Verfassungsschutzbericht 2006 Landesamt für erfassungsschutz www.verfassungsschutz.hamburg.de Verfassungsschutzbericht 2006 Im Text finden Sie vielfach die Symbole und Das Sinnbild "Buch" verweist auf eine Fundstelle in diesem Verfassungsschutzbericht. Das Symbol "Weltkugel" bedeutet, dass es zu dem Thema weitere Informationen auf unseren Internetseiten gibt. Unter http://www.verfassungsschutz.hamburg.de finden Sie regelmäßig aktuelle Informationen über alle Arbeitsfelder des Hamburger Verfassungsschutzes. Herausgeber: Freie und Hansestadt Hamburg Behörde für Inneres Landesamt für Verfassungsschutz Johanniswall 4, 20095 Hamburg Telefon: 040 / 24 44 43 Telefax: 040 / 33 83 60 Internet: http://www.verfassungsschutz.hamburg.de E-Mail Öffentlichkeitsarbeit: info@verfassungsschutz.hamburg.de Auflage 2.500 Juni 2007 Redaktionsschluss: 15.02.2007 Satz/Layout, Grafik: Landesamt für Verfassungsschutz Druck: ANWECO, Trittauer Amtsweg 9, 22179 Hamburg Vorwort Vorwort des Senators Udo NAGEL Liebe Hamburgerinnen und Hamburger, spätestens seit den fehlgeschlagenen "Kofferbombenanschlägen" auf Regionalzüge in Nordrhein-Westfalen am 31.07.06 wissen wir, dass der islamistische Terrorismus auch in Deutschland angekommen ist und uns alle bedroht. Wenngleich unsere Sicherheitsbehörden gut aufgestellt sind, kann niemand für eine hundertprozentige Sicherheit garantieren. Allerdings sind wir nicht wehrlos. Wir unternehmen unvermindert alles, um gewaltbereite Islamisten unter Beobachtung zu halten und nach Möglichkeit auszuweisen. In unserem Bestreben, die Terror-Bekämpfung weiter zu optimieren und zu vernetzen, um die Menschen unseres Landes vor Gefahren zu schützen, sind wir 2006 ein gutes Stück vorangekommen. So habe ich mich mit Nachdruck dafür eingesetzt, dass wir endlich eine für die Sicherheitsbehörden in der Praxis taugliche "Anti-Terror-Datei" bekommen. In dieser Datei, mit der auch in Hamburg seit dem 30. März 2007 gearbeitet wird, finden die Sicherheitsbehörden die notwendigen Angaben, um eine Person zu identifizieren und zu erfahren, welche Dienststelle weitere Informationen über sie besitzt. Immerhin sind die Daten von 16 Landesbehörden für Verfassungsschutz und 16 Landespolizeien, des Bundesamtes für Verfassungsschutz, des Bundesnachrichtendienstes, des Militärischen Abschirmdienstes, der Bundespolizei, des Bundeskriminalamtes und des Zolls miteinander vernetzt. Die Datei ermöglicht diesen Behörden die für diese Fälle wichtige gemeinsame Kommunikation. Dabei ist sichergestellt, dass die gesetzlichen Regeln für den Informationsaustausch zwischen Nachrichtendiensten und Polizeien nicht ausgehebelt werden. Wie wichtig ein schneller und reibungsloser Austausch von Daten und Bewertungen ist, stellt die Arbeit der Anfang 2005 eingerichteten Dienststelle "Anti-Terror-Koordination" in der Hamburger Innenbe- 3 Vorwort hörde unter Beweis. Sie bündelt vor allem die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes, der Polizei und des Einwohner-Zentralamtes und hat, insbesondere bei der Vorbereitung der Ausweisung gefährlicher Ausländer, gute Arbeit geleistet. Auch wenn der Ausländerextremismus - dabei insbesondere der gewaltbereite Islamismus - höchste Priorität hat, vernachlässigt der Verfassungsschutz nicht die Beobachtung anderer extremistischer Bestrebungen. Dazu zählen insbesondere der Linksund Rechtsextremismus. Schon 2005 war das Gipfeltreffen der Regierungschefs der führenden Industrienationen (G8) im Juni 2007 in Heiligendamm, MecklenburgVorpommern, eines der Themen, die die Diskussion und das Handeln der Hamburger autonomen Szene beherrschten. Auch 2006 gehörten militante Aktionen wie Brandanschläge und Sachbeschädigungen zu den Protesten linksextremistischer Globalisierungsgegner. Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass diese "militante Kampagne" gegen das G8-Treffen fortgesetzt wird. Auch wenn die Täter sich bislang sehr konspirativ verhalten und wenige kriminalistisch verwertbare Spuren hinterlassen haben, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Sicherheitsbehörden sie enttarnt haben. Die Entwicklung des Rechtsextremismus in Deutschland schloss 2006 nahtlos an den Vorjahres-Trend an. Aktivste rechtsextremistische Partei war die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD), deren Mitgliederzahl weiterhin stieg. Die "Deutsche Volksunion" (DVU) verlor weiter an Bedeutung und auch an Mitgliedern. Die Gesamtzahl der Rechtsextremisten blieb im Vergleich zum Vorjahr nahezu unverändert. Die "Volksfrontstrategie" (Wahlabsprachen zwischen NPD und DVU sowie eine Zusammenarbeit der NPD mit Neonazis) trug bei der Landtagswahl am 17.09.06 in Mecklenburg-Vorpommern zu einem weiteren NPD-Erfolg bei. Nach dem Wahlerfolg in Sachsen im Jahr 2004 zog sie in ein zweites ostdeutsches Landesparlament ein. Die Zusammenarbeit der Partei mit Neonazis und deren Zustrom bis in höchste Bundespartei-Gremien hielten an. Damit war die NPD auch 2006 die eindeutige Gewinnerin der Absprachen und Bündnisbestrebungen im rechtsextremistischen Lager. In Hamburg stagnierte die Gesamtzahl der Rechtsextremisten, im Vorjahr hatte es noch leichte Zuwächse gegeben. Rechtsextremistische 4 Vorwort Aktivitäten gingen überwiegend von Neonazis und von der NPD aus. Bei den rechtsextremistisch motivierten Straftaten haben die Propagandadelikte bundesweit , auch in Hamburg, stark zugenommen. Das Berichtsjahr hatte auch Erfreuliches zu bieten: Der unbeschwerte und fröhliche Verlauf der Fußball-Weltmeisterschaft in Hamburg wurde nicht durch extremistische Aktivitäten gestört! Die WM 2006 in Deutschland war ein Ereignis, das schon aufgrund seiner Größe besondere Herausforderungen an die Sicherheitsbehörden gestellt hatte. In Hamburg wurden fünf Spiele ausgetragen, und das Team der USA war Gast in unserer Stadt. Das LfV hatte sich, wie die anderen Sicherheitsbehörden auch, auf das Projekt gut vorbereitet. Zudem war politischen Extremisten angesichts der ausgeprägten WM-Begeisterung schnell klar, dass Störaktionen nicht den angestrebten Erfolg haben und eher kontraproduktiv sein würden. Das Fazit des Hamburger Verfassungsschutzes nach der WM war eindeutig: Während der WM gab es bis auf die Propagandadelikte weniger extremistische Aktivitäten in Hamburg als an "normalen" Tagen. Der vorliegende "Verfassungsschutzbericht 2006" berichtet über alle Arbeitsfelder des Hamburger Landesamtes. Auch wenn er sich auf extremistische Bestrebungen in unserer Stadt konzentriert, kommen überregionale Aspekte und Entwicklungen nicht zu kurz. Unverändert gilt, dass Extremisten dauerhaft nur dann Erfolg haben, wenn sie über ihre wirklichen Absichten täuschen können. Darum ist aktiver Verfassungsschutz durch Aufklärung notwendig und wichtig. Die Hamburger Verfassungsschützer sehen sich dieser Aufgabe weiterhin verpflichtet. Wir wissen alle, dass es ohne Sicherheit keine Freiheit geben kann. Präses der Behörde für Inneres der Freien und Hansestadt Hamburg 5 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Inhaltsverzeichnis I. Verfassungsschutz in Hamburg 1. Verfassungsschutz und Demokratie 14 2. Gesetzliche Grundlage 15 3. Aufgaben des Verfassungsschutzes 15 3.1 Extremismusbeobachtung 16 3.2 Spionageabwehr und Geheimschutz 18 4. Arbeitsweise und Befugnisse des 18 Verfassungsschutzes 5. Informationsverarbeitung 19 6. Kontrolle 20 7. Strukturdaten 20 8. Organigramm 23 II. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick 26 2. Potentiale 27 3. Politisch motivierte Kriminalität von Islamisten 29 4. Allgemeines 29 5. Islamistische Terroristen und gewaltbereite Islamisten 31 5.1 Netzwerk international agierender terroristischer 31 Gruppierungen / Islamistischer Terrorismus 5.1.1 Kern-Al Qaida 34 5.1.2 "Al Qaida im Zweistromland" (Irak) und "Al Qaida 36 auf der arabischen Halbinsel" und "Al Qaida in Palästina" 5.1.3 Islamistische Terrorakte 38 5.1.4 Geplante Anschläge in Deutschland 39 5.1.5 Auseinandersetzungen um die Muhammad-Karikatu40 ren, die Papst-Vorlesung und die abgesagte Opernaufführung in Berlin 5.2 Prozesse, Ermittlungsverfahren und Festnahmen 43 5.3 Situation in Hamburg 45 5.4 Transnationale Organisationen 46 8 Inhaltsverzeichnis * Hizb ut-Tahrir (HuT) 46 * Muslimbruderschaft (MB) JAMA'A IKHWAN 47 AL-MUSLIMIN * Tabligh-i Jama'at (TJ) 52 5.5 Palästinensische und libanesische Organisationen 53 * HAMAS (HARAKAT AL-MUQAWAMA AL-ISLA53 MIYYA, Islamische Widerstandsbewegung) * HIZB ALLAH (Partei Gottes) 56 6. Iranische Islamisten 59 6.1 Allgemeines 59 6.2 Anhänger der iranischen "Islamischen Revolution" 60 7. Türkische Islamisten 64 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) 64 * Die IGMG in Deutschland 68 * Die IGMG in Hamburg 72 III. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick 78 2. Potentiale 80 3. Politisch motivierte Ausländerkriminalität 84 4. KONGRA GEL (Volkskongress Kurdistans, früher 85 PKK, Arbeiterpartei Kurdistans) 4.1 Entwicklungen und Organisatorisches 85 4.2 Anschläge in der Türkei 88 4.3 Aktivitäten und Schwerpunkte in Deutschland 92 4.4 Situation in Hamburg 94 5. Türken 99 Revolutionär-marxistische Gruppierungen 99 * DHKP-C (Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephe, 99 Revolutionäre VolksbefreiungsparteiFront) * TKP/ML (Türkiye Komünist Partisi / Marksist 102 Leninist, Türkische Kommunistische Partei / Marxisten-Leninisten) 9 Inhaltsverzeichnis * MKP (Maoist Komünist Partisi, Maoistische 103 Kommunistische Partei) * MLKP (Marksist Leninist Komünist Partisi, Mar104 xistisch-Leninistische Kommunistische Partei) 6. Iraner 106 Iranische Oppositionelle 106 * Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) 106 * Arbeiterkommunistische Partei Iran (API) 108 * Sozialistische Partei Iran (SPI) 108 IV. Linksextremismus 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick 112 2. Potentiale 116 3. Linksextremistisch motivierte Kriminalität 119 4. Linksextremistischer Terrorismus und autonome 121 Millitanz 5. Autonome und anarchistische Gruppen 124 5.1 Linksextremistische Globalisierungsgegner 124 * Anti-G8-Zusammenhänge in Hamburg 131 5.2 Gruppen und Strukturen in Hamburg 133 * Rote Flora 133 * Antiimperialistischer Widerstand (AIW) 135 * "AVANTI, Projekt undogmatische Linke" 138 * "Rote Hilfe e. V." 141 * "Libertäres Kulturund Aktions142 zentrum (LKA)" und "Libertäres Zentrum (LIZ)" 5.3 Aktionsfelder 143 5.3.1 "Antifaschismus" 143 5.3.2. Antirassismus 149 5.3.3 Linksextremistisch beeinflusste Initiativen 151 gegen Stadtentwicklung 5.3.4 Linksextremistische Einflussnahme auf die 154 Anti-AKW-Bewegung 6. "Die Linkspartei.PDS" 157 10 Inhaltsverzeichnis 7. Orthodoxe Kommunisten 163 * "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 164 * "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) 168 * "Marxistische Abendschule Hamburg - 170 Forum für Politik und Kultur e.V." (MASCH) 8. Trotzkisten 170 * "Sozialistische Alternative" (SAV) 171 * "Linksruck"-Netzwerk 172 9. "Marxistische Gruppe" (MG) 173 V. Rechtsextremismus 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick 178 1.1 "Volksfront von Rechts" 180 1.2 Revisionismus 186 2. Potentiale 195 3. Rechtsextremistisch motivierte Kriminalität 199 4. Aktionistisch orientierte Rechtsextremisten 203 4.1. Bestrebungen in Hamburg und im Umland 204 4.2 Bestrebungen im Bundesgebiet 208 4.3 Aktivitäten 210 5. Sonstige rechtsextremistische Skinheads und 215 andere gewaltbereite Rechtsextremisten 6. Rechtsextremistische Musik und Vertriebe 218 7. Rechtsextremistische Parteien 222 7.1 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 222 * Hamburg 228 7.2 Deutsche Volksunion (DVU) 231 8. Sonstige rechtsextremistische Organisationen 234 und Bestrebungen * Jürgen RIEGER 236 11 Inhaltsverzeichnis VI. Scientology-Organisation (SO) 1. Zielsetzungen 242 2. Aktivitäten 243 3. Strukturen in Hamburg / Mitgliederzahlen 246 VII. Spionageabwehr 1. Überblick 250 2. Methoden der Nachrichtengewinnung 251 3. Die Nachrichtenund Sicherheitsdienste 253 der Russischen Föderation 4. Die Nachrichtendienste von Staaten des Nahen, 255 Mittleren und Fernen Ostens 5. Proliferation und Wissenstransfer durch 256 die Nachrichtendienste der Krisenländer 6. Wirtschaftsspionage 259 VIII. Geheimund Sabotageschutz 1. Allgemeines 264 2. Geheimund Sabotageschutz in Hamburger Behörden 265 2.1 Geheimschutz in Hamburger Behörden 265 2.1.1 Personeller Geheimschutz 265 2.1.2 Personeller Sabotageschutz 266 2.1.3 Materieller Geheimschutz 268 3. Wirtschaftsschutz und Geheimschutz 269 in der Wirtschaft IX. Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz 272 * Abkürzungsverzeichnis 301 * Stichwortverzeichnis 309 12 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Verfassungsschutz in Hamburg I. Verfassungsschutz in Hamburg 1. Verfassungsschutz und Demokratie Im Gegensatz zur Weimarer Verfassung, die in ihrem Anspruch, ein Höchstmaß an Freiheit und Demokratie zu garantieren, darauf verzichtet hatte, ausreichende Vorkehrungen gegen ihre eigene Abschaffung zu treffen, enthält das Grundgesetz (GG) - dem Prinzip der wehrGrundgesetz haften Demokratie folgend - Schutzmechanismen gegen für die Bundesrepublik Deutschland Beeinträchtigungen der Verfassung. Hierzu gehören im Wesentlichen: * Die Unabänderlichkeit bestimmter elementarer Verfassungsgrundsätze, wie z.B. die in den Artikeln 1 und 20 GG niedergelegten Grundsätze (Artikel 79 Abs. 3 GG), * Das Verbot von Parteien und sonstigen Vereinigungen wegen verfassungswidriger Aktivitäten (Artikel 9 Abs. 2 und Artikel 21 Abs. 2 GG), * Die Verwirkung von Grundrechten, wenn diese zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht werden (Artikel 18 GG), * Die Pflicht der Angehörigen des Öffentlichen Dienstes zur Verfassungstreue (Artikel 5 Abs. 3 und Artikel 33 Abs. 5 GG in Verbindung mit den beamtenrechtlichen Vorschriften), * Die Verfolgung von Straftaten, die sich gegen den Bestand des Staates oder gegen die Verfassung richten (Staatsschutzdelikte). Ziel ist der Schutz der Werteprinzipien der Verfassung. Zu ihren höchsten Werten zählen * die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten * die Volkssouveränität * die Gewaltenteilung * die Verantwortlichkeit der Regierung * die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung * die Unabhängigkeit der Gerichte * das Mehrparteienprinzip 14 Verfassungsschutz in Hamburg * die Chancengleichheit für alle politischen Parteien und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder dienen der Gewährleistung dieser Verfassungsgrundsätze. Zentrale Aufgabe des Verfassungsschutzes ist die Beobachtung von Bestrebungen, die die Werteprinzipien der Verfassung beseitigen oder außer Geltung setzen wollen und/oder den Bund, die Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen beabsichtigen (vgl. SS 1 Abs. 1, Abs. 5 des Hamburgischen Verfassungsschutzgesetzes - HmbVerfSchG - Anhang - sowie Artikel 73 Nr. 10 b und Artikel 87 Abs. 1 Satz 2 GG, SS 2 Abs. 2 Bundesverfassungsschutzgesetz). Wegen seines Auftrags, frühzeitig politisch-extremistische Bestrebungen zu erkennen, versteht sich der Verfassungsschutz als "Frühwarnsystem" der Demokratie. 2. Gesetzliche Grundlage Das Hamburgische Verfassungsschutzgesetz (HmbVerfSchG - Anhang) ist die gesetzliche Grundlage für die Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV). Der Verfassungsschutz ist, wie jede andere Behörde auch, bei der Erfüllung seiner Aufgaben an Gesetz und Recht gebunden und muss bei Eingriffen in die Rechte der Bürger den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. 3. Aufgaben des Verfassungsschutzes Hauptaufgabe des LfV ist nach SS 4 Abs. 1 HmbVerfSchG die Sammlung und Auswertung von Informationen über * Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der verfassungsmäßigen Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben, * sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht in der Bundesrepublik Deutschland, 15 Verfassungsschutz in Hamburg * Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, * Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Art. 9 Abs. 2 GG), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Art. 26 Abs. 1 GG) gerichtet sind (SS 3 Abs. 1 Bundesverfassungsschutzgesetz). Das Landesamt wertet die mit offenen oder mit nachrichtendienstlichen Mitteln ( I.,4.) gewonnenen Erkenntnisse aus und informiert über entsprechende Gefahren. Neben seiner Informationsverpflichtung gegenüber dem Senat und der Weitergabe von Informationen an andere Stellen informiert das LfV mit seinem jährlichen Verfassungsschutzbericht, mit weiteren Publikationen und Pressemitteilungen sowie aktuellen Berichten auf seiner Internetseite auch die Öffentlichkeit über die Ergebnisse seiner Arbeit - soweit diese offen dargestellt werden können. Extremisten erzielen nur dann nachhaltige Erfolge, wenn es ihnen gelingt, die Bürger über ihre wirklichen Absichten zu täuschen. Verfassungsschutz durch Information der Öffentlichkeit ist daher ein wichtiges Anliegen. Zentrale Beobachtungsfelder sind Rechtsund Linksextremismus sowie extremistische Bestrebungen von Ausländern. Einen besonderen Beobachtungsschwerpunkt bilden seit 2001 der Islamismus und der islamistische Terrorismus. Die Extremismusbeobachtung und die Spionageabwehr umfassen auch Maßnahmen gegen Gefahren, die noch im Vorfeld konkreter Straftaten liegen. Die Mitwirkung beim Geheimund Sabotageschutz gehört zu den weiteren Aufgaben des Verfassungsschutzes. 3.1 Extremismusbeobachtung Der gesetzliche Auftrag zur Extremismusbeobachtung bezieht sich auf alle Formen des politischen Extremismus. Beobachtet werden verfassungsfeindliche Positionen von linken, rechten, religiös oder pseudoreligiös motivierten Extremisten. Dabei macht es keinen Unterschied, ob diese Bestrebungen von Deutschen oder von Ausländern ausgehen. 16 Verfassungsschutz in Hamburg Der Ausländerextremismus wird außer von islamistischen ( II.) vorwiegend von linksextremistischen ( III.) Bestrebungen geprägt. Der Verfassungsschutz sammelt nicht nur Informationen über Aktivitäten von Ausländern, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten, sondern auch über Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Linksextremisten ( IV.) wollen die freiheitliche Demokratie beseitigen und an ihre Stelle eine kommunistische Diktatur setzen oder "herrschaftsfreie" Strukturen (Anarchie) schaffen. Sie rechtfertigen ihre Gewalt zumeist als legitime "Gegengewalt" oder als "zivilen Ungehorsam". Sachbeschädigungen - selbst in Millionenhöhe - werden von ihnen bagatellisiert. Linksextremistische Terroristen haben mit Attentaten in der Vergangenheit viele Menschen getötet, sogenannte Autonome propagieren Militanz und verüben Gewaltakte gegen Personen und Sachen. Rechtsextremisten ( V.) verfolgen zumeist das Ziel eines autoritären "Führerstaates". Sie reden einem Nationalismus und völkischen Kollektivismus das Wort, der sich gegen die Völkerverständigung richtet, ethnische Minderheiten ausgrenzt und rassistisch geprägt ist. Die meisten Rechtsextremisten spielen die Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft herunter oder leugnen sie. Fremdenhass und Antisemitismus bilden die ideologische Grundlage zahlreicher Strafund Gewalttaten, die insbesondere von jüngeren Rechtsextremisten aus der Neonaziund Skinhead-Szene verübt werden und die vor allem seit Anfang der 90er-Jahre zahlreiche Todesopfer gefordert haben. Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der meisten Länder beobachten die Scientology-Organisation (SO, VI.), weil tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die SO Grundwerte unserer Verfassung in Frage stellt. Eine nach scientologischen Regeln organisierte Gesellschaft würde die grundgesetzliche Werteordnung (z.B. den Gleichheitsgrundsatz, die Meinungsfreiheit, das Recht auf freie Entfaltung 17 Verfassungsschutz in Hamburg der Persönlichkeit sowie das Recht auf Bildung und Ausübung einer Opposition) beseitigen oder erheblich beeinträchtigen. 3.2 Spionageabwehr und Geheimschutz Spionageabwehr ( VII.) und Geheimschutz sind Aufgabenbereiche, denen sich der Verfassungsschutz aufmerksam widmen muss, um deutsche Sicherheitsinteressen zu wahren. Die Bundesrepublik Deutschland ist nach wie vor Microsoft ein wichtiges Ziel fremder Nachrichtendienste, von denen einige in Deutschland lebende Ausländergruppen ausspähen, die in Opposition zu ihren Heimatregierungen stehen. Materieller und personeller Geheimschutz ( VIII.) tragen dazu bei, dass Unbefugten keine im staatlichen Interesse geheimzuhaltenden Informationen in die Hände fallen. Insbesondere Sicherheitsüberprüfungen sollen das Risiko LfV HH ausschließen, dass Personen mit Ausspähungsbzw. Verratsabsichten zu Geheimnisträgern werden. Rechtliche Grundlage für das Tätigwerden des Verfassungsschutzes auf diesem Gebiet ist das Hamburgische Sicherheitsüberprüfungsgesetz (HmbSÜG). 4. Arbeitsweise und Befugnisse des Verfassungsschutzes Die Informationen, die das LfV zur Wahrnehmung seiner Aufgaben benötigt, beschafft es aus offen zugänglichen Quellen, die jedem Bürger auch zur Verfügung stehen, z.B. aus Zeitungen, dem Internet, aus Zeitschriften, Broschüren, Flugblättern, Archiven und anderen Medien sowie aus Unterlagen anderer staatlicher Stellen. Neben der offenen Informationsgewinnung darf das LfV unter bestimmten Voraussetzungen mit nachrichtendienstlichen Mitteln Informationen "verdeckt" erheben. Zu diesen Mitteln, die in SS 8 Abs. 2 HmbVerfSchG ( Anhang) aufgezählt sind, gehören z.B. die Führung von verdeckt eingesetzten Personen, die Observation, Bildund Tonaufzeichnungen und - nach Maßgabe des Art.10-Gesetzes - die Überwachung des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs. 18 Verfassungsschutz in Hamburg Im Jahre 2002 wurden im Rahmen der Umsetzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes die Befugnisse des Landesamtes in wichtigen Punkten erweitert, die sich aus SS 7 des HmbVerfSchG ergeben ( Anhang). Das LfV darf nicht an eine polizeiliche Dienststelle angegliedert werden. Ihm stehen weder polizeiliche Befugnisse noch Weisungsbefugnisse gegenüber polizeilichen Dienststellen zu noch darf es die Polizei im Amtshilfeweg veranlassen, Maßnahmen zu ergreifen, zu denen es selbst nicht befugt ist ("Trennungsgebot"). Unabhängig davon ist ein Informationsaustausch zwischen Polizei und Verfassungsschutz - im HmbVerfSchG ausführlich und im Detail geregelt - vorgesehen. 5. Informationsverarbeitung Die Verfassungsschutzbehörden sammeln und speichern sachund personenbezogene Daten über extremistische Bestrebungen sowie sicherheitsgefährdende und geheimdienstliche Tätigkeiten. Zu den Instrumenten der gegenseitigen Unterrichtung der Verfassungsschutzbehörden zählen unter anderem gemeinsame Dateien. Die "klassische" gemeinsame Datei ist das bundesweite Nachrichtendienstliche Informationssystem (NADIS, Zahl der Hamburger Speicherungen: I.,7), das derzeit grundlegend neu konzipiert wird. NADIS ist eine allen Verfassungsschutzbehörden zur Verfügung stehende Datenbank, in der jede Verfassungsschutzbehörde biographische Grunddaten von Personen und Objekten in eigener Verantwortung speiMicrosoft chert. Das Informationssystem enthält aber keine Einzelerkenntnisse über die dort gespeicherten Personen, sondern nur Hinweise auf Aktenfundstellen. Um Näheres über die Person zu erfahren, muss die speichernde Verfassungsschutzbehörde in einem zweiten Schritt um Übermittlung der Einzelerkenntnisse gebeten werden. Zugriff auf die gespeicherten Daten haben ausschließlich die Verfassungsschutzbehörden. Sie sind verpflichtet, diese Daten in bestimmten Fristen daraufhin zu prüfen, ob ihre weitere Speicherung noch erforderlich ist. Ist dies nicht der Fall, werden die Daten gelöscht. 19 Verfassungsschutz in Hamburg Die Datenschutzbeauftragten kontrollieren, ob die Prüfungsund Löschungsfristen beachtet werden. Am 30.03.07 wurde die Arbeit mit einer gemeinsamen zentralen "Antiterrordatei" (ATD) von Polizeien und Nachrichtendiensten aufgenommen. Mit dieser Datei wird die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden unterstützt und der Informationsaustausch verbessert. Dabei stellt das "Antiterror-Dateigesetz" sicher, dass die Anforderungen des Quellenund Geheimhaltungsschutzes ebenso beachtet werden wie datenschutzrechtliche Belange. 6. Kontrolle Der Verfassungsschutz ist an klare gesetzliche Vorgaben gebunden, und seine Arbeit unterliegt parlamentarischer Kontrolle. In Hamburg wird diese Aufgabe vom Parlamentarischen Kontrollausschuss (PKA) der Hamburgischen Bürgerschaft wahrgenommen. Bei Eingriffen in das Postund Fernmeldegeheimnis entscheidet die G10-Kommission der Bürgerschaft. Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte hat ebenfalls umfängliche Kontrollbefugnisse. Wie bei allen anderen Behörden ist auch das Verwaltungshandeln des Verfassungsschutzes grundsätzlich gerichtlich nachprüfbar. 7. Strukturdaten * Nach den Terroranschlägen vom 11.09.01 in den USA war der Personalbestand des LfV mit dem Stellenplan 2002 Strukturdaten zunächst um 15,5 Stellen aufgestockt worden. Im Jahr 2003 waren es 135 und 2004 140 Stellen. Ihre Zahl hat sich 2005 auf nunmehr 144 Stellen erhöht und blieb 2006 unverändert. Mit dem Stellenplan 2007 wurden weitere drei Stellen zugewiesen. * Im Jahr 2006 betrug der Haushaltsansatz für das LfV insgesamt 11.281.000 EUR (2005: 11.261.000 EUR). Darin enthalten waren 8.747.000 EUR (2005: 8.727.000 EUR) für Personalausgaben. 20 Verfassungsschutz in Hamburg * Vom LfV waren am 31.12.06 im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS, I.,5) Daten von 12.921 Personen gespeichert (31.12.05: 12.683), davon 4.908 (37,98%) im Zusammenhang mit Sicherheitsüberprüfungen (31.12.05: 4.314 = 34,01%). * Mit Wirkung vom 22.10.01 wurde in Hamburg die Regelanfrage bei Einbürgerungen eingeführt: Das Einwohner-Zentralamt als Einbürgerungsbehörde fragt vor jeder Entscheidung beim LfV nach, ob Erkenntnisse vorliegen, die einer Einbürgerung entgegenstehen könnten. Vor Einführung dieser Regelung wurde nur dann angefragt, wenn bereits Anhaltspunkte für den Verdacht auf politisch-extremistische Bestrebungen erkennbar waren. 2006 gab es 5.677 Anfragen (2005: 6.520), die nach einer Dateiabfrage im NADIS (s.o.) und ggf. weiteren Ermittlungen beantwortet wurden. Im Jahr 2006 wurden in 36 Fällen (2005: 40 Fälle) vom Verfassungsschutz Bedenken erhoben. Sie führen i.d.R. zur Ablehnung des Antrags. * Seit dem 01.05.04 führen die Ausländerdienststellen bei Personen aus bestimmten Herkunftsländern vor Erteilung oder Verlängerung von Aufenthaltstiteln eine Sicherheitsbefragung durch. In jedem Fall wird auch das LfV beteiligt. Im Jahr 2006 wurden 4.181 Anfragen beantwortet (2005 waren es 4.755). In 105 Fällen (2005: 145) wurden weitere Ermittlungen angestellt und in acht Fällen Bedenken erhoben (2005: 11). * Im Jahr 2006 gab es im "Schengener Visumverfahren" 388 Anfragen beim LfV (2005: 280). In 58 Fällen wurden Bedenken erhoben (2005: 68). Den Bedenken des Verfassungsschutzes wird i.d.R. entsprochen. Das Verfahren wird ausgelöst, wenn der Antragsteller aus einem "Problemstaat" stammt. In das Verfahren eingebunden sind u.a. das Auswärtige Amt, das Bundesamt für Verfassungsschutz und ggf. die zuständige Landesbehörde für Verfassungsschutz. * Im Jahr 2006 hat das LfV Hamburg 1.336 Sicherheitsüberprüfungen im Rahmen des sog. Personellen Geheimschutzes ( VIII.,2.1.1) bearbeitet (2005:1.613). 21 Verfassungsschutz in Hamburg * Im Jahr 2006 wurden 12.699 Personen aus dem Bereich des Hamburger Flughafens unter Mitwirkung des LfV auf ihre Zuverlässigkeit überprüft (2005:12.686). Diese Aufgabe gehört zum sog. Personellen Sabotageschutz ( VIII.,2.1.2). Anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft wurde die Zuverlässigkeit von 66 Personen überprüft ("Akkreditierungsverfahren"), die Zutritt zum nicht öffentlichen Bereich der Stadien erhalten sollten. In fünf Fällen hatte das LfV Bedenken geäußert ("WM in Hamburg: Keine Störungen durch politische Extremisten"). * Im Rahmen des Hafensicherheitsgesetzes wurden 2006 131 Zuverlässigkeitsüberprüfungen ( VIII.,2.1.2) vorgenommen (2005:51. Das Gesetz trat erst am 06.10.05 in Kraft.) 22 8. Organigramm Amtsleiter Landesamt für erfassungsschutz Abteilung 1 Abteilung 2 Abteilung 3 Staatsschutz Abwehr Zentrale Aufgaben (Stellv. Amtsleiter) Rechtsangelegenheiten Referat V 21 Organigramm Referat V 31 Referat V 11 Auswertung Geheimund Verwaltung Ausländerextremismus Sabotageschutz Öffentlichkeitsarbeit Referat V 22 Auswertung Referat V 12 Referat V 32 Linksextremismus IuK, Techn. Dienst Spionageaufklärung Rechtsextremismus Scientology-Organisation Referat V 23 Referat V 13 Beschaffung Operative Technik Forschung / Werbung Landesamt für Verfassungsschutz Johanniswall 4 Referat V 24 D - 20095 Hamburg Observation Telefon 040 / 24 44 43 Konspirative Ermittlung Telefax 040 / 33 83 60 E-Mail: info@verfassungsschutz.hamburg.de Verfassungsschutz in Hamburg 23 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten II. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick Seit den Anschlägen des 11. September 2001 ist die Beobachtung islamistischer Bestrebungen und des weltweit agierenden Netzwerkes islamistischer Terroristen zur zentralen Aufgabe des Verfassungsschutzes geworden. Die Gefahr von Anschlägen organisierter, zunehmend aber auch unorganisierter Gruppierungen und Einzeltäter besteht weiter fort - auch für Deutschland. Dies belegen sowohl Analysen deutscher Sicherheitsbehörden, die Verlautbarungen und Drohungen führender Islamisten als auch die versuchten Bombenattentate auf Regionalverkehrszüge in Nordrhein-Westfalen vom 31.07.06 ( II., 5.1.4). Trotz weiterer Fahndungserfolge und Verurteilungen im Inund Ausland ( II. 5.2) besteht das internationale Netzwerk islamistischer Terroristen weiter fort. Es unterliegt aber einem ständigen Wandel. Zunehmend rückt das Phänomen der "home-grown"-Terroristen (im Land geborene oder aufgewachsene Täter) in den Fokus der Sicherheitsbehörden ( II., 5.1). Obwohl mehrere Befürworter des weltweiten Jihad (Heiliger Krieg) im Berichtsjahr abgeschoben wurden oder aufgrund des Fahndungsdrucks die Stadt verließen ( II.,5.3), wohnen auch in Hamburg nach wie vor Befürworter der Jihad-Ideologie. Islamistisch motivierte Gewalttaten fanden hier jedoch auch 2006 nicht statt. Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung gehen aber auch von gewaltfreien islamistischen Organisationen aus. Die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs" (Islam Toplumu Milli Görüs, IGMG) ist die mit Abstand größte Organisation dieses Spektrums. Funktionäre der IGMG bekundeten wiederholt öffentlich, dass sich die IGMG zweifelsfrei auf dem Boden des Grundgesetzes bewege und für die Verfassungsprinzipien eintrete. Tatsächlich gibt es nach wie vor Belege 26 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten dafür, dass sich an der islamistischen Grundhaltung der IGMG nichts Wesentliches verändert hat ( II.,7). Neben den bisher genannten sunnitisch-islamistisch geprägten Gruppierungen existieren auch islamistische Strukturen schiitischer Ausrichtung in Hamburg. Hierzu gehören iranische bzw. iranisch beeinflusste Organisationen und Einrichtungen wie die HIZB ALLAH ( II.,5.5) und das Islamische Zentrum Hamburg (IZH, II.,6). Das IZH ist ein europaweit bedeutendes Verbindungszentrum der Islamischen Republik Iran und ein wichtiges Instrument zur Verbreitung des Gedankens der "Islamischen Revolution" und damit der Vorstellungen von einem islamistischen Gesellschaftsmodell. 2. Potentiale Das bundesweite Potential der Anhänger islamistischer Bestrebungen hat sich im Berichtsjahr kaum verändert. Bund: Gesamt-Personenpotential im Ausländerextremismus mit dem Anteil der Islamisten 60000 58.200 59.100 59.700 58.800 59.100 57.350 57.300 57.520 57.420 57.300 50000 40000 30000 20000 30.800 31.290 31.350 31.450 31.950 30.600 30.950 31.800 32.100 32.050 10000 0 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 Ausländerextremisten davon insgesamt Islamisten -Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet27 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Derzeit rechnen die Verfassungsschutzbehörden ihm gut 32.000 Anhänger in Deutschland zu (2005: 32.100). Davon gehören 26.500 - wie auch im Jahr 2005 - der türkischen IGMG an. Diese Zahlen allein sind kein aussagekräftiger Indikator für Gefahren, die von diesem Spektrum für die innere Sicherheit Deutschlands ausgehen. Informationen über extremistische Ausländer, die keine Islamisten sind, enthält das Kapitel "III. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten". Hamburg: Gesamt-Personenpotential im Ausländerextremismus mit dem Anteil der Islamisten 3500 3000 2.630 2500 2.590 3.055 3.265 3.000 2000 1500 1.200 1.300 1.600 2.000 2.000 1000 500 0 2002 2003 2004 2005 2006 Ausländerextremisten Islamisten ohne Islamisten -Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundetIn Hamburg sind etwa 2.000 Personen dem islamistischen Potential zuzurechen (2005: ebenso). Auch hier stellt die IGMG mit ca. 1.600 Anhängern - so viele waren es auch 2005 - den größten Anteil. Teil des Gesamtpotentials sind etwa 180 (2005: 170) Personen, die als gewaltbereit eingeschätzt werden ( II., 5.3). 28 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten 3. Politisch motivierte Kriminalität von Islamisten * Nennenswerte "Politisch motivierte Kriminalität" (PMK) von Islamisten wurde 2006 in Hamburg nicht erfasst. Die Polizei Hamburg hat die Fallzahlen der "PMK Islamismus" bis einschließlich 2005 mit dem Bereich "PMK-Ausländer" zusammengefasst [ III.,3 - Die PMK-Tabelle im Kapitel "Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten" enthält vier Fälle nichtextremistischer PMK von Islamisten für das Jahr 2006 in Hamburg]. Bei den PMK-Bundeszahlen wird im Bereich der politisch motivierten Ausländerkriminalität nicht nach Islamisten und nichtislamistischen extremistischen Ausländern unterschieden. * Allerdings haben Personen aus dem islamistischen Spektrum Straftaten begangen ( II.,5.3). Da es zwischen diesem und dem allgemein-kriminellen Milieu eine relevante Schnittmenge gibt, sind die Motive für die Straftaten (Schleusungen, Fälschungsdelikte u.a.) in diesem Bereich häufig nicht eindeutig zu klären. * Nur aufgrund eines handwerklichen Fehlers misslangen am 31.07.06 zwei Anschläge auf Nahverkehrszüge in NordrheinWestfalen ( II., 5.1.4) . 4. Allgemeines Islam und Islamismus sind nicht dasselbe. Der Islam ist eine Religion; Islamismus hingegen eine politische Ideologie auf religiöser Basis. Islamisten richten sich gegen die westlichen Werteund Ordnungsvorstellungen, insbesondere gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, und streben die (Wieder-) Einführung der klassischen islamischen Gesetze, der sogenannten Scharia, an. Was Islamisten in bestimmten - nicht nur in islamischen - Ländern als Krisensituation einschätzen, erklären sie damit, dass sich die Menschen vom "wahren Glauben", wie ihn der Prophet Muhammad und seine vier rechtgeleiteten Nachfolger (Kalifen) praktizierten, entfernt hätten. Weder Kapitalismus noch Kommunismus seien in der Lage, die bestehenden Probleme zu lösen. Dies sei nur durch die Rückkehr zu den Grundlagen des Korans und der Sunna (überlieferte Lehren und Verhaltensweisen Muhammads und seiner vier Nachfolger) möglich. Hiernach habe sich 29 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten auch das politische System zu richten. Genau das meinen Islamisten, wenn sie vom "Gottesstaat" sprechen. Ein derartiges Gesellschaftssystem verstößt gegen die Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die Ideologien und Vorgehensweisen der verschiedenen islamistischen Organisationen sind durchaus unterschiedlich. Die Verfassungsschutzbehörden klassifizieren Islamisten wie folgt: * Gewaltfreie Organisationen... ... stellen den größten Teil der Islamisten in Deutschland und in Hamburg. Ihr Ziel, die eigene Vorstellung vom Islam politisch umzusetzen, verfolgen sie mit legalen Mitteln. Aber auch sie streben eine Gesellschaftsordnung an, die mit den Prinzipien des Grundgesetzes nicht vereinbar ist. * Gewaltbefürwortende/ -bereite Organisationen... ... bejahen grundsätzlich auch die Legitimität des bewaffneten Jihad (Heiliger Krieg) als Mittel des politischen Kampfes. Bei diesen Organisationen handelt es sich überwiegend um transnationale oder panislamische Bewegungen wie z.B. die "Muslimbruderschaft" ( II. 5.4) und "Hizb ut-Tahrir" ( II., 5.4). Zu diesem Spektrum werden auch diejenigen Gruppierungen und Einzelpersonen gezählt, die den weltweiten Jihad i.S. einer militanten Auseinandersetzung befürworten oder sich aktiv daran beteiligen. Dies kann regional geschehen (wie durch die HAMAS im Nahen Osten, II., 5.5) oder auch weltweit, wie dies Al Qaida ( II., 5.1.1) Jihad und mit ihr vernetzte Strukturen durch Anschläge praktizieren. Die Anhänger der Ideologie des weltweiten Jihad werden von den Sicherheitsbehörden als Jihadisten bezeichnet. LfV HH 30 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten 5. Islamistische Terroristen und gewaltbereite Islamisten 5.1 Netzwerk international agierender terroristischer Gruppierungen / Islamistischer Terrorismus Die Organisation der Al Qaida entstand in den 80er-Jahren um ihren Führer Usama BIN LADEN (Foto). Die Mitglieder der Al Qaida wurden "Mujahidin" (Gotteskrieger) genannt. Sie waren während der Besetzung Afghanistans (beginnend im Dezember 1979) durch Truppen der Sowjetunion an den Kampfhandlungen gegen die Besatzungsmacht beteiligt. Nach Abzug der sowjetischen Truppen 1988/89 etablierte Al Qaida verschiedene Trainingscamps, in denen Tausende von Mujahidin ausgebildet wurden. Al Qaida diskutierte die Frage, wie die arabische Halbinsel mit ihren heiligen Städten Mekka und Medina von den "Ungläubigen" (gemeint war die Präsenz US-amerikanischer Streitkräfte in SaudiArabien) befreit werden könne. Letztlich müsse der Kampf gegen die USA weltweit geführt werden. Erste Anschläge wie auf die US-Botschaften in Nairobi/Kenia und Daressalam/Tansania am 07.08.98 (224 Tote) und auf das USMarine-Schiff USS Cole im Hafen von Aden/Jemen am 12.10.2000 (17 Tote) machten die neue Zielrichtung deutlich. Nach der Zerschlagung dieser Al Qaida-Basen nach dem 11.09.01 verließen die meisten Ausgebildeten Afghanistan mit dem Ziel Pakistan oder kehrten in ihre Herkunftsländer zurück. Der Verlust der Ausbildungsstützpunkte und die Tötung oder Festnahme zahlreicher Führungskader zwangen die Al Qaida, Organisationsform und Vorgehensweise zu modifizieren, wenn sie als Organisation überleben wollte. Durch die Rückkehr ihrer Kämpfer in die verschiedensten Länder entstand ein weltweites Beziehungsund Unterstützungsgeflecht von mehr oder weniger selbstständig agierenden Gruppen, das weltweite Netzwerk islamistischer Terroristen. Es kann mit einem "losen Netz mit festen Knoten" verglichen werden. Auch die ideologische und "handwerkliche" Ausbildung der Mujahidin musste aufgrund des Verlustes der afghanischen Basen modifiziert werden. Beispielhaft hierfür kann ein Ausbildungs-Handbuch genannt werden. Zu Zeiten der Trainingscamps sollen davon nur einige Dut31 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten zend Exemplare existiert haben, die unter sicherer Verwahrung gehalten wurden. Die "Schüler" mussten sich die unterrichteten Passagen (Verhalten im Kampf, Herstellen von Sprengstoffen u.v.m.) abschreiben. Nach dem Fall des afghanischen Taleban-Regimes (Dezember 2001) gelangten einige Exemplare dieses Handbuches (Foto) in die Hände von westlichen Nachrichtendiensten und Journalisten. Um alten und neuen Anhängern das Handbuch zugänglich zu machen, wurde es ab 2003 auch im Internet auf einschlägigen Homepages veröffentlicht. Wenngleich das hier offerierte Wissen wegen fehlender Ausbildungscamps nicht mehr praktisch erprobt werden kann, steht künftigen Mujahidin dieses brisante Al Qaida-Wissen nach wie vor zur Verfügung. Al Qaida musste zwar ihre Planungshoheit aufgeben, es gelang ihr jedoch, ihren Einfluss auf die jihadistische Basis zu verbreitern. Al Qaida nutzt immer mehr das Internet als Plattform für ihre Agitation. Die Veröffentlichungen, die auf einschlägigen Seiten zu finden sind oder durch einzelne arabische Sender verbreitet werden, erhalten zunehmend einen professionellen Anstrich - offensichtlich wurde hierfür eine eigene Propagandaabteilung der Al Qaida gegrünLfV HH det, sie nennt sich As Sahab. Al Qaida besteht, wie dargestellt, zwar nicht mehr als hierarchische Organisation mit festen Strukturen, aber als Netzwerk aus Personen und Gruppen. Insoweit hat sich Al Qaida in den letzten Jahren mehr zu einer Bewegung entwickelt. Dadurch fällt es den Sicherheitsbehörden zunehmend schwerer, die tatsächlich Verantwortlichen von Anschlägen zu definieren. So zeigen auch jüngere Ermittlungsergebnisse, dass die Vorstellung, sogenannte home-grown-Terroristen hätten die klassischen Al QaidaKader abgelöst, zu kurz greift. Dies wird bei Betrachtung der beiden Tätergruppen vom 07.07. bzw. 21.07.05 aus London deutlich. Die 32 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten für den Anschlag auf das Londoner U-Bahnnetz Verantwortlichen hatten sich verschiedentlich in ihrer pakistanischen Heimat aufgehalten. Unklar bleibt, ob sie dort eine wie auch immer geartete "Terror-Ausbildung" erhielten. Hierfür spricht u.a. ihre professionelle Tatausführung. Im Juli 2006 - fast genau ein Jahr nach der Tat - veröffentlichte der arabische Fernsehsender Al Jazeera eine Produktion der Al Qaida-Medienabteilung As Sahab, die eine Art Vermächtnis eines Attentäters von London, Shazad TANWEER (Foto, links), enthielt. Auf dem Videoband sind neben Darlegungen des TANWEER zur Tatbegründung auch Aussagen des BIN LADEN-Stellvertreters AL ZAWAHIRI (Foto, rechts) dokumentiert. AL ZAWAHIRI bezeichnete TANWEER als zielorientiert, er habe sich von seinem Märtyrertod durch nichts ablenken lassen. Nach seiner Ausbildung sei TANWEER (zusammen mit einem weiteren Attentäter namens Mohammed Siddique KHAN) nach Großbritannien zurückgekehrt. Beide hätten ihr in Camps erworbenes Wissen an Glaubensbrüder weitergegeben. Die Tätergruppe vom 21.07.05, deren Anschlagsversuche aufgrund einer falschen Mixtur des Sprengstoffes misslangen, hatte hingegen keine Verbindungen nach "home-grow n" Pakistan. Ihr Vorgehen war deutlich weniger professio- T er r ori s te n nell als das der Gruppe vom 07. Juli. Insoweit dürften die Täter des 21.07. tatsächlich "home-grown"-Terroristen gewesen sein. LfV HH Weder soziale oder ethnische Hintergründe noch der Grad der Integration weisen Übereinstimmungen auf. Ein einheitliches Profil, das Grundlage für eine Rasterfahndung sein könnte, gibt es nicht. Auch hinsichtlich der bewussten Selbsttötung gibt es keine verlässlichen, konstanten Abläufe. Die Londoner Attentäter haben ihre Selbsttötung bewusst herbeigeführt bzw. versucht. Die Attentäter von Madrid (2004) hatten sich zunächst nicht selbst getötet, weil sie offensichtlich weitere Anschläge begehen wollten. Erst als ihre Wohnung von Polizeikräften umstellt worden war, sprengten sie sich nach einem Feuergefecht in die Luft. Am 31.07.06 versuchten in Deutschland zwei Terroristen, Sprengstoffanschläge auf Regionalzüge 33 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten zu verüben ( II.,5.1.4). Sie verwendeten Zeitzünder und setzten sich danach ins Ausland ab. Sie waren offensichtlich nicht bereit, sich selbst zu opfern. Sie verfügten über keine Verbindungen zu Al Qaida. 5.1.1 Kern-Al Qaida Nach wie vor befinden sich die Hauptprotagonisten der Al Qaida - ihr Gründer und Führer Usama BIN LADEN (Foto, rechts) und sein Stellvertreter Ayman AL ZAWAHIRI (Foto, links) - auf freiem Fuß. Ihr Aufenthalt wird im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet vermutet. Beide ließen im Berichtsjahr verschiedene Stellungnahmen in Form von Audiound Videobotschaften veröffentlichen. AL ZAWAHIRI ist regelmäßig in Video-Filmen zu sehen. Bemerkenswert ist, dass die Reden BIN LADENs hingegen im Internet und in arabischen Fernsehsendungen stets nur mit älteren Standbildern seiner Person illustriert worden sind. Die letzten bewegten Bilder des Al Qaida-Chefs stammen aus dem Jahr 2004. Es kann nicht beurteilt werden, ob dieser Umstand allein mit dem Gesundheitszustand BIN LADENs erklärt werden kann. Einige Beispiele * Im Januar 2006 veröffentlichte der arabische Fernsehsender Al Jazeera eine Tonband-Botschaft des Al Qaida-Führers, in der dieser den USA mit neuen Anschlägen drohte, zugleich aber eine "langfristige Waffenruhe zu gerechten Bedingungen" anbot. * Am 23.04.06 wurde eine weitere Audiobotschaft BIN LADENs über Al Jazeera ausgestrahlt. In einer Art Tour d'Horizon nahm er zu verschiedenen aktuellen Themen Stellung. Im Zusammenhang mit den in dänischen und deutschen Zeitungen veröffentlichten Muhammad-Karikaturen ( II. 5.1.5) zitierte BIN LADEN den Imam Ahmad Ibn Hanbal (Gründer der "hanbalitischen Rechts34 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten schule", 9. Jh.). Nach Auffassung dieser Rechtsschule sei jeder, der den Propheten verunglimpfe, ein "Kafir" (Ungläubiger) und müsse mit dem Tode bestraft werden. BIN LADEN forderte die Regierungen auf, jeden, der den Propheten beleidige, an die Muslime auszuliefern, um ihn der gerechten Strafe zuzuführen. Alle Staaten, die sich mit Dänemark solidarisiert hätten, sollten boykottiert werden. * Die Ablehnung der gewählten HAMAS-Regierung in Palästina ( II.,5.5) sei eine Kriegserklärung an das palästinensische Volk und an die Muslime. Neben anderen Themenfeldern äußerte sich BIN LADEN auch zum Dialogangebot des Westens an die Muslime. Dieses Angebot sei unaufrichtig. Die Feindseligkeit der westlichen gegenüber der islamischen Kultur existiere seit neun Jahrzehnten. Den Muslimen bleibe daher kein anderer Weg als der Kampf, um der Ungerechtigkeit zu begegnen. * Anfang September 2006 wandte sich der BIN LADEN-Stellvertreter AL ZAWAHIRI in einer Video-Botschaft "an das amerikanische Volk". Er forderte die Zuschauer auf, sich den nachfolgenden Film genau anzusehen; im Anschluss an diese kurze Einleitung kam in einer 45-minütigen Rede der zum Islam konvertierte Amerikaner Adam Yahiye GADAHN (genannt Assam) zu Wort. Er rief seine Mitbürger in englischer Sprache dazu auf, den islamischen Glauben anzunehmen. GADAHN beendete seine Rede mit dem Appell "Entscheiden Sie heute, denn heute könnte Ihr letzter Tag sein". GADAHN wird seit Längerem der Al Qaida zugerechnet und trat schon in früheren Videodokumenten Al Qaidas auf. Zum Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 veröffentlichte Al Qaida ein 90-minütiges Video mit z.T. bisher unbekannten Aufnahmen. Der in Form eines Dokumentarfilmes angelegte Beitrag wurde von der Propagandaabteilung As Sahab erstellt und zeigt u.a. BIN LADEN im Kreise seiner Schüler aus dem Jahr 2001 - angeblich bei der Planung der Anschläge. Auf dem Video sind einige der maßgeblichen Planer und Aktivisten der Attentate zu sehen. 35 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten 5.1.2 "Al Qaida im Zweistromland" (Irak) und "Al Qaida auf der arabischen Halbinsel" und "Al Qaida in Palästina" Die schon fast zur "Marke" gewordene Bezeichnung Al Qaida wurde auch von anderen Gruppen und Netzwerken übernommen. Schon 2004 hatte der Terroristenführer Abu Musab AL ZARQAWI im Irak verschiedene Gruppen unter dem Etikett "Al Qaida im Zweistromland" zusammengeschlossen. Er wurde seinerzeit von BIN LADEN als örtlicher Emir (Anführer) anerkannt. Dieser Schulterschluss von Kern-Al Qaida und verschiedenen im Irak operierenden Gruppen geriet im Verlauf des Jahres 2005 aufgrund unterschiedlicher taktischer Vorstellungen in Schwierigkeiten. Dies veranlasste AL ZARQAWI offensichtlich im Januar 2006, nicht mehr unter dem Namen Al Qaida aufzutreten. In Internetverlautbarungen wurde mitgeteilt, dass sich im Irak aus dem ZARQAWI-Netzwerk und aus fünf anderen militanten Gruppen eine Allianz unter dem Namen "Ratgebergremium der Mujahidin" gegründet habe. Seither wurde auch ein neues Logo für Anschlagsbekennungen verwendet. Bemerkenswert ist, dass die terroristische Ansar As Sunna offensichtlich nicht mehr dem neuen Bündnis angehörte, obwohl sie zuvor eng mit AL ZARQAWI zusammengearbeitet hatte. Ansar As Sunna (auch unter dem Namen Ansar al Islam bekannt) agiert weiterhin unter eigenem Logo. Diese Organisation verfügt auch über Strukturen in Europa, so auch in Deutschland. Am 08.06.06 wurde AL ZARQAWI (Foto) bei einem gezielten Luftangriff der amerikanischen Streitkräfte getötet. Schon am 12.06.06 wurde vom "Shurarat der Al Qaida im Zweistromland" im Internet mitgeteilt, dass der bis dahin unbekannte Abu Hamza Al MUHAJIR als Nachfolger gewählt worden sei. Auch die Kern-Al Qaida reagierte schnell auf die veränderte Situation. Mitte Juni 2006 begrüßte BIN LADEN die Ernennung des Abu Hamza und forderte die Mujahidin auf, ihren Kampf fortzusetzen. Erstmals drohte er der schiitischen Mehrheit im Irak. Die Schiiten 36 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten müssten bestraft werden, da sie gemeinsam mit den USA und deren Verbündeten Angriffe gegen Sunniten führten. Neben Irak erklärte BIN LADEN auch den Sudan zum wichtigen Kriegsgebiet im Kampf gegen die "Kreuzzügler". Auch hier solle ein islamischer Staat aufgebaut werden. Während des Fastenmonats Ramadan wandte sich Abu Hamza Al MUHAJIR (Foto) auch an irakische Landsleute, die bisher mit den Besatzungstruppen kooperiert hätten. Er erkläre - so Abu Hamza - hiermit eine Generalamnestie für alle, die zur Religion zurückfänden. Er richte die Botschaft insbesondere an Personen mit speziellen Fähigkeiten und Kenntnissen, darunter Wissenschaftler auf den Gebieten Chemie, Physik und Atomtechnik. Seine Begründung lautete "Ich sage Euch, dass wir Euch dringend brauchen. Das Feld des Jihad erfüllt Eure wissenschaftlichen Bestrebungen. Denn die Militärstützpunkte der Amerikaner im Lande hier sind die besten Versuchsfelder für Eure nicht-konventionellen Bomben". Am 14.10.06 verkündete der "Shurarat der Mujahidin" die Gründung des "islamischen Staates Irak". Diese Staatsgründung sei ein wohlüberlegter Schritt, und schon AL ZARQAWI hätte ihn vor seinem Tod angekündigt. Die Staatsgründung solle zum einen dem besseren Schutz der Sunniten gelten, zum anderen habe dieser Staat aufgrund seiner geografischen Lage eine Vorkämpferrolle für die Befreiung Palästinas. Die Umma (Gemeinschaft aller Muslime) werde erkennen, dass die vollständige Niederlage des Unglaubens und der Zusammenbruch des kreuzzüglerischen Projekts nahe seien. Als Staatschef wurde ein bis dahin unbekannter Abu Umar al BAGHDADI proklamiert. Diese Verlautbarung rief im Internet in jihadistischen Diskussionsforen eine Flut von ablehnenden Stellungnahmen hervor. Viele Stimmen erklärten, dass dieser Schritt unüberlegt und völlig verfrüht sei. In Palästina will sich ebenfalls eine Al Qaida-Gruppe gegründet haben. Am 20.05.06 versuchten Unbekannte, im Gebäude des palästinensischen Geheimdienstes im Gaza-Streifen den Chef des Geheimdienstes Tariq Abu RAJAB durch einen Sprengstoffanschlag zu ermorden. Eine 37 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Person starb, RAJAB wurde schwer verwundet. Zwei Tage später bekannte sich eine Gruppierung "Organisation Al Qaida, Provinz Palästina" zu dem Anschlag. RAJAB habe mit den Zionisten zusammengearbeitet und daher den Tod verdient. Weitere Kollaborateure stünden auf einer Todesliste. Es kann noch nicht abschließend beurteilt werden, ob es Al Qaida tatsächlich gelungen ist, auch in Palästina eine eigene Struktur aufzubauen, 5.1.3 Islamistische Terrorakte Auch außerhalb Iraks und Afghanistans kam es im Berichtsjahr zu islamistisch motivierten Anschlägen, allerdings ging ihre Zahl im Vergleich zum Vorjahr zurück. Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, dass Al Qaida oder assoziierte Gruppen operativ nicht mehr dazu in der Lage wären, mehrere größere Anschläge zu begehen. Diese bedürfen oft einer längeren, manchmal jahrelangen Vorbereitung. * Am 24.04.06 explodierten im ägyptischen Badeort Dahab drei Sprengsätze und töteten 21 Menschen, darunter auch die drei Attentäter. Wenngleich eine eindeutige Verantwortlichkeit nicht festgestellt werden konnte, muss von einem Al Qaida-inspirierten Anschlag ausgegangen werden. AP * Am 11.07.06 explodierten im indischen Bombay in verschiedenen Vorortzügen mehrere Sprengsätze. Über 100 Menschen starben. Auch hier konnten die Hintermänner nicht eindeutig identifiziert werden. Indische Sicherheitsbehörden zweifeln aber nicht an einem islamistischen Hintergrund. Reuters Festnahmen im August 2006 in London belegen, dass jederzeit mit größeren Aktionen des internationalen Netzwerks islamistischer Terroristen auch in Europa gerechnet werden muss. Den britischen Behörden gelang am 10.08.06 die Zerschlagung verschiedener islamistischer 38 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Zellen, die sich überwiegend aus Personen, die aus Pakistan stammen und einigen britischen Konvertiten zusammensetzten. Nach bisherigem Kenntnisstand hatten die Festgenommenen geplant, mit Flüssigsprengstoff, der in manipulierten Getränkeflaschen an Bord geschmuggelt werden sollte, Flugzeuge auf dem Weg in die USA abstürzen zu lassen. Auch hier weisen Ermittlungsergebnisse auf eine Steuerung oder zumindest Mitwirkung von Al Qaida-Kadern in Pakistan hin. 5.1.4 Geplante Anschläge in Deutschland Nur aufgrund eines handwerklichen Fehlers misslangen am 31.07.06 zwei Anschläge auf Nahverkehrszüge in Nordrhein-Westfalen. Den bisherigen Ermittlungsergebnissen zufolge sind zwei Libanesen für diese Tat verantwortlich, die sich zu Studienzwecken in Deutschland aufhielten. Im Frühjahr fassten sie aufgrund der veröffentlichten Muhammad-Karikaturen ( II.,5.1.5) den Entschluss, einen Anschlag zu begehen. Ursprünglich sollte er während der Fußball-Weltmeisterschaft durchgeführt werden, aufgrund der damit verbundenen hohen Sicherheitsvorkehrungen verschoben sie den Anschlag jedoch. Die Tatverdächtigen stellten die in Trolleys verbauten Sprengsätze in zwei Zügen ab und setzten sich über den Kölner Flughafen in Richtung Libanon ab. Durch die Auswertung von Videoaufnahmen vom Kölner Hauptbahnhof und Hinweise aus der Bevölkerung konnten die Attentäter schnell identifiziert werden. Jihad H. konnte im Libanon, Mohammed E. nach seiner Rückkehr nach Deutschland in seinem Wohnort Kiel festgenommen (Foto) werden. Beide waren erst seit September 2004 bzw. Anfang 2006 DPA in Deutschland. Mohammed E. hatte eine kurze Zeit auch in Hamburg gelebt, war aber nicht fest in die hiesige islamistische Szene eingebunden. Anhaltspunkte für eine Steuerung der beiden Tatverdächtigen aus dem Al Qaida-Netzwerk liegen nicht vor. 39 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Dieser Anschlagsversuch belegt zum einen die Gefahreneinschätzung, dass auch Deutschland im Zielspektrum islamistischer Terroristen liegt. Zum anderen belegt er, dass Taten nicht nur von Altkadern der Al Qaida oder von "home-grown"-Terroristen verübt werden können. Es kann auch bei Personen, die erst kurze Zeit in einem Land leben, zu sich schnell entwickelnden Radikalisierungsprozessen kommen, ohne dass es einer islamistischen Vorprägung bedarf. 5.1.5 Auseinandersetzungen um die Muhammad-Karikaturen, die Papst-Vorlesung und die abgesagte Opernaufführung in Berlin Islamisten versuchten im Berichtsjahr wiederholt, tatsächliche oder vermeintliche Verunglimpfungen des Islam oder des Propheten Muhammad für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Die dänische Zeitung "Jyllands-Posten" veröffentlichte im September 2005 eine Serie von Karikaturen des Propheten Muhammad. Die bildhafte Darstellung des Propheten gilt Muslimen per se als verboten, und die genannten Karikaturen wurden darüber hinaus als blasphemisch bezeichnet. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung kam es in Dänemark und der muslimischen Welt nur zu kleineren Protestaktionen. Erst nachdem eine Delegation dänischer Muslime mit einer Reise durch verschiedene islamische Länder auf diese und andere, bisher nicht veröffentlichte, Karikaturen hinwies und ausländische wie deutsche Zeitungen im Rahmen der Diskussion über Grenzen der Presseund Meinungsfreiheit die Karikaturen nachdruckten, kam es zu heftigen und gewalttätigen Protesten gegen den Westen, insbesondere gegen Europa. Am 04.02.06 griffen palästinensische Jugendliche die deutsche Vertretung in Ramallah an und verbrannten eine deutsche Fahne. Aufgebrachte Demonstranten henkten am DPA 17.02.06 im pakistanischen Peschawar symbolisch Stoffpuppen, von denen eine den deutschen Vize-Kanzler Franz MÜNTEFERING (Foto) darstellen sollte. Vor der deutschen 40 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Botschaft in Teheran/Iran skandierten Studenten "Tod Deutschland" und "Deutschland Ihr seid Faschisten und willfährige Diener des Zionismus" und bewarfen das Botschaftsgebäude mit Molotowcocktails. Das führende Al Qaida-Mitglied Ayman AL ZAWAHIRI nahm am 04.03.06 zu den Muhammad-Karikaturen Stellung. Er rief die Muslime dazu auf, neben Dänemark, Norwegen und Frankreich auch Deutschland wirtschaftlich zu boykottieren und mit den Angriffen gegen die DPA westliche Welt nicht nachzulassen. Iraker verbrennen in Basra Papst-Bildnis und Deutschlandfahne Papst Benedikt XVI. hielt am 12.09.06 eine Vorlesung vor Studenten in Regensburg über Glaube und Vernunft. Er zitierte dabei eine Passage aus einem im 14. Jahrhundert geführten Streitgespräch zwischen dem byzantinischen Kaiser Manuell II. und einem muslimischen Gelehrten aus Persien. Der vom Papst zitierte Text ("Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten") führte in der islamischen Welt zu Protesten, die islamistische Gruppierungen für sich auszunutzen versuchten. In einer Ende September 2006 im Internet festgestellten Erklärung meinte der BIN LADEN-Vertreter Ayman AL ZAWAHIRI, dass sich die Äußerungen des Papstes in eine Serie von Angriffen auf den Islam (Kopftuchverbot in Frankreich, Muhammad-Karikaturen) einreihten. Dieser Papst sei mit dem Papst Urban II. zu vergleichen, der damals zu den historischen Kreuzzügen aufgerufen habe. Verschiedene terroristische Organisationen im Irak drohten mit Angriffen einer "islamischen Armee" auf Rom. "Außer dem Schwert werden sie von uns nichts sehen". Der Papst sei ein "Vertreter des Teufels". Im Namen des "Shurarats der Mujahidin im Irak" wurde erklärt, man werde den Jihad fortsetzen und "niemals aufhören, bis Gott uns hilft, eure Hälse abzuschneiden". Der in Qatar lebende einflussreiche islamistische Prediger Yusuf Al-QARADAWI (Foto) rief für den 22.09.06 zu einem friedlichen "Tag des Zorns" auf, diesem Aufruf wurde in zahlreichen muslimischen Ländern gefolgt. 41 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Mit Blick auf den Papst-Besuch in der Türkei im November 2006 und seine vorgenannten Äußerungen meldete sich der "Islamische Staat Irak" ( II. 5.1.3) Ende November 2006 erneut zu Wort. Der Besuch diene der Mobilmachung für die kreuzzüglerischen Kampagnen gegen die islamischen Staaten und solle die Flamme des Islam in den türkischen Brüdern ersticken. Am 25.09.06 sagte die Intendantin der Deutschen Oper Berlin die geplante Aufführung der Mozart-Oper "Idomeneo" ab. In dieser Inszenierung werden gegen Ende des Stückes die Häupter von Religionsstiftern, auch der Kopf des Propheten Muhammad, präsentiert. Die Intendantin hatte nach einem Hinweis der Berliner Senatsverwaltung für Inneres befürchtet, Besucher der Oper könnten durch gewaltbereite Islamisten gefährdet sein. Nennenswerte Reaktionen aus der islamistischen Szene wurden hierzu nicht bekannt. Lediglich in einigen Internetforen wurde von einzelnen gefordert, gegen Besucher der Oper vorzugehen. So hieß es in einem Beitrag am 28.10.06: "Ich schwöre, die Deutschen werden ab heute keine Sicherheit mehr haben. Wir werden ihre Köpfe abschneiden, bis sie zittern und Angst bekommen...". Anders als im Ausland liefen in Deutschland Protestaktionen anlässlich der genannten Reizthemen friedlich ab. Nur vereinzelt kam es zu Demonstrationen wie am 10.02.06 in Kiel gegen die MuhammadKarikaturen. An dieser Demonstration nahm auch der mutmaßliche "Trolleybomber" Youssef Mohamad EL H. ( II. 5.1.4) teil. In Hamburg gab es keine öffentlichen Aktionen. In den Moscheen wurden die Sachverhalte - insbesondere die Karikaturen - zwar in den Predigten angesprochen, gleichzeitig riefen die Imame aber zu friedfertigem Verhalten auf. In internen islamistischen Zirkeln kam es allerdings zu heftigen Reaktionen. Vereinzelt wurden Verschwörungstheorien kolportiert. Die Veröffentlichungen seien von "den Juden" gesteuert worden, um die Muslime zu gewalttätigen Reaktionen zu veranlassen und damit wiederum weitere Angriffe gegen die islamische Gemeinschaft zu rechtfertigen. 42 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten 5.2 Prozesse, Ermittlungsverfahren und Festnahmen National * Am 12.01.06 endete der Prozess gegen Lokman Amin MOHAMMED vor dem Oberlandesgericht München mit dessen Verurteilung wegen Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung Ansar al Islam zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren. * Drei Angeklagte müssen sich seit dem 09.05.06 vor dem OLG Düsseldorf wegen Mitgliedschaft in der terroristischen Al Qaida verantworten. Sie wollten der Anklageschrift zufolge nach Abschluss hoher Lebensversicherungen einen Unfalltod in Ägypten vortäuschen, um mit der Versicherungssumme Anschläge zu finanzieren. Der Hauptangeklagte soll früher in einem Ausbildungscamp in Afghanistan ausgebildet worden sein. * Seit dem 20.06.06 wird vor dem OLG Stuttgart gegen drei mutmaßliche Ansar al Islam-Mitglieder verhandelt. Ihnen wird zur Last gelegt, anlässlich eines Berlin-Besuches des damaligen irakischen Ministerpräsidenten ALLAWI im Dezember 2004 einen Anschlag auf diesen geplant zu haben. * Am 10.10.06 wurde im niedersächsischen Georgsmarienhütte der Iraker Ibrahim R. festgenommen. Ihm wird zur Last gelegt, seit etwa einem Jahr von seinem Wohnsitz aus zahlreiche Audiound Videobotschaften von Usama BIN LADEN und anderen führenden Angehörigen von Al Qaida über das Internet verbreitet zu haben. Damit habe R. Vereinigungen in ihren terroristischen Aktivitäten und Zielsetzungen unterstützt. * Der Bundesgerichtshof stellte am 16.11.06 fest, dass der in Hamburg wohnhafte Mounir EL MOTASSADEQ (Foto) im Zusammenhang mit den Anschlägen vom 11.09.01 nicht nur wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu verurteilen sei, sondern sich auch der Beihilfe zum Mord in 246 Fällen schuldig gemacht habe. DPA 43 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Das OLG Hamburg setzte am 08.01.07 das Strafmaß auf die Höchststrafe von 15 Jahren fest. MOTASSADEQs Anwälte haben einen Tag nach der Verurteilung Revision gegen die Entscheidung des Gerichts eingelegt. International * Im Berichtsjahr wurde in Italien ein mehrjähriges Gerichtsverfahren neu aufgenommen: Der früher in Hamburg lebende Mohamed DAKI (Foto) war 2003 in Italien unter dem dringenden Verdacht festgenommen worden, für die terroristische Organisation "Al Tawhid" des Terroristen Abu Musab AL ZARQAWI ( II. 5.1.3) Anschläge geplant zu haben. DAKI war bereits im November 2005 durch ein Mailänder Gericht freigesprochen und dann nach Marokko abgeschoben worden. Dieser Freispruch wurde durch ein Kassationsgericht in Mailand als fehlerhaft bezeichnet und aufgehoben. In diesem Zusammenhang wurde auch gegen den früher in Hamburg wohnhaft gewesenen Abderrazak MAHDJOUB in Italien verhandelt. MAHDJOUB war 2004 nach Italien ausgeliefert worden. Während andere Personen mehrjährige Haftstrafen erhielten, wurde MAHDJOUB am 21.09.06 aus Mangel an Beweisen freigesprochen und nach Algerien abgeschoben. Sowohl gegen DAKI als auch gegen MAHDJOUB wurden für Deutschland Einreisesperren verhängt. * Am 06.11.06 fällte ein Gericht in Madrid/Spanien ein erstes Urteil im Zusammenhang mit den Anschlägen in Madrid (11.03.04, 191 Tote). Der als "Mohammed, der Ägypter" (Foto) bekannte Attentäter war in Italien festgenommen und nach Spanien ausgeliefert worden. Das Gericht verurteilte ihn als einen der Drahtzieher des Anschlages zu einer zehnjährigen Haftstrafe. Weitere Prozesse werden vorbereitet. DPA 44 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten 5.3 Situation in Hamburg Auch in Hamburg stehen gewaltbereite Islamisten im Fokus des Verfassungsschutzes. Als gewaltbereit werden Anhänger solcher Gruppierungen angesehen, die ihre Ziele im Inund Ausland auch mit Gewalt verwirklichen wollen sowie Personen, zu denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie im Inoder Ausland islamistisch motivierte Gewalttaten ausüben oder aktiv unterstützen würden. In diesem Sinne sind dem LfV Hamburg 180 (2005: 170) in Hamburg lebende gewaltbereite Islamisten bekannt. Ungefähr zwei Drittel gehören der palästinensischen HAMAS ( II.,5.5), der libanesischen HIZB ALLAH ( II.,5.5), der multiethnischen Hizb ut-Tahrir ( II.,5.4) oder anderen Gruppierungen an, die zwar Gewalttaten grundsätzlich befürworten, diese aber nicht in Deutschland begehen wollen. Trotzdem unterliegen auch sie einer intensiveren Beobachtung. Eine Teilmenge dieser gewaltbereiten Islamisten sind die sogenannten Jihadisten. Sie befürworten oder unterstützen (durch logistische oder finanzielle Handlungen, Beschaffung von verfälschten Ausweisen u.a.) den bewaffneten Jihad (Heiliger Krieg), der weltweit im Namen Allahs zu führen sei. Jihadisten halten sich in der ganzen Welt auf und operieren z.T. international. Kontakte knüpfen sie vor allem in einschlägigen Moscheen. Microsoft Symbolfoto Als Jihadisten in vorstehendem Sinne sind dem LfV Hamburg ca. 60 Personen in Hamburg bekannt (2005: ca. 80). Auch wenn die meisten von ihnen wahrscheinlich nie den letzten Schritt zu Anschlägen gehen werden, bleiben sie aufgrund ihrer positiven Grundhaltung zum Jihad im Visier der Sicherheitsbehörden. Wenngleich sich ihre Zahl verringert hat, kann hieraus kein Trend abgeleitet werden, und es gibt auch keinen Grund zur Entwarnung. Eine gewisse Schwankungsbreite dieser Zahl ergibt sich durch Ausweisungen und Wegzüge aus Hamburg, aber auch durch eine veränderte Einblickstiefe der Sicherheitsbehörden. Wie auch in den Vorjahren gibt es in Hamburg eine Schnittmenge zwischen der islamistischen und der allgemein-kriminellen Szene. Etliche 45 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Islamisten haben einen kriminellen Vorlauf. Ihre Kontakte in das kriminelle Milieu - z.B. zur Passbeschaffung - werden auch für islamistische Ziele genutzt. 