Verfassungsschutzbericht 2005 Landesamt für erfassungsschutz www.verfassungsschutz.hamburg.de Herausgeber: Freie und Hansestadt Hamburg Behörde für Inneres Landesamt für Verfassungsschutz Johanniswall 4, 20095 Hamburg Telefon: 040 / 24 44 43 Telefax: 040 / 33 83 60 Internet: http://www.verfassungsschutz.hamburg.de E-Mail Öffentlichkeitsarbeit: info@verfassungsschutz.hamburg.de Auflage 2.000 Juni 2006 Redaktionsschluss: 28.02.06 Satz/Layout, Grafik: Landesamt für Verfassungsschutz Druck: Anweco, Trittauer Amtsweg 9, 22179 Hamburg Vorwort Vorwort des Senators Udo NAGEL Liebe Hamburgerinnen und Hamburger, die Anschläge von London im Juli 2005 haben verdeutlicht, wie nahe die Gefahr durch Anschläge islamistischer Terroristen auch für Deutschland ist, auch wenn bisher keine konkreten Anschlagsvorbereitungen bekannt geworden sind. Die Hamburger Sicherheitsbehörden unternehmen alle Anstrengungen, um gewaltbereite Islamisten in der Stadt unter Beobachtung zu halten und nach Möglichkeit aus Deutschland auszuweisen. Dies ist in den vergangenen Jahren erfreulicherweise auch mehrfach gelungen. Es wäre allerdings eine Illusion zu glauben, eine so schwer zu überschauende Szene wie den gewaltbereiten Islamismus vollständig ausleuchten zu können. Auch die Tatsache, dass Deutschland sich nicht mit Soldaten am Krieg im Irak beteiligt, bedeutet keinen Schutz vor militanten Aktionen gewaltbereiter Islamisten. Die brutale Gewalt in London wurde von einem neuen Tätertyp verübt. Dieser Anschlag hat neue Ermittlungsansätze erkennen lassen. Die Terroristen waren größtenteils in Großbritannien geboren oder dort aufgewachsen und scheinbar in ihr soziales Umfeld integriert. Deshalb muss der Verfassungsschutz sich auch stärker auf die Angehörigen der islamistischen Szene konzentrieren, die schon seit langem hier leben und weniger über Organisationen, sondern eher über persönliche Beziehungen und Szenekontakte miteinander verbunden sind. Die Beobachtung des Islamismus, insbesondere islamistischer Terroristen, ist seit 2001 eindeutiger Aufgabenschwerpunkt des Hamburger Verfassungsschutzes. Der Ausbau der ämterund behördenübergreifenden Terrorismusbekämpfung ist in diesem Zusammenhang eine wichtige Aufgabe meiner Behörde. Die Einrichtung der Dienststelle Anti-Terror-Koordination in der Innenbehörde Anfang 2005, in der unter anderem Erkenntnisse des Verfassungsschutzes, aber auch der Polizei und des Einwohner-Zentralamtes gebündelt werden, um gefährliche Ausländer auszuweisen, ist dafür ein prägnantes Beispiel. 3 Vorwort Zur Fußball-Weltmeisterschaft: Die Freie und Hansestadt Hamburg ist Gastgeberin von fünf WM-Spielen und freut sich auf Gäste aus aller Welt. Diese Gäste sollen und werden sich bei uns wohl fühlen - aber sie werden sich nur dann wohl fühlen, wenn sie sich sicher fühlen - und auch sicher sind. Daher bereiten sich die Hamburger Sicherheitsbehörden, auch der Verfassungsschutz, seit Monaten und Jahren intensiv auf das sportliche Großereignis vor. Ohne ein Szenario herbei reden zu wollen: Sowohl für deutsche Linksund Rechtsextremisten als auch für ausländische Extremisten könnte die WM Anknüpfungspunkte bieten. Derzeit liegen den Sicherheitsbehörden keine konkreten Hinweise auf terroristische Gefährdungen oder die Planung von Großaktionen vor. Gleichwohl wird der Hamburger Verfassungsschutz die Aktivitäten in allen Extremismusfeldern sorgfältig beobachten, um vorbereitet zu sein. Nicht zuletzt ist er in die Überprüfung der Zuverlässigkeit von Personen eingebunden, die in den Sicherheitsbereichen der WM arbeiten müssen. Auch wenn der Ausländerextremismus, und dabei insbesondere der gewaltbereite Islamismus, höchste Priorität hat, darf der Verfassungsschutz die Beobachtung anderer extremistischer Bestrebungen nicht vernachlässigen. Hierzu zählen insbesondere der Linksund Rechtsextremismus. Zwei Themen beherrschten 2005 die Diskussion und das Handeln der Hamburger autonomen Szene: Der Umbau des Wasserturms im Schanzenpark zu einem Hotel und das Gipfeltreffen der Regierungschefs der führenden Industrienationen (G8) im Juni 2007 in Heiligendamm, Mecklenburg-Vorpommern. Die Entwicklung des Rechtsextremismus in Deutschland verlief 2005 unterschiedlich. Während die Gesamtzahl der Rechtsextremisten seit Jahren kontinuierlich abnimmt, verfestigte sich seit 2004 der Aufschwung in Teilen der Szene. Den größten Zuwachs hatte die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD). Die Fortsetzung der "Volksfrontstrategie" des Jahres 2004 [Wahlabsprachen zwischen NPD und der "Deutschen Volksunion" (DVU) sowie Zusammenarbeit von NPD mit Neonazis] führte im Jahr 2005 zwar zu deutlichen Stimmengewinnen, aber nicht zu Bundesoder Landtagsmandaten. 4 Vorwort In Hamburg stieg die Gesamtzahl der Rechtsextremisten leicht an. Auch hier war im Jahr 2005 die NPD - mittlerweile mit neuer Führung im Landesvorstand - der Kristallisationspunkt im rechtsextremistischen Gefüge. Die Partei konnte einen erheblichen Mitgliederzuwachs verzeichnen, unter anderem aus den Kreisen von Neonazis und neonazistisch geprägten Skinheads. Der vorgelegte "Verfassungsschutzbericht 2005" gibt einen Überblick über die Gefährdungen des demokratischen Rechtsstaates durch politisch motivierte extremistische Bestrebungen. Er zeigt auch, wie intensiv das Landesamt für Verfassungsschutz diese Gefahren beobachtet und analysiert. "Mehr Sicherheit für Hamburg" soll kein Schlagwort, sondern Forderung und Anspruch zugleich für alle Felder der Hamburger Sicherheitspolitik sein. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hamburger Verfassungsschutzes sind sich ihrer besonderen Verantwortung dabei bewusst. Präses der Behörde für Inneres der Freien und Hansestadt Hamburg 5 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Inhaltsverzeichnis I. Verfassungsschutz in Hamburg 1. Verfassungsschutz und Demokratie 14 2. Gesetzliche Grundlage 15 3. Aufgaben des Verfassungsschutzes 15 3.1 Extremismusbeobachtung 16 3.2 Spionageabwehr und Geheimschutz 18 4. Arbeitsweise und Befugnisse des 18 Verfassungsschutzes 5. Informationsverarbeitung 19 6. Kontrolle 20 7. Strukturdaten 20 8. Organigramm 22 II. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick 24 2. Potentiale 27 3. Politisch motivierte Ausländerkriminalität 29 4. Islamismus 30 4.1 Allgemeines 30 4.2 Islamistische Terroristen und gewaltbereite Islamisten 33 4.2.1 "Al-Qaida" / Islamistischer Terrorismus 33 * "Al-Qaida" 33 * "Al-Qaida im Zweistromland" (Irak) und auf der 34 arabischen Halbinsel * Anschlagsserien in London 36 * 07.07.05 36 * 21.07.05 37 * Weitere Anschläge weltweit 38 4.2.2 Prozesse, Ermittlungsverfahren und Festnahmen 39 4.2.3 Situation in Hamburg 41 * Allgemeines 41 8 Inhaltsverzeichnis * Vermischung von Allgemein-Kriminalität und 43 Islamismus 4.2.4 Transnationale Organisationen 44 * Hizb ut-Tahrir (HuT) 44 * Muslimbruderschaft (MB) 45 * Tabligh-i Jama'at (TJ) 48 4.2.5 Palästinensische / Libanesische Organisationen 49 * HAMAS 49 * HIZB ALLAH 51 4.3 Türkische Islamisten 53 4.3.1 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) 53 * Situation in Hamburg 60 4.3.2 Verband der islamischen Vereine und Gemeinden 64 e.V. - "Der Kalifatstaat" - (ICCB) 5. KONGRA GEL (Volkskongress Kurdistans; 66 vorher KADEK, früher PKK) 5.1 Entwicklungen und Organisatorisches 66 5.2 Aktivitäten und Schwerpunkte 70 5.3 Situation in Hamburg 74 6. Türken 78 6.1 Allgemeines 78 6.2 Revolutionär-marxistische Gruppierungen 79 * DHKP-C 80 (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) * TKP/ ML 83 (Türkische Kommunistische Partei / MarxistenLeninisten) * MKP (Maoistische Kommunistische Partei) 84 * MLKP 85 (Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei) 7. Iraner 87 7.1 Allgemeines 87 7.2 Anhänger der iranischen "Islamischen Revolution" 88 9 Inhaltsverzeichnis 7.3 Iranische Oppositionelle 90 * Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) 90 * Arbeiterkommunistische Partei Iran (API) 91 * Sozialistische Partei Iran (SPI) 93 III. Linksextremismus 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick 96 2. Potentiale 102 3. Linksextremistisch motivierte Kriminalität 105 4. Linksterroristische Bestrebungen / Antiimperialisti107 scher Widerstand (AIW) 5. Autonome und anarchistische Gruppen 112 5.1 Gruppen und Strukturen in Hamburg 112 * Rote Flora 112 * Antideutsche / Antinationale 114 * "AVANTI", Projekt undogmatische Linke 116 * Nadir / Indymedia 118 * "Rote Hilfe e. V." 119 * "Libertäres Zentrum (LIZ)" und "Libertäres 120 Kommunikationsund Aktionszentrum (LKA)" 5.2 Aktionsfelder 121 5.2.1 "Antifaschismus" 121 5.2.2. Antirassismus 124 5.2.3 Linksextremistische Einflussnahme auf die 127 Anti-AKW-Bewegung 5.2.4 Linksextremistisch beeinflusste Initiativen gegen 130 Stadtentwicklung 5.2.5 Linksextremistische Einflussnahme auf die 135 Antiglobalisierungsbewegung 6. "Die Linkspartei.PDS" 140 7. Orthodoxe Kommunisten 144 * "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 145 * "Assoziation Marxistischer StudentInnen" (AMS) 149 * "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) 150 10 Inhaltsverzeichnis * "Marxistische Abendschule Hamburg - Forum für 152 Politik und Kultur e.V." (MASCH) * "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes 152 - Bund der Antifaschisten" (VVN-BdA) 8. Trotzkisten 155 * "Sozialistische Alternative" (SAV) 155 * "Linksruck"-Netzwerk 156 * "Revolutionär Sozialistischer Bund" (RSB) 157 9. "Marxistische Gruppe" (MG) 158 IV. Rechtsextremismus 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick 162 * "Volksfront von Rechts" 164 2. Potentiale 169 3. Rechtsextremistisch motivierte Kriminalität 173 * Rechtsterroristische Bestrebungen 175 4. Aktionistisch orientierte Rechtsextremisten 176 4.1. Bestrebungen in Hamburg und im Umland 177 4.2 Bestrebungen im Bundesgebiet 181 4.3 Aktivitäten 183 5. Sonstige rechtsextremistische Skinheads und andere 190 gewaltbereite Rechtsextremisten 6. Skinhead-Musik und -Vertriebe 192 7. Rechtsextremistische Parteien 196 7.1 Die Republikaner (REP) 196 7.2 Deutsche Volksunion (DVU) 199 7.3 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 201 * Hamburg 206 8. Sonstige rechtsextremistische Organisationen und 207 Bestrebungen * Dr. Reinhold OBERLERCHER und Horst MAHLER 210 * Jürgen RIEGER 212 11 Inhaltsverzeichnis V. Scientology-Organisation (SO) 1. Zielsetzungen 216 2. Aktivitäten 217 3. Strukturen in Hamburg / Mitgliederzahlen 220 VI. Spionageabwehr 1. Überblick 224 2. Methoden der Nachrichtengewinnung 225 3. Die Nachrichtenund Sicherheitsdienste der 226 Russischen Föderation 4. Die Nachrichtendienste von Staaten des Nahen, 228 Mittleren und Fernen Ostens 5. Proliferation und Wissenstransfer durch die 229 Nachrichtendienste der Krisenländer VII. Geheimund Sabotageschutz 1. Allgemeines 234 2. Geheimschutz im Behördenbereich 235 2.1 Materieller Geheimschutz 235 2.2 Personeller Geheimschutz 236 3. Geheimschutz in der Wirtschaft 237 4. Personeller Sabotageschutz 238 Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz 242 * Abkürzungsverzeichnis 271 * Stichwortverzeichnis 277 12 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Verfassungsschutz in Hamburg I. Verfassungsschutz in Hamburg 1. Verfassungsschutz und Demokratie Im Gegensatz zur Weimarer Verfassung, die in ihrem Anspruch, ein Höchstmaß an Freiheit und Demokratie zu garantieren, darauf verzichtet hatte, ausreichende Vorkehrungen gegen ihrer eigene Abschaffung zu treffen, baut das Grundgesetz auf dem Prinzip der wehrhaften Demokratie auf. Zu den obersten Werten unserer Verfassung zählen * die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten * die Volkssouveränität * die Gewaltenteilung * die Verantwortlichkeit der Regierung * die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung * die Unabhängigkeit der Gerichte * das Mehrparteienprinzip * die Chancengleichheit für alle politischen Parteien und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Zu den Merkmalen der wehrhaften Demokratie gehört neben der Wertegebundenheit auch die Abwehrbereitschaft, und zwar bereits im Vorfeld strafbarer Handlungen. Zu diesem Zweck wurden auf der Grundlage der Art. 73 Nr. 10 b und Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder gebildet. Sie sind Bestandteil eines in verschiedenen Regelungen des Grundgesetzes (Art. 9 Abs. 2 GG, SS 18 GG, SS 21 Abs. 2, Art. 79 Abs. 3 GG) normierten, umfassenden Verfassungsschutzsystems. Nach dem Wortlaut des Gesetzes dienen sie dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sowie des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder (vgl. SS 1 Abs. 1 des Hamburgischen Verfassungsschutzgesetzes - HmbVerfSchG, Anhang). 14 Verfassungsschutz in Hamburg Wegen seines Auftrags, frühzeitig politisch-extremistische Bestrebungen zu erkennen, wird der Verfassungsschutz mitunter als "Frühwarnsystem" der Demokratie bezeichnet. 2. Gesetzliche Grundlage Das Hamburgische Verfassungsschutzgesetz (HmbVerfSchG - Gesetzestext Anhang) bildet die gesetzliche Grundlage für die Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV). Der Verfassungsschutz ist, wie jede andere Behörde auch, bei der Erfüllung seiner Aufgaben an Gesetz und Recht gebunden und muss bei etwaigen Eingriffen in die Rechte der Bürger den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. 3. Aufgaben des Verfassungsschutzes Hauptaufgabe des LfV ist nach SS 4 Abs. 1 HmbVerfSchG die Sammlung und Auswertung von Informationen über * Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der verfassungsmäßigen Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben, * sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht in der Bundesrepublik Deutschland, * Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, * Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Absatz 2 des Grundgesetzes), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Absatz 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind (SS 3 Absatz 1 BVerfSchG). 15 Verfassungsschutz in Hamburg Das Landesamt wertet die mit offenen oder mit nachrichtendienstlichen Mitteln ( I.,4.) gewonnenen Erkenntnisse aus und informiert über entsprechende Gefahren. Neben seiner Informationsverpflichtung gegenüber dem Senat und der Weitergabe von Informationen an andere Stellen informiert das LfV mit seinem jährlichen Verfassungsschutzbericht, mit weiteren Publikationen sowie aktuellen Meldungen und Hintergrundberichten auf seiner Internetseite auch die Öffentlichkeit über die Ergebnisse seiner Arbeit - soweit diese offen dargestellt werden können. Extremisten erzielen nur dann nachhaltige Erfolge, wenn es ihnen gelingt, die Bürger über ihre wirklichen Absichten zu täuschen. Verfassungsschutz durch Information der Öffentlichkeit ist daher ein wichtiges Anliegen. Zentrale Beobachtungsfelder sind Rechtsund Linksextremismus sowie extremistische Bestrebungen von Ausländern. Einen besonderen Beobachtungsschwerpunkt bilden seit 2001 der Islamismus und der islamistische Terrorismus. Die Extremismusbeobachtung umfasst auch Maßnahmen gegen Gefahren, die noch im Vorfeld konkreter Straftaten liegen. Neben der Beobachtung politisch-extremistischer Bestrebungen und der Spionageabwehr gehört die Mitwirkung beim Geheimund Sabotageschutz zu den weiteren Aufgaben des Verfassungsschutzes. 3.1 Extremismusbeobachtung Der gesetzliche Auftrag zur Extremismusbeobachtung bezieht sich auf alle Formen des politischen Extremismus. Beobachtet werden verfassungsfeindliche Positionen von linken, rechten, religiös oder pseudoreligiös motivierten Extremisten. Dabei macht es keinen Unterschied, ob diese Bestrebungen von Deutschen oder von Ausländern ausgehen. Der Ausländerextremismus ( II.) wird außer von islamistischen vorwiegend von linksextremistischen Bestrebungen geprägt. Der Verfassungsschutz sammelt nicht nur Informationen über Aktivitäten von Ausländern, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten, sondern vor allem über ausländische Organisationen und Gruppen, die ihre politischen Auseinandersetzungen mit Gewalt 16 Verfassungsschutz in Hamburg auf deutschem Boden austragen. Darüber hinaus unterliegen Aktivitäten von Organisationen und Gruppen, die vom Bundesgebiet aus Gewaltaktionen in anderen Staaten vorbereiten oder durchführen und dadurch auswärtige Belange Deutschlands beeinträchtigen, der besonderen Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Linksextremisten ( III.) wollen die freiheitliche Demokratie beseitigen und an ihre Stelle eine kommunistische Diktatur setzen oder "herrschaftsfreie" Strukturen (Anarchie) schaffen. Sie rechtfertigen ihre Gewalt zumeist als legitime "Gegengewalt" oder als "zivilen Ungehorsam". Sachbeschädigungen - selbst in Millionenhöhe - werden von ihnen bagatellisiert. Linksextremistische Terroristen haben mit Attentaten in der Vergangenheit viele Menschen getötet, sogenannte Autonome propagieren Militanz und verüben Gewaltakte gegen Personen und Sachen. Rechtsextremisten ( IV.) verfolgen zumeist das Ziel eines autoritären "Führerstaates". Sie reden einem Nationalismus und völkischen Kollektivismus das Wort, der sich gegen die Völkerverständigung richtet, ethnische Minderheiten ausgrenzt und rassistisch geprägt ist. Die meisten Rechtsextremisten spielen die Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft herunter oder leugnen sie. Fremdenhass und Antisemitismus bilden die ideologische Grundlage zahlreicher Strafund Gewalttaten, die insbesondere von jüngeren Rechtsextremisten aus der Neonaziund Skinhead-Szene verübt werden und die vor allem seit Anfang der 90er-Jahre zahlreiche Todesopfer gefordert haben. Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder beobachten die Scientology-Organisation (SO, V.), weil tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die SO Grundwerte unserer Verfassung in Frage stellt. Eine nach scientologischen Regeln organisierte Gesellschaft würde die grundgesetzliche Werteordnung (z. B. den Gleichheitsgrundsatz, die Meinungsfreiheit, das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie das Recht auf Bildung und Ausübung einer Opposition) beseitigen oder erheblich beeinträchtigen. 17 Verfassungsschutz in Hamburg 3.2 Spionageabwehr und Geheimschutz Spionageabwehr ( VI.) und Geheimschutz sind Aufgabenbereiche, denen sich der Verfassungsschutz trotz des weltweiten Wandels auf politischem, militärischem und wirtschaftlichem Gebiet ebenfalls aufmerksam widmen muss, um deutsche Sicherheitsinteressen zu wahren. Die Bundesrepublik Deutschland ist nach wie vor ein wichtiges Ziel fremder Nachrichtendienste, von denen einige in Deutschland lebende Ausländergruppen ausspähen, die in Opposition zu ihren Heimatregierungen stehen. Materieller und personeller Geheimschutz ( VII.) tragen dazu bei, dass Unbefugten keine im staatlichen Interesse geheimzuhaltenden Informationen in die Hände fallen. Insbesondere Sicherheitsüberprüfungen sollen das Risiko ausschließen oder mindern, dass Personen mit Ausspähungsbzw. Verratsabsichten zu Geheimnisträgern werden. Rechtliche Grundlage für das Tätigwerden des Verfassungsschutzes auf diesem Gebiet ist das Hamburgische Sicherheitsüberprüfungsgesetz (HmbSÜG). 4. Arbeitsweise und Befugnisse des Verfassungsschutzes Die Informationen, die das LfV zur Wahrnehmung seiner Aufgaben benötigt, beschafft es aus offen zugänglichen Quellen, die jedem Bürger auch zur Verfügung stehen, z.B. aus Zeitungen, Zeitschriften, Broschüren, Flugblättern, Archiven, dem Internet und anderen Medien, sowie aus Unterlagen anderer staatlicher Stellen, die ebenfalls "offen", aber in der Regel nicht allgemein zugänglich sind (z.B. Polizeiberichte, Ausländerakten, Gerichtsurteile). Neben der offenen Informationsgewinnung darf das LfV unter bestimmten Voraussetzungen mit nachrichtendienstlichen Mitteln Informationen "verdeckt" erheben. Zu diesen Mitteln, die in SS 8 Abs. 2 HmbVerfSchG ( Anhang) aufgezählt sind, gehört z.B. die Führung von vertraulichen Mitarbeitern (VM), die Observation, Bildund Tonaufzeichnungen und - nach Maßgabe des Art.10 Gesetzes - die Überwachung des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs. 18 Verfassungsschutz in Hamburg Im Jahre 2002 wurden im Rahmen der Umsetzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes die Befugnisse des Landesamtes in wichtigen Punkten erweitert, die sich aus SS 7 des HmbVerfSchG ergeben. Das LfV darf nicht an eine polizeiliche Dienststelle angegliedert werden ("Trennungsgebot"). Ihm stehen weder polizeiliche Befugnisse noch Weisungsbefugnisse gegenüber polizeilichen Dienststellen zu noch darf es die Polizei im Amtshilfeweg veranlassen, Maßnahmen zu ergreifen, zu denen es selbst nicht befugt ist. Der Informationsaustausch zwischen Polizei und Verfassungsschutz ist im HmbVerfSchG ausführlich und im Detail geregelt. 5. Informationsverarbeitung Die Verfassungsschutzbehörden sammeln und speichern sachund personenbezogene Daten über extremistische Bestrebungen, sicherheitsgefährdende und geheimdienstliche Tätigkeiten im Rahmen von Sicherheitsüberprüfungen. Zu den Instrumenten der gegenseitigen Unterrichtung der Verfassungsschutzbehörden zählen unter anderem gemeinsame Dateien. Die "klassische" gemeinsame Datei ist die Personenzentraldatei (PZD) des bundesweiten Nachrichtendienstlichen Informationssystems (NADIS, Zahl der Hamburger Speicherungen: I., 7). Die PZD ist eine allen Verfassungsschutzbehörden zur Verfügung stehende Datenbank, in der jede Verfassungsschutzbehörde biographische Grunddaten von Personen in eigener Verantwortung speichert. Sie enthält aber keine Einzelerkenntnisse über die dort gespeicherten Personen, sondern nur den Hinweis auf eine Aktenfundstelle. Um Näheres über die Person zu erfahren, muss die speichernde Verfassungsschutzbehörde in einem zweiten Schritt um Übermittlung der Einzelerkenntnisse gebeten werden, was dann außerhalb der PZD geschieht. Zugriff auf die gespeicherten Daten haben ausschließlich die Verfassungsschutzbehörden. Sie sind verpflichtet, diese Daten in bestimmten Fristen daraufhin zu prüfen, ob ihre weitere Speicherung noch erforderlich ist. Ist dies nicht der Fall, werden die Daten gelöscht. 19 Verfassungsschutz in Hamburg Die Datenschutzbeauftragten kontrollieren, ob die Prüfungsund Löschungsfristen beachtet werden. Die Innenminister/-senatoren des Bundes und der Länder überlegen derzeit, eine gemeinsame Datei von Verfassungsschutz und Polizei einzurichten, auf die alle beteiligten Ämter im Interesse eines schnellen und zentralen Informationsaustausches zugreifen können. Besonders im Hinblick auf die Bedrohung durch den internationalen islamistischen Terrorismus wäre eine solche Datei von großem Nutzen. 6. Kontrolle Der Verfassungsschutz ist an klare gesetzliche Vorgaben gebunden, und seine Arbeit unterliegt parlamentarischer Kontrolle. In Hamburg wird diese Aufgabe vom Parlamentarischen Kontrollausschuss (PKA) der Hamburgischen Bürgerschaft wahrgenommen. Bei Eingriffen in das Postund Fernmeldegeheimnis entscheidet die G10-Kommission der Bürgerschaft. Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte hat ebenfalls eine Reihe von Kontrollbefugnissen. Wie bei allen anderen Behörden ist auch das Verwaltungshandeln des Verfassungsschutzes grundsätzlich gerichtlich nachprüfbar. 7. Strukturdaten * Nach den Terroranschlägen vom 11.09.01 in den USA war der Personalbestand des LfV mit dem Stellenplan 2002 zunächst um 15,5 Stellen aufgestockt worden. Im Jahr 2003 waren es 135 und 2004 140 Stellen. Ihre Zahl hat sich 2005 auf nunmehr 144 Stellen erhöht. * Im Jahr 2005 betrug der Haushaltsansatz für das LfV insgesamt 11.261.000 EUR (2004: 11.021.000 EUR). Darin enthalten waren 8.727.000 EUR (2004: 8.492.000 EUR) für Personalausgaben. * Vom LfV waren am 31.12.05 im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) 12.683 Personen erfasst (31.12.04: 20 Verfassungsschutz in Hamburg 12.527), davon 4.314 (34,01%) im Zusammenhang mit Sicherheitsüberprüfungen (31.12.04: 3.932 = 31,39 %). * Mit Wirkung vom 22.10.01 wurde in Hamburg die Regelanfrage bei Einbürgerungen eingeführt: Das Einwohner-Zentralamt als Einbürgerungsbehörde fragt vor jeder Entscheidung beim LfV nach, ob Erkenntnisse vorliegen, die einer Einbürgerung entgegenstehen könnten. Vor Einführung dieser Regelung wurde nur angefragt, wenn bereits Anhaltspunkte für den Verdacht auf politisch-extremistische Bestrebungen erkennbar waren. 2005 gab es 6.520 Anfragen (2004: 6.620), die nach einer Dateiabfrage im NADIS (s.o.) und ggf. weiteren Ermittlungen beantwortet wurden. Im Jahr 2005 wurden in 40 Fällen (2004: 53 Fälle) vom Verfassungsschutz Bedenken erhoben. * Seit dem 01.05.04 führen die Ausländerdienststellen bei Personen aus bestimmten Herkunftsländern vor Erteilung oder Verlängerung von Aufenthaltstiteln eine Sicherheitsbefragung durch. In jedem Fall wird auch das LfV beteiligt. Im Jahr 2005 wurden 4.755 Anfragen beantwortet (2004 - ab 01.05. - waren es 3.510). In 145 Fällen wurden Ermittlungen angestellt und in 11 Fällen Bedenken erhoben. 21 22 8. Amtsleiter Organigramm Landesamt für erfassungsschutz Abteilung 1 Abteilung 2 Abteilung 3 Zentrale Aufgaben Staatsschutz Abwehr (Stellv. Amtsleiter) Rechtsangelegenheiten Verfassungsschutz in Hamburg Organigramm Referat V 11 Referat V 21 Referat V 31 Verwaltung Auswertung Geheimund Ausländerextremismus Sabotageschutz Öffentlichkeitsarbeit Referat V 12 Referat V 22 Referat V 32 IuK, Techn. Dienst Auswertung Spionageaufklärung Linksextremismus Rechtsextremismus Referat V 13 Referat V 23 Operative Technik Beschaffung Forschung / Werbung Landesamt für Verfassungsschutz Referat V 24 Johanniswall 4 Observation D - 20095 Hamburg Konspirative Ermittlung Telefon 040 / 24 44 43 Telefax 040 / 33 83 60 E-Mail: info@verfassungsschutz.hamburg.de Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern II. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick Der Verfassungsschutz beobachtet Zusammenschlüsse von Ausländern in Deutschland, bei denen Anhaltspunkte für den Verdacht sicherheitsgefährdender bzw. extremistischer Bestrebungen bestehen. Diese Zusammenschlüsse sind in ihrem Wirkungskreis, in ihrer Organisationsform, ihrer ethnischen Herkunft, ihrer politischen Ausrichtung und ihrer Gewaltbereitschaft sehr unterschiedlich. Schwerpunkt der Beobachtung ist unverändert die weltweite Bedrohung durch islamistische Terroristen. Diese Gefahr besteht auch für Deutschland. Das zeigen sowohl die Analysen deutscher Sicherheitsbehörden als auch die Verlautbarungen führender Islamisten. Trotz weiterer Festnahmen und Verurteilungen im Inund Ausland ( II., 4.2.2) besteht das internationale Netzwerk islamistischer Terroristen nahezu unverändert fort. Die Anschläge von London im Juli 2005 zeigten, dass ein neuer Tätertypus - neben den "klassischen" Mitgliedern der Al-Qaida - schwerste terroristische Anschläge verübt. Die überwiegend aus Pakistan und Ostafrika stammenden Terroristen waren größtenteils in Großbritannien geboren oder dort aufgewachsen. Trotz dieses neu erkannten Gefährdungspotentials bleiben der Al-Qaida-Führer Usama BIN LADEN und die von ihm vertretene Ideologie für die meisten gewaltbereiten Islamisten bedeutende Orientierungspunkte. Auch in Hamburg leben Befürworter des Jihad (heiliger Krieg), zu islamistisch motivierten Gewalttaten kam es hier im Jahr 2005 jedoch nicht. 24 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Von gewaltfreien islamistischen Organisationen gehen ebenfalls Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung und das friedliche Zusammenleben in unserer Stadt aus. Die IGMG (Islam Toplumu Milli Görüs, Islamische Gemeinschaft Milli Görüs) ist die mit Abstand größte Organisation dieses Bereichs. Sie versuchte auch im Berichtsjahr nach außen das Bild einer weltoffenen und dialogbereiten Religionsgemeinschaft zu vermitteln. Tatsächlich gibt es jedoch keine eindeutigen Belege dafür, dass sich an ihrer islamistischen Grundhaltung etwas verändert hat ( II., 4.3.1). Der Islamismus schiitischer Prägung wird in Deutschland vorwiegend von iranischen Organisationen und Einrichtungen vertreten, wie dem Islamischen Zentrum Hamburg (IZH, Foto, II.,7.2). Als europaweit bedeutendes Verbindungszentrum der Islamischen Republik Iran ist es ein wichtiges Instrument zur Verbreitung des Gedankens einer "Islamischen Revolution" und der Vorstellungen von einem islamistischen Gesellschaftssystem. Oppositionelle Gruppen von Iranern, wie die Arbeiterkommunistische Partei Iran (API) und die Sozialistische Partei Iran (SPI), verfolgen das Ziel, das "Mullah-Regime" in der Heimat durch ein kommunistisches bzw. sozialistisches System zu ersetzen. Eine grundlegende Änderung der in Iran bestehenden Herrschaftsverhältnisse strebt auch der "Nationale Widerstandsrat Iran" (NWRI) an, vorgeblich unter demokratischen Vorzeichen. Er ist der politische Arm der in Iran jahrelang terroristisch agierenden "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (Modjahedin-E-Khalq, MEK), deren im Irak stationierte Guerilla, die "Nationale Befreiungsfront", 2003 entwaffnet und unter US-Aufsicht gestellt worden ist. Der NWRI hat unverändert eine Gewalt befürwortende Grundorientierung. Seine Aktivitäten in Deutschland bestehen vorrangig darin, über seine Nebenorganisationen ( II.,7.3) Spendengelder zu beschaffen sowie Propaganda gegen die Nennung der MEK in den "Terrorlisten von EU und USA" zu betreiben. 25 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern In dem breiten Spektrum ausländischer Gruppierungen haben die linksextremistisch orientierten türkischen Organisationen weiter an Bedeutung verloren. Unter dem Vorzeichen der marxistisch-leninistischen und maoistischen Ideologie verfolgen sie das Ziel, mit Gewalt die in der Türkei bestehende Gesellschaftsordnung zu beseitigen. Sie unterstützen ihre Anhängerschaft dort finanziell und propagandistisch. Ihre publizistischen und demonstrativen Aktivitäten in Deutschland greifen auch aktuelle Themen der deutschen Innenpolitik auf. Aktionen dieser Organisationen waren im Berichtsjahr durchweg friedlich. Demgegenüber ist die straff organisierte Anhängerschaft des KONGRA GEL (Kongra Gele Kurdistan, Volkskongress Kurdistans, vormals KADEK, Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistan, Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans und PKK, Partiya Karkeren Kurdistan, Arbeiterpartei Kurdistans, II. 5) weiterhin ein gefahrenträchtiges Potential. Ihm kommt wegen der Verstrickung von Teilen seiner Anhänger in Gewalttaten in der Türkei ein besonderes Gewicht zu. Terroristische Aktivitäten und Kampfhandlungen dieses Personenkreises haben im Jahr 2005 in der Türkei wieder zugenommen. Die Organisation hat in Deutschland ihren auf eine friedliche Lösung der Kurdenfrage gerichteten Kurs weitgehend durchgehalten, sie veranstaltete eine Reihe von Kampagnen und Kundgebungen. Der KONGRA GEL stellt vor allem wegen seiner Jugendlichen, die sich schnell emotionalisieren lassen, ein Risiko für die innere Sicherheit dar. 26 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 2. Potentiale Die Zahl der Anhänger extremistischer Ausländerorganisationen in Deutschland ist mit etwa 57.420 Anhänger nahezu konstant geblieben (Vorjahr: 57.520). Bund: Personenpotentiale im Ausländerextremismus 60000 50000 57.300 58.200 59.100 59.700 58.800 59.100 57.350 57.300 57.520 57.420 40000 30000 20000 10000 0 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 -Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundetUnterschieden nach ideologischer Ausrichtung wurden im Berichtsjahr etwa 16.890 Personen linksextremistischen und linksextremistischseparatistischen Organisationen (2004: 17.290) sowie - wie im Vorjahr - rund 8.430 Personen extrem-nationalistischen Organisationen zugerechnet. Unter den bundesweit etwa drei Mill. Muslimen macht die Anhängerschaft islamistischer Gruppierungen rund 32.100 Personen aus (2004: 31.800). Davon gehören wie im Vorjahr 26.500 der türkischen IGMG ( 4.3.1) an. Diese Zahlen lassen keine Rückschlüsse auf die Gefahren zu, die von diesen Spektren für die innere Sicherheit Deutschlands und unserer Stadt ausgehen. 27 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Personen türkischer Herkunft bilden mit etwa 37.900 Personen (66,0 %) den überwiegenden Teil des Potentials ausländischer extremistischer Gruppierungen. Die zweitgrößte Volksgruppe mit 11.500 (20,0 %) Anhängern stellen Personen aus dem kurdischen Kulturkreis. Es folgen mit deutlichem Abstand Araber (3.500, 6 %), Iraner (1.300, 2 %) und sonstige Nationalitäten/Volkszugehörigkeiten (3.220, 6 %). Bundesebene: Anhängerpotentiale im Ausländerextremismus (nach Staats-/Volkszugehörigkeit und ideologischer Ausrichtung) Staatsbzw. Linksextremisten Nationalisten Islamisten Volkszugehörigkeit 2004 2005 2004 2005 2004 2005 Kurden 11.950 11.500 Türken 3.150 3.150 7.500 7.500 27.250 27.250 Araber 150 150 3.250 3.350 Iraner 1.150 1.150 50 150 Sonstige 890 940 930 930 1.250 1.350 Gesamt 17.290 16.890 8.430 8.430 31.800 32.100 -Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundetDas in Hamburg 3.265 Personen umfassende Gesamtpotential der Anhänger ausländischer politisch-extremistischer Gruppierungen wurde aufgrund neuer Erkenntnisse erneut um etwa 210 Personen nach oben korrigiert. * Die Anhängerschaft des KONGRA GEL wird auf knapp 600 Personen (2004: 600) geschätzt. * Die Anhängerzahl türkischer Extremistenorganisationen betrug 2.035 (2004: 1.835). Darunter sind unverändert etwa 135 28 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Anhänger linksextremistischer und rund 300 extrem-nationalistischer sowie ca. 1.600 (2004: 1.400) islamistischer Gruppierungen. * Die Anhängerschaft extremistischer Organisationen anderer Nationalitäten bzw. Volksgruppen (Iraner, Araber, u.a.), die zum Teil wegen fehlender örtlicher Strukturen organisatorisch nicht fest eingebunden sind, wird auf 630 (2004: 620) geschätzt. Davon werden etwa 170 Personen (2004: 200) als gewaltbereite Islamisten betrachtet. Hamburg: Personenpotentiale im Ausländerextremismus 3500 3000 2500 2.260 2.800 2.700 2.750 2.450 2.480 2.590 2.630 3.055 3.265 2000 1500 1000 500 0 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 -Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet3. Politisch motivierte Ausländerkriminalität Der Deliktsbereich der Politisch Motivierten Kriminalität (PMK) wird seit 2001 nach neu definierten und bundesweit einheitlichen Kriterien erfasst. Sämtliche politisch motivierten Straftaten werden dabei 29 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern berücksichtigt und extremistische Straftaten als Teilmenge ausgewiesen. Für Hamburg wurden im Ausländerbereich die nachstehenden Taten erfasst: PMK-Ausländer einschl. 2001 2002 2003 2004 2005 Islamismus PMK-Ausländer insgesamt 81 25 29 31 39 davon extrem. Kriminalität 55 15 16 12 20 hiervon Gewaltdelikte 11 1 7 6 12 Die Zahlen stammen von der Polizei Hamburg (Stand: Februar 2006) Unter den in Hamburg polizeilich registrierten Straftaten mit ausländerextremistischem Hintergrund waren eine versuchte schwere Brandstiftung gegen einen türkischen Verein am 05.09.05 ( II., 5.3), hinter der jugendliche Anhänger aus dem Umfeld des KONGRA GEL vermutet werden, sowie Widerstandshandlungen im Zusammenhang mit Kundgebungen und Demonstrationen, deren Themen einen Bezug zum KONGRA GEL aufwiesen ( II., 5.3). 4. Islamismus 4.1 Allgemeines Islamismus und Islam sind nicht dasselbe. Der Islam ist eine Religion. Islamismus hingegen ist eine politische Ideologie auf religiöser Basis, die sich gegen westliche Werteund Ordnungsvorstellungen, insbesondere gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, richtet. Ziel von Islamisten ist es, eine ausschließlich auf ihren Vorstellungen vom Islam basierende Gesellschaftsund Rechtsordnung zu errichten. Ihre Ideologie rechtfertigt oft auch die Anwendung von Gewalt. Ihre politischen Vorstellungen dulden keinen Widerstreit der Ideen, ein differierendes Verständnis vom Islam wird als Abweichung vom "wahren Weg" bekämpft. Islamisten sprechen Muslimen in islamischen und nichtislamischen Gesellschaften ein Recht auf Selbstbestimmung ab und betonen den Vorrang kollektiver vor individuellen Menschen30 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern rechten. Dies verstößt gegen den Gedanken der Völkerverständigung und ist mit den Prinzipien einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar. Islamisten wehren sich gegen das säkulare Prinzip der Trennung von Politik und Religion und grenzen sich bewusst von westlichen Gesellschaftsmodellen ab. Sie fordern eine Gottesherrschaft (Gegenmodell zum Prinzip der Volkssouveränität) auf der Grundlage ihrer eigenen Interpretation des Korans und stellen diese als einzig legitime Regierungsform dar. Entstanden ist die islamistische Bewegung im späten 19. Jahrhundert als eine Antwort auf die koloniale Durchdringung des Nahen und Mittleren Ostens durch europäische Staaten. Die Mittel waren dabei zunächst friedlich. Erst ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts setzte sich ein islamischer Aktivismus durch, der auch Militanz einschloss und seit den 80erund 90er-Jahren in eine Zunahme terroristischer Aktivitäten mündete. Islamistische Organisationen unterscheiden sich in ihrer Stellung zur Gewalt: * Gewaltfreie Organisationen ... ... stellen den weitaus größten Teil der Islamisten in Deutschland. Ihr Ziel, die eigene Vorstellung vom Islam politisch umzusetzen, verfolgen sie mit legalen Mitteln innerhalb der bestehenden Rechtsordnung. Allerdings streben gewaltfreie Islamisten eine Gesellschaftsordnung an, die nicht mit den Grundsätzen einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar ist. Zu diesen Organisationen gehört die türkische IGMG ( II., 4.3.1). * Gewaltbefürwortende Organisationen ... ... müssen noch nicht militant hervorgetreten sein, verstehen Gewalt jedoch als grundsätzlich legitimes Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele. Es handelt sich bei solchen Organisationen zumeist um transnationale oder panislamische Bewegungen wie die "Muslimbruderschaft" 31 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ( II., 4.2.4) und "Hizb ut-Tahrir" ( II., 4.2.4) oder den "Kalifatsstaat" ( II., 4.3.2). * Gewaltbereite Islamisten, insbes. Jihadisten ... ...propagieren den weltweiten Jihad i.S. einer militanten Auseinandersetzung mit den so genannten "Ungläubigen". Dies schließt Anschläge in nichtislamischen Ländern ausdrücklich mit ein ( II., 4.2). Islamistische gewaltbereite Organisationsformen lassen sich nach der Reichweite ihrer Ziele unterscheiden: * Das international agierende terroristische Netzwerk ... ... ist für zahlreiche Gewaltanschläge in unterschiedlichsten Regionen der Welt verantwortlich. Ihm ist insbesondere die "Al-Qaida"-Organisation des Usama BIN LADEN zuzurechnen. Weiterhin gehören militante Mudschahedin-Strukturen im Irak, in Tschetschenien, Pakistan oder Südostasien sowie einige in Europa selbständig agierende Gruppen von Non-aligned-Mudschahedin dazu (non aligned: nicht eingebunden) ( II., 4.2.1). * Regional agierende terroristische Organisationen ... ... streben eine Veränderung der Gesellschaftsund Herrschaftsverhältnisse in ihren Herkunftsländern an und greifen dabei auf Gewalt und Terrorismus zurück. Zugleich können sie aber auch zivile Zweige unterhalten, die sich gemeinnützig und karitativ betätigen, was eine Beurteilung der terroristischen Natur dieser Gruppen nicht selten schwierig macht. Solche Organisationen finden sich unter anderem im palästinensischen und libanesischen Kontext ( II., 4.2.5). Arbeitsfeld Islamismus: Ideologie / Die Betrachtung des geistigen Hintergrundes / Ideologische Vordenker / Ideologische Strömungen / Grundbegriffe des Islamismus / Erscheinungsformen islamistischer Bestrebungen 32 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 4.2 Islamistische Terroristen und gewaltbereite Islamisten 4.2.1 "Al-Qaida" / Islamistischer Terrorismus "Al-Qaida" Das Terrornetzwerk um "Al-Qaida" wurde in den späten 80er-Jahren von Usama BIN LADEN aus den so genannten Arabischen Afghanistankämpfern gebildet. Das sind "Mudschahedin" oder auch "Gotteskrieger", die während der Besetzung Afghanistans durch die Sowjetunion an Kampfhandlungen gegen die sowjetischen Streitkräfte beteiligt waren. Sie durchliefen religiöse und militärische Unterweisungen in - von Pakistan und diversen arabischen Staaten, anfangs auch den USA, unterstützten - Ausbildungslagern für Widerstandskämpfer u. a. in Afghanistan und Pakistan. Sie lernten in den Lagern, den bewaffneten "Heiligen Krieg", den "Jihad", zu führen. Nach der Zerschlagung der Al-Qaida-Basen in Afghanistan ab Herbst 2001 setzten sich zahlreiche Al-Qaida-Angehörige nach Pakistan oder in ihre Herkunftsländer ab. Die Tötung oder Festnahmen von Führungskadern veränderten die Struktur dieser Terrororganisation. Auch 2005 konnten führende Al-Qaida-Kader festgenommen werden ( II.,4.2.2). Von einer straff geführten Organisation entwickelte sich AlQaida zu einem weltweiten Netzwerk von mehr oder weniger autonom agierenden Gruppen und Einzelpersonen. Aus Al-Qaida wurde eine Bewegung, letztlich ein Synonym für den weltweiten Jihad. Im Berichtsjahr wurden weder Audionoch Videobotschaften des Usama BIN LADEN bekannt. Über seinen Verbleib und Gesundheitszustand können derzeit keine verlässlichen Aussagen getroffen werden. Der arabische Fernsehsender Al Jazeera veröffentlichte am 19.01.06 eine Tonbandbotschaft des Al-QaidaFührers (Foto), in der dieser den USA mit neuen Anschlägen drohte, zugleich aber eine "langfristige Waffenruhe zu gerechten Bedingungen" anbot, ohne diese allerdings zu konkretisieren. Sein Stellvertreter - der Ägypter Dr. Ayman AL-ZAWAHIRI - meldete sich im Jahr 2005 deutlich häufiger zu Wort, offensichtlich um die 33 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Meinungsführerschaft Al-Qaidas innerhalb des terroristischen Netzwerkes zu erhalten und trotz der personellen Verluste Präsenz und Handlungsfähigkeit zu beweisen. Seine Videobotschaften wurden entweder über arabische Fernsehsender oder über das Internet verbreitet. In einem Video vom 20.02.05 forderte AL-ZAWAHIRI ( Foto) die westlichen Staaten auf, ihre Angriffe auf den Islam zu beenden. "Der Kreuzzug der Christen" werde in einer Niederlage enden. AL-ZAWAHIRI sagte dem Westen zehntausende Tote und den Zusammenbruch seiner Wirtschaft voraus. In einer weiteren Erklärung vom 17.06.05 erläuterte AL-ZAWAHIRI, dass Veränderungen in der islamischen Welt nicht mit friedlichen Mitteln herbeigeführt werden könnten. Für einen Wandel sei der bewaffnete heilige Jihad erforderlich. Das Ziel Al-Qaidas beruhe auf drei Hauptpunkten: * Einführung der Scharia (islamisches Recht) als einzige Quelle der Rechtsprechung, * Befreiung der islamischen Gebiete von Besatzungstruppen und * Freiheit der islamischen Umma (Gemeinschaft), ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. "Al-Qaida im Zweistromland" (Irak) und auf der arabischen Halbinsel Auch im Jahr 2005 war der Irak Kristallisationspunkt des Kampfes gegen die "Ungläubigen". Viele schwerste Anschläge sind der Gruppierung um den jordanischen Terroristen Abu Musab AL ZARQAWI zuzurechnen. ZARQAWIs blutiger Kampf gegen die amerikanischen Truppen im Irak hatte Usama BIN LADEN im Dezember 2004 dazu veranlasst, ZARQAWI öffentlich zum Anführer (Emir) von "Al-Qaida im Irak" zu ernennen. Dieser hatte sich zwei Monate zuvor zur Gefolgschaft gegenüber Usama BIN LADEN bekannt. Er schwor dem Al34 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Qaida-Netzwerk um dessen Führer BIN LADEN treue Gefolgschaft und gab seiner Organisation, die vorher "Al Tawhid wa'l Jihad" hieß, den Namen "Al-Qaida im Zweistromland". Im Berichtsjahr erwies sich die "Vereinigung" von ZARQAWIGruppierung und Al-Qaida als zunehmende Belastung für die Akzeptanz des durch ZARQAWI geführten Kampfes bei Befürwortern der Jihad-Ideologie. ZARQAWI ließ nicht nur gezielte Anschläge auf amerikanische Truppen und auf Angehörige der irakischen Armee und Polizei mit Hunderten von Toten verüben. In verschiedenen im Internet verbreiteten Texten erklärte er auch der schiitischen Bevölkerung des Iraks den Krieg, der er Kollaboration mit den Amerikanern vorwarf. Am 14.09.05 forderte ZARQAWI über das Internet alle Sunniten auf, nicht nur gegen die Amerikaner, sondern auch gegen die Schiiten Krieg zu führen. Er selbst und seine Gruppe erklärten den Schiiten den "totalen Krieg". Deshalb wurden immer wieder schwere Anschläge in der schiitischen Metropole Basra im Südirak begangen, die der ZARQAWI-Gruppierung zuzurechnen sein dürften. Am 07.09.05 verübte ein Selbstmordattentäter einen Sprengstoffanschlag auf ein Restaurant in Basra, durch den zwölf irakische Zivilisten getötet wurden. Am 31.10.05 detonierte eine Autobombe in einem Geschäftsviertel in Basra, die 20 Todesopfer forderte. Im Oktober 2005 wurde ZARQAWI in einem angeblichen Brief des BIN LADEN-Vertreters ZAWAHIRI dazu aufgefordert, nicht mehr gegen Schiiten vorzugehen und die Enthauptung von Geiseln zu unterlassen. Im Internet tauchte wenig später eine Erwiderung der ZARQAWI-Gruppierung auf. In dieser Botschaft wurde die Authentizität der vorgeblichen ZAWAHIRI-Aufforderung bestritten. Das Schreiben sei eine geschickte Fälschung und eine "Desinformation der Ungläubigen". Ungeachtet der Frage der Urheberschaft des ZAWAHIRI-Schreibens 35 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern zeigt ZARQAWIs schnelle Reaktion doch, dass er um Schulterschluss mit der Al-Qaida-Führung bemüht ist. ZARQAWI strebt an, seinen terroristischen Kampf gegen die "Ungläubigen" und "Kreuzritter" in die Nachbarländer des Irak zu exportieren. Am 09.11.05 explodierten fast zeitgleich in drei internationalen Hotels der jordanischen Hauptstadt Amman mehrere von Selbstmordattentätern gezündete Sprengsätze. Bei diesen Anschlägen - u.a. auf eine Hochzeitsgesellschaft - starben 67 Menschen, über 200 Personen wurden verletzt. In einem Selbstbezichtigungsschreiben bekannte sich die "Al-Qaida im Zweistromland" des ZARQAWI zu den Anschlägen. Anschlagsserien in London 07.07.05 Nach den Attentaten von Madrid (11.03.04) verübten islamistische Terroristen in London am 07.07.05 in einer weiteren westeuropäischen Metropole Anschläge. Vier Selbstmordattentäter zündeten in drei U-Bahnen und in einem Bus Sprengsätze und töteten 56 Menschen. Drei der Täter hatten einen pakistanischen Migrationshintergrund, der vierte war ein aus Jamaika stammender Konvertit. Dem bisherigen Ermittlungsstand zufolge ist noch offen, ob es bei Reisen der Täter nach Pakistan Kontakte zu Al-Qaida-Strukturen gegeben hat und die Planung darauf zurückzuführen ist. Hierfür spricht ein Video, das vom arabischen Fernsehsender Al Jazeera am 01.09.05 ausgestrahlt wurde. Darin hinterließ einer der Attentäter, Mohammed Siddique KHAN, eine Art politisches Testament und erklärte - allerdings ohne Nennung eines Datums -, die Anschläge richteten sich gezielt gegen westliche Zivilisten. Diese seien für die Ungerechtigkeit ihrer Regierungen gegenüber Muslimen mitverantwortlich, da sie diese 36 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Regierungen gewählt hätten. Der Attentäter habe gehofft, durch seine Tat Eingang in das Paradies zu finden. Auf demselben Videoband - wenngleich zusammengeschnitten - befand sich auch eine Ansprache des BIN LADEN-Vertreters AL-ZAWAHIRI. Er erklärte, die Anschläge seien eine Reaktion auf die Politik des britischen Premierministers BLAIR und dessen Weigerung gewesen, auf das Friedensangebot der Al-Qaida einzugehen. Hiermit spielte ALZAWAHIRI auf ein Angebot BIN LADENs an, das dieser in einer Tonband-Botschaft vom 15.04.2004 den europäischen Staaten für den Fall unterbreitet hatte, dass sie sich aus dem Irak und aus Afghanistan zurückziehen würden. 21.07.05 An diesem Tag versuchten wiederum vier Täter - diesmal mit ostafrikanischem Migrationshintergrund - die Anschlagsserie vom 07.07.05 zu kopieren. In drei U-Bahnen und in einem Bus wollten sie in Rucksäcken transportierte Sprengsätze zünden. Das misslang aufgrund einer falschen Mischung des verwendeten Selbstlaborats. Die Täter konnten zunächst entkommen, wurden aber später verhaftet. Den Aussagen eines der Inhaftierten und weiteren Ermittlungen zufolge standen beide Tätergruppen nicht miteinander in Beziehung, sondern hatten ihre Anschlagsplanungen offensichtlich unabhängig und ohne von einander zu wissen vorangetrieben. Anders als bei den Tätern vom 07.07.05 führten von den Tätern vom 21.07.05 bislang keine Spuren zum Al-Qaida-Netzwerk. In beiden Fällen ist das Täterprofil bemerkenswert. Besonders die Täter vom 07.07.05 waren in Großbritannien geboren oder dort aufgewachsen und scheinbar in ihr bürgerliches Umfeld integriert. Sie gehörten keiner sozial problematischen Randgruppe an. Bei der Tätergruppe vom 21.07.05 bedurfte es nach gegenwärtigem Kenntnisstand noch nicht einmal einer auswärtigen Initiierung bzw. Anleitung. Sie radikalisierte sich vor Ort, ein Aufenthalt in terroristischen Ausbildungslagern ist offensichtlich nicht erforderlich. Nach den bisherigen Ermittlungsergebnissen ist davon auszugehen, dass diese so genannten home-grown terrorists (im Anschlagsland aufgewachsen) durch Al-Qaida und die Idee des weltweiten Jihad zwar inspiriert 37 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern werden, operativ aber eigenständig agieren können. Die thematischen Antriebsfedern des gemeinsamen weltweiten Jihad sind für Al-Qaida und die von ihr organisatorisch unabhängigen Gruppierungen dieselben. Die Anschläge von Madrid und London machten deutlich, dass das Engagement Spaniens und Englands im Irak ein wichtiges Motiv für die Täter war. Wenngleich Deutschland nicht direkt im Irak engagiert ist, bedeutet dies keine Entwarnung. Auch wird in den jüngsten Verlautbarungen von Al-Qaida und anderen islamistischen Terrorzusammenhängen auf die "Besetzung" Afghanistans hingewiesen und somit thematisch mit dem Kampf im Irak verbunden. Die Existenz von "home-grown"-Terroristen stellt die Sicherheitsbehörden - zusätzlich zu den auch weiterhin notwendigen Aufklärungsmaßnahmen auf den "traditionellen" Arbeitsfeldern - vor weitere neue Herausforderungen. Neben der Erforschung bestehender Strukturen von fester gefügten Organisationen (Alt-Verbindungen Al-Qaida, Ansar Al Islam, ZARQAWI-Gruppierung u.a.) müssen sich die Sicherheitsbehörden schon im Vorfeld strafbarer Vorbereitungshandlungen stärker als bisher auf die seit langem hier lebenden Angehörigen der islamistischen Szene konzentrieren, die nicht über Organisationen, sondern über persönliche bzw. Szenekontakte miteinander verbunden sind. Weitere Anschläge weltweit Das weltweite Netzwerk islamistischer Terroristen und mit ihm assoziierte Gruppierungen verübten weitere Anschläge. Am 23.07.05 wurden im ägyptischen Sharm El Sheik drei Bomben mit insgesamt 300 kg Sprengstoff in zwei Autos und einem Koffer gezündet. Es kamen 88 Menschen zu Tode. Wenngleich dieser Anschlag keiner bestimmten Gruppe zugerechnet werden kann, ist von einem islamistischen Hintergrund auszugehen. 38 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Mit Al-Qaida verbundene terroristische Strukturen waren auch in Südostasien aktiv. Wie schon im Vorjahr zündeten Selbstmordattentäter wiederum in Restaurants auf Bali am 01.10.05 Sprengsätze und rissen 20 Menschen mit in den Tod. Über 120 Personen wurden verletzt. Die indonesische Terrororganisation Jemaah Islamyah dürfte für diese Anschläge verantwortlich sein. 4.2.2 Prozesse, Ermittlungsverfahren und Festnahmen Im Jahr 2005 gab es eine Reihe von Festnahmen, Ermittlungsverfahren und Prozessen im Zusammenhang mit islamistischen Strukturen: * Am 23.01.05 wurden Ibrahim Mohamed K. und Yasser A. in Mainz bzw. Bonn festgenommen. Ihnen wird vorgeworfen, Selbstmordattentate im Irak geplant zu haben. K. soll der Al-Qaida nahe gestanden und sich mehrfach in Ausbildungslagern in Afghanistan aufgehalten haben. * In Berlin wurde am 06.04.05 Ihsen G. wegen Steuerhinterziehung, ausländerrechtlicher Vergehen und unerlaubten Waffenbesitzes zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Bildung einer terroristischen Vereinigung war ihm - so das Gericht - nicht mit letzter Sicherheit nachzuweisen. G. hatte der Anklageschrift zufolge geplant, im Namen der AlQaida Sprengstoffanschläge auf amerikanische und jüdische Einrichtungen zu verüben. * Das vor dem Bundesgerichtshof durchgeführte Revisionsverfahren gegen Abdelghani MZOUDI ( Foto) endete am 09.06.05 erneut mit einem Freispruch. Das Gericht sah es als nicht hinreichend erwiesen an, dass MZOUDI in die Pläne der zu seinem engsten persönlichen Umfeld gehörenden Attentäter vom 11.09.01 eingeweiht war. MZOUDI wurde ausgewiesen und hat Deutschland am 21.06.05 verlassen. * Der aufgrund eines spanischen Auslieferungsersuchens seit dem 15.10.04 in Haft einsitzende Mamoun DARKAZANLI wurde am 39 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 18.07.05 aus der Untersuchungshaft entlassen, nachdem das Bundesverfassungsgericht das Gesetz zum Europäischen Haftbefehl für verfassungswidrig und nichtig erklärt hatte. DARKAZANLI wird von spanischen Behörden eine logistische Unterstützung einer Al-QaidaZelle in Spanien zur Last gelegt. * Das Revisionsverfahren gegen Mounir EL MOTASSADEQ vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamburg endete am 19.08.05 mit seiner Verurteilung zu einer Haftstrafe von sieben Jahren. Das OLG hielt seine Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung für erwiesen und ordnete daher seine erneute Inhaftierung an. Sowohl die Bundesanwaltschaft als auch die Verteidigung MOTASSADEQs legten Revision gegen das Urteil ein. * Das OLG Düsseldorf verurteilte am 03.11.05 vier Angeklagte wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu langjährigen Freiheitsstrafen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Verurteilten Angehörige der Al Tawhid-Gruppe um den Terroristen ZARQAWI waren, Anschläge auf jüdisch-israelische Einrichtungen in Deutschland geplant sowie Gesinnungsgenossen im Ausland mit Falschpapieren versorgt hatten. * Der am 19.04.05 vor dem OLG München begonnene Prozess gegen Amin Lokman MOHAMMED endete am 12.01.06 mit dessen Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (Ansar Al Islam) zu einer siebenjährigen Freiheitsstrafe. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass MOHAMMED seit 2002 Mitglied der "Ansar Al Islam" war und die Organisation durch das Sammeln 40 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern von Geld sowie die Rekrutierung mehrerer Personen für den "heiligen Krieg" im Irak unterstützt hatte. 4.2.3 Situation in Hamburg Allgemeines Auch in Hamburg leben gewaltbereite Islamisten. Als gewaltbereit gelten Anhänger/Mitglieder von Organisationen/ Gruppierungen, die ihre Ziele im Inund Ausland auch mit Gewalt verwirklichen wollen sowie Personen, zu denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie im Inund/oder Ausland islamistisch motivierte Gewalttaten ausüben oder aktiv unterstützen würden. Eine Teilmenge der gewaltbereiten Islamisten sind die so genannten Jihadisten oder auch Mudschaheddin. Beides sind Arbeitsbegriffe der Sicherheitsbehörden, mit denen "Kämpfer für die Sache Allahs" bezeichnet werden. Jihadisten befürworten den bewaffneten Jihad (heiliger Krieg), der weltweit im Namen Allahs gegen die Ungläubigen zu führen sei. Sie berufen sich hierbei u.a. auf die Koran-Sure 47, 4-6: "Wenn ihr (auf einem Feldzug) mit den Ungläubigen zusammentrefft, dann haut (ihnen mit dem Schwert) auf den Nacken! ... Und denen, die um Gottes willen (auf dem Weg Gottes) getötet werden, wird er ihre Werke nicht fehlgehen lassen. Er wird sie rechtleiten, alles für sie in Ordnung bringen und sie ins Paradies eingehen lassen, das er ihnen zu erkennen gegeben hat." Die Befürworter des bewaffneten Jihad halten sich in der ganzen Welt auf, operieren z.T. international und zeigen eine hohe Mobilität. Für sie haben persönliche Kontakte eine extrem hohe Bedeutung, die u.a. in einschlägigen Moscheen und paramilitärischen Ausbildungslagern oder in Kämpfen geknüpft werden. Aber nur die wenigsten Jihadisten würden selbst als Attentäter agieren. Als Jihadist werden auch diejenigen Personen eingestuft, die den weltweiten Jihad unterstützen, z.B. durch logistische Handlungen wie Finanzierung oder Beschaffung von verfälschten Ausweispapieren. Als Jihadisten in diesem Sinne, die einen besonders gefährlichen Kern darstellen, sind dem Landesamt für Verfassungsschutz ca. 80 Personen in Hamburg bekannt. Auch wenn die meisten von ihnen fak41 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern tisch nicht zu Anschlagsplanungen kommen werden, sind sie aufgrund ihrer positiven Haltung gegenüber dem bewaffneten Jihad im Fokus der Sicherheitsbehörden. Sie sind eine Teilmenge der insgesamt ca. 170 Personen in Hamburg, die dem LfV Hamburg als gewaltbereite Islamisten bekannt sind. Die Zahl entspricht im Wesentlichen der im Verfassungsschutzbericht 2004 genannten von 200 gewaltbereiten Islamisten. Sie basiert auf einer bundeseinheitlichen Präzisierung der Definitionsund Erfassungsskriterien durch die Verfassungsschutzbehörden. Ungefähr die Hälfte dieser Personen gehört der palästinensischen HAMAS ( II., 4.2.5) und der libanesischen HIZB ALLAH ( II., 4.2.5) , der multiethnischen Hizb ut-Tahrir ( II., 4.2.4) oder anderen Organisationen an, die zwar Gewalttaten befürworten, diese aber nicht in Deutschland begehen oder begehen wollen. Eine Analyse des Hamburger JihadistenPotentials durch den Hamburger Verfassungsschutz zeigt, dass die Befürworter des bewaffneten Jihad überwiegend aus dem Maghreb (Marokko, Algerien) und dem Irak stammen. Afghanen, Pakistaner und andere Nationen fallen - gemessen an der Größe der in Hamburg lebenden jeweiligen Gemeinden - in der Jihadisten-Szene kaum ins Gewicht. Etwa die Hälfte der Jihadisten ist verheiratet, ungefähr ein Drittel hat nach eigenen Angaben studiert. Die meisten Jihadisten sind zwischen 30 und 40 Jahre alt. Das entspricht dem Alter, das sich auch aus anderen Studien ergibt. Die Jihad-Befürworter wohnen über fast das gesamte Stadtgebiet verstreut, d.h. nicht nur im Stadtteil St. Georg, ihrem zentralen Treffpunkt mit den meisten Moscheen. Angesichts der Herkunft der Attentäter von London ( II., 4.2.1), die überwiegend in Großbritannien geboren oder schon als Kinder dort eingereist waren, wurde in der genannten Analyse auch dieser Aspekt für Hamburg untersucht. Danach halten sich 25 Jihadisten seit mehr als zehn Jahren in Deutschland auf. Die meisten reisten als Erwachse42 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ne nach Deutschland ein, nur wenige von ihnen waren bei der Einreise noch Kinder oder wurden hier geboren. Ergebnis der Untersuchung ist, dass sich in Hamburg bisher nur einzelne hier sozialisierte Menschen der jihadistischen Szene angeschlossen haben. Nur in den wenigsten Fällen können die Jihadisten einer bestimmten Organisation zugerechnet werden. Lediglich im Bereich des Hamburger Unterstützerpotentials von Terroristen im Irak gibt es Hinweise auf Personen, die der irakischen Ansar Al Islam nahe stehen. Vermischung von Allgemein-Kriminalität und Islamismus Die Arbeit des LfV belegte auch im Jahr 2005, dass es eine Vermischung von islamistischen Bestrebungen mit allgemein kriminellen Handlungen gibt. Etliche Personen, die diesem Spektrum zuzuordnen sind, haben einen kriminellen Hintergrund. In einigen Fällen ging ihrer "Neuorientierung" auch eine Rauschgiftabhängigkeit voraus. Personen mit einem allgemein-kriminellen Vorlauf sind für die Drahtzieher des islamistischen Terrorismus besonders wertvoll, weil sie auch weiterhin über Kontakte in das kriminelle Milieu verfügen und diese z.B. für die Beschaffung verfälschter Papiere oder die Schleusung von Personen nutzen können. Die in Europa agierenden Terrorzellen finanzieren sich vorliegenden Informationen zufolge auch durch kriminelle Aktivitäten, vorwiegend durch Kreditkartenbetrug. Auch in Hamburg existiert eine derartige Mischszene, die es den Sicherheitsbehörden erschwert, begangene Straftaten als rein kriminell oder als islamistisch motivierte Logistiktat zu bewerten. So wurde z.B. ein der Jihadisten-Szene zuzurechnender Mann in Untersuchungshaft genommen, da er versucht hatte, schlafenden U-Bahn-Gästen Geldbörsen und Brieftaschen zu entwenden. Mutmaßliche Unterstützer der Ansar Al Islam unterschlugen geleaste Autos und brachten sie in den Irak, um sie dort zu verkaufen. Darüber hinaus gibt es auch in Hamburg Anhaltspunkte dafür, dass Angehörige der gewaltbereiten isla43 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern mistischen Szene in den Handel mit gefälschten Personaldokumenten eingebunden sind. 4.2.4 Transnationale Organisationen Hizb ut-Tahrir Die multinationale "Hizb ut-Tahrir" (HuT, auch "Hizb Al Tahrir al Islami", "Befreiungspartei") wurde 1953 von Taqiuddin AN-NABAHANI in Jerusalem gegründet. Ihr Feindbild sind vor allem "die Juden", die sie als "giftigen Dolch im Herzen der islamischen Nation" sieht, und die nach ihrer Ansicht mit Israel und westlichen Regierungen "kollaborierenden Herrscher" der arabischen bzw. islamischen Welt. Die Muslime müssten sich ihrer entledigen. Die HuT betrachtet sich als eine politische Partei, deren Ideologie nach eigenem Verständnis der Islam ist. Sie strebt die Errichtung eines als Kalifat bezeichneten, sich auf die Scharia gründenden islamischen Gottesstaates an. Unter "Kalifat" wird die Herrschaft eines Kalifen verstanden, der einen auf der Scharia basierenden islamischen Gottesstaat regiert. "Kalif" ist die Bezeichnung für den Nachfolger des Propheten Mohammed als Oberhaupt der muslimischen Gemeinschaft. Die Partei behauptet, weder Gewalt noch Terrorismus zu fördern. Ihre offiziellen Verlautbarungen rechtfertigen jedoch die gewalttätige Form des Jihad im Sinne eines gewaltsamen Angriffs auf die "Ungläubigen" als Mittel im "Kampf der Kulturen". Die in zahlreichen Staaten aktive HuT ist in allen arabischen Staaten verboten, weil sie deren Herrschaftsordnungen ablehnt und ihre Staatsoberhäupter als "vom Glauben Abgefallene" (Apostaten) ansieht. Gleichwohl ist sie in vielen arabischen Ländern aktiv. Zulauf hat die Organisation in den vergangenen Jahren in Zentralasien erhalten. Die Partei ist auch in vielen Staaten Europas vertreten; ihre europäische Zentrale befindet sich in London. Die Organisation rekrutiert ihre Anhängerschaft überwiegend im universitären Bereich, wo sie - wie auch vor Moscheen und islamischen Zentren - propagandistisch aktiv ist. 44 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Am 15.01.03 wurde der Organisation vom Bundesminister des Innern gemäß SS 14 Abs. 2 Nr. 4 des Vereinsgesetzes die Betätigung verboten. Die Organisation richte sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung, befürworte Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele, verneine das Existenzrecht des Staates Israel und rufe zu seiner Vernichtung auf. Sie verbreite massive antijüdische Hetzpropaganda und fordere zur Tötung von Juden auf. Das Verbot umfasst auch die Produktion und Verbreitung der der HuT zuzurechnenden deutschsprachigen Zeitschrift "Explizit" einschließlich ihrer Internetseite. Die HuT hatte das Betätigungsverbot angefochten. Mit Gerichtsbescheid vom 08.08.05 hat das BVerwG die Klage der HuT gegen das vom BMI verhängte Betätigungsverbot abgewiesen. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass sich die Tätigkeit der Organisation gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Das BVerwG stellt zudem u.a. fest, dass es sich bei der HuT nicht um eine Religionsoder Weltanschauungsgemeinschaft handelt. Die Organisation machte anschließend von der Möglichkeit Gebrauch, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVerwG zu beantragen. Das bedeutet, dass der Gerichtsbescheid als nicht erlassen gilt und keine Bindungswirkung hinsichtlich einer weiteren Entscheidung des Gerichts entfaltet. Das BVerwG hat das Verbot am 25.01.06 erstund letztinstanzlich bestätigt. HuT-Anhänger setzten ihre politische Agitation ungeachtet des Betätigungsverbotes fort. Sie unterhalten in mehreren Städten personelle Strukturen, ohne dass ein Organisationsaufbau offen erkennbar ist. In Berlin und Hamburg fanden öffentliche Veranstaltungen statt, bei denen Thesen verbreitet wurden, die typisch für die HuT sind und die sich auch auf deutschsprachigen Internetseiten wiederfinden. Muslimbruderschaft Die sunnitische "Muslimbruderschaft" (MB, arabisch: "al-Ikhwan al-Muslimun") wurde 1928 von Hassan AL-BANNA in Ägypten gegründet. Sie ist nach eigenen Angaben in mehr als 70 Ländern mit Untergliederungen tätig. Diese treten sowohl unter dem Namen "Muslimbruderschaft" als auch unter anderen Bezeichnungen auf, um sich den 45 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Umständen des jeweiligen Landes anzupassen. Ein bekannter Zweig der MB ist die palästinensische "HAMAS" ( II., 4.2.5). Die MB ist Ursprung vieler islamistischer Bewegungen im Nahen Osten. Sie strebt eine streng an der islamischen Gesetzgebung (Scharia) ausgerichtete Staatsform an. Politisch tritt die MB am auffälligsten in Ägypten in Erscheinung und gewinnt dort an Einfluss. Obgleich sie offiziell verboten ist, werden ihre Aktivitäten geduldet. Bei den letzten ägyptischen Wahlen im Dezember 2005 konnten der MB zuzurechnende Kandidaten trotz staatlicher Repression 88 Sitze im Parlament erringen. Damit hat sie ihre Sitzzahl versechsfacht. Wenngleich sich die MB in Ägypten ideologisch kaum von gewaltbereiten Islamisten unterscheidet, hat sie sich hier offensichtlich für einen Marsch durch die Institutionen entschieden. Ihr Ziel bleibt aber unverändert ein islamistisch ausgerichteter Staat. Im Bundesgebiet sind MB-Angehörige verschiedener arabischer Nationalitäten vorwiegend in islamischen Zentren und diversen islamischen Vereinigungen organisiert, darunter in der unter Einfluss des ägyptischen Zweiges der MB stehenden "Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e. V." (IGD) mit mehreren Zweigstellen im Bundesgebiet. Die IGD konzentriert sich zunehmend darauf, die zweite und dritte Generation der in Deutschland lebenden Muslime für ihre Ziele zu gewinnen. Die Organisation veranstaltete ihr 27. Jahrestreffen in Leverkusen, an dem insgesamt 2.500 bis 3.000 Besucher teilnahmen (2004: 7.000). Die IGD ist vorrangig daran interessiert, Muslime ideologisch zu beeinflussen, um so neue Anhänger rekrutieren zu können. Auf Veranstaltungen wie der genannten Jahreskonferenz wird zwar öffentlich von Integration der hier lebenden Muslime gesprochen. Nach Interpretation eines hochrangigen IGD-Mitgliedes wird darunter jedoch etwas anderes verstanden: Muslime sollten Integration nicht als "Teil werden" oder "Teil sein" der Gesellschaft verstehen. Ihre eigentliche Aufgabe sei es vielmehr, "den Mitmenschen hierzulande das Wort Allahs nahe zu bringen". Hierzu gehört nach Auffassung der IGD auch das Recht des Mannes, die Frau zu schlagen. Auf der Homepage der IGD wird zu der Frage "Darf ein muslimischer Mann seine Frau schlagen?" er46 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern klärt: "..., dass im Falle einer in größeren Schwierigkeiten steckenden Ehe der Ehemann diese drei Schritte auf jeden Fall einhalten muss: Ermahnung, Trennung und Schlagen". Das "Schlagen im Affekt" sei hingegen verboten. Auch an anderer Stelle zeigt die IGD, dass ihre Auslegung des Islam mit den Normen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar ist. Zum Staatsverständnis betont die Organisation, dass die Souveränität im Staat Gott gehöre. Der Regierende sei nur der Ausführende und habe nach Gottes Gesetzen zu regieren. Hiermit wendet sich die IGD gegen das Gebot der Volkssouveränität, das in Art. 20 des Grundgesetzes verankert ist. Die Ideologie der IGD ist auch hinsichtlich demokratischer Wahlen mit dem Grundgesetz nur begrenzt vereinbar. Die Teilnahme an demokratischen Wahlen wird durch die IGD zwar ausdrücklich begrüßt. Nach ihrer Ansicht seien "im Prinzip alle Parteien, die auf dem Boden des Grundgesetzes stehen", für Muslime wählbar. Dies gelte allerdings nicht für Kandidaten, die Positionen vertreten, die aus islamischer Sicht inakzeptabel seien. Als Beispiel hierfür wird die Homosexualität genannt. Die IGD lehnt sich in dieser Hinsicht eng an Yusuf AL-QARADAWI an, einen der führenden islamistischen Vordenker der Gegenwart. QARADAWI bezeichnet die Homosexualität als "geschlechtliche Perversion" und stimmt der Auffassung anderer islamischer Rechtsgelehrter zu, dass für solches "abscheuliches Tun" die Todesstrafe gerechtfertigt sei. Folgerichtig ist auf der Homepage der IGD auch ein Link zu einer Homepage des QARADAWI gesetzt. 47 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern In Hamburg ist die IGD organisatorisch nicht vertreten, allerdings hat sie hier einzelne Gefolgsleute, und es gibt ein breites Spektrum von MB-Anhängern. Tabligh-i Jama'at (TJ) Die sunnitisch-islamistische Tabligh-i Jama' at (TJ) wurde 1927 in Indien von dem Religionsgelehrten Mawlana Muhammad Ilyas als eine Wiedererweckungsbewegung gegründet. Sie breitete sich im Laufe der Jahrzehnte über mehrere Kontinente aus, strebt eine globale Islamisierung der Gesellschaft an und verfügt derzeit weltweit über mehrere Millionen Anhänger. Diese sehen sich als zur Mission bestimmte Muslime, die einer wörtlichen Auslegung des Korans und der Sunna folgen. Zumeist tragen sie traditionelle Kleidung und halten bis ins Detail gehende Vorschriften ein. Zu den vorgegegeben Verhaltensweisen gehören beispielsweise das Essen auf dem Fußboden mit drei Fingern, das Leeren eines Glases mit drei Schlucken und die Regel, Hände nach dem Waschen nicht abzutrocknen. Die Aktivitäten der TJ-Anhänger bestehen im Wesentlichen aus Missionstätigkeit und -reisen im Inund Ausland, dabei suchen sie auch Moscheen auf, die keinen direkten Bezug zur TJ haben. Die TJ selbst lehnt Gewalt ab. Wegen ihrer Geistesverwandtschaft mit anderen strenggläubigen, aber militanten Gruppen besteht grundsätzlich die Gefahr, dass Kontakte zum international agierenden terroristischen Netzwerk entstehen. Das hat sich bereits bei einzelnen Personen gezeigt. Die TJ hat in Hamburg etwa 50 Anhänger. Wie in den Vorjahren (im Jahr 2005 vom 15. bis 17.04.05) fand hier das Deutschlandtreffen der TJ statt, an dem rund 1.000 Personen teilnahmen. Hierbei wurde zu einer intensiven Missionsarbeit aufgerufen und von den Anhängern mit Nachdruck die Einhaltung der religiösen Verhaltensweisen im Alltag gefordert. 48 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 4.2.5 Palästinensische / Libanesische Organisationen HAMAS (HARAKAT AL-MUQUAWAMA AL-ISLAMIYA) Die HAMAS ("Islamische Widerstandsbewegung") wurde Anfang 1988 als Ableger der ägyptischen MB im Gazastreifen gegründet. Sie ist in einen politischen und einen militärischen Arm ("Izzadin al-Qassam-Brigaden") gegliedert. Beide operieren aus Sicherheitsgründen getrennt voneinander. Sitz des Führungsgremiums ("Politisches Büro") ist Damaskus. Die HAMAS ist die größte und aktivste islamistische Gruppierung in Palästina. Sie verfügt über ein großes Netzwerk von religiösen und sozialen Einrichtungen in den palästinensischen Gebieten und damit über einen starken Rückhalt in der Bevölkerung, insbesondere im Gazastreifen. Bei den Parlamentswahlen am 25.01.06, zu denen die HAMAS erstmals auch auf nationaler Ebene antrat, gelang ihr ein völlig unerwarteter erdrutschartiger Sieg. Mit ihrer Liste "Wechsel und Reform" erzielte sie aus dem Stand die absolute Mehrheit im Palästinensischen Legislativrat (PLC) und erreichte 76 von 132 Sitzen. Die bis dahin regierende säkular orientierte FATAH-Bewegung konnte lediglich 43 Mandate erringen. Als Reaktion auf den Wahlerfolg der HAMAS trat der bisherige Ministerpräsident Ahmad QUREIA am 26.01.06 zurück. Im Anschluss daran scheiterten Verhandlungen über die Bildung einer Koalition mit der FATAH, so dass sämtliche Mitglieder im neuen Kabinett um den designierten Ministerpräsidenten Ismail HANIYA von der HAMAS gestellt werden. Hauptziel der HAMAS ist die Vernichtung des Staates Israel und die Errichtung eines islamistischen Staates auf dem Gebiet Palästinas. Dieses Ziel versucht sie auch mit Gewalt zu erreichen. Bemühungen zur friedlichen Beilegung des Konfliktes mit Israel lehnte sie bisher konsequent ab. Im Gegensatz zum ebenfalls terroristisch aktiven "Palästinensischen Islamischen Djihad" 49 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (PIJ) hielt sie sich weitgehend an den im Februar 2005 vereinbarten Waffenstillstand. Der Führer der Qassam-Brigaden im Gazastreifen, Mohammed DEIF, räumte allerdings ein, dass die von Israel errichteten Sperranlagen "Märtyreroperationen" im israelischen Kernland erheblich erschwert hätten. Den endgültigen Abzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen im September 2005 wertete die HAMAS als Sieg ihres militärischen Widerstandes. Bei der bisher größten HAMAS-Demonstration in GazaStadt versammelten sich mehrere zehntausend Menschen, um den Abzug zu feiern. Redner der HAMAS erklärten, den Kampf gegen Israel fortsetzen zu wollen, bis auch das Westjordanland einschließlich Jerusalems den Palästinensern wiedergegeben werde. Die Organisation würde keinesfalls, wie gefordert, ihre Waffen niederlegen. Die etwa 300 Anhänger der HAMAS in Deutschland sind in keine übergeordnete organisatorische Struktur eingebunden. Wichtigstes Betätigungsfeld ist die Beschaffung von Finanzmitteln für die HAMAS und ihr zugehöriger Hilfsorganisationen. Der Spendenverein "Al-Aqsa e.V." (Aachen) sammelte bis zu seinem Verbot durch das Bundesministerium des Innern am 31.07.02, das vom BVerwG am 03.12.04 letztinstanzlich bestätigt wurde, bundesweit Spendengelder. Diese wurden an HAMAS-nahe Einrichtungen in den palästinensischen Gebieten weitergeleitet. Nach Auffassung des Gerichts stellte die finanzielle Unterstützung von Sozialvereinen der HAMAS in den palästinensischen Gebieten eine gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtete Tätigkeit im Sinne des SS 3 des Vereinsgesetzes dar. Der Verein habe mit seinem Verhalten einen bewussten Beitrag zu der gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen Israel und den Palästinensern geleistet. In die sofort nach Veröffentlichung der Gerichtsentscheidung am 03.12.04 veranlasste bundesweite Durchsuchungsaktion wurden zwei weitere Vereine einbezogen, die im Verdacht standen, Nachfolgeorganisationen des "Al-Aqsa e.V." zu sein: das "Bremer Hilfswerk e.V." und die "YATIM Kinderhilfe e.V." in Essen. Einem drohenden Vereinsverbot kam das "Bremer Hilfswerk e.V." durch Selbstauflösung zuvor. Am 29.06.05 wurde die Auflösung beim Amtsgericht Bremen eingetragen. Das gegen den Verein "YATIM Kinderhilfe e.V." eingeleitete vereinsrechtliche Ermittlungsverfahren führte zu dessen 50 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Verbot. Am 05.09.05 erließ der Bundesminister des Innern eine Feststellungsverfügung gemäß SS 8 Abs. 2 VereinsG, nach der es sich bei dem Verein um eine Nachfolgeorganisation des verbotenen Vereins "Al-Aqsa e.V." handelt. Aufgrund von weiteren Hinweisen auf Unterstützung von Einrichtungen der HAMAS geriet auch die "Islamische Wohlfahrtsorganisation e.V." (IWO) mit Sitz in Herne/NW in den Fokus der Ermittlungsbehörden. Im Rahmen des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wurden zeitgleich mit der "YATIM Kinderhilfe e.V." am 05.09.05 die Räumlichkeiten dieses 1997 gegründeten Vereins und Privatwohnungen der Vereinsverantwortlichen durchsucht. In Hamburg sind nur einzelne Personen aktiv, die als Unterstützer der HAMAS einzustufen sind. HIZB ALLAH Die HIZB ALLAH wurde 1982 im Libanon auf Initiative und mit maßgeblicher Unterstützung iranischer Stellen als Sammelbecken extremistischer Schiiten gegründet. Hauptziel der Organisation ist der Schutz des südlibanesischen Territoriums vor israelischen Militäraktionen und der Kampf gegen den Staat Israel, den sie vernichten will. Das lange propagierte Fernziel, die Umwandlung des Libanon in eine islamische Republik nach iranischem Vorbild, ist im Laufe der Zeit in den Hintergrund gerückt. Die enge Beziehung zur Islamischen Republik Iran besteht jedoch unverändert fort. Unter dem Dach der HIZB ALLAH agieren eine seit 1992 im libanesischen Parlament vertretene Partei, verschiedene Wohlfahrtsorganisationen sowie der militärische Flügel "Islamischer Widerstand" ("al-Muqawama alIslamiya"). Auch 2005 kam es zu Gefechten zwischen der HIZB ALLAH und der israelischen Armee an der israelisch-libanesischen Grenze, bei denen am 09.01.05 ein israelischer Soldat getötet und mehrere HIZB ALLAH51 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Mitglieder verletzt wurden; bei einem israelischen Vergeltungsschlag kam auch ein patrouillierender französischer UN-Offizier ums Leben. Im Verlauf des Jahres beschoss die HIZB ALLAH mehrfach israelisches Territorium mit Katyusha-Raketen, zuletzt am 28.12.05. Zwischen dem 21. und 23.11.05 kam es im Grenzgebiet zwischen Israel und Libanon - im Bereich der so genannten Shaba'a-Farmen - zu schweren militärischen Auseinandersetzungen zwischen der israelischen Armee und der HIZB ALLAH, in deren Verlauf vier HIZB ALLAH-Mitglieder getötet und 11 israelische Soldaten verletzt wurden. Nach der Ermordung des früheren libanesischen Regierungschefs Rafiq HARIRI am 14.02.05 kam es in Beirut zu Demonstrationen gegen die syrische Militärund Geheimdienstpräsenz im Libanon. Am 08.03.05 fand in Beirut eine von der HIZB ALLAH organisierte pro-syrische Großdemonstration statt. Syrien erklärte, seine Truppen vor den für Mai 2005 angesetzten Parlamentswahlen im Libanon zurückziehen zu wollen; der Truppenrückzug wurde am 26.04.05 abgeschlossen. Aus den libanesischen Parlamentswahlen, die in vier Runden im Mai und Juni 2005 stattfanden, ging der HIZB ALLAH / Amal-Block mit 35 von 128 Parlamentssitzen als zweitstärkste Kraft hervor. In Deutschland hat die HIZB ALLAH keine einheitliche Struktur. Sie ist in einer Reihe von Moschee-Vereinen vertreten, die weitgehend unabhängig voneinander agieren. Die Vereinsaktivitäten beschränken sich im Wesentlichen auf interne Treffen, Diskussionsveranstaltungen und religiöse Feiern (z.B. Ashura). Sie sind von dem Bemühen geprägt, die Bindungen der hier lebenden Libanesen an ihre Heimat und an die Organisation selbst nicht abreißen zu lassen. Darüber hinaus gehört das Sammeln von Spendengeldern zu den wichtigsten Aufgaben der Vereine. Der Organisation werden bundesweit etwa 900 Anhänger zugerechnet. Im August 2004 hatte Generalsekretär Hassan NASRALLAH ( folgendes Foto) angeordnet, sich in Deutschland gesetzeskonform zu verhalten, um keine Angriffsfläche für staatliche Maßnahmen zu bieten; 52 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Deutschland wird explizit als "Ruheraum" bezeichnet. Als Konsequenz haben sich viele HIZB ALLAH-nahe Muslime in den letzten Jahren zurückgezogen; viele sind auch nicht mehr in den Moscheevereinen aktiv. Obwohl ihre Gruppen im Ausland bislang noch nicht militant aufgetreten sind, ist weiterhin von einer potentiellen Gefährdung israelischer Interessen durch die HIZB ALLAH auch außerhalb des Libanon auszugehen. Der weltumspannende Satelliten-Fernsehsender Al-Manar-TV - wichtiges Propagandamittel der Hizb Allah - ist auch für die Hamburger Anhänger das mediale Bindeglied zum Libanon. Er preist regelmäßig Selbstmordattentate gegen israelische Ziele und gegen die Koalitionstruppen im Irak (Beitrag "Holocaustleugnung als 'psychologische Waffe': Ahmadinejad und Hizb Allahs Al-Manar-TV52"). Wichtigste Anlaufstelle der Hamburger HIZB ALLAH-Anhänger ist weiterhin das "Islamische Zentrum Hamburg" (IZH, II.,7.2). 4.3 Türkische Islamisten 4.3.1 "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) Mit schätzungsweise 26.500 Mitgliedern ist die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) die mit Abstand größte islamistische Organisation in Deutschland. Zur Anhängerschaft hinzuzurechnen sind Familienmitglieder und Sympathisanten, die zwar keinem IGMGVerein angehören, aber Moscheen der IGMG besuchen, an Veranstaltungen und Programmen der Organisation teilnehmen und sich der "Milli Görüs"-Bewegung zugehörig fühlen. Organisatorisch untergliedert sich die türkisch-islamistische Vereinigung in bundesweit 15 Regionalverbände. Außer in Deutschland ist sie in neun weiteren europäischen Ländern mit insgesamt 15 Regionalverbänden vertreten. Der IGMG gehören nach eigenen Angaben 514 Moscheevereine an, 53 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern davon 323 in Deutschland. Außer den Moscheevereinen unterhält die IGMG u.a. speziell für Frauen, Jugendliche und Studenten gegründete Nebenorganisationen sowie etliche Bildungseinrichtungen. Sitz ihrer Europaund Deutschlandzentrale ist Kerpen/NW. Für die Verwaltung des Immobilienbesitzes ist die verbandseigene "Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft e.V." (EMUG) zuständig. Auch die IGMG in Deutschland ist ideologisch nach wie vor von der islamistischen "Milli Görüs"-Bewegung ("Nationale Weltsicht") des ehemaligen türkischen Ministerpräsidenten Necmettin ERBAKAN (*1926, Foto) geprägt. Dessen auch schriftlich niedergelegte Ideologie der "Adil Düzen" ("Gerechte Ordnung") fordert eine religiöse Bestimmung der Staatsordnung bis in die rechtliche Ausgestaltung hinein und lehnt säkular ausgerichtete Gesellschaftsmodelle nach westlichem Verständnis ab. Da insbesondere diese ideologische Zuordnung die Beobachtung durch den Verfassungsschutz begründet, versucht die IGMG-Führung das politische Leitprogramm ERBAKANs als nicht mehr gültig darzustellen. So erklärte etwa das IGMG-Vorstandsmitglied Mustafa YENEROGLU in einem Leserbrief in der FAZ vom 19.02.05, der Begriff "Adil Düzen", den angeblich selbst der "Milli Görüs"-Führer nicht mehr gebrauche, sei lediglich ein "Abstraktum" und umschreibe nur (noch) "das Streben von Milli Görüs nach Gerechtigkeit als unverzichtbares Prinzip jeglicher gesellschaftlicher Ordnung". Das klare Bekenntnis des wichtigsten Publikationsorgans der "Milli Görüs"-Bewegung, der Tageszeitung "Milli Gazete", und anderer "Milli Görüs"-Vertreter zum ursprünglichen Konzept widerlegt jedoch diese Behauptung. Tatsächlich verfügt der "Milli Görüs"-Führer in der IGMG weiterhin über nahezu uneingeschränkte Autorität und kann sich auf eine breite Anhängerschaft stützen. Seit dem Verbot der "Refah Partisi" ("Wohlfahrtspartei") 1998 und deren Nachfolgeorganisation, der "Fazilet Partisi" ("Tugendpartei"), im Jahr 2001 sowie der fast zeitgleichen Abspaltung der reformorientierten Kräfte unter dem heutigen Ministerpräsidenten Recep Tayyip 54 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern ERDOGAN hat "Milli Görüs" in der Türkei jedoch erheblich an Einfluss verloren. Die 2001 von ERDOGAN und anderen ehemaligen "Milli Görüs"-Mitgliedern gegründete "Adalet ve Kalkinma Partisi" (AKP, "Gerechtigkeitsund Entwicklungspartei") stellt seit November 2002 die Regierung in der Türkei. Die verbliebenen ERBAKAN-Anhänger sammelten sich in der ebenfalls 2001 gegründeten "Saadet Partisi" (SP, "Glückseligkeitspartei"). Die IGMG spielt als europäischer Ableger der SP bzw. der "Milli Görüs"-Bewegung in den Plänen ERBAKANs zur Rückeroberung der Macht in der Türkei eine wichtige Rolle - vor allem in finanzieller Hinsicht. Hochrangige Vertreter der SP, die 2005 bei Veranstaltungen der IGMG in Deutschland auftraten, nutzten die Gelegenheit, um unter dem Beifall der IGMG-Anhänger die Politik der AKP massiv anzugreifen und gleichzeitig für die Unterstützung der SP und ihrer Einrichtungen, wie etwa den Fernsehsender "TV 5", zu werben. Von herausragender Bedeutung für den Zusammenhalt der "Milli Görüs"-Bewegung und für die Verbreitung ihrer ideologischen Grundpositionen ist weiterhin die Tageszeitung "Milli Gazete". Die EuropaAusgabe der Zeitung ist im freien Handel in Deutschland erhältlich. Obwohl von der SP und der IGMG formal unabhängig, ist sie der "Milli Görüs"-Bewegung eng verbunden. Ihre Veröffentlichungen können daher als repräsentativ für das Islamund Politikverständnis von "Milli Görüs" und damit der IGMG, die sich selbst als Teil dieser Bewegung versteht, angesehen werden. Trotz veränderter Aufmachung und inhaltlicher Glättung erneuerte die Zeitung am 01.03.05 ihr Bekenntnis zu "Milli Görüs" und erklärte, dass sie für die von ERBAKAN entwickelte "Gerechte Wirtschaftsordnung" (Adil Ekonomik Düzen) eintrete. Die Befreiung der gesamten Menschheit hänge u.a. von der Wiederrerrichtung einer "Groß-Türkei" und einer "neuen Welt" unter der Führung der "Milli Görüs" ab. Die Zeitung berichtet über Veranstaltungen der IGMG-Vereine in einer Ausführlichkeit und einem Umfang, wie er nicht einmal im organisationseigenen Organ "IGMG Perspektive" oder auf der IGMG-Homepage zu finden ist. Darüber hinaus veröffentlicht "Milli Gazete" zahlreiche Veranstaltungshinweise sowie Kleinanzeigen von und für IGMG-Mitglieder. Die Zeitung ist zudem häufig bei Veran55 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern staltungen der IGMG mit Infoständen vertreten und wirbt im Kreis der IGMG-Mitglieder um neue Abonnenten. Dies wird von der IGMG nicht nur geduldet, sondern sogar unterstützt. Um die IGMG von der Zurechenbarkeit kritischer Inhalte zu entlasten, wurde ab Jahresmitte im Impressum der Europa-Ausgabe eine wortreiche Erklärung aufgenommen, in der die "Milli Gazete" ihre demokratische Ausrichtung und Unabhängigkeit beteuert. Ungeachtet dessen finden sich in der Zeitung aber auch danach noch zahlreiche Beiträge, die zeigen, dass es sich bei dieser Erklärung um ein Lippenbekenntnis handelt, dem keine wirkliche inhaltliche Kursänderung folgte. Die unverändert islamistische Position der "Milli Görüs"-Bewegung kommt z.B. in folgenden Zitaten aus der "Milli Gazete" v. 09.09.05 und 07.10.05 zum Ausdruck: "Der islamische Glaube braucht keine Reformen, Veränderungen und Erneuerungen. ... Die Thesen einiger Radikaler, Konvertiten und Reformisten sind komplett falsch. Im Islam kann es keine Reformen geben. ... Reformen und Veränderungen gibt es nur in verdorbenen Religionen, in menschlichen Ideologien und Theorien." "Diejenigen, die davon ausgehen, dass die islamischen Grundsätze den Bedürfnissen der Zeit nicht gerecht werden können, lassen sich täuschen. Wir sind der Meinung, dass die moralischen, sozialen und politischen Dogmen, die in der Scharia enthalten sind, der Natur des Menschen absolut entsprechen. Sie sind in der Lage, das Leben und das Schicksal der Söhne Adams bis zum Jüngsten Tag zu verbessern. Die islamischen Institutionen sind unveränderbar, nicht weil sie nicht in der Lage sind, sich weiterzuentwickeln, sondern weil sie vollkommen sind." In einem Artikel in der Ausgabe vom 11.10.05 wird bereits in der Überschrift erklärt: "Einzig im Islam ist Rettung zu finden". Weiter heißt es dort: 56 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern "Es gibt keinen Zweifel, dass die alleinige Rettung im Islam liegt. Die muslimischen Völker müssen die Islamisierung vorantreiben und ihre Ethik, ihre Gemeinschaft und ihre Politik dem Islam anpassen. Alle unsere Bemühungen und unsere Wünsche sollten auf dieses Ziel ausgerichtet sein. ... Was bedeutet Islamisierung? Islamisierung bedeutet die vollständige Umsetzung des islamischen Glaubens, seiner Ethik, seiner Lebensweise und seiner Politik." Klarer kann der von "Milli Görüs" vertretene, sich auf Staat und Gesellschaft erstreckende Absolutheitsanspruch des Islam kaum formuliert werden. Am 07.11.05 veröffentlichte der Pressekoordinator des Blattes aus Anlass des Ramadan-Endes einen "Brief von Milli Gazete" zum politischen Kurs der Zeitung, in dem das islamistische Weltbild der "Milli Görüs"-Bewegung erneut deutlich zum Vorschein kommt: "Möge Gott uns beistehen, die Tyrannei, die sich über die islamische Umma herabgesenkt hat, zu beseitigen. Möge er uns nicht den Beistand dabei versagen, dass das kapitalistische System, das die Menschheit erwürgt, zerschlagen und die Gerechte Ordnung [Adil Düzen], welche die gesamte Menschheit verdient hat, errichtet wird. ... Die Feinde der Menschheit fürchten sich nicht vor unserem Gebet oder unserem Flehen. ... Das einzige, was sie fürchten, ist, dass die Muslime ein politisches Bewusstsein haben. Denn sie wissen genau so gut wie wir, dass derjenige, der kein politisches Bewusstsein hat, am Ende ihr Soldat sein wird. Als Milli Gazete ist es unsere Pflicht, die Stimme derjenigen Menschen zu sein, die dieses politische Bewusstsein schaffen wollen, diese Pflicht so gut wie möglich zu verbreiten und unsere Veröffentlichungen dazu zu nutzen, dass ihr politischer Wille zur Herrschaft gelangt. ..." Auf der Grundlage vor allem von Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden gelangte auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Koblenz 2005 zu der Auffassung, dass es sich bei der IGMG als Teil der "Milli Görüs"-Bewegung um eine Organisation handelt, von der verfassungsfeindliche Bestrebungen ausgehen. In der Urteilsbegründung vom 24.05.05, mit der die Klage eines IGMG-Mitglieds gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung in der Berufungsinstanz zurückgewiesen wurde, stellte das Gericht fest, dass die IGMG trotz gegenteiliger 57 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Bekundungen nicht nur die Beseitigung der laizistischen Gesellschaftsordnung in der Türkei anstrebe, sondern es ihr darüber hinaus um die Errichtung einer islamischen Ordnung auf der Grundlage der Scharia zumindest in den Staaten gehe, in denen - wie in der Bundesrepublik Deutschland - Muslime leben. Unter Ausnutzung der von der Verfassung selbst gebotenen Gestaltungsund Mitwirkungsmöglichkeiten gehe es ihr letztlich darum, diese zu überwinden. Auch hinsichtlich der Glaubenspraxis der IGMG ist festzustellen, dass diese weiterhin von der traditionalistischen Weltanschauung ERBAKANs geprägt ist und davon abweichenden Auffassungen vehement entgegengetreten wird. Wesentliche Merkmale dieser Glaubenspraxis lassen sich beispielhaft in Äußerungen erkennen, wie sie etwa auf einer Veranstaltung in Delmenhorst am 21.01.05 anlässlich des Opferfestes ("Kurban") gefallen sind. Dort kritisierten in aggressiver Form der stellvertretende Vorsitzende der "Islamischen Föderation Bremen" (IFB, Regionalverband der IGMG) und ein weiterer IGMG-Funktionär, dass eine erschreckend hohe Zahl von Muslimen die Grundsätze und Lebensregeln des Koran durchbrechen würden. Die türkische Tageszeitung "Hürriyet" zitierte den stellvertretenden IFB-Vorsitzenden in ihrer Ausgabe vom 25.01.05 u.a. mit den Worten: "Früher sind wir kilometerweit gelaufen, wenn unsere Frauen krank waren, um einen weiblichen Arzt zu finden. Aber jetzt trennen die Frauen nicht mehr zwischen männlichen und weiblichen Ärzten. Früher gingen unsere kopftuchtragenden Frauen nicht allein auf die Straße. Jetzt sehen wir sie alleine beim Einkaufen. Das ist falsch. Diese Art ist gegen den Islam. Unsere muslimischen Frauen sollen nicht alleine Einkaufen gehen. Sie sollen zu Ärztinnen gehen. Bei Hochzeiten und anderen Feierlichkeiten sollen Männer und Frauen getrennt sitzen. Wir sollten nur bei Muslimen einkaufen. Unsere Kinder sollten wir nach den Gesetzen der Religion verheiraten und danach ihre Ehepartner aussuchen." Verteidigt wird diese archaische Denkweise und eklatante Ungleichbehandlung der Geschlechter in der Regel damit, dass diese Praxis den Vorgaben Allahs entspreche. Der Islam sei jeglicher menschlichen Ordnung weit überlegen und benötige daher weder eine Reform noch könne er überhaupt reformiert werden, ohne ihn in seinem Wesensgehalt zu verändern. Die wichtigsten Grundlagen des islamischen Rechts 58 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (Scharia), der Koran und die Sunna (überlieferte Lebensweise des Propheten Mohammed), seien unveränderlich und der Gläubige ihnen gegenüber zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet. Andernfalls drohe der Verlust des Paradieses. Um so wichtiger ist in den Augen islamistischer Muslime das Erlernen und Verinnerlichen einer an der Scharia ausgerichteten Lebensweise. Der hohe Stellenwert der religiösen Bildungsarbeit der IGMG ist hierin begründet. Die intensive Vermittlung der Glaubensgrundlagen aus islamistischer Sicht dient dazu, Kindern von klein auf ihre muslimische Identität bewusst zu machen und diese auszuprägen. Die zielgerichtete Indoktrination und Heranführung an die islamistische, als überlegen angesehene Weltanschauung birgt die Gefahr einer fortschreitenden Abschottung gegenüber der Mehrheitsgesellschaft und der Verfestigung parallelgesellschaftlicher Strukturen. Hinter dieser Politik steht ein ideologisches Konzept, das auf Abgrenzung gegenüber westlichen Wertvorstellungen und Lebensgewohnheiten setzt. Die IGMG versteht unter Integration weniger ein gesellschaftliches Miteinander von Deutschen und Migranten, Muslimen und Nichtmuslimen, sondern in erster Linie die größtmögliche Inanspruchnahme gesellschaftlicher Rechte zur Durchsetzung eigener Forderungen (z.B. Aufhebung des "Kopftuchverbots"). Der Erfolg dieser Bemühungen lässt sich u.a. an der ungebrochenen Popularität ERBAKANs auch in der jungen Generation ablesen. Eindrucksvoll konnte dies auf der europaweiten Jugendveranstaltung der IGMG am 09.04.05 im belgischen Genk beobachtet werden, an der nach eigenen Angaben ca. 8.000 Jugendliche teilnahmen. Der "Milli Görüs"-Führer, der mittels einer per Videoleinwand übertragenen Telefonschaltung zu den Teilnehmern sprach, wurde mit Sprechchören, Jubelschreien sowie dem Schwenken von Türkeiund IGMG-Fahnen frenetisch gefeiert. 59 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Ähnliche Reaktionen rief die Erwähnung ERBAKANs auf dem internationalen IGMG-Treffen am 24.09.05 in Leverkusen hervor, an dem ca. 2.000 IGMG-Funktionäre und -Mitglieder aus allen Regionalverbänden und Arbeitsbereichen teilnahmen. Als der stellvertretende Vorsitzende der SP, Seref MALKOC, Grüße von ERBAKAN überbrachte, fing die begeisterte Menge an "Mücahit ERBAKAN" ("Glaubenskämpfer ERBAKAN") zu skandieren. In seiner Rede griff MALKOC unter dem Beifall der IGMG-Anhänger die Politik der AKP scharf an und warf Ministerpräsident ERDOGAN vor, den Islam und alle islamischen Länder durch seine Anbiederung an Europa zu verraten. Der IGMG-Vorsitzende Yavuz Celik KARAHAN betonte, dass ERBAKAN allen Funktionären für ihre hervorragende Arbeit danke. Andere Redner bezeichneten ERBAKAN als "unseren Führer" und "unseren Hoca". Die Veranstaltung diente insbesondere dazu, die versammelte Funktionärsmannschaft der IGMG zu noch stärkerem Engagement zu motivieren, um die Mitgliederzahlen weiter zu steigern. Man werde alles tun, so der allgemeine Tenor, um den Nachwuchs zu fördern und die IGMG noch stärker zu machen. Der Generalsekretär der IGMG, Oguz ÜCÜNCÜ ( Foto), erklärte in seiner Rede, "Milli Görüs" verfolge das Ziel, den Islam in enger Anlehnung an den Koran und die Sunna authentisch auszuleben. Man werde hinsichtlich der Ideale und Grundsätze keine Zugeständnisse machen. Die IGMG werde ihre Aktivitäten ohne Kompromisse fortsetzen. Situation in Hamburg In Hamburg wird die IGMG vom "Bündnis der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland e.V." (BIG) repräsentiert, dem insgesamt 17 Moscheevereine in Hamburg (9), Schleswig-Holstein (6) und im nördlichen Niedersachsen (2) sowie mehrere regionale und lokale Nebenorganisationen angehören, darunter die "Muslimische Frauengemeinschaft e.V." (MFG), der "Islamische Jugendbund e.V." (IJB) und die "Islamische Hochschulgemeinde e.V." (IHg, Logo nebenstehend). Den BIG-Vereinen sind in Hamburg ca. 1.600 Personen zuzurechnen. Insgesamt verfügt das BIG über etwa 60 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 2.200 Mitglieder. Die Gesamtzahl der "Milli Görüs"-Anhänger dürfte jedoch deutlich darüber liegen. Schätzungsweise 5.000 bis 6.000 - auch nichttürkische - Muslime besuchen an jedem Freitag die Gebetsveranstaltungen der IGMG-Moscheen in Hamburg, davon allein regelmäßig ca. 1.000 bis 1.500 die der "Centrum-Moschee". Außer der "Centrum-Moschee" in der Böckmannstraße (St. Georg) gibt es BIG-Moscheen auf der Veddel, in Wilhelmsburg, Harburg, Eidelstedt, Altona, Neugraben und Neuenfelde. Während die IGMG das BIG als ihren Hamburger Regionalverband ausgibt, wird von Seiten des BIG nach außen Distanz signalisiert. Offiziell bezeichnet sich der norddeutsche Dachverband lediglich als "Kooperationspartner" der IGMG. Für 2006 ist der Neubzw. Umbau der "Centrum-Moschee" und des angrenzenden, zum BIG gehörenden Supermarktes "Lindenbazar" gepIant. Das BIG unterhält neben den Moscheen Bildungsstätten mit Übernachtungsmöglichkeiten in Harburg und im niedersächsischen Seevetal. Dort wird schwerpunktmäßig in den Sommerferien und an Wochenenden Koranunterricht für Kinder im Alter bis 14 Jahre erteilt. Auch die "Centrum-Moschee" und andere Einrichtungen des BIG in Hamburg bieten Korankurse und Islamunterricht an. Durch verschiedene öffentlichkeitswirksame Aktionen, wie den seit einigen Jahren begangenen "Tag der offenen Moschee" am 03. Oktober, beabsichtigt das BIG, sich als dialogbereite muslimische Organisation zu präsentieren. Ein weiterer Höhepunkt im Jahresprogramm des BIG war der international besetzte Koranrezitations-Wettbewerb am 28.03.05 im Congress Centrum Hamburg (CCH), den rund 3.000 Muslime besuchten. Wie in anderen Städten auch, liegt die "Milli Gazete" in den Hamburger IGMG-Moscheen seit längerem nicht mehr zum Verkauf aus. Obwohl es laut Impressum ein "Büro Hamburg" gibt, wurde 2005 in der "Milli Gazete" über die Aktivitäten des BIG im Vergleich zu anderen 61 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Regionalverbänden relativ wenig berichtet. Neben einem Hinweis auf die Veranstaltung im CCH informierte das Blatt im April und Mai nur kurz über einen vom norddeutschen Jugendverband des BIG durchgeführten "Wissenswettbewerb", über ein zweitägiges Frauenseminar in Seevetal sowie über Aktivitäten der Moschee in Glinde/SH. Obwohl der Hamburger Regionalverband angesichts der massiven Kritik an der Zeitung auf eine umfangreichere Berichterstattung offensichtlich keinen großen Wert legt, geben Erkenntnisse aus dem Innenleben der Organisation dennoch Anlass zu der Annahme, dass islamistische Propaganda auch in Hamburg weiterhin auf fruchtbaren Boden fällt. So wird u.a. bedauert, dass man aufgrund des vorherrschenden Misstrauens gegenüber der IGMG und der Furcht vor Überwachungsund Repressionsmaßnahmen des Staates nicht mehr offen seine Meinung zu bestimmten politischen Themen (z.B. Israel) äußern könne. Kritisiert wird auch, dass die meist moderaten Predigten der Hocas fast ausschließlich religiöse Themen behandelten. Während die IGMG und das BIG nach außen die Verbundenheit und die Toleranz gegenüber den Buchreligionen Judentum und Christentum betonen, gibt es an der Basis abfällige und zum Teil hasserfüllte Äußerungen gegen "Ungläubige", insbesondere Juden und Amerikaner. Auch extrem antisemitische Verschwörungstheorien, nach denen z.B. der Holocaust von den Juden selber organisiert worden sei, um am Ende einen eigenen Staat in Palästina errichten zu können, sind unter "Milli Görüs"Anhängern in Hamburg wie auch anderswo vertreten. Nachzulesen sind derartige Thesen u.a. in den antisemitischen Werken des unter dem Pseudonym Harun YAHYA schreibenden türkischen Autors Adnan OKTAR, der - im Gegensatz zur Europa-Ausgabe - häufig in der Türkeiausgabe der "Milli Gazete" mit Kolumnen und großformatigen Werbeanzeigen präsent ist. Die Bücher YAHYAs sind auch unter den IGMG-Anhängern in Hamburg gefragt. In der u.a. im Internet veröffentlichten Einführung zu seinem Buch "Yeni Masonik Düzen" ("Die neue Ordnung der Freimaurer", 4. Aufl., 2002) führt YAHYA aus, dass die deutschen 62 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Nazis und die Zionisten die "gleiche rassistische Ideologie" besessen hätten und ein "interessantes Bündnis" eingegangen seien, um die europäischen Juden nach Palästina zu schicken. Damit die Zionisten in Palästina einen Judenstaat errichten konnten, hätten die Nazis Europa "Judenrein" (so im Original auf Deutsch geschrieben) gemacht, woraus mit dem Holocaust eine der größten Tragödien der Geschichte folgte. Mit anderen Worten: YAHYA bezichtigt die Juden, Miturheber des Holocaust gewesen zu sein. Sogar in Video-CDs für Kinder, wie der vierteiligen Zeichentrickserie "Mescid-i Aksa Cocuklari" ("Die Kinder der Al-AqsaMoschee"), die 2005 in der Centrum-Moschee offen verkauft wurde, wird die Abneigung gegen Juden in tendenziöser und böswilliger Weise geschürt. Produziert wurde die Zeichentrickserie vom staatsnahen iranischen "Saba-Zentrum für Kultur und Kunst"; für den Vertrieb zeichnet eine Medienfirma aus Istanbul verantwortlich. In dieser in Palästina spielenden Filmserie wird gezeigt, wie selbst Kinder mit geeigneten Mitteln Widerstand leisten und israelische Soldaten töten können, die - wie ihre Hintermänner - ausschließlich als despotische Besatzer und bösartige und heimtückische Mörder dargestellt werden. Den Video-CDs beigelegt ist eine Broschüre von Harun YAHYA, in der u.a. das komplette Buchangebot des Autors vorgestellt wird. In einem 2004 mit der "taz" geführten Interview hatte der IGMG-Funktionär Mustafa YENEROGLU behauptet, YAHYAs Bücher seien in den IGMG-Moscheen verboten. Geworben wird für diese aber offensichtlich weiterhin. Auch das offizielle Buchangebot des BIG bietet zusätzliche Anhaltspunkte für die Unterstützung islamistischer Bestrebungen. So werden beispielsweise im Internet auf der Seite des zur "Centrum-Moschee" gehörenden "Islammarkts" Werke von bekannten Muslimbrüdern und anderen Islamisten angepriesen. Dass solche Literatur zu einer Verfestigung islamistischer Einstellungen beiträgt, liegt auf der Hand. Gefördert werden diese Einstellungen auch durch Äußerungen von 63 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Gemeindeverantwortlichen. So sprach sich z.B. ein Hoca des BIG dafür aus, nicht in Deutschland, aber in den islamischen Ländern die Einhaltung von islamischen Geboten - wie die Ausübung des rituellen Gebets oder die strikte Trennung der Geschlechter - nötigenfalls unter Einsatz von Zwangsmitteln durchzusetzen. Solche nur intern zu hörenden Meinungsäußerungen begründen weiterhin den Zweifel, dass die Beachtung unveräußerlicher und universell gültiger Menschenrechte - wie die Religionsfreiheit und die Gleichstellung der Frau - nicht einer inneren Zustimmung zur Werteordnung des Grundgesetzes entspringt, sondern vorrangig der taktisch motivierten Einsicht, sich den kulturellen und rechtlichen Gegebenheiten in nichtmuslimischen Ländern anpassen zu müssen - zumindest solange man sie nicht ändern kann. Die Verurteilung von islamistisch motivierten Terroranschlägen durch Repräsentanten des BIG ist dagegen als glaubwürdig zu bewerten. In den Moscheen der IGMG sind z.T. auch Hocas aktiv, die auf die Muslime mäßigend einwirken, das Schwergewicht ihrer Unterweisung auf die persönliche Ausübung des Glaubens legen und sich auf die Lösung von Alltagsproblemen der Muslime konzentrieren. Ungeachtet der gemäßigten Rhetorik und des immer wieder bekundeten Willens zur Integration und zur Anerkennung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung besteht aber weiterhin der begründete Verdacht, dass ein demokratisches, die Grundrechte vollumfänglich akzeptierendes und auf Ausgleich und Verständigung mit Nichtmuslimen, Juden und Christen gerichtetes Denken sich bisher weder an der Basis noch in Funktionärskreisen auf breiter Front durchgesetzt hat. Auch in der Hamburger IGMG fällt islamistisches Gedankengut auf fruchtbaren Boden, und es werden alte Feindbilder gepflegt. 4.3.2 Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V. - "Der Kalifatstaat" - ("Islami Cemaat ve Cemiyetler Birgili", ICCB) Die Abschiebung ihres geistigen Führers Metin KAPLAN am 12.10.04 in die Türkei hatte unter den Mitgliedern des "Kalifatsstaats" für erhebliche Verunsicherung und zeitweilige Orientierungslosigkeit gesorgt. Aus Angst, selbst von ausländeroder vereinsrechtlichen Maßnahmen betroffen zu werden, hatten sich viele KAPLAN-Anhänger zunächst zurückgezogen. Führende Aktivisten der rechtskräftig verbotenen Organisation hatten ihre illegalen Aktivitäten jedoch schon bald fortge64 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern setzt und sich bemüht, die bisherige Anhängerschaft weiter an sich zu binden und verbliebene Rest-Strukturen des "Kalifatsstaats" aufrechtzuerhalten. Zu den 2005 festgestellten Aktivitäten des "Kalifatsstaats" zählte u.a. der Aufbau eines neuen Internetauftritts, der - ungeachtet des Vereinsverbotes und polizeilicher Exekutivmaßnahmen - zur Verbreitung der Lehren von Cemaleddin und Metin KAPLAN beiträgt. Links auf einer türkischsprachigen Seite führen u.a. zu Audiound Videosequenzen von Cemaleddin KAPLAN und Predigten von Metin KAPLAN. Der Domaininhaber der Internetseite ist in den Niederlanden registriert. Die fortgesetzten Aktivitäten der KAPLAN-Anhänger insbesondere im süddeutschen Raum hatten entsprechende polizeiliche Maßnahmen zur Folge. Am 23.11.05 durchsuchte die Polizei in der Region Ingolstadt Räumlichkeiten von Anhängern des verbotenen "Kalifatsstaats" und stellte umfangreiche Materialien sicher, u. a. Fahnen, Bücher, Videofilme und Computer. Betroffen waren zahlreiche Privatund Geschäftsräume sowie eine Moschee. Wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Vereinigungsverbot bzw. der Fortführung und Unterstützung einer verbotenen Vereinigung waren bereits am 29.09.05 in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sowie in den Niederlanden und in Belgien zahlreiche Objekte durchsucht worden. In Hamburg gibt es nur wenige KAPLAN-Anhänger, die kaum Aktivitäten mit Außenwirkung entfalten. Der mehrfach vertagte Prozess gegen KAPLAN in der Türkei wurde am 30.05.05 fortgesetzt. Am 20.06.05 verurteilte ihn das Istanbuler Schwurgericht wegen Hochverrats zu einer lebenslangen Haftstrafe ohne Aussicht auf eine vorzeitige Entlassung. Mit dem Urteil folgte das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die den Islamistenführer wegen insgesamt 13 Straftaten / Delikten angeklagt hatte. KAPLAN wurde unter anderem vorgeworfen, 1998 einen Anschlag gegen das ATATÜRK-Mausoleum in Ankara geplant zu haben, bei dem 65 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern führende Repräsentanten des türkischen Staates getötet werden sollten. Auch eine gleichzeitige Besetzung der Fatih-Moschee in Istanbul sei geplant gewesen. KAPLAN stritt während der Verhandlung ab, mit den angeblichen Attentatsplänen etwas zu tun gehabt zu haben. Er bekannte sich jedoch freimütig zu seinem Ziel einer Türkei, die ausschließlich auf den Koran und die Sunna gegründet ist. Er habe in seinen Schriften jedoch nie zur Gewalt aufgerufen. KAPLANs Anwalt zufolge habe das Gericht weder Entlastungszeugen angehört noch eine gründliche Beweisaufnahme vorgenommen. Die Rechte seines Mandanten seien dadurch erheblich verletzt worden. Das oberste türkische Berufungsgericht hob die Verurteilung Ende November 2005 wieder auf. Nach Presseberichten begründete das Gericht in Ankara seine Entscheidung u.a. mit Verfahrensfehlern und unzureichenden Ermittlungen. Zudem forderten die Richter, im Fall KAPLAN das im Juni 2005 in Kraft getretene neue Strafrecht anzuwenden. Ein neuer Prozesstermin steht noch nicht fest. 5. KONGRA GEL (Kongra Gele Kurdistan, Volkskongress Kurdistans, vormals KADEK, Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistan, Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans, und PKK, Partiya Karkeren Kurdistan, Arbeiterpartei Kurdistans) 5.1 Entwicklungen und Organisatorisches Der KONGRA GEL ist seit 15.11.03 die Nachfolgeorganisation des aufgelösten KADEK, der wiederum der 1993 in Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegten PKK nachfolgte. Dem KONGRA GEL gelang es ebenso wenig wie seinen Vorgängerorganisationen, in Europa als politische Kraft anerkannt zu werden. Mit dem Fortbestehen der Guerillaeinheiten der HPG ("Hezen Parastina Gel", "Volksverteidigungskräfte") in der Türkei und der Option auf eine Rückkehr zum bewaffneten Kampf bleibt der von ihr behauptete "Friedenskurs" trotz 66 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern aller Umbenennungen, Neustrukturierungen und verbaler Distanzierung unglaubwürdig. Vom 28.03. bis 04.04.05 fand nach einem Bericht der KONGRA GELnahen Tageszeitung "Özgür Politika" (ÖP, Freie Politik) vom 05.04.05 in den "Bergen Kurdistans" mit angeblich 250 Delegierten ein Kongress zum Wiederaufbau der PKK statt. Im Anschluss daran sei die Gründung der "neuen" PKK verkündet worden. Diese müsse als "zweite offizielle Geburt der Organisation" verstanden und mit "Aktionen zur Beschleunigung der konföderierten demokratischen Organisation und zur Gewinnung der Demokratie gefeiert werden". Einer von den Delegierten unterzeichneten Erklärung sei zu entnehmen, dass die "neue" PKK eine Schlüsselrolle in der Demokratisierung des Nahen Ostens spielen solle. Sie verstehe sich als ideologische Avantgarde innerhalb des KONGRA GEL. Bemerkenswert ist das offenbar erfolgreiche Bemühen des seit 1999 in der Türkei einsitzenden Abdullah ÖCALAN (früherer Vorsitzender der PKK, dann des KADEK), aus seiner Haft heraus die Organisation ideologisch zu führen. Im Mai 2005 wurde im Rahmen der 3. Generalversammlung des KONGRA GEL das von ÖCALAN vorgestellte Projekt "Koma Komalen Kurdistan", (KKK, Demokratischer Konföderalismus Kurdistans) gegründet. Dieses Projekt sieht vor, dass alle Entscheidungen von der Basis getroffen und dann auf allen Ebenen diskutiert und bedacht werden. Der KONGRA GEL definiert sich selbst als höchsten demokratischen Volkswillen des Demokratischen Konföderalismus Kurdistans und als "Gesetzgebende Versammlung". Die PKK, die auf der Grundlage des "demokratisch-ökologischen Gesellschaftsparadigmas" neu aufgebaut worden sei, wurde zur "ideologischen Kraft des Systems des Demokratischen Konföderalismus" erklärt (vgl. ÖP v. 02.06.05). ÖCALAN wird seitdem als "Demokratischer Konföderalismusführer" bezeichnet. Mit einer "Phase der Aktionslosigkeit" der HPG vom 20.08. bis zum 03.10.05 bei "passiver" Verteidigung - d.h. Beschränkung auf "not67 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern wendige Verteidigungsmaßnahmen" - versuchte der KONGRA GEL, die türkische Regierung zu bewegen, u.a. die Haftbedingungen ÖCALANs zu verbessern und Wege zu einem Dialog herzustellen. Es ist nicht das erste Mal, dass der KONGRA GEL mit mehr oder weniger symbolischen Gesten den von vornherein illusorischen Versuch unternimmt, von der türkischen Regierung als kompetenter Gesprächspartner anerkannt zu werden. Dazu gehört auch die Botschaft des KONGRA GEL-Vorsitzenden Zübeyir AYDAR anlässlich der internationalen Konferenz "Die EU, die Türkei und die Kurden" am 19. und 20.09.05 im Europäischen Parlament: Der KONGRA GEL sei bereit, die Waffen nicht nur schweigen zu lassen, sondern gänzlich aus dem Verkehr zu ziehen, falls ein Dialog zur Lösung der Kurdenfrage mit friedlichen, demokratischen Mitteln geführt werde. Eine zuvor nicht bekannte Gruppe mit dem Namen TAK ("Teyrebaze Azadiya Kurdistan", "Freiheitsfalken Kurdistans") macht seit Juli 2004 mit zahlreichen, z.T. folgenschweren, Anschlägen im Westen und im Zentrum der Türkei auf sich aufmerksam. Der ÖP zufolge steht die TAK mit keiner anderen kurdischen Organisation in Verbindung, sie sei völlig unabhängig. Türkische Sicherheitsbehörden rechnen die Anschläge allerdings Aktivisten der PKK bzw. des KONGRA GEL zu. Die Bezeichnung "Freiheitsfalken Kurdistans" legt einen PKK-Zusammenhang nahe, weil vor allem in den 90er-Jahren militante Jugendliche unter der Bezeichnung "APOs Falken" auftraten (ÖCALAN wird von seinen Anhängern auch "Apo" genannt). Ferner nimmt die TAK das von der früheren PKK ins Auge gefasste Konzept der Metropolenguerilla auf. Die Anschläge wurden 2005 fortgesetzt. Betroffen waren vor allem wirtschaftliche und touristische Ziele. * Am 30.04.05 kam es in Kusadasi (Foto) bei dem Versuch, einen Sprengsatz zu entschärfen, zu einer Explosion, bei der ein Polizist getötet und vier weitere zum Teil schwer verletzt wurden. 68 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern * Im Zeitraum vom 03. bis 07.06.05 kam es in den türkischen Städten Ankara, Hatay, Istanbul, Izmir und Usak bei Anschlägen auf Behörden und Firmen überwiegend zu Sachschäden. * Bei einem Bombenanschlag auf eine Gasstation in Izmir wurden am 08.06.05 drei Personen verletzt. Wie die ÖP am 08. und 14.06.05 berichtete, habe sich die TAK in Telefonanrufen bei der auch in Deutschland vertretenen "Mesopotamischen Nachrichtenagentur" (MHA, Mezopotamya Haber Ajansi) zu verschiedenen Anschlägen in der Türkei in den Wochen zuvor bekannt. * So will die TAK am 12.06.05 einen Anschlag auf ein Büro im Hafen von Mersin verübt haben, bei dem nach eigenen Angaben großer Sachschaden entstanden sein soll. * Bei einem Bombenanschlag am 10.07.05 auf einem zentralen Platz im westtürkischen Ferienort Cesme sind nach Medienberichten 20 Personen verletzt worden, davon eine schwer. * Am 16.07.05 kamen bei einem weiteren Bombenanschlag in Kusadasi fünf Menschen ums Leben, 14 weitere wurden verletzt. Der Sprengsatz, der in einem Paket versteckt gewesen sein soll, war in einem voll besetzten Kleinbus explodiert. Die TAK habe laut einer Meldung der ÖP vom 30.06.05 damit gedroht, in zahlreichen Städten der Türkei Anschläge zu verüben, sollten die "Angriffe des türkischen Militärs auf das kurdische Volk" andauern. Wenn die Türkei ihre Denkweise beibehalte, werde der Aufruf der TAK an die Jugend lauten: "Die Metropolen sind zum Niederbrennen freigegeben." Darüber hinaus seien die Angehörigen der TAK auch zu Aktionen bereit, bei denen man "sich selbst opfere". Die Zielobjekte der TAK seien der Tourismus und die Wirtschaft der Türkei. Dabei mache es keinen Unterschied, ob sich an diesen Objekten "Zivilisten, Soldaten, Angehörige des militärischen Verwaltungsapparates oder 69 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern andere zivile Gruppen" aufhielten. Auch ausländische Touristen wurden erneut vor Reisen in die Türkei gewarnt. Das Kernproblem des KONGRA GEL ist, dass er sich letztlich nicht von seiner terroristischen Vergangenheit lösen kann. Für das Ziel politischer Akzeptanz müsste er einen hohen Preis zahlen: Das Niederlegen der Waffen und das wirkliche Auflösen der Guerilla. Hierzu ist er jedoch nicht bereit. Eine starke Guerilla gilt ihm nach wie vor als Garant auch für politische Durchsetzungskraft. Wie sich in den Propagandaaktivitäten von KONGRA GEL und KKK auf allen Ebenen zeigt, ist ÖCALAN nach wie vor Schlüsselfigur für die Anhängerschaft in und außerhalb der Türkei. Sein Schicksal wie auch Berichte über seine Haftbedingungen wirken sich unmittelbar auf die Aktivitäten seiner Anhänger aus. Der Vorsitzende des Exekutivrates der KKK, Murat Karayilan ( Foto), wies im Dezember 2005 erneut auf die Bedeutung der Rolle ÖCALANs für die Lösung der Kurdenfrage hin: "Ohne Öcalan gibt es keine Lösung". Auch die PKK sei eng mit der Lösung der Kurdenfrage verbunden: "Die PKK ist die Lösung der Kurdenfrage" (22.12.05, in der türkischen Tageszeitung ÜLKEDE ÖZGÜR GÜNDEM). Der stellvertretende KKK-Vorsitzende bezeichnete Ende 2005 das kommende Jahr als Jahr mit schicksalhafter Bedeutung, es werde "in jeder Hinsicht, sowohl politisch als auch militärisch, ein großes Kampfesjahr" (27.12.05, ÜLKEDE ÖZGÜR GÜNDEM). Sollten die USA dem Wunsch der Türkei folgen und im Grenzgebiet Irak/Türkei gegen PKKStützpunkte vorgehen, könnte sich diese Prognose bewahrheiten. 5.2 Aktivitäten und Schwerpunkte In Deutschland liegt die KONGRA GEL-Parteiarbeit in den Händen seines politischen Arms, der CDK (Koordinasyona Civaka Demokratik ya 70 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Kurden Ewrupa, Koordination der kurdischen demokratischen Gesellschaft in Europa). Deren Kernaufgabe ist es, die Organisation zu finanzieren und die eigene Gefolgschaft zu mobilisieren. Ein Schwerpunkt war weiterhin der Versuch, der Basis die organisatorischen Veränderungen näher zu bringen. In Deutschland tritt für die Belange des KONGRA GEL bzw. der CDK der deutsche Dachverband YEK-KOM (Yekitiya Komelen Kurd li Elmanya, Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V.) ein. Er ist Mitglied im europäischen Dachverband KON-KURD (Konfederasyona Komelen Kurd Li Avrupa, Konföderation der kurdischen Vereine in Europa). YEK-KOM arbeitet z.B. mit Presseerklärungen, Anmeldungen von Demonstrationen und Flugblättern. Neben den aktuellen Kampagnen setzt sich der Dachverband kontinuierlich für die Aufhebung des im November 1993 durch den Bundesminister des Innern erlassenen PKK-Betätigungsverbots ein, das von ihr als "überholt, ungerecht und gefährlich" bezeichnet wird (so im Flugblatt YEK-KOM v. 24.11.05). Darüber hinaus fordert YEK-KOM die Streichung von PKK / KADEK / KONGRA GEL aus der "EU-Terrorliste". Die Politik der Dachverbände wird auf regionaler Ebene in den jeweiligen Vereinen umgesetzt, in Hamburg ist das der "Verein Kurdistan Volkshaus". Vor dem Hintergrund des sechsten Jahrestages der Festnahme des "kurdischen Volksführers" Abdullah ÖCALAN am 15.02.99 in Kenia fand am 12.02.05 in Straßburg (Frankreich) eine friedlich verlaufene Großdemonstration unter dem Motto "Freiheit für ÖCALAN - eine demokratische Lösung der Kurdenfrage" statt. Daran beteiligten sich nach Polizeiangaben etwa 9.000 Personen, die aus mehreren europäischen Ländern - überwiegend aus Deutschland (aus Hamburg ca. 500) - angereist waren. In Dortmund, Duisburg, Gießen, Hamburg und Köln wurden am 15.02.05 zu diesem Thema kleinere Veranstaltungen durchgeführt, die ohne Zwischenfälle verliefen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hat am 12.05.05 sein Urteil bezüglich der Klage ÖCALANs ge71 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern gen die Türkei aus dem Jahr 2003 bestätigt. Die Große Kammer des Gerichts rügte den Prozessverlauf gegen ÖCALAN erneut als unfair. Das nun rechtskräftige Urteil des EGMR ist für die Türkei bindend, da sie sich als Unterzeichnerstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention verpflichtet hat, die Urteile des Gerichtshofes anzuerkennen. Eine Neuauflage des Verfahrens gegen ÖCALAN in der Türkei wird im Urteilsspruch zwar empfohlen, aber nicht zwingend vorgeschrieben. Rund um den 12.05.05 solidarisierten sich Kurden in mehreren europäischen Metropolen mit ÖCALAN. Eine Delegation von in Hamburg lebenden Kurden übergab Politikern von SPD, Grünen und der CDU Informationsbroschüren über die Haftbedingungen ÖCALANs. Im Verlauf des Jahres kam es zu weiteren Aktionen in diesem Kontext (siehe unten). Eine europaweite Aktionskampagne des KONGRA GEL, begonnen am 01.11.04, wurde auch 2005 fortgesetzt mit der Forderung, die Kurdenfrage zum Gegenstand der EU-Entscheidung über die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu machen und im Hinblick auf den Beginn der Beitrittsverhandlungen am 03.10.05 die Kurden als Ansprechpartner zu akzeptieren. Am 03.09.05 fand im Kölner Rhein-Energie-Stadion das - wie in den Jahren zuvor - von der YEK-KOM organisierte "13. Internationale Kurdische Kultur Festival" unter dem Tenor "EU-Türkei: Auch wir sind Verhandlungspartei, Lösung der kurdischen Frage, Freiheit für Abdullah Öcalan" statt. Die etwa 35.000 (Eigenangabe "über 100.000") überwiegend kurdischen Teilnehmer reisten aus ganz Europa an. Das Programm bestand aus kulturellen Darbietungen und politischen Redebeiträgen u.a. eines Vertreters des dem KONGRA GEL nahe stehenden "Kurdistan Nationalkongresses" (KNK, Kongreya Neteweya Kurdistan). Er wies darauf hin, dass die Türkei "mit dem Feuer spiele und gut daran täte", die Isolationshaft ÖCALANs zu beenden und ihn als Gesprächspartner für eine politische Lösung des Kurdenproblems anzuerkennen. Der KON-KURD initiierte unter dem Motto "Freiheit für Öcalan, Frieden in Kurdistan" eine neue Solidaritätsund Unterschriftenkampagne, die am 14.07.05 begann und bis zum 21.03.06 dauern sollte. Die Kampagne - die insbesondere in Europa, aber auch in sonstigen von Kurden bewohnten Gebieten durchgeführt wird - soll u.a. betonen, 72 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern dass der seit sieben Jahren "unter schwersten und unerträglichen Isolationsbedingungen" ("Kurdistan Report", Nr. 121, September 2005, S.15) auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali inhaftierte Abdullah ÖCALAN keine gewöhnliche Einzelperson sei. Vielmehr sei er die Führungspersönlichkeit eines Volkes. Die Kampagnenziele seien Ausdruck des politischen Willens des gesamten kurdischen Volkes. ÖCALAN sei die "Schlüsselfigur in der kurdischen Frage". Er sei es, "der die Menschen immer wieder anmahnt, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen und endlich in einen Dialog" zu treten (YEK-KOM-Flugblatt zum Antikriegstag, 01.09.05). Darüber hinaus soll die Wiederaufnahme seines Verfahrens vor einem unabhängigen internationalen Gericht gefordert werden. Die gesammelten Unterschriften sollen nach Beendigung der Kampagne dem Europarat sowie anderen internationalen Einrichtungen und Institutionen überreicht werden. Am 01.10.05 veranstaltete KON-KURD in Brüssel eine Großdemonstration unter dem Motto "A. Öcalan ist der politische Wille - bei den Verhandlungen werden die Kurden Ansprechpartner sein". Daran beteiligten sich nach Polizeiangaben etwa 4.000 Personen (Eigenangabe: 20.000) aus mehreren europäischen Staaten, darunter ein Großteil aus Deutschland. Auch diese Veranstaltung verlief friedlich und ohne besondere Vorkommnisse. Die Demonstrationsteilnehmer thematisierten sowohl den für den 03.10.05 geplanten Start der Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und der Türkei als auch die Verbotsmaßnahmen gegen kurdische Medieneinrichtungen in Deutschland sowie die Forderung nach "Freiheit für Öcalan" und "Frieden in Kurdistan". In Deutschland übt die Organisation zwar seit dem Jahr 2000 demonstrativ keine Gewalt mehr aus, bestraft aber nach wie vor Abweichler und begeht - insbesondere durch die Schleusung von Kadern mit falschen Papieren - systematisch Straftaten. Dessen ungeachtet kritisiert YEK-KOM die in Deutschland andauernde Strafverfolgung durch die zuständigen Behörden als "fortdauernde Repression gegen die kurdi73 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern sche Bevölkerung in Deutschland", mit der das Ziel verfolgt werde, "eine unabhängige emanzipative Bewegung zu zerschlagen". (YEKKOM-Flugblatt v. 24.11.05). Die im August 2004 in der Türkei erfolgte Abspaltung vom KONGRA GEL, die PWD (Partiya Welatparezen Demokraten - Kurdistan, Patriotisch-Demokratische Partei - Kurdistan), hatte 2005 in Deutschland kaum Auswirkungen auf die kurdischen Szene. Am 09.11.05 wurde in der Kleinstadt Semdinli im Südosten der Türkei ein Bombenanschlag auf einen kurdischen Buchladen verübt, der Ladenbesitzer soll ein KONGRA GEL-Angehöriger sein. Aus Begleitumständen der Tat wurde in Teilen der Bevölkerung der Schluss gezogen, dass türkische Geheimdienstangehörige für das Attentat verantwortlich gewesen sein müssen. Bei der Detonation und anschließenden Ausschreitungen kamen zwei Personen ums Leben, 14 wurden verletzt. In der Region kam es daraufhin zu Unruhen, die mehrere Todesopfer forderten. In Deutschland reagierten türkische Linksextremisten und dem KONGRA GEL nahe stehende Vereine mit Protestveranstaltungen und Flugblättern. 5.3 Situation in Hamburg Zentrale Anlaufstelle für KONGRA GEL-Anhänger in Hamburg ist das so genannte "Volkshaus" (Halk Evi) in der Friedensallee (bis April 2005 Max-Brauer-Allee). Der Verein "Volkshaus der Türkei in Hamburg" ist hier formell nicht mehr vertreten und führte 2005 nur noch ein Leben auf dem Papier. Die meisten der Veranstaltungen im "Volkshaus" hatten einen KONGRA GEL-Hintergrund. Die dort beheimateten Vereine "Kurdistan Volkshaus e.V." (Mitgliedsverein im Dachverband YEK-KOM) und "Verein freier Frauen aus Mesopotamien e.V." fungierten im vergangenen Jahr als Anmelder von Demonstrationen und Kundgebungen. Inhaltlich waren diese Veranstaltungen an den von der Organisationsführung vorgegebenen Kampagnenthemen orientiert. 74 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Die Zahl der Hamburger KONGRA GEL-Anhänger liegt bei knapp 600. Darüber hinaus besteht eine Anhängerszene, die sich weitgehend mit den Zielen des KONGRA GEL und insbesondere mit ÖCALAN identifiziert. Diese etwa 1.500 Personen (vor wenigen Jahren noch bis zu 3.000) sind vorzugsweise für Großveranstaltungen mit kulturellem Hintergrund zu gewinnen. Die Zahl der Teilnehmer an Demonstrationen und Kundgebungen in Hamburg, ehemals bis zu 300, ist mit etwa 150 Personen mittlerweile deutlich zurückgegangen. Eine weitaus höhere Beteiligung an europabzw. bundesweiten Veranstaltungen (s.o.) war durchweg vorhanden. Trotz der Absichtserklärung, demokratische Grundsätze in der Organisation zu verankern und das System des "Demokratischen Konföderalismus" auf lokaler Ebene mit sog. "Volksräten" oder "Gebietsräten" zu praktizieren, blieb es in der Hamburger KONGRA GEL-Sektion beim zentralistischen Führungsstil mit der Befehlsweitergabe von oben nach unten und dem absoluten Gehorsamsprinzip. Auch unterscheidet sich der aktive Funktionärskörper kaum von dem früherer Jahre - weder personell noch in seinem Handeln. Die organisatorischen Veränderungen der Gesamtorganisation verliehen der lokalen Ebene keinen neuen Schwung, sie verunsicherten eher und konnten den Rückgang der Anhängerzahlen und Aktivisten nicht aufhalten. Das hat deutliche Auswirkungen, da engagierte Funktionäre fehlen, die die so genannte Familienbetreuung wahrnehmen, nämlich Spenden sammeln, Karten für Veranstaltungen sowie Publikationen verkaufen und für Demonstrationen oder Kundgebungen mobilisieren. "Volksversammlungen", bei denen den Anhängern Ideologie und Ziele bekannt gemacht werden, fanden spürbar weniger Zuspruch als in den vergangenen Jahren. Das mit Rücksicht auf ein legales Erscheinungsbild im Vergleich zu früheren Jahren eher gemäßigte Vorgehen gegen kritische Anhänger machte es dem Einzelnen leichter, sich von der Organisation zu lösen oder eine Spende zu verweigern bzw. erheblich zu reduzieren. Die Vielzahl der im Jahre 2005 durchgeführten Kampagnen, Aktionen und Demonstrationen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der KONGRA GEL in der kurdischen Exilgemeinde an Boden verliert. Dafür gibt es zwei wichtige Gründe: Zum einen die Zurückhaltung solcher Anhänger, die ihre Zukunft in Deutschland sehen und z.B. ihre Ein75 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern bürgerungsverfahren nicht gefährden wollen oder sich aus anderen Motiven ins Private zurückziehen. Zum anderen ist politische Perspektivlosigkeit und Verunsicherung angesichts der Veränderungen in der Organisation zu konstatieren. Weil sich diese ihre personelle und strukturelle Identität weitgehend erhalten hat, ist - trotz der dargestellten Schwächen im Vergleich mit der Situation in den Vorjahren - der gegenwärtig friedfertige Kurs jederzeit umkehrbar. Das gilt unverändert insbesondere für den Fall, dass sich die Haftbedingungen oder der Gesundheitszustand ÖCALANs verschlechtern sollten. Deshalb stellt die Organisation weiterhin eine Bedrohung für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar. Gewaltausübung, wenn auch in geringerem Maße als in früheren Jahren, ist der Organisation nach wie vor immanent. Insbesondere bei außergewöhnlichen Ereignissen sind bei dem noch vorhandenen Mobilisierungspotential Gewaltszenarien zu befürchten, wobei vor allem die jugendlichen TECAK-Anhänger ein Risikofaktor sind. Das wird durch folgenden Ablauf verdeutlicht: Am 28.01.05 versammelten sich auf dem Hamburger Rathausmarkt etwa 50 Personen, die unangemeldet gegen die in Nürnberg erfolgte Verhaftung eines der stellvertretenden Vorsitzenden des KONGRA GEL, Remzi KARTAL (Foto), protestierten. Nach Erläuterung der Rechtslage - Verletzung der Bannmeile - drängten Einsatzkräfte die Demonstranten vom Rathausmarkt ab. Bei körperlichen Übergriffen und einer versuchten Gefangenenbefreiung seitens einiger Kurden wurden zwei Polizeibeamte verletzt. Eine Delegation überreichte dem Direktor bei der Bürgerschaft ein Dossier von YEK-KOM. Darin wurde die Festnahme KARTALs als ein "Komplott gegen die Freiheitsbewegung des kurdischen Volkes" bezeichnet. Deutschland solle sich der vom türkischen Staat initiierten "Anti-Kurden-Allianz" nicht anschließen, der "Assimilations-, Verleugnungsund Vernichtungspolitik 76 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern gegenüber den Kurden" keinen Vorschub leisten und sich nicht zum Werkzeug machen lassen. Das am 05.09.05 durch den Bundesminister des Innern gemäß SS 4 Vereinsgesetz ausgesprochene Verbot der "E. Xani Presseund Verlags GmbH", Neu-Isenburg, als Herausgeberin der türkischsprachigen, dem KONGRA GEL nahestehenden Tageszeitung ÖP führte zur Empörung in der Anhängerschaft. Dem deutschen Staat wurde vorgeworfen, hiermit die türkische Politik gegen die Kurden zu unterstützen. In der Folge gab es eine Reihe von Aktionen auch in Hamburg: * So kam es noch am 05.09.05 in Berlin und Hamburg zu Übergriffen, die auf türkische Einrichtungen zielten. In Berlin stürmten drei Personen das Lokal eines türkischen Kulturvereins, wo sie fünf Molotowcocktails warfen, die sich allerdings nicht entzündeten. Die Täter entkamen unerkannt. In Hamburg wurde aus einer Gruppe von drei Personen ein Molotowcocktail vor die geöffnete Eingangstür eines türkischen Kulturvereins geschleudert. Das entstandene Feuer konnte gelöscht werden, bevor es Schaden anrichtete. * Am 07.09.05 demonstrierten etwa 50 Personen "spontan" mit Fahnen und ÖCALAN-Bildern vor der Hamburger SPD-Zentrale an der Kurt-Schumacher-Allee gegen das Verbot der ÖP. Die Kurden sahen in dem Verbot "ein Geschenk an den türkischen Staat". Der Hamburger SPD-Geschäftsführer nahm eine Petition entgegen. * Etwa 150 ÖCALAN-Anhänger fanden sich am 10.09.05 zu einer vom "Kurdistan Volkshaus e.V." angemeldeten Demonstration "Gegen das Verbot der kurdischen Zeitung ÖZGÜR POLITIKA" am Hamburger Hachmannplatz ein. Aufgrund der geringen Teilnehmerzahl entschied die Demonstrationsleitung, statt eines Aufzugs eine Kundgebung durchzuführen. Beklagt wurden die als rigide empfundenen Auflagen der eingesetzten Polizeikräfte vor Ort, die 77 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern es unterbunden hätten, auch Ausgaben der ÖP aus der Zeit vor dem Verbot zu zeigen. Der Veranstaltungsleiter machte in seiner Ansprache deutlich, dass das "willkürliche Verbot" nicht zu einer friedlichen Lösung des Kurdenproblems beitrage. Vielmehr ermutige das Verbot die türkische Regierung, ihre "Vernichtungsund Vertreibungspolitik gegen die Kurden" fortzusetzen. Die Kurden in Europa hätten nur diese eine Zeitung, und dieses Sprachrohr habe man ihnen nun genommen. Der 6. Senat des BVerwG hatte am 18.10.05 beschlossen, die sofortige Vollziehung des am 30.08.05 vom Bundesminister des Innern verfügten und am 05.09.05 vollzogenen Verbots der E. Xani Presseund Verlags-GmbH auszusetzen. Das Verbot sei rechtswidrig, weil die Verbotsverfügung auf eine Vorschrift des Vereinsgesetzes gestützt werde, die nicht ausschließlich aus Gründen des Staatsschutzes erlassen worden sei, was Voraussetzung für ein wirksames Verbot hätte sein müssen. Mit Bescheid vom 20.12.05, zugestellt Mitte Januar 2006, hat das BVerwG die Verbotsverfügung aufgehoben. Das Erscheinen der ÖP ist allerdings seit dem Verbot eingestellt worden. 