Verfassungsschutzbericht Hamburg 1996 Freie und Hansestadt Hamburg Landesamt für Verfassungsschutz Herausgeber: Freie und Hansestadt Hamburg Behörde für Inneres Landesamt für Verfassungsschutz Johanniswall 4, 20095 Hamburg Telefon: 040/244443 Telefax: 040/338360 Auflage: 4.000 April 1997 Druck: Schmidt & Klaunig, Ringstraße 19, 24114 Kiel 2 Senator Hartmuth Wrocklage: Der freiheitliche Rechtsstaat bleibt wachsam und wehrhaft! Das Landesamt für Verfassungsschutz unterrichtet mit diesem Verfassungsschutzbericht die Öffentlichkeit über extremistische Bestrebungen und Aktivitäten im Jahre 1996. Mit der Vorlage dieser Jahresbilanz kommt das Amt der Verpflichtung aus dem Hamburgischen Verfassungsschutzgesetz vom 7. März 1995 nach. Der Bericht stellt, ergänzend zur aktuellen Öffentlichkeitsarbeit, die Gefährdungen des demokratischen Rechtsstaates durch politisch motivierte extremistische Verhaltensweisen im Gesamtzusammenhang dar. Die Betrachtung der Verhältnisse allein in der Freien und Hansestadt Hamburg wäre nicht ausreichend, weil die Aktivitäten des deutschen und ausländischen Extremismus über die Landesund Staatsgrenzen hinausgehen. Die Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz bewegt sich, neben der Mitwirkung bei Sicherheitsüberprüfungen sowie der Aufklärung geheimdienstlicher Tätigkeiten fremder Mächte in der Bundesrepublik Deutschland, in den drei Hauptarbeitsbereichen Rechtsextremismus, Linksextremismus und Ausländerextremismus. Der Bericht geht insbesondere auf folgende aktuelle Entwicklungstendenzen im Bereich des Rechtsextremismus ein: Intellektualisierungsbestrebungen - Einigung der sog. "nationalen Opposition" - Beeinflussung rechtsextremistischer Parteien durch Neonazis - Instrumentalisierung des Asylkomplexes als Schlüssel zur "Lösung" von Wirtschaftsund Sozialproblemen. Gerade gegenüber dem Rechtsextremismus erweist sich die Funktion des Verfassungsschutzes, politisches Frühwarnsystem unserer wehrhaften Demokratie zu sein, als unverzichtbar. Die nicht zuletzt auf den Beobachtungen, Recherchen und Analysen des Verfassungsschutzes beruhenden staatlichen Bekämpfungsmaßnamen gegen den Rechtsextremismus und deren positive Wirkungen machen dies deutlich. Zugleich wird der notwendige Zusammenhang zwischen nachrichtendienstlicher handlungsorientierter Lagebeurteilung (Sache des Verfassungsschutzes) und konkreter Abwehr (z.B. Verbotsverfügungen und Vollzug durch die Exekutivbehörden) aufgezeigt. Folgende Aspekte sind besonders hervorzuheben: - Nach gemeinsamen Anstrengungen von Regierungen, Parlamenten und Öffentlichkeit konnte bei den Wahlen 1994 und 1995 der Einfluß rechtsextremistischer Parteien auf Kommunalund Landesparlamente sowie auf das Bundesund Europaparlament zurückgedrängt werden. Die Landtagsund Kommunalwahlen 1996/ 1997 in einigen Bundesländern haben jedoch gezeigt, daß von Rechtsextremisten neue Anläufe unternommen werden, sich mit populistischen Parolen nach dem Vorbild von Nationalisten in anderen europäischen Ländern Zutritt zu den Parlamenten zu verschaffen. Die Hamburger Bürgerschaftswahl am 21. September 3 1997 wird von rechtsextremistischen Parteien als eine Art Generalprobe für die Bundestagswahl 1998 verstanden. Sie konnten sich jedoch bislang nicht auf ein abgestimmtes Wahlverhalten einigen. - Die Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten ist 1996 weiter zurückgegangen. Angesichts einer Reihe brutaler Gewaltakte - erst vor wenigen Wochen wurde in Schleswig-Holstein ein Polizeibeamter getötet - dürfen die bloßen Fallzahlen jedoch nicht als Signal für eine Entwarnung verstanden werden. Denn die an diesen Taten deutlich sichtbare Gewaltbereitschaft verlangt auch künftig Wachsamkeit und entschlossenes Handeln. Es besteht eine ungebrochene Bereitschaft zu Militanz, volksverhetzender Propaganda und zur Konspiration unter Einsatz moderner Kommunikationstechnik. Trotz konsequenter Organisationsund Demonstrationsverbote nutzen Rechtsextremisten jede Möglichkeit, sich in Szene zu setzen. In lockeren Personenzusammenhängen, die z.T. untereinander vernetzt sind, versuchen sie, aktionsfähig zu bleiben. Einige haben unter dem Dach rechtsextremistischer Wahlbzw. Sammlungsorganisationen Aufnahme gefunden und benutzen deren Legalität als Deckung und Kulisse. - Die Hamburger Innenpolitik wird auch nach den weitreichenden Verboten neonazistischer Organisationen konsequent darauf achten, daß rechtsextremistische Agitatoren sich keine illegalen Spielräume verschaffen bzw. die Möglichkeit erhalten, Verbote zu unterlaufen. Versuche von Rechtsextremisten, ihre wahren Absichten mit wissenschaftlich-kulturellen Attitüden intellektuell zu verkleiden, müssen enthüllt werden. Gerade vor der Bürgerschaftswahl 1997 und im Vorfeld der Bundestagswahl 1998 wird es darauf ankommen, populistischen und volksverhetzenden rechtsextremistischen Parolen mit den Mitteln politischer Aufklärung sowie einer überzeugenden freiheitlichen, demokratischen und entschlossen rechtsstaatlichen Politik entgegenzutreten; auch hier kommt es auf die Solidarität der demokratischen Parteien an. Die zweite Hauptaufgabe stellten linksextremistische Gruppen und Organisationen mit ihrer wieder angestiegenen Militanz dar. Mit Sorge ist zu beobachten, daß autonome Linksextremisten unter den Deckmänteln sog. Antifaschisten, Antirassisten und militanter Kernkraftgegner mit Gewalt und krimineller Energie agieren, um in Wahrheit den Staat bzw. "das System" anzugreifen und letztlich - an der souveränen Willensbildung des Volkes vorbei - die freiheitliche demokratische Grundordnung zu unterhöhlen. Mit der denunziatorischen Wortwahl etwa vom staatlichen "Rassismus" im Zusammenhang mit der Asylund Flüchtlingsproblematik haben sie 1996 z.B. verstärkt versucht, das heutige freiheitliche und demokratische Deutschland ins Licht einer anhaltenden, menschenverachtenden nationalsozialistischen Verwurzelung zu stellen und daraus ein "antifaschistisches" Feindbild sowie das Motto "Antifa heißt Angriff abzuleiten. 4 Bundesweit gab es erstmals nach 1993 einen Wiederanstieg der linksextremistischen Gewalt (+ 14 % gegenüber 1995), vor allem bewirkt durch Militanz gegen "Castor"Transporte. Abweichend davon ist in Hamburg allerdings ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen (- 40 % gegenüber 1995). Nach der Deeskalationserklärung der RAF von 1992 mehren sich die Anhaltspunkte, daß es hier zur Auflösung eines jahrzehntealten Bedrohungspotentials kommen könnte. Mutmaßliche Hauptfiguren der terroristischen "Antiimperialistischen Zelle" (AIZ), die dort anknüpfen wollten, wo die RAF aufgehört hatte, wurden 1996 verhaftet. Seitdem gab es keine neuen AIZ-Anschläge. Den dritten Hauptkomplex in der Arbeit des Verfassungsschutzes bildeten und bilden sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern. Es muß allerdings hervorgehoben werden, daß nur ein geringer Anteil der in Deutschland lebenden Ausländer (unter 1 %) derartigen Gruppierungen zuzuordnen ist. Unverändert beeinflussen innenpolitische Entwicklungen in anderen Ländern das Verhalten der in Deutschland agierenden ausländischen Extremisten. So wirken islamistisch-fundamentalistische Tendenzen ebenso in unser Land hinein wie militärische Auseinandersetzungen in den vorwiegend kurdisch bevölkerten Regionen der Türkei. Haftbedingungen in türkischen Gefängnissen lösten 1996 Hungerstreikaktionen aus, die sich in einer Welle von Solidaritätsaktionen türkischer und kurdischer Linksextremisten auch in Deutschland niederschlugen. Die unter Berufung auf die Menschenrechte angetretene Protestbewegung stellte sich allerdings vielfach selbst ins Unrecht, indem sie es zuließ, daß aus ihren Reihen eine bundesweite Serie zum Teil lebensgefährlicher Brandanschläge verübt wurde. Nach militanten Zuspitzungen zeichnete sich allerdings ab Frühjahr 1996 im Verhalten der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) ein bemerkenswerter Tendenzwandel ab. Der Vorsitzende der PKK forderte dazu auf, Gewalt zu vermeiden und ließ sein Bestreben erkennen, sich mit dem Gastland zu arrangieren. Wenn diese vom Vorsitzenden der PKK auf verschiedenen Kanälen signalisierte Zäsur nicht nur eine vorübergehende taktische Wende bleibt, könnte sich daraus eine deutliche Entschärfung der Bedrohungslage im Ausländerextremismus ergeben. Allerdings kann und muß - wie von anderen Gruppierungen auch von der PKK - erwartet werden, daß sie die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland respektiert und einhält. Deutsche Sicherheitsbehörden müssen sich daher gewalttätigen Bestrebungen ausländischer Extremisten entgegenstellen, ohne selbst unmittelbar auf die Ursachen der Konflikte im Ausland einwirken zu können. Bei allem gebotenen Respekt vor fremden Kulturen und Weltanschauungen und unter Berücksichtigung verständlicher Motive kann es nicht hingenommen werden, daß ausländische Extremisten die Konflikte ihrer Länder in Deutschland austragen und damit das friedliche Zusammenleben deutscher und ausländischer Mitbürger z.B. in Hamburg stören. 5 Rechtsextremisten, Linksextremisten und inzwischen auch einige ausländische extremistische Organisationen bedienen sich in einem zunehmenden Maße der modernen elektronischen Informationstechnologien und Medien, um ihre interne Kommunikation effektiver zu gestalten, sich der Beobachtung durch Sicherheitsbehörden zu entziehen und um ihre Propaganda relativ ungehindert einem breiten Publikum direkt ins Haus zu liefern. Diese Herausforderung stellt die Sicherheitsbehörden vor neue Aufgaben und erfordert auch die Anpassung der eigenen technischen Ausstattung. Das hamburgische Landesamt für Verfassungsschutz ist auch hier auf der Höhe der Zeit. Insgesamt stellt der Verfassungsschutzbericht 1996 erneut unter Beweis: Der freiheitliche Rechtsstaat bleibt wachsam und wehrhaft! Das zeigt sich auch bei einem anderen Komplex, der in der Bevölkerung, in den Medien und im politischen Raum besondere Beachtung gefunden hat und findet: Es geht um die "Scientology Church*' (SC), speziell um die Fragestellung, ob über die bekannten Gegenmaßnahmen hinaus die SC durch den Verfassungsschutz beobachtet werden soll. Die SC entspricht zwar nicht den klassischen Mustern politisch motivierter extremistischer Bestrebungen. Es gibt allerdings die Position, daß die SC einen neuartigen Extremismus verfolge, der am Ende auf totalitäre politische Zielsetzungen hinauslaufe. Gegen die Organisation werden öffentlich Vorwürfe erhoben, Psychoterror auszuüben sowie kriminelle Methoden anzuwenden. Entsprechende Anhaltspunkte finden sich in schriftlichen Direktiven des SC-Gründers L. Ron HUBBARD und in Aussagen ehemaliger SC-Angehöriger, die solche Anweisungen umzusetzen hatten. Obwohl die weltweit agierende SC sich als "Kirche" geriert, erscheint sie als vorwiegend profitmaximierendes Unternehmen mit dem Fernziel einer totalitären Staatsund Gesellschaftsordnung (Stichwort: "Clear Germany"). Vor diesem Hintergrund hat die Ständige Konferenz der Innenminister und -Senatoren am 22. November 1996 in Hamburg beschlossen, die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder mit der Prüfung der Frage zu beauftragen, ob die Voraussetzungen für eine Beobachtung der "Scientology Church" durch den Verfassungsschutz erfüllt sind. Das Ergebnis dieser Prüfung soll bis zur nächsten Innenministerkonferenz im Juni 1997 vorliegen. Das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz beteiligt sich an der systematischen und gründlichen Auswertung vorhandener Unterlagen und Informationen, die die Frage beantworten soll, ob die SC in der Tat eine neuartige politisch motivierte extremistische Bestrebung ist, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt und damit in die Beobachtungszuständigkeit des Verfassungsschutzes fällt. 6 Inhaltsverzeichnis Seite: I. Allgemeines 12 1. Verfassungsschutz in H a m b u r g 12 2. Überblick 1996 / Organisationen und Potentiale 15 2.1 Rechtsextremismus 16 2.2 Linksextremismus 21 2.3 Ausländerextremismus 26 II. Politischer Extremismus 1996 30 1. Rechtsextremismus 30 1.1 Ideologische Grundlagen und praktische Erscheinungsformen 30 1.2 Themen und Agitationsinhalte 34 1.2.1 Ausländerund Asylproblematik sowie multikulturelle Gesellschaft / Knotenpunkte rechtsextremistischer Erklärungsmuster zur Sozialpolitik 34 1.2.2 Antisemitismus / Rassismus 38 1.2.3 Revisionismus 41 1.3 Rechtsextremistische Gewalt 45 1.3.1 Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten / Statistik 45 1.3.2 Diskussionsstand im Hinblick auf terroristische Gewalt 52 1.4 Neonazismus 55 1.4.1 Aktuelle Situation / Tendenzen 55 1.4.2 Bestrebungen ehemaliger Mitglieder und Anhänger verbotener Organisationen in Hamburg 61 1.4.3 Anti-Antifa 66 1.4.4 Rechtsextremistische, insbesondere neonazistische Gefangenenhilfe 69 1.4.5 Rudolf-HESS-Gedenkaktionen 71 1.5 Rechtsextremistische Parteien 75 1.5.1 Die Republikaner (REP) 75 1.5.2 Deutsche Volksunion (DVU) 82 1.5.3 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) nebst Jugendorganisation 84 1.5.3.1 NPD 84 1.5.3.2 Junge Nationaldemokraten (JN) 89 1.5.4 Hamburger Liste für Ausländerstopp (HLA) 93 1.5.5 Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) 94 1.5.6 Einigungsbestrebungen 96 1.5.7 Vorbereitungen auf die Hamburger Bürgerschaftswahl 1997 102 1.6 Sonstige Bestrebungen und Strukturen 105 1.6.1 Neue Rechte / Ideologien, Erscheinungsformen, Strategien 105 1.6.2 Deutsches Kolleg und Hamburger Kreis. 111 1.6.3 Burschenschaften 115 1.6.4 Sonstige rechtsextremistische Organisationen und Einrichtungen 117 1.7 Skinheads 119 1.7.1 Grundsätzliches, Merkmale 119 1.7.2 Fanzines, Skinbands, Tonträger, Konzerte 120 1.7.3 Hammerskinsund'Blood& Honour'-Skins 122 1.7.4 Situation in Hamburg 123 1.8 Grenzüberschreitende Aktivitäten 125 1.8.1 Europa 125 1.8.2 USA und Kanada 128 1.8.3 NSDAP/AO 129 1.9 Rechtsextremistische Bestrebungen mit Hilfe moderner Informationstechnologie 131 2. Linksextremismus 135 2.1 Ideologische Grundlagen und praktische Erscheinungsformen 135 2.2 Themen und Agitationsinhalte 139 2.2.1 Antifaschismus 139 2.2.1.1 Allgemeines 139 2.2.1.2 Organisationen und Gruppenzusammenhänge 141 2.2.1.3 Aktivitäten und Beispiele fur Gewaltanwendungen 143 2.2.2 Ausländerund Asylproblematik / Schlagwort Antirassismus und Stichwort Antinationalismus 147 2.2.2.1 Allgemeines 147 2.2.2.2 Aktivitäten und Beispiele für Gewaltanwendungen 149 2.3 Linksextremistische Gewalt 153 2.3.1 Linksextremistisch motivierte Gewalttaten / Statistik 153 2.3.2 Linksextremistischer Terrorismus 157 2.3.2.1 Rote Armee Fraktion (RAF) 158 2.3.2.2 Antiimperialistischer Widerstand (AIW) 161 2.3.2.3 Antiimperialistische Zelle (AIZ) 163 2.3.2.4 Revolutionäre Zellen (RZ) und Rote Zora 165 2.4 Autonome und anarchistische Szene 167 2.4.1 Autonome 167 2.4.1.1 Grundsätzliches 167 2.4.1.2 Autonome Gruppen in Hamburg 169 2.4.2 Anarchisten 173 2.4.2.1 Grundsätzliches 173 2.4.2.2 Anarchistische Gruppen in Hamburg 174 2.4.3 Protest und Widerstand gegen Stadtteilentwicklung 178 2.4.4 Widerstand gegen die Nutzung der Atomkraft 180 2.4.5 Internationalismus 184 2.5 Dogmatisch orientierte Parteien und Vereinigungen 188 2.5.1 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) und Umfeld 188 2.5.1.1 DKP 188 2.5.1.2 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 191 2.5.1.3 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) 193 2.5.2 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 195 2.5.3 Sonstige revolutionäre Marxisten 197 2.5.3.1 Nachfolgestrukturen des Bundes Westdeutscher Kommunisten (BWK) 197 2.5.3.2 Vereinigung für Sozialistische Politik (VSP) 199 2.5.3.3 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) 200 2.5.3.4 Marxistische Gruppe (MG) 202 9 2.5.3.5 Trotzkistische Gruppen und Strömungen 203 2.5.6 Hamburger Bürgerschaftswahl 1997 206 2.6 Linksextremistische Bestrebungen mit Hilfe moderner Informationstechnologie 207 3. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 210 3.1 Allgemeines 210 3.1.1 Hintergrund und Bestrebungsmerkmale 210 3.1.2 Gewaltanwendungen und sonstige Gesetzesverletzungen / Statistik 212 3.2 Kurden 214 3.2.1 Allgemeines 214 3.2.2 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 216 3.2.2.1 Demonstrative Aktionen 216 3.2.2.2 Hungerstreikaktionen und Proteste gegen Menschenrechtsverletzungen 221 3.2.2.3 Bombendrohungen, Anschläge und Barrikaden 222 3.2.2.4 Festnahmen, Strafverfahren, Verbote und sonstige Exekutivmaßnahmen 223 3.2.2.5 Drohungen und Gewaltverzichtsbekundungen 226 3.2.2.6 Beurteilung / Perspektiven 227 3.3 Türken 228 3.3.1 Allgemeines 228 3.3.2 Linksextremisten 230 3.3.2.1 DHKP-C 230 3.3.2.2 THKP/-C 233 3.3.2.3 TKP/ML 235 3.3.2.4 TKP(ML) 238 3.3.2.5 MLKP 239 3.3.3 Islamisten 240 3.3.3.1 Islamische Gesellschaft Neue Weltsicht (IGMG) 240 3.3.3.2 Islamische Bewegung (IH) 243 3.3.4 Protestund Gewaltkampagne aus Anlaß von Hungerstreiks in türkischen Gefängnissen 243 10 3.4 Iraner 248 3.4.1 Allgemeines 248 3.4.2 Regierungsseitige Bestrebungen und Anhänger der iranischen Regierung 249 3.4.3 Gegner der iranischen Regierung 253 3.5 Araber 257 3.5.1 Palästinenser und Libanesen 257 3.5.2 Andere Volksgruppen (Moslembruderschaft u. Algerier) 260 Anhang: Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz 263 Abkürzungsverzeichnis 281 Stichwortverzeichnis 288 Hinweis: Soweit in den Ausführungen dieses Berichtes Zahlenangaben (Mitglieder-/Anhängerstatistiken, Gewaltund Straftatenstatistiken) von Veröffentlichungen früherer Jahre abweichen, gehen die neuen Zahlen auf aktualisierte Erkenntnisstände, neue Bewertungen oder veränderte Erfassungskriterien zurück. Zeichenerklärung: Querverweise auf Textfundstellen sind mit O gekennzeichnet 11 I. Allgemeines 1. Verfassungsschutz in Hamburg Das Landesamt für Verfassungsschutz ist ein Inlandsnachrichtendienst. Es hat keine exekutiven Aufgaben oder Befugnisse. Das Amt beobachtet, recherchiert, liest, analysiert und erstellt Lagebilder als Hintergrundinformationen für den Senat. Letztlich dient es als "Frühwarnsystem " gegen Bedrohungen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Das Landesamt informiert aber auch - wie mit diesem Bericht - die Öffentlichkeit. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung können nur dann mit nachhaltigen Erfolgen rechnen, wenn ihre Träger die Bürger über ihre wirklichen Absichten täuschen können. Verfassungsschutz durch Aufklärung ist daher ein wichtiges Anliegen dieser Veröffentlichung. Das Grundgesetz garantiert politisch Andersdenkenden bis hin zu radikalen Überzeugungen Freiheit. Auch radikale politische Überzeugungen und Gesinnungen haben ihren Platz in unserer pluralistischen Gesellschaftsordnung. Die Grenzen der Freiheit werden überschritten, wenn Organisationen oder politische Parteien die Demokratie und den Rechtsstaat in Frage stellen oder sie gar beseitigen wollen. Erst wenn Feinde der Freiheit sich als extremistische Bestrebungen bemerkbar machen, die Grundprinzipien und den Kernbestand unserer Verfassung antasten wollen, treten die Abwehrkräfte des demokratischen Rechtsstaates auf den Plan. Auf Grund der bitteren Erfahrungen, die Deutschland und seine Nachbarn nach dem Untergang der Demokratie in der abwehrschwachen Weimarer Republik sammeln mußten, hat sich die Bundesrepublik in ihrem Grundgesetz für eine wehrhafte Demokratie entschieden. Sie ist ihren Feinden gegenüber entschlossen abwehrbereit. Der Freiheitsanspruch einzelner steht in einem Spannungsverhältnis zum Freiheitsanspruch anderer und zum Recht aller Bürger auf Freiheit und Sicherheit. Beide Grundwerte müssen mit rechtsstaatlichen Mitteln gegeneinander ausbalanciert werden. Verfassungsschutz bewegt sich nicht in einer rechtlichen Grauzone, sondern hält sich streng an seinen gesetzlichen Auftrag und seine gesetzlichen Befugnisse. Sein Handeln ist stets an rechtsstaatlichen Maßstäben zu messen. Er unterliegt daher u.a. parlamentarischer Kontrolle, der Kontrolle des Datenschutzbeauftragten und der Nachprüfung durch die Gerichtsbarkeit. Aufgaben und Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz werden durch das Hamburgische Verfassungsschutzgesetz (HmbVerfSchG) vom 07.03.95 - zuletzt geändert am 22.05.96 - bestimmt. Das Gesetz entspricht insbesondere den erhöhten Anforderungen des Datenschutzes, die sich in der Folge des Bundesverfassungsgerichtsurteils zum Volkszählungsgesetz von 1983 ausgeprägt haben. Rechtsgrundlagen für 12 die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten und Informationen durch das Landesamt für Verfassungsschutz wurden präzisiert. Das Hamburgische Verfassungsschutzgesetz stellt die zwingend gebotene Einheitlichkeit auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes in der Zusammenarbeit und im Informationsaustausch mit den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder sicher. Auftrag und Befugnisse sind vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geprägt. Der konkrete Aufgabenkatalog des Landesamtes für Verfassungsschutz ergibt sich aus SS 4 des Gesetzes. Der vollständige Gesetzeswortlaut ist im Anhang zu diesem Bericht nachzulesen. Die bundeseinheitlich geregelten Aufgaben der Extremismusbeobachtung, Spionageabwehr sowie der Mitwirkung bei Sicherheitsüberprüfungen sind daraus ersichtlich. Der gesetzliche Auftrag bezieht sich auf jede Form politischen Extremismus. Er macht keine Bewertungsunterschiede zwischen verfassungsfeindlichen Positionen von links oder rechts. Der Hamburger Verfassungsschutzbericht 1996 gibt Aufschluß über Aufgabenbereiche des Landesamtes für Verfassungsschutz, beschreibt sie in den Schwerpunkten der Extremismusbeobachtung mit den Zusammenhängen und Ergebnissen. Zum besseren Verständnis der vielfältigen Bestrebungen wurde besonderer Wert darauf gelegt, den tieferen Hintergrund und die Denkweise politischer Extremisten aufzuzeigen und zu erläutern. Die Konturen extremistischer Bestrebungen werden nicht nur abstrakt nachgezeichnet, sondern auch mit konkreten aktuellen Handlungsbeispielen belegt. Der Bericht verzichtet darauf, Aufgaben und Ergebnisse im Bereich der Spionageabwehr und der Mitwirkung bei Sicherheitsüberprüfungen darzustellen. Die Gesetze kennen die Begriffe "extremistisch" und "verfassungsfeindlich"nicht. In den Zuständigkeitsbereich des Hamburger Verfassungsschutzes fallen Organisationen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, daß sich ihre Bestrebungen "gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes " richten oder "eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der verfassungsmäßigen Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben. " Organisationen oder unorganisierte Personenzusammenhänge, die. diese Voraussetzungen erfüllen, werden unter dem Arbeitsbegriff "extremistisch" eingeordnet. Diese Bezeichnung hat auch in der öffentlichen Darstellung und Auseinandersetzung ihren Niederschlag gefunden. Der Verfassungsschutz unterscheidet damit bei der Darstellung von Organisationen und der Benennung ihrer Mitgliederzahlen nicht zwischen Organisationen, die zunächst nur "tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht" bieten und solchen, zu denen Gerichtsentscheidungen vorliegen, die von "verfassungsfeindlichen Bestrebungen" sprechen. Er unterscheidet auch nicht zwischen "verfassungsfeindlichen" Organisationen und solchen, deren "Verfassungswidrigkeit" feststeht und die verboten sind. 13 Der Verfassungsschutzbericht beschreibt die Ziele und Aktivitäten extremistischer Bestrebungen, er beziffert darüber hinaus auch Organisationsund Bestrebungspotentiale. Er kann jedoch besonders bei den Großorganisationen keine Aussage treffen, ob eine bestimmte einzelne Person über ihre bloße Mitgliedschaft hinaus aktive Trägerin extremistischer Bestrebungen ist oder nicht. Aus welchen Motiven jemand einer vom Landesamt für Verfassungsschutz beobachteten Organisation beitritt, bleibt vielfach unbekannt. Deshalb spricht der Bericht auch bei den Gesamtzahlen von "Mitgliedern" bzw. "Mitgliedschaften" sowie "Anhängern" und nicht von Extremisten. Um die Arbeit der Verfassungsschutzbehörden transparenter zu machen, haben sich die Innenminister und -Senatoren der Länder 1992 dafür ausgesprochen, Strukturdaten der Verfassungsschutzbehörden zu veröffentlichen: 1. Der Haushaltsplan 1996 der Freien und Hansestadt Hamburg wies für das Landesamt für Verfassungsschutz am Jahresende 149,2 (1995: 160,2) Stellen aus. Am 1.1.1997 erfolgte ein weiterer Abbau auf 145,2 Stellen. 2. Der Haushaltsansatz für das Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg (Sachausgaben und Personalkosten) betrug 1996 13.668.000 DM (1995: 13.997.000 DM). Darin waren 8.754.000 DM (1995: 9.082.000 DM) für Personalausgaben enthalten. 3. Durch das Landesamt für Verfassungsschutz waren am 31.12.1996 im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) 10.858 (31.12.1995: 11.322) Personen erfaßt, davon 41,22 Prozent (31.12.1995: 38,53 Prozent) im Zusammenhang mit Sicherheitsüberprüfungen. Die Verfassungsschutzbehörden sammeln und speichern personenbezogene Daten über extremistische Bestrebungen, sicherheitsgefährdende Aktivitäten und im Rahmen der Mitwirkungsaufgabe im Zuge von Sicherheitsüberprüfungen. Instrument der gegenseitigen Unterrichtung der Verfassungsschutzbehörden sind unter anderem gemeinsame Dateien. Die "klassische" gemeinsame Datei im Sinne des SS 6 BVerfSchG ist die Personenzentraldatei (PZD) im Verbund des bundesweiten Nachrichtendienstlichen Informationssystems (NADIS). Sie ist eine grundsätzlich allen Verfassungsschutzbehörden zur Verfügung stehende Sammlung von Hinweisen auf Unterlagen, die personenbezogene Informationen enthalten. Jede Behörde speichert in eigener Verantwortung biographische Daten und das Aktenzeichen der betreffenden Unterlage. Im Zusammenhang mit Personalien wird lediglich eine Aktenfundstelle gespeichert, nicht die eigentliche Information. Durch die PZD soll im konkreten Bedarfsfall festgestellt werden können, ob eine Person bereits früher im Zusammenhang mit der Aufgabenwahrnehmung bekannt geworden ist. Die Nutzung von Informationen aus den Unterlagen ist ein von der PZD unabhängig und konventionell ablaufender zweiter Schritt. 14 Wenn eine PZD-Fundstelle angezeigt wird, bedeutet das nicht zugleich, daß "belastende" Informationen vorliegen. Dieses gilt unter anderem für die überwiegende Zahl derjenigen Personen, an deren Sicherheitsüberprüfung die Verfassungsschutzbehörden mitgewirkt haben und zu denen keine sicherheitsrelevanten Informationen vorliegen. Zugriff zu gespeicherten Daten haben ausschließlich die Verfassungsschutzbehörden. Sie sind verpflichtet, nach präzise vorgegebenen Fristen und strengen Beurteilungsmaßstäben die gespeicherten Daten zu prüfen. Sind sie nicht mehr aufgabenrelevant bzw. ist ihre weitere Aufbewahrung nicht mehr erforderlich, werden sie gelöscht. Der Datenschutzbeauftragte kontrolliert, ob die Prüfungsund Löschungsfristen beachtet wurden und werden. 2. Überblick 1996 / Organisationen und Potentiale Die zahlenmäßige Entwicklung in den drei vom Verfassungsschutz beobachteten Extremismuskomplexen verlief im Berichtsjahr, aber auch in der langzeitlichen Betrachtung der letzten 10 Jahre, wechselhaft und uneinheitlich. Der bundesweit z.Zt. abnehmenden Organisationsstärke im Rechtsextremismusbereich (1996 Rückgang um etwa 800) stand 1996 eine weitere Zunahme um 1.800 im Bereich des Ausländerextremismus gegenüber. Die Mitgliederund Anhängerentwicklung im Bereich des Linksextremismus bewegte sich erneut nur minimal oberhalb einer Stagnation. Bundesweite Entwicklung der Extremismuspotentiale 1986 -1996~^ Ausländer " ^ Rechtsextremisten mnnnn . 1 - * Linksextremisten \ ^ ^ Ausländ. Extremisten Rnnnn - 60000 Links \i " -- 40000 * " S Rechts * m *m onnno : 0 CD OO CD O CN CO TT m CD 00 00 00 00 CO Oi CO CO CO CO CO Oi Ol Oi CO CO CO co co CO CO 15 2.1 Rechtsextremismus Das Erscheinungsbild des Rechtsextremismus war auch 1996 in der Bundesrepublik von Zersplitterung, Zerstrittenheit sowie Führerund Gruppenegoismen geprägt. Viele Appelle zur Vereinigung der Rechten blieben weitgehend wirkungslos. 