5.4 Transnationale Organisationen Hizb ut-Tahrir (HuT) Die multinationale "Hizb ut-Tahrir" (HuT, auch "Hizb Al Tahrir al Islami", "Befreiungspartei") wurde 1953 von Taqiuddin AN-NABAHANI in Jerusalem gegründet. Ihr Feindbild sind vor allem "die Juden", die sie als "giftigen Dolch im Herzen der islamischen Nation" sieht und die nach ihrer Ansicht mit Israel und westlichen Regierungen "kollaborierenden Herrscher" der arabischen bzw. islamischen Welt. Die Muslime müssten sich ihrer entledigen. Die HuT betrachtet sich als eine politische Partei, deren Ideologie nach eigenem Verständnis der Islam ist. Sie strebt die Errichtung eines als Kalifat bezeichneten, sich auf die Scharia gründenden islamischen Gottesstaates an. Unter "Kalifat" wird die Herrschaft eines Kalifen verstanden, der einen auf der Scharia basierenden islamischen Gottesstaat regiert; "Kalif" ist die Bezeichnung für den Nachfolger des Propheten Muhammad als Oberhaupt der muslimischen Gemeinschaft. Die HuT behauptet weder Gewalt noch Terrorismus zu fördern. In ihrem Buch "Kampf der Kulturen" rechtfertigt sie jedoch die gewalttätige Form des Jihad im Sinne eines gewaltsamen Angriffs auf die "Ungläubigen" als legitimes Mittel. Die in zahlreichen Staaten aktive HuT ist in allen arabischen Staaten verboten, weil sie deren Herrschaftsordnungen ablehnt und ihre Staatsoberhäupter als "vom Glauben Abgefallene" (Apostaten) ansieht. Gleichwohl ist sie in vielen arabischen Ländern aktiv. Zulauf hat die Organisation in den vergangenen Jahren in Zentralasien erhalten. An den radikalen Rändern der HuT in der Region (Kirgisistan, Usbekistan) besteht die Gefahr einer Abspaltung. Demnach sondern sich extremistische Teile der HuT als radikaler Flügel immer weiter ab 46 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten und unterhalten möglicherweise Kontakte zu internationalen Terrorstrukturen. Die HuT als Ganzes hält weiterhin am langfristigen Ziel der Errichtung eines Kalifates und am Prinzip der Gewaltfreiheit fest. Die Partei ist auch in vielen Staaten Europas vertreten; ihre europäische Zentrale befindet sich in London. Die HuT versucht ihre Anhängerschaft überwiegend im universitären Bereich zu rekrutieren, wo sie - wie auch vor Moscheen und islamischen Zentren - propagandistisch aktiv ist. Am 15.01.03 wurde der Organisation vom Bundesminister des Innern gemäß SS 14 Abs. 2 Nr. 4 des Vereinsgesetzes die Betätigung verboten. Die HuT richte sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung, befürworte Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele, verneine das Existenzrecht des Staates Israel und rufe zu seiner Vernichtung auf. Sie verbreite massive antijüdische Hetzpropaganda und fordere zur Tötung von Juden auf. Das Verbot umfasst auch die Produktion und Verbreitung der der HuT zuzurechnenden deutschsprachigen Zeitschrift "Explizit" einschließlich ihrer Internetseite. Das Verbot wurde durch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am 25.01.06 erstund letztinstanzlich bestätigt. Das BVerwG sieht als erwiesen an, dass sich die Tätigkeit der Organisation gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Es stellt zudem auch fest, dass die HuT keine Religionsoder Weltanschauungsgemeinschaft ist. Ungeachtet dessen setzten HuT-Anhänger ihre politische Agitation fort. Sie unterhalten in mehreren Städten personelle Strukturen, ohne dass ein Organisationsaufbau offen erkennbar ist. In Berlin und Hamburg fanden öffentliche Veranstaltungen statt, bei denen HuT-typische Thesen verbreitet wurden, die sich auch auf deutschsprachigen Internetseiten wiederfinden. Muslimbruderschaft (JAMA'A IKHWAN AL-MUSLIMIN) Die sunnitische "Muslimbruderschaft" (MB) wurde 1928 von dem Lehrer Hassan AL-BANNA in Ägypten gegründet und breitete sich in den 30erund 40er-Jahren des letzten Jahrhunderts in die gesamte arabische Welt aus. Mit einer geschätzten Zahl von einer Million Anhängern allein in Ägypten gilt sie 47 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten heute als größte und einflussreichste islamistische Gruppierung überhaupt. Ihr "Oberster Führer" (al-murshid al-'amm) ist seit Januar 2004 Muhammad Mahdi AKIF. Die MB sieht fast sämtliche in den muslimischen Staaten herrschenden Regime als unislamisch an. Ihr Ziel ist die Errichtung einer ausschließlich an Koran und Sunna orientierten, nach ihrer Interpretation "wahrhaft islamischen" Staatsordnung in den betreffenden Ländern. Im Gegensatz zu den 50erund 60erJahren lehnt sie gegenwärtig zwar grundsätzlich Gewalt als Mittel der Politik ab, billigt sie aber ausdrücklich im Kampf gegen "Besatzer". Ein Zitat ihres Obersten Führers vom 03.08.06 zum Libanon-Konflikt belegt diese Position: "Der Sieg wird nicht nur durch Armeen erreicht werden, sondern durch die Widerstandskämpfer, die an Gott glauben und als Märtyrer sterben wollen. Aus diesem Grund rufen wir auf, die Jugendlichen in allen arabischen und islamischen Ländern auszubilden, die an dem Jihad teilnehmen wollen, damit sie Vorhut oder Reservisten der Armeen für die Befreiungsschlacht bilden", so Muhammad Mahdi AKIF (Foto). Nur einen Tag zuvor hatte AKIF in einem Interview mit dem von der HIZB ALLAH betriebenen Fernsehsender "Al-Manar" bedauert, dass man im Moment nur materielle Hilfe und ideelle Unterstützung leisten könne, aber "der Tag werde kommen, an dem man wie ein Mann mit den Libanesen zusammenstehen und gegen den zionistischen Feind kämpfen werde." Aufgrund solcher Aussagen wird die MB als gewaltbefürwortend eingestuft. Politisch tritt die MB am auffälligsten in Ägypten in Erscheinung. Dort hat sie sich für einen Marsch durch die Institutionen entschieden und gewinnt stetig an Einfluss. Offiziell ist sie verboten, ihre Aktivitäten werden von der Regierung MUBARAK jedoch geduldet. Bei den ägyptischen Parlamentswahlen im Dezember 2005 konnten MB-Kandidaten trotz staatlicher Repression 88 Sitze erringen - das entspricht fast 20% der Mandate. Obwohl Muslimbrüder nur als Unabhängige auf 48 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten anderen Wahllisten antreten durften, nicht aber mit einer eigenen Partei, konnten sie ihre Sitzzahl im Vergleich zur vorherigen Legislaturperiode etwa verfünffachen. Im Bundesgebiet sind zahlreiche MB-Anhänger in der "Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD) aktiv, die sich selbst als größte Organisation von Muslimen mit arabischem Hintergrund in Deutschland bezeichnet. Die unter dem Einfluss der ägyptischen MB stehende IGD wurde bereits 1960 als Moscheebau-Kommission gegründet und existiert seit 1982 unter ihrer heutigen Bezeichnung. Seit dem 14.02.02 wird sie von Ibrahim AL-ZAYAT geleitet. Ihre Zentrale ist das "Islamische Zentrum München". Daneben gehören eine ganze Reihe weiterer Islamischer Zentren (IZ) zur IGD. Die enge personelle Verflechtung zwischen IGD und MB wird schon dadurch deutlich, dass der heutige Oberste Führer der MB, Muhammad Mahdi AKIF, Mitte der 80er-Jahre noch Leiter des IZ München war. Die IGD umwirbt mittlerweile verstärkt die zweite und dritte Generation der in Deutschland aufgewachsenen Muslime, die ihre Identität in einem "deutschsprachigen Islam" finden sollen. Dieses Anliegen versucht sie mit Großveranstaltungen wie der 28. Jahreskonferenz am 25.11.06 im Congress Center Hamburg (CCH) zu erreichen, die unter dem Motto "Muhammad - Barmherzigkeit für die Menschheit" stand. Mit diesem Motto wollte die IGD nach eigener Aussage eine versöhnliche Antwort auf den Karikaturenstreit und die umstrittene Papst-Vorlesung an der Universität Regensburg vom 12.09.06 geben. Die rund 2.500 Besucher der Jahreskon49 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten ferenz (2005: bei der Veranstaltung in Leverkusen etwa die gleiche Anzahl) waren überwiegend jünger als 30 Jahre. Sie sollten vor allem durch den als "Jugendimam" angekündigten ägyptischen Fernsehprediger Amr KHALED und den aus Äthiopien stammenden Rap-Musiker "Ammar114" angesprochen werden. Amr KHALED (Foto) nahm seit 2003 bereits zum vierten Mal an einer IGD-Jahreskonferenz teil. Seine Sendungen auf dem Satellitensender "Iqra-TV" erfreuen sich in der arabischen Welt großer Beliebtheit. KHALED gelingt es in seinen Predigten, gerade die junge Generation zu fesseln. Diesmal widmete er sich dem Thema "Die Liebe zum Propheten", stellte dem Publikum ganz im Stil eines Quizmasters religiöse Fragen und verteilte 50-Euro-Scheine an diejenigen Zuhörer, denen beispielsweise die Gründer der islamischen Rechtsschulen geläufig waren. Ein weiterer wichtiger Gastredner war Dr. Issam AL-ATTAR vom "Islamischen Zentrum Aachen" (IZA). Dort hatte er 1981 die "Islamischen Avantgarden" gegründet - neben der IGD die bedeutendste Gruppierung aus dem Umfeld der MB. Der Literaturwissenschaftler war von 1957 bis 1973 Generalinspekteur (al-muraqib al-'amm) der syrischen MB gewesen, hatte dann aber im Zuge einer immer stärkeren Radikalisierung dieser Organisation den Vorsitz verloren. AL-ATTAR, der ein hohes Ansehen als islamischer Gelehrter genießt, hielt einen Vortrag zum Motto der Veranstaltung: "Der Prophet - Barmherzigkeit für die Menschheit". Die IGD ist sehr bemüht, sich auf Veranstaltungen wie dieser Jahreskonferenz als tolerante und mit den Werten des Grundgesetzes im Einklang stehende Organisation zu präsentieren, die sich dem Integrationsgedanken verpflichtet fühlt. Dennoch kollidiert ihre Auslegung des Islam gleich an mehreren Stellen mit den Normen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Dies gilt etwa für ihr Staatsverständnis, dem zufolge der Regierende nur Ausführender von Gottes Gesetzen sein kann. Die Souveränität Gottes stellt sie dabei eindeutig über die Volkssouveränität, womit sie im Widerspruch zu Artikel 20 des Grundgesetzes steht. So heißt es auf ihrer Homepage: "Für den Muslim gibt es keinen Zweifel: Über allem, ...den Menschen ein50 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten geschlossen, steht Gott, der Weltenschöpfer, der Weltenlenker und der Weltenrichter. Er setzt das Recht, und dieses Recht ist für alle gleich. Wegen seines göttlichen Ursprungs ist es unserem Zugriff, unserer Manipulation, entzogen, was für uns die Voraussetzung für universale Rechtssicherheit ist." "Das Menschenrechtsgebäude ... ist (nur) solange stabil, wie man Grundrechte in Übereinstimmung mit der islamischen Auffassung als Rechte begreift, die man nicht setzen, sondern lediglich als bereits existierend (- als von Gott gesetzt ... -) erkennen oder auffinden kann." Darüber hinaus finden sich auf der IGD-Homepage nach wie vor Passagen, die dem Mann das Recht zugestehen, die Frau zu schlagen: "Selbst bei drohender ehelicher Untreue, die aus islamischer Sicht eine schwere Verfehlung darstellt, muss der Mann die Frau zunächst ermahnen, und wenn sie sich uneinsichtig zeigt, sich des ehelichen Verkehrs enthalten (was ihm vielleicht schwerer fällt als ihr), und erst als letzte Maßnahme darf er sie schlagen, aber nicht hart und nicht ins Gesicht ... ." Das "Schlagen im Affekt" ist hingegen verboten. Auch der von der IGD noch im Mai 2006 auf ihrer Website vertretene Universalitätsanspruch des Islam ist als problematisch zu bewerten. Dort war zu lesen "Der Qur'an hat gewisse allgemeingültige grundlegende Richtlinien für die Menschheit als ganzes aufgestellt, welche unter allen Umständen zu befolgen und zu respektieren sind." Der Islam "... erweitert den geistigen Horizont des individuellen und des gemeinschaftlichen Lebens des Menschen - seine häuslichen Beziehungen, sein Verhalten als Mitglied der Gesellschaft und seine Aktivitäten auf politischem, wirtschaftlichem, juristischem, erzieherischem und sozialem Gebiet. Er erstreckt sich von zu Hause bis hin zur Gesellschaft, vom Eßtisch bis zu den Schlachtfeldern und den Friedenskonferenzen, buchstäblich von der Wiege bis zur Bahre. Kurz, kein Lebensbereich ist von der allumfassenden Anwendung der Islamischen Moralgrundsätze ausgenommen." Die von der IGD hiermit erhobene Forderung nach einer umfassenden Gültigkeit des Islam in allen Bereichen des menschlichen Lebens bedeutet nichts anderes als eine klare Verneinung der Idee eines säkularen Staates. In Hamburg ist die IGD organisatorisch nicht vertreten, allerdings hat sie hier einzelne Gefolgsleute. 51 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Tabligh-i Jama'at (TJ) Die sunnitisch-islamistische Tabligh-i Jama' at (TJ) wurde 1927 in Indien von dem Religionsgelehrten Mawlana Muhammad ILYAS als eine Wiedererweckungsbewegung gegründet. Sie breitete sich im Laufe der Jahrzehnte über mehrere Kontinente aus, strebt eine globale Islamisierung der Gesellschaft an und verfügt derzeit weltweit über mehrere Millionen Anhänger. Diese sehen sich als zur Mission bestimmte Muslime, die einer wörtlichen Auslegung des Korans und der Sunna folgen. Zumeist tragen sie traditionelle Kleidung und halten bis ins Detail gehende Vorschriften ein. Zu den vorgegebenen Verhaltensweisen gehören beispielsweise das Essen auf dem Fußboden mit drei Fingern, das Leeren eines Glases mit drei Schlucken sowie die Regel, Hände nach dem Waschen nicht abzutrocknen. Die Aktivitäten der TJ-Anhänger bestehen im Wesentlichen aus Missionstätigkeit und -reisen im Inund Ausland, dabei suchen sie auch Moscheen auf, die keinen direkten Bezug zur TJ haben. Die TJ selbst lehnt Gewalt ab. Bei einzelnen Personen hat sich aber bereits gezeigt, dass die durch die TJ vermittelten streng-islamischen Überzeugungen möglicherweise eine Ursache einer Entwicklung zum Jihadisten sind. So weisen einige islamistische Attentäter einen Vorlauf in der TJ auf. Die TJ hat in Hamburg etwa 60 Anhänger. Das Deutschlandtreffen der TJ fand nicht wie in den Vorjahren in Hamburg, sondern im Mai 2006 in Berlin statt. Hierbei wurden die Anhänger von den anwesenden Scheichs aus Indien und Pakistan aufgefordert, ihre Missionsarbeit zu intensivieren. Ziel dieser Arbeit sei es auch, Andersgläubige zu missionieren. Im Laufe des Berichtsjahres wurden aus dem Kreis der Hamburger TJAnhänger Äußerungen bekannt, die deren ablehnende Haltung gegenüber wichtigen Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (z.B. Achtung der Menschenrechte) und deren Intoleranz gegenüber Andersgläubigen deutlich machen. Homosexualität wurde 52 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten z.B. als große Sünde bezeichnet und müsse mit Steinigung bestraft werden. Frauen wurden als minderwertig dargestellt. Aus diesen Äußerungen ging auch hervor, dass die TJ oder zumindest eine Vielzahl ihrer Anhänger die Einführung der Scharia befürwortet. Mehrfach kam es auch zu antisemitischen oder antichristlichen Äußerungen. Aufgrund der weitgehend fehlenden Organisationsstruktur der TJ kann nicht beurteilt werden, ob derartige Positionen von TJ-Anhängern mehrheitlich getragen werden. 5.5 Palästinensische und libanesische Organisationen HAMAS (HARAKAT AL-MUQAWAMA AL-ISLAMIYYA, Islamische Widerstandsbewegung) Die HAMAS wurde Anfang 1988 im Gaza-Streifen gegründet. Im Zuge der ersten Intifada ging sie aus der palästinensischen MB hervor. Ihr Name lässt sich mit "Eifer" oder "Enthusiasmus" übersetzen. Sie ist in einen politischen und einen militärischen Arm ("Izzaddin al-Qassam-Brigaden", Foto: Web-Banner) gegliedert. Beide operieren aus Sicherheitsgründen getrennt voneinander. Die HAMAS ist die größte und aktivste islamistische Gruppierung in den palästinensischen Gebieten. Sie verfügt dort über ein breites Netzwerk von religiösen und sozialen Einrichtungen und damit über einen starken Rückhalt in der Bevölkerung, insbesondere im Gaza-Streifen. Bei den Parlamentswahlen am 25.01.06, zu denen die HAMAS erstmals auch auf nationaler Ebene antrat, gelang ihr ein Aufsehen erregender Sieg (Foto). Mit ihrer Liste "Wechsel und Reform" erzielte sie aus dem Stand die absolute Mehrheit im Palästinensischen Legislativrat (PLC) und erreichte 74 von 132 Sitzen. Die bis dahin regierende säkular oriDPA 53 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten entierte FATAH-Bewegung konnte lediglich 45 Mandate erringen. Im Anschluss daran scheiterten Verhandlungen über die Bildung einer Koalition mit der FATAH, sodass fortan die HAMAS allein die Regierung führte. Damit wurde der Islamismus in den palästinensischen Gebieten erstmals zur dominierenden politischen Ideologie. Auch nach der Übernahme der Regierungsmacht hat die HAMAS ihre Charta bisher nicht verändert. Ihre Hauptziele bleiben demnach weiterhin die Vernichtung des Staates Israel und die Errichtung einer islamischen Ordnung auf dem gesamten Gebiet Palästinas. Sie erklärt das palästinensische Territorium zu einem sakralen, unveräußerlichen Besitz (waqf), und kein Muslim habe das Recht, auch nur einen Teil dieses Bodens preiszugeben. Dabei ist die HAMAS auch zur Anwendung von Gewalt bereit. In der militanten Form des Jihad - dem bewaffneten Kampf - sieht sie ein legitimes Mittel zur Erreichung ihrer Ziele. Dementsprechend verweigern HAMAS-Vertreter wie Ministerpräsident Ismail HANIYA Israel nach wie vor die Anerkennung. Sie sind allenfalls bereit zu einem langfristigen Waffenstillstand (hudna) - allerdings unter der Voraussetzung, dass sich Israel auf die Grenzen von 1967 zurückzieht. Darüber hinaus lehnt die HAMAS es ab, die von der PLO mit Israel abgeschlossenen Verträge anzuerkennen. Der Wahlsieg der HAMAS förderte ideologische Differenzen zwischen der Parlamentspartei, die vom eher pragmatisch orientierten Ministerpräsidenten Ismail HANIYA geführt wird, und dem "Politbüro" im syrischen Exil, das unter der Leitung des zum radikalen Lager zählenden Khalid MESHAL steht, zutage. MESHAL soll - so die FAZ v. 28.06.06 - auch hinter der Entführung eines israelischen Soldaten am 25.06.06 stecken, für die der bewaffnete Arm der HAMAS zusammen mit anderen militanten Palästinensergruppen verantwortlich zeichnete. Nach der Entführung des Soldaten begann das israelische Militär am 28.06.06 eine groß angelegte Offensive in den Gaza-Streifen, aus dem es erst im September 2005 abgezogen war. Bis zum Jahresende 54 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten 2006 war es den Israelis jedoch weder gelungen, den Soldaten zu befreien noch den Beschuss durch Kassem-Raketen auf israelisches Territorium zu unterbinden. Erst Anfang Juni 2006 hatte die HAMAS einen im Februar 2005 ausgehandelten und mehr als ein Jahr andauernden Waffenstillstand aufgekündigt. Nach dem Tod von sieben palästinensischen Zivilisten am Strand von Gaza, die durch eine israelische Granate ums Leben kamen, nahm die HAMAS den Raketenbeschuss auf Israel wieder auf und verübte im November 2006 sogar erneut ein Selbstmord-Attentat. Auf innerpalästinensischer Ebene kam es häufig zu Gefechten zwischen HAMASund FATAH-Anhängern, bei denen es zahlreiche Verletzte und Tote gab. Einen Hauptkonfliktpunkt bildeten dabei die Sanktionen, die das aus USA, EU, UNO und Russland bestehende Nahost-Quartett gegen die HAMAS-Regierung verhängt hat. Dazu zählt auch ein Finanzboykott, unter dem in erster Linie die rund 165.000 Angestellten der Autonomiebehörde leiden, die mehrheitlich der FATAH nahestehen. Sie haben schon seit März 2006 keine oder nur einen Bruchteil ihrer Gehälter erhalten. Da der Finanzboykott die Autonomiebehörde an den Rand der Zahlungsunfähigkeit gebracht hat, verhandelte die HAMAS mit der FATAH in der Folge über eine Regierung der nationalen Einheit, in der beide Organisationen Kabinettsposten bekleiden sollten. Die Verhandlungen verliefen jedoch erfolglos, sodass ein Ende der Sanktionen nicht in Sicht ist. Die etwa 300 Anhänger der HAMAS in Deutschland sind in keine übergeordnete organisatorische Struktur eingebunden. Trotz der militärischen Interventionen Israels im Libanon und in den Palästinensischen Autonomiegebieten hielten sie sich weitgehend mit Protestaktionen zurück. Die zahlreichen Demonstrationen, Kundgebungen und Mahnwachen gegen die israelischen Militäroperationen wurden eindeutig von HIZB ALLAH-Anhängern dominiert. Unterstützer der HAMAS waren auf diesen Veranstaltungen hingegen kaum festzustellen. Die palästinensischen Islamisten scheinen also auch weiterhin an ihrer bisherigen Strategie festzuhalten, Anschläge "vor Ort", d.h. in Israel, im Gaza-Streifen und im Westjordanland, zu verüben. Für eine Auswei55 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten tung ihres bewaffneten Kampfes auf Deutschland gibt es zumindest derzeit keine Anzeichen. Bei der Beschaffung von Finanzmitteln für die HAMAS und die ihr zugehörigen Hilfsorganisationen sind deren Anhänger allerdings auch in Deutschland nach wie vor sehr aktiv. Diese Aktivitäten hatten bereits im Juli 2002 zu einem Verbot des Aachener Spendenvereins "Al-Aqsa e.V." am 05.09.05 durch das Bundesministerium des Innern geführt. In der Folge wurde auch die "Yatim Kinderhilfe e.V." in Essen verboten, während das "Bremer Hilfswerk e.V." am 29.06.05 einem drohenden Vereinsverbot durch Selbstauflösung zuvorkam. Zuletzt geriet auch die "Islamische Wohlfahrtsorganisation e.V." (IWO) mit Sitz in Herne in den Fokus der Sicherheitsbehörden. Gegen die IWO läuft zurzeit ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Unterstützung der HAMAS. Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens haben bereits Durchsuchungsmaßnahmen in den Einrichtungen des Vereins stattgefunden. In Hamburg sind nur einzelne Personen aktiv, die als Unterstützer der HAMAS einzustufen sind. HIZB ALLAH (Partei Gottes) Die HIZB ALLAH wurde 1982 im Libanon auf Initiative und mit maßgeblicher Unterstützung iranischer Stellen als Sammelbecken radikaler Schiiten gegründet. Hauptziele der Organisation, die in Teilen des Libanon als parastaatliche Ordnungsmacht agiert, sind der Schutz des libanesischen Territoriums vor israelischen Militäraktionen und der Kampf gegen den Staat Israel, den sie vernichten will. Das lange propagierte Fernziel, die Umwandlung des Libanon in eine islamische Republik nach iranischem Vorbild, ist im Lauf der Zeit gegenüber der allgemeineren Forderung nach mehr politischem Einfluss und einer Revision des konfessionellen Proporzsystems im politischen und administrativen Bereich zu Gunsten der Muslime und insbesondere der Schiiten in den Hintergrund getreten. Die enge ideologische Beziehung zur Islamischen Republik Iran besteht jedoch unverändert fort. 56 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Unter dem Dach der HIZB ALLAH agieren eine seit 1992 im libanesischen Parlament vertretene Partei, verschiedene Wohlfahrtsorganisationen sowie der militärische Flügel "Islamischer Widerstand" ("al-Muqawama al-Islamiya"). Die HIZB ALLAH ist im Libanon seitdem zu einem festen Bestandteil des politischen Systems geworden und stellt nach den Wahlen im Mai / Juni 2005 zusammen mit der (schiitischen) AMAL-Bewegung den zweitstärksten Block im Parlament. Daneben war die Bewegung bis zum 11.11.06 auch mit mehreren Ministern im Kabinett SINIORA vertreten. Grund für den Rücktritt war die Forderung der HIZB ALLAH und prosyrischer Kräfte (u.a. Nabih BERRIs AMAL, Michel AOUNs FPM) nach Bildung einer "Regierung der nationalen Einheit" mit einer Ein-Drittel-Sperrminorität, die sie seit dem als eigenen Verdienst proklamierten Abzug der israelischen Truppen aus dem Südlibanon im Mai 2000 als rechtmäßige "politische Dividende" versteht. Am 01.12.06 errichteten hunderte Anhänger der HIZB ALLAH und anderer prosyrischer Kräfte ein Zeltlager auf dem Beiruter Riad as-SolhPlatz; mit dem unbefristeten Sitzstreik sollte die Regierung SINIORA zum Rücktritt gezwungen werden. Eine Einigung zwischen dem HARIRI-Lager ("Bündnis 14. März") um Ministerpräsident SINIORA und der prosyrischen Opposition war bis Mitte Januar 2007 nicht abzusehen. Im Sommer 2006 spitzten sich die militärischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und der HIZB ALLAH zu, als am 12.07.06 bei einem Gefecht an der israelischlibanesischen Grenze acht israelische Soldaten getötet, sechs verwundet und zwei weitere entführt wurden. Diesem Zwischenfall folgten 33-tägige schwere Kampfhandlungen, bei denen auf libanesischer Seite mehr als 1.000 Personen, darunter Hunderte Zivilisten, und auf israelischer Seite mehr als 150 Personen, darunter ebenfalls zahlreiche Zivilisten, getötet wurden. Die israelischen Luftangriffe und die Raketenangriffe der HIZB ALLAH 57 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten führten in Israel und dem Libanon zu einem Strom hunderttausender Flüchtlinge ins Inland bzw. die Nachbarländer. Der wirtschaftliche Schaden in Israel wurde unterschiedlichen Angaben zufolge auf etwa 1,8 Mrd. US-Dollar, im Libanon auf 3,5 bis 6 Mrd. US-Dollar beziffert. Mit Inkrafttreten der Resolution des UN-Sicherheitsrats 1701 am 14.08.06, die vom libanesischen und israelischen Kabinett zuvor einstimmig gebilligt wurde und u.a. eine sofortige Waffenruhe und den Rückzug der israelischen Armee bei gleichzeitiger Stationierung von UNIFIL-Truppen und regulären libanesischen Streitkräften forderte, begann die Stationierung einer mit einem "robusten aber nicht offensiven Mandat" ausgestatteten UN-Truppe (UNIFIL II). Sie soll die Einstellung der Feindseligkeiten zwischen beiden Seiten im Gebiet südlich des Litani-Flusses bis zur "Blauen Linie" überwachen. Die Bundeswehr hat zum 15.10.06 offiziell die Führung des multinationalen Marineeinsatzverbandes - der maritimen Komponente der UNIFIL-Mission (Maritime Task Force, MTF) - übernommen; an dem Einsatz, der zunächst bis zum 31.08.07 befristet ist, können sich bis zu 2.400 Bundeswehrsoldaten beteiligen. In Deutschland hat die HIZB ALLAH keine einheitliche Struktur. Sie ist in einer Reihe von Moschee-Vereinen vertreten, die relativ unabhängig voneinander agieren. Die Vereinsaktivitäten beschränken sich im Wesentlichen auf interne Treffen, Diskussionsveranstaltungen und religiöse Feiern (z. B. Ramadan und Ashura). Sie sind von dem Bemühen geprägt, die Bindungen der hier lebenden Libanesen an ihre Heimat und an die Organisation selbst nicht abreißen zu lassen. Darüber hinaus gehört das Sammeln von Spendengeldern zu den wichtigsten Aufgaben der Vereine. Der Organisation werden bundesweit etwa 900 Anhänger zugerechnet. Im Jahre 2002 hatte Generalsekretär Hassan NASRALLAH (Foto) angeordnet, sich in Deutschland gesetzeskonform zu verhalten, um keine Angriffsfläche für staatliche Maßnahmen zu bieten. Als Konsequenz sind viele HIZB ALLAHnahe Muslime in den letzten Jahren kaum mehr politisch aktiv geworden und erscheinen nur 58 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten sporadisch in der Öffentlichkeit. Im Sommer 2006 haben bundesweit zahlreiche HIZB ALLAH-Anhänger und Sympathisanten an Demonstrationen gegen den Krieg im Libanon teilgenommen; dabei wurden neben HIZB ALLAH-Flaggen auch Plakate und T-Shirts mit dem Bild von HIZB ALLAH-Führer Nasrallah gezeigt. Auch in Hamburg haben im Verlauf der Kriegshandlungen zwischen Israel und der HIZB ALLAH im Juli und August 2006 mehrere Demonstrationen (Foto) stattgefunden, an denen sich HIZB ALLAHAnhänger und -Sympathisanten beteiligten. Ihre wichtigste Anlaufstelle ist nach wie vor das "Islamische Zentrum Hamburg" (IZH, II.,6). Obwohl ihre Moscheevereine in Deutschland bislang noch nicht militant aufgetreten sind, ist weiterhin von einer potentiellen Gefährdung israelischer Interessen durch die HIZB ALLAH auch außerhalb des Libanon auszugehen 6. Iranische Islamisten 6.1 Allgemeines Seit dem Amtsantritt des iranischen Staatspräsidenten AHMADINEJAD (Foto) im Juni 2005 bestimmt eine streng konservativ-islamische Regierungspolitik das Geschehen in Iran. Die rigiden Islamisierungsbestrebungen der frühen Revolutionsjahre leben wieder auf. Dies zeigt sich vor allem in der schrittweisen Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten. Am 07.09.06 forderte der iranische Präsident: "Ein Student muss gegen liberales Denken und liberale Wirtschaft anschreien". Seinen 59 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten öffentlichen Ankündigungen über eine "Säuberung des iranischen Hochschulsystems von laizistischen und säkularen Kräften" folgten Taten, indem er eine Vielzahl von Universitätsprofessoren durch konservative Kleriker ersetzen ließ. Mit weiteren Aktionen machte der Staatspräsident deutlich, dass die Islamisierung in allen Lebensbereichen der iranischen Gesellschaft konsequent durchgesetzt werden soll. So achteten die Ordnungskräfte vor allem in der städtischen Bevölkerung rigoros auf die Einhaltung der Kleiderordnung. Gegen die Besitzer von Satellitenempfängern wurden empfindliche Geldstrafen verhängt, die Anlagen konfisziert. Reformorientierte Zeitungen wurden wegen regierungskritischer Berichterstattung vermehrt verboten. Proiranische Einrichtungen in Deutschland sind als Instrumente des iranischen Staates anzusehen, die die theokratische Staatsdoktrin nach iranischem Vorbild vertreten - eine Werteordnung, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar ist. Arbeitsfeld Ausländerextremismus / Iraner / Das politisch-religiöse System in Iran 6.2 Anhänger der iranischen "Islamischen Revolution" Das an der Alster gelegene "Islamische Zentrum Hamburg" (IZH), Träger der "Imam Ali-Moschee", sieht sich als "das wichtigste Islamische Zentrum in Europa". Es ist zentrale Anlaufstelle für die gläubige schiitische Gemeinde in Hamburg und Umgebung. Die Moschee wird von Muslimen verschiedener Nationen als Gebetsstätte genutzt - neben Iranern vor allem von Afghanen, Arabern, Libanesen, Pakistanern und Türken. Die wöchentlichen Gebetsveranstaltungen, meistens geleitet vom IZHLeiter Seyed Abbas GHAEM MAGHAMI bzw. dessen Stellvertretern Mohammad Nasser TAGHAVI und Younes NOURBAKHSH, wurden im Jahr 2006 von durchschnittlich 100 bis 150 Gläubigen besucht, an Veranstaltungen anlässlich besonderer schiitischer Feiertage nahmen bis zu 500 Besucher teil. 60 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Das IZH bietet auch diverse Lehrveranstaltungen wie etwa islamischen Religionsunterricht für Kinder und Sprachunterricht in Arabisch, Deutsch und Persisch an. Weiterhin betreibt es über seinen Nebenverein "Islamische Akademie Deutschland e.V." (IAD) ein Lehrinstitut, an dem Interessierte islamische Themen studieren können. Schließlich gibt es die eigenen deutschsprachigen Publikationen AL FADSCHR und SALAM (für Kinder) heraus und veröffentlicht auch Abhandlungen und Bücher iranischer Islamwissenschaftler in Deutschland. In den öffentlichen Verlautbarungen positioniert sich das IZH als eine tolerante Institution, die die Kooperation zwischen den Religionen hervorhebt. Der IZH-Leiter betonte in seinen öffentlichen Verlautbarungen den notwendigen interreligiösen Dialog. Die Mohammed-Karikaturen, die Anfang 2006 von westlichen Medien verbreitet wurden und zu weltweiten, teils gewalttätigen Protesten von Muslimen führten, verurteilte er auf der Homepage des IZH am 07.02.06 als Beleidigungen, die auf die Verhöhnung des Propheten Mohammed abzielten. Er ermahnte aber zugleich die Muslime zur Mäßigung, auf diese Ereignisse nicht mit gesetzwidrigen und aggressiven Aktionen zu antworten. Der begonnene Dialog zwischen den Religionen dürfe nicht gefährdet werden. Ende August 2006 veröffentlichte er eine "Fatwa gegen Terror", mit der er jede Form des Terrorismus und die Tötung unschuldiger Menschen ächtete. Die Fatwa (religiöses Gutachten mit Bindungskraft für die Gläubigen) appellierte an alle Muslime, sich für die Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit jener Gesellschaft einzusetzen, in der sie leben, und die jeweiligen Landesgesetze zu respektieren. Die Missachtung dieser religiösen Verpflichtung sei Sünde und käme einem religiösen Vergehen gleich. Die Fatwa bezog sich vor allem auf die fehlgeschlagenen Anschläge (sog. Kofferbomben-Attentate) auf zwei Regionalzüge in Deutschland im August 2006. Vom 03.-05.10.06 nutzte das IZH mit Veranstaltungen am traditionellen "Tag der offenen Moschee" die Möglichkeit, sich der Öffentlichkeit als transparente, dialogfreudige Einrichtung zu präsentieren. Vortragsthemen wie "Islam und andere Religionen" und "Frieden und Zusammenleben" sollten hierzu beitragen. Weitere gesellschaftliche Bereiche wollte der IZH-Leiter erschließen, indem er den Dialog mit 61 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten staatlichen Stellen suchte, um über die Aktivitäten des IZH zu informieren. Weil das IZH in der Außendarstellung die Rolle als Vertreter der "Islamischen Revolution" zu vermeiden sucht, zog es sich in den letzten Jahren immer mehr aus islamistisch geprägten öffentlichen Veranstaltungen zurück. Anders als in früheren Jahren gab es 2006 keine organisatorische Mitwirkung des IZH an der - jährlich stattfindenden - israelfeindlichen Demonstration zum "Al-Quds"-Tag in Berlin am 21. Oktober. Mit dieser Kundgebung soll an die "Besetzung" Jerusalems erinnert werden. Gleichwohl gedachte das IZH - ebenfalls wie jedes Jahr - des Todestags des einstigen "Revolutionsführers" Ayatollah KHOMEINI (auf dem Foto oben) mit einer besonderen Veranstaltung am 01.06.06, durch die ein eingeladener Gastredner aus Iran die etwa 400 Besucher führte. Der IZH-Leiter gilt als Repräsentant des jetzigen "Revolutionsführers" Irans, Ayatollah KHAMENEI (Foto), in Mitteleuropa; ihm kommt eine herausragende Bedeutung zu. Dies zeigte sich u.a. dadurch, dass er vom iranischen "Revolutionsführer" direkt als IZH-Leiter ausgewählt und eingesetzt worden war. Diese Tatsache lässt den Schluss zu, dass GHAEM MAGHAMI ein loyaler Verfechter der Revolutionsziele ist, auch wenn sein öffentliches Auftreten einen anderen Eindruck vermittelt. Das IZH hält weiterhin an seiner Unterstützung der in Hamburg lebenden HIZB ALLAH-Anhänger ( II., 5.5) fest. Es hat maßgeblichen Einfluss auf eine Vielzahl von "Islamischen Zentren" (Moschee-Trägervereinen) und Moscheen in Deutschland. Dazu gehören u.a. folgende Vereine: * "Islamisches Zentrum Salman Farsi Moschee, Langenhagen", Hannover 62 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten * "Akademie Baghiatallah e.V.", Bremen * "Islamische Gemeinde der Iraner in Berlin-Brandenburg e.V.", Berlin * "Islamische Vereinigung in Bayern e.V.", München * "Ehli-Beyt-Alevitische Religionsgemeinschaft Ehli Beyt Alevi Federasyonu e.V.", Frankfurt a.M. In Hamburg benutzt das IZH ein von ihm aufgebautes vielfältiges Geflecht religiöser und gesellschaftlicher Organisationen. Neben seinem eigentlichen Trägerverein, dem "Islamischen Zentrum Hamburg e.V.", und der bereits genannten IAD sind die Vereine * "Islamische Imamia Föderation in Europa e.V.", * "Verein der Förderer einer iranisch-islamischen Moschee in Hamburg e.V.", * "Waisenkinder-Hilfe Iran e.V." und * "Iranischer Sportverein e.V." als Nebenorganisationen bekannt. Des Weiteren hat das IZH speziell für Jugendliche eine Gruppierung ins Leben gerufen, in der sich - so das IZH - größtenteils Studenten und Schüler organisiert haben. Diese können verschiedene Kurse zur Weiterbildung über die islamische Weltanschauung nutzen. Das IZH ist in zentralen islamischen Dachverbänden vertreten, um sich dort in führender Position seinen Einfluss zu sichern: In Hamburg im "Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg e.V." (SCHURA), auf Bundesebene im "Zentralrat der Muslime in Deutschland" (ZMD). Es engagiert sich auch im Zusammenhang mit den Bestrebungen der schiitischen Gemeinden in Deutschland, einen bundesweiten Dachverband zu gründen. Arbeitsfeld Ausländerextremismus / Iraner / Pro-Iranische Organisationen und Einrichtungen 63 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten 7. Türkische Islamisten "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) Mit schätzungsweise 26.500 Mitgliedern ist die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) die mit Abstand größte islamistische Organisation in Deutschland. Organisatorisch gliedert sie sich in bundesweit 15 Regionalverbände. Außer in Deutschland ist sie in zehn weiteren europäischen Ländern mit insgesamt 15 Regionalbzw. Nationalverbänden vertreten. Sitz ihrer Europaund Deutschlandzentrale ist Kerpen/NW. Der IGMG gehören nach eigenen Angaben 514 Moscheevereine an, davon 323 in Deutschland. Die IGMG unterhält Nebenorganisationen speziell für Frauen, Jugendliche, Studenten und Kinder sowie etliche Bildungseinrichtungen und einen Beerdigungsfonds. Sie sorgt damit für eine umfassende Betreuung ihrer Mitglieder. Für die Verwaltung ihres Immobilienbesitzes ist die verbandseigene "Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft e.V." (EMUG) zuständig. Die IGMG ist nach ihrem Selbstverständnis Teil der von dem ehemaligen türkischen Ministerpräsidenten Prof. Necmettin ERBAKAN (* 1926, Foto S. 65) Anfang der 1970er Jahre in der Türkei initiierten Bewegung "Milli Görüs" ("Nationale Sicht") und wird von dieser ideologisch nach wie vor stark beeinflusst. Die "Milli Görüs" strebt langfristig die Überwindung des laizistischen Systems (Trennung von Kirche und Staat) in der Türkei an. Verbunden sind diese Bestrebungen mit dem Ziel, eine am Vorbild des Osmanischen Reiches orientierte "neue große Türkei" und - letztlich auch auf globaler Ebene - eine uneingeschränkt islamische Lebensund Gesellschaftsordnung zu errichten. Ideologische Schlüsselbegriffe dieser islamistischen Vision sind "Milli Görüs" und "Adil Düzen" (Gerechte Ordnung). Die 2001 gegründete "Saadet Partisi" (SP, "Glückseligkeitspartei") bildet den parteipolitischen Arm der Bewegung. Sie ist jedoch nicht im türkischen Parlament vertreten. Zum direkten Einflussbereich ERBAKANs gehören zudem noch die Tageszeitung "Milli Gazete" und der Satellitensender "TV 5". 64 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Die türkische SP sichert sich ihren Einfluss auf die europäische IGMG u.a. durch zahlreiche persönliche Kontakte. Namhafte Parteifunktionäre besuchen regelmäßig Veranstaltungen der IGMG, um dort in Reden und Vorträgen die Anhänger in Deutschland über die Vorstellungen der Gesamtbewegung zu informieren. Auch die türkische Tageszeitung "Milli Gazete" stellt ein wichtiges Bindeglied zwischen der IGMG und der Bewegung in der Türkei dar. Die Zeitung, die in Deutschland mit einem um Nachrichten aus Europa erweiterten Teil als sog. Europaausgabe erscheint, berichtet ausführlich über die Politik der SP und fungiert als ideologisches Sprachrohr. Sie prägt damit das Islamverständnis der Bewegung und das in der IGMG vorherrschende Meinungsbild. Da die Zeitung jedoch unverhohlen islamistische und antisemitische Positionen vertritt, die der IGMG in Deutschland schaden, versucht die IGMG-Führung, deren Einfluss herunterzuspielen und sich von allzu extremen Meinungsäußerungen zu distanzieren bzw. bestreitet, dass diese ihr zugerechnet werden können. Die prinzipiell antiwestliche Grundhaltung der "Milli Görüs" und ihr ausgeprägtes Freund-Feind-Denken wurden auch im Berichtsjahr in weiteren Kommentaren deutlich, so zum Beispiel in einem Artikel in der "Milli Gazete" vom 12.06.06: "Auch einer, der nur wenig Ahnung von der Geschichte hat, wird wissen, dass die westliche Welt und der Weltfrieden nicht im gleichen Atemzug genannt werden können. Sobald der Westen das Steuer übernimmt oder sich gewaltsam ans Steuer setzt, wird er das Gefährt an den Rand des Abgrunds manövrieren und die Räder dieses Gefährts werden sich in ein Meer aus Blut verwandeln. ... Der Zeitabschnitt, in dem wir uns befinden, beweist diese Tatsache ganz deutlich. Die westliche Zivilisation hält die Fäden dieser Welt in den Händen, weil sie stark ist. Diese Tatsache führt dazu, dass die Welt mit Besatzungen, mit Folter und mit Massenmorden übersät ist. ..." Während die "Milli Gazete" den Islam stets als Religion des Friedens und die Muslime als friedfertig darstellt, werden Israel und der Westen 65 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten - vor allem die USA - durchgängig als Hort des Bösen ausgemacht. Auslöser für wochenlange Hasstiraden gegen Israel war der im Juli 2006 ausgebrochene Libanon-Konflikt. In der Ausgabe vom 11.07.06 druckte das Blatt auszugsweise eine Rede von ERBAKAN ab, die während einer Anti-Israel-Demonstration in der Türkei live zugeschaltet wurde. Seine Ausführungen beleuchten schlaglichtartig das von Verschwörungstheorien geprägte Geschichtsbild der"Milli Görüs"-Bewegung: "Unsere Vorfahren haben nicht gekämpft, weil sie befürchteten, dass die Kreuzfahrer unsere Felder einnehmen, sondern sie wussten, dass diese Großisrael gründen wollten und die Welt in ein Meer aus Blut verwandeln wollten. Um dies zu verhindern und den Frieden der Menschheit zu gewährleisten, haben sie mit ihrem Leben gegen sie gekämpft. Während die Jahrhunderte so vergingen, haben die rassistischen Imperialisten Ende des 19. Jahrhunderts das Osmanische Reich von innen her zerstört. Auch hier war ihr Ziel die Gründung Großisraels. So war Palästina und der Mittlere Osten ihnen schutzlos ausgeliefert." In einem Beitrag in der Ausgabe vom 05./06.08.06 wurde diese Geschichtsklitterung noch weiter getrieben. Rückblickend auf die Entstehungsgeschichte Israels gab der "Milli Gazete"-Kolumnist folgende historische Deutung: "Warum und von wem wurde der 1. Weltkrieg ausgelöst? Von den zionistischen Juden, damit das größte Hindernis Israels, das Osmanische Reich, verschwindet. Warum wurde der 2. Weltkrieg ausgelöst? Damit man Israel gründen konnte und damit die Juden sich dort ansiedeln konnten." Die Geschichte zeige, so der Autor weiter, dass Israel ein "Kriegsstaat" sei, der keinen Frieden wolle, weil seine Existenz dann keine Bedeutung mehr hätte. Konsequenterweise findet man in der Zeitung dann auch Äußerungen, in denen Israel das Existenzrecht abgesprochen wird und gleichzeitig Erörterungen zur "Lösung" des Problems angestellt werden. Im Zusammenhang mit der Frage, ob sich die Tür66 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten kei an einer Friedenstruppe im Libanon beteiligen sollte, machte ein "Milli Gazete"-Autor in der Ausgabe vom 22.08.06 folgenden Vorschlag zum Einsatz des türkischen Militärs: "... in dieser Phase gibt es nur eins zu tun: Mit einer erfolgreichen Operation Israel aus dem Nahen Osten herausschneiden. Dies bedeutet, dass wir auf dieses Spiel nicht hereinfallen sollten und Israel am Hals packen und in die Hölle schicken sollten. ...Die türkische Armee kann nicht als Friedenstruppe dorthin gehen. Wenn sie dorthin geht, kann sie für den Frieden nur eins tun: Israel zerstören." In einer Artikelserie zum fünfjährigen Bestehen der SP vom August 2006 erläuterte die "Milli Gazete" das Selbstverständnis der "Milli Görüs"-Bewegung und ihrer Partei: "Bleibend ist nur die Saadet Partisi. Alle übrigen Parteien bedeuten nichts anderes als künstliches und vorübergehendes Hinhalten. ... Hat eine von ihnen eine Vision? Dabei gibt es keinen anderen Ausweg zur Lösung aller Probleme als die Gründung einer "Neuen Welt". Deswegen kommt von keiner dieser [Parteien] irgend etwas Gutes. ... Deswegen gibt es keine andere Rettung als Milli Görüs. Milli Görüs ist das Symbol für Unabhängigkeit, für wirkliche Unabhängigkeit. Alle anderen sind Symbole für Abhängigkeit von außen, für Abhängigkeit vom rassistischen Imperialismus. ...Milli Görüs ist die Sicht, die es übernommen hat, eine gerechte Ordnung und der Menschheit Frieden und Glückseligkeit zu bringen." Mit dem "1. Internationalen Milli Görüs-Symposium", das am 28./29.10.06 in Istanbul stattfand, versuchte ERBAKAN an seine politischen Initiativen während seiner Amtszeit als Ministerpräsident (1996/97) anzuknüpfen, um den Anspruch der "Milli Görüs", als internationale Bewegung agieren zu können, zu untermauern. An der Veranstaltung nahmen laut "Milli Gazete" 147 Delegierte aus der Türkei und 56 Delegierte aus 21 Ländern teil, darunter auch aus Deutschland. Unter den Teilnehmern befanden sich - so die Zeitung - ehemalige Staatspräsidenten, Ministerpräsidenten, Minister, Abgeordnete, Wissenschaftler, Geschäftsleute und Journalisten. In ihrer Ausgabe vom 04./05.11.06 berichtete die "Milli Gazete" ausführlich über das Ereignis und veröffentlichte in Auszügen die vom 67 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Vorsitzenden der SP, Recai KUTAN, vorgetragene Abschlusserklärung. Das Ziel dieses Symposiums sei es gewesen, den fünf Milliarden Menschen, die weltweit unterdrückt und ausgebeutet werden (gemeint sind alle Menschen außer den Muslimen), "das Projekt der Gründung einer Neuen Welt", das "Zivilisationsprojekt" der "Milli Görüs", vorzustellen und eine Front zu gründen, die "Nein zu Ausbeutung, Versklavung und Gewalt" sagt. Wörtlich heißt es in dem Abschlusspapier: "Obwohl die rassistisch-monopolitischen Kreise, die auf der Welt Unheil stiften, sehr gut organisiert sind, sind sie gegenüber Gott doch keine Macht, vor der man sich fürchten muss. Diese Macht, die einem Papiertiger gleicht, wird besiegt werden, indem die Unschuldigen erwachen und gemeinsam gegen die Ungerechtigkeit Stellung beziehen." Im Gegensatz zu den zerstörerischen Aktivitäten des Westens auf nahezu allen Gebieten des politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Lebens und der "seelischen und geistigen Versklavung", in die der Westen die Menschheit geführt habe, biete der Islam die Lösung. Die hier nur in einer Auswahl wiedergegebenen Erklärungen belegen den totalitären Charakter der "Milli Görüs"-Bewegung, die sich im Besitz der alleingültigen Wahrheit glaubt und meint, nur sie allein vertrete den "wahren" Islam. Aus dem Besitz dieser "göttlichen Wahrheit" leitet sie den Anspruch ab, eine "gerechte", dem Willen Allahs entsprechende Ordnung errichten zu können, die sich auf der ganzen Welt ausbreiten soll. Jede Macht, die sich diesem Konzept entgegenstellt, wird als Feind des "Guten" und "Gerechten" betrachtet, der seinerseits bekämpft werden muss. Die IGMG in Deutschland Ob die IGMG als europäischer Ableger der "Milli Görüs"-Bewegung unverändert als Organisation einzustufen ist, deren Ziele nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu vereinbaren sind, hängt entscheidend davon ab, wie sie sich zu ERBAKAN und dessen Ideen positioniert. Trotz zum Teil kontrovers geführter Diskussionen auf Führungsebene über das zukünftige Verhältnis zur Bewegung in der Türkei ist bis jetzt kein tiefgreifender Wandel in den Beziehungen in Sicht. Die Bindung an ERBAKAN und dessen ideologische Zielsetzun68 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten gen ist nach wie vor eng. Für eine Distanzierung oder gar Loslösung fehlt es der IGMG zumindest derzeit an Kraft. Der "Milli Görüs"-Gründer ist weiterhin die unumschränkte Führungsfigur, dessen Autorität nicht in Frage gestellt wird. Es bestehen somit nach wie vor erhebliche Zweifel an der Aufrichtigkeit des Bekenntnisses zum Grundgesetz und seinen Werten. Führende Funktionäre der IGMG unterscheiden sich in ihrem Sprachgebrauch kaum von den oben zitierten "Milli Görüs"-Vertretern, weil sie Schlüsselbegriffe offensichtlich in derselben Bedeutung gebrauchen. So berichtete beispielsweise die "Milli Gazete" vom 11.03.06 über eine Veranstaltung des IGMG-Regionalverbandes Bremen im März 2006, auf der der Generalsekretär der IGMG, Oguz ÜCÜNCÜ (Foto), zugegen war. Der Zeitung zufolge unterstrich ÜCÜNCÜ "... in seiner Rede, dass die Milli Görüs das einzig richtige Rezept für die Menschheit sei. ...Die ganze Menschheit habe das Rezept der Milli Görüs nötig." Ähnlich äußerte sich der IGMG-Generalsekretär auch auf einer Großveranstaltung der Jugendfunktionäre am 25.03.06 in Hagen. Dort forderte er die Jugendvertreter der IGMG auf, die Grundwerte von "Milli Görüs", Koran und Sunna, offensiv zu vertreten. Bei dieser Veranstaltung wurde außerdem ein Videofilm mit einem Grußwort von Necmettin ERBAKAN eingespielt. Die begeisterten Reaktionen der Zuhörer lassen keinen Zweifel daran, dass ERBAKAN unter den jungen IGMGFunktionären nach wie vor zahlreiche Anhänger hat, die ihn nicht nur als Glaubensvorbild betrachten, sondern als ihren geistigen Führer. In die gleiche Richtung wie die Äußerungen ÜCÜNCÜs weist auch eine Stellungnahme des IGMG-Jugendvorsitzenden von Berlin, Cemal TÜTER, der nach einem Bericht der "Milli Gazete" vom 12.06.06 auf einem Jugendfest in Berlin Folgendes ausführte: "Es gibt nur eine Sache, an der wir uns festhalten können: Die Bewahrung unserer Werte und unsere Persönlichkeit. Es ist offensichtlich, dass die Lösung ausschließlich im Islam, in der Milli Görüs liegt." 69 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Auch andere von der IGMG benutzte Begriffe werden im islamistischen Sinne gebraucht. Das zeigt ein Beispiel aus der Bildungsarbeit der IGMG. In einer"Temel Esaslar" (Grundprinzipien) überschriebenen Schulungsunterlage der IGMG werden u.a. die islamischen Begriffe "Hak" (Recht, der rechte Glaube) und "Batil" (Unrecht, das Falsche, Unrichtige) definiert. Auf die Frage, was "Recht" und "Unrecht" ist, heißt es dort, "Recht ist die Wahrheit, die jederzeit und unter allen Umständen gültig ist. Recht ist Islam." "'Unrecht' ist, was unter allen Umständen nicht zutrifft. ...Zionisten und Kreuzritter sind die aktuellen Vertreter des Unrechts." Große Teile der IGMG sind weiterhin bereit, ERBAKAN und seiner Ideologie bedingungslos zu folgen. Einer der Fürsprecher dieses Kurses ist Hasan DAMAR, der zu den Gründungsmitgliedern der IGMG gehört und auch heute noch über einen weitreichenden Einfluss in der Organisation verfügt. In ihrer Ausgabe vom 29.05.06 berichtete die "Milli Gazete" über eine Veranstaltung des "Anatolischen Jugendvereins" (Anadolu Genclik Dernegi) in der Türkei, zu der u.a. Vertreter islamischer Parteien aus Pakistan, Marokko, Saudi-Arabien, Malaysia und Indien geladen waren, und an der für die IGMG Hasan DAMAR teilnahm. In seiner Ansprache forderte er alle "Milli Görüs"-Anhänger dazu auf, "mit höchstem Eifer" daran zu arbeiten, dass die "Milli Görüs" in der Türkei wieder an die Macht kommt. Denn die Rettung der islamischen Welt, die in der heutigen Zeit vielleicht ihre schwärzeste Phase durchlebt, so DAMAR, könne nur mit der Türkei gelingen. Die Ehrerbietung und Gefolgschaft der europäischen "Milli Görüs"-Anhänger gegenüber ERBAKAN kleidete er in die Worte: "Wir, die in Europa lebenden Gefährten Mohammeds (muhacir), unterwerfen uns den Befehlen unseres Hocas ERBAKAN." Unumstrittener Höhepunkt der Aktivitäten der IGMG im Berichtsjahr war der am 04.06.06 im belgischen Hasselt ausgerichtete "Tag der Brüderlichkeit und Solidarität" (Foto), zu dem nach unterschiedlichen Schätzungen 70 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten zwischen 25.000 und 32.000 "Milli Görüs"-Anhänger anreisten. Zu den hochrangigen "Milli Görüs"-Vertretern aus der Türkei gehörten der Vorsitzende der SP, Recai KUTAN, und sein Stellvertreter Numan KURTULMUS, der im September auch in Hamburg war (s.u.). Weitere Redebeiträge hielten der IGMG-Vorsitzende Yavuz Celik KARAHAN (Foto) und Oguz ÜCÜNCÜ. Letzterer hob in seiner Rede u.a. Erfolge der IGMG bei den verschiedenen Spendenkampagnen und internationalen Hilfsaktionen hervor und kritisierte die fortdauernde Beobachtung der IGMG durch die Verfassungsschutzbehörden. Die Welt brauche Milli Görüs, so ÜCÜNCÜ. KARAHAN hob hervor, dass jeder Muslim versuchen müsse, das Bild des Islam in Europa zu verbessern. Er beklagte die Verfolgung und Schikanen, denen Muslime in Deutschland ausgesetzt seien. Die Muslime seien dauerhaft in Europa - und damit auch der Islam, dies sei eine nicht zu leugnende Realität. KURTULMUS betonte, dass die Lösung für alle weltweiten Probleme im Islam gesucht werden müsse. KUTAN hob in seinem Redebeitrag das große Vorbild der "Milli Görüs" hervor. "Milli Görüs"-Führer Necmettin ERBAKAN, der aus der Türkei zugeschaltet wurde, sprach in seiner live vorgetragenen Rede davon, dass "Milli Görüs" der wahre Interessenvertreter der Muslime sei und das Projekt des 21. Jahrhunderts. "Milli Görüs", so ERBAKAN, sei kein Parteiname, sondern eine Ideologie und "unser Weg". Besondere Aufmerksamkeit erregte die Veranstaltung durch die öffentliche Berichterstattung über den Verkauf eines antisemitischen Fernsehfilms vor Ort. Nach einem Bericht des Fernsehmagazins "Frontal 21" vom 06.06.06 ("Hetze frei Haus - die Propaganda türkischer Extremisten") wurde in der Versammlungshalle an einem Stand des IGMG-Bücherclubs der Film "Zehras blaue Augen" zum Verkauf angeboten. Herausgestellt wurde in dem Beitrag u.a., dass der Film bereits im Jahr 2005 von dem - zur "Milli Görüs"-Bewegung gehörenden - TVSender "TV 5" als Serie ausgestrahlt worden und auch im Satellitenfernsehen in Deutschland zu empfangen gewesen sei. Der Film handelt davon, dass ein fiktiver israelischer Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten namens Yitzhak COHEN palästinensische Kinder entführen lässt, um ihnen Organe zu entnehmen. Die 71 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten blauen Augen des Mädchens Zehra sind für den blinden Sohn COHENs bestimmt. Der Film zeigt, wie Zehra die Augen herausoperiert werden und ihr Großvater bei dem Versuch, sie zu retten, ermordet wird. Auch Zehra soll nach dem Eingriff getötet werden. COHEN legitimiert sein Projekt mit den Worten: "Wir (Juden) sind die beste menschliche Rasse auf der Welt. Unser Land sollte vom Euphrat bis zum Nil reichen und uns gehört alles, was darauf ist. ...Wir nehmen zurück, was uns Juden gehört. Die einzigen, die vom Geschenk, das Gott in das jüdische Blut gepflanzt hat, profitieren sollen, sind wir, wir alleine. ...Die Augen und Herzen der palästinensischen Araber, auch der christlichen, sind wie die Blütenpracht unserer Obstgärten. Wir werden die Früchte unserer Obstgärten genießen, wie es uns gefällt." Vor dem Hintergrund dieser Darstellung glorifiziert der Film das Selbstmordattentat von Zehras Bruder, der mit einem mit Sprengstoff präparierten Wagen in das Wohnhaus des Politikers fährt und es so in die Luft sprengt. Mit diesen extrem antijüdischen und Gewalt verherrlichenden Inhalten konfrontiert äußerte Oguz ÜCÜNCÜ im "Frontal 21"-Beitrag, dass die IGMG weder auf die Programmgestaltung von "TV 5" noch auf die Berichterstattung der "Milli Gazete" einen entscheidenden Einfluss habe, sich von Gewalt und Terror aber klar distanziere. Bereits am 09.05.06 hatte jedoch der Hessische Rundfunk über diesen Film und die für den Vertrieb verantwortliche Firma berichtet, so dass sich die IGMG kaum auf Unkenntnis berufen kann und Vorkehrungen gegen die Verbreitung des Films in ihren eigenen Reihen hätte treffen können. Den Verfassungsschutzbehörden liegen sogar Anhaltspunkte dafür vor, dass einzelne Untergliederungen der IGMG mit der besagten Firma bereits seit einiger Zeit zusammengearbeitet haben ("Antisemitische Hetzvideos bei der IGMG"). Die IGMG in Hamburg In Hamburg wird die IGMG vom "Bündnis der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland e.V." (BIG) repräsentiert, dem insgesamt 17 72 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Moscheevereine in Hamburg (9), Schleswig-Holstein (6) und im nördlichen Niedersachsen (2) sowie mehrere regionale und lokale Nebenorganisationen angehören. Den BIG-Vereinen sind in Hamburg ca. 1.600 Personen zuzurechnen. Außer der "Centrum Moschee" in der Böckmannstraße (St. Georg, Foto) gibt es BIG-Moscheen auf der Veddel, in Wilhelmsburg, Harburg, Eidelstedt, Altona (2), Neugraben und Neuenfelde. Das BIG unterhält neben den Moscheen Bildungsstätten mit Übernachtungsmöglichkeiten in Harburg und im niedersächsischen Seevetal. Das BIG ist als Verein zwar rechtlich unabhängig, tatsächlich jedoch als Hamburger Regionalverband fest in das hierarchische Organisationsgefüge der IGMG eingebunden. Obwohl die enge Verbindung zur IGMG offiziell auch nicht mehr abgestritten wird, ist das BIG darum bemüht, ein Höchstmaß an Eigenständigkeit zu wahren und den Vereinnahmungsversuchen durch die IGMG-Führung, wie auch indirekt durch die "Milli Görüs"-Bewegung in der Türkei, entgegenzuwirken. Den Verantwortlichen ist bewusst, dass es den Interessen des BIG - insbesondere dem Bestreben, als seriöser Ansprechpartner für die Politik akzeptiert zu werden - sehr wohl schaden kann, in einem Atemzug mit der IGMG und insbesondere mit ERBAKAN und der "Saadet Partisi" (SP) genannt zu werden. Wohl aus diesem Grund "verzichtete" das BIG darauf, den stellvertretenden Vorsitzenden der SP, Prof. Dr. Numan KURTULMUS, der auf der Jahresversammlung am 03.09.06 im Wilhelmsburger Bürgerhaus auftrat, auch als solchen zu bezeichnen. In dem auf der BIGInternetseite veröffentlichten Bericht über die Veranstaltung wurde KURTULMUS lediglich als "Gastredner" von der Universität Istanbul vorgestellt, der eigens für diesen Termin angereist sei. Zu seinem Vortrag wurde nur lapidar angemerkt, dass er die Geschichte der Muslime umrissen und aufgezeigt habe, welche Lösungsansätze es für die Brandherde dieser Welt gebe. Die "Milli Gazete" (09./10.09.06) wurde in ihrem Bericht über die Veranstaltung schon deutlicher: KURTULMUS habe bei seinem Auftritt in Hamburg betont, dass man auch in Zukunft "entschlossen und energisch entsprechend der "Milli Görüs"-Prinzipien weiterarbeiten" werde. Außer über die Versammlung in Wilhelmsburg 73 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten berichtete die "Milli Gazete" vereinzelt auch über andere Aktivitäten des BIG. Ausgelöst durch einen Artikel des LfV Hamburg auf seiner Internetseite v. 13.07.06 berichtete das "Hamburger Abendblatt" am 15. Juli über die Verbreitung des antisemitischen Zeichentrickfilms "Die Kinder der Al-Aksa-Moschee" durch die "Centrum Moschee" und zitierte hierzu den BIG-Funktionär und Vorsitzenden der Hamburger SCHURA, Mustafa YOLDAS (Foto). Dieser hatte in einer ersten Stellungnahme gegenüber der Zeitung die Gewaltdarstellung in der für Kinder produzierten Zeichentrickserie gebilligt und Verständnis für den Inhalt gezeigt. Negative Reaktionen in der Öffentlichkeit auf seine Äußerungen veranlassten YOLDAS dann zu einer Erklärung, die Ende Juli u.a. auf der IGMG-Internetseite veröffentlicht wurde. Darin distanzierte er sich nunmehr von "dem einseitigen Inhalt der Filme". Diese gehörten nicht in den Buchladen der Moschee und würden in der "Centrum Moschee" schon seit Monaten nicht mehr verkauft. Auch weitere VideoCDs oder DVDs ähnlichen - d. h. antisemitischen - Inhalts würden von der Moschee nicht zum Verkauf angeboten und seien nie offeriert worden, auch nicht der im Internetbeitrag erwähnte Film "Zehras blaue Augen". Die "Centrum Moschee" wende sich, bei aller Kritik an der Politik Israels, entschieden gegen Antisemitismus. Dem Hamburger Verfassungsschutz liegt allerdings ein Exemplar der VideoCD (Foto) vor, das genau dort erworben wurde. Am 04.10.06 nahm der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg Ole von BEUST auf Einladung des BIG am traditionellen Iftar-Empfang in der Centrum Moschee teil und richtete in Anwesenheit anderer Ehrengäste ein Grußwort an die Teilnehmer. Der Bürgermeister signalisierte seine Bereitschaft, mit den Muslimen in der Hansestadt einen Staatsvertrag auszuhandeln. Trotz dieses Angebots sehen sich viele Hamburger "Milli Görüs"-Anhänger aufgrund der Vor74 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten kommnisse im Jahr 2006, die sich vermeintlich gegen "die" Muslime richteten (Muhammad-Karikaturen, Libanon-Konflikt, Papst-Vorlesung u.a.), immer noch eher in ihren Vorurteilen und Verschwörungstheorien bestätigt. Sie betrachten dieses Geschehen als Teil des "Kreuzzuges", den der Westen gegen die Muslime führe. Die BIG-Verantwortlichen haben wiederholt und glaubwürdig gegen jede Form von Gewaltanwendung Stellung bezogen. Allerdings sind in dem Bündnis keine Tendenzen zu erkennen, die auf eine grundsätzliche Distanzierung von ideologischen Grundpositionen der "Milli Görüs"Bewegung hindeuten. Eine klare Absage an die islamistischen Ideen und Konzepte ERBAKANs blieb die BIG-Leitung schuldig, obgleich sie die konstruktive Rolle betont, die das BIG für die Integration der Muslime in der Hansestadt angeblich spiele. 75 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten III. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick Oppositionelle Gruppen von Iranern, wie die Arbeiterkommunistische Partei Iran (API) und die Sozialistische Partei Iran (SPI), verfolgen das Ziel, das "Mullah-Regime" in der Heimat durch ein kommunistisches bzw. sozialistisches System zu ersetzen. Beide Organisationen sind in Deutschland mit Anhängern vertreten, deren öffentliche Aktivitäten sich im Wesentlichen auf Informationsund Protestveranstaltungen gegen das Regime Irans beschränken. Eine grundlegende Änderung der in Iran bestehenden Herrschaftsverhältnisse strebt auch der Nationale Widerstandsrat Iran (NWRI) an, vorgeblich unter demokratischen Vorzeichen. Er ist der politische Arm der in Iran jahrelang terroristisch agierenden "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (Modjahedin-E-Khalq, MEK), deren im Irak stationierte Guerilla, die "Nationale Befreiungsfront", 2003 entwaffnet und unter US-Aufsicht gestellt worden war. Der NWRI hat unverändert eine Gewalt befürwortende Grundorientierung. Seine Aktivitäten in Deutschland bestehen vorrangig darin, über seine Nebenorganisationen Spendengelder zu beschaffen sowie Propaganda gegen die Nennung der MEK als terroristische Organisation in den Listen der EU und USA zu betreiben ( III. 6.). Unter den türkischen politisch-extremistischen Organisationen verfolgen die linksextremistisch orientierten Gruppierungen das Ziel, unter dem Vorzeichen der marxistisch-leninistischen und maoistischen Ideologie die in der Türkei bestehende Gesellschaftsordnung mit Gewalt zu beseitigen. Ihre bewaffneten Einheiten in der Türkei werden von der Anhängerschaft in Deutschland finanziell und propagandistisch unterstützt. Für die Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) übt ihre Teilorganisation Revolutionäre Volksbefreiungsfront (DHKC) terroristische Anschläge in der Türkei aus. Im Namen der Türkischen Kommunistischen Partei / Marxisten-Leninisten (TKP/ML) verübt die Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee (TIKKO) Gewalttaten. Der 78 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei (MLKP) rechnen türkische Sicherheitsbehörden die Bewaffneten Kräfte der Armen und Unterdrückten (FESK) zu, und für die Maoistische Kommunistische Partei (MKP) kämpft die Volksbefreiungsarmee (HKO). In Deutschland widmen sich die linksextremistischen türkischen Organisationen mit publizistischen sowie friedlichen demonstrativen Aktivitäten aktuellen Themen auch der deutschen Innenpolitik. Die Zahl ihrer Aktionen ist seit Jahren rückläufig ( III. 5.). Mit der straff organisierten Anhängerschaft des KONGRA GEL (Volkskongress Kurdistans) - früher PKK - besteht auch in Deutschland weiterhin ein gefahrenträchtiges Potential. Ihm kommt aufgrund der relativ hohen Anhängerzahl, nach wie vor auf die Führungsperson ÖCALAN (Foto) fixiert, sowie wegen der zahlreichen schwerwiegenden Gewalttaten und Kampfhandlungen ihres bewaffneten Arms in der Türkei, den Volksverteidigungskräften (HPG), eine besondere Bedeutung zu. Die terroristischen Aktivitäten und Kampfhandlungen der HPG haben in den Jahren 2005 und 2006 wieder zugenommen. In Deutschland haben sich die Organisationsangehörigen weitgehend friedlich verhalten, schon um ihrem Image als TerrorOrganisation entgegenzuwirken. Ihre Demonstrationen und Kundgebungen hatten die "kurdische Frage" und vor allem die Haftsituation des "kurdischen Volksführers" ÖCALAN zum Thema. Der KONGRA GEL stellt vor allem wegen seiner Jugendlichen, die sich schnell emotionalisieren lassen, eine Gefahr für die innere Sicherheit dar ( III.4.). Im Vergleich zur Anhängerschaft linksextremistischer türkischer Gruppen und dem Spektrum kurdischer Extremisten hat die rechtsextremistische türkische Szene an Bedeutung verloren. Es ist der Zurückhaltung aller Seiten bei Konfliktsituationen zuzuschreiben, dass sich trotz der Feindbilder, wie sie zwischen den Türken kurdischer Herkunft und den ebenfalls in Hamburg vertretenen Gruppen extrem-nationalistisch orientierter Türken bestehen, seit mehreren Jahren keine gewalttätigen Konfrontationen mehr ereignet haben. 79 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Weitere Gruppen, die sich von Deutschland aus für den bewaffneten Kampf in ihrem Herkunftsland einsetzen, sind ebenfalls mit Anhängern in Hamburg vertreten, zeigen sich mit öffentlichem Auftreten aber eher reserviert. Es handelt sich um die auf Sri Lanka gewalttätig engagierte LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam), deren Aktivitäten vorrangig darin bestehen, bei ihrer Anhängerschaft bundesweit "Spenden" für den separatistischen Kampf einzutreiben, sowie um Albaner, die im Heimatland den gewalttätigen Kampf für ein "Großalbanien" propagieren, vereinigt aus albanisch besiedelten Gebieten Griechenlands, Mazedoniens, Montenegros und Serbiens. 2. Potentiale Die Zahl der Anhänger extremistischer Ausländerorganisationen (ohne Islamisten) in Deutschland liegt nahezu unverändert bei etwa 25.250, im Jahr 2005 waren es 25.320 Anhänger. Bund: Personenpotential im nichtislamistischen Ausländerextremismus 30000 25000 27.400 27.810 28.350 27.350 27.150 26.750 26.350 25.720 25.320 25.250 20000 15000 10000 5000 0 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 -Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet80 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Im Berichtsjahr wurden in Deutschland etwa 16.870 Personen linksextremistischen Organisationen (2005: 16.890) sowie rund 8.380 (Vorjahr: 8.430) Personen extrem-nationalistischen Organisationen zugerechnet. Personen aus dem kurdischen Kulturkreis bilden mit etwa 11.500 Personen (2005: ebenso) den überwiegenden Teil des Potentials ausländischer extremistischer Gruppierungen. Die zweitgrößte Volksgruppe mit 10.650 Anhängern (2005: ebenso) stellen Personen türkischer Herkunft (ohne Kurden). Bundesebene: Anhängerpotential im nichtislamistischen Ausländerextremismus (nach Staats-/Volkszugehörigkeit und ideologischer Ausrichtung) Staatsbzw. Linksextremisten Nationalisten Volkszugehörigkeit 2005 2006 2005 2006 Kurden 11.500 11.500 Türken 3.150 3.150 7.500 7.500 Araber 150 150 Iraner 1.150 1.150 Sonstige 940 920 930 880 Gesamt 16.890 16.870 8.430 8.380 - Alle Angaben sind geschätzt oder gerundet - 81 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Das nachstehende Diagramm veranschaulicht den Anteil der Islamisten am Gesamtpotential ausländischer Extremisten in der Bundesrepublik Deutschland. Informationen darüber, um welche islamistischen Gruppierungen es sich im Wesentlichen handelt, welche Gefahren von ihnen ausgehen und wie sich die Situation in Hamburg darstellt, finden sich im Kapitel "II. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten". Bund: Gesamt-Personenpotential im Ausländerextremismus mit dem Anteil der Islamisten 60000 58.200 59.100 59.700 58.800 59.100 57.350 57.300 57.520 57.420 57.300 50000 40000 30000 20000 30.800 31.290 31.350 31.450 31.950 30.600 30.950 31.800 32.100 32.050 10000 0 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 Ausländerextremisten davon insgesamt Islamisten -Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet82 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten In Hamburg besteht ein etwa 1.000 Personen umfassendes Gesamtpotential der Anhänger ausländischer politisch-extremistischer Gruppierungen (ohne Islamisten): Hamburg: Gesamt-Personenpotential im Ausländerextremismus mit dem Anteil der Islamisten 3500 3.265 3.055 3.000 3000 2.590 2.630 1.330 2500 1.390 1.455 1.265 1.000 2000 1500 1.200 1.300 1.600 2.000 2.000 1000 500 0 2002 2003 2004 2005 2006 Ausländerextremisten Islamisten ohne Islamisten -Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet- * Die Anhängerschaft des KONGRA GEL ( III. 4) wird wie im Vorjahr auf knapp 600 Personen geschätzt. * Die Anhängerzahl türkischer Extremistenorganisationen betrug 120 (Linksextremisten; 2005: ca. 135) ( III. 5), hinzu kommt eine nicht bezifferbare Anzahl aus extrem-nationalistischen Zusammenhängen. * Die Anhängerschaft extremistischer Organisationen iranischer Nationalität wird auf 280 geschätzt ( III. 6). 83 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten 3. Politisch motivierte Ausländerkriminalität Als Teilmenge des Deliktbereichs "Politisch Motivierte Ausländerkriminalität" (ohne islamistischen Hintergrund) wurden für Hamburg folgende Zahlen extremistischer Strafund Gewalttaten registriert: PMK-Ausländer 2001 2002 2003 2004 2005 2006 PMK-Ausländer 81 25 29 31 39 42 insgesamt davon extrem. 55 15 16 12 20 13 Kriminalität hiervon extrem. 11 1 7 6 12 2 Gewaltdelikte Die Zahlen stammen von der Polizei Hamburg (Stand: Februar 2007). Anmerkungen der Polizei: "Doppelzählungen möglich (Eine extremistische Tat kann zugleich auch ein Gewaltdelikt sein). Beinhaltet auch Straftaten aus dem Bereich des Islamistischen Fundamentalismus/Terrorismus". Unter den in Hamburg polizeilich erfassten Straftaten mit ausländerextremistischem Hintergrund waren im Januar 2006 ein Brandanschlag (Werfen von Brandsätzen auf eine Straße in Harburg) und eine Reihe von Farbschmierereien im Februar sowie eine versuchte Brandstiftung gegen einen türkischen Verein im September zu verzeichnen. Hinter allen Taten werden jugendliche Anhänger aus dem Umfeld des KONGRA GEL vermutet ( III. 4.4). Bei den PMK-Zahlen für das Bundesgebiet ist das Gesamt-Straftatenaufkommen rückgängig (2006: 477 Straftaten mit extremistischem Hintergrund, 2005: 644), die Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund sind jedoch erheblich angestiegen. Ihre Zahl betrug im Berichtsjahr 95, 2005 waren es nur 47. Der Bundesminister des Innern (BMI) führt diesen Anstieg "im Wesentlichen auf Ausschreitungen durch die der PKK zugerechneten Jugendorganisation (KOMALEN CIWAN) Anfang 2006 und auf gewalttätige Ausschreitungen bei Demonstrationen gegen die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen" zurück. 84 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten 4. KONGRA GEL (Volkskongress Kurdistans, früher PKK, Arbeiterpartei Kurdistans) 4.1 Entwicklungen und Organisatorisches Die am 27.11.78 von Abdullah ÖCALAN in der Türkei gegründete PKK, 1993 in Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegt, setzte ihre Aktivitäten ab April 2002 unter der Bezeichnung KADEK fort, der sich im Oktober 2003 formell auflöste und seit 15.11.03 als KONGRA GEL firmiert. Das gegen die PKK ausgesprochene Betätigungsverbot gilt auch für diese Nachfolgeorganisationen. 1984 hatte die PKK hauptsächlich im Südosten der Türkei einen Guerillakrieg gegen das türkische Militär begonnen. Das Ziel, ein eigener kurdischer Staat, wurde später aufgegeben. Es blieb die Forderung nach begrenzter Autonomie innerhalb des türkischen Staates. Erst nach seiner Ergreifung im Februar 1999 erklärte Abdullah ÖCALAN die Einstellung des bewaffneten Kampfes, um eine Lösung der Kurdenfrage primär auf politischem Wege zu erreichen. Die Guerilla, die HPG (Volksverteidigungskräfte), blieb allerdings unter Waffen. Mit nachfolgenden Ultimaten an die türkische Regierung und zeitweiligen Waffenstillstandsangeboten war die Erwartung verbunden, als politische Kraft anerkannt zu werden und in einen politischen Dialog mit der Türkei einzutreten. Damit wurde letztlich auch das Ziel verfolgt, für die Angehörigen der HPG eine Amnestielösung und so auch einen Weg zu finden, die Waffen niederzulegen. Dem KONGRA GEL gelang es jedoch ebenso wenig wie seinen Vorgängerorganisationen, von der Türkei als Verhandlungspartner oder in Europa als politische Kraft anerkannt zu werden. ÖCALAN, seit 1999 auf der Insel Imrali inhaftiert, verfügt als "Führer des demokratischen Konföderalismus Kurdistans" immer noch über einen beträchtlichen Einfluss auf die Organisation, indem er Erklärungen über seine Anwälte verbreitet, sog. Gesprächsprotokolle. Nachdem die HPG den 1999 erklärten "einseitigen Waffenstillstand" Mitte 85 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten 2004 aufgekündigt hatten, kam es in der zweiten Jahreshälfte 2004 zu verstärkten Kampfhandlungen, die sich 2005 und 2006 weiter steigerten. Hinzu kam eine Reihe terroristischer Anschläge der "Freiheitsfalken Kurdistans" ("Teyrebaze Azadiya Kurdistan" - TAK) in türkischen Städten ( III. 4.2). In dieser sich verschärfenden Situation zog ÖCALAN (Foto) Ende September die "Notbremse", indem er in einer durch seine Rechtsanwälte schriftlich übermittelten Erklärung an die Öffentlichkeit zu einer "Waffenruhe ohne Vorbedingungen" aufrief. In seiner Erklärung wies ÖCALAN u.a. darauf hin, dass er schon seit 1993 den Kurs einer "friedlichen und demokratischen Lösung" eingeschlagen und bereits viermal zum einseitigen Waffenstillstand aufgerufen habe. Zudem warnte er: "Wenn es zu keinen Resultaten kommt, kann ich zukünftig solche Aufrufe nicht mehr machen - weder besitze ich die Kraft noch wird die PKK auf mich hören." Ein heiliges Recht sei jedoch weiterhin die Selbstverteidigung: "Wenn die PKK nicht zum Zwecke der Vernichtung angegriffen wird, wird sie auf keinen Fall zur Waffe greifen". Die Organisation folgte dem Aufruf ÖCALANs und verkündete eine einseitige Waffenruhe ab dem 01.10.06, wobei die Dauer - so der Vorsitzende des KONGRA GEL-Exekutivrates Murat KARAYILAN (Foto) - von "entsprechenden Schritten" der türkischen Regierung abhänge. Man sei "aufrichtig an einem Frieden interessiert. Die Waffenruhe ist nicht bloße Taktik". ÖCALAN forderte, bis Mai 2007 müssten die ersten Schritte zu einer Lösung gemacht sein und fügte hinzu, dass es ohne ihn eine solche nicht geben könne. In einer ersten Reaktion betonte der türkische Ministerpräsident ERDOGAN, dass eine Waffenruhe nur zwischen zwei Staaten vereinbart werden könne und forderte die PKK auf, ihre Waffen niederzulegen. Er versicherte, wenn sich die Organisation an eine Waffenruhe halte, werde es "ohne zwingenden Grund" keine militärischen Operationen gegen die PKK geben. Der türkische Generalstabschef BÜYÜKANIT widersprach 86 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten dem und gelobte vielmehr, die Armee werde ihren Kampf so lange fortsetzen, "bis kein einziger bewaffneter Terrorist übrig geblieben ist". Mit dem Fortbestehen der Guerillaeinheiten der HPG in der Türkei und der Option auf eine Rückkehr zum bewaffneten Kampf bleibt der "Friedenskurs" trotz aller Umbenennungen, Neustrukturierungen und verbaler Distanzierung unglaubwürdig. Solange sich die HPG als "Garant für Rechte und Freiheit des kurdischen Volkes" sowie "unseres Präsidenten Abdullah Öcalan" sehen und die Waffen nicht abgeben, dürfte der türkische Staat weiter mit Härte reagieren. Nach Ansicht der HPG könne es erst zu einer Entwaffnung kommen, wenn die "Politik der Verleugnung und Vernichtung gegenüber unserem Volk beendet ist, die Freilassung von A. Öcalan ermöglicht wird und Grundlagen für ein freies Leben geschaffen sind." Ein im Mai 2005 auf Anregung ÖCALANs beschlossenes Konzept, der "Demokratische Konföderalismus Kurdistans" (KKK, "Koma Komalen Kurdistan"), sieht vor, dass alle Entscheidungen von der Basis getroffen und dann auf allen Ebenen diskutiert und bedacht werden. Der KONGRA GEL definiert sich darin als höchster demokratischer Volkswille und als "Gesetzgebende Versammlung". Dem stellvertretenden Vorsitzenden des KONGRA GEL-Exekutivrates, Duran KALKAN (Foto), zufolge gehe der Aufbau des "Demokratischen Konföderalismus" nur schleppend voran. KALKAN zeichnet ein insgesamt negatives Lagebild, weil Parteiphilosophie, ideologischer und organisatorischer Kampf, Klassenoder Geschlechterkampf zu kurz kämen. Er kritisiert, dass man so "keinen Krieg führen und Erfolg haben" könne. Das System umfasse "eine avantgardistische Partei - die 'neue PKK' - als Institutionalisierung der Führung, Entscheidungsgremien, einen KONGRA GEL, einen Bereich der legitimen Verteidigung, eine Guerilla, eine Arbeit mit den Volksmassen, eine Frauenorganisation, eine Jugendorganisation, Rentnerorganisationen und Dutzende, ja Hunderte Organisationen in den Bereichen Soziales, Wirtschaft, Kultur, Politik, etc.". Die vielen Umbenennungen, Neugründungen, Definitionen und Projekte haben in den vergangenen Jahren in der Anhängerschaft Verwir87 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten rung gestiftet. ÖCALAN teilte im Herbst 2006 mit, der Begriff "demokratischer Konföderalismus" sei nur unzureichend verstanden worden. Daher schlage er vor, stattdessen von "zivilgesellschaftlicher Konföderation" oder "Demokratischem Kommunalismus" zu sprechen. Arbeitsfeld Ausländerextremismus / Kurden / Das Kurden-Problem in der Türkei 4.2 Anschläge in der Türkei Seit Juli 2004 kam es im Westen und im Zentrum der Türkei zu mehreren Bombenanschlägen gegen zivile Einrichtungen, zu denen sich die zuvor nicht bekannt gewesene Gruppe TAK ("Freiheitsfalken Kurdistans") bekannte. Im Jahr 2006 setzte sich diese Entwicklung fort. Ein Verlust von Menschenleben unter der Zivilbevölkerung - hierunter überwiegend ausländische Touristen - wurde billigend in Kauf genommen. Seit Jahresanfang verübten die TAK - oder aber Täter, die unter ihrem Namen auftraten - über 30 Anschläge, bei denen bislang 14 Menschen starben. Es ist unklar, ob alle Vorfälle tatsächlich den TAK zuzurechnen sind. Mit einer in Deutsch verfassten E-Mail vom 14.04.06 an die türkische Botschaft in Berlin und an diverse Reiseveranstalter (mit Schwerpunkt Türkeireisen) warnten die TAK vor weiteren Anschlägen in der Türkei, insbesondere auch gegen den Tourismus. Diese Warnung war auch auf der TAK-Internetseite veröffentlicht, die seit etwa Mitte 2006 nicht mehr aufrufbar ist. Wörtlich heißt es in der E-Mail: "Überall in der Türkei werden Bomben explodieren, Anschläge und Attentate verübt werden. Wir werden keine Regel berücksichtigen. Wir werden unsere Aktionen mit dem Willen zur Rache verüben. ... Wir richten folgenden Aufruf an inund ausländische Touristen: Unsere Angriffe werden sich vor allem im touristischen Bereich konzentrieren. Denn beim Tourismus handelt es sich 88 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten um einen der Hauptbereiche, welche den schmutzigen Krieg nähren und finanzieren. Wir warnen inländische und ausländische Touristen davor, sich in touristische Gebiete zu begeben. Wir werden die Verantwortung nicht tragen, wenn sie bei Angriffen in diesen Gebieten ihr Leben verlieren." Daneben richteten die TAK einen Aufruf an die kurdische Jugend: "Ihr könnt jegliche großen oder kleinen Brandund Zerstörungsanschläge unternehmen. Ihr müsst die Türkei in einen Ort schlimmer als Frankreich verwandeln." (Die Erwähnung von Frankreich bezieht sich offenbar auf die Unruhen in Pariser Vororten im Oktober/ November 2005) Im Internet wurden als generell geeignete Ziele für Bombenanschläge und Sabotageakte u. a. Tourismuszentren, wichtige Fabriken, strategische Elektrizitätsleitungen, Erdgasund Flüssigbrennstoff-Pipelines, Telekommunikationsgesellschaften und -verbindungen sowie "den Feind ernährende Wirtschaftsquellen in der Nähe der zivil-faschistischen Bürokratie" und "die für das Schicksal von Abdullah Öcalan Verantwortlichen" aufgeführt. Zudem wurden Anleitungen zur Herstellung von Sprengsätzen, Zündern und chemischen Rezepturen veröffentlicht. Mehrere Indizien weisen auf eine Nähe der TAK zum KONGRA GEL hin. Zunächst deutet die Bezeichnung "Freiheitsfalken Kurdistans" einen PKK-Zusammenhang an, weil vor allem in den 90er-Jahren militante Jugendliche unter der Bezeichnung "APOs Falken" auftraten (ÖCALAN wird von seinen Anhängern auch "Apo" genannt). Ferner nehmen die TAK das von der früheren PKK ins Auge gefasste Konzept der Metropolenguerilla auf. Die TAK erklärten zudem im Internet, dass sie eine Zeit lang innerhalb der PKK gekämpft hätten. Sie hätten sich jedoch von der Organisation getrennt und die TAK gegründet, da ihr der KONGRA GEL und die HPG zu schwach erschienen seien. Trotz organisatorischer Eigenständigkeit hätten die TAK ihren Platz im Rahmen einer PKK-Gesamtstrategie und trügen erheblich zur offensiven Stoßrichtung bei. Für einen engen Zusammenhang zwischen den TAK und dem KONGRA GEL spricht auch, dass seit Beginn der "Waffenruhe" - 01.10.06 - kein Anschlag der TAK mehr zu verzeichnen war. Strukturen der TAK in Westeuropa sind bislang nicht bekannt. Die TAK bekannten sich auf ihrer - inzwischen eingestellten - Homepage oder in E-Mails an Nachrichtenagenturen zu einer Vielzahl von 89 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Aktionen. Beispielhaft sind nachstehend folgenschwere Anschläge aufgeführt, die auf Touristen bzw. Sicherheitskräfte zielten: 24.05.06 Bei einem Großfeuer im Frachtbereich des Istanbuler Atatürk-Flughafens wurden zwei Lagerhallen zerstört. Dort arbeiteten etwa 200 bis 250 Menschen, die sich in Sicherheit bringen konnten. Drei Beschäftigte des Frachtterminals erlitten Rauchvergiftungen. Nahe gelegene Gebäude und ein Flughafenhotel DPA wurden evakuiert. Der Frachtverkehr musste vorübergehend eingestellt, der Passagierbetrieb konnte mit Verspätungen fortgesetzt werden. Zur Unglücksursache wurden von offizieller Seite zunächst keine Angaben gemacht. Die TAK bezichtigten sich Stunden später im Internet und gegenüber der pro-kurdischen Nachrichtenagentur Firat, den Brand auf dem Istanbuler Flughafen gelegt zu haben. In der Erklärung heißt es: "Die Republik Türkei, deren Hände blutig sind, versucht, den Vorsitzenden Apo [Anm.: Abdullah ÖCALAN] langsam zu vernichten, und begeht Massaker gegen das Volk Kurdistans. ...Die Reaktion auf jedes Verbrechen gegen unseren Vorsitzenden und gegen unser Volk wird darin bestehen, unsere Angriffsziele zu vergrößern, unsere Aktionen auszuweiten und zu intensivieren. Wir als Freiheitsfalken Kurdistans sagen allen, die unserem Volk keinen ehrenvollen Lebensbereich mehr lassen: Wenn ihr auf eurer Politik besteht, werden wir euer Leben in eine Hölle verwandeln." Türkische Behörden widersprachen dem Tatbekenntnis der TAK umgehend. Der Istanbuler Gouverneur teilte der Presse mit, Unfallursache sei vermutlich ein Kurzschluss mit anschließendem Kabelbrand gewesen. 