufe, Anleitungen zur Begehung von Sachbeschädigungen und Brandanschlägen sowie Tatbekennungen. Ein Beitrag in der Ausgabe vom Dezember 2007 befasste sich mit Grundelementen "militanter Praxis". Darin veröffentlichte ein "Arbeitskreis Vermittlung" elf Kernsätze zu Zielen, Formen, Vorgehensweisen und Bedingungen im Zusammenhang mit militanten Aktionen. Eine der Grundvoraussetzungen sei die "körperliche Unversehrtheit aller Beteiligten". Allerdings komme der "körperlichen Unversehrtheit der Polizei eine besondere Bedeutung zu", denn "in zunehmenden Maße stehen [...] gläserne Demonstrantinnen aufgerüsteten, gepanzerten und bewaffneten PolizistInnen gegenüber. Deren körperliche Unversehrtheit ist durch Steinwürfe kaum gefährdet". Ferner solle der "Besitz von Privatpersonen (Kleinwagen, Vorgärten, Gartenzäune) oder öffentliche Infrastruktur (Bushaltestellen, Briefkästen) kein Ziel militanter Praxis sein". Auch in solchen Fällen gebe es Ausnahmen, wenn "kontextbezogen [...] andere Einschätzungen" dies 113 Linksextremismus erforderlich machten. In allen Fällen käme es "auf die Abwägung und politische Begründung an!". Ziel von Militanz sei, die Herrschenden zu treffen und deren Strukturen sowie "Kriegsund Zwangsmaterial (Fahrzeuge, Zäune, Kameras)" zu zerstören. Militanten Aktionen sollen so legitimiert werden. Doch auch mit dieser zynischen Revolutionsrhetorik sind Brandanschläge wie die auf ein Reifenlager auf dem Gelände einer Tankstelle oder auf ein mit Gasflaschen beladenes Servicefahrzeug in Wohngebieten weder der Allgemeinheit noch großen Teilen der eigenen Szene zu "vermitteln" ( 5.2.2). Der vorstehende Text wurde von der Hamburger Szenezeitschrift Zeck (Nummer 142, Januar/Februar 2008) wörtlich und kritiklos übernommen. Gewalttätige Ausschreitungen während oder nach Demonstrationen werden zumeist nur von einem Teil des linksextremistischen Spektrums, vornehmlich von Autonomen, begangen. Hieran beteiligten sich in den letzten Jahren zunehmend erlebnisorientierte Jugendliche oder Heranwachsende ohne politischen Hintergrund, wie z.B. nach dem "Schanzenfest" ( 5.2.4). Gezielte Sachbeschädigungen und das in Brand setzen von Pkw werden nur von einem kleinen Personenkreis des autonoAusschreitungen am 1.Mai men Lagers befürwortet und prakin Hamburg tiziert. Diese Straftaten werden von klandestinen, abgeschotteten Kleinstgruppen verübt und sind aufgrund der großen Zahl in Frage kommender Angriffsobjekte kaum vorhersehbar. Schwere Anschläge auf Personen lehnt die Szene nach wie vor ab. Militante Autonome verübten im Jahr 2008 sechs Brandanschläge und 16 Sachbeschädigungen in Hamburg bzw. mit Hamburg-Bezug. Der Schwerpunkt der hierzu veröffentlichten Bekennungen lag auf dem Aktionsfeld "Antifaschismus" ( 5.2.2). Darüber hinaus wurden im Verlauf der Proteste von Autonomen gegen den Aufzug von Rechtsextremisten am 1.Mai in Hamburg zahlreiche - überwiegend spontane 114 Linksextremismus - militante Aktionen durchgeführt. Es wurden Kraftfahrzeuge, ein Reifenlager und Gegenstände auf S-Bahn-Strecken sowie Müllcontainer in Brand gesetzt und zahlreiche Sachbeschädigungen an Fahrzeugen, Läden und städtischen Einrichtungen begangen. 5. Autonome und anarchistische Gruppen 5.1 Gruppen und Strukturen in Hamburg Das autonome, anarchistische und antiimperialistische Spektrum in Hamburg besteht aus ca. 520 Personen, von denen viele nur anlassbezogen aktiv werden. Sie sind organisationsfeindlich und in zahlreiche kleine Gruppen zersplittert. Trefforte und Kommunikationszentren Trefforte und Kommunikationszentren erfüllen eine wichtige Funktion für das innere soziale Gefüge und die Mobilisierungsfähigkeit der autonomen Szene. Sie bieten Raum für Gruppentreffen, gruppenübergreifende Diskussionen und weitere Veranstaltungen und wirken so auch identitätsstiftend. Das bedeutendste linksextremistische Kommunikationszentrum in Hamburg - das einzige mit überregionaler Bedeutung - ist die "Rote Flora" im Schanzenviertel (s.u.). Von einem Treffpunkt traditioneller Anarchisten hat sich das "Libertäre Zentrum" (LIZ) im Karolinenviertel in den letzten Jahren zu einem Ort gewandelt, der insbesondere von der jungen autonomen Szene Hamburgs frequentiert wird. Das "Libertäre Kommunikationsund Aktionszentrum" (LKA) in Altona wird weit überwiegend von der anarchistischen "Freien ArbeiterUnion" (FAU; s.u.) genutzt. Das "Internationale Zentrum Brigittenstraße 5" (B 5) im Stadtteil St.Pauli ist der wichtigste Anlaufpunkt für die antiimperialistische Szene Hamburgs (s.u., AIW). 115 Linksextremismus Rote Flora Seit 1989 ist das alternative Stadtteilzentrum Rote Flora im Schanzenviertel ein politischer Treffund Veranstaltungsort der autonomen Szene Hamburgs. Das in Privatbesitz befindliche Gebäude wird in Selbstverwaltung durch ein Autonomenplenum betrieben. Anlassbezogen finden "Vollversammlungen" statt, bei denen grundsätzliche Themen und Aktivitäten behandelt werden. In der Roten Flora fanden im Jahre 2008 zahlreiche Informations-, Mobilisierungsund Solidaritätsveranstaltungen zur Unterstützung zentraler Aktivitäten der regionalen linksextremistischen Szene statt. Hierzu gehörten insbesondere Mobilisierungsveranstaltungen für die Demonstration am 01.05.08 gegen den Aufmarsch von Rechtsextremisten, Tenor: "Heraus zum antifaschistischen 1. Mai - Den Nazis keinen Meter" ( 5.2.2), und die Demonstration gegen die Feiern zum Tag der Deutschen Einheit unter dem Tenor "Hart backbord - 3. Oktober: Kein Tag zum Feiern!" ( 5.2.2). Die Plakatwände an der Außenfassade des Gebäudes werden regelmäßig mit Hinweisen auf Demonstrationen oder aktuelle Themenschwerpunkte der linksextremistischen Szene Hamburgs gestaltet. Subkulturelle Musikveranstaltungen in der Roten Flora werden überwiegend von jungen, nichtextremistischen Partygängern besucht. Diese kommerzielle Nutzung lehnen Szeneangehörige ab. 2008 war die Rote Flora im Anschluss an mehrere Demonstrationen Schauplatz gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen gewaltbereiten Linksextremisten und der Polizei. Sowohl nach der friedlich verlaufenen Demonstration zum "revolutionären 1. Mai" am 30.04.08 mit 950 Teilnehmern (Tenor: "Kapitalismus abschaffen! Für den Sozialismus - solidarisch und herrschaftsfrei! Für die soziale Revolution! Heraus zum 1. Mai!") als auch nach der von heftigen Ausschreitungen geprägten Demonstration am 01.05.08 ( 5.2.2) mit 6.600 Teilnehmern wurden im Schanzenviertel aus einem Kreis von mehreren 116 Linksextremismus hundert, teils vermummten Personen Barrikaden errichtet, Kleinfeuer entzündet, Pkw in Brand gesetzt und Polizeibeamte mit Flaschen und Steinen beworfen. Am 06.07.08 griffen Besucher der Roten Flora in einen Beziehungsstreit vor dem Gebäude ein, der aus ihrer Sicht ein "sexueller Übergriff" war. Als Polizeibeamte einschritten, wurden sie mit Gegenständen beworfen. Anschließend flüchteten die Beteiligten in die Rote Flora. Zur Tataufklärung verschaffte sich die Polizei in den frühen Morgenstunden des 07.07.08 gewaltsam Zutritt ins Gebäude. Bei der Durchsuchung wurden 13 Personen unter dem Vorwurf des Landfriedensbruchs vorläufig festgenommen. In einer Stellungnahme verurteilte die Rote Flora den Einsatz als politischen Angriff "auf das Gesamtprojekt". Daraufhin kam es am selben Abend in mehreren deutschen Städten zu spontanen Solidaritätsbekundungen. In Hamburg beteiligten sich rund 600 Personen an einer friedlichen Demonstration, in deren Anschluss im Schanzenviertel abermals Sachbeschädigungen und Brandstiftungen begangen wurden. Am 06.09.08 jährte sich das Schanzenviertelfest in den Straßenzügen um die Rote Flora zum zwanzigsten Mal. Bis zu insgesamt 8.000 Personen besuchten das zunächst friedlich verlaufene Fest. Am Abend kam es zu schweren Ausschreitungen. Aus einer Gruppe von ca. 400 Personen, an denen sich wie in den Vorjahren auch Angehörige der linksextremistischen Szene beteiligten, wurden Müllcontainer und Pkw in Brand gesetzt, Straßenbarrikaden errichtet, Gegenstände auf Polizeibeamte geworfen und Scheiben einer Ladenzeile zerstört. Insgesamt wurden 38 Personen vorläufig festund 19 in Gewahrsam genommen. Zwei Drittel der Störer waren jünger als 25 Jahre, 21 Personen hatten auswärtige Wohnsitze. Die Rote Flora gibt in zweimonatigem Abstand die Publikation Zeck heraus, die nach Eigenangaben in einer Auflage von ca. 2.000 Stück erscheint. Die Zeck dient der autonomen Szene als Medium für Debatten zu aktuellen Themen. In ihr werden Termine, Aufrufe zu Demonst117 Linksextremismus rationen und Bekennerschreiben zu Sachbeschädigungen und Anschlägen mit linksextremistischem Hintergrund veröffentlicht. Im Rahmen einer Informationsveranstaltung zum "Mythos Zeck" am 25.10.08 in der Roten Flora sollten Möglichkeiten zur Behebung der finanziellen Schwierigkeiten des Infoblattes erörtert werden. "AVANTI - Projekt undogmatische Linke" Die Gruppe "AVANTI - Projekt undogmatische Linke" entstand 1989 als Zusammenschluss zweier autonomer Gruppen aus Schleswig-Holstein. Inzwischen existieren sieben Ortsgruppen des Projektes: vier in Schleswig-Holstein und je eine in Hamburg, Hannover und Bremen. Die Bremer Ortsgruppe entstand im Juni 2008 durch den Beitritt der Gruppe "Solid.org - Organisierung linker Basisgruppen". AVANTI erklärte anlässlich der Vergrößerung des Projektes, dass es der Gruppe nicht nur um eine geographische Erweiterung ginge: "Organisierung ist für uns kein Selbstzweck. [...] Wir sind vielmehr überzeugt, dass dauerhafte politische Handlungsund Interventionsfähigkeit für die radikale Linke ohne Bildung von revolutionären Organisationen nicht zu erreichen sein wird". Für die nahe Zukunft ist die Gründung einer Ortsgruppe in Berlin geplant. Langfristig strebt AVANTI eine bundesweite Präsenz an. Die Gruppe ist der Autonomenszene nicht eindeutig zuzurechnen, da sie deren typische Verhaltensmuster wie Unverbindlichkeit und Organisationsfeindlichkeit ablehnt. Ebenso wenig akzeptiert sie die zentralistisch-hierarchische Organisationsform kommunistischer Gruppierungen. Ziel von AVANTI ist die revolutionäre Überwindung der heutigen Gesellschaft. Obwohl seine theoretische Basis der revolutionär-marxistischer Organisationen ähnelt, entsprechen seine Aktionsformen denen autonomer Gruppierungen. Eine Zusammenarbeit auch mit nicht-extremistischen Kräften wird ausdrücklich befürwortet. 118 Linksextremismus Zur Frage einer strategischen Anwendung gewaltsamer Aktionsformen bezieht AVANTI klar Stellung: "Unsere Utopie ist [...] die einer gewaltund herrschaftsfreien Gesellschaft. Dennoch haben RevolutionärInnen immer wieder zum Mittel der Gewalt gegriffen." Die thematischen Schwerpunkte von AVANTI in Hamburg liegen in den Bereichen Antifaschismus und Anti-Globalisierung / "Soziale Kämpfe". Das Aktivitätsniveau der Hamburger Ortsgruppe hatte 2007 deutlich zugenommen und konnte 2008 gehalten werden. Überregional engagiert sich AVANTI in der Interventionistischen Linken (IL), einem bundesweiten Zusammenschluss von Einzelpersonen und Gruppen aus der undogmatischen und autonomen Szene sowie von Nichtextremisten. Die IL betrachtet sich als maßgeblichen Teil einer organisierten linksradikalen Strömung, die sich durch Intervention in praktische Kämpfe fortentwickeln will. Dieser Prozess, der 1999 begann, fand 2007 seinen vorläufigen Höhepunkt in der Mobilisierung der IL zu Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm und den dortigen Blockadeaktionen. AVANTI zählt zu den in Norddeutschland bedeutsamsten Gruppen der IL. Schwerpunkt der IL ist seit Mitte 2008 die Mobilisierung für Proteste gegen die Veranstaltungen anlässlich des 60-jährigen Bestehens der NATO Anfang April 2009 in Straßburg/Frankreich und BadenBaden/Baden-Württemberg. AVANTI beteiligt sich seit 2005 an dem linksextremistisch beeinflussten "Hamburger Bündnis gegen Rechts" (HBgR). Die Gruppe beteiligt sich auch an Antifaschismusarbeit, z.B. durch die Ausrichtung entsprechender Veranstaltungen oder Aktionen gegen Rechtsextremisten. So beteiligte sich AVANTI an der Mobilisierung für die antifaschistischen Proteste gegen die rechtsextremistische Demonstration am 1.Mai. AVANTI wendet sich mit einer monatlichen Kneipenveranstaltung in Kooperation mit einer Jugendgruppe namens "ABJETZT - linke 119 Linksextremismus Jugend" gezielt an Schüler und Jugendliche. Im April 2008 organisierten AVANTI, "ABJETZT" und die "Autonome Jugendantifa Hamburg" (AUJAH) die Wochenendveranstaltung "Her mit dem schönen Leben - Jugendkongress gegen Nazis, Rassismus und Antisemitismus". Die Veranstaltung sollte Jugendlichen Möglichkeiten zur Vernetzung aufzeigen und zu der von AVANTI angestrebten Organisierung beitragen. Im Rahmen des Kongresses wurde das "Antifaschistische Hamburger Offene Jugendplenum" (AHOJ) gegründet. Im April 2008 beteiligte sich AVANTI als Teil der IL an den Vorbereitungen für das bundesweite Hamburger Klimacamp 2008 ( 5.2.3). In einer schriftlichen Nachbetrachtung verbuchte AVANTI das Klimacamp als politischen Erfolg: "Brüche genutzt - Systemkritik in den Klimadiskurs bugsiert. [...] Die Diskussionen und praktischen Aktionserfahrungen des Klimacamps wirken motivierend und radikalisierend in die jeweiligen Szenen zurück". "Rote Hilfe e. V." Die "Rote Hilfe e.V." (RH) geht auf eine gleichnamige Organisation der "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) in der Weimarer Republik zurück. Um Gesinnungsgenossen in "politischen" Prozessen finanzielle Hilfe, insbesondere für Anwaltsund Gerichtskosten, leisten zu können, erhebt die "Rote Hilfe" Mitgliedsbeiträge und Spenden. Die RH definiert sich als "parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutzund Solidaritätsorganisation" und möchte als Selbsthilfeeinrichtung "verbindendes Element innerhalb der Linken gegen 120 Linksextremismus staatliche Repression" sein. Obwohl der Verein bundesweit mehrere Tausend Mitglieder (Bund: > 4.600, Hamburg: 450) hat, sind nur die wenigsten von ihnen in politischen Zusammenhängen aktiv. Wie auch im Jahr 2007 war im Berichtsjahr ein moderater Anstieg der Aktivitäten der Hamburger Ortsgruppe festzustellen. Die RH führte mehrere Informationsveranstaltungen durch, in denen unter anderem die "staatlichen Überwachungsmechanismen" thematisiert wurden. Schwerpunkt war die Neufassung des BKA-Gesetzes. Zur gleichen Thematik erscheint seit Juli 2008 unter der Bezeichnung "Pressback - Überwachung überwachen" ein monatlicher, von der Hamburger Ortsgruppe unterstützter Newsletter. Weitere Veranstaltungen befassten sich mit dem in Berlin anhängigen Gerichtsverfahren gegen mutmaßliche Angehörige der "militanten gruppe" (mg; 4). Im Dezember 2008 rief die Hamburger Ortsgruppe zur Teilnahme an einem "Antirepressions-Block" im Rahmen einer Demonstration zum Thema "Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen" auf: "Ohne Indizien für die Tatbeteiligung an Brandanschlägen der 'militanten gruppe' vorzulegen, hat die Bundesanwaltschaft Anklage nach SS 129 erhoben. Mit dem Konstrukt einer 'kriminellen Vereinigung' drohen den Antimilitaristen mehrjährige Haftstrafen. Mit einem Aktionstag [...] in verschiedenen Städten wollen wir unsere Solidarität mit den Beschuldigten ausdrücken und gegen staatliche Repression auf die Straße gehen." Ferner veröffentlichte die "Rote Hilfe" Rechtshilfetipps zu einer möglichen Konfrontation mit Polizei und Justiz unter dem Motto "Was tun, wenn's brennt?" Antiimperialistischer Widerstand (AIW) Antiimperialisten verknüpfen Kernelemente des Marxismus-Leninismus mit dem Vorwurf, der Reichtum der Industrienationen beruhe auf der ökonomischen Ausbeutung von Ressourcen in den Entwicklungsländern und werde militärisch gesichert. Ihre politische Agitation richtet 121 Linksextremismus sich gegen nationale und supranationale Institutionen sowie international tätige Konzerne. In der Vergangenheit lehnten sich Antiimperialisten eng an die Ideologie der 1998 aufgelösten RAF an. Seitdem befassen sie sich hauptsächlich mit Unterstützungsarbeit für Befreiungsbewegungen, u.a. in der Türkei, Palästina und Südostasien. Sie haben innerhalb des linksextremistischen Spektrums weiter an Bedeutung verloren. Angehörige des "Antiimperialistischen Widerstandes" sind in Hamburg in Kleingruppen organisiert, die überwiegend das "Internationale Zentrum" in der Brigittenstraße 5 als Treffort nutzen. Wie Autonome lehnen sie das Gewaltmonopol des Staates ab und reklamieren für sich zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele ein Recht auf Widerstand gegen das "System", das auch gewalttätige Aktionen einschließt. Da die autonome Szene die politischen Grundauffassungen des AIW als dogmatisch ablehnt, gibt es zwischen diesen beiden Lagern lediglich punktuelle, anlassbezogene Kontakte. Den Gruppen des AIW gehören in Hamburg ca. 50 überwiegend ältere Personen an. Zu den Gruppen des AIW gehören die "Kurdistan Solidarität Hamburg", die "Sozialistische Linke" (SoL), das "Palästina-Solidaritäts-Bündnis" und das "Antifaschistische und antiimperialistische Aktionsbündnis"; von den beiden letztgenannten gingen im Jahre 2008 keine nennenswerten Aktivitäten aus. Auch die Bedeutung der Gruppe Kurdistan Solidarität Hamburg, deren Angehörige Mitte der Neunziger Jahre an Ausbildungen der PKK ( III.4) für den bewaffneten Kampf in der Türkei teilgenommen haben, lässt immer mehr nach. Im Jahre 2008 engagierte sie sich mit mehreren Kundgebungen in Hamburg gegen den Bau eines Staudammprojektes in der Ost-Türkei. Die "Sozialistische Linke" (SoL), die aus deutschen und türkischen Angehörigen besteht, propagiert eine sozialistische Gesellschaft, die nach ihrer Ansicht ohne Kampf nicht zu erreichen ist. Deshalb gehören "politische Aktionen, Kulturund Freizeitaktivitäten" ebenso zu ihrer Arbeit wie die "theoretische Entwicklung unserer MitstreiterInnen". Zum Schülerstreik im November 2008 formulierten sie einen Aufruf, in dem die Schulbildung als Vorbereitung auf die "kapitalistische Arbeitswelt" denunziert wurde. Man werde auf die "altdeutschen Werte Pünktlichkeit, Gehorsamkeit und 122 Linksextremismus Leistungsfähigkeit gedrillt". Der Aufruf forderte eine kostenfreie und praxisorientierte Schule: "Wir wollen nicht für dieses kapitalistische System funktionieren, sondern leben, lernen und kämpfen!" Zu einer Veranstaltung in der B 5 mit dem Tenor "Weg mit den Paragraphen 129, 129a und 129b!" rief neben der SoL auch ein "Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen" auf. Die Forderung stand in Zusammenhang mit einem Strafverfahren gegen türkische Linksextremisten in Stuttgart, denen die Mitgliedschaft in der "Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C, III.5) vorgeworfen wurde. Ein Kernthema des AIW waren die staatlichen Maßnahmen gegen ehemalige RAF-Mitglieder. Hierbei kam es zu punktueller Zusammenarbeit mit Autonomen ( 5.2.1). Ein "Solidaritätsbündnis gegen Beugehaft" veröffentlichte in der Zeck (s.o.) im März 2008 den Aufruf "Keine Beugehaft für Christian KLAR, Knut FOLKERTS und Brigitte MOHNHAUPT" und rief zu einer Solidaritätsdemonstration am 22.03.08 auf. Die früheren RAF-Mitglieder sollten durch Androhung von Beugehaft zu Aussagen über den Tathergang bei der Ermordung des früheren Generalbundesanwalts Siegfried BUBACK und zwei seiner Begleiter im Jahre 1977 gezwungen werden. Die Bundesanwaltschaft hatte die Ermittlungen Ende 2007 wieder aufgenommen, weil neue Zeugenaussagen den Verdacht aufkommen ließen, dass ein bislang nicht wegen dieser Tat verurteiltes RAF-Mitglied der Todesschütze war. Freie Arbeiter-Union (FAU) Klassische anarchistische Konzepte werden in Deutschland u.a. von der 1977 gegründeten "Freie Arbeiterinnenund Arbeiter Union" (FAU) mit Anbindung an die "Internationale Arbeiter Assoziation" (IAA) vertreten. Auf ihrer Homepage nennt sie als Ziel "die herrschaftslose, ausbeutungsfreie, auf Selbstverwaltung begründete Gesellschaft. Die Selbstbestimmung in allen Lebensbereichen ist die grundlegende Idee des Anarcho-Syndikalismus." Anarcho-Syndikalisten sehen ihre zentrale Aufgabe im "antikapitalistischen Kampf" in Betrieben und Gewerkschaften. Sie sind bundesweit organisiert und als einzige anarchistische Struktur in Ortsund 123 Linksextremismus Branchengruppen sowie "Syndikate" gegliedert. Zur Durchsetzung ihrer Ziele propagieren und praktizieren sie die Mittel der "direkten Aktion" - wie Streiks, Besetzungen und Boykotte. Agitation und Aktion anarchistischer Gruppierungen unterschiedlichster Strömungen richten sich gegen den Staat und seine Einrichtungen, ebenso gegen die "Herrschenden" und ihre Institutionen, wie Parteien, traditionelle Gewerkschaften, Parlament und Militär. Die FAU ist in Deutschland mit ca. 30 Ortsgruppen präsent. Sie hat bundesweit etwa 300 Mitglieder, davon ca. 30 in Hamburg. Ihre Publikation ist die seit 1977 regelmäßig erscheinende "Direkte Aktion". Die FAU ist bundesweit in vier Regionalkoordinationen aufgeteilt. Die Hamburger Ortsgruppe gehört zur Regionalkoordination Nord und ist dort die mitgliederstärkste Gruppe. Sie bezeichnete sich in einer Selbstdarstellung auf ihrer Internetseite als "anarchistische Gewerkschaftsinitiative". In Deutschland beteiligte sich die FAU am 05.07.08 in acht Städten - u.a. Hamburg (Foto), München, Frankfurt und Düsseldorf - an den in rund 20 Ländern ausgerufenen Protesten gegen die "gewerkschaftsfeindliche Praxis" der Firma "Starbucks Coffee" wegen deren "Repressionsmaßnahmen gegen Gewerkschaftsmitglieder". Anlass für diesen globalen Aktionstag war die Entlassung zweier Gewerkschaftsmitglieder bei Starbucks in Spanien. In Hamburg wurden vor mehreren Filialen der Kaffeehauskette in der Innenstadt und im Bezirk Bergedorf Flugblätter verteilt und Transparente gezeigt. Die Hamburger Ortsgruppe nutzt und betreibt das "Libertäre Kulturund Kommunikationszentrum" (LKA, s.o.) in Altona als Treffund Veranstaltungsort. 124 Linksextremismus 5.2 Aktionsfelder 5.2.1 "Antirepression" Zu den wesentlichen Betätigungsfeldern der autonomen Szene gehörte auch 2008 das Thema "Antirepression". Linksextremisten, insbesondere Autonome, betrachten Sicherheitsgesetze, neue technische Fahndungsmittel sowie polizeiliche Gewaltprävention als staatliche Repression und rechtfertigen vor diesem Hintergrund gewalttätige Aktionen und Anschläge gegen Sachen. Im Vergleich zu den Aktivitäten des Jahres 2007 spielte das Thema "Repression" nur eine untergeordnete Rolle. Dies lag u.a. daran, dass die im Jahr 2007 aufgrund zahlreicher Brandanschläge im Zusammenhang mit den Protesten gegen das G8-Treffen in Heiligendamm eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen 21 Beschuldigte wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gem. SS 129a StGB, darunter elf Personen aus Hamburg, am 22.09.08 eingestellt wurden. Mit einem Flugblatt und einem Plakat an der Roten Flora wurde zu einer Demonstration am 22.03.08 gegen Beugehaft für ehemalige Mitglieder der RAF ( 5.1, AIW) mobilisiert. Das Plakat mit der Überschrift: "Fahr zur Hölle Sicherheitsstaat" thematisierte das Attentat auf den damaligen Generalbundesanwalt am 07.04.77. Mit den Worten: "Keine Tränen für Buback!" und "Gegen Repression und Beugehaft!" sowie "Die RAF war und bleibt mit allen Hoffnungen, Fehlern und Widersprüchen ein Teil linker Aufbrüche um Befreiung und Emanzipation! Keine juristische Abwicklung und Entpolitisierung linksradikaler Kämpfe und Geschichte!" solidarisierten sich "Autonome und linksradikale Gruppen" mit den Betroffenen. An der von der Roten Flora ausgehenden Demonstration unter dem Tenor: "Keine Beugehaft für Brigitte Mohnhaupt, Christian Klar und Knut Folkerts" beteiligten sich ca. 320 Personen. Sie verlief störungsfrei. In Hamburg fanden 2008 mehrere Solidaritätsveranstaltungen statt, die über die aktuelle Situation der Berliner Beschuldigten im Verfahren gegen mutmaßliche Angehörige der "militanten gruppe" (mg; 4) informierten. "Die Hamburger Soligruppe" erklärte sich in einem am 31.03.08 im Internet veröffentlichten Papier "solidarisch mit allen Zeuginnen und Beschuldigten der aktuellen Verfahren." Hier125 Linksextremismus mit waren sowohl die Beschuldigten im mg-Verfahren als auch die zu diesem Zeitpunkt noch mit Beugehaft bedrohten ehemaligen RAFMitglieder gemeint. Die Gruppe betonte, die Beschuldigten seien keine Terroristen und Kriminellen und konstatierte: "Terroristisch und kriminell sind einzig die Verhältnisse, in denen wir täglich aufs Neue zu leben gezwungen sind." Für den 13.12.08 wurde zur Solidarität mit den Beschuldigten im mg-Prozess und gegen die "allgemein zunehmende staatliche Repression gegenüber der radikalen Linken" zu einem dezentralen Aktionstag aufgerufen. In Hamburg mobilisierte ein "Hamburger Bündnis gegen Unterdrückung" zu einem "Antirepressions-Block" im Rahmen einer an diesem Tag stattfindenden Demonstration zum Tag der Menschenrechte. An der friedlich verlaufenen Demonstration beteiligten sich insgesamt 425 Personen. Am 06.12.08 kam ein fünfzehnjähriger Schüler in Athen/Griechenland durch Schüsse eines Polizisten ums Leben. Dieses Ereignis war Auslöser für gewalttätige Ausschreitungen in Athen, weiteren griechischen Städten und in verschiedenen europäischen Ländern, darunter auch in Deutschland. Hierdurch gewann das Thema "Repression" Ende 2008 auch in der autonomen Szene Hamburgs wieder an Aktualität. In einem Mitte Dezember auf Indymedia veröffentlichten Solidaritätsflugblatt machten "Autonome aus Hamburg" deutlich, dass mit dem getöteten Jugendlichen in Griechenland der "rote Faden der Repression" fortgeführt worden sei. In Hamburg fanden in diesem Zusammenhang vier Demonstrationen statt: Bereits am 07.12.08 zogen 210 Personen unter dem Motto "Solidarität mit Griechenland" weitgehend friedlich durch das Schanzenviertel. An einem weiteren gewaltfrei verlaufenen Aufzug "Solidarität mit den 126 Linksextremismus Protesten in Griechenland" beteiligten sich am 08.12.08 150 Personen. Am 13.12.08 wurden die Athener Ereignisse im Rahmen eines vom "Freien Netzwerk zum Erhalt des Schanzenparks" ( 5.2.4) organisierten Aufzugs durch das Schanzenviertel thematisiert, an dem sich ca. 320 Personen beteiligten. Athener Aktivisten riefen für den 20.12.08 zu einem "internationalen Aktionstag gegen staatliche Morde" auf. In einem Appell "Autonomer und Antifaschistischer Gruppen" wurde in Hamburg zu einer überregionalen Demonstration und einer Kundgebung am 20.12.08 (Foto) mobilisiert. Mit den Worten "Wir nehmen den staatlichen Mord an Alexandros und die darauf folgenden Ereignisse jedenfalls zum Anlass, auch den Verhältnissen hier den Kampf anzusagen! Lasst euch nicht erwischen und organisiert die Unruheherde der Zukunft! Stört die öffentliche Ordnung, seid laut, subversiv und unausstehlich ..." riefen die Verfasser zu Protestaktionen auf. An der vorzeitig beendeten Demonstration unter dem Tenor "Solidarität ist eine Waffe! Alexis Grigoropoulos, Laye Conde und Oury Jalloh werden nicht vergessen!" beteiligten sich ca. 950 Personen, darunter ca. 500 Autonome. Die Polizei nahm 13 Personen fest, u.a. wegen (versuchter) Körperverletzung, Vermummung und Sachbeschädigung. Von den 13 hatten acht einen auswärtigen Wohnsitz, zehn waren zwischen 15 und 21 Jahre alt. An einer anschließenden, von der Partei DIE LINKE. angemeldeten Mahnwache vor dem griechischen Generalkonsulat nahmen ca. 250 Personen teil. Am 31.12.08 fand in Hamburg erstmals seit zehn Jahren wieder eine "Antiknast-Sylvester-Demo" statt. Sie stand unter dem Motto "Freiheit für alle Gefangenen! Für revolutionäre Solidarität und ein kämpferisches 2009!" und richtete sich gegen "Knast" als "letzte Stufe der staatlichen Repression". An der weitgehend friedlich verlaufenen Demonstration vom Schanzenviertel bis vor das Untersuchungsgefängnis beteiligten sich ca. 250 Personen. 127 Linksextremismus 5.2.2 "Antifaschismus" Ein zentrales Aktionsfeld der autonomen Szene ist der "antifaschistische Kampf" gegen Rechtsextremisten und deren Strukturen. Im Mittelpunkt der Aktivitäten stehen Proteste gegen Aufmärsche, Infostände und Veranstaltungen von Rechtsextremisten sowie direkte Angriffe auf Einzelpersonen. Hierbei werden auch militante Aktionsformen als legitimes Mittel im Kampf gegen "Neonazis" angesehen. An derartigen "antifaschistischen Aktionen" nehmen häufig neben Angehörigen der "autonomen Antifa-Szene" auch unpolitische, gewaltbereite Jugendliche teil. Ihnen geht es mehr um die Konfrontation selbst als die politische Auseinandersetzung. Daneben spielt die "Recherchearbeit" der autonomen Antifa eine wichtige Rolle. Hierbei werden Rechtsextremisten ausgespäht und die über sie gesammelten Informationen u.a. mit "Outing-Aktionen" in der Nachbarschaft des Betroffenen oder durch Veröffentlichungen in Szene-Publikationen preisgegeben. Autonome Antifaschisten beteiligen sich zudem an Informationsveranstaltungen über rechtsextremistische Strukturen, deren Organisation und Durchführung sie aber zumeist organisierten Gruppierungen - wie antifaschistischen Organisationen mit orthodox-kommunistischem Hintergrund - überlassen. Dies gilt auch für die Vorbereitung von Demonstrationen und Kundgebungen. Das Internet wird von autonomen Antifaschisten intensiv genutzt, insbesondere zur Verbreitung des eigenen politischen Standpunktes, von Texten und Arbeitspapieren, Terminen und Kontaktmöglichkeiten. Gruppen, die weniger eigenständig politisch arbeiten, verwenden ihre Internetseite eher als Terminkalender, beispielsweise zur Verbreitung von Veranstaltungsund Aktionsterminen und zu Mobilisierungszwecken. Zu den Informationsplattformen der Hamburger Antifa-Szene zählt die Internetseite des "Antifa Info Pool Hamburg". Dieser engagiert sich seit 2004 in der autonomen Szene Hamburgs. Die Initiatoren bezeichnen sich selbst 128 Linksextremismus als ein "Zusammenschluss von Personen verschiedener Hamburger Gruppen und Projekte. Wir bewegen uns in vielen Bereichen der radikalen Linken, haben unseren Schwerpunkt aber dem Antifaschismus gewidmet. Mit diesem Projekt wollen wir zu einer Stärkung lokaler Antifastrukturen beitragen ...". Im Jahr 2005 hatte der "Antifa-InfoPool" über seine Internetseite Jugendliche unter 18 Jahren mit Interesse an antifaschistischer Arbeit aufgefordert, sich zu melden. Daraufhin trat erstmals die Gruppe "Autonome Jugendantifa Hamburg" (AUJAH) auf. Im April 2008 veranstaltete "AUJAH" gemeinsam mit AVANTI ( 5.1.) und der Jugendgruppe "ABJETZT" den Jugendkongress "Her mit dem schönen Leben". Ein solcher hatte bereits 2007 stattgefunden, vordergründig mit der Intention, über Rechtsextremismus zu informieren, letztlich jedoch mit dem Ziel, unorganisierte Jugendliche in einer Jugendantifagruppe zu vernetzen. Es entstand das "Antifaschistische Hamburger Offene Jugendplenum" (AHOJ) als "offene Struktur für antifaschistische Jugendliche". AHOJ betreibt eine eigene Homepage und organisiert zweiwöchig offene Treffen für Jugendliche, überwiegend zur Planung von Aktionen der autonomen Szene. So wurden Vorbereitungen für einen "Jugendblock" zum 1.Mai getroffen und erörtert, wie man gegen die Feierlichkeiten zum "Tag der deutschen Einheit" am 03.10.08 in Hamburg (s.u.) "praktisch aktiv werden" könnte. Seit Mai 2006 ist das "Antifa-Cafe Hamburg" aktiv. Es findet monatlich statt. Unter der Überschrift "Zusammen kämpfen zusammen feiern!" stellten sich die Initiatoren auf ihrer Homepage als "gruppenübergreifender Zusammenhang" [...] "aus Teilen der aktiven antifaschistischen Szene in Hamburg" vor. Ziel dieser Initiative sei, "die antifaschistische Linke weiter zu stärken und feste Treffpunkte zu etablieren". 2008 wurden die regelmäßigen Cafe-Termine überwiegend mit der Mobilisierung für Hamburger und überregionale Aktivitäten autonomer Antifaschisten verbunden. 129 Linksextremismus Zu den stadtweit agierenden Gruppen gehörte auch die "temporäre autonome gruppe Hamburg" ([tag]-Hamburg). Sie war seit Mai 2007 mit einer eigenen Homepage online, berichtete dort vorwiegend über ausgewählte Veranstaltungen sowie Aktionen der autonomen Antifa im Inund Ausland und beteiligte sich an der Mobilisierung für Protestaktionen. Im April 2008 gab die [tag]-Hamburg bekannt, u.a. mit Teilen der "Autonomen Linken Hamburg" (ALi) fusioniert zu haben und ihre antifaschistische "linksradikale" Politik künftig als "[a2]-Hamburg" fortzuführen. Gemeinsam mit anderen autonomen Antifagruppen und dem orthodox-kommunistisch beeinflussten "Hamburger Bündnis gegen Rechts" (HBgR) gehörte "[a2]" zu den Gruppierungen, die an den Vorbereitungen von Protestaktivitäten gegen die Demonstration von Rechtsextremisten am 1.Mai 2008 in Hamburg beteiligt waren. Die massiven Ausschreitungen im Umfeld der gegnerischen Aufzüge zählen zu den gewalttätigsten extremistischen Protesten der letzten Jahrzehnte in Hamburg. Bereits im Sommer 2007 hatte das rechtsextremistische "Aktionsbüro Nord" für den 01.05.08 eine Demonstration unter dem Tenor "Arbeit und soziale Gerechtigkeit für alle Deutschen - Gemeinsam gegen Globalisierung" auf der traditionellen Demonstrationsroute des DGB am "Tag der Arbeit" im Stadtteil Barmbek angemeldet. Diese nicht nur von Linksextremisten als Provokation empfundene Anmeldung führte zu einer massiven Gegenmobilisierung, federführend getragen von dem linksextremistisch beeinflussten HBgR (s.u.). An der Bündnisdemonstration am 01.05.08 nahmen ca. 6.600 Personen teil, darunter ca. 1.500 Autonome aus ganz Deutschland. Dem Aufzug hatten sich u.a. auch Gewerkschaften und Bürger aus den Gebieten angeschlossen, durch die der weitgehend friedlich verlaufene Protestzug führte. Dieser wurde unterhalb der Barmbeker Ringbrücke gestoppt, um vor Erreichen des Endkundgebungsortes hier beendet zu werden. Da der größte Teil der Teilnehmer der vorigen Demonstration 130 Linksextremismus zunächst in diesem Bereich verharrte, war die genehmigte Route der Rechtsextremisten blockiert. Im Umfeld der Demonstration kam es zu den schwersten Ausschreitung durch Autonome in Hamburg seit Jahren. Mehrere hundert militante Linksextremisten lieferten sich stundenlange Straßenschlachten mit dem politischen Gegner und der Polizei. Ein an der Mobilisierung beteiligtes Aktionsbündnis "Autonome Antifaschistische Gruppen Hamburg" hatte im Vorfeld angekündigt: "Weder am 1. Mai noch an einem anderen Tag werden wir es zulassen, dass Nazis ungehindert ihr menschenverachtendes Weltbild propagieren können. Wir werden uns ihnen mit vielfältigen Aktionsformen entgegenstellen!". Noch vor Beginn der Demonstration legten militante Autonome mehrere Brände auf den zum Antreteplatz der Rechtsextremisten führenden S-Bahngleisen. Hierdurch kam der S-Bahnverkehr im Bereich Barmbek zeitweise zum Erliegen. Als Ablenkungsmanöver war offensichtlich ein verheerender Brand gedacht, den unbekannte Straftäter an einem Reifenlager auf dem Gelände einer Tankstelle legten. Zwischen autonomen "Antifaschisten" und Rechtsextremisten kam es zu massiven Schlägereien. Im späteren Verlauf beteiligten sich bis zu 1.200 Linksextremisten an Hetzjagden und Übergriffen auf Rechtsextremisten. Nahezu entlang der gesamten Route des geplanten rechtsextremistischen Aufzuges bauten Autonome Barrikaden, entzündeten Müllcontainer und griffen auch Polizeibeamte massiv mit Steinund Flaschenwürfen an. Die Situation war zusätzlich unübersichtlich, weil gewaltbereite Linksund Rechtextremisten kaum voneinander zu unterscheiden waren und letztere ebenfalls gewaltsam gegen Polizeibeamte vorgingen ( V., 5.3). Im weiteren Verlauf wurden mehrere private PKW sowie Einsatzfahrzeuge in Brand gesetzt und Reisebusse, mit denen Rechtsextremisten angereist waren, bis zur Fahruntüchtigkeit beschädigt. Im Bereich Fuhlsbüttler und Steilshooper Strasse wurden die Scheiben von Supermärkten, Haltestellen und eines Autohauses 131 Linksextremismus zerstört. Auf der Jagd nach Rechtsextremisten drangen Autonome sogar in den Aufnahmebereich der Asklepios Klinik Barmbek ein. Insgesamt konnte die Polizei 214 Personen in Gewahrsam und 50 festnehmen, die meisten davon mit auswärtigen Wohnsitzen. Wenige Stunden nach den Krawallen kam es am Abend im Schanzenviertel zu weiteren Ausschreitungen. Bei der Bewertung der am 01.05.08 von Linksextremisten begangenen Gewalttaten haben Teile der Szene danach differenziert, wem die Gewalt galt. Die Gruppe "a2" rechtfertigte diese im Nachhinein damit, "dass die Militanz überwiegend gezielt ausgerichtet war und nicht das Ziel hatte, unbeteiligte Menschen persönlich zu schädigen. Ohne militante Aktionen wäre aus antifaschistischer Sicht der Tag nicht so erfolgreich verlaufen!". AVANTI relativierte die Gewaltexzesse ebenfalls: "Soweit feststellbar ist, handelte es sich im Gros um gezielte Angriffe auf Infrastruktur der Nazis (Autos, Busse) oder auf diese selbst. Andere Aktionen, wie das Eindringen in ein Krankenhaus oder das Anzünden eines Reifenlagers in der Nähe einer Tankstelle werden auch im Spektrum des autonomen Antifaschismus kontrovers diskutiert [...] Diese Mobilisierung war von der Erkenntnis durchdrungen, dass den Nazis dort zu begegnen ist, wo sie auftreten - und: dass Protest und Widerstand sich nicht legalistisch einhegen lassen dürfen." Es kam das ganze Berichtsjahr hindurch zu Straftaten gegen Rechtsextremisten bzw. zu gewalttätigen Aufeinandertreffen von autonomen "Antifaschisten" und Rechtsextremisten. In der Nacht zum 18.02.08 verübten unbekannte Täter in verschiedenen Stadtteilen Hamburgs Sachbeschädigungen an Wohnhäusern von DVU-Kandidaten zur Bürgerschaftswahl am 24.02.08. Mehrere Fensterscheiben wurden beschädigt bzw. Hausfassaden beschmiert. An zwei Wohnhäusern wurden zudem Hinweise auf dort wohnende DVU-Mitglieder angebracht. Der Pkw eines Betroffenen wurde mit roter und schwarzer Farbe übergossen und die Wand seines Wohnhauses mit Parolen beschmiert. Am 20.02.08 ging bei der Hamburger Morgenpost ein Selbstbezichtigungsschreiben ohne Gruppenbezeichnung ein. Die unbekannten Verfasser begründeten ihre Taten mit der rassistischen Propaganda der DVU ( V., 8.2) und deren Kandidatur für die Bürgerschaftswahl. (Internetseiten des LfV Hamburg, Publika132 Linksextremismus tionen / Wahlberichte / Teilnahme der DVU an der Bürgerschaftswahl am 24.02.08) Unbekannte Täter verübten in der Nacht zum 21.04.08 in verschiedenen Stadtteilen Hamburgs Sachbeschädigungen an Wohnobjekten und Fahrzeugen von DVUbzw. NPD-Funktionären. Die Reifen des dem stellvertretenden Hamburger NPD-Landesvorsitzenden gehörenden Fahrzeugs wurden zerstochen und die Fassade seines Wohnhauses mit farbgefüllten Glühbirnen beworfen. Die Täter hinterließen den Schriftzug "1. Mai - nazifrei". Der Pkw des Hamburger DVU-Landesvorsitzenden wurden in Brand gesetzt und auf das Haus des Hamburger NPD-Landesvorsitzenden farbgefüllte Glasbehälter geworfen. Personenschäden gab es nicht. Vier weitere in der Bekennung aufgeführte Taten sind tatsächlich nicht ausgeführt worden. Mit einem der Hamburger Morgenpost zugeleiteten Schreiben bekannten sich "Militante Kooperationen zur Verhinderung des Naziaufmarsches am 1. Mai" zu den Taten. Die Aktionen sollten "den Druck auf die Nazis erhöhen" und als "Kampfansage für den 1.Mai" gelten. "Antifaschistinnen" wurden ferner dazu aufgerufen, sich "den Nazis entgegenzustellen - ob mit Barrikaden, Straßenblockaden, [...] mit den Rhythmen antifaschistischer Musik oder prasselnder Steine". Im Oktober 2008 thematisierte die Gruppe "[a2]" die Ereignisse um die Eröffnung eines "Naziladens" in der Innenstadt. Mit diesem Begriff bezeichnet die "Antifa-Szene" Läden, deren Ware, insbesondere Bekleidung, überwiegend von Rechtsextremisten nachgefragt wird. Ende September 2008 eröffnete der Laden "Brevik" in der HSH-Nordbank-Passage. Das Geschäft "Unbreakable Streetware" im Stadtteil Borgfelde war infolge zahlreicher Sachbeschädigungen durch Linksextremisten ein Jahr zuvor geschlossen worden. Das HBgR übernahm die Koordination der Proteste und rief mit einem Flugblatt unter der Überschrift "Gemeinsam den Naziladen in der Hamburger Innenstadt still legen!" zur Teilnahme an den angemeldeten täg133 Linksextremismus lichen Kundgebungen auf. Autonome "Antifaschisten" sowie gewaltorientierte Jugendliche führten seit Eröffnung des Ladens bis zu seiner Schließung Ende Oktober 2008 nahezu täglich "spontane" Aktionen in unmittelbarer Nähe des Geschäftes durch. Dabei kam es wiederholt zu Übergriffen auf tatsächliche und vermeintliche "Brevik"-Kunden. Sie wurden unter Androhung von Gewalt zur Herausgabe von Waren genötigt oder beraubt bzw. verletzt. Die Polizei brachte die Situation durch ein Daueraufgebot vor Ort unter Kontrolle. Dennoch musste die Passage mehrfach frühzeitig geschlossen werden, um einer Eskalation vorzubeugen. "[a2]" rechtfertigte die Übergriffe in einem Flugblatt. Unter der Überschrift "Stop 'Thor Steinar'! - keine Geschäfte mit Nazis! Informieren - Argumentieren - Handeln" führte die Gruppe aus, "Dem Versuch, durch alltagstaugliche, auf den ersten Blick unverfängliche Bekleidung rassistisches und neonazistisches Gedankengut im gesellschaftlichen Mainstream zu etablieren ...", müsse "auf allen Ebenen und mit allen möglichen Mitteln eine klare und handfeste Absage erteilt werden!". Nach der Schließung des Ladens resümierte die Gruppe: "In diesem Sinne geht nochmal ein großer Dank an all jene, die sich hier vor und in der Passage, oder auf dem Heimweg den 'Thor Steinar'-Laden und seinen Kundinnen und Kunden in den Weg stellten und ihnen durch handfeste Argumente einen antifaschistischen Lifestyle nahelegten!". Zu einer letzten Kundgebung am 25.10.08 anlässlich der Schließung des Ladens rief das HBgR mit einem Flugblatt "Ladenschluss für 'Brevik'" auf, das u.a. ein Piktogramm mit der Unterschrift "'Thor Steinar' ist weggefaustet!" zeigte. Im August 2008 begannen "Hamburger autonome und antifaschistische Gruppen" unter dem Tenor "HART BACKBORD! Für etwas besseres als die Nation" zu einer Demonstration gegen die Feiern zum Tag der Deutschen Einheit vom 03. bis 05.10.08 in Hamburg (Motto "Kulturnation Deutschland") zu mobilisieren. Linksextremistische Antifaschisten verurteilen nicht nur den Nationalsozialismus, sondern insbesondere das, was sie unter "Nation" verstehen. "Die Nation" habe im Zusammenspiel mit dem Kapitalismus für viel Leid in der europäischen Geschichte gesorgt. Im Aufruf hieß es: "Dem reaktionären Ein134 Linksextremismus heitstaumel im Gewand kultureller Vielfalt setzen wir unsere Unversöhnlichkeit mit der Nation und den herrschenden Verhältnissen von Unterdrückung und Ausbeutung entgegen." Die Organisatoren kündigten an: "An diesem Tag wollen wir daher die Hansestadt ein weiteres Mal zur Bühne handgreiflicher Kritik, von Dissidenz und Aufbegehren machen und der deutsch-nationalen Formierung einen Stock zwischen die Beine werfen!". Im Vorfeld des 03.10.08 fanden in Hamburg und anderen deutschen Städten Informationsund Mobilisierungsveranstaltungen für die geplante Demonstration statt, u.a. am 28.09.08 in der Roten Flora zum Thema "Deutschland in den Rücken fallen; Offener Hinterhalt - Informationen und Praktisches zum 3. Oktober". An der weitgehend friedlich verlaufenen Demonstration am 03.10.08 unter dem Tenor: "Hart backbord - 3. Oktober: Kein Tag zum Feiern!" beteiligten sich ca. 1.650 Personen, darunter bis zu 1.000 aus dem autonomen Unterstützerfeld. Insgesamt wurden zwei Personen festund 34 in Gewahrsam genommen. 