1995 begonnene Ansätze, wie die Einrichtung "Runder Tische", an denen Personen verschiedener rechtsextremistischer Spektren teilnahmen, kamen nicht voran. Auseinandersetzungen innerhalb und zwischen Organisationen setzten sich fort. Basispolitische Ansätze zur Überwindung dieser Misere blieben ohne große Wirkung. Dabei hatte eine Reihe rechtsextremistischer Organisationen analysiert, daß wachsende gesellschaftliche und soziale Krisenerscheinungen in der Bundesrepublik zu einem steigenden Protestverhalten Betroffener führe, das insbesondere den "Nationalen" Zuspruch und Auftrieb geben müßte. Folgerichtig wurde die Agitation zunehmend auf soziale Themen wie Arbeitslosigkeit und Sozialabbau, auf den Kampf gegen die Einführung des Euro bzw. auf Themen der Inneren Sicherheit ausgedehnt. Die erhofften Erfolge blieben jedoch bisher aus. Das lag insbesondere an dem desolaten Erscheinungsbild rechtsextremistischer Organisationen, auch dort, wo sie in Parlamenten vertreten waren, an mangelnder Fachkompetenz und an fehlenden charismatischen Führungspersonen. Die künftige Entwicklung des Rechtsextremismus wird davon abhängen, ob es seinen Trägern gelingt, die aufgezeigten Schwächen zu überwinden, ein vermutlich zunehmendes Protestpotential auf sich umzulenken und den geringen personellen Stamm zu verstärken. Als Vorbild dienen deutschen Rechtsextremisten dabei die Erfolge gesinnungsverwandter Nationalisten in anderen europäischen Ländern. Auch im Jahre 1996 zeigten sich keine Ansätze für systematisch organisierte rechtsextremistische Gewalt. Die statistisch erfaßte rechtsextremistisch motivierte Gewalt war wie in den vergangenen Jahren weiter rückläufig. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß weiterhin ein erhebliches Gewaltpotential vorhanden ist und erneut eine große Zahl fremdenfeindlicher Gewalttaten - zum Teil mit erschreckender Brutalität - verübt wurde. Unverändert gilt, daß die weit überwiegende Anzahl dieser Straftaten weder von organisierten Rechtsextremisten noch aufgrund gezielter, längerfristiger Planung begangen wurde, sondern spontan aus dem jeweiligen örtlichen Umfeld der Tatziele erfolgte. Insbesondere in ostdeutschen Ländern wurden derartige Straftaten von einer jugendlichen Subkultur begangen, die nur zu einem Teil rechtsextremistisch indoktriniert ist. Rechtsextremisten nutzen zunehmend moderne Kommunikationsmittel wie Mobiltelefone, Faxgeräte, Mailboxen und das Internet. Insbesondere das Internet bietet sich für Propagandazwecke, Vernetzungen, Absprächen und weltweite Kontakte an. Straf16 rechtlich relevante Texte, die in der Bundesrepublik streng verfolgt werden, werden damit zunehmend der Ahndung.entzogen. Nach zwei Jahren mit drastischen personellen Einbußen gelang dem organisierten Rechtsextremismus im Berichtsjahr eine gewisse Stabilisierung. Die Mitgliederverluste fielen nur noch geringfügig aus. Dabei gab es unterschiedliche Entwicklungen. Während bei den rechtsextremistischen Parteien ein weiterer Abwärtstrend zu beobachten war, konnte bei Neonazis und sonstigen rechtsextremistischen Organisationen insgesamt ein Mitgliederzuwachs festgestellt werden. Die Zahl der rechtsextremistischen Mitgliedschaften nach Abzug von Doppelmitgliedschaften verringerte sich auf etwa 45.300 (1995: etwa 46.100). Durch die Gründung weiterer regionaler und örtlicher sowie neonazistischer Kleingruppen und durch die auf zusätzliche rechtsextremistische Organisationen erweiterte Beobachtungsbreite erhöhte sich die Anzahl der von den Verfassungsschutzbehörden beobachteten rechtsextremistischen Organisationen auf über 100 (1995: 92). Die Rechtsextremisten gliedern sich wie folgt auf: Bundesweites Rechtsextremismuspotential 1995 1996 GrupMitglieder GrupMitglieder pen pen Gewaltbereite Rechtsextremisten, insbesondere rechtsextremistische Skinheads 3 6.200 5 6.400 Neonazistische Bestrebungen 43 2.480 48 2.690 nach Abzug der Mehrfachmitgliedschaften 1.980 2.420 Parteien, 4 (*)35.900 3 33.500 davon: davon: davon: * " Die Republikaner " (REP) 16.000 15.000 * " Deutsche Volksunion " (DVU) 15.000 15.000 * " Nationaldemokratische Partei Deutschlands " 4.000 3.500 NPD) Studentenund Jugendorganisationen 9 280 8 280 Sonstige rechtsextremistische Organisation. 37 2.380 44 (**)3.420 Summe Parteien, Studenten-AIugend u. sonstige Org. 38.560 37.200 nach Abzug der Mehrfachmitgliedschaften 37.920 36.480 Gesamt nach Abzug d. Mehrfachniitgliedschaften 46.100 (***) 45.300 (*) - einschließl. 900 Mitgl. der "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (DLVH, 1995 Partei) (**) einschließlich 800 Mitglieder der DLVH (1996 Parteistatus aufgegeben) (***) abgezogen sind insgesamt 990 Mehrfachmitgliedschaften (270 Neonazis, 720 Sonstige) 17 ab 1992 neu aufgenommen: Die REPUBLIKANER Bundesweite rechtsextremistische Mitglieder-/Anhängerpotentiale in den letzten 15 Jahren zz. 5C zr 10000 20000 30000 40000 50000 60000 70000 Obwohl die "Republikaner" weitere Mitglieder verloren, begann die Partei sich zu stabilisieren. Dies zeigte sich insbesondere in ihrem Erfolg bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg, wo der Wiedereinzug in den Landtag gelang. Offensichtlich hat sich dort eine Stammwählerschicht gebildet, die zur Etablierung der Partei - unabhängig von Protestwählern - geführt hat. Da in Baden-Württemberg der absolute Schwerpunkt ihrer Parteiarbeit liegt, ist dieses Resultat kein Indikator für das gesamte Bundesgebiet, wird innerparteilich aber dennoch als Signal interpretiert. Der Parteivorsitzende, Dr. SCHLIERER, konnte sich mit seiner Abgrenzungspolitik gegenüber anderen rechtsextremistischen Organisationen auf dem Bundesparteitag durchsetzen und seine Position im Bundesvorstand festigen. Seine Widersacher wurden aus wichtigen Parteifunktionen gedrängt. Die politische Wirkung der DVU blieb - wie in, den Vorjahren - gering. Außer ihrer alljährlichen Großveranstaltung in Passau fanden kaum politische Aktivitäten statt. 18 An den Landtagswahlen nahm die DVU nicht teil. Innerhalb des Rechtsextremismus blieb sie isoliert. In der NPD konnte der neugewählte Bundesvorsitzende VOIGT den Machtkampf gegen seinen inhaftierten Vorgänger DECKERT vorerst für sich entscheiden. Er öffnete die Partei - entgegen früheren Abgrenzungsbeschlüssen - für Aktionsbündnisse auch mit Neonazis, u.a. Mitgliedern verbotener Organisationen. Er unterstützte die in diese Richtung tendierende Position innerhalb des Bundesvorstandes der Jugendorganisation JN. Die JN gerieten zunehmend in den Einflußbereich von Neonazis, die in die Organisation eindringen und dort auch als Aktionspartner akzeptiert werden. Die Neonaziszene ist nach den Verboten der meisten überregionalen Organisationen weiterhin in eine Vielzahl örtlicher und regionaler Kleingruppen zersplittert. Eine angestrebte überregionale Vernetzung, die zu einer kontinuierlichen Zusammenarbeit und gemeinsamen Aktivitäten führen könnte, scheiterte an der Zerstrittenheit der Szene und den Animositäten der Führungspersonen. Die Skinheadszene ist weiterhin als gewalttätiges Potential anzusehen. Erneut wurde eine Fülle von Gewalttaten, insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern, von diesem Personenkreis begangen. Eine erhebliche Steigerung gab es bei der Anzahl der Skinkonzerte, die sich nahezu verdoppelte. Der Rechtsextremismus in Hamburg stagniert auf niedrigem Niveau. Es gab nur wenige öffentliche Aktivitäten. Insbesondere bei den rechtsextremistischen Parteien fehlen Führungspersonen, die die schwach ausgeprägte Parteiarbeit forcieren und die Mitglieder zu verstärkter Mitarbeit motivieren könnten. Rechtsextremisten 1995 /1996 in Hamburg 1995 etwa: Zuordnung: 1996 etwa: 80 Gewaltbereite Rechtsextremisten 60 (davon Skinheads:) (40) 100 Neonazis 80 unter 600 DVU unter 600 120 REPUBLIKANER 130 80 NPD 80 60 HLA 40 30 DLVH 30 230 Sonstige 230 19 Die Neonaziszene ist in zwei verfeindete Lager aufgespalten, die eine Zusammenarbeit ablehnen. Hamburger Anhänger der verbotenen neonazistischen Organisationen NL und FAP setzten ihre politischen Aktivitäten in anderen rechtsextremistischen Organisationen fort: Mitglieder des aufgelösten FAP-Landesverbandes Hamburg in den JN, Anhänger der NL teilweise in der DLVH. Ende 1996 lag - nach Abzug von Doppelmitgliedschaften - das Organisationspotential in Hamburg bei etwa 1.200 Personen (1995: etwa 1.250). 20 300 230 230 200 100 _40 30 30 Gewaltb. Neonazis DVU REP NPD HLA DLVH Sonst RechtsRechtsextremistische Mitgliederund extrem. inkl.Skins Anhängerpotentiale 1995 und 1996 in Hamburg ) Ebenso wie auf bundesweiter Ebene gab es in Hamburg einen Rückgang von Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem rechtsextremistischem Hintergrund. Die Gesamtzahl rechtsextremistischer Straftaten sank in Hamburg - abweichend vom Anstieg um 834 auf bundesweiter Ebene - weiter von 323 auf 311. Spektakuläre Gewaltanschläge blieben wie im Vorjahr aus. Die meisten Straftaten entfielen auf Propagandadelikte. Die rückläufige Tendenz bei fremdenfeindlichen Straftaten hielt an. Die Hamburger Polizei ermittelte 155 Tatverdächtige (1995: 156). Angesichts von bundesweit 781 Gewalttaten bzw. insgesamt 8.730 Straftaten besteht kein Grund zur Entwarnung. 2.2 Linksextremismus Ungeachtet des weltweiten Ansehensverlustes sozialistischer, kommunistischer und sonstiger "revolutionärer" Gesellschaftsmodelle hoffen Linksextremisten auf neue Chancen, die Bürger mit ihren Parolen vermeintlicher "Befreiung" vom "Joch" des "Kapitalismus" bzw. "Imperialismus" täuschen zu können. Sie hoffen dabei auch auf die Vergeßlichkeit der Menschen, indem sie ihre wahren Ziele verschleiern und davon abzulenken versuchen, daß ihr Wunschsystem gegen Freiheitsund Menschenrechte verstößt, die Gewaltenteilung aufhebt, das Mehrparteienprinzip ad absurdum führt und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf Bildung und Ausübung einer Opposition unterdrücken würde. 21 Linksextremistische sog. "Autonome" sind weiterhin für den weit überwiegenden Teil aller linksextremistischen Gewalttaten verantwortlich. Auch sie haben sich zum Ziel gesetzt, die derzeitige Staatsund Gesellschaftsordnung zu zerstören. Ihre Gewalt richtet sich gegen Institutionen, Einrichtungen und Repräsentanten des Staates, gegen Wirtschaftsunternehmen, Großprojekte, städtebauliche und verkehrstechnische Maßnahmen. Die Ausländerund Asylthematik wird mißbraucht, um zur Nötigung, zu politischer Einschüchterung sowie zur Anwendung von Gewalt zu animieren bzw. diese zu rechtfertigen. Sog. "Antifaschisten" versuchen, den Staat in einen Fortsetzungszusammenhang mit nationalsozialistischer Unrechtsherrschaft zu stellen. Die Sorgen friedlicher Bürger werden mißbraucht, um in der Antikernkraftbewegung lebensgefährliche Anschläge auf Verkehrswege zu verüben und sie als " gewaltfreien " Widerstand zu verharmlosen. Politische Geiselnahme durch eine peruanische "Befreiungsbewegung" nebst angedrohter Ermordung der Opfer waren für deutsche Linksextremisten kein Hindernis, sich mit den Tätern zu solidarisieren. Linksextremistische Organisationen/Fraktionen gliederten sich Ende 1996 bundesweit in 47 Parteien/Fraktionen und sonstige Kernund Nebenorganisationen (1995: 44). Die Zahl ihrer Mitglieder belief sich auf insgesamt 28.900 (1995: 28.500). In den Bundeszahlen sind etwa 5.000 Mitglieder der "Kommunistischen Plattform" (KPF) der PDS berücksichtigt. Hinzu kommt das als "Gewaltbereite Linksextremisten einschließlich Terroristen" subsumierte linksextremistische Spektrum, zu dem auch die früher unter der Rubrik "Anarchisten und sonstige Sozialrevolutionäre" erfaßten Personen zählen: es umfaßte bundesweit unverändert etwa 7.000 Personen (zusätzlich mobilisierbare "Szene" mehrere tausend Personen). Beide Kategorien summierten sich auf bundesweit 35.900 (1995: 35.500) Personen. In den Zahlenspiegel über die bundesweiten Anhängerpotentiale deutscher Linksextremisten wurde ab 1992 - das Potential der "Kommunistischen Plattform" (KPF) der PDS eingefügt. Die PDS bzw. Teile von ihr werden in einigen Bundesländern von den zuständigen Verfassungsschutzbehörden zum Teil mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet, auch vom Bundesamt für Verfassungschutz. Nach dem steilen Niedergang der Anhängerzahlen ab 1989 mit einer "Talsohle" 1991 (26.600) hat sich das linksextremistische Personenpotential in Deutschland (auch ohne den konstanten Sockel der KPF) leicht erholt und seit 1992 auf nunmehr um 31.000 (mit KPF: knapp 36.000) bei minimaler Aufwärtstendenz eingependelt. Der nachhaltige Anhängerverlust gegenüber konstant um 53.000 Personen (1981 - 1987) ging weit überwiegend zu Lasten des einstigen orthodox-kommunistischen Organisationsgefüges im Einflußbereich der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP). Sie verfügte in den 80er Jahren noch über etwa 40.000 Mitglieder, nunmehr nach dreijährigem Stillstand leicht erhöht über etwa 6.200. 22 Selbst unter Berücksichtigung der durch die deutsche Einheit hinzugewachsenen linksextremistischen Mitgliederund Anhängerpotentiale ist das heutige gesamtdeutsche linksextremistische Spektrum zahlenmäßig noch um knapp 3.000 kleiner, als vor 1989 allein in den alten Bundesländern. Bundesweite linksextremistische Mitglieder-/ Anhängerpotentiale seit 1985 10000 20000 30000 40000 50000 60000 Die 1991 zum Schein aufgelöste "Marxistische Gruppe" (MG) mit damals etwa 10.000 fest angebundenen Personen bildet weiterhin ein kaum offen auftretendes und daher nur schätzbares Potential. In Hamburg setzte sich die leichte Aufwärtsentwicklung des linksextremistischen Personenpotentials analog zum bundesweiten Trend fort. Mit 1.450 dem linksextremistischen Spektrum zugerechneten Personen (abzüglich Doppelmitgliedschaften) war ein Anstieg um gut 7 % gegenüber 1995 (1.355, Zuwachs 11 %) zu verzeichnen. 23 Damit wurde in etwa ein Niveau erreicht, das zwischen 1991 und 1992 bestand. Nach dem dramatischen Absturz seit 1988 (4.700) hat der Linksextremismus in Hamburg seine 1994 erreichte statistische "Talsohle" durchschritten. In der Zahl 1.450 ist mit 400 Personen das - als Gesamtblock - stabile autonome Spektrum enthalten, das allerdings in sich eher unverbindlich ist, stark fluktuiert und sich nicht in Form von "Mitgliedschaften" erschließt. Der Zahlenanstieg geht u.a. auf eine deutlich erhöhte Einschätzung der nur schwer abgrenzbaren "antiimperialistischen" Szene zurück. Die Hamburger DKP hat es trotz Werbekampagne 1996 nicht geschafft, ihren Bestand von rund 450 (1995) Mitgliedern zu erhöhen. Hamburg: linksextremistische Mitglieder-/ Anhängerpotentiale seit 1986 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000 24 Weil Rechtsextremisten kaum noch Chancen hatten, sich mit größeren Ansammlungen ins Rampenlicht der Öffentlichkeit zu stellen, fanden linksextremistische Antifas auch immer weniger Gelegenheit zur direkten Konfrontation z.B. mit Neonazis unter freiem Himmel. Die bundesweit registrierten linksextremistischen Gewalttaten auf dem Antifa-Sektor haben - nach einem starken Rückgang 1995 - nur noch leicht abgenommen, in Hamburg allerdings deutlich von 7 auf 2 Fälle. Die Ausländerund Asylproblematik, insbesondere Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber, die Rückführung ehemaliger Bürgerkriegsflüchtlinge und die Unterstützung der "Arbeiterpartei Kurdistans " (PKK) - einschließlich Solidarität mit Gewaltund sonstigen Straftätern - waren auch dieses Jahr Schwerpunkte deutscher Linksextremisten. Linksextremistische Gewalt bedrohte und gefährdete unverändert die innere Sicherheit. Die bloße Zahl - ungeachtet der zum Teil schwerwiegenden Tatinhalte - der registrierten Gewalttaten ist bundesweit seit 1993 erstmals wieder angestiegen (von 1995 auf 1996 um 14 %). Sie ist in Hamburg allerdings im Vergleich zu 1995 um 40 % zurückgegangen. Für linksextremistisch motivierte Gesetzesverletzungen insgesamt gab es bundesweit nur eine leicht (- 3,4 %) rückläufige Entwicklung. Der Rückgang wäre deutlicher ausgefallen, wenn es nicht in der Deliktkategorie "Gefährliche Eingriffe in den Bahnund Luftverkehr " bzw. in der Zielrichtung gegen sog. "Castor"Transporte einen nochmaligen Anstieg gegeben hätte: Die Auseinandersetzungen um Atommülltransporte nach Gorleben haben auf bundesweiter Ebene zu einem erneuten Gewalttatenanstieg seitens militanter Kernkraftgegner geführt. In Hamburg gab es in dieser Kategorie 2 Fälle (1995: 0). Auf der Ebene des linksextremistischen Terrorismus gibt es Anzeichen für eine Entschärfung der Bedrohungslage. Dennoch kann es keine umfassende Entwarnung geben. Die Ankündigung der RAF von 1992, auf gezielte Tötungsaktionen einstweilen zu verzichten, hatte ein weiteres Jahr Bestand. Die sich theoretisch und praktisch auf die RAF beziehende terroristische Gruppierung "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) wurde offenbar durch die Verhaftung zweier mutmaßlicher Täter nachhaltig geschwächt, so daß 1996 keine neuen Anschläge verübt wurden. Die terroristischen "Revolutionären Zellen" (RZ) hatten seit einigen Jahren als tatsächlich handelndes Bedrohungspotential an Bedeutung verloren. Auch unter dem Zeichen der dem RZBereich zuzurechnenden Frauengruppe "Rote Zora" wurde 1996 kein neuer Anschlag verübt. Das Prinzip der RZ, mit Gewalt aus kleinen, autonomen Kernen heraus zu agieren, wurde jedoch auch in Hamburg bei Anschlägen sog. "Autonomer" berücksichtigt. Im Rahmen von Protesten gegen Umstrukturierung und Stadtteilentwicklung deutete sich an, daß die künftige Nutzung des als Wasserreservoir ausgedienten Eimsbütteler Wahrzeichens - des Wasserturms im szenenahen Sternschanzenpark - ein Bezugsobjekt zunehmender linksextremistischer Auseinandersetzungen mit hamburgischen staatlichen Institutionen werden könnte. 25 Die Proteste und militanten Widerstandsaktionen gegen "Castor"-Transporte ins niedersächsische Gorleben hatten Hamburg 1994/95 relativ unberührt gelassen. Hier ist 1996 eine Wende eingetreten. Abgesehen davon, daß Hamburg im Herbst als Ort eines bundesweiten zentralen Vorbereitungstreffens für eine Massenkampagne im März 1997 ausgewählt worden war, bereiteten sich Hamburger Linksextremisten massiv und intensiv auf direkte Interventionen in der Stadt (u.a. gegen die HEW), in der Umlandperipherie sowie unmittelbar im " Wendland" vor. Mehrere marxistisch-leninistische oder sonstige revolutionär-marxistische Organisationen haben in Hamburg Stützpunkte, Ortsgruppen, Landesoder Bezirksverbände. Systemüberwindung, "revolutionärer" Bruch und ein neuer Anlauf zum " Sozialismus " sind unverändert zentrale Bestrebungsinhalte der DKP. Die Nachfolgestrukturen des "Bundes Westdeutscher Kommunisten" (BWK) und die jetzt als " Vereinigung für Sozialistische Politik" (VSP) auftretende ehemalige " Vereinigte Sozialistische Partei" orientieren sich weiterhin innerhalb oder in der Nähe der PDS. Die MLPD - ein Fossil der deutschen "K-Gruppen" bzw. der Maoismus-Ära in den 70er Jahren - kann sich trotz Erstarrung in einem von anderen Linksextremisten u.a. als "degeneriert" klassifizierten Proletariatskult auf eine bundesweite Anhängerschaft stützen, die inzwischen knapp zur Hälfte an die der DKP heranreicht. Unter den trotzkistischen Gruppierungen und Strömungszirkeln fiel erneut die "Sozialistische Arbeitergruppe" (SAG) auf, die auch in Hamburg mit ihren entristischen Zielen bei den Jungsozialisten Fuß zu fassen versucht. 2.3 Ausländerextremismus Das Potential der in der Bundesrepublik vertretenen ausländischen extremistischen Organisationen (einschließlich verbotener Organisationen) hat sich auf 57.300 Mitglieder/ Anhänger erhöht. Betrachtet man sie zusammen mit deutschen Rechtsextremisten (45.300) und deutschen Linksextremisten (35.900) als Teil einer statistischen Summe aller auf deutschem Territorium agierenden inund ausländischen Anhänger extremistischer Organisationen, dann entfallen gut 41 % auf ausländische extremistische Gruppen. 26 Bundesweite Mitglieder-/Anhängerpotentiale ausländischer extremistischer Organisationen seit 1986 (einschl. verbotener Organisationen) 101600 20000 40000 60000 80000 100000 120000 Untergliedert nach politischen Standortkategorien gab es 1996 etwa 18.600 Anhänger linksextremistischer (1995: 16.800), 7.800 Anhänger extrem-nationalistischer (1995: 6.900) und 30.900 Anhänger islamisch-extremistischer (1995: 31.800) Organisationen. Darin waren 11.200 Personen (1995: 9.950) verbotener Organisationen enthalten. Staats-Volkslinksextremistisch extrem-nationalist. islamistisch zugehörigkeit 1996 (1995) 1996 (1995) 1996 (1995) Kurden 10.800 (9.550) (davon PKK) 10.000 (8.900) Türken 5.300 (4.770) 6.900 (6.000) 28.300 (29.400) Araber 750 (750) 2.300 (2.100) Iraner 850 (940) 300 (300) Sonstige 900 (790) 900 (900) Gesamt 18.600 (16.800) 7.800 (6.900) 30.900 (31.800) 27 Die vorstehenden Zahlenverhältnisse sind nicht gleichzusetzen mit den Gefährdungsintensitäten, die von den einzelnen Spektren bzw. darin enthaltenen Gruppierungen für die innere Sicherheit der Bundesrepublik ausgehen. So waren die gut 32 % umfassenden ausländischen Linksextremisten 1996 für über 95 % der Gewalttaten verantwortlich, während die übrigen Fälle etwa je zur Hälfte von Nationalisten und Islamisten ausgingen. Der weit überwiegende Teil (rund 71 %) der o.g. Potentiale bzw. Richtungen entfiel auf Personen/Organisationen türkischer Volkszugehörigkeit. Die zweitgrößte Volksgruppe ausländischer Extremisten bildeten - mit 19 % - Personen kurdischer Herkunft. Es folgten mit weitem Abstand Araber (5%), Iraner (2%) und sonstige Nationalitäten bzw. Volkszugehörigkeiten (3%). Das heute etwa 2.260 Personen umfassende Gesamtpotential ausländischer Extremisten in Hamburg ist in der ersten Hälfte der 90er Jahre sprunghaft angestiegen, blieb von 1995 auf 1996 jedoch relativ stabil. So hat sich die PKK von etwa 80 Anhängern im Jahre 1991 hier seitdem versechsfacht. Türkische Linksextremisten haben ihre Anhängerschaft in Hamburg seit 1991 mehr als verdoppelt. Die islamistischen türkischen Organisationen in Hamburg sind seit 1991 von rund 300 auf nunmehr gut 28 1.050 angewachsen (Zuwachs gegenüber 1995 etwa 50) und haben sich somit in 6 Jahren auf das Dreieinhalbfache gesteigert. Mit etwa 10.000 Mitgliedern/Anhängern behauptete die verbotene "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) einen Anteil von etwa 17,5 % am Gesamtpotential ausländischer Extremisten. Die Zahl der von Anhängern der PKK verübten Gewalttaten war rückläufig. In Hamburg stellt die PKK mit unverändert etwa 500 Mitgliedern/Anhängern (einschließlich des außerhamburgischen Einzugsgebietes) rund 22 % des insgesamt etwa 2.260 Personen umfassenden Gesamtpotentials ausländischer Extremisten. ^Entwicklung derN Mitglieder-/ 1000 1050 Anhänger1200 zahlen türkischer und kurdischer 1000 Extremisten in -- Hamburg 800 / 3()o_L 1991 -1995 und 1996 600 50ol * 5 no 400~~T türkische islamische 80^ / Extremisten 200 PKK 0 igof / ^ 901 tu"kische Linksextremisten 199 1 1 99 5 1PS 96 Das in Hamburg vorhandene Spektrum von etwa 1.360 türkischen Extremisten verteilt sich auf etwa 190 Linksextremisten, 120 extreme Nationalisten und schätzungsweise etwa 1.050 Anhänger islamisch-extremistischer Ausrichtung. Neben türkischen und kurdischen Extremisten gehören in Hamburg mindestens 310 Personen anderer Nationalitäten/Volksgruppen - organisiert oder unorganisiert - extremistischen Gruppierungen bzw. Bestrebungszusammenhängen an. 29 IL Politischer Extremismus 1996 1. Rechtsextremismus 1.1 Ideologische Grundlagen und praktische Erscheinungsformen Die ideologischen Grundzüge des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik haben sich seit dessen Erfolgen Mitte der sechziger Jahre kaum gewandelt. Charakteristisch ist, daß er über kein geschlossenes wissenschaftliches Lehrgebäude wie etwa der Marxismus-Leninismus verfügt. Dem Rechtsextremismus geht die Fähigkeit ab, seine ideologischen und weltanschaulichen Fundamente weiterzuentwickeln oder den Bedingungen der Gegenwart anzupassen und damit attraktive alternative Gesellschaftsoder Politikmodelle vorzustellen. Der Rechtsextremismus basiert, wenn überhaupt, weiterhin auf Ideologien und Weltanschauungen der Vergangenheit, in Teilbereichen auf dem Nationalsozialismus, teilweise - insbesondere im Bereich der Neuen Rechten - auf den in der Weimarer Republik praktizierten antidemokratischen Ideen der "Konservativen Revolution". Der Rechtsextremismus orientiert sich in unterschiedlicher Intention und Nuancierung an den für ihn allgemeingültigen Grundelementen: dem Nationalismus, der Verabsolutierung des Staates, der völkischen Ideologie, der Rassenideologie mit der besonderen Ausformung des Antisemitismus und dem Revisionismus. Die Aktivitäten rechtsextremistischer Organisationen richten sich gegen die Verfassung. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 23.10.1952, in dem die Verfassungswidrigkeit der "Sozialistischen Reichspartei" (SRP) festgestellt wurde, die Merkmale beschrieben, die rechtsextremistische Organisationen kennzeichnen: - Mißachtung wesentlicher Menschenrechte, besonders der Würde des Menschen, seines Rechts auf freie Entfaltung und des Grundsatzes der Gleichheit vor dem Gesetz. Hintergrund sind die Ideologie des absoluten Primats des Staates vor dem Individuum und die Wiederbelebung des Antisemitismus. - Bekämpfung des für eine freiheitliche Demokratie wesentlichen Mehrheitsprinzips. Hintergrund sind die grundsätzliche Verunglimpfung der anderen Parteien als "System"oder "Lizenzparteien" und deren Bekämpfung mit dem Ziel, sie auszuschalten. - Ein innerer Aufbau der Partei, der nicht den Normen der Demokratie entspricht, sondern im Geist des Führerprinzips von oben nach unten durchgeführt wird. Das Gericht ging von dem allgemeinen Schluß aus, daß eine Partei die Strukturprinzipien, die sie bei sich selber verwirklicht hat, auch im Staat durchsetzen wird. 30 - Wesensverwandtschaft in der Vorstellungswelt und im Gesamtstil mit der früheren NSDAP. Hintergrund sind die Glorifizierung des Reichsgedankens, überhebliches Sendungsbewußtsein, die Vorstellung von deutscher Hegemonie, die sich in Äußerungen führender Funktionäre, in Veröffentlichungen oder Parteiprogrammen rechtsextremistischer Parteien findet. Diese Merkmale müssen nicht insgesamt vorliegen, um eine Vereinigung als rechtsextremistisch einzustufen. Eine rechtsextremistische Organisation ist bereits dann als verfassungsfeindlich einzustufen, wenn sie gegen einzelne fundamentale Verfassungsgrundsätze verstößt. Zur Beurteilung, ob eine Organisation verfassungsfeindlich ist, werden nicht nur die Parteiprogramme, offizielle Verlautbarungen und Pressemitteilungen herangezogen, sondern auch Publikationen, Propagandamittel, Aktivitäten von Organisationsteilen, Äußerungen von Parteifunktionären und Parteimitgliedern sowie das Gesamterscheinungsbild der Organisation. Bei einer Vielzahl rechtsextremistischer Organisationen weichen gerade die inoffiziellen, nicht in der Öffentlichkeit bekanntwerdenden Aktivitäten und die politischen Ziele erheblich von den vorsichtig formulierten Programmen und ihren gemäßigten öffentlichen Aussagen ab. Insbesondere seit den Verboten rechtsextremistischer Organisationen seit 1992 und dem verstärkten juristischen und ordnungsrechtlichen staatlichen Vorgehen gegen rechtsextremistische Aktivitäten versuchen derartige Vereinigungen, durch die Abfassung neutral gehaltener, möglichst juristisch unangreifbarer Programme und Propaganda und durch Mäßigung bei ihren öffentlichen Auftritten sich dem Druck der Behörden zu entziehen. Teilweise werden auch alte ideologische Inhalte in neue, moderne sprachliche Gewänder gekleidet. Weite Teile des Rechtsextremismus verstehen sich als Fundamentalopposition zum demokratischen System der Bundesrepublik. Ihr Ziel ist nicht die Reformierung, sondern die Beseitigung der bestehenden politischen Ordnung. An deren Stelle soll ein totalitärer Staat, vielfach Reich genannt, entstehen. Merkmale für diesen neuen Staat sind u.a. eine nationalistische und völkische Ausrichtung, eine Vergrößerung des Territoriums sowie die Beseitigung des Mehrparteiensystems und der "Parteienherrschaft". Umstritten ist dabei der Weg, der zu diesem Ziel führen soll. Während Teile des Rechtsextremismus durch Beteiligung am parlamentarischen System politischen Einfluß gewinnen und letztendlich die Macht übernehmen wollen, setzen andere Bereiche ausschließlich auf ihre Rolle als außerparlamentarische Opposition und den Umsturz durch eine Revolution. Wie bei Extremisten üblich, liegen diesen Überlegungen völlig wirklichkeitsfremde Einschätzungen der Situation in der Bundesrepublik, der eigenen Situation und der damit verbundenen Möglichkeiten zugrunde. Ein wesentliches Merkmal des Rechtsextremismus ist das praktizierte Führerprinzip. Damit ist rechtsextremistische Politik weitgehend vom Willen und den Fähigkeiten der Führungspersonen abhängig. Deren politische Grundanschauungen bestimmen die Zielsetzung und die Schwerpunkte der politischen Themen. Das Führerprinzip 31 bietet Vorund Nachteile. Wie im benachbarten Ausland, etwa in Frankreich, zu beobachten, bietet eine straff geführte Organisation, die die überwiegende Mehrheit des Rechtsextremismus in sich vereinigt, gute Voraussetzungen für politische Erfolge. In der deutschen rechtsextremistischen Szene ist das Fuhrerprinzip Hauptursache für Streitigkeiten, Zersplitterung und mangelnde Erfolge bei Versuchen zur Vereinigung oder zur Zusammenarbeit. Die Selbstherrlichkeit und der Dogmatismus vieler selbsternannter Führungspersonen führen zur Erfolglosigkeit insbesondere bei Wahlen, zu Ausschlüssen, Abgrenzungen und Diffamierungen, die sich sowohl organisationsübergreifend als auch innerhalb einzelner Organisationen auswirken. Basispolitische Ansätze - etwa in Form lokaler oder regionaler Bündnisse und loser Gesprächsrunden - waren nur begrenzt erfolgreich und hatten bisher keine positiven Auswirkungen auf die Gesamtsituation. Der Rechtsextremismus in der Bundesrepublik ist in unterschiedliche Bereiche und eine Vielzahl von Organisationen zersplittert, die sich z.T. in ihren politischen Zielen und Aussagen und ihren Aktionsformen kaum unterscheiden. Durch das Aufbrechen von Unvereinbarkeitsbeschlüssen, die Aufnahme von Mitgliedern verbotener Organisationen und die örtlich und regional angestrebte und teilweise praktizierte Zusammenarbeit verwischen die in der Vergangenheit errichteten starren Grenzen zwischen den unterschiedlichen rechtsextremistischen Bereichen. Am Beispiel der "Jungen Nationaldemokraten" (JN) wird deutlich, daß sich dadurch auch einzelne Organisationen in ihrer Ausrichtung verändern. In der Öffentlichkeit erregt unverändert, obwohl zahlenmäßig eine Minderheit, der Neonazismus die größte Aufmerksamkeit. Allerdings hat er es nach den Organisationsverboten, der weitgehenden Unterbindung seiner öffentlichen Aktivitäten durch Veranstaltungsverbote und die fortdauernde strafrechtliche Ahndung zunehmend schwerer, seine wahren Absichten und seine Demagogie zu artikulieren und die Symbole des Nationalsozialismus zu verwenden. Aufgrund dieser Erfahrungen und der andauernden eigenen Erfolglosigkeit vollzieht sich in der neonazistischen Szene ein allmählicher Wandel. Der Anteil der Neonazis, die dogmatisch an den Vorbildern des Nationalsozialismus festhalten, wird geringer. Teile der Neonazis begreifen, daß sie mit ausschließlicher nationalsozialistischer Propaganda und der Verehrung nationalsozialistischer Führer die Masse der Bevölkerung nicht ansprechen und somit keine neuen Mitstreiter gewinnen können. Daher versuchen Teile der Szene durch die Übernahme nationalrevolutionärer und sozialrevolutionärer Forderungen, sich ein moderneres Gewand zu geben, Lösungen für aktuelle soziale und gesellschaftliche Probleme anzubieten und damit sowohl ihre Bündnisfähigkeit unter Rechtsextremisten zu verbreitern als auch in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit zu erregen. Diese Form des Neonazismus vermeidet zumindest nach außen den Bezug zum Nationalsozialismus. 32 Neben dem Neonazismus prägen die drei größten Parteien "Republikaner", "Deutsche Volksunion" (DVU) und "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) den Rechtsextremismus in Deutschland. Obwohl die "Republikaner" bemüht sind, sich als rechtskonservative Partei darzustellen, haben sie in ihrer politischen Programmatik und in ihren Aussagen vieles mit den anderen beiden Parteien gemeinsam. Eine Zusammenarbeit scheitert jedoch unverändert an der Abgrenzung der Bundesführung der Republikaner zu anderen rechtsextremistischen Organisationen und am kompromißlosen Absolutheitsanspruch des Vorsitzenden der DVU, Dr. FREY. Ebensowenig erfolgreich waren die Einigungsbestrebungen der "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (DLVH), die nach ihrer Umwandlung von einer Partei in einen Verein eine neue Offensive für eine rechtsextremistische Bündnispolitik im Vorfeld der Bundestagswahl starten will. Einen wesentlichen Beitrag zur Intellektualisierung und Modernisierung des Rechtsextremismus leistet die durch Theoriezirkel, Zeitungen und Verlage und Autoren repräsentierte "Neue Rechte". Diese "Neue Rechte", die ein Spektrum zwischen Rechtsextremismus und äußerstem rechten demokratischen Rand abdeckt, nutzt diese Berührungspunkte, um subtil formuliertes - demokratiefeindliches - Gedankengut in konservative Institutionen einzubringen. Vor dem Hintergrund der Fortschritte der europäischen Vereinigung, aber auch der zunehmenden sozialen und gesellschaftlichen Probleme in der Bundesrepublik nimmt der Nationalismus als Gegenpol zu dieser Entwicklung eine zentrale Rolle in der rechtsextremistischen Agitation ein. Der Nationalismus wird als zukunftsträchtige Ideologie und als einzig erfolgversprechende Alternative zur Lösung der innenund außenpolitischen Probleme angesehen. Mit dieser Ideologie wird nach rechtsextremistischer Auffassung das Nationalbewußtsein der Deutschen gestärkt und "ihre nach dem 2. Weltkrieg durch die Alliierten aufgezwungene Umerziehung und Büßerhaltung" überwunden. Mit nationalistischen Thesen sollen die EU und die Einführung des Euro bekämpft und für ein Europa der Vaterländer geworben werden. Weiterhin werden von Rechtsextremisten Gebietsforderungen zur Wiederherstellung des Deutschen Reiches erhoben. Während die Rückgabe der ehemaligen deutschen Ostgebiete durchgängige Forderung ist, werden auch globalere Modelle, wie die Vereinigung aller deutschsprachigen Gebiete in Europa, vertreten. Der Nationalismus im Inneren trägt antiliberale, antikapitalistische und antidemokratische Züge. In ihm vereinigen sich Fremdenhaß, Polemik gegen Überfremdung durch eine multikulturelle Gesellschaft in Deutschland, gegen Rassenmischung und den angeblich drohenden Volkstod und die Agitation gegen fremde Kultureinflüsse. Die sozialen und gesellschaftlichen Probleme werden genutzt, um die hier lebenden Ausländer zu Sündenböcken nahezu aller Probleme zu stempeln und ihre Ausweisung als Lösung anzubieten. 33 Bei diesen Themen paart sich der Nationalismus mit dem Rassismus. Rassistische Theorien gehen auf sozialdarwinistischer Grundlage von der Ungleichheit der Rassen aus. Weit verbreitet ist die These von der Überlegenheit der nordischen Rasse. Der im Nationalsozialismus konzipierten Rassenlehre stimmen auch heute noch viele Rechtsextremisten zu. Rassismus ist die Grundlage der ausländerfeindlichen Gewalt in der Bundesrepublik. Rassismus " moderner " Form wird unter dem Begriff " Ethnopluralismus" vor allem von Vertretern der "Neuen Rechten" verbreitet. Er versteckt sich hinter moderat klingenden Grundbegriffen und verkleideten Formulierungen, die nicht auf Anhieb als extremistisch erkennbar sind. Seine Grundsubstanz und Gedankenstruktur haben sich jedoch kaum gewandelt. 1.2 Themen und Agitationsinhalte 1.2.1 Ausländerund Asylproblematik sowie multikulturelle Gesellschaft / Knotenpunkte rechtsextremistischer Erklärungsmuster zur Sozialpolitik Die Ausländerund Asylproblematik und die damit zusammenhängenden Begleitumstände sind für Linksextremisten, noch viel stärker aber für Rechtsextremisten, ein herausragendes politisches Agitationsund Aktionsthema. Beide extremistischen Gegenpole bauen auf höchst entgegengesetzten Grundpositionen auf. Linksextremisten bezichtigen staatliche Organe im Umgang mit Ausländern - speziell mit Asylbewerbern - menschenunwürdiger Praktiken und faschistischer Methoden. Sie mißbrauchen die mit Zuwanderungen zusammenhängenden sozialen Probleme der Betroffenen als weiteren Einstieg bzw. Propagandastoff im generellen Kampf gegen das nach ihrer Ansicht herrschende "faschistische" politische System in der Bundesrepublik. Linksextremistische sog. "Antirassisten" sehen Ausländer als Opfer der in Deutschland herrschenden politischen Verhältnisse und werfen demokratischen Politikern vor, engherzig mit ihnen umzugehen. Umgekehrt betrachten Rechtsextremisten die hohe Anzahl hier lebender Ausländer als Ursache für aktuelle gesellschaftliche und soziale Probleme und bezichtigen demokratische Politiker eines zu großzügigen Umganges mit Zuwanderern. Die rechtsextremistische Agitation in der Ausländerund Asylproblematik enthält starke nationalistische und rassistische Elemente. So wird den politischen Verantwortlichen global vorgeworfen, unter Bruch ihrer Amtspflichten ungehemmtes Eindringen von Ausländern in die Bundesrepublik zu fördern, dadurch die nationale und kulturelle Identität des deutschen Volkes zu zerstören, die Deutschen zur Minderheit im eigenen Land zu machen und sie letztendlich durch gezielte "Rassenvermischung" zu vernichten. Die in Deutschland geschaffene "MwW-KwW-Gesellschaft sei zum Scheitern verurteilt und beschwöre einen ethnisch bedingten Bürgerkrieg herauf. Als Be34 weise für das angeblich vorprogrammierte Scheitern aufoktroyierter multi-kultureller Gesellschaften und deren verheerende Folgen werden u.a. die blutigen Konflikte im ehemaligen Jugolawien und auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion, aber auch die USA herangezogen. Da durch die Vielzahl zugewanderter Ausländer - besonders durch Asylbewerber - die Kriminalität "explodiert" sei, wird von einer "multi-kriminellen" Gesellschaft gesprochen. Dabei sehen sich die Rechtsextremisten nicht als Ausländerfeinde, sondern als einzig wahre Verfechter deutscher Interessen. Sie bezichtigen statt dessen demokratische Politiker als "Inländerfeinde" oder "Deutschenhasser"', die ihre im Grundgesetz festgeschriebene Verantwortung für das deutsche Volk nicht mehr wahrnähmen und so permanent ihren Amtseid brächen. Daher sehen einzelne Rechtsextremisten in der Bundesrepublik eine Situation entstanden, in der das verfassungsmäßige Widerstandsrecht nach Art. 20 Abs. 4 GG wahrgenommen werden muß. Die Ausländerund Asylbewerberproblematik ist für das gesamte rechtsextremistische Spektrum ein zentrales politisches Anknüpfungsund Rechtfertigungsthema. Dabei werden unterschiedliche, teils moderatere, teils fundamentalistische Grundsätze vertreten. Insbesondere die mitgliederstarken und auf ein "seriöses" Erscheinungsbild bei Wählern bedachten rechtsextremistischen Parteien selektieren - gedanklich - länger in Deutschland lebende Ausländer von Asylbewerbern. So erheben sie etwa gegen " anständige" Ausländer, die einer geregelten Arbeit nachgehen und nicht kriminell auffallen, kaum Einwände. Dagegen wird vehement für die Ausweisung von Asylbewerbern plädiert. Sie werden u.a. als "Sozialschwindler" und "Schmarotzer" abgestempelt und als Hauptsündenbock für steigende Kriminalitätsraten in der Bundesrepublik hingestellt. Insbesondere in der Neonaziszene ertönen sehr viel radikalere Forderungen mit dem Ziel, aj]e in Deutschland lebenden Ausländer auszuweisen. Die dazu entworfenen Szenarien für Ausländerrückführungsprogramme werden zum Teil gleich mitgeliefert. In einem Flugblatt, für das der Hamburger Rechtsanwalt und Rechtsextremist Jürgen RIEGER presserechtlich verantwortlich zeichnet, wurde schon vor Jahren ein entsprechender 9-Punkte-Plan zur Ausländerrückführung u.a. mit folgenden Forderungen verbreitet: * Jeder rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber ist sofort in sein Heimatland zurückzuschicken. * Solche Asylbewerber, die offensichtlich aus wirtschaftlichen Gründen oder nicht aus dem Verfolgerstaat kommen, sind bereits an der Grenze zurückzuweisen. * Arbeitgeber haben für jeden Ausländer, den sie beschäftigen, eine Integrationssteuer von 50.000,-DM pro Jahr zu zahlen. Wenn Arbeitgeber dies nicht wollen, können sie den Ausländer entlassen. 35 * Arbeitslose Gastarbeiter haben Deutschland innerhalb von 3 Monaten zu verlassen. * Ausländer, die keine Aufenthaltsberechtigung haben und Deutschland nicht von sich aus verlassen, werden in Abschiebelager eingewiesen, in denen sie zu gleichen Löhnen wie Strafgefangene die Kosten für den Rückflug in ihre Heimat zu erarbeiten haben. * Zahlungen für Kindergeld und Erziehungsgeld sind einzustellen. Mit den dadurch eingesparten Milliarden DM ist das Kindergeld für Deutsche aufzubessern. Kindergartenplätze sind bevorzugt deutschen Kindern zuzuweisen. Sozialwohnungen sind nur an Deutsche zu vergeben. Obwohl dieses von mehreren rechtsextremistischen Organisationen - u.a. der mittlerweile verbotenen "Nationalistischen Front" (NF) - unterstützte Flugblatt nicht neu ist, sind die darin enthaltenen Forderungen bis heute in der rechtsextremistischen Szene aktuell. Rechtsextremisten schaffen es, mit demagogischen Verdrehungen insbesondere die in Deutschland lebenden Asylbewerber bzw. Asylberechtigten für nahezu alle relevanten gesellschaftlichen Probleme verantwortlich zu machen. Einerseits sollen sie als Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt für die hohe Arbeitslosigkeit deutscher Arbeitnehmer mitverantwortlich sein. Andererseits wird ihnen die Hauptschuld für Finanzierungslücken in den Sozialsystemen zugeschoben, da viele ohne Arbeit sind und weil durch Familienzusammenführungen sowie Leistungen für im Ausland lebende Familienangehörige die Sozialkassen - sinnbildlich -"ausgeplündert" würden. Darüber hinaus werden in Asylverfahren aufgetretene Einzelfälle von Betrug verallgemeinert und als durchgängiger Beleg für kriminelle Neigungen oder gar Veranlagungen von Asylbewerbern mißbraucht. In Deutschland lebenden Ausländern werden darüber hinaus Engpässe auf dem Wohnungsmarkt angelastet, weil sie angeblich bei der Wohnungsvergabe gegenüber Deutschen bevorzugt werden; ebenso die zunehmende Überlastung des Straßenverkehrs. Im Parteiprogramm der "Hamburger Liste für Ausländerstopp" (HLA, 3 1.5.4) werden sie selbst für die zunehmende Umweltverschmutzung verantwortlich gemacht. Nach Auffassung vieler Rechtsextremisten würden sich alle diese Probleme erledigen, wenn alle oder die meisten Ausländer aus Deutschland "verschwinden" würden. Neben Ausweisungsforderungen unterbreiten Rechtsextremisten auch weitere Lösungsvorschläge zum Umgang mit Ausländern. Häufig mißachten sie dabei den im Grundgesetz garantierten Gleichheitsgrundsatz, so u.a., indem sie Ausländern das Recht auf Sozialhilfe, Arbeitslosengeld oder Kindergeld aberkennen wollen und fordern, Arbeitsplätze oder Wohnungen "zuerst an Deutsche" zu vergeben. Es gibt u.a. Modelle, arbeitslose oder straffällig gewordene Ausländer rigoros auszuweisen oder den Behörden prinzipiell nur noch die Erteilung zeitlich begrenzter Aufenthaltsge36 nehmigungen oder Arbeitsverträge zu erlauben. Besonders drastische Forderungen erhebt der Hamburger "Nationalmarxist" Dr. Reinhold OBERLERCHER in seinem Entwurf eines "Hundert-Tage-Programms der nationalen Notstandsregierung in Deutschland". Es enthält Forderungen wie Arbeitslosigkeit beseitigen durch: * Beendigung der Ausländerbeschäftigung * A usschluß ausländischer Arbeitnehmer aus der Arbeitslosenversicherung * Beschäftigungsverbot für ausländische und volksfremde Arbeitskräfte am deutschen Arbeitsmarkt ein Jahr nach Erlaß des Einstellungsverbotes. Wohnungsnot und Obdachlosigkeit beenden durch: * Kündigung aller von Ausländern belegten Sozialwohnungen * A usweisung aller zum Strafoder Sozialfall gewordenen A usländer * Freiräumung aller Asylantenunterkünfte und Ausweisung der Asylbewerber Das Verkehrschaos aufheben durch: * Pflicht in Deutschland lebender Ausländer, grundsätzlich öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Die fortdauernde rechtsextremistisch motivierte, oftmals populistisch vorgetragene ausländerfeindliche Agitation fällt besonders dann auf einen für die Urheber fruchtbaren Boden, wenn die Adressaten persönlich unter sozialer Not sowie familiären Problemen leiden und ihnen suggeriert wird, Opfer eklatanter Benachteiligungen gegenüber Ausländern zu sein. Insbesondere Jugendliche lassen sich von der ihnen so eingeimpften vermeintlichen Kausalität zwischen Zuwanderungen und individuellem Befinden dazu provozieren, mit zum Teil äußerst brutal ausgeführten Gewaltakten gegen Ausländer vorzugehen. Die Gewalttaten selbst werden nur in geringem Maße von organisierten Rechtsextremisten verübt oder gesteuert. Vielmehr haben sich insbesondere in einigen ostdeutschen Ländern auf regionaler Ebene gewaltbereite, fremdenfeindlich eingestellte Jugendszenen gebildet, die sich zu einem Teil aus politisierten Skinheads, zum anderen Teil jedoch aus eher unpolitischen Jugendlichen zusammensetzen. Gerade dieses Phänomen zeigt, daß Ausländerfeindlichkeit generell, aber auch die Bereitschaft zu ausländerfeindlich motivierter Gewalt, erheblich über den Rand des als rechtsextremistisch bekannten Spektrums hinauswuchert. Derartige Übergriffe lassen sich auch nicht unter einem kompakten und einförmig wiederkehrenden Motivationsmuster der Täter subsumieren. Die Motivationsskala reicht von " Rache "-Akten unter vielfältig variierenden Begründungen bis hin zu völlig willkürlicher und unvorbereiteter Agfessivität gegenüber zufällig greifbaren Ausländern. Die Opferauswahl richtet sich z.T. nach visuellen und ethnischen Gesichtspunkten (Farbige, Vietnamesen, Sinti und Roma), zielt überwiegend jedoch gegen jede beliebige Art von Ausländern. Die Will37 kürlichkeit des in blindwütiger Gewalt ausgelebten Hasses läßt sich schon aus drei Beispielen ablesen. * Am 28. September kam es in Sellin auf Rügen zu einer Auseinandersetzung zwischen etwa zehn deutschen und drei ausländischen Jugendlichen. Dabei wurden vier Personen verletzt. Die Deutschen hatten nach Zeugenaussagen die Ausländer mit den Worten "Ausländerschweine" und "Ausländer raus" beschimpft und sie bedroht. Diese griffen daraufhin die deutschen Jugendlichen mit einem Messer und Scherben abgebrochener Gläser an. * Am 30. September griffen zwei mutmaßliche Rechtsextremisten in Treblin (Brandenburg) drei italienische Bauarbeiter an, schlugen mit einem Baseballschläger auf eines der Opfer ein und verletzten es schwer. Nach Zeugenaussagen hatten die Tatverdächtigen zuvor untereinander davon gesprochen, "Ausländer aufklatschen" zu wollen. * Am 2. Oktober wurde in Potsdam ein kenianischer Asylbewerber von vier Jugendlichen zusammengeschlagen. Nachdem Passanten dem Verletzten zu Hilfe gekommen waren und ihn zu ihrem Pkw gebracht hatten, zerschlugen die Täter die Scheiben des Pkw und riefen: "Schmeißt die Schwarzen raus!" Ähnliche motivierte Gewalttaten hat es in vielen Teilen der Bundesrepublik gegeben. 1.2.2 Antisemitismus / Rassismus Antisemitismus ist eine besondere Form des Rassismus. Er ist bis heute integraler Bestandteil rechtsextremistischer Ideologie und Praxis. Im Antisemitismus sind zwei Grundarten zu unterscheiden. Erstens gezielte sprachliche oder aktionistische Angriffe auf jüdische Personen, Institutionen und Einrichtungen. Hierunter fallen u.a. alltägliche verbale Attacken/Beleidigungen und Drohungen gegen jüdische Repräsentanten, andere jüdische oder vermeintlich jüdische Mitbürger sowie die Schändung jüdischer Friedhöfe, Mahnmale und Gedenkstätten. Die zweite Art des Antisemitismus versteigt sich in abstruse Weltverschwörungstheorien, in denen über das Judentum behauptet wird, es strebe durch weltweite Einflußnahme auf Politik und Wirtschaft eine zionistische Weltherrschaft an und wolle dabei einzelne Staaten, insbesondere Deutschland, durch gezielte "fremdländische Einwanderung" zerstören. Antisemitismus steht im engen Zusammenhang mit Revisionismus (O siehe 1.2.3). Permanent wird Juden eine Fälschung der historischen Wahrheit und demokratischen Politikern die Rolle willfähriger jüdischer "Büttel" angedichtet. Dies zeigt sich an Aussagen wie denen des weltweit agierenden Revisionisten Ernst ZÜNDEL, der in 38 seinem Buch "Ernst Zündel, ein Mann, der Geschichte macht" behauptet, die Judenvernichtung sei nach dem 2. Weltkrieg "erfunden" worden, "um Deutschland abhängig, unmündig und im Rahmen einer ewigen Wiedergutmachung finanziell erpreßbar zu machen ". Antisemitisch motivierte Straftaten haben 1996 mit 846 gegenüber 1155 (1995) weiter abgenommen (- 27 %). Diese Kategorie von Gesetzesverletzungen beruht zumeist auf Staftatbeständen der Volksverhetzung, bei denen es nur selten gelingt, die Täter zu ermitteln und strafrechtlich zu belangen. Die antisemitisch motivierten Gewaltdelikte sind allerdings gegenüber 1995 um 2 Fälle angestiegen. Insgesamt wurden 1996 29 antisemitische Gewalttaten gegenüber 27 im Jahre 1995 registriert. Antisemitische und ausländerfeindliche Hetze wird u.a. in rechtsextremistischen Videound Computerspielen verbreitet. So schreibt die in Dänemark ansässige Organisation "NS 88" in einer in diesem Jahr bekannt gewordenen Selbstdarstellung (Interpunktionsfehler im Original): "Alle Massenmedien sind vom jüdischen System besetzt. Der einzige Platz wo weiße nationale Sozialisten noch die Möglichkeit haben ihren Schlachtruf zu verbreiten ist auf Video". "NS 88" - "8" steht für den achten Buchstaben des Alphabets, mit "HH" ist "Heil Hitler" gemeint - vertreibt u.a. Videos mit Filmdokumenten aus der NS-Zeit. Im Sortiment befinden sich z.B. der in Deutschland verbotene Film " Der ewige Jude " sowie Tonträger mit Musik von Skinhead-Bands. Am 4. September kam es in Zabrze (Polen) - nicht weit vom ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz entfernt - anläßlich eines Fußballänderspiels Polen / Deutschland zu Ausschreitungen u.a. rechtsextremistischer deutscher Hooligans und Skinheads. Rund 500 gewaltbereite Fußballfans zeigten während des Abspielens der Nationalhymnen den "Hitlergruß", skandierten Sprechchöre mit antisemitischen Parolen und entrollten ein Transparent mit der Aufschrift "Schindler-Juden, wir grüßen Euch". Am gleichen Tag wurden anläßlich einer Diskussion über das Buch "Hitlers willige Vollstrecker" vor den Hamburger Kammerspielen Flugblätter verteilt. Die Urheber behaupten, es handele sich nicht um ein amerikanisches Buch, sondern um ein "britisch-jüdisches Machwerk ", entstanden in einem Zentrum britischer Geheimdienstaktivitäten an der Harvard-Universität. Neben dem ideologisch motivierten - von Rechtsextremisten systematisch bzw. organisiert betriebenem - Antisemitismus, gibt es auch alltäglich anzutreffende Erscheinungsformen antisemitischen Denkens. Ein Schlaglich auf dieses Phänomen wirft folgendes Beispiel: Im September erhielt ein Hamburger Bundestagsabgeordneter einen anonym in Buchholz aufgegebenen Brief, in dem Bundeskanzler KOHL als "Meineidkanzler und Eurojäger" verunglimpft wurde, der "im Auftrage Zions" mit Unterstützung von Juden u.a. im Vorstand der Deutschen Bank und bei Daimler Benz handele. Dem Brief war in Kopie ein Schreiben an den Botschafter Israels vom 39 16.01.96 beigefugt mit dem Zusatz: Geschrieben in "Restdeutschland". Unter dem Betreff: "Ihr Staatspräsident ehrt die Verschwörer des 20. Juli 1944" wurde über den israelischen Staatspräsidenten behauptet, sich am 15. Januar am Mahnmal in BerlinPlötzensee vor "rechtmäßig hingerichteten Vaterlandsverrätern" verbeugt zu haben, angeblich nur, um sich weitere finanzielle Unterstützung für das " Weltjudentum " zu erkaufen. Der Vorgang sei "beschämend", "unwürdig" und "heuchlerisch". Er offenbare die Geisteshaltung eines führenden Zionisten. Daneben enthielt das Schreiben Zitate aus HITLERs "Mein Kampf. Der anonyme Verfasser unterzeichnete es als " Kenner der deutschen Geschichte ". Das von Neonazis betriebene "Nationale Info-Telefon Hamburg" (NIT) prangerte Bundeskanzler KOHL als "Lieblingspolitiker der Freimaurer und mosaischen Brüder" an, nachdem ihm im Januar ein Orden der jüdischen Organisation "Bnai Brith" verliehen worden war. Die Organisation selbst, die sich um die Pflege jüdischer Bräuche verdient gemacht hat, wurde im NIT als " eine der mächtigsten Freimaurerlogen der Welt" bezeichnet. Im September forderte ein Anbieter in der rechtsextremistischen Mailbox "Widerstand" (O siehe 1.9) zum "Besuch" öffentlicher Veranstaltungen der Jugendorganisation " Bnai Brith Youth Organization " auf. Unter Überschriften wie "Jetzt jüdische Masseneinwanderung? Was auf die Deutschen zukommt" schürte die vom Bundesvorsitzenden der "Deutschen Volksunion" (DVU), Dr. FREY ( 0 siehe 1.5.2), herausgegebene "Deutsche National-Zeitung" (DNZ) in ihrer Ausgabe Nr. 51 (13.12.96) in mehreren Artikeln antisemitische Stimmungen unter Ausnutzung sozialer Ängste. Die Artikel zielten darauf ab, überkommene antisemitische Vorurteile zu bestärken: Dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen wurde seine - angeblich deutsche Interessen beeinträchtigende - "Liebe zu Israel" vorgehalten. Ein weiterer Artikel behauptete einen überproportionalen politischen Einfluß der Juden, indem er auf die jüdische Abstammung oder die israelfreundliche Haltung von Mitgliedern der neuen Regierung des amerikanischen Präsidenten abstellte. Auch auf die jüdische Herkunft des Präsidenten der Notenbank der USA wurde hingewiesen und damit auf das Stereotyp vom mächtigen, profitgierigen und in Geldgeschäften erfahrenen Juden angespielt. In einer Buchbesprechung wurde behauptet, Juden hätten als Partisanen im Zweiten Weltkrieg einen besonders starken Anteil am bewaffneten Kampf gegen Deutschland gehabt. Antisemitismus, Rassismus und übersteigertes völkisches Denken sprießen auf einem gemeinsamen Nährboden. Der Hamburger nationalrevolutionäre Theoretiker Dr. Reinhold OBERLERCHER entwickelte in seinem 1994 erschienenen Buch "Lehre vom Gemeinwesen" eine radikale Kampfansage an die angeblich vom "jüdischen Weltgeist" inspirierte Moderne, die sich als gesteuerter globaler "Nomadismus" austobe. OBERLERCHER spricht vom "nomadischen Befall einer Kultur" und "nomadischer Weltzerstörung". Jedes Volk leiste sich für seine "allgemeinen Angelegenheiten" eine bestimmte Zahl von Köpfen in Gestalt besonders qualifizierter Fachund 40 Führungskräfte. Die "Abweidung" dieser leitenden Stellungen durch "Intelligenznomaden fremdvölkischer Herkunft " wirke auf das " heimgesuchte " Volk " wie ein Hirntumor". In seinem 1992 vorgelegten "Reichsverfassungsentwurf' (RVerfE) definierte OBERLERHER den vom Abstammungsprinzip hergeleiteten Begriff des Volksdeutschen eindeutig rassistisch. "Mischehen" und "Mischlingskinder" sind für ihn ein "rassistisch zugespitzter Angriff auf die herkömmliche Abstammungsgemeinschaft und das hergebrachte deutsche Schönheitsideal". Es bestünden "phänotypische Grenzen", von denen an es "Abstoßungsreaktionen" gebe, die eine Eindeutschung unmöglich machten. 