6. Türken 6.1 Allgemeines In Hamburg stellen die Türken mit knapp 60.000 Personen (Stand: 31.12.04) die größte Zahl in der ausländischen Bevölkerung (insgesamt etwa 255.000). Von ihnen werden 2.035 Personen (3,4 % der Türken in Hamburg) ohne kurdische Herkunft politisch-extremistischen Ausländerorganisationen zugeordnet ( II., 2.). In dem breit gefächerten politischen Spektrum extremistischer türkischer Gruppierungen werden sowohl revolutionär-marxistische, extrem-nationalistische als auch islamistische Ideologien vertreten. Türkische Islamisten in Hamburg sind ganz überwiegend in der "Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs" (IGMG, Islam Toplumu Milli Görüs, II., 4.3.1) organisiert. Sie ist mit etwa 1.600 Personen unverändert die größte Organisation ausländischer Extremisten in der Stadt. 78 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Revolutionär-marxistische Gruppierungen ( II., 6.2) orientieren sich an kommunistischen Leitbildern und am Ziel des gewaltsamen Umsturzes in der Türkei zur Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung. Diese Gruppen unterstützen von Deutschland aus den bewaffneten Kampf ihrer Heimatorganisationen finanziell und propagandistisch. Nationalistisch orientierte türkische Gruppierungen, ideologisch gekennzeichnet durch ein übersteigertes, mit dem Gedanken der Völkerverständigung nicht zu vereinbarendes Nationalbewusstsein, entfalteten in Hamburg wenig Außenwirkung. Mit Konfrontationen zwischen ihren Anhängern und ideologisch kontrovers ausgerichteten Landsleuten muss allerdings weiterhin gerechnet werden. 6.2 Revolutionär-marxistische Gruppierungen Mit dem erklärten Ziel der Errichtung eines kommunistischen Herrschaftssystems im Heimatland sind diese Gruppierungen in der Türkei für Anschläge verantwortlich, und es kommt zu Zusammenstößen mit den Sicherheitsbehörden. Ihre Anhänger in Deutschland reagieren publizistisch und mit öffentlichen Aktionen auf aktuelle Ereignisse in der Türkei. Zudem greifen sie sozialpolitische Themen der deutschen Politik wie angeblichen Sozialabbau, Arbeitslosigkeit, Zuwanderungsrecht und die Hartz IV-Gesetzgebung auf. Wichtigste Einnahmequelle der Gruppierungen sind ihre jährlichen Spendensammlungen bei Mitgliedern und Sympathisanten. Straftaten sind in diesem Zusammenhang seit mehreren Jahren nicht mehr bekannt geworden. Auch Mitgliedsbeiträge und der Verkauf von Publikationen tragen zur Finanzierung bei. Für öffentliche Aktionen bedienen sie sich häufig thematisch nahe stehender Vereinigungen, ohne eine organisatorische Anbindung erkennen zu lassen. Bei gemeinsamen Themen kommt es auch zu gemeinsamen Aktionen bzw. Stellungnahmen der türkischen revolutio79 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern när-marxistischen Gruppierungen. Dies zeigen z.B. die Reaktionen auf die Ereignisse in der Türkei am 16./17.06.05, als MKP-Anhänger bei einer Offensive türkischer Sicherheitsbehörden getötet wurden (s.u., MKP, Maoist Komünist Partisi, Maoistische Kommunistische Partei). Fallweise kommt es zu einer Zusammenarbeit zwischen türkischen und deutschen Gruppen. DHKP-C (Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi, Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) Die in der Türkei terroristisch operierende DHKP-C besteht aus einem politischen (DHKP) und einem militärischen Arm (DHKC). Seit dem 13.08.98 ist sie in Deutschland verboten. Ihren Ursprung hat sie in der 1983 ebenfalls in Deutschland verbotenen Devrimci Sol (Revolutionäre Linke). Bezeichnend für das Selbstverständnis der Organisation ist ihre "Internet-Erklärung Nr. 34" (Ende März 2005), mit der sie an ihre "35jährige Geschichte" erinnert. Sie hält eine Rückschau, beginnend mit der Gründung der "Türkischen Volksbefreiungspartei-Front" (THKP-C, Turkiye Halk Kurtulus Partisi-Cephesi) im Jahr 1970 über die 1978 gegründete "Devrimci Sol" bis zur Gründung der DHKP-C am 30.03.94 in Damaskus (Syrien). Mit Stolz betont sie, in all den Jahren ihrer Linie treu geblieben zu sein. Dazu wird eine Erklärung der THKP von 1971 zitiert, in der es hieß: "Unsere Partei ist der Auffassung, dass die Befreiung nur durch einen bewaffneten Volkskampf zu erreichen ist." Diese Aussage wird wie folgt kommentiert: "Dasselbe sagen wir auch heute noch. Seit 35 Jahren wurde immer wieder unter Beweis gestellt, dass es keinen anderen Ausweg gibt." Des Weiteren wird bekundet "Wer nicht für die Revolution kämpft, kann nicht als SozialistIn bezeichnet werden!" Die DHKP-C ist publizistisch sehr aktiv und greift aktuelle politische Themen polemisch auf. So bezeichnet sie z.B. die NATO als "Angriffsinstitution". Auch in diesem Jahr führte sie ihre Agitation gegen die türkische Regierung fort. Am 25.05.05 setzte sich ein in der Türkei inhaftierter DHKP-Aktivist aus Protest gegen die "Isolationspolitik" und die "F-Typ-Gefängnisse" (Gefängnisse mit Einzelzellen) selbst in Brand und kam dabei ums 80 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Leben. In der DHKP-C-"Erklärung Nr. 347" vom 28.05.05 zu diesem Geschehen hieß es, die Regierung vertrete die Interessen des "Imperialismus" und der "Oligarchie." Ein ganzes Volk solle zu "Handlangern des Imperialismus gemacht werden". Der Tod ihres Genossen sei "der 22. Mord, der von der AKP begangen wurde". Aus Anlass dieses Selbstmordes kam es am 30.05.05 vor den türkischen Generalkonsulaten in Düsseldorf (10 Teilnehmer) und Frankfurt (15 Teilnehmer) zu Spontandemonstrationen, die störungsfrei verliefen. Ein der Organisation nahe stehender Verein, der "Solidaritätsverein mit den politischen Gefangenen und deren Familien in der Türkei" (Tutuklu ve hükümlü aileleri yardimlasma dernegi, TAYAD), meldete zunächst eine Protestaktion in Hamburg an, sagte sie dann aber wegen geringer Resonanz ab. Das verdeutlicht, wie schwer es der DHKP-C fällt, ihre Anhänger zu mobilisieren. Der Bau neuer Gefängnisse in der Türkei mit Einzelstatt Großraumzellen war im November 2000 Anlass für mehre linksextremistische Organisationen, ein "Todesfasten" in türkischen Gefängnissen zu beginnen. Seit Mitte 2002 sind daran nur noch DHKP-C-Angehörige beteiligt. Die von der DHKC im November 2005 angegebenen 120 Personen sind nicht alle an den unmittelbaren Folgen des Todesfastens gestorben. Etwa 40 dieser Personen sind Pressemeldungen zufolge u.a. bei der Erstürmung von Gefängnissen im Dezember 2000 ums Leben gekommen. In ihrer "Erklärung Nr. 350" (Datum unbekannt) bekannte sich die DHKC zu einem missglückten Selbstmordanschlag am 01.07.05 in Ankara. Weil der Täter namens Eyüp BEYAZ auf der Flucht erschossen wurde, obwohl er bereits gefesselt worden war, sprach die Erklärung von einer Exekution des Genossen. Das Motiv für den versuchten Anschlag sei, dass es keinen anderen Weg gebe, "als der Isolationspolitik mit Gewalt zu begegnen. Es ist unser legitimes Recht, von den 81 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Verantwortlichen der 119 Toten Rechenschaft zu verlangen." Weitere Gewalttaten wurden angekündigt. "Solange sie die Ausbeutung und Unterdrückung fortsetzen, werden auch unsere Bomben und Schüsse zu hören sein." Das Ereignis war Anlass für eine friedliche Protestaktion des TAYAD-Komitees mit 21 Personen am 06.07.05 vor dem türkischen Generalkonsulat in Hamburg. Mit erhobenen Fäusten wurde in türkischer Sprache skandiert und u.a. ein Transparent "Eyüp Beyaz ist unsterblich" gezeigt. Das TAYAD-Komitee greift regelmäßig Themen im Sinne der DHKP-C auf. Ein zentrales Thema ist die Situation hungerstreikender Häftlinge in türkischen Gefängnissen. So kündigte TAYAD anlässlich des sechsten Jahrestages des "Todesfastenwiderstandes" an, am 20.10.05 "vor den Parlamenten von mehreren europäischen Städten" zu demonstrieren. In Berlin beteiligten sich 15, in Düsseldorf 17 und in Stuttgart acht Personen. Thematisch ähnlich gelagerte Kundgebungen am 16.12.05 vor den Landtagsgebäuden in Düsseldorf und Stuttgart hatten 14 bzw. sechs Teilnehmer. Auf einer Demonstration in Köln am 17.12.05, an der sich ca. 100 Personen beteiligten, wurde die EU auf Spruchbändern als "mitverantwortlich für die 120 Toten in den Gefängnissen" bezeichnet. Die Veranstaltungen verliefen störungsfrei. Über die genannte Aktion hinaus veranstaltete das TAYAD-Komitee in Hamburg noch zwei friedliche Protestkundgebungen vor dem türkischen Generalkonsulat, die sich ebenfalls auf Ereignisse in der Türkei bezogen. Daran beteiligten sich nicht mehr als zehn Personen. Eine weitere der DHKP-C nahe stehende Organisation ist die "Anatolische Föderation e. V." mit Sitz in Köln und Zweigstellen in anderen Bundesländern. In Hamburg gehört der Verein "Anadolu-Der e.V." (Anatolien-Verein) dazu. Die "Anatolische Föderation e.V." setzte ihre Schwerpunkte auf sozialpolitische Themen wie z.B. die Hartz IV-Gesetzgebung und das neue Zuwanderungsgesetz. Zu diesen Themenstellungen führte sie bundesweit diverse Aktionen durch. Der Hamburger "Anadolu-Der e.V." machte sich kaum öffentlich bemerkbar. Allerdings hatten sich zu seiner Saalveranstaltung am 03.10.05, einem sog. "Volksfest", ca. 900 Personen eingefunden. Des Weiteren wurden in Hamburg Flugblätter verteilt, auf denen ge82 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern fordert wurde, alle in Hamburg geplanten Abschiebungen zu unterlassen. Die DHKP-C hat bundesweit rund 650 Mitglieder, in Hamburg etwa 25. Dass an den öffentlichen Aktivitäten nur noch wenige Personen teilnehmen, belegt das nachlassende Engagement der Anhänger in Deutschland. TKP/ ML (Türkiye Komünist Partisi / Marksist Leninist, Türkische Kommunistische Partei / Marxisten-Leninisten) Auch im Jahre 2005 behielt die TKP/ML ihre ideologische Ausrichtung bei. In einem Flugblatt zum 85. Jahrestag des Todes von Rosa LUXEMBURG und Karl LIEBKNECHT hieß es z.B.: "Wir können nur hoffen, dass sich für die Arbeiterklasse in Deutschland eine neue Rosa und eine echte kommunistische Partei herauskristallisieren und sich in diesem Land, in dem auch Rosa Luxemburg gelebt hat, für die Arbeiterklasse erbarmungslos einsetzen. Diese neue kommunistische Partei muss den Kapitalismus an den empfindlichsten Stellen treffen." An der von ihr postulierten Revolution in der Türkei hielt die Partei unbeirrt fest. Wie schon in den Vorjahren tat sie sich auch 2005 öffentlich kaum hervor. Zentrales Ereignis für Anhänger und Sympathisanten der TKP/ ML aus Deutschland und dem benachbarten Ausland ist immer noch die jährliche Gedenkveranstaltung zum Todestag des Parteigründers KAYPAKKAYA. Am 14.05.05 versammelten sich aus diesem Anlass in Ludwigshafen rund 3.000 Personen, einige mehr als im Vorjahr. Die Tötung von 17 MKP-Funktionären durch das türkische Militär im Juni 2005 war das zentrale Thema ihrer Agitation im Berichtsjahr (s.u., MKP). Die TKP/ML bekundete Solidarität mit der MKP durch die Teilnahme an gemeinsamen Demonstrationen und Gedenkveranstal83 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern tungen. Zudem befasste sie sich propagandistisch mit dem Thema "Sozialabbau", mit der Unterstützung der "politischen Gefangenen" in der Türkei und mit den Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und der Türkei. Die propagandistische Arbeit wird weiterhin vorwiegend durch die der Organisation nahe stehende "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V." (Almanya Türkiyeli Isciler Federasyonu, ATIF) geleistet. In Hamburg hat die TKP/ML etwa 50 Anhänger. Sie treffen sich in den Räumen des der ATIF zuzurechnenden "Kulturund Solidaritätsvereins Hamburg e.V." in St. Pauli. In ihrer Kampagnenarbeit folgten sie den Vorgaben der ATIF. (Arbeitsfeld Ausländerextremismus - Türken - "Die TKP/ML und ihre Nachfolgeorganisationen") MKP (Maoist Komünist Partisi, Maoistische Kommunistische Partei) Die MKP beruft sich auf die Lehren von Marx, Lenin und Mao. Sie ist eine Abspaltung der 1972 von Ibrahim KAYPAKKAYA in der Türkei gegründeten TKP/ML. Die MKP tritt unverändert für die Anwendung von Gewalt zum Erreichen ihrer politischen Ziele ein. Dies verdeutlicht eine Passage aus ihrer "Erklärung Nr. 32" vom 14.04.05: "Es gibt keinen anderen Weg, als dem Imperialismus und seinen Sklaven in der Türkei ein Grab zu graben! In unserem Land ist der Weg der Volkskrieg." Es folgt eine Aufforderung, sich der "Volksbefreiungsarmee" (HKO) anzuschließen. In diese Aufforderung werden ausdrücklich Frauen einbezogen. So hieß es in einer Mitteilung des Zentralkomitees der MKP vom 24.02.05 zum "Internationalen Tag der werktätigen Frau" am 08.03.05, dass der Kampf für "Freiheit und Unabhängigkeit" unter Einbeziehung der Frauen intensiviert werden müsse. "So wie ein Volk, das über keine Armee verfügt, nichts darstellt, kann es ohne Frauen in der Armee keine Befreiung der Frau geben. Daher muss die Frau ihren Platz an der Waffe einnehmen." Die MKP theoretisiert nicht nur über Gewaltanwendung. Die türkische Presse berichtete auch im Jahr 2005 über bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen türkischen Sicherheitskräften und der "Volksbefreiungsarmee", die Tote und Verletzte auf beiden Seiten forderten. 84 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Heftige Reaktionen löste eine Offensive türkischer Sicherheitskräfte am 16./17.06.05 in der Provinz Tunceli (kurdisch: Dersim) aus, bei der 17 MKP-Anhänger getötet und drei festgenommen wurden. In einer Erklärung spricht die MKP davon, dass "17 Angehörige der MKP kaltblütig ermordet" worden seien. Man werde jedoch nicht aufgeben und resignieren, die Antwort auf dieses "Massaker" werde die "Volksrevolution" sein. Als Reaktion auf diese Vorkommnisse in der Türkei kam es zu europaweiten Demonstrationen und Kundgebungen sowie zu Erklärungen verschiedener türkischer linksextremistischer Gruppen, u.a. der MKP, MLKP ( II.,6.2), DHKP-C ( II.,6.2), TKP/ML ( II.,6.2) sowie des KONGRA GEL ( II.,5), die zum Teil von deutschen linksextremistischen Gruppen unterstützt wurden. Am 24.06.05 demonstrierten in Hamburg etwa 250 Teilnehmer friedlich unter dem Tenor "Protest gegen das Massaker in Dersim". Ein Transparent in türkischer Sprache war unterzeichnet mit MKP. Die nennenswerte Resonanz und das Zusammengehen der verschiedenen türkischen linksextremistischen Organisationen ist vermutlich auf die hohe Zahl der Todesopfer und das den türkischen Sicherheitskräften vorgeworfene brutale Vorgehen zurückzuführen. Eine künftige dauerhafte Zusammenarbeit zeichnet sich nicht ab. Am 07.05.05 (Wuppertal) und am 21.05.05 (Ludwigsburg) führte die MKP ihre alljährlichen Gedenkveranstaltungen für den auch von ihr als Gründer in Anspruch genommenen Ibrahim KAYPAKKAYA durch. Die Veranstaltungen, an denen jeweils etwa 1.000 Personen teilnahmen, verliefen friedlich. Über die genannten Aktionen hinaus entwickelte die MKP in Hamburg keine nennenswerten öffentlichen Aktivitäten. Bundesweit verfügt sie über ca. 500, in Hamburg über etwa 30 Mitglieder. MLKP (Marksist-Leninist Komünist Partisi, Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei) Die MLKP wurde 1994 in der Türkei gegründet; ihre Ideologie basiert auf den Theorien von Marx, Engels, Lenin und Stalin. Der Kommunismus ist "das endgültige Ziel der MLKP". Der erste Schritt dahin sei u.a. die "Beendigung der Existenz des Imperialismus...durch gewalttätige Revolution...". 85 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Wie in den vergangenen Jahren machte sie in der Türkei mit Sprengstoffanschlägen, z.B. auf ein MHP-Büro in Izmir, auf sich aufmerksam. Zuletzt bekannte sie sich lt. Internetausgabe der ihr nahe stehenden Zeitschrift "Atilim" zu einem Anschlag mit Sachschaden am 24.12.05 auf ein Büro der Regierungspartei AKP in Istanbul. In Deutschland betätigte sich die MLKP vorwiegend publizistisch. Zur Bundestagswahl gab die MLKP-nahe "Föderation der Arbeitsimmigranten/innen in Deutschland e.V." (Almanya Göcmen Isciler Federasyonu, AGIF) eine Wahlempfehlung zu Gunsten der "Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands" (MLPD) ab. Die Agitation gegen den "Imperialismus" des Westens war auch im Jahr 2005 ein ständiges Thema in den Veröffentlichungen der MLKP. So wurde in einer Sonderausgabe ihres "Internationalen Bulletins" vom März 2005 behauptet, dass "die Besetzung des Iraks und die Bedrohung Irans und Syriens, im Ganzen das 'Projekt Großer Mittlerer Osten', nur ein logisches Ergebnis des Welthegemonieverständnisses der US-imperialistischen Räuber" sei. In der August-Ausgabe des "Internationalen Bulletins" behauptete die MLKP, die wahren Gründe für die Bombenanschläge in London am 07.07. 05 (, 4.2.1) lägen im "britischen Imperialismus". Sie schlussfolgerte: "Deswegen sind für den Tod der bei den Anschlägen zu Tode gekommenen unschuldigen Menschen die Bush's und Blair's verantwortlich..." ... "Bush und Blair versuchen, sich mit ihrem Sophismus 'Kampf gegen den Terrorismus' von ihrer Stellung als Kriegsverbrecher und Verantwortliche freizusprechen." Zudem befasste sich die MLKP mit sozialpolitischen Themen der deutschen Politik. In einer Erklärung zum 1. Mai forderte sie "Migranten, Arbeiter, Arbeiterinnen, Arbeitslose, Jugendliche und Rentner" auf, sich gegen "... imperialistische Besetzung, Rassismus und Sozialkahlschlag..." zu wehren. 86 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern In Hamburg entfaltete die MLKP wenig eigene öffentlichkeitswirksame Aktivitäten. Anhänger beteiligten sich jedoch an Kundgebungen anderer Organisationen zum 1. Mai, dem "Internationalen Frauentag" im März und gegen das Verbot der Zeitung "Özgür Politika" im September. Des Weiteren fand in Hamburg eine Feier zum 11. Jahrestag der Parteigründung statt. Die Zahl der MLKP-Anhänger wird bundesweit auf etwa 600, für Hamburg auf etwa 30 geschätzt. 7. Iraner 7.1 Allgemeines In Iran war die Wahl des neuen Staatspräsidenten im Juni 2005 das wichtigste innenpolitische Ereignis. Gewählt wurde Mahmud AHMADINEJAD ( Foto), der sich als "Präsident der Armen und Entrechteten" bezeichnete. Tatsächlich wurde er überwiegend von den ärmeren Bevölkerungsschichten gewählt. Damit fanden die langjährigen vergeblichen Bemühungen seines Amtsvorgängers KHATAMI, einen innenpolitischen Reformkurs zu realisieren, ihr endgültiges Ende. Alle entscheidenden Institutionen Irans liegen jetzt in konservativ-islamischer Hand. Im Parlament verfügt dieses Lager bereits seit den Wahlen vom 20.02.04 über die absolute Mehrheit. AHMADINEJAD präsentierte sich der Öffentlichkeit insbesondere mit antiisraelischen Äußerungen und unnachgiebigen Positionen im Streit um das iranische Atomprogramm. Diese Haltung ist Ausdruck einer radikal-antiwestlichen Regierungspolitik Irans. Nach den Auseinandersetzungen zwischen reformorientierten und konservativ-islamischen Kräften der vergangenen Jahre zeichnet sich auf der innenwie außenpolitischen Bühne ein antiwestlicher und rigoros islamistischer Kurs ab, der auch in den von Iran gesteuerten Einrichtungen in Deutschland Auswirkungen haben dürfte. 87 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (Arbeitsfeld Ausländerextremismus - Iraner "Das politisch-religiöse System in Iran") 7.2 Anhänger der iranischen "Islamischen Revolution" In Hamburg befindet sich der bedeutendste religiös-ideologische Brückenkopf der "Islamischen Republik Iran" in Europa, das an der Alster gelegene "Islamische Zentrum Hamburg" (IZH), das Träger der "Imam Ali-Moschee" ist. Das IZH sieht sich als "das wichtigste Islamische Zentrum in Europa", das von schiitischen Muslimen verschiedener Nationen als zentrale religiöse Anlaufstelle genutzt wird - neben Iranern vor allem von Afghanen, Arabern, Libanesen, Pakistanern und Türken. In der Moschee finden regelmäßig Gebetsveranstaltungen sowie religiöse Feierlichkeiten statt. Zudem werden diverse Lehrveranstaltungen angeboten, so etwa islamischer Religionsunterricht für Kinder und Sprachunterricht in Arabisch, Deutsch und Persisch. Der im Januar 2004 unmittelbar vom iranischen Revolutionsführer KHAMENEI als neuer Leiter des IZH eingesetzte Seyed Abbas GHAEM MAGHAMI ( Foto) gilt als dessen Stellvertreter in Europa. "Eine seiner Hauptaufgaben sieht er im Ausbau eines konstruktiven Dialogs mit anderen religiösen, kulturellen und soziopolitischen Gruppierungen in Deutschland und Europa" (IZH-Angaben). Im Jahr 2005 versuchte das IZH, der Öffentlichkeit seine Dialogbereitschaft und Offenheit verstärkt mit unterschiedlichen medienwirksamen Mitteln nahe zu bringen. So organisierte es zum Thema "Zusammenarbeit der Religionen aus muslimischer Sicht" im Mai 2005 eine Semi88 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern narveranstaltung für Deutsch sprechende Muslime. Erstmalig in Deutschland wurde vom IZH-Leiter am 27.07.05 eine "Fatwa" (islamisches Rechtsgutachten) ausgesprochen. Damit wurden die Terroranschläge von London ( 4.2.1) öffentlich verurteilt. Auch mit seiner Beteiligung am diesjährigen "Tag der offenen Moschee" (02./03.10.05) demonstrierte es Transparenz. Anders als in früheren Jahren hielt sich das IZH bei der Unterstützung der jährlich in Berlin stattfindenden israelfeindlichen Demonstration zum "Jerusalem-Tag" ("Quds-Tag") am 29.10.05 öffentlich zurück. Es gibt jedoch nach wie vor Anhaltspunkte für seine Beteiligung bei der Organisation und Durchführung der Veranstaltung. An seinem eigentlichen Auftrag, an der weltweiten Verbreitung des islamischen Systems iranischer Prägung mitzuwirken, hält das IZH weiterhin fest. Die politische Ausrichtung des Islamischen Zentrums wird z.B. auch durch seine anhaltende Unterstützung der in Hamburg lebenden HIZB ALLAH-Anhänger deutlich ( 4.2.5), denen es Räumlichkeiten für ihre Versammlungen zur Verfügung stellt. Der Aktionsradius des IZH ist beachtlich. Die Einrichtung beeinflusst und kontrolliert iranische schiitische Gemeinden in Hamburg und Deutschland und bedient sich einer Vielzahl religiöser und gesellschaftlicher Organisationen. Allein in Hamburg existieren - neben dem eigentlichen Trägerverein "Islamisches Zentrum Hamburg e.V." - u.a. folgende Nebenorganisationen des IZH: * "Islamische Akademie Deutschland e.V." (IAD), * "Islamische Imamia Föderation in Europa e.V.", * "Verein der Förderer einer iranisch-islamischen Moschee in Hamburg e.V.", * "Waisenkinder-Hilfe Iran e.V." und * "Iranischer Sportverein e.V.". 89 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Über diese Organisationen wirkt das IZH für die Verbreitung der iranischen "Revolutionsidee" in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen wie Religion, Bildung und Sport. Das IZH wirkt in führender Position in der zentralen islamischen Organisation "Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg e.V." (SCHURA) mit, einem Zusammenschluss von zahlreichen MoscheeTrägervereinen. Bundesweit ist das IZH ebenfalls in entsprechenden Dachverbänden vertreten. Es verfügt des Weiteren über Zweigstellen in wichtigen Ballungsgebieten (u.a. "Islamisches Zentrum in Berlin" sowie "Islamisches Zentrum in München"), unterhält Kontakte zu anderen schiitischen Einrichtungen und versucht diese - insbesondere durch finanzielle Unterstützung - unter seinen Einfluss zu bringen. (Arbeitsfeld Ausländerextremismus - Iraner "Pro-iranische Organisationen und Einrichtungen", Archiv 2004 - Ausländerextremismus - "Führungswechsel im 'Islamischen Zentrum Hamburg'") 7.3 Iranische Oppositionelle Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) Bei der "Volksmodjahedin Iran-Organisation" ("Modjahedin-E-Kalq", MEK), die europaweit und in Nordamerika mit ihrem politischen Arm, dem NWRI ("Nationaler Widerstandsrat Iran"), agiert, handelt es sich um die größte und militanteste iranische Oppositionsgruppierung, die der Militanz inzwischen abschwören musste. Die Zielsetzung der revolutionär-marxistischen MEK besteht in dem gewaltsamen Sturz des islamischen Regimes in Teheran. Ihr Gewaltpotential bestand bis zum militärischen Ausbruch des Irak-Konflikts im Jahr 2003 vor allem aus ihrem militärischen Arm, der "Nationalen Befreiungsarmee" (National Liberation Army, NLA). Sie verübte bis 2002 zahlreiche terroristische Anschläge in Iran. Obwohl sie derzeit zur Ge90 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern waltanwendung nicht mehr in der Lage ist, sieht die MEK Gewalt im Rahmen ihres politischen Kampfes weiter als legitim an. Deshalb wird sie nach wie vor auf internationalen Listen terroristischer Organisationen geführt. Der NWRI ist bemüht, sich als demokratische Exilbewegung und einzige politische Alternative zum iranischen Regime darzustellen. Sein Ziel ist, die Streichung von den Terrorlisten zu erreichen, um sich in den westlichen Ländern einen Freiraum als Basis für politische Aktivitäten gegen die iranische Führung zu verschaffen. Daher beschränken sich die Aktionen des NWRI auf Unterschriftenkampagnen, Infotische und Demonstrationen. Militante Aktionen würden das propagierte Bild einer freiheitsliebenden und demokratischen Organisation unglaubwürdig machen und sich kontraproduktiv auswirken. Zur Finanzierung ihrer Aktivitäten bedient sie sich u.a. des "Hilfswerks für iranische Frauen e.V." (in Hannover), des "Menschenrechtsvereins für iranische Migranten" (in Aachen) und des "Menschenrechtszentrums für ExiliranerInnen" (in Düsseldorf). Auch die Hamburger Sektion des NWRI, bestehend aus rd. 200 Anhängern, verfolgte mit ihren Aktivitäten 2005 vor allem die Forderung nach Streichung der Organisation von der EU-Terror-Liste. Zu diesen Aktionen gehörten wie in den Vorjahren Informationsstände in der Hamburger Innenstadt sowie mehrere Protestkundgebungen. Unter ihrer Tarnbezeichnung "Iranische Gesellschaft Hamburg" führte sie im Sommer sowie im Dezember 2005 mehrere Demonstrationen durch, in denen sie die Menschenrechtslage in Iran thematisierte. Außerdem beteiligte sie sich 2005 an zahlreichen Großdemonstrationen des NWRI u.a. in Berlin (10.02.05 und 09.05.05), Paris (05.04.05 und 18.06.05) und Brüssel (07.11.05). Neben der o.g. Tarnbezeichnung agierte die Hamburger Sektion des NWRI auch als "Menschenrechtsverein für iranische Migranten". Arbeiterkommunistische Partei Iran (API) Die API bezeichnet sich als "antireligiöse", "antiislamische" Partei und sieht für den Sturz der iranischen Regierung die "Notwendigkeit der Bekämpfung des Regimes auf allen Ebenen". 91 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Im August 2004 kam es aufgrund interner Querelen zu einer Spaltung der API. Neben der verbliebenen marxistisch-leninistisch ausgerichteten Rumpfpartei der API, die vorrangig durch ihre Frontorganisation "Internationale Föderation iranischer Flüchtlingsund Immigrantenräte e. V." (IFIR) auftritt, bildete ein Teil ihrer Mitglieder mit der "APIHekmatist" - benannt nach dem im Juli 2002 verstorbenen Gründer Mansour HEKMAT - eine eigenständige Gruppierung. Eigenen Angaben zufolge verfolgt sie eine moderate, gewaltfreie Linie. Sie grenzt sich damit ab von ihrer weiterhin linksextremistisch ausgerichteten revolutionären Mutterpartei, die die Regierungsgewalt in Iran nach wie vor über eine Revolution erreichen will. Ob und inwieweit die "API-Hekmatist" ihre Zielsetzungen tatsächlich gewaltfrei verfolgt, ist allerdings fraglich. Eine Resolution des Zentralkomitees der Organisation vom Oktober 2005, mit der die Gründung der sog. "Freedom Guards" als bewaffneter Arm der "Hekmatisten" beschlossen wurde, dokumentiert eine grundsätzliche Gewaltbereitschaft. Die Parteispaltung zeigte sich 2005 auch in der Hamburger Sektion der Organisation. API-Anhänger wie auch Sympathisanten der API-Hekmatist führten voneinander getrennte Protestkundgebungen in Hamburg durch und präsentierten, jeder für sich, Info-Tische. So kam es am 17.06., 24.06., 09.07. und 07.12.05 zu Protestveranstaltungen der API vor dem Iranischen Generalkonsulat (IGK) an der Bebelallee. Am 03.10.05 demonstrierte die API vor dem IZH (, 7.2) "Gegen die Islamische Republik Iran wegen Mord, Terror und Todesstrafe". Das IZH wurde dabei als "Zentrum für Terrorismus und Spionage in Europa" bezeichnet. Am 18.11.05 protestierte die API in Hamburg "gegen Mohammed KHATAMI", den ehemaligen iranischen Staatspräsidenten, der sich auf Einladung einer privaten Stiftung in Hamburg aufhielt. Die API-Hekmatist betrieb u.a. im August, Oktober und November Informationsstände zum Thema "Die politische Lage im Iran". 92 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Die regen Aktivitäten der beiden Organisationen zeigen, dass ihre Aktionsfähigkeit trotz Parteispaltung zumindest in Hamburg unvermindert ist. Sozialistische Partei Iran (SPI) Bei der SPI handelt es sich um eine weitere gewaltbereite Oppositionsgruppierung aus dem linksgerichteten iranischen Spektrum. Sie tritt für die "Beseitigung der brutalen Klassenordnung und für den Kampf gegen die Islamische Republik Iran" ein und richtet sich "gegen jegliche imperialistische Einmischung" westlicher Nationen, womit insbesondere die USA, die EU und Deutschland gemeint sind. Ihr Hauptsitz in Deutschland befindet sich in Hamburg, wo sie vornehmlich agiert. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass die SPI auch in anderen deutschen Städten (Bremen und Mainz) sowie insbesondere in der Schweiz (Zürich) Aktivitäten entfaltet. Die SPI hat in Hamburg und im Umland bis zu 200 Sympathisanten, von denen etwa 50 den aktiven Kern bilden. Sie verfügt nach eigenen Angaben über die Jugendorganisation "Youth Organization of Socialist Party of Iran" (YOSPI). Mit friedlichen Kundgebungen protestierte die SPI 2005 in Hamburg wiederholt gegen Menschenrechtsverletzungen in Iran (am 13.01.05 vor dem Amtsgericht St. Georg, am 20.04.05 vor dem Amtsgericht Blankenese) und für Solidarität mit den iranischen Studenten (09.07.05: Aufzug durch die Innenstadt, 10.12.05: Demonstration am Hauptbahnhof). Am 18.11.05 beteiligte sich die SPI an den Protestveranstaltungen des iranischen Oppositionsspektrums gegen den ehemaligen iranischen Staatspräsidenten, Mohammed KHATAMI (Foto). Für ihre Kundgebungen konnte sie bis zu 50 Teilneh93 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern mer mobilisieren, am Aufzug am 09.07.05 nahmen ca. 200 Personen teil. Die SPI pflegt Verbindungen zur linksextremistischen deutschen Szene aus dem antiimperialistischen Bereich, an deren Kundgebungen sie sich vereinzelt beteiligte. ( III. 4. "Linksterroristische Bestrebungen / Antiimperialistischer Widerstand") (Arbeitsfeld Ausländerextremismus - Iraner "Gegner der iranischen Regierung", Archiv 2005 - Ausländerextremismus - "Protestaktionen der 'Sozialistischen Partei Iran' (SPI) in Hamburg") 94 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Linksextremismus III. Linksextremismus 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick Das herausragende innenpolitische Ereignis des Jahres 2005, die vorgezogene Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18. September, war für einen großen Teil der Hamburger Linksextremisten nahezu bedeutungslos. Autonome und andere undogmatische Linksextremisten sehen Parlamentswahlen als Bestandteil der von ihnen als Ganzes bekämpften verfassungsmäßigen Ordnung und lehnen daher eine Beteiligung an Wahlen ab. Lediglich ein Teilbereich aus bundesweit über 300 Initiativen und Einzelpersonen - darunter auch viele Linksextremisten - appellierte in einem "offenen Brief" vom 08.07.05 an die Linkspartei.PDS ( III.,6), ihre "fremdenfeindlichen und rassistischen Äußerungen a la Lafontaine" zu unterlassen und stattdessen konsequent für ein uneingeschränktes "Bleiberecht für Flüchtlinge" einzutreten. Die Unterzeichner gaben zu verstehen, dass die Linkspartei.PDS unter den genannten Voraussetzungen wählbar sei. Sie verbanden mit dem Appell vermutlich die Erwartung, bei eigenen Kampagnen auf parlamentarische Unterstützung zurückgreifen zu können. Die "Partei des demokratischen Sozialismus (PDS)" beschloss auf der "Außerordentlichen Tagung des 9. Parteitages" am 17.07.05 in Berlin, unter dem Namen "Linkspartei.PDS" mit offenen Listen zur Bundestagswahl im Bund und in den Ländern anzutreten. Die Namensgebung war ein Zugeständnis an die neue Partei "Arbeit und soziale Gerechtigkeit - Die Wahlalternative" (WASG), deren Spitzenkandidaten aussichtsreiche Listenplätze erhielten. Daneben kandidierten auf diesen Listen auch einzelne Trotzkisten ( III.,8), Kommunisten ( III.,7) und andere Linksextremisten. Mit 6,3% in Hamburg (2002: 2,1%) und 8,7% (2002: 4%) auf Bundesebene konnte die "Linkspartei.PDS" ihren Stimmenanteil im Vergleich zur letzten Bundestagswahl in Hamburg verdreifachen und 96 Linksextremismus im Bund mehr als verdoppeln. Die Stimmen für das Bündnis aus "Linkspartei.PDS" und WASG sind weitgehend auf eine Protesthaltung gegen die Sozialgesetze ("Hartz IV / ALG II") zurückzuführen. Ob dieser Erfolg Grundlage für ein dauerhaftes Bündnis von ideologisch teilweise weit auseinander liegenden politischen Inhalten sein kann, bleibt abzuwarten. Trotz vereinzelter Abspaltungstendenzen bei der Linkspartei und innerparteilicher Kontroversen halten insbesondere die Bundesvorstände von "Linkspartei.PDS" und "WASG" an einer Vereinigung Mitte 2007 fest. Äußerungen wie "Die Linke hat mit diesem Projekt nichts weiter zu verlieren als ihre Zerstrittenheit" des "WASG"-Sprechers oder die "nachdrückliche" Aufforderung an "Parteivorstände auf allen Ebenen" zum "einvernehmlichen und kooperativen" Antreten bei Listennominierungen im "Kooperationsabkommen III" vom Herbst 2005 haben beschwörenden Charakter. Sie lassen auf vielfältige Widerstände und Vorbehalte schließen. Terroristische Aktivitäten deutscher Linksextremisten fanden im Jahr 2005 ausschließlich auf lokaler Ebene statt ( III., 4). Überregionale Bedeutung hat die Berliner "militante gruppe (mg)". Sie veröffentlichte in der Untergrundschrift "radikal" Anschlagserklärungen, Beiträge zur so genannten Militanzdebatte sowie zur Entwicklung des "bewaffneten Kampfes". Insbesondere mit der Militanzdebatte will sie ein Forum zur kontinuierlichen Vernetzung und zum Gedankenaustausch über die Methoden, Mittel und konspirativen Grundsätze bei der Begehung von Anschlägen bieten. Ihre Befürwortung von gezielten Anschlägen auf Personen und die - zumindest theoretische - Option für eine künftige "autonome miliz" stießen bundesweit auf mehr Kritik als Zustimmung. In Hamburg ereigneten sich 2005 keine terroristischen Aktionen. Die "Autonome Zelle in Gedenken an Ulrike Meinhof" (AZUM), die ihren letzten Anschlag am 14.08.03 begangen hat, zeigte 2005 keine Aktivität. Sie hat sich vermutlich aufgelöst. Zwei Themen beherrschten die Diskussion und das Handeln der Hamburger autonomen Szene: Der Umbau des Wasserturms im Schanzenpark zu einem Hotel und das Gipfeltreffen der Regierungschefs der führenden Industrienationen (G8) im Juni 2007 in Heiligendamm, Mecklenburg-Vorpommern. 97 Linksextremismus Nach ersten - noch mehrheitlich von Anwohnern getragenen - Protesten gegen das Hotelprojekt im Jahre 2004 kam es zum Jahreswechsel zu mehreren Sachbeschädigungen auf der Baustelle und am Hamburger Sitz des Bauträgers. Anfang 2005 demonstrierten wiederholt mehr als 1.500 Personen, darunter mehrere hundert Angehörige der autonomen Szene, im Schanzenviertel gegen den Umbau. Insbesondere so genannte "anpolitisierte, gewaltbereite Jugendliche" sorgten durch Flaschen-, Steinund vereinzelte Molotowcocktail-Würfe für eine Eskalation des Widerstandes. Autonome stellen den Protest in einen Kontext mit dem Widerstand gegen das Konzept der "Wachsenden Stadt" und die "Politik der Herrschenden" und riefen - an eine Parole aus den "Bambule"Protesten erinnernd - zum "Regierung stürzen!" auf. Mit einer Serie von Sachbeschädigungen und einem Brandanschlag am 03./04.03.05 wurde eine weitere Zuspitzung der militanten Proteste eingeleitet, die bis Ende 2005 in insgesamt vier Brandanschläge und acht Sachbeschädigungen in Hamburg und Lübeck mündete. Zwei mutmaßliche Täter und ein Absender von Bekenner-E-Mails konnten ermittelt werden. Bis zur Jahresmitte hielten auch die Protestdemonstrationen mit hohen Teilnehmerzahlen an, ließen dann jedoch nach und richteten sich seitdem vorwiegend gegen "staatliche Repression", womit strafprozessuale Maßnahmen der Polizei gegen die Täter und mutmaßliche Unterstützer gemeint waren ( III., 5.2.4). Der Brandanschlag vom 28.07.05 auf das Dienstfahrzeug des Vorstandsvorsitzenden der Norddeutschen Affinerie, Dr. Werner MARNETTE, vor dessen Wohnsitz in Niedersachsen wurde zum Bezugspunkt für die inhaltliche und praktisch-militante Vorbereitung von Linksextremisten auf das G8-Treffen. Der Bekennung zufolge wollten die Täter den Anschlag vor allem als "Vorschlag für eine breite, auch militante Kampagne zum G8 Gipfel 2007 in Heiligendamm" verstanden wissen. Sie riefen ferner dazu auf, die nächsten zwei Jahre zu nutzen, um "an konkreten praktischen Initiativen darüber zu diskutieren, wo und wie wir Strukturen kapitalistischer Ausbeutung und imperialistischer Unterdrückung angreifen können und müssen" ( III., 5.2.5). 98 Linksextremismus Ein im Oktober 2005 in der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik durchgeführter bundesweiter Vorbereitungskongress befasste sich ausschließlich mit organisatorischen und logistischen Fragen im Hinblick auf das Gipfeltreffen. Mehr als 200 inund ausländische, überwiegend linksextremistische, Globalisierungsgegner diskutierten darüber. In der Einladung war betont worden, dass man sich nicht in "guten (friedlichen) und bösen (militanten)" Widerstand spalten lassen dürfe ( III., 5.2.5). Zwei weitere Brandanschläge zum G8-Treffen wurden im Oktober und November 2005 in Berlin auf das Gebäude des Auswärtigen Amtes und ein Büro des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung verübt. Auch in Hamburg fanden die militanten Aktivitäten Nachahmer. Am 08.12.05 setzten Unbekannte das Dienstfahrzeug des Tchibo-Vorstandsmitglieds Dr. Thomas VOLLMOELLER in Brand. In ihrer Bekennung bekundeten sie "Solidarität mit den NäherInnen in Bangladesch", griffen ausdrücklich die von den Verfassern der "MARNETTE-Bekennung" initiierte "Idee einer Mobilisierungskampagne gegen den Weltwirtschaftsgipfel 2007" auf und machten sich diese mit ihrer Aktion zu eigen. In der Nähe dieses Tatortes verübten militante Linksextremisten am 16.12.05 auch einen Brandanschlag auf zwei Pkw der Werbeagentur JUNG VON MATT. In einem beim "Hamburger Abendblatt" eingegangenen Bekennerschreiben begründeten die Verfasser ihre Tat mit der von der Agentur konzeptionell mit entwickelten "Du bist Deutschland"-Kampagne. Dieses "esoterisch-nationalistische Manifest" werde auch von "strategischen Projekten des neuen imperialistischen Deutschland" flankiert, das eine "Führungsrolle in Europa und der Welt vor dem Hintergrund einer 'Aufarbeitung' von Holocaust und Nationalsozialismus" anstrebe. Hierzu gehörten auch die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 und das G8-Treffen, mit denen das "Image der Großmacht Deutschland aufpoliert" werden solle. Im Vorfeld der 42. Internationalen Konferenz für Sicherheitspolitik in München setzten unbekannte Täter am 31.01.06 in Hamburg zwei Lieferwagen der Firma IMTECH in Brand. Zu der Tat bekannte sich eine unbekannte "Militante Antimilitaristische Initiative" (M.A.M.I.). Auch sie stellte die "Aktion" in einen Zusammenhang mit der militanten Kampagne gegen den G8-Gipfel 2007 ( III., 5.2.5). 99 Linksextremismus Eine Fortsetzung - auch militanter - Aktivitäten bis zum Gipfeltreffen ist zu erwarten. Weitere Aktionsschwerpunkte Hamburger Linksextremisten waren auch 2005 Antifaschismus und Antirassismus bzw. Flüchtlingsarbeit. Die autonome Antifaszene bemühte sich nach dem Zerfall bundesweiter Zusammenhänge weiterhin um den Aufbau funktionierender Strukturen. Antifa-Bündnisse, in denen autonome, anarchistische und orthodox-kommunistische Gruppierungen zusammenarbeiteten, existierten lediglich für die Dauer des jeweiligen Anlasses. Gegen eine Demonstration von Rechtsextremisten am 30.07.05 konnten etwa 900 Gegendemonstranten mobilisiert werden. Eine spontane Mobilisierung autonomer Antifagruppen gegen ein von Rechtsextremisten organisiertes Konzert im Stadtteil St.Pauli am 05.11.05 erreichte innerhalb kurzer Zeit ungefähr 500 Personen. Diese griffen die unter Polizeischutz abziehenden Konzertteilnehmer mit Flaschenund Steinwürfen an ( III., 5.2.1.). Ein lokaler Aktionsschwerpunkt kristallisierte sich Anfang 2005 im Stadtteil Harburg heraus. Hier entwickelte ein neu gegründeter Antifa-Zusammenhang als Reaktion auf öffentliche Aktionen von Rechtsextremisten verstärkte Aktivitäten wie Demonstrationen gegen Infostände örtlicher Rechtsextremisten und "outing"-Aktionen vor deren Wohnsitzen. Durch die teilweise persönlich geprägten und auch von Gewaltandrohung begleiteten Auseinandersetzungen zwischen beiden Lagern besteht die Gefahr einer Eskalation ( III., 5.2.1). Linksextremisten setzten auch 2005 ihre Agitation gegen eine "menschenunwürdige Abschiebepraxis" und Unterbringung von Flüchtlingen fort. Mit personalisierten Hetzkampagnen gegen einzelne "Schreibtischtäter" in Behörden und vermeintlich involvierte Firmen instrumentalisierten sie dabei die mehrheitlich aus humanitären Beweggründen tätigen Flüchtlingsinitiativen. Seit vielen Jahren zählen auch Anschläge auf Fahrzeuge und Wohnhäuser von Behördenmitarbeitern und Firmenangehörigen zur Aktionspalette militanter Linksextremisten. Der vorerst letzte Betroffene war der Leiter der Abteilung für 100 Linksextremismus Ausländerangelegenheiten des Hamburger Einwohner-Zentralamtes, in dessen Wohnhaus am 10.06.05 mit Farbe gefüllte Flaschen geschleudert wurden ( Ziff. III., 5.2.2). Stark rückläufig waren die Aktivitäten von Linksextremisten gegen die Sozialreformen ("Hartz IV"/"ALG II"). In der Nacht zum 07.04.05 warfen Unbekannte Farbflaschen gegen ein Gebäude der Bundesagentur für Arbeit und das Bezirksamt in Altona und beschädigten Fensterscheiben. In einer in der Autonomenschrift "Zeck" Nr.126 vom Mai/ Juni 2005 veröffentlichten Erklärung bekannten sich "autonome splitter hamburg" zu der Tat. Sie richte sich nicht nur gegen "orte, in denen die hartz IV reformen umgesetzt" würden, sondern grundsätzlich gegen "lohnarbeit als ausdruck von gesellschaftlichen herrschaftsverhältnissen". Die Erklärung schließt mit einem Gruß an die "über den paragrafen 129 kriminalisierten genossInnen aus hamburg" (gemeint waren zwei Beschuldigte aus einem Verfahren wegen Sachbeschädigung im Zusammenhang mit dem Wasserturm-Umbau). Die sonstigen Proteste gegen die Sozialreformen mit Beteiligung von Linksextremisten beschränkten sich seit Anfang 2005 im Wesentlichen auf die "Montagsdemonstrationen", die aber inzwischen weder nennenswerten Zulauf noch öffentliche Resonanz erzielen. Dasselbe galt für die Aktionen des "Hamburg-Umsonst"-Netzwerkes, das nicht an die Kreativität und Vielfalt seiner Vorjahresaktivitäten anknüpfen konnte. Ein Hausfriedensbruch in einem Blankeneser Restaurant war die einzig nennenswerte Aktion, bei der etwa 30 Aktivisten, darunter auch Auswärtige, gegen "prekäre Arbeitsverhältnisse" protestierten (prekär= i. S. v. ungesichert). 101 Linksextremismus 2. Potentiale Im Jahre 2005 gliederten sich linksextremistische Organisationen und Vereinigungen bundesweit in 43 Kernund Nebenorganisationen (2004: 49). Ihnen gehörten 25.400 Personen an (2004: 25.700). Bund: Linksextremistische Personenpotentiale 40000 35000 30000 25000 20000 35.900 34.100 34.700 34.200 33.500 32.900 31.100 31.300 30.800 30.600 15000 10000 5000 0 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 -Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundetDieser Zahl sind noch etwa 5.500 Personen (2004: ebenfalls 5.500) der Kategorie "Gewaltbereite Linksextremisten" in 67 Gruppen [Autonome, Anarchisten und "Antiimperialistischer Widerstand (AIW)] hinzuzurechen (2004: 61 Gruppen). Die vorstehenden Zahlen enthalten auch die Mitglieder der "Kommunistischen Plattform der Linkspartei.PDS" (KPF) sowie weiterer linksextremistischer Gruppen in der "Linkspartei.PDS" ( III.,6.), aber nicht die Gesamtzahl der Mitglieder der "Linkspartei.PDS". In Hamburg werden wegen der politischen Ausrichtung des Landesverbandes der "Linkspartei.PDS" alle Parteimitglieder dem linksextremistischen Spektrum zugerechnet. 102 Linksextremismus Linksextremistisches Personenpotential 2004 2005 auf Bundesebene Angehörige von Kernund Nebenorganisationen (Marxisten-Leninisten und andere revolutionäre Marxisten) 1 25.700 25.400 Gewaltbereite (Autonome, Anarchisten u. Antiimperialistischer Widerstand) 5.500 5.500 Gesamtpotential (abzüglich Mehrfachmitgliedschaften) 30.800 30.600 "Linkspartei.PDS" 2 65.800 61.600 1 Einschließlich "Kommunistischer Plattform der Linkspartei.PDS" (KPF). Hinzu kommen die Mitglieder weiterer linksextremistischer Gruppen in der PDS. 2 Bis zur Umbenennung am 17.07.05: "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS). Die Partei ist wegen ihres ambivalenten Erscheinungsbildes gesondert ausgewiesen. -Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundetNach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften betrug das linksextremistische Personenpotential bundesweit insgesamt etwa 30.600 Personen (2004: etwa 30.800 Personen). Die Zahl der im Jahr 2005 in Hamburg erfassten Linksextremisten blieb nach Abzug von Doppelmitgliedschaften mit knapp 1.500 im Vergleich zu 2004 (1.500) nahezu unverändert. * Geringe Zuwächse bei Autonomen wurden durch fluktuationsbedingte Abgänge im "Antiimperialistischen Widerstand" (AIW) weitgehend kompensiert. Die Zahl der gewaltbereiten Personen (Autonome, Anarchisten und AIW) verringerte sich geringfügig auf etwa 470 (2004: ungefähr 480). * Das Potential marxistisch-leninistischer Kernund Nebenorganisationen sowie anderer revolutionärer Marxisten und Trotzkisten bestand 2005 aus rund 620 (2004: 650) Personen. 103 Linksextremismus * Der Hamburger Landesverband der "Linkspartei.PDS" zählte etwa 390 (2004: 370) Mitglieder. Die linksextremistischen Kampagnen gegen Sozialgesetze und Stadtteilerneuerung sorgten nicht für nennenswerte personelle Zuwächse. Hamburg: Linksextremistische Personenpotentiale 1500 1200 1.450 1.440 1.350 1.350 1.300 1.340 1.130 1.500 1.500 1.480 900 600 300 680 700 600 560 520 520 500 480 480 470 0 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 -Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet104 Linksextremismus Linksextremistisches Personenpotential 2004 2005 in Hamburg Linkspartei.PDS 370 390 Angehörige marxistisch-leninistischer Kernu. Nebenorganisationen sowie andere revolutionäre Marxisten und Trotzkisten 650 620 Gewaltbereite (Autonome, Anarchisten u. Antiimperialistischer Widerstand) 480 470 Gesamtpotential (abzüglich 1.500 1.480 Mehrfachmitgliedschaften) -Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet3. Linksextremistisch motivierte Kriminalität Seit 2001 wird der Deliktsbereich der Politisch Motivierten Kriminalität (PMK) nach neu definierten und bundesweit einheitlichen Kriterien erfasst. Sämtliche politisch motivierten Straftaten werden berücksichtigt und extremistische Straftaten als Teilmenge ausgewiesen. PMK-Links 2001 2002 2003 2004 2005 PMK-Links insgesamt 202 221 308 254 289 davon linksextrem. Straftaten 90 16 16 23 32 hiervon Gewaltdelikte 43 4 11 16 19 - Die vorstehenden Zahlen stammen von der Polizei Hamburg, (Stand: Februar 2006) - In Hamburg war 2005 ein Anstieg der linksextremistischen Straftaten im Sinne der PMK-Kriterien auf 32 gegenüber 23 im Jahr 2004 zu verzeichnen. Der Anteil der Gewalttaten hiervon stieg von 16 im Jahr 105 Linksextremismus 2004 auf 19 im Berichtsjahr. Die Schwerpunkte lagen in den Bereichen der militanten Proteste gegen den Umbau des ehemaligen Wasserturms im Schanzenpark und mehreren Auseinandersetzungen zwischen Rechts -und Linksextremisten, insbesondere im Zusammenhang mit einem von Rechtsextremisten veranstalteten Konzert im Stadtteil St. Pauli am 05.11.05 ( III.,5.2.1). Hierbei handelte es sich zumeist um Vorwürfe der Körperverletzung zum Nachteil von Polizeibeamten, des Landfriedensbruchs und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Zu den Gewalttaten zählen auch Brandanschläge und Sachbeschädigungen, von denen folgende hervorzuheben sind: 04.03.05: Brandanschlag auf ein Hotel in Lemsahl-Mellingstedt und drei Sachbeschädigungen an Objekten in Hamburg und Lübeck. Die Tätergruppen hinterließen unterschiedlich knappe Bekennungen, die sich gegen den Umbau des Wasserturms in ein Hotel wandten und das Senatskonzept der "Wachsenden Stadt" angriffen ( III.,5.2.4). 07.04.05: Sachbeschädigungen an Gebäuden der Bundesagentur für Arbeit und des Bezirksamtes Hamburg-Altona. In einer in der Autonomenschrift "Zeck" Nr. 126 vom Mai/Juni 2005 veröffentlichten Erklärung bekannten sich "autonome splitter hamburg" zu der Tat. Sie richte sich nicht nur gegen "orte, in denen die hartz IV reformen umgesetzt" würden, sondern grundsätzlich gegen "lohnarbeit als ausdruck von gesellschaftlichen herrschaftsverhältnissen". 26.04.05: Brandanschlag auf eine Stromversorgungsstation der Baustelle "Wasserturm". In einer per E-Mail versandten Bekennung wurden weitere Aktionen gegen die Baustelle angekündigt ( III.,5.2.4). 10.06.05: Sachbeschädigung durch Flaschenwürfe auf das Privathaus des Leiters der Abteilung für Ausländerangelegenheiten des Hamburger Einwohner-Zentralamtes ( III.,5.2.2). 106 Linksextremismus 29.06.05: Brandanschlag auf einen Bagger ( Foto), der von einer am Umbau des Wasserturms beteiligten Baufirma gemietet worden war. Eine "autonome gruppe" bezeichnete die Tat als Teil des Widerstandes gegen das Hotelprojekt ( III.,5.2.4). 28.07.05: Brandanschlag auf den Pkw des Vorstandsvorsitzenden der Norddeutschen Affinerie MARNETTE vor seinem Wohnhaus in Niedersachsen ( III., 5.2.5). Bekennung und Tatausführung deuten auf eine Beteiligung militanter Linksextremisten aus Hamburg hin. In der Bekennung ist der Vorschlag enthalten, eine breite, auch militante Kampagne zum G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm durchzuführen. 08.12.05: Brandanschlag auf den Pkw eines Tchibo-Vorstandsmitglieds im Stadtteil Harvestehude. Das Tatbekenntnis einer "AG Herz-Infarkt" begründet den Anschlag mit schlechten Arbeitsund Lebensbedingungen südostasiatischer Arbeiterinnen und greift das Thema "Militante Kampagne gegen das G8-Treffen" auf ( III., 5.2.5). 16.12.05: Brandanschlag auf zwei Pkw der Werbeagentur JUNG VON MATT, ebenfalls in Harvestehude. In der Bekennung einer "Zelle'pack das pattex unter den tank'" zogen die Täter eine Verbindungslinie zwischen der Werbekampagne "Du bist Deutschland" und angeblich nationalistischen, internationalen Führungsansprüchen der Bundesrepublik ( III., 5.2.5). 4. Linksterroristische Bestrebungen / Antiimperialistischer Widerstand (AIW) Seit der Auflösung der "Roten Armee Fraktion" (RAF) im Jahre 1998 hat es in Deutschland keine bundesweit agierende linksextremistische Terrorgruppe mehr gegeben, die gezielt Menschen tötet. Zwar gab es auch im Jahre 2005 eine Reihe militanter Aktionen wie Brandanschlä107 Linksextremismus ge. Einige überschritten die Grenze zum Terrorismus, Personen wurden dabei nicht verletzt, in einigen Fällen waren sie aber zumindest mittelbar gefährdet. Darüber hinaus entstand erheblicher Sachschaden. Die ehemals der RAF nahe stehende Andrea KLUMP wurde am 18.11.05 ohne Auflagen vorzeitig aus der Haft entlassen. Sie war am 15.05.01 wegen Beteiligung an einem Sprengstoffanschlag auf eine Diskothek im spanischen Rota im Jahre 1988 zu neun Jahren Haft verurteilt worden. Der Vorwurf der Mitgliedschaft in der RAF war während dieses Prozesses fallen gelassen worden. Am 28.09.04 war KLUMP vom OLG Stuttgart wegen Beihilfe zum versuchten Mord in 32 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt worden. Die einzige terroristische Gruppierung mit bundesweiter Ausstrahlung - mit stark lokal geprägten Aktivitäten - ist die "militante Gruppe" (mg) in Berlin. Sie verübte vornehmlich dort zahlreiche Brandanschläge. In der Untergrundzeitschrift "radikal" wurden neben ihren Bekennungen auch eine Vielzahl ihrer intellektuell überfrachteten Erklärungen, Positionspapiere und Ausarbeitungen zur historischen und aktuellen Entwicklung des "bewaffneten Kampfes" veröffentlicht. Ziel der mg ist es, militante Gruppierungen zu vernetzen, die Notwendigkeit von Militanz in der politischen Arbeit zu vermitteln und grundsätzliche Diskussionen über die Verbreitung terroristischer Aktivitäten zu führen. Die mg sieht sich offensichtlich als Speerspitze militanter Gruppierungen in Deutschland. Ihre politische Ausrichtung umschrieb sie als "Synthese eines sozialrevolutionären und antiimperialistischen Ansatzes auf kommunistischer Grundlage". In den Jahren 2001, 2002 und 2004 hatte die Gruppe an Tatorten von Brandanschlägen scharfe Munition hinterlassen oder Drohschreiben an Politiker und Wirtschaftsvertreter beigelegt. Diese von ihr als "Kommunikationsguerilla" bezeichnete Aktionsform und die - zumindest theoretische - Option der mg für eine künftige "autonome miliz" stießen in Diskussionsbeiträgen überwiegend auf Kritik. Bisher ist es der mg weder gelungen, ihre Vorstellungen zur Bildung eines militanten Netzwerkes zu verwirklichen 108 Linksextremismus noch eine breitere Akzeptanz für gezielte Anschläge auf Personen zu erzielen. Die letzte in Hamburg agierende terroristische Gruppierung war die "Autonome Zelle in Gedenken an Ulrike Meinhof" (AZUM). Zwischen 1999 und 2003 verübte sie in Hamburg und Umgebung insgesamt 22 Brandanschläge und Sachbeschädigungen. Inhaltlich nahm die AZUM in ihren knapp und plakativ formulierten Begründungen vorwiegend auf die Folgen der Globalisierung, die Beteiligung der Bundesrepublik an NATO-Einsätzen und die angeblich menschenverachtende Flüchtlingspolitik Bezug. Alle schriftlichen Äußerungen der Gruppe wiesen einen antiimperialistischen Ansatz mit internationalistischen Elementen auf und erinnerten teilweise an alte RAF-Verlautbarungen. Nach einer Kritik der mg an ihrer Inaktivität nannte die AZUM im September 2004 in der Untergrundzeitung "INTERIM" und in der Hamburger Autonomenschrift "ZECK" als Gründe dafür Auflösungserscheinungen in der Gruppe, die strukturelle Zersplitterung der linken Szene durch staatliche Angriffe und fehlende Klarheit über ihre programmatische Zielsetzung. Ihr Ziel sei es, den Auflösungsprozess zu stoppen und sich aktiv in die von der mg angeregte Militanzdebatte einzubringen. Seit diesen Veröffentlichungen sind keine Äußerungen oder Aktivitäten der AZUM mehr festgestellt worden. Es ist zu vermuten, dass sich die Gruppe aufgelöst hat, möglicherweise arbeiten einzelne Mitglieder in anderen Zusammenhängen weiter. Die mit Autonomen und Anarchisten ideologisch verwandten Antiimperialisten betonen noch stärker als jene die internationalen Zusammenhänge ihres politischen Kampfes. Sie orientieren sich dabei häufig an "Befreiungsbewegungen" in der Dritten Welt. Antiimperialisten machen den Kapitalismus für alle negativen Umstände in der Welt verantwortlich und richten ihren politischen Kampf vornehmlich gegen den Staat bzw. überund zwischenstaatliche Einrichtungen und internationale Konzerne. Die Angehörigen des Antiimperialistischen Widerstandes (AIW) orientieren sich noch weitgehend an den ideologischen Leitlinien der bekanntesten antiimperialistischen Gruppe in Deutschland, der Roten Armee Fraktion (RAF). Zum AIW gehören diverse wechselnde - häufig kurzlebige - informelle Personenzusammenhänge. Unterschiedliche Strömungen und Gruppen lassen sich nicht scharf gegeneinander ab109 Linksextremismus grenzen. Für Antiimperialisten ist Gewalt ein notwendiger Bestandteil des Kampfes gegen das System. Sie wird nicht nur grundsätzlich akzeptiert, sondern als Mittel der eigenen politischen Praxis pragmatisch in Betracht gezogen. Das geschieht bei Planungen des AIW nüchterner und kalkulierter als z.B. bei Autonomen, die eher zu spontaner Gewalt neigen. In Hamburg wurden dem AIW im Berichtsjahr etwa 70 Personen zugerechnet, die auch 2005 in unterschiedlichen - häufig wechselnden - Arbeitsfeldern und Gruppen agierten. Die älteren Angehörigen des AIW waren in der Vergangenheit dem RAF-Umfeld zuzuordnen und haben ihre Gegnerschaft zum "System" beibehalten. Die Gruppen des AIW zeigten - wie in den Vorjahren - geringe Aktivität. Das gilt auch für die Gruppierung "Kurdistan Solidarität Hamburg" (KS), die Kontakte zu Unterstützern des KONGRA GEL (früher KADEK und PKK; II.,5) unterhält. Angehörige der KS haben sich in den 90er-Jahren in den kurdischen Bergen durch die Guerilla der PKK u.a. an Waffen ausbilden und ideologisch schulen lassen. Nach der Festnahme des damaligen PKK-Chefs ÖCALAN und der Einstellung des bewaffneten Kampfes in der Türkei hatten sie ihre Pläne aufgegeben, in Deutschland eine militante und illegal agierende Struktur aufzubauen. Von der Gruppe "Arachne", die nach eigener Aussage ihre "...Wurzeln in der antifaschistischen, feministischen, antiimperialistischen und autonomen Politik der letzten 20 Jahre" hatte und eine "moderne, revolutionäre Politik entwickeln und die Perspektiven des weltweiten Sozialismus erneuern" wollte, wurden 2005 kaum öffentliche Aktivitäten bekannt. Möglicherweise hat sich die Gruppe aufgelöst. Noch im August 2004 hatte sie den Zustand der linksextremistischen Szene in einem Papier kritisiert. Haupttreffort der antiimperialistischen Szene war auch 2005 die "B 5" (Foto) in der Brigittenstraße 5. Dort waren mehrere Gruppen und Bündnisse von Antiimperialisten, Autonomen und Angehörigen pro-palästinensischer Gruppierungen aktiv. Sie thematisierten bei Veranstaltungen sowie in Schriften 110 Linksextremismus und Flugblättern die angebliche "Unterdrückung des palästinensischen Volkes" durch die USA und Israel. Ziel des "Bündnisses gegen imperialistische Aggression" ist ein internationalistisch ausgerichteter Kampf gegen die USA und andere "imperialistische Staaten", denen es den Versuch einer kapitalistischen Neuordnung der Welt vorwarf. Die kapitalistische Gesellschaftsordnung verlange eine Profitsteigerung sowie eine Kontrolle der ausgebeuteten und unterdrückten Völker. Mit ökonomischen, politischen und militärischen Mitteln hielten die imperialistischen Staaten ihre Macht aufrecht und dehnten sie aus. Dem solle mit eigenen Lebensund Kampferfahrungen und einer Kräftebündelung begegnet werden, um Perspektiven für einen internationalistischen Antiimperialismus zu entwickeln. Dem Bündnis gehörten Antiimperialisten, Autonome und linksextremistische Ausländer an. Im Februar 2005 rief es mit einem Flyer "BUSH KOMMT - WIR AUCH" zur Teilnahme an einer Demonstration gegen den Besuch des amerikanischen Präsidenten in Mainz auf. Das Treffen des Präsidenten mit dem damaligen Bundeskanzler SCHRÖDER kommentierte das Bündnis: "Bush - Kriegsverbrecher, Folterer, Massenmörder ..., trifft sich mit seinem Komplizen zur Vorbereitung weiterer imperialistischer Verbrechen. Leisten wir international Widerstand gegen Krieg und Besatzung. Hoch die internationale Solidarität". In einem Redebeitrag vom 25.04.05 beim Hamburger Ostermarsch thematisierte das Bündnis den "Völkermord von 1915 an Armeniern, Assyrern und anderen Minderheiten unter dem osmanischen Reich!" und rief dazu auf, sich gegen "die unmenschlichen und barbarischen Machenschaften des türkischen Staates zu wehren". Ebenfalls in der "B 5" traf sich die antiimperialistisch und internationalistisch ausgerichtete "Volkswiderstandsbewegung der Welt / World People's Resistance Movement" (VWBW / WPRM) - Ortsgruppe Hamburg -. Die VWBW/WPRM setzte sich aus Antiimperialisten und türkischen Linksextremisten mit maoistischem Hintergrund ( II.,6.2) zusammen. Sie kooperierte mit dem "Bündnis gegen imperialistische Aggression" (s.o.) und beteiligte sich an Aktionen und Demonstrationen anderer AIW-Gruppen. 111 Linksextremismus 5. Autonome und anarchistische Gruppen 5.1 Gruppen und Strukturen in Hamburg "Rote Flora" Das alternative Stadtteilzentrum "Rote Flora" im Schanzenviertel war auch im Jahre 2005 Anlaufpunkt und Veranstaltungsort der autonomen und subkulturellen Szene. In dem Gebäude am Schulterblatt sind nicht nur diverse Gruppen mit unterschiedlichen politischen, kulturellen und sportlichen Ambitionen aktiv. Durch seine räumliche Größe ist es auch bevorzugter Veranstaltungsort für größere Szene-Veranstaltungen wie Solidaritäts-Konzerte und -Partys. Standen im Vorjahr die Feiern zum 15-jährigen Bestehen und eine Antisemitismusdebatte im Mittelpunkt, konzentrierten sich die Aktivitäten der "Flora"-Aktivisten im Jahre 2005 auf den Umbau des ehemaligen Wasserturms im Schanzenpark zu einem Hotel. Mit Plakataushängen, Veröffentlichungen in der hauseigenen Postille "Zeck", Veranstaltungsreihen und anderen Aktivitäten positionierte sich das "Flora"-Spektrum gegen das Hotelprojekt. Neben der "Flora" beteiligten sich auch zahlreiche andere Gruppierungen und Anwohner an den Protesten. Von der "Flora" kamen aber wie im Vorjahr Impulse für eine inhaltlich und ideologisch weitergehende Auseinandersetzung zum Themenkomplex Hotel, Umstrukturierung und "Vertreibung". So wurde dieser Protest auch in der "Zeck" aus autonomer Sicht betrachtet und publizistisch begleitet. In der Ausgabe Nr. 124 vom März/April 2005 unterzog eine "gruppe commode" die Widerstandskampagne einer selbstkritischen Analyse. Danach komme der Auseinandersetzung vornehmlich Symbolwert zu. Die eigentlichen Kampffelder von Linken sollten " ...die Bereiche sein, in denen das tägliche Elend organisiert wird: Die Vertreibung von Flüchtlingen, die massive Verarmung derjenigen, die keine Arbeit finden können, die Schließung von Frauenhäusern, das Einsetzen von Brechmitteln...". Vor dem Hintergrund des beherrschenden Themas Hotelbau ( III 5.2.4) blieb für zusätzliche politische Akzentsetzungen nur wenig 112 Linksextremismus Raum. Eine intern geführte Debatte um Hausverbote gegen vermeintliche Sexisten und Aggressoren führte lediglich zu einer weitgehend ergebnislosen Patriarchatsund Sexismusdiskussion. "Flora"-Aktivisten griffen auf Stilmittel der so genannten Kommunikationsguerilla zurück, um durch Provokationen Aufmerksamkeit zu erregen. So hängten Vermummte bei einer "Wasserturm-Demonstration" am 09.04.05, als der Aufzug das "Flora"-Gebäude passierte, zwei in Polizeiuniformen gehüllte Puppen ans Dach und entzündeten sie. Außerdem wurde ein Pappmodell des Wasserturmhotels in Brand gesetzt und vom Dach geworfen. Auch "Zeck"-Titelbilder waren "satirische" Agitationsmittel - im Januar 2005 z. B. mit einem brennenden Bagger vor der Kulisse des Schanzenturms, Beschriftung: "burn digger burn". Das Bild vom brennenden Bagger wurde einige Monate später Realität. Unbekannte setzten am 29.06.05 eine solche Arbeitsmaschine auf einer Baustelle am CCH in Brand, es entstand erheblicher Sachschaden. "Eine autonome Gruppe" bekannte sich per E-Mail zu der Tat und begründete sie mit dem Hotelbau im Schanzenpark. In der "Zeck" wurden wie in den Vorjahren auch aktuelle autonome Debatten aufbereitet, Termine veröffentlicht und nicht zuletzt Bekennerschreiben zu Sachbeschädigungen und Anschlägen mit linksextremistischem Hintergrund "dokumentiert". So wurden dort u.a. die Bekennungen zu Sachbeschädigungen und einem Brandanschlag in der Nacht zum 04.03.05 gegen verschiedene Objekte in Lübeck und Hamburg im Zusammenhang mit dem Wasserturm-Umbau, zu einer Sachbeschädigung gegen das Wohnhaus des Leiters der Abteilung für Ausländerangelegenheiten des Hamburger Einwohner-Zentralamtes am 10.06.05 in Hamburg, zu einem Brandanschlag gegen LKW der Berliner Firma ROGGAN am 02.06.05 und zu einem Brandanschlag gegen den Pkw des Vorstandsvorsitzenden der Norddeutschen Affinerie am 28.07.05 veröffentlicht ( III., 5.2.5). Für Mitteilungen nutzte das "Flora"Spektrum auch die beiden an der Vorderfront des Gebäudes befindlichen Plakatwände, die im Berichtsjahr u.a. zu den Themenkomplexen Hotel-Widerstand, Antirassismus, 113 Linksextremismus Protest gegen Atomtransporte und 60. Jahrestag des Kriegsendes bemalt wurden. Regelmäßig steuerte die "Flora" zu "Szene-Demonstrationen" Redebeiträge bei, um den eigenen Standpunkt darzustellen. Gelegentlich wurde dieser auch in der Rubrik "Aktuelles" auf der "Flora"-Homepage oder in der "Zeck" vertreten. Im Berichtsjahr wurde deutlich, was sich 2004 abgezeichnet hatte: Die so genannten aktionsbzw. erlebnisorientierten Jugendlichen/Heranwachsenden, denen es primär um Lust an der Randale als um politische Ziele geht, standen der "Roten Flora" kritisch gegenüber. Dieses zum Teil sehr junge Protestpotential nutzte Szene-Demonstrationen im Schanzenund Karolinenviertel wiederholt für spontane Randale, betrachtete die "Flora" jedoch lediglich als Anlaufund Treffpunkt und brachte sich nach wie vor kaum in deren Strukturen ein. Antideutsche / Antinationale Nach der Wiedervereinigung formierten sich Anfang der 90er-Jahre Linksextremisten verschiedener Strömungen, vor allem aus der "Radikalen Neuen Linken", zu einem "antideutschen" bzw. "antinationalen" Lager. Sie lehnen eine nach völkischen Gesichtspunkten ausgerichtete, auf Staatenbildung basierende Weltordnung ab und agitieren gegen ein vermeintliches "Großmachtstreben" der wiedervereinigten Bundesrepublik. Die Übergänge zwischen dem antinationalen und dem antideutschen Lager sind fließend. Die Antideutschen genießen in der linksextremistischen Szene den Ruf einer theoretisierenden und teilweise provozierend auftretenden Polit-Sekte. Dies gilt vor allem für das "Bahamas"-Spektrum, das insbesondere in seiner gleichnamigen Broschüre mit extremen und bewusst provokanten Aussagen zu einer ungewohnt heftigen bundesweiten Polarisierung innerhalb des deutschen Linksextremismus beigetragen hat. In den letzten Jahren entzündete sich der Streit zwischen dem antinationalen Lager und der autonomen Szene vor allem an unterschiedlichen Positionen zum Israel/Palästina-Konflikt. Dieser wurde verknüpft mit einer Diskussion um vermeintliche antisemitische Tendenzen innerhalb der Szene. Jene wurden insbesondere dem sog. antiimperialistischen Spektrum ( III.,4) vorgeworfen, das den palästinensischen 114 Linksextremismus Befreiungskampf und die irakischen Aufständischen propagandistisch unterstützte. Beide Lager waren so verfeindet, dass sie gegenseitig Rassismusund Faschismusvorwürfe erhoben. Nach den in den Vorjahren zuweilen hitzig geführten Debatten zum Israel/Palästina-Konflikt gab es 2005 in Hamburg eine deutliche Beruhigung. Nur Anfang 2005 waren noch Nachwehen einer zuvor kontrovers diskutierten "Hamburger Erklärung gegen Antisemitismus" zu spüren. Dieses von Hamburger Gruppierungen aus dem antinationalen Spektrum wie "Loge (Hamburg)", "Mc Guffin Foundation (Sektion Hamburg)", "Gruppe bricolage", "rapidas" und "Radio Loretta" herausgegebene Positionspapier wurde zuletzt von der eher antiimperialistisch ausgerichteten Gruppe "Arachne" ( III., 4) mit einem Textbeitrag in der "Zeck" vom Jan./Feb. 2005, Nr. 124, kritisiert. Zu den aktivsten Hamburger Gruppierungen gehörte die mit Israel solidarische Antifa-Gruppe "bad weather", die dem gemäßigten Lager der Antinationalen zuzuordnen ist. Ungewöhnlich für das undogmatische linksextremistische Spektrum war die ständige Aktualität ihrer Homepage und die Regelmäßigkeit von Veranstaltungen und öffentlichkeitswirksamen Aktionen. Neben Vorträgen zum Dauerthema Israel/Palästina-Konflikt bzw. Antisemitismus beschäftigte sich "bad weather" im Berichtsjahr auch mit klassischen Antifa-Themen wie "Verbrechen im Nationalsozialismus" und "Naziläden". Obwohl "bad weather" wie die Mehrheit der in Hamburg ansässigen antinationalen Gruppierungen nicht zu dem extremen "Bahamas"-Spektrum (auch als "Bahamiten" tituliert) gehörte, war bislang keine Distanzierung zur "Hardcore-Fraktion" zu beobachten. Vielmehr hatten die "Antideutsche Gruppe HH" und "bad weather" zu einer Vortragsveranstaltung am 25.2.05 mit dem Titel "Jihad und multikulturelle Gesellschaft" auch einen Redakteur der Berliner "Bahamas" als Referenten angekündigt. Politische Gegner der Antideutschen riefen in der Internetplattform "Indymedia" zu Störaktionen auf, die sich vermutlich auf eine Flugblattverteilung vor dem Veranstaltungsort beschränkten. Die Veranstaltung und die Einladung des "Bahamas"-Redakteurs, der "getrost als sexistischer und rassistischer Reaktionär bezeichnet werden kann", wurde von einigen Gruppen in der "Zeck" Nr. 126 massiv kritisiert. Trotz der Anfang 2006 herrschenden Ruhe könnte der Konflikt in Hamburg auch durch nichtige 115 Linksextremismus Anlässe wieder aufbrechen. Von bundesweiter Bedeutung war eine vom 18.