24 von ihnen hatten ihren Wohnsitz nicht in Hamburg; 30 waren jünger als 21 Jahre. In einer am 20.10.08 im Internet veröffentlichten "Nachbereitung" resümierten die Organisatoren, dass bei der Beurteilung der Demonstration so ziemlich alles - "von größtmöglicher Katastrophe bis den Umständen entsprechend gut" - dabei gewesen sei. Während die Demonstration "einigermaßen entschlossen" gewirkt habe, wäre der anschließend vorgesehene "Plan B [...] komplett gegen die Wand" gefahren worden. Mit "Plan B" waren mehrere im Anschluss an die Demonstration geplante Kleinaktionen in der Hamburger Innenstadt gemeint, die von der Polizei verhindert werden konnten. 135 Linksextremismus 5.2.3 Antirassismus Vom 15.-24.08.08 fand in Hamburg-Lurup ein kombiniertes Antirassismusund Klimacamp statt (Beginn des Antirassismuscamps: 16.08.08). Die Idee hierzu war in linksextremistischen und antirassistischen Kreisen im Anschluss an den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm entstanden. Die Camps wurden weitgehend unabhängig voneinander von zwei verschiedenen Vorbereitungskreisen organisiert. Diese hatten sich bei Vernetzungstreffen auf ein gemeinsames Camp geeinigt, um Kosten sparen und sich wechselseitig bei geplanten Protestaktionen unterstützen zu können. Zudem sollte einer "weiteren Zersplitterung der Sommeraktion" entgegengewirkt werden. Die Kooperation der Vorbereitungsgruppen zeigte sich außerdem in der Herausgabe der gemeinsamen Mobilisierungszeitung "Trans-act". Die "weltweite Ausbeutung der Ressourcen" im globalisierten Kapitalismus sollte eine thematische Klammer sein. Hamburg wurde als Veranstaltungsort gewählt, weil die Hansestadt eine "Vorreiterrolle bei europäischen Sammelabschiebungen" habe. Von Hamburg aus würden zentrale "Gruppenabschiebungen" nach Togo und in andere afrikanische Länder vorbereitet und durchgeführt. Hamburg sei zudem Sitz der Chartergesellschaft "Hamburg International", die sich auf das Geschäft mit Abschiebeflügen, z.B. nach Afghanistan, spezialisiert habe. In Lübeck unterhalte die europäische Grenzschutzagentur FRONTEX ein Ausbildungszentrum. FRONTEX spiele eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der "Abschottungspolitik" der Europäischen Union und sei mitverantwortlich für Tausende von Toten an der EU-Außengrenze. Im Vorfeld des Camps fanden mehrere regionale sowie bundesweite Treffen statt. Informationsund Mobilisierungsveranstaltungen wurden außer in Hamburg auch in Berlin, Rostock und München durchgeführt. In die Vorbereitung waren neben linksextremistisch beeinflussten "antirassistischen" Zusammenhängen aus Hamburg und anderen 136 Linksextremismus deutschen Städten auch Einzelaktivisten des linksextremistischen Spektrums eingebunden. Darüber hinaus beteiligten sich zahlreiche nichtextremistische Organisationen, "antirassistische" Kulturgruppen und Initiativen an den Campvorbereitungen. Die Initiatoren des ersten Klimacamps in Deutschland sahen sich im Kontext einer internationalen Klimabewegung. Sie richteten ihren Protest gegen "soziale Kälte, gegen das Klima von Ausbeutung und Ausgrenzung" und setzten sich "für ein Klima globaler Gerechtigkeit" ein. Neben zahlreichen nichtextremistischen Organisationen waren auch mehrere linksextremistische bzw. linksextremistisch beeinflusste Gruppierungen in die Vorbereitung des Klimacamps eingebunden. Hierzu gehörten die Interventionistische Linke (IL) und die Gruppen AVANTI ( 5.1) und "Systemoppositionelle - Atomkraft Nein Danke" (SAND; 5.2.5). Für das Doppelcamp wurde mit Flyern, Plakaten, im Internet sowie in diversen Publikationen, u.a. in der Zeck, Nr. 144 vom Mai/Juni 2008, mobilisiert. Darüber hinaus erschien im Vorfeld des Antirassismuscamps ein Reader mit einem Protestprogramm. Im zeitlichen Vorfeld des Camps verübten militante Autonome mehrere Straftaten: * Unbekannte Täter warfen in der Nacht zum 07.07.08 in Hamburg Steine und Flaschen gegen ein Kundenzentrum des Energiekonzerns Vattenfall. In einem hierzu beim Hamburger Abendblatt eingegangenen Selbstbezichtigungsschreiben bekannte sich eine "AG.Stromwechsel leichtgemacht" zu der Tat. Unter der Überschrift "Bad Weather for Bad People" hieß es, Vattenfall sei einer der "Profiteure einer Politik des ökologischen Raubbaus". Zweck der Aktion sei, "zu den Aktions-Camps vom 16.-24. August in Hamburg" zu mobilisieren. Das Schreiben endete mit den Parolen: "Für die Enteignung der Energiekonzerne! Für freies Fluten und ein ganz anderes Klima". * In der Nacht zum 11.08.08 gossen unbekannte Täter Farbe gegen die Eingangstür eines Mehrfamilienhauses, in dem auch der Leiter der Ausländerbehörde wohnt. Am 13.08.08 besprühten Unbekannte das Haus eines Mitarbeiters der Ausländerbehörde, warfen mit Farbe gefüllte Weihnachtskugeln gegen die Hauswand 137 Linksextremismus und zerstörten die Verglasung seiner Terrassentür. In demselben Zeitraum wurden zwei Fenster an dem Haus eines in Niedersachsen wohnenden Mitarbeiters der Behörde beschädigt. * Am 11.08.08 zerstörten ebenfalls Unbekannte im Stadtteil St. Pauli mit einem Brandsatz ein Montagefahrzeug einer Firma, die u.a. Cateringservice für Asylbewerber-Unterkünfte leistet. * Am 13.08.08 wurde ein Fahrzeug einer Firma in Brand gesetzt, die in Pinneberg eine Seniorenresidenz betreibt und außerdem für die Verpflegung für Asylbewerber zuständig ist. Da das Kfz fünf Meter neben der Residenz geparkt war, mussten die Bewohner kurzzeitig evakuiert werden. Am 14.08.08 ging bei einer Hamburger Tageszeitung ein Bekennerschreiben einer "Militanten Antirassistischen Gruppe Gegen Das Imperium (M.A.G.G.I.)" ein. Unter der Überschrift "ABSCHIEBESTADT HAMBURG ANGREIFEN - FÜR FREIES FLUTEN!" stellten die Verfasser ihre Taten in Zusammenhang mit dem anstehenden Antirassismusund Klimacamp. Die angegriffenen Behördenbediensteten wurden als "Schreibtischtäter" diffamiert, die die "unerbittliche Kontinuität des Abschiebeapparates in Hamburg" garantierten. Den beiden geschädigten Firmen wurde vorgeworfen, an der "menschenunwürdigen Unterbringung von Flüchtlingen" zu verdienen. Das Schreiben schließt mit der Parole "Shut down fortress Hamburg! [...] Europe!". An dem Doppelcamp vom 15./16.-24.08.08 in Hamburg beteiligten sich insgesamt bis zu 700 Personen. Davon waren ca. ein Fünftel Linksextremisten unterschiedlichster ideologischer Ausrichtung. Im Rahmen des Camps wurden diverse Aktionen ausgeführt: * Ca. 300 Personen zogen am 19.08.08 vor die Bundespolizeiakademie in Lübeck, um gegen eine Verflechtung der Bundespolizei mit der "Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen (FRONTEX)" zu protestieren. Darüber hinaus kam es im Verlauf eines Aufzugs unter dem Motto "Social change not climate change" zu einer Sitzblockade auf einer Straßenkreuzung mit rund 100 Teilnehmern. 138 Linksextremismus * Etwa 20 bis 30 vermummte Personen drangen am 20.08.08 - außerhalb der öffentlichen Besuchszeit - in das Bezirksamt Hamburg-Nord ein. Sie zerstörten dort Glasscheiben von Bürotüren und versprühten großflächig rote Farbe. Ein Mitarbeiter der Behörde wurde leicht verletzt. Im Anschluss flüchteten die Täter. Einer von ihnen, ein italienischer Staatsbürger mit Berliner Wohnsitz, konnte kurz darauf festgenommen werden. * Am 20.08.08 versammelten sich über 70 Personen vor der Baustelle des Kohlekraftwerks in Hamburg-Moorburg. Bei dem Versuch, die Baustelle zu besetzen, wurden 35 Personen in Gewahrsam genommen, darunter Aktivisten aus Dänemark, Schweden, Tschechien, der Schweiz und Deutschland. * Etwa 750 Personen, darunter ca. 200 Gewaltbereite, beteiligten sich am 22.08.08 an einem Aufzug "Für grenzenlose Bewegung - keine Abschiebung vom Flughafen Hamburg!". Einzelne Teilnehmergruppen blockierten u. a. die Zufahrt zum Flughafenterminal und entzündeten kleinere Feuer. Darüber hinaus versammelten sich über 100 Personen zu weiteren - nicht angemeldeten - Kleinaktionen am Flughafen. Bis zu 500 Personen beteiligten sich anschließend an einem Aufzug "Gegen Willkürmaßnahmen der Polizei". Insgesamt wurden 71 Personen in Gewahrsam genommen. * Ca. 600 Personen - darunter nach Polizeiangaben bis zu 250 Gewaltbereite - beteiligten sich am 23.08.08 an einer Demonstration unter dem Motto "Kein Kohlekraftwerk in Moorburg". Während des von dem Aktionsbündnis "Gegenstrom08" organisierten Aufzugs versuchten etwa 400 Personen, in Kleingruppen auf die Baustelle des Kohlekraftwerks zu gelangen. Dabei bewarfen sie eingesetzte Polizeibeamte mit Steinen und Flaschen. Die Polizei nahm insgesamt 23 Personen vorläufig fest. "Gegenstrom08" ist ein im Rahmen des Hamburger Camp-Projektes entstandenes Aktionsbündnis, in dem sich ca. 25 Initiativen unter139 Linksextremismus schiedlicher politischer Ausrichtungen - darunter die Gruppe AVANTI ( 5.1) - zusammengeschlossen hatten, um gegen das Kohlekraftwerk zu protestieren. Während der Campdauer wurden 159 Personen festbzw. in Gewahrsam genommen, darunter 16 mit Hamburger Wohnsitz. Die Beteiligung war im Verlauf der gesamten Campwoche mit rund 700 Personen geringer als von den Initiatoren erwartet. Dennoch werteten die Organisatoren des Klimacamps das Camp als Erfolg, da mehr als 60 Workshops und Vorträge sowie täglich öffentlichkeitswirksame Aktionen stattgefunden hätten. Im Anschluss an das Doppelcamp kritisierten insbesondere Vertreter des Antirassismus-Camps die schlechte Zusammenarbeit. Man habe eher gegeneinander als miteinander gearbeitet. Zudem hätten sich die "Klimaleute" bei den Medien in den Vordergrund gedrängt. 5.2.4 Linksextremistisch beeinflusste Initiativen gegen Stadtentwicklungspolitik Anderthalb Jahre nach Eröffnung des Mövenpick-Hotels im ehemaligen Wasserturm des Schanzenparks protestierten Anwohnerinitiativen und unorganisierte Quartiersbewohner auch im Jahr 2008 gegen die von ihnen abgelehnte "Gentrifizierung" (soziale Umstrukturierung, Aufwertung des Wohnumfeldes) des Schanzenviertels und die Privatisierung öffentlicher Räume, für die der Hotelbau sinnbildlich sei. Mit wiederholten Protesten und Aktionen auf niedrigem strafrechtlichen Niveau versuchte ein kleiner Personenkreis, die Mobilisierungsfähigkeit der Umstrukturierungsgegner aufrecht zu erhalten. Federführend war das "Freie Netzwerk zum Erhalt des Schanzenparks" (Netzwerk), in dem auch Linksextremisten mitarbeiten. Einmal monatlich finden seit Ende 2007 "Volksküchen" direkt vor dem Hotelrestaurant statt. Während die Hotelgegner eine Suppenmahlzeit zu sich nehmen, zeigen sie Transparente mit den Aufschriften "MÖVENPICK 140 Linksextremismus zu Gast bei Feinden" oder "Mövenpig die **** klauen", um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. Im Februar 2008 kündigte das "Netzwerk" in einem Flugblatt für den 15.03.08 einen "Aktionstag gegen das Hamburger Polizeigesetz/SOG" an. Ein späterer Aufruf unter dem Tenor: "Wir halten uns auf, wo wir wollen - gegen Verbote und Kontrollen!" wurde auf der Homepage des Netzwerks veröffentlicht und mit: "Autonome Gruppen" unterzeichnet. Damit bezogen sich die Organisatoren insbesondere auf die zahlreichen Platzverweise gegen eine Aktivistin des "Netzwerks". Am 15.03.08 fanden eine Kundgebung vor einer Polizeiwache im Schanzenviertel und eine Spontandemonstration mit 100 bzw. 180 Teilnehmern statt. Beide Veranstaltungen verliefen friedlich. Die Hotelfassade wurde im Laufe des Jahres wiederholt mit Farbe verunreinigt. Am 14.10.08 wurde Buttersäure in die Lüftungsanlage eingebracht. Einen Tag darauf wurde die Aktion auf der Homepage des "Netzwerks" dargestellt. Insbesondere autonome Teilnehmer einer zuvor beendeten Demonstration zum Tag der Menschenrechte in der Innenstadt schlossen sich am 13.12.08 einem durch das "Netzwerk" organisierten Stadtteilrundgang durch das Schanzenviertel an. Ursprünglich richtete sich der Stadtteilrundgang (Motto: "Glas bricht - Widerstand nicht!") gegen die zunehmende Umstrukturierung des Schanzenviertels. Autonome nutzten ihn jedoch, um ihre Verbundenheit mit einem am 06.12.08 von einem Polizisten in Athen/Griechenland getöteten Schüler zum Ausdruck zu bringen. Darüber hinaus bekundeten sie ihre Solidarität mit den in Berlin beschuldigten mutmaßlichen Mitgliedern der "militanten gruppe" ( 4 und 5.2.1). An dem friedlichen Stadtteilrundgang beteiligten sich bis zu 320 Personen. Am 06.09.08 fand zum zwanzigsten Mal das Schanzenviertelfest in den Straßenzügen um die Rote Flora statt. Seit Jahren kommt es im Anschluss an das friedliche Straßenfest zu gewalttätigen Ausschrei141 Linksextremismus tungen zwischen Angehörigen der Autonomenszene und ihrem Umfeld sowie jugendlichen, überwiegend alkoholisierten Gewalttätern und der Polizei ( 5.1, Rote Flora). Nach den Ausschreitungen im Jahr 2008 kündigte der Hamburger Innensenator Christoph AHLHAUS an, das Schanzenviertelfest in seiner jetzigen Form nicht mehr dulden zu wollen. Künftig könnten verbindlich benannte Verantwortliche eine behördliche Genehmigung erhalten. In einem in der Zeck Nr. 147 (November/Dezember 2008) veröffentlichten Papier "Die Büchse der Pandora" kritisierten "Autonome im Viertel" die Absicht des Innensenators als "Angriff auf alles, was das Schanzenfest in den letzten 20 Jahren ausgemacht hat!". Die Autoren wehrten sich gegen dessen "Kommerzialisierung" und die damit verbundene weitere "Umstrukturierung des Schanzenviertels". Das Schanzenviertelfest, das die Verfasser als "eine der friedlichsten Veranstaltungen überhaupt" bezeichneten, könne nicht für die regelmäßigen Krawalle im Anschluss an das Fest verantwortlich gemacht werden. Stattdessen habe überzogenes polizeiliches Vorgehen "die Büchse der Pandora" erst geöffnet. Sie kündigten an, das Fest auch weiterhin in gewohnter Weise feiern zu wollen: "Die Pappkartons werden weiter lodern, nicht nur beim Schanzenviertelfest, sondern auch im Rahmen anderer politischer Auseinandersetzungsfelder." 5.2.5 Linksextremistische Einflussnahme auf die Anti-AKW-Bewegung Die Anti-AKW-Bewegung war im Jahre 2008 aktiver als im Jahr davor, in dem kein Castor in das Zwischenlager Gorleben/Niedersachsen transportiert wurde. Bereits im Mai 2008 wurden Proteste gegen die "Jahrestagung Kerntechnik" des "Deutschen Atomforums" [27.29.05.08 im Congress Centrum Hamburg (CCH)] organisiert. Unter dem Motto: "Kein Forum dem Atomforum" riefen verschiedene Anti-Atom-Initiativen, darunter auch die linksextremistischen Gruppierungen SAND ("Systemoppositionelle Atomkraft Nein Danke") und das "Anti-Atom-Büro Hamburg" (AAB) zu einer Kund142 Linksextremismus gebung am 27.05.08 vor dem CCH auf. An der friedlich verlaufenen Kundgebung beteiligten sich 150 Personen. Beide Gruppierungen hatten zuvor mehrere Veranstaltungen gegen die Jahrestagung Kerntechnik organisiert, u.a. eine Informationsveranstaltung zum Thema: "Globalisierte Atomgeschäfte & Widerstand am Beispiel FrankreichDeutschland" im Libertären Zentrum (LIZ) am 15.05.08. Die Proteste gegen den elften Castor-Transport vom 07.-11.11.08 von der Atommüll-Wiederaufbereitungsanlage für abgebrannte Brennstäbe in La Hague/Frankreich nach Gorleben waren der Schwerpunkt der Aktionen im Rahmen der Anti-AKW-Bewegung im Jahr 2008. Ab Mitte Oktober fanden in Hamburg eine Reihe von Informationsund Mobilisierungsveranstaltungen für die geplanten zentralen Proteste in Lüchow-Dannenberg/Niedersachsen statt, die überwiegend vom "AAB" organisiert wurden. Die Gruppe "SAND" richtete im Internet eine Sonderseite anlässlich des Castor-Transports ein. Dort veröffentlichte sie u.a. Fotos von der Plakatwand der Roten Flora im Oktober 2008, auf der mit den Worten "keinen Frieden mit den herrschenden Verhältnissen" und "der CASTOR kommt nicht durch!" zu den "Castor-Protesten" im Wendland mobilisiert wurde. Im Vorfeld des Transportes wurden im Bundesgebiet mehrere Anschläge auf Streckenabschnitte der Deutschen Bahn verübt. In Hamburg begingen militante Linksextremisten drei Anschläge auf Fahrzeuge eines Energiekonzerns: * Am 30.10.08 wurden an einem Pkw Scheiben eingeschlagen und Reifen zerstochen. In der anschließend bei der Hamburger Morgenpost eingegangenen Bekennung forderte eine unbekannte "autonome gruppe für mehr bodenkontakt": "castor stoppen! atom-mafia-angreifen!". * In der Nacht zum 03.11.08 gab es einen weiteren Brandanschlag auf einen anderen Pkw des Konzerns. Da das Feuer frühzeitig entdeckt wurde, blieb der entstandene Sachschaden gering. 143 Linksextremismus * Am 04.11.08 kam es zu einem weiteren Brandanschlag auf ein Werkstattfahrzeug, das je zwei Sauerstoffund Acetylen-Gasflaschen enthielt. Durch die Explosion einer der Flaschen wurden fünf weitere Fahrzeuge und ein nahestehendes Gebäude beschädigt. Nur durch glücklichen Zufall wurden keine Personen verletzt. Zu den beiden Brandanschlägen wurden keine Bekennerschreiben veröffentlicht. In der Nacht zum 08.11.08 verübten Unbekannte bundesweit mehrere Brandstiftungen gegen Betriebseinrichtungen der Deutschen Bahn AG, u.a. an der Bahnstrecke bei Reinbek / SH. Es wurden erhebliche Sachschäden an Kabeln für Signal-, Funkund Telefonanlagen sowie Störungen im Zugverkehr verursacht. Am selben Tag wurden vier Anschläge auf Zugstrecken in Frankreich verübt. In einer anschließend in Deutschland veröffentlichten deutschsprachigen Selbstbezichtigung bekannten sich die Verfasser zu den Anschlägen in Deutschland und Frankreich. In der Nacht des 05.12.08 warfen unbekannte Täter mit Farbe gefüllte Christbaumkugeln gegen die Fassade des französischen Generalkonsulats in Hamburg. In einem Selbstbezichtigungsschreiben, das am 09.12.08 bei der Hamburger Morgenpost einging, erklärten sich die Verfasser solidarisch mit den seit dem 10.11.08 in Frankreich inhaftierten Aktivisten, die nach mehreren Anschlägen im Vorfeld des Castor-Transportes auf die französische TGV-Strecke festgenommen worden waren (s.o.). Im Jahr 2008 beteiligten sich mit 15.000 Demonstranten mehr als viermal so viele Personen wie beim letzten Castor-Transport im Jahr 2006. Gründe für die gestiegene Aktionsbereitschaft dürften die Diskussion um einsickerndes Wasser in die Atomlagerstätte ASSE II bei Wolfenbüttel und die Debatte über eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken gewesen sein. An den vielfältigen Protestaktionen gegen den Castor-Tranport vom 07.-11.11.08 beteiligten sich bis zu 15.000 Demonstranten aus dem gesamten Bundesgebiet. Aufgrund zahlreicher Blockade-, Ankettund Kletteraktionen entlang der Transportstrecke erreichte der elfte Castor-Transport das Zwi144 Linksextremismus schenlager in Gorleben am 11.11.08 mit fast vierundzwanzigstündiger Verspätung. Bereits die Abfahrt vom französischen Bahnhof Lauterbourg verzögerte sich um zwölf Stunden. Drei Personen hatten sich am 08.11.08 bei Berg-Neuburg, zwischen der französischen Grenze und dem deutschen Bahnhof Wörth, an die Gleise gekettet. Weitere erhebliche Behinderungen entstanden am 09.11.08 bei einer Blockadeaktion der Gleise zwischen Lüneburg und Dannenberg. Mehrere Hundert Personen hatten die Gleise an diversen Stellen besetzt und teilweise auf bis zu 40 Metern Länge unterhöhlt. Auf den Schienen wurden brennende Barrikaden errichtet. Bei Auflösung der Blockade kam es AP zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Am 10.11.08 führten 800 bis 1.000 Personen eine Sitzblockade vor dem Zwischenlager Gorleben durch. Die Räumung der Blockade durch die Polizei verlief weitgehend friedlich. Am selben Tag blockierten 37 ineinander verkeilte Trecker in Quickborn die Fahrbahn. In Grippel ketteten sich acht Personen an zwei Betonpyramiden, die mit einem Spezialkleber auf der Straße fixiert waren. Die Auflösung dieser Blockade beanspruchte mehr als zehn Stunden. Während der Proteste wurden insgesamt ca. 40 Personen festgenommen, darunter drei mit Wohnsitz in Hamburg. Ferner erfolgten ca. 300 Ingewahrsamnahmen und über 700 Identitätsfeststellungen. Ein Ansteigen des Protestpotenzials im linksextremistischen Spektrum war im Jahr 2008 nicht festzustellen; insbesondere dessen Beteiligung an dem Gesamtprotest gegen Kernenergie blieb gering. Für 2009 ist kein Castor-Transport nach Gorleben vorgesehen. 6. Extremistische Teilstrukturen in der Partei DIE LINKE. Seit dem 01.05.08 wird nicht mehr der gesamte Hamburger Landesverband der Partei DIE LINKE. vom LfV Hamburg beobachtet, da er 145 Linksextremismus keine hinreichenden Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen mehr bietet. Weiterhin beobachtet werden dagegen die eindeutig extremistischen Strömungen in der Partei. Kommunistische Plattform (KPF) Das Statut der Partei DIE LINKE. schließt nicht aus, in der Organisation Plattformen, Arbeitsund Interessengemeinschaften auch mit extremistischer Ausrichtung zu bilden. Sie sind integraler Bestandteil der sich als linke Strömungspartei verstehenden Organisation und bieten ihr Ansatzpunkte für eine breite Bündnispolitik. Eine dieser Vereinigungen ist die am 30.12.89 in der damaligen SED-PDS gegründete "Kommunistische Plattform" (KPF), die in der Partei DIE LINKE. als "offen tätiger Zusammenschluss von Kommunistinnen und Kommunisten" aktiv ist. Sie arbeitet mit der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) und weiteren linksextremistischen Gruppierungen zusammen. Ihrer Satzung zufolge ist die KPF offen für alle, unabhängig von parteilicher und sonstiger politischer Bindung, sofern ihre Mehrheitsbeschlüsse und das Parteistatut akzeptiert werden. Vorrangiges Anliegen des von der Plattform angestrebten "breiten linken Bündnisses" ist, "die Zusammenarbeit aller [...], die mit dem Ziel einer sozialistischen Alternative zum bestehenden kapitalistischen System aktiv in politischen, sozialen und anderen Auseinandersetzungen der Gegenwart stehen". Die KPF wird auf Bundesebene von einem Bundeskoordinierungsrat (BKR) geleitet und durch den Bundessprecherrat vertreten. Höchstes Gremium ist die laut Satzung mindestens einmal jährlich tagende Bundeskonferenz. Diese beschließt die politischen Leitlinien der KPF und wählt den Bundeskoordinierungs(BKR) und Bundessprecherrat. Den Fusionsprozess von Linkspartei.PDS und "WASG" zur Partei DIE LINKE. hatte die KPF nach eigener Aussage "aktiv begleitet". Das BKRMitglied Sahra WAGENKNECHT wurde auf dem Gründungsparteitag der Partei DIE LINKE. am 16.06.08 mit 75,2 % der Delegiertenstimmen in den Bundesvorstand gewählt. Auch bei der satzungsgemäßen Anerkennung als bundesweiter Zusammenschluss in der Partei DIE 146 Linksextremismus LINKE. hatte die KPF Erfolg. Zugleich unterstrich der BKR, im politischen Alltag und in der bevorstehenden Programmdebatte weiterhin bestimmten Inhalten besonders verpflichtet zu sein. Ausdrücklich wurde hierbei der "Systemwechsel", die Verteidigung des "vergangenen sozialistischen Versuchs" sowie die Ablehnung der "Militarisierung der deutschen Außenpolitik" benannt. In Hamburg gibt es innerhalb der Partei DIE LINKE. zwei "Kommunistische Plattformen", die "KPF Clara Zetkin" und die von der "Liste Links" gegründete KPF. Die "KPF Clara Zetkin" hat eine eigene Homepage. In einem dort eingestellten Selbstverständnispapier vom September 2003 heißt es: "Unser Ziel ist daher die Aufhebung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Dieses Ziel kann nur durch die zu erkämpfende Überwindung aller Herrschaftsformen [...] erreicht werden." In einem Flugblatt zur Finanzkrise (Jahreswechsel 2008/2009) tritt sie für die "programmatische Festschreibung [...] sozialistischer und antiimperialistischer Positionen" in der Partei ein. Zudem teilt die "KPF Clara Zetkin" die revolutionär-marxistischen Auffassungen der Bundes-KPF, deren Dokumente ebenfalls auf ihrer Internetseite veröffentlicht wurden. Die von der "Liste Links" gegründete KPF besteht seit mehreren Jahren weitgehend unverändert und betreibt vorwiegend interne Theoriedebatten ohne nennenswerte Außenwirkung. Beide Kommunistischen Plattformen haben in Hamburg zusammen ca. 50 Mitglieder und nur geringen Einfluss innerhalb der Partei. Die ebenfalls zu den revolutionär-marxistischen Gruppen innerhalb der Partei DIE LINKE. zählenden Gruppierungen "marx 21 - Netzwerk für internationalen Sozialismus" (ehemals Linksruck), "Sozialistische Linke" (SoL) und "linksjugend solid" blieben in Hamburg bisher ohne praktische Relevanz und weitgehend bedeutungslos. 147 Linksextremismus 7. Orthodoxe Kommunisten Als "Orthodoxe Kommunisten" werden Parteien und Organisationen bezeichnet, deren Ideologie hauptsächlich auf den Lehren von Marx, Engels und Lenin (Marxismus-Leninismus) beruht. Sie streben als Endziel die Errichtung des Kommunismus als "klassenlose" Gesellschaft an. Da dies nach ihrem Verständnis nicht in einem Schritt erreicht werden kann, sehen sie die Notwendigkeit von Zwischenstufen. Hauptkriterium der angestrebten Gesellschaftsform ist die politische Macht der Arbeiterklasse mit einhergehender Vergesellschaftung der wesentlichen Produktionsmittel, um die Ausbeutung durch kapitalistische Produktionsformen zu beenden. Den Weg zum Ziel konkretisieren sie nicht im Detail. Fest steht für sie aber, dass der Sozialismus nicht durch eine Summe von Reformen, sondern nur über einen revolutionären Bruch mit der kapitalistischen Gesellschaftsordnung erreicht werden kann. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Die DKP ist die Kernorganisation der orthodoxen Kommunisten. Ihre Mitglieder: <4.000 Propaganda zielt auf die Beseitigung des politischen Systems der Bundessitz: Essen Bundesrepublik Deutschland. Sie Vorsitzender: Heinz STEHR strebt eine kommunistische Gesellschaftsordnung an, die nur in einem Bezirksorganisation Hamburg revolutionären Prozess erreichbar Mitglieder: etwa 220 sei. Vorsitzender: Olaf HARMS Ihr Niedergang hält seit 1990 an. Die Mitgliederzahlen stagnieren seit 2006 bundesweit bei ca. 4.000. Vor allem die Parteizeitung "UZ" ("Unsere Zeit - Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP") hat finanzielle Probleme, die auch durch Spendenaktionen nicht gelöst werden konnten. Der UZ-Chefredakteur sprach Mitte Juni 2008 von einem "bedrohlichen Abo-Rückgang". Die Einnahmen seien im Jahre 2007 um 15.000 EUR zurückgegangen (UZ, 27.06.08). Vor dem Hintergrund der aktuellen Finanzkrise hofft die DKP auf eine Renaissance des Marxismus. Deshalb hat sie ihre Schulungstätigkeit intensiviert (s.u.; 148 Linksextremismus Hamburg, MASCH). Die Hoffnung auf eine steigende Anziehungskraft des Marxismus erfüllte sich bislang jedoch nicht. Während einer von der DKP am 12.01.08 in Berlin veranstalteten Feier erklärte ihr Vorsitzender Heinz STEHR vor über 300 Teilnehmern, in Deutschland seien die Voraussetzungen für die Formierung einer politischen Gegenkraft besser als in den letzten Jahren. Nach aktueller Meinungsumfrage empfinde eine Mehrheit das bestehende System als ungerecht und halte eine sozialistische Perspektive für erstrebenswert. Deswegen brauche das Land eine starke kommunistische Partei. Als Schwerpunktaufgaben der DKP nannte er die soziale Frage, Antifaschismus, Kampf um Frieden und gegen Demokratieabbau. Die Anfang 2008 bekannt gewordene Schließung des NOKIA-Werkes in Bochum griff die DKP mit einer "Presseerklärung" v. 18.01.08 auf. Unter dem Tenor "Nokia enteignen" verlangte sie, "die Sozialpflichtigkeit des Eigentums nach dem Grundgesetz und der Landesverfassung einzufordern". In Deutschland seien nun "eine öffentliche Debatte und Maßnahmen zur Einschränkung der Willkür und des Diktats des transnationalen Kapitals" nötig. DDR-freundliche Äußerungen eines DKPMitgliedes, das bei den niedersächsischen Landtagswahlen am 27.01.08 für die Partei DIE LINKE. kandidiert und ein Landtagsmandat erhalten hatte, lenkten vorübergehend öffentliches Interesse auf die DKP. DIE LINKE. distanzierte sich von den Äußerungen, schloss die Abgeordnete am 18.02.08 aus ihrer Fraktion aus und verlangte von ihr - erfolglos - die Rückgabe ihres Mandats. Der 18. DKP-Parteitag fand unter dem Motto "DKP in Bewegung" am 23./24.02.08 in Mörfelden-Walldorf/Hessen statt. Mit Mehrheit wurde der vom Vorstand eingebrachte Antrag "Arbeitsvorhaben 2008/09" beschlossen. Während des Parteitages wurden Probleme deutlich: 149 Linksextremismus Die Hamburger Betriebsgruppe "Öffentlicher Dienst" legte einen Alternativentwurf mit dem Titel "Handlungsorientierung" vor, der auf den Existenzkampf der DKP verwies. Sinkende Mitgliederzahlen, Überalterung und ein wachsendes Finanzproblem würden zu Resignation unter aktiven Mitgliedern führen. Drastisch sei der Zerfall der Organisationsstruktur. Als Gegenmaßnahmen wurden die Konzentration auf die Bereiche Betriebsund Gewerkschaftsarbeit sowie Kommunalpolitik und größere Anstrengungen zur Reorganisation der Partei mit Stärkung der Gruppen empfohlen. Die Delegierten des Parteitags lehnten den Antrag mehrheitlich ab, weil er nicht mit dem DKP-Parteiprogramm vereinbar sei und von einer Krise in der DKP nicht die Rede sein könne. Stattdessen nahmen sie den Leitantrag des Parteivorstandes "Die DKP im Kampf gegen Krieg, Sozialund Demokratieabbau - Profil schärfen - DKP stärken" mit gro18. Parteitag der DKP ßer Mehrheit an. Der Vorsitzende und seine Stellvertreter wurden in ihren Ämtern bestätigt. Bei der Wahl des dritten stellvertretenden Parteivorsitzenden gab es eine Konkurrenz-Kandidatur. Der Hamburger Olaf HARMS unterlag dabei einem Münchener Mitbewerber, der für den Mehrheitskurs in der DKP steht. In dem von 40 auf 34 Mitglieder verkleinerten Vorstand sind drei Hamburger vertreten. Ein Hamburger wurde in die fünfköpfige "Zentrale Revisionskommission" (ZRK) gewählt. Für ihren Vorsitzenden besteht die Bedeutung der DKP " ... darin, dass sie den wissenschaftlichen Sozialismus zur Grundlage ihrer Politik macht; dass sie die einzige Partei ist, die in ihrer Strategie und Taktik den revolutionären Bruch anstrebt". Der Hebel für Veränderungen müsse dort angesetzt werden, wo sich der für die gesellschaftliche Umgestaltung wichtige Teil der Bevölkerung befinde: in Großbetrieben und Gewerkschaften. Beschlossen wurde ferner, die parlamentarische und außerparlamentarische Zusammenarbeit mit der Partei DIE LINKE. fortzusetzen. Die DKP müsse sich überdies stärker in Massenbewegungen wie der Friedensbewegung verankern. Gleiches gelte für die antifaschistische 150 Linksextremismus Arbeit und für soziale Bewegungen. Für die DKP sei "die Bildung von Bündnissen und Allianzen ein Schlüsselproblem". Die zentrale Parteiveranstaltung "Vierzig Jahre DKP" fand am 27.09.08 in Recklinghausen statt, an der 400 - meist ältere - Mitglieder, darunter viele Gründungsmitglieder von 1968, teilnahmen. STEHR betonte, dass die Eigentumsfrage angesichts der internationalen Finanzkrise wichtiger denn je sei. Im Rahmen ihrer langjährigen Zusammenarbeit mit der Regierung Kubas bot die DKP für junge Parteimitglieder - bis 35 Jahre - dort Studienaufenthalte im April 2008 an. Vertreter der Kommunistischen Partei Kubas sollten über aktuelle Entwicklungen sprechen. Daneben stand die Vermittlung von Grundlagen der DKP-Politik durch DKP-Vertreter auf dem Programm, um die Teilnehmer zu befähigen, Verantwortung in der DKP zu übernehmen (UZ, 01.02.08). Hamburg Die Hamburger DKP zählt weiterhin rd. 220 Mitglieder, die überwiegend in Wohngebietsund zwei Betriebsgruppen organisiert sind. Zu den Wahlen zur Hamburgischen Bürgerschaft und den Bezirksversammlungen am 24.02.08 kandidierten mehrere DKP-Mitglieder auf Listen der Partei DIE LINKE. Ziel der DKP, die im Wahlkampf zur Stimmabgabe für DIE LINKE. aufrief, war, "zu der Erkenntnis beizutragen, dass ein Politikwechsel ohne Eingriffe in die [...] Eigentumsund Verfügungsrechte nicht zu haben ist und dass der Kapitalismus überwunden werden muss". Der Bezirksvorsitzende der DKP Hamburg, Olaf HARMS, kandidierte auf Platz 10 der Landesliste für die Bürgerschaftswahl. Da "DIE LINKE." nur mit acht Sitzen in der Bürgerschaft vertreten ist, ist HARMS nicht in das Landesparlament gekommen. Nur in die Bezirksversammlung Hamburg-Nord zog ein DKP-Mitglied als Ergebnis der Kooperation ein. Am 09.02.08 fand eine "Antifaschistische Konferenz" der DKP unter dem Motto "Wer braucht Nazis?" mit mehr als 100 Teilnehmern statt. 151 Linksextremismus In dem Aufruf hieß es: "Ausgehend [...].von den zahllosen Naziaufmärschen, denen von der Polizei der Weg freigeprügelt wird, sowie zahlreichen Straftaten und Verbrechen, die von Neonazis begangen werden, drängt sich die Frage auf, warum der Staat und das Kapital ein Interesse haben an der Existenz neofaschistischer Organisationen". Große Einigkeit habe die Konferenz darin gezeigt, dass "Antifaschismus" mehr sei als Nazis zu bekämpfen und dafür breite Bündnisse benötigt würden ("Lokalberichte Hamburg", 21.02.08). "Antifaschistische Arbeit" und "Bündnispolitik" sind ständige politische Schwerpunkte der Hamburger DKP. Beim "Hamburger Bündnis gegen Rechts" (HBgR; 5.2.2), in dem Linksextremisten verschiedener Herkunft und Nichtextremisten - u.a. aus dem Gewerkschaftsbereich - zusammenarbeiten, geht es um beide Schwerpunktthemen. Olaf HARMS zeichnet für die Homepage des HBgR ("keine-stimmeden-nazis") presserechtlich verantwortlich. Die Hamburger DKP griff im Dezember unter dem Tenor "Krise wütet in Hamburg" die Folgen der Finanzkrise u.a. am Beispiel der HSH-Nordbank auf. Als deren Ursache sah sie "das erbarmungslose Gesetz der Kapitalanhäufung" an und forderte die Verstaatlichung der Privatbanken, in die Landesbanken müsse "demokratische Kontrolle" einziehen. Weil die Wirtschaftskrise schon seit Monaten in der Industrie schwele, müsse auch sie "an die Kette gelegt werden. Durch Vergesellschaftung - die einzig wirksame Sicherung gegen Arbeitslosigkeit und Lohnverlust". Zum Gedenken an den 1944 im KZ Buchenwald hingerichteten KPD-Vorsitzenden Ernst THÄLMANN wurde die "Gedenkstätte Ernst Thälmann e.V." (GET) 1969 als bundesweite DKP-Einrichtung eröffnet. Sie wird ehrenamtlich von DKP-Angehörigen betrieben. Alljähr152 Linksextremismus lich führt sie Gedenkveranstaltungen zu THÄLMANNs Geburtsbzw. Todestag durch. An der Veranstaltung zu seinem 64. Todestag am 18.08.08 nahmen ca. 50 Personen teil. Zu ihrem 40-jährigen Bestehen im Jahre 2009 sollen die Gedenkstätte renoviert und die Ausstellung restauriert werden. Zur Finanzierung sollen zusätzliche Spenden erhoben und öffentliche Mittel beantragt werden. "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) Die SDAJ ist formal eine eigenständige Organisation, aber durch ideologische Nähe bei identischen Zielen und organisatorischen Übereinstimmungen - gemeinsame Büros und Doppelmitgliedschaften - eng mit der DKP verzahnt. Ihre Mitgliederzahl stagniert bundesweit seit 2006 bei etwa 300. In einer "Pressemitteilung" erklärte die SDAJ, die Finanzkrise sei nicht eingetreten, weil Banken und Großkonzerne "besonders böse wären, sondern weil eben das die Logik des Kapitalismus ist: immer da Geld reinzustecken, wo man am meisten Gewinn machen kann. Eine Gesellschaft, die auf Profitstreben basiert [...] ist ein Wahnsinn, den sich die Menschheit auf Dauer nicht leisten kann" (SDAJ-Homepage, April 2008). Vom 09.-12.05.08 feierte die SDAJ ihr 40-jähriges Bestehen mit einem "Festival der Jugend" im Jugendpark Köln, zu dem sie erstmals seit 20 Jahren wieder eingeladen hatte. Bei internationaler Beteiligung - u.a. aus Griechenland, Kolumbien, Kuba, Portugal und der Schweiz - hätten insgesamt über 1.000 Personen teilgenommen. 153 Linksextremismus Die Hamburger SDAJ trifft sich im "Havana-Club" im Stadtteil Eimsbüttel. In demselben Gebäude befindet sich auch das Hamburger DKPZentrum. Die Aktivitäten der Gruppe waren rückläufig. Im Gegensatz zu früheren Jahren erschien ihre Zeitung "Likedeeler" nicht. Zu einer Demonstration am 21.02. zum Thema "Gebührenfreie Bildung und eine erfreuliche Zukunft für Alle! Solidarität statt soziale Auslese" rief neben zwölf anderen Organisationen auch die SDAJ auf. Marxistische Abendschulen (MASCH) in Hamburg Neben der seit 1981 tätigen MASCH, die als e.V. betrieben wird und ihre Kurse fast ausschließlich in Räumen der Hamburger Universität anbietet, existiert seit Februar 2007 eine zweite MASCH, die im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg unter maßgeblicher Beteiligung von DKP-Mitgliedern als nicht eingetragener Verein gegründet wurde und im Berichtsjahr expandierte. "Marxistische Abendschule Hamburg - Forum für Politik und Kultur" (MASCH e.V.) Die MASCH gibt vor, an keine bestimmte politische Organisation oder theoretische Schule gebunden zu sein. Ihr Ziel ist "die Verbreitung und Weiterentwicklung der marxistischen Theorie als grundlegendes Instrument zur Analyse der gesellschaftlichen Wirklichkeit mit der Perspektive von deren Veränderung" (Sommerprogramm 2008). Die Referenten stammen hauptsächlich aus der DKP und der Partei DIE LINKE. ( 6.). Als Kontaktperson zu einem zweiwöchentlich stattfindenden "Jour fixe" in Altona fungiert ein DKP-Mitglied. "Marxistische Abendschule" (MASCH) in Wilhelmsburg In der MASCH Wilhelmsburg werden Vorträge zu Themen wie "Was ist Marxismus?" oder "Einführung in 'Das Kapital'" kontinuierlich im 154 Linksextremismus vierzehntäglichen Wechsel im Bürgerhaus Wilhelmsburg angeboten. Die MASCH Wilhelmsburg strebt eine Eintragung in das Vereinsregister als gemeinnütziger Verein an. Wegen der Namensgleichheit mit der MASCH e.V. wird derzeit eine Umbenennung in "Marxistische Arbeiterschule e.V." betrieben. Die Einrichtung betätigte sich 2008 auch in Altona und Bergedorf. Die Altonaer Kurse fanden im Büro der Partei DIE LINKE. bzw. in der B 5 ( 5.1) und die Bergedorfer in einem Kulturzentrum statt. Für größere Resonanz bei den Veranstaltungen sorgten die Lesungen des Originaltextes "Das Kapital" (Karl Marx) durch einen Hamburger Schauspieler. Hierzu fanden sich jeweils über hundert Teilnehmer ein. 8. Trotzkisten Im Gegensatz zu den kommunistischen Klassikern (MARX, ENGELS, LENIN) vertrat der Namensgeber und Ideologiestifter des Trotzkismus, Leo TROTZKI (Foto), die Auffassung, dass mit der proletarischen Revolution der politische Prozess nicht abgeschlossen sein darf ("permanente Revolution"). Die heutige trotzkistische Szene ist in zahlreiche kleine Gruppen zerfallen, die miteinander konkurrieren oder ideologisch verfeindet sind. In den Jahren 2001 bis 2004 gewannen trotzkistische Gruppierungen wie die "Sozialistische Alternative" (SAV; s.u.) oder "Linksruck" (s.u., "Marx 21") mit der zunehmenden Globalisierungskritik und Auseinandersetzungen um die Sozialund Arbeitsmarktpolitik zunächst wieder an Bedeutung. Gemäß ihrer Entrismus-Strategie versuchten sie - mit wechselndem und zuletzt wieder stark nachlassendem Erfolg - Antiglobalisierungsund soziale Protestbewegungen bzw. die Partei DIE LINKE. zu unterwandern. Zu den in Hamburg agierenden trotzkistischen Gruppen gehören u.a. "marx21" und die SAV. Darüber hinaus existieren weitere Splittergruppen ohne relevante Aktivitäten, wie der "Revolutionär-Sozialistische Bund" (RSB). 155 Linksextremismus "marx21 - Netzwerk für internationalen Sozialismus" ("marx21") Hamburger Trotzkisten waren u.a. in Ortsgruppen des ehemaligen Linksruck-Netzwerkes (LR) - jetzt "marx21" - organisiert. Am 01./02.09.07 löste sich LR während einer Vollversammlung in Frankfurt am Main als Organisation formell auf, um anschließend das marxistische Netzwerk "marx21" innerhalb der Partei DIE LINKE. zu gründen. Erklärtes Ziel von "marx21" ist die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung durch eine Revolution. Um dieses Ziel zu erreichen, will sich die Gruppe der Strukturen der LINKEN bedienen. Das Netzwerk positioniert sich in der gewerkschaftlich orientierten Strömung SoL und agiert nun im trotzkistischen Sinne in der Partei DIE LINKE. Dabei versuchen "marx21"-Mitglieder, herausgehobene Funktionen in der Partei zu besetzen, um ihre Einflussmöglichkeiten zu vergrößern. Im Hamburger Landesverband der Partei DIE LINKE. hat "marx21" keinen nennenswerten Einfluss. "Sozialistische Alternative" (SAV) Eine weitere trotzkistische Organisation in Deutschland ist die "Sozialistische Alternative" (SAV). Sie ist die deutsche Sektion des internationalen trotzkistischen Dachverbandes "Committee for a Workers' International" (CWI) mit Sitz in London und versteht sich laut Statut "als revolutionäre, sozialistische Organisation in der Tradition von Marx, Engels, Lenin, Trotzki, Luxemburg und Liebknecht". Sie agitiert gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland und tritt für die Herrschaft der Arbeiterklasse, die Abschaffung des kapitalistischen Wirtschaftssystems, die Verstaatlichung und Vergesellschaftung der Produktionsmittel sowie eine Planwirtschaft durch "rätedemokratische Strukturen" ein. Während in Westdeutschland die Mehrheit der SAV-Mitglieder in die Partei DIE LINKE. übertrat, formierten sich die ostdeutschen Ortsgruppen außerhalb der Partei. Sie warfen ihr vor, sie habe in Kommunalund Landesregierungen "eine Politik gegen die Interessen der Bevölkerung 156 Linksextremismus mitgetragen". Sie kritisierten insbesondere die ausufernde Bürokratie und die mangelnde Demokratie innerhalb der Linken im Osten. Diese Strategie wurde im September 2008 geändert: Die SAV gab den Eintritt ihrer ostdeutschen Mitglieder in die Partei DIE LINKE. bekannt. Die SAV verstärkte auch ihre Mitarbeit im Jugendverband "Linksjugend (solid)" mit dem Ziel, eine "kämpferische, aktive, sozialistische Jugendorganisation" aufzubauen. Der Hamburger SAV sind im Jahre 2008 lediglich lokale Aktivitäten wie Infotische mit dem Schwerpunkt "Antifaschismus" zuzurechnen. Sie blieben ohne nennenswerte Resonanz. 