1.2.3 Revisionismus Wichtige Kennzeichen rechtsextremistischer Geschichtsbetrachtung sind folgende Merkmale: Sie leugnet bzw. relativiert Verbrechen des nationalsozialistischen "Dritten Reiches" und lehnt die Entwicklung Deutschlands nach dem 2. Weltkrieg völlig ab. Nach Überzeugung fast aller Organisationen des sogenannten "nationalen Lagers" wurde das deutsche Volk nach 1945 systematisch "antideutsch umerzogen", "kollektiv gedemütigt" und ihm ein permanentes Schuldbewußtsein oktroyiert. Dieses alles sei mit der geschichtsverzerrenden Vokabel " Vergangenheitsbewältigung" etikettiert worden. Aus diesem Blickwinkel leiten Rechtsextremisten ihr historische Tatsachen verklärendes - insoweit die Geschichtsschreibung revidierendes - Bewußtsein ab. Revisionismus verklammert Rechtsextremisten unterschiedlicher Couleur zu einer abstrakten geschichtsdogmatischen Glaubensgemeinschaft. Revisionisten versuchen durch anti-aufklärerische Propaganda die deutsche Kriegsschuld zu leugnen und die Weltöffentlichkeit z.B. unter Berufung auf pseudowissenschaftliche Gutachten davon zu überzeugen, daß es keine Massenvernichtung von Juden in deutschen Konzentrationslagern gegeben hat. Georges WELLERS hat in seinem 1995 erschienenen Buch "Der >Leuchter-Bericht< über die Gaskammern von Auschwitz - Revisionistische Propaganda und Leugnung der Wahrheit" nicht nur den Einsatz des Giftgases Zyklon B in Auschwitz nachgewiesen, sondern auch das Denken der Revisionisten erläutert: "Da sie tatsächlich außerstande sind, den Einsatz von Gaskammern und die Realität des Völkermordes zu rechtfertigen, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als eins wie das andere zu leugnen ". Die Motive seien unterschiedlichster Art: Bewunderung für das Nazi-Regime oder die Person HITLERs, der entlastet werden soll. Oder das Bestreben, die "deutsche Ehre" von jedem Makel reinzuwaschen. Andere treibe der Judenhaß dazu, die historische Realität zu bestreiten. 41 WELLERS Motivbeschreibungen unterstreichen nicht nur die Bedeutung des Revisionismus als rechtsextremistische Denkweise, sondern entlarven ihn zugleich als gezielte Strategie und Hebel, verfassungsfeindliche rechtsextremistische Gesamtbestrebungen zu integrieren. Die authentische Lesart der NS-Geschichte wird von Revisionisten als Phantasieprodukt der "Siegermächte" des 2. Weltkrieges dargestellt, als Werk einer "Meinungsmafia". Sie versuchen, dieses mit immer neuen abstrusen Veröffentlichungen zu untermauern. Hierbei pflegt z.B. die nationalistische Zeitschrift "Sleipnir" ein intellektuell angehauchtes Erscheinungsbild. Sie hebt sich dadurch von anderen ab, die die Geschichte teilweise recht plump umschreiben möchten. Gegen den " Verlag der Freunde" (VdF) und die Redaktion der "Sleipnir" ist von der Berliner Staatsanwaltschaft ein Verfahren u.a. wegen Volksverhetzung eingeleitet worden. Im Heft 4/96 vom Juli/August kommentierte die Schriftleitung die Anklage: "Der sogenannte Historikerstreit markiert den Beginn einer Bewegung geistiger Inquisition, die sich mit dem Volksverhetzungsparagraphen bzw. dessen Verschärfung von 1994 ins Körperliche wendet. Die BRD ist mit den Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmen und politischen Prozessen gegen Verleger und Publizisten über die Anfänge eines totalitären Regimes weit hinaus, sie steht vor einem unumkehrbaren Absturz. Es ist besonders traurig zu erleben, daß diese, die elementarsten Prinzipien einer freiheitlichen Verfassung verletzenden Praktiken mit dem Tod und dem Leid von Menschen begründet werden, die in der Vergangenheit Opfer von Krieg und Gewalt wurden. Diese Opfer verdienen den Einsatz für Demokratie und Menschenrechte, nicht aber deren Bruch. " Die nahezu einmütige Wertschätzung, der sich der Revisionismus im "nationalen Lager" jahrzehntelang erfreute, scheint allerdings zu bröckeln. Einzelne Rechtsextremisten - auch in Hamburg - bezweifelten "nach hinreichender Prüfung" zwar nicht mehr die geschichtliche Tatsache der Judenvernichtung im NS-Staat. Sie versuchten jedoch auf makabere Weise, wenigstens die Anzahl der Opfer herunterzureden und sie relativierend gegen nichtjüdische deutsche Opfer aufzurechnen. Dahinter stehen offensichtlich taktische Gründe und nicht neue Einsichten. Die dafür offenbar mit ausschlaggebenden Umstände klingen z.B. in dem Hinweis von "Sleipnir" auf die Ergänzung des Volksverhetzungsparagraphen (SS130 StGB) an. Dessen 3. Absatz stellt seit 1994 verbindlich klar, daß die Massen Vernichtung der Juden während der nationalsozialistischen Herrschaft eine offenkundige Tatsache ist. "Sleipnir" wertet die Gesetzesänderung als Beweis, daß in Deutschland das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung sowie das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit suspendiert seien. Mit der Verquickung von revisionistischer Agitation und Grundrechtsfragen sucht das " nationale Lager " Verbündete im Kampf gegen die angeblich 42 "satanisch verjudete Bonner Holocaustdemokratie" in bürgerlichen Kreisen. Die Verschärfung des SS 130 StGB hat bewirkt, daß die in Deutschland lebenden und damit deutschem Recht unterliegenden Rechtsextremisten mit revisionistischer Propaganda zurückhaltender bzw. im Ton vorsichtiger agieren. Im Mai wurde der "Appell der 100 - Die Meinungsfreiheit ist in Gefahr!" herausgegeben. Nicht nur Rechtsextremisten wandten sich darin gegen "staatliche Repressionen", denen insbesondere Revisionisten ausgesetzt seien. Der Justiz wurde vorgeworfen, sie schränke mit ihrem Vorgehen gegen Vertreter kritischer Meinungen zur Zeitgeschichte die Freiheit der Meinung, Lehre und Forschung ein. Die Unterzeichner des "Appells" erklärten sich über die angeblich zunehmende "Verfolgung" von Verlegern, Redakteuren, Autoren und Wissenschaftlern wegen ihrer "begründeten Äußerungen zu bestimmten Fragen der Zeitgeschichte " besorgt. Das staatliche Vorgehen grenze an Rechtsbeugung, verletze die Menschenrechte und sei eines freiheitlichen Rechtstaates unwürdig. Die grundrechtlich garantierte Freiheit der Meinungsäußerung sowie der Forschung und Lehre seien bedroht. 54 namentlich genannte Akademiker und weitere 50 Wissenschaftler, Publizisten, Verleger und Buchhändler haben den Appell unterzeichnet, darunter ein Professor der Technischen Universität HamburgHarburg, der später bei den niedersächsischen Kommunalwahlen am 15. September in Stade für ein von der NPD dominiertes "Bündnis Rechte" kandidierte. Im Juli folgte ergänzend der "Appell der 500 - Die Meinungsfreiheit ist in Gefahr!". Neben den wiederum namentlich aufgeführten o.g. 54 Erstunterzeichnern wurde von weiteren 450 Mitunterzeichnern gesprochen. Weitere Aktionen wurden angekündigt. Die "Appelle" wurden in mehreren Tageszeitungen sowie in dem rechtsextremistischen Monatsheft "Nation & Europa" (O Hintergrund siehe 1.5.5) veröffentlicht. Verantwortlich zeichnete eine Person, die seit 1981 als Unterzeichner fremdenfeindlicher Appelle sowie als Autor in rechtsextremistischen Verlagen bekannt ist. Mit der Veröffentlichung der "Appelle" hatten es Revisionisten geschafft, auch Personen ohne rechtsextremistischen Hintergrund für sich einzuspannen und so von ihrer eigentlichen, gegen den Staat gerichteten, extremistischen Bestrebung abzulenken. Es gelang ihnen, den Text als Mahnruf für eine "demokratische" Öffentlichkeit zu bemänteln, der auch in seriösen Tageszeitungen als Anzeige veröffentlicht wurde. Revisionistische Agitation ist kein auf Deutschland beschränktes Phänomen, sondern wird nicht zuletzt aufgrund der Strafverschärfung in der Bundesrepublik verstärkt aus dem Ausland gesteuert. Vermutlich in Anlehnung an den "Appell der 100" wurde von der "Stiftung VRIJ Historish Onderzoek" einem ehemaligen Hamburger Innensenator das Flugblatt "Zur Lage des Holocaust - Revisionismus - Revisionisten bestreiten den Massenmord an Juden / Wachsender Erfolg bei Akademikern" zugeschickt. Darin wird behauptet, eine wachsende Zahl von Menschen negiere den NSMassenmord an Juden. Diese Meinung verbreite sich nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern. Die in Belgien ansässige "Stiftung" verschickte im 43 Juli Propagandamaterial, so z.B. das Flugblatt "Naturgesetze versus Gaskammern". Dort heißt es, das " Entlausungsmittel Zyklon B " sei für die Massentötung von Menschen absolut ungeeignet. Demzufolge könne damit der von Zeugen behauptete Massenmord überhaupt nicht stattgefunden haben. Die selbst im Internet agierende "Stiftung" verwies auch auf die Internet-Anschrift des Revisionisten Ernst ZÜNDEL. Der als Revisionist weltweit bekannte und aktive Deutsch-Kanadier Ernst ZÜNDEL versucht weiterhin, seine "Botschaften" zu verbreiten. Nachdem die Telekom den deutschen Internet-Zugang von ZÜNDEL im Januar gesperrt hatte, gelang es ihm im Oktober, zweimal über einen in Kaliningrad (Rußland) ansässigen russischen Mittelwellensender seine Agitation fortzusetzen. Dieser Zugang ist ihm zur Zeit versperrt, jedoch hat ZÜNDEL sich über andere Provider erneut Zutritt zum Internet verschafft. Auch seinen "Germania-Rundbrief verbreitet er nach wie vor in hohen Auflagen weltweit. Mehrere deutsche und österreichische Revisionisten haben ihre Wohnsitze und Betätigungsfelder nach Spanien verlagert. Im Januar lehnte der Oberste Spanische Gerichtshof die Auslieferung eines in Deutschland zu 2 Jahren Haft verurteilten Revisionisten ab, da der von den deutschen Behörden genannte Auslieferungsgrund " Verherrlichung des Völkermordes " im spanischen Strafgesetzbuch nicht enthalten sei. Mitte März verpflichteten sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, in gemeinsamer Aktion Straftaten wie Volksverhetzung oder Leugnung des Holocaust unter Strafe zu stellen bzw. Auslieferungen von Beschuldigten zu ermöglichen, wenn die Tat nur in dem die Auslieferung beantragenden Staat strafbar ist. Im Juni wurde der Inhaber eines rechtsextremistischen Verlages vom Amtsgericht Tübingen wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu einer Geldstrafe von 30.000.-DM verurteilt. Der Hamburger Neonazi Thomas WULFF wurde am 04.12.95 vom Amtsgericht Hamburg zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten als presserechtlich Verantwortlicher eines Artikels der zusammen mit der "Nationalen Liste" (NL) verbotenen Zeitschrift "Index" verurteilt. Der anläßlich des 50. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz geschriebe Artikel sprach von der "...angeblichen Massenvernichtung von Juden ". Der Begriff Befreiung war in Anführungszeichen gesetzt. Das Landgericht Hamburg setzte die Freiheitsstrafe im Oktober in der Berufungsverhandlung zur Bewährung aus. Der rechtsextremistische Hamburger Rechtsanwalt Jürgen RIEGER, der WULFF in dem Prozeß vertrat, berief sich in seinen Beweisanträgen auf sattsam bekannte revisionistische Veröffentlichungen wie den "Leuchter-Report" oder das "Rudolf-Gutachten". RIEGERs Strategie wurde in der von Bramfelder Skinheads und Neonazis herausgegebenen Schrift ;, Hamburger Sturm " im Dezember lobend "gewürdigt": "Seine Rede war ein revisionistisches Meisterwerk". 44 1.3 Rechtsextremistische Gewalt 1.3.1 Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten / Statistik Der Verfassungsschutz wertet und erfaßt eine Straftat als rechtsextremistisch, wenn sie zumindest auch der Verfolgung rechtsextremistischer, d.h. nationalistischer oder rassistischer Ziele dient. Statistisch werden bundesweit unter dem Oberbegriff " Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem rechtsextremistischen Hintergrund" folgende Kategorien differenziert erfaßt: * Fremdenfeindliche Gewalttaten * Antisemitische Gewalttaten * Gewalttaten gegen politische Gegner * Sonstige rechtsextremistische Gewalttaten Gewalttaten sind: * Tötungdelikte * Sprengstoffanschläge * Brandanschläge * Landfriedensbrüche * Körperverletzungen * Sachbeschädigungen mit Gewaltanwendung Die Gesamtzahl aller rechtsextremistischen Gewalttaten ging im Vergleich der Jahre 1995 und 1996 von 837 um 6,7 % auf 781 zurück. Von den 781 Gewalttaten im Jahr 1996 waren 441 Fälle fremdenfeindlich motiviert (56,5 %). Im Vergleichszeitraum 1995 waren von den 837 Gewalttaten noch 540 (65%) fremdenfeindlich. In der Kategorie " Gewalttaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund" hat sich damit zwar die schon 1995 festgestellte niedrigste Quote seit den Ausschreitungen in Hoyerswerda (1991) im Jahre 1996 noch weiter verringert, die Zahl der versuchten Tötungsdelikte gleichzeitig aber von 8 auf 11 erhöht. Die Anzahl der antisemitischen Gewalttaten stieg von 27 (1995) auf 29 (1996) Fälle. Gewalttaten gegen politische Gegner stiegen von 68 (1995) auf 84 (1996) Fälle - eine Zunahme um knapp 24 % (u.a. eine Tötung und ein Tötungsversuch). Die sonstigen rechtsextremistischen Gewalttaten nahmen um 25 Fälle von 202 (1995) auf 227 (1996) zu. 45 Eine gegen einen "Fremden" gerichtete Straftat ist dann rechtsextremistisch motiviert, wenn der "Fremde" zumindest auch wegen seiner "Fremdheit" Opfer einer Straftat wurde. Das wird insbesondere dann vermutet, wenn Umstände von Personen, des Objektes oder die Tat an sich für eine solche Motivation sprechen und keine die Vermutung widerlegenden Tatsachen bekannt sind. Erwiesen ist eine rechtsextremistische Motivation insbesondere dann, wenn sich der Täter zu einer entsprechenden Zielsetzung bekennt, oder die Tatumstände einen vernünftigen Zweifel an einer rechtsextremistischen Motivation nicht aufkommen lassen. Als fremdenfeindlich werden Straftaten angesehen, die gegen Personen gerichtet sind, denen der Täter aufgrund Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes ein Bleibeoder Aufenthaltsrecht in seiner Wohnumgebung oder in der gesamten Bundesrepublik bestreitet. In Zweifelsfallen, wenn fremdenfeindliche Motive nach den polizeilichen Ermittlungen nicht feststehen, aber auch nicht auszuschließen sind, wird eine Straftat als fremdenfeindlich eingestuft. Auch 1996 schlugen sich verbale und körperliche Bedrohungen durch Rechtsextremisten überwiegend in fremdenfeindlichen Delikten nieder. 46 Rechtsextremistische Gewalttaten nach Tatrichtungen Bundesweite Veränderungen von 1995 auf 1996 Tatrichtung / Motivation 1995 1996 Veränderung Fremdenfeindlich 540 441 - 18% Antisemitisch 27 29 + 7% Gegen politische Gegner 68 84 + 24 % Sonstige 202 227 + 12 % Gewalttaten insgesamt: 837 781 - 6,7 % Der Anteil der rechtsextremistisch motivierten Brandanschläge ging 1996 auf 4,2 % (33 Anschläge) zurück gegenüber 5,4% (45 Anschläge) im Jahre 1995. Es wurden keine Sprengstoffanschläge verübt. Bemerkenswert ist dagegen der Anstieg von Delikten mit Tötungsabsicht von 10 auf 13 (mit einer vollendeten Tötung): Rechtsextremistische Gewalttaten 1995 /1996 auf Bundesebene nach Tatarten: Tatarten: 1995 1996 Tötungsdelikte 0 1 Versuchte Tötungsdelikte 10 12 Sprengstoffansch läge 0 0 Brandanschläge 45 33 Landfriedensbrüche 48 71 Körperverletzungen 509 507 Sachbeschädigungen mit 225 157 Gewaltanwendung Gewalttaten insgesamt 837 781 Nötigungen/Bedrohungen 504 364 Verbreitung/Verwendung von Pro4.343 5.635 pagandamitteln Volksverhetzung, Aufstachelung 2.212 1.950 zum Rassenhaß u.a. Straftaten Sonstige Straftaten insgesamt 7.059 7.949 Straftaten gesamt 7.896 8.730 Das Nachlassen der politischen Gewaltkriminalität ist insbesondere auf das Abnehmen fremdenfeindlicher Delikte zurückzuführen. Bis 1992 waren insbesondere Asylbewerber Opfer militanter Rechtsextremisten. Der auf der Änderung des Asylrechtes beruhende spürbare Rückgang der Asylbewerberzahlen, die öffentliche Ächtung der Fremdenfeindlichkeit und des Rechtsextremismus sowie nicht nachlassende konsequente repressive Maßnahmen des Staates gegen Rechts haben dieses Problemfeld seit 1993 entschärft. Potentielle Täter müssen erkennen, daß sie sich nicht auf Sympathien in der Bevölkerung stützen können. Sie sehen sich nachhaltig ihrer selbstkon47 struierten vermeintlichen Legitimation enthoben. Zahlreiche Manifestationen breiten demokratischen und friedlichen Widerstandes gegen Rechtsextremisten, von ihnen ausgehende Ausländerfeindlichkeit sowie Rassismus haben deren Rechtfertigungsmuster widerlegt. Dennoch besteht kein Anlaß zur Entwarnung. In den vergangenen Jahren hat sich mehrfach gezeigt, daß es mitunter nur einer spektakulären Gewalttat bedarf, um Nachahmer auf den Plan zu rufen und die Zahl der Gewalttaten wieder in die Höhe zu treiben. Wie oben erwähnt, hat es in der ohnehin schon hohen Gesamtzahl aller Straftaten mit erwiesenem oder zu vermutendem rechtsextremistischen Hintergrund noch eine Steigerung von 7.896 (1995) auf 8.730 gegeben (mehr als 10 %). Angesichts staatlicher Entschlossenheit bei der Bekämpfung politischer Gewaltkriminalität sehen sich potentielle Täter, Mittäter und Mitläufer erhöhten Risiken ausgesetzt. Überraschende polizeiliche Exekutivmaßnahmen, Verurteilungen zu hohen Freiheitsstrafen und die breite Berichterstattung der Medien hierüber zeigen offenbar Wirkung. In diesem Zusammenhang wurden potentielle Straftäter auch durch gerichtliche Feststellungen gewarnt, daß Brandstiftungen den Tatbestand des (versuchten) Mordes erfüllen können. Rechtsextremistische Gewalttaten auf Bundesebene Entwicklung von Tatrichtungen und Tatarten 1994-1996 : 02 227 0 ! CT trem c CD c CU : CT "m 1 a EI ~ r r CD CT X *-* m p CU T3 :j| m o ? U] CD Bai en c waltta c CT recht TJ o C E o 5 politi CD CO CD E * .VI o 5 Geg a S i_ *P E 1 CD H Ö 48 Im Bereich der Freien und Hansestadt Hamburg sank die Zahl der rechtsextremistischen (einschließlich der fremdenfeindlichen und antisemitischen) Straftaten um rund 4% von 323 auf 311 (im Bund Anstieg um über 10 % von 7.896 auf 8.730). In dieser Gesamtzahl aller rechtsextremistischen Straftaten sind einerseits die schweren Straftaten, wie Tötungsdelikte und Brandstiftungen (einschließlich Versuche), Körperverletzungen, Landfriedensbruch und Sachbeschädigungen mit Gewaltanwendung erfaßt. Andererseits enthält diese Zahl auch Delikte minder schwerer Bedeutung: Das sind z.B. "sonstige" Sachbeschädigungen, Verbreitung von Propagandamitteln/Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Nötigungen, Bedrohungen und andere Straftaten (z.B. nach SSSS 123, 126, 130, 185 StGB). Rund 36% (Vorjahr rund 40%) dieser rechtsextremistischen Straftaten hatten einen fremdenfeindlichen Hintergrund; mit 113 Fällen setzte sich der Abwärtstrend der Jahre 1994 (155 Fälle) und 1995 (129 Fälle) fort. Die Summe der um 33 antisemitischen Straftaten (1995: 60, Abnahme 45 %) muß differenziert gesehen werden: 1996 wurden Briefsendungen antisemitischen Inhalts an diverse Empfänger registriert, die vermutlich keine Einzelfälle unabhängig voneinander agierender Urheber darstellen, sondern als Serienbriefe möglicherweise von nur wenigen - zum Teil identischen - Tätern stammen. 49 Rechtsextremistische Straftaten, bei denen fremdenfeindliche oder antisemitische Motivationen keine Rolle spielten, haben von 134 (1995) auf 165 (1996) um 23% zugenommen. 450 424 D1994 Rechtsextremistische 400 * 1995 Straftaten in Hamburg 1994-1996 323 D1996 350 Entwicklung nach 311 Vjatrichtungen und Tatarten 300 250 200 155 150 --1129 ^ _ 113 100 63 60 50 4 11ÜD 44 33 29 0 ,01 0) C E 3 x: 0) as N o i O) O) ^ (D (B = in W Ut c m S3 3 & N g> " s-: c c a) (0 Im Bereich der schweren Straftaten gab es in den letzten 3 Jahren keine Tötungsdelikte, auch keine Versuche. Zuletzt registrierte die Polizei in Hamburg 1993 2 Tötungsversuche, von denen einer fremdenfeindlich motiviert war. In Hamburg wurden 26 Körperverletzungen registriert, von denen 21 Fälle fremdenfeindlich und 1 Fall antisemitisch motiviert waren. Im Vorjahr richteten sich von 29 Körperverletzungen 28 gegen Fremde. Nachdem 1995 keine Brandstiftung (einschl. Versuch) in Hamburg festzustellen war, erschien in der polizeilichen Statistik für 1996 eine versuchte Brandstiftung, die jedoch für einen rechtsextremistischen motivierten Anschlag nur bedingt typisch ist: 50 Unbekannte Täter entzündeten am 26. August an der Wohnung eines Deutschen im Stadtteil Barmbek Zeitungspapier. An die Tür hatten sie ein Hakenkreuz und die Parole "Sieg Heil" geritzt. Nach Zeugenaussagen riefen sie anschließend "Komm raus du Judenschwein ". Sachbeschädigungenen mit Gewaltanwendung verringerten sich erneut von 9 Fällen 1995 (davon 2 fremdenfeindlich) auf 4 Fälle 1996 (davon 3 fremdenfeindlich motiviert). Der schon im Vorjahr festgestellte Abwärtstrend setzte sich auch bei der Gesamtzahl der sog. Verbaldelikte fort. Insgesamt 248 Fälle, von denen 89 fremdenfeindlich motiviert waren, wurden registriert. 1995 betrug diese Zahl 285 (99 fremdenfeindlich), 1994 noch 352 (102 fremdenfeindlich). Bei den rechtsextremistischen Verbaldelikten waren wiederum die Delikte "Verbreiten von Propagandamitteln/Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen" mit 138 allgemein rechtsextremistischen (1995: 91) und 31 fremdenfeinlichen Straftaten (1995: 30) am stärksten vertreten. 80 Tatverdächtige (eine davon weiblich) konnte die Hamburger Polizei bei den rechtsextremistischen Straftaten ohne fremdenfeindlichen oder antisemitischen Bezug ermitteln; die Aufklärungsquote betrug 44 %. Bei den fremdenfeindlichen Straftaten sind 59 (10 weibliche) Personen ermittelt worden, die Aufklärungsquote betrug hier 39%. Die Mehrzahl dieser Art Straftaten wurde von Personen über 30 Jahre verübt. Zu den 33 antisemitischen Straftaten ließen sich 16 männliche Tatverdächtige - mehrheitlich über 30 Jahre - ermitteln, die Aufklärungsquote lag bei 39%. Festgestellte Zielrichtungen nach Alter der Tatverdächtigen: bis 13 J. 14 -17 J. 18-20 J. 21-24 J. 25-29 J. 30 u. alt. fremdenfeindlich 0 9 6 10 9 25 antisemitisch 0 4 1 0 2 9 rechtsextr. sonstig. 19*) 10 10 14 12 15 *) ein 13jährig. Tatverd. schmierte an versch. Tagen rechtsextremistische Parolen in S-Bahnen Von den 1996 ermittelten 155 Tatverdächtigen (1995: 156) gehörten 12 rechtsextremistischen Gruppen/Organisationen an. 39 Personen (1995:78) hatten zum Tatzeitpunkt offenbar eine fremdenfeindliche Einstellung, ohne politisch organisiert zu sein. Beispiele rechtsextremistischer bzw. fremdenfeindlicher Straftaten zeigen, daß in Hamburg weiterhin ein entsprechendes Gewaltpotential vorhanden und auch in Zukunft mit rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten zu rechnen ist: 51 * So schlugen am 28. April 1996 zwei männliche Täter einen spanischen Staatsangehörigen in einer S-Bahn am Hauptbahnhof zusammen, nachdem sie vorher schon eine Gruppe Farbiger mit rassistischen Sprüchen beschimpft und beleidigt hatten. * Eine unbekannt gebliebene Person, dem äußeren Anschein nach ein Skinhead, griff am 6. April 1996 im Stadtteil Bramfeld einen Vietnamesen tätlich an, indem er diesem eine sog. "Kopfnuß" versetzte und ihm mit der Faust ins Gesicht schlug. Ferner Versuchte der Angreifer, den Geschädigten zu treten. Er äußerte: " Was willst Du Brauner? Ich bin ein echter Germane. Ich bin die Herrenrasse! " * Zwei der Skinhead-Szene zuzurechnende Männer nötigten am 29. November 1996 einen farbigen Fahrgast, den Nachtbus zu verlassen. Er wurde beschimpft und an einer Haltestelle hinausgestoßen. Nach dem Erscheinen von Polizeibeamten sagte einer der Tatverdächtigen: "Es paßt nicht in meine Weltanschauung, wenn ein Deutscher einen Schwarzen chauffiert. " 1.3.2 Diskussionsstand im Hinblick auf terroristische Gewalt Im Berichtsjahr wurden den Sicherheitsbehörden keine Anhaltspunkte über den Aufbau rechtsextremistisch motivierter terroristischer Strukturen in Deutschland bekannt. Das Entstehen einer gewaltbereiten rechtsextremistischen Szene, eines unkalkulierbaren Kleingruppenterrorismus bzw. herostratischer Einzeltäter ist jedoch nicht gänzlich auszuschließen. Staatliche Repression schränkte die öffentlichen Aktivitäten aktionistisch ausgerichteter Rechtsextremisten stark ein. Dieser Umstand und die nach Ansicht von Rechtsextremisten verfehlte " Überfremdungspolitik" der Bundesregierung, die zum " Untergang" des deutschen Volkes und der Bundesrepublik fuhren werde, könnte bei einer sehr kleinen Minderheit den Gedanken verfestigen, politische Ziele künftig mit gewaltsamen Mitteln aus der Illegalität heraus zu verfolgen. Als vermeintliche Legitimation würde vermutlich das Widerstandsrechts jedes Deutschen gemäß Art. 20 Abs. 4 Grundgesetz herangezogen. Erste Ansätze eines Rechtsterrorismus in der Bundesrepublik Deutschland zeichneten sich Ende der 70er Jahre ab, blieben jedoch im Entwicklungspotential, in der intellektuellen Kompetenz und der Bedrohungsqualität deutlich hinter dem Linksterrorismus zurück. Mit dem Grundtenor, die Nation von allen " Fesseln " zu befreien, die angeblich eine Entwicklung hin zu der von ihnen angestrebten machtpolitischen Bedeutung und kulturellen "Größe" verhindern würden, entwickelten die damaligen Rechtsterroristen ihr diffuses Bild eines politischen "Soldaten", der sich mutig für die Volksgemeinschaft opfert. Dabei waren sie unfähig, plausible Entwürfe über mögliche Al52 ternativen zu der ihnen verhaßten Staatsform zu entwickeln, die sie mit Terror beseitigen wollen. In den letzten zwei Jahrzehnten gab es in der Bundesrepublik - ganz anders als im Linksextremismus - nur vereinzelt rechtsextremistisch motivierte terroristische Tatausführungen. Zu den schlimmsten Ereignissen gehörten der Anschlag auf das Münchener Oktoberfest am 26.09.1980 (13 Tote, 215 Verletzte), die mit "antiimperialistischen" Begründungen verübten Anschläge der HEPP/KEXEL-Gruppe 1982 auf Fahrzeuge amerikanischer Soldaten in Hessen sowie Anschläge der "Deutschen Aktionsgruppen " des Manfred ROEDER (u.a. Brandanschlag 1980 in Hamburg auf ein Asylbewerberheim, 2 Tote). Diskussionsauslösend für neuerliche Debatten in Teilen des " nationalen " Lagers über Sinn oder Unsinn, - z.B. Zweckmäßigkeit und Erfolgsaussichten - eines "revolutionären" bewaffneten Kampfes ist das Empfinden vieler Rechtsextremisten, einer permanenten - aus ihrer Sicht ungerechtfertigten - politischen Verfolgung und hohen Strafen ausgesetzt zu sein, von denen vergleichbare linksextremistische oder ausländische Gewalttäter verschont würden. Dabei werden z.B. Vergleiche zwischen dem angeblich großzügig geduldeten Ablauf der von Punks veranstalteten "Chaostage" 1995 in Hannover und der tagelangen vorbeugenden Ingewahrsamnahme potentieller Teilnehmer der rechtsextremistischen Rudolf-HESS-Gedenkaktionen 1995 gezogen. Die anläßlich dieser Ereignisse behauptete Einseitigkeit und Willkür gegen Rechts hat eine latent schwelende Gewaltbereitschaft unter Rechtsextremisten angefacht und deren Aggressionsbereitschaft primär gegen Vertreter und Repräsentanten des staatlichen "Repressionsapparates" gerichtet. Dieses belegt auch eine entsprechende neue Kursrichtung der sog. "Anti-Antifa". Richtete sich diese Kampagne bisher vornehmlich darauf, politische Gegner der linksextremistischen Szene aufzuklären, öffentlichkeitswirksam zu "outen" und zu bekämpfen, geraten zunehmend Polizeibeamte, Angehörige von Verfassungsschutzbehörden, Richter und Staatsanwälte ins Visier der "Anti-Antifa". Es gibt bisher allerdings keine Anzeichen dafür, daß solche Recherchen, "Schwarze Listen" (Z> 1.4.3) und demonstrative Einschüchterungsversuche in terroristische Aktionen münden sollen. Die weit überwiegende Mehrheit der Rechtsextremisten hält etwaige terroristische Aktionsformen für kontraproduktiv. Sie befürchtet, daß sich die staatliche Repression gegen Rechts dadurch nur noch verschärfen würde. Ein bewaffnetes Vorgehen erscheint ihr unter den derzeitigen "Kampßedingungen" in der Bundesrepublik sinnlos. Es gibt jedoch vereinzelte Befürworter, nach deren Worten sich in Deutschland die "Zustände" bereits so extrem zugespitzt haben, daß der nach ihrer Einschätzung bereits begonnene Untergang des bestehenden Systems gewaltsam beschleunigt werden müsse. Dieses würde dann den Weg zur Errichtung eines nationalistisch geprägten Staates öffnen. Bereits seit einigen Jahren kursieren Handlungsanleitungen für 53 den Partisanenkampf von " Werwolf-Kommandos und Anleitungen zum Bau von Sprengsätzen, Molotow-Cocktails sowie der Sprengstoffherstellung. Die vierbändige Schrift "Eine Bewegung in Waffen", die u.a. von dem in Hamburg inhaftierten USNeonazi Gary LAUCK (O siehe 1.8.3) als Abdruck im "NS-Kampfruf und über Computer-Disketten verbreitet wurde, vereint theoretische Grundlagen und praktische Hinweise für einen bewaffneten Kampf. Die 1996 fortgesetzte Serie von Briefbombenanschlägen in Österreich erinnert stets aufs neue an die auch bei uns latent vorhandene, Wachsamkeit gebietende Gefahr. Seit Dezember 1993 haben vermutlich österreichische rechtsextremistische Terroristen in ihrem Heimatland - in zwei Fällen auch in Deutschland - Menschen mit Bomben und Briefbomben getötet bzw. schwer verletzt. Unter dem Namen " Bajuwarische Befreiungsarmee " (BBA) haben sie sich zu den von ihnen begangenen Gewaltverbrechen bekannt. Die Auswahl der Opfer macht deutlich, daß die Anschläge der BBA aus Fremdenhaß verübt wurden. Sie richteten sich insbesondere gegen Politiker mit fremdenfreundlicher Einstellung, gegen Förderer einer multikulturellen Gesellschaft, gegen Personen, die sich engagiert den Problemen von Ausländern widmeten und insbesondere gegen Förderer einer österreichisch-slowenischen Annäherung. Als jüngster Akt der BBAAnschlagsserie wurde im Dezember 1996 eine weitere Briefbombe in Österreich postalisch aufgegeben, die jedoch die anvisierte Zielperson nicht erreichte. Unverändert sind auch Personen in der Bundesrepublik durch die BBA gefährdet. Die Absichten deutscher rechtsextremistischer Söldner, die aus dem Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien zurückgekehrt sind, nachdem sie dort u.a. "gegen das Serbentum " gekämpft haben, bleiben weiterhin unberechenbar. In den Söldnereinheiten, die an Kriegshandlungen in Kroatien und Bosnien-Herzegowina beteiligt waren, kämpften mehr als 100 deutsche Rechtsextremisten. Die Zahl der deutschen Söldner insgesamt (u.a. NVA-Soldaten, ehemalige Fremdenlegionäre, Kriminelle und Abenteurer) dürfte um einiges höher gelegen haben. Sie haben praktische Waffenund Kampferfahrungen mitgebracht und wissen, wie und wo sie sich Waffen besorgen können. Aus Depots im kroatisch-bosnischen Grenzgebiet sollen Waffen, Sprengstoff u.a. schon nach Deutschland geschleust und im "rechten Lager" verteilt worden sein. Insbesondere die neonazistischen "Kriegsveteranen" müssen künftig als spezielles Gefährdungspotential sorgfältig beachtet werden, weil ihre Hemmschwelle, politische Ziele mit Gewalt gegen Menschen durchzusetzen, erheblich gesunken sein dürfte. Minen und andere Waffen aus einem am 02.11.94 im Frankfurter Stadtwald entdeckten Erddepot, das mit einem Söldner einer Brigadeeinheit in Verbindung gebracht wird, unterstreichen die Ernsthaftigkeit und Evidenz dieser Bedrohung. 