-19.11.05 in Berlin abgehaltene "Antideutsche Konferenz", die u.a. den "linksradikalen" Anspruch antinationaler Politik unterstreichen sollte, weil ihnen dieser von anderen Linksextremisten mitunter abgesprochen wird. Passagen, die antideutscher Diktion ähneln, enthielt die Bekennung einer "Zelle 'pack das pattex unter den tank' " zu einem am 16.12.05 verübten Brandanschlag gegen zwei Fahrzeuge in Hamburg-Harvestehude ( III., 5.2.5). Der Anschlag richtete sich gegen den Mitinhaber einer Werbeagentur wegen dessen federführender Mitwirkung an der Werbekampagne "Du bist Deutschland". Die Täter bezeichneten die Kampagne in ihrem Schreiben als ein "esoterisches und nationales Manifest", das eine "deutsche Volksgemeinschaft" halluziniere. Militante Aktivitäten dieser Qualität aus dem antinationalen bzw. antideutschen Lager sind ungewöhnlich. Vermutlich haben die Täter deren Argumentationszusammenhänge lediglich übernommen. "AVANTI", Projekt undogmatische Linke Die Gruppe "AVANTI, Projekt undogmatische Linke" entstand 1989 als Zusammenschluss zweier autonomer Gruppen aus Schleswig-Holstein. Sie ist der Autonomenszene nicht eindeutig zuzurechnen. Typisch autonome Verhaltensmuster wie Unverbindlichkeit und Organisationsfeindlichkeit lehnt sie ab. Die zentralistisch-hierarchische Organisationsform kommunistischer Gruppierungen wird ebenso wenig als Vorbild akzeptiert. Inzwischen existieren sechs kooperativ agierende "AVANTI"-Gruppen, vier in Schleswig-Holstein, eine in Hamburg und eine - seit Herbst 2005 - in Niedersachsen. AVANTI beabsichtigt eine weitere Expansion. Ziel des Projektes ist die revolutionäre Überwindung der heutigen Gesellschaft. "AVANTI" sieht sich als eine der hierfür notwendigen "revolutionären Organisationen". Während die theoretische Basis des Projektes der revolutionär-marxistischer Organisationen ähnelt, entsprechen seine Aktionsformen denen autonomer Personenzusammenhänge. Eine Zusammenarbeit mit nicht-linksextremistischen Kräften wird ausdrücklich befürwortet. Programmatisch äußerte sich AVANTI in seinem 2004 überarbeiteten Grundsatzpapier: "Deswegen sagen wir, dass der Kapitalismus revolu116 Linksextremismus tionär überwunden werden und an seine Stelle der Sozialismus treten muss, der auf der Vergesellschaftung der Produktionsmittel und der demokratischen Organisation der Produktion und Verteilung beruht. (...) Um eine solche tatsächliche, aktive und umfassende Demokratie durchzusetzen, muss die demokratisch nicht legitimierte Macht des Kapitals gebrochen werden. (...) Deswegen gehen wir von der Notwendigkeit einer Revolution aus, die neue demokratische Strukturen schaffen wird, wie dies in vorangegangenen Revolutionen in Form der Räte der Fall war." Zur Gewaltfrage nimmt das Projekt dabei eine nur auf den ersten Blick ambivalent wirkende Position ein: "Unsere Utopie ist...die einer gewaltund herrschaftsfreien Gesellschaft. Dennoch haben RevolutionärInnen immer wieder zum Mittel der Gewalt gegriffen. ...Wir sind daher der Überzeugung, dass die Entscheidung zum Einsatz revolutionärer Gewalt sehr genau abgewogen werden muss und nur als letztes Mittel gelten kann." Das Arbeitsspektrum der Organisation ist breit gefächert, der Schwerpunkt lag 2005 in den Bereichen Antifaschismus und Sozialpolitik. In Hamburg beteiligte sich "AVANTI" z.B. im Juli 2005 an der Mobilisierung gegen zwei Aufmärsche von Rechtsextremisten. Im Februar, Mai und Dezember 2005 nahm "AVANTI" an den Hamburger Demonstrationen gegen die Einführung von Studiengebühren teil bzw. rief zur Teilnahme auf. Außerdem unterstützte die Gruppe weitere "Antifa-Demonstrationen" im September 2005 und wirkte, zum wiederholten Lübeck, 16.09.05: Mal im norddeutschen Raum federWährend einer "Antifa-Cocktail-Party" führend, an der Mobilisierung gegen den von Rechtsextremisten geplanten "Rudolf-Heß-Gedenkmarsch" in Wunsiedel mit. Für 2006 plante "AVANTI", die schon 2005 begonnene Mitarbeit in der Kampagne gegen das G8-Gipfeltreffen zu intensivieren. Das Projekt unterzeichnete im Juli 2005 als Teil einer "Interventionalistischen Lin117 Linksextremismus ken" einen Aufruf zur Zusammenarbeit u.a. des linksextremistischen Spektrums zur Formierung eines wirkungsvollen Protestes gegen das Treffen (, III.,5.2.5). Die Gruppe veröffentlichte in unregelmäßigen Abständen die Publikation "AVANTI Positionen", in der zu Grundsatzthemen und aktuellen Ereignissen Stellung genommen wurde. Nadir / Indymedia In dem Szenetreff "B 5" in der Brigittenstraße 5 hat auch die linksextremistische Internet-Plattform "Nadir Info System" ihren Sitz, die auf die 1994 gegründete Infogruppe Hamburg zurückgeht. Einer Selbstdarstellung zufolge versteht sich Nadir (Geografie/Himmelsnavigation: Fußpunkt, Gegenpunkt des Zenits an der Himmelskugel) als eine Art virtueller Infoladen mit verschiedenen Funktionen. Nadir bietet der linksextremistischen Klientel eine Internetplattform mit Newsgroups, Mailinglisten, E-mail-Funktion und ein Informationssystem. Neben einem umfangreichen Archiv werden vor allem aktuelle Informationen zu tagespolitischen Ereignissen angeboten. Nadir zählt für das linksextremistische Spektrum auch auf Bundesebene zu einem der wichtigsten Internetprojekte, es will "an der Erarbeitung neuer Grundlagen der Linken durch die Bereitstellung eines Ortes zur Kommunikation und Information mitarbeiten. Wir wollen einen Beitrag zur Entwicklung einer emanzipativen Perspektive leisten, die international und internationalistisch allen Widerständen und Kämpfen eine gemeinsame Richtung gibt, um die herrschenden Verhältnisse grundlegend zu verändern...". Nadir war auch an der Gründung von Indymedia Deutschland Anfang 2001 beteiligt, einem "multimedialen Netzwerk unabhängiger und alternativer Medien, MedienmacherInnen, engagierter Einzelpersonen und Gruppen". Indymedia fühlt sich der anarchistisch beeinflussten "Grassrootbewegung" zugehörig und bezieht sich auf den Widerstand der "Zapatisten" in Mexiko im vergangenen Jahrzehnt. Indymedia Deutschland ist ein regionaler Ableger des 1999 gegründeten "imc" ("independent media center"), das anlässlich der gewalttätigen Proteste gegen die WTO-Tagung 1999 in Seattle gegründet 118 Linksextremismus worden war. Indymedia will nicht nur über Ereignisse und die damit verbundenen Protestaktionen berichten, sondern versteht sich als Bestandteil der jeweiligen Widerstandskampagne. Ursprünglich mit dem Schwerpunkt "Antiglobalisierung" befasst, finden sich auf der Internetplattform Beiträge zu nahezu allen Themenbereichen, die im linksextremistischen Lager von Interesse sind. Aus Hamburger Sicht nahmen 2005 insbesondere die Mobilisierung zum Widerstand gegen den Hotelbau im Schanzenpark (, III. 5.2.4) sowie das Themenfeld "Antifaschismus" breiten Raum ein. "Rote Hilfe e. V." Die "Rote Hilfe e.V." geht auf eine gleichnamige, 1921 von der "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) in der Weimarer Republik gegründete, Organisation zurück. Sie erhebt Mitgliedsbeiträge und führt Spendensammlungen durch, um Gesinnungsgenossen in "politischen" Prozessen finanzielle Hilfe, insbesondere für Anwaltsund Gerichtskosten, leisten zu können. Sie ist unabhängig und versteht sich als Selbsthilfeeinrichtung für die gesamte linksextremistische Szene. Von den bundesweit etwa 4.300 Mitgliedern (2004: rund 4.600) des Vereins (Hamburg: unverändert etwa 400) sind nur die wenigsten aktiv. 2005 befasste sich die Hamburger Ortsgruppe mit der Novellierung des Hamburger Polizeigesetzes, das sie als das "schärfste Polizeigesetz Deutschlands" bezeichnete. Hierzu fand im Frühjahr eine Veranstaltung im Kommunikationszentrum "B 5" statt. Darüber hinaus führte die "Rote Hilfe" mehrere Informationsund Mobilisierungsveranstaltungen durch, mit denen sie ihre Solidaritätsarbeit vorstellte und zu Demonstrationen - auch bundesweit - aufrief: So organisierte die Hamburger Gruppe im Juni 2005 mit Angehörigen der "Soligruppe Magdeburg" eine Veranstaltung in der "Roten Flora" zu dem "Staatsschutzprozess gegen drei Aktivisten der Magdeburger Linken". Gleichzeitig wurde unter dem Tenor "Kriminell ist das System und nicht der Widerstand" zur Teilnahme an einer bundesweiten "Anti-Repressionsdemo" in Magdeburg aufgerufen. In dem Verfahren gegen drei Angehörige der Magdeburger linksextremistischen Szene wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung hatte sich 119 Linksextremismus die Hamburger Ortsgruppe der "Roten Hilfe" bereits im Jahre 2003 engagiert. "Libertäres Zentrum (LIZ)" und "Libertäres Kommunikationsund Aktionszentrum (LKA)" Die anarchistische Szene Hamburgs ist noch immer zersplittert und agiert weitgehend unabhängig voneinander. Das "Libertäre Kommunikationsund Aktionszentrum (LKA)" und das "Libertäre Zentrum (LIZ)" sind ihre häufigsten Trefforte. Wichtigste Gruppe ist die "Freie Arbeiter-Union (FAU)" - Ortsgruppe Hamburg -, die sich im LKA trifft. Die FAU ist die Deutsche Sektion der im Februar 1977 gegründeten "Internationalen Arbeiter Assoziation" (IAA), die lt. Statut das Ziel hat, "die gegenwärtigen politischen und ökonomischen Systeme zu vernichten". Auf ihrer Internetseite bezeichnet sich die FAU-IAA Hamburg "als eine anarchistische Gewerkschaftsinitiative, die als Anarcho-Syndikalisten eine herrschaftsfreie, auf Selbstverwaltung begründete Gesellschaft als Ziel hat. Die Selbstbestimmung in allen Lebensbereichen ist die grundlegende Idee des Anarcho-Syndikalismus". Die FAU lehnt deswegen "die Organisation ihrer Interessen in zentralistisch aufgebauten Organisationen ab, da diese stets Machtkonzentration und Hierarchie bedeuten." Die Hamburger Ortsgruppe behielt ihren Aktionsschwerpunkt des Vorjahres bei, indem sie die Kampagne gegen die Sozialreformen der Agenda 2010 fortsetzte, aber nicht mehr mit derselben Intensität wie 2004. Am 01.05.05 beteiligte sich die FAU zunächst am Harburger 1. Mai-Aufzug, an dem 1.100 Personen teilnahmen. Anschließend beteiligte sie sich an einer von einem Bündnis von verschiedenen anarchistischen, autonomen und anderen linksextremistischen Gruppen organisierten "Revolutionären 1.Mai Demonstration". Etwa 750 Personen nahmen an dem Aufzug teil, der durch das Schanzenviertel führte. Am 21.05.05 gehörte die FAU zu den Teilnehmern an einer friedlich verlaufenen Antifa-Demonstration mit rund 200 Personen in Harburg. Im LIZ nahmen Anarchisten, die nicht der FAU angehörten, am monatlichen Plenum und regelmäßigen "Volxküchen" teil. Sie beteiligten sich 120 Linksextremismus vereinzelt an Demonstrationen und Veranstaltungen der linksextremistischen, autonomen und anarchistischen Szene in Hamburg. 5.2 Aktionsfelder 5.2.1 "Antifaschismus" Die autonome Antifaszene, Teil des Hamburger Autonomenspektrums, sieht den "antifaschistischen Kampf" gegen Rechtsextremisten nach wie vor als ihre Hauptaufgabe. Zu ihrer Aktionspalette zählen Demonstrationen gegen deren Aufmärsche, Kundgebungen oder Infostände sowie das direkte Vorgehen gegen einzelne Rechtsextremisten. Der Zerfall der bundesweiten Antifa-Bündnisse nach dem Jahr 2000 ging in Hamburg mit dem Auseinanderbrechen der regionalen Vernetzungsstrukturen und der Auflösung der dazu zählenden "AntifaGruppen" einher. Ende 2005 schien dieser Prozess gestoppt. Ob die vereinzelten - z.T. lokalen - Konsolidierungsansätze dauerhaft sind, bleibt abzuwarten. Zu den in Hamburg aktiven "Antifa-Zusammenhängen" zählen "Antifa Info Pool Hamburg", "Antifa Infotelefon" und die vornehmlich im Hamburger Süden tätigen "Antifaschistische Gruppe Harburg" (AGH), "autonome.harburger.antifa" (aha) und "Arbeitsgemeinschaft für eine revolutionäre Perspektive". Der "Antifa Info Pool Hamburg" engagiert sich seit Mitte 2004 in der autonomen Szene Hamburgs. Er bezeichnete sich als "Zusammenschluss von Personen verschiedener Hamburger Gruppen und Projekte der radikalen Linken" mit dem thematischen "Schwerpunkt Antifaschismus". Zur Stärkung lokaler Antifa-Strukturen organisierte er antifaschistische Aktivitäten und informierte über Veranstaltungen, Aktionen und Termine auf seiner Internetseite. Bisweilen entfaltete der "Antifa Info Pool Hamburg" auch eigenständige Aktivitäten. Im März 2005 wurden auf seiner Homepage Jugendliche unter 18 Jahren dazu aufgerufen, sich an der Organisation von Antifa-Demonstrationen und Veranstaltungen aktiv zu beteiligen. 121 Linksextremismus Das "Antifa Infotelefon" wurde bislang überwiegend im Vorfeld von und auch bei "Antifa-Demonstrationen" aktiv. Seine Funktion bestand in der Mobilisierung und betreuenden Begleitung von Aktionen. Die Gruppe veranstaltete 2005 außerdem mehrere Filmvorführungen und Partys für die einschlägige Szene. Die "Antifaschistische Gruppe Harburg (AGH)", die "autonome.harburger.antifa (aha)" und die "Arbeitsgemeinschaft für eine revolutionäre Perspektive" haben ihren Aktionsschwerpunkt im Stadtteil Harburg. Harburg war Schauplatz mehrerer rechtsextremistischer Aktionen und antifaschistischer Gegenaktionen ( IV., 4.3). Im Januar 2005 mobilisierte ein "Antifaschistisches Bündnis Harburger und Hamburger Gruppen" kurzfristig zu demonstrativen Protestaktionen anlässlich einer Mahnwache von Rechtsextremisten gegen angebliche "Ausländergewalt". Störungen blieben weitgehend aus bzw. scheiterten an der Präsenz der Polizei. Schon bei der nächsten Demonstration - gegen einen rechtsextremistischen Infostand - im Februar 2005 kam es zu Ausschreitungen, die vom "Antifa-Info-Pool" so geschildert wurden: "AntifaschistInnen suchten und fanden die direkte körperliche Auseinandersetzung mit den Hitler-Fans, und die ersten mussten schon wieder abreisen - ins Allgemeine Krankenhaus Harburg". Der Informationsstand wurde beschädigt, vier Müllcontainer im weiteren Umfeld in Brand gesetzt. In der darauf folgenden Zeit kam es zu einer Reihe weiterer gegenseitiger Übergriffe. Der vorläufige Höhepunkt des Konfliktes folgte im Herbst 2005 mit der Kampagne "Stadt, Land, Fluss - Kein Raum den Nazis" der Harburger "Antifa-Szene". Sie konzentrierte sich darauf, mehrere Protagonisten des rechtsextremistischen Spektrums im Stadtteil zu "outen", d.h. ihr Wohnumfeld über ihre politische Betätigung zu informieren. Außerdem wurde ein "Reader" über die Harburger rechtsextremistische Szene veröffentlicht. Zu körperlichen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern beider Richtungen kam es hierbei nicht. Die Stimmung schaukelte sich jedoch durch andauernde Aktionen und Gegenaktionen, die von persönlich herabsetzenden verbalen Angriffen begleitet wurden, emotional auf. 122 Linksextremismus Etwa 900 Personen, darunter überwiegend Anwohner, protestierten Anfang Juli 2005 gegen einen von dem bekannten Hamburger Rechtsextremisten Christian WORCH angemeldeten Aufmarsch in Eidelstedt. Ein "Antifaschistisches Bündnis" hatte zu dieser Gegendemonstration aufgerufen, sie verlief aufgrund der Polizeipräsenz störungsfrei. Am 30.07.05 richteten sich eine Demonstration eines "Antifaschistischen Bündnisses" und eine Versammlung der Partei "Arbeit und soziale Gerechtigkeit - Die Wahlalternative" (WASG) gegen einen von Thomas WULFF geleiteten Aufmarsch von Rechtsextremisten in Eilbek. An der Bündnis-Demonstration nahmen etwa 750 Personen teil, sie verlief weitgehend störungsfrei. Nach Beendigung der Gegendemonstration bildeten sich Kleingruppen, die erfolglos versuchten, zur Marschstrecke der Rechtsextremisten zu gelangen. Im Hauptbahnhof kam es später zu körperlichen Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen beider Lager. Neben Protesten gegen Veranstaltungen Hamburger Burschenschaftler agitierte die Antifaszene ferner gegen so genannte Naziläden. Mit diesem Begriff bezeichnet sie Läden, in denen auch solche Kleidung angeboten wird, die insbesondere von Rechtsextremisten nachgefragt wird. Am 10.09.05 fand im Stadtteil St. Pauli eine Demonstration mit 2.100 Teilnehmern (Foto) gegen einen solchen Laden statt, zu der auch das autonome Antifa-Spektrum mobilisiert hatte. Gegen den Laden waren bereits im Vorfeld mehrfach Sachbeschädigungen verübt worden. Die Antifaszene in Hamburg ist nach wie vor in der Lage, auch gegen nichtöffentliche Ansammlungen von Rechtsextremisten innerhalb kurzer Zeit mehrere hundert Protestierer zu mobilisieren. Das zeigte ein Vorfall im Stadtteil St. Pauli vom 05.11.05: In einem von einem Rechtsextremisten angeblich für eine private Feier gemieteten Veranstaltungsraum war tatsächlich ein Konzert mit rechtsextremistischer Musik mit etwa 300 Gästen organisiert worden. Diese Veranstaltung wurde von 400 bis 500 Personen, die größtenteils der autonomen 123 Linksextremismus Szene angehörten, aber auch von Anwohnern unterstützt wurden, massiv attackiert. Veranstaltungsbesucher, Polizeibeamte, das Veranstaltungsgebäude, Streifenwagen und in der Umgebung abgestellte Privatfahrzeuge wurden mit Steinen und Flaschen beworfen. Hierbei wurden keine Personen verletzt, wohl aber gab es erhebliche Sachbeschädigungen. Auch antifaschistische Proteste gegen Rechtsextremisten in den benachbarten Bundesländern standen im Blickfeld der Hamburger "Antifa-Szene". Wie in den Vorjahren wurden zu einzelnen Aktionen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen Mobilisierungsveranstaltungen durchgeführt und Busse für die gemeinsame Anreise organisiert. Die Hamburger Antifa-Szene beteiligte sich zudem wieder an der Vorbereitung von Protesten gegen den traditionell jährlich von Rechtsextremisten durchgeführten so genannten Rudolf-Heß-Marsch. Dieser fand 2005 jedoch nicht statt, da ein von der bayerischen Ordnungsbehörde verfügtes Verbot letztinstanzlich bestätigt wurde ( IV.,4.3). 5.2.2 Antirassismus Für Linksextremisten ist der Kampf gegen von ihnen als rassistisch bewertete Personen, Einrichtungen und Maßnahmen seit Jahren eines der wichtigsten Agitationsund Aktionsthemen. Mit Demonstrationen, Veranstaltungen und öffentlichkeitswirksamen - z.T. auch militanten Aktionen - protestieren sie insbesondere gegen die Asylpolitik. Diese sei verantwortlich für eine verstärkte Abschiebung hier lebender Menschen. Antirassistische Propaganda und Aktionen richten sich auch gegen Personen, die für die Gestaltung und Umsetzung dieser Politik verantwortlich gemacht werden. Darüber hinaus greifen Autonome Firmen, z.B. Fluglinien, an, denen unterstellt wird, als "Profiteure des Rassismus" an der "Abschiebemaschinerie" zu verdienen. In der linksextremistischen Szene ist die Akzeptanz "antirassistisch" motivierter Aktionen und Anschläge außerordentlich hoch. Bei Protestaktionen schließen sich Linksextremisten häufig mit demokratischen 124 Linksextremismus Organisationen zusammen und versuchen, die Zielrichtung und Argumentation von Veranstaltungen zu bestimmen. Dabei stellen sie Maximalforderungen wie "genereller Abschiebestopp" und "Grenzen auf - Bleiberecht für alle". Aktionen sind meistens in zeitlich begrenzte Kampagnen mit regionalen oder inhaltlichen Schwerpunkten eingebettet. Im Rahmen antirassistischer Arbeit propagieren sie auch die Bekämpfung des Kapitalismus, weil er für die rassistischen Zustände in der Gesellschaft ursächlich sei. Einen überregionalen Schwerpunkt der antirassistischen Arbeit bilden seit 1998 "Sommer"oder "Grenzcamps", die jährlich mit z.T. provokativen Aktionen die angeblich menschenunwürdige Situation von Flüchtlingen und rassistische Strömungen in der Gesellschaft thematisieren. Neben deutschen Teilnehmern, u.a. aus der Autonomenszene, beteiligen sich hieran auch Gruppen selbstorganisierter Flüchtlinge und Migranten. Nach internen Differenzen über die inhaltliche Gestaltung der "Grenzcamps" war es 2003 zur Spaltung gekommen. Im Jahre 2004 hatte sich ein neues Bündnis gebildet, an dem neben Gruppen und Organisationen von in Deutschland lebenden Ausländern vor allem aktionsorientierte Linksextremisten beteiligt waren. Bedingt durch die Spaltung wurden intensive Debatten geführt, um das Verständnis von Flucht und Migration sowie die Frage gemeinsamer Organisierung - jenseits herkömmlicher Flüchtlingsarbeit - in der antirassistischen Bewegung neu zu definieren. Als neue Aktionsform wurde eine "Anti-Lager-Action-Tour 2004" vom 20.08. bis zum 05.09.04 veranstaltet, die durch mehrere Bundesländer nach Schwerin führte. Sie wurde organisiert von einem Bündnis aus Resten der verbliebenen Camp-Bewegung und Migrantengruppen. Die weitgehend störungsfreie Tour wurde von den Beteiligten positiv bewertet. Kritisch bilanziert wurde, dass die dezentralen und regional organisierten Etappen kein gleichwertiger Ersatz für ein festes Camp seien. 125 Linksextremismus Die von antirassistischen Gruppen am 24./25.09.05 durchgeführte "Anti-Lager-Action-Tour" fand in kleinerem Rahmen als im Vorjahr in Nostorf-Horst in Mecklenburg-Vorpommern statt. Mit einer Kundgebung vor der dortigen Erstaufnahme-Einrichtung wurde gegen das "europäische Lagersystem" protestiert. Die zentrale Einrichtung des Landes Mecklenburg-Vorpommern in Nostorf-Horst für die Erstaufnahme von Asylbewerbern und anderen ausländischen Flüchtlingen wird ab 2006 von Hamburg mitgenutzt. Kritiker befürchten, dass die "Entrechtung" der dort untergebrachten Menschen unbemerkt von der Öffentlichkeit vorangetrieben werde. Denkbare Anschlagsobjekte waren Personen, Institutionen und Firmen, die an Abschiebungen beteiligt sind. In Flugblättern zur Abschiebeproblematik wurden wiederholt Mitarbeiter der Ausländerbehörde, Politiker oder an Abschiebemaßnahmen beteiligte Firmen öffentlich benannt und für die Folgen von Abschiebungen verantwortlich gemacht. Am 10.06.05 verübten Unbekannte in Hamburg einen Farbanschlag auf das Wohnhaus des Leiters der Abteilung für Ausländerangelegenheiten des Hamburger Einwohner-Zentralamtes. In einer der "WELT" zugesandten Bekennung wurde die Tat mit der "rassistischen und repressiven" Funktion der Behörde und ihrer Mitarbeiter begründet. Die Erklärung endete mit einem solidarischen Gruß an "die Beschuldigten des SS129 Verfahrens gegen den Wasserturmwiderstand" ( III., 5.2.4). Auch eine Hamburger Busfirma, die im Auftrag der Ausländerbehörde tätig war, stand im Fokus linksextremistischer Agitation. Mit demonstrativen Aktionen und Kundgebungen (Transparente: STOP ABSCHIEBUNG NACH AFGHANISTAN und BLEIBERECHT FÜR ALLE FLÜCHTLINGE) prangerten Antirassisten an, die Firma würde von einer "entwürdigenden Behandlung von Flüchtlingen" profitieren. In einem anlässlich einer Demonstration in Hamburg zum Tag der Menschenrechte im Dezember 2005 veröffentlichten Flugblatt wurde der Bundesrepublik Deutschland vorgeworfen, die Menschenrechte zu verletzen: "Das deutsche Kapital mit seinen Banken und Großkonzernen trägt zentrale Verantwortung für die Teilung der Welt in einige wenige reiche und mehrheitlich wirtschaftlich arme Länder: Durch einseitige Wirtschaftsverträge, die die abhängigen Länder zwingen, ihre Rohstoffe zu verschleudern, ihre Märkte unkontrolliert zu öffnen und ihrer Bevölkerung soziale Rechte zu verweigern." Durch die "faktische Abschaffung des Asylrechts" erhielten "Flüchtlinge und Migranten eine 126 Linksextremismus diskriminierende Sonderbehandlung." Mit einer Ablehnung "von 96% aller Asylanträge und Massenabschiebungen ungeachtet der Situation in den Herkunftsländern" würde insbesondere Flüchtlingen gleichsam das Existenzrecht abgesprochen. 5.2.3 Linksextremistische Einflussnahme auf die Anti-AKW-Bewegung Seit der Renaissance des AKW-Widerstandes Mitte der 90er-Jahre bildet der regelmäßig im November stattfindende Atommüll-Transport von der Wiederaufbereitungsanlage (WAA) La Hague/Frankreich ins Atommüll-Zwischenlager Gorleben in Niedersachsen den alljährlichen Kampagnenhöhepunkt des extremistischen AKW-Widerstands. Der Protest gegen die sog. Castortransporte hat in den letzten Jahren deutlich nachgelassen. Linksextremistisch motivierte AKW-Gegner verfolgen mit ihrem Widerstand gegen die Nutzung der Atomenergie weitergehende, systemüberwindende Ziele. Die Bedeutung der Extremisten innerhalb der Protestbewegung hat in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen. Im Vorfeld des Castortransports 2005 machten verschiedene "Autonome und linksradikale Gruppen aus Nordund Ostdeutschland" in einem auf der Internetplattform Indymedia (, III.,5.1) erschienenen Beitrag ihr Selbstverständnis deutlich: "Doch es geht bei diesen Eingriffen nicht nur um die Gesellschaft, wie sie jetzt ist, sondern auch darum, wie sie sein sollte...Wir begreifen unsere Politik als kollektiven Prozess, als Politik der ersten Person. In der Art, in der wir die Auseinandersetzung hier und jetzt führen, versuchen wir über den Ist-Zustand der Gesellschaft hinauszugreifen". Ein annähernd inhaltsgleiches Flugblatt enthielt zudem die Abschlussparole "Blockiert und sabotiert Atomtransporte". Unter den aufgeführten Kontaktadressen fanden sich auch die linksextremistischen Hamburger Anti-AKW-Gruppierungen "SAND" (Systemoppositionelle Atomkraft Nein Danke) und das "AntiAtomBüro Hamburg". 127 Linksextremismus Unabhängig vom Gorleben-Transport führten AKW-Gegner auch 2005 verschiedene Störaktionen gegen so genannte WAA-Transporte durch, die Atommüll von den deutschen AKW-Standorten in die Wiederaufarbeitungsanlagen nach La Hague oder nach Sellafield/Großbritannien brachten. Auch im Großraum Hamburg kam es hierbei zu diversen gefährlichen Eingriffen in den Schienenverkehr. Anlässlich eines Transports vom AKW Stade nach La Hague zündeten Unbekannte in den frühen Morgenstunden des 16.02.05 zwischen Stade und Hamburg an der Transportstrecke Feuerwerkskörper, bei Buxtehude wurden zwei Strohpuppen auf die Gleise gelegt. Im Verlauf der Fahrt kam es im Bundesgebiet zu weiteren Störungen, die den Transport verzögerten. Bei einem anderen Transport ab Stade Ende April 2005 waren - u.a. im Raum Hamburg-Harburg - ebenfalls Störungen zu verzeichnen. Anlässlich eines am 01./02.02.05 in Berlin veranstalteten Deutschen Atomforums verübten autonome Atomkraftgegner in der Nacht zum 01.02.05 in Berlin Brandanschläge auf Fahrzeuge der Deutschen Bahn AG und der Berliner Elektrizitätswerke. Ein so genannter Hakenkrallen-Anschlag am 02.02.05 auf die Oberleitung der Bahnstrecke bei Jüterbog-Niedergörsdorf (Brandenburg) dürfte ebenfalls von militanten AKW-Gegnern begangen worden sein. Mit Hakenkrallen, die in die Leitung eingehängt werden, sind schon in der Vergangenheit erhebliche Sachbeschädigungen verursacht worden. Neben der Schädigung eines "Atom-Profiteurs" - der Deutschen Bahn - entstanden zumeist auch kritische Situationen im Fahrbetrieb. Im Vorfeld des angekündigten "Gorleben-Transports" verübten militante Castor-Gegner in der Nacht zum 28.09.05 einen Brandanschlag auf Wohncontainer der Polizei in Woltersdorf/Niedersachsen ( Foto). Die Unterkunft, die 500 Beamten als Unterkunft während des Castortransports dienen sollte, brannte vollständig aus; der Sachschaden betrug etwa 3 128 Linksextremismus Millionen Euro. Auf der Titelseite der Ausgabe Nov./Dez. 2005 der Hamburger Autonomen-Schrift "Zeck" (, III.,5.1) wurde dieses Ereignis - unter dem Bild eines in Flammen stehenden Containerblocks - mit "Toll: Neue beheizbare Polizei-Container im Wendland erprobt!" kommentiert. Mit weiteren Hakenkrallen-Anschlägen gegen das Streckennetz der Deutschen Bahn intervenierten militante Castor-Gegner in z.T. koordinierten Aktionen einige Wochen vor dem Transport nach Gorleben. Von einer ersten Serie mit drei Anschlägen in der Nacht zum 02.11.05 waren neben einem Streckenabschnitt in der Nähe von Aumühle bei Hamburg auch Oberleitungen bei Hagen und zwischen Duisburg und Düsseldorf betroffen. Anschließend ging bei verschiedenen Tageszeitungen eine Taterklärung mit dem Tenor "Der Atomlobby die Krallen zeigen" ein. Darin übernahm eine bisher nicht aufgetretene Gruppierung "c.r.o.c.h.e.t." (franz.: Kralle) die Verantwortung. Die Verfasser bezogen sich auf einen französischen Castorgegner, der bei dem Versuch, den Transport 2004 in Frankreich zu blockieren, tödlich verunglückte. Die Taterklärung endete mit den Parolen: "Wut und Trauer in Widerstand! Für die sofortige Abschaltung aller Atomanlagen und der herrschenden Klasse!". Eine weitere Serie von offenbar koordinierten Hakenkrallen-Anschlägen war am 15.11.05 auf zwei Streckenabschnitten in der Nähe von Berlin zu verzeichnen. Der letzte Anschlag dieser Art im Zusammenhang mit dem "Gorleben-Transport" am 20.11.05 bei HannoverschMünden/Niedersachsen fand noch statt, als die Proteste im Raum Dannenberg/ Niedersachsen schon begonnen hatten. An einer Anti-Castor-Auftaktdemonstration am 05.11.05 in Lüneburg (Foto) mit mehreren tausend Teilnehmern beteiligten sich auch Linksextremisten, darunter ein - etwa 70 Personen starker - autonom geprägter "Antikapitalistischer Block". Diese Personengruppe versuchte zwei Mal, die polizeiliche Absperrlinie zu durchbrechen. 129 Linksextremismus In Hamburg stimmte sich die autonome Anti-AKW-Szene mit einigen Mobilisierungs-Veranstaltungen in der "Flora" ( III., 5.1) auf die Aktivitäten gegen den Transport ein. Wie in den Vorjahren war die autonome Anti-AKW-Gruppierung "SAND" eine der treibenden Kräfte innerhalb des hiesigen Widerstandsspektrums. Auf ihrer ständig aktualisierten Homepage fanden sich entsprechende Termine und Mobilisierungs-Appelle. Zudem rief "SAND" auf einer Plakatwand der "Flora" sowie per Flugblatt mit der Abbildung eines demontierten Schienenstranges und dem Motto "Atomtransporte nach Gorleben stoppen" zu Widerstandsaktionen auf. Während des Transportzeitraums vom 19. bis 22.11.05 blieb der auf dem Transportabschnitt Lüneburg-Gorleben inszenierte Widerstand, z.B. Straßenblockaden, wie im Vorjahr auf niedrigem Niveau. Unter den rund 3.500 Anti-Castor-Demonstranten befanden sich etwa 200 Linksextremisten, davon - wie im Vorjahr - rund 100 Autonome. Begleitet wurden die Protestaktionen von vereinzelten Ausschreitungen. Zwar war im Vergleich zum Vorjahr ein leichter Rückgang militanter Aktionen während der Transportphase zu verzeichnen. Allerdings gab es eine Zunahme von Hakenkrallenund Brandanschlägen durch linksextremistische Gewalttäter im zeitlichen Vorfeld des Transportes. Der Transport selbst verlief weitgehend störungsfrei und erreichte Gorleben mit geringer Verzögerung am 22.11.05. 5.2.4 Linksextremistisch beeinflusste Initiativen gegen Stadtentwicklung Auch im Jahre 2005 war der Themenkomplex "Umstrukturierung / Stadtentwicklung" eines der wichtigsten Kampagnenfelder für die Hamburger autonome Szene. Nach dem Abflauen der Solidaritätsbewegung für den Erhalt von Bauwagenplätzen bot der Baubeginn für ein Hotel im Schanzenpark Anfang 2005 eine neue Agitationsplattform. Eine Parallele zu den damaligen "Bambule"-Aktionen bestand darin, dass daran beteiligte Jugendliche diesen Protest eher als "event" denn als politisch motiviert wahrnahmen. 130 Linksextremismus Das Vorhaben der Firma Patrizia Immobilien AG, den Wasserturm zu einem Hotel der Mövenpick-Kette umzugestalten, stieß nicht nur bei der örtlichen autonomen Szene, sondern auch bei anderen Anwohnern auf Ablehnung. Die vielfach verwendeten Parolen "Schanzenpark für alle!!! - Kein Hotel im Wasserturm!!! - Mövenpick verpiss Dich" zeigten die Haltung der Hotelgegner. Sie befürchten eine fortschreitende Kommerzialisierung des Schanzenund Karolinenviertels, verbunden mit einem weitgehenden Verlust des Schanzenparks als Naherholungsfläche. Dem Kampf gegen das Hotelprojekt wird dabei auch eine Symbolfunktion im Widerstand gegen weitere Umstrukturierungsprozesse - wie etwa der Erweiterung der Messeflächen - zugeschrieben. Während viele Anwohner sich den Protesten aus unmittelbarer Betroffenheit anschließen, haben linksextremistisch motivierte Hotelgegner eine weiter reichende Widerstandsperspektive. Sie interpretieren das Senatskonzept der "Wachsenden Stadt" als einen Angriff auf "öffentliche Räume" und verfolgen mit ihrem Protest letztlich Ziele, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar sind. So argumentierte das der "Flora" nahe autonome "Bündnis gegen Umstrukturierung" in einem Aufruf für eine Demonstration am 19.11.05 (Motto "Think of a revolution"): "Das Wissen, im Recht zu sein, die Hoffnung auf eine andere, bessere Gesellschaft..." sei ihr "...Antrieb... Es gilt die Ursache der ganzen Misere zu beseitigen. Das kapitalistische Gesellschaftssystem, in dem nur die Erwirtschaftung von Gewinnen zählt, in dem Menschen als 'Ware Arbeitskraft', die es abzuschöpfen gilt, vorkommen, muss abgeschafft werden." In weiteren Aufrufen dieses Bündnisses zu Demonstrationen im Juni und November 2005 fanden sich ähnliche Formulierungen. Um ihre Ziele zu erreichen, griffen autonome Hotelgegner auf ein breites Repertoire militanter Aktionsformen zurück, das von Gewaltanwendung bei Demonstrationen über Sachbeschädigungen an der Baustelle bis hin zu Brandanschlägen reichte. Der Beginn der Umbauarbeiten am 10.01.05 war der Auftakt für eine Reihe von Demonstrationen durch 131 Linksextremismus das Schanzenund Karolinenviertel mit jeweils über 1.500 Teilnehmern. Insbesondere bei einigen jugendlichen Demonstranten war ein erhebliches Aggressionspotential festzustellen. Polizeikräfte mussten nicht nur Vermummung und den Einsatz von Knallkörpern, sondern auch Straftaten wie Flaschenund Steinwürfe unterbinden. Versuche, von der angemeldeten Marschroute abzuweichen, machten ebenfalls polizeiliches Einschreiten erforderlich. Mehreren Szene-Demonstrationen im Januar folgten thematisch breiter angelegte Protestzüge im Februar, März, April, Juni und November 2005. Das Themenspektrum der Demonstrationen umfasste auch die Aspekte polizeiliche Repression, Sozialabbau, Neoliberalisierung, Studiengebühren, Schließung der HWP und von Frauenhäusern sowie Erhalt von Bauwagenplätzen. Insbesondere in der Anfangsphase wurde der Protest durch einige außergewöhnliche Agitprop-Aktionen ergänzt, dazu zählten das Spiegeln von Bauscheinwerferlicht, darstellerische Einlagen, Feuerspiele und das "Zuspinnen" des Parks mit Wollknäueln. Mit zwei Veranstaltungsreihen im Juni/Juli und November/Dezember 2005, an denen bis zu 130 Personen teilnahmen, wurde die autonome Unterstützerszene über die Zusammenhänge zwischen Hotelwiderstand, Stadtentwicklung und "Repression" informiert. Der Einsatz von Molotowcocktails während des ersten Aufzuges am 10.01.05, der bei Autonomen vielfach auf Kritik stieß, war ein erstes Indiz für die hohe Gewaltbereitschaft bei den Aktivitäten gegen das Hotelprojekt. Die demonstrativen Aktionen wurden von zahlreichen Sachbeschädigungen flankiert: So wurden Zaunelemente umgerissen sowie Steine und Farbeier gegen die Flutlichtanlagen und die auf der 132 Linksextremismus Baustelle befindlichen Baucontainer geworfen. Außerdem schossen militante Hotelgegner Feuerwerkskörper gegen die Baustelle ab. Im August 2005 wurden in verschiedenen Läden Mövenpick-Produkte mit Aufklebern versehen. Im Internetportal "Indymedia" wurde die Aktion mit dem Widerstand gegen das Mövenpick-Hotel begründet. Von den militanten Aktivitäten gegen das Projekt sind fünf Brandstiftungen und zahlreiche Sachbeschädigungen, teilweise mit Anschlagscharakter, in Hamburg und Lübeck hervorzuheben. Eine der spektakulärsten Aktionen stellte eine Anschlagsserie Anfang März 2005 gegen vier Objekte in Hamburg und Lübeck dar. In den Abendstunden des 03.03.05 warfen militante Hotelgegner Farbeier gegen die Fassade des Mövenpick-Hotels in Lübeck und vergossen Farbe im Eingangsbereich; außerdem schlugen sie Fensterscheiben ein. Zwei aus Hamburg stammende Tatverdächtige konnten kurz nach der Tat gestellt werden. In den frühen Morgenstunden des 04.03.05 kam es dann zu einer Brandstiftung und zu zwei Sachbeschädigungen. Auf dem Gelände eines Hotels in Lemsahl-Mellingstedt setzten militante Autonome einen Schuppen mit Golf-Caddies in Brand und verursachten einen Sachschaden von ungefähr 50.000,EUR. An einem Gebäude des Bezirksamts Eimsbüttel sowie am Wohnhaus eines Patrizia-Aufsichtsratsmitgliedes in Groß-Flottbek wurden wiederum Fassaden mit Farbe beschmutzt und Fensterscheiben zerstört. Zu den Taten in Hamburg bekannte sich in einem Selbstbezichtigungsschreiben eine "Arbeitsgruppe für einen Kolbenfresser im Motor der wachsenden Stadt". Demnach zielten die Taten darauf ab, den "sensiblen Tourismus-Sektor" und damit das Investitionsklima der Stadt zu beeinträchtigen. Dies wird mit der Schlussparole "STANDORT HAMBURG ZERBRÖSELN!" unterstrichen. Aus dem Text geht hervor, dass offenbar auch eine Sachbeschädigung an einem Hotel in Nienstedten geplant war, jedoch nicht ausgeführt wurde. Die Staatsanwaltschaft Hamburg eröffnete ein Verfahren gem. SS 129 StGB wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Das Hamburger LKA führte am 16.03.05 Durchsuchungen in zehn Hamburger Objekten durch und nahm sieben Personen vorläufig fest. Als Reaktion hierauf fand am gleichen Abend eine Szene-Demonstration mit etwa 300 Personen statt, drei Tage später folgte eine weitere mit knapp 500 Teilnehmern. 133 Linksextremismus Acht weitere - von November 2004 bis Ende 2005 begangene - Sachbeschädigungen und Brandstiftungen wiesen eine ungewöhnliche Gemeinsamkeit auf. Die Bekennungen zu diesen Taten wurden nicht - wie sonst üblich - postalisch, sondern per E-Mail an verschiedene Medien sowie an Firmen versandt, die mit dem Bauvorhaben befasst waren. Die wechselnden Gruppenbezeichnungen auf diesen Mails müssen vor dem Hintergrund des in autonomen Kreisen propagierten "No-NameKonzepts" nicht für unterschiedliche Täter stehen. Die militanten Aktivitäten hatten im November 2004 begonnen und setzten sich bereits am 04.01.05 mit einer Brandlegung auf einen Asphaltweg im Schanzenpark fort. Sachschaden entstand auch durch eine weitere Brandlegung an einem Stromverteilerkasten an der Hotelbaustelle im April 2005. Die hierzu verfasste E-Mail-Bekennung war knapp und parolenhaft und trug die Unterschrift "Gruppe B.A.L.S.A.M." Unter derselben Bezeichnung veröffentlichten Unbekannte eine Selbstbezichtigung zu einem Brandanschlag am 11.05.05 in Lübeck mit beträchtlichem Sachschaden. Der Anschlag galt einem auf dem Hinterhof des Hotels abgestellten Lieferfahrzeug der Mövenpick-Kette. Mit einem Brandanschlag gegen einen Bagger auf einer Baustelle am CCH in der Nacht zum 29.06.05 wurde die Serie fortgesetzt. Hierzu bekannte sich "eine autonome Gruppe", die ihre Tat ebenfalls mit dem Umbau des Wasserturms begründete. Die Fahrerkabine der Baumaschine brannte vollständig aus, es entstand erheblicher Sachschaden. Im Oktober 2005 folgten Sachbeschädigungen gegen eine am Hotelbau beteiligte Firma in Eimsbüttel: Firmenfahrzeuge und die Gebäudefassade wurden mit Farbe beschmutzt sowie vier Lkw-Reifen zerstochen und Fahrzeugschlösser verklebt. Auch die letzte militante Aktion im Jahr 2005 richtete sich gegen Fahrzeuge einer mit dem Hotelprojekt befassten Baufirma. Hotelgegner zerstachen in der Nacht vom 24.11. auf den 25.11.05 auf dem Firmengelände etwa 50 Reifen von Betonmischern und verursachten einen Sachschaden von etwa 12.000,EUR. Ermittlungen des LKA führten zu einem Tatverdächtigen, dem auch eine Beteiligung an einer der vorausgegangenen Sachbeschädigungen vorgeworfen wird. Der Betroffene, der dem "Freien Netzwerk zum Erhalt des Schanzenparks" angehört, wurde am 25.11.05 vorläufig festgenommen, seine Wohnung und sein Arbeitsplatz wurden durchsucht. Als Reaktion hierauf demonstrierten etwa 270 Sympathisanten am 26.11.05 im Schanzenund Karolinenviertel "Gegen Bullenterror". 134 Linksextremismus Wie schon bei den Protesten gegen die Räumung von Bauwagenplätzen gelang es der autonomen Szene bisher kaum, die Wasserturmkampagne auf andere soziale Protestbewegungen auszuweiten. Insbesondere die im bürgerlichen Lager verwurzelten Widerstände u.a. gegen Gebühren für Kindertagesstätten, Aufhebung der Lernmittelfreiheit, Studiengebühren, "Hartz IV" und Lohndumping konnten nicht wie gewünscht integriert werden. Das Ziel einer vom "Bündnis gegen Umstrukturierung" geforderten "außerparlamentarischen Bewegung" scheint somit in weiter Ferne. Nur in Einzelfällen diente die Kampagne gegen das Hotelprojekt aktionsorientierten Jugendlichen, die vornehmlich wegen des erlebnisartigen Charakters an Szene-Demonstrationen teilnehmen, als Sprungbrett in die autonome Szene. Das Thema Bauwagenplätze fand 2005 nur noch wegen einer nachträglichen juristischen Aufarbeitung von Bauwagen-Aktionen aus den Vorjahren Beachtung. Zu Prozessterminen sammelten sich vor dem Strafjustizgebäude bis zu 100 Personen, um Solidarität mit den Angeklagten zu bekunden. An einer Demonstration am 09.05.05 aus gleichem Anlass beteiligten sich knapp 400 Personen, darunter überwiegend Unterstützer aus der Bauwagenszene. Ein diesbezüglicher Aufruf, u.a. abgedruckt in der Berliner Autonomenpostille "Interim", enthielt die Parole "communism we deliver" und dokumentierte die sonst nur selten so eindeutig zu beobachtende Nähe des Bauwagenspektrums zur linksextremistischen Szene. 5.2.5 Linksextremistische Einflussnahme auf die Antiglobalisierungsbewegung Vorbehalte und Ängste im Zusammenhang mit politischen und ökonomischen Entwicklungen, die mit den Schlagworten "Globalisierung" und "Neoliberalismus" umrissen werden, gehen quer durch die Gesellschaft. Linksextremisten versuchen, eigene Inhalte und Zielvorstellungen in die lagerübergreifende politische Diskussion und in entsprechende Aktivitäten einzubringen, um so andere globalisierungsoder 135 Linksextremismus kapitalismuskritische Bewegungen zu beeinflussen und - wenn möglich - zu dominieren. So wird das Thema Globalisierung regelmäßig auf den jährlich stattfindenden Treffen des "Bundeskongress Internationalismus" (BUKO) - ein unabhängiger Dachverband von DritteWelt-Gruppen, entwicklungspolitischen Organisationen, Solidaritätsgruppen und Initiativen - erörtert, in dem sich auch Linksextremisten engagieren. Die linksextremistische Agitation richtet sich vornehmlich gegen das alljährlich stattfindende internationale Gipfeltreffen der Industrienationen (G8), aber auch gegen supranationale Institutionen wie den Internationalen Währungsfonds (IWF), die Weltbank (WB), die Welthandelsorganisation (WTO), das Weltwirtschaftsforum (WEF) oder die Europäische Union (EU). Massenproteste gegen die Treffen von Regierungschefs sind Anziehungspunkt besonders für Autonome und werden als Gelegenheit für militante Aktionen gesehen, um Aufmerksamkeit zu schaffen. Das schon frühzeitig bekundete Interesse linksextremistischer, aber auch nichtextremistischer Globalisierungskritiker an der Planung von Aktivitäten gegen das G8-Treffen in Heiligendamm im Juni 2007 konkretisierte sich seit Herbst 2005. Auf dem Campus der Hamburger Universität trafen sich vom 07.-09.10.05 rund 200 überwiegend linksextremistische Globalisierungsgegner zur inhaltlichen und organisatorischen Planung von Protestaktionen gegen den G8-Gipfel. Eingeladen hatte der deutschsprachige Ableger des internationalen Netzwerkes "Dissent!". Dieses wurde maßgeblich von militant orientierten britischen Globalisierungskritikern zur Vorbereitung von Protesten gegen das G8-Treffen im Juli 2005 in Gleneagles (Schottland) initiiert. Die größten Teilnehmerkontingente kamen aus Berlin und Hamburg, auch aus Frankreich, Großbritannien, Polen und der Schweiz waren Teilnehmer angereist. Der G8-Gipfel in Deutschland - so ein Einladungsschreiben der Globalisierungsgegner in Hamburg - sei eine gute Möglichkeit, der "Gruppe der Acht" zu zeigen, für wen sie nicht spreche. Er biete viele Ansatzpunkte konkreter gesellschaftlicher Intervention. Nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern gebe es viele "Teilbereichsbewegungen", deren Arbeitsfelder auch mit der Po136 Linksextremismus litik der G8 zu tun hätten: Gentechnik, Atomund Energietechnik, Privatisierung, Migrationspolitik, Rassismus, Militarisierung, Patriarchat. Für die Schaffung von Kommunikationsund Diskussionsstrukturen seien zwei Jahre Zeit. Regionale und internationale Vorbereitungstreffen müssten organisiert und neue Kontakte gesucht werden. Unterschiedliche Aktionsformen seien als Ausdruck vielfältiger Herangehensweisen zu begreifen und darin eine Stärke zu sehen. Wer bereit sei, eigene Aktionsformen zu reflektieren und dabei andere Positionen respektiere, sei willkommen. Die sog. PGA-Eckpunkte des anarchosozialrevolutionären Netzwerkes "Peoples Global Action" (PGA) seien ein guter Orientierungsrahmen: "Eine klare Ablehnung von Kapitalismus, Imperialismus und Feudalismus; und aller Handelsabkommen, Institutionen und Regierungen, die zerstörerische Globalisierung vorantreiben. Wir lehnen alle Formen und Systeme von Herrschaft und Diskriminierung ab, einschließlich aber nicht beschränkt auf Patriarchat, Rassismus und religiösen Fundamentalismus aller Art. Wir anerkennen die vollständige Würde aller Menschen. Eine konfrontative Haltung, da wir nicht glauben, dass Lobbyarbeit einen nennenswerten Einfluss haben kann auf undemokratische Organisationen, die maßgeblich vom transnationalen Kapital beeinflusst sind. Ein Aufruf zu direkter Aktion und zivilem Ungehorsam, Unterstützung für die Kämpfe sozialer Bewegungen, die Respekt für das Leben und die Rechte der unterdrückten Menschen maximieren, wie auch den Aufbau von lokalen Alternativen zum Kapitalismus. Eine Organisationsphilosophie, die auf Dezentralisierung und Autonomie aufgebaut ist." Kontrovers diskutiert wurde in Hamburg das Verhältnis des deutschsprachigen "Dissent!"-Ablegers zu der zweiten maßgeblichen Mobilisierungsströmung gegen den G8-Gipfel, dem Projekt "Für eine interventionistische Linke" (IL). Gegen das von dieser Gruppierung geforderte breite gesellschaftliche Bündnis, in das auch gewerkschaftliche und kirchliche Organisationen einbezogen werden sollen, hatte das linksextremistische "Dissent!"Spektrum erhebliche Vorbehalte. Die Vertreter des radikaleren Flügels wollten zunächst das Verhältnis zu anderen Gruppen und Bündnissen diskutieren, die sich bereits auf den G8-Gipfel vorbereiten. Nach 137 Linksextremismus Ansicht verschiedener Diskussionsgruppen des Hamburger Arbeitswochenendes sei es 2005 nicht gelungen, den Gipfel in Gleneagles maßgeblich zu stören. In Heiligendamm solle mehr erreicht werden. Der Protest könne nur dann wirksamer artikuliert werden, wenn es gelänge, näher an den eigentlichen Gipfel heranzukommen. Zudem gab es Überlegungen, das G8-Treffen mit Demonstrationen in Hamburg oder Berlin zu begleiten, weil dort eine bessere Infrastruktur als in Mecklenburg-Vorpommern vorhanden sei. Auch militante Kampagnen gehören zu den Protestformen gegen das G8-Treffen. Bereits sechsmal bezeichneten militante Linksextremisten von ihnen verübte Brandanschläge als Bestandteil bzw. Auslöser des Widerstandes gegen den geplanten G8-Gipfel: Am 28.07.05 setzten bisher unbekannte Täter das Fahrzeug des Vorstandsvorsitzenden der Norddeutschen Affinerie, Dr. Werner MARNETTE, vor seinem Wohnhaus in Niedersachsen in Brand. Der Schwerpunkt der Tatbekennung lag auf den Protesten gegen den zurückliegenden G8-Gipfel in Gleneagles/Schottland. Mit dem Anschlag sei "der Vorschlag für eine breite, auch militante Kampagne zum G8Gipfel in Heiligendamm" verbunden. In der Nacht zum 17.10.05 verübten Unbekannte einen Brandanschlag auf ein Dienstgebäude (Foto) des Auswärtigen Amtes in Berlin. Unter der Überschrift "No G8 2007 - die Verhältnisse zum Tanzen bringen!" agitierten die Verfasser einer mit "autonome Gruppen/militant people" unterzeichneten Bekennung u. a. gegen die "neue deutsche Außenpolitik, sprich Großmachtpolitik im ökonomischen und militärischen Sinne". Als eine der nächsten Stationen deutscher Außenpolitik bezeichneten sie die "Inszenierung und Ausrichtung" des G8-Gipfels. Vor diesem Hintergrund begrüßten die Verfasser ausdrücklich den - von den Tätern des Brandanschlages auf den Pkw von Dr. MARNETTE unterbreiteten - Vorschlag für eine "breite, auch militante Kampagne" gegen das G8-Treffen. Sich selbst ordneten sie "kritisch solidarisch" dem sich gegen das G8-Treffen formierenden 138 Linksextremismus "Widerstand" zu und wollten ihre "Aktion" als einen "Debattenbeitrag für eine 'offene militante Plattform'" verstanden wissen. In der Nacht zum 09.11.05 verübten unbekannte Täter einen Brandanschlag gegen das Bürogebäude des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin-Steglitz. Am 10.11.05 gingen bei zwei Berliner Tageszeitungen gleich lautende "Anschlagserklärungen" der "militanten gruppe (mg)" ( III.,4) ein. Darin heißt es: "Mit dieser militanten Aktion greifen wir...in die beginnenden Vorbereitungen für die Mobilisierungen gegen den 2007 in Heiligendamm...stattfindenden G8-Gipfel ein....Damit stellen wir uns bewusst in den Kontext der beiden militanten Aktionen von Hamburger GenossInnen und dem Zusammenhang autonome gruppen/militant people (mp) aus Berlin." In der Nacht zum 08.12.05 führten unbekannte Täter in Hamburg einen Brandanschlag auf das Fahrzeug des Tchibo-Vorstandsmitglieds Dr. Thomas VOLLMOELLER aus. In einer Taterklärung kritisierten sie die "Ausbeutung" von Arbeitern der Kaffeeund Textilproduktion in Billiglohnländern Asiens und Lateinamerikas. Mit einem ausdrücklichen Hinweis auf den "MARNETTE-Brandanschlag" stellten die Brandstifter ihre Tat als Teil einer "militant begleiteten Kampagne" in einen Zusammenhang mit dem G8-Gipfel. In der Bekennung zu einem Brandanschlag in Hamburg auf zwei Fahrzeuge der Hamburger Werbeagentur JUNG VON MATT am 16.12.05 prangerten die unbekannten Täter deren Mitwirkung an der überregionalen Kampagne "Du bist Deutschland" und einer damit verbundenen Aufwertung der "Großmacht Deutschland" an. Auch sie stellten ihre "Aktion" ausdrücklich in einen Zusammenhang mit einer militanten Kampagne gegen den G8-Gipfel und beendeten ihren Text mit der Schlussparole "FEUER UND FLAMME FÜR DEN G8-GIPFEL IN HEILIGENDAMM!". Im Vorfeld der 42. Internationalen Konferenz für Sicherheitspolitik in München setzten unbekannte Täter am 31.01.06 in Hamburg zwei Lieferwagen der Firma IMTECH in Brand. Zu der Tat bekannte sich eine unbekannte "Militante Antimilitaristische Initiative" (M.A.M.I.). Unter 139 Linksextremismus der Überschrift "Der Nato-Sicherheitskonferenz einheizen!" agitierten die Verfasser gegen die als "MörderInnentreff" bezeichnete Sicherheitskonferenz, gegen die "Rüstungsindustrie" und gegen die in diesem Bereich tätige Firma IMTECH. Daneben stellten die Verfasser die "Aktion" auch in einen inhaltlichen Zusammenhang mit der militanten Kampagne gegen den G8-Gipfel 2007. Sie wollten an diese Initiative anknüpfen und eine Verbindung zwischen antimilitaristischen Kämpfen und der Mobilisierung gegen den Gipfel herstellen. Die Anwesenheit der wichtigsten Regierungschefs der Welt in Heiligendamm und die große Medienpräsenz wird - auch für Hamburger - Linksextremisten ein Ziel ersten Ranges für öffentlichkeitswirksame Proteste bieten. Die genannten Anschläge zeigen, dass weitere militante Aktivitäten gegen solche Personen und Institutionen zu erwarten sind, die die westliche Wirtschaftsmacht repräsentieren. Da der Tagungsort weiträumig abgesperrt sein dürfte, wurde in der Szene bereits eine Verlagerung des Protestpotentials auf die Metropolen Berlin und Hamburg erwogen. 6. "Die Linkspartei.PDS" Die "Linkspartei.PDS", bis zu ihrer Umbenennung im Juli 2005 "Partei des DeMitglieder: 61.600 mokratischen Sozialismus (PDS)", ist 1989/90 aus Bundessitz: Berlin der ehemaligen StaatsVorsitzender: Lothar BISKY partei der DDR, der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), Landesverband Hamburg hervorgegangen. Daher Mitglieder: 388 (n.eig. Ang.) hat die Partei in den ostLandessprecher: Yavuz FERSOGLU deutschen Bundesländern unverändert die weit überwiegende Zahl ihrer Mitglieder und ist dort in allen Länderparlamenten sowie in den Landesregierungen von Mecklenburg-Vorpommern und Berlin vertreten. Die "Linkspartei.PDS" hat 140 Linksextremismus 16 Landesverbände mit bundesweit 61.600 Mitgliedern (Dezember 2005; Ende 2004: 65.800). Als Bündnispartner für die Bundestagswahl 2005 wurde vor allem die von linken Sozialdemokraten und Gewerkschaftern gegründete Partei "Arbeit & soziale Gerechtigkeit - Die Wahlalternative" (WASG) gesehen. Es kam zu Verhandlungen und Absprachen beider Parteien über die Grundlagen einer gemeinsamen Zusammenarbeit, die am 10.06.05 zur Bildung eines Bündnisses führten. Eine der wichtigsten Forderungen der "WASG" an die PDS war, sich umzubenennen, weil das Kürzel PDS zu sehr mit der sozialistischen Vergangenheit der Partei verknüpft sei. Nach teilweise kontroversen Diskussionen in den Landesverbänden und der Bundespartei wurde auf der außerordentlichen Tagung des 9. Parteitages der PDS am 17.07.05 in Berlin die Umbenennung in "Die Linkspartei.PDS" - wahlweise mit oder ohne Kürzel PDS - beschlossen. Ihr Vorsitzender Lothar BISKY (Foto) rief die Partei zu einem "zweiten Aufbruch" nach 1989 auf und deutete die Umbenennung als Zeichen der Erneuerung. Nach seiner Aussage würde die Linkspartei mit einem "modernen sozialistischen Programm" in die Bundestagswahl gehen. Die endgültige Fusion beider Parteien ist für 2007 geplant. Von der perspektivischen Zielvorstellung einer über die Grenzen der bestehenden Gesellschaftsordnung hinausgehenden "nachkapitalistischen" Gesellschaft hat sich die Partei auch nach ihrem Parteitag am 10./11.12.05 in Dresden nicht entfernt. Sowohl die Namensänderung als auch das am 27.07.05 auf der zweiten Tagung des 9. Bundesparteitages in Berlin verabschiedete Wahlprogramm bedeuten keine politische Neuausrichtung der ehemaligen PDS. Das Parteiprogramm mit dem Ziel eines pluralistischen Sozialismus gilt fort. Mit dem Begriff "strategisches Dreieck" wird ein Handlungskonzept umrissen, das durch "Widerstand und Protest" (d.h. durch außerparlamentarischen Kampf), "Anspruch auf Mitund Umgestaltung" (das meint parlamentarische Mitarbeit bis hin zur Regierungsbeteiligung) und "über den Kapitalismus hinausweisende Alternativen" in ein sozialistisches System überleiten soll. 141 Linksextremismus In der Partei gibt es unterschiedliche politische Strömungen, von dem die Bundespolitik bestimmenden "Reformflügel" bis hin zu Foren und Plattformen - wie die "Kommunistische Plattform" (KPF), den "Geraer Dialog/Sozialistischer Dialog" und das "Marxistische Forum" -, die weiterhin Positionen in der Tradition der SED vertreten. In der Partei werden die unterschiedlichen ideologischen Auffassungen ausgefochten, die radikaleren Teile ausdrücklich akzeptiert und einige ihrer Vertreter in Führungspositionen gewählt. Am 18.09.05 kandidierte die "Linkspartei.PDS" in allen Bundesländern zur Wahl des 16. Deutschen Bundestages mit offenen Listen, auf denen auch Angehörige der Partei "Arbeit & soziale Gerechtigkeit - Die Wahlalternative" (WASG) und andere Nichtmitglieder vertreten waren. Daneben öffnete sie ihre Listen auch für Linksextremisten, u. a. für Mitglieder der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP, III., 7). Als Spitzenkandidaten wurden von der "Linkspartei.PDS" der ehemalige PDS-Bundesvorsitzende Dr. Gregor GYSI und von der "WASG" der ehemalige SPD-Vorsitzende Oskar LAFONTAINE nominiert. Die "Linkspartei.PDS" erzielte nach dem amtlichen Endergebnis 8,7 % der Zweitstimmen (PDS 2002: 4,0 %) und zog mit 54 Mandaten in Fraktionsstärke in den Bundestag ein. Die Strategie des Zusammengehens mit der "WASG" hat sich für die "Linkspartei.PDS" ausgezahlt. Sie konnte ihren Zweitstimmenanteil in den ostdeutschen Bundesländern sowie in Ost-Berlin auf 25,4 % (2002: 16,9 %) und in Westdeutschland sowie in West-Berlin auf 4,9 % (2002: 1,1 %) erheblich steigern. Mitglieder der DKP, der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN/BdA)" und trotzkistischer Gruppierungen, die ebenfalls auf Landeslisten der "Linkspartei.PDS" aufgestellt waren, errangen kein Mandat. Der parteilose Spitzenkandidat auf der Hamburger Landesliste für die "Linkspartei.PDS" - Prof. Dr. Norman PAECH - schaffte als einziger Hamburger Vertreter den Einzug in den Bundestag. Bevor die "Linkspartei.PDS" das Bündnis mit der "WASG" einging, hatte sie bei den zwei Landtagswahlen im Jahre 2005 noch Verluste bei den Zweitstimmen hinnehmen müssen. In Schleswig-Holstein erzielte sie am 20.02.05 landesweit 0,8 % der Zweitstimmen gegenüber 1,4 % im Jahr 2000. Am 22.05.05 erreichte sie in Nordrhein-Westfalen 142 Linksextremismus nur 0.9 % der Zweitstimmen (2000: 1,1%). Sie verfehlte damit erneut den Einzug in ein westdeutsches Landesparlament. Auf dem Parteitag der "Linkspartei.PDS" am 10./11.12.05 in Dresden wurde das "Kooperationsabkommen III" beschlossen, das konkurrierende Kandidaturen bei Wahlen ausschließt und einen Zusammenschluss mit der "WASG" bis spätestens zum 30.06.07 vorsieht. Das bereits eine Woche zuvor von Vorstandsmitgliedern beider Parteien unterzeichnete Papier lässt auch Doppelmitgliedschaften zu. Das soll dem "gegenseitigen Abbau von Vorurteilen" dienen, dürfte tatsächlich jedoch bezwecken, wankelmütige Landesverbände der "WASG" dazu zu bewegen, ihre Vorbehalte gegen die Fusion aufzugeben und den vermeintlichen Einfluss Dritter - z.B. linksextremistischer Gruppierungen - innerhalb der "WASG" zu begrenzen. Die "Linkspartei.PDS" dominierte die Vereinigungsbemühungen. So stammen prägnante Formulierungen des Kooperationsabkommens von ihr. Zur Charakterisierung der künftigen Partei wurden Aussagen getroffen, die z.T. wortgleich dem geltenden Parteiprogramm der damaligen "PDS" vom Oktober 2003 entnommen sind. Auch Elemente des o.g. "strategischen Dreiecks" finden sich wortgleich in dem Abkommen wieder. Dieses nennt als Ziel eine "Gesellschaft, in der die freie Entwicklung einer und eines jeden die Bedingung der freien Entwicklung aller ist". Diese Definition ist dem "Manifest der Kommunistischen Partei" von MARX und ENGELS entlehnt. Hamburg Der Hamburger Landesverband gehört zu den radikaleren Gliederungen der Partei und hatte nach eigenen Angaben Ende 2005 388 Mitglieder (2004: 370). Der Jugendverband "'solid", der der "Linkspartei.PDS" nahe steht, ist in Hamburg nicht präsent. Bei der Bundestagswahl erzielte die Partei landesweit 4,7% der Erststimmen (=44.526, PDS 2002: 1,6%) und konnte ihren Zweitstimmenanteil mit 6,3% (=59.477) gegenüber 2002 (PDS: 2,1%) verdreifachen. Die größten Stimmenanteile erzielte die Partei mit 6,1% der Erstund 7,9% der Zweitstimmen (=10.882 bzw. 13.960 Stimmen) im Wahlkreis Hamburg-Mitte gegenüber lediglich 3,4% (=5.611) der Erstund 4,8% (=7.960) der Zweitstimmen im Wahlkreis Hamburg-Nord als niedrigstem Resultat ("Download-Bibliothek, "Wahlbericht zur Bundestagswahl 2005"). 143 Linksextremismus Ein Schwerpunkt nach der von ihr als erfolgreich eingeschätzten Bundestagswahl und den Hamburger Bezirksergebnissen ist der Aufbau einer kontinuierlichen Zusammenarbeit von "Linkspartei.PDS" und "WASG" auf allen Ebenen, um eine verlässliche Basis für die geplante bundesweite Fusion der beiden Parteien zu schaffen. Die Erörterung politischer Grundsatzthemen der beiden Parteien wurde in Hamburg weitgehend ausgeklammert. 7. Orthodoxe Kommunisten Als "Orthodoxe Kommunisten" werden Parteien und Organisationen bezeichnet, deren ideologisches Gedankengebäude hauptsächlich auf den Lehren von MARX, ENGELS und LENIN ("Marxismus-Leninismus") beruht. Sie streben die Errichtung des Sozialismus/Kommunismus als "klassenlose" Gesellschaft an. Da dies nach ihrem Verständnis nicht in einem Schritt erreicht werden kann, sehen sie die Notwendigkeit von Zwischenstufen. Hauptkriterium der angestrebten Gesellschaftsform ist die politische "Macht der Arbeiterklasse" mit einhergehender Vergesellschaftung der wesentlichen Produktionsmittel, um die Ausbeutung durch kapitalistische Produktionsformen zu beenden. Den Weg zum Ziel konkretisieren sie nicht im Detail. Fest steht für sie aber, dass der Sozialismus/Kommunismus nicht durch Reformen, sondern letztlich nur über einen revolutionären Bruch mit der kapitalistischen Gesellschaftsordnung erreicht werden kann. Zum orthodox-kommunistischen Spektrum zählen die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) und die ihr nahe stehenden Organisationen "Assoziation Marxistischer StudentInnen" (AMS) und "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ). AMS und SDAJ haben dieselben ideologischen Wurzeln wie die DKP. Die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (VVN-BdA), in der Kommunisten mit Nicht-Kommunisten zusammenarbeiten, ist eine orthodox-kommunistisch beeinflusste Organisation. 144 Linksextremismus "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Die DKP versteht sich als "Partei des wissenschaftlichen Sozialismus" und sieht Mitglieder: < 4.500 in der "...Arbeiterklasse jene Bundessitz: Essen revolutionäre Kraft..., die im Bündnis mit anderen Teilen Vorsitzender: Heinz STEHR der Bevölkerung die Eigentumsund Machtverhältnisse Bezirksorganisation Hamburg revolutionär verändert...". Mitglieder: etwa 250 Die seit Jahren anhaltenden Vorsitzender: Olaf HARMS internen Konflikte über die ideologische Ausrichtung der Partei, die mit der Diskussion um ein neues Parteiprogramm verbunden sind, binden viel Kraft. Das neue Programm soll im April 2006 auf einer Tagung des Parteitags beschlossen werden. Die Zahl der Mitglieder sank durch Sterbefälle und Austritte auf weniger als 4.500 (2004: rund 4.500). Damit verbunden sind finanzielle Einbußen im Beitragsund Spendenaufkommen. Eine Werbekampagne des DKP-Zentralorgans "Unsere Zeit - Sozialistische Wochenzeitung der DKP" (UZ, Auflage etwa 7.500) führte nicht zu dem angestrebten Ergebnis von 700 neuen Abonnenten im Zeitraum September 2004 bis Juni 2005, sie wurde deshalb verlängert. In einer selbstkritischen Bewertung hieß es, dass dies "angesichts der politischen Herausforderungen und gewachsener Möglichkeiten dennoch kein Ruhmesblatt" für die Partei sei. Auch mit dieser Kampagne sei der Abonnenten-Rückgang (10% seit 1997) nicht zu stoppen gewesen. Zusätzliche finanzielle Probleme entstünden dadurch, dass nur noch 60% der Abonnenten den regulären Preis entrichteten. Die Frage, ob das Springen von Kampagne zu Kampagne der richtige Problemlösungsansatz sei, wurde damit beantwortet, dass eine Haltungsund Verhaltensänderung der Parteiaktivisten im Alltag wichtiger sei. "Ich bin UZ" müsse zur Grundhaltung jedes aktiven Parteimitgliedes werden. Der DKP-Bezirk Hamburg belegte mit 13 neuen Abonnenten den neunten Platz in diesem Wettbewerb (UZ, 28.10.05). Mitgliederrückgang und paralleles Schrumpfen der UZ-Abonnenten-Zahl zeigen, dass die Attraktivität der Partei trotz der angespannten sozialen Situation weiter nachlässt. 