9. Marxistische Gruppe (MG) Im Mai 1991 löste sich die MG zum Schein formal auf, um ihre Aufklärung durch Sicherheitsbehörden zu erschweren. Seitdem ist sie in der Mehrzahl der Länder unter verschiedenen Tarnbezeichnungen mit weitgehend unverändertem Personal aktiv. Überwiegend verwendet sie den Namen "GegenStandpunkt" (GSp), der von ihrer gleichnamigen Publikation abgeleitet ist. Die MG ist eine revolutionär-marxistische Organisation, die ihre revolutionären Absichten - anders als orthodox-kommunistische Organisationen - nicht offen propagiert. Ihre Agitation und Mitgliedersuche richtet sich seit jeher vor allem an Akademiker. Demzufolge konzentriert sie ihre Aktivitäten auf Universitätsstädte. Besonderes Merkmal ihrer Agitation ist eine destruktive, zynische Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen und politischen Entwicklungen im demokratischen Rechtsstaat, wobei sie einen elitären Anspruch reklamiert. Die MG kennzeichnet ein hohes Maß an Konspiration um Führungszirkel, abgeschottete Wohnverhältnisse der Mitglieder und ein sektiererisches Erscheinungsbild. Sie nimmt weder an Parlamentswahlen teil noch finden interne Wahlen der Führungspersonen statt. Die MG nennt keine politischen Ziele und führt keine öffentlichen Aktionen durch. Auch zur Gewaltfrage macht sie nur vage Andeutungen. 157 Linksextremismus Ihren ideologischen Zusammenhalt stellt die Gruppe über öffentliche Veranstaltungen, die Vierteljahreszeitschrift "GegenStandpunkt" - die ausschließlich anonyme Artikel veröffentlicht - und Beiträge im Internet her. Die Gruppe "GegenStandpunkt Hamburg" ist seit etlichen Jahren personell weitgehend konstant. Ihr Informationsblatt "GegenArgumente" erschien im Jahr 2008 fünfmal. Neben Jour fixe-Veranstaltungen in Ottensen gab es sporadische Veranstaltungen mit auswärtigen Referenten an der Universität Hamburg; insbesondere mit diesen erzielte sie mehr Resonanz und erreichte jeweils ca. 100 Teilnehmer. Mehrmals wurden Veranstaltungen der ebenfalls der MG zuzurechnenden Gruppe "Arbeitslose Akademiker / Nachwuchsorganisation" (AA/ NO) angeboten, u.a. am 02.07.08 in der Hamburger Universität, zum Thema: "Religiöser Fundamentalismus und ein separatistischer Aufstand im Olympia-Jahr, wie wir ihn mögen: Tibet gut, China böse". Der "Finanzkrise" widmete die Gruppe mehrere Jour fixe-Termine, u.a. am 16.12.08 zum Thema: "Wie aus dem blühenden Geschäft mit Geldkapital die tiefste Krise seit langem wird". Wegen der fortdauernden Relevanz des Themas wurde es am 20.01.09 erneut angeboten. In der Ankündigung wurde angeführt, dass "das kapitalistische System sich mit seiner eigenen Katastrophe konfrontiert sieht und für alle Zuständigen sowieso klar ist, dass jetzt mit aller Macht und allem Geld dessen Rettung betrieben werden muss". Aus der Tatsache, "dass die Finanzkrise Spargroschen, Rente und Arbeitsplätze unsicher macht" sei zu folgern, wie "unbekömmlich und wie wenig erhaltenswert das kapitalistische System ist - egal, ob gerade Rezession oder Aufschwung herrscht." Da die Organisation wenig Erfolg bei der Werbung neuer Mitglieder verzeichnet und Austritte kaum vorkommen, entwickeln sich die Ansichten der Mitgliedschaft auch über Jahrzehnte hinweg kaum weiter. Innerhalb der linksextremistischen Szene führt sie ein Nischendasein. Auf den Internetseiten "Arbeitsfeld Linksextremismus" finden Sie zahlreiche weitere Informationen über linksextremistische Bestrebungen. 158 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Rechtsextremismus V. Rechtsextremismus 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick Der aktivste Teil des Rechtsextremismus im Jahr 2008 bestand erneut aus der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD, 8.1) und den mit ihr im Rahmen der "Volksfrontstrategie" ( 4.) kooperierenden aktionistisch orientierten Rechtsextremisten. Wahlerfolge bei Landtagswahlen blieben 2008 wiederum aus. Die "Deutsche Volksunion" (DVU, 8.2) erreichte in Hamburg am 24.02.08 bei den Wahlen zur Bürgerschaft lediglich 0,8% der abgegebenen Landeslistenstimmen (Publikationen / Wahlberichte / Beitrag "Wahl zur Hamburger Bürgerschaft am 24.02.08"). Die NPD konnte in Niedersachsen (1,5%) und Bayern (1,2%) zumindest die 1,0%-Hürde für die Teilhabe an der staatlichen Parteienfinanzierung überspringen. In Hessen scheiterte sie jedoch am 27.01.08 wie am 18.01.09 mit 0,9% der abgegebenen Stimmen sogar an diesem Minimalziel. Im Berichtsjahr 2008 gab es auf Bundesebene erhebliche Streitigkeiten im "Volksfront-Bündnis". Sie wurden ausgelöst durch die Verurteilung des langjährigen NPD-Schatzmeisters Erwin KEMNA wegen Untreue zum Nachteil der Partei und durch innerparteiliche Auseinandersetzungen über den Umgang mit dem Finanzskandal. Ein Ende dieses Streits ist bisher nicht absehbar (Schlagzeilen aus dem politischen Extremismus / "Führende Hamburger Rechtsextremisten und die 'Volksfront'Strategie"). Der Hamburger Landesverband der NPD ist seit der Wahl Jürgen RIEGERs zum Landesvorsitzenden zunehmend neonazistisch geprägt. Die Aktivitäten der Partei werden maßgeblich durch Anhänger der Neonaziund Skinheadszene in Bramfeld ( 5.1) beeinflusst, die führende Positionen übernommen haben. 160 Rechtsextremismus Nach der Bürgerschaftswahl hat die DVU ihre Aktivitäten in Hamburg nahezu eingestellt. Matthias FAUST, Spitzenkandidat bei dieser Wahl, wurde am 11.01.09 zum neuen DVU-Bundesvorsitzenden gewählt ( 8.2). Nach Abschluss der von Freien Nationalisten (Angehörige von Neonazi-Kameradschaften bezeichnen sich meistens als Freie Nationalisten oder Freie Kräfte) und NPD gemeinsam geführten Kampagne "Für ein sicheres Bergedorf" gegen den Bau einer Moschee konzentrierte sich der aktionistische Teil der Rechtsextremisten in Hamburg auf die Demonstration am 01.05.08 ( 5.3). Unter dem Motto "Arbeit und soziale Gerechtigkeit für alle Deutschen - Gemeinsam gegen Globalisierung" nahmen etwa 1.500 Personen teil, darunter ein "Schwarzer Block" von 400 schwarz gekleideten und aggressiv auftretenden Personen. Diesem Block gehörten - erstmals in Hamburg - viele aus anderen Ländern angereiste "Autonome Nationalisten" an. Es kam zu massiven Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten und der Polizei. Diese trugen zu einem Anstieg der rechtsextremistischen Straftaten und insbesondere der Gewalttaten im Vergleich zum Jahr 2007 bei ( 3.). Die rechtsextremistische Szene in Hamburg veranstaltete 2008 insgesamt 41 Informationsstände (2007: 22) und steigerte damit deutlich ihre öffentliche Präsenz. 161 Rechtsextremismus 2. Potenziale Nachdem die Gesamtzahl der Rechtsextremisten im Bundesgebiet im Jahr 2007 bereits deutlich von 38.600 (2006) auf 31.000 (Anmerkung Diagramm Bundespotenzial) zurückgegangen war, sank die Zahl im Jahr 2008 auf 30.000 Personen. Der gravierende Rückgang ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass die Partei "Die Republikaner" (REP) seit 2007 nicht mehr beobachtet und ihre Mitglieder nicht mehr in das rechtsextremistische Potenzial eingerechnet werden. Bund: Rechtsextremistische Personenpotenziale 60000 50000 40000 30000 20000 51.400 50.900 49.700 45.000 41.500 40.700 39.000 38.600 33.000 30.000 10000 0 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 - Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet - Der Bund hat die Mitgliederzahlen der "sonstigen rechtsextremistischen Organisationen" für das Jahr 2007 nach Übermittlung an die Länder um 2.000 reduziert. Dies erklärt die Differenz der Gesamtzahl im Hamburger Verfassungsschutzbericht 2007 zur Darstellung im vorliegenden Bericht. 162 Rechtsextremismus Die Zahl der rechtsextremistischen Parteien, Organisationen, Gruppen und sonstigen Personenzusammenschlüsse ging von 180 im Jahr 2007 auf 156 zurück. Im Jahr 2008 mussten die rechtsextremistischen Parteien erneut Mitgliederverluste hinnehmen. Die NPD bleibt mit 7.000 Mitgliedern (2007: 7.200) die größte rechtsextremistische Partei in Deutschland. Der DVU gehören nur noch 6.000 Personen an (2007: 7.000). Während die Zahl der sonstigen gewaltbereiten Rechtsextremisten auf 9.500 zurückging (2007: 10.000), stieg die der Neonazis auf 4.800 (2007: 4.400) erneut an. Rechtsextremistisches Personenpotenzial 2007 2008 auf Bundesebene Gewaltbereite Rechtsextremisten 10.000 9.500 einschließlich Skinheads Neonazis 4.400 4.800 Parteien 14.200 13.000 davon DVU 7.000 6.000 davon NPD 7.200 7.000 Sonstige rechtsextremistische 6.000 3.800 Organisationen Summe 34.600 31.100 abzügl. Mehrfachmitgliedschaften 1.600 1.100 Gesamtpotenzial 33.000 30.000 Siehe Anmerkung zum Diagramm "Bund: Rechtsextremistische Personenpotenziale" - Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet - 163 Rechtsextremismus Hamburg Die Zahl der Rechtsextremisten blieb im Jahr 2008 mit ca. 540 Personen unverändert. Hamburg: Rechtsextremistische Personenpotenziale 1000 800 600 1.000 400 910 820 640 590 530 550 540 540 540 200 0 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 -Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundetEtwa 40 der ca. 80 Neonazis gehören gleichzeitig dem - nach wie vor 140 Mitglieder zählenden - Landesverband der NPD an. In Hamburg ist die DVU, anders als im Bund, mit weiterhin 160 Mitgliedern die größte rechtsextremistische Partei. Während ein Großteil der DVU-Mitglieder weiterhin inaktiv ist, bestimmen Neonazis, neonazistische Skinheads und die NPD die rechtsextremistische Szene. Durch gezielte Werbung bei Jugendlichen konnte die neonazistische Szene nach wie vor personelle Abgänge kompensieren. 164 Rechtsextremismus Rechtsextremistisches Personenpotenzial 2007 2008 in Hamburg Gewaltbereite Rechtsextremisten 150 150 einschließlich Skinheads Neonazis 85 80 Parteien 310 300 davon DVU 160 160 davon NPD 140 140 davon sonstige Parteien 10 - Sonstige rechtsextremistische 60 75 Organisationen Summe 605 605 abzügl. Mehrfachmitgliedschaften 65 65 Gesamtpotenzial 540 540 -Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet3. Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) Rechtsextremistische Straftaten einschließlich der Gewalttaten werden grundsätzlich nach fremdenfeindlichen, rassistischen oder antisemitischen Motivlagen unterschieden. Bei einem Großteil der Propagandadelikte bleiben die Täter unerkannt, während die Aufklärungsquote bei rechtsextremistischen Gewalttaten relativ hoch ist. Im Jahr 2008 wurden in Hamburg 369 rechtsextremistische Straftaten begangen, 37 mehr als 2007. Von den 45 Gewaltdelikten im Berichtsjahr konnten 33 aufgeklärt werden. Unter den 43 Tatverdächtigen dieser Gewalttaten, darunter fünf Frauen, befand sich nur ein Minderjähriger. 19 Personen waren über 30 Jahre alt. Lediglich 17 Tatverdächtige kamen aus Hamburg. 165 Rechtsextremismus PMK2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Rechts PMKRechts 309 189 214 314 441 349 385 insgesamt davon rechtsextrem. 184 139 173 285 400 332 369 Straftaten hiervon extrem. 13 4 9 20 29 22 45 Gewaltdelikte Die Zahlen stammen aus den jeweiligen Jahres-Statistiken der Polizei Hamburg - Stand: Februar 2009 - Zu den Propagandadelikten gemäß SS 86 StGB zählen das Zeigen des "Hitler-Grußes", das Skandieren der Parole "Sieg-Heil" sowie Hakenkreuz-Schmierereien. In diesem Deliktsbereich ist der Anteil bekannter Tatverdächtiger aus rechtsextremistischen Organisationen eher gering. Oftmals handelt es sich um nicht organisierte Jugendliche oder Heranwachsende, in Einzelfällen auch um Personen ausländischer Herkunft. Hamburg 2008: Aufteilung der rechtsextremistischen 2007 2008 Straftaten nach Delikten Gesamt 332 369 Propagandadelikte 250 240 Fremdenfeindliche Delikte 71 61 Antisemitische Delikte 23 25 Gewalttaten 22 45 Die Zahlen stammen von der Polizei Hamburg - Stand: Februar 2009 - Der Anstieg der Gewaltdelikte von 22 im Jahr 2007 auf 45 im Berichtsjahr liegt insbesondere an den massiven Auseinandersetzungen am Rande der rechtsextremistischen Demonstration am 1.Mai ( 5.3). 166 Rechtsextremismus Die Polizei registrierte allein an diesem Tag 15 rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten, darunter Übergriffe auf Polizeibeamte und Journalisten. Aus dem Umfeld der aktiven Anhänger der "Weissen Wölfe Terrorcrew" ( 6.) wurden im ersten Halbjahr 2008 sechs Gewaltdelikte begangen. Ein Anhänger dieser Gruppierung wurde am 10.02.09 in erster Instanz vom Amtsgericht Hamburg-Wandsbek zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten ohne Bewährung verurteilt. Er leistete am 08.06.08 anlässlich einer Personenkontrolle erheblichen Widerstand und verletzte zwei Polizeibeamte. Nur 6 der 45 Gewaltdelikte ereigneten sich im 2. Halbjahr 2008. Nachfolgende Fälle stellen eine Auswahl gravierender Gewalttaten dar: 13.01.08 Nach einer rechtsextremistischen Musikveranstaltung in HamburgBahrenfeld ( 7.) kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Konzertteilnehmern und Gegendemonstranten. Trotz Polizeipräsenz stieß ein Rechtsextremist einen politischen Gegner so heftig zu Boden, dass dieser eine Schädelprellung und Platzwunde erlitt. 16.03.08 Ein 39-Jähriger aus Schenefeld beleidigte einen Taxifahrer auf der Reeperbahn als "blöden Nigger", nachdem dieser ihn auf das Rauchverbot im Fahrzeug aufmerksam gemacht hatte. Als der Taxifahrer daraufhin die Fahrt beenden wollte, wurde er von hinten gewürgt und dann in das Gesicht geschlagen. 01.05.08 Anlässlich der rechtsextremistischen Mai-Demonstration wurde ein Journalist, der zu Boden gestürzt war, von mehreren Personen mit Schlägen und Fußtritten malträtiert. Bislang konnte nur ein 33 Jahre alter Mann als Tatverdächtiger ermittelt werden; er wurde im Januar 2009 zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. 167 Rechtsextremismus 19.06.08 Nach dem Fußball-EM-Spiel Deutschland - Portugal kam es am Hammer Steindamm zu einem Zwischenfall, an dem Anhänger der "Weisse Wölfe Terrorcrew" beteiligt waren. Sie sollen die erste Strophe der deutschen Nationalhymne gesungen und anschließend eine TürkeiFahne verbrannt haben. Es gab eine Auseinandersetzung mit einem türkischstämmigen Mann und seinem Begleiter, die durch Schläge und Tritte angegriffen wurden. Die Polizei ermittelte zwei Frauen und zwei Männer als Tatverdächtige. 4. "Volksfront von Rechts" Im Jahr 2004 begannen Rechtsextremisten ihre Kräfte zu bündeln. Wesentliche Bestandteile dieses maßgeblich von der NPD initiierten Kurses sind der "Deutschland-Pakt" zwischen NPD und DVU sowie die von führenden Freien Nationalisten und der NPD vereinbarte "Volksfront von Rechts" (Angehörige von Neonazi-Kameradschaften bezeichnen sich meistens als Freie Nationalisten oder Freie Kräfte). Der am 15.01.05 geschlossene Deutschland-Pakt enthält Wahlabsprachen bis einschließlich 2009 mit dem Ziel, bei Landtags-, Bundestagsund Europawahlen nicht gegeneinander anzutreten, wechselseitig jedoch die Kandidatenlisten für Mitglieder der anderen Partei zu öffnen. Demzufolge nahm die NPD 2008 an den Landtagswahlen in Niedersachen, Hessen und Bayern und die DVU an der Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft teil. Während die NPD in Niedersachsen mit 1,5% und in Bayern mit 1,2% der Stimmen zumindest ihr Minimalziel - Teilhabe an der Parteienfinanzierung - erreichen konnte, gelang ihr dies in Hessen (0,9 %) nicht. Die DVU scheiterte mit nur 0,8% in Hamburg. Trotz der klaren Regelungen im Deutschland-Pakt waren bereits im Frühjahr 2008 Bemühungen einzelner NPD-Mitglieder und aus den Kreisen der Freien Nationalisten zu erkennen, diese Vereinbarungen zu modifizieren. Mittlerweile ist deutlich geworden, dass die DVU bei den Landtagswahlen im August 2009 in Thüringen zugunsten der NPD auf eine Teilnahme verzichtet. 168 Rechtsextremismus Die Zusammenarbeit zwischen Freien Nationalisten und NPD im Rahmen der "Volksfront von Rechts" ist regional unterschiedlich ausgeprägt und stark abhängig von den handelnden Personen. Auf Bundesebene kam es in der NPD wie in den Vorjahren zu massiven Spannungen. Hierbei wurde ein innerparteilicher Autoritätsverlust Udo VOIGTs deutlich, dessen integrative Fähigkeiten bisher maßgeblich zur Umsetzung des "Volksfront-Konzeptes" beigetragen hatten. Im Berichtszeitraum kam es anlässlich der Beisetzung des Rechtsextremisten Friedhelm BUSSE am 26.07.08 in Passau erneut zu einem offen ausgetragenen Meinungsstreit zwischen der NPD und "Freien Kräften" (Angehörige von NeonaziKameradschaften bezeichnen sich meistens als Freie Kräfte oder Freie Nationalisten). Auslöser war die Aktion des Neonazis und ehemaligen NPD-Bundesvorstandsmitgliedes Thomas WULFF, der im Beisein von VOIGT auf dem bereits abgesenkten Sarg eine Reichskriegsflagge mit Hakenkreuz ausbreitete (Foto). Daraufhin veröffentlichte das NPD-Parteipräsidium die Erklärung "Der Einsatz für ein sozial gerechtes Deutschland bedarf keiner Symbolik von Gestern". Das Präsidium distanzierte sich von dem Versuch "... einzelner, das letzte Geleit für Friedhelm BUSSE durch die Beisetzung der verbotenen Reichskriegsflagge des III. Reiches für eine Selbstinszenierung zu instrumentalisieren". Diese Kritik richtete sich aus der Sicht eines Großteils der Freien Kräfte nicht nur gegen WULFFs Aktion, sondern auch gegen ihre politischen Ziele. In der Folge kam es zu Bekundungen der Freien Kräfte, diese Angriffe nicht hinnehmen und die Zusammenarbeit mit dem Parteipräsidium notfalls beenden zu wollen. Der stellvertretende NPD-Bundesvorsitzende Jürgen RIEGER nahm den Vorfall zum Anlass, in einem szeneinternen Brief an VOIGT scharfe Kritik zu üben. Es sei ein "einziger Skandal", einen solchen Vorwurf an WULFF zu richten, der sich in zahlreichen Wahlkämpfen vorbildhaft für die NPD eingesetzt habe. Offensichtlich hielten einige Vertreter im Parteipräsidium die Freien Kräfte inzwischen für entbehrlich und glaubten, diese systematisch vor den Kopf stoßen zu können. Solche Äußerungen seien "parteischädigende Maßnahmen", denn nur 169 Rechtsextremismus durch den Einsatz der Freien Kräfte seien die Wahlerfolge in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern erzielt worden. Ende 2008 gab es mit Blick auf die Entwicklung in der NPD erneute Meinungsäußerungen von führenden Aktivisten aus dem neonazistischen Spektrum zu den Möglichkeiten einer weiteren Zusammenarbeit. Zunächst bekundete Christian WORCH - selbst kein Parteimitglied und früher häufig zwischen Abgrenzung und Kooperation wechselnd - in einer "apodiktischen Erklärung" vom 30.12.08, dass VOIGT persönliche Konsequenzen aus der Affäre KEMNA ( 8.1) ziehen müsse. Sollte VOIGT über den nächsten Bundesparteitag hinaus Vorsitzender bleiben, habe sich die NPD für WORCH erledigt, ihre politische Zukunft sei ihm dann "keinen Pfifferling" mehr wert. Thomas WULFF zog im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Freien Kräften und der NPD in der jetzigen Konstellation ein vernichtendes Fazit und verkündete in einer Erklärung vom 01.01.09 das Ende der "Volksfront" (Schlagzeilen aus dem politischen Extremismus / Beitrag "Führende Hamburger Rechtsextremisten und die "Volksfront"-Strategie"). So richtig das von ihm maßgeblich mitinitiierte Konzept 2004 prinzipiell auch gewesen sei, so sehr habe die derzeitige Führungsriege der NPD um Holger APFEL, Peter MARX, Sascha ROßMÜLLER, Jens PÜHSE und auch Udo VOIGT den guten Willen und die Einsatzkraft der Freien Nationalisten "beschämend verraten und verheizt". In Hamburg ist eine Trennung zwischen "parteigebundenen" und "parteifreien" Aktivisten der "Volksfront" kaum mehr möglich. Viele Neonazis aus der Kameradschaftsszene sind der NPD beigetreten und nutzten bei Aktionen vorwiegend deren Strukturen ( 5.1 und 5.3). Eine kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen NPD und DVU im Sinne des Deutschland-Paktes war in Hamburg trotz einzelner gemeinsamer Aktionen nicht zu erkennen. Dies lag in erster Linie am fehlenden Engagement der kaum aktiven DVU-Mitglieder. Eine Ausnahme machte die Einbindung von Freien Kräften und NPD-Mitgliedern in den DVU-Wahlkampf in Hamburg (Publikationen / Wahlberichte / Beitrag "Wahl zur Hamburger Bürgerschaft am 24.02.08"). Die Spannungen zwischen großen Teilen der Hamburger NPD-Führung und dem DVUVorsitzenden FAUST, die es im Zusammenhang mit den Querelen um die ehemalige Landesvorsitzende Anja ZYSK gegeben hatte, konnten 170 Rechtsextremismus weitgehend ausgeräumt werden (Schlagzeilen aus dem politischen Extremismus / Archiv 2007 / Beitrag "Führungskrise in der Hamburger NPD"). Der Hamburger NPD-Landesverband gratulierte FAUST zu seiner Wahl und machte deutlich, in welche Richtung die weitere Zusammenarbeit gehen soll: "Unser Landesvorsitzender hatte seinerzeit durch Gespräche mit Dr. Frey und Udo Voigt den Deutsachlandpakt vorbereitet und schon damals einen Zusammenschluß beider Parteien gefordert." Dr. FREY habe das damals noch für verfrüht gehalten. "Es ist zu hoffen, daß jetzt die so ähnlichen Parteien DVU und NPD zusammenfinden." (Fehler im Original) 5. Aktionistisch orientierte Rechtsextremisten Der Begriff "Aktionistisch orientierte Rechtsextremisten" umfasst Neonazis und neonazistische bzw. neonazistisch beeinflusste Skinheads. Die politischen Ziele der Neonaziszene basieren nicht auf einer in sich geschlossenen Ideologie. Konsens besteht in der Ablehnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Deren Werte, vor allem der zentrale Schutz der Menschenwürde, stehen nach neonazistischer Auffassung den vorrangigen Bedürfnissen der "Volksgemeinschaft" entgegen. In der neonazistischen Publikation "Freier Nationalist - Mein Selbstverständnis" wird diese Überzeugung mit der Parole "Was meinem Volk nutzt ist Recht" unterstrichen. Die Zugehörigkeit zum Volk wird mit dem Begriff "Abstammungsgemeinschaft" verklärt. Daraus folgen eine rassistisch motivierte Ausgrenzung und der Ausschluss politisch Andersdenkender aus der "Volksgemeinschaft". Michael KÜHNEN, verstorbener Mitbegründer und Symbolfigur des deutschen Neonazismus, propagierte mit der Aussage "Opposition gegen den Nationalsozialismus ist Opposition gegen das Volk und damit Volksverrat" das Ersetzen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch ein totalitäres Staatswesen. Neonazis sehen Deutschland als Opfer einer internationalen jüdischen Verschwörung. Sie greifen damit eine Grundüberzeugung des historischen Nationalsozialismus auf, dessen Rehabilitierung sie fordern. In der Wahl ihrer politischen Methoden geben sich Neonazis flexibel. Im Rahmen des "Volksfront-Bündnisses" findet eine unterschiedlich 171 Rechtsextremismus intensive Zusammenarbeit mit der aus ihrer Sicht vornehmlich bürgerlich-parlamentsorientierten NPD statt. Gleichzeitig suchen führende Vertreter neonazistischer Kameradschaften die Konfrontation mit der Partei, indem sie z.B. die Einbindung der "Autonomen Nationalisten" in die "Volksfront" fordern. Diese pflegen ein antibürgerliches Auftreten, das dem linksextremistischer Gruppierungen gleicht und propagieren einen revolutionären nationalen Sozialismus. Im Jahr 2008 verfestigte sich ein Trend zur Bildung Schwarzer Blöcke bei rechtsextremistischen DemonstRechtsextremistischer rationen. Solche Blöcke bestehen zu Demonstrationszug mit Banner am einem erheblichen Teil aus Autonomen 01. Mai 2008 Nationalisten, die sich mit dieser - von Linksextremisten übernommenen - Aktionsform vom überwiegend bürgerlichen Auftreten der übrigen Teilnehmer abgrenzen und sich als Eskalationspotenzial gegenüber Polizei und Gegendemonstranten verstehen. Autonome Nationalisten gibt es mittlerweile in mehreren Ländern, in Hamburg bisher nicht. Grundsätzlich werden die genannten politischen Ziele - wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung - auch von neonazistischen Skinheads geteilt. Sie arbeiten nicht kontinuierlich politisch mit und sind nicht dazu bereit, sich ein ausgeprägtes politisches Hintergrundwissen anzueignen. Ihre Subkultur ist von Alkohol, Gewalt, Musik und Kleidung gekennzeichnet. Es kommt jedoch zu punktuellen gemeinsamen Aktivitäten. Während Neonazis bei Demonstrationen auf das Mobilisierungspotenzial der Skinheads zurückgreifen können, profitieren rechtsextremistische Skins z.B. von Szenekonzerten, die von Neonazis organisiert werden. 5.1 Bestrebungen in Hamburg und im Umland Die beiden Hamburger Kameradschaften "Kameradenkreis Neonazis in Hamburg" und "Neonaziund Skinheadszene in Bramfeld" sind nach dem Konzept der Freien Nationalisten organisiert, das Ende der 90erJahre nach dem Verbot mehrerer neonazistischer Organisationen ent172 Rechtsextremismus wickelt wurde. Durch den Verzicht auf feste Organisationsstrukturen wie Vorstände oder offizielle Führungsfunktionen sollen Verbotsverfahren ins Leere laufen. Angehörige von Neonazi-Kameradschaften bezeichnen sich meistens als Freie Kräfte oder Freie Nationalisten. Damit betonen sie trotz teilweise intensiver Vernetzung und Zusammenarbeit ihre Unabhängigkeit von rechtsextremistischen Parteien, insbesondere der NPD. Die etwa 80 Angehörigen der neonazistischen Szene Hamburgs lassen sich überwiegend diesen Kameradschaften und ihrem Umfeld zuordnen. Mit einer verstärkten Präsenz durch deutlich mehr Infostände versuchen sie Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu erzielen. Dem Kameradenkreis Neonazis in Hamburg gehören 10-15 ideologisch gefestigte Personen an. Seit etwas mehr als zwei Jahren versucht die Gruppe, mit der Internetseite "Jugend zu uns" jüngere Personen für die politische Arbeit zu gewinnen. Auf dieser Internetseite werden - zuletzt im Herbst 2008 - Werbekampagnen geführt. Insbesondere durch das Verteilen von Aufklebern und CDs mit rechtsextremistischer Musik erhofft sich die Kameradschaft Erfolge. Die politischen Ziele des Kameradenkreises werden in dem Internetauftritt offen artikuliert: "Für uns steht unumstößlich fest, dass dieses System mit allen Mitteln bekämpft werden muß, wenn wir unser Volk aus den Fesseln des Kapitals befreien wollen und unseren Kindern eine Zukunft in einem nationalen und sozialistischen Deutschland bieten wollen!" Trotz der aufwändigen Eigenwerbung ist es bisher noch nicht gelungen, Personen zu rekrutieren, die sich für eine Übernahme von Führungsaufgaben eignen. Diese wurden 2008 wie bisher fast ausschließlich von langjährigen Kadern ausgeübt. Die Kameradschaftsmitglieder haben sich im Berichtsjahr an Aktivitäten im Raum Hamburg ( 5.3.) beteiligt und an überregionalen Demonstrationen in Norddeutschland teilgenommen. Der Internetauftritt des Aktionsbüros Norddeutschland verbreitet organisatorische und ideologische Abhandlungen über das Konzept "Freie Nationalisten". Seine Inhalte werden maßgeblich von Tobias 173 Rechtsextremismus THIESSEN verfasst, einem Angehörigen des Kameradenkreises Neonazis in Hamburg. Das Aktionsbüro hat eine Schlüsselrolle bei überregionalen Vernetzungsbestrebungen insbesondere der norddeutschen neonazistischen Szene. Über seine Internetseiten haben norddeutsche Kameradschaften koordinierten Zugang zu Terminankündigungen, Pressemitteilungen, Berichten und Propagandamaterial. Über das Aktionsbüro steht der Kameradenkreis Neonazis in Hamburg mit Führungskadern anderer norddeutscher Kameradschaften in Kontakt. Diese treffen sich seit 2006 wieder regelmäßig zu Koordinierungstreffen, die vornehmlich der Planung überregionaler Aktionen und der Mobilisierung für regionale Veranstaltungen dienen. Die Treffen stehen in der Tradition des 1997 gegründeten "Nationalen und Sozialen Aktionsbündnisses Norddeutschland" (NSAN; Publikationen / Broschüre "Rechtsextremismus in Stichworten"). Die Neonaziund Skinheadszene in Bramfeld verfügt durch die Einbindung von Personen, die weniger ideologisch gefestigt und in ihrer politischen Entwicklung überwiegend subkulturell geprägt sind, über ein Mobilisierungspotenzial von etwa 30 Personen. Ein Teil davon ist gleichzeitig in anpolitisierten Jugendcliquen aktiv. Dadurch ist die Kameradschaft weiterhin ein wesentlicher Faktor bei größeren Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene in Hamburg. Die Aktionen der Neonaziund Skinheadszene in Bramfeld werden von einigen langjährig aktiven Neonazis gesteuert, die - anders als die eher an rechtsextremistischen Konzertveranstaltungen und Partys interessierten Personen - als ideologisch gefestigt gelten. Sie gehören auch der NPD an, einige in herausgehobener Position im Hamburger Landesverband. Die enge Verflechtung der Kameradschaft mit der NPD wurde durch die Einbindung junger Parteimitglieder weiter gestärkt. Ein Führungskader der Neonaziund Skinheadszene in Bramfeld war maßgeblich an der Gründung eines Hamburger Stützpunktes der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) beteiligt. Informationsstände der Bramfelder Kameradschaft wurden zumeist unter dem Deckmantel einer Bür174 Rechtsextremismus gerinitiative "Für unsere Zukunft" (Foto) angemeldet, überwiegend wurde jedoch NPD-Material verteilt. Mitglieder der Gruppe nahmen häufig an NPD-Veranstaltungen teil. Der Trend zu einer intensiven Zusammenarbeit zwischen den Hamburger Kameradschaften und der NPD hat sich im Jahr 2008 verstetigt. Nachdem die gegen einen Moscheebau gerichtete Kampagne "Für ein sicheres Bergedorf" Anfang 2008 beendet worden war, wurde die NPD in die Vorbereitungen der 1.Mai-Demonstration in Hamburg eingebunden. Sowohl die Kampagne in Hamburg-Bergedorf als auch die 1.Mai-Demonstration wurden von Angehörigen der Hamburger Kameradschaften maßgeblich geplant und von der NPD lediglich unterstützt. Die öffentlichen Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene in Hamburg werden weitgehend von den Kameradschaften dominiert. Dennoch ist die Dominanz der Kameradschaftsszene nicht gleichbedeutend mit einer unangefochtenen Rolle des Konzeptes der Freien Nationalisten. Die rechtsextremistische Szene in Hamburg bleibt auf das Mobilisierungspotenzial der Neonaziund Skinheadszene in Bramfeld angewiesen. Der seit Jahren zunächst als Führungsmitglied verschiedener rechtsextremistischer Organisationen, jetzt als gruppenunabhängiger Einzelaktivist fungierende Christian WORCH (Foto) hat - verglichen mit dem in Hamburg und überregional fest eingebundenen Aktionsbüro Norddeutschland - nur noch geringen Einfluss und ist in Hamburg kaum präsent. Nach mehreren schlecht besuchten Veranstaltungen im Jahr 2007 war er als Anmelder und Veranstalter von Demonstrationen im Berichtsjahr weniger aktiv. Dagegen agiert er weiterhin regelmäßig als Kommentator szeneinterner Entwicklungen und Unterstützer für weniger erfahrene Organisatoren rechtsextremistischer Veranstaltungen. Angesichts seiner langjährigen politischen Erfahrung genießt er immer noch Respekt, obwohl er von vielen Rechtsextremisten als Egozentriker wahrgenommen wird. Insbesondere seine Kenntnisse und Erfolge bei der versamm175 Rechtsextremismus lungsrechtlichen Durchsetzung von Veranstaltungen sind einschlägig anerkannt und weiterhin gefragt. WORCHs Verhältnis zu der rechtsextremistischen Szene Hamburgs ist immer noch von Spannungen geprägt. Insbesondere mit den Verantwortlichen des Aktionsbüros Norddeutschland gibt es Unstimmigkeiten. WORCHs öffentliche Kritik an deren Agieren als Organisatoren der rechtsextremistischen 1.MaiDemonstration in Hamburg dürfte bestehende Differenzen noch vertieft haben. Demgegenüber sind sich WORCH und die DVU deutlich nähergekommen, das gilt auch für sein Verhältnis zur NPD. Beide Parteien hat er in mehreren Landtagswahlkämpfen unterstützt. Insbesondere Matthias FAUST, DVU-Spitzenkandidat für die Bürgerschaftswahl in Hamburg und Bundesvorsitzender der Partei, konnte mit WORCHs Hilfe rechnen (Schlagzeilen aus dem politischen Extremismus / Archiv 2007 / "Hamburger DVU macht WORCH-Adlatus zum Pressesprecher"). Dieser Kontakt schürt das Misstrauen der Hamburger Neonaziszene, die FAUST verübelt, die von führenden Neonazis angefeindete frühere NPD-Landesvorsitzende Anja ZYSK unterstützt zu haben. Dennoch ist es WORCH gelungen, durch die Intensivierung seiner Parteikontakte und regelmäßige öffentliche Äußerungen im Internet zumindest szeneintern im Gespräch zu bleiben. 5.2 Bestrebungen im Bundesgebiet Das bundesweite neonazistische Personenpotenzial ist im Jahr 2008 mit etwa 4.800 Aktivisten im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen (2007: 4.400). Der überwiegende Teil dieser Aktivisten ist in eine der etwa 160 "Kameradschaften" oder ähnliche auf lokaler Ebene agierende Gruppierungen eingebunden. Diese orientieren sich überwiegend an dem Konzept "Freie Nationalisten" ( 5.1). Bundesweit besteht eine Reihe sogenannter Aktionsbüros oder Aktionsbündnisse, die die Aktivitäten der Kameradschaften auf überregionaler Ebene koordinieren und vernetzen sollen. Das Aktionsbüro Norddeutschland ( 5.1) besitzt insoweit für die neonazistische Szene eine Vorbildfunktion. 176 Rechtsextremismus Auf lokaler Ebene traten Neonazis wie im Vorjahr als Bürgerinitiativen auf, um mit sozialen und regionalen Themen öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen ( 5.3.). Die 1979 gegründete "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) ist weiterhin die einzige bundesweit agierende neonazistische Vereinigung. Sie hat etwa 600 Mitglieder, von denen ein großer Teil gleichzeitig in den regionalen Rechtsextremismus eingebunden ist. Die HNG hat es sich zur Aufgabe gemacht, inhaftierte Rechtsextremisten zu betreuen und ihre Loslösung von der Szene zu verhindern. Zentraler Tätigkeitsbereich ist die Veröffentlichung der Publikation "Nachrichten der HNG", die an alle Mitglieder kostenlos sowie gegen Bezahlung an einige Abonnenten versandt wird. In dem eher unprofessionell gestalteten Heft wird insbesondere Kritik an staatlichen Maßnahmen gegen rechtsextremistische Aktivitäten geäußert. Dadurch soll auch dem Entstehen eines Unrechtsbewusstseins bei den Inhaftierten entgegengewirkt werden. Die HNG übt bundesweit eine integrierende Funktion in der zumeist regional agierenden zersplitterten rechtsextremistischen Neonaziszene aus. Auch die "Heimattreue Deutsche Jugend" (HDJ) agiert überregional. Der Verein wurde 1990 unter dem Namen "Die Heimattreue Jugend - Bund für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V." (DHJ) gegründet. Seit 2001 lautet die vollständige Bezeichnung des Vereins "Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) - Bund zum Schutz für Umwelt, Mitwelt und Heimat e. V.". Sitz der Bundesführung ist Berlin. Der Verein hat mehrere hundert Mitglieder und gliedert sich in Bundesführung und untergeordnete "Leitstellen" (Nord, Mitte, Süd, West) und "Einheiten". Regionale Schwerpunkte sind Brandenburg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bayern. In Hamburg wurden bisher keine festen Strukturen oder Aktivitäten der HDJ festgestellt. 177 Rechtsextremismus Sie ist eine rechtsextremistische Jugendorganisation mit neonazistischer Ausrichtung, die Fahrten und Zeltlager veranstaltet. Bei diesen zunächst harmlos erscheinenden Freizeitaktivitäten soll Kindern und Jugendlichen rechtsextremistisches Gedankengut nahegebracht und sie sollen ideologisiert werden. Ihre Publikationen lassen eine antisemitische und rassistische Grundhaltung erkennen. Die HDJ verherrlicht die nationalsozialistische Diktatur, heroisiert deren führende Repräsentanten und verwendet nationalsozialistische Diktion und Symbolik. Sie verfügt über umfangreiche Verbindungen in andere Teile der rechtsextremistischen Szene, z.B. zur NPD und zur neonazistischen Kameradschaftsszene. Aufgrund eines gegen die HDJ vom Bundesministerium des Innern eingeleiteten vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens wurden am 09.10.08 bei HDJ-Angehörigen in 14 Ländern Durchsuchungen und Beschlagnahmen vorgenommen. In Hamburg wurden die Wohnräume der ehemaligen Postfach-Inhaberin der "Leitstelle Nord" durchsucht. Die Durchsuchungen sollten klären, ob sich die HDJ in aggressivkämpferischer Weise gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet oder ihre Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderläuft. Am 31.03.09 wurde die Organisation vom Bundesminister des Innern verboten, damit gilt sie als aufgelöst. Ihr Vermögen wurde beschlagnahmt. 5.3 Aktivitäten Nach dem Abschluss der Kampagne "Bürgerinitiative für ein sicheres Bergedorf" Ende 2007 intensivierte die Hamburger Neonaziszene die Vorbereitungen für die bereits Mitte 2007 angemeldete 1.MaiDemonstration für 2008 in Hamburg. Planung und Nachbereitung der Demonstration bestimmten ihre politischen Aktivitäten in der ersten Jahreshälfte. Der Kameradenkreis Neonazis in Hamburg und das Aktionsbüro Norddeutschland bereiteten die Demonstration konzeptionell vor. Die Hamburger NPD und insbesondere die Neonaziund Skinheadszene in Bramfeld unterstützten die Vorbereitungen intensiv. 178 Rechtsextremismus Mit der Durchführung mehrmonatiger Kampagnen scheint sich der bereits im Vorjahr erkennbare Trend zur Konzentration auf Einzelprojekte zu festigen. Damit wird offenbar an das Konzept "Freie Nationalisten - Ein Leitfaden" des Aktionsbüros Norddeutschland angeknüpft, in dem es heißt: "Tausende von Menschen nahmen an nationalen Demonstrationen teil, aber kaum einer fühlte sich dazu berufen, davor und danach die Inhalte für den Grund der Demonstration im gebührenden Maße in der Öffentlichkeit darzustellen. Die Chance, sich mittels einer nationalen Demonstration inhaltlich zu positionieren und somit überhaupt erst eine politische Wirkung zu erzielen, wurde oftmals gedankenlos verspielt." Die 1.Mai-Demonstration 2008 (Motto "Arbeit und soziale Gerechtigkeit für alle Deutschen - Gemeinsam gegen Globalisierung") war mit etwa 1.500 Teilnehmern seit Jahren die größte rechtsextremistische Demonstration in Hamburg. An dem rechtsextremistischen Aufzug nahm ein Schwarzer Block von 400 schwarz gekleideten und aggressiv auftretenden Personen teil. Darunter befanden sich in Hamburg erstmals viele aus anderen Bundesländern angereiste Autonome Nationalisten. Neben friedlichen Protesten mehrerer tausend Gegendemonstranten kam es auch zu massiven Ausschreitungen militanter Linksextremisten ( IV., 5.2.3), die sich vor allem gegen Polizisten und das Eigentum Unbeteiligter richteten. Am Rande der Demonstration gab es außerdem Schlägereien und Verfolgungsjagden zwischen gewaltbereiten Linksund Rechtsextremisten. Auf der Internetseite des Aktionsbüros Norddeutschland wurde das gewalttätige Agieren vieler Rechtsextremisten positiv bewertet: "In aktiver Selbsthilfe säuberten die Kameraden den Bahnhof von Linken". Damit wird erneut bestätigt, dass Teilnehmer an rechtsextremistischen Demonstrationen - insbesondere Angehörige der Schwarzen Blöcke - zunehmend aggressiver auftreten. 179 Rechtsextremismus Veranstalter rechtsextremistischer Kundgebungen wollten über Jahre den Anschein bürgerlicher und gewaltfreier Demonstrationszüge vermitteln, die vor militanten Gegendemonstranten geschützt werden müssen. Das Auftreten eines Schwarzen Blocks ist ein Bruch mit dieser Taktik; er soll auch als Drohkulisse gegenüber Polizei und Gegendemonstranten wirken. Das selbstbewusste Agieren des Schwarzen Blocks zeigt, dass viele jüngere Rechtsextremisten versuchen, aus der - von den langjährigen Führungskadern propagandistisch genutzten - Rolle der Opfer von "System" und "linken Gewalttätern" auszubrechen. Den Veranstaltern ist es mit der 1.Mai-Demonstration gelungen, durch das Provozieren massiver linksextremistischer Ausschreitungen erhebliche Medienaufmerksamkeit zu erzeugen. Zusätzlich sieht die rechtsextremistische Szene es als Erfolg, sich gegen "linke Angriffe" gewehrt zu haben. Das dürfte insbesondere für die Nachwuchsrekrutierung bedeutsam sein. Das martialische Auftreten des Schwarzen Blocks wirkt anziehend auf junge Rechtsextremisten (Schlagzeilen aus dem politischen Extremismus / Beitrag "1.Mai-Demonstration in Hamburg - Rechtsextremisten betrachten den Verlauf als propagandistischen Erfolg"). Die rechtsextremistischen 1.Mai-Demonstrationen in Hamburg und anderen Städten haben erneut verdeutlicht, dass soziale und wirtschaftliche Themen zunehmend für neonazistische Agitation genutzt werden. Ab Mitte 2008 verlegte sich der Kameradenkreis Neonazis in Hamburg auf die Stärkung der eigenen Struktur. Die Werbekampagne "Jugend zu uns" wurde neu aufgelegt, um die durch die 1.Mai-Demonstration erzeugte öffentliche Aufmerksamkeit zur Nachwuchswerbung zu nutzen. Im Rahmen der Kampagne wurde die CD "Schluss mit lustig" mit Liedern rechtsextremistischer Musiker verteilt, die mit Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme versehen war (Schlagzeilen aus dem politischen Extremismus / Beitrag "Neue rechtsextremistische SchulhofCD"). Ein weiteres traditionell wichtiges Agitationsfeld sind revisionistische Themen. Mit ihren Gedenkmärschen an Jahrestagen 180 Rechtsextremismus großer alliierter Bombenangriffe während des Zweiten Weltkriegs wollen Rechtsextremisten an das Leiden deutscher Kriegsopfer erinnern. Mit Schlagworten wie "Bombenholocaust" sollen Kriegsverbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands relativiert werden. Die größte revisionistische Veranstaltung in Deutschland war am 16.02.08 der Gedenkmarsch in Dresden für die Opfer alliierter Bombenangriffe mit ca. 4.000 Teilnehmern. Vor allem für die norddeutsche Neonaziszene ist der jährlich Ende März stattfindende Trauermarsch in Lübeck (Foto) von Bedeutung. Daran nahmen 2008 etwa 250 Personen teil. Auch der Gedenkmarsch gegen die Behandlung deutscher Kriegsgefangener - am 02.08.08 unter dem Motto "Gefangen-Gefoltert-Gemordet - Damals wie heute Besatzer raus!" - in Bad Nenndorf / NI hat sich inzwischen als wichtiger jährlicher Termin etabliert. Wie schon 2007 beteiligte sich die Hamburger Neonaziszene an der Kranzniederlegung der DVU-nahen Initiative "Hamburger Opfer unvergessen" auf dem Ohlsdorfer Friedhof am 26.07.08, an der etwa 60 Personen teilnahmen. Der Volkstrauertag - im rechtsextremistischen Jargon als "Heldengedenken" bezeichnet - wurde von Hamburger Neonazis wie in den Vorjahren mit einer Kranzniederlegung an einem Ehrenmal für gefallene Soldaten in Hamburg-Bramfeld begangen. Der für den 16.08.08 geplante zentrale Gedenkmarsch für Rudolf Heß in Wunsiedel wurde auch im Jahr 2008 verboten. Inzwischen hat das Bundesverwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit des Verbotes von 2005 bestätigt. Bundesweit wurden mehrere Ersatzveranstaltungen ebenfalls untersagt. Vereinzelt fanden Protestveranstaltungen gegen die Demonstrationsverbote sowie nicht angemeldete dezentrale HeßGedenkmärsche statt. An den verschiedenen Veranstaltungen nahmen bundesweit etwa 780 Personen teil ( 10.). In Norddeutschland fanden keine größeren Veranstaltungen zu diesem Thema statt. Angehörige der Hamburger Neonaziszene versuchten weitgehend erfolglos, sich an dezentralen Veranstaltungen zu beteiligen. 