54 Die Öffnung einer Reihe von Erddepots des ehemaligen Rechtsterroristen Peter NAUMANN im August 1995, in denen fast 200 kg (!) Sprengstoff, Waffen, Granaten, Panzerminen und Munition in erheblicher Stückzahl gefunden wurde, gibt ebenfalls Anlaß zur Sorge; zeigt sie doch, daß es hier einem Rechtsterroristen und weiterhin überzeugtem Rechtsextremisten gelungen war, über einen langen Zeitraum unentdeckt Material vorzuhalten, das jederzeit für terroristische Aktionen hätte verwendet werden können. Dem Phänomen Rechtsterrorismus muß weiterhin erhöhte Wachsamkeit und Sorgfalt gewidmet werden. Auch wenn derzeit handlungsbereite Strukturen nicht erkennbar sind, zeigen Waffenund Sprengstoffunde, daß für terroristische Aktivitäten notwendiges Material vorhanden bzw. relativ problemlos zu beschaffen ist. Die Opfer politischmotivierter Terroristen sind an erster Stelle Menschen - aus Sicht der Täter stellvertretend für ein ihnen verhaßtes "System". Vor dem historischen Hintergrund nationalsozialistischer deutscher Vergangenheit wäre ein hier aufflackernder Rechtsterrorismus darüber hinaus schon im Ansatz geeignet, das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland nachhaltig zu beschädigen. 1.4 Neonazismus 1.4.1 Aktuelle Situation/Tendenzen Die neonazistische Szene leidet unter den anhaltenden Konsequenzen von Organisationsund Veranstaltungsverboten. Von 1992 bis 1995 wurden insgesamt 11 neonazistische Organisationen verboten. Am 30. Juli wurde als zwölfte Gruppierung der 1995 in Bayern gegründete etwa 50-köpfige Verein "Skinheads Allgäu" verboten. Zahlreiche Verurteilungen führender Neonazis beschleunigten die Schwächung des restlichen neonazistischen Lagers. Eine maßgebliche Führungsfigur, der Hamburger Neonazi und ehemalige Funktionär der verbotenen " Nationalen Liste " (NL), Christian WORCH, verbüßt seit dem 26. Februar eine Gefängnisstrafe. Er war am 30.11.94 vom Landgericht Frankfurt/M. wegen Fortführung der verbotenen "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Alternative" (ANS/NA) zu zwei Jahren Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden. Andere führende Neonazis zogen sich unter dem Eindruck staatlicher "Repressalien" aus dem politischen Kampf zurück. So erklärte das ehemalige FAP-Bundesvorstandsmitglied Norbert WEIDNER im März seinen "Rücktritt von der politischen Arbeit des Nationalen Lagers". Er begründete seinen Entschluß mit persönlichen Motiven und den zunehmenden "Auseinandersetzungen des Nationalen Lagers mit dem Staat". Im Oktober erklärte Michael PETRI - ehemaliger Bundesvorsitzender und Vorsitzender des Landesverbandes Rheinland-Pfalz der verbotenen "Deutschen Alternative" (DA) 55 - während seines Strafprozesses wegen Verdachts der Fortführung der DA seinen Ausstieg aus der rechtsextremistischen Szene. Seine Interessen hätten sich "völlig" verändert. Verbliebene Neonazis versuchten, ihre politische Arbeit mit neuen taktischen und strategischen Verhaltensweisen fortzuführen und staatliche Vereinigungsund Veranstaltungsverbote zu unterlaufen. Einige schlossen sich anderen rechtsextremistischen Organisationen und Parteien an, manche bildeten örtlich oder gebietsweise organisationsunabhängige, autonome Personenzusammenschlüsse. Neonazistische Kampagnen und Auftritte bei rechtsextremistischen Veranstaltungen und Aktionen dienten als Basisersatz für verlorene Organisationsstrukturen. Einzelne Aktivisten, Gruppen und Initiativen sind regional und bundesweit durch Mailboxen, Info-Telefone und Mobilfunktelefone (O 1.9) informationell miteinander vernetzt. Insgesamt gelang es der Neonaziszene jedoch nicht, neue Strategieentwürfe im angedachten Maße umzusetzen. Das in den letzten Jahren quasi als Wunderwaffe unermüdlich angepriesene Konzept " autonomer Kameradschaften " konnte sich bislang nur im Großraum Berlin durchsetzen. Dort haben sich der neonazistische Verein " Die Nationalen e. V. " und " autonome Kameradschaften " etabliert, die in der Region Berlin/Brandenburg zusammenarbeiten. Der alternativ erwogene "massenhafte" Übertritt ehemaliger Neonazis in bestehende rechtsextremistische Parteien kam ebenfalls nicht im beabsichtigten Umfang voran. Einzelne Organisationen, wie die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD, O 1.5.3) und die "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH, O 1.5.5) öffneten sich zwar auf regionaler Ebene beitrittswilligen Neonazis, u.a. auch Mitgliedern verbotener neonazistischer Organisationen. Schon mangels "Masse" konnte es sich hierbei aber - in absoluten Zahlen - nur um begrenzte Prozesse handeln. Insbesondere die NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN, O 1.5.3.2) nahm Neonazis auf und führte u.a. mit ehemaligen Angehörigen verbotener Organisationen Veranstaltungen durch. So nahmen Neonazis am 24. Februar in Aschaffenburg an dem von der NPD/JN organisierten "Trauermarsch" zum Gedenken an den 1993 von einem Albaner erstochenen Schüler Hans MÜNSTERMANN teil. Insgesamt demonstrierten etwa 250 Teilnehmer unter dem Protest von 350-400 linken Gegendemonstranten. Die Polizei nahm insgesamt 31 Personen, darunter 20 aus dem rechtsextremistischen Spektrum, vorläufig fest und stellte verschiedene Waffen sicher. Am 1. Mai versammelten sich in Berlin etwa 300 Neonazis und Angehörige rechtsextremistischer Parteien und Gruppen, u.a. Hamburger Neonazis, zu einer von der JN angemeldeten "nationalrevolutionären Maikundgebung". In Bamberg marschierten anläßlich des 1. Mai etwa 100 Neonazis, u.a. aus Hamburg, und Anhänger der JN aus Protest gegen "Verbotswillkür". Die Kundgebung wurde polizeilich aufgelöst. Neonazis beteiligten sich am 56 21./22. Juni an verschiedenen von den JN organisierten Sonnenwendfeiern. Am 21. Juni trafen sich in Hagen/Schleswig-Holstein etwa 60 JN-Angehörige, auch Hamburger, zu einer Sonnenwendfeier. Einen Höhepunkt erreichte die Zusammenarbeit von Neonazis und NPD/JN auf der Ebene des "Aktionskomitees Rudolf Hess 1996", das sich gegenüber einer konkurrierenden Initiative als Organisator der diesjährigen zentralen HESS-Gedenkaktion in Worms ( 3 1.4.5) durchsetzte. Nach dieser erfolgreichen Einzelaktion brachen vorübergehend zurückgestellte alte Streitigkeiten und Feindseligkeiten erneut auf. Die zum Teil gegensätzlichen taktisch-strategischen Ansprüche der Neonazis und der NPD-/JN-Führungen provozierten Machtgerangel und Disharmonien. Seitdem haben sich die Gemeinsamkeiten auf regionale Einzelaktionen reduziert. Eigenständige Initiativen und überregionale Kampagnen von Neonazis richteten sich in der Mehrzahl gegen politische Gegner und staatliche Verfolgung. Da sich die Szene selbst keinen Illusionen hingibt, mit hinreichender Erfolgsaussicht zu Großveranstaltungen und spektakulären " Massen "-Aktionen mobilisieren zu können, zog sie sich auf diverse regionale Kleinstaktionen zurück. Eine der wenigen - daran gemessen - "größeren" Veranstaltungen war am 03. August der jährliche Gedenkmarsch der "Sauerländer Aktionsfront" (SAF) für ihren verstorbenen Gründer. An dieser Veranstaltung in Bad Berleburg nahmen insgesamt 60 Neonazis aus dem Bundesgebiet und den Niederlanden teil. In ihren Ansprachen forderten Führungsaktivisten eine europäische Vernetzung der rechtsextremistischen Szene. Etwa 90 Neonazis aus dem Bundesgebiet und aus den Niederlanden trafen sich in Rotterdam anläßlich des Gedenktages "9. November" (Marsch auf die Feldherrenhalle 1923 in München) zu einer Veranstaltung. Auch Hamburger Neonazis waren angereist. Eine von Neonazis beabsichtigte zentrale Heldengedenkkundgebung zu Ehren der gefallenen deutschen Soldaten und Freiheitskämpfer am 17. November kam nicht zustande. Mehrere aus gleichem Anlaß organisierte regionale Aktionen, zumeist in Form von Kranzniederlegungen, wurden zum Teil von der Polizei aufgelöst. Außer den im Abschnitt 1.4.5 erwähnten Kundgebungen anläßlich des Todestages von Rudolf HESS fanden 1996 keine nennenswerten Veranstaltungen und Aktionen deutscher Neonazis statt. Über Jahre hinweg hatten sich Neonazis mit NS-nostalgischen Ideologie-Stereotypen umgeben. Dieses hat wesentlich dazu beigetragen, daß ihnen mehr denn je quer durch die Gesellschaft ein Klima totaler Ablehnung entgegenweht. Mit neuen Agitationsthemen versuchten Teile der Neonazis daher, sich in der Bevölkerung verstärkte Aufmerksamkeit zu verschaffen und populistisch anzubiedern. Angesichts einer vermeintlichen Gunst der Stunde stellten sie Probleme wie "Sozialabbau", wirtschaftspolitische und in der Vergangenheit eher von Linksextremisten besetzte Verteilungsfragen ("Antikapitalismus") in den Vordergrund. Dieses Problemfeld gilt als Krank57 heitssymptom in der von ihnen ohnehin schon immer konstatierten tödlichen Krise des "maroden Multi-Kulti-Systems". Nicht zuletzt mit besonderer Blickrichtung auf die näherstehende Klientel wurde der Kampf gegen " staatliche Repressalien " weiter forciert. Diese thematische Mixtur tauchte in der Argumentation für intensivere Einigungsbemühungen, im Rahmen von "Anti-Antifa"-Bestrebungen, im Zuge der Gefangenenarbeit sowie bei sonstigen Aktualitäten auf. Als Arbeitsschwerpunkt wurde der Kampf gegen die Zerstörung des Sozialstaates im Dienste des "raffenden Kapitals" genannt. In der Erwartung eskalierender sozialer Spannungen wittern Neonazis Chancen, sich als zu unrecht stigmatisierte politische Alternative präsentieren zu können. Schon immer fehlte es Neonazis aber an kompetenten Köpfen, die außer griffigen Parolen auch beachtenswerte Lösungen vorlegen könnten. Permanent reklamieren und propagieren Neonazis ihr angebliches Recht auf Widerstand und einen breiten Katalog unterschiedlichster Widerstandsformen. Im Kampf gegen staatliche Repressalien möchten sie ihrer gesellschaftlichen und politischen Ausgrenzung entkommen und Aktionsspielräume zurückgewinnen. Entgegen ihrer tatsächlichen politischen Zielsetzung und antidemokratischen Propaganda spielen sie sich gegenüber der Bevölkerung als Anwalt und Beschützer demokratischer Grundrechte auf. Staatliche "Repressalien" gegen rechtsextremistische Bestrebungen werden als Zeichen " deutschfeindlicher " Politik der " Herrschenden " gedeutet und dazu benutzt, für sich ein Widerstandsrecht nach Art. 20 Abs. 4 GG zu begründen. Explizit formulierte es der Hamburger Neonazi Christian WORCH: Gehe es mit der staatlichen Unterdrückung kontinuierlich und konsequent weiter, werde sich die Frage stellen, ob die Voraussetzungen des Art. 20 GG erfüllt seien. Der Neonazi Steffen HUPKA erklärte: Stagniere ein System, dann sei " Widerstand" und sich daran anschließende "Aggression" eine durchaus begreifliche "demokratische Antwort". Als nennenswerte überregionale neonazistische Organisation besteht zur Zeit nur noch die " Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. " (HNG, O siehe 1.4.4). Ungeachtet ihres szeneintern gewachsenen theoretischen Stellenwertes sind ihre öffentlichen Aktivitäten de facto bedeutungslos. Als weitere überregionale Vereinigung sind "Die Nationalen e. V. "- insbesondere wegen des ihr angeschlossenen BBZ-Zeitungsprojektes - zu erwähnen. Der Verein war 1991 als " Wahlplattform " gegründet worden und hat sich inzwischen zu einem Sammelbecken - mit etwa 150 Personen - für Neonazis und Rechtsextremisten aus Berlin und Brandenburg entwickelt. Das von dem Verein ausgehende Projekt eines Medienverbundes um die "Berlin-Brandenburger Zeitung" (BBZ) ist weiter vorangekommen. Mit ihren verschiedenen Regionalausgaben zählt die BBZ inzwischen zu den auflagenstärksten Publikationen im neonazistischen Spektrum. Es findet sogar unter Anhängern rechtsextremistischer Parteien eine breite Leserschaft, die selbst über auflagenstarke parteieigene Zeitungsprojekte verfügen. 58 Der BBZ-Verbund umfaßt mittlerweile 6 Regionalausgaben, von denen sich drei ("Junges Franken", "Neue Thüringer Zeitung", "Süddeutsche Allgemeine") bereits seit 1995 gehalten haben. 1996 kamen mit der "Mitteldeutschen Rundschau" für Sachsen und Sachsen-Anhalt und der "Westdeutschen Volkszeitung" drei weitere Ausgaben hinzu. Nach eigenen Angaben beträgt die Gesamtauflage um 60.000 Exemplare. Seit August bemüht sich der Zeitungsverbund, sein Angebot um eine Regionalausgabe für den norddeutschen Raum - mithin auch für Hamburg - zu erweitern. Es ist beabsichtigt, Leserkreise zu bilden sowie Vortragsveranstaltungen und Schulungsseminare auszurichten. Seit April produzierten Berliner Angehörige "nationale Radiosendungen", die seit August unter dem Markenzeichen "Radio Germania" (vormals "Radio Deutschland") Musikbeiträge, Interviews und aktuelle Nachrichten aus der "nationalen" Szene ausstrahlen. Die Medienanstalt versuchte vergeblich, dieses Treiben durch Sendeund Hausverbote zu unterbinden. Die Hauptfiguren der "Nationalen e.V." und des BBZ-Medienverbundes befinden sich in Haft. Der Vereinsvorsitzende und Herausgeber der BBZ, Frank SCHWERDT, wurde am 16. September wegen Verbreitens von NS-Propagandamitteln und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Tateinheit mit Volksverhetzung vom Landgericht Berlin zu einem Jahr Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Ein weiterer BBZ-Mitarbeiter, ebenfalls Mitglied der "Nationalen e. V. ", wurde unter Einbeziehung einer Vorstrafe zu 18 Monaten ohne Bewährung verurteilt und wegen Fluchtgefahr sofort in Haft genommen. Die Urteile waren am Jahresende noch nicht rechtskräftig. Der im gleichen Verfahren angeklagte BBZChefredakteur, auch Vorstandsmitglied der "Nationalen e.V.", Christian WENDT, wurde am 29. September festgenommen und befindet sich seitdem in Haft. Mit dem gemeinsamen Medienprojekt hat die Neonaziszene eine informelle Logistik und Infrastruktur errichtet. Sie ermöglicht politische, strategische und ideologische Debatten, fördert den Zusammenhalt und Verständigungen. Einige Neonazis bewerten das Projekt als Vorstufe für weitergehende bündnispolitische Prozesse und als ersten Schritt zum Aufbau einer noch umfassenderen eigenen Publizistik. Die Betreiber preisen den BBZ-Medienverbund schon heute als Nachrichtenund Meinungsträger der gesamten "nationalen Opposition" und Gegengewicht zur "gleichgeschalteten Systempresse". Die "Nationalen e.V." hatten in ihrem Wahlprogramm zur Berliner Abgeordnetenhauswahl 1995 Rassismus, Antisemitismus und ihre neonazistische Ausrichtung anklingen lassen. Diese Inhalte scheinen auch in der Publizistik des BBZ-Verbundes durch, wo sie sich mit revisionistischem Gedankengut, rechtsextremistischen "Lösungs"-Vorstellungen für Wirtschaftsund Sozialprobleme (Stichwort: Ausländer-/Asylproblematik) und regionalen politischen Themen vermischen. Dabei ist das Bemühen erkennbar, sich in der Aufmachung trotzdem "seriös" zu geben. Der ehemalige Rechtsanwalt und Rechtsterrorist Manfred ROEDER (Schwarzenborn/ Hessen) - Leiter der neonazistischen " Deutschen Bürgerinitiative e. V " (DBI) - in59 szenierte mehrere, hauptsächlich revisionistische Aktionen. Anfang des Jahres veröffentlichte er in der Publikation "Deutsche Bürgerinitiative e.V. - weltweit" seine "95 Thesen zum Lutherjahr" und schaltete sie später auch als Anzeigen in hessischen und thüringischen Tageszeitungen. Er wandte sich darin gegen angebliche Versuche, dem deutschen Volk aufgrund einer "Geschichtsmanipulation" auf ewig ein kollektives Schuldgefühl für den 2. Weltkrieg zu verordnen. Er werde mit dem Schuldkomplex aufräumen, mit dem das deutsche Gewissen seit 50 Jahren "geknechtet" und der "Geldbeutel geplündert" werde. Im Juni provozierte ROEDER mit antisemitischen und fremdenfeindlichen Schmierereien auf der Wehrmachtsausstellung " Vernichtungskrieg, Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944" in Erfurt. ROEDER rühmte sich, die "antideutsche Lügenausstellung" öffentlich "demoliert" zu haben. Es sei eine "Schande", daß die Ausstellung monatelang ohne sichtbare Proteste gezeigt werden konnte. Die "besten Soldaten der Welt" würden "verleumdet und besudelt". Am 26. September verurteilte das Amtsgericht Erfurt ROEDER in dieser Sache wegen Sachbeschädigung und Beleidigung zu einer Geldstrafe von 4.500 DM. Im Juli zerriß ROEDER auf einer öffentlichen Gedenkveranstaltung in Worms ein Exemplar des Stuttgarter Schuldbekenntnisses von 1945 und erklärte die Anwesenden von Sünden und Schuld der Vergangenheit für befreit. Trotz temporärer oder punktueller Ausnahmen ist die neonazistische Szene insgesamt anhaltend zerstritten. Sie leidet unter persönlichen Egoismen und Starrsinn selbsternannter Führer, zunehmend auch unter ideologischen Differenzen. Eine wachsende Kluft trennt Personen und Gruppen, die sich weiterhin ausschließlich auf NS-Vorbilder berufen, von solchen, die an einer quasi " modernisierten " Weltanschauung experimentieren und sich zumindest vordergründig vom Nationalsozialismus distanzieren. Der Streit darüber lähmt die Handlungsfähigkeit und Schlagkraft weiter Teile der Neonaziszene und blockiert die Umsetzung einer strategisch angedachten überregionalen Zusammenarbeit. Vor diesem Hintergrund ist bisher die überregionale Vernetzung örtlicher Aktionsbündnisse im Entwurfsstadium steckengeblieben. Eine szeneübergreifend und bundesweit anerkannte Integrationsfigur, von der erfolgreiche Einigungsimpulse ausgehen könnten, fehlt. Neue Konzepte konnten damit im wesentlichen nur in regional begrenzten Ansätzen verwirklicht werden. Trotz des Ausstiegs einzelner Personen und trotz aller Schwierigkeiten und Fehlschläge, ihr inneres Gefüge neu zu ordnen, sich neue Strategieentwürfe auch praktisch anzueignen und sich öffentlich wieder schwergewichtiger zu produzieren, hält die Neonaziszene im Rahmen nur noch minimaler Spielräume an ihren politischen Bestrebungen aktiv fest. Die heftig beklagte staatliche Unterdrückung zwingt sie zur krampfhaften Selbstmotivation und zur Genügsamkeit bei der Definition von " Erfolgen ". Dafür überhöht sie jegliche auch noch so kleinsten Aktivitäten - ob mit oder ohne meßbare Außenwirkung - als imposante Kampfbeiträge zum Widerstand gegen das " System " und zur Verwirklichung ihrer politischen Ziele. 60 1.4.2 Bestrebungen ehemaliger Mitglieder und Anhänger verbotener Organisationen in Hamburg Neonazi-Szene in Hamburg: Die Hamburger Neonazi-Szene ist durch eine tiefgreifende Spaltung gekennzeichnet. Die beiden einzigen relevanten Potentiale setzen sich einerseits aus ehemaligen Anhängern der verbotenen "Nationalen Liste" (NL) und andererseits aus früheren Angehörigen der verbotenen " Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) zusammen. Die jahrelange trennende Konkurrenz weitete sich zu einem Konflikt aus, der zum Teil öffentlich ausgetragen wurde. Vordergründiger Anknüpfungspunkt für Auseinandersetzungen waren die Ehe des ehemaligen Hamburger FAP-Landesvorsitzenden Andre GOERTZ mit einer Türkin und seine abwertenden Äußerungen über den Nationalsozialismus. Anders als die früheren NL-Anhänger, die das "Dritte Reich" glorifizieren und sich als "nationale Sozialisten " begreifen, distanzierte sich GOERTZ zumindest verbal von der nationalsozialistischen Weltanschauung und warf deren heutigen Befürwortern "NS-Fetischismus" sowie Politikunfähigkeit vor. Aktivisten aus dem Kreis der verbotenen NL starteten daraufhin eine breit angelegte Kampagne gegen GOERTZ, mit dem Ziel, ihn aus dem rechten Spektrum auszuschließen. Demgegenüber bemühte sich GOERTZ um eine Isolierung der ehemaligen NL-Angehörigen in der rechtsextremistischen Szene. Ungeachtet der wechselseitigen Vorwürfe wurzelten die Differenzen zwischen den ehemaligen FAPund NL-Angehörigen aber eher in dem persönlichen Konkurrenzverhältnis von GOERTZ und Thomas WULFF, dem früheren 1. Vorsitzenden der NL. Beide reklamieren für sich die Führerschaft im norddeutschen Raum. Ehemalige Mitglieder der "Nationale Liste" (NL): Der am 13.03.1989 von Hamburger Anhängern des verstorbenen Neonazi-Führers Michael KÜHNEN als Landespartei gegründete Verein "Nationale Liste" (NL) wurde am 24.02.1995 verboten und aufgelöst. Die Verbotsverfügung der Hamburger Behörde für Inneres (Bfl) gemäß SS 3 des Vereinsgesetzes wurde mit der aggressiv-kämpferischen Ablehnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch die NL begründet. Diese hatte es sich zum Ziel gesetzt, eine mit den Grundelementen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht mehr zu vereinbarende neue Staatsstruktur aufzubauen. Das von ihr geforderte " Reich " sollte in seiner Struktur eine Fortsetzung des " Dritten Reiches " unter Adolf HITLER sein. Das Verbot ist noch nicht rechtskräftig, da die NL gegen die Verfügung der Bfl Klage bei dem Hamburgischen Oberverwaltungsgericht eingelegt hat und ein Urteil bislang nicht ergangen ist. Bis zum Verbot besaß die NL konstant etwa 30 Mitglieder, darunter einzelne Anhänger aus Schleswig-Holstein. Infolge des Wegfalles der organisatorischen Basis gab ein Teil dieses Mitgliederstammes auf. Der restliche - auf etwa 15 Personen reduzier61 te - Kern ehemaliger NL-Angehöriger blieb politisch aktiv. Der 1. Vorsitzende Thomas WULFF und sein Stellvertreter Christian WORCH waren die wesentlichen Führungspersonen der NL. Beide sind seit Jahren maßgebliche Aktivisten der bundesdeutschen Neonazi-Szene. Vor dem Tod KÜHNENS zählten sie zu dessen engsten Weggefährten und identifizierten sich vollständig mit seiner politischen Zielsetzung und nationalsozialistischen Gesinnung. Seit der Inhaftierung WORCHs ab Februar diesen Jahres leitet ausschließlich WULFF die Aktivitäten der früheren NL-Angehörigen. Einen örtlichen Schwerpunkt der ehemaligen NL bildete wiederum das Gebiet Hamburg-Bramfeld, Farmsen, Rahlstedt. Die in dieser Gegend aktiven früheren NLAnhänger entstammen der dortigen Skinhead-Szene, in der sie eine gewisse Führungsrolle wahrnehmen. Vorübergehend beeinflußten sie ein bis zu 30-köpfiges Skinhead-Umfeld, das inzwischen - auch infolge des Vereinsverbotes - schrumpft. Die von Bramfelder ehemaligen NL-Anhängern herausgegebene Publikation "Bramfelder Sturm - Stimme der nationalen Jugend" erschien 1996 im dritten Jahr in einer Auflage von mehreren hundert Exemplaren. Um der mittlerweile überregionalen Verbreitung dieser Postille Rechnung zu tragen, wird sie seit November (Ausgabe Nr. 11) als "Hamburger Sturm" betitelt. Obwohl die Urheber Skinheads sind, ist die Publikation nicht ausschließlich ein Skin-Fanzine (O 1.7.2). Es enthält auch "poltische" Beiträge über Neonazi-Aktivitäten. Inhalte und Aussagen, z.B. gegen Ausländer und politische Gegner gerichtete Agitation sowie die Verherrlichung des "Friedensfliegers" Rudolf HESS und des Germanentums, entsprechen der üblichen neonazistischen Propaganda. Die Herausgeber lehnen sich dabei offenbar an die nationalsozialistische Ausrichtung der verbotenen NL an. So unterzeichneten sie das Vorwort einer Ausgabe mit der Formel "mit unserem Gruß!" und druckten darunter - im Hinblick auf den Geburtstag Adolf HITLERs am 20. April - einen Glückwunsch für "Dr. Adolf Schmidtler". Zwar bemühten sich die Autoren und Herausgeber, einen unmittelbaren NL-Bezug zu vermeiden. Das inhaltliche Gesamtbild des "Hamburger Sturm" sowie die umfangreiche Berichterstattung über die Aktivitäten der früheren NL-Anhänger ließen dennoch deutlich die Nähe zum Gedankengut des verbotenen Vereines erkennen. Daneben vertrieben die ehemaligen Bramfelder NL-Anhänger auch Aufkleber, die inhaltlich und sprachlich teilweise mit dem vor dem NL-Verbot verbreiteten Propagandamaterial übereinstimmten: - Deutsche Jugend im Freiheitskampf. - National-radikal-sozial! - Kampf gegen die Antifa-Banden! - Stoppt den roten Terror! - Freiheit für alle nationalen politischen Gefangenen! - Meinungsfreiheit auch für sogenannte Neonazis! - Multi-Kulti ist Völkermord! - Stoppt die Überfremdung! - Todesstrafe für Drogendealer! - Deutsche nehmen niemals Drogen! 62 Die rund 10 in Schleswig-Holstein im Randgebiet zu Hamburg wohnhaften ehemaligen NL-Anhänger sind überwiegend aus der früheren Kameradschaft Henstedt-Ulzburg der verbotenen NL hervorgegangen. In der Öffentlichkeit traten sie vereinzelt unter der Bezeichnung "Patriotische Jugend" in Erscheinung und gaben als Kontaktadresse eine Postfachanschrift in Henstedt-Ulzburg an, die sie bis Dezember auch den ehemaligen Bramfelder NL-Anhängern zum Vertrieb ihrer Publikation " Hamburger Sturm " und ihrer Aufkleber zur Verfügung stellten. Aktivisten aus dem Kreis der "Patriotischen Jugend" geben die neonazistisch geprägte Schrift "Perspektive" heraus und verbreiten sie über das Internet. Darin wurde u.a. der "Märtyrer" Rudolf HESS glorifiziert und gegen die multikulturelle Gesellschaft sowie angebliche Überfremdung Deutschlands agitiert. Nach dem Verbot ihres Vereines suchten die ehemaligen NL-Anhänger eine neue Plattform zur Fortsetzung ihrer politischen Tätigkeit. Die Gründung einer neuen Vereinigung kam wegen der Gefahr einer weiteren staatlichen Verbotsmaßnahme nicht in Betracht. Sie knüpften daher Kontakte zu anderen rechtsextremistischen Organisationen, insbesondere zur rechtsextremistischen "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (DLVH, O siehe 1.5.5). Diese hatte im Oktober 1995 ihre Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegenüber Neonazis weitgehend aufgehoben und einige ehemalige NL-Anhänger, darunter Thomas WULFF, aufgenommen. Die Ex-NLer versprachen sich eine neue organisatorische Basis, um ohne drohende Vereinigungsverbote politisch aktiv bleiben zu können. Sie unterstützten den Wahlkampf der DLVH anläßlich der schleswigholsteinischen Landtagswahl 1996, indem sie mehrfach in den Randgemeinden zu Hamburg DLVH-Propagandamaterial verteilten. Einige waren in die Organisierung einer Wahlkampfveranstaltung am 2. März in Koberg eingebunden. WULFF warb dort vor etwa 200 Teilnehmern als Redner für die DLVH. Inzwischen hat sich WULFF mit seinen Gefolgsleuten in der DLVH weitgehend isoliert. Auf dem Bundesparteitag am 19. Oktober hatten sie sich vergeblich in rüder, krawallartiger Form gegen die vom Vorstand beantragte Umwandlung der DLVH in einen Verein gestemmt und die Veranstaltung schließlich randalierend verlassen. Ehemalige NL-Anhänger tauchten bei zahlreichen regionalen und überregionalen Anlässen auf, die entweder von rechtsextremistischen Organisationen oder in organisationsunabhängigen rechtsextremistischen Zusammensetzungen veranstaltet wurden. Ihr bevorzugtes Interesse galt dabei der Zusammenarbeit mit gesinnungsverwandten - ebenfalls offen nationalsozialistischen oder zumindest neonazistisch orientierten - Gruppierungen. Als solche schälte sich jetzt besonders deutlich die NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN, O siehe 1.5.3.2) heraus. Am 1. Mai schlossen sich ehemalige NL-Anhänger in Berlin einer Demonstration der JN unter dem Tenor "Gegen System und Kapital - unser Kampf ist national!" an. zum Prozeßauftakt gegen den Leiter der NSDAP/AO, Gary LAUCK, am 9. Mai in 63 Hamburg (O siehe 1.8.3) versammelten sich etwa 35 Personen zu einer kurzen Solidaritätsaktion vor der JVA Fuhlsbüttel. Von dem Versuch, anschließend der Verhandlung gegen LAUCK beizuwohnen, wurde wegen Unterlegenheit gegenüber im Gerichtsgebäude präsenten Linksextremisten Abstand genommen. Die früheren NLAnhänger wurden von auswärtigen deutschen und ausländischen Neonazis unterstützt. Während der "6. Hetendorfer Tagungswoche" (15.