145 Linksextremismus Die Tsunami-Katastrophe im Indischen Ozean Ende 2004 versuchte die Partei ideologisch auszuschlachten. Ihre Kommentierung wurde mit Kuba-Propaganda verbunden: "Wie man sich wirksam und mit geringen Mitteln gegen die Naturgewalten schützt, zeigt in jeder Wirbelsturmsaison das sozialistische Kuba". Am Ende des Artikels wurde ein Bogen zur aktuellen Politik in der Bundesrepublik geschlagen und auf "Hartz IV" eingegangen - "auch eine fürchterliche 'Reform' wie Hartz IV könne so nur geschehen, weil zu viele Menschen nur spüren, dass der alleinige Kampf um das private Glück in der globalisierten Welt an immer engere Grenzen stößt und keinen Ausweg aus der allgemeinen Notlage bietet, statt zu erkennen, dass das tätige Eingreifen jedes Einzelnen in den politischen Prozess die einzige Chance ist, denjenigen in den Arm zu fallen, die auch aus Katastrophen immer nur ihren Honig saugen wollen" (UZ, 07.01.2005). Am 12./13.02.05 fand der 17. DKP-Parteitag in Duisburg (Foto) statt. Heinz STEHR wurde als Vorsitzender in seinem Amt ebenso bestätigt wie seine beiden Stellvertreter. Der Hamburger DKP-Bezirk ist erneut mit vier Funktionären im neuen Parteivorstand vertreten, darunter der Hamburger Bezirksvorsitzende Olaf HARMS. Dies war im Vorfeld des Parteitages für Teile der Partei nicht selbstverständlich, gehörte HARMS doch zu dem Kreis, der Kritik an der Parteispitze geübt hatte. Hauptkritikpunkt war, dass der dem Parteitag vorgelegten "Politischen Erklärung" ein klares kommunistisches Profil fehle. Zur Bundestagswahl kandidierte die DKP nicht eigenständig. Einzelne Mitglieder traten für die "Linkspartei" als Listenbewerber oder Direktkandidaten an. Den Wahlausgang kommentierte die DKP: "Zunächst einmal und vor allem ist das Wahlergebnis ein großartiger Erfolg der politischen Linken. Der Einzug der Linkspartei allein hat Schwarz-Gelb verhindert". (UZ 23.09.05) Hamburg Die Hamburger DKP-Bezirksorganisation setzte ihr Bestreben fort, ihre Vorstellungen in politische Bündnisse einzubringen. DKP-Mitglieder traten dabei nicht immer offen als solche auf. Die Partei strebte Bündnisse 146 Linksextremismus an, die möglichst viele Organisationen einschließen. Dabei betonte sie stets, dass niemand in einem Bündnis einen Führungsanspruch erheben dürfe. Diesem Anspruch wurde sie allerdings nicht gerecht, sondern nutzte ihre - im Vergleich zu vielen anderen linksextremistischen Gruppierungen Hamburgs - relativ guten personellen und organisatorischen Möglichkeiten, um ihre Bündnispartner zu dominieren. Dem Bundestrend entsprechend schrumpfte auch die Zahl der Hamburger Parteimitglieder, die im Dezember 2005 bei 250 (2004: etwa 300) lag. Die Hoffnung, über eine Mitwirkung in den "Sozialforen" mit dem Thema "Hartz IV" in der Bündnisarbeit voranzukommen, erfüllte sich nicht. Die DKP-Dominanz in diesen Foren wurde bald offenkundig. Die DKP ist bei ihrer Mitarbeit in der eigenen Ideologie gefangen. Ihr geht es nicht um reale Problemlösungen, sondern Verbreitung ihrer Denkart. Der Bereich "Antifaschismus" ist ein zentrales Betätigungsfeld der Partei, für das sie in möglichst "breiten Bündnissen", insbesondere bei Demonstrationen, wirbt. Bei einer "antifaschistischen" Demonstration gegen einen rechtsextremistischen Aufmarsch am 30.07.05 in Eilbek wurden unterschiedliche bündnispolitische Handlungskonzepte deutlich. Die am Demonstrationsbündnis beteiligte Kleingruppe "Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten", AG/R) wehrte sich mit einem Artikel "Antifa ist keine Wurst! Wieviel SPD verträgt das Antifaschistische Bündnis?" (Lokalberichte Hamburg, 18.08.05, Nr. 17) gegen eine orthodox-kommunistische Dominanz des Bündnisses. Kern der "AG/R"-Kritik war, dass es einem offiziellen SPD-Vertreter ermöglicht wurde, auf der Abschlusskundgebung der Demonstration zu sprechen. Rot-Grün, so die Kritik, mache aber nicht nur eine "asoziale, arbeiterfeindliche, tendenziell antidemokratische, rassistische und militaristische Politik", sondern fördere indirekt den "Neofaschismus". Offizielle Vertreter aus Parteien, die diese Politik verantworten, "sind nicht unsere Bündnispartner!" Mit diesem Konsens sei hier gebrochen worden. Wenn ein Bündnis politisch so breit angelegt werde, gäbe es keine Möglichkeit mehr, "die gesellschaftlichen Ursachen faschistischer Mobilisierungen glaubhaft zu benennen und zu bekämpfen". Das gemeinsame Bündnis solle wieder zu seinen Grundlagen zurückfinden. 147 Linksextremismus Die AG/R habe zunächst überlegt, "eine scharfe Polemik zu verfassen, über die Auferstehung der DKP/VVN-Politik der 80er Jahre, über das verwunderliche Kurzzeitgedächtnis, ließen die SPD-Innensenatoren Wrocklage und Scholz doch regelmäßig eine große Polizeiarmada auffahren, um Naziaufmärsche durchzusetzen,...". Im Übrigen habe der umstrittene Auftritt nichts gebracht außer "viel Streit untereinander, das frühzeitige Verlassen der Demo, Unklarheit über den Charakter des Bündnisses, die Gefahr eines Bruchs mit dem autonomen AntifaSpektrum und eine saure AG/R". In seiner Replik unterstrich der DKP-Bezirksvorsitzende HARMS (Foto) unter dem Tenor "Gesellschaftliches Klima gegen Nazis schaffen" (Lokalberichte Hamburg, 15.09.05, Nr. 19) die DKP-Position: "Dem neofaschistischen Treiben kann nur dann wirksam Einhalt geboten werden, wenn alle antifaschistischen Kräfte, weit bis in das bürgerliche Lager hinein, zusammenstehen und zusammen handeln. Das ist eine wesentliche Erkenntnis aus der Zeit des deutschen Faschismus gewesen. Und an dieser Erkenntnis halten wir fest". Beschwichtigend heißt es weiter, alle Partner hätten die gleichen Rechte und Pflichten und "das Trennende darf kein Hindernis für gemeinsames Handeln sein". Die DKP respektiere die politischen Motive, Weltanschauung und die organisatorische Selbständigkeit der Partner, erwarte von ihnen aber die gleiche Haltung gegenüber der DKP. Zum Ende wird der "AG/R" gedankt und geraten zu überlegen, "ob es nicht an der Zeit wäre, eine intensivere Diskussion über den Charakter des jetzigen Überbaus der Bundesrepublik zu führen und daraus Schlussfolgerungen für die weiteren Kampfbedingungen zu ziehen." Zur Bundestagswahl am 18.09.05 kooperierte die Hamburger DKP mit der "Linkspartei.PDS". Sie entschloss sich für diese Art der Wahlbeteiligung vor dem Hintergrund eines von ihr erwarteten Prozesses zur Sammlung und Bündelung "linker und fortschrittlicher Kräfte", zu denen sie vor allem die außerparlamentarische Bewegung, die Friedensbewegung, die Gewerkschaften sowie die "Linkspartei.PDS" und "Arbeit und soziale Gerechtigkeit - Die Wahlalternative" (WASG) zählt. Gleichzeitig beschloss die Hamburger DKP, auf die Aufstellung 148 Linksextremismus einer Landesliste und eigener Direktkandidaten zugunsten des aus ihrer Sicht "beginnenden Projektes einer gemeinsamen linken und fortschrittlichen Alternative" zu verzichten. Dies dürfte allerdings eher Ausdruck einer realistischen Einschätzung der Aussichten einer Eigenkandidatur gewesen sein. Ein Hamburger DKP-Mitglied kandidierte auf der Hamburger Landesliste der "Linkspartei.PDS" auf Platz 7. Im Interview mit der DKP-Betriebszeitung für den Hamburger Hafen, "KIEK UT", stellte der Kandidat klar, dass er sich eine Regierungsbeteiligung der "Linkspartei.PDS" nicht vorstellen könne. Die Partei sei gegründet worden, um den sozialen Belangen der Menschen ein ernst zu nehmendes Sprachrohr im Parlament zu bieten; dies ginge nur in der Opposition. Eine Regierungsbeteiligung nähme der Bewegung die Kraft (UZ, 26.08.05). Das Hamburger "Kuratorium Gedenkstätte Ernst Thälmann e.V." betreibt die DKP-Einrichtung Thälmann-Gedenkstätte (Foto) in Hamburg-Eppendorf. Sie wurde am 18.08.69, zum 25. Todestage des ehemaligen KPD-Vorsitzenden Ernst THÄLMANN, als bundesweite DKP-Einrichtung eröffnet. Sie besteht aus den Komponenten Archiv, Ausstellung und Bibliothek und ist derzeit die einzige Einrichtung dieser Art in der Bundesrepublik. Mit ihr wird vorrangig die Erinnerung an THÄLMANN gepflegt. Auch nach der Mitgliederversammlung vom 05.03.05 wird der Verein von langjährigen Hamburger DKP-Mitgliedern geführt. Dass die Kuratoriumsmitglieder nicht nur aus Hamburg stammen, unterstreicht die bundesweite Bedeutung dieser Einrichtung für die Partei. Gedenkveranstaltungen zum Geburtsund Todestag THÄLMANNs finden jährlich statt; Beteiligungen an Stadtteilfesten und dem UZ-Pressefest gehören zu den weiteren regelmäßigen Aktivitäten. Zum 60. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus wurden mehrere Veranstaltungen in der Gedenkstätte angeboten. "Assoziation Marxistischer StudentInnen" (AMS) Die DKP-nahe Studentenorganisation AMS hat ihr Bundesbüro im Hamburger Magda-Thüray-Zentrum der DKP, das gleichzeitig auch 149 Linksextremismus AMS-Landesbüro ist. Im bundesweiten "SprecherInnenrat" der AMS ist die Hamburger Organisation mit einem Mitglied vertreten, das seit dem DKP-Parteitag 2005 auch dem DKP-Parteivorstand angehört. In der überregionalen AMS-Publikation "kommunique" Nr. 5 vom Frühjahr 2005 wurden "Thesen zur marxistischen Hochschulpolitik" veröffentlicht. Darin wird u.a. das "allgemeinpolitische Mandat" für die verfasste Studierendenschaft und ein "Verbot von Studiengebühren" gefordert. Bildung sei "nicht einfach 'Ausbildung' im Sinne des Erlernens von technischen Abläufen, sondern muss einen Beitrag dazu leisten, die Funktionsweise des kapitalistischen Systems zu erkennen und Wege zu seiner Überwindung" aufzeigen. Auf ihrem Bundestreffen im Oktober 2005 beschloss die AMS, in einem Antrag festzuschreiben, dass man an den Hochschulen wirke, "um dem Widerstand mehr Kontinuität zu verleihen". In den Antragstext flossen die noch frischen Erinnerungen an die 16. Weltfestspiele (WFS) der Jugend und Studierenden in Caracas/Venezuela (07.15.08.05) ein. Der Text endete mit den Schlussworten des "Commandante Hugo Chavez" bei der Eröffnung der WFS: "Nieder mit dem Kapitalismus, nieder mit dem Imperialismus, es lebe die Freiheit!". Ein Hamburger Funktionär hatte im Komitee zur Vorbereitung der WFS mitgearbeitet. Die Hamburger AMS kandidierte im Januar 2005 erneut nicht zum Studierendenparlament an der Universität. Ihre erkennbaren Universitäts-Aktivitäten beschränkten sich auf die Kommentierung der Entwicklung an der Universität auf ihrer Homepage. Der Gruppe fehlte es offensichtlich an Mitgliedern. "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) Die SDAJ ist eine der DKP seit jeher ideologisch und personell besonders eng verbundene orthodox-kommunistische Jugendorganisation. Sie hat nur noch etwa 300 Mitglieder (2004: rund 350) und kann die 150 Linksextremismus ihr zugedachte Rolle als "natürliche" Rekrutierungsbasis für die DKP nur ungenügend erfüllen. Gemeinsam mit dem der "Linkspartei.PDS" nahe stehenden Jugendverband "'solid"-Niedersachsen veranstalteten die SDAJ-Verbände Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein unter dem Motto "Stand up and fight" ihr Pfingstcamp vom 13. bis 16.05.05 auf dem Gelände des Fössebades/Hannover. Es sollte "Ausbildungsplatzkillern, Nazis und der militaristischen EU-Verfassung den Kampf" ansagen. U.a. stand ein "Hamburger Fünfkampf" ("Antifa-Olympiade", u.a. Barrikadenbau und Vermummung) auf dem Programm. Wie die UZ berichtete, habe sich deutlich gezeigt, "wie wirkungsvoll die regionalen Bündnisse mit den Gewerkschaftsjugenden und anderen politischen Jugendorganisationen gegen Ausbildungskiller" angelaufen seien. Sie hätten bis zum nächsten Ausbildungsbeginn im Oktober eine "Fahndung" ausgeschrieben, deren Ziel es sei, "die Zerstörer von Ausbildungsplätzen anzuprangern und dingfest zu machen" (UZ, 27.05.05). Am 01./02.10.05 veranstaltete die SDAJ in Nürnberg ein "Tribunal gegen Ausbildungsplatzkiller" mit 150 Teilnehmern. Dabei wurden am 01.10.05 2.000 "Steckbriefe" zur Ermittlung der "Lehrstellenkiller" verteilt. Auf den Steckbriefen wurden u.a. die Kanzlerkandidatin der CDU MERKEL und der Kanzlerkandidat der SPD SCHRÖDER sowie der Deutsche Bahn-Chef MEHDORN abgebildet. Opfer der als "Verbrecher" gesuchten Personen seien "144.000 Jugendliche", die zu Beginn des Ausbildungsjahres noch keine Lehrstelle bekommen hätten. Das "Tribunal" sprach die Gesuchten "schuldig im Sinne der Anklage" (UZ 07.10.05). Viele SDAJ-Mitglieder waren mit der Planung und Durchführung der eigenen Teilnahme an den "16. Weltfestspielen der Jugend und Studenten" (WFS) in Caracas /Venezuela beschäftigt. Hieran sollen mehr als 200 Personen aus der Bundesrepublik teilgenommen haben. Die SDAJ sei mit gut 50 Mitgliedern in Venezuela vertreten gewesen (UZ, 02.09.05). Die Hamburger SDAJ - assoziiertes, nicht stimmberechtigtes Mitglied des Landesjugendringes Hamburg - trifft sich im Magda-Thüray-Zentrum. Sie brachte sich in verschiedene "antifaschistische" Aktivitäten 151 Linksextremismus ein, z.B. in die Demonstration eines breiten Antifa-Bündnisses gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremisten in Eilbek am 30.07.05. Während der Demonstration in Hamburg am 22.02.05 gegen den Besuch des amerikanischen Präsidenten in der Bundesrepublik hielt eine SDAJFunktionärin einen Redebeitrag für die DGB-Jugend Hamburg. Diese Funktionärin gehörte auch dem norddeutschen Vorbereitungskomitee für die 16. WFS (s.o.) in Venezuela an. Im Rahmen einer Veranstaltungsreihe "Zum 60. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus" kooperierte die SDAJ mit dem Hamburger "Bündnis gegen imperialistische Aggression" (, III. 4) "Marxistische Abendschule Hamburg - Forum für Politik und Kultur e.V." (MASCH) Die MASCH wurde auch 2005 von Personen des DKPund "Linkspartei.PDS"-Spektrums getragen. Referenten für die öffentlichen Schulungen kamen hauptsächlich aus diesem Bereich. Alle Kurse in Räumen der Universität Hamburg, die das überwiegende Angebot ausmachen, wurden unter dem Namen "MASCHHochschulgruppe" veranstaltet, um Studenten zu werben. Es wurden wiederkehrende - zum Teil aufeinander aufbauende - Fortsetzungskurse wie "Das Kapital" (Karl Marx) angeboten, so auch im Winterprogramm 2005/06. Gleichwohl verwies die MASCH darauf, nicht an eine theoretische Schule gebunden zu sein. Die Gruppe bot ein monatliches "Jour fixe"-Treffen zum Kennenlernen an. "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (VVN-BdA) In der VVN-BdA arbeiten Personen kommunistischer und nicht-kommunistischer Gesinnung zusammen. Die Leitungsgremien der Organisation weisen einen erheblichen Anteil von - zumeist älteren - Kommunisten auf. Seit 2002 existiert die Organisation als gesamtdeutscher Verband. Infolge Überalterung und ausbleibenden Nach152 Linksextremismus wuchses hat sie immer weniger Mitglieder und deshalb sinkende Einnahmen. Derzeit sind es bundesweit rund 6.000 (2004: etwa 8.000) Mitglieder. Der erste Bundeskongress nach der Vereinigung des westdeutschen mit dem ostdeutschen Verband wählte im Mai 2002 einen 12-köpfigen Vorstand (Bundessprecherrat) mit zwei Vorsitzenden. Auch die Hamburger VVN-BdA-Landesvorsitzende gehört dem Bundessprecherrat an, hat aber keine herausgehobene Position mehr inne. Der Kongress fand unter dem Leitmotiv "Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel" statt (sog. "Schwur von Buchenwald"). Schwerpunkt der Arbeit der Organisation sei es, "Faschismus in allen seien Ausformungen zu bekämpfen. Dabei steht die VVN-BdA auf dem Boden des Grundgesetzes". Der Charakter einer "Bündnisorganisation" wurde bestätigt. Im Zusammenwachsen beider Organisationsteile gebe es Fortschritte. Notwendig sei aber eine Stärkung durch neue, vor allem jüngere Mitglieder. In einer Entschließung "Naziaufmärsche verhindern" der VVN-BdA heißt es: "Wir beziehen uns in der Abwehr faschistischer Umtriebe auf die erfolgreiche Verhinderung des Neonazi-Aufmarsches am 8. Mai 2005, dem 60. Jahrestag der Befreiung in Berlin. Dort wurde bewiesen, dass auch gewaltfreie Blockaden von Neonazi-Aufmärschen praktikabel sind und akzeptiert werden". Gemeint war die zentrale Berliner Bündnis-Veranstaltung "Kein Naziaufmarsch zum 60. Jahrestag" (der Befreiung vom Nationalsozialismus). Polizeiführungen wurden auf der Internetseite der VVN-BdA aufgefordert, "den Willen der Bürgerinnen und Bürger, die sich Neonazis entgegenstellen, zu respektieren. Polizeieinsätze dürfen nicht dazu führen, Neonazis den Weg gewaltsam frei zu räumen". Auch die Führung der etwa 250 Mitglieder (2004: rund 300) zählenden Hamburger VVN-BdA wird traditionell von orthodox-kommunistisch orientierten Kräften geprägt. 153 Linksextremismus Am 21.01.05 eröffnete die Landesvorsitzende der Hamburger VVNBdA die von der Bundesorganisation entliehene Ausstellung "Neofaschismus in der Bundesrepublik Deutschland" im Eidelstedter "Bürgerhaus", wo sie bis zum 11.03.05 gezeigt wurde. Träger der Hamburger Ausstellung waren VVN-BdA und das "Bürgerhaus". Die VVN verknüpfte mit der Ausstellung die Hoffnung, einen "Grundstein für eine kontinuierliche antifaschistische Arbeit im Stadtteil" zu legen. Im Hamburger Wahlkreis 23 (Wandsbek) kandidierte die Hamburger VVN-BdA-Landesvorsitzende als Direktkandidatin für die "Linkspartei.PDS". Wie sie während des Wahlkampfes äußerte, müsse der Widerstand gegen die "bisherige große Koalition des Neoliberalismus...auf der Straße entwickelt werden, braucht aber auch eine Stimme für alternative Konzepte im politischen Diskurs des Parlaments". Sie errang 7.542 Erststimmen (4,7%; PDS-Ergebnis 2002: 1.888 Erststimmen = 0.7%). Die Hamburger Organisation der VVN-BdA betreibt seit zehn Jahren das Cafe Exil - nahe der Ausländerbehörde - als "Flüchtlingsberatungsstelle". In diese Tätigkeit wurden auch Personen anderer Organisationen eingebunden, um den Kreis der Beteiligten zu erweitern. Über das Cafe Exil existieren Kontakte zu kirchlichen Einrichtungen und Hilfsorganisationen. In einem Flugblatt der Beratungsstelle wurden Abschiebungen als "Politik der Ausgrenzung gegenüber Flüchtlingen und anderen Einwander/innen" kritisiert und die Ausländerbehörde als Ausgangspunkt dieser "unmenschlichen Maßnahmen" bezeichnet. Um gegen Abschiebungen zu protestieren und Solidarität mit den "Opfern, den Flüchtlingen" zu zeigen, wurde auf eine "Mahnwache für ein Bleiberecht und gegen Abschiebung" vor der Ausländerbehörde hingewiesen. Wie schon in den Vorjahren waren Angehörige der Organisation bei der Organisierung von Gegendemonstrationen eines gruppenübergreifenden "Antifa"-Bündnisses gegen Versammlungen von Rechtsextremisten in Hamburg aktiv beteiligt. Für Absprachen zwischen den Bündnisbeteiligten stellte die VVN-BdA ihr Büro zur Verfügung und nahm so an den seit Ende 2005 andauernden Bestrebungen teil, ein kontinuierliches "Antifa"-Bündnis in Hamburg zu etablieren. Eine Demonstration am 26.11.05 mit 150 Teilnehmern gegen einen ehemali154 Linksextremismus gen SS-Offizier vor dessen Wohnsitz in einer Altersresidenz wurde von einem Angehörigen des VVN-BdA-Landesvorstandes angemeldet. Die Landesdelegiertenkonferenz beschloss am 26.11.05 einstimmig eine Resolution, alle Initiativen zu unterstützen, "um eine Millionen-Finanzierung des reaktionären und militaristischen Tamm-Museums aus Steuermitteln durch den Staat Hamburg zu verhindern" (Lokalberichte Hamburg Nr. 26., 22.12.05). Hintergrund ist die staatliche Bezuschussung eines - auf der Grundlage einer Privatsammlung geplanten - maritimen Museums im Hamburger Hafen. 8. Trotzkisten In Hamburg sind die trotzkistischen Organisationen "Linksruck" und "Sozialistische Alternative" (SAV) mit Ortsgruppen aktiv; ferner gibt es eine Ortsgruppe des "Revolutionär Sozialistischen Bundes" (RSB). Die Gruppen folgen weitgehend der trotzkistischen Entrismuspolitik, d.h., sie versuchen, andere Organisationen - wie z.B. Gewerkschaften und Gliederungen demokratischer Parteien - zu unterwandern, dort Einfluss zu nehmen und neue Mitglieder zu werben. 2005 nutzten die Trotzkisten hierfür vor allem Proteste gegen die Sozialreformen und die Privatisierung staatlicher Einrichtungen. Vor diesem Hintergrund engagierten sich das "Linksruck-Netzwerk" und die SAV in der Partei "Arbeit und soziale Gerechtigkeit - Die Wahlalternative" (WASG). Es gelang ihnen jedoch nicht, maßgeblichen Einfluss auf die WASG zu erlangen und einen aussichtsreichen Listenplatz im Wahlbündnis aus WASG und "Linkspartei.PDS" für die Bundestagswahl 2005 zu besetzen. Die "Sozialistische Alternative" (SAV)... ...arbeitet bereits seit Mitte 2004 in der WASG. Um einen Unvereinbarkeitsbeschluss wegen doppelter Parteimitgliedschaft und somit einen Ausschluss aus der WASG zu verhindern, änderte die Gruppe ihr Statut und präsentiert sich seitdem nicht mehr als eigenständige Partei, sondern als "eine revolutionäre, sozialistische Organisation, die sich in den Traditionen 155 Linksextremismus der Ideen von Marx, Engels, Lenin, Trotzki, Luxemburg und Liebknecht versteht." Im Jahre 2005 war die SAV in Hamburg mit zwei Ortsgruppen vertreten. Nachdem es zunächst gelang, durch aktive Mitarbeit begrenzten Einfluss in der WASG zu erreichen, verhinderte die Personalknappheit der SAV eine weiter reichende Mitgestaltung politischer Inhalte und die Besetzung von Führungsfunktionen. Deshalb setzt die SAV nun auf eine verstärkte Jugendarbeit in der WASG. Die Gruppe will versuchen, durch Agitation im Berufsschulund Universitätsbereich neue Mitglieder für die eigene Organisation zu gewinnen. Auf ihrer Internetseite nahm die SAV zur aktuellen politischen Situation sowie zu der geplanten Vereinigung von "Linkspartei.PDS" und WASG Stellung. Sie forderte "Gegendruck von links ... durch klare Positionen beim Neuformierungsprozess der Linken". Außerdem sollten klare Positionen gegen jede Form von "Sozialkahlschlag" bezogen werden, damit "eine neue Linke tief eindringen (kann) in die Gewerkschaften, in soziale Bewegungen und in die traditionelle sozialdemokratische Wählerschaft". Eine Fusion von "WASG und PDS, in der die Kürzungs-Senatoren und -Minister der Linkspartei/PDS aus Berlin und Mecklenburg-Vorpommern (...) das Sagen haben", müsse verhindert werden. Es dürfe "keinerlei politische Rücksichtnahme auf WASG und vor allem Linkspartei/PDS" geben. Wo Letztere eine Politik gegen Beschäftigte und Erwerbslose betreibe, sei sie Gegnerin, und ihre Politik müsse mit möglichst vielen ihrer "tatsächlich linken" Mitglieder bekämpft werden. Wegen ihrer organisatorischen und personellen Schwäche wird die SAV eine Randerscheinung in der für 2007 angestrebten Parteienfusion bleiben. Das "Linksruck"-Netzwerk... ...bezeichnet sich in seinen "politischen Grundsätzen" selbst als "Strömung der revolutionären Sozialisten", die "die Abschaffung des Kapitalismus und die Einführung einer Rätedemokratie" fordert. Der "wirkliche Sozialismus" werde nicht das Ergebnis von Parlamentsabstimmungen sein, sondern "durch die selbstständige und selbstbe156 Linksextremismus wusste Aktion der Arbeiterklasse", sprich Revolution der Arbeiterklasse, erreicht werden. "Linksruck" hat sich nach eigenen Angaben nach der Gründung der WASG weitgehend aus dem Antiglobalisierungs-Bündnis ATTAC zurückgezogen; es seien viele Ressourcen nötig gewesen, um die WASG mit aufzubauen bzw. diese zur "neuen politischen Heimat" zu machen. Ein ehemaliges Hamburger "Linksruck"-Mitglied wurde in den WASG-Bundesvorstand gewählt. Darüber hinaus war "Linksruck" in diversen Regionalund Bezirksgruppen in z.T. führenden Funktionen vertreten, insgesamt ist der Einfluss rückläufig. Mit einer Beitrittsoffensive will die Gruppe eigene Kräfte stärken. Unter der Voraussetzung einer "sehr sorgfältigen Diskussion" stand "Linksruck" der beabsichtigten Fusion von WASG und "Linkspartei.PDS" grundsätzlich positiv gegenüber. Einen bloßen Beitritt zur "Linkspartei.PDS" dürfe es aber nicht geben. Dies würde nur die Weiterführung der alten PDS-Politik, auch mit deren Fehlern, bedeuten. Stattdessen sollten beide Parteien eine "neue Linke" gründen, die aktiv den außerparlamentarischen Widerstand mit aufbaue. In Hamburg ist Linksruck mit einer Ortsgruppe aktiv. Der "Revolutionär Sozialistische Bund" (RSB)... ...geht nach seinem organisationspolitischen Selbstverständnis "davon aus, dass für eine grundlegende Änderung der Lebensverhältnisse der Sturz der bürgerlichen Gesellschaftsordnung unumgänglich ist." Eine neue Gesellschaft sei "ohne Revolution, ohne Entmachtung der Herrschenden" nicht möglich." In einer - auch im Internet veröffentlichten - Broschüre schrieb die Organisation: "Finden RevolutionärInnen einen Platz in der Linkspartei? Sicherlich können...in begrenztem Maße linkssozialistische und sogar revolutionäre Elemente wirken (...). Aber ihre Argumente werden - angesichts der Kräfteverhältnisse und der Besetzung der Machtpositionen in der Partei - kaum auf fruchtbaren Boden fallen." Zur Taktik des 157 Linksextremismus Entrismus habe man eine sehr kritische Haltung. Dennoch werde man "diese Entwicklung in und um die Linkspartei verfolgen und (...) auch die politische Auseinandersetzung suchen." Voraussetzung für eine solidarische Kritik sei "die praktische Zusammenarbeit bei den nächsten Schritten im Kampf gegen die neoliberale Offensive des Kapitals und seiner Regierung." In Hamburg trat der RSB in der Öffentlichkeit kaum auf. 9. "Marxistische Gruppe" (MG) Die MG ist eine revolutionär ausgerichtete linksextremistische Organisation. Ihre typische Grundhaltung ist eine destruktive, zynische und provozierende Kritik der demokratischen Gesellschaft. Sie erhebt Anspruch auf ein Erkenntnismonopol in politischen Fragen. Bei ihren Veranstaltungen existiert daher keine demokratische Diskussionskultur. Die Sichtweise der Gruppe wird vielmehr im Verkündungsstil bekannt gegeben. Dabei wird auch nicht ansatzweise um Problemlösungen gerungen. Kritische Einwände werden entweder ignoriert oder zerredet. Diese Taktik, die auf der Negation alles Bestehenden beruht, folgt dem angestrebten nihilistischen Etappenziel, erst einmal alle vorhandenen Strukturen und Werte der demokratischen Gesellschaft zu zerstören. Die MG trifft keine Aussagen darüber, welche Gesellschaftsform sie bevorzugen würde. Dieser Verzicht auf positiv definierte Ziele trägt dazu bei, die eigene Außenwirkung gering zu halten. Seit ihrer Scheinauflösung im Mai 1991 agiert die MG nicht mehr unter diesem Namen. Sie tritt vielmehr mit diversen Tarnbezeichnungen auf, so in mehreren Städten als "Redaktion Gegenstandpunkt" - benannt nach der gleichnamigen, vierteljährlich bundesweit vertriebenen Publikation der Gruppe. Der Organisation gehören viele Akademiker an. Neue Angehörige sucht sie vornehmlich in dieser Gesellschaftsschicht, weshalb sie öffentliche Veranstaltungen und Schulungen gern an Universitäten durchführt. Auch ihr intellektuell-elitärer Sprachstil hindert sie daran, andere Zielgruppen zu erreichen. Gruppengehorsam, Konspiration und abgeschottete Wohnverhältnisse gehören ebenso zu den Merkmalen der Organisation wie berufliche "Seilschaften". 158 Linksextremismus Die fest eingebundenen MG-Angehörigen streben gut dotierte gesellschaftliche Einflusspositionen in Wirtschaft und öffentlichem Dienst an. Diese Merkmale vermitteln in ihrer Summe einen sektenartigen Eindruck von der Organisation. Ihren Zusammenhalt wahrt die MG im Wesentlichen über die Publikation "Gegenstandpunkte", in der die Sichtweise der Gruppe verbindlich dargestellt wird, sowie durch öffentliche und interne Veranstaltungen. Als Basisstrukturen dienen abgeschottete Wohngemeinschaften. Dr. Peter DECKER, ein MG-Spitzenfunktionär, veröffentlichte zum internationalen Tag der Arbeit einen Gastkommentar "Kostenfaktor mit Würde" in der Tageszeitung "junge Welt" in der für die Gruppe exemplarischen Argumentationsweise: "Auch er (der Lohnarbeiter) ist eine Rechtsperson. Auch mit ihm dürfen die Wirtschaftsmächtigen nicht alles machen: Sie dürfen ihn nicht umbringen, einsperren, foltern und nicht mehr ausbeuten, als es die liberalen Gesetze vorsehen. Die Herren Gewerkschafter wissen selbst am besten, dass der ganze Rechtsschutz, den der Grundgesetzartikel über die Würde des Menschen gewährt, nichts wert ist." Die Hamburger MG betreibt ihre öffentliche Agitation außer unter "Redaktion Gegenstandpunkt" auch als "Arbeitskreis Arbeit und Reichtum" (an der Universität Hamburg), als "Gruppe Anders Gesehen Hamburg" (Internetpräsenz) und als "Gruppe Kritik und Diskussion" (K+D). Mit diesen Aktivitäten wird neben der Stabilisierung des Mitgliederstamms und der Verbreitung der eigenen "Gegenstandpunkte" auch die Werbung neuer Mitglieder verfolgt. Die monatlichen Veranstaltungen der "Redaktion Gegenstandpunkt" im Altonaer "Werkhof" wurden durchschnittlich von bis zu 100 fest eingebundenen Personen besucht. Das Gros der Besucher gehörte schon vor der Scheinauflösung der Gruppe an. Die Gruppe K+D nahm an der Hamburger "Agenturschluss"-Kampagne teil, die aus Protest gegen Sozialkürzungen den reibungslosen Ablauf in Arbeitsagenturen behindern wollte. Sie kooperierte dabei punktuell mit anarchistischen Gruppierungen. In der für Hamburg aufgelegten MG-Publikation "Gegenargumente" von November/Dezember 2004 hieß es unter der Überschrift "Hartz IV soll weg! - Was soll her?" in diesem Kontext: "Der kapitalistische Arbeitsplatz ist kein Heilmittel 159 Linksextremismus gegen wachsende Armut, sondern ihr Grund" und "Arbeitslosigkeit ist die Form der Arbeitszeitverkürzung, die der kapitalistische Fortschritt hervorbringt". Die Zwischenüberschrift "Der Ruf nach besserer Politik ist verkehrt" unterstreicht die prinzipielle Gegnerschaft der MG zum politischen System der Bundesrepublik Deutschland. Weder die grundsätzlichen politischen Auffassungen noch Veranstaltungen der MG fanden außerhalb ihres Anhängerkreises nennenswerte Resonanz. Auf den Internetseiten "Arbeitsfeld Linksextremismus" finden sich ausführliche Informationen über: Linksextremistische Ideologie und Personenpotential Grundsätzliches / Kommunistisches Weltbild / Trotzkismus / Maoismus; Entwicklung des linksextremistischen Personenpotentials Organisationen und Gruppierungen Die Linkspartei.PDS, Deutsche Kommunistische Partei (DKP), Sozialistische Deutsche Arbeiter Jugend (SDAJ), Assoziation Marxistischer Studentinnen (AMS), Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - VVN Bund der Antifaschisten (VVN-BdA), Autonome - Antiimperialisten - Anarchisten, Trotzkisten Aktionsund Agitationsfelder Antifaschismus, Antirassismus / Ausländerund Asylproblematik, Anti-Globalisierungs-Kampagne, Anti-AKW-Kampagne Terrorismus und Gewalt Allgemeines, Historisches, Autonome Zelle in Gedenken an Ulrike Meinhof (Azum) Linksextremistische Zentren in Hamburg "Rote Flora", "B 5" Brigittenstraße, "Libertäres Zentrum" (LIZ), "Libertäres Kulturund Aktionszentrum" (LKA) 160 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Rechtsextremismus IV. Rechtsextremismus 1. Entwicklungen und Schwerpunkte im Überblick Die Entwicklung des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik verlief im Berichtsjahr unterschiedlich. Während die Gesamtzahl der Rechtsextremisten seit Jahren kontinuierlich abnimmt, verfestigte sich seit 2004 der Aufschwung in Teilen der Szene. Den größten Zuwachs hatte die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD). Die Fortsetzung der "Volksfrontstrategie" des Jahres 2004 [Wahlabsprachen zwischen NPD und der "Deutschen Volksunion" (DVU) sowie Zusammenarbeit von NPD mit Neonazis] führte im Jahr 2005 zwar zu deutlichen Stimmengewinnen, aber weder bei der Bundestagswahl noch bei den Landtagswahlen zu Parlamentsmandaten. Der seit den Wahlerfolgen des Jahres 2004 - Einzug in die Landtage von Sachsen und Brandenburg - aufgekommene Optimismus hält jedoch an: Für 2006 rechnen die Volksfrontstrategen mit weiteren Erfolgen bei Landtagswahlen. Die Agitation dieser parlamentsorientierten Rechtsextremisten verknüpft nach wie vor Nationalismus als Volksgemeinschaftsideologie mit Gegenwartsproblemen der Sozialpolitik. Die politisch weitgehend inaktive DVU ( IV.,7.2) konnte im Jahr 2005 keine Vorteile aus Bündnisbestrebungen erlangen, sie hatte vielmehr weitere Mitgliederverluste. Mit einem erheblichen Mitgliederzuwachs war die NPD ( IV.,7.3) eindeutige Gewinnerin der Bündnispolitik. So kam es in vielen Regionen zu einer intensiven Zusammenarbeit mit Neonazis und neonazistisch geprägten Skinheads. Aus diesem Potential gewann die NPD nicht nur Wahlkampfunterstützung, sondern auch neue Parteimitglieder. Von dieser Entwicklung waren gemäßigte, zerstrittene oder nicht bündnisbereite rechtsextremistische Parteien wie die "Republikaner" (REP; IV.,7.1), die "Deutsche Partei" (DP; IV.,8) oder andere 162 Rechtsextremismus Organisationen und Initiativen abgekoppelt und blieben vergleichsweise bedeutungslos. In Teilen der Neonaziund neonazistisch geprägten Skinhead-Szene ( IV.,4) gibt es personelle Verschmelzungen und eine enge Zusammenarbeit mit der NPD. Das hat sich bisher nicht nachteilig auf Kameradschaftsstrukturen und deren eigenen politischen Aktivitäten ausgewirkt. Aus diesen Kreisen wurden auch im Jahr 2005 zahlreiche Konzertveranstaltungen und Musikproduktionen initiiert ( IV.,6). Die NPD warb weiterhin mit rechtsextremistischen CDs. In Hamburg stieg die Gesamtzahl der Rechtsextremisten leicht an. Auch hier war im Jahr 2005 die NPD der Kristallisationspunkt im rechtsextremistischen Gefüge. Mit neuer Führung im Landesvorstand, deutlicher Verjüngung durch neue Mitglieder - u.a. aus den Kreisen von Neonazis und neonazistisch geprägten Skinheads - kam es zu einem erheblichen Mitgliederzuwachs in der Partei. Der seit Jahren geschrumpfte und am Ende nahezu inaktive Landesverband der Hamburger REP erklärte Anfang 2005 seine Auflösung und den mehrheitlichen Übertritt zur NPD, um sich der "erfolgreichen Bündnispolitik" von DVU und NPD anzuschließen. Die DVU blieb in Hamburg gewohnt unauffällig und ohne besondere Außenwirkung bei weiter sinkendem Mitgliederbestand. Eine aktive Zusammenarbeit mit der NPD fand kaum statt. Einzelne Hamburger Rechtsextremisten waren überregional besonders präsent. Der Neonazi Christian WORCH ( IV., 4.1) trat auch 2005 bundesweit als Anmelder und Organisator diverser rechtsextremistischer Demonstrationen auf. Gegenüber den Volksfrontanhängern der NPD und der Neonazis nahm er anfangs eine äußerst kritische Haltung ein. Später relativierte er diese - offensichtlich angesichts des Fortbestands und der Erfolge dieser Bündnisbestrebungen. 163 Rechtsextremismus Der überregional umtriebige Hamburger Rechtsanwalt und Rechtsextremist Jürgen RIEGER ( IV.,8) ließ sich zur Bundestagswahl als NPDSpitzenkandidat in Hamburg aufstellen. Er verfügt über diverse Immobilien in Deutschland, die partiell von der rechtsextremistischen Szene genutzt werden. Er gilt als Integrationsfigur für weite Teile des Rechtsextremismus. Durch seine vielfältigen Aktivitäten fördert er auch Bündnisbestrebungen wie die "Volksfrontbewegung". Thomas WULFF ( IV., 4.1), bislang - insbesondere im norddeutschen Raum - ein bekannter und einflussreicher Neonazi im Lager der "Freien Nationalisten", war 2004 eine treibende Kraft der "Volksfrontbewegung". Er setzte seine rechtsextremistischen Bestrebungen 2005 als NPD-Mitglied und enger Mitarbeiter des NPD-Bundesvorsitzenden Udo VOIGT fort. "Volksfront von Rechts" Der im Jahr 2004 eingeschlagene Kurs einer Bündelung der Kräfte im rechtsextremistischen Spektrum zu einer "Volksfront von Rechts" wurde 2005 fortgesetzt. Hatten die Wahlerfolge in Brandenburg und Sachsen sowie die Mitwirkung führender "Freier Nationalisten" zunächst eine Aufbruchstimmung ausgelöst, zeigten sich allerdings seit Jahresbeginn 2005 erste Unstimmigkeiten. Auf dem Bundesparteitag der DVU am 15.01.05 unterzeichneten Udo VOIGT und Gerhard FREY den "Deutschland-Pakt", mit dem die Parteivorsitzenden ihre Wahlabsprachen bis zum Jahr 2009 festlegten. In einem Artikel der NPD-Zeitung "Deutsche Stimme" im Februar 2005 hieß es hierzu: "Der NPD-Vorsitzende Voigt sprach von einer 'neuen deutschen Volksfront', die eine andere Zukunft 'als Entrechtung, Arbeitslosigkeit und Verelendung' verspreche." Weiter hieß es: "Während die NPD das 'national-revolutionäre Spektrum' in der Wählerschaft ansprechen werde, könne die DVU 'Konservative und Patrioten' mobilisieren." So könne laut VOIGT "den etablierten Volksverrätern die rote Karte gezeigt werden". FREY hatte auf dem Bundesparteitag der NPD am 31.10.04 bereits betont, dass seine Partei mit dem historischen Nationalsozialismus nichts zu tun habe. Mit VOIGTs Erwiderung, dass die NPD offen sei für "nationale Sozialisten", wurde das Spannungsfeld zwischen den ungleichen Bündnispartnern erneut sichtbar. 164 Rechtsextremismus Auf Thomas WULFFs Homepage wurde am 02.05.05 eine Analyse "Ein Jahr im Zeichen der Volksfront" veröffentlicht. Danach habe WULFF vor einem Jahr "alle gutwilligen Kräfte der nationalen Opposition zur Bildung einer 'Volksfront'" aufgerufen und es im Vorfeld Gespräche mit der Parteiführung der NPD gegeben habe, "..., um die abgerissenen Kontakte zu erneuern und der NPD den Weg zurück in den nationalen Widerstand zu ermöglichen." Nach den Wahlerfolgen sei "die DVU mittlerweile in einem Deutschland-Pakt dem Volksfrontgedanken beigetreten". In Anspielung auf das gemeinsame Auftreten von VOIGT und FREY beim Gedenkund Trauermarsch am 13.02.05 in Dresden hieß es: "So manch einer sagt nun, dass dies nicht unbedingt ein erstrebenswertes Ziel sei, mit diesen reaktionären Kräften gemeinsam aufzutreten...Man kann sicher sein: Auf Seiten der gemäßigten Kräfte werden sicherlich in gleicher Weise die Vorbehalte gegen uns 'Neonazis' geäußert." Erste Risse innerhalb der Volksfront zeigten sich aus Sicht der "Freien Nationalisten" anlässlich des Wahlkampfes der NPD zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 20.02.05. Über Wochen wurde auf der Internetseite des "Aktionsbüros Norddeutschland" der "Freien Nationalisten" für eine Demonstration in Kiel am 29.01.05 (Foto) geworben. Als Veranstalter wurden "regionale freie Nationalisten unterstützt durch die NPD" genannt. Zwar distanzierte sich die Partei am 25.01.05 von dieser Hilfestellung, feierte die Demonstration aber am 03.02.05 als "sehr erfolgreichen Tag des nationalen Widerstandes in Kiel". Trotz der zwischenzeitlichen Distanzierung ließ es die Parteiführung aber zu, dass ihr Verbindungsmann zu den "Freien Nationalisten", Thomas WULFF, als Versammlungsleiter fungierte (Archiv 2005, Rechtsextremismus, "Rechtsextremistische Demonstration in Kiel - Die zwiespältige Rolle der NPD"). Die NPD hatte auf ein Wahlergebnis von 4%+X gehofft, erreichte jedoch nur 1,9% der Stimmen. VOIGT sah die Schuld - so sein Kommentar in der "Deutschen Stimme" im März 2005 - u.a. bei den Bürgern: "Die Wähler im Westen unterlagen in der Vergangenheit einer 165 Rechtsextremismus deutlich konsequenteren Umerziehung als der ehemalige DDR-Bürger. ...Das Wahlverhalten in Schleswig-Holstein belegt, daß die Menschen dort noch nicht reif sind für einen wirklichen politischen Wandel. - Im Westen gilt also fürs Erste: Noch nichts Neues!" Die "Freien Nationalisten" bewerteten das NPD-Ergebnis nur bedingt negativ. So schrieb das "Aktionsbüro Norddeutschland": "Das Wahlergebnis dürfte dazu beitragen, dass der NPD ein unkontrollierbarer schwunghafter Zulauf an Glücksrittern, Postenjägern, Politkarrieristen und anderen fragwürdigen Subjekten vorerst erspart bleibt. Das kann für die politische Entwicklung der Partei sehr förderlich sein, sofern es gewollt ist und genutzt wird. Auch, um mal einige reaktionäre Kröten über kurz oder lang endgültig auszusortieren." Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 22.05.05 verlief für die NPD - die selbst ernannte Speerspitze der "Volksfront von Rechts"noch enttäuschender. Nachdem Christian WORCH bereits im März Störfeuer entfacht und u.a. eine Beteiligung der "Freien Kräfte" an der Wahlkampfkosten-Erstattung gefordert hatte, brauchte sich die Partei nach der Wahl darüber keine Gedanken mehr zu machen. Mit lediglich 0,9% der Stimmen verfehlte sie die Hürde von 1,0%, die für die Wahlkampfkosten-Erstattung bei Landtagswahlen zu nehmen ist. Nachdem für das Debakel in Schleswig-Holstein noch den Bürgern die Schuld zugewiesen worden war, wurden nun die ebenfalls zur Wahl angetretenen "Republikaner" verantwortlich gemacht. So titelte die "Deutsche Stimme" im Juni 2005: "Die Republikaner verursachen mit ihrem Alleingang nationales Wahldesaster". Diese erreichten lediglich 0,8% der Stimmen. Das "Aktionsbüro Norddeutschland" ( IV.,4.1) nutzte das Wahlergebnis, um deutlich zu machen, dass es "Freien Nationalisten" nicht in erster Linie um den Weg in die Parlamente geht: Der freie nationale Widerstand habe die Wahl als eine weitere Bühne im Kampf für seine Weltanschauung begriffen. Zurück bleibe das gute Gefühl, dass zumindest in Nordrhein-Westfalen deutliche Schritte zur positiven Zusammenarbeit möglich gewesen seien und die Volksfront trotz der Mitarbeit von "Musterdemokraten" wie FREY auch eine Plattform für nationale Sozialisten sein könne. VOIGT und FREY bekräftigten unmittelbar nach der Wahl, am Deutschland-Pakt festhalten zu wollen. Absprachegemäß werde die NPD mit einer offenen Liste zur angekündigten vorgezogenen Bundestagswahl 166 Rechtsextremismus antreten. Um nach außen Einigkeit zu symbolisieren, kündigten die Parteivorsitzenden eine gemeinsame Kandidatur auf der Landesliste in Nordrhein-Westfalen an. Unter dem Titel "Deutschland braucht eine Deutsche Volksbewegung" kommentierte VOIGT im Juni in der "Deutschen Stimme" das Ergebnis der Wahl in Nordrhein-Westfalen und die Absprachen mit der DVU zur Bundestagswahl. Er äußerte sich auffällig moderat, vermied dabei Begriffe wie "Volksfront" und "Nationale Sozialisten" und schloss mit der Zielsetzung: "Mit Hilfe der Hochburgen in Mitteldeutschland und einer gezielten Aktivierung von Nichtwählern kann aus den vereinten Patrioten des Deutschlandpaktes und der Unterstützung vieler freier Kräfte eine neue Deutsche Volksbewegung werden." Bei der Bundestagswahl am 18.09.05 trat - wie im "Deutschland-Pakt" vereinbart - die NPD mit offenen Listen an. Ausgerechnet in Nordrhein-Westfalen, wo VOIGT und FREY (Foto) auf den vorderen Plätzen der Landesliste kandidierten, erreichte die NPD mit 0,8% der Stimmen ihr schlechtestes Landesergebnis. Die 1,6 Prozent auf Bundesebene wurden jedoch als Achtungserfolg empfunden und sicherten der NPD zumindest die Teilhabe an der Parteienfinanzierung (Download-Bibliothek, "Wahlbericht zur Bundestagswahl 2005"). Der "Volksfront-Kurs" im rechtsextremistischen Lager ist - trotz erster positiver interner Bewertungen gleich nach der Bundestagswahl - nicht gefestigt. So meinte der Vorsitzende des NPD-Landesverbandes Bremen, es sei an der Zeit, dass endlich wieder eine nationale Partei in den bremischen Landtag einziehe. Ein klarer Affront gegen den Bündnispartner DVU, der seit 1999 im Landtag vertreten ist und laut "Deutschland-Pakt" zur nächsten Bürgerschaftswahl im Jahr 2007 wieder antreten soll. Auch das gegen einen "Freien Nationalisten" verhängte Redeverbot des niedersächsischen NPD-Landesverbandes sorgte für Unruhe. In einer am 19.11.05 vom "Aktionsbüro Norddeutschland" veröffentlichten Erklärung hieß es: "Wir stellen die Zusammenarbeit mit dem NPD-Landesverband Niedersachsen bei Demonstrationen und Saalveranstaltungen mit sofortiger Wirkung solange ein, wie das vom 167 Rechtsextremismus Landesvorstand mit knapper einfacher Mehrheit verhängte Redeverbot gegen Kamerad Dieter Riefling Bestand hat". Die Unterzeichner machten deutlich, dass sie nicht auf die NPD angewiesen seien: "Die NPD Niedersachsen braucht uns - aber wir nicht die NPD Niedersachsen!" Der Landesverband sei zwar "im Kern anständig", müsse sich aber überlegen, ob sein Vorsitzender noch tragbar sei. Dieser ist auch stellvertretender Bundesvorsitzender der Partei. Der aktuelle "Volksfront-Kurs" ist maßgeblich von Seiten der NPD initiiert worden. Verantwortlich zeichnen in erster Linie Udo VOIGT und sein Stellvertreter Holger APFEL. Dieser hatte bereits als Bundesvorsitzender der "Jungen Nationaldemokraten" (JN) die Zusammenarbeit mit dem neonazistischen Spektrum forciert und damit zur VOIGT (rechts) und APFEL am Öffnung der Partei beigetragen. Für 19.09.04 die NPD entwickelt sich dieser Kurs zum schwierigen Spagat zwischen offener neonazistischer Agitation und nationaldemokratischen Ansätzen. Das zeigen insbesondere die Erklärungen der im Dezember 2005 aus der NPD und deren sächsischer Landtagsfraktion ausgetretenen drei Abgeordneten, die ihre Landtagsmandate jedoch behielten und dem Bundesvorstand "offenen Nationalsozialismus" und "Hitlerismus" vorwarfen. Unter ihnen befand sich mit Jürgen SCHÖN ein langjähriges Bundesvorstandsmitglied, das u.a. bis Oktober 2004 auch stellvertretender NPD-Bundesvorsitzender war. 168 Rechtsextremismus 2. Potentiale Seit 1999 entwickelte sich die Gesamtzahl der Rechtsextremisten auf Bundesebene kontinuierlich. Auch im Berichtsjahr setzte sich diese Abwärtsentwicklung fort. Das rechtsextremistische Personenpotential von 39.000 im Jahr 2005 (2004: 40.700) verringerte sich gegenüber dem Vorjahr um 1.700 Personen bzw. 4,2 %. Dagegen stieg die Gesamtzahl der erfassten rechtsextremistischen Parteien, Organisationen, Gruppen und sonstigen Personenzusammenschlüsse (wegen eines Zuwachses neonazistischer Gruppierungen) von 168 im Jahr 2004 auf 183 im Jahr 2005. Bund: Rechtsextremistische Personenpotentiale 60000 50000 40000 45.300 48.800 53.600 51.400 50.900 49.700 45.000 41.500 40.700 39.000 30000 20000 10000 0 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 -Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundetZurückzuführen ist die geringere Gesamtzahl von Rechtsextremisten auf einen langjährigen Mitgliederverlust bei den nach Mitgliederzahlen weiterhin stärksten rechtsextremistischen Parteien DVU und REP. 169 Rechtsextremismus Trotz eines erheblichen Schwunds um 2.000 Personen (- 18,2%) blieb die DVU ( IV. 7.2) mit 9.000 Mitgliedern (2004: 11.000) die größte rechtextremistische Partei. Der Mitgliederbestand der REP ( IV. 7.1) reduzierte sich um 1.000 Personen (- 13,3%) auf nunmehr 6.500 (2004: 7.500). Die NPD ( IV.7.3) hatte bereits 2004 einen Zuwachs an Parteiangehörigen zu verzeichnen und legte im Jahr 2005 um weitere 700 (+13,2%) auf insgesamt 6.000 Personen zu (2004: 5.300). Rechtsextremistisches Personenpotential 2004 2005 auf Bundesebene Gewaltbereite Rechtsextremisten 10.000 10.400 einschließlich Skinheads Neonazis 3.800 4.100 Parteien 23.800 21.500 davon REP 7.500 6.500 davon DVU 11.000 9.000 davon NPD 5.300 6.000 Sonstige rechtsextremistische 4.300 4.000 Organisationen Summe 41.900 40.000 abzügl. Mehrfachmitgliedschaften 1.200 1.000 Gesamtpotential 40.700 39.000 -Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundetDie Gesamtzahl der Neonazis (einschließlich der subkulturell geprägten neonazistischen Skinheads, IV. 4) erhöhte sich im Jahr 2005 um 300 (+7,9%) auf 4.100 (2004: 3.800). Der Trend des Vorjahres setzte sich somit - wenn auch abgeschwächt - fort. Die Zahl der sonstigen gewaltbereiten Rechtsextremisten und rechtsextremistischen Skinheads ( IV. 5.) stieg um 400 (+4%) auf 10.400 im Jahr 2005 an (2004:10.000). 170 Rechtsextremismus Aufgrund der Verluste bei der DVU und den REP brachten es die drei großen rechtsextremistischen Parteien trotz eines Zuwachses bei der NPD im Jahr 2005 nur auf insgesamt 21.500 Angehörige (2004: 23.800). Im Bereich der sonstigen rechtsextremistischen Organisationen ( IV. 8) mit einer Vielzahl verschiedener Initiativen, Einrichtungen und Gruppierungen verringerte sich die Personenzahl im Jahr 2005 um 300 (- 7%) auf 4.000 (2004: 4.300). Somit ergibt sich nach dem Abzug von Doppelmitgliedschaften für das Jahr 2005 eine Gesamtzahl von 39.000 Rechtsextremisten in Deutschland. In Hamburg wurde ein langjähriger Abwärtstrend im Jahr 2005 gebrochen. Die Gesamtzahl der Rechtsextremisten stieg um 3,8% von 530 im Jahr 2004 auf 550 Personen im Berichtsjahr an. Hamburg: Rechtsextremistische Personenpotentiale 1200 1000 800 600 1.200 1.200 1.060 1.000 910 860 640 590 530 550 400 200 70 100 120 120 40 0 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Hamburg Umland -Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundet171 Rechtsextremismus Rückläufig war die Entwicklung bei der DVU (-5,6%), die nur noch 170 Mitglieder zählt (2004: 180). Ihr Landesverband blieb weitgehend inaktiv und ohne nennenswerte Außenwirkung. Der Landesverband der REP löste sich Anfang 2005 vollständig auf, von den 20 Mitgliedern des Vorjahres gehören nur noch wenige der Partei an, die Mehrheit der bis zur Auflösung noch verbliebenen REP-Mitglieder trat zur NPD über. Rechtsextremistisches Personenpotential 2004 2005 in Hamburg Gewaltbereite Rechtsextremisten 140 150 einschließlich Skinheads Neonazis 75 80 Parteien 295 320 davon DVU 180 170 davon NPD 95 140 davon sonstige (REP, DP) 20 10 Sonstige rechtsextremistische 65 65 Organisationen Summe 575 615 abzügl. Mehrfachmitgliedschaften 45 65 Gesamtpotential 530 550 -Alle Zahlen sind geschätzt oder gerundetDie Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten, einschließlich der rechtsextremistischen Skinheads, erhöhte sich geringfügig von 140 auf 150 Personen. Bei den Neonazis kam es ebenfalls zu einem leichten Anstieg auf 80 Personen (2004: 75). Der sich bereits im Vorjahr abzeichnende Trend einer Konzentration des rechtsextremistischen Potentials in Hamburg in den Kernbereichen der Neonaziszene und der NPD setzte sich 2005 insbesondere zugunsten der NPD fort. Die Zahl ihrer Mitglieder stieg von 95 im Jahr 2004 auf etwa 140 im Berichtsjahr an. 172 Rechtsextremismus 3. Rechtsextremistisch motivierte Kriminalität Der Deliktsbereich der Politisch Motivierten Kriminalität (PMK) wird seit 2001 nach neu definierten und bundesweit einheitlichen Kriterien erfasst. Sämtliche politisch motivierten Straftaten werden dabei berücksichtigt und extremistische Straftaten als Teilmengen erfasst. Rechtsextremistisch motivierte Strafund Gewalttaten sind vorwiegend fremdenfeindlich, rassistisch und antisemitisch motiviert. Die meisten rechtsextremistischen Straftäter gehören zur Skinheadszene. Daneben existiert eine Reihe von Einzeltätern, die in der Regel keinen bekannten rechtsextremistischen Hintergrund haben. Nach wie vor werden rechtsextremistische Straftaten überwiegend spontan und häufig unter Alkoholeinfluss begangen. PMK-Rechts 2001 2002 2003 2004 2005 PMK-Rechts insgesamt 348 309 189 214 314 davon rechtsextrem. 211 184 139 173 285 Straftaten hiervon Gewaltdelikte 0 0 4 9 20 - Die Zahlen stammen von der Polizei Hamburg (Stand: Februar 2006) - In Hamburg stieg im Jahr 2005 die rechtsextremistisch motivierte Kriminalität um 64,7% auf 285 Straftaten (2004: 173). Die Fallzahlen erhöhten sich nach Tatrichtungen bzw. Deliktsarten unterschiedlich. Bei antisemitisch motivierten Taten fiel die Steigerung geringer aus. Fremdenfeindliche Straftaten nahmen stark zu (siehe Tabelle), ebenso der Gesamtkomplex der Volksverhetzungsund Nötigungsdelikte. Wie in den Vorjahren handelte es sich bei der weitaus größten Anzahl der rechtsextremistischen Straftaten 2005 um Propagandadelikte. Zu besonders auffälligen oder äußerst schweren Gewalttaten kam es in Hamburg nicht. Die Anzahl der Gewalttaten stieg jedoch deutlich von 9 (2004) auf 20 im Jahr 2005 (+122,2%) an. Zu erheblichen Steigerungen (siehe Tabelle) kam es auch in den Deliktsbereichen Volksverhetzung und Nötigung (+87,7%) und bei Propagandadelikten (+67,6%). 173 Rechtsextremismus Hamburg 2005: Aufteilung der 285 rechtsextremistischen 2004 2005 Straftaten nach Delikten Propagandadelikte 111 186 Volksverhetzung und Nötigung 49 92 Gewalttaten 9 20 - Die Zahlen stammen von der Polizei Hamburg (Stand: Februar 2006). Die Zahlen des Jahres 2005 enthalten Doppelzählungen, da sich Deliktsarten z.T. überschneiden. - Eine eindeutige Erklärung für den signifikanten Anstieg der rechtsextremistisch motivierten Kriminalität gibt es nicht. Der Bundestagswahlkampf war Anlass für das Aufleben rechtsextremistischer Aktivitäten wie das Aufstellen von Info-Tischen und Plakaten. Im Stadtteil Harburg kamen die sich zuspitzenden Konflikte zwischen den örtlichen linksund rechtsextremistischen Szenen hinzu. Eine verstärkte öffentliche Präsenz von Rechtsextremisten bietet eine größere Reibungsfläche und birgt die Gefahr gewalttätiger Auseinandersetzungen von Linksund Rechtsextremisten. Schwer wiegende und für den Deliktsbereich Gewalttaten symptomatische Vorfälle in Hamburg waren: 22.01.05 In der Folge sich verstärkender Links-Rechts-Auseinandersetzungen in Harburg wurde ein Angehöriger der linksextremistischen Szene im Internet und durch Farbschmierereien beleidigt. Sein Briefkasten wurde von einem unbekannten Täter durch einen selbstgebauten Sprengsatz zerstört. 12.06.05 Zwei alkoholisierte rechtsextremistische Gewalttäter schlugen in der U-Bahn (Nähe U-Bahnhof Berne) einen Schwarzafrikaner und beleidigten ihn mit Worten wie: "Den Schwarzen eine Kugel in den Bauch...sollte man vergasen...Scheiß Nigger." 174 Rechtsextremismus 16.06.05 Ein alkoholisierter Mann, der bislang nicht als Rechtsextremist bekannt war, rief aus seinem Wohnungsfenster im Stadtteil Lurup mehrfach "Sieg Heil". Gegenüber einschreitenden Polizisten leistete er erheblichen Widerstand und beleidigte sie. 02.07.05 Am S-Bahnhof Harburg traf eine kleine Gruppe von Rechtsextremisten auf Personen, die von ihnen für "Linke" gehalten wurden. Ein rechtsextremistischer Skinhead schlug auf einen vermeintlich "linken Gegner" ein. 30.07.05 Rechtsextremistische Demonstranten und Gegendemonstranten trafen am Hauptbahnhof aufeinander. Es kam zu Rangeleien zwischen den Gruppen und der Polizei. Dabei schlug und trat ein tatverdächtiger Rechtsextremist einen zivilen Polizeibeamten, den er irrtümlich für einen "Linken" hielt. 31.07.05 Im Hauptbahnhof beleidigte ein stark alkoholisierter älterer Mann eine Gruppe Farbiger mit fremdenfeindlichen Äußerungen. Dann warf er eine Flasche in Richtung der Mitarbeiter einer S-Bahnwache. Er rief laut "Heil Hitler". 10.09.05 Ein alkoholisierter gewalttätiger Rechtsextremist beleidigte Kunden eines Einkaufsmarktes in Eidelstedt. Mit einer Flasche versuchte er, eine Person am Kopf zu treffen. Beim Einschreiten von Polizeibeamten skandierte er "Heil Hitler" und zeigte den Hitlergruß. 23.10.05 Bei einer verbalen Auseinandersetzung in der S-Bahn (Hammerbrook-Veddel) zwischen drei z.T. alkoholisierten Rechtsextremisten aus der Neonaziund Skinheadszene und einer Gruppe Südländer fielen rechtsextremistische Äußerungen. Ein Geschädigter verbat sich dieses. Daraufhin wurde er von den Rechtsextremisten durch Treten, mit Faustschlägen ins Gesicht und durch Pfefferspray verletzt. Rechtsterroristische Bestrebungen Am 04.05.05 verurteilte das Bayerische Oberste Landesgericht den Neonazi Martin WIESE (folgendes Foto) und drei weitere Angehörige der ehemaligen Münchener "Kameradschaft Süd" wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu mehrjährigen Freiheitsstrafen. WIESE erhielt als Rädelsführer der Gruppe sowie wegen 175 Rechtsextremismus Verstoßes gegen das Waffenund Sprengstoffgesetz eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren. Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die vier Verurteilten einer terroristischen Vereinigung angehört hatten, deren Ziel es war, eine gewaltsame Revolution herbeizuführen. Sie hätten einen geplanten Sprengstoffanschlag während der Grundsteinlegung des jüdischen Gemeindezentrums am 09.11.03 in München gebilligt und unterstützt und sich illegal Waffen und Sprengstoff beschafft. Auch im Jahr 2005 wurden bei Rechtsextremisten vereinzelt Waffen und Sprengstoff sichergestellt. Anhaltspunkte für rechtsterroristische Anschlagsplanungen ergaben sich daraus jedoch bislang nicht. Derzeit liegen keine Erkenntnisse vor, die auf rechtsterroristische Bestrebungen in Hamburg oder im Einflussbereich der hiesigen rechtsextremistischen Szene hinweisen. 4. Aktionistisch orientierte Rechtsextremisten Der Begriff "aktionistisch orientierte Rechtsextremisten" umfasst "klassische" Neonazis und neonazistische bzw. neonazistisch beeinflusste Skinheads. Die Neonaziszene bekennt sich zur Ideologie des historischen Nationalsozialismus und strebt die Überwindung des bestehenden demokratischen Rechtsstaates an. Ihr Ziel ist die Errichtung eines rassistischen, nach dem Führerprinzip ausgerichteten und von einer Einheitspartei beherrschten Staates. Neonazistische Skinheads teilen diese Zielvorstellungen. Gemeinsam ist Neonazis und neonazistischen Skinheads die Verehrung nationalsozialistischer Führungspersonen sowie die Verwendung nationalsozialistischer Parolen, Grußformen und Symbole. In ideologischer Ausrichtung und politischer Zielsetzung nähern sich die beiden Gruppen zunehmend an. Unterschiede lassen sich partiell noch im Erscheinungsbild und szenetypischen Verhaltensweisen erkennen. 176 Rechtsextremismus Während Neonazis eher unauffällig bürgerlich erscheinen, werden neonazistische Skinheads durch ihre Zugehörigkeit zur subkulturellen Skinheadszene und ihre von Alkohol, Gewalt und Skinhead-Musik geprägte Lebensform stark beeinflusst. Neben den neonazistischen Skinheads gibt es eine große Gruppe von Skinheads mit einer rechtsextremistischen Grundeinstellung, bei denen allerdings keine eindeutige weltanschauliche Orientierung festzustellen ist und die deshalb nicht dem neonazistischen Spektrum zugerechnet werden können. Eine anlassbezogene Vermischung dieser Szenen bringt Vorteile für beide Seiten: Rechtsextremistische Skinheads können bei Konzertveranstaltungen auf die Organisationsund Kommunikationsstrukturen der Neonazis zurückgreifen, und die Neonazis können für öffentlichkeitswirksame Demonstrationen das Potential der Skinheadszene zur Mobilisierung nutzen. 4.1. Bestrebungen in Hamburg und im Umland Neonazis und neonazistische Skinheads treten überwiegend in lose strukturierten Gruppen auf, die sich "Freie Kameradschaften" nennen. Sie haben keine feste Organisationsstruktur, keine Vorstände und keine offiziellen Führungspersonen. Sie sind häufig untereinander informell durch persönliche Bekanntschaften und langjährige Szenezugehörigkeit vernetzt. Um zu verdeutlichen, dass sie parteiungebunden agieren, bezeichnen sich die Angehörigen der Kameradschaftsszene auch als "Freie Nationalisten" bzw. "freie Kräfte". In Anlehnung an den historischen Nationalsozialismus verwenden die Mitglieder neonazistischer Kameradschaften die Begriffe "nationale Sozialisten" oder "nationaler Widerstand". Unter den in Hamburg aktiven Gruppen existiert derzeit mit dem aktionistisch ausgerichteten "Kameradenkreis um Thomas WULFF" eine Gruppe, die der "klassischen" Neonaziszene zuzurechnen ist. Die "Neonaziund Skinheadszene in Bramfeld" um Torben KLEBE (Foto) setzt sich überwiegend aus neonazistischen Skinheads zusammen. 2005 traten Angehörige dieser Gruppierungen in die NPD ein, setzten jedoch ihre Aktivitäten in den Kameradschaften unvermindert fort. 177 Rechtsextremismus Mit seinem Wegzug nach Mecklenburg-Vorpommern hat Thomas WULFF sich fast gänzlich aus seinem ehemaligen Hamburger Kameradenkreis zurückgezogen. Damit sind auch die Bedeutung und der Einfluss des "Kameradenkreises um Thomas WULFF" gesunken, der in der Vergangenheit - über Norddeutschland hinaus - eine Vorreiterrolle innerhalb der rechtsextremistischen Szene gespielt hatte. Nach einem offensichtlich drohenden Anhängerverlust in den letzten Jahren konnte der "Kameradenkreis" mit Hilfe des Projekts "Nazis in Hamburg" auf den "Widerstandsseiten" im Internet neue Mitstreiter gewinnen. Die Zahl der ideologisch gefestigten Anhänger betrug Ende 2005 (wie auch 2004) etwa 15 Personen. Im Jahr 2004 hatte der zu den einflussreichen Neonazis zählende Thomas WULFF Bündnisbestrebungen mit der NPD verfolgt, die ihn schließlich in den NPD-Parteivorstand gebracht hatten. Der "Kameradenkreis um Thomas WULFF" beurteilte die Partei-Mitgliedschaft von WULFF (Foto) und weiteren führenden Personen der "Freien Nationalisten" kontrovers. Es bestand Einigkeit darüber, das Konzept der "Freien Nationalisten" weiterzuverfolgen und als unabhängige Kameradschaft zu fungieren. Allerdings hat sich im Laufe des Jahres 2005 auch eine Zusammenarbeit mit dem Hamburger NPD-Landesverband entwickelt. Um Öffentlichkeit herzustellen, setzte der "Kameradenkreis um Thomas WULFF" auf das Mittel der "lokalen Basisarbeit", u.a. durch Flugblattverteilungen und Mahnwachen. Für seine Propaganda nutzte der "Kameradenkreis" unvermindert auch das Internet. Auch das maßgeblich vom "Kameradenkreis um Thomas WULFF" initiierte "Nationale und Soziale Aktionsbündnis Norddeutschland" (NSAN) hat an überregionaler Bedeutung verloren. Neben Hamburger Neonazis und neonazistischen Skinheads gehören dem NSAN Gruppierungen aus Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein an. Seine Schwerpunkte liegen in der Organisation und Durchführung von Demonstrationen sowie der Mitwirkung an öffentlichen Veranstaltungen. Die Aktivitäten des NSAN werden seit seinem Bestehen vom "Aktionsbüro Norddeutschland" koordiniert, dessen 178 Rechtsextremismus Betreiber, Tobias THIESSEN, ein Angehöriger des "Kameradenkreises um Thomas WULFF" ist. Auf der Internetseite des "Aktionsbüros" wird neben Demonstrationsterminen, Pressemitteilungen und der Bereitstellung von Propagandamaterial auch zu aktuellen Themen und Aktionen der Szene Stellung genommen. Bundesweit wurden in den vergangenen Jahren "Aktionsbüros" nach norddeutschem Vorbild gegründet, mit denen das "Aktionsbüro Norddeutschland" weitgehend vernetzt ist. Über die "Widerstandsseiten" im Internet können neben dem Auftritt des "Aktionsbüros Norddeutschland" auch die Seiten des "Freien Infotelefons Norddeutschland" (FIT) und des "Holsteiner Widerstands" aufgerufen werden. Auch diese verweisen auf die aktuellen Kampagnen des NSAN, wie beispielsweise auf das o.g. Projekt "Nazis in Hamburg" und die "Initiative soziale Gerechtigkeit". Das "Aktionsbüro Norddeutschland" hat auf seiner Internet-Seite eine eigene Kampagnen-Rubrik, in der insbesondere tagespolitische Themen aufgegriffen werden, um sie mit rechtsextremistischer Propaganda zu versehen, wie beispielsweise "Soziale Gerechtigkeit für alle Deutschen!". Die "Neonaziund Skinheadszene in Bramfeld" ist weiterhin der größte aktionistisch orientierte Personenzusammenschluss von Rechtsextremisten in Hamburg. Die Neonazis und neonazistischen Skinheads um Torben KLEBE, von denen einige bereits in dem von der Hamburger Behörde für Inneres am 11.08.00 verbotenen "Hamburger Sturm" aktiv waren, veränderten ihr Erscheinungsbild in den letzten Jahren deutlich. Personen aus der "Neonaziund Skinheadszene in Bramfeld" waren verstärkt öffentlich aktiv. Unter der Bezeichnung "Bürgerinitiative Unsere Zukunft" stellten sie Informationsstände in Hamburg-Bramfeld (Foto März 2003) auf. Darüber hinaus engagierten sie sich stark im Bundestagswahlkampf der NPD, insbesondere für den Direktkandidaten Dr. Karl GÖBEL für den Wahlkreis Hamburg-Wandsbek (Download-Bibliothek, "Wahlbericht zur Bundestagswahl 2005"). 179 Rechtsextremismus Angehörige der "Neonaziund Skinheadszene in Bramfeld" unterstützten Skinheads aus Harburg bei deren Aktivitäten. Dort wurde am 26.12.04 ein Rechtsextremist von einem deutschen Jugendlichen, dessen Vater türkischer Herkunft ist, mit einem Messer verletzt. Für den 08.01.05 wurde eine "Nationale Mahnwache" angemeldet, den Demonstrationsaufruf zeichnete ein Angehöriger der "Bramfelder" presserechtlich verantwortlich; als Kontakt wurde die "Bürgerinitiative Sicheres Harburg" angegeben. Diese fiktive Bürgerinitiative war über das Postfach der Bramfelder "Bürgerinitiative Unsere Zukunft" zu erreichen. Neben plakativen Forderungen wie "Kriminelle Ausländer raus!" und "Rückführung statt Einwanderung!" hieß es in dem Aufruf u.a.: "Besonders nach in Krafttreten von Hartz IV ist es nicht hinnehmbar, daß Ausländer Arbeitsplätze und Sozialleistungen in Anspruch nehmen, auf die wir Deutschen dringend angewiesen sind. Hier wird ethnischen Konflikten Vorschub geleistet, wie sie bereits jetzt überall in der Welt, vom Kosovo bis Tschetschenien stattfinden." Dieses Ereignis war Anlass für Auseinandersetzungen zwischen Linksund Rechtsextremisten in Harburg ( III., 5.2.1). Im August 2005 wurden Flugblätter der "Bürgerinitiative Unsere Zukunft" unter dem Motto "Rettet das Abendland - Nein zum EU-Beitritt der Türkei!" verteilt. Neben der Forderung "Die Türkei den Türken! - Europa den Europäern!" wurden soziale Ängste geschürt: "Doch im Vergleich zum EU-Beitritt der Türkei wird die arbeitsmarktund sozialpolitische Katastrophe der Osterweiterung wie die berühmten Peanuts der Deutschen Bank wirken." Auch völkisches Gedankengut wurde deutlich formuliert. Die "moslemischen Turkvölker Vorderasiens" würden sich grundlegend von den "keltisch-germanisch geprägten Völkern" unterscheiden. Der seit Ende der 70er-Jahre zu den führenden Neonazis gehörende Hamburger Christian WORCH (Foto) tritt als gruppenungebundener Einzelaktivist auf. Er betätigt sich seit einigen Jahren im gesamten Bundesgebiet als Anmelder und Veranstalter von Demonstrationen der "Freien Nationalisten". Trotz seiner Erfolge bei der versammlungs180 Rechtsextremismus rechtlichen Durchsetzung von Veranstaltungen bis hin zum Bundesverfassungsgericht führen seine Selbstbezogenheit und Streitlust immer wieder zu Auseinandersetzungen in der rechtsextremistischen Szene. Obwohl WORCH ab Ende 2004 seine ablehnende Haltung gegenüber der NPD und der von ihr propagierten "Volksfront" aufgegeben hatte, um nicht zunehmend in die Isolation zu geraten, äußerte er sich im Januar 2005 in einem Beitrag auf der Internetseite des "Freien Widerstands" in gewohnt kritischer Weise über die Situation in der Neonaziszene, ihr Verhältnis zur NPD und die Bedeutung des Strukturmodells der "Freien Nationalisten". Über die "Volksfront" schrieb er, dass "drei namhafte vorher Freie Nationalisten" der NPD beigetreten seien und es bei den "Freien Kräften" zwar eine "neu erwachte Bereitschaft zur verstärkten Zusammenarbeit mit der NPD" gebe, jedoch keine "umfassende Zustimmung". Die "Volksfront" sei vielmehr "ein Minderheitenphänomen in der gesamten Szene der Freien Nationalisten". Im März 2005 berichtete WORCH im Forum der Internetseite "Freier Widerstand", er und andere "ausdrücklich parteifrei bleibende Kameraden" hätten der NPD bereits im Januar Unterstützungsleistungen für den Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen gegen finanzielle Entschädigung in Form eines Anteils an der Wahlkampfkosten-Erstattung angeboten. Das Geld der NPD solle nach seinen Vorstellungen für die Finanzierung parteifreier Publikationen und Demonstrationen eingesetzt werden. 