181 Rechtsextremismus Ein wichtiges Agitationsfeld war für Neonazis wie im Vorjahr das Thema "Migration". Das für die Kampagne in HamburgBergedorf produzierte Propagandamaterial gegen die im Szenejargon "Überfremdung" genannte Zuwanderung wurde auch 2008 regelmäßig verteilt. Häufig nutzen Rechtsextremisten von Ausländern begangene Straftaten, um Zuwanderer zu diffamieren. Einschränkende Maßnahmen der Versammlungsbehörden oder gewalttätige Proteste von Linksextremisten gegen rechtsextremistische Veranstaltungen sind für Rechtsextremisten Anlass für weitere Demonstrationen. Vor diesem Hintergrund ist Repression gegenüber der Szene ein regelmäßig propagandistisch verwertetes Thema. Neonazis kritisieren staatliche Maßnahmen und Aktionen "Linker" gegen rechtsextremistische Aktivitäten. Sie berufen sich dabei auf die Meinungsfreiheit und versuchen, sich als wahre Opposition und unterdrückte Kritiker der bestehenden Gesellschaftsordnung darzustellen. Ein dabei regelmäßig von Rechtsextremisten genutztes Mittel ist die sogenannte Wortergreifungsstrategie. Danach sind Veranstaltungen von bürgerlichen oder linken Gruppierungen zu besuchen, um diesen eine argumentative Auseinandersetzung mit der rechtsextremistischen Szene aufzudrängen. Der Ausschluss von solchen Veranstaltungen wird als Repression gegen unerwünschte Kritik propagandistisch ausgeschlachtet. Die "Wortergreifer" wissen, dass sie mit ihren eigenen Veranstaltungen szenefremden Personen keine politischen Inhalte vermitteln können. Mit dieser Strategie und dem Provozieren von Protesten gelingt es ihnen jedoch, sich öffentlich zu profilieren. Öffentliche Wahrnehmung erhoffen sich Neonazis auch durch das Auftreten als Bürgerinitiative. Sie wollen damit an Informationsständen oder beim Verteilen von Flugblättern nicht als Rechtsextremisten erkannt werden. Dieses Vorgehen wird seit Jahren von der Neonaziund Skinheadszene in Bramfeld praktiziert, die Informationsstände weiterhin als "Bürgerinitiative unsere Zukunft" anmeldet. Sie treten unter unverfänglichen und positiv besetzten Namen auf, um so von 182 Rechtsextremismus der Mitte der Gesellschaft als politikfähig wahrgenommen zu werden und Kontakte in bürgerliche Kreise knüpfen zu können. 6. Subkulturell geprägte und sonstige gewaltbereite Rechtsextremisten In der rechtsextremistischen Skinheadszene, die lange Zeit die größte Gruppe innerhalb der gewaltbereiten Rechtsextremisten stellte, hat sich in den letzten Jahren ein Wandel vollzogen. Dieser wird insbesondere an ihrem Erscheinungsbild deutlich: Während früher "Bomberjacken", Springerstiefel und Glatze zum typischen Merkmal dieser Szene gehörten, werden inzwischen modische Kleidung, Turnschuhe und Piercings bevorzugt. Wie in anderen jugendlichen Subkulturen haben Modemarken als Symbol für das Dazugehören eine besondere Bedeutung. Neben eindeutig der rechtsextremistischen Szene zuzurechnende Marken werden auch Label getragen, deren Hersteller nichts mit dem Rechtsextremismus zu tun haben. Neben ausgewiesenen Gewalttätern werden auch solche Rechtsextremisten als gewaltbereit eingestuft, die sich für Gewaltanwendung aussprechen oder auf andere Weise Gewaltbereitschaft erkennen lassen. Diese Szene, der eine festgefügte Ideologie fehlt, ist durch nationalistische, fremdenfeindliche und antisemitische Einstellungen geprägt. Sie ist häufig Grundlage für gewalttätige Übergriffe, die selten geplant sind, sondern spontan verübt werden, insbesondere wenn die Hemmschwelle durch starken Alkoholgenuss und Gruppendynamik gesunken ist. Das Zusammengehörigkeitsgefühl der Angehörigen dieser Szene wird gestärkt durch gemeinsame Freizeitgestaltung wie interne Musikveranstaltungen und Fußballturniere, aber auch durch den gemeinsamen Besuch von öffentlichen Veranstaltungen wie Stadtteiloder Schützenfeste. Während interne Veranstaltungen der Kontaktpflege, insbesondere zu überregionalen Gruppen, dienen, soll beim gemeinsamen Besuch öffentlicher Festivitäten die Stärke als Gruppe dokumentiert werden. Bewusste Provokation und sich daraus ergebende Reaktionen werden gerne in Kauf genommen. Rechtsextremistische Musik ( 7.) und der Besuch von Skinhead-Konzerten sind häufig der Einstieg in die Szene. Der organisierte Rechts183 Rechtsextremismus extremismus, insbesondere die Neonaziszene und die NPD, kombiniert seine politischen Veranstaltungen daher häufig mit Auftritten rechtsextremistischer Bands und Liedermacher, um das Mobilisierungsund Rekrutierungspotenzial dieser Szene für Demonstrationen und Kundgebungen anzusprechen. In Hamburg ist die Gesamtzahl der subkulturell geprägten und sonstigen gewaltbereiten Rechtsextremisten im Vergleich zu 2007 mit rund 150 Personen unverändert geblieben. Gleichwohl gibt es in diesem Bereich - im Vergleich mit der Neonaziszene und den Parteien - eine relativ hohe Fluktuation. Während einige Personen sich rechtsextremistischen Parteien oder Organisationen anschließen, ziehen sich andere nach einiger Zeit komplett aus dieser Szene zurück. Wie in anderen jugendlichen Subkulturen spielen hierbei häufig Entwicklungen im privaten Bereich wie feste Partnerschaften oder die Situation am Arbeitsplatz eine entscheidende Rolle. Besonders im ersten Halbjahr 2008 wurde im Bereich Hamburg-Hamm eine Gruppe mehrfach polizeilich auffällig ( 3.), die der rechtsextremistischen Skinheadszene zuzurechnen ist. Die Personen verstehen sich als Fangemeinde der Skinheadband "Weisse Wölfe" aus Nordrhein-Westfalen und tragen T-Shirts mit der Aufschrift "Weisse Wölfe Terrorcrew". Die in Hamburg lebenden Anhänger dieser Gruppierung sind überwiegend aus anderen Ländern zugezogen und überregional aktiv. Eine feste Anbindung an gewachsene rechtsextremistische Strukturen in Hamburg konnte bisher nicht festgestellt werden. 7. Rechtsextremistische Musik Rechtsextremistische Musik ist seit Jahren nicht nur das verbindende Element der rechtsextremistischen Subkultur ( 6.), sondern auch die "Einstiegsdroge" für unpolitische, gewaltgeneigte Mitglieder diffuser Jugendcliquen. Durch rassistische, antisemitische und oftmals gewaltverherrlichende Texte werden entsprechende Feindbilder aufgebaut. Grundsätzlich sind der Skinhead-Subkultur feste organisatorische Strukturen fremd. Der Besuch rechtsextremistischer Konzerte 184 Rechtsextremismus vermittelt den Teilnehmern jedoch ein Gefühl von Stärke und Gemeinschaft. (Arbeitsfeld Rechtsextremismus / Subkulturelle Erscheinungsformen im Rechtsextremismus / Rechtsextremistische Musikszene) Etwa 150 deutsche rechtsextremistische Bands sind derzeit aktiv, produzieren CDs und treten im Inund Ausland auf. Hinter einigen bekannt gewordenen Bandnamen stehen lediglich kurzfristige Projekte anderer Bands. So sind Mitglieder der Gelsenkirchener Band "Sturmwehr" an dem Projekt "Koma Kolonne" beteiligt, deren Lieder Alkoholexzesse und Hooliganismus verharmlosen. Die CD "Bis dass der Tod uns scheidet" dieses Projektes wurde 2008 von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert. Für die Verbreitung rechtsextremistischer Musik werden zunehmend das Internet mit seinen Downloadmöglichkeiten sowie kommerzielle Plattformen genutzt. Einem großen Internet-Auktionshaus gelang es mit Filtertechnik, etliche rechtsextremistische Musikangebote auf seiner Seite aufzuspüren; Anzeigen wurden erstattet. Nach umfangreichen Ermittlungen wurden am 28.02.08 in acht Ländern die Wohnräume von 23 Beschuldigten durchsucht und hierbei auch ca. 3.500 rechtsextremistische Tonträger sichergestellt. Im Frühjahr 2008 wurde die CD "Eisern und stolz" der thüringischen Band "SKD" verbreitet. Der Tonträger enthält Lieder mit volksverhetzenden und den Nationalsozialismus verherrlichenden Texten. So wird im Lied "Hängt sie auf" gegen Juden gehetzt und zu deren Tötung aufgerufen: "Hängt sie auf, die Volksverräter, an Laternen oder Baum, es erwacht das Reich der Väter bald aus seinem bösen Traum. Jagt das Pack, das einst sie holten, raus aus jedem deutschen Gau, aus ihren Banken, Synagogen. Raus. Raus, Raus. [...] Freimaurerlogen, Zionisten, euer letztes Stündlein schlägt." In dem Lied "Stadtrand" wird gegen Asylbewerber gehetzt: "Am Stadtrand wurde kürzlich ein Asylantenheim gebaut, wieder hat uns dieses Pack deutschen Lebensraum geklaut [...] Es kommt der Tag, da machen wir sie platt, dann säubern wir die ganze Stadt." Die Langform des Bandna185 Rechtsextremismus mens lautet "Sonderkommando Dirlewanger". Der Name bezieht sich auf die "SS-Sondereinheit Dirlewanger", die als besonders brutal galt und 1944 aktiv an der Niederschlagung des "Warschauer Aufstandes" beteiligt war. Als Intro der CD dient eine Rede Adolf HITLERs. Gegen die CD-Produzenten wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Ebenfalls im Frühjahr 2008 wurden in rechtsextremistischen Kreisen Deutschlands strafrechtlich relevante CD-Produktionen des extremistischen Musiklabels "NS Propaganda" verbreitet. Die Tonträger "Macht die Augen auf!" der niedersächsischen Band "Racial Hatred" und die CD "Noten des Hasses - Teil 1" der deutschen Bands "Sturmkommando" und "Schutztruppe" enthalten antisemitische, rassistische, den Nationalsozialismus verherrlichende und zu Gewalt aufrufende Textpassagen. Die Booklets sind mit dem Hinweis versehen, dass der Vertrieb und Verkauf der Tonträger in Deutschland untersagt ist. Neben strafrechtlich relevanten CDs spielt nach wie vor auch die Produktion legaler Songs eine große Rolle. Die Texte bieten häufig einen Querschnitt rechtsextremistischer Agitationsmuster, um auch szenefremden Jugendlichen neonazistische Positionen eingängig zu vermitteln. Um diese Klientel zu erreichen, wurde im Jahr 2008 in Norddeutschland erneut eine "Schulhof-CD" verteilt. Im Rahmen der Kampagne "Jugend zu uns" des Kameradenkreises Neonazis in Hamburg wurde ab Mitte Oktober die CD "Schluss mit lustig" verteilt. (Schlagzeilen aus dem politischen Extremismus / Beitrag "Neue rechtsextremistische Schulhof-CD") Legale Texte produziert derzeit auch der ehemalige Sänger und Bandleader der mittlerweile aufgelösten rechtsextremistischen Musikgruppe "Landser", Michael REGENER alias "Lunikoff", der am 27.02.08 aus der Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel entlassen wurde. Das Kammergericht Berlin hatte ihn am 22.12.03 als Frontmann der Band wegen Bildung und Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. REGENER unterliegt aufgrund eines Beschlusses des Landgerichts (LG) Berlin vom 29.02.08 nach seiner Haftentlassung für fünf Jahre der Führungsaufsicht. Nachdem die von der Bundesanwaltschaft bean186 Rechtsextremismus tragten weitergehenden Weisungen zunächst vom LG abgewiesen worden waren, ist das Gericht mit seinem Beschluss vom 21.07.08 dem Antrag des Generalbundesanwalts (GBA) weitgehend gefolgt. Danach ist REGENER verpflichtet, musikalische Auftritte mindestens eine Woche zuvor dem LKA Berlin anzuzeigen und Polizeibeamten Zutritt zu der Veranstaltung zu gewähren. Der Entscheidung entsprechend kündigte REGENER seinen Auftritt mit der Band "Die Lunikoff Verschwörung" auf einem von "Blood & Honour Ungarn" organisierten Konzert am 13.09.08 an. Auflagengemäß ließ REGENER der Hamburger Polizei am 17.10.08 mitteilen, dass er am 25.10.08 in Hamburg ein Konzert geben wolle. Da der genaue Veranstaltungsort angeblich noch nicht bekannt war, führte die Hamburger Polizei umfangreiche Aufklärungsmaßnahmen durch. Offensichtlich erfolgreich, denn am Veranstaltungstag ließ REGENER mitteilen, die Hamburger Lokalität stehe nicht mehr zur Verfügung, die Veranstaltung werde in Mecklenburg-Vorpommern stattfinden. Vor etwa 1.000 Personen konnte er mit der "Lunikoff-Verschwörung" in Mallentin in einer leerstehenden Fabrikhalle neben anderen Bands auftreten. Die Veranstaltung verlief störungsfrei, eine rechtliche Handhabe für eine Auflösung lag nicht vor. In Hamburg fanden 2008 drei rechtsextremistische Konzerte und eine Saalveranstaltung mit musikalischer Begleitung statt. Auftrittsorte für die drei Konzerte waren Vereinshäuser von Kleingärten. (Die Hamburger Polizei hat in ihrem Internetauftritt "Hinweise für Vermieter von Veranstaltungsräumlichkeiten" veröffentlicht, siehe: www.hamburg.de/rechtsextremismus/nofl/203870/start.html) * Das erste Konzert am 12.01.08 in Hamburg-Bahrenfeld bezeichnete Thomas WULFF als seine Geburtstagsfeier. Vor 170 Besuchern traten fünf Bands auf. Am Rande des Konzerts kam es zu Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten ( 3.). Eigentlich war für diesen Tag eine Konzertveranstaltung im Rahmen des niedersächsischen NPD-Landtagswahlkampfes - in dem Jürgen 187 Rechtsextremismus RIEGER gehörenden Kinocenter - in Hameln geplant. Dessen Nutzung wurde kurzfristig aus baurechtlichen Gründen untersagt. * Am 26.01.08 spielten "Schall und Rauch" und eine weitere Band in Hamburg-Tiefstaack vor ca. 80 Besuchern bei einer "privaten Geburtstagsfeier". Auch hier gab es eine Gegenveranstaltung aus dem linken Spektrum, die Polizei erteilte 48 Platzverweise. * Bei einer "Faschingsparty" in Hamburg-Wilhelmsburg am 23.02.08 traten drei Bands vor 200 Teilnehmern auf, es spielten "Alte Schule", "Das letzte Aufgebot" und "Einherjer". Zur internen Mobilisierung für die Hamburger 1.Mai-Demonstration fand am 01.03.08 eine Saalveranstaltung mit ca. 50 Teilnehmern in Hamburg-Neugraben statt. Mit einer digitalen Präsentation wurde über den Planungsstand berichtet; für die "musikalische Untermalung" sorgte ein Liedermacher. 8. Rechtsextremistische Parteien 8.1 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) Nachdem die NPD in den letzten Jahren einen Mitgliederzuwachs verzeichnen Mitglieder: 7.000 konnte, sank die Mitgliederzahl im Jahr 2008 um 200 auf nunmehr 7.000. Bundessitz: Berlin Damit bleibt sie die mitgliederstärkste Vorsitzender: Udo VOIGT rechtsextremistische Partei in Deutschland. Landesverband Hamburg Mitglieder: 140 2008, von der NPD zum "Kampfjahr" Vorsitzender: Jürgen RIEGER erklärt, bescherte ihr bei den Landtagswahlen in Niedersachen, Hessen und in Bayern erneut enttäuschende Ergebnisse ( 4.). Sie konnte in Bayern (1,2%) und Niedersachsen (1,5%) mit dem Überspringen der Ein-Prozent-Hürde lediglich die Wahlkampfkostenerstattung aus der staatlichen Parteienfinanzierung geltend machen. Auch bei der Wahl in Hessen am 18.01.09 blieb die NPD mit 0,9 % unter ihrem Minimalziel von 1,0 % der Stimmen. 188 Rechtsextremismus Geprägt war das Jahr 2008 für die Partei durch die Festnahme ihres Bundesschatzmeisters Erwin KEMNA am 07.02.08 und die sich anschließende innerparteiliche Führungsund Finanzkrise. KEMNA wurde wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen Untreue zum Nachteil der NPD festgenommen. Das Gericht ordnete Untersuchungshaft an. Er wurde verdächtigt, Geld aus dem Parteivermögen veruntreut und sich daran persönlich bereichert zu haben. Parallel fanden Durchsuchungen in der NPD-Parteizentrale in BerlinKöpenick und der "Deutschen Stimme Verlagsgesellschaft mbH" in Riesa (Sachsen) statt. Am 12.09.08 verurteilte das LG Münster KEMNA nach nur einem Verhandlungstag zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten ohne Bewährung. KEMNA hatte gestanden, zwischen 2004 und 2007 in 80 Fällen Parteigelder in Höhe von insgesamt 741.000 Euro veruntreut und auf seine Privatkonten bzw. auf Geschäftskonten seiner mittlerweile insolventen Küchenfirma umgeleitet zu haben. Das Gericht sah das Geständnis KEMNAs als glaubhaft an. Sein persönlich motiviertes Vorgehen habe nicht auf einen Versuch der NPD schließen lassen, durch entsprechende Transaktionen Parteivermögen beiseite zu schaffen. Auch hätten sich keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass die Parteiführung Kenntnis von KEMNAs Manipulationen gehabt habe. Dieser habe im Gegenteil über Jahre ohne jedwede Kontrolle durch die Parteiführung agieren können. In der Partei wurde Kritik am Bundesvorsitzenden VOIGT (Foto) laut, der sich bis zuletzt schützend vor KEMNA gestellt hatte, von dessen Unschuld überzeugt gab und dem die Verantwortung für die fehlende Kontrolle zugewiesen wurde. Ob dieses Verhalten auf Überzeugung oder Selbstschutz zurückzuführen ist, bleibt unklar. Seit Anfang 2009 ermittelt die Staatsanwaltschaft in der Angelegenheit jedenfalls auch gegen Udo VOIGT, da dieser im Verdacht steht, am Verfassen falscher Rechenschaftsberichte beteiligt gewesen zu sein. Die ohnehin schlechte finanzielle Lage der Partei spitzte sich durch die "KEMNA-Affäre" zu und beeinträchtigte die Wahlkampfaktivitäten im 189 Rechtsextremismus Jahr 2008. Aussagen über die langfristigen finanziellen Auswirkungen auf die NPD sind noch nicht möglich, da die Bundestagsverwaltung wegen der evtl. falschen Rechenschaftsberichte ermittelt. Am 25.05.08 wurde auf dem 32. Bundesparteitag der NPD in Bamberg/BY der Hamburger Landesvorsitzende Jürgen RIEGER (Foto) zum stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt. Zuvor wurde Udo VOIGT in seinem Amt als Parteivorsitzender bestätigt. Zu diesem Zeitpunkt war die Führungskrise noch nicht eskaliert. Als weitere Stellvertreter wurden der Fraktionsvorsitzende der NPD im sächsischen Landtag, Holger APFEL, sowie der stellvertretende Landesvorsitzende der NPD Bayern, Sascha ROßMÜLLER, in ihrem Amt bestätigt. Die Hamburger NPD berichtete darüber auf ihrer Internetseite und verband mit der Wahl RIEGERs die Hoffnung, dass "... unser auf einen Stadtstaat begrenzter Landesverband ein größeres Gewicht in der Gesamtpartei einnehmen wird. Viele Delegierte des Bundesparteitages wählten den Hamburger Landesvorsitzenden nicht trotz seines nicht stromlinienförmigen Auftretens, sondern gerade deswegen". Insbesondere wegen der "KEMNA-Affäre" kam es zu massiven Auseinandersetzungen in der NPD. Mehrere Funktionäre stellten öffentlich Überlegungen an, wer die Partei künftig als Vorsitzender wieder auf den richtigen Weg führen könne. Ob VOIGT wegen des Versagens in Sachen KEMNA trotz aller ihm zugesprochenen Verdienste um die Partei noch der richtige Mann sei, wurde von vielen vehement bezweifelt. Andreas MOLAU, der Ende Dezember 2008 seine Kandidatur erklärte, zog diese nach heftigen parteiinternen Auseinandersetzungen am 19.02.09 zurück. Die NPD führte zum 1.Mai eine zentrale Demonstration in Nürnberg mit rund 1.500 Personen durch (Motto "Sozial geht nur national"); es war die bundesweit größte NPD-Veranstaltung im Jahr 2008, die weitgehend störungsfrei verlief. Redner waren VOIGT und sein Vertreter ROßMÜLLER. VOIGT prangerte die sozialen Missstände in Deutsch190 Rechtsextremismus land an und machte die "Politik der Globalisierung und der multikulturellen Entfremdung, die von allen im Bundestag vertretenen Parteien, von der CSU bis zur PDS" betrieben werde, dafür verantwortlich. Die Veranstaltung der NPD wurde vom Hamburger Landesverband und vielen Anhängern der Freien Nationalisten boykottiert. Sie nahmen an der rechtsextremistischen 1.Mai-Demonstration in Hamburg ( 5.3) teil. RIEGER hatte bereits in seinem Neujahrsrundschreiben deutlich gemacht, dass der Hamburger Landesverband die Veranstaltung in Hamburg und nicht die zentrale NPD-Maidemonstration unterstützen werde. Seine Begründung, der zweite Mai sei ein Arbeitstag und eine Anreise von 600 Kilometern nach Nürnberg vielen Aktivisten nicht vermittelbar, mutet vor dem Hintergrund der Mobilisierungsfähigkeit der rechtsextremistischen Szene als fadenscheinig an. Dies sahen auch Teile der Bundesführung so ( 5.3 und Schlagzeilen aus dem politischen Extremismus / Beitrag "1.Mai-Demonstration in Hamburg - Rechtsextremisten betrachten den Verlauf als propagandistischen Erfolg"). Hamburg Die Mitgliederzahl des Landesverbandes liegt weiterhin bei 140 Personen. Der Landesvorsitzende Jürgen RIEGER ist auch stellvertretender Bundesvorsitzender der Partei (s.o.). Er ist seit vielen Jahren für mehrere rechtsextremistische Vereinigungen und Organisationen als Leiter, Aktivist und Referent tätig ( 9.), trat der NPD aber erst 2006 bei. Bereits im November 2006 wurde er als Beisitzer in den Bundesvorstand gewählt und erhielt die Leitung des Referates "Außenpolitik und Finanzbeschaffung". Diese Funktion, die mit seiner finanziellen Unterstützung der Partei korrespondiert ( 9.), übte er bis zum Bundesparteitag im Mai 2008 aus. Den Vorsitz des Hamburger Landesverbandes übernahm Rieger am 25.02.07 nach längeren Streitigkeiten über den Kurs seiner Vorgängerin Anja ZYSK (Archiv 2007 / Rechtsextremismus / Beiträge "Führungskrise in der Hamburger NPD - Landesvorstand tritt zurück" und "Führungswechsel bei der Hamburger NPD - Radikalisierung setzt sich fort"). Nach der Wahl nannte er als Hauptziele eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit und Mitgliederwerbung in Hamburg. 191 Rechtsextremismus Der sich im Jahr 2007 bereits abzeichnende Trend zu mehr öffentlichen Aktivitäten der Hamburger NPD verfestigte sich 2008. Durch die zunehmende Verschmelzung der Partei mit der Hamburger Neonaziszene ist die NPD aktionsfähiger geworden. Mehrere Führungspersonen der Neonaziund Skinheadszene in Bramfeld ( 5.1) gehören der Partei an und haben Führungspositionen im Landesvorstand und in den Kreisvorständen übernommen. Am 01.02.08 veranstaltete der Hamburger Landesverband eine "Reichsgründungsfeier" zur Erinnerung an die Gründung des II. Deutschen Reiches durch Otto von Bismarck. Der damalige Landesvorsitzende der NPD Berlin, Eckard BRÄUNIGER, trat als Gastredner auf und referierte über die historische Entwicklung der deutschen Reiche. In Hamburg wurden im Berichtszeitraum an 31 NPD-Ständen Informationen angeboten, meistens im Rahmen bundesweiter Aktionstage. So wurden allein in den Wochen vom 15.03. - 22.03.08 und 12.04. - 19.04.08 in den Bezirken Altona, Bergedorf, Harburg, Hamburg-Mitte und Wandsbek im Rahmen der Kampagne "Sozial geht nur National" zwölf Informationsstände NPD Stand in Hamburg-Bramfeld ausgerichtet. Neben dem speziell für die Kampagne erstellten Informationsmaterial wurden auch "Schulhof-CDs", Exemplare der Zeitung "Deutsche Stimme" sowie das Flugblatt "Jetzt reicht's, Schluss mit dem Globalisierungs-Irrsinn" verteilt. Mit wenigen Ausnahmen verliefen die Info-Stände ebenso wie Gegenaktionen politischer Gegner friedlich. Am 19.04.08 kam es kurz vor dem Abbau eines Info-Standes im Alstertal durch ca. 20 Linkextremisten zu einer Störung durch Rufe und Zeigen eines Transparents "Nazis raus". Die Betreiber des Standes nahmen beim Eintreffen der Linken faustgroße Steine auf, die zuvor dem Stand Halt gaben. Eingesetzte Polizeikräfte trennten die Gruppen und verhinderten eine Eskalation. In dem Aktionsbericht der NPD wird der Vorfall wie folgt dargestellt: "Beim bis 14 Uhr angemeldeten Informationsstand im Alstertal kam es jedoch 192 Rechtsextremismus beim Abbau zu einem Angriffsversuch der linksautonomen Szene. Der einzige anwesende Polizeibeamte konnte den Ansturm von über 30 vermummten Gestalten mit Transparent nicht aufhalten. Daher mussten sich die 7 Standbetreiber spontan und kreativ in wehrhafte Bereitschaft begeben, was die Angreifer veranlasste, weder an Sachen, noch an Personen Schäden anzurichten. Ihnen ist klar gewesen, daß derartige Handlungen nicht unbeantwortet geblieben wären." Weitere Aktionstage fanden am 04.11. sowie am 08.11.08 statt. Schwerpunkt waren die Themen "Schöner leben ohne Überfremdung" sowie die aktuelle Krise im Bankenund Finanzsektor; themenbezogene Flugblätter wurden verteilt. Beim Informationsstand am 04.11.08 in Bergedorf suchten einige Teilnehmer die Konfrontation mit einer Gruppe vermeintlich "Linker", die sich in der Nähe des Infotisches aufhielt. Die anwesende Polizei griff sofort ein und nahm mehrere Personen von beiden Seiten vorübergehend in Gewahrsam. Danach verlief die Aktion störungsfrei. Beim Abbau eines Standes am 08.11.08 in Hamburg-Neugraben kam es zu einem Übergriff von Personen aus dem linken Spektrum. Im Laufe der körperlichen Auseinandersetzungen zwischen beiden Lagern wurde ein NPD-Anhänger durch den Wurf einer Flasche am Kopf leicht verletzt. In einem Internetbeitrag ging die NPD nicht auf diese Auseinandersetzung ein. Vielmehr hätten viele Deutsche in Bürgergesprächen ihre Sorge über die gravierende "Überfremdung" in Hamburg zum Ausdruck gebracht. Gerade in diesen Gesprächen habe dem Bürger vermittelt werden können, dass sich die NPD als einzige politische Kraft für eine konsequente "Ausländerrückführung" stark mache. Das Thema "Überfremdung" wurde auch auf Veranstaltungen und in Veröffentlichungen des Landesverbandes aufgegriffen. Am 18.05.08 193 Rechtsextremismus fand ein Landesparteitag der Hamburger NPD statt. Gastredner war der Bundesvorsitzende VOIGT. In seiner Rede ging auch er auf dieses Thema ein: "... wir Deutschen (haben) noch einige Jahrzehnte bis zur endgültigen Durchrassung [...] und (müssen) diese Zeit für unseren politischen Kampf nutzen". Dabei dürfe man sich auch nicht durch die vielschichtigen Repressionen und Gemeinheiten des Systems abhalten lassen. Noch sei Deutschland zu retten, aber die Zeit dränge. In einem Internetbeitrag vom 06.06.08 äußerte sich der Hamburger Landesverband zum "Regierungsprogramm" des CDU-GAL-Senats. Anhand einiger Textpassagen zu den Themen "Vielfalt in der Stadt" und "Integration" wurde insbesondere das Senatsziel der kulturellen und sozialen Integration und Teilhabe der Menschen mit Migrationshintergrund kommentiert. Unter der Überschrift "Hamburg bald Hansatürk?" schürte die NPD Ängste und räsonierte, dass der natürliche Widerstand gegen die Überfremdung kriminalisiert und mundtot gemacht werden solle. Der Beitrag wurde abgeschlossen mit dem Aufruf "Wer will, daß Deutschland das Land der Deutschen bleibt, muss sich JETZT der nationalen Opposition anschließen, bevor es zu spät ist. Hamburger wacht auf!" Mitglieder des Hamburger Landesverbandes unterstützten den NPDUnterbezirk Stade/NI im Wahlkampf zur Landtagswahl in Niedersachsen. Zu dem dortigen Spitzenkandidaten Adolf DAMMANN und seinen ebenfalls aktionistisch orientierten Anhängern haben sowohl der Hamburger Landesverband als auch die Freien Nationalisten traditionell einen sehr engen Kontakt. Trotz des unbefriedigenden Ergebnisses von 1,5 % der Wählerstimmen auf Landesebene wurde das Fazit gezogen, die Landtagswahl in Niedersachsen habe gezeigt, dass überall dort überdurchschnittliche Ergebnisse erzielt wurden, wo die NPD kontinuierlich in der Öffentlichkeit wahrnehmbar gewesen sei. In Stade erreichte sie 1,7 % der Stimmen. Der Partei ist es gelungen, ihrer "Heimatseite" im Internet einen professionellen Anstrich zu geben und tagespolitische Themen für ihre demokratiefeindliche Agitation zu nutzen. 194 Rechtsextremismus Im Januar 2008 wurde nach mehreren Jahren wieder ein Stützpunkt der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) in Hamburg gegründet. Eigenen Angaben zufolge versteht sich dieser Stützpunkt als zukünftige Anlaufstelle für die aktivistische Jugend in der Hansestadt. Man wolle als Gegenpol zu den "korrupten Systemparteien" der Jugend in Hamburg eine Perspektive bieten. Aktivisten der JN traten unterstützend bei NPDInformationsständen auf. Am 29.08.08 lud der JNStützpunkt Hamburg zu seiner ersten Saalveranstaltung. Hauptredner war ein Mitglied des JN-Bundesvorstands, das vor ca. 40 Teilnehmern über das Selbstverständnis und die Ziele der JN referierte. 8.2 Deutsche Volksunion (DVU) Von der DVU gingen auch 2008 keine nennenswerten politischen Aktivitäten aus. Die Mitgliederzahlen der Partei sind seit Jahren Mitglieder: 6.000 rückläufig. Dieser Trend setzte Bundessitz: München sich auch 2008 fort. Die im Jahr Vorsitzender: Matthias FAUST 2000 noch 17.000 Personen zähab 11.01.09 lende DVU wurde bereits 2007 Dr. Gerhard FREY von der NPD als mitgliederstärkste bis 11.01.09 rechtsextremistische Partei abgelöst und verfügt nur noch über Landesverband Hamburg 6.000 Mitglieder (2007: 7.000). Mitglieder: 160 Der bis zum 11.01.09 amtierende Vorsitzender: Günther SCHLEMMER Bundesvorsitzende Dr. FREY führte die Partei zentralistisch und autokratisch, sodass die 16 Landesverbände bisher kaum politisch eigenständig handeln konnten. Auf dem Bundesparteitag am 11.01.09 in der Nähe von Magdeburg wurde mit dem Bundesorganisationsleiter Matthias FAUST (Jahrgang 1971) aus Hamburg ein für die DVU überraschend junger, in der Partei erst seit relativ kurzer Zeit Aktiver als Nachfolger für den Parteigründer zum Vorsitzenden gewählt. (Schlagzeilen aus dem politischen Extre195 Rechtsextremismus mismus / Beitrag "Führende Hamburger Rechtsextremisten und die 'Volksfront'-Strategie") Die DVU nutzt sowohl die Internetseiten der Bundespartei und der Landesverbände als auch die von Dr. FREY herausgegebene "National Zeitung / Deutsche Wochen-Zeitung" (NZ), die als Sprachrohr der DVU angesehen werden kann, zur öffentlichen Agitation. Funktionäre der Partei sind als Autoren für die Zeitung tätig, diverse Artikel wurden auch auf der DVU-Homepage veröffentlicht. Nach ihrem Selbstverständnis ist die NZ "Ein entscheidendes Gegengewicht zur antideutschen Meinungsindustrie ..." und berichtet unbeirrt über "... die wahren Hintergründe des Geschehens, von denen der Durchschnittsbürger" nichts ahne. Um die Zukunft der NZ zu sichern, wurden die Leser gebeten, die DSZ Druckschriftenund Zeitungsverlags GmbH "in Ihrem Testament mit einer Erbschaft oder einem Vermächtnis zu bedenken." Selbst das Lippenbekenntnis der DVU zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung steht im Widerspruch zur publizierten Ausrichtung der NZ. In deren Agitation waren auch ausländerfeindliche, revisionistische und antisemitische Argumentationsmuster zu finden. Stereotype und suggestive Überschriften wie "Verbrecherparadies Deutschland? - Deutsche als Freiwild ausländischer Krimineller"; "Wie viele Moscheen noch? Wohin Massenzuwanderung führt"; "Wird Europa überrannt? Afrikaner stürmen spanischen Grenzübergang" sollen beim Leser Ängste und Ressentiments bedienen bzw. verstärken. Plakativ wurden Ausländer pauschal diskreditiert und Angst vor "Überfremdung" geschürt. In der NZ vom 17.10.08 wurde in dem Artikel "Auf dem Weg zu uns - Kann Masseneinwanderung gestoppt werden?" nach Italien geflüchteten Afrikanern unterstellt, dass ein Großteil von ihnen nach Deutschland einreisen wolle, "..das weltweit als Paradies für Einwanderer aus aller Herren Länder gilt. Da die Illegalen vor der Flucht ihre Papiere vernichten, können sie sich oft jahrelang einen Aufenthaltsstatus erschleichen ohne eine Abschiebung fürchten zu müssen, sich vom deutschen 196 Rechtsextremismus Steuerzahler durchfüttern lassen oder hierzulande sogar viel Geld mit kriminellen Geschäften wie Drogenhandel, illegalem Glücksspiel usw. verdienen." In dem Artikel "Deutschland in Gefahr - Wenn die Türkei der EU beitritt" sprach Dr. FREY von einer "Invasion aus Anatolien" und führte aus: "Millionen Arme aus Anatolien würden ihr Glück in Mitteleuropa suchen. Vom christlichen Erbe und vom deutschen Charakter unseres Landes bliebe nichts übrig. All die in der Türkei schon unlösbaren Probleme u.a. zwischen Türken und Kurden, Kemalisten und Islamisten würden Deutschland zusätzlich strangulieren. Der Untergang des Abendlandes wäre nicht mehr aufzuhalten." In der NZ waren auch revisionistische Bezüge erkennbar. Die deutsche Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde bestritten, geschichtliche Ereignisse dieser Zeit durch Vergleiche relativiert, als Fälschungen bzw. Lügen bezeichnet und insgesamt eine einseitige Vergangenheitsbewältigung zu Lasten des deutschen Volkes behauptet. Neben regelmäßiger Werbung für Bücher des bekannten Revisionisten David IRVING gab es Werbe-Anzeigen für Bücher, in denen das deutsche Volk entlastet und "Hunderte der übelsten Lügen gegen unser Vaterland ..." aufgedeckt und "Kollektivschuld-Bekenntnisse widerlegt" würden. Selbst die Bundeskanzlerin schrecke "... nicht vor Fälschungen zurück wie jenen, die Alleinschuld am Zweiten Weltkrieg liege auf deutscher Seite ...". In der NZ wurde zwar offener Antisemitismus vermieden, in der Berichterstattung waren aber Anhaltungspunkte für eine Feindschaft gegen Juden festzustellen. In der Ausgabe vom 08.08.08 wurde über das Ergebnis einer Umfrage der NZ in ihrer Leserschaft zum Thema "Wer ist Deutschlands Feind?" berichtet. Nach eigenen Angaben beteiligten sich mehr als 1.000 Leser daran, und 77,2 % der Befragten hätten "Zionismus" angekreuzt. In der Berichterstattung über den Staat Israel wurde wiederholt der Begriff "Judenstaat" benutzt. Assoziationen mit dem Stereotyp des "geldgierigen Juden" dürften dabei durchaus gewollt sein: "Teures NS-Gedenken / Mahnmals-Inflation in Berlin"; "Seid umschlungen, Millionen! Mehr Geld für Zentralrat der Juden"; 197 Rechtsextremismus "Die Deutschen sollen zahlen... Höhere Renten für jüdische Emigranten"; "Wie lange noch Wiedergutmachung? Bekommen jetzt auch Kinder und Enkel der Opfer Geld?" Es würden " ... mit der Regelmäßigkeit des täglichen Sonnenaufgangs neue Forderungen von jüdischer Seite erhoben.". Der Holocaust wurde zwar nicht geleugnet, mit vergleichenden Hinweisen auf deutsche Kriegsopfer und die Vertreibung der Deutschen am Ende des Zweiten Weltkrieges sowie die Verbrechen anderer Völker wurde aber versucht, die Verbrechen des NS-Regimes zu relativieren: "Merkwürdig bei diesem Gedenk-Marathon ist, dass die Millionen Deutschen, die der Siegerwillkür zum Opfer fielen, in Berlin und anderen deutschen Städten keiner Würdigung für Wert befunden werden." (NZ v. 22.08.08) Die Erfolge der DVU bei der Teilnahme an Wahlen sind gering. Sie ist nur in Brandenburg in einem Landtag vertreten. 2008 nahm sie an der Bürgerschaftswahl in Hamburg am 24.02.08 teil, bei der sie 0,8% der abgegebenen Stimmen erzielte (Publikationen / Wahlberichte / Beitrag "Wahl zur Hamburger Bürgerschaft am 24.02.08"). Bei den Kommunalwahlen in Brandenburg am 28.09.08 teilten sich DVU und NPD die Landkreise und kreisfreien Städte in Brandenburg im Sinne des Deutschland-Paktes ( 4.) auf. Nur in einem Landkreis traten Kandidaten aus beiden Parteien direkt gegeneinander an. Hier unterlag die DVU mit 0,9% und verlor ihr Kreistagsmandat an die NPD, die 4,5% erreichte. Auch im Landesdurchschnitt erzielte die NPD mit 1,8% ein besseres Ergebnis als die DVU mit 1,6% der Wählerstimmen. Gemäß den im Deutschland-Pakt getroffenen Wahlabsprachen ist die Teilnahme an den Landtagswahlen in Thüringen am 30.08.09 und in Brandenburg am 27.09.09 der DVU vorbehalten. Unmittelbar nach seiner Wahl zum Bundesvorsitzenden kam Matthias FAUST (Foto) noch auf dem Bundesparteitag am 11.01.09 jedoch einem Wunsch der NPD nach und erklärte, die DVU werde in Thüringen zugunsten der NPD auf eine Wahlteilnahme verzichten ( 4.). 198 Rechtsextremismus Hamburg Dem Landesverband Hamburg gehören seit 2006 konstant ca. 160 Personen an, von denen der weitaus größte Teil der zumeist lebensälteren Mitglieder inaktiv ist. Dem von der DVU als Hoffnungsträger angesehenen Matthias FAUST ist es nicht gelungen, den bedeutungslosen Hamburger Landesverband aus seiner Lethargie zu reißen. Bis auf die Zeit des Wahlkampfes für die Bürgerschaftswahl war die DVU in Hamburg öffentlich nicht präsent. Die DVU lastete das für sie enttäuschende Wahlergebnis von 0,8% nicht "... ihrem überaus engagierten und couragierten Spitzenkandidaten Matthias FAUST" an, sondern der Hinwendung der Protestwähler zur Partei "DIE LINKE.". Der Spitzenkandidat selbst räumte ein, dass die Wahlkampfthemen kaum einen Hamburg-Bezug hatten. Erfolge müssten langfristig aufgebaut werden. Dies sei allerdings schwer möglich, wenn erst einige Wochen vor der Wahl versucht werde, Aufmerksamkeit für die Partei zu wecken. Daher sei eine aktive Öffentlichkeitsarbeit notwendig. Nach der Bürgerschaftswahl in Hamburg wurde unter dem Motto "Jetzt erst recht" angekündigt, die politische Arbeit in Zukunft offen und aktiv fortzusetzen. Es werde regelmäßige Veranstaltungen, Infotische und Berichterstattungen über die "Machenschaften der Etablierten" und die neu in der Bürgerschaft vertretenen "SED-MauermörderKommunisten" geben. Diese vollmundigen Ankündigungen wurden so jedoch nicht in die Tat umgesetzt. Über Infotische außerhalb des Wahlkampfes wurde nichts bekannt, und der letzte Beitrag auf der Internetseite des Landesverbands Hamburg für das Jahr 2008 datiert vom 12.07.08. 9. Sonstige rechtsextremistische Organisationen und Bestrebungen Neben den bereits beschriebenen Gruppierungen und Szenen gibt es eine Vielzahl von rechtsextremistischen Kleinstparteien, Organisationen, Bündnissen, Einrichtungen, Sammlungsbewegungen und Initia199 Rechtsextremismus tiven, die sich in ihrer politisch-ideologischen Ausrichtung sowie in Größe und Bedeutung zum Teil erheblich unterscheiden. Viele dieser Bestrebungen waren in ihren Aktivitäten regional begrenzt. Insgesamt wurden diesem Spektrum 2008 3.800 Personen (2007: 4.000; Erläuterung 2.) zugerechnet. Mit ca. 500 Mitgliedern ist die rechtsextremistische Kulturvereinigung "Gesellschaft für freie Publizistik e.V." (GfP) eine der größten Organisationen in diesem Bereich. Sie war 1960 von ehemaligen SS-Offizieren und NSDAP-Funktionären gegründet worden. Ihr gehören in erster Linie Verleger, Redakteure, Schriftsteller und Buchhändler an, die zum Teil auch in anderen rechtsextremistischen Gruppierungen aktiv sind. Die personelle Verflechtung der GfP mit der NPD ist nach wie vor eng. Vorstandsmitglieder wie der GfP-Vorsitzende Andreas MOLAU sind zugleich Funktionäre in der NPD. Der Jahreskongress der GfP fand vom 11.-14.04.08 mit etwa 300 Teilnehmern, darunter Besucher aus Hamburg, in Suhl / Thüringen statt. Das Rahmenthema lautete "1968 - Vierzig Jahre Volkszerstörung". In den Beiträgen der Referenten, zu denen bekannte Rechtsextremisten - darunter Revisionisten wie der Schweizer Holocaustleugner und Vorsitzende des am 07.05.08 verbotenen "Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten" (VRBHV), Bernhard SCHAUB, - zählten, wurde den Siegern des Zweiten Weltkriegs vorgeworfen, von 1945 bis heute durch "Umerziehung" und Förderung einer "Reueund Sühnehaltung" die "psychologische Deformation" der Deutschen vollzogen zu haben. Die "68er Zöglinge" hätten diese Taktik durch ihre "einseitige Vergangenheitsbewältigung" und durch Förderung der "Überfremdung" unterstützt und fortgesetzt. In diesen Zeiten des "ungezügelten Kapitalismus" drohe das Ende der westlichen Wertegemeinschaft. Die Anwesenden wurden aufgerufen, in ihrem Kampf für Meinungsfreiheit und um die Zukunft des deutschen Volkes die wirklichkeitsfremden Ideologien, den "Ungeist" und die "Irrlehren" der Linken zu "entlarven" und zu überwinden. 