-23. Juni 3 1.6.4) gehörten ehemalige Anhänger der verbotenen NL einer aus Neonazis und Skinheads bestehenden "Schutztruppe" an, die das Anwesen in Hetendorf gegen etwaige linksextremistische Übergriffe verteidigen sollte. Am 3. August reisten einige frühere NL-Anhänger zu einer Gedenkveranstaltung für einen verstorbenen Neonazi nach Arfeld / Nordrhein-Westfalen. Am 9. November fand in Schiedam/Niederlande eine Saalveranstaltung "9. November - Wendepunkt der Geschichte" statt. Vor ca. 90 Neonazis aus Deutschland und den Niederlanden hielt neben weiteren Rednern auch Thomas WULFF eine Ansprache. Er erinnerte u.a. an die Opfer der NSDAP beim Marsch auf die Münchener Feldherrenhalle (9.11.1923). Etwa 20 ehemalige NL-Anhänger legten am 19. November an dem SSEhrenmal des Soldatenfriedhofs in Vahrendorf/Niedersachsen einen Kranz zum Gedenken an die gefallenen deutschen Soldaten der Weltkriege nieder. Unter der Bezeichnung "Initiative gegen Drogenfreigabe" organisierten ehemalige Aktivisten der NL am 30. November in Bad Segeberg/ Schleswig-Holstein eine Demonstration gegen die Legalisierung "weicher" Drogen. Vor den insgesamt etwa 35 Teilnehmern trat u.a. der schleswig-holsteinische DLVH-Landesvorsitzende als Redner auf. Der Todestag des HITLER-Stellvertreters Rudolf HESS bildete wiederum den zentralen Schwerpunkt in der Praxis der ehemaligen NL-Anhänger. Bereits frühzeitig mobilisierte ein aus führenden bundesdeutschen Neonazis bestehendes "Aktionskomitee Rudolf HESS" zu einem zentralen Gedenkmarsch am 17. August. Ein ehemaliger Bramfelder NL-Anhänger meldete in Hamburg zwei Demonstrationen unter dem Tenor "9. Todestag von Rudolf HESS" an. Sie wurden - wie auch alle übrigen Kundgebungen im gesamten Bundesgebiet - verboten. Nach konspirativer Vorbereitung versammelten sich am 17. August schließlich ca. 250 Rechtsextremisten, darunter etwa 20 aus dem Kreis der verbotenen NL, zu einer unangemeldeten HESSDemonstration in Worms/Rheinland-Pfalz. Sie marschierten unter Leitung Thomas WULFFs durch die Stadt. Vor dem örtlichen Kriegerdenkmal agitierte WULFF gemeinsam mit dem JN-Bundesvorsitzen u.a. gegen die "blutleeren DemokratenPolitiker". Trotz der kurz darauf erfolgten Auflösung der Demonstration durch die Polizei wertete der " Bramfelder Sturm " den Aufmarsch in Worms später als Erfolg der " nationalen Opposition ". Aufgrund seiner maßgeblichen Rolle bei der'Durchführung des HESS-Marsches wurde gegen WULFF ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Leitung einer nicht angemeldeten Versammlung eingeleitet. Anfang 1997 erging ein noch nicht 64 rechtskräftiger Strafbefehl über 8 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung und 1.500 DM Geldstrafe. Gleichzeitig verbuchte WULFF für sein Auftreten in Worms allerdings einen Ansehensgewinn in der Neonazi-Szene und bei Teilen der JN. Ehemalige NL-Anhänger waren auch dieses Jahr wieder von verschiedenen Strafverfahren betroffen. Am 24. Oktober verurteilte das Landgericht Hamburg Thomas WULFF wegen Volksverhetzung in Tateinheit mit übler Nachrede und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe, ausgesetzt auf vier Jahre zur Bewährung. WULFF wurde für schuldig befunden, im Januar 1995 als presserechtlich Verantwortlicher der früheren NL-Publikation "Index" (Nr. 48) einen Artikel mit der Überschrift "Zum 50. Jahrestag der 'Befreiung' von Ausschwitz" (Rechtschreibfehler im Original) veröffentlicht zu haben, in dem die Massenvernichtung von Juden im Dritten Reich geleugnet worden sei. Gegen das Urteil legte er Revision ein. Unter den Besuchern des Prozesses befanden sich zahlreiche ehemalige Anhänger der NL und auswärtige Neonazis, um auf diesem Weg ihre Solidarität mit WULFF zu bekunden. Seit dem 26. Februar verbüßt der frühere stellvertretende NL-Vorsitzende Christian WORCH in Hamburg eine zweijährige Haftstrafe wegen Fortführung der 1983 durch das Bundesinnenministerium verbotenen ANS/NA. Während seiner Haftzeit war WORCH weiterhin politisch aktiv, indem er in seiner Eigenschaft als bundesweit anerkannter führender Neonazi wiederholt Artikel zu unterschiedlichen Themen verfaßte und rechtsextremistischen Publikationen, z.B. "Recht und Wahrheit", "Sleipnir", den "Nachrichten der HNG" und dem "Hamburger Sturm" zur Verfügung stellte. Insbesondere widmete er sich in seinen Ausarbeitungen der von ihm angestrebten Einigung aller rechten Kräfte und agitierte gegen die staatliche " Verfolgung" der "nationalen Opposition". Organisationsbezogene Aktivitäten entwickelte er dagegen nicht mehr. Ein von WULFF und anderen namhaften Neonazis initiiertes "Solidaritätskomitee Christian WORCH" versuchte dessen Verurteilung als rechtswidrig und als "Angriff' auf die gesamte rechte Szene hinzustellen. Es möchte auf den "Fall WORCH" aufmerksam machen, Gegenöffentlichkeit herstellen und Widerstand "anmelden" und bot dazu Aufkleber und Flugblätter sowie eine Dokumentation über den Gerichtsprozeß zum Kauf an. Für das Solidaritätskomitee wurde auch auf Veranstaltungen rechtsextremistischer Organisationen - u.a. DLVH und HNG (O siehe 1.4.4) - geworben. Ehemalige Mitglieder der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP): Die FAP wurde am 24.02.95 wegen ihrer aggressiv-kämpferischen Ablehnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gemäß SS 3 Vereinsgesetz durch Verfügung des Bundesinnenministeriums verboten und aufgelöst. Das Verbot ist seit dem 21.12.95 rechtskräftig. Auf lokaler und regionaler Ebene blieben ehemalige FAP65 Angehörige teilweise weiterhin politisch tätig. Ein überregionaler Zusammenhalt des verbotenen Vereines ist allerdings nicht feststellbar. Der rund 10-15 Personen umfassende ehemalige FAP-Landesverband Hamburg hatte bereits Ende Dezember 1994 seine Auflösung erklärt. Ein Teil seiner Mitglieder schloß sich in der Folge den JN an und setzte dort seine politischen Aktivitäten fort ( 3 siehe 1.5.3.2). 1.4.3 Anti-Antifa Die Verbote neonazistischer Organisationen in den Jahren seit 1992 hatten die Betroffenen und die übrige Szene schon früh veranlaßt, über neue - gegenüber staatlichen Exekutivmaßnahmen weniger verwundbare - Formen und Strukturen des politischen Kampfes, des ideellen Zusammenhaltes und der praktischen Kooperation nachzudenken. Nachhaltigsten Anklang fanden Ideen, sich künftig nur noch als locker strukturierte autonome Zusammenhänge zu formieren, die sich untereinander verklammern und letztlich bundesweit vernetzen sollten. Eine mehr kampagnenbetonte Variante überregionaler und organisationsunabhängiger rechtsextremistischer Aktivitäten kreierten die "Anti-Antifa"-Vordenker. Das Konzept wurde schon bald in weiten Teilen des rechtsextremistischen Lagers aufgenommen. Es erstreckte sich von eigens zu diesem Zweck gegründeten " Anti-Antifa" - Gruppen über Einzelgänger, Angehörige noch nicht verbotener Neonazi-Organisationen bis hin zu Anhängern gemäßigter nationaler Parteien und Gruppierungen. Dieses in seiner Gesamtheit wenig koordinierte und recht inhomogene Spektrum widmete sich fortan der offenen oder verdeckten Ausforschung politischer Gegner und mißliebiger Personen. Es sollte einen Gegenpol zur "Antifa"-Arbeit von Linksextremisten bilden und ist deren Konzept nachempfunden. Der Methodenund Inhaltskatalog der "Anti-Antifa" umfaßt u.a. die Sammlung von Personalien, Daten und objektbezogenen Informationen sowie deren "Enthüllung" in Flugblättern, rechtsextremistischen Publikationen und originären "Anti-Antifa"Schriften. Auch über rechtsextremistische Mailboxen und "Nationale Infotelefone" werden die Ergebnisse - in denunziatorischem Stil - verbreitet. Die dabei vielfach geübte aggressive Sprache und Argumentation nebst unmißverständlichen Aufforderungen, politische Gegner "anzusprechen", hatte Folgen: So fielen im Rahmen der "Anti-Antifa" wiederholt öffentlich angeprangerte politische Gegner Drohanrufen, Einschüchterungsaktionen und tätlichen Übergriffen zum Opfer. Auch im Zusammenhang mit sogenannten "Notwehraktionen" gegen Übergriffe politischer Gegner wurde zu Gewaltanwendungen aufgerufen. Im September wurden per Mailbox Tips zur "Aufbereitung" frei erhältlicher Waffen für den Fall unerwünschter "Hausbesuche" von Antifa-Aktivisten verbreitet - eine Anspielung auf mögliche Überfälle seitens linksextremistischer Gegner. 66 Einen Höhepunkt erreichte die mit "Anti-Antifa"-Materialien aufgebaute Drohkulisse Ende 1993 in Gestalt der öffentlich verbreiteten "nationalistischen Widerstandszeitschrift" unter dem Titel "Der Einblick". Das Machwerk enthielt eine detailliert recherchierte Sammlung von Personalien bzw. personenbezogenen Daten politischer - vorwiegend links stehender - Gegner aus dem gesamten Bundesgebiet und rief zur "endgültigen Ausschaltung" dieser Personen auf. Als Herausgeber wurden Neonazis aus Südund Westdeutschland ermittelt, die inzwischen wegen öffentlichen Aufrufes zu Straftaten gegen Andersdenkende sowie wegen Nötigung und Beleidigung zu Freiheitsstrafen auf Bewährung und Geldstrafen verurteilt worden sind. Im Gegensatz zur linksextremistischen "Antifa" wagt sich die rechtsextremistische "Anti-Antifa" seltener mit eigenen Demonstrationen persönlich ins Rampenlicht der Öffentlichkeit. Entsprechende Versuche werden zumeist verboten. Als am 21. September in Nürnberg die Demonstration eines "Bündnisses gegen Rechts" angesagt war, meldeten der rechtsextremistische "Freiheitliche Volksblock" (FVB, Sitz: Göppingen/Baden-Württemberg) und die "Anti-Antifa-Franken" eine Gegendemonstration gegen "linke Gewalt" und zur Verhinderung von "Rotfrontund Antifaaufzügen" an. Das Vorhaben wurde verboten. Im Vorfeld wurden mehr als 20 mutmaßlich trotzdem Demonstrationswillige in Gewahrsam genommen. Als Antwort auf die von Linksextremisten propagierten Parolen "Antifaschismus heißt Angriff" und "Schlagt die Faschisten, wo Ihr sie trefft!" rechtfertigte die rechtsextremistische "Anti-Antifa" ihr Handeln anfangs als "Gegenwehr" gegen politische Gegner primär aus dem linksextremistischen Spektrum. Inzwischen gerieten zunehmend Institutionen und Repräsentanten - z.B. Richter, Staatsanwälte, Polizei - des demokratischen Rechtsstaates als "Handlanger" des verhaßten Systems ins "AntiAntifa''-Visier. Die Öffentlichkeit erfuhr von der Aufstellung sog. "schwarzer Listen", für deren Existenz in Hamburg es allerdings keine Hinweise gibt. Als vermeintliche Legitimation wird das in der Verfassung verankerte Widerstandsrecht gemäß Art. 20 Abs. 4 GG angeführt. In der von einem Neonazi aus Sachsen-Anhalt herausgegebenen Zeitschrift "Umbruch" heißt es: " Volksfeind" sei, wer direkt oder indirekt gegen die "nationale Sache" Stellung beziehe oder gegen "nationale" Gruppierungen und deren Anschauungen agitiere. Gegnern des nationalen Lagers werden Racheakte angedroht. Wer sich für "verbrecherische", "ungesetzliche" und "willkürliche" Aburteilungen nationaler Aktivisten verwendet habe, dürfe nach der (sinngemäß: nationalen) " Wende" nicht zur Ruhe kommen und kein Einkommen mehr beziehen. Im Zusammenhang mit dem Strafprozeß gegen den Leiter der "Nationasozialistischen Deutschen Arbeiterpartei/Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP/AO), Gary Rex LAUCK, vor dem Landgericht Hamburg wurde per Sonderausgabe des " NS-Kampfrufes " gedroht: " Unsere Feinde ", die " Büttel der Systemjustiz ", müßten spüren, was es heiße, sich " mit uns anzulegen ". Ein Staatsanwalt, der nach Anklage 67 eines Nationalsozialisten "private Konsequenzen" zu befürchten habe, werde sich künftig überlegen, ob er weiter gegen Nationalsozialisten "Terror"und Unterdrükkungsmaßnahmen einleite. Nach zunächst ansteigendem Interesse stagniert die Zahl der in der "Anti-Antifa" engagierten Aktivisten. Für eine Wiederbelebung wurde über Mailboxen und Publikationen immer wieder zur Bildung neuer "Anti-Antifa"-Gvuppen, autonomer "AntiAntifa-Zellen" und zur Mitarbeit aufgerufen. Die Vorstellung, gesammelte Erkenntnisse über politische Gegner im Sinne systematischer umfassender "Feindaufklärung" zu gegebener Zeit auch zentral auszuwerten, konnte bislang nicht verwirklicht werden. Im Rahmen einer Art Kosten-/Nutzen-Abwägung wird intern auch festgestellt, daß erzielte Außenwirkungen mit der Bestrafung von " Kameraden " und anderen Nachteilen zum Teil teuer bezahlt wurden. Eine offensichtlich von deutschen und niederländischen Neonazis vorbereitete - dem "Einblick" nachempfundene - neue "Anti-Antifa"-Zeitschrift ist bisher nicht erschienen. Unter dem Strich konnte die "Anti-Antifa"-Kampagne ihren Anspruch als bundesweites organisationsübergreifendes Einigungsband nur bedingt erfüllen. Von der Idee einer daran aufgehängten "Einheitsfront " in einer " Volksfront von Rechts " gegen staatliche Repression ist das praktisch Erreichte weit entfernt. In Hamburg wurden Einzelfalle bekannt, die sowohl von Neonazis und Skinheads im Raum Hamburg-Bramfeld/Farmsen/Rahlstedt als auch von Angehörigen der NPDJugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) ausgingen. Dabei ging es insbesondere darum, Daten sogenannter " Volksfeinde " zu recherchieren und öffentlich aufzudecken. Darüber hinaus wurde in Wort und Schrift gegen politische Gegner agitiert und dazu aufgerufen, aktiv gegen sie vorzugehen. Ein Flugblatt der "AntiAntifa-Infogruppe Naumburg/Saale", auf dem als Kontaktanschrift die Hamburger JN-Adresse angegeben war, richtete sich gegen eine Hamburger PDS-Bundestagsabgeordnete und animierte: "Sprechen Sie (...) die Frau auf ihre Kontakte zur linksradikalen Szene an". Weiter hieß es: "Nennen Sie uns weitere sog. 'Antifaschisten' die gegen nationale Bürger und Organisationen vorgehen und/oder machen Sie solche Personen öffentlich!" Auf dem Pamphlet prangte ein Emblem in Form einer Faust, die das gegnerische Emblem, einen Antifa-Stern, zertrümmert. Über das von Neonazis betriebene "Nationale Info-Telefon" Hamburg (NIT 3 1.9) wurden die Namen mehrerer Hamburger Staatsschutzbeamter bekanntgegeben. Mit Bezug auf die Festnahme von rund 30 Linksextremisten, die in der Nacht zum 19. Januar vor dem Haus der Hamburger Burschenschaft " Germania " demonstriert hatten ( 3 2.2.1.3) kündigte der "Ansagedienst" - bisher unausgeführt - die namentliche Enthüllung " antifaschistischer Gewalttäter " an. 68 1.4.4 Rechtsextremistische, insbesondere neonazistische Gefangenenhilfe Mit der in den vergangenen Jahren erheblich gestiegenen Zahl inhaftierter Rechtsextremisten wuchs auch die Bedeutung der Gefangenenbetreuung und -hilfe. Ihre Befürworter reklamieren u.a. ein " Widerstandsrecht für nationale Kräfte ". Gefangenenarbeit hatte ursprünglich folgende Ziele: Die ideelle und materielle Unterstützung inhaftierter Rechtsextremisten und deren Angehöriger sowie Hilfe bei der Beschaffung von Arbeitsplätzen und Wohnraum nach der Haftentlassung. Außerdem sollte die Öffentlichkeit über sog. "Unrechtsurteile" informiert werden. Darüber hinaus wurde versucht, inhaftierte " Kameraden " auch unter Haftbedingungen in ihrer Weltanschauung zu festigen. Dieser theoretische Anspruch wurde in der Praxis kaum eingelöst. Die bedeutendste und mitgliederstärkste rechtsextremistische, mit Gefangenenhilfe befaßte Organisation ist nach wie vor die "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V. " (HNG). Ihre Anhänger rekrutieren sich aus verschiedenen neonazistischen Zusammenhängen, u.a. aus ehemaligen Mitgliedern verbotener Organisationen, die in der HNG über bestehende Organisationsgrenzen und Rivalitäten hinweg zusammenarbeiten. Die HNG bemüht sich, neutral zu bleiben und Streitigkeiten der rechtsextremistischen Szene nicht in die Organisation hineinschwappen zu lassen. Im Mittelpunkt der HNG-Aktivitäten stand auch in diesem Jahr die monatliche Herausgabe des Vereinsorgans "Nachrichten der HNG". Hauptthema war die angeblich "willkürliche Verfolgung" "nationaler" Bürger durch das "herrschende System". In einer "Gefangenenliste" wurden die im Inund Ausland inhaftierten "Politisch-Verfolgten-der-Demokratie" (PVD) aufgeführt, Briefkontakte vermittelt und gegen " Vollzugswillkür" agitiert. Die "Gefangenenliste" wurde auch von anderen neonazistischen Publikationen und rechtsextremistischen Mailboxen (O siehe 1.9) übernommen, wodurch die HNG weitere Beachtung und Publizität erzielte. Insgesamt betreute die Organisation in diesem Jahr etwa 100 Gefangene, u.a. politisch motivierte Gewalttäter, die ebenfalls als "politische Gefangene" gelten. An der Jahreshauptversammlung der HNG nahmen rund 180 Aktivisten aus verschiedenen Lagern des Neonazismus teil. Einige wenige Hamburger Einzelmitglieder beteiligten sich an der Gefangenenbetreuung der HNG. Unter der Parole "Nationale politische Freiheitskämpfer drinnen und draußen - eine Front! Ein gemeinsamer Wille! Ein gemeinsamer Kampf riefen Hamburger Neonazis dazu auf, eine von der HNG initiierte Solidaritätsaktion für "nationalepolitische Gefangene" zu unterstützen und sich mit "Kameraden" in den "Systemknästen" zu solidarisieren. 69 Neben der HNG existieren weitere Gruppen, die allgemein oder anlaßbezogen Rechtsextremisten in bundesdeutschen Haftanstalten betreuen. Im Dezember 1995 wurde der Verein "Kameradschaftshilfswerk für nationale Gefangene" aus Anlaß der Inhaftierung des ehemaligen NPD-Bundesvorsitzenden Günther DECKERT gegründet. Erklärtes Ziel des von NPD-Angehörigen gegründeten Vereins ist die finanzielle Unterstützung und Förderung "nationaler Kameraden" xmu deren Familienangehöriger. In Berlin wurde die "Gefangenenhilfe der Nationalen e. V. " anläßlich des Hungerstreiks eines inhaftierten Berliner Neonazis öffentlich aktiv. Eine "Interessengemeinschaft zur Unterstützung Angehöriger von nationalen Gefangenen" erteilte in rechten Publikationen Tips und Ratschläge für die juristische Unterstützung inhaftierter "Nationaler". Zur Gefangenenarbeit gehört auch die Bildung sog. "Knastund Kerkerkameradschaften". Als "Offensive nationalen Widerstandes in den Knüsten" gründeten in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg inhaftierte Nationalisten unter dem Motto " Drinnen und draußen eine Front" eigene ,, Kameradschaften " und gaben den Rundbrief "Der weiße Wolf heraus. Darin wurden, neben Schilderungen aus Haftanstalten, Erlebnisberichte von rechten Veranstaltungen und Skinhead-Konzerten sowie Interviews mit Neonazis veröffentlicht. Einige deutsche Gefangenenhilfegruppen - u.a. die HNG - pflegen Kontakte zu entsprechenden ausländischen Initiativen. In Österreich wurde zur Unterstützung eines dort wegen Volksverhetzung verurteilten Revisionisten die "Nationalfreiheitliche Gefangenenhilfe" ins Leben gerufen. In den USA betreut die "C.A.U.S.E.-Foundation" weltweit inhaftierte Rechtsextremisten. In England und den USA betreut die Hilfsorganisation "Behind the Bars" (Hinter Gittern) sog. "Kriegsgefangene". Im Rahmen der Kampagne " Widerstandsrecht für nationale Kräfte" wurden Neonazis bereits im Vorfeld von Strafverfolgungen aktiv, indem sie - ohne bemerkenswerte Erfolge - dazu aufriefen, gegen staatliche Verfolgung juristische Arbeitskreise, Prozeßgruppen, Unterstützerkomitees sowie Schulungsund Aufklärungsgruppen zu bilden. Auch in Hamburg widmeten sich Neonazis der Unterstützung inhaftierter Gesinnungsgenossen. Nach dem Haftantritt des ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden der verbotenen neonazistischen "Nationalen Liste" (NL), Christian WORCH (Z> siehe 1.4.2), wurde im März von dem ehemaligen Vorsitzenden, Thomas WULFF, und anderen führenden Neonazis das "Solidaritätskomitee Christian Worch" ins Leben gerufen. Die Gründer verstehen das Komitee als Antwort auf staatliche " Versuche", die rechtsextremistische Szene durch - angeblich ungerechtfertigte - Strafverfolgung und Verurteilungen zu verunsichern und zu unterdrücken. Mit Flugblättern, Rundschreiben, Aufklebern und anderen Propagandaaktionen möchte das Komitee auf die nach rechtsextremistischem Verständnis 'wahren' Hintergründe aufmerksam machen, die zur Inhaftierung und Verurteilung WORCHs durch die "Unrechtjustiz" in der "BRD" geführt haben. Unter dem Motto: "Freiheit für Christian Worch und alle anderen verfolgten Nationalisten!" will es "Gegenöffentlichkeit" herstellen und " WiderIQ stand" anmelden. Um diesem pompösen Anspruch gemäß auch Betroffenheit zu erzeugen, wurde WORCHs Bestrafung zum "Angriff" auf die gesamte Szene hochstilisiert. Das Komitee beschränkte sich bislang darauf, WORCHs Dokumentation über den Frankfurter ANS/NA-Nachfolgeprozeß zu verbreiten und Solidaritätsaufrufe herauszugeben. Einige Adressaten im Inund Ausland reagierten wunschgemäß schriftlich, indem sie die Freilassung WORCHs und anderer "nationaler Gefangener" forderten. 1.4.5 Rudolf-HESS-Gedenkaktionen Für Rechtsextremisten sind öffentlichkeitswirksame Aktionen wesentlicher Bestandteil ihrer Taktik und Propaganda. Aus diesem Grund nehmen sie symbolträchtige Gedenkanlässe - insbesondere den Todestag des HITLER-Stellvertreters Rudolf HESS am 17. August - alljährlich zum Anlaß, ihre "nationale" Gesinnung in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Gleichzeitig suchen sie eine Kraftprobe mit den Sicherheitsbehörden. Staatliche Maßnahmen haben es in den letzten Jahren verhindern können, daß es über das Mobilisierungsthema "HESS" in der Bundesrepublik zu zentralen Großveranstaltungen gekommen ist. Die Rechtsextremisten reagierten auf diese Verhinderungstaktik mit zunehmend konspirativer Vorbereitung. Bereits 1995 hatte es in der rechtsextremistischen Szene Streitigkeiten und Eifersüchteleien um die HESS-Aktionsplanung gegeben. Im Vorfeld der Aktionen 1996 setzten sich die Differenzen und persönlichen Diffamierungen der planungsbeteiligten Führungspersonen fort. Ein gemeinsames Konzept und eine einheitliche Organisation von Gedenkaktionen - letztendlich eine gemeinsame große Demonstration der gesamten aktionistischen rechtsextremistischen Szene - sind daran erneut gescheitert. Ein Konzeptpapier "Aktion 96" zielte darauf ab, nicht nur am 17. August zu demonstrieren, sondern gleich den gesamten August als "Rudolf-HESS-Aktionsmonat" zu proklamieren. Es rief dazu auf, mit bundesweiten Kundgebungen, spektakulären öffentlichen Auftritten und Propagandaaktionen einen ganzen Monat lang aktiv zu werden. Unter der Überschrift "Demokratie und Freiheit schützen - Grundrechte verteidigen" sollte der Öffentlichkeit mit Hilfe des Themas "HESS" eine neue "nationale" Bewegung mit einem "progressiven Nationalismus" vorgeführt werden, die sich vom alten NS-Fetischismus abwendet und sich aktueller politischer und sozialer Problemfelder wie "Solidargemeinschaft, Bürgerrechte und Systemalternativen" annimmt. In Anlehnung an dieses Papier informierte der ehemalige Hamburger Vorsitzende der verbotenen " Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei " (FAP), Andre GOERTZ, über das von ihm betriebene "Nationale Info-Telefon" (NIT) Hamburg sein Publikum. In einer Sondermeldung vom 23. Juli rief GOERTZ zu einer aktiven Beteiligung im Sinne dieses Konzepts auf. 71 Auf der anderen Seite hatten sich führende bundesdeutsche Neonazis zu einem "Aktionskomitee Rudolf HESS" zusammengeschlossen. Alternativ zur Idee eines Aktionsmonats riefen sie zu einer einzigen nicht angemeldeten zentralen Demonstration am HESS-Todestag auf. Im Gegensatz zum erstgenannten Konzeptpapier bezog sich das Komitee ausdrücklich auf das hergebrachte neonazistische Selbstverständnis und auch ohne Abstriche positiv auf HESS und dessen politische Weltanschauung. Militante Aktionsformen oder Aktionen im benachbarten Ausland schlossen sie. dabei aus. Chancen, in Deutschland eine reguläre - angemeldete - HESS-Demonstration absolvieren zu können, wurden verneint. Den "Nationalen Info-Telefonen" Rheinland und Sauerland kam die Aufgabe zu, aktuelle Infos für einen "würdevollen Trauermarsch" am 17. August zu verbreiten. Auf dieser Linie bemühten sich die Neonazis um die Gunst und Unterstützung der NPD bzw. der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten " (JN). Die JN, die sich zunächst für die Idee des Aktionsmonats entschieden hatten, versuchten am 3. August in Bad Harzburg (Nds.) einen nicht angemeldeten "HESS-Gedenkmarsch" durchzuführen. Die Polizei löste den Aufmarsch auf und nahm die meisten der etwa 50 aus dem JNund Neonazibereich stammenden Teilnehmer - unter ihnen der JN-Bundesvorsitzende Holger APFEL - in Gewahrsam. Trotz dieses Fehlstarts rief das NIT Hamburg - getreu dem Strategiepapier "Aktion 96" - für das zweite August-Wochenende (10./l 1.08.) zu verschiedenen regionalen Aktionen auf. Tatsächlich fanden lediglich einige wenige örtliche Aktionen ohne nennenswerte Außenwirkung statt. Am Todestag des HESS (17. August) trafen sich JN-Aktivisten aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Berlin in Rostock vor dem Ostseestadion, an diesem Tag Austragungsort eines Bundesliga-Fußballspiels. Sie hatten sich offensichtlich vorgenommen, innerhalb des Stadions und auch nach Spielschluß zur HESS-Thematik zu agieren. U.a. warfen sie Papierschnipsel mit HESS-Symbolen unter die Zuschauer und schwenkten eine Reichskriegsflagge. Nach dem Spiel wurden 5 Personen vorläufig festgenommen, unter ihnen der stellvertretende JN-Bundesvorsitzende Andreas STORR aus Berlin. Das "Aktionskomitee Rudolf HESS" hatte für den 17. August planmäßig eine zentrale Gedenkveranstaltung im Südwesten Deutschlands vorgesehen. Der genaue Veranstaltungsort wurde geheimgehalten. Anreisenden Teilnehmern sollte er erst kurz vorher mitgeteilt werden. Um sich präventiven Maßnahmen der Exekutive zu entziehen, setzten sich einige neonazistische Führungspersonen kurz vor dem 17. August spontan ins benachbarte Ausland ab. Gemeinsam mit niederländischen und belgischen Rechtsextremisten wollten sie erst am Tag der zentralen HESS-Gedenkveranstaltung in das Bundesgebiet zurückkehren. 