4.2 Bestrebungen im Bundesgebiet Das neonazistische Personenpotential stieg im Jahr 2005 erneut an - auf bundesweit 4.100 Aktivisten (2004: 3.800). Der überwiegende Teil ist in etwa 160 "Kameradschaften" oder vergleichbare Gruppierungen eingebunden, die größtenteils lokal bzw. regional agieren. Die Gründung solcher Kameradschaften war eine Reaktion auf die behördlichen Vereinsverbote in den 90er-Jahren. Um Verbotsmaßnahmen zu unterlaufen, entwickelten führende Neonazis wie Thomas WULFF und Christian WORCH diese neue Organisationsform. In einer vom "Aktionsbüro Norddeutschland" im Dezember 2005 veröffentlichten Erklärung mit dem Titel "Wie organisieren wir den Widerstand? - Neue Wege jenseits der Parteienstrategie" heißt es dazu: "Eine freie Strukturierung 181 Rechtsextremismus vermindert nicht nur die Angriffsfläche für die 'Sicherheitsbehörden', sie verlagert auch den Schwerpunkt der politischen Tätigkeit dorthin, wo er sein sollte: Weg von den Vorständen und Gremien und hin zu den Zusammenhängen vor Ort, die selber wissen müssen, wie in ihrer Region effektiv zu arbeiten ist." Zur besseren Vernetzung und Koordination der unterschiedlichen Kameradschaften bildeten Neonazis locker strukturierte "Aktionsbüros" oder "Aktionsbündnisse". Diese Bündnisse sollen einer Zersplitterung der rechtsextremistischen Szene entgegenwirken. Nach dem Vorbild des seit 1997 aktiven "Nationalen und Sozialen Aktionsbündnis Norddeutschland" (NSAN) mit seinem Sprachrohr "Aktionsbüro Norddeutschland" wurden bundesweit weitere Aktionsbündnisse und -büros gegründet. Die verschiedenen Aktionsbündnisse, Kameradschaften und Einzelpersonen beziehen sich in ihren aktuellen Kampagnen vermehrt auf sozialpolitische Themen und bringen diese in ihre öffentlichen Aktionen ein. Versuche, bürgerliche Kreise damit anzusprechen und zu gemeinsamen Protesten zu bewegen, scheiterten. Die einzige bundesweit agierende neonazistische Vereinigung ist die 1979 gegründete "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG). Dem eingetragenen Verein gehören etwa 600 Mitglieder an, die zum großen Teil parallel auch in anderen rechtsextremistischen Organisationen bzw. bei den "Freien Kameradschaften" eingebunden sind. Die HNG konzentriert ihre Aktivitäten auf die ideelle und materielle Betreuung von weltweit inhaftierten Rechtsextremisten, um zu verhindern, dass sich diese während der Haftzeit bzw. nach der Haftentlassung aus der rechtsextremistischen Szene lösen. Die Betreuung beschränkt sich vorwiegend auf die Zusendung der monatlich erscheinenden "Nachrichten der HNG" (Auflage: 600 Exemplare). Die Publikation enthält neben zahlreichen Artikeln, Demonstrationsaufrufen und Kritik an Gerichtsurteilen oder staatlichen Maßnahmen gegen rechtsextremistische Aktivitäten auch eine Gefangenenliste, über die Kontakte zu "nationalen Gefangenen" geknüpft werden sollen. Fester Bestandteil jeder Ausgabe sind darüber hinaus Briefe von Inhaftierten an die Schriftleitung. 182 Rechtsextremismus Wichtigste Veranstaltung der Organisation ist die einmal pro Jahr durchgeführte Hauptversammlung, die am 16.04.05 in Süddeutschland stattfand. Obwohl sich das Engagement der meisten Mitglieder für die HNG in der Zahlung des Mitgliedsbeitrages erschöpft, übt der Verein in der zersplitterten rechtsextremistischen Szene eine nicht zu unterschätzende organisationsübergreifende und integrierende Funktion aus. Das belegen u.a. die zahlreichen Vernetzungshinweise zu rechtsextremistischen Internetseiten in den "HNG-Nachrichten". In einem von Rechtsextremisten genutzten Internet-Forum wurde im Januar 2005 ein Spendenaufruf für die HNG veröffentlicht, in dem es heißt: "Deshalb rufen wir alle nationalgesinnten Menschen auf, mal wieder für unsere Sache, für unsere Kameraden, für unsere Volksgenossen zu spenden, denen es zur Zeit im Bau auch sehr schlecht geht! Diese sitzen für uns, für unsere Ideologie!!!! Sie haben es verdient, unterstützt zu werden!!!! Und nicht irgendwelche pädophile Sextouristen in Thailand!!! Bitte sammelt auch in euren Organisationen, Kameradschaften, Stammtischen...usw. Solidarität ist eine Waffe!!!". 4.3 Aktivitäten Die in Hamburg aktionistisch orientierte Neonaziund Skinheadszene beteiligte sich im Jahr 2005 an zahlreichen Demonstrationen und Veranstaltungen im gesamten Bundesgebiet. Dabei hatten solche Aktionen große Bedeutung, die thematisch für gemeinsame Bekenntnisse zu ideologischen Kernaussagen des Rechtsextremismus genutzt werden konnten. 60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges fanden zahlreiche Gedenkveranstaltungen der rechtsextremistische Szene statt, bei denen ausschließlich der deutschen Kriegstoten als "Opfer" gedacht wurde. Zu den in diesem Zusammenhang herausragenden Ereignissen gehörte der Gedenkund Trauermarsch in Dresden am 13.02.05 unter dem Motto "Gedenken an die Opfer des alliierten Bombenterrors von 1945 in Dresden". An einer von den "Jungen Nationaldemokraten" (JN) angemeldeten Demonstration am 08.05.05 183 Rechtsextremismus in Berlin beteiligten sich rund 3.300 Rechtsextremisten unter dem Motto "60 Jahre Befreiungslüge - Schluss mit dem Schuldkult". Der für den 20.08.05 von dem Hamburger Rechtsanwalt Jürgen RIEGER angemeldete zentrale "Rudolf-Heß-Gedenkmarsch" in Wunsiedel (Bayern) blieb nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Eilverfahren verboten. Die Gedenkveranstaltungen zum Ende des Zweiten Weltkrieges boten der rechtsextremistischen Szene Gelegenheit, ihren Antiamerikanismus zu artikulieren. Ihre Proteste richteten sich nicht nur gegen die alliierte Bombardierung Deutschlands während des Zweiten Weltkrieges, sondern auch gegen die aktuelle Politik der USA. So trug eine Demonstration in Essen am 19.03.05 das Motto "Gegen die willkürliche US-Kriegspolitik von gestern, heute und morgen". Das "Aktionsbüro Norddeutschland" formulierte in einem Internetbeitrag über eine zum 01.04.06 in Lübeck (Foto) angekündigte Gedenkveranstaltung: "Damals wie heute: Völker und Staaten, welche sich nicht dem Weltherrschaftsstreben der USA unterwerfen wollen, werden durch Bombenterror in die Knie zu zwingen versucht!". Für Rechtsextremisten verkörpern die USA u.a. Imperialismus, Kapitalismus und Globalisierung. Gegen Globalisierung richtete sich auch die am 09.04.05 - aus Anlass der Verlegung von 220 Arbeitsplätzen der Modefirma "Jil Sander" vom schleswig-holsteinischen Ellerau nach Italien - initiierte Mahnwache vor dem Werk in Ellerau. Das "Aktionsbüro Norddeutschland" forderte in seinem Internetbeitrag: "Globalisierung stoppen - deutsche Arbeitsplätze retten!" Die neonazistische Szene greift aktuelle, öffentlichkeitswirksame Themen auf, um sie in die Öffentlichkeit zu transportieren. In Hamburg-Eidelstedt fand am 02.07.05 unter dem Motto "Kein Raum für Pädophile!" eine von Christian WORCH (Foto) 184 Rechtsextremismus angemeldete Protestaktion gegen den Pädophilen-Verein "Krumme 13" statt, an der sich knapp 150 Aktivisten beteiligten. Ein weiterer Themenschwerpunkt bei Aktionen war die Wirtschaftsund Sozialpolitik der Bundesregierung. Am 29.01.05 fand in Kiel eine von "freien Kräften" aus Schleswig-Holstein zur Unterstützung des NPD-Wahlkampfes angemeldete Demonstration unter dem Motto "Gegen Multi-Kulti und Hartz IV - Das Volk sind wir" statt, an der rund 450 Rechtsextremisten teilnahmen. Das "Aktionsbüro Norddeutschland" titelte über die Kundgebung: "Wir haben den Schrecken gebrochen...Der nationale Widerstand ließ sich den Marsch in Kiel auch durch Gewalt nicht nehmen. 450 Aktivisten protestierten gegen das asoziale System." Zahlreiche Kundgebungen der Neonazis richteten sich - wie in den Vorjahren - gegen die Repressionsmaßnahmen des Staates und die aus ihrer Sicht negative Berichterstattung in den Medien. Rechtsextremisten sehen sich als "Nationalgesinnte" in der Ausübung ihrer Grundrechte, insbesondere der Versammlungsund Meinungsfreiheit, behindert. Behördliche Auflagen und Maßnahmen während ihrer Veranstaltungen empfinden sie als staatliche "Willkürakte". Dem "politischen System" unterstellen sie ebenso wie den Medien eine Zusammenarbeit mit linken "Antifa-Banden". Auch daraus leitet die neonazistische Szene die Notwendigkeit ab, im Rahmen ihrer "Anti-Antifa-Arbeit" eine eigene "Feindaufklärung" zu betreiben und - meist auf regionaler Ebene - persönliche Daten von politischen Gegnern, Medienvertretern und Mitarbeitern der Sicherheitsbehörden zusammenzutragen. Von besonderem Interesse sind Erkenntnisse über lokale Strukturen und Aktivitäten von Linksextremisten. Diese personenbezogenen Daten werden teilweise untereinander ausgetauscht und anlassbezogen publiziert, um den "Gegner" zu verunsichern. Das "Aktionsbüro Norddeutschland" veröffentlichte im Juli 2005 einen Internetbeitrag "Politische Polizei belästigt nationale Menschen im Stadtteil Harburg", in dem die Namen der betreffenden 185 Rechtsextremismus Beamten genannt und sechs Fälle detailliert dokumentiert wurden, in denen "...nationale Menschen ungebetenen Hausbesuch von Staatsschutz-Beamten bekamen". Anhaltspunkte für eine gezielte Auswertung der gesammelten Informationen zur Vorbereitung konkreter Übergriffe auf Personen sind jedoch auch 2005 im norddeutschen Raum nicht bekannt geworden. In Harburg fanden seit Januar 2005 intensive "Antifa"und "AntiAntifa-Aktivitäten" statt. Auslöser hierfür waren zwei Übergriffe auf Rechtsextremisten durch Jugendliche ausländischer Herkunft und die daraus resultierenden Demonstrationsanmeldungen von Rechtsextremisten gegen "Ausländergewalt". Internetartikel des "Aktionsbüros Norddeutschland" waren überschrieben mit "Hamburg: Ausländer sticht Deutschen nieder - Mahnwache gegen Ausländergewalt in Harburg!" und "Hamburg: Erfolgreiche Kundgebung gegen Überfremdung in Hamburg-Harburg". Neben diesen Aktionen fanden in Harburg auch mehrere Protestveranstaltungen gegen die von "kriminellen Antifa-Banden" initiierte "rote Hetzkampagne" unter dem Motto "Stadt, Land, Fluss - Kein Raum den Nazis" statt (Titel eines Internetbeitrags des "Aktionsbüros Norddeutschland": "Hamburg-Harburg: 'Stadt, Land, Fluss - jetzt ist Schluss!' - Der nationale Widerstand protestierte abermals gegen die rote Hetzkampagne in Harburg"). An dem vom "Aktionsbüro Norddeutschland" organisierten Gedenkmarsch am 30.07.05 in Hamburg-Eilbek unter dem Motto "62. Jahrestag/Bombardierung von Hamburgs Zivilbevölkerung. Kein Vergeben, kein Vergessen" nahmen unter der Leitung von Thomas WULFF etwa 150 Rechtsextremisten teil. Im Anschluss daran kam es im Hamburger Hauptbahnhof zu körperlichen Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen des linken und rechten Spektrums, in deren Verlauf der Anmelder des rechten "Gedenkmarsches" vorläufig festgenommen wurde. Auf dem Ohlsdorfer Friedhof gedachten einen Tag später etwa 60 Rechtsextremisten der "über 40.000 Opfer des alliierten Luftterrors" mit einer Kranzniederlegung. 186 Rechtsextremismus Anlässlich des 60. Jahrestages des Kriegsendes führten Rechtsextremisten am 08.05.05 in Berlin, Delitzsch (Sachsen), Gotha (Thüringen), München und Remagen (Rheinland-Pfalz) Veranstaltungen durch. In Berlin nahmen an einer von den "Jungen Nationaldemokraten" (JN) unter dem Motto "60 Jahre Befreiungslüge - Schluss mit dem Schuldkult" angemeldeten Veranstaltung laut Polizeiangaben rund 3.300 Personen teil. Thomas WULFF fungierte als Versammlungsleiter. Da die Straßen rund um den Alexanderplatz von mehreren tausend Gegendemonstranten besetzt worden waren, musste der im Anschluss an die Auftaktkundgebung geplante Demonstrationszug ausfallen, was bei den Teilnehmern starke Unmutsäußerungen auslöste. Thomas WULFF forderte sie deshalb auf: "Tragt den Protest in diese Stadt! Oder tragt den Protest nach Deutschland, überall auf eurem Heimweg gibt es viele Denkmäler, an die ihr heute noch gehen könnt, in großen Gruppen, um unserer Toten zu gedenken!". In Remagen beteiligten sich etwa 120 Rechtsextremisten an einem "Gedenkmarsch für die in den alliierten Rheinwiesenlagern ermordeten Soldaten, Frauen und Kinder!". Den Volkstrauertag begeht die neonazistische Szene als "Heldengedenktag". Wie in den Vorjahren mobilisierte der maßgeblich von Christian WORCH initiierte "Freundeskreis Halbe" bundesweit für eine "Heldengedenkveranstaltung" auf dem Soldatenfriedhof in Halbe (Brandenburg;Foto) am 12.11.05. Ungefähr 1.700 Rechtsextremisten folgten dem Aufruf zum zentralen Trauermarsch unter dem Motto "Ruhm und Ehre dem deutschen Frontsoldaten und den europäischen Freiwilligen". Aufgrund einer Ansammlung von etwa 1.000 Gegendemonstranten kam der geplante Marsch zum Soldatenfriedhof nicht zu Stande. Das "Aktionsbüro Norddeutschland" formulierte in einem Internetbeitrag: "Polizeistaat verhinderte mit Rechtsbruch Gedenkmarsch". In einem weiteren Internetartikel über diese Veranstaltung forderte das "Aktionsbüro Norddeutschland": "Macht Strafanzeigen gegen die Kreuzungsblockierer!". Am Volkstrauertag (13.11.05) fanden zudem "regionale Heldenge187 Rechtsextremismus denkveranstaltungen des nationalen Widerstandes" statt. Auch Neonazis aus Hamburg und Umgebung veranstalteten örtliche Kranzniederlegungen. Zu den rechtsextremistischen Versammlungen mit bundesweiter Bedeutung zählte im Jahr 2005 die Großveranstaltung aus Anlass des 60. Jahrestages der Bombardierung Dresdens am 13.02.05. An dem von der "Jungen Landsmannschaft Ostpreußen" (JLO) angemeldeten Trauermarsch durch die Dresdner Innenstadt beteiligten sich rund 5.000 Personen (2004: 2.500). Unter den Teilnehmern befanden sich neben den führenden Rechtsextremisten der NPD und der DVU auch die bekannten Neonazis Thorsten HEISE, Horst MAHLER, Christian WORCH sowie Thomas WULFF. Am 1. Mai gab es 2005 mehrere dezentrale Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene in Bückeburg (Niedersachsen), Frankenthal (Rheinland-Pfalz), Heide (Schleswig-Holstein), Leipzig, Neubrandenburg (Mecklenburg-Vorpommern), Nürnberg und Worms (Rheinland-Pfalz). In Leipzig beteiligten sich an der von Christian WORCH angemeldeten Demonstration unter dem Motto "Arbeit für alle - Heraus zum Tag der deutschen Arbeit" rund 800 Neonazis. In Heide/ Schleswig-Holstein nahmen etwa 150 Rechtsextremisten an dem von einer Aktivistin des "Kameradenkreises um Thomas WULFF" angemeldeten Aufzug unter dem Motto "Soziale Gerechtigkeit für alle Deutschen" teil. Das "Aktionsbüro Norddeutschland" zog das Fazit dieser Veranstaltung: "Erster Aufmarsch seit dem Dritten Reich rief das Volk an die Straße". Die von dem Hamburger Rechtsanwalt Jürgen RIEGER angemeldete zentrale Gedenkveranstaltung zum 18. Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß am 20.08.05 in Wunsiedel (Bayern) blieb im Jahr 2005 nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ver188 Rechtsextremismus boten. Das Versammlungsverbot stützte sich auf die Neufassung des SS 130 StGB (Volksverhetzung), insbesondere auf die Annahme der Störung des öffentlichen Friedens. Stattdessen fanden bundesweit an mehreren Orten Protestveranstaltungen der rechtsextremistischen Szene statt: In Nürnberg versammelten sich - nachträglich als Wahlkampf-Demonstration der NPD deklariert - rund 350 Personen unter dem Motto "Arbeit für Deutsche - keine Stimme den Kriegsparteien". Zu den Rednern gehörte Jürgen RIEGER. Nach dem kurzfristigen Verbot einer Demonstration in Magdeburg kam es im niedersächsischen Peine (Foto) zu einer spontanen Protestkundgebung des "nationalen Widerstandes", an der etwa 500 Rechtsextremisten teilnahmen. In einem Internetbeitrag des "Aktionsbüros Norddeutschland" hieß es: "Statt ein würdiges Gedenken in Wunsiedel zuzulassen, hat das System versucht, mit dem kurzfristigen Demonstrationsverbot von Magdeburg auch noch den Protest gegen die repressive Verbotspraxis zu unterbinden." In Berlin demonstrierten etwa 600 Rechtsextremisten unter dem Motto "Meinungsfreiheit für alle - Paragraph 130 abschaffen". Weitere kleinere Veranstaltungen fanden u.a. in Arnstadt, Ingolstadt, Jena und Weißenfels statt. Im dänischen Kolding (Foto) beteiligten sich rund 100 Rechtsextremisten aus Dänemark, Norwegen, Schweden und Deutschland an einem von dänischen Aktivisten organisierten Gedenkmarsch für den "Friedensflieger" Rudolf Heß. Zu den Rednern zählte u.a. Christian WORCH. In einem Internet-Beitrag zog WORCH ein Fazit der Heß-Gedenkveranstaltung: "Erkennbar ist geworden, daß durch den Wegfall eines einigenden Moments - der Ort Wunsiedel als letzte Ruhestätte von Rudolf Heß 189 Rechtsextremismus - Regionalisierung oder Zersplitterung eingetreten ist. Einen echten Konsens über eine gemeinsame, zentrale Protestveranstaltung gegen das Verbot gab es nicht." Bedingt durch das Verbot der zentralen Heß-Gedenkveranstaltung kam es nicht nur zu einer Zersplitterung der rechtsextremistischen Szene, sondern die Mobilisierung fiel insgesamt deutlich schwächer aus. Nachdem sich 2004 über 4.000 Rechtsextremisten in Wunsiedel versammelt hatten, nahmen 2005 nur etwa 2.000 Menschen an den Protestaktionen gegen das "Wunsiedel-Verbot" teil. Einen Tag später, am 21.08.05, legten norddeutsche Neonazis an einem Hamburger Ehrenmal einen ursprünglich für das Heß-Grab gedachten Kranz nieder. (Archiv 2005, Rechtsextremismus "Dezentrale Proteste nach Verbot des 'Heß-Gedenkmarsches' in Wunsiedel") 5. Sonstige rechtsextremistische Skinheads und andere gewaltbereite Rechtsextremisten Die rechtsextremistische Skinheadszene bildet unter den gewaltbereiten Rechtsextremisten die zahlenmäßig größte Gruppe. Identität findet sie in szenetypischen Symbolen, ihrer Kleidung, eigenen Musikformen und Publikationen. Die Teilnahme an Konzerten fördert ihr Zusammengehörigkeitsgefühl und ermöglicht auch überregionale Kontakte. Über diese unterschiedlichen Ausdrucksformen, insbesondere in Verbindung mit Musik, werden rechtsextremistische Inhalte und Ideologiefragmente vermittelt und verfestigt. Das politische Weltbild rechtsextremistischer Skinheads setzt sich vorwiegend aus nationalistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Einstellungen zusammen. Alkoholkonsum und Gruppendynamik verringern die Hemmschwelle für Gewaltanwendung deutlich und führen häufig zu spontanen gewalttätigen Übergriffen. Mit diesen rechtsextremistischen Denkmustern und Feindbildern, der Gewaltbereitschaft und einem Hang zum Aktionismus ist die ansonsten kaum strukturierte rechtsextremistische Skinheadszene für den 190 Rechtsextremismus organisierten Rechtsextremismus ein erhebliches Mobilisierungsund Rekrutierungspotential. Insbesondere Neonazis und aus dem Skinheadmilieu entwachsene neonazistisch geprägte Skinheads, die sich als führende Kräfte eines "Nationalen Widerstands" verstehen, nutzen dieses Potential. In Hamburg nahm die Gesamtzahl rechtsextremistischer Skinheads und anderer gewaltbereiter Rechtsextremisten im Vergleich zu 2004 leicht zu. Als gewaltbereit werden neben ausgewiesenen Gewalttätern auch Rechtsextremisten eingestuft, die sich für Gewaltanwendung aussprechen oder auf andere Weise Gewaltbereitschaft erkennen lassen. Diese gewaltbereite Szene umfasst rund 150 Personen (2004: 140). Davon sind etwa 120 Personen rechtsextremistische Skinheads. Der Rest sind zumeist Einzelpersonen, die durch rechtsextremistisch motivierte Straftaten auffällig geworden und anderen rechtsextremistischen Bereichen nicht zuzuordnen sind. Die örtlichen Schwerpunkte rechtsextremistischer Skinheadszenen liegen in den Randbereichen Hamburgs. Dort treten durch Kontakte zu Skinheads in Umlandgemeinden auch häufig regional gemischte Szenen auf. Besonders auffällig wurde im Jahr 2005 die rechtsextremistische Skinheadszene in Harburg. Von dort erstreckten sich Aktionsräume und Verbindungen zu gleichartigen Szenen bis ins nördliche Niedersachsen. Von vereinzelten Aktivitäten abgesehen, waren Skinheadcliquen dort jedoch in den vergangenen Jahren weniger aktiv. Von örtlichen Aktivisten der NPD und durch neonazistisch geprägte Skinheads und Neonazis unterstützt, kam es 2005 zu einer stärkeren Präsenz von Rechtsextremisten in Harburg, zu einer Reihe von Aktivitäten wie z.B. Infostände, Kundgebungen und Demonstrationen, aber auch zum Besuch von Veranstaltungen politischer Gegner. Gründe für vermehrte Aktionen in Harburg war nicht nur das Aufleben rechtsextremistischer Aktivitäten, sondern die sich zuspitzenden Konflikte zwischen den örtlichen linksund rechtsextremistischen Szenen. 191 Rechtsextremismus Den Höhepunkt bildete eine von Antifaschisten initiierte Kampagne mit dem Tenor "Stadt, Land, Fluss - kein Raum den Nazis" ( IV.,4.3 und III.,5.2.1). Sie sollte der Aufklärung über die in Harburg bestehenden rechtsextremistischen Strukturen und deren Aktivisten dienen. Die Linksextremisten machten in einer Broschüre und mit Steckbriefen einzelne Personen öffentlich als Rechtsextremisten bekannt. Gegen eine gleichzeitig stattfindende antifaschistische Demonstration reagierten am 22.10.05 rund 130 Rechtsextremisten mit einer Gegendemonstration unter dem Motto "Stadt, Land, Fluss - Ihr spielt mit dem Feuer!". Im Umfeld bewegten sich bis zu 300 Personen des linksextremistischen Spektrums in unterschiedlichen Gruppen und versuchten, teilweise vermummt und mit Wurfgeschossen, sich dem rechtsextremistischen Aufzug zu nähern. Durch eine im Jahr 2005 neu angelegte Homepage sorgten Rechtsextremisten aus Kreisen der Harburger Skinheads für zusätzliche Präsenz. Neben Ankündigungen von Veranstaltungen, Stellungnahmen zu diversen Themen und Diskussionsforen finden sich darin auch Beiträge zu Auseinandersetzungen mit den "politischen Gegnern". 6. Skinhead-Musik und -Vertriebe Rechtsextremistische Organisationen haben ihre im Jahr 2004 begonnene Offensive fortgesetzt, politisch eher unbedarfte Jugendliche und junge Erwachsene durch die kostenlose Verbreitung rechtsextremistischer Musik für ihre Zwecke zu gewinnen. Sowohl Freie Nationalisten als auch die NPD setzten CDs als Werbeträger ein und versuchten, das Medium Musik für die Rekrutierung neuer Anhänger zu nutzen. Hierfür stellten Musikproduzenten und Bands einige Musikstücke unentgeltlich zur Verfügung, von denen jedes für sich in der Regel unterhalb der Schwelle strafrechtlicher Relevanz lag. Die Verteilung der von Freien Nationalisten im Rahmen des "Projekts Schulhof" produzierten CD "Anpassung ist Feigheit - Lieder aus dem 192 Rechtsextremismus Untergrund" konnte weiterhin weitgehend verhindert werden. Im Sommer 2005 musste kurzfristig davon ausgegangen werden, dass der im August 2004 erlassene "Allgemeine Beschlagnahmebeschluss" des Amtsgerichtes Halle/Sachsen-Anhalt aufgehoben werden könnte. Das Amtsgericht Stendal ließ eine Anklage gegen einen der mutmaßlichen Produzenten wegen "schwerer Jugendgefährdung" nicht zu. Einer Beschwerde der zuständigen Staatsanwaltschaft wurde im Oktober 2005 vom Landgericht Stendal jedoch stattgegeben und die Anklage zugelassen. In der Zwischenzeit hatten sich die Organisatoren des Projektes offensichtlich auf eine Verteilung der CDs vorbereitet. Im August wurden zwei Pakete mit insgesamt 1.120 CDs sichergestellt, nachdem die Post diese wegen eines Wohnortwechsels der Empfänger nicht hatte zustellen können. Weitere Ermittlungen ergaben, dass von den Absendern zeitgleich acht weitere Pakete aufgegeben worden waren, darunter eines an eine junge Frau aus Hamburg. Diese war bereits am 15.03.03 - gemeinsam mit Personen aus dem Umfeld der "Neonaziund Skinheadszene in Bramfeld" - anlässlich eines Skinheadkonzertes in Salching/Bayern von der Polizei festgestellt worden. Ermittlungsverfahren wurden eingeleitet. Wie auch bei anderen strafrechtlich relevanten rechtsextremistischen Medien üblich, wurde die CD "Anpassung ist Feigheit" im Internet - insbesondere über ausländische Provider - zum Download angeboten. Auch die NPD setzte im Jahr 2005 zur Rekrutierung neuer Mitglieder und insbesondere neuer Wähler weiterhin auf Musik. Für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein überarbeitete die Partei den bereits im Landtagswahlkampf in Sachsen eingesetzten Sampler, dieser bot ausschließlich deutsche Interpreten an. Liedermacher und NPD-Mitglied Frank RENNICKE stellte drei Titel zur Verfügung und unterstützte den Wahlkampf auch vor Ort mit mehreren Liederabenden. Für den Bundestagswahlkampf kündigte die Partei die kostenlose Verteilung einer neuen "Schulhof-CD" in einer Auflage von 200.000 Exemplaren an, deren spätere Verteilung vereinzelt bekannt wurde. 193 Rechtsextremismus Während die NPD in Sachsen und SchleswigHolstein noch auf das plakative Motto "Schnauze voll? Wahltag ist Zahltag!" setzte, wurde das Booklet der CD zur Bundestagswahl mit provokativen Sprüchen aufgemacht. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass die DVU bei der Bundestagswahl die NPD unterstützt. Ob die Partei von Gerhard FREY sich auch an der Finanzierung der CD beteiligt hat, ist allerdings nicht bekannt. Nachdem der NPD in den vergangenen Jahren mit dem "Deutsche Stimme-Pressefest" jeweils die Organisation der bundesweit größten rechtsextremistischen Musikveranstaltung gelungen war, sagte sie diese Veranstaltung 2005 ab - angeblich wegen des Bundestagswahlkampfes. Dennoch gelang es der NPD erneut, ein Konzert mit der größten Besucherzahl zu organisieren: Nach Beendigung des Parteitags der thüringischen NPD fand am selben Ort, dem Schützenhaus in Pößneck, ein Skinheadkonzert mit weit mehr als 1.000 Besuchern statt. Eigentümerin dieses Schützenhauses ist die "Wilhelm Tietjen Stiftung", deren Direktor Jürgen RIEGER ist ( IV.,8). Hauptakteur des Abends war Michael REGENER alias "Lunikoff" (Foto) mit seiner Band "Die Lunikoff-Verschwörung". Das NPD-Mitglied REGENER nutzte die Veranstaltung, um sich vor seinem Haftantritt von seinen Fans zu verabschieden. Am 10.03.05 hatte der Bundesgerichtshof ein Urteil gegen REGENER wegen der Bildung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, der Band "Landser", bestätigt. Er war vom Kammergericht Berlin zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt worden. Am 09.07.05 lud der Kreisverband Gera der thüringischen NPD im Bundestagswahlkampf zu einer öffentlichen Versammlung mit rechtsextremistischer Musik ein. Auf einer als "Friedensfest" deklarierten 194 Rechtsextremismus Veranstaltung traten mehrere rechtsextremistische Musikgruppen vor etwa 700 Besuchern auf. Am 31.12.04 zeigte Christian WORCH den Hamburger Behörden ein Konzert mit mehreren Gruppen am 05.02.05 an, ohne den Veranstaltungsort konkret zu nennen. Für den Fall eines Verbotes kündigte er ein Verfahren bis hin zum Bundesverfassungsgericht an. Aus "organisatorischen Gründen" verschob WORCH das Konzert wenig später auf den 05.03.05. An der Veranstaltung in Hamburg-Hamm, bei der u.a. die Bands "Legion of Thor" und "Faustrecht" auftraten, nahmen etwa 350 Personen teil. Für den 15.10.05 kündigte erneut WORCH ein "Konzert der Musikrichtung Rechtsrock", u.a. mit den Bands "Hauptkampflinie" und "Path of Resistance", im Raum Hamburg an - es fand im Stadtteil Rothenburgsort statt. Nachdem sich zeitweise annähernd 400 Personen in dem für sie zu kleinen Veranstaltungsraum aufhielten, erließ die Polizei die Auflage, dass sich nicht mehr als 200 Personen in dem Saal aufhalten dürfen und überwachte deren Einhaltung. Torben KLEBE, ehemals führender Kader der im September 2000 verbotenen "Blood & Honour Division Deutschland - Sektion Nordmark", feierte am 05.11.05 in Hamburg-St.Pauli seinen "Geburtstag mit Live-Musik". Den Behörden gab er den genauen Veranstaltungsort nicht bekannt. Vor rund 300 "Geburtstagsgästen" spielte u.a. die Band "Noie Werte" aus BadenWürttemberg. Die Veranstaltung wurde Bei den Protesten sowohl von Anwohnern als auch Persobeschädigter HVV-Bus nen aus der autonomen Szene als Provokation betrachtet, so dass es zu spontanen Protestaktionen kam ( III, 5.2.1). Der Bandleader, ein Rechtsanwalt, trat mit seiner Gruppe bereits mehrfach in Hamburg bei - von KLEBE organisierten - Musikveranstaltungen auf, so am 03.02.01 in Rothenburgsort. Seinerzeit wurde das Konzert von der Polizei wegen des Verdachts der Fortführung der verbotenen "Blood & Honour Division Deutschland" aufgelöst. Das OVG Hamburg hatte diese Maßnahme am 15.09.04 endgültig für rechtswidrig erklärt. 195 Rechtsextremismus Während in einigen Bundesländern die Zahl rechtsextremistischer Musikveranstaltungen erheblich anstieg, blieb sie in Hamburg nahezu konstant. Allerdings lagen hier die durchschnittlichen Teilnehmerzahlen bei den Konzerten mit über 300 Personen deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Am 06.07.05 gelang der Hamburger Polizei ein Schlag gegen den Internet-Handel mit rechtsextremistischer Musik. Ein Hamburger Rechtsextremist bot über die amerikanische Plattform eines Internet-Auktionshauses auch indizierte CDs an. Bei einer Hausdurchsuchung wurden etwa 1.700 Datenträger sichergestellt, von denen einige eindeutig strafrechtlich relevant waren. 7. Rechtsextremistische Parteien 7.1 Die Republikaner (REP) Die Partei "Die Republikaner" (REP) bietet weiterhin Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen. Mitglieder: 6.500 Nicht alle Mitglieder verBundessitz: Berlin folgen jedoch verfassungsfeindliche Ziele. Der BunVorsitzender: Dr. Rolf SCHLIERER desvorstand der von Rolf SCHLIERER geführten Partei Landesverband Hamburg... hielt auch 2005 trotz wach...hat sich im Januar 2005 aufgelöst sender innerparteilicher Kritik an seinem Abgrenzungskurs gegenüber der NPD und der DVU fest. Diese im rechtsextremistischen Lager eher gemäßigte Position führte zu Resignation bei Teilen der Parteibasis und zu weiteren erheblichen Mitgliederverlusten. In einigen Bundesländern gab es auffällig gehäufte Parteiaustritte. Gründe dafür waren einerseits die Wahlerfolge von NPD und DVU und deren Bündnispolitik ( IV.,1), andererseits Kritik an der innerparteilichen Organisation der REP. Anfang 2005 hatten der mehrheitliche Übertritt des Vorstands und der Mitglieder des Hamburger REP-Landesverbandes zur NPD und seine Auflösung Signalwirkung für andere Landesorganisationen: Im März kam es zu massiven Austritten in Niedersachsen. Vorausgegangen wa196 Rechtsextremismus ren bereits länger anhaltende Streitigkeiten mit dem Bundesvorstand. In Berlin verabschiedeten sich im Frühjahr hochrangige Funktionsträger von ihrer Partei; sie verwiesen auf einen Zerfall von Organisationsstrukturen und mangelnde Führungsqualitäten des Bundesvorsitzenden. Einige der Abtrünnigen aus diesen und weiteren Bundesländern wandten sich rechtsextremistischen Bündnissen auf kommunaler Ebene zu oder traten - wie in Hamburg - in die NPD ein. Insgesamt verloren die REP 2005 etwa 1.000 Mitglieder. Zur Bundestagswahl am 18.09.05 kandidierten die REP nur in neun Bundesländern. Im Wahlkampf forderte die Partei einen "radikalen Wandel", zu dem die etablierten Parteien nicht fähig seien, und trat für die "konsequente Wahrnehmung nationaler Interessen", für die "Bewahrung der deutschen Heimat" und für eine "geistig-moralische Wende" ein. Neben der Darstellung sozialpolitischer Themen warben die REP in ihrem Wahlprogramm mit fremdenfeindlichen Aussagen. Sie verbanden damit fremdenfeindliche Forderungen wie Ausländern keine Arbeitserlaubnis zu erteilen, arbeitslose Ausländer in ihre Heimat zurückzuführen und alle Islamisten auszuweisen. Die REP erreichten 0,6% der Wählerstimmen, erzielten damit dasselbe Ergebnis wie bei der Bundestagswahl 2002 und nahmen erneut die 0,5%-Hürde zur staatlichen Parteienfinanzierung. Der REP-Bundesvorsitzende Dr. Rolf SCHLIERER (Foto) erklärte in einer Pressemitteilung vom 19.09.05 zum Wahlausgang: "Wir haben trotz immens erschwerter Bedingungen unser Ergebnis gehalten, obwohl wir in weniger Bundesländern antreten konnten als vor drei Jahren." Die REP hatten wegen des Vorziehens der Bundestagswahl - wie andere kleinere Parteien - Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, da sie sich durch die verkürzten Fristen zur Unterschriftensammlung in ihrer Chancengleichheit verletzt sahen. Die Klage wurde am 13.09.05 abgewiesen. Neben Aktivitäten für die Bundestagswahl war die Partei vorwiegend mit innerparteilichen Richtungskämpfen beschäftigt. Die REP thematisierten in ihrer Propaganda Aktuelles aus der Sozialund Integrationspolitik. So äußerte sich der REP-Landesvorsitzende von Baden197 Rechtsextremismus Württemberg in der REP-Zeitung "Zeit für Protest" (Nr. 2-3/2005): "Der Islam ist mit der Demokratie und dem westabendländischen Wertesystem in unserem Land nicht zu vereinbaren... Wer den Islam hoffähig macht, spielt mit dem Feuer". In einer Pressemitteilung vom 23.09.05 anlässlich des "Tages der Integration" kritisierte SCHLIERER die Bilanz des Bundesministers des Innern nach neun Monaten "Zuwanderungsgesetz" und forderte einen "Tag der Rückwanderung". In Hamburg war die Existenz des REP-Landesverbandes bereits länger gefährdet. Stetiger Mitgliederschwund (zum Schluss knapp 20 Mitglieder), Zerstrittenheit mit dem Bundesvorstand und das Scheitern jeglicher Bemühungen, sich organisatorisch oder finanziell zu regenerieren, führten Anfang 2005 zur Auflösung. Der seit dem 18.03.84 bestehende Landesverband erklärte am 08.01.05: "Der LV Hamburg hat sich aufgelöst, der Landesvorstand und die Vielzahl der Mitglieder sind geschlossen zur NPD übergetreten". In dem bereits am 07.01.05 veröffentlichten "Hamburger Signal - Aufruf unabhängiger Republikaner zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein" war die neue Richtung zu erkennen: Die Bündnispolitik von NPD und DVU wurde darin als erfolgreich dargestellt. Im Hinblick auf die anstehende Landtagswahl in Schleswig-Holstein wurde zur Wahl der NPD aufgerufen, der "Bruderkampf" sei eingestellt. Zunächst schienen die Ex-Republikaner in Hamburg noch einen Rest Gruppenidentität aufrechterhalten zu wollen und gaben sich Bezeichnungen wie "Unabhängige Republikaner in der NPD". Doch im weiteren Verlauf des Jahres 2005 wurden weitere ähnliche Namen ebenso wenig bekannt wie etwaige Bemühungen, den Landesverband neu aufzubauen. 198 Rechtsextremismus 7.2 Deutsche Volksunion (DVU) Die "Deutsche Volksunion" (DVU) blieb auch im Jahr 2005 die größte rechtsextremistische Mitglieder: 9.000 Partei in Deutschland. Der seit Bundessitz: München Jahren anhaltende Rückgang der Mitgliederzahlen setzte sich Vorsitzender: Dr. Gerhard FREY auch 2005 deutlich fort. Allein im Berichtsjahr verlor die DVU Landesverband Hamburg weitere 2.000 Mitglieder und Mitglieder: 170 hat nunmehr etwa 9.000 ParVorsitzender: Günther SCHLEMMER teiangehörige. Wegen der zentralistischen und autokratischen Führung des Vorsitzenden Dr. Gerhard FREY blieb den Landesverbänden wenig Raum für eine selbstständige politische Arbeit. Allerdings hat die Partei auch kein kompetentes Personenpotential. Trotz des "Deutschlands-Pakts" mit der NPD ( IV., 1) blieb der Einfluss der DVU im rechtsextremistischen Spektrum unverändert gering. Im Gegensatz zur NPD gelang es der DVU im Jahr 2005 nicht, von diesen Bündnisbemühungen zu profitieren. Als Sprachrohr dient der Partei neben dem Internet die wöchentlich erscheinende "National Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung" (NZ). Die Schwerpunkte der Agitation der Partei und die in der NZ veröffentlichten Artikel befassten sich auch 2005 vorwiegend mit nationalistischen, fremdenfeindlichen, antisemitischen und revisionistischen Inhalten. Die Anschläge islamistischer Terroristen am 07.07.05 in London ( II, 4.2.1) wurden genutzt, um fremdenfeindliche Propaganda zu verbreiten. Unter dem Titel "Kommt der Terror nach Deutschland?" forderte FREY in der NZ (Nr. 29, 15.07.05) "Notwendig ist deshalb als Konsequenz aus den Londoner Terroranschlägen, dass rund zwei Millionen illegale bzw. widerrechtlich hier geduldete Ausländer endlich zur 199 Rechtsextremismus Rückkehr in ihre Heimat gezwungen werden, auch um nicht Attentate bei uns wie jüngst in der Türkei zu begünstigen." Auch die Krawalle jugendlicher, aus dem Maghreb stammender Migranten im Herbst 2005 in Frankreich wurden zur Agitation verwendet. Mit der Überschrift "Heute brennt Paris, morgen Berlin?" (NZ, Nr. 46, 11.11.05) versuchte die DVU, Angst und Unsicherheit zu schüren, um daraus politischen Nutzen zu ziehen. Auf dem Bundesparteitag der DVU am 15.01.05 in München wurde der Bundesvorsitzende FREY (Foto) mit großer Mehrheit in seinem Amt bestätigt. Im Mittelpunkt des Parteitags standen die Planung und Koordination der bevorstehenden Wahlkämpfe. Ein auf fünf Jahre angelegter "Deutschland-Pakt" wurde von FREY und dem NPD-Vorsitzenden VOIGT unterzeichnet. Ziel dieser Vereinbarung ist es, bei den nächsten Europa-, Bundestagsund Landtagswahlen bis zum Jahr 2009 nicht gegeneinander anzutreten. Zur Bundestagswahl am 18.09.05 kandidierten auf der Grundlage des o.g. Pakts bundesweit DVU-Mitglieder auf Landeslisten der NPD. Die NPD errang 1,6% (in Hamburg: 1,0%) der Stimmen. Die DVU nahm auf ihrer Homepage am 19.09.05 zum Wahlergebnis der NPD Stellung ("Ein Aufwind war's - ein Sturm (noch) nicht") und verkündete, die Zusammenarbeit von DVU und NPD werde "gemäß dem von beiden Parteien geschlossenen Deutschlandpakt fortgesetzt". Auf Hamburg hatte die Kooperationsvereinbarung zwischen NPD und DVU für die Bundestagswahl am 18.09.05 keine Auswirkungen. Zwar war auch hier die NPD-Liste für die DVU geöffnet, aber letztlich trat kein DVU-Angehöriger auf dieser Liste an. Der stetige Rückgang der DVU-Mitgliederzahlen in den vergangenen Jahren setzte sich 2005 auch in Hamburg fort. Der Hamburger Landesverband hat nur noch rd. 170 Mitglieder (2004: 180), von denen die meisten zudem nicht aktiv waren. 2005 kam es zu einem Wechsel in der Parteiführung. Die Partei zeigt jedoch auch unter dem neuen 200 Rechtsextremismus Landesvorsitzenden Günther SCHLEMMER in Hamburg kaum noch öffentlichkeitswirksame Aktivitäten. 7.3 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) Der für die NPD bereits im Jahr 2004 festgestellte Anstieg der Mitgliederzahl setzte sich 2005 fort. Die Partei steigerte die Zahl ihrer Mitglieder von 5.300 auf 6.000 am Ende des Jahres. Mitglieder: 6.000 Sie konnte den Mitgliederschwund Bundessitz: Berlin des Jahres 2003, als die Partei in der Vorsitzender: Udo VOIGT Folge des letztlich gescheiterten Verbotsverfahrens binnen zwölf Monaten Landesverband Hamburg 1.100 ihrer vormals 6.100 Mitglieder verloren hatte, annähernd ausgleichen. Mitglieder: 140 Ursache für diesen Trend waren insVorsitzende: Anja ZYSK besondere zwei Faktoren: Der Einzug in den Landtag von Sachsen im September 2004 und der maßgeblich von der NPD-Spitze initiierte Kurs einer "Volksfront von Rechts" bzw. "Deutschen Volksbewegung". Davon profitierte die NPD zweifach: In einigen Regionen, u.a. auch in Hamburg, fanden Neonazis und neonazistische Skinheads den Weg in die Partei, und die DVU verlor als Bündnispartner wegen der NPD-Dominanz weiter an Bedeutung ( IV.,1). Welche Auswirkungen die Austritte von drei Landtagsabgeordneter aus der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag im Dezember 2005 auf die Entwicklung der Gesamtpartei haben, bleibt abzuwarten. Der Bundesparteitag der NPD hatte im Oktober 2004 dem "VolksfrontKurs" der Parteiführung zugestimmt und das im Jahr 1997 verabschiedete "Drei-Säulen-Konzept" ("Massenmobilisierung - Schlacht um die Straße", "Programmatik - Schlacht um die Köpfe" und "Wahlteilnahme - Schlacht um die Wähler") um eine vierte Säule erweitert, den "Kampf um den organisierten Willen". Bei den anderen "Säulen" hatte die NPD bereits seit längerer Zeit den Begriff "Schlacht" durch das nicht ganz so martialische Wort "Kampf" ersetzt. Nach den Erfolgen im Jahr 2004 wollte die NPD auch im Jahr 2005 - im Sinne des mit der DVU geschlossenen "Deutschland-Pakts" - dem "Kampf um die Wähler" 201 Rechtsextremismus Vorrang geben. Sie konnte dabei jedoch nicht an die Erfolge des Jahres 2004 anknüpfen. So erreichte die Partei bei der Bundestagswahl lediglich 1,6%, bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein 1,9% und in Nordrhein-Westfalen sogar nur 0,9% der Wählerstimmen. Wegen dieser Wahlteilnahmen wurde aus taktischen Gründen - wie schon 2004 - weitgehend auf Demonstrationen verzichtet ( IV.,1 und Download-Bibliothek, "Wahlbericht zur Bundestagswahl 2005"). Unter der Parole "Kampf um die Köpfe" versteht die NPD sowohl die Schulung der Mitglieder als auch die Vermittlung der eigenen Ideologie insbesondere an junge, parteipolitisch noch nicht fest gebundene, Menschen. In diesem "Kampf" sieht sich die Partei von einem "Medienkartell" totgeschwiegen bzw. diffamiert. Dadurch werde sie auch beim "Kampf um die Wähler" behindert. Nach der Wahl in Schleswig-Holstein wertete der Bundesvorsitzende VOIGT (Foto) das Ergebnis von 1,9 % für seine Partei selbst als enttäuschend und vermied jegliche Beschönigung. In der "Deutschen Stimme" äußerte er im März: "Unsere Erwartungshaltung lag deutlich über dem erzielten Ergebnis. Angesichts dessen können, trotz realem Hintergrund, nur noch Spötter behaupten, die NPD in SLH habe, gemessen an der Ausgangslage, durch eine 'Fastverdoppelung' ihrer Stimmen, den deutlichsten Zugewinn aller beteiligten Parteien erzielt." In seiner Wahlanalyse machte VOIGT deutlich, dass der Bundesvorstand den Wahlantritt zunächst gar nicht hatte genehmigen wollen, er habe sich erst vom Landesvorstand überzeugen lassen. Der Landesverband sei VOIGT zufolge "durch jahrelange interne Probleme geschwächt" und habe keine kommunalpolitische Verankerung gehabt. Man sei schließlich in dem Bewusstsein zur Wahl angetreten, nach dem Erfolg in Sachsen einen "Mitnahmeeffekt" ausnutzen zu können. Laut VOIGT habe die NPD den Wahlkampf nicht nur gegen den politischen Gegner, sondern auch gegen die Medien führen müssen. Die "Systemmedien" würden zwar über die Partei reden, jedoch niemals einen NPD-Vertreter zu Wort kommen lassen. In einem Beitrag in derselben Ausgabe der "Deutschen Stimme" wurde die Medienschelte mit der Verbreitung antisemitischer Thesen verbunden. Der Autor des Artikels "Ratten, Schmeißfliegen, Maden" führte 202 Rechtsextremismus dazu aus: "Üblicherweise werden zur Veranschaulichung des aggressiven Antisemitismus der Nationalsozialisten zwei plakative Beispiele herangezogen: Die von Julius Streicher herausgegebene Zeitung 'Der Stürmer' und der 1940 unter der Regie Fritz Hipplers gedrehte Film 'Der ewige Jude'." Aus diesen Werken würde dann u.a. "der berüchtigte Vergleich von Juden mit Ratten, die sich wie eine Plage über die ganze Welt verbreitet hätten" zitiert. Dieser "Stürmer-Jargon" habe offensichtlich "den Zusammenbruch von 1945 überlebt und gehört nun zum Standardrepertoire der Diktion etablierter Medien und Politiker, wenn es 'gegen Rechts' geht", so der Autor, der einen Zeitungskolumnisten und den Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins namentlich angriff. Mit Begriffen wie "Nazi-Ratten" würden "Repräsentanten dieser im Niedergang befindlichen politischen Klasse und ihre willfährigen Schreibtischtäter in den Redaktionsstuben der Lizenzmedien" eine "Pogromstimmung gegen nationalorientierte Deutsche" anheizen. Antisemitische und revisionistische Argumentationsmuster im Sinne ihres "Kampfes um die Köpfe" ließ die NPD anlässlich des 60. Jahrestages der Bombardierung Dresdens erkennen. Für den 21.01.05 hatte die sächsische NPD-Landtagsfraktion eine "Aktuelle Debatte zum Thema '60. Jahrestag des anglo-amerikanischen Terrorangriffs auf Dresden'" beantragt. Während dieser Debatte bezeichnete ein NPD-Abgeordneter die alliierten Luftangriffe als "Bombenholocaust von Dresden". Der Fraktionsvorsitzende und stellvertretende Bundesvorsitzende Holger APFEL (Foto) kritisierte - laut "Deutsche Stimme Februar 2005" - im Landtag "die einseitige Fixierung der etablierten Politik auf die nichtdeutschen Opfer", während im "dichtgefüllten Terminkalender der Sühnekultur" für die deutschen Opfer kein Platz sei. Die Zahlen der deutschen Opfer würden - so APFEL - ständig heruntergerechnet, und es sei absurd, "daß ausgerechnet jene an Zahlen herummanipulieren, die sonst bei jeder Gelegenheit Menschen vor Strafgerichte des BRD-Gesinnungsstaates zerren, weil sie jüdische Opferzahlen in Frage stellen". Der mit "Auschwitz als Staatsräson" überschriebene Artikel endete mit einem Zitat eines Landtagsabgeordneten der NPD, wonach die Fraktion "die nächsten Jahre nutzen wird, um auch hier im sächsischen Landtag mächtige Schneisen in das Dickicht antideutscher Geschichtslügen zu schlagen". 203 Rechtsextremismus In der gleichen Ausgabe der "Deutschen Stimme" wurde dem am 11.11.05 in Österreich wegen des Verdachts der "NS-Wiederbetätigung" inhaftierten Revisionisten David IRVING (Foto) auf mehreren Seiten die Gelegenheit zur Geschichtsklitterung gegeben. Der Brite IRVING wurde von dem Redakteur als einer der profundesten Kenner der deutschen Zeitgeschichte, insbesondere "der Ereignisse im Zusammenhang mit den alliierten Vernichtungsangriffen auf Dresden", bezeichnet. Die Wahl von Mahmoud AHMADINEJAD zum iranischen Präsidenten und dessen Israel-feindliche Äußerungen wurden von der NPD ebenfalls für unterschwellige antisemitische Anfeindungen genutzt. Nachdem das neue Staatsoberhaupt in der August-Ausgabe der "Deutschen Stimme" als "Konservativer Revolutionär" portraitiert worden war, wurden dessen verbale Attacken auf den Staat Israel in der Dezember-Ausgabe ausführlich kommentiert: "Daß gerade der Iran fein unterscheidet zwischen Judaismus und Zionismus wird in der Berichterstattung hierzulande bewußt oder unbewußt ignoriert." Der muslimische Protest richte sich nicht gegen die in Israel lebenden Menschen, sondern gegen das Konstrukt des Staates Israel, der sich selbst als "Judenstaat" definiere und somit aus Sicht des Iran gegen "eine jüdisch-völkische Identität, die den 'Judenstaat' automatisch zu einem rassistischen Staat werden lasse". Der Autor des NPD-Artikels fährt fort, dies würde aus iranischer Perspektive Widerstand gegen Israel, auch militärischen, rechtfertigen. Gegen die "technisch perfektionierte Kriegsmaschine der israelischen Armee" habe sich das Selbstmordattentat - vor allem gegen militärische Einrichtungen - längst als die "Waffe der Schwachen" etabliert. Im Sommer 2005 wurden Texte des "Amtes für Öffentlichkeitsarbeit" der NPD mit dem Titel "Handreichung für die öffentliche Auseinandersetzung - Argumente für Kandidaten und Funktionsträger" bekannt. In einem Vorwort schrieb der Parteivorsitzende VOIGT, ein Mitglied der sächsischen Landtagsfraktion habe die am häufigsten gestellten Fragen an die Fraktionsmitglieder zusammengetragen und mögliche Antworten zusammengestellt. Mit diesen Antworten habe "jeder Nationaldemokrat die Argumente zur Hand, die notwendig sind, um 204 Rechtsextremismus den politischen Gegner parieren zu können." Da es laut VOIGT immer schwieriger werde, eigene NPD-Veranstaltungen in Deutschland durchzuführen, solle man "im Sinne der Wortergreifungsstrategie die Veranstaltungen des politischen Gegners" besuchen, um "etablierte Politiker und Kandidaten zur Rede zu stellen." In den "Argumentationshilfen" nimmt die Partei kein Blatt vor den Mund: Die Partei sei nicht ausländerfeindlich, sondern einwanderungsfeindlich. Sie habe nichts gegen Türken in der Türkei. "Die multikulturelle Gesellschaft" werde abgelehnt, weil in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit "jeder ausländische Arbeitsplatzbesitzer und Sozialschnorrer einer zuviel" sei. Dies zu verhindern sei ein "Gebot praktischer nationaler Solidarität". Ein Vielvölkerstaat auf deutschem Boden trage - entgegen der Multikulti-Propaganda der Systempolitiker - den Keim des Kulturenund Völkerkrieges in sich. Multikulti sei nämlich kein buntes, harmonisches Straßenfest, sondern ende in Mord und Totschlag. Auch auf die Frage, ob die NPD eine antisemitische Partei sei, gab sie ihren Funktionsträgern eine klare Antwort: "Selbstverständlich nehmen wir uns das Recht heraus, die Großmäuligkeit und die ewigen Finanzforderungen des Zentralrates der Juden in Deutschland zu kritisieren. Juden unterliegen keinem Kritikverbot. Wir lassen uns von der Holocaust-Industrie, ein Wort des Juden Norman Finkelstein, 60 Jahre nach Kriegsende pseudomoralisch nicht erpressen, politisch nicht bevormunden und finanziell nicht auspressen." Die Antwort auf die Frage "Wer ist für die NPD ein Deutscher?", erinnert an die NS-Rassenlehre: "Deutscher ist, wer deutscher Herkunft ist und damit in die ethnisch-kulturelle Gemeinschaft des deutschen Volkes hineingeboren wird. ...In eine Volksgemeinschaft kann man nicht einfach einoder austreten wie in einen Sportverein, man wird in sie hineingeboren. ...Längst ist erwiesen, daß das Erbliche bei Einzelnen wie bei evolutionsbiologischen Gemeinschaften verwandter Menschen in Völkern und Rassen gleichermaßen für die Ausbildung körperlicher wie nichtkörperlicher Merkmale verantwortlich ist. Angehörige anderer Rassen bleiben deshalb körperlich, geistig und seelisch immer Fremdkörper, gleich wie lange sie in Deutschland leben, und mutieren durch die Austeilung bunt bedruckten Papiers nicht zu Deutschen." 205 Rechtsextremismus Hamburg Im Laufe des Jahres 2005 gab es in der Hamburger NPD gravierende Veränderungen. Die Mitgliederzahl des über Jahre als "Altherrenverein" abgeschriebenen und von der Entwicklung auf Bundesebene weitgehend abgekoppelten Landesverbandes wuchs von 95 auf 140 Personen. Der Zuwachs resultierte aus etlichen ehemaligen REP-Mitgliedern, die im Rahmen des "Hamburger Signals" zur NPD übergetreten waren (Archiv 2005, Rechtsextremismus, " 'Republikaner' in Hamburg lösen sich auf und treten zur NPD über"). Auch die Zahl der Neonazis und neonazistischen Skinheads in der Partei stieg. Als bedeutsam für die weitere Entwicklung der Hamburger NPD könnte sich der Wechsel an der Spitze des Landesverbandes erweisen. Auf dem Landesparteitag am 27.11.05 wurde mit Anja ZYSK (34, Foto) erstmals eine Frau an die Spitze eines Landesverbandes gewählt (Archiv 2005, Rechtsextremismus, "Wachablösung bei Hamburger NPD"). Die neue Landesvorsitzende hat offensichtlich - ebenso wie andere neue Funktionäre der Hamburger NPD - die "Argumente für Kandidaten und Funktionsträger" des Bundesvorstandes verinnerlicht. Plakativ forderte sie in einer Selbstdarstellung anlässlich des Bundestagswahlkampfes (Download-Bibliothek, "Wahlbericht zur Bundestagswahl 2005") u.a. die "Abschaffung des Asylrechts und sofortige Ausländerrückführung". In dieser Frage wurde eine deutliche Verschärfung des Tons in der politischen Auseinandersetzung erkennbar. Der bisherige Landesvorsitzende Ulrich HARDER wollte "Ausländische Kriminelle, abgelehnte Asylbewerber, Dauer-Sozialhilfe-Empfänger ausweisen" und unterschied - zumindest in der öffentlichen Darstellung im Sinne des EU-Vertrages zwischen "EU-Ausländern" und "Nicht-EU-Ausländern". Solche Differenzierungen scheinen für ZYSK keine Rolle zu spielen. Ganz im Sinne der "Handreichung" des Bundesvorstandes ist für sie "jeder ausländische Arbeitsplatzbesitzer und Sozialschnorrer einer zuviel". Der Direktkandidat für den Wahlkreis Wandsbek der Hamburger NPD im Bundestagswahlkampf, Dr. Karl GÖBEL, stellte sich - ebenso wie die neue Landesvorsitzende - mit Bild auf der Internetseite der Ham206 Rechtsextremismus burger NPD vor und forderte u.a. "Schluß mit Multikulti, Hamburg muß wieder ein deutsches Stadtbild bekommen". Er setzte im Wahlkampf auf die vom Bundesvorsitzenden propagierte "Wortergreifungsstrategie" und versuchte vergeblich, sich an einer privat organisierten Podiumsdiskussion in einem Einkaufszentrum zu beteiligen. Sein Wahlkampf wurde - insbesondere durch Infostände - von der "Neonaziund Skinheadszene in Bramfeld" unterstützt. Jürgen RIEGER ( IV., 8), Rechtsanwalt und Organisator der bisherigen "Heß-Märsche", führte die Landesliste der Hamburger NPD an. In einer Gastkolumne in der "Deutschen Stimme" im August 2005 meinte RIEGER, niemand müsse in Deutschland den Gürtel enger schnallen, wenn das Geld nur für deutsche Zwecke ausgegeben würde: "Kindergeld und Sozialhilfe für Ausländer, Wiedergutmachung, Entwicklungshilfe, Zahlungen an den Weltwährungsfonds, an die UNO, die UNESCO, die EU, Besatzungstruppen, Asylbewerber usw. belasten Deutschland mit 170 Milliarden im Jahr." Dies sei zwar derzeit alles gesetzlich geregelt, aber national denkende Deutsche im Bundestag könnten dies ändern. Im Bezirk Harburg setzte der dortige Kreisvorsitzende der NPD seine Bemühungen fort, jüngere, auch parteiungebundene, Rechtsextremisten für die politische Arbeit zu gewinnen. Die damit einhergehende, anwachsende Präsenz der Rechtsextremisten im öffentlichen Raum ist auch ein Grund für die zunehmende Konfrontation in der Auseinandersetzung zwischen Rechtsund Linksextremisten im Stadtteil. Der Kreisvorsitzende trat als Direktkandidat für den Wahlkreis Bergedorf/ Harburg zur Bundestagswahl an und verteilte vor einer Harburger Schule die vom Bundesvorstand herausgegebene "Schulhof-CD" ( IV., 6). 8. Sonstige rechtsextremistische Organisationen und Bestrebungen Neben den genannten rechtsextremistischen Bereichen existiert eine Vielzahl weiterer Organisationen, Bündnisse, Einrichtungen und Initiativen, die sich in ihrer politisch-ideologischen Ausrichtung sowie in Größe und Bedeutung erheblich unterscheiden. Den "sonstigen" rechtsextremistischen Organisationen gehörten Ende 2005 etwa 4.000 Personen an (2004: 4.300). Darunter erfasst sind Kleinstparteien, Vereinigungen und Sammlungsbestrebungen, Organisationen mit 207 Rechtsextremismus kultureller, traditionspflegender, antisemitischer oder heidnisch-germanischer Ausrichtung, Rechtshilfevereine sowie intellektuelle Zirkel. Die "Gesellschaft für freie Publizistik e.V." (GfP) ist nach wie vor die mitgliederstärkste rechtsextremistische Kulturvereinigung. Ihr gehören vor allem Verleger, Redakteure, Schriftsteller und Buchhändler an. Den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten bildete der jährlich stattfindende Jahreskongress, der vom 08. bis 10.04.05 in Bayreuth/ Bayern unter dem Motto "60 Jahre nach Kriegsende: Befreiung von der 'Befreiung'!" stattfand. Unter den angekündigten Teilnehmern befanden sich führende Rechtsextremisten wie der NPD-Funktionär Holger APFEL sowie der GfP-Funktionär und Herausgeber des rechtsextremistischen Theorieund Strategieorgans "Nation & Europa", Harald NEUBAUER. An dieser Veranstaltung beteiligten sich etwa 300 Personen, darunter auch Hamburger Rechtsextremisten. Die GfP veröffentlichte im April 2005 drei Resolutionen: "Zur Einschränkung von Grundrechten", "Zum Europäischen Haftbefehl" und "Gegen einseitige Vergangenheitsbewältigung", die auch bei anderen rechtsextremistischen Organisationen Erwähnung und Zuspruch fanden. Die Bemühungen von Rechtsextremisten, regionale oder überregionale Sammlungsbewegungen zu bilden, setzten sich 2005 fort. Diverse rechtsextremistische Zusammenschlüsse wie das "Nationale Bündnis Dresden e.V." (NBD) sowie weitere regionale Bündnisse nach dessen Vorbild, die Kleinpartei "Ab jetzt...Bündnis für Deutschland - Partei für Volksabstimmung und gegen Zuwanderung ins 'Soziale Netz'", die "Bürgerbewegung Pro Köln e.V." blieben bei diesen Bemühungen zumeist wenig erfolgreich. Weitere Zusammenschlüsse wie das "Bündnis Rechts" (BR), die "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH), das "Friedenskomitee 208 Rechtsextremismus 2000" und die "Deutschland-Bewegung" zeigten 2005 keine nennenswerte Aktivitäten. Das "Nationale Bündnis Dresden e.V." ist bisher der aktivste und erfolgreichste regionale Zusammenschluss dieser Art. Nachdem es ihm im Jahr 2004 gelungen war, in den Dresdner Stadtrat einzuziehen, diente er Gleichgesinnten in anderen Städten und Regionen als Vorbild. So initiierten Angehörige der NPD, REP, DVU und der DP Ende 2004 das "Nationale Bündnis Heilbronn e.V." (NBH) und Anfang 2005 das "Nationale Bündnis Region Hannover e.V." (NBRH). Weitere Bündnis-Gründungen wurden angekündigt. Vorrangiges Ziel dieser als Vereine organisierten, regionalen Zusammenschlüsse ist die Teilnahme an Kommunalwahlen. Die "Deutsche Partei - Die Freiheitlichen" (DP) sieht sich im rechtsextremistischen Spektrum als parteiund organisationsübergreifendes "Sammelbecken für alle deutschen Patrioten". Ihre 14 Landesverbände, darunter auch einer in Hamburg, wiesen im Jahr 2005 nur wenige Aktivitäten auf. Durch innerparteiliche Streitigkeiten und geringe Akzeptanz ist die DP bislang erfolglos. Teile der Parteibasis wollten sich dem von der NPD und der DVU eingegangenen Bündnis, der "Volksfront von Rechts" ( IV.,1), anschließen. Dagegen plädierte der Bundesvorsitzende, Heiner KAPPEL, für eine Zusammenarbeit mit den REP. Der Richtungsstreit führte im Januar 2005 zu einer Absetzung des Bundesvorsitzenden durch den Bundesvorstand und der Einleitung eines Parteiausschlussverfahrens. Vereinzelt beteiligten sich Hamburger Rechtsextremisten im Jahre 2005 an bundesweit auffälligen Aktivitäten zur Wiederherstellung des Deutschen Reiches. Die Anhänger verschiedener "Reichsgruppierungen" stellten die Legitimation des bundesdeutschen Systems, seiner Vertreter, Institutionen und des Grundgesetzes in Frage und forderten die Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit des Deutschen Reiches. Sie stellten Reichspapiere und -dokumente her, um sie u.a. anstelle eines Personalausweises zu benutzen. Sie erlangten jedoch innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums keine besondere Bedeutung und agierten weitgehend isoliert. 209 Rechtsextremismus Vertreter eines Deutschen Reichsgedankens mit Einfluss im Rechtsextremismus sind das "Deutsche Kolleg" (DK) und die "Reichsbürgerbewegung" bzw. "Reichsbewegung" (RBB bzw. RB) mit ihren Protagonisten Dr. Reinhold OBERLERCHER und Horst MAHLER. Dr. Reinhold OBERLERCHER und Horst MAHLER Der Hamburger Rechtsextremist Reinhold OBERLERCHER (Foto) leitet das "Deutsche Kolleg" (DK). Er wird dabei von dem Würzburger Rechtsextremisten Uwe MEENEN unterstützt. Als Vertreter des "Deutschen Reiches" sieht sich das DK als "Denkorgan" und "geistige Verbindung reichstreuer Deutscher und reichstreuer Schutzgenossen", in seiner Funktion als "Schild und Schwert" des Deutschen Reiches als "Souverän" des Deutschen Volkes. Damit verbindet das DK das Recht "zum Kriege" und die Legitimation, "Urteile" gegen "Reichsfeinde" "körperlich zu vollstrecken" und diese "militärisch unter Beschluß und Beschuß zu nehmen". Wegen seines "geistigen Charakters" erklärt das DK jedoch den Verzicht auf Ausübung dieses "materiellen Teils der Staatsgewalt". Das DK sieht seine Hauptaufgabe weiterhin in der "theoretischen, pädagogischen und programmatischen Reichstätigkeit", welche die "nationale Intelligenz" zur "Wortergreifung" befähigen soll. Den Schwerpunkt seiner Aktivitäten im Jahr 2005 bildete daher die theoretische Schulung der eigenen wie auch der Anhänger anderer Parteien, Organisationen und Bildungsträger. Eigene Schulungsveranstaltungen des DK, z.B. zu den Themen "Grundschulung Reichsbürgerkunde" und "Hegels Naturphilosophie", fanden 2005 mit weniger Resonanz statt. Sie wurden in einem Gasthof in Mosbach/Thüringen durchgeführt, der auch anderen Rechtsextremisten als Veranstaltungsort diente. Da offenbar weniger Schulungen nachgefragt wurden, versuchte das DK, sich verstärkt durch Veröffentlichung revisionistischer, NS-verherrlichender, antisemitischer, rassistischer und antidemokratischer Grundsatzerklärungen und Thesenpapiere zu profilieren. Die Aktivitäten MAHLERs konzentrierten sich auf die Bekämpfung der "Offenkundigkeit des Holocaust" und auf den Versuch, mit der "Reichsbürgerbewegung" (RBB) bzw. "Reichsbewegung" (RB) einen 210 Rechtsextremismus eigenen bundesweiten Zusammenschluss gleich gesinnter Reichsanhänger zu schaffen. Mit antisemitischer, rassistischer, NS-verherrlichender, revisionistischer, ausländerfeindlicher und antiamerikanischer Propaganda wurde gegen die Bundesrepublik agitiert. "Reichsfeinde" wie die "US-Ostküste" wurden beschuldigt, durch "fremdkulturelle Vermischung" die "Auslöschung des Deutschen Volkes" anzustreben. Die nachlassenden Propaganda-Aktivitäten der RBB umfassten in erster Linie die gelegentliche Verbreitung so genannter "Gedankenflügler" wie Faltblätter, Flugschriften und Aufkleber. MAHLER, (Foto oben) der innerhalb der internationalen Revisionistenszene ein gewisses Ansehen besitzt, engagierte sich weiterhin auch für den "Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten" (VRBHV). Hauptanliegen des Vereins ist die Agitation gegen die Holocaust-Geschichtsschreibung und die "Auschwitz-Lüge". In diesem Sinne nutzten MAHLER und andere VRBHV-Anhänger Gerichtsverhandlungen wegen der "Leugnung des Holocaust" als Bühne zur Verkündung ihrer antisemitischen und revisionistischen Verschwörungstheorien. Eine Gelegenheit, im Sinne ihrer Anti-Holocaust-Propaganda tätig zu werden, bot sich anlässlich der Festnahme und des Gerichtsverfahrens gegen den deutschen Revisionisten Ernst ZÜNDEL (Foto). MAHLER bekundete seine Solidarität mit dem als "Kriegsgefangenen" und "Symbol für den unbeugsamen Wahrheitswillen des menschlichen Geistes" wegen Volksverhetzung "verfolgten" ZÜNDEL. Den Prozessauftakt vor dem LG Mannheim am 08.11.05 versuchten MAHLER und seine Anhänger als Bühne ihres "Feldzuges gegen die Offenkundigkeit des Holocaust" zu nutzen. MAHLERs Absicht, sich als Assistent der Pflichtverteidigerin in den Prozess einzubringen, scheiterte. Wegen des gegen ihn 2004 verhängten Berufsverbots als Rechtsanwalt wurde er vom Richter von der Verteidigerbank gewiesen. Darüber hinaus organisierte MAHLER in enger Zusammenarbeit mit Anhängern und Funktionären des VRBHV und des in Vlotho/NRW an211 Rechtsextremismus sässigen "Collegium Humanum" (CH) in Mosbach/Thüringen Seminare der "Reichsbewegung". Auf diesen Veranstaltungen referierte MAHLER zu den Themen "Befreiungskampf und Volksaufstand" und "Warum wurde das von Adolf Hitler geführte Deutsche Reich von den Westmächten zusammengeschlagen?". Zu strafrechtlichen Ermittlungen und Urteilen kam es insbesondere im Zusammenhang mit den vom DK veröffentlichten Erklärungen. Gegen OBERLERCHER und MAHLER sind verschiedene Ermittlungsverfahren anhängig. Die Hamburger DK-Anhänger waren 2005 nicht regional aktiv. Sie beteiligten sich lediglich an den wenigen überregionalen Schulungsveranstaltungen des DK. Die Aktivitäten der Hamburger RBB-Anhänger beschränkten sich im Wesentlichen auf die Verteilung von Propagandamaterial. Die Bemühungen um den Aufbau einer regional strukturierten, zur kontinuierlichen Arbeit befähigten "Reichsbürgerbewegung-Region Hamburg" bzw. "Reichsbürgerbewegung-Region Nord" blieben bislang erfolglos. Die Hamburger VRBHV-Anhänger versuchten u.a., sich bei Gerichtsverhandlungen durch Propaganda zu profilieren. So nutzte der Hamburger Klaus KAPING, vormals DK-Aktivist und jetziger MAHLER-Anhänger, am 11.01.05 eine Gerichtsverhandlung vor dem AG Bad Oeynhausen zur Rechtfertigung der ihm vorgeworfenen Verharmlosung der während der NS-Herrschaft an den Juden begangenen Verbrechen und Herabwürdigung des Holocaust und seiner Opfer. KAPING stellte die offiziellen Opferangaben über die in Auschwitz vergasten Juden in Frage, bezeichnete den Holocaust als "Mythos" und rein jüdisch-religiöse Angelegenheit und sprach der Bundesrepublik und ihren Einrichtungen die Legitimation ab. Das AG verurteilte KAPING zu einer Geldstrafe. Dieser legte gegen das Urteil Berufung ein. Jürgen RIEGER Der Rechtsanwalt und langjährig aktive Hamburger Rechtsextremist Jürgen RIEGER setzte seine politischen Aktivitäten und sein juristisches Engagement für Rechtsextremisten auch 2005 fort. Der mehrfach wegen politisch motivierter Taten vorbestrafte RIEGER verfügt 212 Rechtsextremismus über umfangreiche Kontakte zu anderen Rechtsextremisten in Hamburg, im Bundesgebiet und im Ausland. RIEGER (Foto) ist im Besitz diverser Immobilien, die er z.T. als Bevollmächtigter der in London ansässigen "Wilhelm Tietjen Stiftung für Fertilisation Limited" erwarb. Einige dieser Immobilien werden von Rechtsextremisten als Treffund Anlaufpunkt genutzt, andere dienen RIEGER bislang nur als Finanzund Renditeobjekte. Im Mittelpunkt der Befürchtungen, dass RIEGER ein rechtsextremistisches Schulungszentrum aufbauen könnte, stand die ehemalige Bundeswehr-Liegenschaft "Heisenhof" in Dörverden/ Niedersachsen, die er im Jahr 2004 erworben hatte. Bereits im Dezember 2004 hatte der Landkreis Verden Nutzungen wie das Wohnen in den Gebäuden des "Heisenhofs" verboten. Im Mai 2005 wurde diese Nutzungsuntersagung vom OVG Lüneburg bestätigt. Am 14.10.05 war der "Heisenhof" Ziel einer polizeilichen Durchsuchung, da dort ein Tatverdächtiger vermutet wurde. Dieser sollte bei einer Auseinandersetzung zwischen Migranten und deutschen Jugendlichen am 24.09.05 in Langwedel eine Schreckschusswaffe eingesetzt haben. Die Polizei konnte bei dem offensichtlich auf dem "Heisenhof" wohnenden Beschuldigten eine entsprechende Waffe sicherstellen. Gegen die "Wilhelm-Tietjen-Stiftung", vertreten durch RIEGER, wurde wegen Verstoßes gegen die Nutzungsuntersagung ein Zwangsgeld von 10.000 Euro verhängt. Auch das von der "Wilhelm-TietjenStiftung" in Pößneck/Thüringen erworbene "Schützenhaus" (Foto) diente Rechtsextremisten als Treffpunkt. Am 02.04.05 veranstaltete die Thüringer NPD dort ihren Landesparteitag. An einer anschließenden Konzertveranstaltung beteiligten sich rund 1.000 Personen ( IV., 6). 