25.06.06 Bei einer Explosion in der Nähe des Urlaubsorts Manavgat in der südtürkischen Region Antalya wurden nach Medienangaben vier Menschen getötet und 26 zum Teil schwer verletzt. Bei den Todesopfern habe 90 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten es sich um einen ungarischen, einen norwegischen, einen russischen sowie einen türkischen Staatsangehörigen gehandelt. Die Detonation habe sich in der Nähe des Wasserfalls von Manavgat ereignet, wo sich u. a. auch Restaurants befinden. Die prokurdische Nachrichtenagentur Firat berichtete am 26.06. von einem Bekenneranruf der TAK, in dem es hieß: "Wir haben die Touristen wiederholt darauf hingewiesen und tun dies noch einmal, dass Touristen nicht hierher [Anm.: in die Türkei] kommen sollen. An einem Ort, an dem Krieg ist, an dem Zusammenstöße stattfinden, darf kein Urlaub gemacht werden." Die TAK wiesen außerdem darauf hin, dass sie in ihren vorausgegangenen Warnungen mitgeteilt hätten, dass es zum Verlust von Menschenleben kommen werde und drohten, "solange sich der türkische Staat der kurdischen Frage auf der Grundlage der Vernichtung nähert und damit fortfährt das kurdische Volk zu massakrieren, werden sich unsere Aktionen fortsetzen." 28.08.06 Die TAK bekannten sich auf ihrer Internetseite zu einer Bombenexplosion in Antalya, wo vier Tote und etwa 100 Verletzte zu beklagen waren. "Die Inhaftierung unseres historischen Führers, des Vorsitzenden APO, ist der Grund dafür, dass wir mit unseren Racheaktionen die blutsaugende, ausbeuterische und faschistische Türkische Republik in Brand setzen und zum Einsturz bringen. Solange der Vorsitzende APO in Gefangenschaft ist - von seiner Isolationshaft einmal ganz abgesehen - wird die Türkei Blut spucken, werden an jeder ihrer Ecken unsere Bomben explodieren.... Es wird kein Urlaubszentrum geben, das nicht von unseren Bomben erschüttert AP wird. Wir, die TAK, warnen: In der Türkei wird nichts mehr sein wie früher! Diejenigen, die - direkt oder indirekt - für die Haftbedingungen des Vorsitzenden APO und für die Angriffe auf unser Volk verantwortlich sind, werden nicht mehr ruhig schlafen; sie werden zu [Anschlags-] zielen werden!" Der dem KONGRA GEL nahestehende Fernsehsender "Roj TV" berichtete am 29.08., die Führung des KONGRA GEL habe in einer schriftli91 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten chen Erklärung die Bombenanschläge in Antalya, Marmaris und Istanbul verurteilt und diese als eine "Aktion marginaler Gruppierungen" bezeichnet. Die TAK selbst hätten sich als eine "Gruppe, die sich von der PKK abgespalten hat", bezeichnet. 4.3 Aktivitäten und Schwerpunkte in Deutschland In Deutschland liegt die Parteiarbeit des KONGRA GEL in den Händen seines politischen Arms, der CDK (Koordinasyona Civaka Demokratik ya Kurden Ewrupa, Koordination der kurdischen demokratischen Gesellschaft in Europa). Deren Kernaufgabe ist es, die Organisation zu finanzieren und die eigene Gefolgschaft zu mobilisieren. Ein Schwerpunkt der innerparteilichen Arbeit war auch im Jahr 2006 der Versuch, der Basis die sich aus dem Prinzip des "Demokratischen Konföderalismus Kurdistans" (KKK) ergebenden organisatorischen Veränderungen näher zu bringen, insbesondere die sog. Volksräte (Halk Konseyleri; III. 4.4). In Deutschland tritt für die Belange des KONGRA GEL bzw. der CDK der Dachverband YEK-KOM ein (Yekitiya Komelen Kurd li Almanya, Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V.). Er ist Mitglied im europäischen Dachverband KON-KURD (Konfederasyona Komelen Kurd Li Avrupa, Konföderation der kurdischen Vereine in Europa). YEK-KOM arbeitet vor allem mit Presseerklärungen, Anmeldungen von Demonstrationen und Flugblättern. Neben aktuellen Kampagnen (z.B. gegen Festnahmen von Funktionären) setzt sich der Dachverband kontinuierlich für die Aufhebung des im November 1993 durch den Bundesminister des Innern erlassenen PKKBetätigungsverbots ein und fordert die Streichung von PKK / KADEK / KONGRA GEL aus der "EU-Terrorliste". Osman ÖCALAN (Bruder des PKK-Gründers) hatte im Jahr 2002 vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) dagegen geklagt, dass die PKK auf diese Liste gesetzt worden war. Am 15.02.05 war die Klage von dem dem EuGH angegliederten "Gericht der ersten Instanz" (EuGI) in Luxemburg als unzulässig abgewiesen worden. Mit Urteil vom 18.01.07 hat der Europäische 92 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Gerichtshof den Beschluss aufgehoben. Somit muss das EuGI (erneut) entscheiden, ob die PKK weiter auf der Liste genannt werden darf. Die Politik der Dachverbände wird auf regionaler Ebene in den jeweiligen Vereinen umgesetzt, in Hamburg ist das der Verein "Kurdistan Volkshaus e.V.". ( III. 4.4) Wie in den Vorjahren organisierte YEK-KOM auch im Jahr 2006 überregionale Demonstrationen und Feste, die bis zu rund 45.000 Anhänger anzogen. * Am 18. März nahmen etwa 15.000 Personen an einer von YEKKOM veranstalteten Demonstration zum Newroz-Fest in Frankfurt teil. * Am 08. Juli führte die YEK-KOM das "9. Mazlum Dogan Jugend-, Kulturund Sportfestival" im Kölner Südstadion durch. Hieran beteiligten sich laut Angaben der dem KONGRA GEL nahestehenden Tageszeitung Yeni Özgür Politika "mehrere Tausend" Personen. * Am 02. September fand auf der Trabrennbahn in Gelsenkirchen das von der YEK-KOM organisierte "14. Internationale Kurdische Kultur Festival" unter dem Tenor "Freiheit für Abdullah Öcalan - Frieden in Kurdistan" statt. Die etwa 45.000 (Eigenangabe 100.000) überwiegend kurdischen Teilnehmer reisten aus ganz Europa an. Das Programm bestand aus kulturellen Darbietungen und politischen Redebeiträgen. Auf das größte Interesse bei den Teilnehmern stießen die von seinen Anwälten übermittelte - per Cinevision präsentierte - Botschaft Abdullah ÖCALANs und das Video einer Rede des Vorsitzenden des KKK-Exekutivrates, Murat KARAYILAN. Letzterer warf Deutschland und den Niederlanden vor, sich 93 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten am "Vernichtungskonzept" zu beteiligen und forderte sie auf, dieses Vorgehen aufzugeben. Auch 2006 kam es zu Verhaftungen von Funktionären des KONGRA GEL sowie zu Gerichtsverfahren u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und Verstoßes gegen das Vereinsgesetz. Insbesondere die im August erfolgten Festnahmen kurdischer Aktivisten (in KONGRA GEL-nahen Publikationen als "kurdische Politiker, kurdische Journalisten" und "kurdische Schriftsteller" bezeichnet) in Mannheim, Duisburg und den Niederlanden führten zu organisierten Unmutsäußerungen gegen die zunehmende "Unterdrückungspolitik". So kritisierte KON-KURD in einer Erklärung vom 11.08.06, das Vorgehen Deutschlands und der Niederlande beruhe auf den "Versprechungen, die die USA der Türkei zur Wahrung eigener Interessen gegeben" haben. Europa müsse aufhören, dem "schmutzigen Krieg des türkischen Staates zu dienen". YEK-KOM erteilte seinen lokalen Vertretungen im Bundesgebiet daraufhin konkrete Veranstaltungsund Handlungsvorgaben für z. B. Presseverlautbarungen, Medienauftritte, Informationsstände, Demonstrationen und Vereinsschließungen. Dass diesen Direktiven weitgehend gefolgt wurde, belegt einen nach wie vor sehr hohen Organisationsgrad und ein ausgeprägtes Verständnis von Hierarchie innerhalb des Organisationsgeflechts. 4.4 Situation in Hamburg Zentrale Anlaufstelle für KONGRA GEL-Anhänger in Hamburg war bis Ende des Berichtsjahres das sogenannte "Volkshaus" (Halk Evi) in der Friedensallee. Die meisten Veranstaltungen im "Volkshaus" hatten einen KONGRA GEL-Hintergrund. Die dort beheimateten Vereine "Kurdistan Volkshaus e.V." (Mitgliedsverein im Dachverband YEK-KOM) und "Verein freier Frauen aus Mesopotamien e.V." fungierten wie im Vorjahr als Anmelder von Demonstrationen und Kundgebungen, die sich inhaltlich an den von der Organisationsführung vorgegebenen Kampagnenthemen orientierten. 94 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Die Zahl der Hamburger KONGRA GEL-Anhänger liegt unverändert bei knapp 600. Darüber hinaus besteht eine Anhängerszene, die sich weitgehend mit den Zielen des KONGRA GEL und insbesondere mit ÖCALAN identifiziert. Diese etwa 1.500 Personen (vor wenigen Jahren noch bis zu 3.000) sind vorzugsweise für Großveranstaltungen mit kulturellem Hintergrund zu gewinnen. Die Zahl der Teilnehmer an Demonstrationen und Kundgebungen in Hamburg, ehemals bis zu 300, stagniert bei etwa 150 Personen. Als Reaktion auf besondere Ereignisse - wie nach schweren Unruhen und Straßenkämpfen und nach einem verheerenden Bombenanschlag mit Toten und Verletzten in Diyarbakir im März/April bzw. September 2006 - waren weitaus höhere Teilnehmerzahlen (400 bis 500 Personen) zu verzeichnen. Die Zeitung Yeni Özgür Politika (YÖP) berichtete am 16.05.06 über eine am 14. Mai im "Volkshaus" durchgeführte Versammlung, an der 90 Delegierte und etwa 300 weitere Personen teilnahmen. Dabei wurde die Gründung des "Bölge Halk Konseyi" Hamburg ("Gebietsvolksrat") bekannt gegeben. Ein Vertreter der "Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaften in Europa" (CDK) betonte in seiner Ansprache, dass die Volksräte "den Bedürfnissen des Kampfes und der Gesellschaft entsprechend gegründet worden seien und dass alle Patrioten und Demokraten dem Gebietsvolksrat beitreten könnten". Während der Versammlung wurden Ausschüsse für Organisierung, Frauen, Jugend, Institutionen, Frieden und Verständigung, Schulung und Propaganda, Kultur und Kunst, Außenbeziehungen, religiöse Gruppen und Finanzen eingerichtet. Trotz der Absichtserklärung, demokratische Grundsätze in der Organisation zu verankern und das System des "Demokratischen Konföderalismus" auf lokaler Ebene mit sog. "Volksräten" oder "Gebietsräten" zu praktizieren, blieb es in der Hamburger KONGRA GEL-Sektion beim zentralistischen Führungsstil mit der Befehlsweitergabe von oben nach unten und dem absoluten Gehorsamsprinzip. Die neue Organisationsstruktur des "Volksrats" suggeriert den Mitgliedern eine neue Art der 95 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Mitbestimmung und Basisdemokratie. Tatsächlich aber wurde diese neue Organisationsstruktur dem vorhandenen Gefüge in Hamburg einfach übergestülpt. Beispielsweise sollen die Frauen und die Jugend ihre Unabhängigkeit weitestgehend beibehalten und ihre Befehle aus den jeweiligen Zentralen bekommen. Es ist abzusehen, dass der Volksrats-Vorsitzende eine Marionette bleibt, denn die CDK-Gebietsleitung wird ihre Kompetenzen weder neu verteilen noch abgeben wollen. Die CDK-Gebietsstrukturen bleiben vom "Volksrat" unberührt. Die neue Organisationsstruktur bietet durch die Bündelung der Gebietsleitung eher einen effektiveren Zugriff auf Informationen. Der CDK-Gebietsleiter braucht beispielsweise nur der Vorstandssitzung beizuwohnen, um Informationen aus erster Hand zu erhalten. Umgekehrt können seine Anweisungen sofort umgesetzt werden. Auch auf horizontaler Ebene dürfte sich der Kommunikationsfluss zugunsten der führenden Kader auswirken. Zudem unterscheidet sich der aktive Funktionärskörper kaum von dem früherer Jahre - weder personell noch in seinem Handeln. Die organisatorischen Veränderungen der Gesamtorganisation verunsicherten die Anhängerschaft und konnten den Schwund an Aktivisten nicht aufhalten. Engagierte Funktionäre fehlen nunmehr, um Spenden zu sammeln, Karten für Veranstaltungen sowie Publikationen zu verkaufen und um für Demonstrationen oder Kundgebungen zu mobilisieren. Das wirkt sich auch spürbar auf die finanzielle Situation der Organisation aus. Auch die Teilnehmerzahlen an "Volksversammlungen", bei denen den Anhängern Ideologie und Ziele bekannt gemacht werden, gingen merklich zurück. Trotz der im Jahre 2006 durchgeführten Kampagnen, Aktionen und Demonstrationen ist zu erkennen, dass das Engagement der Anhängerschaft für den KONGRA GEL zurückgegangen ist. Die Gründe für die Zurückhaltung liegen darin, dass sich Anhänger ins Private zurückziehen - so wollen sie z.B. ihre Einbürgerungsverfahren nicht gefährden oder sind wegen politischer Perspektivlosigkeit und wegen der Veränderungen in der Organisation verunsichert. YEK-KOM macht für diesen Zustand allein den deutschen Staat verantwortlich. In einem Flugblatt vom August 2006 heißt es dazu: "Fundamentale demokratische Grundrechte wie die Meinungs-, Versammlungsund Organisierungsfreiheit, das Durchführen von Seminaren oder die Abgabe öffentlicher Stellungnahmen zu politischen Ereignissen werden verboten. 96 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Einschüchterungen, Drohungen und Drangsalierungen von Mitgliedern und Vorstandsangehörigen kurdischer Vereine aufgrund ihrer politischen und kulturellen Aktivitäten und der Verfolgung ihrer legitimen Belange hat die Kurden nun an einen Punkt gebracht, um ihre Situation an die breitere Öffentlichkeit zu bringen. Menschen, die in diesem Land zum Teil seit vielen Jahren leben und arbeiten, werden durch Ausländerbehörden und Gerichte in einem nicht mehr hinnehmbaren Ausmaß kriminalisiert und als "Gefährder" der inneren Sicherheit Deutschlands stigmatisiert, die Deutschland zu verlassen hätten. Vereine, die unserer Föderation angeschlossen sind, werden kurzerhand zu "Stützpunkten der PKK" erklärt". Mit Rücksicht auf ein möglichst legales Erscheinungsbild geht die Organisation im Vergleich zu früheren Jahren eher gemäßigt gegen kritische Anhänger und Spendenunwillige vor. Es gibt allerdings Tendenzen, eine härtere Gangart einzuschlagen. Gewaltausübung ist der Organisation nach wie vor immanent. Der gegenwärtig auf Friedfertigkeit gerichtete Kurs des KONGRA GEL ist labil und weiterhin jederzeit umkehrbar. Das gilt unverändert insbesondere für den Fall, dass sich die Haftbedingungen oder der Gesundheitszustand ÖCALANs gravierend verschlechtern sollten. Deshalb stellt die Organisation weiterhin eine Bedrohung für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar. In diesem Zusammenhang ist das Mobilisierungspotential jugendlicher Anhänger ein Risikofaktor. Das wird durch folgende Beispiele verdeutlicht: * Am 26.01.06 warfen jugendliche "Südländer" Brandsätze auf eine Straße in Harburg. Es entstand kein Sachschaden. Die Täter wurden nicht ermittelt. Eine Bekennung liegt nicht vor. Die zeitliche Nähe zu Vorgängen in der Türkei (verschärfte Haftbedingungen für ÖCALAN) und die Ähnlichkeit der Tatausführung mit Taten in der Vergangenheit lassen den Schluss zu, dass auch diesmal die Jugendorganisation des KONGRA GEL, die KOMALEN CIWAN (Jugendunion), dahintersteht. 97 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten * In den frühen Morgenstunden des 15.09.06 wurde ein Brandanschlag auf ein türkisches Kulturzentrum in Hamburg-Hammerbrook verübt. Unbekannte Täter schleuderten mehrere Brandsätze auf das Gebäude des "Atatürk Kulturzentrums". Es entstand Sachschaden. Eine Bekennung erfolgte nicht. Ein Rückschluss auf die Täter lässt sich im Zusammenhang mit einem Brandanschlag auf ein türkisches Vereinslokal in Berlin am 25.09.06 ziehen. Dort warfen Vermummte drei Molotowcocktails in ein Lokal. Auf dem Gehweg vor dem Tatort wurde eine ausgebreitete Fahne aufgefunden, die in türkischer Sprache sinngemäß beschriftet war mit: "RACHE FÜR DIYARBAKIR - DIE ANHÄNGER APOS". Bei den Tätern von Hamburg und Berlin handelt es sich allem Anschein nach erneut um Aktivisten der KOMALEN CIWAN. Hierfür spricht, dass es in diesen Städten das stärkste Potential schnell radikalisierbarer jugendlicher KONGRA GEL-Anhänger gibt. Die beiden Anschläge stehen vermutlich im Zusammenhang mit einer Bombenexplosion am 12.09.06 in der türkischen Stadt Diyarbakir, der zehn Menschen - darunter sieben Kinder - zum Opfer fielen. Als Urheber des Anschlags von Diyarbakir gilt die nationalistisch ausgerichtete "Türkische Rachebrigade" (TIT). Der KONGRA GEL und ihm nahe stehende Organisationen machen den türkischen Staat für den Anschlag verantwortlich. In Hamburg kam es am 16.09.06 zu einer Demonstration mit etwa 450 Teilnehmern (700 laut YÖP). Sie machten staatliche Kräfte für die Ereignisse in Diyarbakir verantwortlich und forderten die sofortige Feststellung der Schuldigen. Die CDK verwies in einer vor Beginn der Demonstration verlesenen Erklärung darauf, dass durch derartige Massaker das kurdische und das türkische Volk gegeneinander aufgehetzt werden sollten; vor allem solle die PKK für den Vorfall verantwortlich gemacht werden. Arbeitsfeld Ausländerextremismus / Kurden / Die Entwicklung der PKK und ihrer Nachfolgeorganisationen 98 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten 5. Türken Revolutionär-marxistische Gruppierungen DHKP-C (Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephe, Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) Die seit dem 13.08.98 in Deutschland verbotene DHKP-C hat ihren Ursprung in der 1983 verbotenen Devrimci Sol (Revolutionäre Linke). Sie besteht aus einem politischen (Revolutionäre Volksbefreiungspartei, DHKP) und einem militärischen Arm (Revolutionäre Volksbefreiungsfront, DHKC). In ihrer Internet-Erklärung Nr. 35 vom 28.03.06 bekennt sich die DHKP zur "Revolution für die Völker der Türkei" als dem einzigen Weg zur Befreiung "aus der Abhängigkeit von Imperialismus und der Macht der Oligarchie". Die alleinige Alternative sei, "die revolutionäre Macht des Volkes zu errichten und zum Sozialismus überzugehen". Zudem bekennt sie sich zum bewaffneten Kampf. "Das, was wir unter bewaffnetem Kampf verstehen, ist kein Kampf, der sich nur auf die Perspektive des Widerstands beschränkt, sondern ist ein bewaffneter Kampf, der auf die Macht zielt. In unserem Land ist es nicht möglich, auf parlamentarischem Wege zum Sozialismus zu gelangen. ... Die Revolution kann nur mit einem Volkskrieg ... zum Sieg gelangen." Dieses Bekenntnis zur Gewalt wurde in der Türkei durch zahlreiche Anschläge - u.a. gegen türkische Sicherheitskräfte, Bankfilialen und Gebäude der Regierungspartei - in die Tat umgesetzt. So bekannte sich die DHKC beispielsweise mit ihrer Erklärung Nr. 353 vom 13.01.06 zu zwei Anschlägen als Rache für das "121. Opfer der Isolationshaft". Am 08.01.06 habe man auf der Autobahn in Istanbul ein Polizeiauto "zerschossen" sowie am 09. Januar eine Bankfiliale mit einem Molo99 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten towcocktail und einer Bombe zerstört. Sie (die DHKC) warne davor, die "Isolationspolitik" fortzuführen und drohe: "... fürchtet Euch vor unserer Wut ...". Im Februar 2006 gab die DHKC zwei Erklärungen über die Tötung bzw. Bestrafung von "Volksfeinden" ab. In ihrer Erklärung 355 vom 06.02.06 bekannte sie sich zur Tötung eines "Volksfeindes" am 02. Februar. Dieser habe gestanden, als "Konterguerilla" über Jahre hinweg mit unterschiedlichen Stellen der türkischen Polizei, der Streitkräfte und des Nachrichtendienstes zusammengearbeitet zu haben. In der Erklärung 356 vom 19.02.06 bekannte sie sich dazu, dass sie am 14.02.06 einen "Verräter und Kollaborateur" durch "fünf Kugeln, die ihm in den Kopf und ins Herz geschossen wurden", bestraft habe. Zudem sei am 13.02.06 ein türkischer Polizist auf seinem Heimweg zur Rechenschaft gezogen und verwundet worden. Dieser habe "Revolutionäre" gefoltert und sei der "Mörder zweier ... Genossen", die unbewaffnet gewesen seien und dennoch erschossen wurden. Die DHKP-C ist publizistisch aktiv, vor allem im Internet, das sie zur Selbstdarstellung sowie zur Auseinandersetzung mit aktuellen politischen Themen und Polemik gegen ihre Feindbilder nutzt: So nahm sie am 07.02.06 Stellung zu dem Streit um die Mohammed-Karikaturen. Hierbei beschuldigte sie die USA, vor allem nach dem 11.09.01 eine "Welle der Feindschaft" ausgelöst zu haben, die von der "EU mit derselben Leidenschaft übernommen" worden sei. Die Karikaturen seien im Kern nichts anderes "als eine Karikatur der offiziellen Politik, die ethischen Werte der Völker zu unterwerfen". Die "Basis der Angriffe auf die Werte der Menschen ist die imperialistische Politik." Seit Mai 2002 ist die DHKP-C die einzige Organisation aus dem Spektrum der türkischen Linksextremisten, die noch am Hungerstreik bzw. "Todesfasten" in der Türkei festhält. Die Situation hungerstreikender Häftlinge in türkischen Gefängnissen ist bis heute ein zentrales Thema der Organisation, das vom "Solidaritätsverein mit den politischen Gefangenen und deren Familien in der Türkei" (TAYAD), Sitz Berlin, agitiert wird. Der Bau neuer Gefängnisse mit Einzelzellen statt Großraumzellen war im November 2000 zum Anlass genommen worden, das "Todesfasten" zu beginnen. Die von der DHKC in diesem Zusammenhang genannten 122 Toten starben nicht alle an den unmittelbaren Folgen des "Todesfastens". Etwa 40 Personen verstarben nach 100 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten gewalttätigen Auseinandersetzungen mit türkischen Sicherheitskräften; weitere kamen durch Selbstverbrennungen ums Leben. Am 07.01.06 starb ein Anhänger der DHKP-C, der sich in türkischer Haft im "Todesfasten" befand. In einem Nachruf erklärte die DHKC in ihrer Internet-Erklärung Nr. 352, der Verstorbene habe sich vom oligarchischen türkischen Staat und der AKP-Regierung nicht zur Kapitulation zwingen lassen und sein Leben für Freiheit und Unabhängigkeit geopfert. In einem Flugblatt ging das TAYAD-Komitee auf dieses Thema unter der Überschrift "Serdar Demirel ist aufgrund von Zwangsernährung am 07. Januar 2006 durch den faschistischen Staatsapparat der Türkei ermordet worden!" ein. Anlässlich dieses "121. Opfers" kam es bundesweit zu mehreren kleineren Protestkundgebungen, die friedlich und störungsfrei verliefen. Am 12.01.06 fand in Hamburg im Namen des TAYAD-Komitees eine angemeldete Solidaritätskundgebung vor dem türkischen Generalkonsulat mit etwa zehn Teilnehmern statt. Zudem wurde in mehreren deutschen Städten (Duisburg, Berlin, Köln, Hamburg) mit Spruchbändern in deutscher und türkischer Sprache auf den Todesfall aufmerksam gemacht. In Hamburg wurden in der Zeit vom 13. bis 30.01.06 an mehreren Stellen Farbschmierereien mit DHKP-C-Parolen festgestellt. Mit wenig Erfolg bemühte sich das TAYAD-Komitee, das öffentliche Interesse am "Todesfastenswiderstand" in der Türkei wachzuhalten und eine breite Solidarisierung zu erreichen: Seine Solidaritätskampagnen mit Infoständen, Demonstrationen und bis zu 30-tägigen Hungerstreiks - auch in Hamburg - blieben in der deutschen Öffentlichkeit nahezu unbeachtet. Über die bereits erwähnten Aktivitäten hinaus veranstaltete das TAYAD-Komitee in Hamburg noch zwei themenbezogene friedliche Protestkundgebungen vor dem türkischen Generalkonsulat, an denen sich jeweils etwa 10 Personen beteiligten. 101 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Die Anhängerschaft der DHKP-C in Hamburg wird auf etwa 25 geschätzt. TKP/ML (Türkiye Komünist Partisi / Marksist Leninist, Türkische Kommunistische Partei / Marxisten-Leninisten) Auch im Jahre 2006 hielt die TKP/ML unbeirrt am Ziel einer revolutionären Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Türkei fest. So formulierte sie zum Jahreswechsel 2005/2006 in einem Flugblatt: "Der bewaffnete Kampf ist ein wichtiges Instrument für die Entwicklung der Revolution und die Bewusstseinsbildung des Volkes. Wie in der Vergangenheit ist es auch heute unsere Hauptaufgabe uns mit aller Energie für den bewaffneten Kampf einzusetzen ." Die TIKKO bekannte sich zu einem Bombenanschlag am 11.05.06 auf ein Büro der nationalistischen Partei MHP (Partei der nationalen Bewegung) in Ordu, bei dem drei Personen leicht verletzt wurden. Im August 2006 verurteilte die TKP/ML die militärischen Angriffe Israels auf die palästinensische und libanesische Bevölkerung. Israel sei ein "zionistischer Staat, die Gendarmerie der USA." Die wahren Hintergründe für die Angriffe Israels seien die militärischen Projekte des US-Imperialismus im Nahen Osten zur Errichtung einer neuen Weltordnung. Wie bereits im Irak würden die USA auch im Libanon und Palästina an dem Widerstand dieser Völker ersticken. Wie schon in den Vorjahren tat sich die Partei auch 2006 öffentlich kaum hervor. Zentrales Ereignis für Anhänger und Sympathisanten der TKP/ML aus Deutschland und dem benachbarten Ausland ist immer noch die jährliche Gedenkveranstaltung zum Todestag des Parteigründers KAYPAKKAYA. Am 20.05.06 versammelten sich aus diesem Anlass in Wetzlar ca. 3.500 Personen, etwa 500 mehr als im Vorjahr. 102 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Die propagandistische Arbeit wird weiterhin vorwiegend durch die der Organisation nahe stehende "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V." (Almanya Türkiyeli Isciler Federasyonu, ATIF) geleistet. In Hamburg zählt die TKP/ML etwa 40 Anhänger, einige weniger als im Vorjahr. Sie treffen sich in den Räumen des der ATIF zuzurechnenden "Kulturund Solidaritätsvereins Hamburg e.V." in St. Pauli. MKP (Maoist Komünist Partisi, Maoistische Kommunistische Partei) Die MKP ist eine Abspaltung der 1972 - ebenfalls von Ibrahim KAYPAKKAYA (Foto, Mitte) - in der Türkei gegründeten TKP/ML, die sich 1994 in zwei Flügel, den "Partizan"-Flügel und das "Ostanatolische Gebietskomitee" - DABK (jetzt: MKP), teilte. Sie beruft sich auf die Lehren von Marx, Lenin und Mao und bekennt sich auch weiterhin zu Weltrevolution und Volkskrieg. Damit tritt sie unverändert für die Anwendung von Gewalt zur Erreichung ihrer politischen Ziele ein. So erklärte sie in der Publikation "Devrimci Demokrasi", Nr. 89, 16.31.05.06, zum 33. Todestag KAYPAKKAYAs "Die Maoistisch-Kommunistische Partei marschiert..., um unter der Führung des Maoismus ... im Dienste der Weltrevolution mit dem Volkskrieg die Zukunft zu gewinnen." In einer weiteren Erklärung der MKP (veröffentlicht in der "Devrimci Demokrasi", Ausgabe 90, 01.-16.06.06) wird die Entschlossenheit bekräftigt, "... den Volkskrieg zu gewinnen und die Massen sowie alle freundschaftlichen Kräfte auf dieser Grundlage zu vereinen." Des Weiteren wird erklärt: "Die Partei und die von ihr angeführten Massen sind nicht auf dem Schauplatz, um nur zu demonstrieren, dass sie sich gegen den Imperialismus und gegen seine Handlanger wehren. Sie leisten Widerstand, um mit dem Volkskrieg eure blutige Herrschaft zu zerstören und mit der Revolution den Weg für die Schaffung des Kommunismus zu ebnen." 103 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten An einer Gedenkfeier für die "Parteimärtyrer" am 11.02.06 in Wuppertal nahmen ca. 1.500 Personen teil. Am 17.06.06 demonstrierte die MKP in Köln zum "Jahrestag der Ermordung von 17 Personen in der Türkei". An dem friedlichen Aufzug nahmen ca. 800 Personen teil. Es wurden die Namen der getöteten Aktivisten vorgelesen und in Redebeiträgen auf die Todesumstände eingegangen. Im Verlauf der Demonstration wurden von den Teilnehmern u. a. die Parolen "Es lebe der Volkskrieg!" und "Tod dem Faschismus in aller Welt!" skandiert. Anlass für diese Aktion war ein Feuergefecht in der Türkei zwischen der türkischen Armee und MKP-Anhängern am 17.06.05, bei dem 17 MKP-Angehörige ums Lebens kamen. Am 28.05.06 veranstaltete die MKP in Hamburg-Wilhelmsburg ihre jährliche zentrale Gedenkfeier für ihren Gründer Ibrahim KAYPAKKAYA. An der Veranstaltung nahmen nach eigenen Angaben ca. 1.000 Personen teil. Darüber hinaus entwickelte die MKP in Hamburg keine nennenswerten öffentlichen Aktivitäten. Sie hat hier etwa 30 Mitglieder. MLKP (Marksist Leninist Komünist Partisi, Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei) Die Ideologie der am 10.09.94 in der Türkei gegründeten MLKP basiert auf den Theorien von Marx und Lenin. Nach ihrem Programm ist "das letztendliche Ziel der kommunistischen Bewegung ... die Verwirklichung des Kommunismus". Hierbei ist "der Sozialismus ... die erste Stufe des Kommunismus." Nach dem Verständnis der MLKP "sind die Aktionen von revolutionärer Gruppenund Massengewalt gegen die konterrevolutionäre Gewalt gerechtfertigte und wirkungsvolle Mittel des politischen Kampfes." In der Vergangenheit hat die MLKP immer wieder Anschläge in der Türkei begangen. Auch im Jahr 2006 verübte sie zahlreiche Anschläge u.a. auf Polizeiwachen, Gebäude der Regierungspartei AKP und Bankfilialen. Seit ihrem Bestehen werden ihr 76 Bombenanschläge mit insgesamt drei Todesopfern zugeschrieben. 104 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Am 08. und 09.09.06 wurden laut Medienberichten bei Razzien in sieben türkischen Provinzen 23 Mitglieder der MLKP festgenommen. Ihnen wird vorgeworfen, zum 10. September, dem Gründungstag der MLKP, neue Anschläge geplant zu haben. Nach Angaben des Istanbuler Provinzgouverneurs hat die Polizei zahlreiche Waffen und Handgranaten sowie 250 Kilogramm Sprengstoff und Chemikalien beschlagnahmt. In einer kurzen Erklärung des Zentralkomitees der MLKP vom 13.09.06 heißt es dazu: "Vom 8.-12. September hat die kolonialistische faschistische Diktatur einen Verhaftungsund Inhaftierungsangriff gegen unsere Partei durchgeführt." Zu weiteren Verhaftungen am 21.09.06 nahm das Zentralkomitee der MLKP am 22. September wie folgt Stellung: "Dieser erbarmungslose Angriff gegen unsere Partei ist ein Ausdruck der Hilflosigkeit des faschistischen Regimes, ein Resultat seiner Angst und Wut angesichts unserer 'entwickelten Praxis' und Aktion. Wir werden alle unsere errungenen Stellungen mit unserem revolutionären Willen und militanter Haltung gegen diese Angriffe verteidigen." Neben der MLKP-eigenen Berichterstattung im Internet gab es in Deutschland keine nennenswerten Reaktionen auf diese Ereignisse. In Deutschland betätigt sich die MLKP vorwiegend publizistisch, sie nahm zu nationalen und internationalen Ereignissen Stellung. So verurteilte das Internationale Büro der MLKP in der Internet-Erklärung Nr. 14 vom 17.07.06 "die zionistische Aggression und Brutalität" Israels gegenüber Palästinensern und Libanesen sowie die Rolle der USA in diesem Zusammenhang. "Die Angriffe auf Palästina und im Nachhinein auf den Libanon sind die Verwirklichung eines imperialistischzionistischen Planes. ... Es ist unrealistisch, dass die Zionisten ohne Wissen und Einverständnis der USA an mehreren Fronten Angriffe durchführen..." Zudem griff die MLKP sozialpolitische Themen der deutschen Politik auf. So veröffentlichte sie im Zusammenhang mit dem 1. Mai 2006 im Internet ein Flugblatt unter der Überschrift "Am 1. Mai auf die Straßen - Gegen Besatzung, Sozialabbau und Anti-Terror-Gesetze". In Hamburg entfaltete die MLKP wenige öffentlichkeitswirksame Aktivitäten. Anhänger aus ihren Reihen beteiligten sich an einer Demonstration des Vereins "Kurdistan Volkshaus" zum kurdischen Neujahrs105 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten fest im März und klebten Plakate zum 1. Mai mit dem Text: "Am 1.Mai gegen imperialistische Besatzung, Sozialkahlschlag und Antiterrorgesetze auf die Straße". In Hamburg gibt es etwa 30 MLKP-Anhänger. Arbeitsfeld Ausländerextremismus / Türken 6. Iraner Iranische Oppositionelle Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) Bei der "Volksmodjahedin Iran-Organisation" ("Modjahedin-E-Kalq", MEK), die weltweit mit ihrem politischen Arm, dem "Nationalen Widerstandsrat Iran" (NWRI), agiert, handelt es sich um die größte und bis 2003 paramilitärisch agierende iranische Oppositionsgruppierung. Das Ziel der ursprünglich revolutionär-marxistisch ausgerichteten MEK ist der Sturz des islamischen Regimes in Teheran. Die Anwendung von Gewalt wird dabei noch immer als legitimes Mittel angesehen, auch wenn die Organisation nicht mehr über ihren militärischen Arm, die im Irak stationierte "Nationale Befreiungsarmee" (National Liberation Army, NLA) verfügen kann. Diese steht seit ihrer Entwaffnung während des Irak-Krieges unter ständiger Aufsicht der Koalitionstruppen, die die etwa 3.500 Guerilla-Kämpfer im Lager Ashraf im Irak zusammengeführt haben. Die nach wie vor auf internationalen Listen über terroristische Organisationen geführte MEK ist bemüht, sich als demokratische Exilbewegung und einzige politische Alternative zum iranischen Regime darzustellen. Sie ist dabei nicht bereit, mit anderen oppositionellen Kräften zu koalieren. Schwerpunkt der NWRI-Aktivitäten im Berichtsjahr war, die Streichung der MEK von internationalen Listen terroristischer Organisati106 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten onen zu erreichen, um sich in den westlichen Ländern mehr Freiraum für politische Aktivitäten gegen die iranische Führung zu verschaffen. Als Erfolg dieser Bemühungen feierte der NWRI daher ein Urteil des Europäischen Gerichts Erster Instanz vom 12.12.06, mit dem der Beschluss des Europäischen Rats vom 21.12.05, die Gelder der MEK im Rahmen der Terrorismusbekämpfung einzufrieren und die Organisation auf die Liste der terroristischen Organisationen zu setzen, für nichtig erklärt wurde. Die Rechtsmittelfrist gegen dieses Urteil beträgt zwei Monate. Die MEK kann sich in den westlichen Ländern ihre finanziellen Mittel durch von Tarnvereinen durchgeführte Spendensammlungen in der Bevölkerung beschaffen. Mit ihren Aktivitäten prangert die Organisation vornehmlich die Menschenrechtslage in Iran, das iranische Atomprogramm sowie die Versorgungslage im Lager Ashraf an. Mit Unterschriftenkampagnen, Infotischen, Demonstrationen sowie den 2006 verstärkt zu verzeichnenden Spendensammlungen in der Bevölkerung will die Organisation auf sich und ihre Ziele aufmerksam machen. Zur Finanzierung ihrer Aktivitäten bedient sie sich u.a. des "Menschenrechtsvereins für iranische Migranten" (Sitz: Aachen) und des "Menschenrechtszentrums für ExiliranerInnen" (Sitz: Düsseldorf). Beide Vereine sammelten seit August 2006 verstärkt Geldspenden, auch in der Hamburger Bevölkerung. Hier verfügt der NWRI über etwa 200 Anhänger. Führende Aktivisten gründeten im Februar 2006 den Tarnverein "Iranische Gemeinschaft in Hamburg e.V." und kamen damit der Organisationsforderung nach, sich vereinsrechtlich zu etablieren und sich so eine rechtlich legitimierte regionale Basis zu geben. Die öffentlichen Vereinsaktivitäten bestanden im Durchführen diverser Aktionen. Dazu gehörten regelmäßige Informationsstände in der Hamburger Innenstadt und mehrere Protestkundgebungen gegen Menschenrechtsverletzungen in Iran, an denen zwischen 15 und 50 Personen teilnahmen. Am 07.04. übergaben Anhänger eine Petition an den Hamburger Senat zu demselben Thema. Zahlreiche der in Hamburg lebenden Anhänger wurden für die Beteiligung an europaweiten Großkundgebungen des NWRI (03.02.06 in Berlin, 01.07.06 in Paris, 09.11.06 in Oslo) und den im August und September durchgeführten Dauerkundgebungen in Genf mobilisiert. Alle Aktionen verliefen friedlich. 107 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Arbeiterkommunistische Partei Iran (API) Die sich selbst als "antireligiös" bezeichnende API ist marxistisch-leninistisch ausgerichtet. Sie strebt den revolutionären Sturz der iranischen Regierung auch unter Einsatz von Gewalt an. Ein Richtungsstreit führte im August 2004 zur Abspaltung der kleineren API-HEKMATIST von der Alt-Partei (der Name ist abgeleitet vom Parteigründer HEKMAT). Streitpunkt waren unterschiedliche Vorstellungen über die Durchführung des Umsturzes. Die HEKMATISTEN bezeichnen sich als gemäßigtere, moderate Gruppierung, die auch bereit sei, auf friedlichem, politischem Weg das theokratische iranische Regime zu überwinden, während die Altpartei die Regierungsgewalt nach wie vor über eine Revolution erreichen will. Beide Lager finden in Hamburg ihre Anhänger und traten 2006 mit friedlichen Protestkundgebungen und Info-Tischen an die Öffentlichkeit, mit denen sie vor allem die Menschenrechtssituation in Iran kritisierten. So veranstaltete die API im Laufe des Jahres wiederholt Demonstrationen vor dem iranischen Generalkonsulat mit 20 bis 30 Anhängern. Die HEKMATISTEN führten dort im zweiten Halbjahr 2006 mehrere Protestkundgebungen mit bis zu 15 Teilnehmern durch. Sozialistische Partei Iran (SPI) Die linksgerichtete SPI ist eine gewaltbereite iranische Oppositionsgruppierung, die für die "Beseitigung der brutalen Klassenordnung und für den Kampf gegen die Islamische Republik Iran" eintritt und sich "gegen jegliche imperialistische Einmischung" westlicher Nationen wendet. Hauptsitz und Schwerpunkt ihrer Aktivitäten in Deutschland ist Hamburg. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass sie auch in anderen deutschen Städten (Bremen und Mainz) sowie in der Schweiz (Zürich) über Organisationsstrukturen verfügt. 108 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Die SPI hat in Hamburg und im Umland etwa 200 Sympathisanten, von denen ca. 50 den aktiven Kern bilden. Eine nach eigenen Angaben bestehende "Jugendorganisation der Sozialistischen Partei Iran" ("Youth Organization of Socialist Party of Iran", YOSPI) ist öffentlich noch nicht aufgetreten. Die SPI thematisierte 2006 mit vereinzelten friedlichen Kundgebungen die Menschenrechtsverletzungen in Iran und mobilisierte hierfür bis zu knapp 50 Anhänger, in einem Fall ca. 160 ( 08.07.). Auf ihrer Internet-Seite forderte sie "Imperialisten und Islamisten: Hände weg vom Iran." Sie beteiligte sich auch an Protestveranstaltungen deutscher Antiimperialisten ( IV. 5.2) und dokumentierte damit ihre ideologische Verbundenheit zu dieser linksextremistischen Szene. Arbeitsfeld Ausländerextremismus / Iraner / Gegner der iranischen Regierung 109 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Linksextremismus IV. Linksextremismus 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick Das linksextremistische Spektrum Hamburgs konnte im Jahr 2006 auf keinem seiner Aktionsfelder nennenswerte Resonanz in der Bevölkerung erzielen. Insbesondere die autonome Szene litt bei ihren Agitationsschwerpunkten - dem Widerstand gegen die Stadtteilentwicklung und der Kampagne gegen Globalisierung - unter ihrer Zersplitterung und erheblichen Vermittlungsdefiziten. Seit der faktischen Auflösung der "Autonomen Zelle in Gedenken an Ulrike Meinhof" im Jahr 2004 gab es keine Anzeichen für verfestigte terroristische Strukturen (vergleichbar der RAF) in Hamburg. In klandestinen - zumeist voneinander abgeschotteten - Zirkeln organisierte militante Autonome begehen aber seit Ende der 70er-Jahre zum Teil schwere Brandanschläge mit beträchtlichen Sachschäden auf unterschiedlichsten politischen "Interventionsfeldern", wie Sozialabbau, Stadtentwicklung und dem Kampf gegen "staatliche Repression" oder politische Gegner, insbesondere Rechtsextremisten. Die von unbekannten Tätern mit dem Brandanschlag auf das Dienstfahrzeug des Vorstandsvorsitzenden der Norddeutschen Affinerie an seinem Wohnort im nördlichen Niedersachsen im August 2005 ausgelöste "militante Kampagne" gegen das Gipfeltreffen der westlichen Industrienationen und Russlands vom 05. bis zum 07.06.07 in Heiligendamm (G8-Treffen) wurde im Berichtsjahr fortgesetzt. In Hamburg und im benachbarten Umland wurden bis zum 31.12.06 neun Brandanschläge auf Fahrzeuge und ein Gebäude verübt ( IV., 5.1). In den Taterklärungen wurden die jeweiligen Anschlagsziele mit den negativen Folgen der Globalisierung in Verbindung gebracht. In dem Begründungszusammenhang G8-Treffen begingen unbekannte Täter außerdem mehrere Sachbeschädigungen, u.a. an vier Haspa-Filialen in Hamburg im April sowie an den Wohnhäusern des Leiters einer 112 Linksextremismus Hamburger Arbeitsagentur im Mai und des Ministerpräsidenten Mecklenburg-Vorpommerns im August 2006. Bis 31.12.06 wurden seit Beginn dieser "militanten Kampagne" insgesamt bundesweit 13 Brandanschläge sowie eine Reihe von Sachbeschädigungen mit Bezug auf das Gipfeltreffen verübt bzw. versucht. Regionale Schwerpunkte lagen in und um Berlin (vier Anschläge/ Versuche) sowie in Hamburg/ Umland (neun). Die Serie von Brandanschlägen im G8-Kontext seit August 2005 mit inhaltlich-thematischen Überschneidungen in den Tatbekennungen, die sich teilweise aufeinander beziehen, ist für organisationsund planungsfeindliche Autonome ungewöhnlich. Die meisten Anschläge richteten sich gegen Ziele, bei denen eine Gefährdung von Personen weitgehend ausgeschlossen war. Die Bekennung zu einem Anschlag auf das Büro der Deutschen Afrika-Linie ( IV.,5.1) zog eine direkte Linie zur weltweiten Migration, von der der "Imperialismus des 21. Jahrhunderts" profitiere. Der explizite Verweis auf den Zusammenhang mit dem Gipfeltreffen 2007 und entsprechende Hinweise aus linksextremistisch beeinflussten Flüchtlingsgruppen lassen erkennen, dass der Komplex "Migration und Flüchtlinge" eines der zentralen Themen der Aktivitäten gegen das G8-Treffen sein wird ( IV.,5.3.2). Neben nichtextremistischen globalisierungskritischen Organisationen versuchen linksextremistische Gruppierungen seit Ende 2005 ein möglichst umfassendes Planungskonzept für Proteste zu entwerfen und einen inhaltlichen Rahmen der Anti-Globalisierungsarbeit abzustecken. Dass dies im Herbst 2006 auf einem Treffen der G8-Gegner in Rostock nur dem gemäßigteren Flügel der Protestbewegung gelang, liegt an der Unvereinbarkeit militanter Aktionsformen mit friedlichem (Massen-)Protest und zeigt erneut die Zersplitterung der Szene. In Hamburg sind mit unregelmäßigen Treffen vor allem das - mehr an 113 Linksextremismus aktionistischer Vorgehensweise orientierte - Netzwerk "Dissent!" ( IV.,5.1) und verschiedene Gruppierungen unter dem Dach der "Interventionistischen Linken" (IL), die für eine Einbeziehung breiterer gesellschaftlicher Kreise eintritt, an den Vorbereitungen beteiligt. Sie bilden den Kern autonomer Gruppierungen, die sich seit der ersten bundesweiten Zusammenkunft von Globalisierungsgegnern im Oktober 2005 in Hamburg intensiv mit den Planungen für Proteste gegen das G8-Treffen befassen. Der nahezu das gesamte Vorjahr andauernde, teils massive Widerstand gegen den Umbau des ehemaligen Wasserturms im Schanzenpark in ein Hotel brach 2006 weitgehend ein. Nach zwei Festnahmen, der Eröffnung von Ermittlungsverfahren sowie weiteren strafprozessualen Maßnahmen verlagerte das Umfeld der Betroffenen seine Aktivitäten vorrangig auf Solidaritätsund Informationsveranstaltungen. Alle Protestformen gegen bestimmte Ziele der Stadtentwicklungspolitik wurden als notwendiger und berechtigter Widerstand gegen eine maßlose Aufwertung citynaher Wohnviertel unter "kapitalistischer Verwertungslogik" gerechtfertigt ( IV.,5.3.3). Darüber hinaus befasste sich die autonome Szene Hamburgs - vorwiegend auf theoretischer Ebene - in größeren Diskussionskreisen mit so unterschiedlichen Themen wie Repression, Videoüberwachung, Sexismus und dem Umgang mit der Fußball-WM. Hier galt die Hauptsorge befürchteten Übergriffen von Hooligans oder Rechtsextremisten auf Szeneeinrichtungen - wie sich herausstellte unbegründet ( IV.,5.2). 114 Linksextremismus Autonome Antifaschisten (Antifa) in Hamburg setzten ihre Aktivitäten gegen Rechtsextremisten auch im Berichtsjahr fort. Sie verknüpften ihre Agitation mit dem Kampf gegen das "kapitalistische System", das nach ihrer Auffassung für Faschismus und Rechtsextremismus ursächlich ist. Bei ihren Aktivitäten, zumeist als Reaktion auf öffentliches Auftreten von Rechtsextremisten, beziehen sie bewusst eine direkte Konfrontation mit dem politischen Gegner in ihr Handlungskonzept ein ( IV.,5.3.1). Die autonome Antifa-Szene Hamburgs bemühte sich nach dem Zerfall bundesweiter Zusammenhänge weiterhin vergeblich um den Aufbau funktionierender Strukturen ( IV.,5.3.1). Ein weiterer Ansatz autonomer Antifas bestand in sogenannten "outing"-Aktionen, bei denen das Wohnoder Arbeitsumfeld von Rechtsextremisten durch Kundgebungen oder Flugblattverteilung über die politische Betätigung des Nachbarn oder Kollegen informiert wird ( IV.,5.3.1). "Die Linkspartei.PDS" konzentrierte ihre Kräfte auf den für Juni 2007 avisierten Zusammenschluss mit der nicht als extremistisch eingestuften Partei "Arbeit und soziale Gerechtigkeit - Die Wahlalternative" (WASG). Im Dezember 2006 beschlossen beide Bundesvorstände die Entwürfe für gemeinsame Gründungsdokumente. Endgültig soll hierüber mit Urabstimmungen im Frühjahr 2007 und auf parallel stattfindenden Bundesparteitagen Ende März und Mitte Juni 2007 entschieden werden ( IV.,6.). In Hamburg vollzogen sich die Vorbereitungen für den Zusammenschluss nahezu geräuschlos und unkompliziert. Bereits seit Ende 2005 arbeitete der Landesverband der "Linkspartei.PDS" bei Veranstaltungen und Diskussionsforen zu aktuellen Themen des lokalpolitischen Alltags und von bundespolitischer Bedeutung eng mit der WASG zusammen. Hierzu trug die innerparteiliche Schwächung der vormals bedeutenderen, radikal-marxistischen Untergruppierung "Liste Links" wesentlich bei ( IV.,6.). 115 Linksextremismus 2. Potentiale Im Jahre 2006 gliederten sich linksextremistische Organisationen und Vereinigungen bundesweit in 40 Kernund Nebenorganisationen (2005: 43). Ihnen gehörten 25.000 Personen an (2005: 25.400). Bund: Linksextremistische Personenpotentiale 35000 30000 25000 34.100 34.700 34.200 33.500 32.900 31.100 31.300 30.800 30.600 30.700 20000 15000 10000 5000 0 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 -Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundetDieser Zahl sind noch etwa 6.000 Personen (2005: 5.500) der Kategorie "Gewaltbereite Linksextremisten" in 69 Gruppen [Autonome, Anarchisten und "Antiimperialistischer Widerstand" (AIW)] hinzuzurechen (2005: 67 Gruppen). Die Zahlen für die Bundesebene enthalten auch die Mitglieder der "Kommunistischen Plattform der Linkspartei.PDS" (KPF) sowie weiterer linksextremistischer Gruppen in der Partei "Die Linkspartei.PDS" ( IV.,6.), aber nicht die Gesamtzahl ihrer Mitglieder. 116 Linksextremismus In Hamburg hingegen werden wegen der politischen Ausrichtung des Landesverbandes der "Linkspartei.PDS" derzeit noch die Gesamtzahlen dem Bereich Linksextremismus zugerechnet. Linksextremistisches Personenpotential 2005 2006 auf Bundesebene Angehörige von Kernund Nebenorganisationen (Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten) 1 25.400 25.000 Gewaltbereite (Autonome, Anarchisten u. Antiimperialistischer Widerstand) 5.500 6.000 Gesamtpotential (abzüglich Mehrfachmitgliedschaften) 30.600 30.700 "Linkspartei.PDS" 2 61.600 61.300 1 Einschließlich "Kommunistischer Plattform der Linkspartei.PDS" (KPF). Hinzu kommen die Mitglieder weiterer linksextremistischer Gruppen in der PDS. 2 Bis zur Umbenennung am 17.07.05: "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS). Die Partei ist wegen ihres ambivalenten Erscheinungsbildes gesondert ausgewiesen. - Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet - Nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften betrug das linksextremistische Personenpotential bundesweit insgesamt etwa 30.700 Personen (2005: etwa 30.600 Personen). Die Zahl der im Jahr 2006 in Hamburg erfassten Linksextremisten blieb - nach Abzug von Doppelmitgliedschaften - mit ca. 1.500 im Vergleich zu 2005 (1.480) nahezu unverändert. 117 Linksextremismus Deutlichere Zuwächse bei Autonomen wurden durch fluktuationsbedingte Abnahmen im "Antiimperialistischen Widerstand" (AIW) und im Spektrum revolutionär-marxistischer Gruppen annähernd kompensiert. Die Zahl der gewaltbereiten Personen (Autonome, Anarchisten und AIW) erhöhte sich auf etwa 500 (2005: ungefähr 470). Dieser Zuwachs resultierte aus linksextremistischen Kampagnen gegen Stadtteilerneuerung und Globalisierung sowie aus Antifa-Aktivitäten. Hamburg: Linksextremistische Personenpotentiale 1500 1200 1.440 1.350 1.350 1.300 1.340 1.130 1.500 1.500 1.480 1.500 900 600 300 700 600 560 520 520 500 480 480 470 500 0 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 -Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundetDas Potential marxistisch-leninistischer Kernund Nebenorganisationen sowie anderer revolutionärer Marxisten und Trotzkisten bestand 2006 aus rund 600 (Vorjahr: 620) Personen. 118 Linksextremismus Der Hamburger Landesverband der "Linkspartei.PDS" zählte ca. 400 (2005: 390) Mitglieder. Linksextremistisches Personenpotential 2005 2006 in Hamburg Linkspartei.PDS 390 400 Angehörige marxistisch-leninistischer Kernu. Nebenorganisationen sowie andere revolutionäre Marxisten und Trotzkisten 620 600 Gewaltbereite (Autonome, Anarchisten u. Antiimperialistischer Widerstand) 470 500 Gesamtpotential (abzüglich 1.480 1.500 Mehrfachmitgliedschaften) - Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet - 3. Linksextremistisch motivierte Kriminalität Seit 2001 wird der Deliktsbereich der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) bundesweit nach einheitlichen Kriterien erfasst. Sämtliche politisch motivierten Straftaten werden berücksichtigt und extremistische Straftaten als Teilmenge erfasst. In Hamburg war 2006 ein Rückgang der linksextremistischen Straftaten im Rahmen des kriminalpolizeilichen Meldedienstes "PMK" auf 18 gegenüber 32 im Jahr 2005 zu verzeichnen. Der Anteil der Gewalttaten hieran sank von 19 im Jahr 2005 auf 9 im Berichtsjahr. Schwerpunkt der herausragenden Taten waren die Brandanschläge im Zusammenhang mit der "militanten Kampagne" gegen das G8-Treffen 2007 ( IV.,5.1). Die meisten anderen Gewalttaten wurden bei verschiedenen Auseinandersetzungen zwischen Rechtsund Linksextremisten ( IV.,5.3.1). begangen. Hierbei handelte es sich zumeist um Vorwürfe der Körperverletzung zum Nachteil von Polizeibeamten, des 119 Linksextremismus Landfriedensbruchs und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte. Außerdem kam es zu Sachbeschädigungen. PMK-Links 2001 2002 2003 2004 2005 2006 PMK-Links 202 221 308 254 289 255 insgesamt davon linksextrem. 90 16 16 23 32 18 Straftaten hiervon extrem. 43 4 11 16 19 9 Gewaltdelikte - Die vorstehenden Zahlen stammen von der Polizei Hamburg (Stand: Februar 2007) - Von den Gewalttaten sind folgende hervorzuheben: * Im Vorfeld der Internationalen Konferenz für Sicherheitspolitik in München setzten am 31.01.06 unbekannte Täter in Hamburg zwei Lieferwagen der Firma IMTECH in Brand ( IV.,5.1). * Unbekannte beschädigten am 30.05.06 vier Filialen der Hamburger Sparkasse (Haspa) ( IV.,5.1). * Am 28.09.06 wurde ein Brandanschlag auf ein Fahrzeug des Leiters der Hamburger Niederlassung der Euler-Hermes Kreditversicherung an seinem Hamburger Wohnsitz verübt. Zeitgleich wurde das Wohnhaus des Vorstandsvorsitzenden der Firma mit Farbbeuteln beworfen ( IV.,5.1). * Unbekannte verübten am 23.10.06 einen Brandanschlag auf das Bürogebäude der Reederei Deutsche Afrika-Linien (DAL) in Hamburg ( IV.,5.1). * Am 26.12.06 setzten unbekannte Täter den Pkw des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium vor seinem Wohnhaus in Hamburg-Winterhude in Brand und bewarfen das Haus mit Farbflaschen ( IV.,5.1). 120 Linksextremismus Der Rückgang der Gewalttaten im Phänomenbereich PMK-Links bei den Bundeszahlen (2006: 862 Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund, 2005: 896) darf - so der BMI - "nicht darüber hinwegtäuschen, dass nach wie vor hier die meisten Gewaltdelikte registriert werden." Die Zahl der Straftaten mit extremistischem Hintergrund betrug 2006 2.369, im Jahr 2005 waren es 2.305. "Als Einflussfaktor für den Anstieg ... kommen vor allem Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner in Betracht..." (BMI). 4. Linksextremistischer Terrorismus und autonome Militanz Gefestigte terroristische Strukturen und die Bereitschaft zu schwersten Anschlägen bis hin zum Mord bestehen in Deutschland seit der Auflösung der "Rote Armee Fraktion" (RAF) im Jahre 1998 nicht mehr. Wie in den Vorjahren war die Berliner "militante gruppe" (mg) die einzige terroristische Gruppierung mit bundesweiter Ausstrahlung, deren Anschläge sich jedoch nicht gegen Personen richteten. Die mg trat im Juni 2001 erstmalig mit dem Versenden scharfer Patronen an den Regierungsbeauftragten für die Entschädigung der Zwangsarbeiter und an zwei weitere Repräsentanten der "Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft" in Erscheinung. Sie kritisierte in einem Bekennerschreiben u.a. die geringe Höhe der Entschädigungszahlungen. BKA Bis zum Ende des Berichtsjahres bekannte sich die mg zu 21 Brandanschlägen in Berlin. Die Gruppe veröffentlichte neben ihren Bekennungen auch eine Vielzahl intellektuell überfrachteter Erklärungen und Diskussionspapiere zur historischen und aktuellen Entwicklung des "bewaffneten Kampfes". Das ideologische Fundament der "mg" besteht nach eigener Aussage in einer "Synthese eines sozialrevolutionären und antiimperialistischen Ansatzes auf kommunistischer Grundlage". Ihr Ziel sei, militante Gruppierungen zu vernetzen, die Notwendigkeit von Militanz in der politischen Arbeit zu vermitteln und grundsätzliche Diskussionen über die Verbreitung terroristischer Aktivitäten zu führen. 121 Linksextremismus Es sei erforderlich, so die mg in der Bekennung zu ihrem Anschlag auf Fahrzeuge des Ordnungsamtes Treptow-Köpenick (Foto), die Notwendigkeit des Widerstandes gegen staatliche Repression zu verdeutlichen. "Neben dem Schutz der eigenen Strukturen vor Repressionsanschlägen ist es für uns als revolutionäre Linke unumgänglich, über den Tellerrand zu schauen und dort zu intervenieren, wo breite gesellschaftliche Kreise von repressiven Maßnahmen betroffen sind. Nur so kann es uns gelingen, dem linken Nischendasein zu entkommen und wieder eine größere gesellschaftliche Relevanz zu erreichen. Denn die institutionellen Arme der KontrollgeBKA sellschaft durchdringen mehr und mehr jede Faser des Alltags, des Berufslebens und nicht zuletzt des politischen Engagements." Teile der autonomen Szene sehen die politischen Grundsätze und Einschätzungen der mg kritisch. Ihr wird "Theorie-Fetischismus" vorgeworfen, der sich vor allem aus orthodox-kommunistischen Ansätzen speise und mit Versatzstücken sozialrevolutionärer Konzepte garniert sei. Die praktische Militanz der mg "jenseits der papierebene scheint im verhältnis hierzu lediglich legitimierenden charakter zu haben" (Berliner Szeneblatt "Interim" Nr. 635 v. 20.04.06). Im Gegensatz zu den Theoriemodellen der mg besteht im überwiegenden Teil der autonomen Szene Konsens darüber, dass die Aufnahme des bewaffneten Kampfes derzeit nicht in Betracht kommt, weil die Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind. Insbesondere die von ihr propagierte Einbeziehung einer "autonomen Miliz" als grundsätzliche Option revolutionären Handelns fand bislang keine positive Resonanz: "wer permanent von tollen widerstandsmodellen bis hin zum bewaffneten kampf fabuliert und dann militante aktionen auf autonomem durchschnittsniveau präsentiert, ist vor allem theoretiker/in und wird auch vor allem als solcher wahrgenommen." (Kritikpapier der Gruppe "clandestino" zur mg, Quelle: s.o). 122 Linksextremismus Die mg verübte 2006 sieben Brandanschläge zu den Schwerpunkten Globalisierung, Sozialreformen und staatliche Repression, u.a. am 20.03.06 auf vier Dienstfahrzeuge des Ordnungsamtes Treptow-Köpenick und am 24.05.06 auf das Sozialgericht (Foto) im Berliner Bezirk Mitte. Für Autonome ist Militanz - von Ausschreitungen bei Demonstrationen über Sachbeschädigungen bis hin zu Brandanschlägen - eine gängige Aktionsform. Ihre AktiBKA onen richten sich vornehmlich gegen Sachen, schließen aber unter bestimmten Umständen - wie z.B. bei Demonstrationen gegen Rechtsextremisten - Gewalt gegen Menschen ein. Schwerpunkte ihrer Militanz sind die Bereiche Antifaschismus, Antirassismus, Anti-Atomkraftbewegung und Antikapitalismus. Autonome setzen auf Gewalt und Gesetzesübertretungen, um ihre politischen Ziele mit Nachdruck zu verfolgen und staatliche Reaktionen agitatorisch auszuschlachten. Sie propagieren den Widerstand gegen Autoritäten und die Missachtung von Normen. Gesetze und das staatliche Gewaltmonopol lehnen sie ab, ohne ein einheitliches ideologisches Konzept zu besitzen. Sie wollen nicht im bürgerlichen Sinn funktionieren, sondern herrschaftsfrei und selbstbestimmt leben. Wenngleich Autonome ihre konzeptionelle und strategische Schwäche der Vorjahre nicht überwinden konnten, bemühten sich insbesondere militante Gruppen des autonomen Spektrums vor dem Hintergrund des G8-Treffens intensiv um verstärkte Organisation und Bündelung ihrer Kräfte. Einzelne autonome Zusammenhänge liegen mit ihren ausdrücklich in einen G8-Zusammenhang gestellten Anschlagsaktivitäten auf einem Niveau, das als terroristisches Handeln anzusehen ist. Sie nutzten die G8-Thematik auch, um gruppenspezifische Themen mit Anschlägen einer breiten Öffentlichkeit nahe zu bringen ( IV.,5.1). Insgesamt gab es bundesweit zwischen August 2005 und dem 31.12.06 13 Brandanschläge, davon sechs - und sechs Sachbeschädigungen - in Hamburg sowie drei im Hamburger Umland, die mit mehr oder weniger ausführlichen Begründungen in den Kontext "G8" gestellt wurden und zu weiteren Anschlägen aufriefen. Das Bundeskriminalamt (BKA) registrierte bundesweit 22 Sachbeschädigungen - in der Regel Farbschmierereien - sowie einen Diebstahl mit G8-Bezug. 123 Linksextremismus 5. Autonome und anarchistische Gruppen 5.1 Linksextremistische Globalisierungsgegner Am 01.01.07 hat Deutschland turnusgemäß für ein Jahr die Präsidentschaft der G8-Staatengruppe übernommen, der Kanada, die USA, Großbritannien, Frankreich, Italien, Deutschland, Japan und Russland angehören. Das Gipfeltreffen findet vom 06. bis 08.06.07 im Ostseebad Heiligendamm in MecklenburgVorpommern statt. Mit Schlagworten wie "Globalisierung" und "Neoliberalismus" umrissene Vorbehalte gegenüber politischen und ökonomischen Entwicklungen gehen quer durch die Gesellschaft. Linksextremisten versuchen, eigene Inhalte und Zielvorstellungen in die lagerübergreifende politische Diskussion einzubringen, um globalisierungsoder kapitalismuskritische Bewegungen in ihrem Sinn zu beeinflussen. Ihr Widerstand richtet sich auch gegen Treffen anderer supranationaler Institutionen wie des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank, der Welthandelsorganisation (WTO), des Weltwirtschaftsforums (WEF) oder der Europäischen Union (EU). Anders als nichtextremistische Kritiker, die eine an sozialen Gesichtspunkten orientierte Regulierung weltweiter finanzieller und ökonomischer Transaktionen fordern, wendet sich die Agitation von Linksextremisten gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland. Autonome nutzten schon früher breite gesellschaftliche Proteste gegen Gipfeltreffen für gewalttätige Ausschreitungen, wie 1999 in Seattle, 2000 in Prag und 2005 in Gleneagles (Schottland). Im Jahre 2001 starb bei gewaltsamen Ausschreitungen gegen das G8-Treffen in Genua ein Demonstrant durch eine Polizeikugel, nachdem er ein Einsatzfahrzeug mit einem Feuerlöscher attackiert hatte. Hartes Vorgehen der Polizeikräfte nutzen Autonome auch für eine verzerrte Agitation gegen angeblich systemimmanente Repression und Willkürhandlungen demokratischer Staaten. 124 Linksextremismus Linksextremisten unterschiedlicher Ausrichtungen zeigten bereits Anfang 2005 ein zunächst noch unstrukturiertes Interesse an der Planung und Vorbereitung von Protesten gegen das Gipfeltreffen 2007. Inzwischen sind Konturen der Mobilisierungsbemühungen zu erkennen; auch der Kreis der Akteure ist seitdem gewachsen. Ziel der Bemühungen sind massenhafte Proteste mit internationaler Beteiligung, mit denen an die Demonstrationen bei vergangenen Gipfeltreffen angeknüpft werden soll. Dabei wird eine möglichst große Bandbreite unterschiedlicher Aktionsformen angestrebt. Linksextremisten verbinden damit die Hoffnung, ihre thematisch und strukturell zersplitterte Szene über den Gipfeltermin hinaus zu konsolidieren. Die von Linksextremisten dominierten Flügel der globalisierungskritischen Organisationen, die sogenannte "Interventionistische Linke" (IL) und das "Dissent!"-Netzwerk, sind bundesweit organisiert und verfolgen unterschiedliche Ansätze hinsichtlich Art und Intensität der Widerstandsformen und des politischen Spektrums, mit dem sie gegen den G8-Gipfel vorgehen wollen: Der deutschsprachige Ableger des - maßgeblich von militant orientierten britischen Globalisierungskritikern zur Vorbereitung von Protesten gegen das G8-Treffen im Juli 2005 in Gleneagles initiierten - Netzwerkes "Dissent!" hatte schon frühzeitig angekündigt, seine Erfahrungen auch gegen das G8-Treffen in Heiligendamm einbringen zu wollen. 2006 konnte "Dissent!" seine organisatorische Basis verbreitern. An bundesweiten Vorbereitungstreffen des Netzwerkes nahmen Angehörige "autonomer, anarchistischer, antiimperialistischer und leninistischer Gruppen" teil. "Dissent!" strebt eine "linksradikale" Bündnisstruktur an, die sich schließlich als "selbstorganisiertes Netzwerk" darstellen soll. Regionale und internationale Vorbereitungstreffen sollen Kommunikationsund Diskussionsstrukturen schaffen, die es der "undogmatischen Linken" ermöglichen, "gestärkt in die Proteste hineinund vor allem gestärkt daraus wieder heraus(zu)gehen". An bundesweiten "Dissent!"-Vorbereitungstreffen nahmen auch Aktivisten aus mehreren europäischen Ländern teil. 125 Linksextremismus Das "Dissent!"-Netzwerk war Mitinitiator eines Mobilisierungscamps ("Camp Inski"; in Anspielung auf das Tagungshotel Kempinski), das vom 04. bis 13.08.06 in Steinhagen/Mecklenburg mit bis zu 1.000 inund ausländischen Teilnehmern stattfand. Im "Camp Inski" wurden bis zu 150 Workshops durchgeführt, u.a. zu den Themen "Antisexismus", "Gentechnik", "Migration", "Militarismus" und "Blockaden". Teilnehmer führten dezentrale demonstrative Aktionen in der Region durch. Im Hinblick auf die von der "Interventionistischen Linken" (IL) angestrebte Bildung eines möglichst breiten, auch nichtextremistische Organisationen umfassenden "Gesamtbündnisses" gegen das G8-Treffen fand vom 10. bis 12.11.06 eine "Internationale Aktionskonferenz zum G8-Gipfel 2007" (auch "2. Aktionskonferenz" bzw. "Rostock II" genannt) in Rostock statt. Dort wurden die anlässlich der "1. Aktionskonferenz" (25./26.03.06 in Rostock) begonnenen Planungen weitergeführt, die u.a. eine Großdemonstration, einen Gegengipfel, migrationspolitische Aktivitäten, Möglichkeiten des zivilen Ungehorsams, Camps und eine Serie von Veranstaltungen im Vorfeld des G8-Treffens umfassten. Sie mündeten in konkrete Absprachen ("Aktionsfahrplan") über den gemeinsamen Vorbereitungsprozess und seine angestrebte Internationalisierung. Laut Impressum der von der IL herausgegebenen Zeitung "G8Xtra" arbeiten "vor Ort" linksextremistische Gruppen und Organisationen wie die "Antifaschistische Linke Berlin" (ALB), "AVANTI-Projekt undogmatische Linke" (Norddeutschland, IV.,5.2) und andere Zusammenhänge aus dem Bundesgebiet sowie Personen aus nichtextremistischen Organisationen in dem IL-Zusammenschluss mit. Erklärtes Ziel der IL ist eine "kraftvolle Delegitimierung der G8", die mit "massenhaften Blockaden" und anderen Protestformen des "sozialen Ungehorsams" erreicht werden soll. Hieran müssten sich allerdings "weit mehr Menschen als sonst üblich" beteiligen, die ihre "Blockaden 126 Linksextremismus ...gerade nicht symbolisch" verstünden, sondern "den ernsthaften und entschlossenen Versuch" unternehmen, den "Gipfel von seiner Infrastruktur abzuschneiden". Dafür sei unerlässlich, dass sich die radikale Linke öffne. Anders als "Dissent!" will die IL demnach über den linksextremistischen Rahmen hinaus "quer durchs außerparlamentarische Spektrum der örtlichen Gruppen und Initiativen bis hinein in die Linkspartei und die großen Verbände, Ost und West, Funktionäre und BasisaktivistInnen, Gewaltfreie und Militante" zusammenbringen, um einen "Zusammenhang von Vielen" zu erreichen. Beide Gruppierungen betreiben ihre Vorbereitungen getrennt voneinander, stehen aber im gegenseitigen Austausch. "Dissent!" vermutet, dass wegen der Schutzmaßnahmen und der örtlichen Gegebenheiten kaum Möglichkeiten bestehen werden, den Tagungsort zu erreichen oder das Treffen nennenswert zu beeinträchtigen. Aus diesem Grund gab es Diskussionen, Teile des zu erwartenden demonstrativen Geschehens in die "nahen" Großstädte Hamburg oder Berlin zu verlegen. Autonome aus dem Umfeld der Roten Flora kündigten an, logistische Unterstützung (Informationsund Anlaufstelle) für auswärtige Globalisierungsgegner leisten zu wollen. So heißt es in einem aus dem "Dissent!"-Netzwerk stammenden Flugblatt, mit der Einrichtung eines "Convergence Center Hamburg" als Anlaufpunkt für Schlafplatzvergabe und zum Informationsaustausch solle der Fokus auch darauf gerichtet werden, "die Profiteure der neoliberalen G8-Politik auch lokal anzugreifen und in die Öffentlichkeit zu zerren". Zu den Protesten linksextremistischer Globalisierungsgegner gehören auch militante Aktionen wie Brandanschläge und Sachbeschädigungen ( IV.,3.u.4). Mit der umfassenden Bekennung (Foto, nachgestellt) zu dem Brandanschlag auf den Pkw des Vorstandsvorsitzenden der Norddeutschen Affinerie am 28.07.05 initiierten die unbekannten LfV HH Täter eine "breite, auch militante Kampagne" gegen das G8-Treffen. Diese wurde im Jahre 2006 mit folgenden Brandanschlägen und Sachbeschädigungen in Hamburg bzw. mit Hamburg-Bezug fortgeführt: 127 Linksextremismus * Im Vorfeld der 42. Internationalen Konferenz für Sicherheitspolitik in München setzten unbekannte Täter am 31.01.06 in Hamburg zwei Lieferwagen der Firma IMTECH in Brand. Zu der Tat bekannte sich eine unbekannte Gruppe "Militante Antimilitaristische Initiative" (M.A.M.I.). Unter der Überschrift "Der NATOSicherheitskonferenz einheizen" ließen sich die Täter gegen die als "MörderInnentreff" bezeichnete Konferenz und gegen die im Rüstungsbereich tätige Firma IMTECH aus. * Am 27.03.06 setzten "Internationalistische Zellen" in Bad Oldesloe/ Schleswig-Holstein sechs Fahrzeuge der Gleisund Schienenbaufirma "Thormählen Schweißtechnik AG" auf dem Firmengelände in Brand. In ihrer Taterklärung "ES FÄHRT KEIN ZUG NACH IRGENDWO" kritisierten die Verfasser den Bau eines Eisenbahnnetzes im Süden des Sudan als "ökonomische Ausbeutung des von jahrzehntelangem Bürgerkrieg heimgesuchten Sudan durch imperialistische Kräfte, zu denen auch die BunSymbolfoto desrepublik Deutschland" gehöre. * Am 27.04.06 war das Fahrzeug des Direktors des "Hamburgischen WeltWirtschafts-Institutes" Ziel eines Brandanschlages. Der Pkw war vor seinem Wohnhaus in Reinbek/Schleswig-Holstein abgestellt. In der Erklärung einer Gruppe "fight 4 revolution crews" diffamierten die Täter den Wissenschaftler als "Stichwortgeber und Wegweiser für Angriffe aufs Proletariat und prekär Beschäftigte". Seine Gutachten hätten dazu angeregt, "Investitionsund Ausbeutungsbedingungen der Bosse" zu verbessern, die Löhne zu senken und "ArbeitnehmerInnen den Gürtel enger schnallen" zu lassen. 