72 Als erster zentraler Sammelpunkt für die anreisenden Teilnehmer in der Nacht zum 17. August wurde vom Aktionskomitee der Großraum Frankfurt/M. angegeben. Auch aus Hamburg - insbesondere aus dem Spektrum der ehemaligen NL - und SchleswigHolstein machten sich Teilnehmer auf den Weg. Der endgültige Demonstrationsort war zu diesem Zeitpunkt nicht festgelegt. Erst während der Anfahrt wurde den Teilnehmern das tatsächliche Ziel - Worms - über Mobiltelefon eröffnet. Nachdem der Aufmarschort feststand, versammelten sich um die Mittagszeit immer mehr Rechtsextremisten vor und in dem Wormser Dom. Sie trafen dort u.a. auf den Hamburger Führungsaktivisten Thomas WULFF. Gegendemonstranten und Polizei waren zu diesem Zeitpunkt nicht anwesend. Nachdem ausreichend Demonstrationswillige eingetroffen waren, formierte sich ein Zug von ca. 200 Personen zu einem Marsch durch die Stadt. Innerhalb des Zuges waren diverse schwarz-weiß-rote Fahnen, Reichskriegsflaggen, JN-Fahnen sowie HESS-Transparente zu sehen. Dazu wurden Sprechchöre skandiert: "Rudolf HESS - Märtyrer", "Rudolf HESS - das war Mord", " Deutschland marschiert für Rudolf HESS", "Asylanten raus! ". An einem Kriegerdenkmal leitete WULFF eine Kundgebung, auf der er und der JNBundesvorsitzende Holger APFEL das Wort ergriffen. Vor dem inzwischen auf 250 Personen angewachsenen Demonstrationszug - darunter JN-Aktivisten - gedachte WULFF des 1987 verstorbenen HESS und der im 2. Weltkrieg gefallenen deutschen Soldaten. Zu Ehren HESS' und gefallener Wehrmachtsangehöriger befahl er mit dem Kommando " Stillgestanden! " eine Gedenkminute. Am Ende der Kundgebung ordnete WULFF den Rückmarsch zum Dom an. Kurz danach stoppte die Polizei die Demonstration und setzte die Teilnehmer in zwei Gruppen fest. 171 Personen - darunter 16 JN-Mitglieder und 11 Personen aus Hamburg - wurden vorläufig festgenommen, der Rest konnte entkommen. Eine Pressemitteilung des "Führungsstabs des Aktionskomitees" vom 20. August - Überschrift: " WORMS - Rudolf HESS Stadt 1996 / Nationale Einheitsfront für Rudolf HESS" - offenbarte deutliche Genugtuung der Rechtsextremisten über den Kundgebungsverlauf: "Die Strategie des Systems - Durchsetzung eines rechtswidrigen und demokratiefeindlichen bundesweiten Demonstrationsverbotes - ging wie in den letzten Jahren nicht auf. Sie scheiterte am Freiheits willen einer jungen, kämpferischen Bewegung. Der Sieg in Worms ist darauf zurückzuführen, daß es den Organisatoren in diesem Jahr gelungen ist, die Vertreter aller relevanten Gruppierungen und Verbindungen innerhalb der nationalen Opposition auf ein geschlossenes Vorgehen einzuschwören ". Die Aktion wurde aus diesem Grunde in der Pressemitteilung als " Marsch der nationalen Einheit" mit Vorbildcharakter für die weitere politische Einigung der 73 "Nationalen Opposition" etikettiert. Die Organisatoren wollten alles daran setzen, die punktuell bewiesene Fähigkeit und Bereitschaft zum gemeinsamen Handeln zu vertiefen und auszubauen. Wenn auch nach Personenzahl und politischer Breite immer noch relativ bescheiden, soll der diesjährige "Rudolf HESS-Marsch" als Vorbild für zukünftige Aktionen - auch anderen Inhaltes - dienen. Das "System" habe alle ,,scheindemokratischen Mittel" ausgeschöpft, um eine "unbequemepolitische Jugend mundtot" zu machen. Demgegenüber habe die "Nationale Opposition" eindrucksvoll bewiesen, daß sie den " Verbotsterror" der letzten Jahre verarbeitet habe: "Aus dieser Erkenntnis heraus und in dem Bewußtsein, daß das System uns mit allen Mitteln (sozusagen als Krönung der Verfolgung) in diesem Jahr die Straße und die Handlungsfähigkeit nehmen wollte, gaben wir die Parole aus: 'Rudolf HESS Marsch - Jahr der Entscheidung... und wir haben gesiegt! " Mit Beteiligung von NPD, JN und Ehemaligen der verbotenen neonazistischen " Wiking-Jugend" (WJ) sei es gelungen, die gesamte radikale Rechte zum HESS-Marsch zu vereinen und erstmals gemeinsam zu demonstrieren. Korrekturen an diesen triumphalen Bewertungen sind angebracht: In Worms hat am 17. August nicht "die" gesamte "nationale Opposition" demonstriert, sondern ein Teil. Ein zweiter Teil mit rund 120 Rechtsextremisten führte am gleichen Tag in Merseburg (Sachsen-Anhalt) ebenfalls einen HESS-Gedenkmarsch durch. Ein dritter, wenn auch vergleichsweise viel schwächerer Teil, versuchte sich am selben Tag relativ erfolglos im Rostocker Fußballstadion. Die JN - ursprünglich Unterstützer des Strategiepapiers "Aktion 96" - kritisierten jetzt auch scharf die eigenmächtige Aktion in Rostock. Während das "Aktionskomitee Rudolf HESS" und die zwischenzeitlich auf dessen Linie eingeschwenkte JN-Führung das von ihnen mobilisierte Potential am 17. August in Worms aufmarschieren ließen und die ersehnte öffentliche Aufmerksamkeit ernteten, hatten es norddeutsche und Berliner JN-Aktivisten gewagt, sich mit einer eigenmächtigen Aktion in Rostock eklatant von der JN-Disziplin abzusetzen. Die Rostocker Aktion ist einer der "Schönheitsfehler" in der Version, "die" JN hätten in Worms mitdemonstriert. Auch der vom Aktionskomitee global vermittelte Eindruck, "die" NPD in die "zentrale" Gedenkveranstaltung eingebunden zu haben, muß bei zahlenund personenbezogener Betrachtung relativiert werden. Etwa 10% der Demonstranten waren der NPD bzw. den JN zuzurechnen. Wahr ist allerdings, daß sich die NPD durch Presseerklärung vom 17. August offiziell, vorbehaltlos und öffentlich zu der Wormser Aktion bekannte, sie zur eigenen Angelegenheit machte. In Trollhättan (Schweden) fand ein "HESS-Gedenkmarsch" statt, an dem sich auch deutsche Rechtsextremisten beteiligt haben sollen. Zwischen rund 400 versammelten Personen aus der rechtsund der linksextremistischen Szene kam es zu Auseinandersetzungen. 74 Der Erfolg in Worms gilt unter Rechtsextremisten als Richtschnur für den zum "Jubiläum" hochstilisierten 10. HESS-Todestag am 17.08.1997: Für das Zusammenrücken rechtsextremistischer Teilspektren, für ihr geschlossenes Auftreten und möglicherweise für weitergehende überregionale Aktionseinheiten innerhalb der rechtsextremistischen Szene. Die mit der NPD und JN erprobte Aktionseinheit wird insoweit als künftig vorzeigbares Paradebeispiel dienen. Demonstrationsverbote werden von Extremisten auch künftig als Herausforderung verstanden, staatliche Institutionen zu überlisten, sie durch Verbotsverstöße und Verwirrspiele öffentlich "vorzuführen". 1.5 Rechtsextremistische Parteien 1.5.1 Die Republikaner (REP) Die "Republikaner" (Sitz: Berlin) wurden am 26.11.83 von den ehemaligen CSUBundestagsabgeordneten Franz HANDLOS und Ekkehard Voigt sowie dem ehemaligen stellvertretenden Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks, Franz SCHÖNHUBER, als Rechtsabspaltung der CSU gegründet. Gegenwärtig gehören etwa 15.000 (1995: 16.000) Mitglieder der Partei an. Zu den in den letzten Jahren gegründeten Unterorganisationen der REP gehören der " Republikanische Bund der öffentlich Bediensteten" (RepBB), die "Republikanische Jugend" (RJ), der "Republikanische Bund der Frauen" (RBF) und die "Republikanische Mittelstandsvereinigung" (RMV). Die monatlich erscheinende Parteizeitung "Der Republikaner" hat eine Auflage von ca. 22.000 Exemplaren. Seit Ende 1994 versucht der Bundesvorsitzende Dr. Rolf SCHLIERER gegen den Widerstand einer allerdings schwindenden Minderheit, die Partei im rechtskonservativen Spektrum zu positionieren, um sie vom Stigma der Verfassungsfeindlichkeit zu befreien. Obwohl die REP bestrebt sind, in dieser Hinsicht keinerlei Angriffsflächen mehr zu bieten, ist eine glaubwürdige und konsequente, nicht nur taktisch motivierte Abkehr von rechtsextremistischen Positionen - zumindest in weiten Teilen der Partei - auch jetzt nicht zu erkennen. 1996 wurde erneut durch verschiedene Verwaltungsgerichtsbeschlüsse die Rechtmäßigkeit der Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden bestätigt. So lehnte etwa das Verwaltungsgericht Köln am 24. Mai den Antrag der REP auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ab, die Veröffentlichung des Bundesverfassungsschutzberichtes 1995, in dem die REP als rechtsextremistisch bezeichnet wurden, zu stoppen. Das Gericht begründete seine Entscheidung u.a. damit, daß eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spreche, daß zumindest einzelne Parteimitglieder rechtsextremistische Positionen vertreten würden. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Oberverwaltungsgericht Münster abgelehnt. 75 Herausragendes Ereignis für die Partei war in diesem Jahr der Wiedereinzug in den Landtag von Baden-Württemberg. Bei der als "Schicksalswahl" apostrophierten Landtagswahl am 24. März konnten die REP mit ihrem Ergebnis von 9,1 % der Stimmen an ihren Wahlerfolg von 1992 (10,9 %) anknüpfen und sind nunmehr mit 14 (vorher: 15) Abgeordneten im Stuttgarter Parlament vertreten. Dieses Ergebnis erschien umso überraschender, als die REP bei der Kommunalwahl in ihrem Stammland Bayern zwei Wochen zuvor am 10. März lediglich 1,8 % der Stimmen erreichen konnten und rund zwei Drittel ihrer Kommunalmandate verloren hatten. In BadenWürttemberg hingegen scheinen die REP infolge ihrer innerparteilichen Konsolidierung und parlamentarischen Präsenz ihr Stammwählerpotential dauerhaft auf über 5 % ausgebaut zu haben. Bei der am gleichen Tag durchgeführten Landtagswahl in Rheinland-Pfalz erzielten die REP 3,5 % (1991: 2,0 %). Der Bundesvorsitzende SCHLIERER wertete diese Ergebnisse als eindeutige Bestätigung seiner Abgrenzungsstrategie und als klare Absage an jede Form von Zusammenarbeit mit anderen rechtsextremistischen Organisationen. Abweichlern in den eigenen Reihen, die immer noch " Träumereien von einer vereinigten Rechten " nachhingen, wurden Parteiordnungsmaßnahmen angedroht. Auf seiner Sitzung am 25. März bestätigte der Parteivorstand den Abgrenzungsbeschluß vom 18.06.95 gegenüber Organisationen der "Alten Rechten" (NPD, DVU, DLVH, etc.) und stellte nochmals klar, daß es keine Beteiligung der Partei an "Runden Tischen" geben werde. Jegliche Diskussion hierüber hätte sich mit dem 24. März erledigt. Die REP seien die einzige rechte demokratische Partei mit parlamentarischer Verankerung. Nach Ansicht der REP-Führungsspitze ist mit dem wiederholten Wahlerfolg in Baden-Württemberg auch der Einzug in den Bundestag 1998 in greifbare Nähe gerückt. Durch eine umfassende Reorganisation und Neustrukturierung der Partei will SCHLIERER neue Kräfte mobilisieren und den Weg für einen erfolgreichen Bundestagswahlkampf ebnen. Die Verstärkung der Basisund Öffentlichkeitsarbeit vor Ort erscheint auch dringend zum Ausgleich weggefallener öffentlichkeitswirksamer Auftritte nötig, denn im Gegensatz zu früheren Jahren, als die REP unter SCHÖNHUBER z.T. Tausende Anhänger zu Großveranstaltungen mobilisieren und entsprechend Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnten, gelingt ihnen dies heute nicht mehr. Zur Aschermittwochsveranstaltung am 21. Februar in Rosenheim erschienen lediglich 450 Republikaner. Auch die als Großveranstaltung ausgegebene Kundgebung am 16. Juni in Berlin, mit der an den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 erinnert werden sollte, wurde den Erwartungen kaum gerecht. Nur etwa 250 bis 300 REP-Anhänger - vorrangig aus Ostdeutschland - reisten aus diesem Anlaß nach Berlin. Den REP gelang es erneut nur sehr unvollkommen, ihrem demokratischen Anspruch gerecht zu werden. Programmatische Äußerungen sowie Agitationsstil und Rhetorik von Mitgliedern und führenden Funktionären lassen unverändert Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen erkennen. Vor allem in einigen ostdeutschen 76 Landesverbänden ist nationalistisches, fremdenfeindliches, revisionistisches und teilweise antisemitisches Gedankengut auszumachen. Besonders negativ trat hierbei der Landesverband Thüringen hervor, der die Politiker der Bonner Parteien beispielsweise in einem Flugblatt pauschal als " Umerziehungspolitiker " verunglimpfte. Weiter wurde in dem Flugblatt behauptet, daß die "nationale Zerschlagung" Deutschlands aus der Politik der Alliierten unter "Beihilfe ihrer deutschen Parteivasallen" resultiere. Antisemitische Untertöne klingen an, wenn geäußert wird, daß "deutsche Patrioten" das Recht hätten, "jüdischen Verleumdungen und jüdischen Bevormundungen" entgegenzutreten. Es müsse endlich Schluß sein mit "der jüdischen Indoktrination deutschen Schuldbewußtseins zwecks finanzieller Ausbeutung"'. Weitaus negativer als die verfassungsfeindliche Agitation der nur schwer auf Parteilinie zu bringenden ostdeutschen Landesverbände wie Thüringen oder SachsenAnhalt ist für die REP, daß selbst das direkt unter der Kontrolle SCHLIERERs stehende Parteiorgan "Der Republikaner" nicht frei von rechtsextremistischen Äußerungen ist. So sorgte etwa ein in der Mai-Ausgabe (Nr. 5/96) veröffentlichter Kommentar des stellvertretenden Vorsitzenden des Landesschiedsgerichtes Berlin, Wolfgang HIRSE, innerparteilich für erhebliches Aufsehen. HIRSE hatte den "Altparteien " bezüglich ihrer Ausländerund Asylpolitik vorgeworfen, die Deutschen bewußt und planvoll " kulturell und ethnisch zu zerstören ". Wörtlich führte er weiter aus: " Wir dürfen nicht vergessen: Die Siegermächte haben noch heute Interessen, die mittels der von ihnen gegründeten und lizensierten Parteien umgesetzt werden sollen. Anderung ist nur zu erwarten, wenn die Altparteien entmachtet und deren Büttel entfernt sind,...". In der übernächsten Ausgabe (Nr. 7-8/96, Juli/August) beeilte sich das Parteiblatt, sich von diesen Äußerungen zu distanzieren und sie als nicht in Übereinstimmung mit den Positionen der Partei zu erklären, da u.a. der Verdacht aufkomme, " Freund HIRSE" wünsche sich ein "Einparteiensystem oder sonst ein autoritäres System " herbei. Die REP bestätigten damit selber, daß im Kommentar eine verfassungsfeindliche Position zum Ausdruck gebracht worden war. Daß dieser Kommentar überhaupt in der offiziellen Parteizeitung (Auflage: ca. 22.000) veröffentlicht wurde und noch dazu von einem Funktionsträger stammt, der kraft seines Amtes selber ggf. über parteischädigendes rechtsextremistisches Verhalten zu entscheiden hat, deutet an, daß die Akzeptanz rechtsextremistischen Gedankenguts in der Partei viel weitreichender ist, als es die Parteiführung zugibt. Untermauert wird diese Einschätzung auch durch fast gleichlautende Äußerungen des Landesverbandes Hamburg (s.u.). Für eine Wesensverwandschaft der REP mit anderen rechtsextremistischen Wahlparteien spricht auch, daß Parteifunktionäre z.B. in der rechtsextremistischen Monatszeitschrift "Nation & Europa" schreiben. So empfahl etwa der Jugendbeauftragte des REP-Bezirksverbandes Mittelfranken in der Mai-Ausgabe in einem Beitrag über 77 "deutschen Rechtsrock" rechtsextremistische Skinhead-Bands. Gegen die Abgrenzungsbeschlüsse der Partei verstieß auch Burghard SCHMANCK, Bundesvorstandsmitglied und Bundesvorsitzender des RepBB, als er im Januar 1996 in "Nation & Europa" einen Beitrag zum Thema "Kirche und Asyl" veröffentlichte. Ein weiteres Beispiel für die keineswegs konsequent unterbundene Zusammenarbeit mit Rechtsextremisten lieferte wiederum der Landesverband Thüringen. Auf dessen Einladung und nach bundesweiter Mobilisierung durch "Nationale Info-Telefone" (NIT) fand am 05. Mai in Neuhaus/TH eine Gedenkveranstaltung aus Anlaß des ersten Todestages eines Jugendlichen aus der rechten Szene statt, der am 06.05.95 bei Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen der "linken" und "rechten" Szene getötet worden war. An der Veranstaltung nahmen mehr als 250 Personen teil - neben ca. 50 " Republikanern " und Mitgliedern der DLVH auch viele Neonazis mit szenetypischem Outfit. Als Redner traten u.a. der stellvertretende Landesvorsitzende Lutz DIENER und der stellvertretende Bundesvorsitzende Otmar WALLNER auf. Im Verlauf der Veranstaltung nahm die Polizei zwölf Personen u.a. wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vorläufig fest. Bereits am 9. März hatten sich "Republikaner" aus Thüringen an einer Veranstaltung der NPD und der JN in Sonneberg/TH beteiligt. Auch mußten die REP einräumen, daß der damalige baden-württembergische Landtagsabgeordnete Karl-August SCHAAL im Landtagswahlkampf nicht nur Kontakt zu Rechtsextremisten gesucht, sondern sich auch der Hilfe eines in der rechtsextremistischen Szene landesweit bekannten Neonazis bedient hatte. Nach wie vor steht dem legalistisch-realpolitisch operierenden SCHLIERER-Flügel eine - wenn auch kleiner werdende - fundamental-oppositionelle Fraktion gegenüber. Beim Bundesparteitag am 475. Oktober in Hannover wurde die innerparteiliche Opposition gegen SCHLIERER vom stellvertretenden Bundesvorsitzenden und Landesvorsitzenden von Sachsen-Anhalt, Dr. Rudolf KRAUSE, angeführt. Dieser hatte im Vorfeld des Parteitages sogar Franz SCHÖNHUBER - allerdings erfolglos - gebeten, in den Schoß der Partei zurückzukehren und sofort für den Bundesvorsitz zu kandidieren. KRAUSE selber verzichtete schließlich zugunsten seines StellvertreterKollegen Otmar WALLNER auf eine Kampfkandidatur gegen SCHLIERER. Der bereits mehrfach wegen rechtsextremistischer und antisemitischer Äußerungen aufgefallene WALLNER konnte sich zwar gegen SCHLIERER (Wiederwahl mit 77 % der Stimmen) nicht durchsetzen, wurde aber als Beisitzer in den Bundesvorstand gewählt. In der Ausgabe November/Dezember meldete "Nation & Europa", der Bundesvorstand habe WALLNER gleich auf seiner ersten Sitzung nach dem Parteitag von seinen Parteiämtern enthoben und seinen Parteiausschluß beantragt. Der Bundesvorstand folgte damit offensichtlich einer bereits vor dem Bundesparteitag vom Landesverband Bayern erhobenen Forderung. SCHLIERERs Position wurde dadurch gestärkt, die Zusammensetzung des neuen Bundesvorstandes dürfte weitgehend seinen Vorstel78 lungen entsprechen. Die innerparteiliche Opposition steht nach dem Rückzug von KRAUSE und der Entmachtung WALLNERs dagegen ohne führenden Kopf da. Wenngleich sich die auf allen Parteiebenen anzutreffenden Befürworter eines "rechten Bündnisses" in die Defensive gedrängt sehen, ist ihr Einfluß in der Partei - wie der weitere Verlauf des Parteitages zeigte - nicht zu unterschätzen. Zu einem regelrechten Eklat kam es wegen eines Antrages, die Partei für Ausländer zu öffnen. Nachdem sich in der Versammlung insbesondere von SCHLIERER-Gegnern geschürter massiver Protest regte und die Antragstellerin zum Teil übel beschimpft worden war, wurde eine drohende Eskalation durch Zurückziehung des Antrags verhindert. Der Vorgang warfein bezeichnendes Licht auf latente rassistische Grundstimmungen in Teilen der Partei. Der Landesverband Hamburg wurde als zweite Landesorganisation der REP nach Bayern am 18.03.84 gegründet. Die Zahl der Hamburger REP-Mitglieder dürfte weiterhin unter 150 liegen. Unter Leitung des am 12. Oktober wiedergewählten Landesvorsitzenden Hans FIEDLER bemühte er sich darum, im Vorfeld der Bürgerschaftsund Bezirksversammlungswahlen 1997 einen größeren Bekanntheitsund Wirkungsgrad zu erreichen. Hierzu diente vor allem das seit 1995 erscheinende Parteiblatt "Alster Report", das in mehreren tausend Exemplaren gedruckt und verteilt wurde. Die REP gaben im Oktober an, in diesem Jahr hunderttausend Flugblätter, Zeitschriften und Prospekte an die Hamburger Haushalte verteilt zu haben. Im April/Mai erschien mit der Nr. 7 die bislang letzte Ausgabe des "Alster Reports". Die angebliche Verleumdung als rechtsextremistische Partei ist weiterhin durchgängiges Thema der Zeitung. Bei Infotischaktionen an belebten Plätzen in den Bezirken Wandsbek, Bergedorf, Eimsbüttel und Harburg wollen die REP großen Zuspruch aus der Bevölkerung erfahren haben. Der sich insbesondere im "Alster Report" widerspiegelnde Rechtspopulismus der Hamburger REP schürt Emotionen, versucht "^"//"-Stimmungen und politische Konfliktthemen nach eigener Lesart zuzuspitzen. Er lebt von griffigen Feindbildern {"Altparteien", Asylbewerber, u.a.), politischer Schwarzweißmalerei, Vereinfachung komplexer politischer Problemkonstellationen sowie der Propagierung radikaler und scheinbar einfacher Lösungen. Die angeblich systematische Überfremdung Deutschlands ziele letztlich auf den Untergang des deutschen Volkes ab. Ihre Horrorszenarien verbinden die REP auch hier mit dem Schüren von Ressentiments gegen demokratische Parteien und Institutionen. Sie diffamieren die parlamentarische Demokratie, indem sie demokratisch gewählten Parteien die Legitimität absprechen und sie pauschal als diktatorisch hinstellen. Politiker mit "geheuchelter" christlich-sozial-liberaler 79 "...Bürgernähe mit Amtseid - zum Wohle des Volkes - nennen sich auch noch Volksvertreter. Die Parteiideologen der abgehalfterten Bonner Parteien, die Politikerdiktatoren (Fraktionszwang), die Ministerialbürokraten haben einen roten bis schwarzen Behördenund Ämter filz ... mit einer Beamtenwillkür zur Bevormundung aller Bürger aufgebaut..." Die Hamburger REP werfen dem Senat vor, Hamburg bewußt in den Ruin zu treiben. Die verantwortlichen Politiker würden lügen und betrügen, seien bestechlich, korrupt und kriminell, die Politik sei am Ende, "diese Demokratie" sei "wirklich erschöpft". Während den "Altparteien" die demokratische Legitimation abgesprochen wird, nehmen die REP für sich in Anspruch, die "einzigen wahren Interessenvertreter des deutschen Volkes" zu sein. Es gebe "eine echte Alternative zu GRÜNEN und ROTEN Kommunisten, Vetternwirtschaft und SPD-Genossen-Filz ... Die Republikaner. Die einzige Partei, die an erster Stelle Ihre Interessen, die Interessen des deutschen Volkes vertritt. " Dieser demokratiefeindliche Alleinvertretungsanspruch und die Verunglimpfung demokratischer Politiker quasi als Verfassungsfeinde geht mit der Ausgrenzung von "Randgruppen" einher, die entweder nicht in das Konzept des völkisch homogenen Nationalstaates passen, unliebsame politische Meinungen vertreten oder für asozial gehalten und z.T. als "Schmarotzer und Parasiten" bezeichnet werden. Die REP wollen mithin nicht das gesamte Volk repräsentieren, sondern nur die " vernünftigen " Deutschen: " Wir repräsentieren die vernünftigen Mehrheitsbürger (die noch schweigende deutsche Mehrheit), jedoch keine inund ausländischen Randgruppen. " Die REP verstehen sich somit einerseits als die einzig wahren Vertreter des deutschen Volkes, wollen andererseits aber bestimmte "Randgruppen" ausgrenzen. Auch beim Thema Asylpolitik sind Parallelen zu den offiziell nicht parteikonformen Positionen von Wolfgang HIRSE (s.o.) unverkennbar. So behaupten die Hamburger REP ebenfalls: " Was wir heute erleben, ist kein Versagen der Bonner Politiker, kein Fehler zu später Abwehr oder zu lascher Asylgesetze, sondern es ist die volle Absicht der Bonner Parteien, die Deutschen kulturell und ethnisch gewissermaßen abzuschaffen! " Sie vertreten damit auch Positionen, die selbst von der Parteispitze als potentiell verfassungsfeindlich eingestuft werden. Schon allein wegen der am 21.09.97 anstehenden Hamburger Bürgerschaftsund Bezirksversammlungswahl ist aber nicht mit einem Einschreiten durch den Bundesvorstand zu rechnen. Mit Blick auf die rapide steigende Weltbevölkerung und die Flüchtlingsproblematik wird der Bundesregierung vorgeworfen, das eigene Volk zu opfern: 80 "Nur eine größenwahnsinnige Regierung kann sich anmaßen, diesen Hunderten Millionen von Menschen einen Asylanspruch zu bestätigen und dabei die Kräfte des eigenen Volkes bis zur Selbstvernichtung fremden Völkern zu opfern ... Auch die deutsche Regierung hat kein Recht, ihr Volk zu opfern. " Die Hamburger REP zitieren hier ohne Quellenangabe aus einer Broschüre mit dem Titel "Asylmißbrauch-Dokumentation", die im November 1995 in Hamburg veröffentlicht wurde. Im Vorwort des Herausgebers wird als Ziel dieser Aufklärungsbroschüre unverhohlen propagiert, "den ganzen Umfang der Korruption unserer Scheindemokratie" bloßzulegen. In einer ebenfalls im "Alster Report" veröffentlichten anonymen "Leserzuschrift" wird die Bundesrepublik gar im Kriegszustand mit kriminellen Ausländern und Asylbewerbern gesehen: "In der heutigen Bundesrepublik haben wir einen Zustand wie im 30-jährigen Krieg und ein Frieden ist nicht in Sicht. Marodierende Banden ziehen mordend und plündernd durch unser Land und niemand kann oder will sie aufhalten. ... Die Verbrecher und Mafios is der Welt tummeln sich in unserem Land. Für diese " armen Menschen ", für Gauner und Betrüger (96% aller Asylbewerber), die ja den reichen Deutschen nur etwas wegnehmen wollen, haben die abgehobenen "Volksvertreter" und die Linksparteien Verständnis und Geld - für deutsche politisch Verfolgte, für die Opfer der Verbrecher nicht. " (Schreibfehler im Original). Hier zeigt sich besonders deutlich, wie Ausländer und Asylbewerber pauschal kriminalisiert, d.h. entweder als "Gauner und Betrüger" diffamiert oder mit "marodierenden", "mordenden" und "plündernden" Banden assoziiert werden. Auch wenn darauf hingewiesen wird, daß Leserzuschriften " nicht unbedingt " die Meinung der Redaktion wiedergeben, so entsprechen diese bewußt anonymen Äußerungen einer in der Partei weitverbreiteten Stimmung. Fremde werden zuallererst als Schmarotzer betrachtet, die das deutsche Volk ausnutzen und dessen Wohlstand und Fortbestand durch fortschreitende "Überfremdung" gefährden. Entsprechend dieser Einstellung plädieren die Hamburger REP auch dafür, Sozialleistungen alleine Deutschen zukommen zu lassen: " Unsere Hilfe und Unterstützung, unsere Steuergelder sollten wir den einheimischen Obdachlosen, Kranken, Pflegebedürftigen, Arbeitslosen, Jugendlichen und Rentnern zu kommen lassen. Für das Geld könnten wir neben jeden Dealer einen Polizisten stellen, brauchte u.a. keiner mehr unter Brücken zu schlafen, ..., jeder deutsche Jugendliche hätte eine Lehrstelle. ... " (Hervorhebung im Orginal). Dieses Zitat illustriert, was sich hinter der Aussage, keine "ausländischen Randgruppen repräsentieren", verbirgt: Ausländer kommen darin als Steuerund sozialversi81 cherungspflichtige und entsprechend leistungsberechtigte Arbeitnehmer nicht vor. Die hier angedeutete Verweigerung von Sozialleistungen an Ausländer würde eklatant gegen die Menschenwürde und das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes verstoßen. Die REP haben ihre Teilnahme an den Hamburger Bürgerschaftsund Bezirksversammlungswahlen beim Landeswahlleiter angemeldet ( 3 1.5.7). Sie werden voraussichtlich im Alleingang versuchen, in die Bürgerschaft einzuziehen. Wahlbündnisangebote (O 1.5.6) der NPD bzw. der HLA oder der DVU dürften schon allein wegen der eindeutigen Beschlußlage der Partei keinerlei Chancen haben. 1.5.2 Deutsche Volksunion (DVU) Nachdem die Mitgliederzahlen der DVU (Sitz: München), die sich selbst als " national-freiheitlich " bezeichnet, in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgegangen waren, konnte die Partei ihren Vorjahresstand mit 15.000 Mitgliedern halten. Die DVU selbst gibt traditionell höhere Mitgliederzahlen an. Neben der Partei DVU gibt es den 1987 gegründeten - inzwischen weniger bedeutenden - "national-freiheitlichen" Verein "Deutsche Volksunion e.V.". Laut Satzung sind die Mitglieder des Vereins und Personen der angegliederten Aktionsgemeinschaften * "Aktion Oder-Neiße" (AKON), * "Aktion deutsches Radio und Fernsehen " (ARF), * " Ehrenbund Rudel - Gemeinschaft zum Schutz der Frontsoldaten " (ER), * "Initiative für Ausländerbegrenzung" (I.f.A.), * " Deutscher Schutzbund für Volk und Kultur " (DS VK), * " Volksbewegung für Generalamnestie " (VOGA) automatisch DVU-Mitglieder, sofern sie nicht ausdrücklich widersprechen. Die DVU wird von ihrem Bundesvorsitzenden Dr. FREY zentral istisch und autoritär geführt. Er bestimmt die politischen Inhalte und Aktivitäten, nimmt Einfluß auf Personalentscheidungen auch auf regionaler Ebene und hält die Partei durch finanzielle Zuschüsse in Abhängigkeit. Die Masse der Mitglieder sind Beitragszahler, Zeitungsabonnenten des Dr. FREY und Kunden des von seiner Frau geführten "FZ-Freiheitlicher Buchund Zeitschriftenverlag GmbH", von dem Bücher, Medaillen, Videos und Devotionalien vertrieben werden. Das Parteiprogramm der DVU ist vage formuliert und vermeidet weitgehend extremistische Formulierungen. Es entspricht nach Umfang und Inhalt nicht den Programmen anderer Parteien. 