213 Rechtsextremismus Im Rahmen seiner rechtsextremistischen Aktivitäten war RIEGER außerdem in der von ihm geleiteten "Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V." und in dem ihr angeschlossenen "Familienwerk e.V." aktiv. Unter seiner Führung gab die "Artgemeinschaft" Propagandamaterial und verschiedene Schriften wie die "Nordische Zeitung" heraus. In Thüringen wurden "Gemeinschaftstage" mit jeweils bis zu 200 Teilnehmern veranstaltet. Im Rahmen dieser Treffen fanden auch Mitgliederversammlungen, "Things" und Gemeinschaftsratssitzungen beider Vereine statt. Die norddeutschen Anhänger traten als "Gefährtschaft Nordmark" auf. Unter Leitung ihres "Goden" RIEGER kamen in der Vergangenheit bis zu 20 Personen in Niedersachsen zu regionalen Treffen zusammen. Wie in den Vorjahren war RIEGER auch 2005 als Anmelder des Rudolf-Heß-Gedenkmarsches aktiv, der in Wunsiedel/Bayern stattfinden sollte. Der Gedenkmarsch zum 18. Todestag des Hitler-Stellvertreters wurde jedoch untersagt. RIEGER scheiterte mit seinen Versuchen, gerichtlich gegen das Veranstaltungsverbot vorzugehen. Ersatzweise beteiligte er sich am 20.08.05 an einer rechtsextremistischen Kundgebung in Nürnberg unter dem Tenor "Arbeit für Deutsche - keine Stimme den Kriegsparteien". Parteipolitisch engagierte sich RIEGER (Foto: links, neben Wulff) für die NPD, ohne der Partei beigetreten zu sein. Zur Bundestagswahl am 18.09.05 wollte sich RIEGER als Direktkandidat in Rostock aufstellen lassen und in Hamburg als Spitzenkandidat der Partei antreten. Deshalb griff er aktiv in den NPDWahlkampf ein. Aufgrund parteiinterner Versäumnisse bei der Wahlanmeldung konnte RIEGER seine Nominierung in Rostock jedoch nicht wahrnehmen. ( IV., 7.3). 214 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Scientology-Organisation V. Scientology Organisation (SO) 1. Zielsetzungen Die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren des Bundes und der Länder (IMK) stellte im Juni 1997 fest, dass hinsichtlich der Scientology Organisation (SO) tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorliegen und deshalb die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden gegeben sind. Ihre Ideologie und Expansionsabsichten veröffentlicht die SO wiederkehrend ohne inhaltliche Änderungen in grundlegenden Schriften (u.a. so genannte Richtlinienbriefe) und bringt sie den ständig zur Expansion und Werbung angehaltenen Scientologen nachhaltig nahe. Die SO wirkte auch im Jahr 2005 mit ihrer verfassungsfeindlichen Ideologie auf die politische Willensbildung ihrer Mitglieder ein. Die parlamentarische Demokratie wird abgelehnt. Die Verwirklichung einer von der SO maßgeblich beeinflussten Gesellschaft würde wesentliche Grundund Menschenrechte einschränken oder gar außer Kraft setzen. Die Schriften des SO-Gründers L. Ron Hubbard (LRH), die als unabänderlich gelten, fordern die Errichtung einer scientologischen Zivilisation. Die SO hat als Nahziel nicht die unmittelbare Teilhabe an Politik oder Teilnahme an politischen Willensbildungsprozessen in systemoppositioneller Weise - wie etwa andere extremistische Erscheinungsformen - im Sinn, sondern strebt eine stetige Vergrößerung der Organisation und steigende finanzielle Einnahmen an. Das ist die spezielle Methode der SO, nach Macht und Einfluss zu streben. Deutlich wird das in Hubbards Richtlinie zum Thema "Expansion": 216 Scientology-Organisation "Wir erobern sowieso nicht Land in dem Sinne, wie Regierungen es tun." Stattdessen beabsichtigt die SO, durch eine Ausdehnung in die Gesellschaft hinein ihre "Technologien" zu etablieren (Arbeitsfeld Scientology "Ideologie und Zielsetzungen"), um dann meinungsbildend zu wirken und eine Führungsrolle zu übernehmen. In der Vorstellungswelt von Scientologen ist das eine Selbstverständlichkeit, gelten doch bei ihnen nur sie selbst als ehrliche oder fähige Menschen und alle anderen u.a. als "aberriert" (Aberration = Geistige Störung bzw. nicht durch die Vernunft gesteuertes Verhalten). In diesem scientologischen Sinne werden auch Demokratien als "aberriert" betrachtet. In einem Hubbard-Bulletin zur "Theorie der Scientology Organisationen" heißt es: "Demokratien hassen Verstand und Können." Scientologen sollen sich vor "parlamentarischen Vorgehensweisen" hüten: "Sollten Sie jemals die Gelegenheit haben, für Ihre Gruppe eine Führungsperson auszuwählen, seien sie dabei nicht 'demokratisch'". Die nicht verfassungskonformen Absichten der SO sowie die Rechtmäßigkeit der Beobachtung durch den Verfassungsschutz wurden in einem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln im November 2004 bestätigt. Die "Scientology Kirche Deutschland e.V." und die "Scientology Kirche Berlin e.V." hatten gegen die Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz geklagt. Nach dieser Niederlage legten die Kläger Anfang 2005 Berufung ein, das Verfahren dauert an. 2. Aktivitäten Mit immer neuen Versuchen, die Arbeit der SO anzukurbeln, wurde bereits im Jahr 2004 "Eine völlig neue Stufe der Expansion" propagiert. Der SO-Führer David Miscavige (Foto) wies dabei auf die "idealen Orgs" hin, "um planetarisches Klären in Gang zu setzen" ("International Scientology News", Ausgabe 27). Weltweit sollen seither größere SO-Niederlassungen zu "idealen Orgs" ausgebaut werden. Dass damit nicht nur kirchliche Aspekte 217 Scientology-Organisation anvisiert werden, deutete Miscavige 2005 in der "International Scientology News" (Ausgabe 30) an: "Ja, für den Einzelnen bedeutet das, die Brücke zu persönlicher Freiheit zu Clear und darüber hinaus hinaufzugehen. Das besagt es aber kaum alles...Während früher einige dachten, bei Kirchen gehe es im Wesentlichen um Auditing und Ausbildung, meinen wir mit unserer neuen Art von Organisation das, was in ihren Gemeinden, Städten und geographischen Gebieten passiert...Wie erreicht man die nötige Größenordnung, um diese neue Zivilisation zu schaffen?" Neben anderen Orgs im Bundesgebiet wetteiferte auch die Hamburger Org im Jahr 2005 um eine Expansion in diesem Sinne; das Ziel bleibt eine vergrößerte bzw. einflussreichere "ideale Org". Sie erklärte im "Newsletter Ideale Org Hamburg" vom April 2005: "Jeder Sektor der Scientology ist in der idealen Org zu Hause und findet dort seinen zentralen Ausgangspunkt in die Gesellschaft, um dort neue Einrichtungen zu schaffen..." Was hier nur zwischen den Zeilen steht, wird in einem Artikel der "Scientology News" (Ausgabe 29, 2004) deutlicher: "Um für unsere Lösungen auf höchstmöglicher Ebene Interesse zu schaffen, begannen wir im letzten Jahr mit einem Programm, um die LRH-Lösungen direkt in die Hände der Opinionleader und gewählten Volksvertreter Europas zu bringen." Auch in einem "Newsletter" aus dem Jahr 2005 wurden Scientologen aufgerufen, politisch verantwortliche Personen zu umwerben: "...wenn wir über LRHTech sprechen, dann wollen wir alle Gesellschaftsschichten erreichen. Du solltest derjenige sein, der das Krankenhaus besucht, den Bürgermeister, den Landeshauptmann etc." 218 Scientology-Organisation Die Scientology Kirche Hamburg kündigte das Erreichen des Zustands der "Idealen Org" für Ende Januar 2006 an. In einem Umfrageformular für Scientologen wurde deutlich, wie ernsthaft und wie massiv "...eine neue Zivilisation, die bereits am Entstehen ist", angestrebt werden soll: "Betrachten wir es so, daß wir uns im Krieg befinden." Auf diesem mit martialischen Tönen unterlegten langen Weg zu Macht und Einfluss in Staat und Gesellschaft gibt die SO nicht auf. Niederlagen, Stagnation sowie Kritik an der SO werden ausgeblendet. Ihre Führungselite suggeriert allen Scientologen einen stetigen Erfolg der Organisation und fordert von ihnen Statistiken mit ständig steigenden Werten. Am Beginn neu kreierter Projekte, wie beispielsweise dem der aktuellen "idealen Org", steht immer der Versuch, möglichst viele neue Mitglieder zu gewinnen. Tatsächlich haben sich im Jahr 2005 in Deutschland und insbesondere in Hamburg die Werbeaktivitäten erhöht. Mit Infoständen und der Anmietung eines Ladens in der Hamburger Innenstadt wurden die regelmäßig durch die zwei Hamburger Orgs stattfindenden Propaganda-Aktivitäten ergänzt. Eine noch aus dem Jahr 2004 stammende, in diesem Laden eingerichtete "Ausstellung über das Leben und Werk von L. Ron Hubbard - Gründer von Dianetik und Scientology" schloss im Mai 2005 die Pforten. Ab Mitte Juni nutzte die SO-Nebenorganisation "Kommission für Verstöße der Psychiatrie" (KVPM) dort für kurze Zeit die Räume. Mit StressTests, bunten Scientology-Büchern zu herabgesetzten Preisen und beredsamen Scientologen waren diese Ausstellungen darauf ausgerichtet, neue Mitglieder zu werben. Wie in den Jahren zuvor, folgten auch im Oktober 2005 Hamburger Scientologen dem Aufruf der "International Association of Scientologists" (IAS, Arbeitsfeld Scientology, "Strukturen und Organisationseinheiten"), in Saint Hill/GB an einer Jahrestagsfeier der IAS teilzunehmen, um "... unsere Fortschritte zu feiern und ein neues Jahr von sogar noch größerer Expansion in Angriff zu nehmen.". 219 Scientology-Organisation 3. Strukturen in Hamburg/Mitgliederzahlen Hamburg ist weiterhin ein Schwerpunktgebiet scientologischer Aktivitäten in Deutschland. Hamburger Scientologen sind in der Verbreitung scientologischer Technologien und Strukturen sowohl in Deutschland als auch zeitweise im Ausland engagiert. Sie pflegen u.a. enge Verbindungen zu einer SO-Schule in Dänemark und zur Europazentrale der SO in Kopenhagen. Neben der kleineren Eppendorfer Org (in Wandsbek!) verfügt die Hamburger Org über einen Einzugsbereich in die umliegenden Bundesländer. Ihre zentrale Lage in Hamburg ist ein werbestrategisch günstiger Standort. Zur Hamburger Org zählen nach wie vor auch Personen aus dem "Office of Special Affairs" (OSA). Dieser Bereich ist u.a. für Public Relation, Rechtsangelegenheiten und zur Abwehr von Aufklärungsaktivitäten gegen die SO zuständig und führt dabei auch geheimdienstähnliche Operationen durch. (Arbeitsfeld Scientology, "Strukturen und Organisationseinheiten"/ Publikationen/Download: Broschüre "Der Geheimdienst der Scientology-Organisation") Mit der Verbreitung scientologischer Inhalte und mit der Werbung von Mitgliedern sind aber nicht nur die Orgs befasst. Zum weltweiten Organisationsgeflecht der SO gehören diverse Nebenorganisationen (Arbeitsfeld Scientology, Strukturen und Organisationseinheiten), die nicht alle auf den ersten Blick als Scientology -Ableger kenntlich sind. In Hamburg machte die "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte" (KVPM) im Berichtsjahr vermehrt durch Informationsangebote auf sich aufmerksam. Die KVPM prangert angeblichen Psychiatriemissbrauch an, um auf alternative SO-Technologie aufmerksam zu machen. Dieses Prinzip der Gegenangebote in Bereichen der Bildung, Resozialisierung und Lebenshilfe jeder Art nutzt die SO systematisch, um für ihre Technologie bzw. ihre Ideologie (Ar220 Scientology-Organisation beitsfeld Scientology, "Ideologie und Zielsetzungen") und SO-Mitgliedschaften zu werben. Im Wirtschaftsbereich ist es das "World Institute of Scientology Enterprises" (WISE), das in Hamburg mit einem "Charter Komitee" als Kontrollinstanz sowie verschiedenen Mitgliedsfirmen und Einzelmitgliedern scientologische Verwaltungs-, Ethikund Rechtssysteme in die Geschäftswelt einführen soll. Auch wenn sich die Resonanz bei Anwerbungsversuchen in Grenzen hielt, deutet doch einiges darauf hin, dass die Hamburger Org durch forcierte Werbeaktivität einen leichten Mitgliederzuwachs im Jahr 2005 erzielen konnte. Bundesweit blieben die geschätzten Mitgliederzahlen aller SO-Organisationseinheiten mit 5.000 bis 6.000 konstant. In Hamburg ist die Zahl leicht gestiegen und liegt nun bei gut 700. 221 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Spionageabwehr VI. Spionageabwehr 1. Überblick Die Bedrohungslage im Aufgabenbereich der Spionageabwehr hat sich auch im Jahre 2005 nicht verändert. Die Bundesrepublik Deutschland ist aufgrund ihrer geopolitischen und wirtschaftlichen Bedeutung sowie ihres hohen Forschungsund Technologiestandards, ungeachtet der globalen politischen Veränderungen, nach wie vor ein bevorzugtes Aufklärungsziel ausländischer Geheimdienste. Die Freie und Hansestadt Hamburg als eine stetig wachsende Metropole und bedeutender Wirtschafts-, Wissenschaftsund Pressestandort gehört zu den Bundesländern, die traditionell im Fokus fremder Nachrichtendienste stehen. In Deutschland agieren insbesondere Nachrichtendienste aus Ländern, die der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) angehören, sowie aus Staaten des nah-, mittelund fernöstlichen Raumes. Die Aufklärungsziele ausländischer Dienste reichen von der klassischen Spionage - d.h. der Informationsbeschaffung aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Militär - bis hin zur Ausspähung und Unterwanderung in Deutschland ansässiger Organisationen und Personen, die in Opposition zu ihren Regierungen im Heimatland stehen. Seit einigen Jahren ist die nachrichtendienstlich gesteuerte Beschaffung von Proliferationsgütern, die auf das Machtstreben der Regierungen einzelner Länder zurückzuführen ist, von besonderer Bedeutung. Die Spionageabwehr beobachtet daher das von ausländischen Nachrichtendiensten gesteuerte oder auf nachrichtendienstliche Weise erfolgte Beschaffen von Gütern und Know how, das sich auf die Herstellung und Entwicklung atomarer, biologischer und chemischer Massenvernichtungswaffen sowie die dafür erforderliche Raketentechnologie richtet (Proliferation). 224 Spionageabwehr Die Tätigkeit fremder Nachrichtendienste im Bundesgebiet stellt einen Angriff auf die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland dar. Die Abwehr von Aktivitäten fremder Nachrichtendienste ist daher unverzichtbar. An dieser schwierigen Aufgabe arbeiten die Ämter für Verfassungsschutz des Bundes und der Länder eng zusammen. 2. Methoden der Nachrichtengewinnung Trotz der verstärkten Zusammenarbeit ausländischer Nachrichtendienste mit deutschen Sicherheitsbehörden bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus sehen einige der Länder, mit denen kooperiert wird, nicht davon ab, in Deutschland Spionage zu betreiben. Wenn auch die Medien nur noch selten über aktuelle oder spektakuläre Spionagefälle bePix richten, darf dies die Öffentlichkeit nicht e darüber hinwegtäuschen, dass es weiter- e lle.d hin umfangreiche nachrichtendienstliche ue Aktivitäten fremder Dienste in DeutschlQ land gibt. Zur Methodik dieser Nachrichtendienste gehören sowohl die offene als auch die konspirative, d.h. die verdeckte, Nachrichtenbeschaffung, wobei in den letzten Jahren die offene Beschaffung an Bedeutung gewonnen hat. Gleichwohl verzichten die Nachrichtendienste auch weiterhin nicht auf konspirative Arbeit. Immer wieder greifen sie über vertrauliche Verbindungen auf menschliche Informationsquellen zurück, insbesondere dann, wenn geheim gehaltene Informationen beschafft werden sollen. Der Einsatz solcher Quellen ist für jeden Nachrichtendienst unverzichtbar. Geführt werden Agenten durch die Zentrale der fremden Dienste und deren getarnte Stützpunkte, die sich direkt im Operationsgebiet der Agenten befinden und vorrangig an den diplomatischen und konsularischen Vertretungen eingerichtet werden. Die unter diplomatischer Tarnung eingesetzten Mitarbeiter finden dort ideale Voraussetzungen für ihre Aufklärungsarbeit. Ihr Status erleichtert ihnen eine unverfängliche 225 Spionageabwehr Kontaktaufnahme mit interessanten Gesprächspartnern, zudem genießen sie bei einer möglichen Enttarnung den diplomatischen Schutz vor Strafverfolgung. Kontakte knüpfen die operativ tätigen Mitarbeiter der gegnerischen Nachrichtendienste insbesondere bei offiziellen Einladungen und öffentlichen Veranstaltungen wie Messen, Vorträgen oder Symposien. Diese bieten eine gute Plattform, um geeignete Zielpersonen auszuwählen und anzusprechen. Als Diplomat oder Journalist getarnt, sind sie durch geschickte Gesprächsführung in der Lage, die Lebensumstände, Zugangsmöglichkeiten, Charaktereigenschaften und Motive für eine evtl. spätere Zusammenarbeit mit ihren Zielpersonen PixelQuelle.de in Erfahrung zu bringen. Dabei versuchen sie von vornherein, ein vertrauliches Verhältnis aufzubauen. Ziel ist es, menschliche Quellen mit Perspektive zu gewinnen, die langfristig Informationen aus ihren Zugangsbereichen beschaffen können. Die Betroffenen erkennen den nachrichtendienstlichen Hintergrund meistens nicht. Bei dieser Art der Nachrichtenbeschaffung können die Grenzen zum Geheimnisverrat leicht überschritten werden. Weitere Möglichkeiten der offenen Informationsbeschaffung bieten auch die der Allgemeinheit zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten, wie z.B. die systematische Auswertung von wissenschaftlichen Forschungsberichten, Fachinformationszentren, Datenbanken und auch das Internet. 3. Die Nachrichtenund Sicherheitsdienste der Russischen Föderation Die Aufklärungsbestrebungen russischer Nachrichtendienste in Deutschland werden trotz positiver Entwicklung der politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit unvermindert fortgesetzt. Die Bundesrepublik Deutschland wird von den russischen Diensten als vor226 Spionageabwehr rangiges Zielland in Europa angesehen und nach wie vor mit Priorität ausgeforscht. Russland verfügt nach wie vor über einen der weltweit größten und mächtigsten Sicherheitsapparate. Der Stellenwert der Nachrichtendienste in der Russischen Föderation ist unverändert hoch. Wie zu Zeiten des ehemaligen KGB sind auch die heutigen Dienste ein wichtiges Instrument für die politische und militärische Führung des Landes. Die bedeutendsten Nachrichtendienste Russlands sind: * der zivile Inlandsdienst FSB * der zivile Auslandsnachrichtendienst SWR * der militärische Aufklärungsdienst GRU. Zu den Hauptaufgaben des mit polizeilichen Exekutivbefugnissen ausgestatteten FSB zählen die Spionageabwehr, die Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kriminalität sowie der Schutz der heimischen Industrie vor Wirtschaftsspionage. Obwohl als Inlandsdienst konzipiert, ist der FSB befugt, auch Auslandsspionage durchzuführen. Darüber hinaus obliegt diesem Dienst in Russland eine intensive Internetüberwachung. Alle russischen Anbieter von Internetzugängen sind dazu verpflichtet, dem FSB einen Zugriff auf ihre Datennetze zu ermöglichen. Der Dienst hat derzeit wieder eine Machtfülle, die tendenziell dem ehemaligen, nahezu allmächtigen KGB entspricht. Wie der FSB ist auch der Auslandsdienst SWR dem russischen Präsidenten direkt unterstellt. Der SWR ist für die zivile Auslandsaufklärung zuständig. Die Aufklärungsschwerpunkte des Dienstes sind die klassischen Bereiche Politik, Wissenschaft und Technik sowie wirtschaftliche Fragen. Zudem soll er bei der Bekämpfung der Proliferation und des internationalen Terrorismus mitwirken. Darüber hinaus betreibt der SWR Gegenspionage mit dem Ziel, Aktivitäten und Arbeitsmethoden westlicher Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden auszuforschen. 227 Spionageabwehr Die GRU ist der militärische Auslandsnachrichtendienst der Russischen Föderation und untersteht dem Verteidigungsministerium. Die Aufklärungsaktivitäten der GRU umfassen das gesamte militärische Spektrum. Interesse besteht vor allem an Informationen über die Bundeswehr und das westliche Verteidigungsbündnis. Wie in Russland sind auch in allen elf übrigen GUS-Staaten die Nachrichtendienste ein fester Bestandteil des politischen Systems. Die meisten Dienste der GUS arbeiten eng mit den russischen Nachrichtendiensten zusammen. Das kann vom Austausch von Erkenntnissen bis zur Führung gemeinsamer Operationen reichen. 4. Die Nachrichtendienste von Staaten des Nahen, Mittleren und Fernen Ostens Die Bundesrepublik Deutschland ist aufgrund ihrer politischen und wirtschaftlichen Bedeutung seit einigen Jahren ein verstärktes Aufklärungsziel auch für Staaten des Nahen- , Mittlerenund Fernen Ostens. Schwerpunkt der Aktivitäten dieser Dienste ist die Beobachtung, Ausspähung und Neutralisierung ihrer im Bundesgebiet aufhältlichen eigenen Landsleute, die in Opposition zu dem politischen Regime ihres Heimatlandes stehen. Aufklärungsziel dieser Nachrichtendienste sind Strukturen, Funktionäre, Mitglieder sowie Zielsetzung der hier aktiven Organisationen und Vereine. Der iranische Nachrichtendienst konzentriert sich z.B. schwerpunktmäßig auf die Beobachtung und Bekämpfung der iranischen Oppositionsgruppen. Dabei sind die "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK; II.,7.3) und ihr politischer Arm, der "Nationale Widerstandsrat Iran" (NWRI), ein vorrangiges Ziel. Die politische Bekämpfung durch gezielte Gegenpropaganda und Provokation spielt dabei eine wichtige Rolle. Der NWRI ist auch in Hamburg aktiv. Ausforschung und Unterwanderung systemkritischer Landsleute im Ausland sind auch die Schwerpunkte der syrischen und chinesischen Nachrichtendienste. Ethnische oder religiöse Minderheiten zählen 228 Spionageabwehr ebenso zu ihrem Beobachtungsfeld wie hier studierende Landsleute und Gastwissenschaftler. Die VR China konnte in den letzten Jahren ein stetiges Wirtschaftswachstum verzeichnen. Um Anschluss an die Standards der westlichen Welt zu erreichen, bemüht sich China mit Hilfe seiner Nachrichtendienste vorrangig um Informationen aus dem Bereich Wirtschaft und Rüstungstechnologie. 5. Proliferation und Wissenstransfer durch die Nachrichtendienste der Krisenländer Die massiven Aufrüstungsbemühungen verschiedener Drittweltstaaten im Bereich der atomaren, biologischen und chemischen Waffen (ABCWaffen) werden weltweit mit wachsender Besorgnis beobachtet. Staaten wie Indien, Iran, Nordkorea, Pakistan und Syrien halten nach wie vor den Besitz von Massenvernichtungswaffen für unverzichtbar, um außenpolitische Bedrohungen abwehren oder eigene politische Forderungen nachdrücklich durchsetzen zu können. Einige dieser Länder sind bereits in der Lage, B- und C-Waffen bis zur Einsatzreife herzustellen. Zur Modernisierung bestehender und Entwicklung technisch anspruchsvoller Systeme sind diese Länder auf den Import westlicher Güter und Technologien angewiesen. Mit Hilfe ihrer Nachrichtendienste und unter Umgehung bestehender internationaler Exportbestimmungen versuchen diese sog. Krisenländer, konspirativ ihre Beschaffungsziele zu erreichen. Für die Verfassungsschutzbehörden ist daher die Aufklärung von Proliferationsbemühungen ein wesentlicher Aufgabenschwerpunkt geworden. Die Aufklärungsbemühungen gestalten sich allerdings immer schwieriger, da die nachrichtendienstlich gesteuerte Beschaffung von Mitteln zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen einem Versteckspiel gleichkommt. Ein wesentliches Charakteristikum der Proli229 Spionageabwehr feration besteht darin, dass sich die Weiterverbreitung "indirekt" vollzieht. Ein Großteil der Proliferationsaktivitäten läuft im Verborgenen ab. Der Öffentlichkeit ist kaum bewusst, mit welch hoher Intensität manche Länder ihre Rüstungsprojekte im Bereich der Massenvernichtungswaffen verfolgen und sich die dazu erforderlichen technischen Mittel in den Industrieländern beschaffen. In der Regel werden dabei Zwischenhändler oder Tarnfirmen eingeschaltet, der Endabnehmer und die Lieferwege werden dabei bewusst verschleiert. Die benötigten Güter werden für angeblich wissenschaftliche oder zivile Zwecke deklariert, sind tatsächlich aber für Rüstungszwecke vorgesehen. Da die Beschaffung des technischen Know how eine weNukleare Anreicherungsanlage sentliche Komponente darstellt, im iranischen Natans erstreckt sich die Prüfung, was für die Proliferation von Nutzen sein könnte, auch auf ingenieurwissenschaftliche und naturwissenschaftlich-technische Informationsquellen in Bildung, Forschung und Wirtschaft der westlichen Industriestaaten. Die unkontrollierte Beschaffung und Verbreitung von Massenvernichtungswaffen bedeutet eine ernsthafte und wachsende Gefährdung des Weltfriedens. Deshalb arbeiten die Verfassungsschutzbehörden eng mit dem Bundesnachrichtendienst (BND), dem Bundeskriminalamt (BKA), Zollkriminalamt (ZKA) und dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zusammen, um diese illegalen Geschäfte aufzudecken und zu verhindern. 230 Spionageabwehr Beispiele für Proliferationsverstöße 1. Mitarbeiter des BKA, des ZKA und des BAFA durchsuchten am 27.04.05 die Geschäftsräume einer Unternehmensgruppe in Thüringen und Bayern. Hintergrund des Ermittlungsverfahrens war die Lieferung von proliferationsrelevanten Systemen von Deutschland nach Hongkong. Der deutsche Geschäftsführer des Unternehmens stand in dringendem Verdacht, Vibrationsunterlagen geliefert zu haben, die zur Entwicklung von Raketenträger-Technologie benötigt werden. Die Lieferung wurde Ende 2004 durch die Zollbehörden in Dubai / VAE angehalten, von wo aus sie nach Iran weitergeleitet werden sollte. Es besteht der Verdacht, dass staatliche iranische Stellen in die Beschaffung der Systeme involviert sind und diese Teile im Rahmen des militärischen Trägerraketenprogramms verwendet werden sollten. 2. Der Geschäftsführer einer im Raum München ansässigen deutschen Firma wurde am 24.11.05 wegen Unterstützung des pakistanischen Atomwaffenprogramms durch unerlaubte Warenlieferungen zu sieben Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Dem Angeklagten konnten insgesamt 21 Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz nachgewiesen werden. Ihm wurde zur Last gelegt, von 2000 bis 2004 Material im Gesamtwert von rd. 400.000 Euro an pakistanische Firmen geliefert zu haben, die am Atomwaffenprogramm beteiligt sind. Die Produkte sind für eine Verwendung in einer Gas-Ultrazentrifuge geeignet, mit der Uran für die Verwendung in kerntechnischen Anlagen und auch zum Bau von Atombomben nutzbar gemacht wird. Die beiden Beispiele verdeutlichen die Anstrengungen dieser sog. Krisenländer, neben dem Ausbau ihrer konventionellen Rüstungsbereiche auch in den Besitz von Massenvernichtungswaffen zu gelangen. Die Bundesrepublik Deutschland rückt dabei immer stärker ins Zielspektrum von Beschaffungsbemühungen auf dem Gebiet der proliferationsrelevanten Güter. 231 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Geheimund Sabotageschutz VII. Geheimund Sabotageschutz 1. Allgemeines Die Bundesrepublik Deutschland hat sich als Mitglied der NATO und anderer überund zwischenstaatlicher Organisationen über ihre nationalen Interessen hinaus verpflichtet, bestimmte Sicherheitsvorkehrungen beim Austausch geheimhaltungsbedürftiger Informationen Gehe im mit den Partnerstaaten einzuhalten. Solche Informationen, deren Kenntnisnahme durch Unbefugte den Bestand oder lebenswichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder beeinträchtigen könnten, müssen wirkungsvoll geschützt und im Interesse des Staates geheim gehalten werden. Der Geheimschutz unterliegt zwar bundeseinheitlich gleichen Regeln, sie werden aufgrund der föderalistischen Struktur der Bundesrepublik jedoch von den Ländern in eigener Verantwortlichkeit bestimmt. Durch personelle, technische und organisatorische Vorkehrungen strebt das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) in seinem Zuständigkeitsbereich an, einen Schutz vor der Ausforschung staatlicher geheimhaltungsbedürftiger Informationen durch Unbefugte zu erreichen. Amtlich geheim zu haltende Angelegenheiten, so genannte Verschlusssachen, gibt es nicht nur in staatlichen, sondern auch in privatgesellschaftlichen Bereichen, z.B. bei Wirtschaftsunternehmen, die im staatlichen Auftrag Güter produzieren. Verschlusssachen sind im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse - unabhängig von ihrer Darstellungsform (z.B. Schriftstücke, Zeichnungen, Karten, Fotokopien, Lichtbildmaterial, elektronische Dateien und Datenträger, elektrische Signale, Geräte, technische Einrichtungen oder das gesprochene Wort). Sie werden nach ihrer Schutzbedürftigkeit von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung entweder als STRENG GEHEIM, GEHEIM, VS-VERTRAULICH oder VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH klassifi234 Geheimund Sabotageschutz ziert. Entscheidend für die Einstufung ist das mögliche Risiko im Fall der Kenntnisnahme durch Unbefugte. 2. Geheimschutz im Behördenbereich Im Hamburgischen Verfassungsschutzgesetz, im Hamburgischen Sicherheitsüberprüfungsgesetz und in der Verordnung zur Bestimmung sicherheitsempfindlicher Bereiche sowie der Verschlusssachenanweisung für die Behörden der Freien und Hansestadt Hamburg sind die dem LfV übertragenen Mitwirkungsaufgaben geregelt. Ziel des staatlichen Geheimschutzes ist es, die geheimhaltungsbedürftigen Informationen des Staates optimal vor einer Preisgabe an Unbefugte zu sichern. Für die Verschlusssachen selbst ist ebenfalls ein optimaler Schutz zu gewährleisten. 2.1 Materieller Geheimschutz Verschlusssachen sind in alarmgesicherten Räumen oder geeigneten Behältnissen (z.B. in Tresoren) zu verwahren. Ebenso muss ihr Versand oder Transport besonderen Bedingungen unterliegen, um Verluste oder Preisgaben an Unbefugte möglichst auszuschließen. Da die öffentliche Verwaltung zunehmend von der Informationsund Kommunikationstechnik unterstützt wird, wandelt sich das Bild des materiellen Geheimschutzes. Panzerschränke und Alarmanlagen sind zwar weiterhin erforderlich, doch muss verstärkt auch den neuen Medien Rechnung getragen werden. Mit den steigenden Anforderungen an die Informationstechnik ist auch deren Komplexität stetig gewachsen. Eine datengestützte Herstellung und Verarbeitung von Verschlusssachen unterliegt besonderen Risiken ungewollter Preisgaben, denen entgegengewirkt werden muss. Die üblichen informationstechnischen Sicherungsfunktionen wie etwa eine Zugangsoder Zugriffskontrolle reichen dabei oftmals nicht aus, 235 Geheimund Sabotageschutz es müssen stärkere Schutzmaßnahmen implementiert werden. Dabei arbeiten die Landesbehörden für Verfassungsschutz eng mit dem Bundesamt für die Sicherheit (Foto) in der Informationstechnik zusammen. Für die Umsetzung aller Schutzmaßnahmen ist die Einsicht der Betroffenen in die Notwendigkeit des materiellen Geheimschutzes eine wichtige Voraussetzung. Daher hat die Beratung und Schulung betroffener Behördenbediensteter und Unternehmensmitarbeiter einen hohen Stellenwert. Das LfV berät Einzelpersonen, öffentliche Stellen der Freien und Hansestadt Hamburg und hier ansässige Wirtschaftsunternehmen bei der Planung und Durchführung technischer und organisatorischer Sicherungsmaßnahmen; es informiert über Verschlusseinrichtungen und Alarmsysteme. 2.2 Personeller Geheimschutz Der Umgang mit Verschlusssachen ist nicht nur organisatorisch, sondern auch personenbezogen zu regeln. In konsequenter Fortführung der materiellen Vorkehrungen dürfen nur solche Personen mit Verschlusssachen befasst werden, die dazu nach Maßgabe des personellen Geheimschutzes befugt sind. Das Hamburgische Sicherheitsüberprüfungsgesetz (HmbSÜG) ist die Grundlage des personellen Geheimschutzes. Sicherheitsüberprüfungen dienen der individuellen Feststellung, ob einer bestimmten Person eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit übertragen werden kann. Sollten tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die die Zuweisung einer solchen Tätigkeit aus Gründen des staatlichen Geheimschutzes verbieten - so genannte Sicherheitsrisiken -, darf eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit nicht übertragen werden. Die Art der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit bestimmt das jeweilige Überprüfungsverfahren. Der Umfang der Überprüfungen reicht von der einfachen Karteibzw. Datensatzsichtung bis hin zur Befragung von Referenzpersonen. 236 Geheimund Sabotageschutz Das HmbSÜG enthält gegenüber den Sicherheitsüberprüfungsgesetzen des Bundes und anderer Länder einen erweiterten Aufgabenkatalog. Unabhängig vom tatsächlichen Umgang mit Verschlusssachen können auch Personen überprüft werden, die in einer Dienststelle tätig sind, die aufgrund ihrer Aufgabenstellung oder ihres herausgehobenen politischen Gewichts zum Sicherheitsbereich erklärt wurde, ferner Personen, die in zentralen sicherheitsempfindlichen öffentlichen Bereichen in Funktionen der Informationsund Kommunikationstechnik tätig sind. Mit der so genannten verkürzten Sicherheitsüberprüfung bietet das HmbSÜG gegenüber anderen Sicherheitsüberprüfungsgesetzen eine Besonderheit. Sie ermöglicht Behörden, den kurzzeitigen Zugang zu einem Sicherheitsbereich zu gewähren, ohne eine komplette - für diese kurzzeitige Tätigkeit unangemessene - Sicherheitsüberprüfung durchführen zu müssen (z.B. bei unaufschiebbaren Maßnahmen von Handwerkern). Im Jahr 2005 hat das LfV Hamburg 1.613 Sicherheitsüberprüfungen bearbeitet. 3. Geheimschutz in der Wirtschaft Deutsche Wirtschaftsunternehmen sind fortdauernd der Gefahr illegaler Ausforschungen ausgesetzt. Deshalb werden Firmen, die geheimhaltungsbedürftige Staatsaufträge (z.B. Rüstungsaufträge, Errichtung verteidigungswichtiger Anlagen) erhalten, in die Geheimschutzverfahren von Bund und Ländern aufgenommen. Darum müssen Mitarbeiter von Unternehmen, die mit solchen Aufträgen befasst sind, einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden. In Hamburg, einem der bedeutendsten Wirtschaftsstandorte Deutschlands, sind Wirtschaftsunternehmen unterschiedlichster Art und Branchenzugehörigkeit ansässig. Vom LfV Hamburg werden davon etwa 170 Unternehmen betreut. In geheimschutzrelevanten Fragen wird nicht nur mit Einzelberatungen geholfen. Zur Betreuung gehören ebenso Informationsveranstaltungen, in denen grundsätzliche Probleme angesprochen und Lösungsmöglichkeiten erörtert werden. Bei der Jahrestagung des Arbeitskreises der Sicherheitsbevollmächtigten der 237 Geheimund Sabotageschutz Werften in Norddeutschland und ihrer Zulieferer sowie im Arbeitskreis der Sicherheitsbevollmächtigten der Hamburger Wirtschaft werden regelmäßig weitere geheimschutzrelevante Themen mit Vertretern des LfV besprochen ("Verfassungsschutz informierte Wirtschaft und Behörden") . Zu den Betreuungsschwerpunkten des Verfassungsschutzes gehören - entsprechend der Wirtschaftsstruktur Hamburgs - der Bereich der Marinetechnik (der nicht nur von der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch von befreundeten NATOStaaten und anderen Ländern genutzt wird) sowie Unternehmen der Luftfahrttechnik. Auch die in der Medienstadt Hamburg ansässigen großen Verlagshäuser zeigen Interesse an Informationen zum Schutz der Wirtschaft. Ziel der Betreuung von Wirtschaftsunternehmen ist es, die Verantwortungsträger durch Aufklärung zu unterstützen, um der Wirtschaftsspionage, der illegalen Informationsgewinnung und auch der erhöhten Bedrohung durch den internationalen Terrorismus entgegentreten zu können. Von besonderer Bedeutung sind Informationen über die Missbrauchsmöglichkeiten von Gütern, die scheinbar für zivile Anwendungsbereiche in Krisenregionen exportiert werden, tatsächlich aber für die Waffenherstellung Verwendung finden. Die Verfassungsschutzbehörden wollen präventiv bei Wirtschaftsunternehmen und Forschungseinrichtungen den Blick für die Risiken durch Proliferation ( VI. 5) schärfen. 4. Personeller Sabotageschutz Im Rahmen des vorbeugenden personellen Sabotageschutzes werden darüber hinaus Zuverlässigkeitsüberprüfungen durchgeführt. 238 Geheimund Sabotageschutz Um mögliche sicherheitsgefährdende, geheimdienstliche oder terroristische Aktivitäten aufzuklären oder abzuwehren, kommen als präventive Maßnahmen vereinzelte Überprüfungen bei Unternehmen, Verbänden und anderen Institutionen hinzu. Der vorbeugende personelle Sabotageschutz sieht für Personen, die in sicherheitsempfindlichen Bereichen des Hamburger Flughafens beschäftigt werden sollen, Überprüfungen nach SS 7 Luftsicherheitsgesetz vor. Die Kontrollen im Luftverkehr wesentlich zu verschärfen war eines der Ziele des Terrorismusbekämpfungsgesetzes. In dem im Januar 2005 verabschiedeten "Gesetz zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben" (Luftsicherheitsgesetz - LuftSiG) wurden die Zuverlässigkeitsüberprüfungen für Personen definiert, die am Hamburger Flughafen beschäftigt sind. Im Jahr 2005 wurden 12.686 Personen unter Mitwirkung des LfV auf ihre Zuverlässigkeit überprüft. Einer Überprüfung werden ebenfalls Personen unterzogen, die an besonders sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensund verteidigungswichtigen Einrichtungen tätig sind, insbesondere im Bereich der elektrischen Energieversorgung (z.B. HEW / Vattenfall). Im Rahmen der Gesetzgebung zur Terrorismusbekämpfung wurde die Aufgabe der Überprüfung von Personen in lebensund verteidigungswichtigen Einrichtungen auch im Sicherheitsüberprüfungsgesetz des Bundes (SÜG) festgeschrieben. Mit der bereits im Juli 2003 verabschiedeten Sicherheitsüberprüfungsfeststellungsverordnung (SÜFV) stehen neben den öffentlichen Stellen auch Wirtschaftsunternehmen mit lebensund verteidigungswichtigen Einrichtungen in der Pflicht, an sicherheitsempfindlichen Stellen nur sicherheitsüberprüftes Personal zu beschäftigen. Mit der Prüfung soll festgestellt werden, ob über firmeneigenes Personal oder solches von Fremdfirmen relevante Erkenntnisse vorliegen, die bei einer Tätigkeit in einer sicherheitsempfindlichen Stelle ein Sabotagerisiko darstellen. Die "International Maritime Organization" (IMO) - ein Beschlussgremium der UNO - hatte, vor dem Hintergrund der Auswirkungen von 239 Geheimund Sabotageschutz möglichen terroristischen Anschlägen auf Schiffe und Häfen, zur Absicherung des internationalen Seeschifffahrtsverkehrs ein Regelwerk, den ISPS-Code, geschaffen. Diesen Regelungen ist die Bundesrepublik Deutschland beigetreten, sie hat den Code zum 01.07.2004 als nationales Recht umgesetzt. Seine Normen schreiben weltweit Sicherheitsmaßnahmen auch für Hafenanlagen vor, darunter auch Personenüberprüfungen. In dem am 06.10.05 in Kraft getretenen "Gesetz zur Verbesserung der Sicherheit im Hamburger Hafen239" (Hafensicherheitsgesetz - HafenSG) wurden die Modalitäten der Sicherheitsmaßnahmen - auch die für Zuverlässigkeitsüberprüfungen - festgelegt. Bislang wurden 51 Überprüfungen vorgenommen. Der Hamburger Verfassungsschutz wird gem. SS 12 b Atomgesetz außerdem an Überprüfungen von Personen beteiligt, die Kernbrennstoffe befördern oder in kerntechnischen Anlagen beschäftigt sind. ("Arbeitsfeld Geheimund Sabotageschutz") 240 Verfassungsschutz in Hamburg Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern Linksextremismus Rechtsextremismus Scientology-Organisation Spionageabwehr Geheimund Sabotageschutz Anhang * Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz * Abkürzungsverzeichnis * Stichwortverzeichnis Anhang / Verfassungsschutzgesetz Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz (HmbVerfSchG) Vom 7. März 1995 Zuletzt geändert durch Gesetz vom 6.10.2005 1. Abschnitt Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz SS 1 Zweck des Verfassungsschutzes SS 2 Zuständigkeit SS 3 Zusammenarbeit SS 4 Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz SS 5 Begriffsbestimmungen SS 6 Voraussetzung und Rahmen für die Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz 2. Abschnitt Erheben und weitere Verarbeitung von Informationen SS7 Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz SS8 Erheben von Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln SS9 Weitere Verarbeitung personenbezogener Daten SS 10 Verarbeitung von Daten Minderjähriger SS 11 Berichtigung, Sperrung und Löschung 3. Abschnitt Datenübermittlung SS 12 Übermittlung nicht personenbezogener Daten SS 13 Übermittlung personenbezogener Daten an inländische Nachrichtendienste SS 14 Übermittlung personenbezogener Daten an inländische öffentliche Stellen und Strafverfolgungsbehörden SS 15 Übermittlung personenbezogener Daten an Stationierungsstreitkräfte 242 Anhang / Verfassungsschutzgesetz SS 16 Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische öffentliche Stellen SS 17 Übermittlung personenbezogener Daten an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs SS 18 Übermittlung personenbezogener Daten an die Öffentlichkeit SS 19 Übermittlung personenbezogener Daten an das Landesamt für Verfassungsschutz SS 20 Registereinsicht durch das Landesamt für Verfassungsschutz SS 21 Übermittlungsverbote und -einschränkungen SS 22 Übermittlung personenbezogener Daten Minderjähriger 4. Abschnitt Auskunftserteilung SS 23 Auskunftserteilung 5. Abschnitt Parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes SS 24 Parlamentarischer Kontrollausschuss SS 25 Zusammensetzung und Pflichten des Ausschusses SS 26 Aufgaben des Ausschusses SS 27 Eingaben 243 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 1. Abschnitt Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz SS1 Zweck des Verfassungsschutzes (1) Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder. (2) Zu diesem Zweck tritt dieses Gesetz neben das Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz - BVerfSchG) vom 20. Dezember 1990 (Bundesgesetzblatt I Seiten 2954, 2970), zuletzt geändert am 16. August 2002 (BGBl. I S. 3217). SS2 Zuständigkeit (1) 1 Der Verfassungsschutz wird innerhalb der zuständigen Behörde vom Landesamt für Verfassungsschutz wahrgenommen. 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz ist ausschließlich hierfür zuständig. 3 Bei der Erfüllung seiner Aufgaben ist es an Gesetz und Recht gebunden (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf einer polizeilichen Dienststelle nicht angegliedert werden. 2 Ihm stehen polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse gegenüber polizeilichen Dienststellen nicht zu; es darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht befugt ist. SS3 Zusammenarbeit (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz ist verpflichtet, mit Bund und Ländern in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. 2 Die Zusammenarbeit besteht auch in gegenseitiger Unterstützung und Hilfeleistung sowie in der Unterhaltung gemeinsamer Einrichtungen. 244 Anhang / Verfassungsschutzgesetz (2) 1 Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz nach Maßgabe dieses Gesetzes und soweit eigenes Landesrecht dies zulässt, der Bund gemäß SS 5 Absatz 2 BVerfSchG nur im Benehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz tätig werden. 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf in den anderen Ländern tätig werden, soweit es die Rechtsvorschriften dieses Gesetzes und der anderen Länder zulassen. SS4 Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) 1 Aufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der verfassungsmäßigen Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht in der Bundesrepublik Deutschland, 3. Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungenauswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, 4. Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Absatz 2 des Grundgesetzes), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Absatz 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind (SS 3 Absatz 1 BVerfSchG). 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat insbesondere den Senat über Gefahren für die Schutzgüter des SS 1 zu informieren und die dafür zuständigen staatlichen Stellen in die Lage zu versetzen, Maßnahmen zu ihrer Abwehr zu ergreifen. 3 Darüber hinaus unterrichtet das Lan245 Anhang / Verfassungsschutzgesetz desamt für Verfassungsschutz mindestens einmal jährlich die Öffentlichkeit über Gefahren für die Schutzgüter des SS 1. (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz wirkt gemäß SS 3 Absatz 2 Satz 1 BVerfSchG mit 1. bei der Überprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich dienstlich verschaffen können, 2. bei der Überprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensund verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen und Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. 2 Die Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz bei der Mitwirkung nach Satz 1 Nummern 1 und 2 sind im Hamburgischen Sicherheitsüberprüfungsgesetz (HmbSÜG) vom 25. Mai 1999, zuletzt geändert am 4. Dezember 2002 (HmbGVBl. S. 327, 330), geregelt. 3 Die Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz bei der Mitwirkung an Zuverlässigkeitsüberprüfungen zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Hamburger Hafens sind im Hafensicherheitsgesetz vom 6. Oktober 2005 (HmbGVBl. S. 424) geregelt. SS5 Begriffsbestimmungen (1) 1 Im Sinne dieses Gesetzes sind: 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes solche politisch motivierten zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihnen gehörendes Gebiet abzutrennen, 246 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes solche politisch motivierten zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen, 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch motivierten zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. 2 Für einen Personenzusammenschluss handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt (SS 4 Absatz 1 Sätze 1 und 2 BVerfSchG). 3 Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes sind auch Verhaltensweisen gemäß Satz 1 von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln, wenn sie gegen Schutzgüter dieses Gesetzes mit Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder diese sonst angreifen und bekämpfen. (2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne diese Gesetzes zählen gemäß SS 4 Absatz 2 BVerfSchG 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, 4. die Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung und ihre Ablösbarkeit, 247 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 6. der Ausschluss jeder Gewaltund Willkürherrschaft und 7. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. SS6 Voraussetzung und Rahmen für die Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf nur Maßnahmen ergreifen, wenn und soweit sie zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind; dies gilt insbesondere für die Erhebung und weitere Verarbeitung personenbezogener Daten. 2 Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat es diejenige zu treffen, die den Einzelnen insbesondere in seinen Grundrechten und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. 3 Eine geringere Beeinträchtigung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Information aus allgemein zugänglichen Quellen oder durch eine behördliche Auskunft gewonnen werden kann. 4 Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. 5 Sie ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann. 2. Abschnitt Erheben und weitere Verarbeitung von Informationen SS7 Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben Informationen erheben und weiter verarbeiten. 2 Ist zum Zwecke der Datenerhebung die Übermittlung von personenbezogenen Daten unerlässlich, ist sie auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken. 3 Schutzwürdige Interessen des Betroffenen dürfen nur in unvermeidbarem Umfang beeinträchtigt werden. (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf bei den hamburgischen Behörden und den der Aufsicht der Freien und Hansestadt Ham248 Anhang / Verfassungsschutzgesetz burg unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur die Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben, die diesen Stellen im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung bereits vorliegen und die zur Erfüllung der Aufgaben des Verfassungsschutzes erforderlich sind. 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz braucht die Ersuchen nicht zu begründen, soweit dies dem Schutz des Betroffenen dient oder eine Begründung den Zweck der Maßnahme gefährden würde. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf im Einzelfall bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen unentgeltlich Auskünfte zu Konten, Konteninhabern und sonstigen Berechtigten sowie weiteren am Zahlungsverkehr Beteiligten und zu Geldbewegungen und Geldanlagen einholen, wenn dies zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 4 Absatz 1 Nummern 2 bis 4 erforderlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwerwiegende Gefahren für die in SS 4 Absatz 1 Nummern 2 bis 4 genannten Schutzgüter vorliegen. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf im Einzelfall zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 4 Absatz 1 Nummern 2 bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetzes) vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), zuletzt geändert am 22. August 2002 (BGBl. I S. 3390, 3391), bei Personen und Unternehmen, die geschäftsmäßig Postdienstleistungen erbringen, sowie bei denjenigen, die an der Erbringung dieser Dienstleistungen mitwirken, unentgeltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften, Postfächern und sonstigen Umständen des Postverkehrs einholen. (5) Das Landesamt für Verfassungschutz darf im Einzelfall bei Luftfahrtunternehmen unentgeltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften und zur Inanspruchnahme von Transportleistungen und sonstigen Umständen des Luftverkehrs einholen, wenn dies zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 4 Absatz 1 Nummern 2 bis 4 erforderlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwerwiegende Gefahren für die in SS 4 Absatz 1 Nummern 2 bis 4 genannten Schutzgüter vorliegen. (6) 1 Das Landesamt für Verfassungschutz darf im Einzelfall zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 4 Absatz 1 Nummern 2 bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 des Artikel 10-Gesetzes bei denjenigen, die 249 Anhang / Verfassungsschutzgesetz geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste und Teledienste erbringen oder daran mitwirken, unentgeltlich Auskünfte über Telekommunikationsverbindungsdaten und Teledienstnutzungsdaten einholen. 2 Die Auskunft kann auch in Bezug auf zukünftige Telekommunikation und zukünftige Nutzung von Telediensten verlangt werden. 3 Telekommunikationsverbindungsdaten und Teledienstnutzungsdaten sind: 1. Berechtigungskennungen, Kartennummern, Standortkennung sowie Rufnummer oder Kennung des anrufenden und angerufenen Anschlusses oder der Endeinrichtung, 2. Beginn und Ende der Verbindung nach Datum und Uhrzeit, 3. Angaben über die Art der vom Kunden in Anspruch genommenen Telekommunikationsund Teledienst-Dienstleistungen, 4. Endpunkte festgeschalteter Verbindungen, ihr Beginn und ihr Ende nach Datum und Uhrzeit. (7) 1 Auskünfte nach den Absätzen 3 bis 6 dürfen nur auf Antrag eingeholt werden. 2 Der Antrag ist durch den Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz oder seinen Stellvertreter schriftlich zu stellen und zu begründen. 3 Über den Antrag entscheidet der Präses oder bei seiner Verhinderung der Staatsrat der zuständigen Behörde. 4 Für die Entscheidung nach Satz 3 gilt SS 10 Absätze 2, 3 und 5 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend. 5 Er unterrichtet die Kommission nach SS 1 Absatz 1 des Gesetzes zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes vom 17. Januar 1969 (HmbGVBl. S. 5), zuletzt geändert am 4. Dezember 2002 (HmbGVBl. S. 327, 332), über die beschiedenen Anträge vor deren Vollzug. 6 Bei Gefahr im Verzug kann der Präses oder bei seiner Verhinderung der Staatsrat der zuständigen Behörde den Vollzug der Entscheidung auch bereits vor der Unterrichtung der Kommission anordnen; die Tatsachen, die Gefahr im Verzug begründen, sind aktenkundig zu machen und der Kommission mitzuteilen. 7 Die Kommission prüft von Amts wegen oder auf Grund von Beschwerden die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Einholung von Auskünften. 8 SS 15 Absatz 5 des Artikel 10-Gesetzes ist mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass die Kontrollbefugnis der Kommission sich auf die gesamte Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der nach den Absätzen 3 bis 6 erlangten personenbezogenen Daten erstreckt. 9 Entscheidun250 Anhang / Verfassungsschutzgesetz gen über Auskünfte, die die Kommission für unzulässig oder nicht notwendig erklärt, sind unverzüglich aufzuheben. 10 Für die Verarbeitung der nach den Absätzen 3 bis 6 erhobenen Daten ist SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. 11 SS 14 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. 12 Das Auskunftsersuchen und die übermittelten Daten dürfen dem Betroffenen oder Dritten vom Auskunftsgeber nicht mitgeteilt werden. 13 SS 12 Absätze 1 und 3 des Artikel 10-Gesetzes finden entsprechende Anwendung. (8) 1 Die nach Absatz 7 Satz 3 zuständige Behörde unterrichtet im Abstand von höchstens sechs Monaten den Kontrollausschuss gemäß SS 24 über die Durchführung der Absätze 3 bis 7; dabei ist insbesondere ein Überblick über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen nach den Absätzen 3 bis 7 zu geben. 2 Die nach Satz 1 zuständige Behörde erstattet ferner dem Parlamentarischen Kontrollgremium nach dem Kontrollgremiumgesetz vom 11. April 1978 (BGBl. I S. 453), zuletzt geändert am 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 1260), jährlich sowie nach Ablauf von drei Jahren nach In-Kraft-Treten dieses Gesetzes zusammenfassend zum Zweck der Evaluierung einen Bericht über die Durchführung sowie Art, Umfang und Anordnungsgründe der Maßnahmen nach den Absätzen 3 bis 7; dabei sind die Grundsätze des SS 2 Absatz 4 des Gesetzes zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes und des SS 5 Absatz 1 des Kontrollgremiumgesetzes zu beachten. (9) Das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird nach Maßgabe der Absätze 4, 6 und 7 eingeschränkt. SS8 Erheben von Informationen mit nachrichtendienstlichenMitteln (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf mit nachrichtendienstlichen Mitteln Informationen verdeckt erheben. 2 Der Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln ist vorbehaltlich SS 6 nur zulässig, wenn 1. er sich gegen Organisationen, unorganisierte Gruppen, in ihnen oder einzeln tätige Personen richtet, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 bestehen, 251 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 2. er sich gegen andere als die in Nummer 1 genannten Personen richtet, von denen auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den Betroffenen bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben, um auf diese Weise Erkenntnisse über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder gewalttätige Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 zu gewinnen, 3. auf diese Weise die zur Erforschung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 erforderlichen Nachrichtenzugänge geschaffen werden können oder 4. dies zur Abschirmung der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Nachrichtenzugänge des Landesamtes für Verfassungsschutz gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. 3 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf die so gewonnenen Informationen nur für die in Satz 2 genannten Zwecke verwenden. 4 Unterlagen, die für diese Zwecke nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu vernichten. 5 Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Informationen von anderen schriftlichen Unterlagen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand getrennt werden können; in diesem Fall unterliegen sie einem Verwertungsverbot. (2) 1 Zulässige nachrichtendienstliche Mittel sind 1. verdeckt eingesetzte hauptamtliche Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, 2. verdeckt eingesetzte Personen, die nicht in einem arbeitsvertraglichen oder öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Landesamt für Verfassungsschutz stehen, wie Vertrauensleute, Informanten, Gewährspersonen, 3. planmäßig angelegte Beobachtungen (Observationen), 4. Bildaufzeichnungen, 252 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 5. verdeckte Ermittlungen und Befragungen, 6. verdecktes Mithören ohne Inanspruchnahme technischer Mittel, 7. verdecktes Mithören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes oder sonstiger Signale unter Einsatz technischer Mittel innerhalb und außerhalb von Wohnungen (Artikel 13 des Grundgesetzes), 8. Beobachten und Aufzeichnen des Funkverkehrs, soweit nicht der Postund Fernmeldeverkehr nach Maßgabe des Artikel 10-Gesetzes betroffen ist, 9. Aufbau und Gebrauch von Legenden, 10. Beschaffen, Erstellen und Verwenden von Tarnpapieren und Tarnkennzeichen, 11. Überwachen des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs nach Maßgabe des Artikel 10-Gesetzes sowie 12. weitere vergleichbare Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung, insbesondere das sonstige Eindringen in technische Kommunikationsbeziehungen durch Bild-, Tonund Datenaufzeichnungen, um die nach Absatz 1 erforderlichen Informationen zu gewinnen. 2 Die nachrichtendienstlichen Mittel sind abschließend in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher Informationserhebungen regelt. 3 Die Dienstvorschrift bedarf der Zustimmung des Präses der zuständigen Behörde. 4 Dem Hamburgischen Datenschutzbeauftragten ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. 5 Die Behörden der Freien und Hansestadt Hamburg sind verpflichtet, dem Landesamt für Verfassungsschutz Hilfe für Tarnungsmaßnahmen zu leisten. (3) 1 Der verdeckte Einsatz besonderer technischer Mittel zur Informationsgewinnung ist im Schutzbereich des Artikels 13 des Grundgesetzes innerhalb von Wohnungen in Abwesenheit einer für das Landesamt für Verfassungsschutz tätigen Person zur Abwehr dringender 253 Anhang / Verfassungsschutzgesetz Gefahren für die Schutzgüter des SS 1 und unter Berücksichtigung des SS 6 nur zulässig, wenn die materiellen Voraussetzungen für einen Eingriff in das Brief-, Postoder Fernmeldegeheimnis nach SS 1 Absatz 1 Nummer 1 und SS 3 Absatz 1 Satz 1 des Artikel 10-Gesetzes vorliegen und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. 2 Der verdeckte Einsatz besonderer technischer Mittel darf sich nur gegen den Verdächtigen richten. 3 Bei unmittelbar bevorstehender Gefahr darf der Einsatz sich auch gegen Personen richten, von denen aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für die Verdächtigen bestimmte oder von ihnen herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder dass die Verdächtigen sich in ihrer Wohnung aufhalten. 4 In den Fällen des SS 53 Absatz 1 der Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 11. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3970), sind Maßnahmen nach den Sätzen 1 bis 3 nur zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass bei den zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten die materiellen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen. (4) 1 Die Anordnung des Einsatzes besonderer technischer Mittel nach Absatz 3 Satz 1 trifft der Richter. 2 Bei Gefahr im Verzug kann der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz oder bei seiner Verhinderung sein Vertreter einen Einsatz nach Absatz 3 Satz 1 anordnen; die Tatsachen, die Gefahr im Verzug begründen, sind aktenkundig zu machen. 3 Eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. 4 Die Anordnungen sind auf längstens vier Wochen zu befristen; Verlängerungen um jeweils nicht mehr als vier weitere Wochen sind auf Antrag zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung fortbestehen. (5) 1 Die Anordnung des Einsatzes besonderer technischer Mittel nach Absatz 3 Satz 1 wird unter der Aufsicht eines Beschäftigten des Landesamtes für Verfassungsschutz vollzogen, der die Befähigung zum Richteramt hat. 2 Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor oder ist der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Informationsgewinnung nicht mehr erforderlich, ist die Maßnahme unverzüglich zu beenden. (6) 1 Erkenntnisse und Unterlagen, die durch Maßnahmen nach Absatz 254 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 3 Satz 1 gewonnen wurden, dürfen zur Verfolgung und Erforschung der dort genannten Bestrebungen oder Tätigkeiten sowie nach Maßgabe des SS 4 Absätze 4 bis 6 des Artikel 10-Gesetzes verwendet werden. 2 SS 14 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt. 3 Für die Speicherung und Löschung der durch die Maßnahmen nach den Absätzen 3 und 7 erlangten personenbezogenen Daten sowie die Entscheidung über die nachträgliche Information der von Maßnahmen nach den Absätzen 3 und 7 Betroffenen gelten SS 4 Absatz 1 und SS 12 des Artikel 10Gesetzes entsprechend. 4 Die Zusammenarbeitsverpflichtung nach SS 3 bleibt unberührt. (7) 1 Der verdeckte Einsatz besonderer technischer Mittel im Schutzbereich des Artikels 13 des Grundgesetzes innerhalb von Wohnungen ist auch dann zulässig, wenn es ausschließlich zum Schutz der dort für den Verfassungsschutz tätigen Personen zur Abwehr von Gefahren für Leben, Gesundheit oder Freiheit unerlässlich ist und vom Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz oder bei seiner Verhinderung von seinem Vertreter angeordnet ist. 2 Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Kenntnisse zum Zweck der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr ist nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. 3 Die Tatsachen, die Gefahr im Verzug begründen, sind aktenkundig zu machen. (8) 1 Zuständiges Gericht zur Entscheidung nach den Absätzen 3 und 7 ist das Amtsgericht Hamburg. 2 Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. (9) Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) wird nach Maßgabe der Absätze 3 und 7 eingeschränkt. (10) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben nach SS 4 Absatz 1 Nummern 2 bis 4 unter den Voraussetzungen des SS 3 des Artikel 10-Gesetzes auch technische Mittel zur Ermittlung des Standortes eines aktiv geschalteten Mobilfunkendgerätes und zur Ermittlung der Geräteund Kartennummern einsetzen. 2 Die Maßnahme ist nur zulässig, wenn ohne die Ermittlung die Erreichung des Zwecks der Überwachungsmaßnahme aussichtslos oder 255 Anhang / Verfassungsschutzgesetz wesentlich erschwert wäre. 3 Für die Entscheidung über den Einsatz gilt SS 10 Absätze 2, 3 und 5 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend. 4 Für die Verarbeitung der Daten gilt SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend. 5 Personenbezogene Daten eines Dritten dürfen anlässlich solcher Maßnahmen nur erhoben werden, wenn dies aus technischen Gründen zur Erreichung des Zwecks nach Satz 1 unvermeidbar ist. 6 Sie unterliegen einem absoluten Verwendungsverbot und sind nach Beendigung der Maßnahme unverzüglich zu löschen. 7 SS 7 Absätze 7 und 8 gilt entsprechend. 8 SS 14 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt. 9 Das Grundrecht des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt. (11) 1 Erhebungen nach den Absätzen 3 bis 8 und Eingriffe, die in Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, bedürfen der Zustimmung des Präses, bei dessen Verhinderung des Staatsrates der zuständigen Behörde. 2 Sie sind dem Betroffenen mitzuteilen, sobald eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. 3 Lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilen, ob diese Voraussetzung vorliegt, ist die Mitteilung vorzunehmen, sobald eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. 4 Einer Mitteilung bedarf es nicht, wenn der Kontrollausschuss gemäß SS 24 einstimmig festgestellt hat, dass 1. diese Voraussetzung auch nach fünf Jahren nach Beendigung der Maßnahme noch nicht eingetreten ist, 2. diese Voraussetzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht eintreten wird und 3. die Voraussetzungen für eine Löschung sowohl bei der erhebenden Stelle als auch beim Empfänger vorliegen. SS9 Weitere Verarbeitung personenbezogener Daten (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben personenbezogene Daten weiter verarbeiten, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass die 256 Anhang / Verfassungsschutzgesetz betroffene Person an Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 teilnimmt, und dies für die Beobachtung der Bestrebung oder Tätigkeit erforderlich ist, 2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 erforderlich ist, 3. dies zur Schaffung oder Erhaltung nachrichtendienstlicher Zugänge über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 erforderlich ist, 4. eine Mitwirkung bei Sicherheitsüberprüfungen nach SS 2 Absatz 3 des Artikel 10-Gesetzes oder bei Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach dem Hafensicherheitsgesetz oder eine Beteiligung bei Überprüfungen nach SS 7 des Luftsicherheitsgesetzes oder SS 12 b des Atomgesetzes erfolgt. (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Speicherungsdauer auf das für seine Aufgabenerfüllung erforderliche Maß zu beschränken. 2 Bei der Einzelfallbearbeitung, im Übrigen jeweils spätestens vier Jahre beginnend ab der ersten Speicherung, prüft das Landesamt für Verfassungsschutz, ob die Speicherung der personenbezogenen Daten weiterhin erforderlich ist. (3) Gespeicherte personenbezogene Daten über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 oder 4 dürfen länger als zehn Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten Information nur mit Zustimmung des Präses der zuständigen Behörde oder der von ihm besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutzgespeichert bleiben. SS 10 Verarbeitung von Daten Minderjähriger (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf unter den Voraussetzungen des SS 9 Daten über Minderjährige in Sachakten und amtseigenen Dateien speichern und weiter verarbeiten. 