200 Rechtsextremismus Dem Kongress folgte eine themengleiche Entschließung der GfP-Mitglieder. Darin wurde gegen "Re-education", einseitige Vergangenheitsbewältigung, Masseneinwanderung und Überfremdung agitiert und eine wahrheitsgerechte Geschichtsschreibung auch hinsichtlich der an den Deutschen begangenen Verbrechen gefordert. Als weitere unabdingbare Voraussetzung zur Erhaltung eines jeden Staates forderte die GfP mehr "Gemeinschaftsbewusstsein" statt "bedingungslosem Individualismus". Jürgen RIEGER leitet den (in Berlin ansässigen) germanisch-heidnischen Verein "Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V." (Artgemeinschaft-GGG). Der "Glaubensgemeinschaft" angeschlossen ist das "Familienwerk e.V.", das einen "Familienlastenausgleich" anstrebt, finanzielle Zuwendungen gewährt und in dem RIEGER ebenfalls Vorstandsmitglied ist. Die Organisation propagiert die Bewahrung, Erneuerung und Weiterentwicklung der "kulturellen, volklichen und rassischen Identität der nordeuropäischen Menschenart". Sie vertritt völkisch-rassistisches, revisionistisches und antisemitisches Gedankengut, agiert gegen den als raffgierig und zerstörerisch bezeichneten "kapitalistischen Materialismus" und sieht sich als Teil einer großen Gemeinschaft, in der individueller Egoismus dem Gemeinwohl nachrangig sei. Die Vereinsangehörigen sind aufgefordert, zum Überleben der eigenen Art "Opferbereitschaft", "Hass", "Härte" und "Todesverachtung" gegen jeden "Feind" zu zeigen. Einer dieser sogenannten Feinde der "Artgemeinschaft" sind die Kirchen, denen vorgeworfen wird, die Naturreligion der Artgemeinschaft-GGG pauschal als "Nazibrauchtum" zu diffamieren. Entsprechend ist den Mitgliedern auch die Angehörigkeit in einer anderen Bekenntnisoder Religionsgemeinschaft untersagt. An den überregionalen "Gemeinschaftstagen" des Vereins, die regelmäßig in Nordthüringen mit etwa 200 Personen um die sogenannte Tagund Nachtgleiche, zur Sommersonnenwende und zum "Juleingang" stattfinden, nehmen zahlreiche Angehörige der rechtsextremistischen Szene aus dem gesamten Bundesgebiet teil. Neben ihren Treffen und gelegentlichen Arbeitseinsätzen in ihren "Gemeinschaftsheimen" präsentiert sich die "Artgemeinschaft" auf einer von RIEGER betriebenen "Heimatseite" im Internet und tritt durch die Herausgabe und den Verkauf eigener Schriften und Bücher auf. Als "Stimme des 201 Rechtsextremismus Artglaubens" wird vierteljährlich die "Nordische Zeitung" herausgegeben. Darin propagiert der Verein die "Erhaltung des nordischen Kulturerbes" und "das Überleben unserer Art". Außerhalb seiner Funktionen als Leiter der "Artgemeinschaft" und Funktionär der NPD verbreitet RIEGER seine politischen Ansichten auf seiner "Heimatseite", als Referent oder in sonstigen Stellungnahmen und Interviews. RIEGERs Aussagen sind geprägt durch rassistische, revisionistische, ausländer-, juden-, EUund amerikafeindliche Agitation. Seine herausragende Rolle rückt RIEGER ins Visier antifaschistischer Aktivisten. Er war in der Vergangenheit bereits mehrfach Ziel von Angriffen und Sachbeschädigungen. Am 20./21.04.08 und 22.06.08 wurde sein Wohnhaus in Hamburg-Blankenese - auch Sitz seiner Rechtsanwaltspraxis - durch Farbwürfe beschmutzt ( IV., 5.2.2). Im Juni konnte ein Tatverdächtiger festgestellt werden RIEGERs Ausländerfeindlichkeit richtet sich insbesondere gegen Türken, deren Einwanderung von ihm als "Invasion" bezeichnet wird. Einwanderern unterstellt er, die Herrschaft in Deutschland übernehmen, das Land verändern und die Deutschen verdrängen zu wollen. Für ihn kann eine "multirassische Gesellschaft" nicht funktionieren, sie sei konfliktbeladen und führe zu Deutschlands wirtschaftlichem und kulturellem Abstieg. Seine Ausländerfeindlichkeit richtet sich jedoch nicht gegen den Islam und das russische Volk. In beiden sieht er natürliche und ideale Verbündete Deutschlands. Beide seien deutschfreundlich, und es gebe eine übereinstimmende Einstellung gegenüber Juden, Amerikanern und deren globale Machtbestrebungen. Insbesondere Putin sei gegen die "Kriegstreibereien" der USA ein "Glücksfall" für ganz Europa. (Schlagzeilen aus dem politischen Extremismus / Beitrag "Deutsche Rechtsextremisten wollen gute Beziehungen zu Russland") In seinen revisionistischen Ansichten wendet sich RIEGER gegen "Umzüchtungsversuche" der als "Verbrechervolk dargestellten Deutschen". Ziel dieser Versuche sei es, das deutsche Volk aussterben zu lassen. Er lobt den Nationalstolz der "Mitteldeutschen" in der ehemaligen DDR, deren Haltung gegen "Amerikanisierung" und beurteilt 202 Rechtsextremismus positiv, dass der "Holocaust" in der DDR kein Thema gewesen sei. Zudem erklärte RIEGER auf die Frage, ob er glaube, dass sechs Millionen Juden umgebracht worden seien, dass es gesetzlich nicht erlaubt sei, dies zu bezweifeln. Man könne aber glauben, und er "glaube nicht daran". Außerdem stellte RIEGER das Existenzrecht Israels in Frage und sprach den Palästinensern ein "Notwehrrecht" gegen "gewalttätige Akte", Vertreibung und ständige Einschränkungen durch Israel zu. RIEGER hat in der Vergangenheit mehrfach Immobilien erworben, um sie für seine politischen Ziele und Zwecke zu nutzen. Diese - zum Teil im Namen der "Wilhelm Tietjen Stiftung für Fertilisation Ltd." (WTSfF) erworbenen - Anwesen wie in Dörverden/NI ("Heisenhof"), Hameln/NI (Kinocenter, Wohnund Geschäftshaus) und Pößneck/TH ("Schützenhaus") konnten von ihm aufgrund staatlicher und gerichtlicher Maßnahmen bislang nur bedingt für politische Zwecke genutzt werden. Unter anderem war ihm zeitweise die Verfügungsgewalt für die im Namen der WTSfF erworbenen Objekte abgesprochen worden. (Internetseite "Verfassungsschutz gegen Rechtsextremismus" (www. verfassungsschutzgegenrechtsextremismus.de / Archiv 2008 / "Rieger kann wieder über den Heisenhof verfügen") Er zeigt sich daher am Erwerb neuer, für Tagungen, Seminare, Sonnenwendfeiern und Zeltlager geeigneter Immobilien interessiert. Einige dieser Versuche scheinen jedoch provokativ und finanziell motiviert zu sein. Manche scheiterten am Widerstand der betroffenen Gemeinden. Für größeres Aufsehen sorgten RIEGERs vermeintliche Pläne am Erwerb eines Gasthofes und mehrerer Grundstücke in Warmensteinach/BY, die er zu einem Treffpunkt für rechtsextremistische Veranstaltungen und einem "reichsheimstätten-gleichen" "Siedlungsprojekt für nationale Familien" ausbauen wollte ( 5.3). 10. Revisionismus Ein wichtiges Merkmal der meisten rechtsextremistischen Bestrebungen ist der Revisionismus. Er zielt darauf ab, den Nationalsozialismus nachträglich zu rechtfertigen oder zumindest zu verharmlosen, um die Geschichtsschreibung über das "Dritte Reich" entsprechend zu beeinflussen. Wesentlicher Bestandteil ist die Leugnung oder zumindest die 203 Rechtsextremismus Relativierung des Massenmordes an den europäischen Juden ("Holocaust-Leugnung", "Auschwitz-Lüge"). Geschichtsrevisionistische Argumentation ist häufig eng verbunden mit antisemitischen Positionen. Dabei schüren Rechtsextremisten die Feindschaft gegenüber Juden und Israel. Neben dem Geschichtsrevisionismus ist der Gebietsrevisionismus für einen Teil der rechtsextremistischen Szene von besonderer Bedeutung. Für sie besteht das "Deutsche Reich" in den Grenzen von 1914 bzw. 1937 fort. Es bedarf nur der Wiederherstellung seiner Handlungsfähigkeit. Seit 2005 mussten sich zahlreiche führende Vertreter der internationalen Revisionistenszene wegen Volksverhetzung, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und Beleidigung in Deutschland und im europäischen Ausland strafrechtlich verantworten. Die Mehrzahl war aufgrund von Haftbefehlen der Mannheimer Staatsanwaltschaft im Ausland festgenommen und an die deutschen Behörden überstellt worden, z. B. Ernst ZÜNDEL, Germar RUDOLF und Siegfried VERBEKE. Aufgrund eines weiteren Haftbefehls der Mannheimer Staatanwaltschaft wurde im Jahr 2008 der führende Revisionist Dr. Frederick TÖBEN festgenommen. Der in Deutschland geborene Australier und Direktor des rechtsextremistischen "Adelaide Institute" wollte bei seiner Festnahme am 01.10.08 in London nach Dubai weiterreisen. Ihm wird vorgeworfen, in seinen im Internet verbreiteten Artikeln und Kommentaren die millionenfache Ermordung von Juden im KZ Auschwitz geleugnet zu haben. Er war bereits im April 1999 in Deutschland festgenommen und anschließend zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt worden, von denen er sieben verbüßte. Nach der Urteilsaufhebung im Revisionsverfahren hatte er sich einer Neuauflage des Prozesses entzogen. TÖBEN ist unter deutschen Rechtsextremisten hauptsächlich im Zusammenhang mit dem 1996 gegründeten, überwiegend im Internet aktiven australischen "Adelaide Institute" bekannt. Es gilt als eines der Zentren revisionistischer Propagandaakti204 Rechtsextremismus vitäten und steht mit seinen antisemitischen und holocaustleugnenden Beiträgen im weltweiten Kontakt mit vielen Rechtsextremisten. Die Festnahme TÖBENs wurde in mehreren Ausgaben der "National-Zeitung" und der Publikation "Nation&Europa" (N&E) thematisiert, der Australier als integrer "Historiker", "Forscher", "Philosoph" und "Zeitgeschichtler" bezeichnet und die Legitimität des SS 130 StGB in Frage gestellt. Die Festnahmen, Prozesse und Haftzeiten der Revisionisten wurden von Unterstützungsaktionen und Sympathiebekundungen deutscher Rechtsextremisten begleitet. Deren Kernforderung ist weiterhin die Abschaffung des SS 130 StGB (Volksverhetzung), der für sie im Widerspruch zur grundgesetzlich garantierten Meinungsund Pressefreiheit und zum Recht auf freie Geschichtswissenschaft steht. Unter den einsitzenden Revisionisten erfuhr ZÜNDEL die umfangreichste Unterstützung deutscher Rechtsextremisten. So veröffentlichten seine hiesigen Anhänger im Internet Berichte seiner in den USA weiter revisionistisch aktiven Ehefrau, in denen über die "skandalöse Geschichte" seiner "politischen Entführung" berichtet und gegen die "zionistischen Vasallen in Holonkenheim" (Wortspiel aus Holocaust und Halunkenheim, gemeint Mannheim) agitiert wurde. ZÜNDEL (Foto, rechts) war während seines Verfahrens in Mannheim von mehreren Szeneanwälten vertreten worden; Jürgen RIEGER (Foto, links) war bis zum Prozessende für ihn tätig. Da RIEGER im Rahmen der Verteidigung den Holocaust wiederholt abstritt oder verharmloste, erhoben die Mannheimer und die Hamburger Staatsanwaltschaft am 26.07.07 bzw. 29.05.08 gegen ihn Anklage wegen des Verdachts der Volksverhetzung, Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und stellten einen Antrag auf Berufsverbot als Strafverteidiger. Von der Mannheimer Staatsanwaltschaft wird RIEGER beschuldigt, in seinen 2006 und 2007 gestellten Beweisanträgen, Schriftsätzen und 205 Rechtsextremismus im Schlussvortrag, eine "unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung [...] öffentlich [...] gebilligt, geleugnet oder verharmlost", "zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufgestachelt", "Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet", "andere Menschen beleidigt" und das Andenken Verstorbener verunglimpft zu haben. Da RIEGER einschlägig vorbestraft ist und die ihm vorgeworfenen Taten "unter Missbrauch seines Berufs und unter grober Verletzung der mit ihm verbundenen Pflichten begangen" wurden und auch weiterhin von ihm zu erwarten seien, wurde auch ein Berufsverbot als Strafverteidiger beantragt. Laut Anklageschrift habe es sich bei RIEGERs Einlassungen um "völlig aussichtslose" und "verteidigungsfremde" Eingaben gehandelt, die einzig darauf abzielten, den nationalsozialistischen Holocaust an den Juden im Dritten Reich abzustreiten oder zu verharmlosen. Die Auslassungen RIEGERs hätten teilweise vor "Menschenverachtung und Zynismus" gestrotzt und stellten einen strafbaren "Missbrauch" der VerteidigerPosition dar. Die Hamburger Staatsanwaltschaft wirft RIEGER vor, in der gegen ZÜNDELs Verurteilung eingelegten Verfassungsbeschwerde volksverhetzende Äußerungen getätigt und den Text auf seiner Homepage veröffentlicht zu haben. Laut Anklageschrift habe RIEGER durch seine Behauptungen, niemand könne davon ausgehen, "dass die in Auschwitz gezeigten Menschengaskammern tatsächlich" als solche eingesetzt worden seien und anzunehmen sei, dass bei genauer Prüfung "weder von 6 Millionen Opfern" noch von "millionenfachem Massenmord" die Rede sein könne, den Tatbestand des SS 130 StGB erfüllt. Durch die Veröffentlichung auf seiner "Heimatseite" habe er beabsichtigt, einen möglichst großen Empfängerkreis von seinen Ansichten zu überzeugen und das psychische Klima aufzuheizen. Beide Verfahren gegen RIEGER wurden bislang noch nicht eröffnet. Die bekanntesten Vertreter des deutschen Geschichtsrevisionismus sind bzw. waren in den Gruppierungen "Reichsbürgerbewegung" (RBB) / "Reichsbewegung" (RB), "Völkische Reichsbewegung" (VRB), "Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten" (VRBHV) und im "Collegium Humanum" (CH) um den ehemaligen RAF-Anwalt Horst MAHLER sowie im "Deutschen Kolleg" (DK) des Hamburger Rechtsextremisten Dr. Reinhold OBERLERCHER aktiv. Der VRBHV und das CH inklusive dessen Teilorganisation "Bauernhilfe 206 Rechtsextremismus e.V." wurden am 07.05.08 vom BMI verboten ( 11.). Aktivitäten der RBB / RB, die sich zuletzt auf gemeinsame Internetauftritte mit dem VRBHV beschränkten, sind seitdem ebenfalls nicht mehr feststellbar. Den Anhängern MAHLERs und Dr. OBERLERCHERs (Foto) stehen als Basis ihrer revisionistischen Aktivitäten insbesondere das DK und die VRB zur Verfügung. Weitere in Deutschland aktive "Reichswiederbelebungsgruppierungen" sind öffentlich kaum wahrnehmbar. Gemeinsames Ziel des DK und der VRB ist die Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit des Deutschen Reiches und die Beseitigung der parlamentarischen Demokratie. (Arbeitsfeld Rechtsextremismus / Antisemitismus / Revisionismus) Das von Dr. OBERLERCHER geleitete "Deutsche Kolleg" (DK) versteht sich als legitimer Vertreter des noch "handlungsunfähigen Deutschen Reiches". Es reklamiert für sich die geistige und materielle Staatsgewalt, was auch das grundsätzliche Recht einschließt, "Reichsfeinde" "militärisch unter Beschluß und Beschuß zu nehmen" (Arbeitsfeld Rechtsextremismus / Antisemitismus / Revisionismus). Schwerpunkt der DK-Aktivitäten ist die theoretische Schulung der "nationalen Intelligenz". Laut "Manifest" will das DK die noch nicht in das "Todesprogramm der Globalisten" eingebundenen "Eliten" in ihrer "Studienund Kampfgemeinschaft" zur "Wortergreifung" befähigen und in der "Endzeitkrise des kapitalistischen Systems" als geistige "Waffenschmiede" gegen die Demokratie, für Deutschtum, "Volksgemeinschaft und Reich" fungieren. Die ideologischen Grundlagen des Kollegs sind in den Schulungstexten zum "Vierten Reich" und in dem als "Hauptprogramm" bezeichneten "Reichsverfassungsentwurf" zur Vorbereitung des "allgemeinen deutschen Volksaufstandes" ("Aufstandsplan") formuliert. 207 Rechtsextremismus Die Inhalte werden von Dr. OBERLERCHER auf Schulungsveranstaltungen oder auf Veranstaltungen anderer rechtsextremistischer Gruppierungen vermittelt. Diese Aktivitäten waren im Jahr 2008 rückläufig, abgesehen von der Jahreshauptversammlung des DKs im Juli 2008 in Mosbach / Thüringen beschränkten sie sich auf die Veröffentlichung von Texten und Erklärungen zu aktuellen Themen vorwiegend im Internet. Die fünf Beiträge im Jahr 2008 boten inhaltlich kaum Neues und zeigten das bekannt demokratiefeindliche, NS-verherrlichende, ausländerfeindliche, antiamerikanische, revisionistische, antisemitische und gewaltlegitimierende Bild. Neben RBB/RB und VRBHV hatte MAHLER als neue "Sammelbewegung Deutscher Reichsbürger" (2006/2007) die "Völkische Reichsbewegung" (VRB) ins Leben gerufen. Sie versteht sich als ein "durch den völkischen Reichsgedanken und durch den Willen zur Behebung der Not von Volk und Reich zusammengefügtes Netzwerk von Deutschen, die noch Deutsche sein wollen". These der VRB ist: "Deutschlands Zukunft ist das Deutsche Reich! - oder Deutschland hat keine!". Arbeitsfeld Rechtsextremismus / Antisemitismus / Revisionismus Auch die VRB agitiert im Wesentlichen im Internet. Neben Prozessterminen und Berichten über die "Holocaustjustiz", "Literatur zur Wahrheitsfindung" wie HITLERs "Mein Kampf", Texte, Kommentare und Interviews MAHLERs wird Propagandamaterial zur Weiterverteilung angeboten. Die Texte MAHLERs und Dr. OBERLERCHERs stimmen inhaltlich weitgehend überein. MAHLER ist Anhänger einer Verschwörungstheorie, nach der das "Weltjudentum" die "Weltmacht" anstrebt. Zur Strategie MAHLERs gehört auch das Provozieren von Strafverfahren wegen Volksverhetzung, die Nutzung von Gerichtsverfahren als Bühne zur Verbreitung seiner Verschwörungstheorien und zur "Entlarvung" des SS 130 StGB als "Justizverbrechen". MAHLER und 208 Rechtsextremismus seine Anhänger hoffen, mit ihrer Strategie einen "Aufstand" der "BRDJuristen" gegen die als "Verbrechertum" bezeichnete "Holocaust-Justiz" unter "Missachtung der vom Zentralrat der Juden in Deutschland durchgesetzten" Gesetze zu erreichen und die "Holocaustschreibung" ändern zu können. MAHLER und seine Lebensgefährtin Sylvia STOLZ zeigten sich hierbei besonders unbelehrbar und setzten ihren offensiven und aggressiven "Feldzug gegen die Offenkundigkeit des Holocaust" unbeirrt fort. Nach einem Interview, das MAHLER (Foto) am 04.10.07 in München mit einem Publizisten - der früher stellvertretender Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland war - geführt hatte, erhob die dortige Staatsanwaltschaft am 28.01.08 Anklage wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. MAHLER hatte den Gesprächspartner mit "Heil Hitler..." begrüßt, während der Unterhaltung wiederholt den Holocaust geleugnet, HITLER als "Erlöser des deutschen Volkes" bezeichnet und die drohende Strafverfolgung mit "Sieg oder Tod! - das sei unsere Losung" kommentiert. Das Amtsgericht Erding verurteilte ihn deshalb am 28.04.08 zu zehn Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Der Ausgang der Berufungsverhandlung ist derzeit noch offen. Zuletzt wurde MAHLER am 22.07.08 vom LG Cottbus für schuldig befunden, bei seinem Haftantritt Ende 2006 in Cottbus den Hitlergruß gezeigt und "Heil Hitler" gerufen zu haben. Gegen das Urteil von elf Monaten Haft ohne Bewährung legte MAHLER Revision ein. Seit dem 08.10.08 muss er sich erneut vor dem LG Cottbus wegen diverser holocaustleugnender Internetveröffentlichungen strafrechtlich verantworten; weitere Verfahren sind anhängig. Sylvia STOLZ, MAHLERs treueste Anhängerin, ist derzeit in Haft. Sie wurde am 14.01.08 vom LG Mannheim wegen Volksverhetzung, Aufstachelung zum Rassenhass, versuchter Strafvereitelung und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt (noch 209 Rechtsextremismus nicht rechtskräftig). Ihr wurde ein fünfjähriges Berufsverbot als Strafverteidigerin erteilt. MAHLERs Gefolgschaft ist wegen seiner eigensinnigen und bedingungslosen Einstellung und Vorgehensweise kleiner geworden. Dazu zählt der bereits einschlägig verurteilte Hamburger Revisionist Klaus KAPING, gegen den derzeit bei der Hamburger Staatsanwaltschaft ein weiteres Verfahren wegen Verdachts der Volksverhetzung und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen anhängig ist. Am 11.04.08 wurde seine Wohnung durchsucht, diverse Beweismittel - darunter CDs mit HITLER-Reden - wurden sichergestellt. In der Anklageschrift wurde KAPING vorgeworfen, im November 2005 den Artikel "Der Ernst Zündel-Prozeß und seine geschichtlichen Hintergründe", in dem der Holocaust geleugnet wird, zur Kenntnis und Weiterverbreitung versandt zu haben. Außerdem soll er CDs mit dem "Horst-Wessel-Lied" und dem Lied "Es zittern die morschen Knochen" zur Weitergabe an Dritte verwahrt haben. Die größte revisionistisch geprägte öffentliche Veranstaltung ist der seit Mitte der 90er-Jahre durchgeführte Trauermarsch der "Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland" (JLO) zum Gedenken an die Opfer des "Alliierten Bombenterrors" in Dresden. An dem Marsch anlässlich des 63. Jahrestages der Zerstörung Dresdens am 16.02.08 nahmen etwa 4.000 Personen und damit deutlich mehr als im Jahr 2007 teil. In Redebeiträgen wurde auch gegen die jüngsten angeblichen Kriegsverbrechen Israels und der USA im Irak, Afghanistan und Palästina sowie gegen deren Hofierung durch deutsche Politiker agitiert und erklärt, dass ein Deutsches Reich mit diesen Missständen aufräumen werde. Die jährlich von Jürgen RIEGER geplante und seit 2005 verbotene Gedenkveranstaltung zum Todestag des HITLER-Stellvertreters Rudolf Heß in Wunsiedel verfolgt ebenfalls revisionistische Ziele. Am letzten zentralen Heß-Gedenken 2004 hatten sich ca. 4.000 Personen beteiligt. Die von RIEGER gegen das Demonstrationsverbot von 2005 angestrengte Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Verfassungsmäßigkeit des erweiterten SS 130 StGB steht noch aus. 210 Rechtsextremismus Auch die für den 16.08.08 in Wunsiedel geplante 21. Heß-Gedenkkundgebung wurde verboten. Als Ersatzveranstaltung wollte RIEGER am 16./17.08.08 in Warmensteinach/BY ein "privates Gedenken zur Ermordung" von Heß abhalten und die Teilnehmer als Mitglieder in einen "Rudolf-Heß-Gedenkverein" aufnehmen. Auch diese "Privat"Veranstaltung wurde verboten. Trotz behördlicher und gerichtlicher Maßnahmen führte die rechtsextremistische Szene am 16./17.08.08 mehrere dezentrale HeßGedenkveranstaltungen durch. RIEGER nahm an zwei Veranstaltungen teil: Am 15.08.08 hatte er an einer privaten Gedenkveranstaltung in Gschwand/BY teilgenommen, die von der Polizei aufgelöst wurde ( 5.3). Einen Tag später wurde er in Hanau/HE als Teilnehmer einer Spontankundgebung vorübergehend in Gewahrsam genommen. 11. Verbot rechtsextremistischer Gruppierungen Am 07.05.08 wurden vom Bundesminister des Innern (BMI) die beiden rechtsextremistischen Organisationen "Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten" (VRBHV) und "Collegium Humanum - Akademie für Umwelt und Lebensschutz e.V." (CH) inklusive deren Teilorganisation "Bauernhilfe e.V." verboten. Die Verbote erfolgten nach SS 3 Vereinsgesetz, da Zwecke und Tätigkeiten der Vereine den Strafgesetzen zuwiderliefen und diese sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richteten. Die Vereinstätigkeiten bestanden aus antisemitischer und revisionistischer Propaganda, Leugnung des Holocaust und Verherrlichung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Zeitgleich mit dem Verbot wurden bundesweit rund dreißig Objekte durchsucht, Beweismaterial und Vermögenswerte sichergestellt sowie die Internetseiten der Vereine gesperrt. Die Vermögensbeschlagnahme umfasste auch das Seminargebäude des CH in Vlotho / NW, das sich zuletzt im Eigentum der "Bauernhilfe e.V." befand. Der VRBHV verzichtete auf eine Klage gegen das Verbot, wodurch die Verbotsverfügung rechtskräftig ist. CH und "Bauernhilfe e.V." gingen gerichtlich gegen das Verbot vor. Mit Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.08.08 wurden die Verbotsverfügung und die Einbeziehung der "Bauernhilfe" ins CH-Verbot für grundsätzlich 211 Rechtsextremismus rechtmäßig erklärt. Die Entscheidung im Hauptsacheverfahren steht noch aus. VRBHV und CH waren personell und ideologisch eng miteinander verbunden. Ziel des von MAHLER 2003 initiierten VRBHV war es, den wegen Verstößen gegen SS 130 StGB und Leugnung des Holocaust Verurteilten "Unterstützung im Rechtsstreit" zu gewähren und die Wiederaufnahme aller Strafverfahren wegen Holocaustleugnung zu erreichen. Schwerpunkt der Vereinstätigkeit war der "Feldzug gegen die Offenkundigkeit des Holocaust", zu dem die Verbreitung volksverhetzender Propaganda sowie der Kampf gegen den SS 130 StGB gehörten. Zu den Mitbegründern des Vereins gehörten diverse bekannte Revisionisten und Holocaustleugner. Er war zuletzt von einem rechtskräftig wegen Volksverhetzung verurteilten ehemaligen NPD-Funktionär geleitet worden. Das 1963 in Vlotho/NRW von einem ehemaligen NS-Funktionär gegründete und zuletzt von dessen Witwe geleitete CH hatte sich in den letzten Jahren zu einer häufig frequentierten Tagungsstätte von "Holocaustleugnern" und Rechtsextremisten entwickelt. Erklärtes Vereinsziel war die "Herbeiführung des Volksaufstandes". Die von der CH-Vorsitzenden geleitete Teilorganisation "Bauernhilfe e.V." war offensichtlich 2004 in Vlotho gegründet worden, um die Vermögenswerte des CH vor staatlichem Zugriff zu sichern. Die Leiterin des CH war in der Vergangenheit wiederholt rechtskräftig wegen Volksverhetzung verurteilt worden und gilt als "völlig uneinsichtig(e)", "unbelehrbare politische Überzeugungstäterin". Zuletzt wurde sie am 21.10.08 vom LG Bielefeld wegen Holocaustleugnung zu einer Geldstrafe von 1.800 Euro verurteilt (noch nicht rechtskräftig). Zu den maßgeblichen Unterstützern des CH gehörte auch Horst MAHLER, der zuletzt vom 29. bis 30.03.08 in Mosbach/ TH auf einer CH-Tagung vor etwa 70 Teilnehmern als Redner auftrat. CH und VRBHV wurden auch von Hamburger Revisionisten unterstützt. Insbesondere Klaus KAPING tat sich durch seine Unterstützung und aktive Agitation im Sinne der Vereinsziele und durch seine Mitwirkung in allen Vereinen hervor. Er war Autor der CH-Schrift "Lebensschutzinformationen - Stimme des Gewissens" (LSI) und wegen seiner volksverhetzenden, reichsfordernden und systemablehnenden Äuße212 Rechtsextremismus rungen bereits zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Während seiner Prozesse hatte er sich äußerst uneinsichtig gezeigt und seine Agitation fortgesetzt. Erste rechtsextremistische Reaktionen auf das Verbot enthielten Beleidigungen des BMI und der Bundesrepublik Deutschland, deren "gegenwärtige Herrscher" im Gegensatz zur "nationalsozialistischen Staatsführung" nicht "demokratisch legitimiert" seien. Neben Bewunderung, Durchhalteparolen und Bekenntnissen zum Nationalsozialismus wurde behauptet, die Verbote seien auf Befehl der Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland bzw. als Geschenk an den jüdischen Staat erfolgt. Die CH-Vorsitzende bezeichnete das Verbot der "Bauernhilfe" als "Ausplünderung" und forderte Protest und Gegenwehr: "Es liegt an uns", wie lange die "Übergangsregelung BRD, siehe Art. 146 GG, noch bestehen wird". Es ist davon auszugehen, dass die meisten Anhänger der verbotenen Organisationen ihre revisionistische und antisemitische Hetze fortsetzen. Der Verlust der Tagungsstätte in Vlotho stellt für die Szene jedoch eine schmerzhafte Einbuße dar. 213 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Scientology-Organisation VI. Scientology-Organisation (SO) 1. Zielsetzungen Die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren des Bundes und der Länder (IMK) stellte im Juni 1997 fest, dass hinsichtlich der Scientology-Organisation (SO) tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorliegen und deshalb die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden gegeben sind. So wurde in den meisten Ländern verfahren. Nach öffentlichen Verbotsforderungen im Jahr 2007 erhielten die Verfassungsschutzbehörden von der IMK den Auftrag, die Voraussetzungen für ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die SO zu prüfen. Im November 2008 nahm die IMK das Ergebnis der Prüfung zur Kenntnis und kam zu der Auffassung, dass die verfassungsfeindliche Zielsetzung der SO eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz in Deutschland weiterhin erforderlich macht. Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens im Hinblick auf ein Verbot wurde nicht als zielführend betrachtet, weil es an den Voraussetzungen mangele. Bereits im November 2004 hatte das Verwaltungsgericht Köln nach einer Klage zweier Scientology-Kirchen gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz die Rechtmäßigkeit der Beobachtung bestätigt. Am 12.02.08 verloren die Kläger in einer Berufungsverhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht Münster erneut. Das Gericht ließ keine Revision zu und machte deutlich, dass tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Kläger bzw. ihre Mitglieder Bestrebungen verfolgen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Aus Schriften und Aktivitäten der SO ergäben sich Hinweise, dass Scientology eine Gesellschaftsordnung anstrebe, in der zentrale Verfassungswerte wie die Menschenwürde und das Recht 216 Scientology-Organisation auf Gleichbehandlung außer Kraft gesetzt oder eingeschränkt werden sollten. Die Kläger legten Beschwerde gegen die Nichtzulassung einer Revision ein. Scientologen geht es bei rechtlichen Auseinandersetzungen nicht allein um den Gewinn eines Verfahrens. Prozesse können laut L. Ron Hubbard [("LRH"), dem 1986 verstorbenen Gründer der SO] auch einen anderen Nutzen haben: "Der Zweck von Prozessen ist, zu quälen und zu entmutigen, nicht so sehr zu gewinnen." (Hubbard, A Manual on the Dissemination of Material, 1955). Am 30.04.08 teilten die Kläger - nun offenbar selbst entmutigt - ihre Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde mit. Seit der Prozessniederlage verfolgt die SO eine neue Taktik der Anpassung. Es kam zu Grundsatzerklärungen der Scientology-Kirchen in Deutschland, die ein Bekenntnis zu Menschenrechten und zur Demokratie beinhalten. Diese Bekenntnisse führten allerdings nicht zu Veränderungen im scientologischen Alltag oder in der Ideologie der Organisation und können deshalb nur als taktisch motiviert betrachtet werden. Scientologen verfügen über ein elitäres, mit Expansionsabsichten angereichertes Bewusstsein, sehen Niederlagen nur als vorübergehende Hindernisse und sind mit einem Feindbild ausgestattet, dem sie die Schuld für ihre eigenen Misserfolge zuweisen können. Scientologen sehen sich im ständigen Kampf mit der Unterdrückung und dem Bösen auf der Welt, das gegen sie und ihre Expansionsbestrebungen gerichtet ist: "Das letztendliche Ziel ist nicht nur eine gerettete Zivilisation, sondern ein geklärter Planet. [...] Die Zustände auf der Welt machen es erforderlich, dass wir uns der gesamten Menschheit annehmen. Zu diesem Zweck machen von der IAS gesponserte Kampagnen unterdrückerische Elemente unschädlich; ..." ("Impact" 117/2007, internes Magazin der IAS = International Association of Scientologists). Die Scientologen betrachten sich als "das natürliche Angriffsziel jener, die nur durch Hass getrieben sind". Es liegt nur an ihnen, Freiheit und Glück auf dieser Welt einzurichten, "weil auf der Erde wir allein - wir Scientologen - die Tech und das Herz haben, das Böse dieser Welt zu bekämpfen." Die scientologisch beabsichtigte "Neugestaltung der 217 Scientology-Organisation Erde" erfolgt unter dem Aspekt: "Der Preis der Freiheit: Ständige Wachsamkeit, ständige Bereitschaft zurückzuschlagen." (Impact 117) Aus solchen Formulierungen wird deutlich, dass die SO die Einrichtung eines totalitären scientologischen Systems beabsichtigt. Hubbard sprach von dem Plan "Regierung der Erde" (International City, 1964). In einem Richtlinienbrief (HCO PL 13.02.65) bekräftigte er, worauf es ankomme: "Wir können [...] den Schluss ziehen, dass die erste wahre Demokratie dann auftauchen wird, wenn wir jedes Individuum von den bösartigen reaktiven Impulsen befreit haben. Solche Wesen können vernünftig denken ..." "Solche Wesen" sind Scientologen. Durch Auditing (Sitzungen mit Psychotechniken und Verhörmethoden) lassen sich nach ihrer Doktrin Individuen gestalten, die frei von Aberrationen (Abirrungen) sind und dann eine "vernünftigere" Welt schaffen. Aberrierte sind aus der Sicht von Scientologen geistig gestörte Menschen. Als aberriert werden Nichtscientologen und auch die von ihnen verantworteten Demokratien betrachtet. Auf dem Weg zu einer scientologischen Welt, einer "neuen Zivilisation", sollen nicht nur Kritiker "unschädlich" gemacht und anderen Menschen die Bösartigkeit ausgetrieben werden, sondern es wird auch fleißig geworben: Im Newsletter "Planetary Dissemination", Ausgabe III/2008, wurde die Verbreitung von Scientology durch LRH-Bücher in europäischen Bibliotheken ("Sie müssen die Bücher in die örtliche Bibliothek bringen.") mit einem Hubbard-Zitat bekräftigt: "Sie haben die mächtigste Waffe, die je auf der Erde geschaffen wurde, zur Hand: Scientology." SO-Publikationen Eine "Spendenkampagne für Bibliotheken" mit dem Hinweis "Bringen Sie LRH-Bücher in jede Bibliothek auf der Erde" wurde bereits in der Scientology-Broschüre "Freewinds", Ausgabe 70/2007, mit einem "Wettlauf um das Schicksal der Erde" begründet: "Auf diesem pla218 Scientology-Organisation netarischen Feldzug, alles aus dem Weg zu räumen, was einer neuen Zivilisation im Weg steht, werden wir diesen Planeten klären können, wenn wir der Weltbevölkerung LRHs Bücher bringen." 2. Strukturen und Organisationseinheiten der SO Die in Großstädten angesiedelten Scientology-Niederlassungen ("Orgs") dienen der öffentlichen Präsentation der Scientology-Organisation. Sie beherbergen auch Dianetik-Zentren. Kleinere Niederlassungen heißen Scientology-Missionen. (Scientology ist die Lehre vom Wissen, Dianetik der Blick durch die Seele. Hinter diesen Begriffen liegen die ideologischen Grundlagen der SO verborgen.) Die Schwerpunkte scientologischer Aktivitäten in Deutschland liegen seit Jahren unverändert in den Metropolregionen München, Stuttgart, Frankfurt, Düsseldorf, Berlin (Foto), Hannover und Hamburg. Die Behauptungen von Kritikern der Organisation, die SO würde bei entsprechender Aufklärung in andere Regionen ausweichen, haben sich nicht betätigt. Die SO kann sich aus soziologischen und wirtschaftlichen Gründen nur in den Ballungsgebieten halten. Orientiert an Strategien des internationalen Managements sollen die regionalen Niederlassungen expandieren und nach Einfluss in allen gesellschaftlichen und politischen Bereichen suchen. Sie dienen einer Gewinnerzielung durch umfassenden und penetranten Druck gegenüber den Mitgliedern, an Kursen und Spenden teilzunehmen. Durch ideologische Indoktrination sowie Manipulation mit Bestrafungen und Belobigungen erzeugen die Orgs eine Abhängigkeit ihrer Mitglieder. Neben diesem "Kirchenbereich" gibt es weitere spezielle Organisationsteile, die bei ersten Kontakten häufig ihren Scientology-Hintergrund verbergen. Ihre Angehörigen sind vorwiegend Mitglieder der örtlichen "Kirchen", werden von diesen gesteuert oder arbeiten mit ihnen zusammen: 219 Scientology-Organisation Im "World Institute of Scientology Enterprises" (WISE) sind Unternehmen und Geschäftsleute organisiert. Die WISE-Mitglieder sollen scientologische Technologien in die Geschäftswelt einführen und versuchen, Einfluss auf die Politik zu nehmen. Zur "Association of Better Living and Education" (ABLE) gehören Narconon für Drogenentzug, Criminon für Resozialisierung, "Applied Scholastics" (ApS) für Bildung sowie die Kampagnen "Der Weg zum Glücklichsein" und "Operation: Ein friedvoller Planet". Diese beiden Kampagnen sind inhaltlich identisch und scheinbar unverfänglich, bereiten aber den Nährboden für eine Scientologisierung. Internetseiten des LfV / Archiv / 2007 / Scientology / "Vorsicht: Verdeckte Werbung für die SO. Das Heft 'Der Weg zum Glücklichsein'" Die früher in Itzehoe (Schleswig-Holstein) ansässige Narconon-Niederlassung scheiterte bereits vor Jahren und musste den Standort aufgeben. Ein neuer Narconon-Sitz wurde in Norddeutschland nicht eingerichtet. Von Criminon Deutschland e.V. mit seinem Sitz in Barsbüttel (Schleswig-Holstein) wurden im Jahr 2008 keine Aktivitäten bekannt. Der internationalen Organisationseinheit für Bildung, ApS, die in Hamburg über keine festen Strukturen verfügt, gehören nur wenige Hamburger Scientologen an, die Nachhilfeunterricht anbieten oder an einer dänischen ScientologySchule als Lehrer tätig sind. Die "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte" (KVPM) überzieht die Psychiatrie mit einer anhaltenden Hetzkampagne. Scientologen nehmen für sich in Anspruch, allein für jegliche geistige Heilung und für psychische Betreuung zuständig zu sein. Das kann für Kranke allerdings äußerst gefährlich werden, weil Scientologen Psychopharmaka strikt ablehnen und stattdessen zum Beispiel Vitamine zur Behandlung empfehlen. Die KVPM-Wanderausstellungen tragen den Titel "Psychiatrie - Tod statt Hilfe". 220 Scientology-Organisation Die SO-Untergliederungen "Jugend für Menschenrechte" und "Sag Nein zu Drogen - Sag Ja zum Leben" setzten ihre Kampagnen auch 2008 in Deutschland fort. Einen umfassenden Überblick zu diesen und weiteren Organisationseinheiten sowie Befehlsund Aufsichtsstrukturen des internationalen Managements der SO in den USA und der regionalen Niederlassungen bietet die Rubrik Arbeitsfelder / Scientology / Strukturen auf der Internetseite des LfV Hamburg. 3. Aktivitäten Die Aktivitäten der SO in Deutschland zielten Anfang 2008 darauf, ihren Status als Religionsgemeinschaft zu unterstreichen. Obwohl religiöse Inhalte im scientologischen Alltag nur eine Nebenrolle spielen, geriert sich die SO als eine verfolgte und unterdrückte Religionsgemeinschaft. Ende Januar 2008 machte die SO auf eine "groß angelegte Verteilaktion" aufmerksam: "Scientology wird weltweit als Religionsgemeinschaft anerkannt." Es war von einer halben Million Flugblättern die Rede, und in diesem Kontext wurde eine neue Internetseite eingerichtet. Im Februar weitete die Scientology-Kirche Deutschland e.V. die Kampagne aus und schrieb "Würdenträger aus Politik und öffentlichem Leben" an, um sie über die angeblich weltweite Anerkennung zu informieren: "Landtagsund Bundestagsabgeordnete, Bürgermeister, Stadtund Gemeinderäte wurden kontaktiert." In Hamburg kam es von Februar bis April 2008 zu einer Vielzahl von Versammlungen und Flugzettelverteilungen zu diesem Thema, vorwiegend organisiert von Angehörigen der Hamburger Org. Dabei wurde die Botschaft, die SO sei weltweit als Religionsgemeinschaft anerkannt, in Briefkästen Hamburger Bürger und in die Öffentlichkeit getragen. Tatsächlich wurde die SO in einigen Ländern anerkannt. Auch in dem von der SO verlorenen Rechtsstreit vor dem OVG Münster (s.o.) hatte die SO immer wieder auf ihre religiösen Aspekte verwiesen. Der 221 Scientology-Organisation vehemente Einsatz der Scientologen für ihren Religionsstatus insbesondere in den Jahren 2007 und 2008 diente vor allem propagandistischen Zwecken. Damit wollten sie von ihren Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ablenken. Im Rahmen einer weiteren Kampagne versandte die SO im Frühjahr 2008 diverse Pakete ihrer grundlegenden Bücher an deutsche Bibliotheken. Zusätzlich begannen Hamburger Scientologen im April damit, Bücherstände in Hamburg und in angrenzenden Bereichen benachbarter Bundesländer aufzustellen. In Schleswig-Holstein bemühten sich Hamburger Scientologen Ende April in Travemünde um den Verkauf ihrer Schriften an Einwohner und Urlauber. Nicht nur in Hamburg wurde dafür trainiert. Scientologen aus ganz Europa sollten sich Anfang Mai in der Scientology-Europazentrale in Kopenhagen darin unterweisen lassen, wie sie durch Bücherverkauf Freunde, Familie und andere Personen für die SO gewinnen könnten. Neben dem Verkaufstraining ging es auf dieser "Ersten Europäischen Tagung für Scientologen" um Expansionsstrategien. Zur Strategie der SO gehört es, Botschaften zu unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Themen durch Nebenorganisationen zu transportieren, die auf den ersten Blick keinen scientologischen Zusammenhang erkennen lassen. Eine breite Angebotspalette soll dafür sorgen, dass sich ein Interesse an problematischen Themen entwickelt und danach die Suche nach einer Lösung mit einem alternativen Programm der SO verknüpft werden kann. So wurden 2008 zunächst in St. Georg und dann in verschiedenen Hamburger Stadtteilen regelmäßig Scientology-Broschüren zum Thema Drogen verteilt. Nachdem sich in St. Georg allerdings herumgesprochen hatte, dass es sich um Scientologen handele, die sich dort mit dem Tenor "Sag Nein zu Drogen - Sag Ja zum Leben" aufdrängten, lehnten einige Geschäftsleute eine Auslage der Broschüren ab. Eine türkische Zeitung hatte über den Scientology-Hintergrund dieser AntiDrogengruppe bereits im Dezember 2007 berichtet. Am 26.06.08 kam es anlässlich eines "Internationalen Tages gegen Drogenmissbrauch" zu einer Antidrogen-Demonstration der Scientologen in der Hamburger Innenstadt mit 10 - 15 Teilnehmern. 222 Scientology-Organisation Die Verteilung einer Broschüre mit dem Titel "Die Fakten über Drogen" wurde Ende des Jahres nach Angaben der Scientology-Kirche Hamburg e.V. verstärkt, um "die Menschen zu einem drogenfreien Weihnachten anzuregen". Im zweiten Halbjahr 2008 wandte sich eine kleine Gruppe Hamburger Scientologen als "Jugend für Menschenrechte" intensiver als zuvor durch angemeldete Kundgebungen in Hamburg und im Umland an die Öffentlichkeit. Sie wiesen Passanten auf Menschenrechtserklärungen der Vereinten Nationen hin und sammelten Unterschriften für eine breite Bekanntmachung von Menschenrechten. Angehörige der Eppendorfer Org (mit Sitz in Barmbek-Süd) versorgten 2008 regelmäßig Briefkästen in Barmbek und angrenzenden Stadtteilen mit Flyern, in denen zu Vorträgen im "Dianetik - Informationszentrum" ihrer Org eingeladen wurde: "Die Macht des Unbewussten", "Das Geheimnis der Leistungsfähigkeit", "Haben Sie vor diesem Leben gelebt?" oder "Warum werde ich nicht verstanden?" lauteten die Themen. Die Werbeaktivitäten hatten keinen Erfolg. Die Dianetiker der Eppendorfer Org blieben meist unter sich. Bereits seit Jahren tourt die KVPM mit einer Ausstellung unter dem Titel "Psychiatrie - Tod statt Hilfe" durch Deutschland. Diesmal fand die Ausstellung in Barmbek vom 17.06. bis 05.07.08 statt. Mit brutalen Bildern und Filmen wurde dieser ärztliche Berufsstand auf der Ausstellung diffamiert, um unterschwellig den Boden für eine scientologische Alternative zu bereiten. Es war nicht für jeden Besucher zu erkennen, dass die SO dahintersteckte. Bei Nachfragen zum Hintergrund der KVPM blieben Scientologen in der Ausstellung im Unverbindlichen: Das sei eine aus den USA stammende Kritik an der Psychiatrie, mit der man nun hier in Europa ebenfalls aktiv werde. Zunächst wurde Scientology mit keinem Wort erwähnt. 223 Scientology-Organisation Noch konspirativer versucht sich der sogenannte scientologische Geheimdienst "Office of Special Affairs" (OSA) zu bewegen. Neben Öffentlichkeitsarbeit und der Regelung rechtlicher Angelegenheiten ist diese Organisationseinheit weiterhin mit verdeckten Observationen aktiv. Auch 2008 konnten OSA-Agenten aus dem Ausland und aus Hamburg trotz ihres konspirativen Verhaltens dabei festgestellt werden, wie sie im September SO-Kritikern in Hamburg nachstellten. Hamburger Scientology-Funktionäre reisten im Herbst zum "größten Treffen von Scientologen auf dem Planeten" nach Saint Hill in England. Dort fand vom 24. bis 26.10. der 24. Jahrestag der "International Association of Scientologists" (IAS) mit etwa 2.000 Teilnehmern statt. Für viele Scientologen ist nach ihrer Mitgliedschaft in der regionalen Kirche auch eine Mitgliedschaft in der IAS obligatorisch. Diese internationale Vereinigung von Scientologen kassiert Beiträge und erhebliche Spenden und finanziert damit weltweit diverse "planetarische Rettungskampagnen". Die IAS will "das Schicksal der Erde neu gestalten". Durchhalteparolen, Erfolgsberichte, Belobigungen und Expansionsseminare kennzeichneten dieses Treffen. Für eine "globale Verbreitung" hatte die IAS für das Jahr 2008 drei Phasen entwickelt (Impact, Ausgabe 118/2008). Seit März lief die erste Phase mit "Programmen zur Verbesserung der Gesellschaft". Dazu gehörten Menschenrechtspropaganda und Anti-Drogen-Aktivitäten durch eine weltweite Verbreitung von Videos. In der zweiten Phase kam es ab Mai 2008 zum "Vorstoß in den Cyberspace" mit grundlegenden Elementen scientologischer Ideologie wie Dianetik und der Möglichkeit, online Scientology-Kirchen zu kontaktieren. Im Rahmen der "3. Komponente beim Klären des Planeten" wurden seit Herbst 224 Scientology-Organisation 2008 die Internetseiten "Innerhalb einer Scientology Kirche" und "L. Ron Hubbard: Gründer" präsentiert. Im Magazin Impact hieß es dazu: "All unsere Strategien [...] greifen ineinander, um eine neue Zivilisation hervorzubringen. Das bedeutet, dass die Menschen letztendlich auf unsere Scientology Kirchen verwiesen werden müssen." Zum Programm gehört, dass "die Ziele der Scientology erreicht werden, und diese Kampagnen führen zu diesem Ziel - der Auditingsitzung und Scientology an sich." Genau das soll am Ende stehen: Durch Auditing manipulierte und willfährige Scientologen in einem totalitären System. 4. Strukturen in Hamburg / Mitgliederzahlen Im Gegensatz zu der weltweiten Propaganda der SO, die Fortschritte in der Expansion glauben machen will, kamen die Scientologen in Hamburg nicht von der Stelle. Die "Scientology-Gemeinde Nord e.V." in Altona ist die Nachfolgerin der bereits früher nur mäßig aktiven Scientology-Mission Eppendorf e.V.. Drei hochrangige Funktionäre der Hamburger Org versuchen, diese "Gemeinde" über Wasser zu halten. Doch sie dümpelte inaktiv vor sich hin. Dem bereits Anfang 2007 ausgerufenen Ziel, neue Mitglieder zu gewinnen, ist diese Gemeinde bislang nicht nähergekommen. Im April 2008 setzte die "Scientology-Kirche Eppendorf e.V." / Eppendorfer Org ihre jahrelange Odyssee durch Hamburger Stadtteile fort und verzog von Hohenfelde nach Barmbek-Süd in kleinere Büroräume mit geringeren Mietkosten. 