128 Linksextremismus * In der Nacht zum 28.09.06 verübte eine Gruppe "Unheilige Allianz Dammbruch" einen Brandanschlag auf ein Fahrzeug des Leiters der Hamburger Niederlassung der Euler-Hermes Kreditversicherung an seinem Hamburger Wohnsitz. Zeitgleich wurde das Wohnhaus des Vorstandsvorsitzenden der Firma mit Farbbeuteln beworfen. Die Täter wandten sich in ihrer Bekennung "Feuer und Flamme für den Götterboten" gegen den Bau mehrerer Staudämme in der Türkei (Ilisu-Projekt), gegen die Beteiligung deutscher Firmen am Projekt und die zu erwartende Entscheidung der Bundesregierung über die Bewilligung einer "Hermes-Bürgschaft als Instrument imperialistischer deutscher Politik". Die Taterklärung endete mit der Parole "Solidarität mit dem Widerstand gegen Ilisu! - Hermes zerlegen!! - G8 Treffen fluten!!!". * Linksextremisten verübten am 23.10.06 einen Brandanschlag auf das Bürogebäude der Reederei Deutsche Afrika-Linien (DAL) in Hamburg. Sie zerstörten eine Fensterscheibe und warfen eine brennbare Flüssigkeit in den Raum. Der nicht unterzeichneten Taterklärung zufolge sollte mit der Aktion an die "kolonialen Wurzeln globaler Herrschaft und Ausbeutung" sowie an das "Weiterleben der deutschen Kolonialgeschichte im alltäglichen gesellschaftlichen Rassismus" erinnert werden. Die DAL sei im 19. und frühen 20. Jahrhundert durch "die Ausplünderung deutscher Kolonien in Afrika und am Krieg und Völkermord im heutigen Namibia" reich geworden. Unter Hinweis auf das G8-Treffen 2005 in Gleneagles kritisierten die Brandstifter den dort beschlossenen "verlogenen Schuldenerlass" und stellten ihre Tat in einen Zusammenhang mit der "laufenden militanten Kampagne" gegen das G8-Treffen 2007. Bereits am 06.05.05 war die DAL Ziel eines Anschlages gewesen: Unbekannte Täter hatten ca. 100 mit Farbe gefüllte Eier gegen die Hausfassade geworfen, Farbe in den Eingangs129 Linksextremismus bereich geschüttet und Parolen gesprüht. Die DAL war in einer Taterklärung aufgefordert worden, Verantwortung für ihre Beteiligung am "Völkermord" im ehemaligen Deutsch-Südwest-Afrika zu übernehmen und Entschädigungen an die betroffenen Stämme der Herero und Nama zu zahlen. * Am 26.12.06 setzten militante Linksextremisten den Pkw des Staatsekretärs im Bundesfinanzministerium vor seinem Wohnhaus in Hamburg-Winterhude in Brand und bewarfen das Haus mit Farbflaschen. Eine "AG Kolonialismus und Krieg in der militanten Anti-G8-Kampagne" begründete die Tat damit, dass das Opfer mit der Vorbereitung des G8-Treffens betraut sei. Bei diesem "Sommerspektakel imperialistischer Weltherrschaft" würden der in einer anderen Bekennung als "verlogen" bezeichnete "Schuldenerlassgipfel von Gleneagles" 2005 fortgesetzt und die "postkolonialistische Afrikapolitik" zur Sicherung von Märkten für die Industrieländer weiter vorangetrieben. * Im G8-Themenzusammenhang sind auch vier Sachbeschädigungen am 30.05.06 an Filialen der Hamburger Sparkasse zu sehen. Die Aktion richtete sich gegen die in Hamburg abgehaltene Tagung des "8. Deutschen Weltbankforums". "Autonome Gruppen" diffamierten in einer Taterklärung die Tagungsteilnehmer als "Technokrateneliten des globalen Reichtums", die die Armut der Menschen innerhalb globaler Ausbeutungsstrukturen organisieren würden. Die Bekennung endete mit den Parolen "FIGHT LAW + ORDER - SMASH G8!". Diese Anschläge werden im Rahmen der militanten Kampagne auch in weiteren linksextremistischen Zusammenhängen als integraler Teil der Gesamtmobilisierung wahrgenommen. So hieß es in einem im Internet veröffentlichten Bericht über eine sogenannte "Dissent!"-Infotour: "Danach kam der Part mit detaillierten Hintergrundinformationen zu Heiligendamm: Eine Präsentation über den Ort selbst, Daten, Überblick über die verschiedenen Mobilisierungen...militante Anschläge." Die deutschen Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass weiterhin eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für die Fortsetzung einer "breiten, auch militanten Kampagne" gegen das G8-Treffen besteht. Daran dürften sich nicht ausschließlich Angehörige militanter, klandestin operie130 Linksextremismus render Zusammenhänge, sondern auch lokale Täter bzw. Tätergruppen beteiligen, die das G8-Treffen mit den jeweiligen Schwerpunkten ihrer politischen Arbeit verknüpfen. Anti-G8-Zusammenhänge in Hamburg Die unterschiedlichen Strömungen der Hamburger G8-Gegner beteiligten sich maßgeblich an den bundesweiten Vorbereitungen der Proteste gegen das G8-Treffen 2007. Die von Linksextremisten dominierten Flügel der globalisierungskritischen Organisationen - die "Interventionistische Linke" (IL) und "Dissent!" - stimmten zwar in ihrer grundsätzlichen Zielsetzung überein, den Gipfel so entschlossen wie möglich zu behindern; ihre Auffassungen über die Umsetzung wichen jedoch voneinander ab. Während die IL zu Massenprotesten vor Ort mobilisiert, bezieht das zu "Dissent!" zählende "Anti-G8-Bündnis" daneben ausdrücklich Protestaktivitäten in Hamburg ein. Für den Hamburger Raum ist innerhalb der IL das in Norddeutschland mit mehreren Regionalgruppen aktive "AVANTI-Projekt für eine undogmatische Linke" ( IV.,5.2) tonangebend. Von ihm wird in unregelmäßigen Abständen die Broschüre "G8 Xtra" herausgegeben. In seiner Ausgabe Winter 06/07 wird ein "Bruch mit dem klassenherrschaftlichen ... rassistischen und imperia(listisch)en System" gefordert und als Ziel der Mobilisierung propagiert, "die Legitimierung der G8 in Frage zu stellen...und sie letztlich zu zerstören". Hierzu wollen sie globalisierungskritische und soziale Bewegungen bis hin zu "militanten Strömungen zusammenbringen" und nach Heiligendamm mobilisieren, um die "lokalen Auseinandersetzungen mit den globalen Kämpfen zu verbinden". 131 Linksextremismus Das "Dissent!" zuzurechnende "Hamburger Anti-G8-Bündnis" verbreitete im Frühjahr 2006 ein Flugblatt, in dem es zu Protesten gegen den Gipfel 2007 mit dem Tenor "den G8 2007 angreifen, stören und verhindern" aufrief. In diesem Papier stellte es sich als "Bündnis von Einzelpersonen und Gruppen aus linken Zusammenhängen in Hamburg und Umgebung" vor, das als Basis für "eine tragfähige und offene Struktur in Hamburg und darüber hinaus" fungiere und sich als Teil eines bundesweiten Netzwerkes verstehe, das sich unter den "pga-eckpunkten" (siehe unten) zusammengefunden habe. Als Vorbild gilt das von britischen Globalisierungskritikern zum G8Treffen in Gleneagles im Juli 2005 initiierte militante "Dissent!"-NetzSymbolfoto werk, als dessen deutscher Ableger sie sich verstehen. Die "PGA-Eckpunkte" (oder auch pga-hallmarks) des anarcho-sozialrevolutionären Netzwerkes "Peoples Global Action" beinhalten folgende Grundsätze: "Eine klare Ablehnung von Kapitalismus, Imperialismus und Feudalismus und aller Handelsabkommen, Institutionen und Regierungen, die zerstörerische Globalisierung vorantreiben. Wir lehnen alle Formen und Systeme von Herrschaft und Diskriminierung ab, einschließlich aber nicht beschränkt auf Patriarchat, Rassismus und religiösen Fundamentalismus aller Art. Wir anerkennen die vollständige Würde aller Menschen. Eine konfrontative Haltung, da wir nicht glauben, dass Lobbyarbeit einen nennenswerten Einfluss haben kann auf undemokratische Organisationen, die maßgeblich vom transnationalen Kapital beeinflusst sind; Ein Aufruf zu direkter Aktion und zivilem Ungehorsam, Unterstützung für die Kämpfe sozialer Bewegung, die Respekt für das Leben und die Rechte der unterdrückten Menschen maximieren, wie auch den Aufbau von lokalen Alternativen zum Kapitalismus. Eine Organisationsphilosophie, die auf Dezentralisierung und Autonomie aufgebaut ist". 132 Linksextremismus Das Verhältnis beider Richtungen ist geprägt von Vorbehalten. Diese betreffen die unterschiedliche Gewichtung der akzeptierten Aktionsformen und das jeweilige Mobilisierungsspektrum. Ende 2006 gab es aber Anzeichen dafür, dass Anhänger beider Lager zugunsten einer breiten Mobilisierung einen unausgesprochenen Minimalkonsens auf der Grundlage gegenseitiger Nicht-Ausgrenzung favorisieren. 5.2 Gruppen und Strukturen in Hamburg Das autonome und anarchistische Spektrum Hamburgs besteht aus ca. 500 Personen, die zu einem beträchtlichen Teil nur anlassbezogen aktiv werden. Autonome und Anarchisten sind extrem organisationsfeindlich und in zahlreiche kleinere Gruppierungen zersplittert. Das beherrschende, gruppenübergreifende Thema im Jahre 2006 war die Vorbereitung auf Proteste gegen das G8-Treffen. "Rote Flora" Auch 2006 war das alternative, in Privatbesitz befindliche Stadtteilzentrum "Rote Flora" im Schanzenviertel zentraler Anlaufpunkt und Sammelstelle der autonomen und subkulturellen Szene in Hamburg. Nicht nur politische und ihnen nahestehende kulturelle Gruppen veranstalteten ihre regelmäßigen Sitzungen und Treffen in dem Gebäude. Neben größeren Szene-Veranstaltungen und -treffen sowie Solidaritätskonzerten und -partys fanden auch Aufführungen und Ausstellungen mit künstlerischem Anspruch statt, die ein breiteres, vorwiegend junges Publikum ansprachen. Die "Flora" (Foto) wird von einem Autonomenplenum "selbstverwaltet", das die inhaltliche Ausrichtung und Aktivitäten der mehrere hundert Personen zählenden Anhängerschaft auf der Grundlage von "Vollversammlungen" vorgibt. Die Rote Flora setzte auch im Berichtsjahr ihre Agitation gegen den Umbau des ehemaligen Wasserturms im Schanzenpark in ein Hotel 133 Linksextremismus fort; sie spielte jedoch im Unterschied zu den Vorjahren keine große Rolle mehr. Zur Fußball-Weltmeisterschaft kam es trotz der großen Besuchermenge im Schanzenviertel nicht zu den erwarteten Auseinandersetzungen mit auswärtigen Hooligans im Bereich der "Flora". Um der "Deutschtümelei" etwas entgegenzusetzen, wurde lediglich am 24.06.06 während des WM-Spiels Deutschland-Polen vom Dach der "Flora" aus die Piazza mit Marschmusik beschallt. Damit sollten die in den umliegenden Lokalen sitzenden Fußballfans gestört werden. Die Auffassungen über die Wirkungsweise solcher Aktionen waren zwiespältig: Forderungen, sich entschieden gegen "Deutschtümelei und Fahnenschwenker" zu positionieren, stand die Skepsis gegenüber, hierfür - angesichts tausender begeisterter Fans, darunter auch viele aus der eigenen Szene - größeres Verständnis wecken zu können. So gingen vereinzelte Protestaktivitäten - wie Fahnenklauen von Autos oder provozierende Aktionen vom Flora-Gebäude oberhalb der Piazza - weitgehend unbemerkt unter. Kritisch kommentierte die "Flora" die Eröffnung des "Kultur-Haus 73", einer kommerziellen Konzert-, Theaterund Begegnungsstätte unmittelbar im Nebengebäude, die sie als weitere Bestätigung für eine zunehmende "Yuppiesierung" des Schanzenviertels interpretierte. Bereits in einem Redebeitrag der "Flora" zum Schanzenfest 2004 wurde festgestellt, dass die "schleichende Umstrukturierung mit der Verdrängung nicht kaufkräftiger Bevölkerungsteile fast abgeschlossen" sei; Drogenabhängige, Einkommensschwache und Obdachlose wären in "diesem Straßenbild nicht mehr erwünscht und werden vertrieben". Diese Verdrängung würde forciert durch die Schließung der Drogenberatungsstelle "Fixstern", steigende Mieten im Schanzenviertel und polizeiliche "Repressionsmaßnahmen" wie Platzverweise und "willkürliche" Festnahmen. Auch in einem Redebeitrag der Antirepressionsgruppe am 01.06.06 anlässlich der Tagung des Weltbankforums in Hamburg - abgedruckt in der von der "Flora" herausgegebenen Zeitschrift ZECK Nr.133 - 134 Linksextremismus wurde die Umstrukturierungspolitik des Hamburger Senates im Schanzenviertel kritisiert. Sie beinhalte die direkte und indirekte Vertreibung jener Menschen aus dem Viertel, die das mondäne Stadtbild störten. Jeder gesellschaftliche Widerspruch werde mit Repression bekämpft. Im Verlauf des "Schanzenfestes" mit etwa 8.000 Besuchern kam es am 09.09.06 zu nächtlichen Ausschreitungen. Störer bauten wiederholt Hindernisse auf und bewarfen vorrückende Polizeikräfte massiv mit Flaschen. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Schlagstöcke ein und nahm 29 Personen vorläufig fest. In der "Zeck" wurden - wie in den Vorjahren auch - aktuelle, szenerelevante Debatten wie Videoüberwachung und szeneinterne Kontroversen aufbereitet, Termine veröffentlicht und regelmäßig Bekennerschreiben zu Sachbeschädigungen und Anschlägen mit linksextremistischem Hintergrund dokumentiert. Immer mehr Raum nahm die Berichterstattung über die Planung von Protestaktivitäten gegen das G8-Treffen 2007 ein ( IV.,5.1). Für Botschaften nutzte die "Flora" auch die beiden an der Vorderfront des Gebäudes befindlichen Plakatwände, die im Berichtsjahr u.a. zu den Themenkomplexen Videoüberwachung, Bettelverbot, "Naziaufmärsche" in Hamburg und Atomanlagen bemalt wurden. Antiimperialistischer Widerstand (AIW) Antiimperialisten verknüpfen Kernelemente des Marxismus-Leninismus mit der Auffassung, dass der Reichtum der Industrienationen auf der ökonomischen Ausbeutung von Ressourcen in den Entwicklungsländern beruht und militärisch gesichert wird. Ihre politische Agitation richtet sich gegen nationale und supranationale Institutionen sowie international tätige Konzerne. In der Vergangenheit lehnten sich Antiimperialisten eng an die Ideologie der 1998 aufgelösten "Roten Armee Fraktion" (RAF) an. Seitdem befassten sie sich hauptsächlich mit Unterstützungsarbeit für Befreiungsbewegungen, u.a. in der Türkei, Palästina und Südostasien, und verloren dabei zunehmend an Bedeutung. Angehörige des "Antiimperialistischen Widerstandes" sind in häufig wechselnden - meistens aus 10 bis 20 Personen bestehenden - Gruppierungen organisiert, die überwiegend das "Internationale Zentrum" in der Brigittenstraße 5 als Treffort nutzen. Wie Autonome 135 Linksextremismus lehnen sie das Gewaltmonopol des Staates ab und reklamieren für sich zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele ein Recht auf Widerstand gegen das "System", wozu auch gewalttätige Aktionen zählen. Zur autonomen Szene unterhielten "AIW"-Gruppierungen lediglich punktuelle, anlassbezogene Kontakte; ihre ideologischen Vorstellungen und politischen Schwerpunkte stoßen dort auf geringe Resonanz. Die Zahl ihrer Angehörigen war auch im Jahre 2006 rückläufig und beträgt ca. 60, überwiegend ältere Personen. Im "Bündnis gegen imperialistische Aggression" arbeiten Personen unterschiedlicher Nationalität mit, die sich im Jahre 2004 auf eine "Plattform" als gemeinsame Arbeitsgrundlage verständigt hatten. "Imperialistische Aggression" wird darin definiert als "das Zusammenspiel der Summe aus ökonomischen, politischen, ideologischen und militärischen Mitteln, mit denen die imperialistischen Staaten versuchen, ihre Herrschaft aufrechtzuerhalten und auszubauen". Die Ursache imperialistischer Aggression wird in der weltweit vorherrschenden kapitalistischen Gesellschaftsordnung gesehen. Das Bündnis will die "bundesdeutsche und europäische Großmachtpolitik entlarven". Die Bedingungen der eigenen Arbeit "werden erst dann grundlegend anders sein, wenn Kapitalismus, Faschismus und Krieg endgültig beseitigt sind". Das Bündnis beteiligte sich am 01.06.06 an der Demonstration gegen das in Hamburg tagende Weltbankforum (Plakat). In einem Redebeitrag hielt es der Weltbank vor, "ein Instrument der westlichen Länder" zu sein, "um ihre Herrschaft über den Rest der Welt zu erhalten und auszubauen" und "Verbrechen in Afrika, im Mittlerenund Nahen Osten vorzubereiten". Das Bündnis verstünde sich als Teil einer Bewegung, die "überall auf der Welt gegen den Imperialismus kämpft". Die "Kurdistan-Solidarität Hamburg" (KS) unterhielt auch im Jahre 2006 enge Kontakte zu Unterstützern des "KONGRA-GEL" (früher PKK; III.,4.). Angehörige der KS hatten sich in den 90er-Jahren in den kurdischen Bergen von der PKK-Guerilla an Waffen ausbilden und ideologisch schulen lassen. Ihre Pläne zum Aufbau illegaler Strukturen in Deutschland gaben sie aber nach der Festnahme des damaligen 136 Linksextremismus PKK-Chefs ÖCALAN und der Einstellung des bewaffneten Kampfes der PKK in der Türkei auf. Nach wie vor engagieren sie sich, z.B. bei Demonstrationen oder Veranstaltungen, gegen die Haftbedingungen in der Türkei und sympathisieren mit den Zielen des KONGRA GEL ( III.,4.). Außerdem unterstützte die KS den Protest gegen das türkische IlisuStaudamm-Projekt und rief zur Rettung der davon bedrohten Stadt Hasankeyf im Südosten der Türkei auf. Dazu veranstaltete sie mehrere Kundgebungen mit Mahnwachen vor der "Euler-Hermes-Kreditversicherung" in Hamburg-Bahrenfeld (Foto). Ihr Protest galt der von der Gesellschaft vorgesehenen "Hermes-Kredit-Ausfallbürgschaft", ohne die das Staudamm-Projekt nicht realisierbar wäre. Mit der Gewährung einer Hermes-Bürgschaft würden einem am 07.07.06 verteilten Flugblatt zufolge "die Regierungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz mitverantwortlich für die Zwangsumsiedlung Zehntausender Menschen..., die Zerstörung eines unersetzbaren Ökosystems und die mögliche Zunahme von Konflikten in der Region". Das "Palästina-Solidaritätsbündnis Hamburg" existiert seit dem Jahre 2002. Nach einem 2005 erstellten Grundsatzpapier arbeiten in ihm "Menschen in internationaler Zusammensetzung, VertreterInnen von Vereinen und Organisationen ebenso wie Einzelpersonen zusammen". Dazu zählen Angehörige propalästinensischer Vereine und Interessengruppen, Antiimperialisten und Autonome. Das Bündnis solidarisiert sich mit dem palästinensischen Volk und will einen "breiten Widerstand gegen die Unterstützung der israelischen Besatzungsund Militärpolitik durch die deutsche Regierung" entwickeln. Unter dem Motto "Stoppt den Krieg gegen das palästinensische und libanesische Volk!" protestierten Bündnis-Angehörige und Unterstützer am 21.07.06 gegen die israelische Militäraktion im Libanon. Zu den Organisatoren gehörten neben dem Palästina-Solidaritätsbündnis und palästinensischen Vereinen auch das "Bündnis gegen imperialistische 137 Linksextremismus Aggression". Etwa 700 Personen beteiligten sich an dem Aufzug, darunter weit überwiegend ausländische Staatsbürger. An Aktivitäten antiimperialistischer Zusammenhänge beteiligt sich auch die aus jüngeren Angehörigen bestehende Gruppe "Sozialistische Linke" (SoL). Sie kooperiert mit Personen und Organisationen des orthodox-kommunistischen Lagers, u.a. mit der "Sozialistischen Deutschen Arbeiter-Jugend" (SDAJ). Ihr InternetLogo aus Hammer und Sichel erinnert an die Symbole des Kommunismus, die sich auf der Flagge der früheren Sowjetunion fanden. Mit der SDAJ gründete die SoL ein "Hamburger Jugendbündnis für Bildung und Ausbildung". Für den 29.11.06 warb die Gruppe mit einem mehrfarbigen Flugblatt für eine Vortragsveranstaltung zum KPD-Verbot: "50 Jahre KPD-Verbot - 50 Jahre Widerstand! Studiert, liebt, erkämpft den Kommunismus!". Als Referenten wurden zwei Alt-Kommunisten angekündigt, die schon der 1956 verbotenen Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) angehört hatten. Mit einem Programm-Flugblatt wurde eine Veranstaltungsreihe zum Thema "Imperialismus und Widerstand" zwischen dem 19.10. und 15.12.06 in dem Kommunikationszentrum in der Brigittenstraße 5 (B5) angekündigt. Zu den Organisatoren gehörten u.a. das "Bündnis gegen imperialistische Aggression", das "Palästina-Solidaritätsbündnis" und SoL. Mit diesen Veranstaltungen, die sich mit der sozialen und ökonomischen Situation u.a. im Baskenland, Mexiko, Palästina und Venezuela befassten, sollte der "Blick auf weltweite Kämpfe um Befreiung, Widerstand gegen Unterdrückung und imperialistische Aggression" gerichtet werden. Im Aufruf wurde den USA und ihren europäischen Verbündeten vorgeworfen, ihre "barbarische Herrschaft" zugunsten des "Reichtums einiger weniger" offensiv zu verteidigen. In einem Beitrag der Gruppe SoL im Rahmen dieser Veranstaltungsreihe am 15.12.06 sollte auch die Kampagne gegen das G8-Treffen im Juni 2007 ( IV.,5.1) thematisiert werden. "Avanti - Projekt undogmatische Linke" Die 1989 als Zusammenschluss zweier autonomer Gruppen aus Schleswig-Holstein entstandene Gruppe "AVANTI-Projekt undogmatische Linke" ist der Autonomenszene nicht eindeutig zuzurechnen. Sie lehnt typisch autonome Verhaltensmuster wie Unverbindlichkeit und 138 Linksextremismus Organisationsfeindlichkeit ab. Ebenso wenig akzeptiert sie die zentralistisch-hierarchische Organisationsform kommunistischer Gruppierungen. In dem Projekt arbeiten weiterhin sechs "AVANTI"-Gruppen aus Norddeutschland zusammen: vier aus Schleswig-Holstein und je eine aus Hamburg und Niedersachsen. "AVANTI" sieht sich als eine der für die revolutionäre Überwindung der heutigen Gesellschaft notwendigen "revolutionären Organisationen". Obwohl die theoretische Basis des Projektes der revolutionär-marxistischer Organisationen ähnelt, entsprechen seine Aktionsformen denen autonomer Personenzusammenhänge. Eine Zusammenarbeit auch mit nicht-linksextremistischen Kräften wird ausdrücklich befürwortet. Unverändert gilt das von "AVANTI" im Jahr 2004 überarbeitete Grundsatzpapier, in dem es programmatisch heißt: "...dass der Kapitalismus revolutionär überwunden werden und an seine Stelle der Sozialismus treten muss, der auf der Vergesellschaftung der Produktionsmittel und der demokratischen Organisation der Produktion und Verteilung beruht....Um eine solche tatsächliche, aktive und umfassende Demokratie durchzusetzen, muss die demokratisch nicht legitimierte Macht des Kapitals gebrochen werden. Deswegen gehen wir von der Notwendigkeit einer Revolution aus, die neue demokratische Strukturen schaffen wird, wie dies in vorangegangenen Revolutionen in Form der Räte der Fall war." Auch zur Frage einer strategischen Anwendung gewaltsamer Aktionsformen bezieht "AVANTI" klar Stellung: "Unsere Utopie ist (...) die einer gewaltund herrschaftsfreien Gesellschaft. Dennoch haben RevolutionärInnen immer wieder zum Mittel der Gewalt gegriffen. (...) Wir sind daher der Überzeugung, dass die Entscheidung zum Einsatz revolutionärer Gewalt sehr genau abgewogen werden muss und nur als letztes Mittel gelten kann." AVANTI befasst sich mit unterschiedlichen Themen. Überregional ist die Mitarbeit in der Kampagne gegen das G8-Gipfeltreffen seit 2005 das Hauptaktionsfeld. Das Projekt unterzeichnete im Juli 2005 als 139 Linksextremismus Teil der "Interventionistischen Linken" (IL; IV.5,1) einen Aufruf zur Zusammenarbeit u.a. des linksextremistischen Spektrums, um einen wirkungsvollen Protest gegen das G8-Treffen zu formieren. Dieses Engagement setzte sich 2006 kontinuierlich fort; AVANTI gehörte damit zu den maßgeblichen Gruppen des IL-Netzwerkes in Norddeutschland. Im Frühjahr 2006 brachte "AVANTI" als Teil des IL-Netzwerks die erste Kampagnenzeitung "G8-Extra" mit heraus und veröffentlichte diese auf seiner Homepage, mittlerweile gibt es zwei weitere Ausgaben. Im August 2006 unterzeichnete das Projekt einen Aufruf "für massenhafte Blockaden des G8-Gipfels". Die Unterzeichner äußern darin ihre Hoffnung, dass "...an möglichst vielen Orten in den nächsten Wochen und Monaten Blockadegruppen entstehen....". Mit einer "gemeinsamen 'Blockade on Tour'-Rundreise" wollten sie ab Herbst 2006 die Gruppenbildung unterstützen, um ein "gemeinsames Blockadenetzwerk" ins Leben zu rufen. Im November 2006 folgte auf der "AVANTI"-Homepage die Aufforderung, den Protest gegen den in diesem Monat stattfindenden Castor-Transport ( IV.,5.3.4) als Trainingsmöglichkeit für die geplanten Massenblockaden zu nutzen. In Hamburg wurden im März 2006 auf einer Veranstaltung von "AVANTI" "neue Formen der Zusammenarbeit der Linken" im Kontext der Anti-G8-Mobilisierung diskutiert. Schwerpunktmäßig arbeitet "AVANTI" hier jedoch in den Bereichen Antifaschismus und Sozialpolitik. Die Hamburger Gruppe beteiligte sich seit 2005 aktiv an dem linksextremistisch beeinflussten "Hamburger Bündnis gegen Rechts" (HBgR). Im März 2006 unterstützte das Projekt eine spontane Protestaktion gegen ein Treffen von Kriegsveteranen und im Oktober eine antifaschistische Demonstration gegen einen Aufmarsch der NPD ( IV.,5.3.1). Im April 2006 gab es eine Diskussionsveranstaltung zu den gewalttätigen Protesten jugendlicher Vorstadtbewohner in Frankreich, im Juni wurde eine Veranstaltung zur Thematik Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse organisiert. Im Mai 2006 beteiligte sich AVANTI u.a. mit einer Infoveranstaltung in Hamburg und der Organi140 Linksextremismus sation einer Anfahrt der Hamburger Antifa-Szene zu einer Demonstration gegen einen rechtsextremistischen Aufmarsch in Rostock. AVANTI veröffentlichte in unregelmäßigen Abständen die Publikation "AVANTI Positionen", in der zu Grundsatzthemen oder aktuellen Ereignissen Stellung genommen wird. "Rote Hilfe e. V." Die "Rote Hilfe e.V." geht auf eine gleichnamige Organisation der "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) in der Weimarer Republik zurück. Um Gesinnungsgenossen in "politischen" Prozessen finanzielle Hilfe leisten zu können, insbesondere für Anwaltsund Gerichtskosten, erhebt die "Rote Hilfe" Mitgliedsbeiträge und sammelt Spenden. Sie ist unabhängig und versteht sich als Selbsthilfeeinrichtung für die gesamte linksextremistische Szene. Der Verein hat bundesweit mehrere tausend Mitglieder (Bund: etwa 4.400, Hamburg: etwa 400), von denen nur die wenigsten aktiv sind. Wie schon 2005 befasste sich die Hamburger Ortsgruppe mit der Novellierung des Hamburger Polizeigesetzes sowie der nach ihrer Meinung zunehmenden staatlichen Repression. Hierzu organisierte sie im Frühjahr 2006 eine Podiumsveranstaltung in der "Hafenvokü", einer "Volksküche" in der St.Pauli-Hafenstraße 116. Weitere, im gleichen Zeitraum durchgeführte Veranstaltungen hatten den Tenor "Solidarität ist eine Waffe!" und bezogen sich auf den jährlichen "bundesweiten Aktionstag für die Freiheit der politischen Gefangenen und gegen staatliche Repression" im März. In einer Publikation veröffentlichte die "Antirepressionsgruppe Wasserturm" ( IV., 5.3.3) einen Artikel zum Sachstand der laufenden SS 129 StGB-Verfahren in Hamburg wegen eines Brandanschlages und dreier Sachbeschädigungen am 04.03.05 im Zusammenhang mit dem Umbau des Wasserturms im Schanzenpark. Die "Rote Hilfe" verwies in dem Artikel auf ein von ihr eingerichtetes Spendenkonto für die Prozesskosten. 141 Linksextremismus "Libertäres Kulturund Aktionszentrum" (LKA) und "Libertäres Zentrum" (LIZ) Der Anarchismus beruht anders als der Kommunismus nicht auf einer klar umrissenen Ideologie. Es gibt weder einheitliche Organisationsstrukturen noch verbindliche Vordenker. Die zahlenmäßig schwache anarchistische Szene Hamburgs besteht im Wesentlichen aus zwei unterschiedlichen und weitgehend voneinander unabhängigen Strömungen. Für Anarchisten vergleichsweise gut organisiert ist die "Freie ArbeiterInnen Union (FAU)" - Ortsgruppe Hamburg. Ihr Haupttreffpunkt ist das "Libertäre Kulturund Aktionszentrum (LKA)". Die FAU bezeichnet sich als anarchosyndikalistische Gewerkschaft. Sie wurde 1977 als deutsche Sektion der "Internationalen ArbeiterInnen Assoziation" (IAA) gegründet. Die FAU ist in unabhängigen Betriebs-, Branchenund Ortsgruppen organisiert. "Diese sind bundesweit (in der FAU) und international (in der IAA) zusammengeschlossen. Einmal jährlich findet ein gemeinsamer Kongress aller Ortsund Branchengruppen statt" (Homepage der FAU), auf dem alle Fragen diskutiert werden, die die Gesamtorganisation betreffen. Die Ortsgruppen koordinieren sich zudem bei regelmäßig stattfindenden Regionaltreffen. Die FAU gibt die anarchosyndikalistische Zeitung "Direkte Aktion (DA)" heraus. Danach strebt die Gruppierung "die herrschaftslose, ausbeutungsfreie, auf Selbstverwaltung begründete Gesellschaft" an. "Die Selbstbestimmung in allen Lebensbereichen" sei die "grundlegende Idee des AnarchoSyndikalismus". Jedwede Organisation in zentralistisch aufgebauten Organisationen, wie z.B. in Parteien, wird abgelehnt. Um ihren Interessen Nachdruck zu verleihen, kommen sämtliche "Mittel der direkten Aktion in Frage, wie z.B. Besetzungen, Boykotts, Streiks etc." In Hamburg beschränkten sich die Aktionen 2006 auf die Teilnahme an Demonstrationen und die Organisation von Solidaritätsveranstaltungen. Einige Mitglieder der FAU-Hamburg betreiben seit 1999 die "Cafe Libertad Kooperative" Vertriebsgesellschaft oHG in Altona. Mit den Verkaufserlösen werden aufständische Bauern in Mexiko finanziell und ideell unterstützt. 142 Linksextremismus Die FAU solidarisierte sich im Jahr 2006 mit Angestellten spanischer Handelsketten, die gegen schlechte Arbeitsbedingungen und Entlassungen kämpften. Neben verschiedenen Flugblattaktionen wurde Geld zur Unterstützung der Streikenden gesammelt. Im August fand hierzu im "LKA" eine "Solikneipe" für Streikende in Barcelona statt, für die auch eine Sonderseite auf der FAU-Homepage eingerichtet wurde. Traditionell beteiligte sich die FAU auch 2006 wieder am 1. Mai-Umzug des DGB in Harburg. Danach schlossen sich Mitglieder der FAU den etwa 1.000 Teilnehmern der "sozialrevolutionären Demonstration" im Schanzenviertel an (Motto: "Kapitalismus abschaffen"). Neben den festen Einrichtungen im LKA, wie dem Zentrumsplenum und einer Bibliothek, fanden hier von September bis November mehrere Jubiläumsveranstaltungen mit Vorträgen, Musik, Lesungen und Filmen unter dem Titel "70 Jahre spanische Revolution, 20 Jahre Libertäres Zentrum, 30 Jahre FAU" statt. Von den traditionellen Anarchisten, die sich noch bis vor wenigen Jahren im "Libertären Zentrum" (LIZ) trafen, sind nur noch RestStrukturen verblieben. Eine einheitliche ideologische Ausrichtung der Besucher des LIZ ist inzwischen nicht mehr auszumachen. Stattdessen ist das LIZ ein Treffpunkt für eine vorwiegend junge autonome Szene Hamburgs geworden, die sich mit anarchistischen Klassikern befasst. Es handelt sich insoweit um einen losen anarchistischen Zusammenschluss. Gemeinsam werden Demonstrationen und Veranstaltungen der linksextremistischen, autonomen und anarchistischen Szene besucht. Zu den festen Einrichtungen im LIZ gehören regelmäßige "Volxküchen" und "Vegan Brunchs". Des Weiteren finden häufig "SoliCocktailpartys" statt, z.B. zur Unterstützung der "Anti-Repressionsgruppe Wasserturm". 5.3 Aktionsfelder 5.3.1 "Antifaschismus" Ein zentrales Aktionsfeld der autonomen Szene ist nach wie vor der "antifaschistische Kampf" gegen Rechtsextremisten. Linksextremistische Antifaschisten sind Teil eines breit gefächerten, insbesondere 143 Linksextremismus unter Jugendlichen bis in das bürgerliche Lager reichenden Spektrums. Ihre Aktionen umfassen demonstrative Proteste gegen öffentliches Auftreten der rechtsextremistischen Szene bis hin zu direktem Vorgehen gegen einzelne Personen. Die Bereitschaft zur Gewaltanwendung gilt nur für den autonomen Teilbereich des Antifa-Spektrums und wird als legitim im Rahmen des "Kampfes gegen Rechts" angesehen. Die Chancen für eine Eskalation von Konflikten werden - bei entsprechenden Kräfteverhältnissen - geradezu gesucht. Autonome Antifaschisten beteiligen sich auch an Informationsveranstaltungen über rechtsextremistische Strukturen. Gewöhnlich überlassen sie die Federführung dabei aber den Vertretern von Antifa-Gruppierungen mit orthodox-kommunistischem Hintergrund. Der Zerfall der bundesweiten Antifa-Bündnisse nach dem Jahr 2000 ging in Hamburg mit dem Auseinanderbrechen der regionalen Strukturen und der Auflösung der dazu zählenden "Antifa-Gruppen" einher. 2005 wurde dieser Trend gestoppt und ein Konsolidierungsversuch unternommen, der sich im Jahre 2006 fortsetzte. Die wesentlichen in Hamburg aktiven Antifa-Zusammenhängen sind: "Antifa Info Pool Hamburg", "autonome.harburger.antifa" (aha), "Autonome Jugendantifa Hamburg" (AUJAH), "Antifaschistisches Bündnis Nord" und das linksextremistisch beeinflusste "Hamburger Bündnis gegen Rechts" (HBgR). Sporadische Aktivitäten wurden ferner von der "Autonomen Linken Hamburg" (ALi), dem "Antifa Infotelefon Hamburg" und der "Antifa Hamburg Nord" festgestellt. Der "Antifa Info Pool Hamburg" engagiert sich seit Mitte 2004 kontinuierlich in der autonomen Szene Hamburgs. Seine Initiatoren bezeich144 Linksextremismus nen sich als "Zusammenschluss von Personen verschiedener Hamburger Gruppen und Projekte der radikalen Linken", der zur "Stärkung lokaler Antifa-Strukturen beitragen" will. Über seine Homepage werden Informationen über Termine und Veranstaltungen der Antifa-Szene sowie über aktuelle relevante Entwicklungen verbreitet. Daneben entfaltet der "Antifa Info Pool Hamburg" auch eigene Aktivitäten. Ein Schwerpunkt ist, wie ein Gruppenvertreter in einem Interview mit dem "AntiBerliner" im Januar 2006 bestätigte, die "Jugend-Antifaarbeit". Im März 2005 hatte er auf seiner Internetseite Jugendliche unter 18 Jahren mit Interesse an antifaschistischer Arbeit aufgefordert, sich bei ihm zu melden. Dass die Initiative erfolgreich war, kann aus dem Auftreten einer neuen Jugend-Antifagruppe mit autonomer Ausrichtung Mitte 2005 geschlossen werden. Anfang Juli 2005 luden die "Autonome Jugendantifa Hamburg" (AUJAH) und der "Antifa Info Pool Hamburg" "antifaschistische Jugendliche aus Hamburg und dem Umland" zu einem Antirepressions-Wochenendseminar ein, denn "antifaschistischer Widerstand" sei "mehr als diskutieren und demonstrieren". Seit September 2006 bietet die neue Jugend-Antifagruppe wöchentlich einen "Jugendantifa-Tag" mit "Tipps und Infos" an. Zu den Anliegen des "Antifa Info Pools" zählte auch eine Belebung der Szene. Ende Mai 2006 teilte er unter der Überschrift "Zusammen kämpfen, zusammen feiern" mit, dass sich "aus Teilen der aktiven antifaschistischen Szene in Hamburg" ein Zusammenhang gebildet hätte, welcher ein Mal monatlich ein "antifa-cafe" anbieten wolle. Ziel dieser Initiative sei es, "die antifaschistische Linke weiter zu stärken und feste Treffpunkte zu etablieren". Hierbei handelte es sich um den ersten übergreifenden Vernetzungsansatz der autonomen AntifaSzene seit Jahren. Die "autonome harburger antifa" (aha) führte die Mehrzahl ihrer Aktionen im Bezirk Harburg aus. Dieser Stadtteil war im Vorjahr ein Schwerpunkt der öffentlichen Agitation Hamburger Rechtsextremisten und deshalb Schauplatz häufiger, teilweise gewalttätiger Konflikte zwischen Anhängern beider Lager. Höhepunkt der Kontroverse war die Antifa-Kampagne "Stadt.Land.Fluss - Kein Raum den Nazis" der Harburger Antifa-Szene, die sich auf das "Outen" von Harburger Protagonisten des rechtsextremistischen Spektrums konzentrierte. 145 Linksextremismus Die Auseinandersetzungen flauten im Jahr 2006 merklich ab. Lediglich im ersten Halbjahr kam es zu Aktivitäten des Harburger AntifaSpektrums mit zum Teil gewalttätigem Verlauf. Im März und April 2006 traktierten Angehörige der autonomen Antifa-Szene Harburgs mit Schlägen und Tritten in der S-Bahn Vertreter des gegnerischen Lagers. Im Mai 2006 mobilisierte die Harburger Antifa-Szene zu Protesten gegen eine örtliche NPD-Kundgebung. Nach Beendigung der Gegenkundgebung konnte die Polizei ein Zusammentreffen beider Seiten nur durch einen Wasserwerfereinsatz verhindern. Die "Outing"-Aktion in Harburg, die 2005 bundesweit Anerkennung in der antifaschistischen Szene gefunden hatte, wurde im April 2006 weniger spektakulär fortgesetzt (Foto). Ziel waren wiederum Rechtsextremisten aus der NPD ( V.,7.1) und Angehörige der "Neonaziund Skinheadszene Bramfeld" ( V.,4.1.). In Briefkästen bzw. ihrem unmittelbaren Wohnumfeld wurden Flugblätter mit der Überschrift "Achtung !!! Hier wohnt ein führender Neonazi!" und dem Aufruf "Keine Ruhe für Neonazis! Neonazis, Rassismus und Antisemitismus angreifen!" verteilt bzw. angebracht. Spontankundgebungen wie in Harburg unterblieben jedoch. Unterzeichnet waren die Flugschriften vom "Antifaschistischen Bündnis Nord". Im Juli 2006 berichtete der "Antifa Info Pool Hamburg" auf seiner Homepage über eine erneute "Outing"-Aktion bei drei weiteren Rechtsextremisten. Etwa 20 Personen seien demnach vor deren Wohnungen bzw. Arbeitsplatz gezogen und hätten mit Megaphon, Flugblättern und Transparenten Anwohner über die politische Ausrichtung ihrer Nachbarn "aufgeklärt". Zu einem direkten Zusammentreffen von autonomen Antifas mit Rechtsextremisten kam es nicht. Weitere Antifa-"Aufklärungsaktionen" galten auch im Jahre 2006 sogenannten "Naziläden". Hiermit bezeichnet die "Antifa-Szene" Läden, die vorzugsweise bei Rechtsextremisten beliebte Bekleidung verkaufen, wie die Marke "Thor Steinar". Nachdem es nach einer Demonstration gegen ein Geschäft in der Talstraße im September 2005 ruhiger um dieses Thema geworden war, wandte sich die Szene ab März 2006 in Artikeln autonomer Publikationen und einer Veranstaltung in 146 Linksextremismus der "Roten Flora" wieder verstärkt diesem Laden zu. Im Mai 2006 kündigten die Ladeninhaber die Schließung zum 30.09.06 an. Antifas mobilisierten anlässlich der Abschiedsparty des Geschäftes am 29.09.06 zu einer Demonstration, an der etwa 250 Personen teilnahmen. Nach verbalen Provokationen und vereinzelten Flaschenwürfen endete der Protest mit dem Bau von Barrikaden und dem Entzünden von Müllcontainern. Anfang Mai 2006 führte die "Autonome Linke Hamburg" (ALi) in Kooperation mit einer Göttinger Gruppe eine weitere Infoveranstaltung in der "Flora" durch, mit der zu einer Antifa-Demonstration am 13.05.06 gegen eine rechtsextremistische Kundgebung in Göttingen mobilisiert wurde. Auch diese Demonstration verlief unfriedlich. Etwa 6.000 Demonstranten beteiligten sich an dem Protestzug. Aus dem Block der Autonomen - ca. 800 Personen - wurde die Polizei wiederholt mit Flaschen und Feuerwerkskörpern beworfen. Mehrfach versuchten die Linksextremisten - als "Rechte" verkleidet - zum Kundgebungsort der Rechtsextremisten zu gelangen. Auch gegen öffentliche Aktivitäten von Mitgliedern der NPD und Neonazis in Hamburg fanden militante Aktionen von Autonomen statt. Am 03.06.06 musste die NPD einen Infostand in Eimsbüttel vorzeitig abräumen, nachdem Gegendemonstranten vor dem Stand "Nazis raus!" skandiert hatten und gewalttätig geworden waren. Der "Antifa Info Pool" bezeichnete den Vorfall, bei dem der Infotisch zu Bruch ging, als "antifaschistischen Unfall" und rief zum Widerstand gegen eine weitere NPD-Kundgebung am 08.06.06 auf: "Der Platz ist (...) sehr belebt und unübersichtlich. Seid also kreativ, schließt euch mit GenossInnen zusammen und überlegt euch, wie ihr antifaschistischen Widerstand effektiv gestalten könnt! Hört euch auch in eurem Umfeld um, sicherlich kennt jemand eine Möglichkeit, den Faschisten an der Osterstraße mal ordentlich die Meinung zu sagen (natürlich streng im Rahmen der BRD-Gesetzgebung)." Bereits eine halbe Stunde nach Beginn der Gegenkundgebung blockierten ca. 150 Demonstranten der autonomen Szene eine in unmittelbarer Nähe befindliche Straßenkreuzung und griffen die eingesetzten Beamten an. Als die Zahl der Protestierer bis auf 800 Personen anwuchs und die Polizei massiv mit Wurf147 Linksextremismus gegenständen angegriffen wurde, setzte sie Wasserwerfer ein. Schon im Vorfeld der Gegenkundgebung waren abziehende Teilnehmer des NPD-Aufzuges von Autonomen mit Steinen beworfen worden. Die Polizei musste auch die daraus entstandene Schlägerei zwischen beiden Lagern unterbinden. Bereits im März 2006 meldete die NPD einen Aufmarsch durch die Hamburger Innenstadt für den 14.10.06 an. Antifaschisten der linksextremistischen Szene bis hin zu Angehörigen des linksliberal-bürgerlichen Lagers mobilisierten ihre Anhänger frühzeitig zu Gegenaktivitäten. Das linksextremistisch beeinflusste "Hamburger Bündnis gegen Rechts" (HBgR) meldete eine Gegendemonstration an und rief zur Teilnahme an einem "Antifaschistischen Aktionstag gegen die Nazi-Demonstration" auf. Das "Antifa-Infotelefon" kündigte eine "Aftershow-Party" in der "Flora" zur Mitfinanzierung der Demonstrationskosten an. Auch die "Autonome Linke Hamburg" (ALi) meldete sich per Demonstrations-Aufruf zu Wort und rief dazu auf, dem Aufmarsch "offensiv entgegentreten" und ihn "mit allen notwendigen Mitteln" zu behindern. Entsprechend der Aufforderung: "Kommt zur Antifa-Demonstration und werdet darüber hinaus aktiv! Seid entschlossen und kreativ!" verlagerten autonome Antifaschisten ihre eigenen Aktivitäten nach Ende der vom HBgR angemeldeten Demonstration mit ca. 2.000 Teilnehmern durch die Neustadt nach Wandsbek. Der Aufmarsch der NPD, der Auflagen zufolge dort stattfinden sollte, musste wegen eines Polizeieinsatzes gegen ca. 500 Autonome mehrfach umgeleitet werden. Gewaltbereite Gegendemonstranten versuchten wiederholt, die polizeilichen Absperrungen zu umgehen und sich dem Demonstrationszug der Rechtsextremisten zu nähern. Sie bewarfen Polizisten mit Flaschen und Steinen, entzündeten Kleinfeuer, beschädigten Pkw und warfen Müllsowie Glascontainer um. Zur Kontrolle der Situation musste die Polizei Wasserwerfer und Schlagstöcke einsetzen. 148 Linksextremismus Auch überregional beteiligten sich Hamburger Autonome an z.T. gewalttätigen Aktionen gegen Aufmärsche von Rechtsextremisten. Ende März 2006 führte die "Autonome Linke Hamburg" (ALi) in der "Roten Flora" eine Mobilisierungsveranstaltung zu einer Antifa-Demonstration am 01.04.06 in Lübeck durch. Die Demonstration gegen einen Gedenkmarsch des rechtsextremistischen Spektrums verlief mit ca. 3.000 Teilnehmern, darunter ca. 200 aus Hamburg, zunächst störungsfrei. Als es gewaltorientierten Kleingruppen nach Beendigung der Demonstration aufgrund der starken Polizeipräsenz jedoch nicht gelang, an den Demonstrationszug der Rechtsextremisten heranzukommen, gab es Ausschreitungen in der Innenstadt. Aus größeren Gruppen wurden Steine auf Polizeibeamte geworfen und diese zudem u.a. mit Eisenstangen angegriffen. Papiercontainer wurden in Brand gesteckt und Straßensperren errichtet. 5.3.2 Antirassismus Seit Jahren ist das Thema Antirassismus - mit unterschiedlicher Gewichtung - ein wesentliches Aktionsfeld für Einzelaktivisten und Gruppierungen des linksextremistischen Spektrums. Sie agitieren gegen vermeintlich rassistische Denkund Verhaltensmuster in Staat und Gesellschaft und propagieren die "Überwindung der herrschenden Verhältnisse". Mit unterschiedlichen Aktionsformen wie Demonstrationen, Veranstaltungen und öffentlichkeitswirksamen - z.T. auch militanten - Aktionen protestieren Linksextremisten insbesondere gegen die Asylund Abschiebepolitik. Antirassistische Propaganda und Aktionen richten sich u.a. gegen Personen, die für die Gestaltung und Umsetzung der Asylpolitik verantwortlich gemacht wurden und gegen Firmen, denen unterstellt wurde, als "Profiteure des Rassismus" an der "Abschiebemaschinerie" zu verdienen. Linksextremisten streben bei Protestaktionen häufig eine Zusammenarbeit mit demokratischen Organisationen an. Dabei versuchen sie, die Zielrichtung der Aktivitäten zu dominieren. Im Rahmen zeitlich begrenzter Kampagnen mit regionalen oder inhaltlichen Schwerpunk149 Linksextremismus ten werden Forderungen wie "genereller Abschiebestopp" und "Grenzen auf - Bleiberecht für alle" erhoben. Linksextremistische Antirassisten propagieren dabei auch die Bekämpfung des Kapitalismus, weil dieser für rassistische Zustände in der Gesellschaft ursächlich sei. "Migration" soll auch während des G8-Treffens 2007 ein "bestimmendes Thema der Proteste" sein ( IV.,5.1). Im Vordergrund soll die Forderung nach globaler Bewegungsfreiheit für alle Flüchtlinge stehen, unabhängig davon, ob sie Europa bereits erreicht haben oder noch an den Grenzen warten. Flüchtlinge seien gezwungen, ihre Länder zu verlassen, weil ihre Existenzgrundlagen durch Krieg, Diktatur oder sexistische Verfolgung zerstört würden. Viele dieser Gründe hätten direkt oder indirekt "mit der herrschenden Welt(wirtschafts)ordnung" zu tun. Aus diesem Grund wollen sich verschiedene antirassistische Gruppen und Netzwerke aktiv an der Mobilisierung gegen den Gipfel beteiligen. Sie möchten aufzeigen, auf welche Weise die Politik der "reichen Industrieländer" direkt am Zustandekommen von Flucht und Migration beteiligt ist. Exemplarisch erwähnen sie die "dramatischen, insbesondere durch IWF, WTO, transnationale Konzerne und die EU/USAAgrarpolitik vorangetriebenen Zerstörungsprozesse kleinbäuerlicher Existenzgrundlagen, ob in Westafrika, Lateinamerika oder zahlreichen asiatischen Ländern". Im Vorfeld des G8-Treffens 2007 soll eine von mehreren antirassistischen Netzwerken organisierte Tour von Süddeutschland nach Heiligendamm veranstaltet werden, "...mit Stops überall dort, wo bereits Flüchtlinge und MigrantInnen für ihre Rechte kämpfen, ganz gleich, ob es sich um Kämpfe gegen Lager, Abschiebungen oder Lohnbetrug handelt". Die Hamburger Innenbehörde und das Innenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern nahmen Ende September 2006 ihre Zusammenarbeit bei der Erstunterbringung von Asylbewerbern und anderen ausländischen Flüchtlingen auf, nachdem sich die Hamburger Zuzugszahlen von 2.257 Antragstellern im Jahr 2001 auf 529 im Jahr 2005 kontinuierlich verringert hatten. Auch die Zahl der Dul150 Linksextremismus dungs-Antragsteller ging in Hamburg von 2.662 Personen (2001) auf 299 (2005) deutlich zurück. Hamburg nutzt aus diesem Grund seit 2005 die zentrale Einrichtung des Landes Mecklenburg-Vorpommern in Nostorf-Horst mit. Zeitgleich wurde das Wohnschiff "Bibby Altona" geschlossen. In Hamburg verbleibt lediglich eine Anlaufstelle mit Übernachtungsmöglichkeit, von der aus ein Bustransfer nach Nostorf besteht. Linksextremisten monierten, dass die "Entrechtung" der dort untergebrachten Menschen unbemerkt von der Öffentlichkeit vorangetrieben werde. Antirassistische Gruppen bezeichneten Hamburg daraufhin als "Vorreiter einer rigiden Ausgrenzungsund Abschiebepolitik". Mit der "Aus-Lagerung der Erstaufnahmeeinrichtung" - die bundesweit einen Präzedenzfall darstelle - machten die Hamburger Behörden deutlich: "Flüchtlinge sind in dieser Stadt unerwünscht und sollen möglichst weit weg - aus den Städten in die Wälder, und am liebsten ganz raus aus Europa". In die antirassistische Agitation werden auch Themen einbezogen, die mit der deutschen Kolonialgeschichte in Afrika zusammenhängen. Antirassistisch motivierte Linksextremisten verübten in diesem Zusammenhang in der Nacht zum 23.10.06 einen Brandanschlag auf die Reederei "Deutsche Afrika-Linien GmbH & Co. KG" in Hamburg ( IV.,5.1). 5.3.3 Linksextremistisch beeinflusste Initiativen gegen Stadtentwicklung Seit Ende 2004 wendeten sich Anwohner-Initiativen und unorganisierte Teile der Bevölkerung mit unterschiedlichsten Protestformen gegen den Umbau des ehemaligen Wasserturms im Schanzenpark in ein Hotel. Allgemein richteten sich die Proteste gegen eine eingeschränkte Nutzung des angrenzenden Parkgeländes, einschneidende Veränderungen des Viertels zu Lasten einkommensschwacher 151 Linksextremismus Bevölkerungsteile und steigende Mieten. Linksextremisten - insbesondere die im Schanzenviertel konzentrierte autonome Szene - stellten das Bauvorhaben darüber hinaus in einen inhaltlichen Zusammenhang mit dem Senatskonzept der "Wachsenden Stadt", das sie als umfassenden "Angriff auf öffentliche Räume" im Zuge einer fortschreitenden Kommerzialisierung und Vertreibung von Andersdenkenden und Minderheiten betrachten. Der von Autonomen propagierte Widerstand gegen das Hotelprojekt - hochstilisiert zu einem über Hamburg hinausreichenden Protest mit Symbolcharakter - war eingebettet in die grundsätzliche Auflehnung gegen staatliche Umstrukturierungsmaßnahmen und den Kampf gegen das "kapitalistische Herrschaftssystem". Dieses sei verantwortlich für die "ganze Misere", zu der auch staatliche Repression wie Platzverweise gegen Drogendealer, Videoüberwachung und Unterbindung jeglicher Kreativität bei Demonstrationen gehörten und müsse "abgeschafft werden". Während nichtextremistische Hotelgegner in den Jahren 2004 und 2005 ihren Protest gegen den Wasserturm-Umbau auf Demonstrationen und Veranstaltungen friedlich artikulierten, nutzten Autonome solche Demonstrationen zu gewalttätigen Ausschreitungen und begingen zahlreiche Sachbeschädigungen an der Baustelle und gegen Firmen, Behörden und an Wohnsitzen von Personen, die in den Hotelbau involviert sind. Bei einem Anschlag am 25.11.05 gegen eine beteiligte Baufirma entstand durch das Zerstechen von 50 Lkw-Reifen ein Sachschaden von ca. 12.000 EUR. Ermittlungen des LKA führten zu einem Tatverdächtigen, dem auch eine Beteiligung an vorausgegangenen Sachbeschädigungen vorgeworfen wurde. Er gehört dem nicht ausschließlich von Linksextremisten gebildeten "Freien Netzwerk zum Erhalt des Schanzenparks" an und wurde am 25.11.06 vorläufig festgenommen. Bei Durchsuchungsmaßnahmen in seiner Wohnung und an seinem Arbeitsplatz wurde eine handgeschriebene Version der nach der Tat per E-Mail versandten Bekennung gefunden. Gegen eine weitere Tatverdächtige wurde ebenfalls ermittelt. Vermutlich als Folge dieser strafprozessualen Maßnahmen gingen die Proteste und Gewalttaten im Jahre 2006 deutlich zurück. Eine 152 Linksextremismus friedlich verlaufene Demonstration unter dem Tenor "Mövenpick zu Gast bei Feinden - Kein Hotel im Wasserturm" am 14.01.06 durch das Schanzenviertel konnte mit ca. 450 Teilnehmern annähernd an Teilnehmerzahlen der Vorjahresdemonstrationen anknüpfen - weitere Protestzüge blieben aus. Auch die Zahl der Sachbeschädigungen ging im Berichtsjahr stark zurück. Charakteristisch für das Aktionsniveau im Jahre 2006 waren kleinere, nahezu unbemerkte Transparent-Aktionen oder Rütteln am Bauzaun, was in wenigen Fällen zu Auseinandersetzungen mit Ordnungskräften führte. Militante Hotelgegner begingen 2006 zwei Sachbeschädigungen: * Am Firmensitz der Bauträgergesellschaft bohrten unbekannte Täter am 07.06.06 ein Loch in einen Fensterrahmen auf der Rückseite des Gebäudes. Anschließend spritzten sie rote Farbe durch das Bohrloch und brachten den Schriftzug "Kein Hotel" an. * In der Nacht zum 18.10.06 beschädigten unbekannte Täter einen Bagger einer mit Arbeiten beauftragten Firma. Sein Heck wurde mit "Keine Geschäfte mit Patrizia - Kein Hotel!" besprüht. Der Sachschaden betrug ca. 7.000 EUR . Zu beiden Taten liegen - im Gegensatz zu den in den Vorjahren verübten Sachbeschädigungen - keine Bekennerschreiben vor. Im Dezember 2006 kam es zu dem Versuch einer Besetzung (Foto), als acht Personen den Bauzaun überwanden und das Gerüst am Wasserturm bestiegen. Dort entrollten sie Transparente mit dem Tenor "Wachsende Stadt zerstören" und "Besetzt". Die Polizei stellte die Personalien fest und erteilte Platzverweise. Im Park hielten sich zeitgleich mehrere Sympathisanten der Aktion auf, die ebenfalls mit einem Platzverweis belegt wurden. Unter beiden Personengruppen 153 Linksextremismus befanden sich Angehörige des "Freien Netzwerkes..." und der autonomen Szene aus dem Umfeld der "Roten Flora". Im März 2005 hatten größtenteils unbekannte Täter mehrere Sachbeschädigungen und einen Brandanschlag in Hamburg und Lübeck verübt. Nach der Bekennung einer "Arbeitsgruppe für einen Kolbenfresser im Motor der wachsenden Stadt" zielten die Taten darauf ab, den "sensiblen Tourismus-Sektor" und das Investitionsklima der Stadt zu beeinträchtigen. Zwei aus Hamburg stammende Tatverdächtige konnten kurz nach der Sachbeschädigung an einem Lübecker Hotel vorläufig festgenommen werden. Die als Bestandteil der extremistischen Kampagne gegen Stadteilentwicklung agierende Antirepressionsgruppe stellte in der Ausgabe Nr. 134 der Autonomenschrift "ZECK" die Broschüre "Repression und Widerstand" vor. Diese geht auf die Mobilisierungskampagne ein, die sich gegen die Privatisierung des Schanzenparks und die fortschreitende Aufwertung des Schanzenviertels wendet. Das Hotelprojekt wird darin als Teil der Politik des Hamburger Senates, der sogenannten "Wachsenden Stadt", angegriffen. Die Mobilisierungskampagne sei von Anfang an "staatlichen Repressionen" ausgesetzt. Nach dem Verständnis der Verfasser ist der "Widerstand gegen staatliche Repression nicht Inhalt emanzipatorischer Politik, sondern eine ihrer Rahmenbedingungen. Ziel bleibt es, die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen." Bei den zur Zeit laufenden Strafverfahren geht es nach Ansicht der Antirepressionsgruppe um die "Kriminalisierung und Einschüchterung des Widerstandes gegen den Hotelneubau". Das Thema Bauwagenplätze verlor für die autonome Szene mangels konkreter Anknüpfungspunkte im Jahr 2006 erheblich an Bedeutung. Von den verbliebenen fünf Plätzen gingen keine extremistischen Aktivitäten aus. 5.3.4 Linksextremistische Einflussnahme auf die Anti-AKWBewegung Im Jahre 2006 war der zehnte Castor-Transport vom 10. bis 13.11.06 von der Atommüll-Wiederaufbereitungsanlage für abgebrannte Brennstäbe in La Hague/Frankreich zum niedersächsischen Zwischenlager 154 Linksextremismus Gorleben Höhepunkt der Anti-AKW-Proteste. Die weit überwiegende Mehrheit der Kernkraftgegner nutzte diesen Anlass und die Aufmerksamkeit der Medien zu friedlichen Demonstrationen und Kundgebungen. Wie sich bereits in den Vorjahren abgezeichnet hatte, nehmen Ausmaß und Intensität der Proteste kontinuierlich ab. Die Aktivitäten im Wendland und in den angrenzenden Städten wurden vor allem von der nichtextremistischen ortsansässigen Bevölkerung getragen. In Hamburg beteiligten sich maßgeblich die linksextremistische Gruppe SAND ("Systemoppositionelle Atomkraft Nein Danke") und die linksextremistisch beeinflusste Gruppe "x-tausendmal quer" an der Vorbereitung von Protestaktionen. Die Gruppe SAND führte zahlreiche Informationsveranstaltungen in Hamburg - u.a. in der "Roten Flora" - und im Wendland durch. Die Gruppe "x-tausendmal quer" ist nach eigenen Angaben bereits vor zehn Jahren als Kampagne innerhalb der Anti-Atom-Bewegung entstanden, um massenhafte gewaltfreie Sitzblockaden bei Castor-Transporten zu organisieren. Inzwischen sei daraus ein "breites Netzwerk von Anti-AtomaktivistInnen" entstanden. In Hamburg existiert lediglich eine Kontaktanschrift. Wie in den Vorjahren kam es lange vor dem Castor-Transport zu Störaktionen militanter Atomkraftgegner. Bereits am 21.05.06 wurde am Bahndamm der Strecke Lüneburg-Dannenberg eine Manipulation durch eine sogenannte Wasserlanze entdeckt. Diese war mit einer Hauswasserleitung verbunden und geeignet, den Bahndamm zu unterspülen. Am 10.09.06 wurde in der Fahrbahndecke der Landstrasse bei Grippel/Niedersachsen ein Loch festgestellt, in das ein mit einer Zementmischung fixiertes Rohr eingebracht worden war. Die Bauart des Rohres deutete auf die Vorbereitung einer Ankett-Aktion hin. Am 03.10.06 lösten unbekannte Täter die Befestigungsschrauben eines ausschließlich von der Polizei und Rettungsdiensten im Zusammenhang mit Castor-Transporten genutzten Funkmastes, wodurch dieser umstürzte. Am 17.10.06 bekannte sich eine bislang unbekannte "Aktion Gegendruck" in einer im Internet veröffentlichten Selbstbezichtigung zu drei Hakenkrallen-Anschlägen im Oktober auf Oberlei155 Linksextremismus tungen der Deutschen Bahn bei Speyer (Rheinland-Pfalz), Hockenheim und Bruchsal (Baden-Württemberg). Die "Süddeutsche Auftaktdemonstration" fand am 04.11.06 vor dem AKW Biblis statt. An einer zeitgleichen norddeutschen Demonstration vor dem AKW Brunsbüttel nahmen 400 Personen teil. Unmittelbar vor dem Castor-Transport kam es bundesweit zu weiteren Protestaktionen. Am 09. und 11.11.06 wurden bei Hakenkrallen-Anschlägen auf die Bahnstrecken Hamm - Hannover, Hannover - Würzburg und Warburg - Kassel die Stromabnehmer von Güterzug-Lokomotiven beschädigt. Am Abend des 09.11.06 fügten gewalttätige Atomkraftgegner einem Polizeibeamten durch Schläge mit einer ihm zuvor entwendeten Metallstab-Taschenlampe schwere Verletzungen zu. Der Beamte war zwischen Quickborn und Langendorf/Niedersachsen an der Kontrolle eines Kleinlastwagens beteiligt, auf dessen Ladefläche sich ein Betonklotz mit einer Ankettvorrichtung befand. Am 10.11.06 versammelten sich in Bremen etwa 500 Atomkraftgegner unter dem Motto "Castor stoppen - Atomstaat zerschlagen" zu einer friedlichen Demonstration. Am 11.11.06 zogen rund 3.000 Demonstranten, darunter ein Autonomer Block, bei der "bundesweiten Auftaktund X-Minus Demonstration" von Gorleben zum Zwischenlager. Nach der Abschluss-Kundgebung stießen einige Teilnehmer Absperrgitter um und entzündeten Strohballen. Zur Teilnahme an der Demonstration hatte u.a. die Gruppe SAND mit der Parole "Kommt zum Autonomen Block auf der Auftaktdemo" aufgerufen. Am Nachmittag des 12.11.06 versammelten sich auf der Straße vor der Castor-Verladestation in Dannenberg bis zu 800 Personen zu einer Sitzblockade, die weitgehend friedlich verlief und am Morgen des 13.11.06 von der Polizei beendet wurde. Bei Ankettaktionen an Betonpyramiden entlang der Strecke des Straßentransportes beteiligten sich ca. 25 Personen. 156 Linksextremismus Mit der Parole "Von Gorleben 06 nach Heiligendamm 07" rief "x-tausendmal quer" in einem Flugblatt "alle Anti-G8-Aktivisten" dazu auf, mit "uns gemeinsam beim Castor aktiv zu werden". Auch zum Gipfel im Juni 2007 in Heiligendamm "seien große Blockadeaktionen" in Planung. "Der Castor" werde deshalb für viele ein wichtiger Termin für das Sammeln von Aktions-Erfahrungen, um im Sommer nächsten Jahres handlungsfähig zu sein. Teilnehmern eines bundesweiten, zeitgleich mit dem Castor-Transport stattgefundenen Vorbereitungstreffens von Globalisierungsgegnern und -kritikern in Rostock [Konferenz "Rostock II" vom 10. bis 12.11.06 ( IV.,5.1.)] wurde ein anschließender Bustransfer ins Wendland angeboten. Der Zulauf von Rostock nach Gorleben war jedoch gering, vereinzelte Unterstützung aus dem Anti-G8-Spektrum blieb weitgehend auf propagandistische Aktivitäten beschränkt. Die Mobilisierungsfähigkeit der Anti-Atom-Bewegung ist insgesamt rückläufig (dies gilt auch für die Beteiligung von Linksextremisten), lediglich die Protestaktionen vor Ort erreichten annähernd Vorjahresniveau. Der überwiegende Teil der Gewalttätigkeiten geht auf nichtextremistische, möglicherweise ortsansässige AKW-Gegner zurück. 6. "Die Linkspartei.PDS" "Die Linkspartei.PDS" (im weitereren Text aus sprachlichen Gründen häufig nur "Linkspartei.PDS") hieß bis Juli Mitglieder: etwa 61.300 2005 "Partei des DemokratiBundessitz: Berlin schen Sozialismus" (PDS). Diese Vorsitzender: Dr. Lothar BISKY war 1989/90 aus der ehemaligen Staatspartei der DDR, der "Sozialistischen Einheitspartei Landesverband Hamburg Deutschlands" (SED), hervorgeMitglieder: etwa 400 gangen. Ihren Schwerpunkt hat "Die Linkspartei.PDS" unverLandessprecher: Andrea FRANKEN ändert in den ostdeutschen Christine DETAMBLEVOSS Bundesländern, wo sie in allen Horst BETHGE Länderparlamenten sowie in der Herbert SCHULZ Landesregierung Berlin vertre157 Linksextremismus ten ist und die weit überwiegende Anzahl ihrer Mitglieder hat. Die Partei hat 16 Landesverbände mit bundesweit mehr als 61.000 Mitgliedern. Geprägt war das Jahr 2006 für "Die Linkspartei.PDS" von dem Bemühen, gemeinsam mit ihrem neuen Partner, der nichtextremistischen Partei "Arbeit und soziale Gerechtigkeit - Die Wahlalternative" (WASG), einen Kompromiss für die weitere Zusammenarbeit zu finden und die Fusion beider Parteien im Juni 2007 vorzubereiten. Dies löste bei der WASG Streitigkeiten aus und führte zu einer eigenständigen Kandidatur bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus und zum Landtag in Mecklenburg-Vorpommern, obwohl das im Jahr 2005 von beiden Bundesparteien beschlossene Kooperationsabkommen III Eigenkandidaturen ausgeschlossen hatte. Auch die interne Parteiarbeit war 2006 überwiegend von dem Fusionsprozess mit der WASG und den damit verbundenen formalrechtlichen Anforderungen für eine gemeinsame neue Partei bestimmt. "Die Linkspartei.PDS" und die WASG stellten am 23.02.06 auf einer Pressekonferenz in Berlin gemeinsame "Programmatische Eckpunkte auf dem Weg zu einer neuen Linkspartei in Deutschland" vor. In der Präambel heißt es, mit dem Eckpunktepapier solle die Verständigung über das Programm einer gemeinsamen linken Partei in Deutschland gefördert werden. Die Parteien eine der Kampf für eine friedliche, gerechte und demokratische Gesellschaft, in der jeder selbstbestimmt und in Würde leben könne. Dazu bedürfe es einer "grundlegenden Veränderung der Eigentumsund Machtverhältnisse". Die Linke des 21. Jahrhunderts baue auf den Zielen und Traditionen der bisherigen linken, demokratischen und sozialistischen Bewegungen auf. Man stelle sich bewusst in die Traditionen der Aufklärung und des demokratischen Sozialismus. Dazu gehörten radikaldemokratische, linkssozialdemokratische und antikapitalistische Positionen. Der Zusammenschluss beider Parteien wird maßgeblich durch "Die Linkspartei.PDS" bestimmt. Schon das Kooperationsabkommen III enthielt Formulierungen, die - im Wortlaut leicht verändert - ihrem Parteiprogramm vom Oktober 2003 entnommen sind. Auch das Eckpunkte-Papier enthält Charakterisierungen der neu zu bildenden Partei, wie sie "Die Linkspartei.PDS" bereits auf ihrem Dresdener Parteitag im Jahr 2001 festgelegt hatte. Dazu gehört insbesondere die inhaltli158 Linksextremismus che Wiedergabe des "strategischen Dreieckes", das aus parlamentarischem und außerparlamentarischem Widerstand sowie der visionären Entwicklung einer zukünftigen Gesellschaft besteht und zusammen mit dem "sozialistischen Transformationskonzept" zu einer sozial gerechten und demokratischen Gesellschaft führen soll. Auch in der zweiten Fassung des Eckpunkteprogramms, das im September 2006 veröffentlicht wurde, sind diese Grundaussagen wiederzufinden. "Die Linkspartei.PDS" und die WASG stellten am 02.06.06 in Berlin im Rahmen einer Pressekonferenz einen gemeinsamen "Aufruf zur Gründung einer neuen Linken" vor. Die neue Gesamtpartei solle den Namen "DIE LINKE" tragen. Im Gründungsaufruf heißt es u. a., "Die Linkspartei.PDS" wolle "eine Gesellschaft, in der die freie Entwicklung einer und eines jeden die Bedingung der freien Entwicklung aller ist" (angelehnt an das "Kommunistische Manifest", MARX/ENGELS, 1848). Sie bekenne sich zum demokratischen Sozialismus; der Kapitalismus sei nicht das Ende der Geschichte. In der Wirtschaftspolitik setze sie auch auf regulierende Maßnahmen; so müssten Schlüsselbereiche der Wirtschaft und der allgemeinen Daseinsvorsorge in öffentliche Eigentumsformen überführt werden und demokratischer Kontrolle unterliegen. Auf einer gemeinsamen Vorstandssitzung der "Linkspartei.PDS" und der WASG am 22.10.06 in Erfurt wurden die gemeinsamen Gründungsdokumente der neuen Partei beschlossen. In einer Erklärung an die Mitglieder der "Linkspartei.PDS" sagte der Bundesvorsitzende (Foto): "...Wir, Mitglieder der Linkspartei.PDS, haben das Chemnitzer Programm, die Einheit von Freiheitsund sozialen Rechten in die Waagschale geworfen. Die WASG hat ihre Ideen zur Umgestaltung des Sozialstaates, zur Schaffung von Arbeit in die Eckpunkte eingebracht. Wir verstehen uns als demokratische Dr. Lothar BISKY Sozialistinnen und Sozialisten und wir haben diese Vision, dieses Projekt gesellschaftlicher Veränderungen in die programmatischen Grundlinien eingraviert. Dies gehört zum Charakter der neuen Partei, zur Auseinandersetzung um gesellschaftliche Debatten, in denen deutlich wird, dass der entfesselte Kapitalismus nicht das Ende der Geschichte ist. ..." 159 Linksextremismus In einem weiteren Schritt wurde auf dem Sonderparteitag der "Linkspartei.PDS" am 26.11.06 in Berlin die geplante Fusion weiter vorbereitet. Dazu war es notwendig, dass beide Partner die Rechtsform eingetragener Vereine annahmen und der Kleinere dem Größeren beitrat. Während die Akzeptanz zur Vereinigung in der Partei stieg, sahen die revolutionär-marxistisch geprägten Arbeitsgemeinschaften und Plattformen ihren bestehenden Einfluss schwinden. Die "Kommunistische Plattform" (KPF), das "Marxistische Forum" und der "Geraer Dialog/ Sozialistischer Dialog" befürchteten den Verlust ihres Einflusses innerhalb der Partei zugunsten eines ideologisch entschärften Kurses mit der WASG. Um dem entgegenzuwirken, wollen diese Arbeitsgruppen zukünftig verstärkt zusammenarbeiten und auch den Kontakt zu anderen marxistisch orientierten Gruppen - wie der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) - suchen. Insgesamt war unübersehbar, dass "Die Linkspartei.PDS" seit Anfang 2006 in ihren programmatischen Aussagen schrittweise Zugeständnisse an die WASG vollzog und z.B. Grundpositionen, die sie in ihrem Programm von 2003 noch als notwendiges Leitziel bezeichnet hatte, nur noch "erstreitenswertes Ziel" nannte. Darunter fallen insbesondere offenkundig überarbeitete Kernaussagen zum demokratischen Sozialismus, zur Überwindung des Kapitalismus und der wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse, zu Fragen zur Vergangenheit von DDR und SED sowie zur sozialistischen Zielsetzung. Wo zuvor kompromisslos einschlägige marxistische und sozialistische Schlüsselbegriffe zur Abschaffung oder Beseitigung des Kapitalismus verwendet wurden, hieß es in den "Programmatischen Eckpunkten" (Fassung vom 10.12.06): "Unsere Anerkennung gilt den Bemühungen um eine sozialund wohlfahrtsstaatliche Eindämmung des Kapitalismus ebenso wie Versuchen einer Überwindung der kapitalistischen Eigentumsund Herrschaftsverhältnisse" (Hervorhebungen nicht im Original). Zu der zentralen Frage in der Diskussion der "Linkspartei.PDS" über eine Vergesellschaftung von Schlüsselbereichen der Wirtschaft heißt es dort nur noch, das Grundgesetz gebe "die Möglichkeit, der Zusammenballung von wirtschaftlicher Macht zu politischer Macht entgegenzuwirken. Demzufolge können Schlüsselbereiche der Wirtschaft in Gemeineigentum überführt werden." Die Zustimmung von drei Abgeordneten der "Linkspartei.PDS" im Europäischen Parlament für eine 160 Linksextremismus Kuba-kritische Resolution führte zu einer in früheren Zeiten nahezu undenkbaren ideologischen Auseinandersetzung. Am 29./30.04.06 fand in Halle/Sachsen-Anhalt die 1. Tagung des 10. Parteitages der "Linkspartei.PDS" statt. Die Konferenz befasste sich mit der Wahl verschiedener Parteigremien, einer Analyse der politischen Situation, dem Wahljahr 2006 sowie den nächsten Aufgaben im Prozess der Vereinigung beider Parteien. Der Parteitag bestätigte den bisherigen Parteivorsitzenden Dr. Lothar BISKY ohne Gegenkandidaten mit 88,5 % der abgegebenen Stimmen. Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am 26.03.06 erhielt "Die Linkspartei.PDS" 24,1 % (= 217.295 Zweitstimmen). Die Partei erreichte damit 26 Landtagsmandate (davon drei Direktmandate) und wurde erneut zweitstärkste l politische Kraft im Land. Bei der Landtagswahl sw ah d tag n 2002 hatte die damalige "Partei des Demokrati- L a XXX X XX X schen Sozialismus" 20,4 % (= 236.484 ZweitXX X XX X XX S stimmen) und damit 25 Landtagsmandate (kein PD X XX X Direktmandat) erhalten. Die Erhöhung der LandXX tagsmandate trotz Stimmenverlusten beruht auf der geringeren Wahlbeteiligung (44,4 % gegenüber 56,5 % im Jahr 2002). Bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz am 26.03.06 kandidierte LfV HH "Die Linkspartei.PDS" mit anderen Kandidaten gemeinsam auf den Listen der WASG. Diese verfehlte jedoch in beiden Ländern die 5%-Hürde deutlich (Baden-Württemberg: 3,1 %, Rheinland-Pfalz: 2,5 %). 161 Linksextremismus Bei den hessischen Kommunalwahlen - ebenfalls am 26.03.06 - in 21 Landkreisen und fünf kreisfreien Städten erreichten "Die Linkspartei.PDS", WASG und Linke Listen gemeinsam 3,3 % der abgegebenen Stimmen. Die in der Partei teilweise umstrittene Regierungsbeteiligung wirkte sich bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und zum Landtag Mecklenburg-Vorpommerns am 17.09.06 unterschiedlich aus. Während sie in Berlin starke Stimmenverluste hinnehmen musste, konnte sie in Mecklenburg-Vorpommern einen höheren prozentualen Anteil erzielen. "Die Linkspartei.PDS" kam bei der Wahl in Berlin nur noch auf 13,4 % der Stimmen (= 185.086 Zweitstimmen; PDS 2001: 22,6% = 366.292 Zweitstimmen). Damit zog sie mit 23 Mandaten (davon 14 Direktmandate; 2001: 33 Mandate, davon 32 Direktmandate) ins Berliner Abgeordnetenhaus ein. In Mecklenburg-Vorpommern erhielt "Die Linkspartei.PDS" 16,8 % (= 137.253 Zweitstimmen) und erreichte damit 13 Mandate (ein Direktmandat). Bei der Landtagswahl 2002 hatte die PDS 16,4 % (= 159.065 Zweitstimmen) und damit auch 13 Mandate (ohne Direktmandat) erhalten. "Die Linkspartei.PDS" profitierte damit - trotz geringerer Stimmenzahl - von der niedrigeren Wahlbeteiligung (59,2 % gegenüber 70,6 % im Jahr 2002). Hamburg: Der Hamburger Landesverband der "Linkspartei.PDS" hat ca. 400 Mitglieder. Nach der Neuwahl der Landessprecher im Februar 2006 und dem Herausdrängen der in den vergangenen Jahren dominierenden marxistisch-leninistischen "Liste Links" aus dem Landesvorstand hat der Landesverband seinen radikalen Ruf innerparteilich weitgehend verloren. Auch interne Flügelkämpfe nahmen ab, nachdem die Liste Links Einfluss eingebüßt hatte. Durch den Wechsel von bisher zwei Landessprechern zu einem vierköpfigen Führungsteam wurde die Zusammenarbeit zwischen dem Landesvorstand und den Parteigliederungen verbessert und ist kaum noch von ideologischen Auseinandersetzungen bestimmt. 162 Linksextremismus In Hamburg entwickelte sich der Vereinigungsprozess mit der WASG weiter problemlos. Konsequent wurde die Zusammenarbeit in den Bezirksverbänden und Arbeitsgruppen ausgebaut. In den Bezirksverbänden gab es gemeinsame Vorstandssitzungen von "Linkspartei.PDS" und WASG; von den beim Landesvorstand angesiedelten 22 Arbeitsgruppen arbeiteten zwölf mit der WASG zusammen. Diese befassten sich mit grundlegenden Themen wie Bildung, Gesundheit, Arbeit und Armut, Wohnungspolitik, Wirtschaft, Arbeit und Finanzen sowie Kultur. Beide Organisationen führten gemeinsame Veranstaltungen durch und betrieben Infostände. In stärker ideologisch geprägten Arbeitsgruppen der "Linkspartei.PDS" wie Betrieb und Gewerkschaft, Cuba Si und bei den beiden Kommunistischen Plattformen fand keine Zusammenarbeit mit der WASG statt. Jeweils mit großen Mehrheiten verabschiedeten die Landes-Mitgliederversammlungen der "Linkspartei.PDS" am 17.09.06 und der WASG am 23.09.06 eine Vereinbarung zur Parteineubildung, die zuvor ausführlich in den Bezirken und Ortsgruppen diskutiert worden war. Abschließend wurde sie von den Landesmitgliederversammlungen beschlossen. Zu den Kernpunkten zählte das auf Bundesebene erarbeitete "Eckpunkteprogramm": "Der neoliberale Umbau der Gesellschaft, Sozialund Demokratieabbau, Umverteilung von unten nach oben, sowie die Militarisierung der Außenpolitik und der Gesellschaft müssen gestoppt werden. Der Politik der großen Koalition im Bund und des gegenwärtigen Hamburger Senats muss in Betrieben, Verwaltungen, Büros, Hörsälen und in Stadtteilen, auf Straßen und im Parlament eine entschiedene Opposition entgegengesetzt werden." Zu der kontrovers diskutierten Frage von Regierungsbeteiligungen stellten die Landesverbände von "Linkspartei.PDS" und WASG fest: "Wir werden uns an keiner Regierung beteiligen, die auf Hamburger Ebene keinen grundlegenden Wechsel der Politik vollzieht." (Pressemeldung der "Linkspartei.PDS" vom 27.09.06). 7. Orthodoxe Kommunisten Als "Orthodoxe Kommunisten" werden Parteien und Organisationen bezeichnet, deren ideologisches Gebäude hauptsächlich auf den 163 Linksextremismus Lehren von MARX, ENGELS und LENIN ("Marxismus-Leninismus") beruht. Sie streben die Errichtung des Kommunismus als "klassenlose" Gesellschaft an. Da dies nach ihrem Verständnis nicht in einem Schritt erreicht werden kann, sehen sie die Notwendigkeit von Zwischenstufen. Hauptkriterium der angestrebten Gesellschaftsform ist die politische "Macht der Arbeiterklasse" mit einhergehender Vergesellschaftung der wesentlichen Produktionsmittel, um die Ausbeutung durch kapitalistische Produktionsformen zu beenden. Den Weg zum Ziel konkretisieren sie nicht im Detail. Fest steht für sie aber, dass der Sozialismus bzw. Kommunismus nicht durch Reformen, sondern letztlich nur über einen revolutionären Bruch mit der kapitalistischen Gesellschaftsordnung erreicht werden kann. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Die DKP ist die Kernorganisation der orthodoxen Kommunisten. Organisatorisch befindet Mitglieder: etwa 4.200 sie sich weiter im Niedergang. Bundessitz: Essen Weder konnte sie ihre AttrakVorsitzender: Heinz STEHR tivität im zweiten Jahr der mit "Hartz IV" umschriebenen Bezirksorganisation Hamburg Arbeitsmarktund Sozialreformen steigern noch den Prozess Mitglieder: etwa 240 schrumpfender MitgliederzahVorsitzender: Olaf HARMS len stoppen. Bei jetzt ca. 4.200 Mitgliedern (2005: 4.500) ist auch das Beitragsaufkommen rückläufig, damit wachsen ihre Finanzprobleme. Zentrale Bedeutung für die DKP hatte nach Jahren der Vorbereitung die Verabschiedung eines neuen Parteiprogramms auf der 2. Tagung des 17. Parteitages am 08.04.06 in Duisburg-Rheinhausen. Vor allem zwei Themen waren in der Partei umstritten: Die Ursachen für das Scheitern des Sozialismus in der Sowjetunion und in verbündeten Staaten sowie die daraus für eine zeitgemäße Sozialismus-Konzeption zu ziehenden Schlussfolgerungen. 164 Linksextremismus Ferner wurde darüber diskutiert, wie die Begriffe "Imperialismus" und "Globalisierung" zu interpretieren seien. Während ein Teil des DKPAnhanges ("Modernisierer") die Globalisierung als eine qualitativ neue Entwicklungsstufe des Kapitalismus betrachtet, sind andere der Auffassung, dass die leninistische Imperialismus-Theorie (Konkurrenz imperialistischer Nationalstaaten und Staatenblöcke um die Neuaufteilung der Welt) ohne Abstriche fortgelte. Auch das neue Programm weist in den Kernelementen eine unveränderte ideologische Ausrichtung auf. Die Partei sieht in der Arbeiterklasse ungebrochen jene revolutionäre Kraft, die im Bündnis mit anderen Teilen der Bevölkerung die Eigentumsund Machtverhältnisse revolutionär verändern und den "Sozialismus" durchsetzen könne. Dabei wird vermieden, den Begriff "Sozialismus" zu definieren: "Wie der künftige Sozialismus im Einzelnen aussehen wird, kann heute nicht vorhergesagt werden...". Er könne als "grundlegende Alternative zum Kapitalismus" weiterhin nicht über Reformen, sondern nur "durch tief greifende Umgestaltungen und die revolutionäre Überwindung der kapitalistischen Eigentumsund Machtverhältnisse erreicht werden". Der "Sozialismus" werde sich "erst dann als die höhere Zivilisation gegenüber dem Kapitalismus durchgesetzt haben, wenn er als Weltsystem" verwirklicht sei (Parteiprogramm). Mit einer Mehrheit von 115 Stimmen wurde das Papier bei 34 Gegenstimmen und 10 Enthaltungen angenommen. Es löst das Programm von 1978 (Mannheimer Parteitag) ab. Der hohe Anteil von Gegenstimmen ist Ausdruck zumindest graduell unterschiedlicher Ansichten in der Partei. Ein solcher Zustand ist in einer kommunistischen Partei nicht haltbar; er kann nach orthodoxer Lehre nur vorübergehender Natur sein und muss einer einheitlichen Linie weichen. Der größere "Modernisierungsflügel" der DKP sieht in dem Dokument allerdings - ebenso wie die kleinere Gruppe der Kritiker - eine tragfähige theoretische Grundlage für die gemeinsame Praxis. Während einer DKP-Konferenz am 13.05.06 in Essen ging der DKPVorsitzende STEHR (Foto S. 166) auf die Funktion des neuen Parteiprogramms ein: "Das Programm der DKP positioniert uns als konsequente antikapitalistische Partei der Arbeiterklasse, die in der 165 Linksextremismus jetzigen Kampfetappe die Hauptaufgabe darin sieht, Abwehrkämpfe zu organisieren mit dem Ziel, das Kräfteverhältnis zu verändern und eine andere Politik durchzusetzen." Er sah dies als möglich an, wenn es gelänge, gesellschaftliche Bündnisse herzustellen und durch einen außerparlamentarischen Kampf einen Politikwechsel durchzusetzen. Als thematische Schwerpunkte der Partei führte er "Kriegspolitik, Demokratieabbau, Sozialkahlschlag, Arbeitsplatzabbau und die nächsten Termine der außerparlamentarischen Bewegungen" an. Daneben betonte er die Bedeutung der Konferenz zum 50. Jahrestag des KPD-Verbots am 19.08.06 in Berlin [Partei-Publikation "Unsere Zeit" (UZ) v. 19.05.06 - Hervorhebung nicht im Original]. Eingebettet in eine breite Propaganda der DKP zur Aufhebung des KPD-Verbots (Feststellung der Verfassungswidrigkeit der KPD durch Urteil des BVerfG v. 17.08.56) fand diese Konferenz in Berlin-Karlshorst statt. Dort wurde das Verbot der KPD und dessen angebliche Auswirkungen auf die Gesellschaft kritisiert. Zum Tode des ehemaligen langjährigen Leiters der DDR-Auslandsspionage ("Hauptverwaltung Aufklärung"/HVA), Markus WOLF am 09.11.06 druckte die "UZ" einen Nachruf. Ziel seiner Tätigkeit sei "die Verhinderung von Aggressionen gegen die DDR" gewesen. Er wurde als kluger, aufrechter und dem Sozialismus zutiefst verbundener, warmherziger, standhafter Kommunist geschildert, der seinen Weg stets aus Überzeugung gegangen sei. Das Thema "Antifaschismus" ist für die Hamburger DKP und ihre etwa 240 Mitglieder (2005: 250) weiterhin ein Hauptaktionsfeld. Sie instrumentalisierte es - wie die Gesamtpartei - für die eigenen politischen Ziele. Inhaltlich ging es ihr dabei um die Delegitimierung der kapitalistischen Ordnung, indem sie diese als Förderer faschistischer Tendenzen ausmacht ( SDAJ, s.u.) und ihr eine Kontinuität zu "Nazideutschland" unterstellt. Politisch versucht sie, über dieses Thema Bündnispartner zu gewinnen. Hamburger DKP-Funktionäre und -Mitglieder waren aktiv in "antifaschistische" Aktivitäten involviert. So fungierte der Hamburger DKP166 Linksextremismus Bezirksvorsitzende als Anmelder einer Demonstration des von der DKP und der von ihr beeinflussten "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten" (VVN/BdA) dominierten "Hamburger Bündnisses gegen Rechts" (HBgR) am 08.05.06 unter dem Motto "Dem rechten Lifestyle entgegentreten!". Auch eine weitere Demonstration des HBgR vom 14.10.06 ( IV.,5.3.1) war für die DKP Anlass, um ihren "antifaschistisch" verbrämten, langfristig angelegten Kampf für ihre sozialistisch/kommunistischen Ziele agitatorisch zu nutzen. Bei ihren "antifaschistischen" Aktivitäten kooperiert die DKP eng mit der VVN-BdA. In Hamburg wird diese Organisation auf der Funktionärsebene von Personen mit DKP-Hintergrund dominiert. Im Zusammenhang mit der vorstehend genannten Demonstration ging ein Vorstandsmitglied der Hamburger VVN-BdA auf das von der Antifa-Bewegung praktizierte Konzept ein, das einzig auf Gegenmobilisierung basiere. Es müsse hinterfragt werden, ob man sich damit "um die entscheidende Frage, wie dem rasant verlaufenden Organisationsprozess des organisierten Neofaschismus faktisch Einhalt geboten werden kann - wer also letztlich, plakativ gesprochen, die NPD 'auflöst und zerschlägt', vornehm herummogelt" ("Lokalberichte Hamburg" Nr. 20 v. 28.09.06). Für ihre Aktivitäten zum Thema "Antifaschismus" sucht die DKP wegen der eigenen Schwäche Bündnispartner sowohl unter Linksextremisten als auch bei nichtextremistischen Gruppierungen. Dabei ist ihre organisatorisch gefestigte, zum Teil im Hintergrund wirkende Vorgehensweise häufig nicht für jedermann erkennbar. Besonderes Augenmerk richtet die DKP bei ihren bündnispolitischen Bestrebungen weiterhin auf die Betriebsarbeit und damit auf gewerkschaftliche Aktivitäten, insbesondere auf ihre hierin einbezogenen Funktionäre. Bislang hatte dieser bündnispolitische Ansatz allerdings nur mäßigen Erfolg. Im Stadtteil Dulsberg bildete sich eine "linke Stadtteilgruppe", die u.a. aus der DKP und der "Linkspartei.PDS" besteht und lokalpolitische Wahlkampf-Themen sucht. Während der 14-täglichen Treffen sollen Informationen, Diskussionen und Ratschläge zu verschiedenen sozialen Problemen gegeben werden. Dieser Bündnisansatz zielt für die DKP darauf ab, "soziale Kompetenz" im Stadtteil zu erwerben, um bei den 2008 in Hamburg anstehenden Wahlen erfolgreich abzuschneiden. In 167 Linksextremismus welcher Konstellation die DKP sich hieran beteiligen wird, ist noch offen. Die 1969 eröffnete Hamburger THÄLMANN-Gedenkstätte wird zum Gedenken an den im KZ Buchenwald 1944 hingerichteten KPD-Vorsitzenden Ernst THÄLMANN (Foto) in der Tarpenbekstraße 66 betrieben. Sie ist derzeit die einzige Einrichtung dieser Art in der Bundesrepublik, existiert trotz aller finanziellen Schwierigkeiten der DKP fort und ist in die "antifaschistische" Agitation der DKP eingebunden. Im Jahre 2006 führte sie eine Reihe von Veranstaltungen u.a. zum Thema "Erinnerung an die Befreiung des KZ Auschwitz" sowie ein "Hamburger Kolloquium Ernst Thälmann in unserer Zeit" zum 120. Geburtstag THÄLMANNs am 22.04.06 im Hamburger Gewerkschaftshaus durch. "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) Ideologische Nähe, personelle Verzahnung und organisatorische Gemeinsamkeiten, z.B. gemeinsame Büros, sind Ausdruck der engen Anlehnung der SDAJ an die DKP. Personen ab dem 14. Lebensjahr können Mitglied werden. Bundesweit stagniert die SDAJ bei etwa 300 Mitgliedern. In der von ihr herausgegebenen Publikation "position" werden politische Themen vor allem unter dem Tenor "Gegen Imperialismus und Krieg" behandelt. Hamburger SDAJ-Mitglieder gehören zu den ständigen Autoren. Das traditionelle Pfingst-Camp fand vom 02. bis 05.06.06 für norddeutsche SDAJ-Gruppen unter dem Motto "PARTY 4 YOUR RIGHT TO FIGHT" in Warburg-Bonenburg (NRW) statt. Eines der auch hier behandelten Themen war das KPD-Verbot. Die Hamburger SDAJ führt ihre wöchentlichen Treffen im örtlichen DKP-Zentrum durch. Ihre Mitgliederzahl liegt bei 20. Sie gibt in unregelmäßigem Abstand die Publikation "Likedeeler" (das heißt "Gleich168 Linksextremismus teiler" und bezieht sich auf die gleichnamigen Seeräuber um Klaus STÖRTEBEKER) heraus, die vorrangig regionale Themen aufgreift. Sie initiierte ein "Hamburger Jugendbündnis für Bildung und Ausbildung". Beteiligt waren auch linksextremistische Gruppierungen wie die "Sozialistische Linke" ( IV.,5.2) und die der "Linkspartei.PDS" nahestehende Jugendorganisation "'solid". Das Bündnis will den "Widerstand gegen die unsoziale Politik des Hamburger Senats gemeinsam organisieren". Dazu zählte sie Büchergeld, Studiengebühren und Ausbildungsplatzmangel ("position" Nr.1/06). Zur Teilnahme an der "Antifa"-Gegendemonstration am 14.10.06 in Hamburg ( IV.,5.3.1) rief die SDAJ mit einem eigenen Flugblatt auf: "Wir haben die Schnauze voll von Nazis!!! Kommt alle am 14.10.06 um 10.30 Uhr zur antifaschistischen Demonstration!" Mit auch von früheren Demonstrationen gegen Rechtsextremisten bekannten Ausführungen wie "Natürlich wird die Stadt Hamburg den Nazis den Weg freimachen. Klar ist aber auch, dass wir uns davon nicht abschrecken lassen und mit einer großen antifaschistischen Demonstration zeigen wollen, dass wir uns den Nazis in den Weg stellen - auf der Straße und mit Argumenten. Wir müssen uns gegen die Nazis wehren. Denn Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!" soll suggeriert werden, dass staatliche Institutionen "Nazis" schützen und "antifaschistische" Kräfte wie die SDAJ die einzigen seien, die etwas gegen Rechtsextremisten unternehmen. Die Hamburger SDAJ war Initiator einer Solidaritätsund Protestkundgebung gegen das Verbot der "Kommunistischen Union der Jugend der Tschechischen Republik" (KSM), das tschechische Behörden am 12.10.06 ausgesprochen hatten. Verbotsgrund sei die KSM-Forderung gewesen, das private Eigentum an Produktionsmitteln durch kollektives zu ersetzen. Am 26.10.06 fand die Kundgebung mit 50 Teilnehmern vor dem Hamburger Generalkonsulat der Tschechischen 169 Linksextremismus Republik (Foto, S. 169) statt. Zu den Rednern gehörten u.a. Funktionäre der SDAJ, DKP und der "Linkspartei.PDS". "Marxistische Abendschule Hamburg - Forum für Politik und Kultur e.V." (MASCH) Die weiterhin hauptsächlich von Personen und Referenten mit DKPbzw. "Linkspartei.PDS"-Hintergrund getragene Hamburger MASCH feierte im Herbst ihr 25-jähriges Bestehen. In diesem Zusammenhang erinnerte sie an ihre auf die Arbeiterbildungsvereine der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts zurückreichende Tradition. In Hamburg und in anderen Städten der Bundesrepublik wurde die MASCH 1981 neu gegründet; damals mit ausschließlichem DKP-Hintergrund unter hauptamtlicher Leitung. Das aktuelle Winterprogramm 2006/07 wies wieder Klassiker kommunistischer Ideologie wie "Das Kapital" (Marx) oder das "Manifest der Kommunistischen Partei" (Marx/Engels) zur Schulung auf. Die meisten Veranstaltungen werden in Räumen der Universität Hamburg durchgeführt und richten sich insbesondere an Studierende. Außerdem wurden monatliche "Jour fixe"-Treffen angeboten. Die Bedeutung dieser Schulungseinrichtung liegt darin, dass kommunistische Ideologie als Grundlagenwissen in kostenlosen Kursen und Veranstaltungen vermittelt wird. Die Finanzierung der MASCH erfolgt nach Eigenangabe über Mitgliederbeiträge und Spenden. Die Einrichtung kooperiert mit der "Linkspartei.PDS"-nahen "Rosa-Luxemburg-Stiftung" (RLS). 8. Trotzkisten Neben den "klassischen" orthodoxen Kommunisten, wie z.B. der DKP, existiert mit dem Trotzkismus eine weitere Spielart des Linksextremismus. Namensgeber und Ideologiestifter ist Leo TROTZKI (Foto S. 171). Im Gegensatz zu anderen kommunistischen Klassikern vertrat TROTZKI die Auffassung, dass mit der proletarischen Revolution der politische Prozess nicht abgeschlossen sein darf. Er trat für die "permanente Revolution" ein, um einer Verbürokratisierung des Staates entgegenzuwirken. 170 Linksextremismus Die trotzkistisch ausgerichteten Linksextremisten in Hamburg sind hauptsächlich durch Ortsgruppen des "Linksruck-Netzwerks" und der "Sozialistischen Alternative" (SAV) vertreten. Die Gruppen folgen überwiegend der trotzkistischen Entrismuspolitik, d.h. sie versuchen, andere Organisationen wie Gewerkschaften und Gliederungen demokratischer Parteien zu unterwandern, hochrangige Funktionen zu besetzen und die politische Außendarstellung mittelfristig zu dominieren. 2006 nutzten die Trotzkisten hierfür vorwiegend die Proteste gegen die Sozialreformen. Vor diesem Hintergrund ist das Engagement des "Linksruck-Netzwerks" und der SAV in der - nicht extremistischen - Partei "Arbeit & Soziale Gerechtigkeit - Die Wahlalternative" (WASG) zu sehen. Hamburger Trotzkisten sind hierbei allerdings wenig erfolgreich. Dagegen gelang es den jeweiligen Ortsgruppen von SAV und Linksruck in einzelnen Städten, vor allem in Berlin, sich in der WASG zu etablieren. Hier wurde die früher in Hamburg aktive SAV-Angehörige Lucy REDLER zur Spitzenkandidatin der WASG für die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 17.09.06 nominiert. Dort trat die WASG in Konkurrenz zur "Linkspartei.PDS" an. Zu der geplanten Fusion von "Linkspartei.PDS" und WASG vertreten SAV und "Linksruck" unterschiedliche Positionen. Während die SAV versucht, die Fusion zu boykottieren, wird sie von "Linksruck" unterstützt. "Sozialistische Alternative" (SAV) In Hamburg verfügt die SAV nur noch über eine Ortsgruppe. Aufgrund personeller und organisatorischer Defizite ließ die Einflussnahme auf die Hamburger WASG weiter nach. Um dem entgegenzuwirken, versuchte die SAV, ihre Jugendarbeit innerhalb der WASG zu intensivieren. Zur Mitgliederwerbung sollten im Stadtteil Barmbek Veranstaltungen durchgeführt und der Straßenverkauf der SAV-Zeitung "Solidarität" ausgeweitet werden. Ziel war die Gründung zumindest einer weiteren Ortsgruppe. Eine Begründung war, dass die Barmbeker Straßen nicht "dem Einfluss der Neonazis überlassen" werden dürften. 171 Linksextremismus Im Frühjahr 2006 versuchte die Hamburger SAV, den Streik im öffentlichen Dienst für ihre Zwecke zu nutzen. Sie führte Veranstaltungen durch und verteilte - ohne nennenswerten Erfolg - Flugblätter. Das von der Bundesleitung vorgegebene Ziel von 30 neuen Mitgliedern konnte nicht erreicht werden; in Hamburg wurde - zumindest im ersten Halbjahr - kein neues Mitglied geworben. Intern bescheinigte sich die SAV einen "niedrigen Aktivitätsgrad", dem mit einem "3-PhasenProgramm" entgegengetreten werden soll: Unterstützung des Berliner WASG-Wahlkampfes, Mitwirkung bei dem von den Gewerkschaften proklamierten "Heißen Herbst" - hier sollte "gegen Rassismus und Sozialabbau" gekämpft werden - sowie die Konsolidierung nach dem "Hamburger Sozialismustag" Ende Oktober 2006. Die Bundes-SAV betreibt weiterhin eine Homepage, auf der überwiegend zu innenpolitischen Fragen, insbesondere zum Verhältnis zwischen "Linkspartei.PDS" und WASG, Stellung bezogen wird. Auch außenpolitische Themen wie die Krise im Nahen Osten und das AtomProgramm Irans werden angesprochen, wobei die USA und Israel als die Hauptverantwortlichen der Entwicklung dargestellt werden. Auf der nur sporadisch gepflegten Internet-Seite der Hamburger SAV werden ebenfalls schwerpunktmäßig innenpolitische Themen (u. a. Mitarbeit in der Berliner WASG, Aktivitäten der Ex-Hamburgerin Lucy REDLER) und das politische Selbstverständnis behandelt. "Linksruck-Netzwerk" Das "Linksruck"-Netzwerk bezeichnet sich in seinen "politischen Grundsätzen" als "Strömung der revolutionären Sozialisten", die "die Abschaffung des Kapitalismus und die Einführung einer Rätedemokratie" fordert. Der "wirkliche Sozialismus" werde nicht das Ergebnis von Parlamentsabstimmungen sein, sondern "durch die selbständige und selbstbewusste Aktion der Arbeiterklasse" (=Revolution der Arbeiterklasse), erreicht werden. In Hamburg war "Linksruck" auch im Jahre 2006 mit einer Ortsgruppe aktiv. Diese habe sich nach eigenen Angaben seit der Gründung der WASG partiell aus dem nicht-extremistischen AntiglobalisierungsBündnis "ATTAC" zurückgezogen. Die (personellen) Ressourcen seien dafür benötigt worden, um die WASG (mit) aufzubauen bzw. diese zur 172 Linksextremismus "neuen politischen Heimat" zu machen. Ein Hamburger "Linksruck"Mitglied sei in den WASG-Landesvorstand gewählt worden; darüber hinaus sei die Organisation in mehreren Regionalund Bezirksgruppen in zum Teil führenden Positionen vertreten gewesen. Tatsächlich dürfte diese Darstellung optimistisch gefärbt sein, der Einfluss auf die Hamburger WASG nahm stetig ab. Dies wird auch durch eine Beitrittsoffensive zur Stärkung der eigenen Kräfte bestätigt. In Hamburg sind die Mitgliederzahlen stark rückläufig. Seit der Bundestagswahl wurden keine neuen Mitglieder gewonnen. Auch das jährlich von "Linksruck" veranstaltete "Rosa-LuxemburgSeminar", dessen Zielsetzung u. a. ist, sich der Öffentlichkeit vorzustellen und einer möglichen Klientel positiv zu präsentieren, blieb letztlich erfolglos. Die Anzahl der tatsächlich aktiven Mitglieder dürfte sich nur noch im einstelligen Bereich bewegen. Daraus resultiert, dass die Hamburger Ortsgruppe zurzeit offenbar nicht in der Lage ist, die Arbeit ihres "WASG-Teams" im geplanten Umfang aufrechtzuerhalten. Auf der "Linksruck"-Homepage wird neben innenpolitischen Themen auch zur aktuellen außenpolitischen Situation - insbesondere im Mittleren Osten - Stellung genommen. Der Präsident der USA wird als Verursacher der Lage im Irak und Iran dargestellt ("Mr. Bush - Terrorist No. 1"). Auch der Staat Israel wird angegriffen: "Stoppt Israels Krieg!" ..."Israel bombt für Bush"..."Seit 40 Jahren führt Israel einen Krieg gegen die Palästinenser". Unter diesem Tenor fand eine Kundgebung der "Linksruck"-Ortsgruppe im Juli 2006 in Hamburg statt. 9. "Marxistische Gruppe" (MG) Die MG nimmt in der linksextremistischen Szene eine Sonderstellung ein. Sie ist eine revolutionär ausgerichtete Organisation. Wesentliches Merkmal ihrer Agitation ist jedoch das Kultivieren einer destruktiven, zynischen Kritik des demokratischen Rechtsstaates. Da sie für sich ein Erkenntnismonopol in politischen Fragen reklamiert, lässt sie bei ihren öffentlichen Veranstaltungen keinerlei demokratische Diskussionskultur zu. Die Führung der Gruppe ist nicht durch Wahlen legitimiert. 173 Linksextremismus Zu den wesentlichen Merkmalen der Gruppe gehören intellektuell-elitäre Ausdrucksformen, konspirative Verhaltensweisen, abgeschottete Wohnverhältnisse und berufliche "Seilschaften". Insgesamt vermittelt die MG einen sektenartigen Eindruck. Ein Konzept für eine Revolution und Vorstellungen über die Zeit danach hat sie nicht. Sie äußert sich selten hierüber, bemerkt aber zur Gewaltfrage: "Dass eine Revolution gewaltlos funktionieren könnte, ist nicht versprochen". Revolution bedeutet für sie, "genügend Leute von denen, die sich heute mit Planung befassen, und zwar nach kapitalistischen Maßstäben und in Respekt vor den Sachzwängen kapitalwachstumsmäßiger Art, dazu zu bringen, ihr Wissen über das, was so alles läuft, nicht zu verlieren, aber sich geistig an ein paar neue Maßstäbe zu gewöhnen". Zur Regelung der dann anstehenden Fragen benötige man "Interessierte und Bescheidwisser. Und das ist das Gegenteil von Demokratie, ...." (Arbeitspapier der MG, 2004). Nach ihrer Auflösungserklärung vom Mai 1991, die - auch um Sicherheitsbehörden zu täuschen - nur zum Schein erfolgte, agitierte die Gruppe auch öffentlich weiter und verstärkte ihre Tätigkeit in den letzten Jahren. Dabei trat sie jedoch nicht mehr als "MG", sondern unter zunächst unverfänglichen Tarnbezeichnungen auf. Der hauptsächlich verwendete Name ist "GEGENSTANDPUNKT", abgeleitet von ihrer vierteljährlichen gleichnamigen Publikation. Diese wird in Buchläden angeboten. Die festgefügte Mitgliedschaft der MG weist einen hohen Anteil an Akademikern in entsprechenden Positionen in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst auf. Das ausgeprägte Interesse der Organisation an einem Mitgliederzuwachs insbesondere aus dieser Gesellschaftsgruppe wird durch anspruchsvolle Themen und den Rahmen von öffentlichen Veranstaltungen unterstrichen. Sie werden häufig als "Vortrag und Diskussion" deklariert und in Universitäten abgehalten, um vornehmlich Studenten zu interessieren. Als "GEGENSTANDPUNKT" war die Gruppe an der "11. Linken Literaturmesse" (17. bis 19.11.06 in Nürnberg) mit einer Veranstal174 Linksextremismus tung am 18.11.06 zum Thema "Weltmarkt und Weltmacht - So funktioniert der Kapitalismus" beteiligt. In Hamburg veranstaltet der "GEGENSTANDPUNKT" seit Jahren monatlich öffentliche Veranstaltungen im Altonaer Werkhof, die als "Jour fixe" deklariert sind und unter Leitung bewährter Funktionäre durchgeführt werden. Durchgängig nehmen bis zu 100 überwiegend langjährige Gruppenmitglieder teil, die der Gruppe mehrheitlich schon vor der Scheinauflösung angehörten. Daneben betreibt die MG seit Jahren an der Hamburger Universität den "Studienund Diskussionskreis 'Das Kapital' von Karl Marx". Der Arbeitskreis "Arbeit und Reichtum", der in einer weiteren Schulungsrunde aktuell über die "Zusammengehörigkeit von Krieg und Frieden" informierte, wurde ab 19.12.06 in vierzehntägigem Rhythmus am Department "Wirtschaft und Politik" der Universität Hamburg (früher HWP) angeboten. Die in den vergangenen Jahren lediglich im Internet präsente "Gruppe AndersGesehen Hamburg" blieb 2006 ebenso inaktiv wie die "Gruppe Kritik und Diskussion" (K&D). Die Hamburger Gruppe gab die vierseitige Schrift "GEGENARGUMENTE" heraus, die auch im Internet angeboten wird. Im April 2006 wies sie darin auch auf acht Hamburger Buchläden hin, die die Publikation "GEGENSTANDPUNKT" vertreiben. Die Ausgabe April 2006 warb für eine Veranstaltung an der Universität Hamburg am 27.04.06 zum Thema "Hochschulreform heute: Von wegen Wissensgesellschaft!" mit einem MG-Angehörigen aus Frankfurt/Main als Referenten. In der Ankündigung dazu hieß es u.a.: "... Der Staat lässt ausschließlich forschen und lehren, um die Konkurrenzfähigkeit der nationalen Wirtschaft gegenüber dem Ausland zu steigern, und das heißt eben: die Fähigkeit, gleichgelagerte Anstrengungen anderer kapitalistischer Nationen zu entwerten und zum Scheitern zu bringen. ... der Vortrag behandelt die aktuelle Hochschulreform, was die Reformer bewegt und was sie an Forschung und Lehre 175 Linksextremismus tatsächlich verändern. Und wirft ein Licht auf die schäbige Rolle, die das Wissen im Kapitalismus spielt ...". Sonderveranstaltungen wie die am 06.12.06 in der Universität zum Thema "Imperialismus heute - Wie Weltmarkt und Weltmacht zusammengehören" mit dem MG-Spitzenfunktionär Dr. P. DECKER sorgten für etwas mehr Zulauf als die monatlichen "Jour-fixe"-Veranstaltungen. Die ständigen Bemühungen um neue Mitglieder für die MG haben wenig Erfolg. Da es jedoch kaum Austritte gibt, ist von einer langsam steigenden Mitgliederzahl auszugehen. Auf den Internetseiten "Arbeitsfeld Linksextremismus" finden sich ausführliche Informationen über: Linksextremistische Ideologie und Personenpotential Grundsätzliches / Kommunistisches Weltbild / Trotzkismus / Maoismus; Entwicklung des linksextremistischen Personenpotentials Organisationen und Gruppierungen "Die Linkspartei.PDS", Deutsche Kommunistische Partei (DKP), Sozialistische Deutsche Arbeiter Jugend (SDAJ), Assoziation Marxistischer Studentinnen (AMS), Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - VVN Bund der Antifaschisten (VVN-BdA), Autonome - Antiimperialisten - Anarchisten, Trotzkisten Aktionsund Agitationsfelder Antifaschismus, Antirassismus / Ausländerund Asylproblematik, Anti-Globalisierungs-Kampagne, Anti-AKW-Kampagne Terrorismus und Gewalt Allgemeines, Historisches, Autonome Zelle in Gedenken an Ulrike Meinhof (AZUM) Linksextremistische Zentren in Hamburg "Rote Flora", "B 5" Brigittenstraße, "Libertäres Zentrum" (LIZ), "Libertäres Kulturund Aktionszentrum" (LKA) 176 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Rechtsextremismus V. Rechtsextremismus 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick Die Entwicklung des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik schloss 2006 nahtlos an den Trend des Vorjahres an. Die aktivste rechtsextremistische Partei war die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD), deren Mitgliederzahl weiterhin stieg, während die "Deutsche Volksunion" (DVU) noch mehr an Bedeutung verlor und erhebliche Mitgliederverluste hinnehmen musste. Die Gesamtzahl der Rechtsextremisten blieb im Vergleich zum Vorjahr nahezu unverändert. Die seit mehr als zwei Jahren praktizierte "Volksfrontstrategie" (Wahlabsprachen zwischen der NPD und der DVU sowie eine Zusammenarbeit der NPD mit Neonazis) trug bei der Landtagswahl am 17.09.06 in MecklenburgVorpommern zu einem weiteren Erfolg der NPD bei. Nach dem Wahlerfolg in Sachsen im Jahr 2004 zog sie mit 7,3% der abgegebenen Stimmen in ein zweites ostdeutsches Landesparlament ein. Nicht nur die Zusammenarbeit mit Neonazis in Wahlkämpfen, bei öffentlichen Aktivitäten und in einigen Landesverbänden der NPD, sondern auch der Zustrom von Neonazis bis in höchste Bundespartei-Gremien hielten an. So war die NPD auch 2006 die eindeutige Gewinnerin der Absprachen und Bündnisbestrebungen im rechtsextremistischen Lager. Die DVU kam aus ihrer Rolle als Partner für Wahlabsprachen nicht heraus und verlor weiter an Renommee. Politische Aktivitäten gingen von der Partei kaum noch aus ( V.7.2). Die "Republikaner" (REP) - in sich zerstritten, mit einem mehrheitlich gemäßigten Flügel und parteioppositionellen Kräften mit eindeutig rechtsextremistischer Ausrichtung - konnten 2006 keine Erfolge aufweisen. Hinsichtlich der REP insgesamt liegen derzeit keine hinreichend gewichtigen tatsächlichen Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vor, die eine 178 Rechtsextremismus gesonderte Darstellung im Kapitel "Rechtsextremistische Parteien" ( V. 7) rechtfertigen. In der Bundespartei gibt es jedoch unverändert Kräfte, die rechtsextremistische Ziele verfolgen oder unterstützen. Den größten Zulauf erhielt die NPD im Jahr 2006, wie schon im Vorjahr, aus dem Kreis der aktionistisch orientierten Rechtsextremisten ( V.4). Diese konnten bislang den Spagat halten, weitgehend ihre Kameradschaftsstrukturen zu bewahren und erfolgreich auf dem parlamentsorientierten Zug der NPD mitzufahren. Der Anteil der Neonazis in den einzelnen Landesverbänden der NPD sowie die Intensität ihrer Zusammenarbeit mit der Partei ist bundesweit unterschiedlich. Neonazis bilden auch weiterhin den Kern der aktionistisch orientierten Rechtsextremisten ( V.4). Rechtsextremisten versuchen unverändert, durch die Veranstaltung einschlägiger Musikkonzerte und die Verteilung von CDs Jugendliche anzusprechen und bei ihnen Interesse für eine Zusammenarbeit zu wecken ( V.6). In Hamburg stagnierte die Gesamtzahl der Rechtsextremisten, im Vorjahr hatte es leichte Zuwächse gegeben ( V.2.). Rechtsextremistische Aktivitäten gingen weit überwiegend von Neonazis ( V. 4.) einschließlich von aktionistisch orientierten Rechtsextremisten ( V.4.) und von der NPD aus. Auch 2006 wirkten diese Bereiche zusammen. Interne Querelen und Kritik aufgrund unterschiedlicher rechtsextremistischer politischer Ausrichtungen blieben vorerst ohne nachhaltige Auswirkungen auf gemeinsame Aktivitäten. Ende 2006 nahmen personelle Machtkämpfe zwischen Neonazis und NPD-Funktionären zu. Es kam u.a. zu Streitigkeiten zwischen der Hamburger NPD-Landesvorsitzenden und einigen Führungspersonen der Neonaziszene. Zudem war mit dem machtorientierten NPD-Neumitglied Jürgen RIEGER ein profilierter Neonazi dazugestoßen, an dem sich Konflikte entzündeten. Dies führte am 04.01.07 zum Rücktritt des NPD-Landesvorstandes ("Führungskrise in der Hamburger NPD") und zur Wahl Jürgen RIEGERs zum neuen Landesvorsitzenden der Hamburger NPD am 25.02.07 ("Führungswechsel in der Hamburger NPD"). 179 Rechtsextremismus Nach der Auflösung des REP-Landesverbandes Anfang 2005 kam es 2006 zu keiner Wiederbelebung der Parteiarbeit in Hamburg ("Republikaner mehrheitlich gegen Volksfront-Kurs"). 1.1 "Volksfront von Rechts" Seit dem Jahr 2004 versuchen Teile des rechtsextremistischen Spektrums, ihre Kräfte zu einer "Volksfront von Rechts" zu bündeln. Wesentliche Bestandteile dieses maßgeblich von der NPD initiierten Kurses sind der "Deutschland-Pakt" der NPD mit der DVU und die zwischen führenden "Freien Nationalisten" und der NPD vereinbarte "Volksfront von Rechts". Der am 15.01.05 geschlossene "Deutschland-Pakt" zwischen den beiden rechtsextremistischen Parteien beinhaltet Wahlabsprachen bis ins Jahr 2009 mit dem Ziel, nicht gegeneinander anzutreten. Vorausgegangen waren Vereinbarungen für die Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen im September 2004, die zu einem Einzug der NPD in den Landtag von Sachsen und der DVU in den Landtag von Brandenburg geführt hatten. Trotz des Erfolges der NPD bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern am 17.09.06 - die Partei schaffte mit einem Ergebnis von 7,3% und mit sechs Abgeordneten nach Sachsen den Sprung in ein zweites Landesparlament - wurden die Unstimmigkeiten zwischen den Bündnispartnern zumindest im norddeutschen Raum immer offensichtlicher. Als große Verlierer des "VolksfrontKurses" stellten sich Ende 2006 "Die Republikaner" (REP) heraus. Nach heftigen Diskussionen über eine mögliche Beteiligung am "Deutschland-Pakt" wurde Dr. Rolf SCHLIERER (Foto), der sich für eine klare Abgrenzung gegenüber DVU und NPD aussprach, am 09.12.06 auf dem Bundesparteitag als Bundesvorsitzender bestätigt. In der Folge erklärten u.a. die Landesvorsitzenden von Berlin und Sachsen-Anhalt ihren Austritt aus der Partei ("Republikaner mehrheitlich gegen Volksfront-Kurs"). 180 Rechtsextremismus Am 26.03.06 fanden in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt Landtagswahlen statt. Wie im "Deutschland-Pakt" vereinbart, trat in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz die NPD an, scheiterte jedoch mit 0,7 % bzw. 1,2% deutlich. In Sachsen-Anhalt kam die DVU nur auf 3,0% der Wählerstimmen, obwohl die Wahlbeteiligung mit 44,4% sehr niedrig war. Die DVU wurde in ihrem Wahlkampf zwar massiv von der NPD unterstützt, jedoch gelang es den beiden Parteien nicht, ihr Wählerpotential zu mobilisieren. Während die NPD bei Udo VOIGT, NPD-Bundesvorsitzender, und der Bundestagswahl 2005 in SachsenDr. Gerhard FREY, DVU-Bundesvorsitzender Anhalt noch annähernd 37.000 Stimmen erhalten hatte, musste sich die DVU jetzt mit über 10.000 Stimmen weniger begnügen. Ihr Spitzenkandidat titelte in einem Beitrag in der NPD-Publikation "Deutsche Stimme" im Mai 2006 "Es ist Wahl - und keiner geht hin!" und kam zu der Feststellung "Es bedarf eben nicht nur der Stimmenthaltung oder des gepflegten Wohnzimmerprotestes, sondern eines kollektiven Aufschreis, der die vielen Lüfte und Winde der Frustration zu einem gewaltigen Sturm zusammenführt, der erst die Kraft besitzt, ein marodes System hinwegzufegen." Es müsse das Ziel der nationalen Bewegung sein, deutlich zu machen, dass sie die einzige Kraft sei, die in der Lage ist, "das System des friedlichen Begaunerns...in eine wahrhaftige Volksgemeinschaft umzuformen." Der NPD-Bundesvorsitzende Udo VOIGT kommentierte in der gleichen Ausgabe, dass es NPD und DVU nicht gelungen sei, ihr Wählerpotential auszuschöpfen. Mit einem Seitenhieb auf die nicht am "VolksfrontKurs" beteiligten REP stellte er fest: "Dies geht aber nur, wenn die Kräfte des Aktiv-Potentials und der finanziellen Ressourcen gebündelt werden. NPD, DVU und viele Freie Kräfte werden weiter zusammenstehen und daran arbeiten, den gemeinsamen Willen durch Konzentration der Kräfte zu verstärken. Wer sich jetzt noch zu fein ist, mitzumachen verrät unser Vaterland." LfV HH Der "Volksfront-Kurs" brachte der NPD bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern erheblichen Gewinn: Durch die Einbindung 181 Rechtsextremismus von Angehörigen der neonazistisch geprägten Kameradschaftsszene gelang es der Partei, flächendeckend in allen Wahlkreisen mit Direktkandidaten anzutreten. Führende Vertreter der örtlichen "Freien Nationalisten" erhielten aussichtsreiche Plätze auf der Landesliste, sodass zwei von ihnen in den Landtag einziehen konnten. Im Gegenzug wurde der Landesverband im Wahlkampf personell stark von Anhängern der Kameradschaftsszene unterstützt. DVU-Mitglieder traten, anders als bei den ebenfalls am 17.09.06 stattgefundenen Wahlen in Berlin, auf der NPD-Landesliste nicht an. In Berlin kandidierten auf den Listen der NPD für die Bezirksverordnetenversammlungen auch führende Mitglieder des DVU-Landesverbandes. Die NPD konnte insgesamt elf Sitze in vier der fünf Berliner Bezirke, in denen sie angetreten war, erringen, zwei der Mandate entfielen auf Mitglieder der DVU. In anderen Landesverbänden der NPD führte die Umsetzung des von Udo VOIGT propagierten Kurses immer wieder zu Spannungen, so u.a. in Niedersachsen. Am 17.08.06 veröffentlichte das Aktionsbüro Norddeutschland eine "Gemeinsame Schlusserklärung freier Kräfte in Niedersachsen und des NPD-LV Niedersachsen: Um das bisher gestörte Verhältnis zwischen freien Kräften und dem NPD-Landesverband Niedersachsen wieder in positive Bahnen zu bringen, trafen sich am 17.08.06 Dieter Riefling als Vertreter freier Kräfte und der Landesvorsitzende der NPD, Ulrich Eigenfeld. Sie einigten sich darauf, die Zusammenarbeit ohne gegenseitige Diskriminierung so wieder aufzunehmen, wie sie vor der Irritation war. Insbesondere wird eine gegenseitige Unterstützung bei öffentlichen Veranstaltungen jedweder Art angestrebt. Ausdrücklich wird festgestellt, dass damit alle Unstimmigkeiten ausgeräumt sind." Hintergrund der vermeintlich behobenen "Irritation" war ein vom NPD-Landesverband im Jahr 2005 verhängtes Redeverbot auf Partei-Veranstaltungen gegen RIEFLING. Dieser Burgfrieden hielt jedoch keine zwei Wochen; der nächste Streit wurde von Christian WORCH in der Erklärung "Volksfront bröckelt" am 31.08.06 publik gemacht. Wieder war der NPD-Landesvorsitzende und damalige stellvertretende Bundesvorsitzende Ulrich EIGENFELD - laut WORCH der "übliche Klotz am Bein" - beteiligt. Hintergrund der neuerlichen Auseinandersetzung im norddeutschen Raum waren die Planungen für eine Demonstration am 28.10.06 in Göttingen. Der stellvertretende NPD-Landesvorsitzende Adolf DAMMANN meldete die Demonstration zwar als Privatmann an, nannte in einem gemeinsam 182 Rechtsextremismus mit WORCH verfassten Mobilisierungsflugblatt jedoch seine Funktion in der NPD und benutzte das Partei-Logo. In einem Beschluss des Landesvorstandes vom 20.08.06 wurde DAMMANN aufgefordert, zukünftig keine Kundgebungen/Demonstrationen ohne Zustimmung des Landesvorstandes anzumelden und zu veranstalten. Sollte die Erklärung bis zum 31.08. nicht vorliegen, habe er als stellvertretender Landesvorsitzender zurückzutreten. In einem Kommentar dazu stellte WORCH fest, dass dies für die NPD typisch sei, da es in den meisten Verbänden der Partei nach wie vor eine "konservative Mehrheit" bis hinein in die Vorstände gäbe. Diese wurden von Delegierten gewählt, die eher der passiven Mehrheit als den aktiven Kreisen der Partei angehörten. WORCH schloss die Feststellung an: "Es ist die NPD, die die Volksfront viel mehr braucht als wir. Nicht umgekehrt!" DAMMANN verweigerte sich den Forderungen des Landesvorstandes und bezog eindeutig Stellung gegen EIGENFELD. Mit der Unterstützung Jürgen RIEGERs ( V.8.) bei der Kandidatur zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden versuchte DAMMANN, die erneute Wahl EIGENFELDs zu verhindern. Auf dem Bundesparteitag wurden allerdings weder RIEGER noch EIGENFELD zu stellvertretenden Bundesvorsitzenden gewählt, sie wurden lediglich Beisitzer im Bundesvorstand. Die Hamburger NPD-Landesvorsitzende Anja ZYSK positionierte sich in dem Streit als Unterstützerin DAMMANNs. In einer Erklärung der Hamburger NPD zur "Gründung der Arbeitsgemeinschaft Nord (ARGE Nord) am 08.11.2006 in Bremen" hieß es, dass die Zusammenarbeit folgender nationaler Kräfte beschlossen worden sei: "NPD-Landesverband Bremen, NPD-Landesverband Hamburg, NPD-Kreisverband Stade, NPD-Kreisverband Rotenburg, SPB/NM Lüneburg." Der Kreisverband Stade wird von DAMMANN geführt. In der Erklärung zur "ARGE Nord" wurde betont, die Zusammenarbeit solle den Gemeinschaftssinn stärken, denn "Die herrschenden Zustände in unserem Land erfordern, den von der Partei proklamier183 Rechtsextremismus ten Volksfrontgedanken vorzuleben und zu realisieren." Eine größere Anzahl von niedersächsischen Parteimitgliedern forderte die Einberufung eines Sonderparteitages. Dessen Ziel solle eine "eventuell anfallende, personelle Neubesetzung des Vorstandes" sein, um den "internen Zusammenhalt und die Harmonie zwischen Vorstand und Basis wieder herzustellen." Im Hinblick auf die Landtagswahl 2008 in Niedersachsen müssten auch "Teile der Kameradschaften" zurückgewonnen werden, die ebenso wie Teile der "Basis ihr Desinteresse bekunden, unter dem amtierenden Landesvorstand Wahlkampf zu betreiben...". In Hamburg ist es mittlerweile schwierig, die Trennlinie zwischen "parteigebundenen" und "parteifreien" Aktivisten der "Volksfront" zu ziehen, da viele Neonazis aus den Kameradschaften der NPD beigetreten sind. Bei Auseinandersetzungen inhaltlicher oder personeller Art zeigen diese Neumitglieder aber immer wieder deutlich, dass sie sich in erster Linie als "Freie Nationalisten" sehen. Als solche versuchten sie zunehmend Druck auf die Landesvorsitzende auszuüben. So veröffentlichte das Aktionsbüro Norddeutschland am 09.12.06 den Beitrag "Balla Balla... Kabbala? NPD-Funktionär Martin Dembowsky logierte in kabbalistisch inspirierter Freimaurersekte". Danach habe der Vorsitzende des Kreisverbandes Hamburg-Harburg über Jahre in der "Freimaurersekte 'Thelema Society'", die in "ihrer Zahlenmystik die Methoden der jüdischen Kabbala" praktiziere, logiert. Ziele und Verbindungen dieser Organisation, so das Aktionsbüro, seien "...zweifellos gegen Deutschland und gegen unsere politische Weltanschauung gerichtet...Dembowsky hat mit dem Feind paktiert." Der Bundesvorstand habe davon bereits Ende 2005 Kenntnis gehabt und lediglich eine Abmahnung und die Auflage, sich künftig von der Freimaurersekte fernzuhalten, ausgesprochen. Daran habe sich DEMBOWSKY nicht gehalten, und "Auch die Hamburger NPD-Landesvorsitzende verschwieg Dembowskys Umtriebe vor den eigenen Mitgliedern. Angeblich hätte er zwar im Oktober diesen Jahres seinen Rücktritt von allen Ämtern erklärt,..." aber im Dezember noch Einladungsschreiben als Kreisvorsitzender unterzeichnet. "Erst jetzt, nachdem der Fall schon rund ein Jahr vertuscht wurde, haben endlich verantwortungsbewusste Kameraden in der Hamburger NPD von den Umtrieben Dembowskys, der nach wie vor Parteimitglied ist, erfahren." Der Beitrag des Aktionsbüros endet mit einer deutlichen Drohung: "Sowohl parteigebundene als auch parteifreie Aktivisten in der Hansestadt sind sich 184 Rechtsextremismus einig: Sollte Dembowsky nicht schleunigst und endgültig verschwinden, wird es ihm schon deutlich genug beigebracht werden!" Nachdem der Hamburger "REP-Landesbeauftragte" Ende November seinen Austritt aus der Partei und seinen Beitritt zur Hamburger NPD nach ausführlichen Gesprächen mit Anja ZYSK und dem Vorsitzenden des "Sozialpatriotischen Bündnisses Lüneburg" (SPB) via Internet verkündet hatte, meldete er am 30.11.06 als Einzelperson für den 10.02.07 in HamburgBergedorf eine Kundgebung (Foto) unter dem Motto "Kein Multikulti in Bergedorf!" an. Unter dem gleichen Motto veröffentlichte der NPD-Kreisverband Bergedorf Flugblätter. Darin hieß es, dass in der Bergedorfer Innenstadt eine Moschee im Auftrag der türkischen Gemeinde gebaut werden soll. "Gegen den Willen der deutschen Mehrheitsbevölkerung haben die volksfeindlichen BRD-Multikulti-Parteien im Bergedorfer Rathaus dieses Projekt genehmigt. ...Wir Nationaldemokraten haben nichts gegen den Islam. Der Islam gehört aber nicht nach Deutschland, sondern in den Orient. Wenn die Moslems Moscheen bauen wollen, dann bitte nicht bei uns, sondern in ihrer orientalischen Heimat. Die NPD wünscht deshalb allen unseren ausländischen Gästen eine gute Heimreise und ein glückliches und erfülltes Leben in ihrer Heimat." Zu dem Thema hatte die Bergedorfer NPD bereits am 30.09.06 an einem Stand "informiert". Die Ankündigung der Demonstration führte jedoch wieder zu einem heftigen Streit in der "Hamburger Volksfront". Auf den Internetseiten der NPD Hamburg wurde seit dem 04.12.06 für die Kundgebung geworben. Als Veranstalter wurden "Freie Nationalisten aus Hamburg" bezeichnet und als Redner der Vorsitzende des "Sozialpatriotischen Bündnisses Lüneburg" (SPB) sowie Christian WORCH genannt. Dies veranlasste den Betreiber des Aktionsbüros Norddeutschland am 17.12.06 zu der öffentlichen Verlautbarung, "daß die Veranstalterbezeichnung auf dem verteilten Aufruf bewußt falsch deklariert worden ist, um zu suggerieren, daß es sich dabei um die bewährten freien Kräfte aus Hamburg handeln könnte. Dies ist jedoch nicht so. Der Anmelder ist kein freier Nationalist und die Veranstal185 Rechtsextremismus tung wird auch nicht in Absprache mit den bewährten freien Kräften aus Hamburg organisiert." Da "die bewährten freien Kräfte aus Hamburg" im Landesvorstand der Hamburger NPD vertreten waren, wurde der Landesvorsitzenden vorgeworfen, zu Alleingängen zu neigen und zumindest Teile des Landesvorstandes nicht in Entscheidungen eingebunden zu haben. Diese Auseinandersetzung führte am 04.01.07 zum Rücktritt des NPD-Landesvorstandes ("Führungskrise in der Hamburger NPD - Landesvorstand tritt zurück"). Auf dem Bundesparteitag der NPD im November 2006 bekräftigten sowohl Udo VOIGT als auch der DVU-Bundesvorsitzende Dr. Gerhard FREY ihr Festhalten an den Vereinbarungen im "DeutschlandPakt". Danach würde bei der nächsten Bürgerschaftswahl in Hamburg (Anfang 2008) die DVU antreten. 1.2 Revisionismus Der Revisionismus ist neben dem Antisemitismus fundamentaler Bestandteil rechtsextremistischen Gedankenguts. In der politischen Agitation werden diese Komplexe von Rechtsextremisten häufig eng verbunden. Zur Verbreitung ihrer kriegsschuldund holocaustleugnenden Ansichten versuchten deutsche Rechtsextremisten revisionistisch geprägte Gedenkveranstaltungen wie die jährliche Heß-Kundgebung in Wunsiedel und den traditionellen Trauermarsch zum Gedenken der "Opfer des Alliierten Bombenterrors" in Dresden zu nutzen: Die im August 2006 in Wunsiedel geplante Großdemonstration für den angeblich ermordeten Hitler-Stellvertreter Heß konnte - wie schon im Vorjahr - wegen ihres Verbotes nicht durchgeführt werden. Es kam allerdings zu diversen kleineren Ersatzveranstaltungen im Bundesgebiet. An der von der "Jungen Landsmannschaft Ostpreußen" (JLO; seit Herbst 2006 "Junge Landsmannschaft Ostdeutschland e.V.") mit Unterstützung der NPD am 11.02.06 in Dresden durchgeführten Großveranstaltung 186 Rechtsextremismus (Foto, S. 186, Motto: "61. Jahrestag des 13. Februar 1945") nahmen 4.200 Personen teil (2005: 5.000). Der Schwerpunkt revisionistischer Aktivitäten lag jedoch in der Veröffentlichung und Verbreitung kriegsschuldund holocaustleugnender Ansichten in diversen Schriften und Beiträgen. Die thematischen Schwerpunkte der deutschen Revisionisten-Szene wurden durch Äußerungen und Aktivitäten des iranischen Staatspräsidenten AHMADINEJAD sowie durch die strafrechtliche Verfolgung führender Revisionisten in Deutschland, Österreich und Frankreich bestimmt. In ihrem internationalen Kampf gegen das "Weltjudentum", Israel und die USA sehen Geschichtsrevisionisten islamische Institutionen und Personen bereits seit Jahren als Verbündete. Gemeinsamkeiten werden insbesondere im antijüdisch und antiamerikanisch geprägten Feindbild gesehen. Spektakuläre Anschläge wie am 11.09.01 gegen die USA und die folgenden kriegerischen Auseinandersetzungen in Afghanistan und Irak wurden genutzt, um eine Zusammenarbeit mit Vertretern des Islam zu fordern und zu fördern. Einer engeren Kooperation standen bislang jedoch der jeweilige Absolutheitsanspruch und die ausländerfeindliche Orientierung der Rechtsextremisten im nationalen Bereich entgegen. 2006 rückte insbesondere der iranische Präsident ins Blickfeld deutscher Revisionisten. Dessen Popularität unter Rechtsextremisten stieg erheblich, nachdem er in einem - in Deutschland veröffentlichten - Interview den Holocaust bezweifelte, die angeblich fehlende Meinungsfreiheit in Deutschland beklagte und die Vernichtung Israels forderte. In dem rechtsextremistischen Strategieund Theorieorgan "Nation & Europa. Deutsche Monatshefte" vom Juli/ August wurde er als prominentester "Verteidiger der Deutschen gegen ihre immerwährende Schuldknechtschaft" bezeichnet und als "moralische Autorität" gewürdigt, die mit qualifizierten Argumenten ein offenes Wort wage. Deutschen Politikern wurde vorgeworfen, es bei der "Aufrechterhaltung 187 Rechtsextremismus der geistigen Botmäßigkeit" zu belassen, anstatt gemeinsam mit Iran eine "Achse der Freiheit und Gleichberechtigung" gegen die "Lügenund Terror-Achse der anderen" und gegen die gemeinsame Bedrohung durch die Globalisierung und Washingtons "One-World"-Ambitionen zu bilden. Großes Interesse fand in der deutschen Revisionistenszene die von staatlichen iranischen Stellen am 11./12.12.06 veranstaltete internationale Holocaust-Konferenz in Teheran unter Mitwirkung des iranischen Staatspräsidenten. Ein besonderer Fürsprecher der Konferenz war der Brandenburger Rechtsextremist Horst MAHLER (Foto). Im Rahmen des von ihm initiierten und propagierten "Feldzuges gegen die Offenkundigkeit des Holocaust" erklärte er: Der iranische Präsident "hat uns sehr geholfen, der Holocaust hat nie stattgefunden. Er ist die größte Lüge der Geschichte". Die Revisionisten-Konferenz müsse unter allen Umständen und ungeachtet des Verfolgungsdruckes gegen Revisionisten stattfinden. Sie werde "das Ende der Bundesrepublik gewaltig beschleunigen", und die auf der "Holocaustlüge" errichtete BRD werde in Teheran "zerschmettert" werden. Nach Presseberichten nahmen an der Konferenz rund 70 sogenannte Wissenschaftler und Intellektuelle aus westlichen Ländern teil. In seinem Vortrag forderte AHMADINEJAD Pressemeldungen zufolge die Einstellung staatlicher Verfolgung und Gewährung von Meinungsfreiheit in Staaten mit einem gesetzlichen Verbot der Leugnung des Holocaust. Außerdem prognostizierte er das Ende des zionistischen Regimes und kündigte die Gründung einer Kommission zur Prüfung der "Holocaust-Frage" an. Führende Vertreter des deutschen Revisionismus konnten nicht an der Konferenz teilnehmen. Die geplante Einreise des ehemaligen NPDVorsitzenden Günter DECKERT nach Iran konnte verhindert werden. Ihm wurde sein Pass am 10.12.06 bei einer Kontrolle am Hamburger Flughafen aufgrund eines Beschlusses des Verwaltungsgerichtes Karlsruhe entzogen. 188 Rechtsextremismus MAHLER konnte ebenfalls nicht an der Konferenz teilnehmen. Um seine Mitwirkung an der zunächst für das Frühjahr geplanten "HolocaustKonferenz" zu verhindern, war ihm sein Pass bereits am 26.01.06 für die Dauer von sechs Monaten entzogen worden. Seit dem 15.11.06 befindet sich MAHLER zur Abbüßung einer neunmonatigen Freiheitsstrafe wegen Volksverhetzung in Haft. So gelang es nur einzelnen, weniger relevanten Personen, wie dem Hamburger Rechtsextremisten Klaus KAPING, nach Iran einzureisen. Weitere Schwerpunkte der deutschen Geschichtsrevisionisten stellten die Agitation gegen den SS 130 StGB (Volksverhetzung) und die daraus resultierende verschärfte strafrechtliche Verfolgung deutscher "Holocaust-Leugner" dar. Hierbei boten insbesondere die Verfahren gegen die bislang vom Ausland aus agierenden Ernst ZÜNDEL, Germar RUDOLF und Siegfried VERBEKE deutschen Rechtsextremisten Anlass und Bühne ihrer Aktivitäten. Die im Jahr 2005 an die deutschen Behörden überstellten Revisionisten müssen sich vor dem LG Mannheim in unterschiedlichen Prozessen wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener verantworten. Auch in anderen europäischen Ländern führten die Aktivitäten von Revisionisten wie David IRVING und Robert FAURRISSON zu strafrechtlichen Maßnahmen. Diese Prozesse wurden von deutschen Rechtsextremisten genutzt, um durch Auftritte vor Gericht auf das Thema "Holocaust" aufmerksam zu machen, Eigenpropaganda zu betreiben und die Arbeit der Justiz zu erschweren. Hierbei taten sich insbesondere MAHLER und die Anhänger des von ihm Ende 2003 im Rahmen seines "Feldzugs gegen die Offenkundigkeit des Holocaust" initiierten und in Berlin ansässigen "Vereins zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten" (VRBHV) hervor. Ziel und Zweck des Vereins, dessen Vorsitz ein Schweizer Revisionist hat, ist es, verurteilte oder angeklagte Holocaust-Leugner durch öffentlichkeitswirksame Agitation sowie durch materielle und personelle Koordinierungsmaßnahmen zu unterstützen und deren Strafverfolgung als "Justizverbrechen" zu entlarven. Die VRBHV-Anhänger versuchten gemäß der von MAHLER propagierten "Wortergreifungsstrategie", die Gerichtsverfahren als Bühne für ihre Verschwörungstheorien über das angeblich die Weltherrschaft anstrebende "Weltjudentum" zu nutzen. 189 Rechtsextremismus Besondere Unterstützung galt dem in der JVA Mannheim einsitzenden deutschen Revisionisten Ernst ZÜNDEL (Foto). Der Anfang März 2005 aus Kanada ausgewiesene ZÜNDEL muss sich seit dem 08.11.05 vor dem LG Mannheim verantworten. Ihm wird vorgeworfen, während seines Aufenthaltes in Kanada und in den USA über "Rundbriefe" und seine Homepage öffentlich den im Nationalsozialismus begangenen Völkermord an den Juden systematisch geleugnet bzw. verharmlost sowie durch antisemitische Hetze zum Hass gegen die jüdische Bevölkerung aufgestachelt zu haben. Der Prozess war von Beginn an durch Störungen, Verzögerungstaktik und Provokationen durch Verteidigung und Zuschauer gekennzeichnet. Anwälte und Zuschauer versuchten, das Gerichtsverfahren als Bühne für ihre aggressiv vorgetragenen, den Holocaust leugnenden und NS-verherrlichenden Tiraden zu nutzen. Mitte November 2005 hatte dies zum Abbruch der Verhandlung und zum Ausschluss der Pflichtverteidigung geführt. Nach Wiederaufnahme des Prozesses im März setzten die ehemaligen Pflichtverteidiger ZÜNDELs ihre politische Agitation und Verschleppungstaktik als Wahlverteidiger bzw. als Zuschauer fort. Dies führte zum erneuten Ausschluss der führend agierenden Pflichtverteidigerin. Der Prozess konnte im Jahr 2006 nicht abgeschlossen werden. Auch der seit November 2006 laufende Prozess gegen den deutschen Revisionisten Germar RUDOLF (Foto) wurde von MAHLER und seinen Anhängern kritisch verfolgt und der Angeklagte von deutschen Rechtsextremisten durch Solidaritätsaktionen unterstützt. Der am 15.11.05 von den USA zur Verbüßung einer bereits rechtskräftigen Freiheitsstrafe nach Deutschland überstellte Diplom-Chemiker muss sich seit dem 14.11.06 vor dem LG Mannheim verantworten. In der Verhandlung leugnete RUDOLF erneut den systematischen Massenmord an Juden im Dritten Reich und bezeichnete den Holocaust als "gigantischen Betrug". Im Gegensatz zum ZÜNDEL-Prozess wurde dieses Verfahren weder vom Publikum 190 Rechtsextremismus noch von der Verteidigung durch provokative Agitation gestört. MAHLER und seine Anhänger nahmen zwar an dem Prozess teil, ihr dortiges Auftreten war jedoch weit weniger spektakulär als bei ZÜNDEL. Dieser wurde am 15.02.07 wegen Volksverhetzung zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt; das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Verfahren gegen den Belgier VERBEKE fand in der deutschen Rechtsextremisten-Szene keine wesentliche Erwähnung. Dazu mag beigetragen haben, dass sich dieser im Unterschied zu ZÜNDEL und RUDOLF bislang nicht von deutschen Rechtsextremisten anwaltlich vertreten ließ. VERBEKE war am 04.08.05 aufgrund eines 2004 vom AG Mannheim ausgestellten internationalen Haftbefehls in Amsterdam festgenommen, inhaftiert und am 01.11.05 an die deutschen Behörden übergeben worden. Der Haftbefehl gegen den Belgier wurde gegen Zahlung einer Sicherheitsleistung außer Vollzug gesetzt und seine Entlassung aus der JVA Heidelberg unter strengen Meldeauflagen angeordnet. Sein Prozess vor dem LG Mannheim hat Anfang 2007 begonnen. VERBEKE war Mitbetreiber der bei Antwerpen ansässigen revisionistischen Organisation "Vrij Historisch Onderzoek" (VHO, "Freie Historische Untersuchung"), die sich ab Mitte der 90er-Jahre zum wichtigsten europäischen Verbreiter holocaustleugnender Schriften entwickelte. Weitere führende Revisionisten wie der Brite David IRVING und der Franzose Robert FAURISSON mussten sich im Februar in Wien und im November in Paris wegen Verdachts nationalsozialistischer Wiederbetätigung bzw. wegen Holocaustleugnung gerichtlich verantworten. FAURISSON wurde Pressemeldungen zufolge im November von einem Pariser Gericht zu einer Gefängnisstrafe von drei Monaten auf Bewährung und zu einer Geldbuße von 7.500 Euro verurteilt. Er hatte in einem Interview mit einem iranischen TV-Sender die Existenz von Gaskammern in deutschen KZs bestritten und als "Täuschung für Millionen von Touristen" bezeichnet. IRVING war am 20.02.06 von einem Wiener Gericht zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren ohne Bewährung verurteilt worden. In der Berufungsverhandlung wurde das Strafmaß bestätigt, jedoch wurden zwei Drittel der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. IRVING (Foto, S. 192) wurde daraufhin am 20.12.06 aus der Haft entlassen. Am 21.12. 191 Rechtsextremismus folgte seine Ausweisung nach Großbritannien. Das österreichische Innenministerium erwirkte gegen ihn ein lebenslanges Aufenthaltsverbot. Der Schwerpunkt deutscher Gebietsrevisionisten lag in deren Forderungen und Aktivitäten zur Wiederherstellung des "Deutschen Reiches". Die Anhänger dieser unter diversen Bezeichnungen agierenden und dem Reichsgedanken verhafteten Gruppierungen stellen die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland, ihrer Vertreter sowie Institutionen in Frage und fordern die Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit des Deutschen Reiches und des Deutschen Volkes. Dabei bedienten sie sich auch geschichtsrevisionistisch orientierter Argumente. Von den diversen in Deutschland existenten Reichsgruppierungen mit ihren jeweiligen "Reichsregierungen" und sonstigen "Reichseinrichtungen" sind nicht alle als rechtsextremistisch einzustufen. Einige verfolgen vorrangig finanzielle Ziele und versuchen, ihre Daseinsberechtigung durch die Ausstellung entsprechender Reichspapiere (Personenausweise, Führerscheine, Dienstausweise für Beamte im Staatsdienst, Staatsangehörigkeitsausweise, Reisepässe, Reichsgewerbescheine) zu legitimieren. Innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums hat die Mehrzahl dieser Gruppierungen nur geringe Bedeutung. Wiederholte Vereinigungsversuche blieben bislang erfolglos. Zu den bekanntesten Vertretern des Deutschen Reichsgedankens zählen das von dem Hamburger Rechtsextremisten Dr. Reinhold OBERLERCHER (Foto) und dem Würzburger Rechtsextremisten Uwe MEENEN geführte "Deutsche Kolleg" (DK) sowie die von MAHLER initiierte "Reichsbürgerbewegung" (RBB), deren Anhänger auch unter der Bezeichnung "Reichsbewegung" (RB) auftreten. Gemeinsames Ziel dieser beiden Gruppierungen ist die Beseitigung der parlamentarischen Demokratie. An deren Stelle soll eine "Neue Ordnung ohne Parteienherrschaft" in Form eines "Vierten Reiches" treten. Die Veröffentlichungen dieser 192 Rechtsextremismus Gruppierungen zeichnen sich seit Jahren durch ihre revisionistischen, NS-verherrlichenden, antisemitischen, rassistischen, ausländerfeindlichen, antiamerikanischen und antidemokratischen Tendenzen aus. Die von Rechtsextremisten mit intellektuellem Anspruch geleiteten Zusammenschlüsse verloren im Jahr 2006 in der rechtsextremistischen Szene stark an Bedeutung. MAHLERs Aktivitäten fehlte es an Kontinuität und am erwarteten Zuspruch für den angestrebten personellen und organisatorischen Aufund Ausbau seiner Initiativen. Wegen seiner sektiererischen ideologischen Vorstellungen geriet er in die Kritik deutscher Rechtsextremisten. Das DK versteht sich als "Denkorgan", "geistige Verbindung reichstreuer Deutscher und reichstreuer Schutzgenossen", als "Schild und Schwert" des "Deutschen Reiches" und als "Souverän" des Deutschen Volkes. Dabei zeigte sich das DK grundsätzlich gewaltbefürwortend, indem es erklärte: Zur Erreichung des angestrebten Ziels obliegt dem DK auch das Recht "zum Kriege" und das Recht, "Urteile körperlich zu vollstrecken" sowie das Recht, "Reichsfeinde militärisch unter Beschluss und Beschuss zu nehmen". Wegen seines "geistigen Charakters" erklärte das DK jedoch bislang den Verzicht auf die Ausübung dieses "materiellen Teils der Staatsgewalt". Die RBB/RB war von MAHLER nach seiner Trennung vom DK im Jahr 2003 initiiert worden. Parallel zur OBERLERCHER-Bewegung wollte er einen von ihm geprägten bundesweiten Zusammenschluss intellektuell Gleichgesinnter schaffen. Alle Deutschen wurden von MAHLER aufgefordert, sich in die "Reichsbürgerbewegung zur Vorbereitung des Allgemeinen Aufstandes des Deutschen Volkes" gegen die als "Organisationsform einer Modalität der Feindmächte des Deutschen Reiches" (OMF-BRD) bezeichnete illegitim entstandene und durch "Fremdherrschaft" gekennzeichnete "BRD" einzureihen. Als wesentlichen Bestandteil seines Kampfes zur Wiedererlangung der deutschen Souveränität in einem neuen nationalsozialistisch ausgerichteten Volksstaat sieht MAHLER die Entmachtung der "Judenheit" und der von ihr dominierten "US-Ostküste". Laut MAHLER sei das Deutsche Volk "erst dann wieder frei, wenn Deutsche ungehindert mit den Hakenkreuzfahnen der Nationalsozialistischen Bewegung durch das Brandenburger Tor marschieren" könnten. 193 Rechtsextremismus Der Schwerpunkt der Aktivitäten der RBB/RB-Anhänger waren Schulungs-Veranstaltungen, bei denen MAHLER seine Ideologie und politischen Vorstellungen zu vermitteln versuchte. Im Januar gaben seine Anhänger als "Informationsdienst" der "Reichsbewegung" die Schrift "Das Reich" heraus. Darin ist als Kontaktund Ansprechpartner ein Hamburger MAHLER-Anhänger mit seiner Internetund Postfachadresse genannt. Auch Hamburger Rechtsextremisten und Personen waren in revisionistische und antisemitische Aktivitäten eingebunden. Insbesondere waren sie an Wortergreifungsaktionen der RBB/RB, des VRBHV oder des DK beteiligt. Auch nahmen sie an den Treffen dieser oder anderer revisionistischer Gruppierungen (sog. Reichsgruppierungen) teil. Darüber hinaus waren sie bei revisionistischen Veranstaltungen präsent oder setzten sich - wie der Hamburger Rechtsanwalt Jürgen RIEGER - vor Gericht für angeklagte Revisionisten ein. Die Bemühungen um den Aufbau einer regional strukturierten, zur kontinuierlichen Arbeit befähigten sog. "Reichsbürgerbewegung-Region Hamburg" bzw. "Reichsbürgerbewegung-Region Nord" blieben weiterhin erfolglos. Hierfür setzte sich insbesondere der frühere Hamburger DKund jetzige MAHLER-Anhänger Klaus KAPING ein, der sich wegen seiner volksverhetzenden Aktivitäten bereits gerichtlich verantworten musste. So war er Anfang 2005 vom AG Bad Oeynhausen zu einer Geldstrafe verurteilt worden, nachdem er im November 2003 in einem Artikel über die Gründung des VRBHV die offiziellen Opferangaben über die in Auschwitz vergasten Juden in Frage gestellt und den Holocaust als "Mythos" und rein jüdisch-religiöse Angelegenheit bezeichnet hatte. Vor Gericht hatte er seine Äußerungen unter dem Beifall einiger Zuschauer vehement verteidigt. Bei seinen Bemühungen um den Aufbau einer Hamburger bzw. norddeutschen RBB/ RB suchte KAPING auch den Kontakt zu anderen Hamburger Rechtsextremisten. Von der Hamburger NPD wurde er als "Freund" bezeichnet und war für eine Veranstaltung des NPD-KV Altona am 01.03.06 als Referent zum Thema "Korruption in der BRD" vorgesehen. Die Aktivitäten des DK in Hamburg blieben im wesentlichen auf Reinhold OBERLERCHER beschränkt. Seine Versuche, neue Anhänger z.B. in der Hamburger NPD zu gewinnen, blieben bislang erfolglos. 194 Rechtsextremismus 2. Potentiale Seit 1999 reduzierte sich die Gesamtzahl der Rechtsextremisten auf Bundesebene kontinuierlich. Im Jahr 2006 kam es zu einer Stagnation des rechtsextremistischen Personenpotentials. Die Gesamtzahl 2006 betrug etwa 38.600 und war damit nur unwesentlich niedriger als im Vorjahr (39.000); sie enthält noch die Mitglieder der REP. Über diese Partei insgesamt liegen derzeit keine hinreichend gewichtigen tatsächlichen Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vor, die eine gesonderte Darstellung im Kapitel "Rechtsextremistische Parteien" ( V. 7) rechtfertigen. In der Bundespartei gibt es jedoch unverändert Kräfte, die rechtsextremistische Ziele verfolgen oder unterstützen. Bund: Rechtsextremistische Personenpotentiale 60000 50000 40000 30000 48.800 53.600 51.400 50.900 49.700 45.000 41.500 40.700 39.000 38.600 20000 10000 0 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2006: Enthält noch die Zahl der REP-Mitglieder (vgl. Einleitung zu "Potentiale") -Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet195 Rechtsextremismus Die Anzahl der erfassten rechtsextremistischen Parteien, Organisationen, Gruppen und sonstigen Personenzusammenschlüsse blieb mit 182 im Jahr 2006 nahezu konstant (2005:183). Trotz weiterer Verluste, etwa 500 Angehörige im Berichtsjahr, blieb die DVU mit nunmehr ca. 8.500 Mitgliedern (2005: 9.000) die mitgliederstärkste rechtsextremistische Partei. Der Bestand der REP reduzierte sich ebenfalls um etwa 500 Personen auf rund 6.000 (2005: 6.500). Die NPD blieb, wie in den Jahren zuvor, die Gewinnerin unter den rechtsextremistischen Parteien. Sie legte um etwa 1.000 Personen zu und verfügte 2006 über ca. 7.000 Angehörige (2005: 6.000). Die Gesamtzahl der Neonazis erhöhte sich im Jahr 2006 geringfügig um ca.100 (+2,4%) auf insgesamt etwa 4.200 Personen (2005: 4.100). Damit setzte sich der Vorjahrestrend abgeschwächt fort. Die Zahl der sonstigen gewaltbereiten Rechtsextremisten und rechtsextremistischen Skinheads lag bundesweit unverändert bei ca. 10.400 Personen. Rechtsextremistisches Personenpotential 2005 2006 auf Bundesebene Gewaltbereite Rechtsextremisten 10.400 10.400 einschließlich Skinheads Neonazis 4.100 4.200 Parteien 21.500 21.500 davon REP 6.500 6.000 davon DVU 9.000 8.500 davon NPD 6.000 7.000 Sonstige rechtsextremistische 4.000 3.800 Organisationen Summe 40.000 39.900 abzügl. Mehrfachmitgliedschaften 1.000 1.300 Gesamtpotential 39.000 38.600 Siehe bitte Einleitung zu "Potentiale" -Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet196 Rechtsextremismus Die drei größeren rechtsextremistischen Parteien umfassen, wie im Vorjahr, insgesamt etwa 21.500 Angehörige. Den Verlusten bei den REP und der DVU standen die Zuwächse der NPD gegenüber. Hamburg Nachdem die Zahl der Rechtsextremisten im Jahr 2005 erstmals seit mehreren Jahren wieder angestiegen war, stagnierte sie im Jahr 2006. Hamburg: Rechtsextremistische Personenpotentiale 1200 1000 800 600 1.200 1.060 1.000 910 820 640 590 530 550 540 400 200 70 100 120 120 40 0 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 Hamburg Umland -Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundetDer Trend in den unterschiedlichen Bereichen des Rechtsextremismus setzte sich 2006 im Wesentlichen fort. Die Anzahl der Neonazis stieg von 80 auf 85 Personen, etwa die Häfte davon sind gleichzeitig NPD-Mitglieder. Die NPD konnte die erhebliche Steigerung ihrer Mit197 Rechtsextremismus gliederzahl im Vorjahr nicht fortsetzen. Sie hat weiterhin etwa 140 Mitglieder. Wie seit Jahren war auch 2006 die Entwicklung in der DVU rückläufig. Ihr Landesverband schrumpfte auf nunmehr etwa 160 Mitglieder, von denen die Mehrzahl inaktiv war. Nach der Auflösung des Hamburger Landesverbandes der REP Anfang 2005 gelang der Partei kein Neuaufbau in Hamburg. 2006 verließ das letzte Hamburger Mitglied die Partei. Bei der Zahl von gewaltbereiten Rechtsextremisten und rechtsextremistischen Skinheads von 150 im Jahr 2006 kam es zu keinen Veränderungen. Rechtsextremistisches Personenpotential 2005 2006 in Hamburg Gewaltbereite Rechtsextremisten 150 150 einschließlich Skinheads Neonazis 80 85 Parteien 320 310 davon DVU 170 160 davon NPD 140 140 davon sonstige Parteien 10 10 Sonstige rechtsextremistische 65 60 Organisationen Summe 615 605 abzügl. Mehrfachmitgliedschaften 65 65 Gesamtpotential 550 540 -Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundetDie Hamburger Neonazis einschließlich der neonazistisch geprägten Skinheads sowie die NPD sind in Hamburg nach wie vor das Gra198 Rechtsextremismus vitationszentrum des Rechtsextremismus. Während im vergangenen Jahr insbesondere die NPD von der neuen Zusammenarbeit unter dem Motto "Volksfront von Rechts" profitierte und einen neuen Mitgliederhöchststand erreichte, zahlten sich 2006 verstärkte Nachwuchsarbeit und Werbeaktivitäten für die Neonazis aus und sorgten für eine Fortsetzung ihres leichten Zuwachstrends. 3. Rechtsextremistisch motivierte Kriminalität Seit 2001 wird der Deliktsbereich der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) bundesweit mit einem einheitlichen System erfasst. Mit verbindlichen Kriterien werden dabei sämtliche politisch motivierten Straftaten berücksichtigt und extremistische Straftaten als Teilmenge ausgewiesen. Die rechtsextremistischen Straftaten, einschließlich der Gewalttaten, werden grundsätzlich danach unterschieden, ob sie eine fremdenfeindliche, rassistische oder antisemitische Tendenz haben. PMK-Rechts 2001 2002 2003 2004 2005 2006 PMK-Rechts 348 309 189 214 314 441 insgesamt davon rechts211 184 139 173 285 400 extrem. Straftaten hiervon extrem. (51) 32 13 4 9 20 29 Gewaltdelikte Die Zahlen stammen aus den jeweiligen Jahres-Statistiken der Polizei Hamburg. Von 51 Gewaltdelikten hatte das LfV Hamburg seinerzeit 32 als extremistisch klassifiziert. In Hamburg stieg im Jahr 2006 die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Straftaten auf 400 Delikte an (2005: 285), ein Zuwachs von 40,4 %. Die Propagandadelikte stiegen stark an, sie erhöhten sich auf 288 (2005:186), ein Zuwachs von 54,8 %. Typisches und häufigstes Propagandadelikt ist das Verwenden von Hakenkreuzen, z.B durch Bemalen von Hausfassaden oder Fahrzeugen. Die Täter bleiben vielfach unerkannt. Ein weiteres dieser Delikte ist das Zeigen des Hitlergrußes. 199 Rechtsextremismus Das Verwenden der Symbole Hakenkreuz oder Hitlergruß führt in jedem Fall zur Erfassung als rechtsextremistisches Propagandadelikt, es sei denn, es ist zweifelsfrei klar, dass es keinen rechtsextremistischen Hintergrund gibt. Lediglich bei 27 der insgesamt 175 Tatverdächtigen bei Propagandadelikten lagen staatsschutzrelevante Erkenntnisse vor. Ein großer Teil der rechtsextremistisch motivierten Straftaten, insbesondere der Propagandaund Gewaltdelikte, bei denen Tatverdächtige ermittelt werden konnten, wurde von Jugendlichen und Heranwachsenden begangen. Bei den Gewaltdelikten stieg im Berichtsjahr der Anteil der Einzeltäter, die keinem festen rechtsextremistischen Zusammenhang zugerechnet werden können. Straftaten von Anhängern der Neonaziszene und von Mitgliedern rechtsextremistischer Parteien, insbesondere der NPD, sind vorwiegend im Zusammenhang mit Demonstrationen oder "Rechts-Links-Auseinandersetzungen" bekannt geworden. Gewalttaten fanden häufig spontan und unter Alkoholeinfluss statt. Hamburg 2006: Aufteilung der rechtsextremistischen 2005 2006 Straftaten nach Delikten Gesamt 285 400 Propagandadelikte 186 288 Fremdenfeindliche Delikte 66 51 Antisemitische Delikte 26 22 Gewalttaten 20 29 - Die Zahlen wurden unverändert von der Polizei Hamburg übernommen (Stand: Februar 2007) - Fremdenfeindliche und antisemitische Straftaten verringerten sich im Vergleich zum Vorjahr. Dagegen stieg die Zahl der Gewaltdelikte um 45% auf 29 (2005: 20). Einige resultierten aus Zusammenstößen der linksund rechtsextremistischen Szene, z.B. bei Auseinandersetzungen um einen rechten Szeneladen im Stadtteil St. Pauli. In mehreren 200 Rechtsextremismus Fällen handelte es sich um Gewalttaten gegen Bürger ausländischer Herkunft. Eine eindeutige Erklärung für den Anstieg der rechtsextremistisch motivierten Kriminalität gibt es nicht. Aktivitäten von Rechtsextremisten und deren öffentliche Präsenz haben zugenommen, das hat zu einer Reihe von Auseinandersetzungen zwischen Rechtsund Linksextremisten geführt. Dabei ist es auch zu rechtsextremistischen Straftaten gekommen. Eine höhere Aufmerksamkeit von Bevölkerung und Polizei dürften zu einem veränderten Anzeigeverhalten geführt haben. Die folgenden Vorfälle schildern typische Gewaltdelikte: 06.02.06: Als ein Fahrkarten-Kontrolleur, ein Farbiger, in der Nähe des S-Bahnhofes Hammerbrook einen Mann überprüfte, wurde er von diesem mit den Worten "So was noch kontrollieren zu lassen - muss vergast werden" beleidigt. Als der Mann den S-Bahn-Wagen verließ, schlug und trat er in Richtung des Kontrolleurs und traf ihn mit einem Tritt am Schienbein. 07.04.06: In Hamburg-Altona wurde im Rahmen eines Nachbarschaftsstreits ein türkischer Staatsbürger von einem Deutschen mit "Scheißtürke" bezeichnet und ins Gesicht geschlagen. 06.05.06: Eine Gruppe junger Leute bestieg am Bahnhof Wandsbek-Gartenstadt einen Bus, in dem sich bereits eine Gruppe von etwa zehn männlichen Personen aus der Skinheadszene befand. Diese provozierten und beschimpften die Hinzugekommenen mit rassistischen und rechtsradikalen Sprüchen. Als die Gruppe junger Leute später den Bus verließ, wurde sie von den Rechtsextremisten, die offensichtlich eine Station später den Bus verlassen hatten und zurückgelaufen waren, mit Faustschlägen und Fußtritten angegriffen. Ein Tatverdächtiger drohte mit einem Schlagstock. Als ein Streifenwagen zufällig vorbeifuhr, flüchteten die Tatverdächtigen. Bei einer anschließenden Fahndung konnten mehrere von ihnen vorläufig festgenommen werden. 201 Rechtsextremismus 15.09.06: Nach einem Fußballspiel suchten ca. 80 Personen ein Bekleidungsgeschäft in Hamburg-St.Pauli auf, das von einem Rechtsextremisten betrieben wurde. Dort kam es zu Flaschenwürfen gegen die Türscheiben des Geschäftes, Sachbeschädigungen von Fahrzeugen und gegenseitigen Körperverletzungen, nachdem der Geschäftsinhaber und weitere Personen aus seinem Umfeld mit Schlagstöcken auf die Personen zugegangen waren. 05.11.06: Als ein Mann aus einem Automaten auf der Reeperbahn Geld abheben wollte, stellten sich zwei unbekannte Täter hinter ihn und riefen "Heil Hitler" und "Heil Deutschland". Anschließend wurde ihm ebenso wie seiner Begleiterin offenbar grundlos mit der Faust ins Gesicht geschlagen. 