2 Daten über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nicht in gemeinsamen Dateien (SS 6 BVerfSchG), Daten Minderjähriger vor Vollendung des 257 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 14. Lebensjahres nicht in amtseigenen Dateien gespeichert werden. (2) Daten über Minderjährige in Dateien sind nach zwei Jahren auf dieErforderlichkeit der weiteren Speicherung zu überprüfen; spätestens nach fünf Jahren sind diese Daten zu löschen, es sei denn, dass nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse nach SS 4 Absatz 1 angefallen sind. SS 11 Berichtigung, Sperrung und Löschung (1) 1 Erweist sich eine Information nach ihrer Übermittlung als unrichtig oder unvollständig, hat die übermittelnde Stelle ihre Information unverzüglich gegenüber dem Empfänger zu berichtigen oder zu ergänzen, wenn durch die unrichtige oder unvollständige Übermittlung schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt sein können. 2 Die Berichtigung erfolgt dadurch, dass die unrichtigen Angaben, soweit sie in Akten enthalten sind, entfernt werden und, soweit sie in Dateien gespeichert sind, gelöscht werden. 3 Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Trennung von zu berichtigenden und richtigen Informationen nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist. (2) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle oder der Datensicherung gespeichert werden, dürfen nur für diese Zwecke oder bei Verdacht des Datenmissbrauchs genutzt werden. (3) Im Übrigen gilt für die Berichtigung, Sperrung und Löschung SS 19 des Hamburgischen Datenschutzgesetzes vom 5. Juli 1990 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt Seiten 133, 165, 226), zuletzt geändert am 30. Januar 2001 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt Seite 9). 258 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 3. Abschnitt Datenübermittlung SS 12 Übermittlung nicht personenbezogener Daten Das Landesamt für Verfassungsschutz kann die im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgabenerfüllung erlangten Daten, die nicht personenbezogen sind, an andere Behörden und Stellen, insbesondere an die Polizei und die Staatsanwaltschaft, übermitteln, wenn sie für die Aufgabenerfüllung derEmpfänger erforderlich sein können. SS 13 Übermittlung personenbezogener Daten an inländische Nachrichtendienste (1) Gemäß SS 5 Absatz 1 BVerfSchG übermittelt das Landesamt für Verfassungsschutz dem Bundesamt für Verfassungsschutz und den Verfassungsschutzbehörden der Länder alle personenbezogenen Daten, deren Kenntnis zur Erfüllung der Aufgaben der Empfänger erforderlich ist. (2) Gemäß SS 21 Absatz 2 BVerfSchG übermittelt das Landesamt für Verfassungsschutz dem Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst Informationen einschließlich personenbezogener Daten. SS 14 Übermittlung personenbezogener Daten an inländische öffentliche Stellen und Strafverfolgungsbehörden (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Informationen einschließlich personenbezogener Daten an inländische öffentliche Stellen übermitteln, wenn dies zum Schutz vor Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 zwingend erforderlich ist oder der Empfänger eine Sicherheitsüberprüfung durchführt. 2 Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur für den Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. 3 Hierauf ist er hinzuweisen. 259 Anhang / Verfassungsschutzgesetz (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf über Absatz 1 hinaus Informationen einschließlich personenbezogener Daten an die Staatsanwaltschaften und die Polizei übermitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine in den SSSS 74 a und 120 Gerichtsverfassungsgesetz, SS 100 a Nummern 3 und 4 Strafprozessordnung und SSSS 130 , 131 Strafgesetzbuch genannte Straftat plant, begeht oder begangen hat sowie sonstige Straftaten, bei denen aufgrund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die in Artikel 73 Nummer 10 Buchstabe b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind. 2 Personenbezogene Daten, die das Landesamt für Verfassungsschutz selbst mit nachrichtendienstlichen Mitteln nach SS 8 erhoben hat, dürfen nur dann an die Staatsanwaltschaft oder an die Polizei übermittelt werden, wenn die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für deren Erhebung mit entsprechenden Befugnissen zur verdeckten Datenerhebung nach der Strafprozessordnung oder nach den SSSS 9 bis 12 und SS23 Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei vom 2. Mai 1991 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt Seiten 187, 191) vorgelegen hätten. SS 15 Übermittlung personenbezogener Daten an Stationierungsstreitkräfte 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Informationen einschließlich personenbezogener Daten an Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Streitkräfte vom 3. August 1959 (Bundesgesetzblatt II 1961 Seiten 1183, 1218) übermitteln. 2 Die Entscheidung für eine Übermittlung treffen der Präses der zuständigen Behörde oder die von ihm besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz. 3 Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, dass er die übermittelten Daten nur zur Verarbeitung für den Zweck erhält, zu dem sie ihm übermittelt wurden. 260 Anhang / Verfassungsschutzgesetz SS 16 Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische öffentliche Stellen 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz an ausländische öffentliche Stellen sowie an überoder zwischenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung seiner Aufgaben oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist. 2 Die Entscheidung für eine Übermittlung treffen der Präses der zuständigen Behörde oder die von ihm besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz. 3 Die Übermittlung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegenstehen oder wenn dadurch gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde. 4 Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, dass er die übermittelten Daten nur zur Verarbeitung für den Zweck erhält, zu dem sie ihm übermittelt wurden. SS 17 Übermittlung personenbezogener Daten an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs (1) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs nicht übermitteln, es sei denn, dass die Übermittlung zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit des Bundes oder eines Landes erforderlich ist. 2 Die Entscheidung für eine Übermittlung treffen der Präses der zuständigen Behörde, bei dessen Verhinderung der Staatsrat oder die besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz. 3 Dies gilt nicht bei Erhebungen nach SS 7 Absatz 1 Sätze 2 und 3 . (2) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz führt über die Übermittlung nach Absatz 1 einen Nachweis, aus dem der Zweck und die Veranlassung der Übermittlung, die Aktenfundstelle und der Empfänger hervorgehen. 2 Die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. 261 Anhang / Verfassungsschutzgesetz (3) 1 Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur für den Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. 2 Hierauf ist er hinzuweisen. SS 18 Übermittlung personenbezogener Daten an die Öffentlichkeit 1 Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit einschließlich der Medien über Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz ist die Übermittlung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn sie zu einer sachgerechten Information zwingend erforderlich ist. 2 Stehen schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegen, kommt eine Übermittlung der personenbezogenen Daten des Betroffenen nur dann in Betracht, wenn die Interessen der Allgemeinheit deutlich überwiegen. SS 19 Übermittlung personenbezogener Daten an das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Die hamburgischen Behörden und die der Aufsicht der Freien und Hansestadt Hamburg unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind befugt, die Daten zu übermitteln, um die das Landesamt für Verfassungsschutz nach SS 7 Absatz 2 ersucht hat, soweit sie diesen Stellen bereits vorliegen. (2) Die in Absatz 1 genannten Stellen übermitteln dem Landesamt für Verfassungsschutz alle ihnen im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung vorliegenden Informationen über gewalttätige Bestrebungen und Tätigkeiten oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gemäß SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummern 1, 3 und 4 und über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummern 2 und 3 . (3) 1 Die Ausländerbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg übermittelt gemäß SS 18 Absatz 1 a BVerfSchG von sich aus dem Landesamt für Verfassungsschutz die ihr bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz erforderlich ist. 2 Die Über262 Anhang / Verfassungsschutzgesetz mittlung dieser personenbezogenen Daten an ausländische öffentliche Stellen sowie an überund zwischenstaatliche Stellen unterbleibt, es sei denn, die Übermittlung ist völkerrechtlich geboten. (4) 1 Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizei übermitteln auch andere im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung bekannt gewordene Informationen über Bestrebungen nach SS 4 Absatz 1, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz erforderlich ist. 2 Die Übermittlung personenbezogener Daten, die aufgrund eines Eingriffs in das Brief-, Postund Fernmeldegeheimnis bekannt geworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. 3 Die Übermittlung personenbezogener Informationen, die auf Grund anderer strafprozessualer Zwangsmaßnahmen oder verdeckter Datenerhebungen nach SS 2 Absatz 3 Satz 3 oder nach den SSSS 9 bis 12 des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei vom 2. Mai 1991 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt Seiten 187, 191) bekannt geworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für gewalttätige Bestrebungen oder sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten bestehen; die Übermittlung ist auch zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine in SSSS 74 a und 120 Gerichtsverfassungsgesetz und SSSS 130 , 131 Strafgesetzbuch genannte Straftat bestehen oder eine sonstige Straftat, bei der aufgrund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die in Artikel 73 Nummer 10 Buchstabe b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet ist. 4 Die Übermittlung personenbezogener Daten, die auf Grund verdeckter Datenerhebung nach SS 8 Absatz 6 Satz 1 und SSSS 10 a bis 10 d des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei in der jeweils geltenden Fassung bekannt geworden sind, ist nur zulässig, wenntatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand eine der in SS 3 des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. 5 Auf die nach Satz 2 übermittelten Informationen und die dazu gehörenden Unterlagen ist SS 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend anzuwenden. 6 Die nach Satz 2 übermittelten Informationen dürfen nur zur Erforschung gewalttätiger Bestrebungen oder 263 Anhang / Verfassungsschutzgesetz sicherheitsgefährdender odergeheimdienstlicher Tätigkeiten genutzt werden. (5) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die übermittelten Informationen unverzüglich darauf zu überprüfen, ob sie zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind. 2 Ist dies nicht der Fall, sind die Unterlagen zu vernichten. 3 Die Vernichtung unterbleibt, wenn die Unterlagen von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand getrennt werden können; in diesem Fall unterliegen die personenbezogenen Daten einem Verwertungsverbot und sind entsprechend zu kennzeichnen. (6) 1 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Informationsübermittlung aktenkundig zu machen. 2 Vorschriften in anderen Gesetzen über die Informationsübermittlung an das Landesamt für Verfassungsschutz und über ihre Dokumentation bleiben unberührt. SS 20 Registereinsicht durch das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf in von öffentlichen Stellengeführte Register und Datensammlungen einsehen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen über 1. Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind (SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1), oder 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht (SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2) oder 3. Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3), oder 4. Bestrebungen und Tätigkeiten, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen 264 Anhang / Verfassungsschutzgesetz den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenleben der Völker gerichet sind (SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4). (2) Eine Einsichtnahme ist nur zulässig, wenn 1. die Aufklärung auf andere Weise nicht möglich erscheint, insbesondere durch eine Übermittlung der Daten durch die registerführende Stelle der Zweck der Maßnahme gefährdet würde, 2. die betroffenen Personen durch eine anderweitige Aufklärung unverhältnismäßig beeinträchtigt würden und 3. eine besondere gesetzliche Geheimhaltungsvorschrift oder ein Berufsgeheimnis ihr nicht entgegensteht. (3) Die Anordnung für die Maßnahme treffen der Präses der zuständigen Behörde oder die von ihm besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz. (4) 1 Die auf diese Weise gewonnenen Unterlagen dürfen nur zu den in Absatz 1 genannten Zwecken verwendet werden. 2 Gespeicherte Daten sind zu löschen und Unterlagen zu vernichten, sobald sie für diese Zwecke nicht mehr benötigt werden. (5) 1 Über die Tatsache der Einsichtnahme ist ein gesonderter Nachweis zu führen, aus dem ihr Zweck, die in Anspruch genommenen Stellen sowie die Namen der Betroffenen hervorgehen. 2 Diese Aufzeichnungen sind gesondert aufzubewahren, durch technische und organisatorische Maßnahmen gegen unbefugten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. SS 21 Übermittlungsverbote und -einschränkungen (1) Die Übermittlung von Informationen nach diesem Abschnitt unterbleibt, wenn 1. eine Prüfung durch die übermittelnde Stelle ergibt, dass die 265 Anhang / Verfassungsschutzgesetz Informationen zu vernichten sind oder einem Verwertungsverbot unterliegen oder für den Empfänger nicht mehr bedeutsam sind, 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern oder 3. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass unter Berücksichtigung der Art der Informationen und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen. (2) Besondere Rechtsvorschriften, die Informationsübermittlungen zulassen, einschränken oder verbieten sowie die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleiben unberührt. SS 22 Übermittlung personenbezogener Daten Minderjähriger (1) Personenbezogene Daten Minderjähriger vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Minderjährige eine der in SS 3 des Artikel 10-Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat, im Übrigen, solange die Voraussetzungen der Speicherung nach SS 10 erfüllt sind. (2) Personenbezogene Daten Minderjähriger vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht an ausländische oder überoder zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. 4. Abschnitt Auskunftserteilung SS 23 Auskunftserteilung (1) 1 Den Betroffenen ist vom Landesamt für Verfassungsschutz auf Antrag gebührenfrei Auskunft zu erteilen über 266 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 1. die zu ihrer Person gespeicherten Daten, 2. die Zweckbestimmung und die Rechtsgrundlage der Speicherung, 3. die Herkunft der Daten, 4. die Stellen, denen die Daten im Rahmen regelmäßiger Übermittlungen übermittelt werden, und die an einem automatisierten Abrufverfahren teilnehmenden Stellen, auch soweit diese Angaben nicht zu ihrer Person gespeichert sind, aber mit vertretbarem Aufwand festgestellt werden können. 2 Die Betroffenen sollen die Art der personenbezogenen Daten, über die sie Auskunft verlangen, näher bezeichnen. 3 Aus Akten ist den Betroffenen Auskunft zu erteilen, soweit sie Angaben machen, die das Auffinden der Daten ermöglichen, und der für die Erteilung der Auskunft erforderliche Aufwand nicht außer Verhältnis zum Auskunftsinteresse der Betroffenen steht. 4 Das Landesamt für Verfassungsschutz bestimmt die Form der Auskunftserteilung nach pflichtgemäßem Ermessen; die Auskunft kann auch in der Form erteilt werden, dass den Betroffenen Akteneinsicht gewährt oder ein Ausdruck aus automatisierten Dateien überlassen wird. 5 SS 29 des Hamburgischen Verwaltungsverfahrensgesetzes bleibt unberührt. (2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit 1. durch sie die Nachrichtenzugänge gefährdet sein können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise des Landesamtes für Verfassungsschutz zu befürchten ist, 2. die personenbezogenen Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder wegen der überwiegenden schutzwürdigen Interessen Dritter geheim gehalten werden müssen, 3. sie die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde. 267 Anhang / Verfassungsschutzgesetz (3) Im Übrigen gilt für die Auskunft SS 18 Absätze 2 und 4 bis 6 des Hamburgischen Datenschutzgesetzes . 5. Abschnitt Parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes SS 24 Parlamentarischer Kontrollausschuss 1 Zur parlamentarischen Kontrolle des Senats auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes bildet die Bürgerschaft einen Kontrollausschuss. 2 Dieser tagt in nichtöffentlicher Sitzung. SS 25 Zusammensetzung und Pflichten des Ausschusses (1) Der Ausschuss besteht aus sieben Mitgliedern der Bürgerschaft. (2) Die Mitglieder des Ausschusses werden von der Bürgerschaft in geheimer Abstimmung gewählt. (3) 1 Die Mitglieder des Ausschusses sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit in dem Ausschuss bekannt geworden sind. 2 Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus dem Ausschuss oder aus der Bürgerschaft. (4) Der Ausschuss wählt einen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. (5) Sitzungsunterlagen und Protokolle verbleiben im Gewahrsam des Landesamtes für Verfassungsschutz und können nur dort von den Ausschussmitgliedern eingesehen werden. (6) 1 Scheidet ein Mitglied des Ausschusses aus der Bürgerschaft oder seiner Fraktion aus, so verliert es seine Mitgliedschaft im Ausschuss; für dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu bestimmen. 2 Das Gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus dem Ausschuss ausscheidet. 268 Anhang / Verfassungsschutzgesetz (7) 1 Der Parlamentarische Kontrollausschuss erstattet der Bürgerschaft jährlich einen Bericht über seine Kontrolltätigkeit. 2 Dabei sind die Grundsätze des Absatzes 3 zu beachten. SS 26 Aufgaben des Ausschusses (1) 1 Der Ausschuss übt die parlamentarische Kontrolle auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes aus. 2 Die Rechte der Bürgerschaft bleiben unberührt. (2) 1 Zur Erfüllung seiner Kontrollaufgaben kann der Ausschuss vom Senat die erforderlichen Auskünfte, Unterlagen, Akten und Dateieinsichten, Stellungnahmen und den Zutritt zu den Räumen des Landesamtes für Verfassungsschutz und die Entsendung bestimmter Angehöriger des öffentlichen Dienstes als Auskunftspersonen verlangen. 2 Der Senat bescheidet ein solches Kontrollbegehren abschlägig oder schränkt die Aussagegenehmigung ein, wenn gesetzliche Vorschriften oder das Staatswohl entgegenstehen. 3 In diesem Fall legt der Senat dem Ausschuss seine Gründe dar. (3) Der Senat unterrichtet den Ausschuss in Abständen von höchstens drei Monaten oder auf Antrag eines Mitglieds über die Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz. (4) Der Senat hat dem Ausschuss 1. Gefahren für die Schutzgüter des SS 1, 2. die Dienstvorschrift über nachrichtendienstliche Mittel nach SS 8 Absatz 2 Satz 2 sowie ihre Änderungen, 3. die Maßnahmen nach SS 8 Absatz 11, 4. die Weiterspeicherung nach SS 9 Absatz 3, 5. die tatsächliche Arbeitsaufnahme mit einem automatisierten Verfahren, für das eine Verfahrensbeschreibung nach SS 9 Absatz 1 des Hamburgischen Datenschutzgesetzes vorgeschrieben ist, und seine wesentlichen inhaltlichen Änderungen, 269 Anhang / Verfassungsschutzgesetz 6. die Übermittlung personenbezogener Daten an Stationierungsstreitkräfte nach SS 15, 7. die Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische öffentliche Stellen nach SS 16, 8. die Übermittlung personenbezogener Daten an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs nach SS 17, 9. Anfragen bei ausländischen öffentlichen Stellen nach SS 12 Absatz 5 Satz 3 HmbSÜG mitzuteilen und jährlich über die Prüfungen nach SS 9 Absatz 2 Satz 2 zu berichten. SS 27 Eingaben 1 Eingaben einzelner Bürger oder einzelner Angehöriger des Verfassungsschutzes über ein sie betreffendes Verhalten des Landesamtes für Verfassungsschutz sind dem Ausschuss zur Kenntnis zu geben. 2 Der Ausschuss hat auf Antrag eines Mitglieds Petenten und Auskunftspersonen zu hören. 3 SS 26 Absatz 2 findet entsprechende Anwendung. 4 Die Rechte des Eingabenausschusses bleiben unberührt. 270 Anhang / Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis A ABC-Waffen Atomare, biologische und chemische Waffen AG/R Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten AGH Antifaschistische Gruppe Harburg AGIF Almanya Göcmen Isciler Federasyonu aha autonome.harburger.antifa AIW Antiimperialistischer Widerstand AKP Adalet ve Kalkinma Partisi AMS Assoziation Marxistischer StudentInnen API Arbeiterkommunistische Partei Iran ATIF Almanya Türkiyeli Isciler Federasyonu AZUM Autonome Zelle in Gedenken an Ulrike Meinhof B B5 Brigittenstraße 5 BAFA Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle BfV Bundesamt für Verfassungsschutz BIG Bündnis der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland e.V. BKA Bundeskriminalamt BMI Bundesminister des Innern BND Bundesnachrichtendienst BR Bündnis Rechts BUKO Bundeskongress Internationalismus BVerwG Bundesverwaltungsgericht C CCH Congress Centrum Hamburg CDK Koordinasyona Civaka Demokratik ya Kurden Ewrupa CH Collegium Humanum D DHKP-C Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi DIW Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DK Deutsches Kolleg DKP Deutsche Kommunistische Partei DLVH Deutsche Liga für Volk und Heimat 271 Anhang / Abkürzungsverzeichnis DP Deutsche Partei - Die Freiheitlichen DVU Deutsche Volksunion E EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EMUG Europäische Moscheebauund Unterstützungsgemeinschaft e.V. F FAU Freie Arbeiter-Union FIT Freies Infotelefon Norddeutschland FSB Federalnaja Slushba Besopasnosti G G10 Artikel 10 des Grundgesetzes G8 Gipfeltreffen der Regierungschefs der führenden Industrienationen GfP Gesellschaft für freie Publizistik e.V. GG Grundgesetz GRU Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije GUS Gemeinschaft Unabhängiger Staaten H HafenSG Gesetz zur Verbesserung der Sicherheit im Hamburger Hafen HAMAS HARAKAT AL-MUQUAWAMA AL-ISLAMIYA HKO Halk Kurtulus Ordusu HmbSÜG Hamburgisches Sicherheitsüberprüfungsgesetz HmbVerfSchG Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz HNG Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. HPG Hezen Parastina Gel HuT Hizb ut-Tahrir I IAA Internationale Arbeiter Assoziation IAD Islamische Akademie Deutschland e.V. IAS International Association of Scientologists ICCB Islami Cemaat ve Cemiyetler Birgili IFB Islamische Föderation Bremen 272 Anhang / Abkürzungsverzeichnis IFIR Internationale Föderation iranischer Flüchtlingsund Immigrantenräte e. V. IGD Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V. IGK Iranisches Generalkonsulat IGMG Islamische Gemeinschaft Milli Görüs IHg Islamische Hochschulgemeinde e.V. IJB Islamischer Jugendbund e.V. IL Für eine interventionistische Linke imc independent media center IMK Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren des Bundes und der Länder IMO International Maritime Organization ISPS International Ship and Port Facility Security Code IWF Internationaler Währungsfonds IWO Islamische Wohlfahrtsorganisation e.V. IZH Islamisches Zentrum Hamburg J JLO Junge Landsmannschaft Ostpreußen JN Junge Nationaldemokraten K K+D Gruppe Kritik und Diskussion KADEK Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistan KKK Koma Komalen Kurdistan KNK Kongreya Neteweya Kurdistan KONGRA GEL Kongra Gele Kurdistan KON-KURD Konfederasyona Komelen Kurd Li Avrupa KPD Kommunistische Partei Deutschlands KPF Kommunistische Plattform KS Kurdistan Solidarität Hamburg KVPM Kommission für Verstöße der Psychiatrie L LfV Landesamt für Verfassungsschutz LIZ Libertäres Zentrum LKA Libertäres Kommunikationsund Aktionszentrum LRH L. Ron Hubbard LuftSiG Luftsicherheitsgesetz 273 Anhang / Abkürzungsverzeichnis M M.A.M.I. Militante Antimilitaristische Initiative MASCH Marxistische Abendschule Hamburg - Forum für Politik und Kultur e.V. MB Muslimbruderschaft MEK Modjahedin-E-Khalq MFG Muslimische Frauengemeinschaft e.V. MG Marxistische Gruppe mg militante gruppe MHA Mezopotamya Haber Ajansi MHP Milliyetci Hareket Partisi MKP Maoist Komünist Partisi MLKP Marksist Leninist Komünist Partisi MLPD Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands N NADIS Nachrichtendienstliches Informationssystem NBD Nationales Bündnis Dresden e.V. NLA National Liberation Army NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands NSAN Nationales und Soziales Aktionsbündnis Norddeutschland NWRI Nationaler Widerstandsrat Iran NZ National Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung O OLG Oberlandesgericht ÖP Özgür Politika OSA Office of Special Affairs P PDS Partei des demokratischen Sozialismus PGA Peoples Global Action PIJ Palästinensischer Islamischer Djihad PKA Parlamentarischer Kontrollausschuss PKK Partiya Karkeren Kurdistan PMK Politisch Motivierte Kriminalität PWD Partiya Welatparezen Demokraten PZD Personenzentraldatei 274 Anhang / Abkürzungsverzeichnis R RAF Rote Armee Fraktion RB Reichsbewegung RBB Reichsbürgerbewegung REP Republikaner RSB Revolutionär Sozialistischer Bund S SAND Systemoppositionelle Atomkraft Nein Danke SAV Sozialistische Alternative SDAJ Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands SO Scientology Organisation SP Saadet Partisi SPI Sozialistische Partei Iran SÜFV Sicherheitsüberprüfungsfeststellungsverordnung SÜG Sicherheitsüberprüfungsgesetz des Bundes SWR Slushba Vneshney Razvedki T TAK Teyrebaze Azadiya Kurdistan TAYAD Tutuklu ve hükümlü aileleri yardimlasma dernegi THKP-C Turkiye Halk Kurtulus Partisi-Cephesi TJ Tabligh-i Jama'at TKP/ ML Türkiye Komünist Partisi / Marksist Leninist U UZ Unsere Zeit - Sozialistische Wochenzeitung der DKP V VAE Vereinigte Arabische Emirate VM Vertraulicher Mitarbeiter VRBHV Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten VS Verschlusssache VVN-BdA Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten VWBW/WPRM Volkswiderstandsbewegung der Welt/ World People's Resistance Movement 275 Anhang / Abkürzungsverzeichnis W WAA Wiederaufbereitungsanlage WASG Arbeit und soziale Gerechtigkeit - Die Wahlalternative WB Weltbank WEF Weltwirtschaftsforum WFS Weltfestspiele der Jugend und Studierenden WISE World Institute of Scientology Enterprises WTO World Trade Organization Y YEK-KOM Yekitiya Komelen Kurd li Elmanya YOSPI Youth Organization of Socialist Party of Iran Z ZKA Zollkriminalamt 276 Anhang / Stichwortverzeichnis Stichwortverzeichnis A Algerien..................................42 Allgemein-Kriminalität und ABC-Waffen..........................229 Islamismus..............................43 Aberration.............................217 Al Jazeera.........................33, 36 Abschiebungen........83, 126, 154 Al Tawhid.........................35, 40 Absolutheitsanspruch des Islam..... Al Tawhid wa'l Jihad...............35 .............................................57 Amal......................................52 Ab jetzt...Bündnis für Deutschland Amerikaner.......................35, 62 - Partei für Volksabstimmung und Amman..................................36 gegen Zuwanderung ins 'Soziale AMS.............144, 149, 150, 160 Netz'....................................208 AN-NABAHANI........................44 Adil Düzen........................54, 57 Anadolu-Der e.V......................82 Adil Ekonomik Düzen................55 Anarchisten..........102, 103, 105, Afghanistankämpfer.................33 109, 120, 160 AG/R............................147, 148 Anarchistische Gruppe/RätekommuAgenturschluss-Kampgne........159 nisten...............................147 AGH.............................121, 122 Anatolische Föderation e. V.........82 AGIF......................................86 Ansar Al Islam.............38, 40, 43 Agitation gegen die HolocaustAnti-AKW-Szene....................130 Geschichtsschreibung.............211 Anti-Antifa-Aktivitäten............186 Ägypten...........................45, 46 Anti-Castor-Auftaktdemonstraaha...............................121, 122 tion......................................129 AHMADINEJAD...............87, 204 Anti-Lager-Action-Tour.....125, 126 AIW...............................10, 102, Antiamerikanismus.................184 103, 107, 109, 110, 111 AntiAtomBüro Hamburg..........127 AKP......................55, 60, 81, 86 Antideutsche Gruppe HH..........115 Aktionsbündnis..............178, 182 Antifa-Bündnisse.............100, 121 Aktionsbüro NorddeutschAntifaschismus.....100, 117, 119, land......166, 167, 178, 179, 181, 121, 147, 160 182, 184, 185, 186, 187, 188 Antifaschistisches Bündnis Al-Aqsa e.V......................50, 51 Harburger und Hamburger GrupAL-BANNA.............................45 pen......................................122 Al-Manar-TV...........................53 Antifaschistische Gruppe al-Muqawama alIslamiya...........51 Harburg........................121, 122 Al-Qaida........24, 32, 33, 34, 35, Antifaszene.............100, 121, 123 36, 37, 38, 39, 40 Antifa Infotelefon.............121, 122 Al-Qaida im ZweistromAntifa Info Pool Hamburg...........121 land............................34, 35, 36 Antiglobalisierung..................119 277 Anhang / Stichwortverzeichnis Antiimperialisten....109, 110, 111, Ausforschung..........228, 234, 267 160 Ausländerbehörde.....126, 154, 262 Antiimperialistischer Widerausländische Geheimdienste.....224 stand..............94, 102, 103, 105 Auslandsspionage..................227 Antikapitalistischer Block.........129 Autonome.............17, 96, 97, 98, Antirassismus....100, 113, 124, 160 102, 103, 105, 109, 111, 112, APFEL.....................168, 203, 208 124, 127, 130, 133, 136, 160 API...............................25, 91, 92 autonome.harburger.antifa.....121, API-Hekmatist.........................92 122 Apostaten...............................44 autonome Gruppen/militant APOs Falken............................68 people.................................138 Arachne.........................110, 115 autonome miliz..................97, 108 Arbeiterkommunistische Partei Autonome Zelle in Gedenken an Ulrike Iran..................................25, 91 Meinhof....................97, 109, 160 Arbeitsgemeinschaft für eine revoAVANTI..................116, 117, 118 lutionäre Perspektive......121, 122 AYDAR..................................68 Arbeitsgruppe für einen KolbenAZUM.............................97, 109 fresser im Motor der wachsenden Stadt....................................133 B Arbeitskreis Arbeit und Reichtum......................................159 bad weather...........................115 Arbeitskreis der SicherheitsbevollBAFA............................230, 231 mächtigten der Hamburger WirtBagger....................107, 113, 134 schaft..................................238 Bahamas........................114, 115 Arbeitsweise....................18, 267 Bali........................................39 Arbeit & soziale Gerechtigkeit - Die Bambule..........................98, 130 Wahlalternative...............141, 142 Basra.....................................35 Artgemeinschaft....................214 Befugnisse........18, 19, 242, 244, Assoziation Marxistischer StudentIn246, 248 nen...............................144, 149 Beirut.....................................52 Asylpolitik.............................124 Berlin...39, 45, 77, 82, 89, 90, ATATÜRK...............................65 91, 96, 99, 108, 116, 128, ATIF......................................84 129, 136, 138, 139, 140, 141, Atombomben........................231 142, 153, 156, 184, 187, 189, Atomgesetz..........................240 194, 196, 197, 200, 201, 217 Atommüll-Transport...............127 Beyaz................................81, 82 ATTAC.................................157 BIG.....................60, 61, 62, 63, 64 Aumühle bei Hamburg..............129 BIG-Moscheen.........................61 Ausbildungslager.......33, 37, 39, 41 BIN LADEN...........24, 32, 33, 34, Auschwitz-Lüge.....................211 35, 37 278 Anhang / Stichwortverzeichnis BISKY...........................140, 141 Bundestagswahl................86, 96, BKA..............................230, 231 141, 143, 144, 146, 148, 155, BLAIR....................................37 162, 164, 166, 167, 179, 194, Bleiberecht................96, 125, 154 197, 200, 202, 206, 207, 214 Blood & Honour.......................195 Bündnisbestrebungen............162, BND.....................................230 163, 164, 178 Bombenholocaust..................203 Bündnispolitik.......162, 163, 196, BR.......................................208 198 Brandanschläge auf Fahrzeuge der Bündnis der Islamischen Gemeinden Deutschen Bahn AG und der Berliner in Norddeutschland e.V..............60 Elektrizitätswerke...................128 Bündnis gegen imperialistische Brandanschlag auf das Fahrzeug Aggression....................111, 152 des Tchibo-Vorstandsmitglieds Dr. Bündnis gegen UmstrukturieThomas VOLLMOELLER...........139 rung.............................131, 135 Brandanschlag auf ein DienstgeBündnis Rechts.......................208 bäude des Auswärtigen Amtes...138 .....................................208 Brandanschlag auf Lieferwagen der Bürgerbewegung Pro Köln e.V....208 Firma IMTECH........................139 Bürgerinitiative Sicheres Brandanschlag auf Wohncontainer Harburg................................180 der Polizei in Woltersdorf...........128 Bürgerinitiative Unsere Brandanschlag gegen das BürogeZukunft.........................179, 180 bäude des Deutschen Instituts für Burschenschaftler..................123 Wirtschaftsforschung.............139 BUSH...................................111 Brandanschlag gegen einen BVerwG........................45, 50, 78 Bagger..................................134 B 5.............110, 111, 118, 119, 160 Brandanschlag gegen LKW der Berliner Firma ROGGAN..................113 C Brandanschlag in Hamburg auf zwei Fahrzeuge der Hamburger Werbeac.r.o.c.h.e.t. ..........................129 gentur JUNG VON MATT...........139 Cafe Exil................................154 Brandstiftung....................30, 133 Castor.....................128, 129, 130 Bremer Hilfswerk e.V.................50 CCH....................61, 62, 113, 134 Brigittenstraße 5..............110, 118 CDK..................................70, 71 Brüssel..............................73, 91 CDs als Werbeträger................192 Buchangebot des BIG.................63 Centrum-Moschee...............61, 63 BUKO...................................136 CH.......................................212 Bundesamt für die Sicherheit in der China...................................229 Informationstechnik................236 Collegium Humanum...............212 Bundeskongress Internationalismus.....................................136 279 Anhang / Stichwortverzeichnis D E Damaskus..........................49, 80 E-Mail-Bekennung..................134 DARKAZANLI.....................39, 40 E. Xani Presseund DECKER...............................159 Verlags GmbH.........................77 DEIF.......................................50 EGMR................................71, 72 Dersim...................................85 Ellerau..................................184 Deutsches Kolleg....................210 EMUG....................................54 Deutsche Kommunistische Entrismuspolitik.....................155 Partei....................144, 145, 160 Eppendorfer Org. ....................220 Deutsche Liga für Volk und ERBAKAN.....................54, 55, 60 Heimat..................................208 ERDOGAN.........................55, 60 Deutsche Partei...............162, 209 EU-Terrorliste..........................71 Deutsche Stimme.................165, Expansionsabsichten..............216 167, 202, 204, 207 Explizit...................................45 Deutsche Stimme-Pressefest ..194 extremer Nationalismus.............29 Deutsche Volksbewegung........201 Deutsche Volksunion...............199 F Deutschland-Bewegung..........209 Deutschland-Pakt..........164, 165, F-Typ-Gefängnisse...................80 166, 167, 200 Familienwerk e.V. ...................214 Deutschlandtreffen..................48 Farbanschlag auf das Wohnhaus des DHKP-C...............80, 81, 82, 83, 85 Leiters der Abteilung für AusländerDissent!.........................136, 137 angelegenheiten.....................126 DK................................210, 212 Fatih-Moschee.........................66 DKP......142, 144, 145, 146, 147, Fatwa....................................89 148, 149, 150, 151, 152, 160 FAU.....................................120 DLVH...................................208 FAU-IAA...............................120 Dörverden.............................213 Fazilet Partisi............................54 DP..........................162, 172, 209 FIT.......................................179 Drei-Säulen-Konzept...............201 Flora.............112, 113, 114, 119, Dresden........141, 143, 165, 183, 130, 131, 160 203, 204, 208, 209 Föderation der Arbeiter aus der Dubai...................................231 Türkei in Deutschland e.V.........84 Du bist Deutschland................99, Freier Widerstand....................181 107, 116, 139 Freies Infotelefon NorddeutschDVU...4, 162, 163, 164, 165, 167, land.....................................179 169, 170, 171, 172, 188, 194, Freies Netzwerk zum Erhalt des 196, 198, 199, 200, 201, 209 Schanzenparks......................134 Freie Arbeiter-Union (FAU)........120 280 Anhang / Stichwortverzeichnis Freie Kameradschaften............177 gewaltbereite Islamisten.......3, 29, freie Kräfte............................177 33, 41, 42 Freie Nationalisten..........164, 165, gewaltbereite Jugendliche..........98 166, 167, 178, 180, 181, 192 gewaltbereite RechtsextremisFreiheitsfalken.........................68 ten...............................170, 172 Freiheit für ÖCALAN.............72, 73 Gewalttaten..........17, 24, 26, 41, fremdenfeindlich....................173 42, 82, 105, 106, 173, 174 FREY.....164, 165, 166, 167, 194, GfP......................................208 199, 200 GHAEM MAGHAMI...................88 Friedenskomitee 2000.............208 Gleneagles.....................136, 138 Friedenskurs...........................66 Globalisierung........109, 135, 136, Frühwarnsystem......................15 137, 184 FSB......................................227 Globalisierungsgegner........99, 136 Führerprinzip.........................176 GÖBEL...........................179, 206 Für eine interventionistische Golf-Caddies.........................133 Linke....................................137 Gorleben...........127, 128, 129, 130 Fußball-Weltmeisterschaft.....4, 99 Gottesherrschaft......................31 Gotteskrieger..........................33 G Grassrootbewegung...............118 Grenzcamps..........................125 G8...........4, 97, 98, 99, 107, 117, Groß-Türkei............................55 136, 137, 138, 139, 140 Großbritannien.........3, 24, 37, 42, G8-Treffen........98, 99, 107, 136, 128, 136 138 GRU..............................227, 228 Gas-Ultrazentrifuge................231 Gruppe Anders Gesehen Gazastreifen.......................49, 50 Hamburg...............................159 Gefährtschaft Nordmark..........214 Gruppe bricolage....................115 Gegenargumente...................159 gruppe commode....................112 Gegenspionage......................227 Gruppe Kritik und Gegenstandpunkt............158, 159 Diskussion.............................159 Geheimnisverrat.....................226 Guerilla.......................25, 70, 110 Geheimschutzverfahren..........237 GUS..............................224, 228 Geheimschutz in der GYSI....................................142 Wirtschaft.............................237 Gemeinschaftstage................214 H Geraer Dialog/Sozialistischer Dialog...................................142 Hafensicherheitsgesetz..........240, Gesellschaft für freie 246, 257 Publizistik e.V........................208 Haftbedingungen ÖCALANs..68, 72 Hakenkrallen............128, 129, 130 281 Anhang / Stichwortverzeichnis HAMAS...............42, 46, 49, 50, 51 Holsteiner Widerstand.............179 Hamburg-Umsonst.................101 home-grown terrorists...............37 Hamburger Erklärung gegen Homosexualität.......................47 Antisemitismus......................115 Hongkong.............................231 Hamburger Flughafen..............239 Hotel im Schanzenpark.............130 Hamburger Signal...................198 HPG..................................66, 67 Hamburger Sturm...................179 HUBBARD...............216, 217, 219 Hamburgisches SicherheitsüberprüHuT..................................44, 45 fungsgesetz.....................18, 236 Harburg...........61, 100, 120, 121, I 122, 128, 174, 175, 180, 185, 186, 191, 192, 207 IAA......................................120 Harburger "Antifa-Szene".........122 IAD................................... .....89 Harburger 1. Mai-Aufzug..........120 IAS......................................219 HARDER...............................206 ICCB......................................64 HARIRI...................................52 ideale Org..............................218 HARMS...................145, 146, 148 IFB.........................................58 Hartz IV.......79, 82, 97, 101, 135, IFIR........................................92 146, 147, 159, 180, 185 IGD..............................46, 47, 48 Heiligendamm........4, 97, 98, 107, IGK........................................92 136, 138, 139, 140 IGMG..........25, 27, 31, 53, 54, 55, HEISE...................................188 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 78 Heisenhof.............................213 IGMG Perspektive.....................55 HEKMAT................................92 IHg........................................60 Heldengedenktag...................187 IJB.........................................60 HEß.......117, 124, 184, 188, 189, IL.........................................137 190, 207, 214 imc......................................118 HEW / Vattenfall......................239 IMO.....................................239 Hilfsorganisation für nationale politiIMTECH.........................139, 140 sche Gefangene und deren AngehöIndien..............................48, 229 rige e.V.................................182 Indymedia.............115, 118, 119, Hilfswerk für iranische 127, 133 Frauen e.V..............................91 Indymedia Deutschland............118 Hizb Al Tahrir al Islami..................44 Informationsverarbeitung..........19 Hizb ut-Tahrir.................32, 42, 44 Initiative soziale GerechtigHKO......................................84 keit......................................179 HmbS......18, 236, 237, 246, 270 Integration..............46, 59, 64, 198 HNG..............................182, 183 Interim.................................135 Holocaust.........62, 63, 99, 205, Internationale Föderation iranischer 210, 211, 212 Flüchtlingsund 282 Anhang / Stichwortverzeichnis Immigrantenräte e. V................92 ISPS-Code............................240 International Association of Israel.........44, 45, 49, 50, 51, 52, Scientologists........................219 62, 111, 114, 115, 204 International Maritime Israel/Palästina-Konflikt..........114, Organization..........................239 115 International Scientology News..... IWO.......................................51 ...................................217, 218 IZH................25, 53, 88, 89, 90, 92 Internet.............2, 18, 34, 35, 62, 63, 80, 118, 157, 174, 178, 179, J 183, 189, 193, 196, 199, 226 Irak.............3, 25, 32, 34, 36, 37, Jahrestagung des Arbeitskreises 38, 39, 41, 42, 43, 53, 70, 90 der Sicherheitsbevollmächtigten Iran......25, 51, 87, 88, 89, 90, 91, der Werften...........................237 92, 93, 94, 204, 228, 229, 231 Jemaah Islamyah......................39 Iranischer Nachrichtendienst ...228 Jerusalem-Tag.........................89 Iranischer Sportverein e.V.........89 Jihad.........24, 32, 33, 34, 35, 37, Iranisches Generalkonsulat........92 38, 41, 42, 44, 115 Iranische Gesellschaft Jihadisten.................32, 41, 42, 43 Hamburg.................................91 JLO.....................................188 IRVING.................................204 JN..........................168, 183, 187 Islamischer Jugendbund e.V......60 Juden...................44, 45, 62, 63, Islamischer Widerstand..............51 64, 203, 205, 212 Islamisches Zentrum Junge Landsmannschaft Hamburg...........................53, 88 Ostpreußen...........................188 Islamisches Zentrum in Junge Nationaldemokraten.....168, Berlin......................................90 183, 187 Islamisches Zentrum in JUNG VON MATT........99, 107, 139 München.................................90 Islamische Akademie K Deutschland e.V......................89 Islamische Föderation K+D....................................159 Bremen...................................58 KADEK..............26, 66, 67, 71, 110 Islamische HochschulKalif.......................................44 gemeinde e.V..........................60 Kalifatstaat.............................64 Islamische Imamia Föderation in Kameradenkreis um Thomas Europa e.V..............................89 WULFF ........................177, 178 Islamische Revolution...........25, 88 Kameradschaften...177, 181, 182, Islamische Wohlfahrts183 organisation e.V......................51 Kameradschaft Süd.................175 Islammarkt..............................63 Kampf der Kulturen....................44 283 Anhang / Stichwortverzeichnis Kampf um den organisierten Kreuzzug der Christen................34 Willen...................................201 KS.......................................110 Kampf um die Köpfe.................202 Kulturund Solidaritätsverein Kampf um die Wähler.........201, 202 Hamburg e.V...........................84 KAPING................................212 Kuratorium Gedenkstätte Ernst KAPLAN.......................64, 65, 66 THÄLMANN e.V....................149 KAPLAN-Anhänger..............64, 65 Kurdenfrage.........26, 68, 70, 71, 72 KAPPEL................................209 Kurdisches Kultur Festival...........72 KARAHAN..............................60 Kurdistan Report.......................73 KARAYILAN............................70 Kurdistan Solidarität Hamburg...110 Karolinenviertel........114, 132, 134 Kurdistan Volkshaus e.V........74, 77 KARTAL.................................76 KVPM............................219, 220 KAYPAKKAYA...............83, 84, 85 KGB.....................................227 L KHAMENEI.............................88 KHAN....................................36 LAFONTAINE....................96, 142 KHATAMI.....................87, 92, 93 Landser................................194 KIEK UT................................149 La Hague........................127, 128 KKK..................................67, 70 Legion of Thor.........................195 KLEBE.....................177, 179, 195 Lemsahl.........................106, 133 KLUMP.................................108 Libanon.........................51, 52, 53 KNK.......................................72 Libertäres Kommunikationsund Koma Komalen Kurdistan............67 Aktionszentrum.....................120 Kommission für Verstöße der Libertäres Zentrum...........120, 160 Psychiatrie....................219, 220 Lindenbazar............................61 Kommunikationsguerilla...108, 113 Linkspartei.PDS.........96, 97, 102, kommunique.........................150 103, 104, 105, 140, 141, 142, Kommunismus..................85, 144 143, 144, 148, 149, 151, 152, KON-KURD....................71, 72, 73 154, 155, 156, 157, 160 KONGRA GEL........26, 28, 30, 66, Linksruck.................155, 156, 157 67, 68, 70, 71, 72, 74, 75, 76, LIZ................................120, 160 77, 85, 110 LKA.................120, 133, 134, 160 Konzertveranstaltungen........163, Loge (Hamburg)......................115 177 London........3, 24, 36, 38, 42, 44, Kooperationsabkommen........97, 86, 89, 199, 213 143 Lübeck............98, 106, 113, 117, Koranrezitations-Wettbewerb....61 133, 134, 184 KPD..............................119, 149 Luftfahrttechnik.....................238 KPF........................102, 103, 142 Luftsicherheitsgesetz..............239 Kreuzritter..............................36 Lüneburg.................129, 130, 213 284 Anhang / Stichwortverzeichnis LUNIKOFF.............................194 menschliche Informationsquellen ................................225 M Mescid-i Aksa Cocuklari..............63 Mesopotamische NachrichtenagenM.A.M.I...........................99, 139 tur.........................................69 Madrid...............................36, 38 Methoden der NachrichtengewinMagda-Thüray-Zentrum....149, 151 nung ...................................225 MAHLER...........188, 210, 211, 212 MFG......................................60 MALKOC................................60 MG.........................158, 159, 160 Marinetechnik........................238 mg.....................97, 108, 109, 139 MARNETTE.............................98 MHA......................................69 MARNETTE-Bekennung............99 MHP......................................86 Marokko.................................42 Militante Antimilitaristische InitiaMärtyreroperationen.................50 tive................................99, 139 Marxismus-Leninismus............144 militante gruppe.......................97 Marxistisches Forum...............142 Militanzdebatte.................97, 109 Marxistische Abendschule Milli Gazete...........54, 55, 56, 57, Hamburg - Forum für Politik und 61, 62 Kultur e.V ............................152 MISCAVIGE....................217, 218 Marxistische Gruppe...............158 Mission..................................48 MASCH................................152 MKP........................80, 83, 84, 85 Massenvernichtungswaffen....224, MLKP...........................85, 86, 87 229, 230, 231 MLPD.....................................86 Materieller Geheimschutz.........235 MOHAMMED, Amin Lokman.....40 Mawlana Muhammad Ilyas..........48 Molotowcocktails..............77, 132 MB..........................45, 46, 48, 49 Mosbach/Thüringen.........210, 212 Mc GUFFIN Foundation (Sektion MOTASSADEQ........................40 Hamburg)..............................115 Mövenpick...............131, 133, 134 Mecklenburg-Vorpommern.........4, Mudschahedin....................32, 33 97, 126, 136, 138, 140, 156, Multikulti........................205, 207 178, 188 München.....40, 90, 99, 139, 176, MEENEN...............................210 187, 199, 200, 231 MEK......................25, 90, 91, 228 Muslimische FrauengemeinMenschenrechtsverein für iranische schaft e.V ..............................60 Migranten...............................91 MZOUDI.................................39 Menschenrechtsverletzungen in Iran .......................................93 N Menschenrechtszentrum für ExiliranerInnen.........................91 Nachrichtenbeschaffung..225, 226 285 Anhang / Stichwortverzeichnis nachrichtendienstliche Mittel ... 16, NEUBAUER...........................208 18, 251, 260 Niedersachsen.............60, 65, 98, Nachrichten der HNG...............182 107, 116, 124, 127, 128, 129, Nadir....................................118 138, 151, 167, 168, 178, 188, NADIS..........................19, 20, 21 191, 196, 213, 214 NASRALLAH...........................52 NLA.......................................90 Nationaldemokratische Partei Noie Werte............................195 Deutschlands ............4, 162, 201 Non-aligned-Mudschahedin........32 Nationales Bündnis Nordische Zeitung...................214 Dresden e.V ... .............208, 209 Nordkorea.............................229 Nationales Bündnis Nordrhein-Westfalen.......142, 166, Heilbronn e.V........................209 167, 181, 202 Nationales Bündnis Region Nostorf-Horst........................126 Hannover e.V........................209 NPD.........4, 5, 162, 163, 164, Nationales und Soziales Aktions165, 166, 167, 168, 170, 171, bündnis Norddeutschland........178 172, 177, 178, 179, 181, 185, Nationale Befreiungsarmee.........90 188, 189, 191, 192, 193, 194, Nationale Befreiungsfront...........25 196, 197, 198, 199, 200, 201, Nationale Mahnwache.............180 202, 203, 204, 205, 206, 207, Nationalistisch orientierte türkische 208, 209, 213, 214 Gruppierungen.........................79 NSAN.....................178, 179, 182 Nationalsozialismus..........99, 115, NWRI.....................25, 90, 91, 228 149, 153, 164, 168, 176, 177 NZ................................199, 200 National Zeitung/Deutsche WochenZeitung.................................199 O Nation & Europa......................208 Naziläden.......................115, 123 OBERLERCHER...............210, 212 NBD.....................................208 ÖCALAN.........67, 68, 70, 71, 72, Neoliberalismus...............135, 154 73, 75, 77, 110 Neonaziund Skinheadszene in offene InformationsBramfeld.......177, 179, 180, 193, beschaffung .........................226 207 Offenkundigkeit des Neonazis........4, 5, 153, 162, 163, Holocaust .....................210, 211 165, 170, 172, 176, 177, 178, Office of Special Affairs.............220 179, 180, 181, 182, 185, 188, OKTAR...................................62 190, 191, 201, 206 OLG................................40, 108 Neonaziszene........172, 176, 177, ÖP......................67, 68, 69, 77, 78 181 OSA.....................................220 Netzwerk........24, 32, 33, 35, 37, Özgür Politika......................67, 87 38, 48, 49, 118, 134, 155, 156 286 Anhang / Stichwortverzeichnis P Q Pädophile..............................184 QARADAWI............................47 PAECH.................................142 Qassam-Brigaden................49, 50 Pakistan............24, 32, 33, 36, 229 pakistanisches Atomwaffenpro- R gramm .................................231 Palästina..........49, 62, 63, 114, 115 radikal........................87, 97, 108 Palästinensischer Islamischer Radio Loretta..........................115 Djihad.....................................49 RAF.................107, 108, 109, 110 parallelgesellschaftliche Raketenträger-Technologie .....231 Strukturen...............................59 rapidas.................................115 Parlamentarischer KontrollausRB.......................................210 schuss (PKA)...........................20 RBB........................210, 211, 212 Parteienfinanzierung........167, 197 Reader über die Harburger rechtsPartei des Demokratischen Sozialisextremistische Szene..............122 mus..............................103, 140 Redaktion Gegenstandpunkt ...158, Path of Resistance...................195 159 Patrizia Immobilien AG..............131 Refah Partisi............................54 Pattex............................107, 116 Referenzpersonen..................236 PDS......96, 97, 102, 103, 104, REGENER..............................194 105, 140, 141, 142, 143, 144, Reichsbewegung.............210, 212 148, 149, 151, 152, 154, 155, Reichsbürgerbewegung ..210, 212 156, 157, 160 Reichsbürgerbewegung-Region Peoples Global Action...............137 Hamburg...............................212 Personeller Geheimschutz........236 Reichsbürgerbewegung-Region Personeller Sabotageschutz ....238 Nord ....................................212 Pfingstcamp..........................151 Reichspapiere........................209 PGA-Eckpunkte.....................137 RENNICKE............................193 PIJ.........................................50 REP........162, 163, 169, 170, 171, PKK.........26, 66, 67, 68, 70, 71, 110 172, 196, 197, 198, 206, 209 PMK....................29, 30, 105, 173 Republikaner.................162, 166, Pößneck.........................194, 213 196, 198, 206 Projekt "Nazis in Hamburg"........179 revisionistische ArgumentationsProjekt Schulhof.....................192 muster .................................203 Proliferation...........224, 227, 229, Revolutionär Sozialistischer 230, 238 Bund ...................................157 PWD......................................74 Richtlinienbriefe.....................216 PZD.......................................19 RIEFLING..............................168 RIEGER..........................164, 214 287 Anhang / Stichwortverzeichnis ROGGAN..............................113 Sellafield...............................128 Rote Flora.......................112, 160 Semdinli.................................74 Rote Hilfe..............................119 Shaba'a-Farmen......................52 RSB........................155, 157, 158 Sharm El Sheik..........................38 russische Nachrichtendienste in Sicherheitsrisiken...................236 Deutschland..........................226 Sicherheitsüberprüfungen........18, Rüstungstechnologie..............229 19, 21, 236, 237, 257 Sicherheitsüberprüfungsfeststel- S lungsverordnung....................239 Sicherheitsüberprüfungsgesetz des Saadet Partisi...........................55 Bundes.................................239 Sabotagerisiko.......................239 Skinhead-Musik..............177, 192 Sachsen........162, 164, 187, 193, Skinheadkonzert....................194 194, 201, 202 Skinheads..........5, 162, 163, 170, SAND............................127, 130 172, 176, 177, 178, 179, 180, SAV..............................155, 156 190, 191, 192, 201, 206 Schanzenpark..............4, 97, 106, SO.......17, 216, 217, 219, 220, 221 112, 113, 119, 130, 131, 134 solid..............................143, 151 Schanzenviertel..........98, 112, 120 Solidaritätsverein mit den politischen Scharia...........34, 44, 46, 56, 58, 59 Gefangenen und deren Familien in SCHLEMMER........................201 der Türkei...............................81 Schleswig-Holstein...........60, 116, Soligruppe Magdeburg.............119 124, 142, 151, 165, 166, 178, Sonstige rechtsextremistische 185, 188, 193, 194, 198, 202 Organisationen......................207 SCHLIERER..............196, 197, 198 Sozialforen............................147 SCHÖN................................168 Sozialistische Alternative.........155 Schulhof-CD...................193, 207 Sozialistische Deutsche ArbeiterjuSchulterblatt.........................112 gend.............................144, 150 SCHURA................................90 Sozialistische Partei Iran........25, 93 Schwur von Buchenwald..........153 SP....................................55, 60 Scientology Kirche Berlin e.V...217 Spanien..................................40 Scientology Kirche SPD-Zentrale...........................77 Deutschland e.V ...................217 Spendengelder....................25, 50 Scientology Organisation.........216 Spendensammlungen.........79, 119 SDAJ........144, 150, 151, 152, 160 SPI...............................25, 93, 94 Seattle.................................118 Spionageabwehr....16, 18, 224, 227 SED...............................140, 142 Sprengstoff......................38, 176 Seilschaften..........................158 Stadt, Land, Fluss..........122, 186, Selbstmordattentate............39, 53 192 Selbstmordattentäter....35, 36, 39 Stadtentwicklung............130, 132 288 Anhang / Stichwortverzeichnis STEHR...........................145, 146 Trotzkisten..............96, 103, 105, Straßburg...............................71 155, 160 Strukturdaten..........................20 Tschetschenien.................32, 180 Studiengebühren............117, 132, Tunceli...................................85 135, 150 türkisches Generalkonsulat.........82 Südostasien.......................32, 39 TV 5.......................................55 SÜFV...................................239 SÜG.....................................239 U Sunna......................48, 59, 60, 66 SWR....................................227 ÜCÜNCÜ................................60 Syrien.........................52, 80, 229 Umma...............................34, 57 Systemoppositionelle Atomkraft Umstrukturierung...........112, 130, Nein Danke...........................127 131, 135 Unabhängige Republikaner in der T NPD.....................................198 Ungläubige............32, 34, 35, 36, Tag der offenen Moschee....61, 89 41, 44 TAK..................................68, 69 Ungleichbehandlung der GeschlechTAMM-Museum.....................155 ter.........................................58 Tarnfirmen............................230 Unsere Zeit............................145 Täterprofil...............................37 Unterwanderung.............224, 228 TAYAD..............................81, 82 USA.......20, 25, 33, 70, 93, 111, TECAK-Anhänger.....................76 184 Technologien...........217, 220, 229 UZ...................145, 146, 149, 151 Teheran..................................90 Terrorismusbekämpfungs V gesetz ...........................19, 239 Terrorlisten........................25, 91 Vereinigung der Verfolgten des THÄLMANN..........................149 Naziregimes/Bund der AntifaschisTHIESSEN.............................179 ten.......................................142 THKP-C..................................80 Verein der Förderer einer iranischTJ.........................................48 islamischen Moschee in Hamburg TKP/ ML..................................83 e.V........................................89 Todesfasten............................81 Verein freier Frauen aus MesopotaTodesstrafe........................47, 92 mien e.V.................................74 Tötung von 17 MKP-Funktionären Verein Kurdistan Volkshaus.........71 durch das türkische Militär........83 Verein zur Rehabilitierung der Trennung von Politik und wegen Bestreitens des Holocaust Religion .................................31 Verfolgten.............................211 289 Anhang / Stichwortverzeichnis Verfassungsschutz durch InformaWeltwirtschaftsgipfel...............99 tion der Öffentlichkeit...............16 Wendland.............................129 verkürzte SicherheitsüberWerkhof...............................159 prüfung.................................237 Westjordanland.......................50 Verschlusssachen..........234, 235, WFS.......................150, 151, 152 236, 237 Widerstandsseiten...........178, 179 Verschlusssachenanweisung ..235 Wiedererweckungsbewegung .. 48 Vibrationsunterlagen..............231 Wiederherstellung des Deutschen Vlotho/NRW..........................211 Reiches.................................209 VOIGT..................................164 WIESE..................................175 Völkerverständigung.....15, 17, 31, Wilhelm Tietjen Stiftung..194, 213 45, 50, 79, 245, 265 Wirtschaftsspionage........227, 238 Volksbefreiungsarmee..............84 WISE....................................221 Volksfront......164, 165, 166, 167, Wissenstransfer.....................229 168, 181, 201, 209 Wohlfahrtsorganisationen.........51 Volksfront von Rechts....164, 166, Wohngemeinschaften.............159 201, 209 Woltersdorf...........................128 Volkshaus.....................71, 74, 77 WORCH.........123, 166, 180, 181, Volksmodjahedin Iran184, 187, 188, 189, 195 Organisation .............25, 90, 228 World Institute of Scientology Volksversammlungen...............75 Enterprises............................221 Volkswiderstandsbewegung der World People's Resistance Welt ....................................111 Movement.............................111 VOLLMOELLER.................99, 139 Wortergreifungsstrategie..205, 207 Volxküchen...........................120 WPRM..................................111 Vorrang kollektiver vor individuellen WTO-Tagung.........................118 Menschenrechten.....................30 WULFF...123, 165, 177, 178, 179, VRBHV..........................211, 212 181, 186, 187, 188 VVN/BdA..............................142 Wunsiedel......117, 184, 188, 189, VWBW.................................111 190, 214 W Y WAA-Transporte....................128 YAHYA.............................62, 63 Wahlkampfkosten-Erstattung..166, YATIM Kinderhilfe e.V. ..........50, 51 181 YEK-KOM............71, 72, 73, 74, 76 Waisenkinder-Hilfe Iran e.V.........89 YENEROGLU......................54, 63 WASG.......96, 97, 123, 141, 142, YOSPI....................................93 143, 144, 148, 155, 156, 157 Youth Organization of Socialist Wasserturm...101, 106, 113, 131 Party of Iran............................93 290 Anhang / Stichwortverzeichnis Z ZARQAWI...........34, 35, 36, 38, 40 ZAWAHIRI................33, 34, 35, 37 Zeck.............101, 106, 112, 113, 114, 115, 129 Zelle 'pack das pattex unter den tank' ..................................116 Zionisten................................63 ZKA..............................230, 231 ZÜNDEL...............................211 Zuverlässigkeitsüberprüfungen.......238, 239, 240, 246, 257 ZYSK.............................201, 206 291 Notizen