225 Scientology-Organisation Die in der Innenstadt gelegene "Scientology Kirche Hamburg e.V." / Hamburger Org soll an Attraktivität gewinnen. Umbauten und Renovierungen sind geplant. Nach internen Verlautbarungen strebt die Hamburger Org den Status "Ideale Org" an. "Ideale Org" ist ein Synonym für eine erfolgreichere Org an einem strategischen Platz mit Einfluss in alle gesellschaftlichen und politischen Bereiche. Doch wie bereits in Berlin (dem Standort der ersten Idealen Org in Deutschland) würde auch in Hamburg vieles Fassade bleiben. Der Expansion und dem Erfolg wurde das Wort geredet, während hinter den Mauern der Hamburger Org Kurszeiten reduziert wurden und sich Scientologen Gedanken um einen Mitgliederschwund machen mussten. Auch die auf Außenwirkung zielenden Aktivitäten - wie die ohnehin stets zaghaften und erfolglosen Kontaktsuchen zu gesellschaftlichen oder politischen Bereichen - ließen nach. Expansionserfolge stellten sich nicht ein. Eine mögliche "Beförderung" zur Idealen Org wird sicher die Expansionsgelüste der Hamburger Scientologen beflügeln, doch reale Erfolge sind dadurch kaum zu erwarten. Scientologen aus der Hamburger Org engagierten sich auch 2008 für die Kampagnen der "Jugend für Menschenrechte" und des Vereins "Sag Nein zu Drogen - Sag Ja zum Leben". Das Büro der KVPM-Ortsgruppe Hamburg in Wandsbek war selten besetzt, die Gruppe offenbar inaktiv. Zum Jahresende wurde das Büro geräumt und aufgegeben. Ein neuer Standort der KVPM-Gruppe wurde bislang nicht bekannt. Das "World Institute of Scientology Enterprises" (WISE) ist in Hamburg mit einem Charterkomitee vertreten. Es kontrolliert etwa 30 kleine Unternehmen in unterschiedlichen Branchen, deren Angehörige der scientologischen Ideologie unterworfen werden. Um keine geschäftlichen Nachteile zu erleiden, sind 226 Scientology-Organisation die Hamburger Scientology-Firmen allerdings eher um Unauffälligkeit bemüht als um offensives Expansionsverhalten im Sinne der SO. Von knapp 700 Scientologen in Hamburg und Umgebung (2007: etwa 750) gehören ca. 50 zur Eppendorfer Org und 650 zur Hamburger Org. Nur annähernd die Hälfte wird auf größeren Scientology-Veranstaltungen oder durch Teilnahme an Kursund Klassifizierungssystemen der SO auffällig. Weniger als ein Drittel beteiligen sich regelmäßig an Aktivitäten in der Organisationsoder Öffentlichkeitsarbeit und somit an dem Versuch strukturierter Verbreitung scientologischer Ideologie. Der Mitgliederbestand ist zudem überaltert. Außer Kindern von Scientologen finden kaum junge Leute zur Organisation. Weil der Nachwuchs fehlt, machten sich Scientologen in Hamburg bereits Gedanken, wie sie die SO für Jugendliche attraktiver erscheinen lassen könnten. In Hamburg ist somit ein leichter Abwärtstrend zu verzeichnen. Bundesweit stagniert die Verbreitung von Scientology, und die Mitgliederzahlen liegen wie in den Vorjahren bei etwa 5.000 - 6.000. Der "Commanding Officer Europe" der SO teilte Ende 2008 - Hubbard zitierend - deutschen Scientologen mit, dass "die Macht einer Organisation an der Anzahl der Mitglieder gemessen wird, die sie hat." Die nach Macht strebende SO will öffentlichen Behauptungen ihres Managements zufolge weltweit zehn Millionen Scientologen zählen. Nach internen SO-Unterlagen sind der SO allerdings seit 2007 nur knapp 100.000 Mitglieder zuzurechnen. Möglicherweise sind es sogar noch weniger: Ende 2008 sollen sich in Los Angeles/USA, eine der Regionen mit den weltweit meisten Scientologen, die Mitgliederzahlen und Einnahmen erheblich reduziert haben. Nach allem klaffen damit Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander. Gefährlich an der Organisation bleiben ihre Manipulation von Menschen und ihre Absicht politischer Einflussnahme mit verfassungsfeindlicher Intention. 227 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Spionageabwehr VII. Spionageabwehr 1. Überblick Aufgabe der Spionageabwehr ist die Sammlung und Auswertung von Informationen über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht. Die überwiegende Arbeit der Spionageabwehr besteht aus dem Zusammentragen einzelner "Puzzleteile", um aktuelle Lagebilder über die Aufklärungsaktivitäten fremder Nachrichtendienste in unserem Land erstellen zu können. Dabei richtet die Spionageabwehr ihr besonderes Augenmerk auf Informationen über Angriffsziele, Personalstärke, Strukturen und Arbeitsweisen (z.B. Werbungsmethoden, Ausbildung, Verbindungswege, nachrichtendienstliche Hilfsmittel) fremder Nachrichtendienste. Wie bisher lagen die klassischen Ausspähungsziele fremder Nachrichtendienste in den Bereichen Militär, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Technik. Insbesondere China und Russland sind in der Nachrichtenbeschaffung auf den vorgenannten Feldern aktiv. Über aktuelle Fälle wird regelmäßig in den Medien berichtet, wobei im Jahre 2008 Symbolfoto besonders häufig Beiträge zu den Themen "Wirtschaftsspionage" und "Spionage über das Internet" zu lesen waren. Das LfV Hamburg ist hier über seinen Bereich Geheimschutz ( VIII.) in der vorbeugenden Bekämpfung von Wirtschaftsspionage und in den Wirtschaftsschutz eingebunden. Eine weiteres Ziel fremder Nachrichtendienste in der Bundesrepublik Deutschland ist die Ausforschung und Bekämpfung von Regimegegnern aus Ländern wie Iran, Syrien, Libyen und China. Im Fokus der Spionageabwehr stehen auch die Aufklärung und Abwehr der Aufrüstungsversuche einzelner Länder (u.a. Iran, Syrien, Nordkorea, Pakistan) mit atomaren, biologischen sowie chemischen Waffen. 230 Spionageabwehr Hier galt die besondere Aufmerksamkeit wie in den Jahren zuvor dem Atomprogramm Irans. Das Ziel fremder Nachrichtendienste in Deutschland ist zumeist der Aufbau verdeckt operierender Informationsund Beschaffungsnetzwerke, innerhalb derer angeworbene Einzelpersonen agieren; im Bereich der Wirtschaftsspionage und der Proliferation vor allem unter der Tarnung legal am Geschäftsleben teilnehmender Unternehmen. 2. Proliferation und Wissenstransfer der Nachrichtendienste der "Krisenländer" Die als "proliferationsrelevant" bezeichneten Staaten (früher "Krisenländer" genannt) bemühen sich nach wie vor um die Beschaffung von Produkten zur Herstellung von atomaren, biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen (Proliferation) und der entsprechenden Trägertechnologie (Raketentechnik) in den Industrieländern. Angesichts seiner fortwährenden Bestrebungen zum Ausbau der Kapazitäten für die Urananreicherung sowie der strikten Weigerung einer aktiven Zusammenarbeit mit den entsprechenden Aufsichtsbehörden (IAEO) gilt Iran weiterhin als das in dieser Hinsicht gefährlichste Land. Weitere Länder mit proliferationsrelevanten Aktivitäten sind Syrien, Pakistan und Nordkorea. Diese Staaten sind aufgrund der unzureichenden technologischen Infrastruktur im eigenen Land in hohem Symbolfoto Maße darauf angewiesen, entsprechende Produkte und das zu ihrer Herstellung erforderliche Know-how aus den hierfür in Frage kommenden Lieferländern zu beziehen. In diesem Zusammenhang steht insbesondere die Bundesrepublik Deutschland als Standort von zahlreichen innovativen und kompetenten Unternehmen und Forschungseinrichtungen auf dem Gebiet der betroffenen Risikotechnologien im Fokus der Beschaffungsversuche dieser Länder. 231 Spionageabwehr Aufgrund des in Deutschland praktizierten restriktiven Exportkontrollverfahrens sind diese Staaten zur Umgehung der geltenden Ausfuhrbestimmungen auf eine aktive Einbindung ihrer Nachrichtendienste in die Aktivitäten der für den Einkauf der proliferationsrelevanten Güter zuständigen staatlichen Beschaffungsorganisationen angewiesen. Somit zählen sowohl die Beschaffung der benötigten Embargoprodukte als auch das gezielte Gewinnen von militärischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Informationen, die zur Herstellung und Anwendung dieser Güter benötigt werden, zu den wichtigsten Aufgabenschwerpunkten der im Bundesgebiet tätigen Mitarbeiter der Nachrichtendienste dieser Staaten. Zur Verschleierung von Beschaffungsaktivitäten haben die proliferationsrelevanten Staaten mittlerweile zahlreiche Methoden entwickelt: * Beteiligung von Zwischenhändlern im eigenen Land oder in Drittländern, * Gründung von Tarnfirmen, * Umweglieferungen über Drittstaaten, * Fälschung bzw. Manipulation der Exportdokumente. Um eine möglichst wirksame Bekämpfung bzw. Verhinderung von proliferationsrelevanten Aktivitäten gewährleisten zu können, sind die Verfassungsschutzbehörden auf die Mitwirkung aller Personen und Unternehmen angewiesen, die im Fokus fremder Nachrichtendienste stehen können. In diesem Zusammenhang besitzen gerade die Unternehmen, die als Hersteller oder Lieferanten sensibler Güter mit einer Einsatzmöglichkeit im Bereich der Massenvernichtungswaffen in Frage kommen, eine besondere Verantwortung. Diese Firmen können sich im Strafverfolgungszwang und kann Falle eines Verdachts auf entsomit die Interessen und Belange sprechende Beschaffungsaktivider Personen und Firmen berücktäten vertrauensvoll an das Lansichtigen, die ihm Informationen desamt für Verfassungsschutz zur Verfügung stellen. Bei Hin(LfV) Hamburg wenden. Da der weisen und Fragen zu diesem Verfassungsschutz nicht zu den Thema steht das LfV Hamburg Strafverfolgungsbehörden zählt, mit Rat und Tat zur Seite. unterliegt er auch nicht dem 232 Spionageabwehr Selbstverständlich sind Hinweis"Proliferation - das geht uns an" geber nicht zu einer Preisgabe zur Verfügung. ihrer Personendaten verpflichtet und können sich auch anonym an das LfV wenden. Alle eingehenden Informationen werden grundsätzlich vertraulich behandelt. Weitere Informationen zum Thema Proliferation finden sich unter der Internetadresse www. verfassungsschutz.de. Hier steht die vom Bundesamt für Verfassungsschutz und den Verfassungsschutzbehörden der Länder herausgegebene Broschüre 3. Wirtschaftsspionage Die Bedeutung der Wirtschaftsspionage für den Standort Deutschland wurde im Jahre 2008 in den Medien herausgestellt. In der öffentlichen Diskussion wird dabei zumeist nicht zwischen Wirtschaftsspionage und der Konkurrenzbzw. Industriespionage unterschieden: Bei der Konkurrenzoder Industriespionage handelt es sich um die Ausforschung, die ein Unternehmen gegen ein anderes betreibt. Unter Wirtschaftsspionage wird die staatlich gelenkte oder gestützte und von fremden Nachrichtendiensten ausgehende Ausforschung von Deutschland Wirtschaftsunternehmen verstanden. Nur dieser Bereich der nachrichtendienstlichen Tätigkeit fällt in die Zuständigkeit der Spionageabwehr Ausforschungsziel der Verfassungsschutzbehörden. Sie stellt einen Teilaspekt in der Abwehrtätigkeit der Spionageabwehr dar. fremder Nachrichtendienste In der Praxis ist diese strikte Trennung zwischen LfV Wirtschaftsund Industriespionage zunächst meist nicht vorzunehmen und erst bei weiterem Fortgang von Ermittlungen und zusätzlichem Erkenntnisgewinn möglich. Die Zuständig233 Spionageabwehr keit des Verfassungsschutzes ist solange begründet, wie zumindest Anhaltspunkte für den Verdacht nachrichtendienstlicher Steuerung vorliegen. Besonders die Erfahrungen deutscher Firmen und ihrer Repräsentanten in China zeigen, dass dieser Staat auf den verschiedensten Ebenen eine konsequente und gut durchdachte Strategie verfolgt, um möglichst zum "Nulltarif" modernstes Know-how zu erlangen. Immer mehr Unternehmen aus allen Branchen klagen - mittlerweile öffentlich -, dass man ihnen in China ihre Technologie "gestohlen" habe. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Aktivitäten der Russischen Föderation, die - bei aller Annäherung an den Westen - offenbar nicht auf die Möglichkeiten nachrichtendienstlicher Informationsbeschaffung verzichtet. Dabei eröffnen weltweite Informationsund Kommunikationsnetze der Spionage völlig neue Dimensionen. Fast täglich waren im Berichtsjahr Meldungen über die Verwundbarkeit dieser modernen Technik mit teils enorm schädlichen Folgen zu lesen: Wirtschaftsspionage mit "Trojanern", die Zunahme erkannter Schwachstellen in komplexen Softwaresystemen, globale Computerviren-Attacken, Sicherheitslücken bei der Internet-Telefonie, die Ausspähung von Symbolfoto, Microsoft Passwörtern und PINs mit gefälschten E- Mails durch Spionagesoftware sowie die generelle Abhörmöglichkeit von manipulierten Mobiltelefonen und Telekommunikationsanlagen. Wenngleich der Ruf von Sicherheitsverantwortlichen in den Unternehmen nach mehr staatlicher Unterstützung zwar nachzuvollziehen ist, sind die Unternehmen jedoch nicht von der ihnen obliegenden Eigenvorsorge befreit, ihre Betriebsgeheimnisse wirkungsvoll zu schützen. Die Zusammenarbeit der hamburgischen Wirtschaft mit dem Verfassungsschutz Hamburg wird deshalb fortgesetzt. 234 Spionageabwehr 4. Die Nachrichtendienste der Russischen Föderation Die Bundesrepublik Deutschland ist seit vielen Jahren bevorzugtes Aufklärungsgebiet der russischen Nachrichtendienste. Sie haben d lan den Auftrag, wichtige Informationen aus Politik, Militär, Wirtschaft und Wissenschaft s s zu beschaffen. Die Wirtschaftsund WisRu senschaftsspionage wurde in Artikel 5 des Gesetzes der Russischen Föderation über die Auslandsaufklärung ausdrücklich legitimiert. Der Wirtschaftsspionage kommt dabei in der Russischen Föderation immer größere Bedeutung zu. Die mittlerweile mit Spezialisten für die Wirtschaftsaufklärung besetzten Dienste leisten ihren Beitrag zur Linderung der ökonomischen Probleme Russlands. Die in Deutschland tätigen Nachrichtendienstoffiziere der russischen Dienste bedienen sich dabei nach wie vor klassischer Arbeitsmethoden: Die Angehörigen von SWR und GRU nehmen z.B. auf Messen und Fachkongressen Kontakt zu deutschen Firmenvertretern auf und beschaffen zunächst offen zugängliches Material. Besonderes Interesse gilt den Bereichen Informationstechnik, elektronische Systeme, Steuerungssysteme und Forschung. Bei der Anwerbung neuer Agenten erkunden die in Gesprächsführung bestens geschulten Operativoffiziere die Lebensumstände, Zugangsmöglichkeiten und die Eignung ihrer Zielpersonen für eine spätere Zusammenarbeit. Ziel ist es, die "Quelle" in ein sehr enges persönliches, fast freundschaftliches Verhältnis an sich zu binden. 4.1 Für die zivile Auslandsaufklärung ist primär der Auslandsnachrichtendienst Slushba Wneschnej Raswedkij (SWR) zuständig, der über mehr als 13.000 Mitarbeiter verfügen soll. Die Ablösung eines Armeegenerals durch den Wirtschaftsfachmann und ehemaligen russischen Premierminister Michail Jefimowitsch FRADKOW kann als Zeichen dafür gesehen werden, dass der SWR seine Aktivitäten im Bereich der Wissenschaftsund Wirtschaftsspionage ausweiten soll. 235 Spionageabwehr 4.2 Der militärische Auslandsnachrichtendienst Glawojne Raswedywartelnoje Uprawlenije (GRU) untersteht mit seinen ca. 12.000 Mitarbeitern dem Verteidigungsministerium. Sein Auftrag in Deutschland besteht vorrangig in der Informationsbeschaffung aus den Bereichen Bundeswehr und Rüstungstechnik. 4.3 Der zivile Inlandsgeheimdienst Federalnaja Slushba Besopasnosti (FSB) wirbt in Russland unter dem Deckmantel "Spionageabwehr" ausländische Staatsangehörige an, die sich in Russland aufhalten und betreibt somit ebenfalls Auslandsaufklärung. 5. Chinesische Nachrichtendienste Das Ministerium für Staatssicherheit (MSS) ist als ziviler Inlandsund Auslandsdienst der wichtigste Träger der nachrichtendienstlichen Auf- i n a klärung mit ca. 800.000 Mitarbeitern. Das Ziel Ch der Volksrepublik China, den technologischen Abstand zu den führenden Industrienationen zu verringern, wird mit großem Nachdruck und mit weltweiten Aktivitäten der chinesischen Nachrichtendienste betrieben. Es besteht ein permanentes Interesse an wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, technischen und militärischen Informationen. Eine weitere Aufgabe der chinesischen Nachrichtendienste ist die Überwachung und Beeinflussung der außerhalb Chinas lebenden Landsleute sowie der oppositionellen Bewegungen wie der 1999 verbotenen buddhistisch-taoistischen Falun-Gong-Bewegung und der nach Unabhängigkeit strebenden islamischen Uiguren im Nordwesten Chinas. Bei der Informationsbeschaffung in Deutschland werden vorrangig sprachlich ausgebildete Chinesen eingesetzt, die im Rahmen ihrer offiziellen Tätigkeiten Kontakte zu deutschen Dienststellen und Ministerien unterhalten oder Veranstaltungen besuchen, um mit den dortigen Zielgruppen Kontakte zu knüpfen. Hier wird eine Politik des langen Atems betrieben, um eine Freundschaftsbeziehung zu einzelnen Deutschen aufzubauen. Dies kann bei den Umworbenen durchaus als penetrante Belästigung empfunden werden. 236 Spionageabwehr Ein weitere Informationsquelle für die chinesischen Dienste sind in Deutschland lebende Chinesen, die teils als hoch qualifizierte Mitarbeiter bei großen deutschen Unternehmen, in wissenschaftlichen Instituten oder als postgraduierte Studenten tätig sind. Sie werden von den diplomatischen Vertretungen Chinas aufgefordert, "zum Dienst am Vaterland" ihre Kenntnisse für die Entwicklung Chinas zur Verfügung zu stellen. Seit etwa 2006 werden auch elektronische Angriffe mit mutmaßlich chinesischem Ursprung gegen deutsche Regierungsstellen und Wirtschaftsunternehmen beobachtet. Die per E-Mail erfolgenden Angriffe übermitteln eine Schadsoftware, die die infizierten Rechner sowohl ausspähen als auch verändern kann. In China müssen ausländische Besucher insbesondere aus der Wirtschaft und Wissenschaft davon ausgehen, dass sie einer umfassenden Überwachung unterliegen und in Hotels und Konferenzräumen auch abgehört werden. 6. Nachrichtendienste des Nahen und Mittleren Ostens sowie Nordafrikas Viele Nachrichtendienste aus Ländern des Nahen und Mittleren Ostens sowie aus Afrika entfalten in Deutschland Aktivitäten. Zumeist geht es dabei um die Ausforschung und Überwachung in Deutschland lebender Landsleute. Besonderes Interesse gilt dabei Oppositionellen, Studenten oder islamistischen Gruppierungen, die als Bedrohung für das eigene Regime angesehen werden. Die Dienste versuchen, Hinweisgeber zu gewinnen und Informanten in Gruppierungen einzuschleusen, um Informationen über Mitglieder und geplante Aktionen zu erlangen. Insbesondere der iranische Nachrichtendienst VEVAK konzentriert sich hier auf die Beobachtung und Zersetzung der iranischen oppositionellen Gruppen. In den letzten Jahren wurden in Deutschland auch nachrichtendienstliche Aktivitäten aus Syrien, Algerien, Saudi-Arabien und Sudan festgestellt. 237 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz VIII. Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz 1. Allgemeines Im Rahmen des Wirtschaftsschutzes werden geheimschutzbetreute Unternehmen, die geheimhaltungsbedürftige Staatsaufträge erhalten haben, gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) betreut. Die geheimschutzbetreuten Unternehmen sowie andere Hamburgische Wirtschaftsunternehmen nutzen zudem das Informationsund Beratungsangebot des LfV. Im Bereich des Geheimund Sabotageschutzes sowie des materiellen Geheimschutzes strebt das LfV an, durch personelle, technische und organisatorische Vorkehrungen bei Behörden und Einrichtungen einen Microsoft, Symbolfoto Schutz vor der Ausforschung staatlicher geheimhaltungsbedürftiger Informationen durch Unbefugte zu erreichen. Solche amtlich geheim zu haltenden Informationen, sogenannte Verschlusssachen (VS), sind im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse - unabhängig von ihrer Darstellungsform. Sie werden nach ihrer Schutzbedürftigkeit von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung entweder als STRENG GEHEIM, GEHEIM, VSVERTRAULICH oder VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH eingestuft. Entscheidend für die Einstufung ist die Schutzbedürftigkeit im Hinblick auf die Auswirkungen im Fall der Kenntnisnahme durch Unbefugte. 2. Wirtschaftsschutz Ziel des Wirtschaftsschutzes ist es, die Unternehmen für Gefahren insbesondere im Rahmen der Wirtschaftsspionage, der Proliferation, des Know-How-Schutzes und der IT-Sicherheit nachhaltig zu sensibilisieren und die Installation von Schutzmaßnahmen und -konzepten zur Vermeidung und Verringerung von Schadensfällen anzuregen. 240 Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Das Anfang 2007 intensivierte Informationsund Beratungsangebot wurde von den hamburgischen Wirtschaftsunternehmen gut angenommen. Der Schwerpunkt des Beratungsangebotes lag in zahlreichen Vortragsveranstaltungen bei Unternehmen, Interessenverbänden, Arbeitskreisen, Kammern und anderen Vereinigungen. Thematisch standen insbesondere aktuelle Sicherheitsthemen wie der Umgang mit den Terrorlisten von EU und VN sowie der Schutz vor Ausspähungsaktivitäten fremder Nachrichtendienste im Fokus. Im Berichtsjahr wurde zudem durch zahlreiche Veröffentlichungen in regionalen und überregionalen Medien eine intensive Öffentlichkeitsarbeit durchgeführt. Sensibilisiert durch Vortragsveranstaltungen und Veröffentlichungen traten zahlreiche hamburgische Wirtschaftsunternehmen an das LfV Hamburg heran. Auch im Jahr 2008 wurden gemeinsame Veranstaltungen mit dem BMWi zur Einweisung neuer Sicherheitsbeauftragter der geheimschutzbetreuten Unternehmen und zum Schutz von VS in Wirtschaftsunternehmen beim LfV Hamburg durchgeführt. Derzeit befinden sich etwa 350 Unternehmen in der Betreuung des LfV, davon ca. 90 geheimschutzbetreute Unternehmen, hierzu gehören wichtige Industrieunternehmen wie EADS, ThyssenKrupp und auch große Unternehmen der Sicherheitsbranche. 3. Geheimund Sabotageschutz 3.1 Geheimschutz Ziel des staatlichen Geheimschutzes ist es, geheimhaltungsbedürftige Informationen des Staates bestmöglich vor einer Preisgabe an Unbefugte zu sichern. Für VS ist deshalb ein optimaler Schutz zu gewährleisten. Der Umgang mit VS ist nicht nur organisatorisch, sondern auch personenbezogen zu regeln. In konsequenter Fortführung der materiellen Vorkehrungen dürfen nur solche Personen mit VS befasst werden, die dazu nach Maßgabe des personellen Geheimschutzes befugt sind. 241 Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Das Hamburgische Sicherheitsüberprüfungsgesetz (HmbSÜG, Internetseiten des LfV; Wir über uns / Gesetzliche Grundlagen) ist die Grundlage des personellen Geheimschutzes. Sicherheitsüberprüfungen dienen der individuellen Feststellung, ob einer bestimmten Person eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit übertragen werden kann. Sollten sicherheitserhebliche Erkenntnisse vorliegen, die die Zuweisung einer solchen Tätigkeit aus Gründen des staatlichen Geheimschutzes verbieten - sogenannte Sicherheitsrisiken -, darf eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit nicht übertragen werden. 3.1.1 Personeller Geheimschutz in Hamburger öffentlichen Stellen Die Art der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit bestimmt das anzuwendende Überprüfungsverfahren. Der Umfang der Überprüfungen reicht von der einfachen Karteibzw. Datensatzsichtung bis hin zur Befragung von Referenzpersonen. Das HmbSÜG enthält gegenüber den Sicherheitsüberprüfungsgesetzen des Bundes und anderer Länder einen erweiterten Aufgabenkatalog. Unabhängig vom tatsächlichen Umgang mit VS können auch Personen überprüft werden, die in einer Dienststelle tätig sind, die aufgrund ihrer Aufgabenstellung oder ihres herausgehobenen Gewichts zum Sicherheitsbereich erklärt wurde, ferner Personen, die in zentralen sicherheitsempfindlichen öffentlichen Bereichen in Funktionen der Informationsund Kommunikationstechnik tätig sind. Mit der sogenannten verkürzten Sicherheitsüberprüfung bietet das HmbSÜG gegenüber Sicherheitsüberprüfungsgesetzen anderer Länder eine Besonderheit. Sie ermöglicht Behörden, den kurzzeitigen Zugang zu einem Sicherheitsbereich zu gewähren, ohne eine komplette - für diese kurzzeitige Tätigkeit unangemessene - Sicherheitsüberprüfung durchführen zu müssen (z.B. bei unaufschiebbaren Maßnahmen von Handwerkern). Im Jahr 2008 hat das LfV Hamburg 798 Sicherheitsüberprüfungen vorgenommen (2007: 944). 242 Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz 3.1.2 Personeller Sabotageschutz in Hamburg Beim personellen Sabotageschutz handelt es sich um präventive Überprüfungsmaßnahmen, die dazu dienen, potenzielle Saboteure, sogenannte Innentäter, von bestimmten sicherheitsempfindlichen Stellen bzw. Einrichtungen fernzuhalten. Im Rahmen des personellen Sabotageschutzes werden Zuverlässigkeitsüberprüfungen durchgeführt. Personen, die in sicherheitsempfindlichen Bereichen des Hamburger Flughafens (Foto) beschäftigt werden sollen, werden nach SS 7 des im Januar 2005 verabschiedeten Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben (Luftsicherwww.mediaserver.hamburg.de heitsgesetz - LuftSiG, bis dahin Luftverkehrsgesetz) überprüft. Im Jahr 2008 wurden 9.115 Personen aus dem Bereich des Hamburger Flughafens auf ihre Zuverlässigkeit überprüft. Die seit Juli 2004 geltenden Sicherheitsmaßnahmen für Hafenanlagen sehen auch Personenüberprüfungen vor. Die im Hafensicherheitsgesetz (HafenSG) vom Oktober 2005 definierten Sicherheitsmaßnahmen umfassen auch Zuverlässigkeitsüberprüfungen. Im Jahr 2008 wurden 59 Überprüfungen vorgenommen. Das LfV Hamburg ist darüber hinaus an den Zuverlässigkeitsüberprüfungsverfahren des Gesetzes über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz - SprengG - in der Neufassung v. 31.10.06) beteiligt. Im Jahr 2008 wurden acht Auskunftsersuchen beantwortet. 3.1.3 Materieller Geheimschutz Der materielle Geheimschutz beinhaltet technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz von VS und räumlichen Sicherheitsbereichen. VS sind im staatlichen Interesse vor dem Zugriff Unbefugter 243 Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz zu schützen sowie entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit zu behandeln und zu verwahren. Die Verwahrung erfolgt in alarmgesicherten Räumen oder geeigneten Behältnissen, z. B. Panzerschränken. Ebenso muss der Versand oder Transport von VS besonderen Voraussetzungen genügen, um Verluste oder Preisgaben an Unbefugte wirksam zu verhindern. Da die öffentliche Verwaltung zunehmend von der Informationsund Kommunikationstechnik unterstützt wird, hat sich das Bild des klassischen materiellen Geheimschutzes nachhaltig geändert. TreLfV sore, mechanische Sicherungseinrichtungen und Alarmanlagen sind zwar weiterhin erforderlich, gleichwohl ist der Schutz elektronischer Daten ein immer wichtiger werdendes Betätigungsfeld. Mit den steigenden Anforderungen an die Informationstechnik wächst auch deren Komplexität stetig. Eine datengestützte Herstellung und Verarbeitung von VS unterliegt insofern weiteren Risiken ungewollter Preisgabemöglichkeiten, denen entgegengewirkt werden muss. Die üblichen informationstechnischen Sicherungsfunktionen wie etwa Zugangsoder Zugriffskontrollen reichen dabei oftmals nicht aus, es müssen wirksamere Schutzmaßnahmen herangezogen werden. Dabei arbeiten die Ämter für Verfassungsschutz eng mit dem Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zusammen. Für die Umsetzung aller Schutzmaßnahmen ist die Einsicht der Betroffenen in die Notwendigkeit des materiellen Geheimschutzes eine wichtige Voraussetzung. Daher hat die Beratung und Schulung betroffener Behördenbediensteter einen hohen Stellenwert. Das LfV berät die öffentlichen Stellen der Freien und Hansestadt Hamburg bei der Planung und Durchführung technischer und organisatorischer Sicherungsmaßnahmen. 244 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Wirtschaftsschutz; Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Anhang / Verfassungsschutzgesetz Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz (HmbVerfSchG) Vom 7. März 1995 Zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.12.2007 1. Abschnitt Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz SS 1 Zweck des Verfassungsschutzes SS 2 Zuständigkeit SS 3 Zusammenarbeit SS 4 Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz SS 5 Begriffsbestimmungen SS 6 Voraussetzung und Rahmen für die Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz 2. Abschnitt Erheben und weitere Verarbeitung von Informationen SS7 Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz SS8 Erheben von Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln SS9 Weitere Verarbeitung personenbezogener Daten SS 10 Verarbeitung von Daten Minderjähriger SS 11 Berichtigung, Sperrung und Löschung 3. Abschnitt Datenübermittlung SS 12 Übermittlung nicht personenbezogener Daten SS 13 Übermittlung personenbezogener Daten an inländische Nachrichtendienste SS 14 Übermittlung personenbezogener Daten an inländische öffentliche Stellen und Strafverfolgungsbehörden SS 15 Übermittlung personenbezogener Daten an Stationierungsstreitkräfte SS 16 Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische öffentliche Stellen 246 Anhang / Verfassungsschutzgesetz SS 17 Übermittlung personenbezogener Daten an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs SS 18 Übermittlung personenbezogener Daten an die Öffentlichkeit SS 19 Übermittlung personenbezogener Daten an das Landesamt für Verfassungsschutz SS 20 Registereinsicht durch das Landesamt für Verfassungsschutz SS 21 Übermittlungsverbote und -einschränkungen SS 22 Übermittlung personenbezogener Daten Minderjähriger 4. Abschnitt Auskunftserteilung SS 23 Auskunftserteilung 5. Abschnitt Parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes SS 24 Parlamentarischer Kontrollausschuss SS 25 Zusammensetzung und Pflichten des Ausschusses SS 26 Aufgaben des Ausschusses SS 27 Eingaben 247 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 1. Abschnitt Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz SS1 Zweck des Verfassungsschutzes (1) Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder. (2) Zu diesem Zweck tritt dieses Gesetz neben das Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz - BVerfSchG) vom 20. Dezember 1990 (Bundesgesetzblatt I Seiten 2954, 2970), zuletzt geändert am 5. Januar 2007 (BGBl. I S. 7). SS2 Zuständigkeit (1) 1 Der Verfassungsschutz wird innerhalb der zuständigen Behörde vom Landesamt für Verfassungsschutz wahrgenommen. 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz ist ausschließlich hierfür zuständig. 3 Bei der Erfüllung seiner Aufgaben ist es an Gesetz und Recht gebunden (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf einer polizeilichen Dienststelle nicht angegliedert werden. 2 Ihm stehen polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse gegenüber polizeilichen Dienststellen nicht zu; es darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht befugt ist. SS3 Zusammenarbeit (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz ist verpflichtet, mit Bund und Ländern in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. 2 Die Zusammenarbeit besteht auch in gegenseitiger Unterstützung und Hilfeleistung sowie in der Unterhaltung gemeinsamer Einrichtungen. 248 Anhang / Verfassungsschutzgesetz (2) 1 Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz nach Maßgabe dieses Gesetzes und soweit eigenes Landesrecht dies zulässt, der Bund gemäß SS 5 Absatz 2 BVerfSchG nur im Benehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz tätig werden. 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf in den anderen Ländern tätig werden, soweit es die Rechtsvorschriften dieses Gesetzes und der anderen Länder zulassen. SS4 Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) 1 Aufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der verfassungsmäßigen Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht in der Bundesrepublik Deutschland, 3. Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, 4. Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Absatz 2 des Grundgesetzes), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Absatz 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind (SS 3 Absatz 1 BVerfSchG). 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat insbesondere den Senat über Gefahren für die Schutzgüter des SS 1 zu informieren und die dafür zuständigen staatlichen Stellen in die Lage zu versetzen, Maßnahmen zu ihrer Abwehr zu ergreifen. 3 Darüber hinaus unterrichtet das Lan249 Anhang / Verfassungsschutzgesetz desamt für Verfassungsschutz mindestens einmal jährlich die Öffentlichkeit über Gefahren für die Schutzgüter des SS 1. (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz wirkt gemäß SS 3 Absatz 2 Satz 1 BVerfSchG mit 1. bei der Überprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich dienstlich verschaffen können, 2. bei der Überprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensund verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen und Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. 2 Die Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz bei der Mitwirkung nach Satz 1 Nummern 1 und 2 sind im Hamburgischen Sicherheitsüberprüfungsgesetz (HmbSÜG) vom 25. Mai 1999, zuletzt geändert am 4. Dezember 2002 (HmbGVBl. S. 327, 330), geregelt. 3 Die Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz bei der Mitwirkung an Zuverlässigkeitsüberprüfungen zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Hamburger Hafens sind im Hafensicherheitsgesetz vom 6. Oktober 2005 (HmbGVBl. S. 424) geregelt. SS5 Begriffsbestimmungen (1) 1 Im Sinne dieses Gesetzes sind: 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes solche politisch motivierten zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihnen gehörendes Gebiet abzutrennen, 250 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes solche politisch motivierten zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen, 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch motivierten zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. 2 Für einen Personenzusammenschluss handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt (SS 4 Absatz 1 Sätze 1 und 2 BVerfSchG). 3 Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes sind auch Verhaltensweisen gemäß Satz 1 von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln, wenn sie gegen Schutzgüter dieses Gesetzes mit Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder diese sonst angreifen und bekämpfen. (2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne diese Gesetzes zählen gemäß SS 4 Absatz 2 BVerfSchG 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, 4. die Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung und ihre Ablösbarkeit, 251 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 6. der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und 7. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. SS6 Voraussetzung und Rahmen für die Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf nur Maßnahmen ergreifen, wenn und soweit sie zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind; dies gilt insbesondere für die Erhebung und weitere Verarbeitung personenbezogener Daten. 2 Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat es diejenige zu treffen, die den Einzelnen insbesondere in seinen Grundrechten und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. 3 Eine geringere Beeinträchtigung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Information aus allgemein zugänglichen Quellen oder durch eine behördliche Auskunft gewonnen werden kann. 4 Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. 5 Sie ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann. 2. Abschnitt Erheben und weitere Verarbeitung von Informationen SS7 Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben Informationen erheben und weiter verarbeiten. 2 Es darf personenbezogene Daten auch für die Vorgangsverwaltung nutzen und verarbeiten. 3 Ist zum Zwecke der Datenerhebung die Übermittlung von personenbezogenen Daten unerlässlich, ist sie auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken. 4 Schutzwürdige Interessen des Betroffenen dürfen nur in unvermeidbarem Umfang beeinträchtigt werden. 252 Anhang / Verfassungsschutzgesetz (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf bei den hamburgischen Behörden und den der Aufsicht der Freien und Hansestadt Hamburg unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur die Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben, die diesen Stellen im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung bereits vorliegen und die zur Erfüllung der Aufgaben des Verfassungsschutzes erforderlich sind. 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz braucht die Ersuchen nicht zu begründen, soweit dies dem Schutz des Betroffenen dient oder eine Begründung den Zweck der Maßnahme gefährden würde. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf im Einzelfall bei denjenigen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen oder Telemediendienste erbringen oder daran mitwirken, unentgeltlich Auskunft über Daten einholen, die für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung, Änderung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses über Postdienstleistungen oder Telemediendienste (Bestandsdaten) gespeichert worden sind, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf im Einzelfall unentgeltlich Auskunft einholen bei 1. Luftfahrtunternehmen zu Namen und Anschriften des Kunden sowie zur Inanspruchnahme und den Umständen von Transportleistungen, insbesondere zum Zeitpunkt von Abfertigung und Abflug und zum Buchungsweg, 2. Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen zu Konten, Konteninhabern und sonstigen Berechtigten sowie weiteren am Zahlungsverkehr Beteiligten und zu Geldbewegungen und Geldanlagen, insbesondere über Kontostand und Zahlungseinund -ausgänge, 3. denjenigen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen erbringen oder daran mitwirken, zu den Umständen des Postverkehrs, 4. denjenigen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringen oder daran mitwirken, zu Verkehrsdaten nach SS 96 Absatz 1 Nummern 1 bis 4 des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190), zuletzt geändert am 18. 253 Anhang / Verfassungsschutzgesetz Februar 2007 (BGBl. I S. 106, 116), und sonstigen zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung der Telekommunikation notwendigen Verkehrsdaten und 5. denjenigen, die geschäftsmäßig Telemediendienste erbringen oder daran mitwirken, zu a) Merkmalen zur Identifikation des Nutzers eines Telemediendienstes, b) Angaben über Beginn und Ende sowie über den Umfang der jeweiligen Nutzung und c) Angaben über die vom Nutzer in Anspruch genommenen Telemediendienste, soweit dies zur Aufklärung von Bestrebungen oder Tätigkeiten erforderlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwerwiegende Gefahren für die in SS 4 Absatz 1 Satz 1 genannten Schutzgüter vorliegen. Im Falle des SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 gilt dies nur für Bestrebungen, die bezwecken oder auf Grund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, 1. zu Hass oder Willkürmaßnahmen gegen Teile der Bevölkerung aufzustacheln oder deren Menschenwürde durch Beschimpfen, böswilliges Verächtlichmachen oder Verleumden anzugreifen und dadurch die Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt zu fördern und den öffentlichen Frieden zu stören oder 2. Gewalt anzuwenden oder vorzubereiten, einschließlich dem Befürworten, Hervorrufen oder Unterstützen von Gewaltanwendung, auch durch Unterstützen von Vereinigungen, die Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten oder androhen. (5) Anordnungen nach Absatz 4 dürfen sich nur gegen Personen richten, bei denen 1. tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie die schwerwiegenden Gefahren nach Absatz 4 nachdrücklich fördern oder 2. auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist 254 Anhang / Verfassungsschutzgesetz a) bei Auskünften nach Absatz 4 Satz 1 Nummern 1, 2 und 5, dass sie die Leistung für eine Person nach Nummer 1 in Anspruch nehmen oder b) bei Auskünften nach Absatz 4 Satz 1 Nummern 3 und 4, dass sie für eine Person nach Nummer 1 bestimmte oder von ihr herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben, oder im Falle des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 4, dass eine Person nach Nummer 1 ihren Anschluss benutzt. (6) 1 Die Zuständigkeit für Anordnungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 ist in einer Dienstvorschrift zu regeln, die der Zustimmung des Präses oder bei seiner Verhinderung des Staatsrates der zuständigen Behörde bedarf. 2 Anordnungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummern 2 bis 5 werden vom Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz oder seinem Vertreter schriftlich beantragt und begründet. 3 Im Falle der Auskunft nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 kann der Antrag auch von einem Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz gestellt werden, der die Befähigung zum Richteramt hat. 4 Zuständig für Anordnungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummern 2 bis 5 ist der Präses oder bei seiner Verhinderung der Staatsrat der zuständigen Behörde. 5 Die Anordnung einer Auskunft über künftig anfallende Daten ist auf höchstens drei Monate zu befristen. 6 Die Verlängerung dieser Anordnung um jeweils nicht mehr als drei Monate ist auf Antrag zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung fortbestehen. 7 Anordnungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummern 1 und 2 hat das Landesamt für Verfassungsschutz dem Betroffenen mitzuteilen, sobald eine Gefährdung des Zweckes des Eingriffs ausgeschlossen werden kann. (7) 1 Über Anordnungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummern 3 bis 5 unterrichtet die zuständige Behörde die G 10-Kommission nach SS 1 Absatz 1 des Gesetzes zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes vom 17. Januar 1969 (HmbGVBl. S. 5), zuletzt geändert am 17. Dezember 2002 (HmbGVBl. S. 332), vor deren Vollzug. 2 Bei Gefahr im Verzug kann der Präses oder bei seiner Verhinderung der Staatsrat der zuständigen Behörde den Vollzug der Entscheidung auch bereits vor der Unterrichtung der Kommission anordnen. 3 Die G 10-Kommission prüft von Amts wegen oder auf Grund von Beschwerden die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Einholung von Auskünften. 