15.11.06: Ein Mitarbeiter der Hamburger Hochbahnwache teilte der Polizei mit, dass aus einer ca. 7-köpfigen Personengruppe eine Glasflasche auf einen Mann vermutlich jüdischen Glaubens geworfen worden sei. Er habe eine für das Judentum typische Kopfbedeckung (Kippa) getragen. Der Täter und das Opfer, das nicht getroffen wurde, blieben unerkannt. Der höchste Zuwachs bei den PMK-Zahlen auf Bundesebene ist im Bereich der PMK-Rechts festzustellen, der ohnehin den Hauptanteil der PMK stellt. "Erste mögliche Erklärungsansätze" sieht der BMI u.a. in den Ergebnissen bei den Landtagswahlen 2006, "die in der Szene als Bestätigung und Ansporn empfunden worden sein könnten", einer Sensibilisierung der Bevölkerung und einer damit verbundenen "erhöhten Anzeigebereitschaft" sowie in einer "verstärkte(n) polizeiliche(n) Präsenz" während der Fußball-WM. Die "erhöhte Kontrolldichte dürfte zu einer Erhellung des Dunkelfeldes insbesondere von Propagandadelikten beigetragen haben." 2006 gab es 17.597 Straftaten mit extremistischem Hintergrund (2005: 15.361). Die Zahl der Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund betrug 2006 1.047 (2005: 958). 202 Rechtsextremismus 4. Aktionistisch orientierte Rechtsextremisten Der Begriff "aktionistisch orientierte Rechtsextremisten" bezeichnet "klassische" Neonazis und neonazistische bzw. neonazistisch beeinflusste Skinheads. Ideologisches Grundmerkmal der Neonaziszene ist das Streben nach Überwindung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zugunsten eines vorgeblich an den Bedürfnissen der "Volksgemeinschaft" orientierten totalitären Systems. Die Neonaziszene verwendet in diesem Zusammenhang die Parole "Was meinem Volk nutzt ist Recht" (aus "Freier Nationalist - Mein Selbstverständnis"). Mit ihren Vorstellungen von einem auf einer Verklärung des Volksbegriffs aufgebauten Staatswesen geht die rassistisch motivierte Ausgrenzung großer Bevölkerungsteile einher. Weit verbreitet sind Verschwörungstheorien gegen das Judentum und ein revisionistisches Geschichtsbild. Grundsätzlich werden diese Ziele auch von neonazistischen Skinheads geteilt, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. Neben Personen, die eine ähnliche politische Einstellung wie ideologisch gefestigte Neonazis haben, gehören der Szene auch Personen an, deren weltanschauliche Orientierung nur oberflächlich ist, für sie sind Alkohol, Gewalt und Musik als subkulturelle Aspekte der rechtsextremistischen Skinhead-Szene von größerer Bedeutung. Unabhängig von Deutschland der Ausprägung der individuellen Politisierung verehrt die gesamte neonazistische Szene Führungspersonen des historischen Nationalsozialismus und verwendet aus dieser Zeit stammende Parolen, Grußformen und Symbole. Weitere Unterschiede innerhalb der Szene lassen sich im öffentlichen Auftreten ihrer Angehörigen feststellen, das insgesamt immer vielfältiger wird. Neben dem Tragen traditioneller Szenekleidung ist - gerade unter den ideologisch gefestigten Neonazis - betont bürgerliches Äußeres und Auftreten zu beobachten. Außerdem häuft sich seit einiger Zeit die Annäherung an bisher eher für alternative und unpolitische Jugendkulturen typisches Äußeres. 203 Rechtsextremismus Neben den neonazistischen Skinheads existiert eine große Gruppe grundsätzlich rechtsextremistisch eingestellter Skinheads, deren weltanschauliche Orientierung aber wenig ideologisch gefestigt ist und die weder kontinuierliche politische Arbeit leisten noch über ausgeprägtes politisches Hintergrundwissen verfügen. Es kommt jedoch zu punktuellen gemeinsamen Aktivitäten. Während Neonazis bei öffentlichkeitswirksamen Demonstrationen auf das Mobilisierungspotential der Skinheadszene zurückgreifen können, profitieren rechtsextremistische Skinheads z.B. von der Teilnahme an Szenekonzerten, die von neonazistischen Strukturen organisiert werden. 4.1 Bestrebungen in Hamburg und im Umland Die Angehörigen der neonazistischen Szene Hamburgs lassen sich weitgehend dem Umfeld zweier Gruppierungen zuordnen: dem "Kameradenkreis Neonazis in Hamburg" (früher als "Kameradenkreis um Thomas WULFF" bezeichnet) und der "Neonaziund Skinheadszene in Bramfeld". Beide Gruppen verfügen über keine festen Organisationsstrukturen wie Vorstände oder offizielle Führungspersonen. Dieses Merkmal beruht auf dem Konzept der "Freien Nationalisten", das Ende der 90er-Jahre entwickelt wurde, um Verbotsverfahren zu entgehen. Die Koordination innerhalb der Hamburger Szene wird überwiegend von persönlichen Bekanntschaften langjähriger aktiver Angehöriger bestimmt. Sich selbst bezeichnen die Szeneangehörigen als "Freie Kräfte" oder "Freie Nationalisten". Oft werden auch die Bezeichnungen "Nationale Sozialisten" und "Nationaler-" oder "Freier Widerstand" verwendet. Der "Kameradenkreis Neonazis in Hamburg" ist der klassischen neonazistischen Szene zuzuordnen. Die Gruppe verfügt über einen Kern von knapp 15 ideologisch gefestigten Mitgliedern. Eine ähnlich große Zahl kann zum Umfeld der Gruppe gezählt werden, dabei handelt es sich vornehmlich um jüngere Personen. Dieser Kreis dürfte zumindest zum Teil über die Kampagnenseite "Jugend zu uns" und deren Vorläufer "Neonazis in Hamburg" im Internet geworben worden sein mit dem Ziel, sie in die aktive neonazistische Szene zu integrieren. Ob diese Neuzugänge zu einer längerfristigen Stärkung der Szene führen, bleibt abzuwarten. Die Werbeversuche machen jedoch deutlich, dass sich Neonazis in Hamburg verstärkt um die Einbindung von Jugendlichen 204 Rechtsextremismus bemühen. In der Öffentlichkeit agierte dieser politische Nachwuchs vor allem durch die Verteilung der NPD-Schulhof-CD ( V.6.), die mit der Aufschrift "FETTE MUKKE" und einer Kontaktmöglichkeit versehen wurde. Darüber hinaus entfaltete der "Kameradenkreis Neonazis in Hamburg" zwar weniger Außenwirkung als in den Vorjahren, nahm jedoch vielfach an lokalen Aktivitäten von Kameradschaften im Hamburger Umland und an bundesweiten Kundgebungen und Demonstrationen teil. Öffentliche Betriebsamkeit konzentrierte sich vornehmlich auf revisionistische Agitation durch Beteiligung an rechtsextremistischen Mahnwachen und Zeitzeugen-Auftritten sowie die Teilnahme an Demonstrationen. Auf den "Widerstandsseiten" im Internet, die maßgeblich vom "Kameradenkreis Neonazis in Hamburg" betrieben werden, findet die Kampagne "frei, sozial, national" ihre Fortsetzung, in der die politischen Grundlagen der Neonaziszene vermittelt werden. Damit wird vor allem das Konzept der "Freien Nationalisten" in einer Aufmachung verbreitet, die einen Teil der Jugendlichen anspricht. Die Kampagne ist somit im Zusammenhang mit der Internetpräsenz "Jugend zu uns" zu sehen. Im Vergleich zum "Kameradenkreis Neonazis in Hamburg" agiert die "Neonaziund Skinheadszene in Bramfeld" stärker im öffentlichen Raum, u.a. durch Informationstische und Flugblattverteilungen sowie die Beteiligung an Kundgebungen und Demonstrationen auch außerhalb Hamburgs. Die Gruppierung verfügt über ein größeres Personenpotential, das in der Mehrzahl kaum weltanschaulich gefestigt ist. Ein Teil ist eher subkulturell geprägt und nimmt regelmäßig an norddeutschen Skinheadkonzerten teil. Auch Personen, die in die Organisation solcher Konzerte eingebunden sind, gehören der Bramfelder Szene an. Da mehrere Führungspersonen der "Neonaziund Skinheadszene in Bramfeld" gleichzeitig in der NPD aktiv sind, kommt es auch zu Überschneidungen mit Parteiaktivitäten. So konnte bei öffentlichen Veranstaltungen der NPD in Hamburg oftmals nur durch die Präsenz von Angehörigen der Bramfelder Gruppe eine akzeptable Teilnehmerzahl gewährleistet werden. Mehrere Angehörige der "Neonaziund Skinheadszene in Bramfeld" haben sich auch überregional an NPD-Veranstaltungen beteiligt. Dies 205 Rechtsextremismus gilt insbesondere für die Unterstützung des Landtagswahlkampfes in Mecklenburg-Vorpommern. Teile der Gruppe wurden im Zusammenhang mit der sportlichen Krise der Fußballer des Hamburger Sportvereins (HSV) aktiv. Unterzeichnet mit der Postfachadresse eines führenden Mitglieds der Bramfelder Rechtsextremisten wurde ein Flugblatt im Stadion verteilt, in dem "faule und leistungsunwillige Ausländer" für die sportliche Misere verantwortlich gemacht wurden. Dieses Agitationsmuster steht in der Tradition der verbotenen Vereinigung "Hamburger Sturm" und deren gleichnamiger Publikation. Darin wurde regelmäßig im Zusammenhang mit Fußball gegen Ausländer gehetzt. Der "Hamburger Sturm" richtete sich laut Verbotsverfügung vom 10.08.00 "auch an eher unpolitische Skinheads und Hooligans, deren Politisierung durch die Publikation erreicht werden soll". In diesem Sinne greift der Verantwortliche für das Flugblatt, der zu den damaligen Empfängern der Verbotsverfügung gehörte, die Agitationsmuster des verbotenen "Hamburger Sturms" wieder auf. Über die Koordination der Hamburger Neonaziszene hinaus beteiligen sich insbesondere Angehörige des "Kameradenkreises Neonazis in Hamburg" an Vernetzungsbestrebungen. Diese wurden in den vergangenen Jahren vor allem durch das "Nationale und Soziale Aktionsbündnis Norddeutschland" (NSAN) geprägt. In Norddeutschland lässt sich eine Verfestigung der überregionalen Vernetzung der neonazistischen Szene in der Tradition des NSAN feststellen. Führungskader zahlreicher norddeutscher Kameradschaften, u.a. des "Kameradenkreises Neonazis in Hamburg", kamen regelmäßig zu Koordinierungstreffen zusammen, bei denen überregionale Aktivitäten geplant und für regionale Aktionen mobilisiert wurde. Ein Angehöriger des Kameradenkreises, Tobias THIESSEN, betreibt den Internetauftritt des "Aktionsbüros Norddeutschland", der mit Terminankündigungen, Pressemitteilungen, 206 Rechtsextremismus Berichten und Propagandamaterial eine zentrale Plattform für die Koordination der norddeutschen Vernetzungsbestrebungen darstellt. Im Forum der Internetseite des "Freien Widerstands" in Holstein machte ein Diskussionsteilnehmer, der das Aktionsbüro vertritt, dessen politische Haltung deutlich: "Ich persönlich bin davon überzeugt: Wenn es irgendwann mal so viele Bürger gibt, die aus Protest NPD wählen, daß es zur Regierungsbildung reichen würde, dann müsste bereits davor schon so ein kräftiger Ruck durch das Volk gegangen sein, daß der Protest auf der Straße den Protest an den Wahlurnen längst überholt haben wird. Da stehen die Quasselbuden in Berlin und sonstwo vielleicht schon längst in Flammen und niemand interessiert sich mehr für die Wahlen eines untergehenden Systems." Der Hamburger Neonazi Christian WORCH (Foto) fungiert seit Jahren als gruppenunabhängiger Einzelaktivist. Er zählt bereits seit Ende der 70er Jahre zu den Führungspersonen der Szene. Seit Längerem tritt er bundesweit als Anmelder und Veranstalter von Demonstrationen auf. WORCH wird wegen seiner Kenntnisse und Erfolge bei der versammlungsrechtlichen Durchsetzung rechtsextremistischer Veranstaltungen in der neonazistischen Szene respektiert. Gleichwohl hat ihm diese Spezialisierung unter Teilnehmern der von ihm geleiteten Demonstrationen vereinzelt die spöttische Bezeichnung "Reichsauflagenverleser" eingetragen. Ungeachtet seiner versammlungsrechtlichen Kompetenz ist WORCH unter den Neonazis bundesweit umstritten. Ihm wird Geltungssucht und fehlende Bereitschaft, sich einzuordnen, vorgeworfen. Mit seinen Demonstrationen verfolgt er auch die Strategie, die Gegendemonstranten mittelfristig zu zermürben und die rechtsextremistische Präsenz in den Städten als normale Erscheinung zu etablieren (so geäußert von WORCH in einer Online-Diskussion im "Bremerforum"). Dabei sucht er mit der Wahl der Veranstaltungsorte häufig den größtmöglichen Widerstand der politischen Gegner, wie z.B. in den Vorjahren bei seinem Bemühen, einen Marsch durch den eher linksorientierten Leipziger Stadtteil Connewitz durchzusetzen. Damit will er 207 Rechtsextremismus maximale öffentliche Aufmerksamkeit erreichen, die den Teilnehmern angesichts ihrer geringen Anzahl sonst kaum zuteil werden würde. Zur NPD nimmt WORCH weiterhin eine ambivalente Haltung ein. Er kritisiert die "reaktionär" ausgerichteten Funktionäre, denen er vorwirft, die "Volksfront" teilweise massiv zu hintertreiben. Gleichzeitig unterstützt er die Kräfte in der NPD, die sich um eine Annäherung an das neonazistische Spektrum bemühen. Mit dem von ihm verfassten und im Internet veröffentlichten Rundbrief "Volksfront bröckelt" stellte er fest, dass nur ein Teil der NPD aus seiner Sicht für eine Zusammenarbeit geeignet ist. Seit Anfang 2006 ist WORCH Betreiber des "Bremerforums". Dieses hatte sich außerordentlich kritisch mit der Führung der Bundespartei auseinandergesetzt und war deshalb von der Bremer NPD aufgegeben worden. Die Übernahme des Forums durch WORCH ist ein erneutes Indiz für dessen Interesse an einer Vertiefung der politischen Gräben in der NPD. 4.2 Bestrebungen im Bundesgebiet Das bundesweite neonazistische Personenpotential blieb 2006 ungefähr auf dem Vorjahresstand. Es belief sich auf 4.200 Aktivisten (2005: 4.100). Diese sind überwiegend in etwa 160 "Kameradschaften" oder ähnliche Gruppierungen eingebunden, die auf lokaler und regionaler Ebene agieren. Kameradschaften verzichten weitgehend auf eine interne Organisationsstruktur. Die Mehrzahl von ihnen ist an dem Konzept der "Freien Nationalisten" orientiert. So ist es Kameradschaften leichter möglich, Verbotsverfahren zu entgehen. Die vom "Aktionsbüro Norddeutschland" veröffentlichte Erklärung "Wie organisieren wir den Widerstand? Neue Wege jenseits der Parteistrategie" verdeutlicht nicht nur diesen Aspekt, sondern auch die grundsätzliche Bereitschaft, kämpferisch gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorzugehen: "Oder wir versuchen einen neuen Weg, der sich wahlpolitischer Träume weitgehend enthält, auf einen kontinuierlichen Aufbau setzt und der Gegenseite möglichst 208 Rechtsextremismus geringe Angriffsflächen bietet, um außerhalb der Parlamente eine kräftige Gegenmacht zu entwickeln, die in geeigneter Stunde eingreift." Die Betonung des regionalen Aspekts ist ein strategisches Element. Bewegungen sollen zielgerichtet von unten aufgebaut werden. In mehreren Bundesländern sind auf lokaler Ebene Bestrebungen zu verzeichnen, bedeutsame politische Themen auf kommunaler Ebene in Bürgerinitiativen aufzugreifen, um so Kontakte zu bürgerlichen Kreisen zu knüpfen und sich selbst als politikfähig - in der Mitte der Gesellschaft stehend - darzustellen. So wurden in mehreren niedersächsischen Städten "Bürgerinitiativen für Zivilcourage" gegründet. Unter dieser Bezeichnung agitierten in einem Flugblatt Rechtsextremisten gegen Zuwanderung. Das Flugblatt war von mehreren dieser Initiativen verteilt worden, Christian WORCH zeichnete presserechtlich verantwortlich. Auch in Hamburg werden unverfängliche Begriffe verwendet - so tritt die "Neonaziund Skinheadszene in Bramfeld" bei Informationsständen regelmäßig als "Bürgerinitiative Unsere Zukunft" auf. Durch sogenannte "Aktionsbüros" oder "Aktionsbündnisse" bemüht sich die neonazistische Szene darum, Aktivitäten der Kameradschaften auf überregionaler Ebene zu koordinieren und zu vernetzen. Das maßgeblich von Hamburger Neonazis initiierte "Aktionsbüro Norddeutschland" dient der Szene dabei bundesweit als Vorbild. Wichtiger Bestandteil dieser Vernetzungsfunktion ist die Internetpräsenz. Auf diesem Wege sind die lokalen Kameradschaften regelmäßig über überregionale Aktivitäten und Ereignisse informiert. Zudem werden Propagandamaterial und Kontakte angeboten. In "Wie organisieren wir den Widerstand? Neue Wege jenseits der Parteistrategie" heißt es dazu: "Ziel der Vernetzung ist es nicht, selbst eine 'bessere, neue' Organisation heranzubilden, sondern es soll eine flächendeckende, effektive und schlagkräftige Form von Organisierung ohne Organisation gefunden werden." 209 Rechtsextremismus Die 1979 gegründete "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) ist weiterhin die einzige bundesweit agierende neonazistische Vereinigung. Sie hat etwa 600 Mitglieder, von denen ein großer Teil gleichzeitig in die regionale rechtsextremistische Szene eingebunden ist. Die HNG hat es sich zur Aufgabe gemacht, inhaftierte Rechtsextremisten zu betreuen und ihre Lösung aus der Szene zu verhindern. Zentraler Tätigkeitsbereich ist die Veröffentlichung der "Nachrichten der HNG", die an alle Mitglieder kostenlos sowie gegen Bezahlung an einige Abonnenten versandt wird. In dem schlichten Heft wird insbesondere Kritik an staatlichen Maßnahmen gegen rechtsextremistische Aktivitäten artikuliert. Dadurch soll auch dem Entstehen eines Unrechtsbewusstseins bei den Inhaftierten entgegengewirkt werden. Die HNG übt bundesweit eine integrierende Funktion in der eher regional agierenden zersplitterten rechtsextremistischen Szene aus. 4.3 Aktivitäten Die neonazistische Szene Hamburgs beteiligte sich im Jahr 2006 an einer Vielzahl überregionaler Aktivitäten, wobei der Schwerpunkt auf Veranstaltungen in Norddeutschland lag. Die zahlreichen öffentlichen Aktivitäten im Bundesgebiet wurden zumeist von starken, zum Teil gewaltsamen Protesten begleitet. Besonderen Anklang fanden in der Szene Veranstaltungen, mit denen revisionistische Themen sowie die Glorifizierung des Dritten Reiches vermittelt werden sollten. Dabei wird auch das Ziel verfolgt, durch das einseitige Gedenken an deutsche Opfer des Zweiten Weltkriegs nationalsozialistisches Unrecht zu relativieren. Seit Jahren sind das "Heldengedenken" im brandenburgischen Halbe am Sonnabend vor dem Volkstrauertag und der Gedenkmarsch für Rudolf Heß (Foto) in Wunsiedel im August die größten rechtsextremistischen Demonstrationen im Bundesgebiet mit internationaler Beteiligung. Beide Veranstaltungen konnten im Jahr 2006 jedoch nicht wie vorgesehen stattfinden. 210 Rechtsextremismus Der sogenannte Heldengedenktag wird durch den "Freundeskreis Halbe" organisiert, an dem Christian WORCH (Foto) maßgeblich beteiligt ist. Im Jahr 2006 wurde der Marsch zum Soldatenfriedhof in Halbe gerichtlich verhindert, da die Nutzung der Wegstrecke durch Beschluss des OVG Brandenburg den Anmeldern der Gegendemonstration zugesprochen worden war. Eine alternative Veranstaltung fand im etwa 100 km entfernten Seelow mit etwa 1.000 Teilnehmern statt. Im Jahr 2006 führten die Veranstalter erstmals ein zweites "Heldengedenken" im März durch, an dem ebenfalls etwa 1.000 Rechtsextremisten teilnahmen. Dies war eine Reaktion auf die Blockade des Marsches der Rechtsextremisten im November 2005. Der "Freundeskreis Halbe" erklärte dazu im Internet: "Die Feinde der Demokratie haben am 12. November 2005 ihr Gesicht gezeigt. Nun liegt es an uns, unser Gesicht der Ehre, Treue, Entschlossenheit und Gemeinschaft am 11. März 2006 in Halbe zu zeigen." Darüber hinaus sollte offenbar ein Mobilisierungsvorteil genutzt werden: Entgegen der üblicherweise eklatanten zahlenmäßigen Unterlegenheit des rechten Spektrums gegenüber dem Lager der Gegendemonstranten war das Zahlenverhältnis für die Rechtsextremisten in Halbe traditionell günstiger. Der durch den Hamburger Rechtsanwalt Jürgen RIEGER angemeldete Marsch in Wunsiedel wurde auch im Jahr 2006 verboten. Das auf der Annahme einer Störung des öffentlichen Friedens gemäß SS 130 Abs. 4 StGB basierende Verbot hatte im Eilverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand. Allerdings soll die Verfassungskonformität der Vorschrift im Hauptsacheverfahren anlässlich einer von RIEGER eingereichten Fortsetzungsfeststellungsklage geprüft werden. Da mit dem Verbot gerechnet worden war, waren bereits frühzeitig zahlreiche regionale Alternativ-Veranstaltungen angemeldet worden. Ein Teil davon hatte weiterhin die Glorifizierung von Heß zum Thema; andere Demonstrationen setzten sich mit staatlichen Maßnahmen gegen rechtsextremistische Bestrebungen auseinander. Etwa 100 211 Rechtsextremismus Neonazis aus Norddeutschland versammelten sich in Lauenburg zu einem unangemeldeten Gedenkmarsch, der jedoch kaum Außenwirkung entfaltete. Davon zogen 30 Personen im Rahmen einer kurzen Spontankundgebung durch das nahe gelegene Schwarzenbek. Weitere Veranstaltungen fanden in Berlin, Jena, München, Langenau und Schopfheim statt. Bundesweit lag die Teilnehmerzahl an den rechtsextremistischen Veranstaltungen am 19.08.06 bei 800 bis 1.000. Seit dem letztmaligen zentralen Heß-Gedenken im Jahr 2004 in Wunsiedel mit etwa 4.200 Demonstranten sind die Teilnehmerzahlen drastisch zurückgegangen (2005: ca. 2.000). Christian WORCH dazu auf seiner Internetseite: "Für Massenereignisse, deren Durchführung als mindestens relativ sicher und vor allem auch bequem gelten darf, lässt sich eine steigende Teilnehmerzahl mobilisieren. (...) Die Zahl des 'Harten Kerns', der entschiedenen Kräfte, die auch kurzfristig und ohne Erfolgsgarantie oder einen 'Spaßfaktor' auf die Straße zu bekommen sind, ist bestenfalls gleichbleibend, schlimmstenfalls leicht rückläufig." WORCH spielt damit auf einen relativ großen Teil des Potentials für Demonstrationen an, der weniger aus Überzeugung, sondern vor allem "erlebnisorientiert" auf die Straße geht. Die Gedenkmärsche mit Kundgebungen in Dresden am 11.02.06 (Foto) mit mehr als 4.000 Teilnehmern und in Lübeck am 01.04.06 (mit etwas über 200 Teilnehmern) hatten die Bombardierung dieser Städte im Zweiten Weltkrieg zum Thema. Das Vorgehen der Alliierten wurde auf beiden Veranstaltungen als verbrecherisch angeprangert. Gleichzeitig wurde durch Verwendung des Begriffs "BombenHolocaust" das Leiden der deutschen Zivilbevölkerung hervorgehoben und der von den Nationalsozialisten begangene Völkermord relativiert. Weitere für den norddeutschen Raum relevante revisionistisch orientierte Veranstaltungen mit neonazistischer Beteiligung waren ein Gedenkmarsch in Bad Nenndorf am 29.07.06, mit dem an deutsche 212 Rechtsextremismus Kriegsgefangene nach Ende des Zweiten Weltkrieges erinnert werden sollte, eine Kranzniederlegung auf dem Ohlsdorfer Friedhof zum Gedenken an die Opfer der Bombardierung Hamburgs am 30.07.06 sowie die Kranzniederlegung für den Großadmiral und Hitler-Nachfolger Karl Dönitz in Aumühle am 29.10.06. An diesen Veranstaltungen beteiligten sich auch Hamburger Neonazis. Diese bemühten sich im vergangenen Jahr darum, das Thema Revisionismus fester in der Szene zu verankern, u.a. durch Vortragsveranstaltungen mit ehemaligen Wehrmachtssoldaten oder die Reinigung von Kriegerdenkmälern. Gerade damit versuchten Rechtsextremisten in Hamburg, einen Bezug zum Stadtteilleben herzustellen. Exemplarisch dafür ist die Reinigung des Bramfelder Ehrenmals am Volkstrauertag, das zuvor von Unbekannten verschmutzt worden war. Die "Neonaziund Skinheadszene in Bramfeld" ( V.4.) war in den Vorjahren teils erfolgreich darum bemüht, sich bürgerlichen Gedenkveranstaltungen zum Volkstrauertag anzuschließen, was deren Initiatoren in den Jahren 2005 und 2006 allerdings verhindern konnten. Ein weiteres Agitationsfeld der neonazistischen Szene ist die sogenannte "Anti-Repressions-Kampagne". Ihr liegt die Behauptung zugrunde, es gäbe in Deutschland keine Meinungsfreiheit für Kritiker der bestehenden Gesellschaftsordnung. Das Aktionsbüro Norddeutschland erklärte dazu: "Der Protest gegen staatliche Repression ist für den nationalen Widerstand eine grundlegende Angelegenheit. Uns ist bewusst, dass dieses System uns ebenso ablehnt, wie wir dieses System. (...) Dass dies unweigerlich eine politische Verfolgung durch staatliche Sicherheitsorgane nach sich zieht, liegt in der Natur der Sache und als politische Freiheitskämpfer nehmen wir das in Kauf. Dennoch halten wir es für angebracht, auch der Öffentlichkeit von Zeit zu Zeit mit Protesten deutlich zu machen, dass es hierzulande keine wirkliche Meinungsfreiheit gibt, dafür aber eine immer faschistischer werdende Verfolgung Andersdenkender!" Die Agitation gegen staatliche Maßnahmen gegen Rechtsextremisten ist eines der häufigsten Themen bei rechtsextremistischen Demonstrationen. Auf diesem Wege versuchen Neonazis, sich öffentlich als Opfer ungerechtfertigter staatlicher Eingriffe darzustellen. Am 28.01.06 fanden bundesweit in mehreren Städten, darunter in Lüneburg, unter dem Motto "Gegen staatliche Repressionen - Weg mit dem Paragraphen 130 StGB" Demonstrationen statt. Auch in Ham213 Rechtsextremismus burg fanden in diesem Zusammenhang Kundgebungen mit jeweils deutlich weniger als 100 Teilnehmern am 05.05.06 unter dem Motto "Gegen Polizeiwillkür - Meinungsfreiheit für Nationalisten" und am 08.06.06 unter dem Motto "Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden" statt, die von der NPD angemeldet wurden. Öffentliche Aufmerksamkeit wurde den Veranstaltungen nur durch die deutlich größeren Gegendemonstrationen zuteil. Als Anti-Repressions-Kundgebungen angelegt waren auch einige der bereits erwähnten Demonstrationen gegen das Verbot des Rudolf-Heß-Marsches in Wunsiedel am 19.08.06 sowie die Demonstration am 28.10.06 in Göttingen, in deren Planung Hamburger Neonazis eingebunden waren. Darüber hinaus waren im Jahr 2006 auch soziale und wirtschaftliche Themen für die Szene bedeutsam. In Thüringen wurde eine Kampagne gestartet, in deren Verlauf Neonazis mit Demonstrationen, internen Schulungen und Saalveranstaltungen antikapitalistisch agitierten. Als Veranstaltungsmotto wurden politisch unverfängliche Parolen gewählt, z.B. "Her mit dem schönen Leben - Mut zu Alternativen", "Freie Menschen statt freie Märkte" oder "Zukunft statt Globalisierung". So versucht die neonazistische Szene, Kritik an der wirtschaftlichen Entwicklung für ihre Zwecke aufzugreifen und breite Bevölkerungsschichten anzusprechen. Die von Christian WORCH unter dem Motto "Tag der nationalen Arbeit - Arbeit für Millionen statt Profite für Millionäre" veranstaltete Demonstration am 01.05.06 in Leipzig ist in diesem Kontext zu sehen. In Hamburg wurde eine Kundgebung der NPD am 14.10.06 ( Foto) mit antikapitalistischer Thematik veranstaltet. Sie stand unter dem Motto "Nationale Arbeitsplätze statt internationale Profite". An ihr nahmen knapp 230 Personen teil, darunter zahlreiche Neonazis. Es kam zu umfangreichen Gegenaktivitäten sowohl von Linksextremisten als auch von Demonstranten aus dem bürgerlichen Lager. Obwohl die von Rechtsextremisten zur wirtschaftsund sozialpolitischen Agitation genutzten "Hartz IV"-Proteste bereits im Vorjahr abgeflaut waren, 214 Rechtsextremismus wurde die wirtschaftliche Lage weiterhin thematisiert. Darin zeigt sich die stärkere Betonung sozialer Aspekte der nationalsozialistischen Ideologie. Der Kapitalismus wird - gerade im Zusammenhang mit der Globalisierung - als Widerspruch zur Nation dargestellt. Die "Deutsche Stimme" schrieb in diesem Zusammenhang: "Insbesondere die Antifa ist der Helfershelfer des globalen Kapitals, weil sie die einzige antikapitalistische Kraft, die nationale Bewegung, bis aufs Messer bekämpft." Im weiteren Text wird eine Broschüre sächsischer Rechtsextremisten zitiert, in der es heißt: "Der Kapitalismus ist aufgrund seines nomadischen Händlergeistes, seiner vagabundierenden, grenzenlosen Profite und Spekulationssucht, seiner Verachtung von Volk und Heimat sowie seiner Missachtung des Volkswohls ein vaterlandsloser Geselle und damit das antinationale Prinzip schlechthin." Gleichzeitig wurden in rechtsextremistischen Publikationen Bezüge zu der linkspopulistischen Politik Venezuelas und Boliviens hergestellt. Viele Rechtsextremisten fühlten sich durch die dortige Verstaatlichungspraxis und nicht zuletzt die selbstbewusste Haltung dieser Länder gegenüber den USA ermutigt und in ihren Ansichten bestätigt. Ähnliches galt für die revisionistischen Aussagen des iranischen Präsidenten AHMADINEJAD über den Holocaust. Die neonazistische Szene nutzte die Chance, im Zusammenhang mit dem Präsidenten eigene Positionen zu artikulieren, ohne strafrechtlich belangt werden zu können. Vor diesem Hintergrund kam es vereinzelt zu proiranischen Sympathiebekundungen durch Rechtsextremisten. 5. Sonstige rechtsextremistische Skinheads und andere gewaltbereite Rechtsextremisten Rechtsextremistische Skinheads fanden ihre Identität bislang in szenetypischen Symbolen, ihrer Kleidung und eigenen Musikformen. In Teilen dieser Szene hat sich das Erscheinungsbild jedoch verändert. Glatze, Stiefel und Bomberjacke sind nicht mehr durchgehend zu finden. Mit dem Tragen von T-Shirts, Jeans, Basecaps und Turnschuhen sowie Piercings haben sie sich dem Erscheinungsbild vieler anderer 215 Rechtsextremismus Jugendlicher angenähert. Häufig lässt sich die Szene-Zugehörigkeit nur noch an der Clique oder bei Szenetreffen und an Symbolen bestimmter Marken auf Kleidungsstücken erkennen. Skinhead-Konzerte bilden weiterhin ein wichtiges und identitätsstiftendes Element der Skinhead-Subkultur. Sie fördern das Zusammengehörigkeitsgefühl und ermöglichen überregionale Kontakte. Mit der Musik werden rechtsextremistische Inhalte und Ideologiefragmente vermittelt und verfestigt. Zur Information und subkulturellen Unterhaltung der Szene werden rechtsextremistische Skinhead-Publikationen verbreitet. Dadurch wird ein politisches Weltbild gefördert, das sich vorwiegend aus fremdenfeindlichen und antisemitischen Einstellungen sowie dem Interesse am Nationalsozialismus zusammensetzt. Das schließt Gewalt als Teil rechtsextremistischer Ideologie ein. Zusätzlich werden Hemmschwellen für Gewaltanwendung durch Alkoholkonsum und Gruppendynamik verringert. Durch rechtsextremistische Skinheads kommt es häufig zu spontanen und gewalttätigen Übergriffen. Mit diesen rechtsextremistischen Denkmustern und Feindbildern, der Gewaltbereitschaft und einem Hang zum Aktionismus ist die ansonsten kaum strukturierte rechtsextremistische Skinheadszene für den organisierten Rechtsextremismus ein erhebliches Mobilisierungsund Rekrutierungspotential, das Rechtsextremisten wie Neonazis und die NPD gerne nutzen. Sie berücksichtigen bei der Planung ihrer Aktivitäten die Interessen des subkulturellen Spektrums, um durch diese zusätzliche Präsenz etwa bei Demonstrationen oder Kundgebungen stärkere Beachtung zu finden. So erfolgt auch die Rekrutierung neuer Mitglieder. Die Mehrzahl rechtsextremistischer Skinheads ist jedoch trotz dieses partiellen Zusammenwirkens nicht bereit, sich dauerhaft in feste rechtsextremistische Strukturen einbinden zu lassen, zumal sie an einer kontinuierlichen politischen Arbeit kaum interessiert ist. In Hamburg ist die Gesamtzahl rechtsextremistischer Skinheads und anderer gewaltbereiter Rechtsextremisten im Vergleich zum Vorjahr nicht gestiegen. Als gewaltbereit werden neben ausgewiesenen Gewalttätern auch Rechtsextremisten eingestuft, die Gewaltanwendung befürworten. Diese gewaltbereite Szene umfasst insgesamt rund 150 Personen, davon sind etwa 120 Personen rechtsextremistische Skinheads. Der Rest sind Personen, die durch rechtsextremistisch 216 Rechtsextremismus motivierte Straftaten auffällig wurden und anderen Bereichen des Extremismusfeldes nicht zuzuordnen sind. Die örtlichen Schwerpunkte rechtsextremistischer Skinheadszenen liegen vorwiegend in den Randbereichen Hamburgs. Für viele Stadtteile liegen nur Einzelerkenntnisse über rechtsextremistisch motivierte Aktivitäten vor. So wurden Anfang 2006 in Kirchwerder mehrere Jugendliche auffällig, die mit rechtsextremistischen Sprüchen und in ihrem Erscheinungsbild der klassischen Skinheadszene nacheiferten. In Bramfeld und Wandsbek kam es zu mehreren extremistisch motivierten Straftaten. Auf einem Heimatfest in Sasel im September 2006 trug eine Gruppe von Jugendlichen auf T-Shirts und Jacken einschlägige Aufschriften wie "Skinhead Rock'n Roll" und "Oi". Zu Ausschreitungen kam es dort nicht. Im Jahr 2006 gab es wiederholt fremdenfeindlich motivierte Taten wie Beleidigungen, Gewaltandrohungen, Schlägereien und Skandieren rechtsextremistischer Parolen ( V.5.). Weiterhin aktiv ist die rechtsextremistische Skinheadszene in Harburg, sie verfügt über Kontakte zu gleichartigen Szenen im nördlichen Niedersachsen. Diese Skinhead-Cliquen stellten auf Veranstaltungen - wie z.B. dem jährlichen Harburger Außenmühlenfest am 20.08.06 - stets ein Gefahrenpotential dar. Nur durch Polizeipräsenz und Maßnahmen wie Platzverweise oder Ingewahrsamnahmen konnten Auseinandersetzungen zwischen rechtsextremistischen Skinheads und anderen Gruppen verhindert werden. Durch Aktivisten der NPD, unterstützt von neonazistisch geprägten Skinheads und Neonazis, kam es auch im ersten Halbjahr 2006 in Harburg zu zahlreichen Aktivitäten wie Infoständen, Kundgebungen und Demonstrationen. Die Konflikte zwischen Linksund Rechtsextremisten hatten sich im Vorjahr erheblich zugespitzt und setzten sich im Jahr 2006 noch eine Zeit lang fort. Rechtsextremisten und rechtsextremistische Skinheads versuchten Veranstaltungen politischer Gegner zu stören. Im zweiten Halbjahr gingen die Auseinandersetzungen zwischen Linksund Rechtsextremisten in Harburg zurück. Eine 2005 neu angelegte Homepage von Harburger Rechtsextremisten mit Beteiligung rechtsextremistischer Skinheads war im Frühjahr 2006 nicht 217 Rechtsextremismus mehr im Netz. Zudem ließ aufgrund nachlassenden Engagements einzelner Protagonisten die intensive Zusammenarbeit der verschiedenen rechtsextremistischen Gruppierungen in Harburg nach. Die bei rechtsextremistischen Skinheads typisch schwach ausgeprägte und häufig nur kurze Organisationsfähigkeit trug dazu bei. 6. Rechtsextremistische Musik und Vertriebe Die bereits im Jahr 2004 von rechtsextremistischen Organisationen gestartete Offensive, politisch eher unbedarfte Jugendliche und junge Erwachsene durch die kostenlose Verbreitung rechtsextremistischer Musik für ihre Zwecke zu gewinnen, wurde auch 2006 fortgesetzt. Die NPD nutzte die Schulhof-CD "Hier kommt der Schrecken aller linken Spießer und Pauker", die sie bereits im Bundestagswahlkampf 2005 eingesetzt hatte, auch für den Wahlkampf in MecklenburgVorpommern. Im Rahmen einer "Jugendkampagne" schrieb die NPD nach eigenen Angaben 60.000 Jungwähler an und veranstaltete am 05.09.06 einen Aktionstag, an dem ca. 15.000 CDs vor allem an Gymnasiasten und Berufsschüler verteilt wurden. Die NPD bewertete diese Kampagne als erfolgreiches Mittel im Wahlkampf, weil sie bei den 18bis 24-Jährigen mit 17 % der Wählerstimmen drittstärkste Partei geworden war. Offensichtlich mit Billigung der NPD nutzten Freie Nationalisten aus dem Umfeld des Kameradenkreises "Neonazis in Hamburg" die NPDSchulhof-CD für ihre Kampagne "Jugend zu uns" ( V. 4.1). In einfacher Form, lediglich in eine Plastikhülle verpackt und unter dem Titel "FETTE MUKKE", wurde die CD bereits mehrfach in Hamburg verteilt ("Verfassungsschutz warnt vor neu aufgelegter Schulhof-CD"). Die Umsetzung des von "Freien Nationalisten" Anfang des Jahres 2004 ursprünglich initiierten "Projekts Schulhof" konnte weitgehend unterbunden werden. Der im August 2004 vom Amtsgericht Halle/ Sachsen-Anhalt erlassene allgemeine Beschlagnahmebeschluss für die CD "Anpassung ist Feigheit - Lieder aus dem Untergrund" hat nach wie vor Bestand. Allerdings ist zu befürchten, dass die CDs doch noch 218 Rechtsextremismus legal verteilt werden. Im Februar 2006 wurde einer der Hauptverantwortlichen des Projektes vom AG Stendal in einem Strafverfahren freigesprochen. Das Gericht verneinte eine "schwere Jugendgefährdung" durch eine mögliche Verbreitung der CD. Eine solche Gefährdung ist jedoch Grundlage des "allgemeinen Beschlagnahmebeschlusses". Die Staatsanwaltschaft hat gegen diese Entscheidung Sprungrevision eingelegt, eine Entscheidung des OLG Naumburg steht noch aus (Stand: 04.12.06). Eine über einen ausländischen Provider ins Netz gestellte Internetseite im Rahmen des Projektes wurde im Mai 2006 von der "Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien" (BPjM) auf den Index gesetzt. Die rechtsextremistische Szene setzte bei ihren Bemühungen, neue Anhänger über das Medium Musik zu ködern, nicht nur auf die Verteilung von CDs, sondern nutzte zunehmend auch die Möglichkeiten des Internets. So bot die NPD die von ihr herausgegebenen WahlkampfCDs auch kostenlos zum Download auf ihrem Medienserver an. Auch der kommerzielle Handel mit rechtsextremistischer Musik im Internet gewann an Bedeutung. Ein Hamburger Rechtsextremist bot seit Juli 2006 diverse rechtsextremistische CDs gewerblich zum Download an. Er kooperierte offensichtlich mit dem "Deutsche Stimme Verlag" der NPD. So berichtete die NPD in einer Beilage ihrer Monatszeitung "Deutsche Stimme" im September 2006, das Internetportal des Hamburgers sei auf dem "Deutsche-Stimme-Pressefest" am 05.08.06 mit einen Infostand vertreten gewesen. Auf der Internetseite des Hamburger Rechtsextremisten hieß es, "Insbesondere vergriffene Auflagen sowie 'Reste' indizierter/verbotener Tonträger können...wieder verfügbar gemacht werden!" Am 22.11.06 verurteilte das Landgericht Stuttgart vier Mitglieder der rechtsextremistischen Musikgruppe "Race War" u.a. wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und wegen Volksverhetzung zu Haftstrafen zwischen 17 und 23 Monaten auf Bewährung. Die 2001 gegründete Band textete und spielte eigene Songs, in denen zum Rassenhass aufgerufen, der Nationalsozialismus verherrlicht und die Verfassung und die Regierung der Bundesrepublik Deutschland als Produkt einer zionistischen Weltverschwörung dargestellt wurden. In ihren Liedern pro219 Rechtsextremismus pagierte die Band den Kampf gegen die "zionistische Besatzungsregierung" und die bestehende verfassungsrechtliche Ordnung. Für den 2005 erschienenen Sampler "Blood & Honour Vol. V" stellte die Band Songs zur Verfügung. Im Jahr 2002 veröffentlichte die Band ihre erste CD. Nicht nur auf dem Cover, sondern auch im Booklet wurden zahlreiche Hakenkreuze und Sigrunen abgebildet. In dem Lied "11. September" wurden die Terroranschläge in den USA befürwortet und zu weiteren Anschlägen gegen Israel und die USA aufgerufen. Das Lied endet mit dem Refrain: "Juppheidi und bumsfallera, es lebe der Terror gegen die USA." Die Mitglieder der Band "Race War" sind nach denen der Band "Landser" im Jahr 2003 die zweite rechtsextremistische Musikgruppe, die wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung verurteilt wurde. Im Jahr 2005 hatte die NPD, angeblich wegen des Bundestagswahlkampfes, auf die Durchführung ihres "Deutsche-Stimme-Pressefestes" verzichtet. Am 05.08.06 gelang es der Partei, in Dresden eine Großveranstaltung mit ca. 7.000 Besuchern zu organisieren. Trotz eines relativ umfangreichen Rahmenprogramms waren die Auftritte mehrerer rechtsextremistischer Liedermacher/innen sowie von zwei Skinheadbands Hauptanziehungspunkt für die zahlreichen Besucher. Somit war dieses Pressefest wie bereits in den Jahren 2003 und 2004 die größte rechtsextremistische Musikveranstaltung des Jahres in Deutschland. Rechtsextremistische Musik dient nicht nur der Rekrutierung neuer Anhänger, sondern sie wird insbesondere bei Konzertveranstaltungen der rechtsextremistischen Szene auch als Kontaktund Verkaufsbörse genutzt. Bei den Konzerten, die - wie bereits in den Vorjahren - häufig als Geburtstagfeiern deklariert wurden, wird in der Regel auch mit CDs und anderen rechtsextremistischen Utensilien gehandelt. Die Darbietungen der Bands und Liedermacher transportieren rechtsextremistisches Gedankengut und schüren teilweise eine aggressive Stimmung gegen Bürger ausländischer Herkunft oder politisch Andersdenkende. Gleichwohl stehen der Verhinderung solcher Konzerte sehr hohe rechtliche Hürden entgegen. Der Rechtsprechung des OVG Hamburg vom 15.09.04 ( VSB 2005 des LfV Hamburg, Seite 195) schloss sich 220 Rechtsextremismus das VG Lüneburg in einer Entscheidung zur Auflösung einer "Geburtstagsfeier mit Live-Musik" am 27.06.06 an. Es erklärte den Polizeieinsatz anlässlich einer solchen Geburtstagsfeier des ehemaligen führenden B & H-Funktionärs Stefan SILAR am 19.11.05 für rechtswidrig. In der Begründung hieß es u.a.: "Der Polizeieinsatz war rechtswidrig, weil von der Feier eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht ausgegangen ist. ...die Begründung der Gefahrenprognose der Polizei reichte nicht aus." SILAR wurde vor Gericht von Jürgen RIEGER ( V. 8) vertreten. Im Jahr 2006 fanden in Hamburg vier rechtsextremistische Skinheadkonzerte statt. Nachdem bei den drei Konzerten im Jahr 2005 im Schnitt mehr als 300 Besucher zu verzeichnen waren, lag die durchschnittliche Teilnehmerzahl in diesem Jahr deutlich unter 200. Am 21.01.06 nahmen ca. 150 Personen an einer "Geburtstagsfeier mit Live-Musik" in Hamburg-Bramfeld teil. Am 15.07.06 wollten ca. 200 Rechtsextremisten an einer Konzertveranstaltung in Hamburg-Bergedorf teilnehmen. Durch behördliche Auflagen wurde die Teilnehmerzahl im Veranstaltungssaal auf 150 Personen begrenzt. An einem Konzert in Hamburg-Wilhelmsburg am 07.10.06 nahmen ebenso wie am 04.11.06 in Hamburg-Hamm ca. 100 Personen teil. Alle Veranstaltungen fanden in Vereinshäusern von Kleingartenvereinen statt. Am 25.03.06 wollte ein Rechtsextremist aus dem Landkreis Harburg/ NI in Hamburg-Harburg ein Skinheadkonzert veranstalten. In diesem Fall konnte der Vermieter den Mietvertrag für nichtig erklären. Vertraglich war der Mieter aufgefordert, Live-Musik bei der zuständigen Polizeiwache anzumelden; dieser Verpflichtung war er nicht nachgekommen. Die Polizei setzte das Nutzungsverbot auf Bitten des Vermieters durch. Die Hamburger NPD lud am 25.02.06 ca. 70 junge Rechtsextremisten nach Hamburg-Rothenburgsort ein, um über die Gründung eines Landesverbandes der "Jungen Nationaldemokraten" (JN) zu diskutieren. Die Veranstaltung mit dem JN-Bundesvorsitzenden Stefan ROCHOW wurde durch den Auftritt eines Liedermachers aus Göttingen abgerundet. Offensichtlich war dieser interessanter als der Beitrag des JNVorsitzenden, denn zu einer JN-Gründung in Hamburg ist es bis heute nicht gekommen. 221 Rechtsextremismus 7. Rechtsextremistische Parteien 7.1 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) Der in den letzten Jahren festgestellte Aufwärtstrend der NPD setzte sich im Jahr 2006 deutlich fort. Zehn Jahre nach seinem Mitglieder: 7.000 Amtsantritt als Parteivorsitzender Bundessitz: Berlin im Jahr 1996 konnte VOIGT darauf Vorsitzender: Udo VOIGT verweisen, dass die älteste rechtsextremistische Partei in Deutschland erstmals wieder mehr MitglieLandesverband Hamburg der als die REP ( V.1) habe. Im Mitglieder: 140 Sommer 1996 gehörten der Partei Vorsitzende/r : Anja ZYSK nur noch 3.500 Personen an, mittab 25.02.07: Jürgen RIEGER lerweile hat sie die Mitgliederzahl auf 7.000 verdoppelt und damit im Vergleich zum Vorjahr noch einmal - um 1.000 Personen - erhöht. Die NPD profitierte weiter von dem von der Parteispitze maßgeblich initiierten Kurs einer "Volksfront von Rechts" ( V.1.1) bzw. "Deutschen Volksbewegung". Die Ausrichtung des rechtsextremistischen Personenpotentials auf die NPD setzte sich fort, ihr Bündnispartner DVU verlor weiter an Bedeutung. Die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern am 17.09.06 mit dem Einzug von sechs Abgeordneten hl Wa X XX X X in den Landtag und der Wahlerfolg in Berlin - dort X X XX X XX X XX D konnte die Partei insgesamt elf Sitze in vier BezirksNP X XX X XX verordnetenversammlungen erringen - hatten maßgeblichen Anteil an dieser Entwicklung. Ein Landtagsabgeordneter der NPD in Sachsen wurde am 14.11.06 wegen "seines unsauberen FinanzgebaMecklenburgVorpommern rens" aus der Fraktion ausgeschlossen. Ihm wurde vorgeworfen, gegenüber den Fraktionsmitgliedern LfV HH einen Subventionsbetrug verschwiegen und erhebliche Steuerschulden zu haben. Danach zählte die einst zwölf Personen starke Landtagsfraktion der NPD nur noch acht Mitglieder, nachdem bereits im Dezember 2005 drei Landtagsabgeordnete aus der Fraktion ausgetreten waren. Ein weiteres Fraktionsmitglied legte am 24.11.06 222 Rechtsextremismus auf Drängen der Fraktion sein Mandat nieder, nachdem bekannt geworden war, dass gegen ihn wegen des Verdachts des Besitzes kinderpornografischer Darstellungen ermittelt wurde. In diesem Fall konnte die Partei einen Nachrücker nominieren. Die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern war für die NPD im Jahr 2006 der Schwerpunkt bei ihrem "Kampf um die Parlamente". Hierbei hatte die Partei mit hausgemachten finanziellen Problemen zu kämpfen. Der Hamburger Rechtsextremist Jürgen RIEGER ( V.8.), zu dem Zeitpunkt noch kein Parteimitglied, kündigte einem rechtsextremistischen Internetforum zufolge Mitte des Jahres ein der NPD gewährtes Darlehen. Zuvor war ihm vom persönlichen Referenten des Bundesvorsitzenden Udo VOIGT, Thomas WULFF, zugetragen worden, dass er für eine Mitarbeit in einer möglichen Landtagsfraktion in MecklenburgVorpommern nicht in Frage komme. Auftakt des Wahlkampfes war eine Großdemonstration der Partei am 01.05.06 in Rostock unter dem Motto "Arbeit für Deutsche". Der Partei gelang es, ca. 1.300 Teilnehmer zu mobilisieren, sie selbst sprach sogar von 2.500 Personen. Udo VOIGT forderte in seiner Rede anstelle eines Zuwanderungsgesetzes ein Gesetz zur "Ausländerheimführung" und forderte, man müsse die Globalisierung stoppen und zu einer "raumorientierten Volkswirtschaft" kommen. VOIGT bezog sich hierbei auf das vom Hamburger Rechtsextremisten OBERLERCHER ( V.1.2) im Auftrag der NPD im Jahr 1998 verfasste "Konzept zur raumorientierten Volkswirtschaft". OBERLERCHER äußerte sich in seiner Ausarbeitung noch deutlicher und forderte eine "Entausländerung der Wohnbevölkerung". Bei ihren Wahlplakaten setzte die NPD nicht nur auf die sonst üblichen Forderungen wie "Arbeit statt Einwanderung!", sondern versuchte, die Wähler mit Texten wie "Kopf hoch - nicht in den Sand!" und "Zukunft statt Arbeitsamt!" emotional anzusprechen. Ferner gelang es der NPD teilweise, konkrete Probleme vor Ort zu thematisieren. Die Partei setzte sich plakativ für den Erhalt ländlicher Schulen ein und bezog in einer Gemeinde, in der eine Grund223 Rechtsextremismus schule geschlossen werden sollte, mit Postwurfsendungen Position. Der Kreisverband Rostock setzte ein Kopfgeld in Höhe von 1.000 EUR zur Ergreifung eines mutmaßlichen Straftäters ukranischer Herkunft aus, der wegen des Verdachts des Raubmordes an einem Deutschen gesucht wurde. Im Rahmen der Wahlkämpfe setzte die NPD wieder verstärkt auf die von ihr propagierte Wortergreifungsstrategie. Im Sinne der im Sommer 2005 herausgegebenen "Handreichung für die öffentliche Auseinandersetzung - Argumente für Kandidaten und Funktionsträger" ( VSB 2005 des LfV Hamburg, Seite 204 ff.) suchten NPD-Wahlkämpfer gezielt Veranstaltungen anderer Parteien auf, um sich an den Diskussionen zu beteiligen. Als eine Abgeordnete Liederbücher verteilte - Motto "Sing mit uns" -, provozierten NPD-Anhänger in Mecklenburg-Vorpommern durch das Intonieren des Liedes "Die Gedanken sind frei". Durch das geballte, wenn auch friedliche Auftreten der NPDAnhänger fühlten sich Betreiber der betroffenen Informationsstände demokratischer Parteien bedrängt und bedroht. Wie auch bei den letzten Wahlen versuchte die NPD gezielt, insbesondere junge Menschen anzusprechen ( V.6.). Mit dem Rechtsanwalt Michael ANDREJEWSKI wurde ein ehemaliger Hamburger in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern gewählt. Er war mehrere Jahre zweiter Vorsitzender der "Hamburger Liste für Ausländerstopp" (HLA) und kandidierte mehrfach als Spitzenkandidat dieser Organisation zur Hamburger Bürgerschaftswahl und zur Bezirksversammlung Hamburg-Wandsbek. Der von Hamburg in den Landkreis Ludwigslust verzogene Neonazi Thomas WULFF hat offensichtlich im NPD-Landesverband wenig Rückhalt. Er schaffte es nicht, einen Platz auf der Landesliste zu erhalten und konnte lediglich als Direktkandidat in einem Schweriner Wahlkreis antreten. Fraktionsvorsitzender der NPD wurde Udo PASTÖRS (Foto) aus Lübtheen. PASTÖRS, der sich im Wahlkampf als guter Kaufmann und bewusst bürgernah gab, ist schon seit mehre224 Rechtsextremismus ren Jahren in der rechtsextremistischen Szene aktiv und gehörte im August 1997 zu den Erstunterzeichnern des "Aufruf an alle Deutschen zur Notwehr gegen die Überfremdung". In eindeutiger Anlehnung an die NS-Rassenlehre schrieben PASTÖRS und seine Mitstreiter unter der Überschrift "DAS GASTARBEITERUNRECHT" u.a.: "Die Staatsführung kümmert sich nicht um die gesicherten Erkenntnisse der Soziologie und der Ethnologie, auch nicht um die Beobachtungen aus der Geschichte und der Gegenwart. Sie beharrt stur auf ihrer ideologischen Auffassung, daß alle Menschen gleich sind und unter gleichen Startbedingungen alle Menschen, gleich welchen Volkes und welcher Rasse, Gleiches zustandebringen. Wer seine Aussagen mit den Erkenntnissen der Rassenkunde begründet, den sieht sie Staatsführung als 'Rassisten' und behandelt ihn entsprechend." (Schreibweise im Original). An anderer Stelle hieß es: "Die Staatsführung verweigert den Rußlanddeutschen die Rückkehr in die Heimat unter dem Vorwand, daß sie nicht gut genug deutsch sprechen." Das Thema "Russland-Deutsche" wurde auch im Wahlkampf aufgegriffen. In einem sozial schwachen Wohnviertel wurden gezielt NPDFlugblätter in russischer Sprache verteilt, um die dort lebenden russischstämmigen Wahlberechtigten anzusprechen. Dieses Beispiel zeigt jedoch auch die heuchlerische Art der NPD, um Stimmen zu werben, denn in deutschsprachigen Flugblättern wurde gerade die Zuwanderung und "Ghettoisierung" durch Russland-Deutsche kritisiert. Die NPD versuchte im Jahr 2006 die Fußball-Weltmeisterschaft für ihre Propaganda zu missbrauchen. Im Rahmen der Diskussion über die Sicherheitsüberprüfungen beim sogenannten Akkreditierungsverfahren ("Fußball-WM 2006, Das LfV im 'Sicherheitsteam der Innenbehörde'") veröffentlichte der Landesverband Schleswig-Holstein am 09.01.06 einen Aufruf an "arbeitslose Mitglieder und Anhänger, sich um Arbeit bei den bevorstehenden Weltmeisterschaftsspielen zu bewerben." Laut NPD sei es interessant, zu erfahren, "ob der VS Bewerber oppositioneller Parteien von den Tätigkeiten in den Stadien ausschließen wird." Im März 2006 kündigte die NPD die Herausgabe eines WM-Planers einschließlich eines Spielplans an. Unter der Überschrift "Weiß - Nicht 225 Rechtsextremismus nur eine Trikot-Farbe! Für eine echte NATIONAL-Mannschaft!" wurde deutlich gegen Nationalspieler mit Migrationshintergrund polemisiert. Die Verbreitung dieses WM-Planers konnte auf juristischem Wege weitgehend verhindert werden. Besonderes Interesse widmete die NPD dem WM-Teilnehmer Iran, dessen Präsident wegen seiner Äußerungen zur Atompolitik und zu Israel im Blickpunkt stand. Im Internet kündigte der Pressesprecher des NPD-Landesverbandes Sachsen am 04.05.06 an, die NPD wolle sich in Leipzig "durch kreative Werbeaktionen während der WM" zu Wort melden und "Im Sinne des offiziellen WM-Mottos 'Die Welt zu Gast bei Freunden' werden wir Nationaldemokraten auch die Fußballmannschaft des Iran zu ihrem Spiel in Leipzig begrüßen..." Der Streit um das iranische Atomprogramm wurde von der NPD auch für antiamerikanische Hetze und die Verunglimpfung der deutschen Regierung genutzt. Unter der Überschrift "Freiheit für Deutschland - Ami go home!" veröffentlichte die Partei am 22.05.06 eine "Erklärung des NPD-Parteivorstandes zum Bush-Besuch in Stralsund". Der Präsident der USA wurde darin als "Repräsentant eines Staates, der seine Interessen weltweit brutal und rücksichtslos durchsetzt", bezeichnet. Wichtigster Pfeiler der US-Herrschaft sei der militärische Imperialismus: "Überall dort, wo Staaten sich weigern, ihre Politik an den Interessen der US-Kapitalisten auszurichten und wirtschaftliche Erpressungsversuche nicht weiterführen, werden durch das US-Regime Angriffskriege vom Zaun gebrochen." Hierbei würden die "US-Amerikaner Völkerund Menschenrechte mit den Füßen treten und skrupellos Wehrlose verschleppen und foltern." Laut NPD seien in Europa "die Vasallen der USA in der NATO organisiert" und "die Merkel-Vasallenregierung" unterwerfe sich "ergebenst". Bereits das "von SPD und Grünen getragene Schröder-Regime" habe sich am "Angriffskrieg gegen Serbien" beteiligt und sich als "devoter Erfüllungsgehilfe der US-Kapitalisten" gezeigt. Dass diese Auseinandersetzung mit dem Besuch des US-Präsidenten auch in Mecklenburg-Vorpommern von der NPD zugleich für den dortigen Wahlkampf genutzt wurde, zeigte sich an den Aussagen zur PDS. Es werde laut NPD immer deutlicher, "daß die Rolle der PDS in erster Linie darin besteht, US-kritisches Wählerpotential zu binden, damit dieses sich nicht einer wirklich antiimperialistischen Partei anschließt." 226 Rechtsextremismus Hiermit meinte die NPD sich und forderte "Auflösung der NATO! Der Träger des US-Imperialismus muß verschwinden, damit ein Europa der freien Völker entstehen kann. ...Herstellung der kulturellen Hoheit Deutschlands! Die multikulturelle, gemeinschaftszersetzende, asoziale und gewaltverherrlichende Hollywoodpropaganda muß von deutschen Bildschirmen verschwinden." Weiter kündigte die NPD an, sie werde am 14.07.06 in Stralsund vor Ort sein, "um die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen, daß sich das Volk den Bestrebungen widersetzen wird, Söldnerdienste für die imperialen Interessen der USA zu leisten." Ferner werde man deutlich machen, "daß es anglo-amerikanische Bomberverbände waren, die seit 1941 ungeheure Luftkriegsverbrechen in der ganzen Welt zu verantworten haben und für die Ermordung Hunderttausender Zivilisten verantwortlich sind." Die NPD nutzte das eher von Linksextremisten besetzte Themenfeld "Antiimperialismus" bewusst für antiamerikanische und antisemitische Äußerungen. Dies wird auch im Jahr 2007 ein Schwerpunktthema der NPD-Agitation sein, so meldete die Partei bereits eine Demonstration in Schwerin gegen den G8-Gipfel an. Auch die Vollstreckung des Todesurteils gegen Saddam HUSSEIN wurde von der Partei für antiamerikanische Propaganda genutzt. Die Vollstreckung wurde von Udo VOIGT als Mord "durch Henker eines US-hörigen Vasallenregimes" bezeichnet. Der neu gewählte NPD-Parteivorstand kündigte nach seiner ersten Sitzung am 26.11.06 an, dass der für 2007 geplante G8-Gipfel in Mecklenburg-Vorpommern ( IV.5.1) als "wichtiges politisches Schwerpunktthema" festgelegt werde. "Die Positionierung der NPD als einzige authentische Anti-Globalisierungspartei in Deutschland" werde als Herausforderung angesehen. Der neu gewählte Generalsekretär Peter MARX ergänzte: "Die Vorbereitungen für die Kampagne gehen jetzt los. Das Establishment wird sich ab Januar auf eine selbstbewußte NPD einstellen können, die die wichtigen Politikfelder besetzt." Am 11./12.11.06 führte die NPD in Berlin-Reinickendorf ihren Bun227 Rechtsextremismus desparteitag (Foto, S. 227) unter dem Motto "Aus der Mitte des Volkes" durch. Vorausgegangen war eine juristische Auseinandersetzung, in der letztlich die Stadt Berlin verpflichtet wurde, der NPD einen Saal für 700 Personen zur Verfügung zu stellen. In seinem Rechenschaftsbericht bekannte VOIGT sich vor den ca. 230 Delegierten und 320 Gästen zum "Deutschland-Pakt" mit der DVU und der "Volksfront von Rechts" mit den Freien Nationalisten ( V.1.1). Bei den Wahlen wurde VOIGT eindeutig im Amt und somit auch sein Kurs bestätigt. Holger APFEL und Peter MARX wurden erneut als Stellvertreter gewählt, dagegen erhielt Ulrich EIGENFELD, bisheriger Generalsekretär, nicht die erforderlichen Stimmen und wurde nur als Beisitzer in den Bundesvorstand gewählt. Dem NPDBundesvorstand gehört jetzt neben Thomas WULFF auch Jürgen RIEGER als Beisitzer an. RIEGER war der Partei erst im September 2006 beigetreten und kandidierte für den Posten eines stellvertretenden Vorsitzenden, scheiterte jedoch. Im Parteivorstand ist er für "Außenpolitik und Finanzbeschaffung" zuständig. Eine schwierige Aufgabe, denn am 10.11.06 kündigte die Bundestagsverwaltung an, insgesamt 870.000 EUR von der NPD zurückzufordern. Ein Wirtschaftsprüfer habe festgestellt, dass die Rechenschaftsberichte für die Jahre 1997/98 unrichtige Angaben enthielten. Hamburg Der deutliche Mitgliederzuwachs im NPD-Landesverband im Jahr 2005 von 95 auf 140 Personen hat sich im Jahr 2006 nicht fortgesetzt, er hat aber zu starken Spannungen geführt, denn der Hamburger NPD gehören mittlerweile aufgrund der Umsetzung des Volksfront-Kurses 228 Rechtsextremismus Vertreter unterschiedlichster rechtsextremistischen Organisationen an. Die Landesvorsitzende ZYSK stand vor der kaum lösbaren Aufgabe, die Protagonisten dieser Gruppierungen, die schon vor ihrem NPD-Eintritt nur punktuell zur Zusammenarbeit fähig waren, zu disziplinieren. Nach heftigen, teilweise öffentlich im Internet ausgetragenen Streitigkeiten trat der Landesvorstand am 04.01.07 zurück (Führungskrise in der Hamburger NPD - Landesvorstand tritt zurück). Am 25.02.07 wurde ein neuer, deutlich neonazistisch geprägter Landesvorstand mit Jürgen RIEGER (Foto) an der Spitze gewählt (Führungswechsel bei der Hamburger NPD - Radikalisierung setzt sich fort). Dem Landesvorstand der Hamburger NPD gehören neben eher gemäßigten Vertretern der Kreisverbände Altona und Wandsbek mittlerweile auch Anhänger der "Neonaziund Skinheadszene in Bramfeld" ( V.4.1) sowie des "Kameradenkreises Neonazis in Hamburg" an ( V.4.1). Die NPD hat im Jahr 2006 ihre Öffentlichkeitsarbeit verstärkt. Hierbei kam es zu gemeinsamen Aktivitäten mit Vertretern der Hamburger Neonaziszene. Insbesondere in den Bezirken Hamburg-Mitte, Bergedorf, Harburg und Wandsbek führte sie diverse Informationsstände durch. Hierbei kam es in einigen Fällen zu Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern und der Polizei. Die Partei provozierte zum Teil bewusst durch die Wahl des Standortes, um anschließend gegen angebliche Repressionen der Sicherheitsbehörden zu demonstrieren. So hatte die NPD für den 29.04.06 einen Infostand in Hamburg-Harburg angemeldet. In Anbetracht einer Reihe von Auseinandersetzungen zwischen Rechtsund Linksextremisten in dem Stadtteil im Jahr 2005 wurde der Infostand mit einem massiven Polizeiaufgebot vor Übergriffen geschützt, nachdem der Termin der örtlichen Antifa bekannt geworden war. Dies veranlasste ZYSK zu der Behauptung, die Polizei habe der Harburger Bevölkerung "ganz im Sinne obrigkeitsstaatlicher Tradition das Recht auf Informationsfreiheit verwehrt". Sie meldete für den 05.05.06 eine Kundgebung in Hamburg-Harburg unter dem Motto "Gegen Polizeiwillkür - Meinungsfreiheit für alle Nationalisten!" an, an der ca. 50 Personen teilnahmen. Nach dem gleichen Muster ging die Partei auch im Juni vor. Die NPD hatte für den 03.06.06 einen Informationsstand in der Osterstraße (Eimsbüttel) angemeldet. Einem Internetbeitrag des zuständigen Kreis229 Rechtsextremismus verbandes zufolge seien viele "Kameraden" bereits im Vorfeld skeptisch gewesen, "weil sie befürchteten, auf starke Ablehnung bis hin zu Beschimpfungen oder Aggressionen seitens vieler Anwohner zu treffen." Nachdem der Stand der NPD durch einen Antifaschisten umgeworfen und zerstört worden war, erklärte der Polizeieinsatzleiter die Veranstaltung für beendet. Die Rolle der Polizei wurde von der NPD daraufhin wie folgt kommentiert: "Die Beamten, die angeblich zu unserem Schutz gekommen waren, standen untätig daneben." Der Kreisvorsitzende der NPD beschimpfte die Polizeiführung und bezeichnete sie als "unzurechnungsfähig und blöd im Kopf"; ein Verfahren wegen Beleidigung wurde eingeleitet, das Verfahren läuft. Anja ZYSK meldete für den 08.06.06 unverzüglich eine Kundgebung an - wiederum in der Osterstraße - unter dem Motto "Freiheit ist auch immer die Freiheit des Andersdenkenden". Am Rande dieser Kundgebung und bei der Abfahrt der knapp 100 Teilnehmer kam es zu Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern. In einem Beitrag auf der Hamburger NPD-Internetseite schrieb Christian WORCH, der auch als Redner aufgetreten war: "An der nächsten U-Bahn-Station hatte eine Gruppe vermummter und bewaffneter Linker gewartet, die die U-Bahn ein wenig 'entglasten'. Personenschaden entstand dabei nicht." Aus der positiven Bewertung der Veranstaltung durch WORCH folgt, dass er und die NPD solche Auseinandersetzungen bewusst in Kauf nehmen: "Auch wenn natürlich in einem Stadtteil wie dem 'roten' Eimsbüttel das Zahlenverhältnis von eigenen zu Gegendemonstranten zwangsläufig ungünstig ausfällt, zeigt allein die medienmäßige Resonanz im Vorfeld wie auch im Nachhinein, daß es eine richtige Entscheidung war, gegen die Schikanen vom vorherigen Sonnabend kurzfristig, also nötigenfalls auch in der Woche an einem Werktag, aktiv zu werden." ( V.1.1). Am 30.09.06 veranstaltete der Kreisverband Bergedorf einen Informationsstand am Lohbrügger Markt unter dem Motto "Keine Moschee in Bergedorf!". Im Internet bewertete die Partei die Aktion, bei der u.a. eine Unterschriftenliste gegen den geplanten Bau ausgelegt wurde, als Erfolg. In dem Artikel schürte sie Ängste gegen Überfremdung und machte deutlich, dass die Partei ein anderes politisches System wolle: "Wir wollen es nicht dulden, daß unsere Heimatstadt Bergedorf in ein Klein-Ankara verwandelt wird. Jedes Volk, auch das Deutsche, hat ein Recht auf seine eigene Heimat und Kultur. Weitere Protestaktionen 230 Rechtsextremismus gegen den Bau des millionenteuren morgenländischen Tempelprachtbaus mitten in einer deutschen Stadt sind bereits in Planung. Den Systemparteien im Bergedorfer Rathaus muß klargemacht werden, daß sie nicht länger gegen den Willen der Bürger handeln können." Am 14.10.06 demonstrierte die NPD in Hamburg-Wandsbek unter dem Motto "Nationale Arbeitsplätze statt internationale Profite" mit ca. 230 Teilnehmern. Das Gros der Teilnehmer stellten die "Freien Nationalisten". Als Redner traten u.a. Alexander HOHENSEE, Thomas WULFF und Anja ZYSK auf. Ein Internetbeitrag der NPD ging auf das eigentliche Thema der Veranstaltung kaum ein, vielmehr wurden überwiegend die Gegendemonstranten, die "selbsternannten Antifaschisten", angegriffen: "Das Bild, das sie boten, war erbärmlich. Hauptsächlich handelte es sich um ergraute Zottelbärte und versiffte Kinderbanden." Diese hätten die Demonstrationsteilnehmer "vor den Augen der untätigen Polizei mit Eiern, Früchten und Steinen" beworfen. Die Demonstration wurde als Erfolg bewertet, man habe "das Ansehen der NPD bei den Hamburger Bürgern gestärkt... . Auch der Volksfrontgedanke kam an diesem Tag wieder zum Tragen, denn es gab auch zahlreiche Unterstützung von freien Kameraden." ( IV.5.3.1) 7.2 Deutsche Volksunion (DVU) Der Mitgliederschwund der "Deutschen Volksunion" (DVU) setzte sich fort, die Zahl verringerte sich auf etwa 8.500 (2005: etwa 9.000). Die Partei wird von ihrem Gründer und Bundesvorsitzenden, Dr. Gerhard Frey, zentralistisch und autokratisch geführt. Den 16 Landesverbänden werden die personelle Besetzung der Landesvorstände und ihre politische Tätigkeit weitgehend vorgeschrieben. Nur wenige der zumeist älteren Mitglieder sind in der Partei aktiv. Die DVU hält unverändert an der Zusammenarbeit mit der NPD im Rahmen des "Deutschlandpakts" ( V.1.1) fest. Einer Zusammenarbeit mit Neonazis steht 231 Rechtsextremismus sie skeptisch gegenüber. Im Gegensatz zur NPD gelang es der DVU allerdings nicht, Mitglieder: 8.500 von dem Volksfrontbündnis Bundessitz: München zu profitieren. Ihr Einfluss Vorsitzender: Dr. Gerhard FREY im rechtsextremistischen Bereich blieb gering. Landesverband Hamburg Neben der Präsenz im InterMitglieder: 160 net ist die vom BundesvorVorsitzender: Günther SCHLEMMER sitzenden Dr. Gerhard FREY (Foto) herausgegebene "National Zeitung / Deutsche Wochen-Zeitung" (NZ, Auflagenhöhe: ca. 40.000) wichtigstes Propagandamittel der Partei. Im Parteiprogramm bekennt sich die DVU zwar formal zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung, in der NZ wurden jedoch rechtsextremistische Agitationsmuster verbreitet. Mit antisemitischer, ausländerfeindlicher und revisionistischer Berichterstattung sollen Ressentiments in der Bevölkerung hervorgerufen werden. Der Beitrag der Ausgabe Nr. 32 vom 04.08.06 unter dem Titel: "Wir stehen an der Seite Israels - Warum eine 'besondere Verpflichtung' der Deutschen?" befasste sich mit einer möglichen Entsendung von Bundeswehrangehörigen in eine "internationale Friedensgruppe" im Rahmen der Vereinbarungen zwischen Israel und der "Hizb Allah". Der Autor warf die Frage auf: "Sind die heutigen und künftigen Deutschen verpflichtet, stets an der Seite Israels zu stehen, egal, ob der Judenstaat im Recht oder Unrecht ist?" Dieser Beitrag belegte die antisemitische Grundeinstellung: "Devote Ergebenheitsadressen gegenüber Israel" würden "bis zum Erbrechen" geübt. Ein "deutscher Schuldkomplex" solle selbst eingebürgerten Asiaten, Arabern und Schwarzafrikanern eingeimpft werden. Weiterhin wurde der iranische Präsident AHMADINEJAD zitiert: "Wenn Leute damals Verbrechen begangen haben, dann muss232 Rechtsextremismus ten sie vor 60 Jahren vor Gericht gebracht werden. Schluss! Warum muss das deutsche Volk heute dafür erniedrigt werden, ...?" NZ-Artikel mit reißerischen Überschriften sollten Überfremdungsängste schüren: "Invasion aus Afrika - Kommen Millionen Schwarze?" (NZ Nr. 22 vom 26.05.06), "Kommen Millionen Afrikaner? - Warum Deutschland kein Einwanderungsland sein kann" (NZ Nr. 31 vom 28.07.06), "Halb Afrika auf dem Sprung? - Die neue Völkerwanderung" (NZ Nr. 36 vom 01.09.06). Zu den Landtagswahlen trat die DVU auf der Grundlage des "Deutschland-Pakts" nur in Sachsen-Anhalt an und verfehlte dort mit 3% der Zweitstimmen den Einzug in den Landtag. Im Rahmen der Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin öffnete die NPD die Wahllisten auch für DVUMitglieder. Das Angebot wurde von der DVU kaum angenommen, nur vereinzelt fanden sich DVU-Mitglieder auf diesen Wahllisten. Wahlerfolge erzielten sie jedoch nicht. In einem Artikel (NZ, Nr. 39, 22.09.06) zum Erfolg der NPD in Mecklenburg-Vorpommern erwähnte FREY den "Deutschland-Pakt" nur am Rande, indem er eine Pressemeldung zustimmend zitierte, wonach den in dem Pakt verbündeten Parteien NPD und DVU ein "beinahe stetiger Vormarsch" zu gelingen scheine. Entsprechend dem Bundestrend verlor auch der Landesverband Hamburg der DVU weitere Mitglieder, ihm gehören noch etwa 160 an (2005: 170), von denen die große Mehrzahl inaktiv war. Die Partei zeigte in Hamburg kaum öffentlichkeitswirksame Aktivitäten. Eine von einem DVU-Mitglied aus Hamburg organisierte "Gedenkveranstaltung für die Opfer der Bombenangriffe vom 24.07. bis 03.08.1943 in Hamburg" fand am 30.07.06 auf dem Ohlsdorfer Friedhof statt. In der NZ wurde durch Anzeigen mehrfach auf diese Veranstaltung hingewiesen, mit der das nationalsozialistische Regime im revisionistischen Sinne von der Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg entlastet werden sollte. Etwa 100 Personen der linksextremistischen Szene 233 Rechtsextremismus versuchten das "Gedenken" zu stören und skandierten Parolen wie "Freiheit für das Leben, Nazis von der Straße fegen" und "Oma, Opa und auch später, keine Opfer sondern Täter". 8. Sonstige rechtsextremistische Organisationen und Bestrebungen Neben den genannten rechtsextremistischen Bereichen, Szenen und Parteien existiert eine Vielzahl weiterer Kleinstparteien, Vereine, Bündnisse, Einrichtungen, Sammlungsbewegungen, Initiativen und Bürgerinitiativen, die sich in ihrer politisch-ideologischen Ausrichtung sowie in Größe und Bedeutung zum Teil erheblich unterscheiden. Hinsichtlich ihrer Ziele, Aktivitäten und Äußerungen zeigten sie sich extrem nationalistisch, traditionalistisch, antisemitisch, revisionistisch oder heidnisch-germanisch. Diesen "sonstigen" Organisationen gehörten Ende 2006 bundesweit etwa 3.800 Personen an (2005: 4.000). Auffällig war bei vielen dieser Gruppierungen eine neue Orientierung bzw. ein Interesse an der Volksfrontstrategie ( V.1.1) und hier insbesondere an der NPD als tragendem Element dieser Bündnisbestrebungen, ohne diesem Bündnis bisher beizutreten. Auch 2006 bemühten sich Rechtsextremisten, regionale oder überregionale Sammlungsbewegungen zu bilden. Diverse Zusammenschlüsse, denen auch Mitglieder rechtsextremistischer Parteien angehören, fanden sich bundesweit in regional gegründeten Bündnissen zusammen, um an Kommunalwahlen teilzunehmen. Diese am Vorbild eines langjährigen "Nationalen Bündnisses" in Dresden orientierten Zusammenhänge konnten 2006 in Norddeutschland keine bemerkenswerten Erfolge aufweisen. Eine der mitgliederstärksten "sonstigen" Organisationen ist die rechtsextremistische Kulturvereinigung "Gesellschaft für freie Publizistik e.V." (GfP). Ihr gehören vor allem Verleger, Redakteure, Schriftsteller und Buchhändler an. Im Mittelpunkt der Aktivitäten stand der jährliche Kongress, der vom 28. bis 30.04.06 mit etwa 300 Teilnehmern in Bayreuth stattfand. Zum Veranstaltungsmotto "Sturm auf Europa - Im Fadenkreuz von Masseneinwanderung und Amerikanisierung" hieß es in dem Strategieund Theorieorgan des deutschen Rechtsextremis234 Rechtsextremismus mus "Nation & Europa": Nach den Ereignissen an der afrikanischen Nordküste, wo die spanischen Exklaven von Armutsflüchtlingen belagert werden, den Vorfällen in den Niederlanden und England oder den Unruhen in Paris werde klar, dass man einem zweifachen "Ansturm auf Europa" entgegensehen müsse. Mit dem drohenden Beitritt der Türkei in die EU werde ein "weiteres Tor für Fremde nach Europa aufgemacht werden". Neben der drohenden "Masseneinwanderung" habe eine "geistige und seelische Überfremdung durch Amerikanisierung" längst stattgefunden. Wegen der "akuten Bedrohungslage" seien zum GfP-Kongress "hochkarätige Redner" aus ganz Europa eingeladen, die ein "europäisches Signal der nationalen Kräfte" setzen würden. Der Ankündigung entsprechend warnten auf der GfP-Veranstaltung Referenten aus Deutschland und anderen europäischen Ländern vor der "zunehmenden bedrohlichen Masseneinwanderung aus Afrika und Asien" und vor drohender "Überfremdung". Die Erweiterung der EU um neue Balkanstaaten und die Türkei wurde abgelehnt. Als weitere Gründe für den zunehmenden "Identitätsverlust der historischen Völker Europas" wurden außer der "Umvolkung" die Globalisierung und der "liberalistische Geist aus den USA" genannt. Die GfP kritisiert die vermehrten politischen Eingriffe bei der Beurteilung geschichtlicher Ereignisse, die mit dem Nationalsozialismus in Verbindung stehen. Ebenso ablehnend steht sie den Gerichtsverfahren gegen Historiker, Forscher und Autoren gegenüber. Die Geschichtswissenschaft dürfe nicht "Sklave des Zeitgeistes" und "Opfer der Justiz" sein. Derartige in Deutschland praktizierte Anklagen und Prozesse seien unberechtigte Eingriffe in das grundgesetzlich garantierte Recht auf Meinungsund Wissenschaftsfreiheit. Gesetzliche Bestimmungen, die eine freie Geschichtswissenschaft behinderten, müssten abgeschafft werden. Die Verfassungsmäßigkeit des umstrittenen Paragra235 Rechtsextremismus phen 130 StGB (Volksverhetzung) müsse vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden. Die GfP-Resolutionen wurden von vielen anderen rechtsextremistischen Organisationen reflektiert und fanden vorwiegend Zuspruch. Jürgen RIEGER Der bekannte Hamburger Rechtsextremist und Rechtsanwalt Jürgen RIEGER (Foto) setzte seine politischen Aktivitäten und sein juristisches Engagement für Rechtsextremisten auch im Berichtsjahr fort. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Anwalt übernahm er 2006 u.a. die rechtliche Vertretung der vor dem Landgericht Mannheim in zwei unterschiedlichen Verfahren angeklagten Revisionisten Ernst ZÜNDEL und Germar RUDOLF ( V.1.2). RIEGER ist im Besitz diverser Immobilien, die er zum Teil als Bevollmächtigter der in London ansässigen "Wilhelm Tietjen Stiftung für Fertilisation Limited" (WTSfFL) erwarb. Zu diesen Immobilien gehören u.a. der "Heisenhof" (Foto) in Dörverden/Niedersachsen, das "Schützenhaus" in Pößneck/ Thüringen und ein Gebäudekomplex in Hameln/ Niedersachsen. Die Stiftung war Ende August 2006 aus dem britischen Handelsregister gelöscht worden, nachdem RIEGER als Verantwortlicher seiner jährlichen Berichtslegungspflicht nicht nachgekommen war. Im Oktober wurde als vermeintliche Nachfolgegesellschaft die "Wilhelm Tietjen Stiftung Limited" (WTSL) gegründet und deren Eintragung im britischen Vereinsregister veranlasst. Die Besitzund Eigentumsverhältnisse hinsichtlich des Stiftungsvermögens und der durch die WTSfFL erworbenen Immobilien sind noch nicht geklärt. 236 Rechtsextremismus Das 2003 erworbene Objekt in Pößneck und die 1999 von RIEGER erworbene Immobilie in Hameln waren in der Vergangenheit von Rechtsextremisten als Treffund Anlaufpunkt genutzt worden. 2006 fanden dort keine nennenswerten Aktivitäten statt. Zudem steht ein Teil des Hamelner Gebäudekomplexes seit Mitte 2004 zum Verkauf. Im Mittelpunkt der Befürchtungen um den vermeintlichen Aufbau eines Schulungszentrums steht weiterhin der von RIEGER im Namen der "Wilhelm Tietjen Stiftung" erworbene "Heisenhof" in Dörverden. Wegen der Nutzung dieses Objektes liegt RIEGER mit den zuständigen Behörden und Gerichten im Streit. Die Nutzungsuntersagungen für die auf der Liegenschaft befindlichen Gebäude haben weiterhin Bestand. Ein von RIEGER gestellter Bauantrag wurde zurückgewiesen. Eine mögliche Nutzung des "Heisenhofs" für Wohnund Schulungszwecke konnte somit bislang verhindert werden. Am 01.10.06 führte die Polizei eine Durchsuchung auf dem "Heisenhof" durch, da eine dort befindliche Person mit einer Schusswaffe hantiert haben sollte. Die Durchsuchung blieb erfolglos. Es konnte kein verbotener Waffeneinsatz festgestellt werden. Aktivitäten von Rechtsextremisten auf dem Hof waren auch regelmäßig Anlass für Protestaktionen politischer Gegner. Im August 2006 wurde RIEGERs Interesse an einem Immobilienkauf in Delmenhorst bekannt. Es gab eine starke öffentliche Resonanz und Proteste gegen die vermeintliche Erwerbsabsicht. Die Stadt und andere Kaufgegner befürchteten den Aufbau eines rechtsextremistischen Schulungszentrums in einem bislang als Hotel genutzten Gebäude (Foto) und versuchten, den Erwerb des für 3,4 Mio. EUR zum Verkauf stehenden Hotels (Verkehrswert: 1,33 Mio. EUR) zu verhindern. Schließlich wurde das Objekt von der Stadt erworben. Parteipolitisch engagiert sich RIEGER seit längerer Zeit insbesondere für die NPD. Bislang beschränkte sich sein Einsatz auf die Rolle eines Referenten und Fürsprechers der Partei. Bei der Bundestagswahl 2005 237 Rechtsextremismus hatte er für die NPD auf Platz 1 der Hamburger Landesliste kandidiert. Seit Mitte 2006 war RIEGER um eine verstärkte Einflussnahme auf die NPD bemüht und folglich in die Partei eingetreten. Auf dem NPD-Bundesparteitag am 11./ 12.11.06 in Berlin wurde er als Beisitzer in den neuen Bundesvorstand gewählt ( V.7.1). Neben seinen NPD-Aktivitäten unterstützte RIEGER auch andere Rechtsextremisten und beteiligte sich an deren Aktivitäten. So nahm er am 14.10.06 in Nürnberg an einer Kundgebung rechtsextremistischer Gruppierungen zum Thema "Recht statt Rache - Revision der Nürnberger Prozesse" teil und betätigte sich dort als Redner. An der von einem Neonazi angemeldeten und von der NPD unterstützten Demonstration nahmen insgesamt etwa 200 Rechtsextremisten teil. Die von RIEGER 2006 unter dem Tenor "Gedenken an Rudolf Heß" für den 19.08.06 in Wunsiedel angemeldete Kundgebung zum 19. Todestag des HitlerStellvertreters wurde - wie im Jahr 2005 - wegen erwarteter Friedensstörung im Sinne des SS 130 (4) StGB verboten ( V.4.3). Im Rahmen seiner politischen Arbeit war RIEGER weiterhin in der von ihm geleiteten und in Berlin als Verein eingetragenen rechtsextremistischen "Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V." aktiv. Diesem Verein ist das "Familienwerk e.V." angeschlossen. Auch hier ist RIEGER (seit 1993) Vorstandsmitglied. Trotz geringer Anhänger hat die Artgemeinschaft durch RIEGERs Mitwirken und seine zahlreichen Kontakte in der rechtsextremistischen Szene Bedeutung. Der Glaubensbund propagiert die Bewahrung, Erneuerung und Weiterentwicklung der "kulturellen, volklichen und rassischen Identität" der nordeuropäischen Menschenart. Er vertritt völkisch-rassistisches und antisemitisches Gedankengut. Die Mitglieder sind aufgefordert, für das "Überleben" der "eigenen Art" "Opferbereitschaft", "Hass", "Härte" und "Todesverachtung" gegen jeden "Feind" zu zeigen. Im Unterschied zu anderen neuheidnischen Gruppen, die lediglich eine Renaissance der germanischen Mythologie anstreben, geht es der Artgemeinschaft auch um die Rekonstruktion einer nach dem Führerprinzip aufgebauten Volksgemeinschaft. Die Aktivitäten des Vereines bestanden im Wesentlichen in der Herausgabe und dem Verkauf eigener Schriften und Bücher. Diese werden 238 Rechtsextremismus über einen in Bad Schwartau ansässigen Buchdienst der Artgemeinschaft vertrieben. Als "Stimme des Artglaubens" wird die "Nordische Zeitung" herausgegeben. Zusätzlich präsentiert sich die Gemeinschaft auf einer von RIEGER betriebenen Website. Neben ihren propagandistischen Aktivitäten führte die Artgemeinschaft in Nordthüringen überregionale Veranstaltungen in Form sogenannter "Gemeinschaftstage" durch. An den um die Tagund Nachtgleiche, zur Sommersonnenwende und zum "Juleingang" (Wintersonnenwende) stattfindenden Treffen nahmen bis zu 300 Personen teil, darunter ehemalige und aktuelle Aktivisten der rechtsextremistischen Szene aus dem gesamten Bundesgebiet. Auf regionaler Ebene ist die Organisation in sogenannte "Gefährtschaften" gegliedert. Die norddeutschen Anhänger traten in der Vergangenheit als "Gefährtschaft Nordmark" auf und führten unter Leitung ihres "Goden" RIEGER in Niedersachsen regionale Veranstaltungen mit bis zu 20 Teilnehmern durch. RIEGER ist mehrfach wegen politisch motivierter Taten vorbestraft. Nach rechtskräftigen Verurteilungen wegen Beleidigung, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung wurde er nunmehr auch wegen Bedrohung (SS 241 StGB) verurteilt. Das LG Verden bestätigte in einer Berufungsverhandlung am 12.10.06 ein Urteil des AG Rotenburg/Wümme vom 09.06.05. Das Amtsgericht hatte RIEGER wegen Bedrohung eines Angehörigen der Antifa Rotenburg/ Wümme - im September 2004 im Zusammenhang mit dem Transport alter Militärfahrzeuge zum "Heisenhof" - zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen je 40 EUR verurteilt. 239 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Scientology-Organisation VI. Scientology-Organisation (SO) 1. Zielsetzungen Die ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren des Bundes und der Länder (IMK) stellte im Juni 1997 fest, dass hinsichtlich der Scientology-Organisation (SO) tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorliegen und deshalb die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden gegeben sind. Die Rechtmäßigkeit der Beobachtung der SO durch den Verfassungsschutz wurde in einem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln im November 2004 bestätigt. Zugleich befand das Gericht, es lägen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass die SO die Verwirklichung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele erstrebe. Die Scientology Kirche Deutschland e.V. und die Scientology Kirche Berlin e.V. hatten gegen die Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz geklagt. Nach dieser Niederlage gingen die Kläger Anfang 2005 in die Berufung - das Verfahren dauert an. Von einer Ablehnung der parlamentarischen Demokratie ist die SO im Jahr 2006 nicht abgerückt. Organisationsimmanent halten die Scientologen an den Schriften des SO-Gründers L. Ron HUBBARD fest. Angestrebt wird eine scientologische Zivilisation durch das Mittel der Expansion in alle politischen und gesellschaftlichen Bereiche. So soll mit politischer Bestimmtheit, die objektiv (auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Köln) zu konstatieren ist, die verfassungsmäßige Ordnung beseitigt oder außer Geltung gesetzt und eine neue Ordnung nach scientologischen Maßstäben errichtet werden. Ende 2006 wurde die Absicht einer verstärkten Einflussnahme auf die "deutsche Regierung" verkündet und das Vorhaben, "die deutsche Gesellschaft zu verändern", bekräftigt (Umfrage - An alle Hamburg Publics 2006, VI. 2.). 242 Scientology-Organisation Arbeitsfeld Scientology - "Ideologie und Zielsetzungen" 2. Aktivitäten Die SO hat für viele Lebenshilfebereiche Unterorganisationsformen - auch Frontgroups genannt - mit verschiedenen Angeboten im Sortiment. 2006 geriet die für den Bildungsbereich zuständige Unterorganisation "Applied Scholastics" (ApS) in den Blickpunkt der Öffentlichkeit in Deutschland. Auch in Hamburg waren Scientologen, die ApS angehören, im Nachhilfeunterricht aktiv. Zu den Aufgaben dieser weltweit tätigen Scientology-Gruppe zählt die Verbreitung scientologischer Technologien mit einer gezielten Einflussnahme im Bildungsbereich sowie die Werbung neuer Mitglieder. ApS gehört, wie weitere Gruppen, die u.a. das soziale Engagement der SO hervorheben sollen, zur "Association of Better Living and Education" (ABLE). Die SO-Zugehörigkeit derartiger Gruppen oder einzelner Mitglieder ist für Außenstehende häufig nicht erkennbar und wird in vielen Fällen nicht freiwillig offenbart. Die "Einführung der Studiertechnologie an Schulen und Universitäten" war - wie der Newsletter VIII/2006 belegt - im Jahr 2006 der Schwerpunkt einer Kampagne der Hamburger Org. Die "Citizens Commission on Human Rights" (CCHR) ist eine weitere Unterorganisation, deren SO-Zugehörigkeit für Außenstehende ebenfalls schwer zu erkennen ist. Mit ihrem deutschen Ableger "Kommission für Verstöße der Psychiatrie" (KVPM) tourte sie 2006 mit einer aufwändigen, sehr professionellen Ausstellung durch Europa. Anfang Dezember 2006 fand diese in Hamburg statt. WeltAusstellung in München 243 Scientology-Organisation weit überzieht die SO die Psychiatrie mit einer anhaltenden Hasskampagne. "Psychiatrie: Tod statt Hilfe" lautete der Ausstellungstenor in Deutschland. Interessierte Besucher wissen in der Regel nicht, dass die SO dahintersteht. Sie treffen hier auf einen Nährboden, der sie auf scientologische Inhalte und Methoden vorbereitet. Die KVPM verunglimpft ganze Berufsstände wie den der Psychiater und kann auch durch falsche medizinische Beratungen Gefahren verursachen. Sowohl die internationale als auch die regionale Führung der SO treiben ihre Mitglieder ständig zur Expansion an. Zu dem Zweck werden Kampagnen entworfen und propagiert. Dazu gehörte bereits im Jahr 2005 die Kampagne "Ideale Org": Ein Projekt für alle Scientologen, aus ihrer regionalen Niederlassung mehr zu machen, mehr Mitglieder zu gewinnen und mehr Umsatz zu erzielen. Diese Ziele konnten nicht erreicht werden, deshalb wurde die Kampagne 2006 fortgeführt. Die Hamburger Scientologen hofften darauf, als erste in Deutschland die Vorgaben zu erfüllen. Mit gesteigerten Aktivitäten seien sie in Hamburg und weiten Teilen Norddeutschlands unterwegs: "Denn schließlich leben in unserem Verantwortungsbereich über 13 Millionen Einwohner, denen wir als einzige Gruppe effektive Hilfe bieten können." Die Hamburger Org verwies in diesem Zusammenhang auf personelle Zuwächse, auf eine Intensivierung ihres Angebots für Scientologen und eine Abstimmung mit dem europäischen SO-Management in Kopenhagen (Neue Zivilisation, Ausgabe 187/2006). Doch Ende 2006 gewann die Expansion der SO in Berlin höchste Priorität. Berlin sollte die erste "Ideale Org" werden, und bundesweit wurden Scientologen für Berlin rekrutiert. In der Hamburger SO kam es zu einer "Umfrage" mit dem Hintergrund, Personal für Berlin zu gewinnen. Darin hieß es: "Berlin als die Hauptstadt Deutschlands ist die lebenswichtige Adresse bezüglich Scientology. Um unsere planetarischen Rettungskampagnen in Anwendung zu bringen müssen wir die obersten Ebenen der deutschen Regierung in Berlin erreichen. (...)...wird Berlin innerhalb Wochen eine ideale Org sein und die richtige Repräsentation der Scientology in Berlin, die dafür verantwortlich ist, die nötigen Zufahrtstraßen in das deutsche Parlament zu bauen, um unsere Lösungen tatsächlich eingearbeitet zu bekommen in die gesamte deutsche Gesellschaft." 244 Scientology-Organisation Dieses Eindringen mit scientologischen Inhalten in Politik und Gesellschaft beschrieb eine hochrangige Hamburger Scientologin bereits im Vorjahr in ihrer Öffentlichkeitsarbeit u.a. mit HUBBARD-Zitaten, ihr "Postenzweck" sei es, "...Leute aus der Öffentlichkeit und öffentliche Einrichtungen zu kontaktieren und zu auditieren, sowie die Regierung einer Zivilisation zu schaffen und zu lenken." Sie habe PR-Besuche bei Gerichten und der Polizei gemacht und PR-Events in Fußgängerzonen. In Hamburg wurden die Scientologen 2006 für solcherart Zielsetzungen durch ein Schreiben ihres Gründers, L. Ron HUBBARD, inspiriert. Darin werden unter dem Titel "Deadline Erde" Scientologen als "Superwesen" bezeichnet und Absichten bekräftigt, "... alles aus dem Weg zu räumen, was wir aus dem Weg räumen müssen, egal, wie groß es ist, um eine Zivilisation zu schaffen, die überleben kann." Auch in dem SO-Magazin Impact (Nr. 113/2006) wurde bekräftigt: Scientologen seien die einzigen Menschen, die "Verfall" und "Verwirrung der zentralen Regierungen" ins Reine bringen könnten. Vom "höchsten Staatsführer bis zum niedrigsten Dienstboten" habe niemand mit Ausnahme von Scientologen ein genaues Verstehen vom Leben. Dieser Kampf gegen alles Nichtscientologische klang mit den Worten des SOFührers David MISCAVIGE (Foto) noch prägnanter. Auf einer Tagung der "International Association of Scientologists" (IAS) bezeichnete er "die andere Seite" als "die Bösen" und sprach von "Schlachten" und "Krieg führen". Die Präsenz und Botschaft der Scientologen müsse durch die Adern der Gesellschaft fließen, so stark, dass sie die unterdrückerischen Einflüsse aufhebe. Mit der "Macht unserer Technologie" müsse man sich gegen "Feinde" und "Gegner" wenden. "Wenn man deren Schlüsselfiguren entfernt ... brechen sie zusammen. (...) Das bringt uns zu einem wichtigen zweiten Schritt: Das Übel an der Wurzel packen. Anders ausgedrückt: Wenn man eine Infektion hat, so verwendet man Antibiotika." Und weiter meint MISCAVIGE, beim Auffinden der Quelle der Bakterien 245 Scientology-Organisation sollten diese vernichtet werden, anstatt nur Symptome zu behandeln (Impact 112/2006). Diese übliche Einstimmung von Scientologen mit Tier-Metaphorik und weiteren herabwürdigenden Vergleichen (Krankheit in der Gesellschaft - schmutzige Kloake - Barbarentum) dient der Einschwörung aller Scientologen im ständigen Kampf gegen alles Nichtscientologische und gleichzeitig der Abschottung gegen Informationen und Aufklärung aus der nichtscientologischen Welt. Im Hinblick auf eine Expansion in Europa und auf die zu diesem Zweck eingerichtete neue Zentrale der SO in Brüssel (Foto) bezeichnete MISCAVIGE die Europäische Union als "zweitmächtigste Regierung der Welt". Die räumliche Nähe zu Sitzen von Kommissionen, der NATO, des Parlaments sowie diversen Botschaften und "Tausenden multinationalen Körperschaften" solle genutzt werden: "Hier werden wir jedem - von Parlamentariern bis zu ausländischen Diplomaten - Scientology und all unsere Programme vorstellen." (Impact 112) Auf einer internen Veranstaltung, einem europäischen Expansionsgipfeltreffen von Scientologen am 08.04.06 in Brüssel, fielen deutlichere Worte. Scientologen aus Deutschland und vielen europäischen Ländern hatten sich versammelt, um sich kämpferisch zu geben und Eroberungspläne zu schmieden. Dabei zeigte sich ein deutlicher machtpolitischer Anspruch der SO. In aggressiver Diktion wurde Europa als "Viertes Reich" bezeichnet, gegen das "Krieg" zu führen sei. 3. Strukturen in Hamburg / Mitgliederzahlen Hamburg blieb auch 2006 ein regionaler Schwerpunkt der Scientology-Organisation in Deutschland. Die Aktivitäten Hamburger Scientologen im gesamten norddeutschen Raum haben 2006 leicht zugenommen, insbesondere weil die in der Innenstadt gelegene Hamburger Org (Foto, S. 247) die Expansionsstufe "Ideale Org" angestrebt hatte. Ende des Jahres war dann allerdings der Expansion bzw. Ein246 Scientology-Organisation flussnahme am deutschen Regierungssitz Vorrang gegeben worden, und in Hamburg sollte Personal für Berlin rekrutiert werden. Daneben existiert in Hamburg-Wandsbek die wesentlich kleinere Eppendorfer Org (nach ihrer ursprünglichen Adresse benannt). Das "Office of Special Affairs" (OSA) hat eine Basis in der Hamburger Org. Es ist u.a. für Public Relations, Rechtsangelegenheiten und zur Abwehr von Aufklärungsaktivitäten gegen die SO zuständig und führt dabei auch geheimdienstähnliche Operationen durch. Das "WISE Charter Komitee" in Wandsbek kontrolliert den scientologischen Wirtschaftsbereich des "World Institute of Scientology Enterprises" (WISE) in Hamburg. WISE schöpft Geld seiner Mitglieder ab, kontrolliert die Firmen im Hinblick auf die Durchführung und Einhaltung scientologischer Technologien und fordert eine Expansion in die Geschäftswelt hinein. Die Hamburger Niederlassung der "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte" (KVPM) hat ihren Sitz ebenfalls in Wandsbek. Sie beteiligt sich regelmäßig an Propagandaaktivitäten gegen die Psychiatrie als weltanschaulichen Gegner und vermeintlichen Konkurrenten der SO. Bundesweit blieben die geschätzten Mitgliederzahlen aller SO-Organisationseinheiten mit 5.000 bis 6.000 konstant. In Hamburg hat sich die Zahl von Scientologen auf etwa 750 leicht erhöht. Nach Informationen aus der Hamburger Org wurde im Zusammenhang mit zunehmenden Werbeaktivitäten in Norddeutschland im Jahr 2006 mehr Personal benötigt als zuvor. Informationen über die Struktur der SO: Arbeitsfeld Scientology / "Strukturen und Organisationseinheiten" 247 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Spionageabwehr VII. Spionageabwehr 1. Überblick Die Spionageabwehr sammelt Informationen über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Mächte und wertet diese aus. Dabei geht es darum, Spionagefälle aufzuklären und die Methoden, Zielrichtungen und Strukturen in Deutschland aktiver Nachrichtendienste zu erkennen. Deutschland ist aufgrund seiner politischen und wirtschaftlichen Position nach wie vor ein bevorzugtes Aufklärungsziel der Nachrichtendienste aus Ländern der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) sowie solcher aus dem nah-, mittelund fernöstlichen LfV HH sowie dem nordafrikanischen Raum. Dabei sind die Nachrichtendienste der GUS insbesondere an den "klassischen" Aufklärungsbereichen Politik, Militär, Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung interessiert, während Nachrichtendienste aus Ländern des Nahen und Mittleren Ostens je nach aktueller politischer Interessenlage die Ausforschung und Unterwanderung ihrer jeweiligen Oppositionsgruppen in Deutschland in den Vordergrund der nachrichtendienstlichen Tätigkeit stellen. Darüber hinaus setzen mehrere Staaten ihre Nachrichtendienste unvermindert zur verdeckten Beschaffung von Gütern und Informationen zu atomaren, biologischen und chemischen Vernichtungswaffen sowie zur Verbesserung ihrer Raketentechnologie (Proliferation) ein. Aufstrebende Wirtschaftsmächte wie Russland und China benutzen ihre Nachrichtendienste zudem gezielt zur Wirtschaftsspionage ( VII.6), um sich kostenintensive und zeitraubende Forschungen und Entwicklungen im Technologiebereich Micosoft, Symbolfoto zu ersparen. 250 Spionageabwehr 2. Methoden der Nachrichtengewinnung Die Kategorien der nachrichtendienstlichen Erkenntnisgewinnung lassen sich unterteilen in die offene, die halboffene und die verdeckte, konspirative Beschaffung. 2.1 Mit der offenen Beschaffung decken z.B. die russischen Nachrichtendienste einen Großteil ihres Informationsbedarfes. 2.1.1 Zum einen bieten die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten, z.B. die systematische Auswertung von Datenbanken, Internet, wissenschaftlichen Forschungsberichten und Fachinformationszentren eine Fülle von offenen Informationen. 2.1.2 Zum anderen bemühen sich die verdeckt eingesetzten Nachrichtendienst-Angehörigen in russischen Vertretungen und Medienagenturen in der Bundesrepublik Deutschland darum, ein Netz von Gesprächspartnern in allen Aufklärungsbereichen aufzubauen. Dazu werden auf allen gesellschaftlichen Ebenen Veranstaltungen wie z.B. politische Diskussionsforen, Messen, Empfänge und wissenschaftliche Vorträge besucht und Gesprächskontakte zu interessant scheinenden Personen geknüpft. Durch geschickte Gesprächsführung erhalten die Geheimdienstangehörigen, die offiziell als Diplomaten oder Journalisten auftreten, schutzbedürftige Informationen. Diese Methodik wird "Abschöpfung" genannt. Trotz dieser offenen Beschaffung sind die Nachrichtendienstler bemüht, sich mit ihren deutschen Kontaktpersonen möglichst in neutralen Räumen, z.B. Restaurants, zu treffen. Sie vermeiden es zunächst, ihre Gesprächspartner durch zu offensives Befragen oder konspiratives Verhalten zu verschrecken. 251 Spionageabwehr Solche offenen Kontakte können über mehrere Jahre fortbestehen, ohne dass sich die deutsche Kontaktperson ausgeforscht fühlt. 2.2 Bei Gesprächspartnern, denen der Nachrichtendienstler eine berufliche Perspektive zutraut, die ihm künftig Zugang zu interessanten Informationen eröffnen könnte, wird versucht, den offenen Kontakt auf eine vertraulichere Basis zu stellen, diesen Kontakt in eine "halboffene" Verbindung umzuwandeln. Der Nachrichtendienst-Mitarbeiter ist darum bemüht, eine freundschaftliche, teilweise kumpelhafte Atmosphäre herzustellen, die mit materiellen, aber auch immateriellen Zuwendungen wie Lob und Aufwertung der Kontaktperson einhergeht. Allein die Behauptung von Nachrichtendienst-Offizieren, die Informationen des deutschen Gesprächspartners trügen zur politischen Stabilität und zum Frieden bei, reichten in der Vergangenheit schon aus, um Idealisten zur Fortsetzung der Informationslieferung zu bewegen. Im weiteren Verlauf bringt der Angehörige des Nachrichtendienstes dann einzelne konspirative Elemente in die Verbindung ein, die den Kontaktpartner jedoch nicht kompromittieren. So werden die weiteren Zusammenkünfte bereits bei vorausgehenden Treffen verabredet, und es wird auch ein Ausweichtermin festgesetzt für den Fall, dass einer der Treffpartner verhindert ist. Damit werden Telefonkontakte der deutschen Kontaktperson zum Mitarbeiter des Nachrichtendienstes vermieden, da dieser davon ausgeht, im Blickfeld der Verfassungsschutzbehörden zu stehen. Er bittet seinen Gesprächspartner sogar darum, ihn möglichst nicht im Büro anzurufen. Dies begründet er z.B. mit einer regen Reisetätigkeit oder damit, dass seine Kollegen im Büro über diesen Kontakt nicht unterrichtet seien. Auch diese Treffen finden überwiegend in Restaurants statt und werden vorzugsweise in die Abendstunden oder auf das Wochenende verlegt. Bei diesen nun vertraulichen Treffen erweitert der Nachrichtendienst-Offizier die allgemeine Gesprächsabschöpfung um konkrete Aufträge an die Kontaktperson und stellt diese anfangs als Bitte um Erledigung von Gefälligkeiten dar. Als Gegenleistung werden Einladungen zum Essen ausgesprochen oder auch Sachgeschenke oder kleinere Geldbeträge als "Aufwandsentschädigung" übergeben. Diese 252 Spionageabwehr vertrauliche Verbindung wird nach dem Ende der Dienstzeit des Nachrichtendienst-Angehörigen in Deutschland häufig an einen Nachfolger übergeben. 2.3 Bei der verdeckten konspirativen Beschaffung handelt es sich um die klassische Führung eines Agenten. Sind die Stufen der offenen und halboffenen Gespräche durchlaufen, kann sich die Verbindung dahin entwickeln, dass der Nachrichtendienst dem deutschen Gesprächspartner zutraut, Zugang zu sensiblen und geschützten Informationen zu haben und ihm die Bereitschaft unterstellt, diese Informationen an ihn zu liefern. Durch schrittweise intensivere Fragen und Beschaffungswünsche bei gleichzeitiger Steigerung der materiellen und psychologischen Zuwendung führt der Nachrichtendienst seine Zielperson an eine Zusammenarbeit heran. Die Art der Aufträge und die Einweisung in konspirative Verhaltensweisen sollten jedem beteiligten Bürger klarmachen, dass er in eine strafbare nachrichtendienstliche Verstrickung geraten ist und er sofort beim Verfassungsschutz Rat und Hilfe suchen sollte. 3. Die Nachrichtenund Sicherheitsdienste der Russischen Föderation Die in den vergangenen Jahren auf wirtschaftlicher und politischer Ebene erfolgte Annäherung Russlands und einzelner Länder der Russischen Föderation an Westeuropa führte nicht zu einer Verringerung der Aktivitäten der russischen Nachrichtendienste in Deutschland. Hier ist die Russische Föderation durch * die Botschaft (RB) mit dem Handelsund Wirtschaftsbüro (HWB) und dem Haus der Wissenschaft und Kultur (HWK) in Berlin, * die Generalkonsulate (RGK) in Bonn, Hamburg, Leipzig und München sowie 19 Agenturen russischer Medien vertreten. Im Jahr 2007 soll ein weiteres Generalkonsulat in Frankfurt/Main eröffnet werden. 253 Spionageabwehr Russland verfügt nach wie vor über einen der weltweit größten Sicherheitsapparate. Seine bedeutendsten Nachrichtendienste sind: * der zivile Inlandsdienst FSB, * der zivile Auslandsnachrichtendienst SWR, * der militärische Nachrichtendienst GRU und * der Schutzdienst FSO. Der FSB und der Auslandsdienst SWR sind direkt dem russischen Präsidenten unterstellt. Mit ca. 350.000 Mitarbeitern (inkl. Grenztruppen) hat der FSB als Inlandsnachrichtendienst die Aufgabenbereiche zivile und militärische Spionageabwehr, Beobachtung des politischen Extremismus und die Bekämpfung von Terrorismus und Hauptsitz des FSB in Moskau organisierter Kriminalität. Gelegentlich wirbt er aber auch ausländische Reisende an und unterstützt so die anderen Dienste bei der Auslandsaufklärung. Der hierfür zuständige SWR verfügt über mehr als 13.000 Mitarbeiter. Er wirbt im Ausland - auch in Deutschland - Agenten an, um an besonders sensible Informationen zu gelangen. Der GRU untersteht mit seinen ca. 12.000 Mitarbeitern dem Verteidigungsministerium. Sein Auftrag in Deutschland ist vorrangig die Informationsbeschaffung aus den Bereichen Rüstung, Bundeswehr und westlichem Verteidigungsbündnis. Micosoft, Symbolfoto Für die Sicherheit von Regierung und Präsident ist der Schutzdienst FSO zuständig. Er versieht Personenund Objektschutz, nach Weisung des Präsidenten sind auch nachrichtendienstliche Aktivitäten zur Abwehr oder Aufklärung möglich. Der Dienst hat etwa 40.000 Mitarbeiter. Die Nachrichtendienste der Russischen Föderation - hier insbesondere SWR und GRU - betreiben ihre Spionagetätigkeit im Wesentlichen 254 Spionageabwehr aus den sog. Legalresidenturen. Hierbei handelt es sich um getarnte Stützpunkte der Nachrichtendienste in den offiziellen Vertretungen (z.B. Botschaften, Konsulate und Handelsvertretungen) ihres Landes im Gastgeberland. Die Legalresidenturen bieten durch ihre vielfältigen Kontaktmöglichkeiten zu Politik, Militär, Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung gute Voraussetzungen zur nachrichtendienstlichen Informationsgewinnung. Die Führungsoffiziere - Angehörige von SWR und GRU - nehmen zum Beispiel auf Messen und Kongressen Kontakt zu Vertretern deutscher Unternehmen und Wissenschaftlern auf und beschaffen zunächst offen zugängliches Informationsmaterial. Das weitere Vorgehen erfolgt dann häufig wie oben beschrieben ( VII.2). Ob in dem Fall des in London am 23.11.06 an einer Polonium 210-Vergiftung verstorbenen russischen Ex-Agenten Alexander LITWINENKO einer der russischen Nachrichtendienste beteiligt war, konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Auch in den anderen Staaten der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) sind die Nachrichtendienste ein fester Bestandteil des politischen Systems und arbeiten eng mit den russischen Nachrichtendiensten zusammen. Dies reicht vom Austausch von Erkenntnissen bis zur Übergabe geworbener Quellen. 4. Die Nachrichtendienste von Staaten des Nahen, Mittleren und Fernen Ostens In der Bundesrepublik Deutschland sind wegen ihrer politischen und wirtschaftlichen Bedeutung und nicht zuletzt wegen der hohen Zahl von Ausländern diverse Nachrichtendienste der Staaten des Nahen, Mittleren und Fernen Ostens aktiv. Dabei beschränken sich die Aktivitäten dieser Dienste nicht nur auf die klassische Spionage. Ihr Blick ist auch auf die eigenen Staatsangehörigen gerichtet, die in Opposition zu dem politischen Regime ihres Heimatlandes stehen und auf die Beschaffung sensibler proliferationsrelevanter Güter ( VII.5). Wesentliche Zielobjekte des iranischen Nachrichtendienstes VEVAK z.B. sind die Aktivitäten, Strukturen und Führungspersonen der Oppositionsgruppierungen "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (Modjahe255 Spionageabwehr din-E-Khalq, MEK; III.6.), der verschiedenen Monarchisten-Vereinigungen sowie weiterer Organisationen der iranischen Exilopposition in Deutschland. Dabei bemüht sich der VEVAK, entweder Agenten in die Oppositionsvereine einzuschleusen und sie dann durch gezielte Denunziationen untereinander zu schwächen oder aufzulösen oder er versucht, Aktivisten der Oppositionsgruppen für seine Zwecke zu werben. Die Kontaktaufnahme erfolgt häufig telefonisch direkt aus Iran, teilweise unter Einschaltung dort lebender Verwandter. Den Oppositionellen wird z.B. Reisefreiheit oder Straffreiheit in Iran in Aussicht gestellt, Geld gezahlt oder auch Druck ausgeübt. Unabhängig von diesem Tätigkeitsfeld ist der iranische Nachrichtendienst in die Bemühungen zur Beschaffung proliferationsrelevanter Güter ( VII.5) eingebunden. Ausforschung und Unterwanderung systemkritischer Landsleute im Ausland sind auch Schwerpunkte der syrischen, libyschen und chinesischen Nachrichtendienste. Ihre geheimdienstlichen Aktivitäten werden dabei meist aus den diplomatischen Vertretungen gesteuert. 5. Proliferation und Wissenstransfer durch Nachrichtendienste der Krisenländer Die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen bzw. der zu ihrer Herstellung verwendeten Produkte einschl. des dafür erforderlichen Know-hows sowie von entsprechenden Waffenträgersystemen (Proliferation) bedroht den Weltfrieden. Dabei ist auch die Bundesrepublik Deutschland als eine der führenden Industrienationen weiterhin ein Zielgebiet für die Beschaffungsbemühungen der Krisenländer. Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden DPA Iranische Shahab-3-Mittelstreckenist es, die nachrichtendienstlich gesteurakete bei einer Miltärparade erte Beschaffung von Gütern, Technologien und Know-how zur Entwicklung und Herstellung von Massenvernichtungswaffen aufzuklären. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz (AWG), die Außen256 Spionageabwehr wirtschaftsverordnung (AWV) und das Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG). Das Interesse der proliferationsrelevanten Länder Iran, Nord-Korea, Syrien und Pakistan an der Entwicklung und Herstellung von Massenvernichtungswaffen und Raketensystemen hält unvermindert an. Aus Sicht der internationalen Staatengemeinschaft geben besonders die Aktivitäten Irans und Nord-Koreas größten Anlass zur Sorge. Dabei stehen zwei Fragen im Mittelpunkt: LfV HH * Betreibt Iran unter dem Deckmantel der zivilen Nutzung der Kernenergie tatsächlich den Bau der Atombombe, um damit auch seine Mittelstreckenraketen ausstatten zu können? * Ist Nord-Korea tatsächlich im Besitz einsatzfähiger Atomsprengköpfe? Die entsprechenden Verlautbarungen aus Teheran und Pjöngjang belegen in jedem Fall die dringende Notwendigkeit, die Proliferation zu verhindern. Einerseits besitzen die proliferationsrelevanten Länder bereits die Fähigkeiten und Kapazitäten, das für die Massenvernichtungs-Programme notwendige Know-how und Produktspektrum (Maschinen, Werkstoffe, Ersatzteile etc.) in Eigenregie zu entwickeln oder herzustellen. Andererseits bestehen in einigen Bereichen der Forschung, Entwicklung und Herstellung dieser Waffen und Trägersysteme Defizite, die durch entsprechende Beschaffungsaktivitäten auf dem Weltmarkt ausgeglichen werden. Dabei handelt es sich meist um "dual use"-Produkte (Güter mit doppelter Verwendungsmöglichkeit), die sowohl für zivile als auch militärische Zwecke verwendet werden können. Deutsche Firmen, die unsicher sind, ob ihr Produkt Proliferationsrelevanz hat, erfahren über das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), ob die Ausfuhr ihres Produktes in ein Krisenland genehmigungspflichtig ist. Um die strengen gesetzlichen Ausfuhrbestimmungen zu umgehen, bedienen sich die Krisenländer bei der Beschaffung von Material für die Herstellung von Massenvernichtungswaffen verschiedener Methoden: 257 Spionageabwehr * Sie beschaffen Massenvernichtungswaffen mit Hilfe von Geheimdiensten, deren Mitarbeiter als Besteller oder Käufer auftreten. * Sie kaufen über teilweise geheimdienstlich gesteuerte Staatsfirmen. Das Vorschieben einer Handelsfirma zur Täuschung des Verkäufers ist eine klassische nachrichtendienstliche Methode. * Sie nutzen konspirativ arbeitende Beschaffungsnetze. * Sie verschleiern den Endabnehmer im Empfängerland durch den Gebrauch harmlos klingender Firmennamen. * Sie nutzen neutrale oder irreführende Projektbezeichnungen. * Sie schieben Universitäten als vermeintlichen Endabnehmer vor. * Sie gründen kleine Firmen im eigenen Land oder im Ausland für die Abwicklung eines einzigen Geschäfts und lösen sie danach wieder auf. * Sie missbrauchen im Export unerfahrene Lieferanten. * Sie teilen die erforderlichen Beschaffungen in viele, für sich allein gesehen unverdächtige Einzelpakete auf, sodass die Proliferationsrelevanz des gesamten Geschäfts nur schwer erkennbar wird. Ein deutsches Unternehmen bzw. ein deutscher Lieferant hat es bisweilen schwer mit der Einschätzung, ob die tatsächliche Verwendung seiner Waren mit Schwierigkeiten für sein Unternehmen verbunden sein könnte. Nach den Erfahrungen der Verfassungsschutzbehörden können folgende Anhaltspunkte auf ein proliferationsrelevantes Geschäft hindeuten: * Der Endverbleib der Güter ist unklar oder kann nicht plausibel erklärt werden. * Der Kunde handelt üblicherweise mit militärischen Gütern. * Der auftretende Käufer verfügt nicht über das erforderliche Fachwissen. * Die tatsächliche Identität des Neukunden ist nicht bekannt. * Es werden ohne erkennbaren Grund Zwischenhändler eingeschaltet oder Umwege über unbeteiligte Länder beim Liefervorgang vorgeschlagen. * Der Kunde wünscht eine außergewöhnliche Etikettierung oder Kennzeichnung, um die Güter zu neutralisieren. * Angebotene Zahlungsbedingungen sind besonders günstig, wie z.B. Barzahlung, hohe Vorauszahlungen oder ungewöhnliche Provisionen. 258 Spionageabwehr * Der Käufer verzichtet auf das Einweisen in die Handhabung, auf Serviceleistungen oder Garantie. * Firmenangehörige werden zu Ausbildungszwecken zur Herstellerfirma nach Deutschland geschickt, obwohl eine Einweisung vor Ort praktischer und sinnvoller wäre. * Einzelne Mitglieder von Besucherdelegationen werden namentlich nicht vorgestellt. * Zu weiteren Geschäftskontakten in Deutschland wird geschwiegen. Die Verfassungsschutzbehörden arbeiten bei der Proliferationsabwehr mit nationalen Behörden wie dem Zollkriminalamt (ZKA), dem Bundeskriminalamt (BKA) und dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) und auch mit internationalen Sicherheitsbehörden eng zusammen. Dabei steht nicht die Verfolgung, sondern die Verhinderung von Proliferation im Vordergrund, sodass deutschen Firmen rechtzeitig Beratungsund Sensibilisierungsgespräche angeboten werden, um sie vor einer Verwicklung in Proliferationsvorgänge zu bewahren. 6. Wirtschaftsspionage Aufgabe des Verfassungsschutzes ist auch die Abwehr von Wirtschaftsspionage. Auf diesem Feld dürfen die Verfassungsschutzbehörden nur tätig werden, wenn fremde staatliche Nachrichtendienste gegen die Bundesrepublik Deutschland vorgehen. Das illegale Beschaffen von Waren und Know-how durch konkurrierende Unternehmen (Konkurrenzspionage) fällt nicht in die Zuständigkeit des Verfassungsschutzes. Vor dem Hintergrund des globalisierten ökonomischen Wettbewerbes ist die Wirtschaftsspionage aktuell von hoher Bedeutung. Besonders die Nachrichtendienste der aufstrebenden Wirtschaftsmächte Russland und China sind durch ihre Regierungen aufgefordert, durch nachrichtendienstliche Beschaffung die Wirtschaft ihrer Länder an die wirtschaftliche LeistungsfäMicosoft, Symbolfoto 259 Spionageabwehr higkeit der westlichen Staaten heranzuführen. So erklärte der russische Präsident PUTIN in seiner Rede zur Lage der Nation vor dem russischen Parlament am 10.05.06: "Ich denke, dass der Staat bei der Beschaffung moderner Technologien aus dem Ausland unterstützend tätig sein muss" (Homepage des russischen Präsidenten www.kremlin.ru am 12.05.06). Insbesondere bei einem wirtschaftlichen Engagement in diesen Ländern sollte den deutschen Unternehmen gegenwärtig sein, dass die Nachrichtendienste dort über nahezu unbegrenzte Möglichkeiten zur Kontrolle der modernen Kommunikationsmittel verfügen. Symbolfoto So erging russischen Medienberichten zufolge Ende August 2005 eine Weisung der Regierung an die Telefongesellschaften des Landes, dem FSB und dem Innenministerium uneingeschränkt Zugriffsrecht auf ihre Datenbanken mit Informationen über Ferngespräche, Rechnungen, Dienstleistungen und Kundendaten zu gewähren. Damit erhielt der FSB ergänzend zu den vorhandenen Monitoring-Systemen SORM 1 und 2 die Gelegenheit, jederzeit Telefongespräche und Internetaktivitäten überwachen zu können. Mit diesen technischen Möglichkeiten kann der FSB auch rückwirkend auf sämtliche Personenund Anschlussdaten sowie relevante Gesprächsinhalte zugreifen und sie für nachrichtendienstliche Zwecke nutzen. Deutsche Firmen und Privatpersonen müssen daher damit rechnen, in Russland bei der Nutzung von Telefon und Internet vom FSB gezielt überwacht zu werden. Aber auch am Standort Deutschland besteht für deutsche Unternehmen die Gefahr, z.B. über das Internet technisch angegriffen zu werden und wichtige Unternehmensdaten zu verlieren. Zusätzlich zu technischen Angriffen wird ein fremder Nachrichtendienst stets bemüht sein, Zielpersonen in den auszuspähenden Firmen anzuwerben oder eigene Personen in Form von Praktikanten, Studenten, Austauschmitarbeitern und Wissenschaftlern einzuschleusen, um interne Schutzmaßnahmen auszukundschaften und zu überwinden. 260 Spionageabwehr Beispiele für Proliferationsverstöße Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hat am 23.01.06 Anklage gegen zwei deutsche Staatsangehörige wegen des Verdachts geheimdienstlicher Agententätigkeit (SS 99 StGB) und Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz (SS 34 Absatz 2 AWG) erhoben. Die Angeschuldigten sind Geschäftsführer und Projektgruppenleiter einer in Thüringen ansässigen Handelsfirma. Den Angeschuldigten wurde zur Last gelegt, einem fremden Staat eine Vibrationstestanlage zum Preis von 200.000 Euro verkauft zu haben. Die Anlage wurde an eine in einem Drittland ansässige Handelsfirma als vorgebliche Endabnehmerin ausgeliefert und von dort vereinbarungsgemäß an die Auftraggeberin weitergeleitet. Dadurch wurde vermieden, dass deutsche Exportund Kontrollbehörden auf die Ausfuhr der Anlage aufmerksam wurden. Am 06.11.06 wurde ein iranisch-stämmiger Deutscher aus dem Raum Düsseldorf in seinem Wohnort festgenommen. Im Zusammenhang mit der Festnahme wurden die Geschäftsräume eines beteiligten Speditionsunternehmens durchsucht. Dem Händler wird vorgeworfen, im geheimdienstlichen Auftrag seit Dezember 2005 über eine im europäischen Ausland ansässige Tarnfirma eine Vielzahl von Gütern, technischen Prüfgeräten und Ersatzteilen beschafft und an einen außereuropäischen Empfängerstaat geliefert zu haben. Diese Güter sollten dort in Rüstungsprojekten Verwendung finden. Die Güter konnten in zahlreichen Fällen unter dem Vorwand, sie in ein europäisches Nachbarland ausführen zu wollen, von einer bayerischen Spedition direkt bei den Herstellerfirmen abgeholt werden. Die Spedition sorgte für den Weitertransport in den Zielstaat. Weder die Hersteller noch das Bundesamt für Wirtschaftund Ausfuhrkontrolle (BAFA) waren über die Ausfuhr der Waren informiert. Es besteht der Verdacht, dass die Waren für das iranische B- und C-Waffenprogramm verwendet werden sollten. 261 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Geheimund Sabotageschutz VIII. Geheimund Sabotageschutz 1. Allgemeines Die Bundesrepublik Deutschland hat sich als Mitglied der NATO und anderer überund zwischenstaatlicher Organisationen über ihre nationalen Interessen hinaus verpflichtet, bestimmte Sicherheitsvorkehrungen beim Austausch geheimhaltungsbedürftiger Informationen mit den Partnerstaaten einzuhalten. Micosoft, Symbolfoto Solche Informationen, deren Kenntnisnahme durch Unbefugte den Bestand oder lebenswichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder beeinträchtigen könnten, müssen wirkungsvoll geschützt und im Interesse des Staates geheim gehalten werden. Der Geheimschutz unterliegt zwar bundeseinheitlich gleichen Regeln, sie werden aufgrund der föderalistischen Struktur der Bundesrepublik jedoch von den Ländern in eigener Verantwortlichkeit bestimmt. Durch personelle, technische und organisatorische Vorkehrungen strebt das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) in seinem Zuständigkeitsbereich an, einen Schutz vor der Ausforschung staatlicher geheimhaltungsbedürftiger Informationen durch Unbefugte zu erreichen. Amtlich geheim zu haltende Angelegenheiten, sogenannte Verschlusssachen, gibt es nicht nur in staatlichen, sondern auch in privatgesellschaftlichen Bereichen, z.B. bei Wirtschaftsunternehmen, die im staatlichen Auftrag Güter produzieren. Verschlusssachen sind im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse - unabhängig von ihrer Darstellungsform (z.B. Schriftstücke, Zeichnungen, Karten, Fotokopien, Lichtbildmaterial, elektronische Dateien und Datenträger, elektrische Signale, Geräte, technische Einrichtungen oder das gesprochene Wort). Sie werden nach ihrer Schutzbedürftigkeit von einer 264 Geheimund Sabotageschutz amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung entweder als STRENG GEHEIM, GEHEIM, VS-VERTRAULICH oder VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH klassifiziert. Entscheidend für die Einstufung ist das mögliche Risiko im Fall der Kenntnisnahme durch Unbefugte. 2. Geheimund Sabotageschutz in Hamburger Behörden 2.1 Geheimschutz in Hamburger Behörden Im Hamburger Verfassungsschutzgesetz ( Anhang), im Hamburgischen Sicherheitsüberprüfungsgesetz und in der Verordnung zur Bestimmung sicherheitsempfindlicher Bereiche sowie der Verschlusssachenanweisung für die Behörden der Freien und Hansestadt Hamburg sind die dem LfV übertragenen Mitwirkungsaufgaben geregelt. Ziel des staatlichen Geheimschutzes ist es, die geheimhaltungsbedürftigen Informationen des Staates bestmöglich vor einer Preisgabe an Unbefugte zu sichern. Für Verschlusssachen ist deshalb ein optimaler Schutz zu gewährleisten. 2.1.1 Personeller Geheimschutz Der Umgang mit Verschlusssachen ist nicht nur organisatorisch, sondern auch personenbezogen zu regeln. In konsequenter Fortführung der materiellen Vorkehrungen dürfen nur solche Personen mit Verschlusssachen befasst werden, die dazu nach Maßgabe des personellen Geheimschutzes befugt sind. Das Hamburgische Sicherheitsüberprüfungsgesetz (HmbSÜG) ist die Grundlage des personellen Geheimschutzes. Sicherheitsüberprüfungen dienen der individuellen Feststellung, ob einer bestimmten Person eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit übertragen werden kann. Sollten sicherheitserhebliche Erkenntnisse vorliegen, die die Zuweisung einer solchen Tätigkeit aus Gründen des staatlichen Geheimschutzes verbieten - sogenannte Sicherheitsrisiken -, darf eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit nicht übertragen werden. 265 Geheimund Sabotageschutz Die Art der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit bestimmt das jeweilige Überprüfungsverfahren. Der Umfang der Überprüfungen reicht von der einfachen Karteibzw. Datensatzsichtung bis hin zur Befragung von Referenzpersonen. Das HmbSÜG enthält gegenüber den Sicherheitsüberprüfungsgesetzen des Bundes und anderer Länder einen erweiterten Aufgabenkatalog. Unabhängig vom tatsächlichen Umgang mit Verschlusssachen können auch Personen überprüft werden, die in einer Dienststelle tätig sind, die aufgrund ihrer Aufgabenstellung oder ihres herausgehobenen Gewichts zum Sicherheitsbereich erklärt wurde, ferner Personen, die in zentralen sicherheitsempfindlichen öffentlichen Bereichen in Funktionen der Informationsund Kommunikationstechnik tätig sind. Lf V Microsoft HH Mit der sogenannten verkürzten Sicherheitsüberprüfung bietet das HmbSÜG gegenüber anderen Sicherheitsüberprüfungsgesetzen eine Besonderheit. Sie ermöglicht Behörden, den kurzzeitigen Zugang zu einem Sicherheitsbereich zu gewähren, ohne eine komplette - für diese kurzzeitige Tätigkeit unangemessene - Sicherheitsüberprüfung durchführen zu müssen (z.B. bei unaufschiebbaren Maßnahmen von Handwerkern). Im Jahr 2006 hat das LfV Hamburg 1.336 Sicherheitsüberprüfungen bearbeitet. 2.1.2 Personeller Sabotageschutz Im Rahmen des vorbeugenden personellen Sabotageschutzes werden darüber hinaus Zuverlässigkeitsüberprüfungen durchgeführt. Der vorbeugende personelle Sabotageschutz sieht für Personen, die in sicherheitsempfindlichen Bereichen des Hamburger Flughafens beschäftigt werden sollen, Überprüfungen nach SS 7 Luftsicherheitsgesetz vor. 266 Geheimund Sabotageschutz Die Kontrollen im Luftverkehr wesentlich zu verschärfen war eines der Ziele des Terrorismusbekämpfungsgesetzes. In dem im Januar 2005 verabschiedeten "Gesetz zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben" (Luftsicherheitsgesetz - LuftSiG) wurden die Zuverlässigkeitsüberprüfungen für Personen definiert, die an Flughäfen beschäftigt sind. Im Jahr 2006 wurden 12.699 Personen aus dem Bereich des Hamburger Flughafens unter Mitwirkung des LfV auf ihre Zuverlässigkeit überprüft. Einer Überprüfung werden ebenfalls Personen unterzogen, die an besonders sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensund verteidigungswichtigen Einrichtungen tätig sind, insbesondere im Bereich der Energieversorgung. Die "International Maritime Organization" (IMO) - ein Beschlussgremium der UNO - hatte, vor dem Hintergrund der Auswirkungen von möglichen terroristischen Anschlägen auf Schiffe und Häfen, zur Absicherung des internationalen Seeschifffahrtsverkehrs ein Regelwerk, den ISPS-Code, geschaffen. Diesen Regelungen ist die Bundesrepublik Deutschland beigetreten, sie hat den Code zum 01.07.2004 in nationales Recht umgesetzt. Seine Normen schreiben weltweit Sicherheitsmaßnahmen auch für Hafenanlagen vor, darunter auch Personenüberprüfungen. In dem am 06.10.05 in Kraft getretenen "Gesetz zur Verbesserung der Sicherheit im Hamburger Hafen" (Hafensicherheitsgesetz - HafenSG) wurden die Modalitäten der Sicherheitsmaßnahmen - auch die für Zuverlässigkeitsüberprüfungen - festgelegt. 2006 wurden 131 Überprüfungen vorgenommen. Der Hamburger Verfassungsschutz wird gem. SS 12 b Atomgesetz außerdem an Überprüfungen von Personen beteiligt, die Kernbrennstoffe befördern oder in kerntechnischen Anlagen beschäftigt sind. Eine besondere Aufgabe auch für den vorbeugenden Sabotageschutz im Jahr 2005 war das "Akkreditierungsverfahren" zur FIFA WM. Auch an den in diesem Zusammenhang erforderlichen Zuverlässigkeitsüber267 Geheimund Sabotageschutz prüfungen von Personen, die Zutritt zum nicht öffentlichen Bereich der Stadien erhalten mussten, war das LfV Hamburg beteiligt. Im Bereich des personellen Geheimund Sabotageschutzes wurden Anfragen zu 51 Personen beantwortet. In keinem Fall kam es zu Ablehnungen. Micosoft, Symbolfoto 2.1.3 Materieller Geheimschutz Verschlusssachen sind im staatlichen Interesse vor dem Zugriff Unbefugter zu schützen. Sie sind daher entsprechend ihrem Schutzbedarf zu behandeln und zu verwahren. Die Verwahrung erfolgt in alarmgesicherten Räumen oder geeigneten Behältnissen, z.B. Panzerschränken. Ebenso muss der Versand oder Transport von Verschlusssachen besonderen Voraussetzungen genügen, um Verluste oder Preisgaben an nicht Berechtigte möglichst auszuschließen. Da die Funktionen der öffentlichen Verwaltung durchgängig von der modernen, sich kontinuierlich verändernden Informationsund Kommunikationstechnik unterstützt werden, ist das Bild des materiellen Geheimschutzes ständig im Wandel. Tresore und Alarmanlagen sind zwar auch weiterhin noch erforderlich, doch muss vermehrt den neuen Medien Rechnung getragen werden. Mit den steigenden Anforderungen an die Informationstechnik ist auch deren Komplexität stetig angewachsen. Eine datengestützte Herstellung und Verarbeitung von Verschlusssachen unterliegt weiteren Risiken ungewollter Preisgabemöglichkeiten, denen entgegengewirkt werden muss. Die üblichen informationstechnischen Sicherungsfunktionen wie etwa Zugangsoder Zugriffskontrollen reichen dabei oftmals nicht aus, es müssen wirksamere Schutzmaßnahmen getroffen werden. Dabei arbeitet der Verfassungsschutz eng mit dem Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik zusammen. Für die Umsetzung aller Schutzmaßnahmen ist die Einsicht der Betroffenen in die Notwendigkeit des materiellen Geheimschutzes eine wichtige Voraussetzung. Daher hat die Beratung und Schulung betroffener Behördenmitarbeiter einen hohen Stellenwert. Das Landesamt für Ver268 Geheimund Sabotageschutz fassungsschutz berät deshalb Bedienstete der Freien und Hansestadt Hamburg bei der Planung und Durchführung technischer und organisatorischer Sicherungsmaßnahmen; es informiert über Verschlusseinrichtungen und Alarmsysteme. 3. Wirtschaftsschutz und Geheimschutz in der Wirtschaft Ziel der Betreuung von Wirtschaftsunternehmen ist es, die Verantwortungsträger durch Sensibilisierung und gezielte Beratung zu unterstützen, um der Wirtschaftsspionage, der Proliferation, dem Knowhow-Abfluss und der erhöhten Bedrohung durch den politischen Extremismus - insbes. den Islamismus oder den internationalen Terrorismus - entgegentreten zu können. Firmen, die geheimhaltungsbedürftige Aufträge von staatlichen Stellen erhalten (z.B. Rüstungsaufträge, Errichtung verteidigungswichtiger Anlagen), werden von Bund und Ländern in Fragen des Geheimschutzes begleitet. Die Geheimschutzbetreuung der Hamburger Wirtschaftsunternehmen, die Aufträge für den Bund ausführen, erfolgt durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Als örtlich zuständige Verfassungsschutzbehörde ist das LfV in diesem Zusammenhang Ansprechpartner für Vorkommnisse mit geheimdienstlichem, sicherheitsgefährdendem oder extremistischem Hintergrund (z.B. Spionage oder Sabotage). Der Hamburger Verfassungsschutz berät die Firmen und regt darüber hinaus individuelle Schutzkonzepte an und begleitet diese insbesondere im Bereich des Objektschutzes und der IT-Sicherheit. Bei den regelmäßig stattfindenden Wirtschaftsschutz-Tagungen des LfV werden für die Unternehmen besonders relevante Themen mit Vertretern des Landesamtes erörtert. Der Verfassungsschutz nimmt darüber hinaus an Veranstaltungen der Sicherheitsverbände und -kammern aktiv teil. Das Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg betreut etwa 170 Wirtschaftsunternehmen. 269 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Islamisten Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ohne Islamisten Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Anhang / Verfassungsschutzgesetz Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz (HmbVerfSchG) Vom 7. März 1995 Zuletzt geändert durch Gesetz vom 6.10.2005 1. Abschnitt Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz SS 1 Zweck des Verfassungsschutzes SS 2 Zuständigkeit SS 3 Zusammenarbeit SS 4 Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz SS 5 Begriffsbestimmungen SS 6 Voraussetzung und Rahmen für die Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz 2. Abschnitt Erheben und weitere Verarbeitung von Informationen SS7 Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz SS8 Erheben von Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln SS9 Weitere Verarbeitung personenbezogener Daten SS 10 Verarbeitung von Daten Minderjähriger SS 11 Berichtigung, Sperrung und Löschung 3. Abschnitt Datenübermittlung SS 12 Übermittlung nicht personenbezogener Daten SS 13 Übermittlung personenbezogener Daten an inländische Nachrichtendienste SS 14 Übermittlung personenbezogener Daten an inländische öffentliche Stellen und Strafverfolgungsbehörden SS 15 Übermittlung personenbezogener Daten an Stationierungsstreitkräfte 272 Anhang / Verfassungsschutzgesetz SS 16 Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische öffentliche Stellen SS 17 Übermittlung personenbezogener Daten an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs SS 18 Übermittlung personenbezogener Daten an die Öffentlichkeit SS 19 Übermittlung personenbezogener Daten an das Landesamt für Verfassungsschutz SS 20 Registereinsicht durch das Landesamt für Verfassungsschutz SS 21 Übermittlungsverbote und -einschränkungen SS 22 Übermittlung personenbezogener Daten Minderjähriger 4. Abschnitt Auskunftserteilung SS 23 Auskunftserteilung 5. Abschnitt Parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes SS 24 Parlamentarischer Kontrollausschuss SS 25 Zusammensetzung und Pflichten des Ausschusses SS 26 Aufgaben des Ausschusses SS 27 Eingaben 273 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 1. Abschnitt Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz SS1 Zweck des Verfassungsschutzes (1) Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder. (2) Zu diesem Zweck tritt dieses Gesetz neben das Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz - BVerfSchG) vom 20. Dezember 1990 (Bundesgesetzblatt I Seiten 2954, 2970), zuletzt geändert am 16. August 2002 (BGBl. I S. 3217). SS2 Zuständigkeit (1) 1 Der Verfassungsschutz wird innerhalb der zuständigen Behörde vom Landesamt für Verfassungsschutz wahrgenommen. 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz ist ausschließlich hierfür zuständig. 3 Bei der Erfüllung seiner Aufgaben ist es an Gesetz und Recht gebunden (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf einer polizeilichen Dienststelle nicht angegliedert werden. 2 Ihm stehen polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse gegenüber polizeilichen Dienststellen nicht zu; es darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht befugt ist. SS3 Zusammenarbeit (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz ist verpflichtet, mit Bund und Ländern in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. 2 Die Zusammenarbeit besteht auch in gegenseitiger Unterstützung und Hilfeleistung sowie in der Unterhaltung gemeinsamer Einrichtungen. 274 Anhang / Verfassungsschutzgesetz (2) 1 Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz nach Maßgabe dieses Gesetzes und soweit eigenes Landesrecht dies zulässt, der Bund gemäß SS 5 Absatz 2 BVerfSchG nur im Benehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz tätig werden. 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf in den anderen Ländern tätig werden, soweit es die Rechtsvorschriften dieses Gesetzes und der anderen Länder zulassen. SS4 Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) 1 Aufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der verfassungsmäßigen Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht in der Bundesrepublik Deutschland, 3. Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, 4. Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Absatz 2 des Grundgesetzes), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Absatz 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind (SS 3 Absatz 1 BVerfSchG). 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat insbesondere den Senat über Gefahren für die Schutzgüter des SS 1 zu informieren und die dafür zuständigen staatlichen Stellen in die Lage zu versetzen, Maßnahmen zu ihrer Abwehr zu ergreifen. 3 Darüber hinaus unterrichtet das Lan275 Anhang / Verfassungsschutzgesetz desamt für Verfassungsschutz mindestens einmal jährlich die Öffentlichkeit über Gefahren für die Schutzgüter des SS 1. (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz wirkt gemäß SS 3 Absatz 2 Satz 1 BVerfSchG mit 1. bei der Überprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich dienstlich verschaffen können, 2. bei der Überprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensund verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen und Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. 2 Die Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz bei der Mitwirkung nach Satz 1 Nummern 1 und 2 sind im Hamburgischen Sicherheitsüberprüfungsgesetz (HmbSÜG) vom 25. Mai 1999, zuletzt geändert am 4. Dezember 2002 (HmbGVBl. S. 327, 330), geregelt. 3 Die Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz bei der Mitwirkung an Zuverlässigkeitsüberprüfungen zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Hamburger Hafens sind im Hafensicherheitsgesetz vom 6. Oktober 2005 (HmbGVBl. S. 424) geregelt. SS5 Begriffsbestimmungen (1) 1 Im Sinne dieses Gesetzes sind: 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes solche politisch motivierten zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihnen gehörendes Gebiet abzutrennen, 276 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes solche politisch motivierten zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen, 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch motivierten zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. 2 Für einen Personenzusammenschluss handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt (SS 4 Absatz 1 Sätze 1 und 2 BVerfSchG). 3 Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes sind auch Verhaltensweisen gemäß Satz 1 von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln, wenn sie gegen Schutzgüter dieses Gesetzes mit Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder diese sonst angreifen und bekämpfen. (2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne diese Gesetzes zählen gemäß SS 4 Absatz 2 BVerfSchG 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, 4. die Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung und ihre Ablösbarkeit, 277 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 6. der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und 7. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. SS6 Voraussetzung und Rahmen für die Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf nur Maßnahmen ergreifen, wenn und soweit sie zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind; dies gilt insbesondere für die Erhebung und weitere Verarbeitung personenbezogener Daten. 2 Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat es diejenige zu treffen, die den Einzelnen insbesondere in seinen Grundrechten und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. 3 Eine geringere Beeinträchtigung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Information aus allgemein zugänglichen Quellen oder durch eine behördliche Auskunft gewonnen werden kann. 4 Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. 5 Sie ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann. 2. Abschnitt Erheben und weitere Verarbeitung von Informationen SS7 Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben Informationen erheben und weiter verarbeiten. 2 Ist zum Zwecke der Datenerhebung die Übermittlung von personenbezogenen Daten unerlässlich, ist sie auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken. 3 Schutzwürdige Interessen des Betroffenen dürfen nur in unvermeidbarem Umfang beeinträchtigt werden. (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf bei den hamburgischen Behörden und den der Aufsicht der Freien und Hansestadt Ham278 Anhang / Verfassungsschutzgesetz burg unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur die Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben, die diesen Stellen im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung bereits vorliegen und die zur Erfüllung der Aufgaben des Verfassungsschutzes erforderlich sind. 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz braucht die Ersuchen nicht zu begründen, soweit dies dem Schutz des Betroffenen dient oder eine Begründung den Zweck der Maßnahme gefährden würde. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf im Einzelfall bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen unentgeltlich Auskünfte zu Konten, Konteninhabern und sonstigen Berechtigten sowie weiteren am Zahlungsverkehr Beteiligten und zu Geldbewegungen und Geldanlagen einholen, wenn dies zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 4 Absatz 1 Nummern 2 bis 4 erforderlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwerwiegende Gefahren für die in SS 4 Absatz 1 Nummern 2 bis 4 genannten Schutzgüter vorliegen. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf im Einzelfall zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 4 Absatz 1 Nummern 2 bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetzes) vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), zuletzt geändert am 22. August 2002 (BGBl. I S. 3390, 3391), bei Personen und Unternehmen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen erbringen, sowie bei denjenigen, die an der Erbringung dieser Dienstleistungen mitwirken, unentgeltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften, Postfächern und sonstigen Umständen des Postverkehrs einholen. (5) Das Landesamt für Verfassungschutz darf im Einzelfall bei Luftfahrtunternehmen unentgeltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften und zur Inanspruchnahme von Transportleistungen und sonstigen Umständen des Luftverkehrs einholen, wenn dies zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 4 Absatz 1 Nummern 2 bis 4 erforderlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwerwiegende Gefahren für die in SS 4 Absatz 1 Nummern 2 bis 4 genannten Schutzgüter vorliegen. (6) 1 Das Landesamt für Verfassungschutz darf im Einzelfall zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 4 Absatz 1 Nummern 2 bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 des Artikel 10-Gesetzes bei denjenigen, die 279 Anhang / Verfassungsschutzgesetz geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste und Teledienste erbringen oder daran mitwirken, unentgeltlich Auskünfte über Telekommunikationsverbindungsdaten und Teledienstnutzungsdaten einholen. 2 Die Auskunft kann auch in Bezug auf zukünftige Telekommunikation und zukünftige Nutzung von Telediensten verlangt werden. 3 Telekommunikationsverbindungsdaten und Teledienstnutzungsdaten sind: 1. Berechtigungskennungen, Kartennummern, Standortkennung sowie Rufnummer oder Kennung des anrufenden und angerufenen Anschlusses oder der Endeinrichtung, 2. Beginn und Ende der Verbindung nach Datum und Uhrzeit, 3. Angaben über die Art der vom Kunden in Anspruch genommenen Telekommunikationsund Teledienst-Dienstleistungen, 4. Endpunkte festgeschalteter Verbindungen, ihr Beginn und ihr Ende nach Datum und Uhrzeit. (7) 1 Auskünfte nach den Absätzen 3 bis 6 dürfen nur auf Antrag eingeholt werden. 2 Der Antrag ist durch den Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz oder seinen Stellvertreter schriftlich zu stellen und zu begründen. 3 Über den Antrag entscheidet der Präses oder bei seiner Verhinderung der Staatsrat der zuständigen Behörde. 4 Für die Entscheidung nach Satz 3 gilt SS 10 Absätze 2, 3 und 5 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend. 5 Er unterrichtet die Kommission nach SS 1 Absatz 1 des Gesetzes zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes vom 17. Januar 1969 (HmbGVBl. S. 5), zuletzt geändert am 4. Dezember 2002 (HmbGVBl. S. 327, 332), über die beschiedenen Anträge vor deren Vollzug. 6 Bei Gefahr im Verzug kann der Präses oder bei seiner Verhinderung der Staatsrat der zuständigen Behörde den Vollzug der Entscheidung auch bereits vor der Unterrichtung der Kommission anordnen; die Tatsachen, die Gefahr im Verzug begründen, sind aktenkundig zu machen und der Kommission mitzuteilen. 7 Die Kommission prüft von Amts wegen oder auf Grund von Beschwerden die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Einholung von Auskünften. 8 SS 15 Absatz 5 des Artikel 10-Gesetzes ist mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass die Kontrollbefugnis der Kommission sich auf die gesamte Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der nach den Absätzen 3 bis 6 erlangten personenbezogenen Daten erstreckt. 9 Entscheidun280 Anhang / Verfassungsschutzgesetz gen über Auskünfte, die die Kommission für unzulässig oder nicht notwendig erklärt, sind unverzüglich aufzuheben. 10 Für die Verarbeitung der nach den Absätzen 3 bis 6 erhobenen Daten ist SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. 11 SS 14 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. 12 Das Auskunftsersuchen und die übermittelten Daten dürfen dem Betroffenen oder Dritten vom Auskunftsgeber nicht mitgeteilt werden. 13 SS 12 Absätze 1 und 3 des Artikel 10-Gesetzes finden entsprechende Anwendung. (8) 1 Die nach Absatz 7 Satz 3 zuständige Behörde unterrichtet im Abstand von höchstens sechs Monaten den Kontrollausschuss gemäß SS 24 über die Durchführung der Absätze 3 bis 7; dabei ist insbesondere ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen nach den Absätzen 3 bis 7 zu geben. 2 Die nach Satz 1 zuständige Behörde erstattet ferner dem Parlamentarischen Kontrollgremium nach dem Kontrollgremiumgesetz vom 11. April 1978 (BGBl. I S. 453), zuletzt geändert am 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 1260), jährlich sowie nach Ablauf von drei Jahren nach In-Kraft-Treten dieses Gesetzes zusammenfassend zum Zweck der Evaluierung einen Bericht über die Durchführung sowie Art, Umfang und Anordnungsgründe der Maßnahmen nach den Absätzen 3 bis 7; dabei sind die Grundsätze des SS 2 Absatz 4 des Gesetzes zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes und des SS 5 Absatz 1 des Kontrollgremiumgesetzes zu beachten. (9) Das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird nach Maßgabe der Absätze 4, 6 und 7 eingeschränkt. SS8 Erheben von Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf mit nachrichtendienstlichen Mitteln Informationen verdeckt erheben. 2 Der Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln ist vorbehaltlich SS 6 nur zulässig, wenn 1. er sich gegen Organisationen, unorganisierte Gruppen, in ihnen oder einzeln tätige Personen richtet, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 bestehen, 281 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 2. er sich gegen andere als die in Nummer 1 genannten Personen richtet, von denen auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den Betroffenen bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben, um auf diese Weise Erkenntnisse über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder gewalttätige Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 zu gewinnen, 3. auf diese Weise die zur Erforschung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 erforderlichen Nachrichtenzugänge geschaffen werden können oder 4. dies zur Abschirmung der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Nachrichtenzugänge des Landesamtes für Verfassungsschutz gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. 3 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf die so gewonnenen Informationen nur für die in Satz 2 genannten Zwecke verwenden. 4 Unterlagen, die für diese Zwecke nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu vernichten. 5 Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Informationen von anderen schriftlichen Unterlagen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand getrennt werden können; in diesem Fall unterliegen sie einem Verwertungsverbot. (2) 1 Zulässige nachrichtendienstliche Mittel sind 1. verdeckt eingesetzte hauptamtliche Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, 2. verdeckt eingesetzte Personen, die nicht in einem arbeitsvertraglichen oder öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Landesamt für Verfassungsschutz stehen, wie Vertrauensleute, Informanten, Gewährspersonen, 3. planmäßig angelegte Beobachtungen (Observationen), 4. Bildaufzeichnungen, 282 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 5. verdeckte Ermittlungen und Befragungen, 6. verdecktes Mithören ohne Inanspruchnahme technischer Mittel, 7. verdecktes Mithören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes oder sonstiger Signale unter Einsatz technischer Mittel innerhalb und außerhalb von Wohnungen (Artikel 13 des Grundgesetzes), 8. Beobachten und Aufzeichnen des Funkverkehrs, soweit nicht der Postund Fernmeldeverkehr nach Maßgabe des Artikel 10-Gesetzes betroffen ist, 9. Aufbau und Gebrauch von Legenden, 10. Beschaffen, Erstellen und Verwenden von Tarnpapieren und Tarnkennzeichen, 11. Überwachen des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs nach Maßgabe des Artikel 10-Gesetzes sowie 12. weitere vergleichbare Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung, insbesondere das sonstige Eindringen in technische Kommunikationsbeziehungen durch Bild-, Tonund Datenaufzeichnungen, um die nach Absatz 1 erforderlichen Informationen zu gewinnen. 2 Die nachrichtendienstlichen Mittel sind abschließend in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher Informationserhebungen regelt. 3 Die Dienstvorschrift bedarf der Zustimmung des Präses der zuständigen Behörde. 4 Dem Hamburgischen Datenschutzbeauftragten ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. 5 Die Behörden der Freien und Hansestadt Hamburg sind verpflichtet, dem Landesamt für Verfassungsschutz Hilfe für Tarnungsmaßnahmen zu leisten. (3) 1 Der verdeckte Einsatz besonderer technischer Mittel zur Informationsgewinnung ist im Schutzbereich des Artikels 13 des Grundgesetzes innerhalb von Wohnungen in Abwesenheit einer für das Landesamt für Verfassungsschutz tätigen Person zur Abwehr dringender 283 Anhang / Verfassungsschutzgesetz Gefahren für die Schutzgüter des SS 1 und unter Berücksichtigung des SS 6 nur zulässig, wenn die materiellen Voraussetzungen für einen Eingriff in das Brief-, Postoder Fernmeldegeheimnis nach SS 1 Absatz 1 Nummer 1 und SS 3 Absatz 1 Satz 1 des Artikel 10-Gesetzes vorliegen und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. 2 Der verdeckte Einsatz besonderer technischer Mittel darf sich nur gegen den Verdächtigen richten. 3 Bei unmittelbar bevorstehender Gefahr darf der Einsatz sich auch gegen Personen richten, von denen aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für die Verdächtigen bestimmte oder von ihnen herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder dass die Verdächtigen sich in ihrer Wohnung aufhalten. 4 In den Fällen des SS 53 Absatz 1 der Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 11. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3970), sind Maßnahmen nach den Sätzen 1 bis 3 nur zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass bei den zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten die materiellen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen. (4) 1 Die Anordnung des Einsatzes besonderer technischer Mittel nach Absatz 3 Satz 1 trifft der Richter. 2 Bei Gefahr im Verzug kann der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz oder bei seiner Verhinderung sein Vertreter einen Einsatz nach Absatz 3 Satz 1 anordnen; die Tatsachen, die Gefahr im Verzug begründen, sind aktenkundig zu machen. 3 Eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. 