4 SS 15 Absatz 5 des Artikel 10-Gesetzes vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 255 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 2298), zuletzt geändert am 18. Februar 2007 (BGBl. I S. 106), ist mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass die Kontrollbefugnis der Kommission sich auf die gesamte Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der nach Absatz 4 Satz 1 Nummern 3 bis 5 erlangten personenbezogenen Daten erstreckt. 5 Entscheidungen über Auskünfte, die die G10-Kommission für unzulässig oder nicht notwendig erklärt, sind unverzüglich aufzuheben. 6 Die Daten unterliegen in diesem Falle einem absoluten Verwendungsverbot und sind unverzüglich zu löschen. 7 Für die Verarbeitung der nach Absatz 4 Satz 1 Nummern 3 bis 5 erhobenen Daten ist SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. 8 SS 12 Absätze 1 und 3 des Artikel 10-Gesetzes findet entsprechende Anwendung. (8) 1 Die nach Absatz 6 zuständige Behörde unterrichtet im Abstand von höchstens sechs Monaten den Kontrollausschuss gemäß SS 24 über die Durchführung der Maßnahmen nach den Absätzen 3 und 4; dabei ist insbesondere ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen zu geben. 2 Die nach Satz 1 zuständige Behörde erstattet ferner dem Parlamentarischen Kontrollgremium nach dem Kontrollgremiumgesetz vom 11. April 1978 (BGBl. I S. 453), zuletzt geändert am 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 1260), jährlich sowie nach Ablauf von drei Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes zusammenfassend zum Zweck der Evaluierung einen Bericht über die Durchführung sowie Art, Umfang und Anordnungsgründe der Maßnahmen nach den Absätzen 3 bis 5; dabei sind die Grundsätze des SS 2 Absatz 4 des Gesetzes zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes und des SS 5 Absatz 1 des Kontrollgremiumgesetzes zu beachten. (9) 1 Anordnungen sind dem Verpflichteten insoweit schriftlich mitzuteilen, als dies erforderlich ist, um ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung zu ermöglichen. 2 Anordnungen und übermittelte Daten dürfen dem Betroffenen oder Dritten vom Verpflichteten nicht mitgeteilt werden. (10) Das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird nach Maßgabe des Absatzes 4 Satz 1 Nummern 3 bis 5 und der Absätze 5 bis 7 eingeschränkt. 256 Anhang / Verfassungsschutzgesetz SS8 Erheben von Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf mit nachrichtendienstlichen Mitteln Informationen verdeckt erheben. 2 Der Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln ist vorbehaltlich SS 6 nur zulässig, wenn 1. er sich gegen Organisationen, unorganisierte Gruppen, in ihnen oder einzeln tätige Personen richtet, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 bestehen, 2. er sich gegen andere als die in Nummer 1 genannten Personen richtet, von denen auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den Betroffenen bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben, um auf diese Weise Erkenntnisse über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder gewalttätige Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 zu gewinnen, 3. auf diese Weise die zur Erforschung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 erforderlichen Nachrichtenzugänge geschaffen werden können oder 4. dies zur Abschirmung der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Nachrichtenzugänge des Landesamtes für Verfassungsschutz gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. 3 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf die so gewonnenen Informationen nur für die in Satz 2 genannten Zwecke verwenden. 4 Unterlagen, die für diese Zwecke nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu vernichten. 5 Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Informationen von anderen schriftlichen Unterlagen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand getrennt werden können; in diesem Fall unterliegen sie einem Verwertungsverbot. (2) 1 Zulässige nachrichtendienstliche Mittel sind 257 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 1. verdeckt eingesetzte hauptamtliche Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, 2. verdeckt eingesetzte Personen, die nicht in einem arbeitsvertraglichen oder öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Landesamt für Verfassungsschutz stehen, wie Vertrauensleute, Informanten, Gewährspersonen, 3. planmäßig angelegte Beobachtungen (Observationen), 4. Bildaufzeichnungen, 5. verdeckte Ermittlungen und Befragungen, 6. verdecktes Mithören ohne Inanspruchnahme technischer Mittel, 7. verdecktes Mithören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes oder sonstiger Signale unter Einsatz technischer Mittel innerhalb und außerhalb von Wohnungen (Artikel 13 des Grundgesetzes), 8. Beobachten und Aufzeichnen des Funkverkehrs, soweit nicht der Postund Fernmeldeverkehr nach Maßgabe des Artikel 10-Gesetzes betroffen ist, 9. Aufbau und Gebrauch von Legenden, 10. Beschaffen, Erstellen und Verwenden von Tarnpapieren und Tarnkennzeichen, 11. Überwachen des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs nach Maßgabe des Artikel 10-Gesetzes sowie 12. weitere vergleichbare Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung, insbesondere das sonstige Eindringen in technische Kommunikationsbeziehungen durch Bild-, Tonund Datenaufzeichnungen, um die nach Absatz 1 erforderlichen Informationen zu gewinnen. 2 Die nachrichtendienstlichen Mittel sind abschließend in einer Dienst258 Anhang / Verfassungsschutzgesetz vorschrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher Informationserhebungen regelt. 3 Die Dienstvorschrift bedarf der Zustimmung des Präses der zuständigen Behörde. 4 Dem Hamburgischen Datenschutzbeauftragten ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. 5 Die Behörden der Freien und Hansestadt Hamburg sind verpflichtet, dem Landesamt für Verfassungsschutz Hilfe für Tarnungsmaßnahmen zu leisten. (3) 1 Der verdeckte Einsatz besonderer technischer Mittel zur Informationsgewinnung ist im Schutzbereich des Artikels 13 des Grundgesetzes innerhalb von Wohnungen in Abwesenheit einer für das Landesamt für Verfassungsschutz tätigen Person zur Abwehr dringender Gefahren für die Schutzgüter des SS 1 und unter Berücksichtigung des SS 6 nur zulässig, wenn die materiellen Voraussetzungen für einen Eingriff in das Brief-, Postoder Fernmeldegeheimnis nach SS 1 Absatz 1 Nummer 1 und SS 3 Absatz 1 Satz 1 des Artikel 10-Gesetzes vorliegen und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. 2 Der verdeckte Einsatz besonderer technischer Mittel darf sich nur gegen den Verdächtigen richten. 3 Bei unmittelbar bevorstehender Gefahr darf der Einsatz sich auch gegen Personen richten, von denen aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für die Verdächtigen bestimmte oder von ihnen herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder dass die Verdächtigen sich in ihrer Wohnung aufhalten. 4 In den Fällen des SS 53 Absatz 1 der Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 11. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3970), sind Maßnahmen nach den Sätzen 1 bis 3 nur zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass bei den zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten die materiellen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen. (4) 1 Die Anordnung des Einsatzes besonderer technischer Mittel nach Absatz 3 Satz 1 trifft der Richter. 2 Bei Gefahr im Verzug kann der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz oder bei seiner Verhinderung sein Vertreter einen Einsatz nach Absatz 3 Satz 1 anordnen; die Tatsachen, die Gefahr im Verzug begründen, sind aktenkundig zu machen. 3 Eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. 4 Die Anordnungen sind auf längstens vier Wochen zu befristen; Verlängerungen um jeweils nicht mehr als vier weitere Wochen sind 259 Anhang / Verfassungsschutzgesetz auf Antrag zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung fortbestehen. (5) 1 Die Anordnung des Einsatzes besonderer technischer Mittel nach Absatz 3 Satz 1 wird unter der Aufsicht eines Beschäftigten des Landesamtes für Verfassungsschutz vollzogen, der die Befähigung zum Richteramt hat. 2 Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor oder ist der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Informationsgewinnung nicht mehr erforderlich, ist die Maßnahme unverzüglich zu beenden. 3 Das Abhören und Aufzeichnen ist unverzüglich zu unterbrechen, soweit sich während der Überwachung Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, erfasst werden. 4 Aufzeichnungen über solche Äußerungen sind unverzüglich zu löschen. 5 Erkenntnisse über solche Äußerungen dürfen nicht verwertet werden. 6 Die Tatsache der Erfassung der Daten und ihrer Löschung ist zu dokumentieren. 7 Ist eine Maßnahme unterbrochen worden, so darf sie fortgeführt werden, soweit auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte, insbesondere zu der Art der zu überwachenden Räumlichkeiten und dem Verhältnis der zu überwachenden Personen zueinander, anzunehmen ist, dass durch die Überwachung Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, nicht mehr erfasst werden. (6) 1 Erkenntnisse und Unterlagen, die durch Maßnahmen nach Absatz 3 Satz 1 gewonnen wurden, dürfen zur Verfolgung und Erforschung der dort genannten Bestrebungen oder Tätigkeiten sowie nach Maßgabe des SS 4 Absätze 4 bis 6 des Artikel 10-Gesetzes verwendet werden. 2 SS 14 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt. 3 Für die Speicherung und Löschung der durch die Maßnahmen nach den Absätzen 3 und 7 erlangten personenbezogenen Daten sowie die Entscheidung über die nachträgliche Information der von Maßnahmen nach den Absätzen 3 und 7 Betroffenen gelten SS 4 Absatz 1 und SS 12 des Artikel 10Gesetzes entsprechend. 4 Die Zusammenarbeitsverpflichtung nach SS 3 bleibt unberührt. (7) 1 Der verdeckte Einsatz besonderer technischer Mittel im Schutzbereich des Artikels 13 des Grundgesetzes innerhalb von Wohnungen ist auch dann zulässig, wenn es ausschließlich zum Schutz der dort für den Verfassungsschutz tätigen Personen zur Abwehr von Gefahren für Leben, Gesundheit oder Freiheit unerlässlich ist und vom Leiter 260 Anhang / Verfassungsschutzgesetz des Landesamtes für Verfassungsschutz oder bei seiner Verhinderung von seinem Vertreter angeordnet ist. 2 Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Kenntnisse zum Zweck der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr ist nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. 3 Die Tatsachen, die Gefahr im Verzug begründen, sind aktenkundig zu machen. (8) 1 Zuständiges Gericht zur Entscheidung nach den Absätzen 3 und 7 ist das Amtsgericht Hamburg. 2 Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. (9) Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) wird nach Maßgabe der Absätze 3 und 7 eingeschränkt. (10) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf unter den Voraussetzungen des SS 7 Absatz 4 technische Mittel zur Ermittlung des Standortes eines aktiv geschalteten Mobilfunkendgerätes oder zur Ermittlung der Geräteoder Kartennummer einsetzen. 2 Die Maßnahme ist nur zulässig, wenn ohne Einsatz technischer Mittel nach Satz 1 die Ermittlung des Standortes oder die Ermittlung der Geräteoder Kartennummer aussichtslos oder wesentlich erschwert ist. 3 Sie darf sich nur gegen die in SS 7 Absatz 5 Nummer 1 und Nummer 2 Buchstabe b bezeichneten Personen richten. 4 Für die Verarbeitung der Daten ist SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. 5 Personenbezogene Daten eines Dritten dürfen anlässlich solcher Maßnahmen nur erhoben werden, wenn dies aus technischen Gründen zur Erreichung des Zwecks nach Satz 1 unvermeidbar ist. 6 Sie unterliegen einem absoluten Verwendungsverbot und sind nach Beendigung der Maßnahme unverzüglich zu löschen. 7 SS 7 Absätze 6 bis 8 gilt entsprechend. 8 Das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt. (11) 1 Erhebungen nach den Absätzen 3 bis 8 und Eingriffe, die in Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, bedürfen der Zustimmung des Präses, bei dessen Verhinderung des Staatsrates der zuständigen Behörde. 2 Sie sind dem Betroffenen mitzuteilen, sobald eine Gefährdung des Zwecks 261 Anhang / Verfassungsschutzgesetz der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. 3 Lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilen, ob diese Voraussetzung vorliegt, ist die Mitteilung vorzunehmen, sobald eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. 4 Einer Mitteilung bedarf es nicht, wenn der Kontrollausschuss gemäß SS 24 einstimmig festgestellt hat, dass 1. diese Voraussetzung auch nach fünf Jahren nach Beendigung der Maßnahme noch nicht eingetreten ist, 2. diese Voraussetzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht eintreten wird und 3. die Voraussetzungen für eine Löschung sowohl bei der erhebenden Stelle als auch beim Empfänger vorliegen. SS9 Weitere Verarbeitung personenbezogener Daten (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben personenbezogene Daten weiter verarbeiten, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass die betroffene Person an Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 teilnimmt, und dies für die Beobachtung der Bestrebung oder Tätigkeit erforderlich ist, 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 erforderlich ist, 3. dies zur Schaffung oder Erhaltung nachrichtendienstlicher Zugänge über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 erforderlich ist, 4. eine Mitwirkung bei Sicherheitsüberprüfungen nach SS 2 Absatz 3 des Artikel 10-Gesetzes oder bei Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem Hafensicherheitsgesetz oder eine Beteiligung bei Überprüfungen nach SS 7 des Luftsicherheitsgesetzes oder SS 12 b des Atomgesetzes erfolgt. 262 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 2 Das Recht der Nutzung und Verarbeitung personenbezogener Daten nach SS 7 Absatz 1 Satz 2 zur Vorgangsverwaltung bleibt unberührt. (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Speicherungsdauer auf das für seine Aufgabenerfüllung erforderliche Maß zu beschränken. 2 Bei der Einzelfallbearbeitung, im Übrigen jeweils spätestens vier Jahre beginnend ab der ersten Speicherung, prüft das Landesamt für Verfassungsschutz, ob die Speicherung der personenbezogenen Daten weiterhin erforderlich ist. (3) Gespeicherte personenbezogene Daten über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 oder 4 dürfen länger als zehn Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten Information nur mit Zustimmung des Präses der zuständigen Behörde oder der von ihm besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz gespeichert bleiben. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz ist befugt, gemäß SS 22 a BVerfSchG personenbezogene Daten in gemeinsamen Dateien mit den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder und anderen Sicherheitsbehörden zu verarbeiten, soweit besondere bundesrechtliche Vorschriften oder landesrechtliche Vorschriften Anlass, Umfang und sonstige datenschutzrechtliche Anforderungen regeln. SS 10 Verarbeitung von Daten Minderjähriger (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf unter den Voraussetzungen des SS 9 Daten über Minderjährige in Sachakten und amtseigenen Dateien speichern und weiter verarbeiten. 2 Daten über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nicht in gemeinsamen Dateien (SS 6 BVerfSchG), Daten Minderjähriger vor Vollendung des 14. Lebensjahres nicht in amtseigenen Dateien gespeichert werden. (2) Daten über Minderjährige in Dateien sind nach zwei Jahren auf die Erforderlichkeit der weiteren Speicherung zu überprüfen; spätestens nach fünf Jahren sind diese Daten zu löschen, es sei denn, dass nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse nach SS 4 Absatz 1 angefallen sind. 263 Anhang / Verfassungsschutzgesetz SS 11 Berichtigung, Sperrung und Löschung (1) 1 Erweist sich eine Information nach ihrer Übermittlung als unrichtig oder unvollständig, hat die übermittelnde Stelle ihre Information unverzüglich gegenüber dem Empfänger zu berichtigen oder zu ergänzen, wenn durch die unrichtige oder unvollständige Übermittlung schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt sein können. 2 Die Berichtigung erfolgt dadurch, dass die unrichtigen Angaben, soweit sie in Akten enthalten sind, entfernt werden und, soweit sie in Dateien gespeichert sind, gelöscht werden. 3 Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Trennung von zu berichtigenden und richtigen Informationen nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist. (2) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle oder der Datensicherung gespeichert werden, dürfen nur für diese Zwecke oder bei Verdacht des Datenmissbrauchs genutzt werden. (3) Im Übrigen gilt für die Berichtigung, Sperrung und Löschung SS 19 des Hamburgischen Datenschutzgesetzes vom 5. Juli 1990 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt Seiten 133, 165, 226), zuletzt geändert am 30. Januar 2001 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt Seite 9). 3. Abschnitt Datenübermittlung SS 12 Übermittlung nicht personenbezogener Daten Das Landesamt für Verfassungsschutz kann die im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgabenerfüllung erlangten Daten, die nicht personenbezogen sind, an andere Behörden und Stellen, insbesondere an die Polizei und die Staatsanwaltschaft, übermitteln, wenn sie für die Aufgabenerfüllung der Empfänger erforderlich sein können. 264 Anhang / Verfassungsschutzgesetz SS 13 Übermittlung personenbezogener Daten an inländische Nachrichtendienste (1) Gemäß SS 5 Absatz 1 BVerfSchG übermittelt das Landesamt für Verfassungsschutz dem Bundesamt für Verfassungsschutz und den Verfassungsschutzbehörden der Länder alle personenbezogenen Daten, deren Kenntnis zur Erfüllung der Aufgaben der Empfänger erforderlich ist. (2) Gemäß SS 21 Absatz 2 BVerfSchG übermittelt das Landesamt für Verfassungsschutz dem Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst Informationen einschließlich personenbezogener Daten. SS 14 Übermittlung personenbezogener Daten an inländische öffentliche Stellen und Strafverfolgungsbehörden (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Informationen einschließlich personenbezogener Daten an inländische öffentliche Stellen übermitteln, wenn dies zum Schutz vor Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 zwingend erforderlich ist oder der Empfänger eine Sicherheitsüberprüfung durchführt. 2 Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur für den Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. 3 Hierauf ist er hinzuweisen. (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf über Absatz 1 hinaus Informationen einschließlich personenbezogener Daten an die Staatsanwaltschaften und die Polizei übermitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine in den SSSS 74 a und 120 Gerichtsverfassungsgesetz, SS 100 a Nummern 3 und 4 Strafprozessordnung und SSSS 130 , 131 Strafgesetzbuch genannte Straftat plant, begeht oder begangen hat sowie sonstige Straftaten, bei denen aufgrund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die in Artikel 73 Nummer 10 Buchstabe b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind. 2 Personenbezogene Daten, die das Landesamt für Verfassungsschutz 265 Anhang / Verfassungsschutzgesetz selbst mit nachrichtendienstlichen Mitteln nach SS 8 erhoben hat, dürfen nur dann an die Staatsanwaltschaft oder an die Polizei übermittelt werden, wenn die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für deren Erhebung mit entsprechenden Befugnissen zur verdeckten Datenerhebung nach der Strafprozessordnung oder nach den SSSS 9 bis 12 und SS23 Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei vom 2. Mai 1991 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt Seiten 187, 191) vorgelegen hätten. SS 15 Übermittlung personenbezogener Daten an Stationierungsstreitkräfte 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Informationen einschließlich personenbezogener Daten an Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Streitkräfte vom 3. August 1959 (Bundesgesetzblatt II 1961 Seiten 1183, 1218) übermitteln. 2 Die Entscheidung für eine Übermittlung treffen der Präses der zuständigen Behörde oder die von ihm besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz. 3 Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, dass er die übermittelten Daten nur zur Verarbeitung für den Zweck erhält, zu dem sie ihm übermittelt wurden. SS 16 Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische öffentliche Stellen 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz an ausländische öffentliche Stellen sowie an überoder zwischenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung seiner Aufgaben oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist. 2 Die Entscheidung für eine Übermittlung treffen der Präses der zuständigen Behörde oder die von ihm besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz. 3 Die Übermittlung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interes266 Anhang / Verfassungsschutzgesetz sen des Betroffenen entgegenstehen oder wenn dadurch gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde. 4 Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, dass er die übermittelten Daten nur zur Verarbeitung für den Zweck erhält, zu dem sie ihm übermittelt wurden. SS 17 Übermittlung personenbezogener Daten an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs nicht übermitteln, es sei denn, dass die Übermittlung zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit des Bundes oder eines Landes erforderlich ist. 2 Die Entscheidung für eine Übermittlung treffen der Präses der zuständigen Behörde, bei dessen Verhinderung der Staatsrat oder die besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz. 3 Dies gilt nicht bei Erhebungen nach SS 7 Absatz 1 Sätze 2 und 3. (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz führt über die Übermittlung nach Absatz 1 einen Nachweis, aus dem der Zweck und die Veranlassung der Übermittlung, die Aktenfundstelle und der Empfänger hervorgehen. 2 Die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. (3) 1 Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur für den Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. 2 Hierauf ist er hinzuweisen. (4) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf eine Bewertung über personenbezogene Daten an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs übermitteln, soweit die Übermittlung für Zwecke einer Zuverlässigkeitsüberprüfung mit Einwilligung der Betroffenen erfolgt und im Hinblick auf den Anlass dieser Überprüfung, insbesondere den Zugang der Betroffenen zu einer besonders gefährdeten Veranstaltung, mit Rücksicht auf ein berechtigtes Interesse des Empfängers und wegen der Art oder des Umfangs der Erkenntnisse über den Betroffenen angemessen ist. 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz 267 Anhang / Verfassungsschutzgesetz hat den Betroffenen die Gründe für eine negative Bewertung mitzuteilen. Absätze 2 und 3 gelten entsprechend. SS 18 Übermittlung personenbezogener Daten an die Öffentlichkeit 1 Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit einschließlich der Medien über Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz ist die Übermittlung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn sie zu einer sachgerechten Information zwingend erforderlich ist. 2 Stehen schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegen, kommt eine Übermittlung der personenbezogenen Daten des Betroffenen nur dann in Betracht, wenn die Interessen der Allgemeinheit deutlich überwiegen. SS 19 Übermittlung personenbezogener Daten an das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Die hamburgischen Behörden und die der Aufsicht der Freien und Hansestadt Hamburg unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind befugt, die Daten zu übermitteln, um die das Landesamt für Verfassungsschutz nach SS 7 Absatz 2 ersucht hat, soweit sie diesen Stellen bereits vorliegen. (2) Die in Absatz 1 genannten Stellen übermitteln dem Landesamt für Verfassungsschutz alle ihnen im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung vorliegenden Informationen über gewalttätige Bestrebungen und Tätigkeiten oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gemäß SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummern 1, 3 und 4 und über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummern 2 und 3. (3) 1 Die Ausländerbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg übermittelt gemäß SS 18 Absatz 1 a BVerfSchG von sich aus dem Landesamt für Verfassungsschutz die ihr bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz erforderlich ist. 2 Die Übermittlung dieser personenbezogenen Daten an ausländische öffentli268 Anhang / Verfassungsschutzgesetz che Stellen sowie an überund zwischenstaatliche Stellen durch das Landesamt für Verfassungsschutz unterbleibt, wenn überwiegende schutzwürdige Belange der Person, deren Daten übermittelt werden sollen oder überwiegende schutzwürdige Belange Dritter entgegenstehen. 3 Vor einer Übermittlung ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu beteiligen. 4 Für diese Übermittlungen des Landesamtes für Verfassungsschutz gilt SS 7 Absatz 8 entsprechend. (4) 1 Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizei übermitteln auch andere im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung bekannt gewordene Informationen über Bestrebungen nach SS 4 Absatz 1, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz erforderlich ist. 2 Die Übermittlung personenbezogener Daten, die aufgrund eines Eingriffs in das Brief-, Postund Fernmeldegeheimnis bekannt geworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. 3 Die Übermittlung personenbezogener Informationen, die auf Grund anderer strafprozessualer Zwangsmaßnahmen oder verdeckter Datenerhebungen nach SS 2 Absatz 3 Satz 3 oder nach den SSSS 9 bis 12 des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei vom 2. Mai 1991 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt Seiten 187, 191) bekannt geworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für gewalttätige Bestrebungen oder sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten bestehen; die Übermittlung ist auch zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine in SSSS 74 a und 120 Gerichtsverfassungsgesetz und SSSS 130, 131 Strafgesetzbuch genannte Straftat bestehen oder eine sonstige Straftat, bei der aufgrund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die in Artikel 73 Nummer 10 Buchstabe b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet ist. 4 Die Übermittlung personenbezogener Daten, die auf Grund verdeckter Datenerhebung nach SS 8 Absatz 6 Satz 1 und SSSS 10 a bis 10 d des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei in der jeweils geltenden Fassung bekannt geworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. 5 Auf die nach Satz 2 übermittelten Informationen 269 Anhang / Verfassungsschutzgesetz und die dazu gehörenden Unterlagen ist SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. 6 Die nach Satz 2 übermittelten Informationen dürfen nur zur Erforschung gewalttätiger Bestrebungen oder sicherheitsgefährdender oder geheimdienstlicher Tätigkeiten genutzt werden. (5) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die übermittelten Informationen unverzüglich darauf zu überprüfen, ob sie zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind. 2 Ist dies nicht der Fall, sind die Unterlagen zu vernichten. 3 Die Vernichtung unterbleibt, wenn die Unterlagen von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand getrennt werden können; in diesem Fall unterliegen die personenbezogenen Daten einem Verwertungsverbot und sind entsprechend zu kennzeichnen. (6) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Informationsübermittlung aktenkundig zu machen. 2 Vorschriften in anderen Gesetzen über die Informationsübermittlung an das Landesamt für Verfassungsschutz und über ihre Dokumentation bleiben unberührt. SS 20 Registereinsicht durch das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf in von öffentlichen Stellen geführte Register und Datensammlungen einsehen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen über 1. Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind (SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1) oder 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht (SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2) oder 3. Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3) oder 270 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 4. Bestrebungen und Tätigkeiten, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind (SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4). (2) Eine Einsichtnahme ist nur zulässig, wenn 1. die Aufklärung auf andere Weise nicht möglich erscheint, insbesondere durch eine Übermittlung der Daten durch die registerführende Stelle der Zweck der Maßnahme gefährdet würde, 2. die betroffenen Personen durch eine anderweitige Aufklärung unverhältnismäßig beeinträchtigt würden und 3. eine besondere gesetzliche Geheimhaltungsvorschrift oder ein Berufsgeheimnis ihr nicht entgegensteht. (3) Die Anordnung für die Maßnahme treffen der Präses der zuständigen Behörde oder die von ihm besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz. (4) 1 Die auf diese Weise gewonnenen Unterlagen dürfen nur zu den in Absatz 1 genannten Zwecken verwendet werden. 2 Gespeicherte Daten sind zu löschen und Unterlagen zu vernichten, sobald sie für diese Zwecke nicht mehr benötigt werden. (5) 1 Über die Tatsache der Einsichtnahme ist ein gesonderter Nachweis zu führen, aus dem ihr Zweck, die in Anspruch genommenen Stellen sowie die Namen der Betroffenen hervorgehen. 2 Diese Aufzeichnungen sind gesondert aufzubewahren, durch technische und organisatorische Maßnahmen gegen unbefugten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. SS 21 Übermittlungsverbote und -einschränkungen (1) Die Übermittlung von Informationen nach diesem Abschnitt unterbleibt, wenn 271 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 1. eine Prüfung durch die übermittelnde Stelle ergibt, dass die Informationen zu vernichten sind oder einem Verwertungsverbot unterliegen oder für den Empfänger nicht mehr bedeutsam sind, 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern oder 3. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass unter Berücksichtigung der Art der Informationen und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen. (2) Besondere Rechtsvorschriften, die Informationsübermittlungen zulassen, einschränken oder verbieten sowie die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleiben unberührt. SS 22 Übermittlung personenbezogener Daten Minderjähriger (1) Personenbezogene Daten Minderjähriger vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Minderjährige eine der in SS 3 des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat, im Übrigen, solange die Voraussetzungen der Speicherung nach SS 10 erfüllt sind. (2) Personenbezogene Daten Minderjähriger vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht an ausländische oder überoder zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. 4. Abschnitt Auskunftserteilung SS 23 Auskunftserteilung (1) 1 Den Betroffenen ist vom Landesamt für Verfassungsschutz auf 272 Anhang / Verfassungsschutzgesetz Antrag gebührenfrei Auskunft zu erteilen über 1. die zu ihrer Person gespeicherten Daten, 2. die Zweckbestimmung und die Rechtsgrundlage der Speicherung, 3. die Herkunft der Daten, 4. die Stellen, denen die Daten im Rahmen regelmäßiger Übermittlungen übermittelt werden, und die an einem automatisierten Abrufverfahren teilnehmenden Stellen, auch soweit diese Angaben nicht zu ihrer Person gespeichert sind, aber mit vertretbarem Aufwand festgestellt werden können. 2 Die Betroffenen sollen die Art der personenbezogenen Daten, über die sie Auskunft verlangen, näher bezeichnen. 3 Aus Akten ist den Betroffenen Auskunft zu erteilen, soweit sie Angaben machen, die das Auffinden der Daten ermöglichen, und der für die Erteilung der Auskunft erforderliche Aufwand nicht außer Verhältnis zum Auskunftsinteresse der Betroffenen steht. 4 Das Landesamt für Verfassungsschutz bestimmt die Form der Auskunftserteilung nach pflichtgemäßem Ermessen; die Auskunft kann auch in der Form erteilt werden, dass den Betroffenen Akteneinsicht gewährt oder ein Ausdruck aus automatisierten Dateien überlassen wird. 5 SS 29 des Hamburgischen Verwaltungsverfahrensgesetzes bleibt unberührt. (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. durch sie die Nachrichtenzugänge gefährdet sein können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise des Landesamtes für Verfassungsschutz zu befürchten ist, 2. die personenbezogenen Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder wegen der überwiegenden schutzwürdigen Interessen Dritter geheim gehalten werden müssen, 3. sie die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde. 273 Anhang / Verfassungsschutzgesetz (3) Im Übrigen gilt für die Auskunft SS 18 Absätze 2 und 4 bis 6 des Hamburgischen Datenschutzgesetzes. 5. Abschnitt Parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes SS 24 Parlamentarischer Kontrollausschuss 1 Zur parlamentarischen Kontrolle des Senats auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes bildet die Bürgerschaft einen Kontrollausschuss. 2 Dieser tagt in nichtöffentlicher Sitzung. SS 25 Zusammensetzung und Pflichten des Ausschusses (1) Der Ausschuss besteht aus sieben Mitgliedern der Bürgerschaft. (2) Die Mitglieder des Ausschusses werden von der Bürgerschaft in geheimer Abstimmung gewählt. (3) 1 Die Mitglieder des Ausschusses sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit in dem Ausschuss bekannt geworden sind. 2 Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus dem Ausschuss oder aus der Bürgerschaft. (4) Der Ausschuss wählt einen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. (5) Sitzungsunterlagen und Protokolle verbleiben im Gewahrsam des Landesamtes für Verfassungsschutz und können nur dort von den Ausschussmitgliedern eingesehen werden. (6) 1 Scheidet ein Mitglied des Ausschusses aus der Bürgerschaft oder seiner Fraktion aus, so verliert es seine Mitgliedschaft im Ausschuss; für dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu bestimmen. 2 Das Gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus dem Ausschuss ausscheidet. 274 Anhang / Verfassungsschutzgesetz (7) 1 Der Parlamentarische Kontrollausschuss erstattet der Bürgerschaft jährlich einen Bericht über seine Kontrolltätigkeit. 2 Dabei sind die Grundsätze des Absatzes 3 zu beachten. SS 26 Aufgaben des Ausschusses (1) 1 Der Ausschuss übt die parlamentarische Kontrolle auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes aus. 2 Die Rechte der Bürgerschaft bleiben unberührt. (2) 1 Zur Erfüllung seiner Kontrollaufgaben kann der Ausschuss vom Senat die erforderlichen Auskünfte, Unterlagen, Akten und Dateieinsichten, Stellungnahmen und den Zutritt zu den Räumen des Landesamtes für Verfassungsschutz und die Entsendung bestimmter Angehöriger des öffentlichen Dienstes als Auskunftspersonen verlangen. 2 Der Senat bescheidet ein solches Kontrollbegehren abschlägig oder schränkt die Aussagegenehmigung ein, wenn gesetzliche Vorschriften oder das Staatswohl entgegenstehen. 3 In diesem Fall legt der Senat dem Ausschuss seine Gründe dar. (3) Der Senat unterrichtet den Ausschuss in Abständen von höchstens drei Monaten oder auf Antrag eines Mitglieds über die Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz. (4) Der Senat hat dem Ausschuss 1. Gefahren für die Schutzgüter des SS 1, 2. die Dienstvorschrift über nachrichtendienstliche Mittel nach SS 8 Absatz 2 Satz 2 sowie ihre Änderungen, 3. die Maßnahmen nach SS 8 Absatz 11, 4. die Weiterspeicherung nach SS 9 Absatz 3, 5. die tatsächliche Arbeitsaufnahme mit einem automatisierten Verfahren, für das eine Verfahrensbeschreibung nach SS 9 Absatz 1 des Hamburgischen Datenschutzgesetzes vorgeschrieben ist, und seine wesentlichen inhaltlichen Änderungen, 275 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 6. die Übermittlung personenbezogener Daten an Stationierungsstreitkräfte nach SS 15, 7. die Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische öffentliche Stellen nach SS 16, 8. die Übermittlung personenbezogener Daten an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs nach SS 17, 9. Anfragen bei ausländischen öffentlichen Stellen nach SS 12 Absatz 5 Satz 3 HmbSÜG mitzuteilen und jährlich über die Prüfungen nach SS 9 Absatz 2 Satz 2 zu berichten. SS 27 Eingaben 1 Eingaben einzelner Bürger oder einzelner Angehöriger des Verfassungsschutzes über ein sie betreffendes Verhalten des Landesamtes für Verfassungsschutz sind dem Ausschuss zur Kenntnis zu geben. 2 Der Ausschuss hat auf Antrag eines Mitglieds Petenten und Auskunftspersonen zu hören. 3 SS 26 Absatz 2 findet entsprechende Anwendung. 4 Die Rechte des Eingabenausschusses bleiben unberührt. 