4 Die Anordnungen sind auf längstens vier Wochen zu befristen; Verlängerungen um jeweils nicht mehr als vier weitere Wochen sind auf Antrag zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung fortbestehen. (5) 1 Die Anordnung des Einsatzes besonderer technischer Mittel nach Absatz 3 Satz 1 wird unter der Aufsicht eines Beschäftigten des Landesamtes für Verfassungsschutz vollzogen, der die Befähigung zum Richteramt hat. 2 Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor oder ist der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Informationsgewinnung nicht mehr erforderlich, ist die Maßnahme unverzüglich zu beenden. (6) 1 Erkenntnisse und Unterlagen, die durch Maßnahmen nach Absatz 284 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 3 Satz 1 gewonnen wurden, dürfen zur Verfolgung und Erforschung der dort genannten Bestrebungen oder Tätigkeiten sowie nach Maßgabe des SS 4 Absätze 4 bis 6 des Artikel 10-Gesetzes verwendet werden. 2 SS 14 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt. 3 Für die Speicherung und Löschung der durch die Maßnahmen nach den Absätzen 3 und 7 erlangten personenbezogenen Daten sowie die Entscheidung über die nachträgliche Information der von Maßnahmen nach den Absätzen 3 und 7 Betroffenen gelten SS 4 Absatz 1 und SS 12 des Artikel 10Gesetzes entsprechend. 4 Die Zusammenarbeitsverpflichtung nach SS 3 bleibt unberührt. (7) 1 Der verdeckte Einsatz besonderer technischer Mittel im Schutzbereich des Artikels 13 des Grundgesetzes innerhalb von Wohnungen ist auch dann zulässig, wenn es ausschließlich zum Schutz der dort für den Verfassungsschutz tätigen Personen zur Abwehr von Gefahren für Leben, Gesundheit oder Freiheit unerlässlich ist und vom Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz oder bei seiner Verhinderung von seinem Vertreter angeordnet ist. 2 Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Kenntnisse zum Zweck der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr ist nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. 3 Die Tatsachen, die Gefahr im Verzug begründen, sind aktenkundig zu machen. (8) 1 Zuständiges Gericht zur Entscheidung nach den Absätzen 3 und 7 ist das Amtsgericht Hamburg. 2 Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. (9) Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) wird nach Maßgabe der Absätze 3 und 7 eingeschränkt. (10) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 4 Absatz 1 Nummern 2 bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 des Artikel 10-Gesetzes auch technische Mittel zur Ermittlung des Standortes eines aktiv geschalteten Mobilfunkendgerätes und zur Ermittlung der Geräteund Kartennummern einsetzen. 2 Die Maßnahme ist nur zulässig, wenn ohne die Ermittlung die Erreichung des Zwecks der Überwachungsmaßnahme aussichtslos oder 285 Anhang / Verfassungsschutzgesetz wesentlich erschwert wäre. 3 Für die Entscheidung über den Einsatz gilt SS 10 Absätze 2, 3 und 5 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend. 4 Für die Verarbeitung der Daten gilt SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend. 5 Personenbezogene Daten eines Dritten dürfen anlässlich solcher Maßnahmen nur erhoben werden, wenn dies aus technischen Gründen zur Erreichung des Zwecks nach Satz 1 unvermeidbar ist. 6 Sie unterliegen einem absoluten Verwendungsverbot und sind nach Beendigung der Maßnahme unverzüglich zu löschen. 7 SS 7 Absätze 7 und 8 gilt entsprechend. 8 SS 14 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt. 9 Das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt. (11) 1 Erhebungen nach den Absätzen 3 bis 8 und Eingriffe, die in Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, bedürfen der Zustimmung des Präses, bei dessen Verhinderung des Staatsrates der zuständigen Behörde. 2 Sie sind dem Betroffenen mitzuteilen, sobald eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. 3 Lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilen, ob diese Voraussetzung vorliegt, ist die Mitteilung vorzunehmen, sobald eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. 4 Einer Mitteilung bedarf es nicht, wenn der Kontrollausschuss gemäß SS 24 einstimmig festgestellt hat, dass 1. diese Voraussetzung auch nach fünf Jahren nach Beendigung der Maßnahme noch nicht eingetreten ist, 2. diese Voraussetzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht eintreten wird und 3. die Voraussetzungen für eine Löschung sowohl bei der erhebenden Stelle als auch beim Empfänger vorliegen. SS9 Weitere Verarbeitung personenbezogener Daten (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben personenbezogene Daten weiter verarbeiten, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass die 286 Anhang / Verfassungsschutzgesetz betroffene Person an Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 teilnimmt, und dies für die Beobachtung der Bestrebung oder Tätigkeit erforderlich ist, 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 erforderlich ist, 3. dies zur Schaffung oder Erhaltung nachrichtendienstlicher Zugänge über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 erforderlich ist, 4. eine Mitwirkung bei Sicherheitsüberprüfungen nach SS 2 Absatz 3 des Artikel 10-Gesetzes oder bei Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem Hafensicherheitsgesetz oder eine Beteiligung bei Überprüfungen nach SS 7 des Luftsicherheitsgesetzes oder SS 12 b des Atomgesetzes erfolgt. (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Speicherungsdauer auf das für seine Aufgabenerfüllung erforderliche Maß zu beschränken. 2 Bei der Einzelfallbearbeitung, im Übrigen jeweils spätestens vier Jahre beginnend ab der ersten Speicherung, prüft das Landesamt für Verfassungsschutz, ob die Speicherung der personenbezogenen Daten weiterhin erforderlich ist. (3) Gespeicherte personenbezogene Daten über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 oder 4 dürfen länger als zehn Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten Information nur mit Zustimmung des Präses der zuständigen Behörde oder der von ihm besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz gespeichert bleiben. SS 10 Verarbeitung von Daten Minderjähriger (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf unter den Voraussetzungen des SS 9 Daten über Minderjährige in Sachakten und amtseigenen Dateien speichern und weiter verarbeiten. 2 Daten über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nicht in gemeinsamen Dateien (SS 6 BVerfSchG), Daten Minderjähriger vor Vollendung des 287 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 14. Lebensjahres nicht in amtseigenen Dateien gespeichert werden. (2) Daten über Minderjährige in Dateien sind nach zwei Jahren auf die Erforderlichkeit der weiteren Speicherung zu überprüfen; spätestens nach fünf Jahren sind diese Daten zu löschen, es sei denn, dass nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse nach SS 4 Absatz 1 angefallen sind. SS 11 Berichtigung, Sperrung und Löschung (1) 1 Erweist sich eine Information nach ihrer Übermittlung als unrichtig oder unvollständig, hat die übermittelnde Stelle ihre Information unverzüglich gegenüber dem Empfänger zu berichtigen oder zu ergänzen, wenn durch die unrichtige oder unvollständige Übermittlung schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt sein können. 2 Die Berichtigung erfolgt dadurch, dass die unrichtigen Angaben, soweit sie in Akten enthalten sind, entfernt werden und, soweit sie in Dateien gespeichert sind, gelöscht werden. 3 Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Trennung von zu berichtigenden und richtigen Informationen nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist. (2) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle oder der Datensicherung gespeichert werden, dürfen nur für diese Zwecke oder bei Verdacht des Datenmissbrauchs genutzt werden. (3) Im Übrigen gilt für die Berichtigung, Sperrung und Löschung SS 19 des Hamburgischen Datenschutzgesetzes vom 5. Juli 1990 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt Seiten 133, 165, 226), zuletzt geändert am 30. Januar 2001 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt Seite 9). 288 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 3. Abschnitt Datenübermittlung SS 12 Übermittlung nicht personenbezogener Daten Das Landesamt für Verfassungsschutz kann die im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgabenerfüllung erlangten Daten, die nicht personenbezogen sind, an andere Behörden und Stellen, insbesondere an die Polizei und die Staatsanwaltschaft, übermitteln, wenn sie für die Aufgabenerfüllung derEmpfänger erforderlich sein können. SS 13 Übermittlung personenbezogener Daten an inländische Nachrichtendienste (1) Gemäß SS 5 Absatz 1 BVerfSchG übermittelt das Landesamt für Verfassungsschutz dem Bundesamt für Verfassungsschutz und den Verfassungsschutzbehörden der Länder alle personenbezogenen Daten, deren Kenntnis zur Erfüllung der Aufgaben der Empfänger erforderlich ist. (2) Gemäß SS 21 Absatz 2 BVerfSchG übermittelt das Landesamt für Verfassungsschutz dem Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst Informationen einschließlich personenbezogener Daten. SS 14 Übermittlung personenbezogener Daten an inländische öffentliche Stellen und Strafverfolgungsbehörden (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Informationen einschließlich personenbezogener Daten an inländische öffentliche Stellen übermitteln, wenn dies zum Schutz vor Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 zwingend erforderlich ist oder der Empfänger eine Sicherheitsüberprüfung durchführt. 2 Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur für den Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. 3 Hierauf ist er hinzuweisen. 289 Anhang / Verfassungsschutzgesetz (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf über Absatz 1 hinaus Informationen einschließlich personenbezogener Daten an die Staatsanwaltschaften und die Polizei übermitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine in den SSSS 74 a und 120 Gerichtsverfassungsgesetz, SS 100 a Nummern 3 und 4 Strafprozessordnung und SSSS 130 , 131 Strafgesetzbuch genannte Straftat plant, begeht oder begangen hat sowie sonstige Straftaten, bei denen aufgrund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die in Artikel 73 Nummer 10 Buchstabe b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind. 2 Personenbezogene Daten, die das Landesamt für Verfassungsschutz selbst mit nachrichtendienstlichen Mitteln nach SS 8 erhoben hat, dürfen nur dann an die Staatsanwaltschaft oder an die Polizei übermittelt werden, wenn die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für deren Erhebung mit entsprechenden Befugnissen zur verdeckten Datenerhebung nach der Strafprozessordnung oder nach den SSSS 9 bis 12 und SS23 Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei vom 2. Mai 1991 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt Seiten 187, 191) vorgelegen hätten. SS 15 Übermittlung personenbezogener Daten an Stationierungsstreitkräfte 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Informationen einschließlich personenbezogener Daten an Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Streitkräfte vom 3. August 1959 (Bundesgesetzblatt II 1961 Seiten 1183, 1218) übermitteln. 2 Die Entscheidung für eine Übermittlung treffen der Präses der zuständigen Behörde oder die von ihm besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz. 3 Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, dass er die übermittelten Daten nur zur Verarbeitung für den Zweck erhält, zu dem sie ihm übermittelt wurden. 290 Anhang / Verfassungsschutzgesetz SS 16 Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische öffentliche Stellen 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz an ausländische öffentliche Stellen sowie an überoder zwischenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung seiner Aufgaben oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist. 2 Die Entscheidung für eine Übermittlung treffen der Präses der zuständigen Behörde oder die von ihm besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz. 3 Die Übermittlung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegenstehen oder wenn dadurch gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde. 4 Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, dass er die übermittelten Daten nur zur Verarbeitung für den Zweck erhält, zu dem sie ihm übermittelt wurden. SS 17 Übermittlung personenbezogener Daten an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs nicht übermitteln, es sei denn, dass die Übermittlung zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit des Bundes oder eines Landes erforderlich ist. 2 Die Entscheidung für eine Übermittlung treffen der Präses der zuständigen Behörde, bei dessen Verhinderung der Staatsrat oder die besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz. 3 Dies gilt nicht bei Erhebungen nach SS 7 Absatz 1 Sätze 2 und 3 . (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz führt über die Übermittlung nach Absatz 1 einen Nachweis, aus dem der Zweck und die Veranlassung der Übermittlung, die Aktenfundstelle und der Empfänger hervorgehen. 2 Die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. 291 Anhang / Verfassungsschutzgesetz (3) 1 Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur für den Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. 2 Hierauf ist er hinzuweisen. SS 18 Übermittlung personenbezogener Daten an die Öffentlichkeit 1 Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit einschließlich der Medien über Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz ist die Übermittlung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn sie zu einer sachgerechten Information zwingend erforderlich ist. 2 Stehen schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegen, kommt eine Übermittlung der personenbezogenen Daten des Betroffenen nur dann in Betracht, wenn die Interessen der Allgemeinheit deutlich überwiegen. SS 19 Übermittlung personenbezogener Daten an das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Die hamburgischen Behörden und die der Aufsicht der Freien und Hansestadt Hamburg unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind befugt, die Daten zu übermitteln, um die das Landesamt für Verfassungsschutz nach SS 7 Absatz 2 ersucht hat, soweit sie diesen Stellen bereits vorliegen. (2) Die in Absatz 1 genannten Stellen übermitteln dem Landesamt für Verfassungsschutz alle ihnen im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung vorliegenden Informationen über gewalttätige Bestrebungen und Tätigkeiten oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gemäß SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummern 1, 3 und 4 und über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummern 2 und 3 . (3) 1 Die Ausländerbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg übermittelt gemäß SS 18 Absatz 1 a BVerfSchG von sich aus dem Landesamt für Verfassungsschutz die ihr bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz erforderlich ist. 2 Die Über292 Anhang / Verfassungsschutzgesetz mittlung dieser personenbezogenen Daten an ausländische öffentliche Stellen sowie an überund zwischenstaatliche Stellen unterbleibt, es sei denn, die Übermittlung ist völkerrechtlich geboten. (4) 1 Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizei übermitteln auch andere im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung bekannt gewordene Informationen über Bestrebungen nach SS 4 Absatz 1, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz erforderlich ist. 2 Die Übermittlung personenbezogener Daten, die aufgrund eines Eingriffs in das Brief-, Postund Fernmeldegeheimnis bekannt geworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. 3 Die Übermittlung personenbezogener Informationen, die auf Grund anderer strafprozessualer Zwangsmaßnahmen oder verdeckter Datenerhebungen nach SS 2 Absatz 3 Satz 3 oder nach den SSSS 9 bis 12 des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei vom 2. Mai 1991 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt Seiten 187, 191) bekannt geworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für gewalttätige Bestrebungen oder sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten bestehen; die Übermittlung ist auch zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine in SSSS 74 a und 120 Gerichtsverfassungsgesetz und SSSS 130 , 131 Strafgesetzbuch genannte Straftat bestehen oder eine sonstige Straftat, bei der aufgrund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die in Artikel 73 Nummer 10 Buchstabe b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet ist. 4 Die Übermittlung personenbezogener Daten, die auf Grund verdeckter Datenerhebung nach SS 8 Absatz 6 Satz 1 und SSSS 10 a bis 10 d des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei in der jeweils geltenden Fassung bekannt geworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. 5 Auf die nach Satz 2 übermittelten Informationen und die dazu gehörenden Unterlagen ist SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. 6 Die nach Satz 2 übermittelten Informationen dürfen nur zur Erforschung gewalttätiger Bestrebungen oder 293 Anhang / Verfassungsschutzgesetz sicherheitsgefährdender oder geheimdienstlicher Tätigkeiten genutzt werden. (5) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die übermittelten Informationen unverzüglich darauf zu überprüfen, ob sie zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind. 2 Ist dies nicht der Fall, sind die Unterlagen zu vernichten. 3 Die Vernichtung unterbleibt, wenn die Unterlagen von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand getrennt werden können; in diesem Fall unterliegen die personenbezogenen Daten einem Verwertungsverbot und sind entsprechend zu kennzeichnen. (6) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Informationsübermittlung aktenkundig zu machen. 2 Vorschriften in anderen Gesetzen über die Informationsübermittlung an das Landesamt für Verfassungsschutz und über ihre Dokumentation bleiben unberührt. SS 20 Registereinsicht durch das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf in von öffentlichen Stellen geführte Register und Datensammlungen einsehen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen über 1. Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind (SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1), oder 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht (SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2) oder 3. Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3), oder 4. Bestrebungen und Tätigkeiten, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen 294 Anhang / Verfassungsschutzgesetz den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenleben der Völker gerichet sind (SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4). (2) Eine Einsichtnahme ist nur zulässig, wenn 1. die Aufklärung auf andere Weise nicht möglich erscheint, insbesondere durch eine Übermittlung der Daten durch die registerführende Stelle der Zweck der Maßnahme gefährdet würde, 2. die betroffenen Personen durch eine anderweitige Aufklärung unverhältnismäßig beeinträchtigt würden und 3. eine besondere gesetzliche Geheimhaltungsvorschrift oder ein Berufsgeheimnis ihr nicht entgegensteht. (3) Die Anordnung für die Maßnahme treffen der Präses der zuständigen Behörde oder die von ihm besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz. (4) 1 Die auf diese Weise gewonnenen Unterlagen dürfen nur zu den in Absatz 1 genannten Zwecken verwendet werden. 2 Gespeicherte Daten sind zu löschen und Unterlagen zu vernichten, sobald sie für diese Zwecke nicht mehr benötigt werden. (5) 1 Über die Tatsache der Einsichtnahme ist ein gesonderter Nachweis zu führen, aus dem ihr Zweck, die in Anspruch genommenen Stellen sowie die Namen der Betroffenen hervorgehen. 2 Diese Aufzeichnungen sind gesondert aufzubewahren, durch technische und organisatorische Maßnahmen gegen unbefugten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. SS 21 Übermittlungsverbote und -einschränkungen (1) Die Übermittlung von Informationen nach diesem Abschnitt unterbleibt, wenn 1. eine Prüfung durch die übermittelnde Stelle ergibt, dass die 295 Anhang / Verfassungsschutzgesetz Informationen zu vernichten sind oder einem Verwertungsverbot unterliegen oder für den Empfänger nicht mehr bedeutsam sind, 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern oder 3. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass unter Berücksichtigung der Art der Informationen und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen. (2) Besondere Rechtsvorschriften, die Informationsübermittlungen zulassen, einschränken oder verbieten sowie die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleiben unberührt. SS 22 Übermittlung personenbezogener Daten Minderjähriger (1) Personenbezogene Daten Minderjähriger vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Minderjährige eine der in SS 3 des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat, im Übrigen, solange die Voraussetzungen der Speicherung nach SS 10 erfüllt sind. (2) Personenbezogene Daten Minderjähriger vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht an ausländische oder überoder zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. 4. Abschnitt Auskunftserteilung SS 23 Auskunftserteilung (1) 1 Den Betroffenen ist vom Landesamt für Verfassungsschutz auf Antrag gebührenfrei Auskunft zu erteilen über 296 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 1. die zu ihrer Person gespeicherten Daten, 2. die Zweckbestimmung und die Rechtsgrundlage der Speicherung, 3. die Herkunft der Daten, 4. die Stellen, denen die Daten im Rahmen regelmäßiger Übermittlungen übermittelt werden, und die an einem automatisierten Abrufverfahren teilnehmenden Stellen, auch soweit diese Angaben nicht zu ihrer Person gespeichert sind, aber mit vertretbarem Aufwand festgestellt werden können. 2 Die Betroffenen sollen die Art der personenbezogenen Daten, über die sie Auskunft verlangen, näher bezeichnen. 3 Aus Akten ist den Betroffenen Auskunft zu erteilen, soweit sie Angaben machen, die das Auffinden der Daten ermöglichen, und der für die Erteilung der Auskunft erforderliche Aufwand nicht außer Verhältnis zum Auskunftsinteresse der Betroffenen steht. 4 Das Landesamt für Verfassungsschutz bestimmt die Form der Auskunftserteilung nach pflichtgemäßem Ermessen; die Auskunft kann auch in der Form erteilt werden, dass den Betroffenen Akteneinsicht gewährt oder ein Ausdruck aus automatisierten Dateien überlassen wird. 5 SS 29 des Hamburgischen Verwaltungsverfahrensgesetzes bleibt unberührt. (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. durch sie die Nachrichtenzugänge gefährdet sein können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise des Landesamtes für Verfassungsschutz zu befürchten ist, 2. die personenbezogenen Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder wegen der überwiegenden schutzwürdigen Interessen Dritter geheim gehalten werden müssen, 3. sie die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde. 297 Anhang / Verfassungsschutzgesetz (3) Im Übrigen gilt für die Auskunft SS 18 Absätze 2 und 4 bis 6 des Hamburgischen Datenschutzgesetzes . 5. Abschnitt Parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes SS 24 Parlamentarischer Kontrollausschuss 1 Zur parlamentarischen Kontrolle des Senats auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes bildet die Bürgerschaft einen Kontrollausschuss. 2 Dieser tagt in nichtöffentlicher Sitzung. SS 25 Zusammensetzung und Pflichten des Ausschusses (1) Der Ausschuss besteht aus sieben Mitgliedern der Bürgerschaft. (2) Die Mitglieder des Ausschusses werden von der Bürgerschaft in geheimer Abstimmung gewählt. (3) 1 Die Mitglieder des Ausschusses sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit in dem Ausschuss bekannt geworden sind. 2 Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus dem Ausschuss oder aus der Bürgerschaft. (4) Der Ausschuss wählt einen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. (5) Sitzungsunterlagen und Protokolle verbleiben im Gewahrsam des Landesamtes für Verfassungsschutz und können nur dort von den Ausschussmitgliedern eingesehen werden. (6) 1 Scheidet ein Mitglied des Ausschusses aus der Bürgerschaft oder seiner Fraktion aus, so verliert es seine Mitgliedschaft im Ausschuss; für dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu bestimmen. 2 Das Gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus dem Ausschuss ausscheidet. 298 Anhang / Verfassungsschutzgesetz (7) 1 Der Parlamentarische Kontrollausschuss erstattet der Bürgerschaft jährlich einen Bericht über seine Kontrolltätigkeit. 2 Dabei sind die Grundsätze des Absatzes 3 zu beachten. SS 26 Aufgaben des Ausschusses (1) 1 Der Ausschuss übt die parlamentarische Kontrolle auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes aus. 2 Die Rechte der Bürgerschaft bleiben unberührt. (2) 1 Zur Erfüllung seiner Kontrollaufgaben kann der Ausschuss vom Senat die erforderlichen Auskünfte, Unterlagen, Akten und Dateieinsichten, Stellungnahmen und den Zutritt zu den Räumen des Landesamtes für Verfassungsschutz und die Entsendung bestimmter Angehöriger des öffentlichen Dienstes als Auskunftspersonen verlangen. 2 Der Senat bescheidet ein solches Kontrollbegehren abschlägig oder schränkt die Aussagegenehmigung ein, wenn gesetzliche Vorschriften oder das Staatswohl entgegenstehen. 3 In diesem Fall legt der Senat dem Ausschuss seine Gründe dar. (3) Der Senat unterrichtet den Ausschuss in Abständen von höchstens drei Monaten oder auf Antrag eines Mitglieds über die Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz. (4) Der Senat hat dem Ausschuss 1. Gefahren für die Schutzgüter des SS 1, 2. die Dienstvorschrift über nachrichtendienstliche Mittel nach SS 8 Absatz 2 Satz 2 sowie ihre Änderungen, 3. die Maßnahmen nach SS 8 Absatz 11, 4. die Weiterspeicherung nach SS 9 Absatz 3, 5. die tatsächliche Arbeitsaufnahme mit einem automatisierten Verfahren, für das eine Verfahrensbeschreibung nach SS 9 Absatz 1 des Hamburgischen Datenschutzgesetzes vorgeschrieben ist, und seine wesentlichen inhaltlichen Änderungen, 299 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 6. die Übermittlung personenbezogener Daten an Stationierungsstreitkräfte nach SS 15, 7. die Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische öffentliche Stellen nach SS 16, 8. die Übermittlung personenbezogener Daten an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs nach SS 17, 9. Anfragen bei ausländischen öffentlichen Stellen nach SS 12 Absatz 5 Satz 3 HmbSÜG mitzuteilen und jährlich über die Prüfungen nach SS 9 Absatz 2 Satz 2 zu berichten. SS 27 Eingaben 1 Eingaben einzelner Bürger oder einzelner Angehöriger des Verfassungsschutzes über ein sie betreffendes Verhalten des Landesamtes für Verfassungsschutz sind dem Ausschuss zur Kenntnis zu geben. 2 Der Ausschuss hat auf Antrag eines Mitglieds Petenten und Auskunftspersonen zu hören. 3 SS 26 Absatz 2 findet entsprechende Anwendung. 4 Die Rechte des Eingabenausschusses bleiben unberührt. 300 Anhang / Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis A ABLE ASSOCIATION OF BETTER LIVING AND EDUCATION AHA AUTONOME HARBURGER ANTIFA AIW ANTIIMPERIALISTISCHER WIDERSTAND ALB ANTIFASCHISTISCHE LINKE BERLIN ALI AUTONOME LINKE HAMBURG AMAL AFWAJ AL-MUQAWAMA AL-LUBNANIYA (BATAILLONE DES LIBANESISCHEN WIDERSTANDES) ANTIFA ANTIFASCHISTEN API ARBEITERKOMMUNISTISCHE PARTEI IRAN APO ABDULLAH ÖCALAN WIRD VON VIELEN ANHÄNGERN "APO" GENANNT APS APPLIED SCHOLASTICS ARGE ARBEITSGEMEINSCHAFT NORD NORD ATD ANTITERRORDATEI ATIF ALMANYA TÜRKIYELI ISCILER FEDERASYONU (FÖDERATION DER ARBEITER AUS DER TÜRKEI IN DEUTSCHLAND E.V.) AUJAH AUTONOME JUGENDANTIFA HAMBURG AWG AUSSENWIRTSCHAFTSGESETZ AWV AUSSENWIRTSCHAFTSVERORDNUNG B B5 BRIGITTENSTRASSE 5 BAFA BUNDESAMT FÜR WIRTSCHAFT UND AUSFUHRKONTROLLE BIG BÜNDNIS DER ISLAMISCHEN GEMEINDEN IN NORDDEUTSCHLAND E.V. BKA BUNDESKRIMINALAMT BPJM BUNDESPRÜFSTELLE FÜR JUGENDGEFÄHRDENDE MEDIEN BVERFG BUNDESVERFASSUNGSGERICHT BVERWG BUNDESVERWALTUNGSGERICHT C CCH CONGRESS CENTER HAMBURG CCHR CITIZENS COMMISSION ON HUMAN RIGHTS 301 Anhang / Abkürzungsverzeichnis CDK KOORDINASYONA CIVAKA DEMOKRATIK YA KURDEN EWRUPA (KOORDINATION DER KURDISCHEN DEMOKRATISCHEN GESELLSCHAFT IN EUROPA) D DA DIREKTE AKTION DABK OSTANATOLISCHES GEBIETSKOMITEE DAL DEUTSCHE AFRIKA-LINIEN DHKC DEVRIMCI HALK KURTULUS CEPHESI (REVOLUTIONÄRE VOLKSBEFREIUNGSFRONT) DHKP DEVRIMCI HALK KURTULUS PARTISI (REVOLUTIONÄRE VOLKSBEFREIUNGSPARTEI) DHKP-C DEVRIMCI HALK KURTULUS PARTISI-CEPHE (REVOLUTIONÄRE VOLKSBEFREIUNGSPARTEI-FRONT) DK DEUTSCHES KOLLEG DKP DEUTSCHE KOMMUNISTISCHE PARTEI DVU DEUTSCHE VOLKSUNION E EMUG EUROPÄISCHE MOSCHEEBAUUND UNTERSTÜTZUNGSGEMEINSCHAFT E.V. EUGH EUROPÄISCHER GERICHTSHOF EUGI GERICHT DER ERSTEN INSTANZ DES EUROPÄISCHEN GERICHTSHOFS F FATAH HARAKAT AT-TAHRIR AL-WATANI AL-FILASTINI (BEWEGUNG ZUR NATIONALEN BEFREIUNG PALÄSTINAS) FAU FREIE ARBEITERINNEN UNION FESK FORCES ARMEES DES PAUVRES ET OPPRIMES (BEWAFFNETE KRÄFTE DER ARMEN UND UNTERDRÜCKTEN) FIFA FEDERATION INTERNATIONALE DE FOOTBALL ASSOCIATION FPM FREE PATRIOTIC MOVEMENT (FREIE PATRIOTISCHE BEWEGUNG) FSB FEDERALNAJA SLUSHBA BESOPASNOSTI (INLANDSGEHEIMDIENST DER RUSSISCHEN FÖDERATION) 302 Anhang / Abkürzungsverzeichnis FSO FEDERALNAIA SLUSHBA OKHRANI (SCHUTZDIENST DER RUSSISCHEN FÖDERATION) G G8 GRUPPE DER ACHT (SIEBEN FÜHRENDE INDUSTRIELÄNDER UND RUSSLAND) GFP GESELLSCHAFT FÜR FREIE PUBLIZISTIK E.V. GG GRUNDGESETZ GRU GLAWNOJE RASWEDYWATELNOJE UPRAWLENIJE (HAUPTVERWALTUNG FÜR AUFKLÄRUNG) H HAFENSG HAFENSICHERHEITSGESETZ HAMAS HARAKAT AL-MUQAWAMA AL-ISLAMIYYA (ISLAMISCHE WIDERSTANDSBEWEGUNG) HASPA HAMBURGER SPARKASSE HBGR HAMBURGER BÜNDNIS GEGEN RECHTS HKO HALK KURTULUS ORDUSU (VOLKSBEFREIUNGSARMEE) HLA HAMBURGER LISTE FÜR AUSLÄNDERSTOPP HMBSÜG HAMBURGISCHES SICHERHEITSÜBERPRÜFUNGSGESETZ HMBHAMBURGISCHES VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ VERFSCHG HNG HILFSORGANISATION FÜR NATIONALE POLITISCHE GEFANGENE UND DEREN ANGEHÖRIGE E.V. HPG HEZEN PARASTINA GEL (VOLKSVERTEIDIGUNGSKRÄFTE) HUT HIZB UT-TAHRIR (BEFREIUNGSPARTEI) HVA HAUPTVERWALTUNG AUFKLÄRUNG HWB HANDELSUND WIRTSCHAFTSBÜRO HWK HAUS DER WISSENSCHAFT UND KULTUR I IAA INTERNATIONALE ARBEITERINNEN ASSOZIATION IAD ISLAMISCHE AKADEMIE DEUTSCHLAND E.V. IAS INTERNATIONAL ASSOCIATION OF SCIENTOLOGISTS 303 Anhang / Abkürzungsverzeichnis IGD ISLAMISCHE GEMEINSCHAFT IN DEUTSCHLAND E.V. IGMG ISLAMISCHE GEMEINSCHAFT MILLI GÖRÜS IL INTERVENTIONISTISCHE LINKE IMO INTERNATIONAL MARITIME ORGANIZATION ISPS INTERNATIONAL SHIP AND PORT FACILITY CODE SECURITY CODE IT INFORMATIONSTECHNIK IWF INTERNATIONALER WÄHRUNGSFONDS IWO ISLAMISCHE WOHLFAHRTSORGANISATION E.V. IZ ISLAMISCHES ZENTRUM IZA ISLAMISCHES ZENTRUM AACHEN IZH ISLAMISCHES ZENTRUM HAMBURG J JLO JUNGE LANDSMANNSCHAFT OSTPREUSSEN JN JUNGE NATIONALDEMOKRATEN K K&D GRUPPE KRITIK UND DISKUSSION KADEK KONGREYA AZADI U DEMOKRASIYA KURDISTANE (FREIHEITSUND DEMOKRATIEKONGRESS KURDISTANS) KKK KOMA KOMALEN KURDISTAN (DEMOKRATISCHER KONFÖDERALISMUS KURDISTANS) KONGRA VOLKSKONGRESS KURDISTANS GEL KONKONFEDERASYONA KOMELEN KURD LI AVRUPA KURD (KONFÖDERATION DER KURDISCHEN VEREINE IN EUROPA) KPD KOMMUNISTISCHE PARTEI DEUTSCHLANDS KPF KOMMUNISTISCHE PLATTFORM DER LINKSPARTEI. PDS KS KURDISTAN-SOLIDARITÄT HAMBURG KSM KOMMUNISTISCHE UNION DER JUGEND DER TSCHECHISCHEN REPUBLIK KVPM KOMMISSION FÜR VERSTÖSSE DER PSYCHIATRIE KWKG KRIEGSWAFFENKONTROLLGESETZ 304 Anhang / Abkürzungsverzeichnis L LFV LANDESAMT FÜR VERFASSUNGSSCHUTZ LIZ LIBERTÄRES ZENTRUM LKA LIBERTÄRES KULTURUND AKTIONSZENTRUM LTTE LIBERATION TIGERS OF TAMIL EELAM LUFTSIG LUFTSICHERHEITSGESETZ M M.A.M.I. MILITANTE ANTIMILITARISTISCHE INITIATIVE MASCH MARXISTISCHE ABENDSCHULE HAMBURG - FORUM FÜR POLITIK UND KULTUR E.V. MB MUSLIMBRUDERSCHAFT (JAMA'A IKHWAN ALMUSLIMIN) MEK MODJAHEDIN-E-KHALQ (VOLKSMODJAHEDIN IRANORGANISATION) MG MILITANTE GRUPPE MG MARXISTISCHE GRUPPE MHP MILLIYETCI HAREKET PARTISI (PARTEI DER NATIONALEN BEWEGUNG) MKP MAOIST KOMÜNIST PARTISI (MAOISTISCHE KOMMUNISTISCHE PARTEI) MLKP MARKSIST LENINIST KOMÜNIST PARTISI (MARXISTISCH-LENINISTISCHE KOMMUNISTISCHE PARTEI) MTF MARITIME TASK FORCE N NADIS NACHRICHTENDIENSTLICHES INFORMATIONSSYSTEM NLA NATIONAL LIBERATION ARMY (NATIONALE BEFREIUNGSARMEE) NPD NATIONALDEMOKRATISCHE PARTEI DEUTSCHLANDS NSAN NATIONALES UND SOZIALES AKTIONSBÜNDNIS NORDDEUTSCHLAND NWRI NATIONALER WIDERSTANDSRAT IRAN NZ NATIONAL ZEITUNG / DEUTSCHE WOCHENZEITUNG 305 Anhang / Abkürzungsverzeichnis O OMF-BRD ORGANISATIONSFORM EINER MODALITÄT DER FEINDMÄCHTE DES DEUTSCHEN REICHES OSA OFFICE OF SPECIAL AFFAIRS P PDS PARTEI DES DEMOKRATISCHEN SOZIALISMUS PGA PEOPLES GLOBAL ACTION PKA PARLAMENTARISCHER KONTROLLAUSSCHUSS PKK PARTIYA KARKEREN KURDISTAN (ARBEITERPARTEI KURDISTANS) PLC PALESTINIAN LEGISLATIVE COUNCIL (PALÄSTINENSISCHER LEGISLATIVRAT) PLO PALESTINE LIBERATION ORGANISATION (PALÄSTINENSISCHE BEFREIUNGSORGANISATION) PMK POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT R RAF ROTE ARMEE FRAKTION RB RUSSISCHE BOTSCHAFT RB REICHSBEWEGUNG RBB REICHSBÜRGERBEWEGUNG REP REPUBLIKANER RGK RUSSISCHES GENERALKONSULAT RLS ROSA-LUXEMBURG-STIFTUNG S SAND SYSTEMOPPOSITIONELLE ATOMKRAFT NEIN DANKE SAV SOZIALISTISCHE ALTERNATIVE SCHURA RAT DER ISLAMISCHEN GEMEINSCHAFTEN IN HAMBURG E.V. SDAJ SOZIALISTISCHE DEUTSCHE ARBEITERJUGEND SED SOZIALISTISCHE EINHEITSPARTEI DEUTSCHLANDS SO SCIENTOLOGY-ORGANISATION SP SAADET PARTISI SPB SOZIALPATRIOTISCHES BÜNDNIS LÜNEBURG SPI SOZIALISTISCHE PARTEI IRAN SOL SOZIALISTISCHE LINKE 306 Anhang / Abkürzungsverzeichnis SWR SLUSHBA WNESHNEY RAZWEDKI (ZIVILER AUSLANDSNACHRICHTENDIENST DER RUSSISCHEN FÖDERATION) T TAK TEYREBAZE AZADIYA KURDISTAN (FREIHEITSFALKEN KURDISTANS) TAYAD SOLIDARITÄTSVEREIN MIT DEN POLITISCHEN GEFANGENEN UND DEREN FAMILIEN IN DER TÜRKEI TIKKO TÜRKIYE ISCI KÖYLÜ KURTULUS ORDUSU (TÜRKISCHE ARBEITERUND BAUERNBEFREIUNGSARMEE) TIT TÜRK INTIKAM TUGAYI (TÜRKISCHE RACHEBRIGADE) TJ TABLIGH-I JAMA'AT TKP/ML TÜRKIYE KOMÜNIST PARTISI / MARKSIST LENINIST (TÜRKISCHE KOMMUNISTISCHE PARTEI / MARXISTEN-LENINISTEN) U UNIFIL UNITED NATIONS INTERIM FORCE IN LEBANON UZ UNSERE ZEIT V VEVAK VEZARATE ETTELAAT VA AMNIATE KESHWAR (MINISTERIUM FÜR NACHRICHTENWESEN UND SICHERHEIT), NACHRICHTENDIENST DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN VHO VRIJ HISTORISCH ONDERZOEK (FREIE HISTORISCHE UNTERSUCHUNG) VRBHV VEREIN ZUR REHABILITIERUNG DER WEGEN BESTREITENS DES HOLOCAUST VERFOLGTEN VS VERSCHLUSSSACHE VSB VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT VVN/BDA VEREINIGUNG DER VERFOLGTEN DES NAZIREGIMES / BUND DER ANTIFASCHISTEN W WASG ARBEIT UND SOZIALE GERECHTIGKEIT - DIE WAHLALTERNATIVE 307 Anhang / Abkürzungsverzeichnis WEF WORLD ECONOMIC FORUM (WELTWIRTSCHAFTSFORUM) WISE WORLD INSTITUTE OF SCIENTOLOGY ENTERPRISES WTO WORLD TRADE ORGANIZATION (WELTHANDELSORGANISATION) WTSFFL WILHELM TIETJEN STIFTUNG FÜR FERTILISATION LIMITED WTSL WILHELM TIETJEN STIFTUNG LIMITED Y YEK-KOM YEKITIYA KOMELEN KURD LI ALMANYA (FÖDERATION KURDISCHER VEREINE IN DEUTSCHLAND E.V.) YÖP YENI ÖZGÜR POLITIKA (NEUE ÖZGÜR POLITIKA) YOSPI YOUTH ORGANIZATION OF SOCIALIST PARTY OF IRAN (JUGENDORGANISATION DER SOZIALISTISCHEN PARTEI IRAN) Z ZKA ZOLLKRIMINALAMT ZMD ZENTRALRAT FÜR MUSLIME IN DEUTSCHLAND 308 Anhang / Stichwortverzeichnis Stichwortverzeichnis A Al Qaida auf der arabischen HalbinABLE....................................243 sel.........................................36 Abschöpfung.........................251 Al Qaida im Zweistromland (Irak)..36 Abu RAJAB, Tariq....................37 Al Qaida in Palästina...................36 Adil Düzen..............................64 Al Tawhid................................44 Agent............253, 254, 255, 256 AL ZARQAWI, Abu Musab ......36, Ägypten......................43, 47, 48 37, 44 AG Kolonialismus und Krieg in der AL ZAWAHIRI, Ayman........33, 34, militanten Anti-G8-Kampagne ...130 35, 41 aha...............................144, 145 AMAL....................................57 AHMADINEJAD, Mahmud.........59 Ammar114.............................50 AIW..............116, 118, 135, 136 AN-NABAHANI, Taqiuddin.........46 AKIF, Muhammad Mahdi.....48, 49 Anatolischer Jugendverein.........70 Aktionistisch orientierte RechtsexANDREJEWSKI, Michael..........224 tremisten .............................203 Ansar al Islam.......................36, 43 Aktionsbüro Norddeutschland ..182, Ansar As Sunna.........................36 184, 185, 206, 208, 209, 213 Anti-AKWBewegung, linksextreAl-Aqsa e.V............................56 mistische Einflussnahme..........154 AL-ATTAR, Dr. Issam...............50 Anti-G8......130, 131, 132, 140, 157 AL-BANNA, Hassan..................47 Anti-G8-Zusammenhänge in HamAl-Manar................................48 burg.....................................131 Al-QARADAWI, Yusuf...............41 Anti-Repressions-Kampagne....213 AL-ZAYAT, Ibrahim..................49 Anti-Terror-Koordination.............3 ALB.....................................126 Antifa.....115, 118, 141, 144, 145, Albaner..................................80 146, 147, 148, 149, 167, 169, ALi...................144, 147, 148, 149 215, 229, 239 ALLAWI.................................43 Antifa-"Aufklärungsaktionen"..146 Al BAGHDADI, Abu Umar............37 Antifa-Gruppen.................144 AL FADSCHR...........................61 Antifa-Infotelefon.................148 Al Jazeera...........................33, 34 Antifaschismus.....................123, Al MUHAJIR, Abu Hamza.......36, 37 140, 143, 166, 167, 176 Al Qaida..........30, 31, 32, 33, 34, Antifaschistisches Bündnis Nord 144 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 43 Antifa Hamburg Nord................144 Al Qaida, Kern-Al Qaida..........34, 36 Antifa Infotelefon Hamburg.......144 Al Qaida, Organisation Provinz Antifa Info Pool Hamburg..........144, Palästina .................................38 145, 146 Al Qaida, Shurarat der ... im ZweiAntiimperialisten............109, 135, stromland ..............................36 137, 176 309 Anhang / Stichwortverzeichnis Antiimperialistischer Widerstand..... Autonome Militanz..................121 ........................116, 117, 119, 135 Autonome und Militanz .............123 Antirassismus..........123, 149, 176 Autonome Zelle in Gedenken an Ulrike Antirepressionsgruppe Wasserturm Meinhof ................................112 ............................................141 AVANTI ........126, 131, 138, 139, Antiterror-Datei.........................3 140, 141 APFEL, Holger........................228 AVANTI Positionen..................141 API..................................78, 108 AWG..............................256, 261 API-HEKMATIST....................108 AWV....................................257 APO.......................................91 Applied Scholastics.................243 B ApS.....................................243 B5.......................................138 Arbeitskreis "Arbeit und Reichtum" ... Bad Nenndorf.........................212 ...........................................175 BAFA......................257, 259, 261 ARGE Nord............................183 Befreiungspartei......................46 Art.10-Gesetz.........................18 Berlin.........40, 42, 43, 47, 52, 62, Artgemeinschaft - Germanische Glau63, 69, 88, 98, 100, 101, 107, bens-Gemeinschaft wesensgemä113, 121, 126, 127, 157, 158, ßer Lebensgestaltung e.V .........238 159, 160, 162, 166, 171, 180, Association of Better Living and Edu182, 189, 207, 212, 222, 227, cation ...................................243 228, 233, 238, 242, 244, 247, 253 Asylund Abschiebepolitik, Protest Berliner Bezirksverordnetenvergegen ...................................149 sammlungen, Wahlen zu den ...182, As Sahab.......................32, 33, 35 222 ATD.......................................20 Beschaffung von Informationen..23, ATIF.....................................103 45, 56, 250, 251, 253, 255, 256, Atomkraftgegner, Störaktionen mili257, 259, 260 tanter ...................................155 Betätigungsverbot....................47 ATTAC.................................172 BIG..........................72, 73, 74, 75 AUJAH..........................144, 145 BIG-Moscheen.........................73 Aumühle...............................213 BIN LADEN, Usama ...........31, 33, Ausbildungs-Handbuch der Al Qaida .. 34, 35, 36, 37, 41, 43 .............................................31 BISKY, Lothar Dr. .......157, 159, 161 Auskunftserteilung....273, 296, 297 BKA.................121, 122, 123, 259 Außenwirtschaftsgesetz..256, 261 Blood & Honour.......................220 Außenwirtschaftsverordnung ...256 Bombay..................................38 autonome.harburger.antifa ......144 BPjM....................................219 Autonome Jugendantifa Hamburg .... Brandanschlag auf ein türkisches ....................................144, 145 Kulturzentrum in Hamburg-HammerAutonome Linke Hamburg .........144 brook .....................................98 310 Anhang / Stichwortverzeichnis Bremerforum..................207, 208 DAMAR, Hasan........................70 Bremer Hilfswerk e.V. ................56 DAMMANN, Adolf ...........182, 183 Brigittenstraße 5 ..............135, 138 Datenschutzbeauftragter ....20, 283 Brüssel.................................246 Datenübermittlung ...........272, 289 Bundesamt für die Sicherheit in der DECKER, P. Dr. .......................176 Informationstechnik ...............268 DECKERT, Günter...................188 Bundesamt für Wirtschaft und AusDelmenhorst..........................237 fuhrkontrolle...................257, 259 DEMBOWSKY, Martin .......184, 185 Bundeskriminalamt ..........123, 259 Demokratischer Konföderalismus .... Bundesverwaltungsgericht ........47 ...................................87, 92, 95 Bundeswehr.....................58, 254 Deutsche-Stimme-Pressefest ..219, Bündnis der Islamischen Gemeinden 220 in Norddeutschland e.V. .............72 Deutsches Kolleg....................192 Bündnis gegen imperialistische Deutsches Reich ..............192, 193 Aggression ..............136, 137, 138 Deutsche Afrika-Linien ...120, 129, 151 Deutsche Volksbewegung........222 C Deutschland-Pakt ..........180, 181, Castor ........140, 154, 155, 156, 157 186, 228, 233 Castor-Transport ....140, 154, 155, DHKC...................78, 99, 100, 101 156, 157 DHKP ............78, 99, 100, 101, 102 Castor-Transport, Ankett-Aktion DHKP-C .........78, 99, 100, 101, 102 anlässlich ..............................155 Die Kinder der Al-Aksa-Moschee CCH.......................................49 (Filmtitel) ................................74 CCHR...................................243 DIE LINKE..............................159 CDK........................92, 95, 96, 98 Die Linkspartei.PDS .......115, 116, Centrum Moschee ................73, 74 117, 119, 127, 157, 158, 159, China............................250, 259 160, 161, 162, 163, 167, 169, Citizens Commission on Human 170, 171, 172, 176 Rights ..................................243 Direkte Aktion........................142 Convergence Center Hamburg ...127 Dissent!.........114, 125, 126, 127, 130, 131, 132 D DK..........................192, 193, 194 "Dissent!"!-Netzwerk ......125, 126, DKP.......160, 164, 165, 166, 167, 127, 132 168, 170, 176 DA.......................................142 Dörverden......................236, 237 DABK...................................103 Dresden............186, 212, 220, 234 Dahab....................................38 dual use-Produkte...................257 DAKI, Mohamed.......................44 DVU..................4, 178, 180, 181, DAL........................120, 129, 130 182, 186, 196, 197, 198, 222, 311 Anhang / Stichwortverzeichnis 228, 231, 232, 233 Freie Nationalisten ....180, 182, 184, DVU-Landesverband Hamburg ..233 185, 204, 205, 208, 218, 228, 231 Freiheitsfalken Kurdistans ...86, 88, E 89, 90 EIGENFELD, Ulrich .....182, 183, 228 Freundeskreis Halbe ................211 Einbürgerungen, Regelanfrage bei .. FREY, Gerhard Dr. .........181, 186, .............................................21 232, 233 EL MOTASSADEQ, Mounir .........43 FSB...............................254, 260 EMUG....................................64 FSO.....................................254 Entrismuspolitik.....................171 Fußball-Weltmeisterschaft .....5, 22, Eppendorfer Org.....................247 39, 114, 134, 202, 225, 226, 267 ERBAKAN, Necmettin Prof. .........64 Fußball-Weltmeisterschaft; AkkrediERDOGAN, Recep Tayyip ...........86 tierungsverfahren im Zshg. mit der .... EU-Terrorliste....................92, 107 ................................22, 225, 267 EuGH.....................................92 EuGI..................................92, 93 G Euler-Hermes Kreditversicherung .... G10-Kommission.....................20 ....................................120, 129 G8 .......4, 10, 112, 113, 114, Europäischer Gerichtshof ...........92 119, 123, 124, 125, 126, 127, Expansion der SO ..........242, 244, 129, 130, 131, 132, 133, 135, 246, 247 138, 139, 140, 150, 157, 227 Explizit...................................47 G8-Gegner......................113, 131 Extrem-nationalistische türkische G8-Treffen, Anschläge im ZusamOrganisationen...................81, 83 menhang mit dem ......4, 127, 130 G8Xtra.................................126 F GADAHN, Adam Yahiye .............35 Familienwerk e.V. ...................238 Gaza........................37, 53, 54, 55 FATAH..............................54, 55 Gebietsrevisionisten ...............192 Fatwa....................................61 Gefährtschaft Nordmark ..........239 FAU..............................142, 143 GEGENARGUMENTE ..............175 FAURRISSON, Robert ..............189 GEGENSTANDPUNKT......174, 175 FESK......................................79 Geheimund Sabotageschutz ....12, FETTE MUKKE (Name der sog. Schul16, 264, 265 hof-CD) ..........................205, 218 Geheimschutz..........18, 264, 265, FIFA.....................................267 268, 269 Flughafen ..22, 39, 90, 188, 266, 267 Geheimschutz in der Wirtschaft ..269 Flüssigsprengstoff...................39 Geheimschutz in Hamburger BehörFPM.......................................57 den ......................................265 Freier Widerstand....................207 Generalbundesanwalt ..............261 Freie ArbeiterInnen Union ..........142 Geschichtsrevisionisten ....187, 189 312 Anhang / Stichwortverzeichnis Gewaltbereite Islamisten ......3, 31, 145, 146, 184, 217, 218, 221, 229 42, 45 Hartz IV..........................164, 214 Gewaltbereite Linksextremisten ..... Haspa............................112, 120 ...........................................116 HBgR................140, 144, 148, 167 Gewaltbereite Rechtsextremisten .... Heiliger Krieg..................26, 30, 45 ...........................................215 Heisenhof................236, 237, 239 GfP.........................234, 235, 236 HEKMAT..............................108 GG...............................14, 15, 16 Heldengedenken ..............210, 211 GHAEM MAGHAMI, Seyed Abbas... HEß, Rudolf ...186, 210, 211, 212, .............................................60 214, 238 Globalisierung ...112, 118, 123, 124, HEß-Kundgebung...................186 132, 165, 188, 214, 215, 223, 235 HEß-Marsch, regionale AlternativGorleben..................155, 156, 157 Veranstaltungen zum verbotenen .... Gottesstaat........................30, 46 ...........................................211 Großbritannien ...........33, 124, 192 Hilfsorganisation für nationale politiGRU..............................254, 255 sche Gefangene und deren AngehöGruppe Kritik und Diskussion ......175 rige e.V. ..............................210 GUS..............................250, 255 HIZB ALLAH.....27, 45, 48, 55, 56, 57, 58, 59, 62 H HIZB ALLAH, Moscheevereine in Hafen..............................31, 267 Deutschland ............................59 HafenSG...............................267 Hizb ut-Tahrir.................30, 45, 46 Hafensicherheitsgesetz...267, 276, HKO......................................79 287 HLA.....................................224 HAMAS.....30, 35, 45, 53, 54, 55, 56 HmbSÜG.....18, 265, 266, 276, 300 Hamburger Anti-G8-Bündnis.....132 HmbVerfSchG.........15, 18, 19, 272 Hamburger Bündnis gegen Rechts .. HNG....................................210 ............................140, 144, 148 Holocaust.......187, 188, 189, 190, Hamburger Jugendbündnis für Bil194, 212, 215 dung und Ausbildung .......138, 169 Holocaust-Konferenz in Teheran ...... Hamburger Liste für Ausländer...........................................188 stopp ..................................224 holocaustleugnende Ansichten ....... Hamburger Org ...243, 244, 246, 247 ....................................186, 189 Hamburger Volksfront .............185 home-grown-Terroristen ...........32 Hamburgisches SicherheitsüberprüHooligans................114, 134, 206 fungsgesetz ......................18, 265 Hotelgegner, Sachbeschädigungen Hamburgisches Welt-Wirtschaftsdurch militante .......................153 Institut .................................128 HPG........................79, 85, 87, 89 HANIYA, Ismail........................54 HUBBARD, L. Ron.............242, 245 Harburg.................73, 84, 97, 143, Hungerstreik.........................100 313 Anhang / Stichwortverzeichnis HUSSEIN, Saddam..................227 Iranische Islamisten...................59 HuT...................................46, 47 Iranische Oppositionelle...........106 HVA....................................166 IRVING, David..................189, 191 HWB....................................253 Islamischer Widerstand..............57 HWK....................................253 Islamisches Zentrum Aachen.......50 Islamisches Zentrum München....49 I Islamische Akademie Deutschland IAA......................................142 e.V. .......................................61 IAD...................................61, 63 Islamische Avantgarden.............50 IAS......................................245 Islamische Widerstandsbewegung ... IBN HANBAL, Imam Ahmad .........34 .............................................53 Ideale Org.......................244, 246 Islamische Wohlfahrtsorganisation IGD...............................49, 50, 51 e.V. .......................................56 IGMG.........26, 27, 28, 64, 65, 68, Islamische Zentren....................62 69, 70, 71, 72, 73, 74 Islamismus: Prozesse, ErmittlungsIGMG-Moscheevereine.............64 verfahren und Festnahmen..........43 IL.......114, 125, 126, 127, 131, 140 Islamismus: Transnationale islamistiIlisu-Staudamm-Projekt...........137 sche Organisationen ..................46 ILYAS, Mawlana Muhammad ......52 Islamistischer Terrorismus..........31 Imam Ali-Moschee....................60 Islamistische Terrorakte.............38 IMO.....................................267 ISPS-Code............................267 Impact...........................245, 246 Israel...............46, 47, 54, 55, 56, IMTECH.........................120, 128 57, 58, 59, 65, 66, 67, 102, 172, International Association of Scien173, 187, 220, 226, 232 tologists ...............................245 IWF...............................124, 150 International Maritime Organization .. IWO.......................................56 ...........................................267 IZ..........................................49 Internet.......................18, 32, 34, IZA........................................50 36, 37, 41, 43, 89, 90, 99, 100, IZH................27, 59, 60, 61, 62, 63 101, 105, 109, 130, 138, 155, 172, Izzaddin al-Qassam-Brigaden......53 175, 185, 194, 204, 205, 208, 211, 219, 226, 229, 230, 232, 251, 260 J Interventionistische Linke........114, JAMA'A IKHWAN AL-MUSLIMIN .... 125, 126, 131, 140 .............................................47 Iran............................27, 41, 56, Jihad.........26, 30, 37, 39, 41, 45, 59, 60, 62, 63, 78, 106, 107, 108, 46, 48, 54 109, 172, 173, 187, 188, 189, Jihad-Ideologie........................26 226, 232, 255, 256, 257, 261 Jihadisten......................30, 45, 52 Iranische Gemeinschaft in Hamburg JLO......................................186 e.V. .....................................107 JN.......................................221 314 Anhang / Stichwortverzeichnis Junge Landsmannschaft OstKONGRA GEL, Situation in Hamburg .. deutschland e.V. .....................186 .............................................94 KONGRA GEL, Verhaftungen von K Funktionären / Gerichtsverfahren .94 K&D.....................................175 Konkurrenzspionage...............259 KADEK..............................85, 92 KPD.................138, 141, 166, 168 Kalif.......................................46 KPD-Verbot....................138, 168 Kalifat....................................46 KPF........................116, 117, 160 KALKAN, Duran.......................87 Kreuzzügler...................37, 41, 66 Kameradenkreis Neonazis in Hamkriegsschuldleugnende Ansichten ... burg.................204, 205, 206, 229 ...........................................186 Kameradschaften....184, 205, 206, Kriegswaffenkontrollgesetz ......257 208, 209 KS.................................136, 137 Kampfhandlungen zwischen Israel KSM....................................169 und der Hizb Allah....................57 Kurdenfrage............................85 KAPING, Klaus.................189, 194 Kurdistan-Solidarität Hamburg ..136 KARAHAN, Yavuz Celik..............71 Kurdistan Volkshaus e.V. .......93, 94 KARAYILAN, Murat..............86, 93 KURTULMUS, Numan Prof. Dr. ........ KAYPAKKAYA, Ibrahim...102, 103, ........................................71, 73 104 KUTAN, Recai......................68, 71 KHALED, Amr..........................50 KVPM.....................243, 244, 247 KHAMENEI, Ayatollah...............62 KWKG..................................257 KHAN, Mohammed Siddique.......33 KHOMEINI, Ayatollah................62 L Kiel...................................39, 42 Landtagswahl 2008 in NiedersachKKK.............................87, 92, 93 sen......................................184 Kofferbombenanschläge, gescheiLandtagswahl in Baden-Württemterte ........................29, 33, 39, 42 berg.....................................181 KOMALEN CIWAN..........84, 97, 98 Landtagswahl in Mecklenburg-VorKommission für Verstöße der Psychipommern..........180, 181, 222, 223 atrie gegen Menschenrechte.....247 Landtagswahl in Rheinland-Pfalz ...... Kommunistische Partei Deutsch...........................................181 lands .............................138, 141 Landtagswahl in Sachsen-Anhalt ..... Kommunistische Plattform.......160 ...........................................181 Kommunistische Union der Jugend Legalresidenturen...................255 der Tschechischen Republik......169 LfV Hamburg.....5, 15, 16, 18, 19, KON-KURD........................92, 94 20, 21, 22, 30, 32, 33, 45, 74, KONGRA GEL.........79, 83, 84, 85, 127, 161, 181, 199, 220, 222, 86, 87, 89, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 224, 225, 250, 257, 264, 265, 97, 98, 137 266, 267, 268, 269, 272, 274, 315 Anhang / Stichwortverzeichnis 275, 276, 278, 280, 282, 284, Linksextremistischer Terrorismus .... 285, 287, 290, 291, 292, 293, ........................................... 121 295, 297, 298, 299, 300 Linksextremistische Gewalttaten in LfV Hamburg, Arbeitsweise und Hamburg ..............................120 Befugnisse..............................18 Linksextremistische GlobalisierungsLfV Hamburg, Aufgaben des .......15, gegner .................................. 124 16, 272, 274, 275, 279, 292, 293 Linksextremistisch motivierte KrimiLfV Hamburg, Befugnisse des ....... nalität..................................119 .............................272, 276, 278 Linkspartei.PDS, Landesverband LfV Hamburg, Erheben und weitere Hamburg ........................119, 162 Verarbeitung von Informationen Linksruck.................171, 172, 173 durch............................272, 278 Linksruck-Netzwerk ................172 LfV Hamburg, ExtremismusbeobachLITWINENKO, Alexander..........255 tung .......................................16 LIZ.........................142, 143, 176 LfV Hamburg, GeheimschutzbetreuLKA.................142, 143, 152, 176 ung durch ..............................269 London .......32, 33, 38, 47, 236, 255 LfV Hamburg, gesetzliche GrundLondoner U-Bahnnetz, Anschlag auf lage für die Arbeit des................15 das. .......................................33 LfV Hamburg, Haushaltsansatz für LTTE......................................80 das ........................................20 Luftsicherheitsgesetz .......266, 267 LfV Hamburg, Informationsverarbeitung durch ..........................19 M LfV Hamburg, Kontrolle des 20, 148, M.A.M.I................................128 156, 159, 188, 260, 273, 298, 299 Madrid................... ............33, 44 LfV Hamburg, MitwirkungsaufgaMAHDJOUB, Abderrazak...........44 ben des ................................265 MAHLER, Horst..............188, 189, LfV Hamburg, Organigramm ........23 190, 191, 192, 193, 194 LfV Hamburg, parlamentarische KonMARX, Peter...................227, 228 trolle des.........................273, 298 Marxismus-Leninismus .....135, 164 LfV Hamburg, Stellenplan...........20 Marxistische Gruppe...............173 LfV Hamburg, Strukturdaten.......20 MASCH................................170 LfV Hamburg, WirtschaftsschutzMassenvernichtungswaffen....256, Tagungen des.........................269 257, 258 Libanesische Organisationen......53 M a s s e n v e r n i c h t u n g s w a f f e n , Libanon.......39, 48, 55, 56, 57, 58, Methoden bei der Beschaffung von .. 59, 66, 67, 75, 102, 105, 137 ...........................................257 Libanon-Konflikt.............48, 66, 75 Materieller Geheimschutz.........268 Libertäres Zentrum....142, 143, 176 MB.....................47, 48, 49, 50, 53 Likedeeler.............................168 MEENEN, Uwe.......................192 MEK..................78, 106, 107, 256 316 Anhang / Stichwortverzeichnis MESHAL, Khalid.......................54 Nachrichtendienstliche Mittel....16, MG..................173, 174, 175, 176 18, 281, 290 mg.........................121, 122, 123 Nachrichtengewinnung..........251 MG, Jour fixe der.....................175 NADIS...............................19, 21 mg-Brandanschläge................123 NASRALLAH, Hassan................58 MHP....................................102 Nationaler Widerstandsrat Iran ...106 Migration als Protestthema.....113, Nationales und Soziales Aktions126, 150 bündnis Norddeutschland .........206 militante gruppe.....................121 Nationale Befreiungsarmee.......106 Milli Gazete......64, 65, 66, 67, 69, National Zeitung / Deutsche Wochen70, 72, 73, 74 Zeitung.................................232 Milli Görüs........26, 64, 65, 66, 67, Nation & Europa................187, 235 68, 69, 70, 71, 73, 74, 75 NATO........128, 226, 227, 246, 264 MISCAVIGE, David...........245, 246 Naziläden..............................146 MKP.........................79, 103, 104 Neonaziund Skinheadszene in BramMLKP.................79, 104, 105, 106 feld...........204, 205, 209, 213, 229 Mohammed, der Ägypter...........44 Neonazis.........4, 5, 146, 147, 171, MOHAMMED, Lokman Amin.......43 178, 179, 184, 196, 197, 198, 199, Mohammed-Karikaturen......34, 39, 203, 204, 205, 206, 207, 209, 212, 40, 41, 42, 61, 75, 84, 100 213, 214, 216, 217, 218, 229, 231 Moschee in Bergedorf, rechtsextreneonazistisch beeinflusste Skinmist. Protest gegen eine...185, 230 heads ...................................203 Mozart-Oper "Idomeneo"...........42 Neonaziszene.........179, 200, 203, MTF.......................................58 205, 206, 229 Mujahidin.............31, 32, 36, 37, 41 Netzwerk international agierender MÜNTEFERING, Franz...............40 terroristischer Gruppierungen.....31 Muslimbruderschaft......47, 48, 49, NLA.....................................106 50, 53 Nord-Korea...........................257 Nordische Zeitung...................239 N Nostorf-Horst........................151 Nachrichtendienste...........18, 100, NOURBAKHSH, Younes.............60 250, 251, 252, 253, 254, 255, NPD.......4, 5, 140, 146, 147, 148, 256, 259, 260, 272, 289 167, 178, 179, 180, 181, 182, Nachrichtendienste der Russischen 183, 184, 185, 186, 188, 194, Föderation............................253 196, 197, 198, 199, 200, 205, Nachrichtendienste von Staaten des 207, 208, 214, 216, 217, 218, Nahen, Mittleren und Fernen Ostens .. 219, 220, 221, 222, 223, 224, ........................................... 255 225, 226, 227, 228, 229, 230, Nachrichtendienstliches 231, 232, 233, 234, 237, 238 Informationssystem .................19 NPD, antiamerikanische Hetze...226 317 Anhang / Stichwortverzeichnis NPD, Bundesparteitag.......186, 227 Papst Benedikt..........................41 NPD, G8-Gipfeltreffen..............227 Parlamentarischer KontrollausNPD, Öffentlichkeitsarbeit in Hamschuss ......................20, 273, 298 burg .....................................229 Partei Gottes............................56 NPD, Wortergreifungsstrategie ....... PASTÖRS, Udo................224, 225 ....................................189, 224 PDS................115, 116, 117, 119, NPD-Landesvorstand Hamburg ....... 157, 158, 159, 160, 161, 162, 163, ....................................179, 186 167, 169, 170, 171, 172, 176, 226 NPD Hamburg..........179, 183, 184, Personeller Geheimschutz...21, 265 185, 186, 194, 221, 228, 229, 230 Personeller Sabotageschutz.......22 NPD im sächsischen Landtag..222 PGA.....................................132 NPD und Antiimperialismus.....227 PGA-Eckpunkte.....................132 NSAN...................................206 PKA.......................................20 NWRI........................78, 106, 107 PKK...........79, 84, 85, 86, 87, 89, NZ................................232, 233 92, 93, 97, 98, 136, 137 PKK, Betätigungsverbot für die...85 O PLC.......................................53 OBERLERCHER, Reinhold Dr. ...192, PLO.......................................54 194, 223 PMK..........29, 84, 119, 120, 121, ÖCALAN, Abdullah.......79, 85, 86, 199, 202 88, 89, 90, 92, 95, 97, 137 Politisch motivierte AusländerkrimiÖCALAN, Osman......................92 nalität ....................................84 Office of Special Affairs.............247 Politisch motivierte Kriminalität von OMF-BRD.............................193 Islamisten ...............................29 Organisationsform einer Modalität Projekt Schulhof.....................218 der Feindmächte des Deutschen ReiProliferation...........250, 256, 257, ches .....................................193 259, 269 Orthodoxe Kommunisten.........163 Proliferationsverstöße, Beispiele für. OSA.....................................247 ...........................................261 Outing-Aktion gegen RechtsextreProliferation und Wissenstransfer misten ..................................146 durch Nachrichtendienste der Krisenländer ..............................256 P PUTIN, Wladimir.....................260 Pakistan........31, 33, 39, 52, 70, 257 Palästina..........35, 36, 37, 38, 54, R 66, 102, 105, 135, 137, 138 Race War........................219, 220 Palästina-Solidaritätsbündnis HamRAF........................112, 121, 135 burg .....................................137 Ratgebergremium der Mujahidin.36 Palästinensische Organisationen.53 Rat der islamischen GemeinschafPapst-Vorlesung.............40, 49, 75 ten in Hamburg e.V. .................63 318 Anhang / Stichwortverzeichnis RB...................192, 193, 194, 253 Rostock.........113, 126, 141, 157, RBB........................192, 193, 194 223, 224 Rechtsextremistische Musik.....218 Rote Flora.......127, 133, 134, 135, Rechtsextremistische Musik im Inter147, 148, 149, 154, 155, 176 net.......................................219 Rote Hilfe e. V. .........................141 Rechtsextremistische Musik und RUDOLF, Germar............189, 190, Vertriebe...............................218 191, 236 Rechtsextremistische Skinheads ... Russische Föderation........253, 254 ....................196, 198, 203, 204, Russland..........55, 124, 225, 250, 206, 215, 216, 217, 218 254, 259, 260 Rechtsextremistische Straftaten ..... ..............................199, 200, 201 S Rechtsextremistische Vertriebe ...... Saadet Partisi.................64, 67, 73 ...........................................218 Sabotageschutz...........16, 22, 23, Rechtsextremistisch motivierte Kri264, 265, 266, 267, 268 minalität ...............................199 SALAM..................................61 REDLER, Lucy..................171, 172 SAND............................155, 156 Referenzpersonen..................266 SAV..............................171, 172 Regelanfrage bei Einbürgerungen 21 Schanzenpark.........114, 133, 141, Reichsbürgerbewegung...192, 193, 151 194 Scharia.........................29, 46, 53 Reichsbürgerbewegung-Region Schengener Visumverfahren.......21 Hamburg..............................194 SCHLIERER, Rolf Dr. ................180 Reichsbürgerbewegung-Region Schulhof-CD...................205, 218 Nord....................................194 SCHURA............................63, 74 Reichsgruppierungen.......192, 194 Scientology......17, 242, 243, 244, REP...............178, 180, 181, 185, 245, 246, 247 195, 196, 197, 198, 222 Scientology, Strukturen in Hamburg .. Repression und Widerstand (Bro...........................................246 schüre) .................................154 Scientology-Organisation....17, 23, Revisionismus ..........186, 188, 213 242, 243, 244, 246, 247 RGK.....................................253 Scientology Kirche Berlin e.V. ..242 RIEFLING, Dieter.....................182 Scientology Kirche Deutschland RIEGER, Immobilien des .........236 e.V. .....................................242 RIEGER, Jürgen......179, 183, 194, SDAJ.............138, 166, 168, 169, 211, 221, 222, 223, 228, 229, 170, 176 236, 237, 238, 239 SED..............................157, 160 RLS.....................................170 Selbstmord-Attentat............55, 72 ROCHOW, Stefan....................221 Shurarat der Mujahidin................37 Rosa-Luxemburg-Stiftung........170 Sicherheitsbefragung der Ausländer319 Anhang / Stichwortverzeichnis dienststellen............................21 Terrorismusbekämpfungsgesetz..... Sicherheitsbereich..................266 .......................................19, 267 Sicherheitsüberprüfungen ........18, THÄLMANN-Gedenkstätte in Ham21, 225, 265, 266, 287, 289 burg .....................................168 Skinhead-Konzerte ...........216, 221 Thormählen Schweißtechnik AG...... SO...........17, 242, 243, 244, 245, ...........................................128 246, 247 TIKKO..............................78, 102 SoL......................................138 TIT.........................................98 Sonstige rechtsextremistische OrgaTKP/ML.....................78, 102, 103 nisationen und Bestrebungen ...234 Todesfasten....................100, 101 Sozialistische Alternative..........171 Trainingscamps........................31 Sozialistische Linke..........138, 169 Trennungsgebot.......................19 Sozialpatriotisches Bündnis LüneTrotzkisten.............118, 119, 170, burg.....................................185 171, 176 SP.................64, 65, 67, 68, 71, 73 Türkische Islamisten..................64 SPB...............................183, 185 Türkische Rachebrigade.............98 SPI...........................78, 108, 109 Türkische revolutionär-marxistische Spionageabwehr....16, 18, 250, 254 Gruppierungen.........................99 Sri Lanka.................................80 TÜTER, Cemal..........................69 Stadt.Land.Fluss - Kein Raum den TV 5..............................64, 71, 72 Nazis ....................................145 Stadtentwicklung............112, 151 U Sudan..............................37, 128 ÜCÜNCÜ, Oguz..............69, 71, 72 Sunna.................29, 36, 48, 52, 69 UNIFIL....................................58 SWR..............................254, 255 Unsere Zeit............................166 Syrien..................................257 UZ.......................................166 T V Tabligh-i Jama'at.................52, 53 Verarbeitung personenbezogener TAGHAVI, Mohammad Nasser.....60 Daten .....................272, 278, 286 Tag der Brüderlichkeit und SolidariVERBEKE, Siegfried...........189, 191 tät.........................................70 Verein freier Frauen aus MesopotaTag der offenen Moschee.............61 mien e.V.................................94 TAK...............86, 88, 89, 90, 91, 92 Verein zur Rehabilitierung der wegen TAK-Anschläge in der Türkei........88 Bestreitens des Holocaust VerfolgTaleban...................................32 ten.......................................189 TANWEER, Shazad....................33 Verfassungsschutz.......3, 4, 5, 14, TAYAD...........................100, 101 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 23, 74, Teheran..............41, 106, 188, 257 218, 242, 253, 264, 267, 268, 269, 272, 273, 274, 275, 276, 320 Anhang / Stichwortverzeichnis 278, 279, 280, 281, 282, 283, Wirtschaftsschutz..................269 284, 285, 286, 287, 289, 290, Wirtschaftsschutz und Geheim291, 292, 293, 294, 295, 296, schutz in der Wirtschaft.............269 297, 298, 299, 300 Wirtschaftsspionage ......250, 259, Verfassungsschutzgesetz .........15, 269 265, 272 WISE....................................247 Verschlusssachen...........264, 265, WISE Charter Komitee..............247 266, 268 WOLF. Markus.......................166 VEVAK..........................255, 256 WORCH, Christian..........182, 183, VHO.....................................191 185, 207, 208, 209, 211, 212, Viertes Reich..........................192 214, 230 VOIGT, Udo....181, 182, 186, 222, World Institute of Scientology Enter223, 227, 228 prises...................................247 Volksfrontstrategie.....4, 178, 180, WTO.............................124, 150 181, 182, 183, 184, 185, 199, WTSfFL................................236 208, 222, 228, 234 WTSL...................................236 Volkshaus, zentrale Anlaufstelle für WULFF, Thomas.....204, 223, 224, KONGRA GEL-Anhänger in Hamburg 228, 231 .............................93, 94, 95, 105 Wunsiedel......186, 210, 211, 212, Volksmodjahedin Iran-Organisation .. 214, 238 ................................78, 106, 255 Volksrat..................................96 Volksverhetzung.....189, 191, 219, 236, 239 X von BEUST, Ole.........................74 VRBHV..........................189, 194 x-tausendmal quer............155, 157 Vrij Historisch Onderzoek..........191 VVN/BdA..............................167 Y Yatim Kinderhilfe e.V...............56 W YEK-KOM.................92, 93, 94, 96 WASG............115, 158, 159, 160, Yeni Özgür Politika..............93, 95 161, 162, 163, 171, 172, 173 YOLDAS, Mustafa.....................74 Wasserturm(s), Umbau des eheYÖP..................................95, 98 maligen ... im Schanzenpark in ein YOSPI..................................109 Hotel.....................114, 133, 151 WEF.....................................124 Z Wilhelm Tietjen Stiftung für FertiliZECK.............................134, 154 sation Limited ........................236 Zehras blaue Augen (Filmtitel) ...71, Wilhelm Tietjen Stiftung Limited..... 74 ...........................................236 321 Anhang / Stichwortverzeichnis Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) ..............................63 ZKA.....................................259 ZMD......................................63 Zollkriminalamt......................259 ZÜNDEL, Ernst...............189, 190, 191, 236 Zuverlässigkeitsüberprüfung......22, 266, 267, 276, 287 ZYSK, Anja............183, 185, 222, 229, 230, 231 322