276 Anhang / Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis A AA/NO Arbeitslose Akademiker / Nachwuchsorganisation AAB Anti-Atom-Büro Hamburg AAMB al-Ansar Media Battalion ABLE Association of Better Living and Education ADHK Avrupa Demokratik Haklar Konfederasyonu a.g.f.m.b. autonome gruppe für mehr bodenkontakt AGIF Almanya Göcmen Isciler Federasyonu AHOJ Antifaschistisches Hamburger Offenes Jugendplenum AIW Antiimperialistischer Widerstand Ali Autonome Linke Hamburg ANF Firat News Agency API Arbeiterkommunistische Partei Iran ApS Applied Scholastics AQM al-Qaida im islamischen Maghreb Artgemeinschaft-GGG Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung ATD Antiterrordatei ATIF Almanya Türkiyeli Isciler Federasyonu ATIK Avrupa Türkiyeli Isciler Konferasyonu ATK Anti-Terrorismus-Koordination AUJAH Autonome Jugendantifa Hamburg AVANTI AVANTI - Projekt undogmatische Linke B B5 Brigittenstraße 5 BGBl Bundesgesetzblatt BIG Bündnis der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland e.V. BKA Bundeskriminalamt BKR Bundeskoordinierungsrat 277 Anhang / Abkürzungsverzeichnis BMI Bundesminister des Innern BMWi Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie BSI Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik BVerfSchG Bundesverfassungsschutzgesetz C CCH Congress Center Hamburg CD Compact Disc CDK Civaka Demokratik ya Kurden Ewrupa CH Collegium Humanum CWI Committee for a Workers' International D DDR Deutsche Demokratische Republik DHKC Devrimci Halk Kurtulus Cephesi DHKP Devrimci Halk Kurtulus Partisi DHKP-C Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephe DK Deutsches Kolleg DKP Deutsche Kommunistische Partei DVU Deutsche Volksunion E EMUG Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft e.V. EU Europäische Union F FAU Freie Arbeiter-Union FESK Fakirlerin ve Ezilenlerin Silahli Kuvettleri FPM Free Patriotic Movement FRONTEX Frontieres exterieures FSB Federalnaja Slushba Besopasnosti G GBA Generalbundesanwalt GET Gedenkstätte Ernst Thälmann e.V. GfP Gesellschaft für freie Publizistik e.V. 278 Anhang / Abkürzungsverzeichnis GG Grundgesetz GIMF Globale islamische Medienfront GRU Glawojne Raswedywartelnoje Uprawlenije GSp GegenStandpunkt GSPC Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat GTAZ Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum H HafenSG Hafensicherheitsgesetz HAMAS Harakat al-Muqawama al-Islamiya HBgR Hamburger Bündnis gegen Rechts HDJ Heimattreue Deutsche Jugend HKO Halk Kurtulus Ordusu HmbGVBl Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt HmbSÜG Hamburgisches Sicherheitsüberprüfungsgesetz HmbVerfSchG Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz HNG Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. HPG Hezen Parastina Gel HuT Hizb ut-Tahrir I IAA Internationale Arbeiter Assoziation IAD Islamische Akademie Deutschland e.V. IAEO Internationale Atomenergieorganisation IAS International Association of Scientologists IBU Islamische Bewegung Usbekistans IEUS Islamisch-Europäische Union der SchiaGelehrten und Theologen IFIR Internationale Föderation Iranischer Flüchtlingsund Immigrantenräte e.V. 279 Anhang / Abkürzungsverzeichnis IGD Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. IGH Iranische Gemeinschaft in Hamburg e.V. IGMG Islamische Gemeinschaft Milli Görüs IHg Islamische Hochschulgemeinde e.V. IJB Islamischer Jugendbund e.V. IJU Islamische Jihad-Union IL Interventionistische Linke IMK Innenministerkonferenz IRIB Islamic Republic of Iran Broadcasting ISoI Islamic State of Iraq IZ Islamisches Zentrum IZH Islamisches Zentrum Hamburg J JLO Junge Landsmannschaft Ostdeutschland JN Junge Nationaldemokraten K KADEK Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane KCK Koma Ciwaken Kurdistan KKK Koma Komalen Kurdistan KON-KURD Konfederasyona Komelen Kurd Li Avrupa KPD Kommunistische Partei Deutschlands KPF Kommunistische Plattform KVPM Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte KZ Konzentrationslager L LeT Lashkar-e Taiba LfV Landesamt für Verfassungsschutz LG Landgericht LIZ Libertäres Zentrum LKA Landeskriminalamt 280 Anhang / Abkürzungsverzeichnis LKA Libertäres Kommunikationsund Aktionszentrum LRH L. Ron Hubbard LTTE Liberation Tigers of Tamil Eelam LuftSiG Luftsicherheitsgesetz M M.A.G.G.I Militante Antirassistische Gruppe Gegen das Imperium marx 21 marx21 - Netzwerk für internationalen Sozialismus MASCH Marxistische Abendschule MB Muslimbruderschaft MEI Menschenrechtszentrum für ExiliranerInnen e.V. MEK Modjahedin-E-Khalq MFG Muslimische Frauengemeinschaft MG Marxistische Gruppe mg militante gruppe MKP Maoist Komünist Partisi MLKP Marksist Leninist Komünist Partisi MSS Ministerium für Staatssicherheit, Chinesisches ... MTF Maritime Task Force N N&E Nation&Europa NADIS Nachrichtendienstliches Informationssystem NATO North Atlantic Treaty Organization NI Niedersachsen NLA National Liberation Army NS Nationalsozialismus NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands NW Nordrhein-Westfalen NWRI Nationaler Widerstandsrat Iran NZ National Zeitung / Deutsche WochenZeitung 281 Anhang / Abkürzungsverzeichnis O OLG Oberlandesgericht OSA Office of Special Affairs OVG Oberverwaltungsgericht P PDS Partei des Demokratischen Sozialismus PKA Parlamentarischer Kontrollausschuss PKK Partiya Karkeren Kurdistan PMK Politisch Motivierte Kriminalität R RAF Rote Armee Fraktion RB Reichsbewegung RBB Reichsbürgerbewegung RH Rote Hilfe e.V. RSB Revolutionär-Sozialistischer Bund S SAND Systemoppositionelle Atomkraft Nein Danke SAV Sozialistische Alternative SDAJ Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands SH Schleswig-Holstein SO Scientology-Organisation SoL Sozialistische Linke SP Saadet Partisi SprengG Sprengstoffgesetz StGB Strafgesetzbuch SWR Sluschba Wneschnei Raswedki T [tag]-Hamburg temporäre autonome gruppe Hamburg TAYAD Solidaritätsverein mit den politischen Gefangenen und deren Familien in der Türkei TH Thüringen TH Türkische Hizbullah 282 Anhang / Abkürzungsverzeichnis TIKKO Türkiye Isci Köylü Kurtulus Ordusu TJ Tablighi Jama'at TKP/ML Türkiye Komünist Partisi / Marksist Leninist TKP/ML-Partizan Türkiye Komünist Partisi / Marksist Leninist - Partizan U UZ Unsere Zeit - Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP V VEVAK Vezarate Ettelaat Va Amniate Keshwar VN Vereinte Nationen VRB Völkische Reichsbewegung VRBHV Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten VS Verschlusssachen W WASG Wahlalternative - Arbeit und Soziale Gerechtigkeit WISE World Institute of Scientology Enterprises WTSfF Wilhelm Tietjen Stiftung für Fertilisation Ltd. Y YEK-KOM Yekitiya Komelen Kurd li Almanya Z ZMD Zentralrat der Muslime in Deutschland ZRK Zentrale Revisionskommission 283 Anhang / Stichwortverzeichnis Stichwortverzeichnis Symbole al-Muqawama al-Islamiya......57, 58 1. Mai-Demonstration........99, 175, al-Qaida.....26, 30, 31, 33, 34, 35, 176, 178, 179, 180, 188, 191 36, 37, 38, 39, 40, 41, 44, 45, 46, 3. Oktober: Kein Tag zum Fei48, 49 ern!..............................116, 135 al-Qaida auf der arabischen Halbinsel.............................33, 34, 40 A al-Qaida im Irak...............33, 39, 40 [a2]-Hamburg.....130, 132, 133, 134 al-Qaida im islamischen MaghAA/NO.................................158 reb...................................33, 38 AAB..............................142, 143 al-Qaida im Jemen...........33, 34, 40 AAMB....................................32 AL-ZAYAT, Ibrahim...................55 ABBAS, Mahmud......................57 Algerien.......................38, 49, 237 ABDOULAZIZ RASHID, Ata.........46 ALi.......................................130 Abdulgaffar el-Almani................43 ALI HUSSEIN, Mazen.................46 ABJETZT - linke Jugend............119, ALLAWI, Dr. Iyad..................46, 47 120, 129 AL FADSCHR...........................63 ABLE....................................220 Al Manar TV.........................59, 60 Adelaide Institute....................204 AMAL....................................58 ADHK.....................................98 an-NABHANI, Taqiuddin.............51 Adil Düzen...............................66 Anadolu-Der............................95 Afghanistan....26, 31, 33, 35, 37, Anarcho-Syndikalisten............123 39, 41, 42, 43, 44, 136, 210 Anatolische Föderation e.V........95 AGIF.................................98, 99 Andalusien..............................35 Ägypten.................34, 49, 54, 55 ANF.......................................92 AHMADINEDSCHAD, Mahmud...61 Angriffe auf Polizeibeamte.......131 AHOJ............................120, 129 Ansar al-Islam....................40, 46 AIW.......108, 110, 115, 121, 122, Anschläge...26, 31, 33, 34, 36, 123, 125 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, Akademie Baghiatallah e.V........65 44, 45, 46, 48, 49, 59, 74, 78, AKIF, Muhammad Mahdi...........55 82, 89, 92, 93, 100, 112, 113, Aktionistisch orientierte Rechts114, 118, 125, 143, 144, 254 extremisten............................171 Anschlagsplanungen.......26, 33, 45 Aktionsbüro Norddeutschland..130, Anti-AKW-Bewegung, linksextremis173, 174, 175, 176, 178, 179 tische Einflussnahme auf die....142 al-Andalus..............................35 Anti-Atom-Büro Hamburg.........142 al-Ansar Media Battalion...........32 Antifa-Cafe Hamburg...............129 AL-ARIDI, Saleh........................59 Antifa-Szene...................128, 133 AL-BANNA, Hassan...................54 Antifaschismus..............107, 114, 284 Anhang / Stichwortverzeichnis 119, 128, 129, 132, 149, 152, 157 Ashraf, Lager...................100, 102 Antifaschistisches Hamburger OffeAssimilation.......................68, 70 nes Jugendplenum...........120, 129 Association of Better Living and EduAntifaschistisches und antiimperiacation..................................220 listisches Aktionsbündnis.........122 Atatürk Kulturzentrum DeutschAntifa Info Pool Hamburg...........128 land.......................................93 Antiimperialisten.......113, 121, 122 ATD.......................................20 Antiimperialistischer Widerstand .... Athen......................126, 127, 141 ............108, 109, 110, 121, 122 ATIF.......................................97 Antiknast-Sylvester-Demo.......127 ATIK......................................97 Antirassismus.........107, 111, 136, Atilim.....................................99 138, 140 AudioBotschaften..........32, 34, 35 Antirassismusund Klimacamp....... Auditing.........................218, 225 ............................107, 136, 138 Aufgaben des LfV..............17, 18, Antirepression.......................125 246, 248, 249, 253, 268, 269 Antirepressions-Block.......121, 126 AUJAH..........................120, 129 Antisemitismus.........56, 120, 165, Auschwitz-Lüge.....................204 197, 204, 205, 207, 208 Ausländerbehörde Hamburg ...111, Antiterrordatei.........................20 137, 268 AOUN, Michel..........................58 Ausländerfeindlichkeit.............202 APFEL, Holger..................170, 190 Autonome......106, 107, 108, 109, API....................77, 102, 103, 104 110, 111, 113, 114, 115, 120, API-Altpartei..........................102 122, 123, 125, 126, 127, 128, API-Brief...............................104 129, 130, 131, 132, 134, 137, API-HEKMATIST.............102, 103 141, 142, 161, 172, 179 Apoistische Jugendinitiative.......93 Autonome Antifaschisten.........128 Apostaten...............................52 Autonome Jugendantifa Hamburg AQM.................................38, 39 ....................................120, 129 Aqsa-Moschee.........................41 Autonome Linke Hamburg.......130 Arbeiterkommunistische Partei Autonome Nationalisten..........161, Iran................................77, 102 172, 179 Arbeiterpartei Kurdistans.......73, 82 AVANTI - Projekt undogmatische Arbeitslose Akademiker / NachLinke.....106, 118, 119, 120, 129, wuchsorganisation.................158 132, 137, 140 Armee der Reinen......................44 AZ-ZAWAHIRI, Aiman...33, 34, 35, ARSLAN, Talal.........................59 36, 38, 40, 41, 46 Artgemeinschaft - Germanische AZZAM, Abdullah.....................41 Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V. ..201 as-Sahab-Media..................34, 37 285 Anhang / Stichwortverzeichnis B 181, 211 Badr at-Tawhed........................42 Bundeswehr...26, 31, 37, 59, 112, Baghlan..................................31 236 Barcelona...............................48 Bündnisdemonstration am Barrikaden........117, 131, 133, 145 01.05.08..............................130 Bauernhilfe e.V.......206, 211, 212 Bündnis der Islamischen Gemeinden Befragung von Referenzpersoin Norddeutschland e.V.............71 nen......................................242 Bürgerschaftswahl in Hamburg.107, Befreiungspartei.......................51 111, 132, 133, 151, 161, 176, Befugnisse des Landesamtes für Ver198, 199 fassungsschutz........246, 250, 252 BUSSE, Friedhelm...................169 BERRI, Nabih............................58 Buxtehude..............................94 Bewaffnete Einheiten der Armen und Unterdrückten.........................98 C Bezirksamt Hamburg-Nord........139 Castor-Transport.....111, 142, 143, BIG..............................71, 72, 73 144, 145 BIG, Führungsfunktionäre......72, 73 CCH..............................142, 143 BIG-Jugendinitiativen...............72 CDK..................................85, 90 BIG-Moscheen.........................72 CEBER, Engin...........................96 BIN LADEN, Usama.33, 34, 36, 41, 46 Centrum Moschee.....................72 Bischofsheim, Saalveranstaltung.74 Ceuta.....................................35 BKA.................................47, 121 CH...................206, 211, 212, 213 BKR...............................146, 147 Charterkomitee......................226 Blogs.....................................32 Chats................................32, 46 Bombenholocaust...................181 China.........158, 230, 234, 236, 237 BREININGER, Eric.................42, 43 CIFTCI, Cüneyt.........................42 Brevik............................133, 134 Collegium Humanum.......206, 211 Brigittenstraße 5.......95, 115, 122, Committee for a Workers' Internati123, 155 onal.....................................156 Brüssel.............................45, 101 CONDE, Laye.........................127 BSI......................................244 CWI.....................................156 BUBACK, Siegfried...........123, 125 Bundesamt für die Sicherheit in der D Informationstechnik................244 "Das Kapital" (MARX, Karl).........155 Bundeskoordinierungsrat.........146 DAMMANN, Adolf..................194 Bundesminister des Innern.........53, Dänemark...................36, 86, 139 60, 76, 86, 178, 211 Dannenberg....................143, 145 Bundespolizeiakademie in Deutsches Kolleg....................206 Lübeck.................................138 Deutsche Bahn, Anschläge auf.143, Bundesverwaltungsgericht........53, 144 286 Anhang / Stichwortverzeichnis Deutsche Kommunistische Partei .. Ehli-Beyt-Alevitische Religionsge...........................................148 meinschaft Ehli Beyt Alevi FederaDeutsche Volksunion........160, 195 syonu e.V...............................65 Deutschland-Pakt............168, 198 Einbürgerungen..............21, 22, 91 Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cep EL HAJ DIB, Youssef..................47 he..........................................94 EMUG....................................66 Devrimci Sol............................94 Entführungen..........40, 76, 87, 205 DHKC....................................95 Entrismus-Strategie................155 DHKP................77, 94, 95, 96, 123 Eppendorfer Org........223, 225, 227 DHKP-C.............77, 94, 95, 96, 123 ERBAKAN, Necmettin Prof.........27, Dianetik..................219, 223, 224 66, 67, 69, 70, 71, 72, 73 Die Basis.................................33 EU-Gipfel................................45 DIE LINKE..............108, 109, 110, EU-Terrorliste....................86, 101 127, 145, 146, 147, 149, 150, Euro-Islam..............................68 151, 154, 155, 156, 157, 199 Europäische Moscheebauund DIE LINKE., extremistische TeilUnterstützungsgemeinschaft e.V... strukturen in der Partei...........145 .............................................66 Direkte Aktion.......................124 Exeter....................................45 Diskussionsforen.....................32 Expansion......................225, 226 Diyarbakir..........................73, 74 Explizit...................................53 DK................................206, 207 Export der islamischen RevoluDKP.......146, 148, 149, 150, 151, tion..................................62, 63 152, 153, 154 DKP, 18. Parteitag...................149 F DKP, Hamburger........151, 152, 154 Fälschungsdelikte....................29 DKP, Mitglied in BezirksversammFamilienwerk e.V....................201 lung Hamburg-Nord.................151 FATAH...................................57 DKP, VierzigJahreFeier............151 FAU........................115, 123, 124 DKP zur Finanzkrise................152 FAUST, Matthias...................161, DOLUTAS, Önder.....................97 176, 195, 198, 199 Doppelcamp............137, 138, 140 FESK.................................98, 99 Dörverden.............................203 Festival der Jugend................153 Drogen......221, 222, 223, 224, 226 Finanzkrise.....147, 148, 151, 152, DVU.......111, 132, 133, 160, 161, 153, 158, 189 163, 164, 165, 168, 170, 171, Firat News Agency....................92 176, 181, 195, 196, 198, 199 Flughafenterminal, Blockade.....139 Flüssigbomber.........................49 E Föderation der Arbeiterimmigrantin"Edi Bese", Kampagne.................85 nen aus der Türkei in Deutschland E-Mail....................2, 32, 234, 237 e.V........................................98 287 Anhang / Stichwortverzeichnis Föderation der Arbeiter aus der TürGerechte Ordnung....................66 kei in Deutschland....................97 Geschichtsrevisionismus..204, 206 Föderation kurdischer Vereine in Gesellschaft für freie Publizistik Deutschland e.V. ......................85 e.V. .....................................200 FOLKERTS, Knut....................123 Gewaltdelikte......82, 112, 166, 167 FPM.......................................58 Gewalttaten...............30, 39, 107, FRADKOW, Michail Jefimowitsch 111, 132, 161, 165, 166, 167 ............................................235 GfP................................200, 201 Französisches Generalkonsulat in GHAEM MAGHAMI, Seyed Abbas.. Hamburg...............................144 .............................................64 Freewinds.............................218 GIMF.......................32, 47, 48, 49 Freies Netzwerk zum Erhalt des Globale islamische Medienfront..32 Schanzenparks.......................140 Global Islamic Media Front.........32 Freie Arbeiter-Union................123 Glückseligkeitspartei.................67 Freie Kräfte........161, 168, 169, 173 Gorleben...........111, 142, 143, 145 Freie Nationalisten...161, 168, 169, Griechenland, Position der Milli Gör173, 176, 179 üs zu den Unruhen in.................68 FREY, Gerhard Dr. 71,195,196,197 Griechenland, Solidarität mit....126 FRONTEX.......................136, 138 Grigoropoulos, Alexis...............127 Frühwarnsystem......................17 Groß-Türkei........................66, 68 FSB......................................236 Großbritannien......48, 53, 101, 102 Für ein sicheres Bergedorf.161, 175 Groupe Salafiste pour la Predication Für unsere Zukunft..................175 et le Combat...........................38 GRU..............................235, 236 G GSp.....................................157 Gaza..................................52, 57 GSPC.....................................38 Gebietsrevisionismus..............204 Gedenkstätte Ernst H Thälmann e.V........................152 HafenSG...............................243 GegenStandpunkt............157, 158 Hafensicherheitsgesetz...243, 250, Gegenstrom08......................139 262 Geheimund Sabotageschutz.....18, HAMAD, Jihad.........................48 240, 241 HAMAS...............30, 51, 54, 57, 58 Geheimschutz...230, 241, 242, 243 Hamburger Bündnis gegen GELOWICZ, Fritz..................42, 47 Rechts..................119, 130, 152 Gemeinschaft der Verkündigung und Hamburger Bündnis gegen UnterMission...................................55 drückung..............................126 Gentrifizierung.......................140 Hamburger Org.....................221, Georgsmarienhütte/Niedersachsen 225, 226, 227 ..............................................45 Hamburger Soligruppe.............125 288 Anhang / Stichwortverzeichnis Hamburgisches VerfassungsschutzHuT....................27, 51, 52, 53, 54 gesetz.............................17, 246 Harakat al-Muqawama al-Isla- I miya.......................................57 IAA......................................123 HARRACH, Bekkay...................37 IAD...................................63, 64 Hasselt...................................70 IAEO................................61, 231 Hassprediger...........................50 IAS...............................217, 224 Haushaltsansatz des LfV.............21 Ibrahim-Khalilullah-Moschee......54 Havana-Club.........................154 IBU........................................41 HBgR.........119, 130, 133, 134, 152 Ideale Org..............................226 HDJ..............................177, 178 IEUS......................................65 Heiligendamm...106, 119, 125, 136 IFIR......................................103 Heiliger Krieg.......................30, 49 "Iftar"-Empfang........................73 Heimattreue Deutsche Jugend.177 IGD........................................55 Heisenhof.............................203 IGH......................................101 HEKMAT, Mansour.................102 IGMG....................27, 28, 51, 66, Heldengedenken.....................181 67, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 74 Heß, Rudolf...............181, 210, 211 IGMG, parallelgesellschaftliche Heß-Gedenkveranstaltungen....211 Strukturen...............................69 Hetzjagden und Übergriffe auf IGMG, Tag der Brüderlichkeit und Rechtsextremisten..................131 Solidarität...............................70 Hilfsorganisation für nationale politiIGMG, Tag der Funktionäre..........69 sche Gefangene und deren AngehöIGMG-Führung.........................67 rige e.V.................................177 IGMG-Immobilienbesitz.............66 HIZB ALLAH.........27, 51, 58, 59, 60 IGMG-Zentrale.........................71 Hizb Al Tahrir al Islami...............51 IHg........................................71 Hizb ut-Tahrir..................27, 30, 51 IJB.........................................72 HKO......................................98 IJU.....................41, 42, 43, 44, 47 HmbSÜG.................242, 250, 276 IL..............106, 107, 119, 120, 137 HNG....................................177 ILYAS, Mawlana Muhammad......55 HOGEFELD, Birgit...................112 Imam Ali-Moschee....................62 Holocaust...............198, 200, 203, IMK.....................................216 204, 205, 206, 209, 210, 211, 212 Impact..............217, 218, 224, 225 Holocaust-Leugnung...............204 Imrali.......................76, 82, 83, 89 home-grown terrorism...............31 Inbrandsetzen von Fahrzeugen ........ HPG..................................83, 87 .......................131, 138, 143, 144 HUBBARD, L. Ron.................217, Indien................................55, 68 218, 225, 227 Industriespionage...................233 Hürriyet..................................67 Informationsund Beratungsangebot HUSSEIN, Saddam..................100 des LfV.................................240 289 Anhang / Stichwortverzeichnis Informationsund KommunikationsIranisches Parlament, Wahlen zum... technik..........................242, 244 .............................................60 Informationsstände.........102, 103, Iranische Gemeinschaft in Hamburg 128, 161, 173, 174, 182, 192 e.V. .....................................101 Informationsverarbeitung..........19 IRIB.......................................62 Innensenator, Hamburger.........142 Irschad-Abteilung.....................72 INTERIM...............................113 IRVING, David........................197 Internationales Komitee gegen SteiniIslamabad..........................36, 38 gung....................................102 Islamic State of Iraq....................39 Internationales Zentrum....115, 122 Islamisch-Europäische Union der Internationale Arbeiter Assoziation .. Schia-Gelehrten und Theologen...65 ...........................................123 Islamischer Jugendbund e.V......72 Internationale Föderation Iranischer Islamischer Kulturverein Imam HosFlüchtlingsund Immigrantenräte sein e.V. ..................................65 e.V. .....................................102 Islamischer Widerstand..............58 Internationale Kampagne zur VerIslamisches Zentrum........51, 60, 64 teidigung der Frauenrechte im Iran Islamisches Zentrum Hamburg ........ e.V. ....................................103 ........................................27, 62 International Association of ScienIslamisches Zentrum München...55 tologists.........................217, 224 Islamisches Zentrum Salman Farsi Internet....................2, 18, 19, 31, Moschee Langenhagen e.V.........65 32, 33, 34, 35, 36, 42, 43, 45, 46, Islamische Akademie Deutschland 50, 51, 53, 61, 62, 70, 72, 74, 76, e.V........................................63 82, 83, 87, 89, 93, 95, 98, 104, Islamische Bewegung Usbekistans ... 123, 124, 125, 128, 129, 130, .............................................41 132, 135, 137, 141, 143, 147, Islamische Gemeinschaft in Deutsch152, 153, 158, 173, 174, 176, land e.V. .................................55 179, 185, 190, 194, 196, 199, Islamische Gemeinschaft Milli Görüs 201, 203, 204, 205, 206, 208, e.V. .......................................66 211, 220, 221, 225, 230, 234, 242 Islamische Hochschulgemeinde Internet-Telefonie..............32, 234 e.V. .......................................71 Interventionistische Linke........106, Islamische Imamia Föderation in 119, 137 Europa e.V. .............................64 Intifada...................................57 Islamische Jihad-Union.........41, 47 Irak.......................33, 35, 39, 40, Islamische Jugend Deutschland...64 49, 84, 91, 100, 210 Islamische Kulturgemeinde der Iraner Iran...................58, 60, 61, 62, 64, in Berlin e.V. .............................65 77, 99, 100, 101, 102, 103, 230, 231 Islamische Vereinigung in Bayern Iran, Atomprogramm.................61 e.V. .......................................65 Iranischer Sportverein e.V...........64 290 Anhang / Stichwortverzeichnis Islamische Widerstandsbewegung .. Kameradschaften..................161, .............................................57 168, 169, 172, 173, 174, 175, 176 Islamisierung.................56, 61, 62 KAPING, Klaus.................210, 212 Islamismus, Grundbegriffe.........50 KARAHAN, Yavuz Celik..............71 Islam iranischer Prägung...........63 KARATAS, Dursun....................95 ISoI........................................39 KARAYILAN, Murat..............83, 88 Israel..........35, 52, 53, 55, 57, Kaschmir................................44 58, 59, 197, 203, 204, 210 Kaukasus................................53 Issers.....................................39 KAYPAKKAYA, Ibrahim........96, 98 Istanbul..................................45 KCK.........................83, 84, 88, 93 IT-Sicherheit.........................240 KEMNA, Erwin...160, 170, 189, 190 IZ..........................................55 Kern-al-Qaida.................33, 34, 41 IZH...........27, 51, 60, 62, 63, 64, 65 Kerpen.....................66, 71, 72, 73 Izzaddin al-Qassam-Brigaden......57 KHAMENEI, Seyyed Ali..........62, 64 KHOMEINI, Ruhollah.................65 J Khost.....................................42 JALLOH, Oury........................127 KKK.......................................83 JAMA'A IKHWAN AL-MUSLIMIN.54 KLAR, Christian...............112, 123 Jemen......................33, 34, 40, 41 Klimacamp..............120, 137, 140 Jihad............27, 30, 32, 33, 34, 35, Kohlekraftwerk Hamburg-Moor40, 41, 42, 43, 47, 48, 49, 52, 54, 68 burg.....................................139 Jihad-Ideologie.........................27 Komalen Ciwan...................92, 93 Jihadisten.............................27, Koma Ciwaken Kurdistan..........83 31, 38, 39, 40, 42, 49, 50, 51 Koma Komalen Kurdistan..........83 JLO......................................210 Kommission für Verstöße der PsychJN.................................174, 195 iatrie gegen Menschenrechte...220 Juden........................52, 53, 185, Kommunikationszentren..........115 197, 202, 203, 204, 206, 209, 213 Kommunistische Partei DeutschJugendunion............................92 lands ....................................120 Jugend zu uns.........173, 180, 186 Kommunistische Partei Irans....102 Junge Landsmannschaft OstKommunistische Plattform.......146 deutschland..........................210 KOMONIST...........................104 Junge Nationaldemokraten.174, 195 KON-KURD.............................85 Konfederasyona Komelen Kurd Li K Avrupa...................................85 "Klassenlose" Gesellschaft........148 Konföderation der Arbeiter aus der KADEK...................................82 Türkei in Europa.......................97 Kalifat...........................51, 52, 54 Konföderation der kurdischen VerKameradenkreis Neonazis in Hameine in Europa..........................85 burg..........172, 173, 174, 178, 180 Konföderation für demokratische 291 Anhang / Stichwortverzeichnis Rechte in Europa......................98 Liberation Tigers of Tamil Eelam...77 KONGRA GEL...........76, 80, 82, 83, Libertäres Kulturund Kommunika84, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 92 tionszentrum.........................124 Konvertiten.....31, 42, 45, 49, 63, 79 Libertäres Zentrum...........115, 143 Konya....................................47 Libyen..................................230 Koordinasyona Civaka Demokratik Linksjugend (solid)..................157 ya Kurden Ewrupa....................85 Liste ausländischer Mujahidin....40 Koordination der kurdischen demoLIZ................................115, 143 kratischen Gesellschaft in Europa .. LKA........................115, 124, 187 .............................................85 Lokalberichte Hamburg............152 KPD...............................120, 152 London..........49, 53, 102, 156, 204 KPF..................108, 109, 146, 147 LTTE.................................77, 78 KPF Clara Zetkin......................147 Luftsicherheitsgesetz..............243 KPF der "Liste Links".................147 LuftSiG.................................243 Krawalle.........................132, 142 Lunikoff.........................186, 187 Kreuzzügler.............................40 Lüttich...................................45 Krisenländer..........................231 KÜHNEN, Michael...................171 M Kulturund Solidaritätsverein HamM.A.G.G.I......................111, 138 burg e.V..................................97 Macht der Arbeiterklasse..........148 Kunduz...................................31 Maghreb............................33, 38 Kurden...................73, 76, 79, MAHLER, Horst................206, 212 85, 86, 87, 88, 93, 94, 197 Maoismus...............................76 Kurdischer Volksrat Hamburg......90 Maoistische Kommunistische ParKurdistan...............73, 82, 83, 86, tei.....................................96, 98 88, 90, 91, 92, 122 Maoist Komünist Partisi............98 Kurdistan Solidarität Hamburg...122 Marksist Leninist Komünist Partisi .. Kurdistan Volkshaus e.V...........90 .............................................98 KURTULMUS, Numan................68 Marokko.................................49 KUTAN, Recai..........................70 Marriott-Hotel.........................38 KVPM.....................220, 223, 226 Märtyrer............................43, 52 MARX, Peter..........................170 L Marxismus...76, 121, 148, 149, 154 LAHOUD, Emile........................58 Marxismus-Leninismus .....76, 121, Landtagswahlen....................149, 148 160, 168, 188, 198 Marxistisch-Leninistische KommuLashkar-e Taiba...................43, 44 nistische Partei........................98 Lebensordnung des Islam..........52 Marxistische Abendschule Hamburg LeT...................................43, 44 - Forum für Politik und Kultur.....154 Libanon........................48, 58, 59 Marxistische Gruppe...............157 292 Anhang / Stichwortverzeichnis marx 21 - Netzwerk für internationaMUGHNIJA, Imad.....................59 len Sozialismus................147, 156 Mujahidin...34, 35, 36, 38, 40, 41, 43 MASCH e.V....................154, 155 Mumbai...................37, 43, 44, 68 Materieller Geheimschutz.........243 Muslimbruderschaft.............51, 54 MB..........................51, 54, 55, 57 Muslime im Dialog.....................63 MEI......................................101 Muslimische Frauengemeinschaft .. MEK.....................77, 99, 100, 101 .............................................71 Melilla....................................35 Menschenrechtsverein für Migran- N ten e.V. ................................101 "Naziladen"............................133 Menschenrechtszentrum für ExiliraN&E.....................................205 nerInnen e.V. .........................101 Naceria/Boumerdas..................39 MFG......................................71 Nachrichtendienste..113, 230, 231, MG...............................157, 158 232, 235, 236, 237, 241, 246, 265 mg............112, 113, 121, 125, 126 Nachrichtendienstliche Mittel....246 Militante Antirassistische Gruppe NADIS..........................20, 21, 22 Gegen Das Imperium NASRALLAH, Hassan...........59, 60 (M.A.G.G.I.) ..........................138 Nation&Europa......................205 militante gruppe.....................112 Nationaldemokratische Partei Militante Kooperationen zur VerhinDeutschlands ........................188 derung des Naziaufmarsches am Nationaler Widerstandsrat Iran...99, 1. Mai .................................133 100 Militanz............112, 114, 132, 138 Nationale Befreiungsarmee......100 Milli Görüs-Bewegung..............66, Nationale Sicht.........................66 67, 68, 69, 70, 71, 72, 73 National Zeitung /Deutsche WochenMilli Görüs-Jugend...................70 Zeitung..............................196 Milli Gazete........67, 68, 69, 70, 72 NATO............................106, 119 Ministerium für Staatssicherheit 236 Neonaziund Skinheadszene in BramMKP........................77, 96, 98, 99 feld .......160, 172, 174, 175, 178, MLKP...........................77, 98, 99 182, 192 Modjahedin-E-Khalq.............77, 99 Neonazis....97, 99, 128, 152, 163, MOHAMAD YOUSEF, Rafik.........46 164, 165, 169, 170, 171, 172, Mohammad-Karikaturen..34, 36, 48 173, 174, 176, 177, 178, 180, MOHNHAUPT, Brigitte.............123 181, 182, 186 MOLAU, Andreas.............190, 200 Neonazistisch beeinflusste SkinMoscheebau-Kommission..........55 heads...................................171 Moscheevereine..................66, 71 Netzwerke, virtuelle..................32 Mouhajerin-Moschee................55 Neue Welt...............................68 Mövenpick, Hotel....................140 NEWROZ................................91 MSS....................................236 NLA...............................100, 101 293 Anhang / Stichwortverzeichnis Nokia enteignen.....................149 Personalbestand des LfV.............21 Nordische Zeitung...................202 Personeller Geheimschutz........242 Nordkorea......................230, 231 Personeller Sabotageschutz......243 NPD........111, 133, 160, 161, 163, PKK................73, 76, 82, 83, 84, 164, 165, 168, 169, 170, 171, 172, 86, 87, 89, 91, 94, 122 173, 174, 175, 176, 178, 184, PMK............29, 81, 82, 110, 112, 187, 188, 189, 190, 191, 192, 165, 166 193, 194, 195, 198, 200, 202, 212 Politisch Motivierte Kriminalität..29, NPD-Bundesparteitag.............190 81, 110, 165 NWRI............77, 99, 100, 101, 102 Pößneck...............................203 NZ..........................196, 197, 198 Primat der Religion....................63 Prinzip der wehrhaften Demokra- O tie..........................................16 OBERLERCHER, Reinhold Dr......206 Proliferation.............231, 233, 240 ÖCALAN, Abdullah.......76, 82, 83, Propaganda.............26, 32, 34, 43, 85, 89, 91, 93 53, 90, 132, 148, 186, 211, 212, 225 Öffentlichkeitsarbeit.......2, 23, 63, Propagandadelikte...........165, 166 191, 199, 224, 227, 241 Psychiatrie.....................220, 223 Office of Special Affairs............224 PÜHSE, Jens..........................170 OMAR, Mullah..........................33 Operation "Gegossenes Blei".......57 Q Organigramm des LfV...............23 Quds-Moschee........................50 Orthodoxe Kommunisten.........148 QUTB, Sayyid..........................50 OSA.....................................224 Österreich.....................39, 48, 74 R Outing-Aktionen....................128 RADJAVI, Maryam.............77, 101 RAF...............112, 122, 123, 125, P 126, 206 Pakistan.......3, 37, 44, 49, 230, 231 RASCHID, Ibrahim...............45, 46 Palästina..........33, 35, 41, 52, 54, Rat der islamischen Gemeinschaf57, 122, 210 ten in Hamburg...................50, 65 Palästina-Solidaritäts-Bündnis .122 Recherchearbeit.....................128 SS 129a StGB....................112, 125 Rechtsextremistische Musik....183, Parlamentarischer Kontrollaus184, 185, 187 schuss......................20, 247, 274 Rechtshilfetipps.....................121 Parlamentarische Kontrolle des VerRegelanfrage bei Einbürgerungen 21 fassungsschutzes............247, 274 REGENER, Michael..................186 Parteienfinanzierung..160, 168, 188 Repression.......87, 121, 125, 126, Partei Gottes............................58 127, 182 Pasdaran.................................61 Revisionismus..........203, 207, 208 294 Anhang / Stichwortverzeichnis Revisionisten.....197, 200, 205, 212 SAND.....................137, 142, 143 Revolutionäre Linke..................94 Saudi-Arabien.....33, 34, 35, 40, 237 Revolutionäre Volksbefreiungsfront Sauerlandgruppe.................42, 47 ..............................................94 Sauerstoffund Acetylen-GasflaRevolutionäre Volksbefreiungsparschen...................................144 tei .........................................94 SAV........................155, 156, 157 Revolutionäre VolksbefreiungsparSchanzenviertel......115, 116, 117, tei-Front.................................94 126, 127, 132, 140, 141, 142 Revolutionswächter..................61 Schanzenviertelfest...117, 141, 142 RH.................................120, 121 Scharia................41, 51, 52, 56, 73 RIEGER, Jürgen......160, 169, 187, Schengener Visumverfahren.......22 188, 190, 191, 201, 202, 203, Schiiten...........27, 40, 51, 58, 62, 205, 206, 210 63, 64, 65 ROJ TV...........76, 85, 86, 87, 88, 91 SCHLEMMER, Günther............195 ROJ TV, Verbot.........................86 Schleusungen..........................29 ROßMÜLLER, Sascha.......170, 190 SCHNEIDER, Daniel..............42, 47 Rote Armee Fraktion...............112 Schöne Aussicht..................62, 64 Rote Flora.......115, 116, 117, 118, SCHURA............................50, 65 125, 135, 141, 142, 143 Schwarzer Block.......161, 172, 179 Rote Hilfe e.V........................120 Scientology......23, 216, 217, 218, RUDOLF, Germar....................204 219, 220, 221, 222, 223, 224, Russland...........202, 230, 235, 236 225, 226, 227 SDAJ............................153, 154 S Seevetal.................................72 "Schluss mit lustig"..........180, 186 Selbstmordanschläge....31, 38, 40, Saadet Partisi...........................67 41, 42, 45 Sachbeschädigungen..........81, 82, SELEK, Atilla............................47 93, 107, 111, 113, 114, 115, 117, Sicherheitsbefragungen............22 118, 127, 132, 133, 202 Sicherheitsüberprüfungen....21, 22, Sachbeschädigungen an Wohnhäu242, 262 sern von DVU-Kandidaten.......132 Sicherheitsüberprüfungsgesetz...... Sachbeschädigungen an Wohnob....................................242, 250 jekten und Fahrzeugen von DVUSinjar.....................................40 bzw. NPD-Funktionären .........133 Sitzblockade auf Bahngleisen...145 Salafisten...............................50 Skinheads..163, 164, 165, 171, 172 Salafistische Gruppe für Predigt und SoL..................122, 123, 147, 156 Kampf....................................38 Solidaritätsbündnis gegen BeugeSalafiya..................................50 haft......................................123 SALAM..................................63 Solidaritätsverein mit den politiSanaa....................................41 schen Gefangenen und deren Fami295 Anhang / Stichwortverzeichnis lien in der Türkei......................96 TAYAD...................................96 Somalia..................................33 Tehran Today...........................61 Sozialistische Alternative.155, 156 temporäre autonome gruppe HamSozialistische Deutsche Arbeiterjuburg.....................................130 gend....................................153 TH...................27, 73, 74, 203, 212 Sozialistische Linke...........122, 147 THÄLMANN, Ernst..................152 SP................................67, 68, 70 THIESSEN, Tobias...................173 Spendensammlungen..........77, 88, Thor Steinar...........................134 91, 95, 101, 120, 153, 219, 224 TIKKO....................................97 Spionageabwehr.......230, 233, 236 TJ................................51, 55, 56 Sprengsätze in Regionalzügen.....48 TKP/ML...............77, 96, 97, 98, 99 Sprengstoffgesetz..................243 TKP/ML-Partizan........96, 97, 98, 99 Sri Lanka............................77, 78 TÖBEN, Frederick Dr...............204 St. Georg.....................54, 72, 222 Trolley-Bomber....................47, 48 Stadtentwicklungspolitik, linksexTROTZKI, Leo.........................155 tremistisch beeinflusste Initiativen Trotzkisten...............110, 155, 156 gegen..................................140 Tschetschenien........................35 Steindamm.............50, 54, 74, 168 Tunesien.................................49 Steuerhinterziehung..................71 Türkei...............47, 66, 67, 68, 69, STOLZ, Sylvia........................209 71, 73, 74, 76, 77, 82, 84, 86, 87, Straßenschlachten..................131 89, 95, 96, 97, 98, 99, 122, 168, 197 Sudan..............................34, 237 Türkische Arbeiterund BauernbefreiSüdostasien..........................122 ungsarmee..............................97 SULEIMAN, Michel...................59 Türkische Hizbullah..........27, 51, 73 SWR....................................235 Türkische Kommunistische Partei / Syrien............34, 49, 230, 231, 237 Marxisten Leninisten.............96, 97 Systemoppositionelle Atomkraft Türkiye Komünist Partisi / Marksist Nein Danke ............................142 Leninist..............................96, 97 TV5..............................67, 70, 73 T Tablighi Jama'at.......................55 U [tag]-Hamburg.......................130 Überfremdung........182, 193, 194, Tag der Deutschen Einheit, Feiern 196, 200, 201 zum..............................116, 134 UCAR, Ramazan.......................72 Tag der offenen Moschee.....65, 73 Umstrukturierung des SchanzenvierTaleban....................31, 33, 37, 44 tels................................141, 142 Tarnfirmen............................232 Unbreakable Streetware...........133 Taschkent...............................41 UNIFIL-Mission MTF 448............59 Tatbekennungen.....31, 82, 93, 111, Unsere Zeit - Sozialistische Wochen113, 114, 132, 133, 137, 143, 144 zeitung - Zeitung der DKP...........148 296 Anhang / Stichwortverzeichnis USA..................21, 61, 101, 202, ........................................77, 99 205, 210, 221, 223, 227 Volksversammlungen................91 Usbekistan..............................43 Volksverteidigungskräfte...........83 UZ.................................148, 151 VRB........................206, 207, 208 VRBHV..........200, 206, 207, 208, V 211, 212 Vahdet-Moschee......................74 VS.............240, 241, 242, 243, 244 Vattenfall..............................137 Verarbeitung personenbezogener W Daten ...........246, 252, 262, 263 WAGENKNECHT, Sahra...........146 VERBEKE, Siegfried.................204 Waisenkinder-Hilfe Iran e.V.........64 Verbot rechtsextremistischer GrupWeisse Wölfe..................168, 184 pierungen..............................211 Wien.............................32, 48, 61 Verein der Förderer einer iranischWilhelm Tietjen Stiftung für Fertilisaislamischen Moschee in Hamburg tion Ltd.................................203 e.V. .......................................64 Wirtschaftsschutz......23, 230, 240 Verein freier Frauen aus MesopotaWirtschaftsspionage.......230, 231, mien e.V.................................90 233, 234, 235, 240 Verein zur Rehabilitierung der wegen WISE.............................220, 226 Bestreitens des Holocaust VerfolgWORCH, Christian.....170, 175, 176 ten..........................200, 206, 211 World Institute of Scientology EnterVerfassungstreue.....................16 prises............................220, 226 Verschlüsselungstechnologien...32 Wortergreifungsstrategie.........182 Verschlusssachen..................240 WTSfF..................................203 VEVAK.................................237 WULFF, Thomas........169, 170, 187 Videos.............32, 34, 36, 37, 42, Wunsiedel................181, 210, 211 43, 46, 70, 73, 224 Virtuelles Netzwerk...................51 Y VOIGT, Udo...........169, 170, 188, YASIN, Ahmad Scheich..............57 189, 190, 194 YEK-KOM.................85, 87, 88, 90 Völkerverständigung.....18, 53, 60, Yekitiya Komelen Kurd li Almanya 85 211, 249, 271 Yeni Özgür Politika.........87, 91, 93 Völkische Reichsbewegung.....206, YILMAZ, Adem....................42, 47 208 Volksbefreiungsarmee..............98 Z Volksfront......160, 168, 169, 170, Zeck...114, 117, 118, 123, 137, 142 171, 172, 196 Zentralasien............................53 Volkskongress Kurdistans..........82 Zentralrat der Muslime in DeutschVolksküche...........................140 land.......................................65 Volksmodjahedin Iran-Organisation ZMD......................................65 297 Anhang / Stichwortverzeichnis Zugangsoder Zugriffskontrollen .. ...........................................244 ZÜNDEL, Ernst.......................204 Zuverlässigkeitsüberprüfungen ...... ........................22, 243, 250, 262 ZYSK, Anja...............170, 176, 191 298 Notizen Notizen