82 Ihre politische Propaganda betreibt die DVU in den von Dr. FREY im eigenen Verlag {"DSZ-Druckschriftenund Zeitungsverlag GmbH") herausgegebenen Wochenzeitungen "Deutsche Nationalzeitung" (DNZ) - Auflage ca. 35.000 - und "Deutsche Wochenzeitung" (DWZ) - Auflage ca. 21.000. Mit beiden Wochenblättern, die zwar nicht den Status von Partei-Zeitungen besitzen, effektiv jedoch die Funktion von Sprachrohren der Partei erfüllen, verfügt Dr. FREY über den größten und einflußreichsten Presseapparat im rechtsextremistischen Lager. Außer der Parteiberichterstattung über Aktivitäten der DVU veröffentlichen die Blätter Aufsätze, Reportagen, historische Betrachtungen insbesondere über Ereignisse zwischen 1933 und 1945, angebliche "Enthüllungen" und kritische Berichte über Entwicklungen in Deutschland nach 1945. Dieses geschieht vorwiegend aus ausländerfeindlichen, antijüdischen, nationalistischen und geschichtsrevisionistischen Blickwinkeln. Ihre alljährliche Großkundgebung veranstaltete die DVU am 28. September wiederum in der Passauer Nibelungenhalle. Motto: "Noch ist Deutschland nicht verloren". An der Veranstaltung nahmen ca. 2.300 Personen teil. Rund 350 DVU-Gegner demonstrierten gegen die Veranstaltung. Hauptredner war wiederum der DVU-Bundesvorsitzende Dr. FREY. Unter den Gästen befanden sich Angehörige des für ein unabhängiges Flandern und damit für die Spaltung Belgiens eintretenden "Vlaams Blok" sowie Abordnungen aus Schlesien und aus Südtirol. Als Gastredner traten der Verfechter eines "Schwarzen Nationalismus", Dr. Robert L. BROCK, und der indianische Freiheitskämpfer Edward GODFREY auf. Der mit Dr. FREY befreundete Vorsitzende der nationalististischen "Liberaldemokratischen Partei Rußlands "(LDPR), Wladimir SCHIRINOWSKIJ, plädierte in seinem der Versammlung vorgelesenen Grußwort, Rußland und Deutschland müßten "kameradschaftlich" zusammenarbeiten. Die Laudatio für den von Neonazis und anderen Rechtsextremisten bevorzugt in Anspruch genommenen Hamburger Rechtsanwalt Jürgen RIEGER, dem der " Freiheitspreis der 'Deutschen NationalZeitung'(DNZ)" verliehen wurde, lobte diesen als unerschrockenen Kämpfer für die Freiheit des deutschen Volkes. Trotz aufwendiger Wahlwerbung erhielt die DVU bei der Wahl zum Schleswig-Holsteinischen Landtag am 24. März nur 64.330 Wählerstimmen (4,3 %) und verfehlte so den Wiedereinzug in das Landesparlament. Die DVU-Führung erklärte die Wahlniederlage mit einer angeblichen Einschränkung der Meinungsfreiheit gegen rechte Organisationen. Zu den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz hat die DVU in diesem Jahr nicht kandidiert. Seit einigen Jahren liegen die Mitgliederzahlen im Hamburger DVU-Landesverband (Vorsitzender: Rudolf REIMERS) unter 600. Gleichwohl ist die DVU hier weiterhin die personell stärkste rechtsextremistische Organisation, in der allerdings nur wenige Mitglieder politisch aktiv sind. Ein organisatorischer Unterbau des Landesverbandes 83 auf Bezirksoder Kreisebene ist nicht erkennbar. Es fanden das Jahr über weder öffentlichen Aktionen der DVU in Hamburg statt, noch verbreitete der Hamburger Landesverband vor Ort in eigener Regie gefertigte Propagandamaterialien. Der Verein "DVU e. V. " mit den sechs angeschlossenen Aktionsgemeinschaften war in Hamburg inaktiv. Demgegenüber bereitete sich die Organisation für 1997 auf eine aufwendige Propagandaoffensive zur Hamburger Bürgerschafts wähl (Z> siehe 1.5.7) vor. Derzeit ist sie lediglich mit zwei Abgeordneten in der Bezirksversammlung Bergedorf vertreten. Mit Blick auf die Bürgerschaftswahl 1997 und die Bundestagswahl 1998 forderten die DNZ und die DWZ am 21. Juni unter der Überschrift "Einheit der Rechten" (O siehe 1.5.6) eine Zusammenarbeit aller "demokratischen nationalen Rechten". Dabei sei eine Trennungslinie gegenüber "NS-Zirkeln" zu ziehen, die nur zur Kriminalisierung und zu Verboten führten. Auf der Passauer Großkundgebung bestimmte der DVU-Bundesvorsitzende Dr. FREY die Bürgerschaftswahl zum einstweiligen absoluten Schwerpunkt der Parteiarbeit. Am 19. Juli meldeten die DNZ und die DWZ, der DVU-Bundesvorstand habe am 10. Juli den Wahlantritt im September 1997 in Hamburg beschlossen. Die DVU werde alle Kräfte konzentrieren, um das Bürgerschaftswahlergebnis von 1993 (2,8 %) "entscheidend" zu verbessern. Unter der Überschrift "Hamburg - Signal für Deutschland" rief zugleich der DVU-Bundesvorsitzende zu Wahlkampfspenden auf. Im November wurden die ersten Hamburger DVU-Interessenten auch brieflich um Wahlkampfspenden ersucht. 1.5.3 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) nebst Jugendorganisation 1.5.3.1 NPD Die 1964 gegründete NPD ist die älteste bestehende rechtsextremistische Partei in der Bundesrepublik. Zu der rassistischen und nationalistischen Richtung der letzten Jahre sind in diesem Jahr deutliche wirtschaftsund europapolitische Akzente hinzugekommen. Diese Verlagerung politischer Betätigungsschwerpunkte ist Ausdruck einer neuen Kursbestimmung nach Führungsquerelen und der Wahl eines neuen Bundesvorstandes. Der langjährige und mit revisionistischen Aussagen hervorgetretene Vorsitzende Günther DECKERT - im September 1995 zeitweilig amtsenthoben und seit dem 08.11.95 wegen Volksverhetzung seiner Ansicht nach in "politischer Gefangenschaft" - wurde auf dem Bundesparteitag im März abgewählt. Neuer Vorsitzender ist Udo VOIGT. 84 Der Bundesvorstand hat sich deutlich verjüngt. Die jetzt stärker im Parteivorstand repräsentierte NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) hat einen auch nach außen wirksameren Einfluß auf die Mutterpartei erlangt. DECKERT - seinem Nachfolger nur knapp unterlegen - wurde auf VOIGTs persönlichen Vorschlag einer von drei stellvertretenden Vorsitzenden. Die Hamburger NPD kommentierte indirekt VOIGTs Wahl in ihrem Parteiorgan "Hamburger Nationaldemokraten" (HN, Sommer 1996) unter Hinweis auf "einige" nicht wiedergewählte langjährige "prominente Vorstandsmitglieder" lakonisch und dennoch vielsagend: "Ein verjüngter Bundesvorstand, der sich beweisen muß. " Der Artikel ersparte sich Glückwünsche an den neuen Bundesvorsitzenden und sprach von zwei Lagern auf einem kontroversen Parteitag. Dies läßt darauf schließen, daß es in der Landesverbandsführung dem "DECKERT-Lager" zuneigende Kräfte gibt. Der NPD-Bundesparteitag fiel zeitlich mit den Landtagswahlen am 24. März in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg zusammen, zu denen die NPD nicht antrat. Der Landesverband Baden-Württemberg der NPD hatte im November 1995 entgegen ursprünglichen Planungen aus " Protest gegen das herrschende System " auf eine Teilnahme verzichtet. Dessenungeachtet trat der "politische Gefangene" DEKKERT als Einzelbewerber in Weinheim an. In Rheinland-Pfalz kam die NPD auf 0,4 % der Stimmen. Die anhaltenden Wahlmißerfolge bestärkten VOIGT, künftig Bündnisse anzustreben. Das Parteiorgan "Deutsche Stimme" Nr.3/4-96 berichtete, VOIGT habe den Vorsitzenden der "Republikaner" und der DVU zu ihren Ergebnissen in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein gratuliert. Für bundesoder europaweite Erfolge würde jedoch bis zur nächsten Bundestagswahl eine bundesweit agierende Liste aller Nationalen benötigt. Diese Linie entspricht einem NPD-Parteitagsbeschluß, der eine Wahlplattform "Bündnis Deutschland" unter Einschluß der "Republikaner" und der DVU anstrebt. Ein erster bündnispolitischer Test waren die Kommunalwahlen am 15. September in Niedersachsen. Die NPD trat nur in einigen ausgesuchten Bezirken an. Im Landkreis Stade dominierte sie ein "Bündnis Rechte" (O 1.5.6), an dem sich neben Mitgliedern der "Republikaner" auch unabhängige Kandidaten beteiligten. Das Bündnis erreichte 1,7 % der Stimmen und stellt einen Kreistagsabgeordneten. Dieser scheinbare bündnisstrategische Teilerfolg der NPD kehrte sich schon bald ins Gegenteil: Die "Republikaner" schlossen ihre am "Bündnis" beteiligten Mitglieder kurzerhand aus der Partei aus. Seit seinem Amtsantritt bemüht sich der NPD-Vorsitzende, die Partei neu zu ordnen und ihr mit veränderten Agitationsschwerpunkten ein neues Gesicht zu verleihen. Ob und inwieweit ihm dies in den einzelnen Landesverbänden gegen den nach wie vor Einfluß nehmenden Vorgänger DECKERT - insbesondere nach einer Haftentlassung - gelingen wird, bleibt abzuwarten. Schwerpunkte seiner politischen Linie nannte VOIGT am 27. März auf einer Pressekonferenz in München: Einstellung des überbe85 tonten und nachteiligen DECKERT'sehen Revisionismus, Unterstützung rechter Einigungsbestrebungen, Schritte zur Zusammenarbeit unter den Vorständen von Parteien und Gruppen des "Nationalen Lagers", Erarbeitung einer "nationaldemokratischen" Lösung sozialer Probleme, elektronische Vernetzung und erhöhte Internet-Präsenz, insbesondere aber eine Aufwertung und ein gesteigerter politischer Einsatz der NPDJugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN). Anstelle innerparteilicher Fronten verlangte VOIGT ein neues " Wir-Gefühl", das auf andere "Nationale" ausstrahlen soll. Die gesamte NPD müsse darum kämpfen, den "Etablierten" die "heuchlerische Maske" herunterzureißen, mit einer neuen Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung das alte System hinwegzufegen und wieder ernsthaft die Machtund Führungsfrage stellen. Als Anfangserfolg dieser Strategie werten NPD und JN ihre Mai-Kundgebungen. Getreu der vom NPD-Vorsitzenden geforderten " Verbesserung ihres politischen Wirkens" hatten die JN den "gesamten nationalistischen Widerstand" zu einer MaiKundgebung nach Nürnberg aufgerufen. Diese Veranstaltung wurde zwar verboten, jedoch konnten die JN in Berlin im Arbeiterviertel Marzahn mit 400 Teilnehmern (u.a. Personen aus neonazistischen "Kameradschaften") eine Kundgebung mit dem JN-Bundesvorsitzenden Holger APFEL und " weiteren Rednern aus dem patriotischen Lager" durchführen. VOIGT sprach auf einer Spontankundgebung in Kulmbach. In der "Deutschen Stimme" (DS) Nr. 11/96 berichtete der auch dem NPD-Partei vorstand angehörende DS-Redakteur Holger APFEL über das Bonner " Deutschlandtreffen" der NPD vom 3. Oktober. Etwa 250 Nationaldemokraten hätten "für das Bekenntnis zur gesamten deutschen Nation in seinen historischen Grenzen wie auch gegen das unsoziale Sparpaket und die internationalistische Europapolitik der Bundesregierung" demonstriert. Der Parteivorstand habe beschlossen, nicht mehr am Tag der "imaginären deutschen 'Einheit', sondern einhergehend mit der aktuellen politischen Akzentuierung der NPD als Partei der wirtschaftsund sozialpolitischen Erneuerung das bundesweite Deutschlandtreffen am I.Mai, dem Tag der Arbeit, durchzuführen". Der 1. Mai 1997 müsse nach dem Erfolg der JN am 1. Mai 1996 der "zentrale Aktionstag aller Nationaldemokraten werden". Passend zu ihrer gesteigerten Anti-EU-Betontheit bezeichnete sich die NPD in der DS als "Die DM-Partei" und polemisierte gegen die Einführung einer einheitlichen europäischen Währung. Laut VOIGT plane der Staat mit der Euro-Währung eine absichtliche Geldentwertung, um so seine Schulden auf Kosten des "kleinen Mannes" abzubauen. Die teilweise moderat verkleidete und verständliche wirtschaftliche und soziale Ängste der Bürger ansprechende neue Agitationslinie der NPD ist ein Versuch, von unveränderten verfassungsfeindlichen Bestrebungen abzulenken. Fundamentaloppositionelle rechtsextremistische Zielsetzungen und gegen die freiheitliche demokratische 86 Grundordnung gerichtete Absichten versuchte die NPD bisher verbal zu verschleiern. Unter ihrem neuen Vorsitzenden wurden diese Ziele jetzt deutlicher. Der dem Programmparteitag Anfang Dezember zur Abstimmung vorgelegte Programmentwurf erschien im November im Internet. Er belegte trotz des angesagten Themenwechsels unverändert revisionistische Inhalte und forderte - richtungsverdrehend - eine Ächtung der "Geschichtsklitterung" zum Nachteil Deutschlands. Man wehre sich gegen die "moralische Selbstvernichtung unserer Nation", einseitige Schuldzuweisungen zu Lasten Deutschlands, gegen die "Aufwertung des Landesverrats" und " Verherrlichung aliierter Kriegsverbrecher". Erstmals schrieb sich die NPD revisionistische Positionen unverschleiert direkt ins Parteiprogramm und konterkarierte so ausgerechnet unter VOIGTs Ägide die von ihm gerade eben vorgezeichnete Revisionismusabkehr. Laut Programmentwurf erstrebt die NPD eine " raumorientierte Volkswirtschaft " und einen auf Enteignung ausländischer Unternehmen in Deutschland hinauslaufenden Kurs, da diese " dem deutschen Volk, seiner materiellen Sicherung und seiner geistigkulturellen Entwicklung zu dienen" hätten. Auch gegen Ausländer gerichtete Komponenten kommen im Entwurf deutlicher als bisher zum Vorschein. Die NPD fordert pauschal die "Ausgliederung" aller Ausländer aus dem deutschen Sozialversicherungssystem, denn Sozialpolitik bedeute nur die Solidarität des Volkes mit " seinen " Angehörigen. Die zeitweilig angespannte finanzielle Lage der NPD hat der neue Vorstand weitgehend konsolidiert. Der ehemalige Schatzmeister während der "DECKERT-Ara" wurde am 6. Juli u.a. "wegen erheblicher finanzieller Unregelmäßigkeiten" aus der Partei ausgeschlossen. In der DS 12/96 wurde von Zwangsvollstreckungsund Pfändungsversuchen gegen die NPD in diesem Jahr berichtet. Dank einer geerbten Immobilie in Eningen (Baden-Württemberg) sei die Partei wieder liquide. Trotzdem bat der Vorstand um eine "Kampfspende" - nicht zur Schuldenabtragung, sondern "um in die politische Offensive zu gehen". Der Mitgliederschwund wurde gestoppt. Auf ca. 3.500 Mitglieder im Sommer folgte bis zum Jahresende ein leichter Anstieg. Der Kreisverband Leipzig, dessen Vorsitzender auch stellvertretender Bundesvorsitzender ist, meldete in der DS Nr. 10/96 Neueintritte und Leipzig mit 113 Mitgliedern als jetzt größten Kreis verband. Unter VOIGT hat sich auch der innerparteiliche Zwist gelegt. Die Querelen in der Mitgliedschaft und im Parteivorstand haben sich im Laufe des Jahres abgekühlt, zumal der neue Vorsitzende seinem Vorgänger DECKERT für den Zeitpunkt nach seiner Haft Neuwahlen zusicherte. Gleichwohl wettert DECKERT aus dem Gefängnis heraus gegen den "aus dem Putsch hervorgegangenen Jetzt-Vorsitzenden", der trotz "Ankündigungswirbels" nicht einmal dem Bundesparteitag im Dezember den Entwurfeiner "Neuen Ordnung" vorgelegt habe - eine Anspielung auf VOIGTs regelmäßige DS-Kolumnen unter der Losung "Für eine neue Ordnung". Dort plauderte der NPD-Vorsitzende im August u.a. aus, was nicht in sein Frauenbild paßt: 87 "Ich mag weder die schmuddeligen 'Schlampen' in ihren figurversteckenden übergroßen Wollpullovern, die sich Frauen nennen und vor lauter Selbstverwirklichung, anerzogener Kollektivschuldgefühle und 'Mein Bauch gehört mir - Bewußtsein ' ihre von der Natur zugedachte Rolle als Frau und Mutter verleugnen, - noch mag ich ein politisches System, das solche 'Früchtchen ' erzieht. " Der Landesverband Hamburg wird weiter von Ulrich HARDER geführt. Auf dem Landesparteitag am 19. Mai in Anwesenheit VOIGTs bescheinigte der Finanzbericht einen "schuldenfreien, aber armen Landesverband", der sich - "bedingt durch das Versagen der Bürgerschaftsparteien" - im Aufwind sieht. Der Parteitag sollte der Standortbestimmung und Zukunftsplanung dienen. HARDER gab bekannt, daß der Landesverband an der Bürgerschaftswahl 1997 in Hamburg teilnehmen wolle. Eine eigenständige Kandidatur wäre nur eine Notlösung, wenn kein Wahlbündnis zustandekomme (O 1.5.7). Die DS berichtete im November, die von der NPD gesuchten Gespräche mit der DVU und den "Republikanern" seien bereits im Ansatz gescheitert. Die beiden bündnisabgeneigten "rechten" Parteien ließen jedoch verlautbaren, sie würden es begrüßen, wenn die NPD zu ihren Gunsten Wahlverzicht üben würde - ein für den NPD-Parteivorstand "fauler Kompromiß", der dieser " Traditionspartei der deutschen Rechten" noch nie etwas gebracht habe. Generalsekretär Udo HOLTMANN (Landesvorsitzender Nordrhein-Westfalen) leitet den Bürgerschaftswahlkampf"Führungsstab ". Die Hamburger NPD rühmt sich zwar intensivierter Flugblattaktionen. Öffentlich wurden sie aber kaum wahrgenommen. Im Parteiorgan "Hamburger Nationaldemokraten " (HN) holte HARDER zum Rundumschlag gegen alle im Bundestag vertretenen Parteien aus: Nicht nur die Politik der CDU sei verkehrt, sondern die der "ganzen Bonner Veranstaltung". Das vom Volk gewählte Parlament und seine Abgeordneten als " Veranstaltung" zu bezeichnen, verrät das Demokratie Verständnis des Hamburger Landesvorsitzenden. HARDER scheute sich auch nicht, Parolen wie "Gebot der Stunde - Ausländerstop" oder "AUSLÄNDER STOP - Hände weg von deutschen Arbeitsplätzen " in den HN zu verantworten. Es erhebt sich die Frage, ob diese möglicherweise auf HARDERS Doppelfunktion (zugleich Vorsitzender der "Hamburger Liste für Ausländerstopp" (HLA, O 1.5.4)) zurückzuführenden - HLA-gefärbten - Einlassungen des Landesvorsitzenden mit der Partei abgestimmt sind oder auf Eigenmächtigkeit beruhen. Der ca. 80 Mitglieder zählende Hamburger Landesverband befindet sich in einem desolaten Zustand. Lediglich der Kreisverband Hamburg-Altona ist arbeitsfähig. Bergedorf hat keinen eigenen Kreisverband, die anderen fünf sind relativ inaktiv. Auch der Kreisverband Hamburg-Harburg konnte mk dem zweimaligen Erscheinen der "Harburger Stimme" diesem Eindruck nicht begegnen: Das vom Landesvorsitzenden 88 herausgegebene Info enthält lediglich einen Abklatsch der " Hamburger Nationaldemokraten " (HN). 1.5.3.2 Junge Nationaldemokraten (JN) Die "Jungen Nationaldemokraten" (JN) sind die Jugendorganisation der NPD. Ihre in diesem Jahr auf bundesweit etwa 200 angewachsenen Mitglieder sind zur aktiven Mitarbeit in den Parteigremien der NPD verpflichtet und haben sich papiermäßig zur Zielsetzung und Programmatik der NPD zu bekennen. Dort hat sich ihr Einfluß erheblich verstärkt: JN-Mitglieder wurden in den NPD-Bundesvorstand aufgenommen. Der JN-Bundesvorsitzende Holger APFEL sowie andere führende JN-Bundesvorständler waren in die Erarbeitung des vom NPD-Vorsitzenden VOIGT vorgezeichneten neuen Parteiund Bündniskurses eingebunden. Die JN sehen sich als Kern einer "nationalen Jugendbewegung"', die das Leitbild des "politischen Soldaten" (Kader) verkörpert: Eine von Idealen angetriebene, nach Erfüllung ihres politischen Kampfauftrages strebende Elite. Die herauszufilternden Kader müssen bereit sein, "unerbittlich" zu kämpfen und einen radikalen politischen Aktivismus zu entfalten. In einem Artikel des nationalistischen Infoblattes "Der Aktivist" vom 2. August, deren Inhalt laut Impressum der weltanschaulichen Linie des JN-Bundesvorstandes entspricht, führte APFEL dazu aus: " Wer in den Reihen der JN kämpft, hat die Pflicht, sich in den Dienst der Gesamtorganisation zu stellen und in diesem Zusammenhang zu jeder Zeit die Geschlossenheit der Organisation nach außen und nach innen zu wahren. Oberstes Prinzip unserer Bewegung ist die Organisationsdisziplin, bei der gegebenenfalls eigene eventuell abweichende Meinungen in Detailfragen unter die vom JN-Bundesvorstand vorgegebene einheitliche Grundlinie unterordnen zu sind. Wer hierzu nicht bereit ist, muß sein Dasein in unserer Organisation überdenken. " (Fehler im Orig.) Die JN verstehen sich als Fundamentalopposition, deren oberstes Ziel die Beseitigung des herrschenden politischen Systems in der Bundesrepublik ist. Zusammen mit der NPD wollen sie letztendlich den Aufstand des "radikalisierten", zu einer "Bewegung" gebündelten " Volkswillens" gegen das etablierte Parteiensystem steuern und eine "nationale Volksherrschaft" errichten. So heißt es in einem "Plädoyer für den revolutionären Weg" in "Der Aktivist" (August 1996), mit der Verschärfung sozialer Fragen werde "die Revolution wahrscheinlich" und die "Chance für eine revolutionäre Kampfpartei" wachsen. Diese Wunsch Vorstellungen der JN haben mit der Realität wenig zu tun. 89 Nach den Verboten neonazistischer Organisationen (O 1.4.1) versuchten viele Betroffene, ihre politischen Aktivitäten in das Umfeld der JN zu verlagern. Einige dieser Neonazis sehen die JN nur als Trittbrett zur Beförderung eigener Interessen und sind an einer Mitgliedschaft - wenn überhaupt - nur aus taktischen Gründen interessiert. Führende JN-Kader stehen dieser Annäherung positiv gegenüber, weil sie sich durch eine Zusammenarbeit ein erhöhtes Mobilisierungspotential für eigene Veranstaltungen ausrechnen. Steffen HUPKA (ehemals "Nationalistische Front") oder Markus PRIVENAU (vorher FAP und "Deutsche Alternative") - ehemals Exponenten verbotener neonazistischer Organisationen - besetzen in der JN mittlerweile führende Positionen. Andere Neonazis hatten sich zielstrebig in einem die JN interessierenden Bewegungsumfeld eingerichtet, von wo aus sie in diesem Jahr teilweise massiven Einfluß auf die Organisation und die Aktivitäten der JN nahmen. Die zunehmende Einbindung neonazistischer Aktivisten in JN-interne Entscheidungsprozesse führte zu Auseinandersetzungen. Der JN-Landesvorsitzende Hamburg, Jan ZOBEL, war mit dem Öffnungskurs des Bundesvorstandes nicht einverstanden. Er war als Herausgeber für die Ausgaben 14 - 16 der Zeitschrift "Einheit und Kampf (EuK) presserechtlich verantwortlich. Der Redaktion gehörte neben dem JN-Bundesvorsitzenden APFEL auch der ehemalige FAP-Funktionär Andre GOERTZ an. Letzterer möchte nach einer taktisch motivierten Ausklammerung einiger NS-Bezüge auf sich den Begriff "Neonazi" nicht mehr angewendet wissen. Er erlangte 1995/96 maßgeblichen Einfluß auf die Hamburger JN. In den o.g. EuK-Ausgaben wurde der von GOERTZ kreierte "Progressive Nationalismus" als "politische Strömung der nationalen Verbände in Norddeutschland" beschrieben. Er empfahl eine Abkehr von altrechten Themen wie Antisemitismus und forderte einen anderen Umgang mit revisionistischen Positionen: So sei es z.B. "unangebracht", daß ein Parteivorsitzender eine Gefängnisstrafe in Kauf nehme (Anspielung auf den Ex-NPD-Vorsitzenden DECKERT), " nur weil er die Geschichte umschreiben" wolle. Die Zersplitterung der nationalen Rechten hänge mit der Einmischung von Altfunktionären zusammen, die bei Bündnisbemühungen sofort darauf pochen: "Einheit ja, aber nur unter dem Dach unserer Partei!" Für "progressive Nationalisten" zähle nur der politische Wille und Einsatz, eventuelle Parteibindungen seien vollkommen gleichgültig (Fehler im Original): "Hier wird echte Solidarität praktiziert, hier herrscht Kameradschaft, weil man das gemeinsame Ziel der Systemalternative vor Augen hat. Harder und Zwistigkeiten in den eigenen Reihen nützen nur den Herrschenden und erfreuen die Medien. ". 90 Die "progressiven Nationalisten" erteilten glatzköpfigen Neonazis mit ihren "Bomberjacken und Springerstiefeln" eine klare Absage. Um die "Mehrheit unserer Landsleute" überzeugen und ihre Sympathie gewinnen zu können, müsse ihre Aufmerksamkeit auf zukunftsweisende, nicht die Vergangenheit reflektierende Aussagen und Inhalte gelenkt werden. Wolle man sich aus dem eigenen Ghetto lösen, müsse der "einfache Bürger" in Versammlungen geholt werden, "...werden wir uns von denen trennen müssen, die meinen, ihr Kleidungsfetischismus bedeute nationale Politik. " Solche Worte und einige andere EuK-Beiträge stießen innerhalb der JN auf Unmut. APFEL entdeckte in diesen, seinen Redaktionskollegen ZOBEL und GOERTZ angelasteten Artikeln ein unzulässiges Abweichen von der offiziellen politischen Linie der JN und sah sich als Bundesvorsitzender zur Klarstellung genötigt {"Der Aktivist", Nr.2/96 v. 02.08.96): Nicht die EuK sei Sprachrohr des JN-Bundesvorstandes, sondern immer noch "Der Aktivist". Gleichwohl sei EuK " unsere Zeitung", der Bundesvorstand lasse eine "nicht organisationskonforme" Instrumentalisierung nicht zu. In der Tat blieb die Nr. 16 (Juni) bis Jahresende die letzte veröffentlichte EuK-Ausgabe. Die sich "progressiv-nationalistisch" gebenden EuK-Schreiber wurden abgelöst. Als vorläufig letzten Disziplinierungsakt löste der Bundesvorstand am 18.01.97 den Hamburger JN-Landesverband auf und suspendierte den für die letzte EuK-Ausgabe mitverantwortlichen stellvertretenden Bundesvorsitzenden Andreas STORR. Fazit: Indem der Bundesvorstand Gegner der Kooperation von JN und Neonazis entmachtete, machte zugleich die zunehmende Einflußnahme der Neonazis offenkundig. Es zeigte sich, daß Holger APFEL und weitere führende JN"Kader " zunehmend in die Fixierung von Zielen und Inhalten sowie in Aktionen der NPD eingebunden waren. Unter der Überschrift "Am 3. Oktober gehörte der NPD in Bonn die Straße" berichtete APFEL in der DS vom November über das NPD-Deutschlandtreffen am Tag der Deutschen Einheit. In Zukunft werde nicht mehr der " Tag der imaginären deutschen 'Einheit'", sondern einhergehend mit "der aktuellen politischen Akzentuierung der NPD als Partei der wirtschaftsund sozialpolitischen Erneuerung" der 1. Mai zentraler Aktionstag aller Nationaldemokraten. Den entscheidenden Hintergrund dieser zeitlichen und inhaltlichen Verlagerung dürfte die reibungslos "in einem roten Arbeiterviertel" durchgezogene und als Erfolg gefeierte diesjährige JN-Mai-Kundgebung in Berlin abgegeben haben, die ebenso wie der diesjährige JN-Bundeskongreß unter dem Motto "Gegen System und Kapital - unser Kampf ist national" stand. Organisator war der inzwischen entmachtete Andreas STORR, der neben APFEL den als "progressiven Nationalisten" ausgewiesenen GOERTZ als Redner hinzugeladen hatte. Die JN nutzte im vergangenen Jahr aktuelle soziale Themen und Probleme zur öffentlichen Selbstdarstellung. In Bremen versuchte sie unter der Losung ,^4rbeiterverräter - Wir kriegen euch alle!" von der Krise um die Vulkanwerft zu profitieren. 91 In verschiedenen deutschen Städten nutzten die JN Konzertveranstaltungen eines wegen Drogenmißbrauchs verurteilten Liedermachers als Aufhänger für eigene Veranstaltungen unter dem Motto "Keine Macht den Drogen ". In Berlin organisierten sie am 23. November eine Demonstration "Meinungsfreiheit für nationale Bürger - gegen linke Gewalt! " Auch traditionelle Aktionsfelder, wie das bisher vorwiegend neonazistisch besetzte Gedenken an den "Märtyrer" und "Friedensflieger" Rudolf HESS, wurden nicht vernachlässigt. Die Tatsache, daß der Hamburger JN-Landesverband gemeinsam mit STORR und seinen Gefolgsleuten nicht an der zentralen "HESS-Veranstaltung" in Worms teilnahm, sondern in Rostock eine nicht autorisierte eigene Aktion durchführte, verschärfte die Auseinandersetzungen innerhalb der JN. Einem in der " Öffentlichkeitsarbeit" der JN obligaten Anliegen dienten gemeinsame Aktionen mit der NPD und anderen "Nationalen" gegen die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht" in verschiedenen Städten. Im September fand in Sachsen-Anhalt der 3. Europäische Jugendkongreß der JN statt. Sowohl der Vorsitzende der NPD, Udo VOIGT, als auch Holger APFEL verdeutlichten in ihren Reden den Willen zu einer europaweiten Vernetzung aller Nationalisten (Zielrichtung: O vgl. Einleitung zu 1.8.1 sowie dort nachfolgende Ausführungen unter "Frankreich"). Zwar nahmen Vertreter aus mehreren europäischen Ländern sowie den USA teil und plädierten einhellig gegen eine "One-World-Gesellschaft" und für das "Selbstbestimmungsrecht aller europäischer Kulturvölker", jedoch war in diesem Umfeld von Zusammenarbeit vor und nach dem Kongreß im Prinzip nichts zu spüren. Die JN nutzen vermehrt das Internet für die Verbreitung ihrer Thesen, die sich unter anderem dem Nationalismus, Regionalismus und der Volksherrschaft widmen. Ein "kulturelles Manifest" sowie "Jugendpolitische Leitlinien" der JN sind im Internet abrufbar. Öffentliche Diskussionen bewirkten diese Publikationen jedoch kaum. Der Hamburger Landesverband dürfte sich bis zu seiner Auflösung gegenüber dem Vorjahr unverändert bei etwa 10 Mitgliedern bewegt haben. Er stand - gerade unter dem maßgeblichen Einfluß von Andre GOERTZ - im Zeichen von Auseinandersetzungen mit ehemaligen Mitgliedern der verbotenen "Nationalen Liste" (NL). Den eigentlichen politischen Bestrebungen dienliche Aktivitäten in und um Hamburg blieben dabei weitgehend auf der Strecke. GOERTZ wurde zur Zielscheibe einer Hetzkampagne (u.a. im Internet). Er habe auf "gemäßigte JN-Funktionärskreise im Norden" zunehmend Einfluß gewonnen. Die Stimmungsmache gipfelte in Entrüstung, "...daß solchen Dreckschweinen der Hahn innerparteilich nicht zugedreht wird" und dem Appell "Kameraden der NPD/JN: es liegt an Euch!!! Sprecht Euch mit den verantwortlichen Stellen ab, denn eine Person Andre Goertz schadet der Glaubwürdigkeit Eurer Partei!!!". GOERTZ konterte in der Mailbox " Widerstand" dieses als "feigen Versuch", unter dem Deckmantel von Pseudonymen gegen seine Person zu hetzen, 92 und mit einer Selbsteinschätzung: Man könne ihm "hier und da aufs Maul hauen", das unterstreiche aber nur, "daß man mir politisch nicht gewachsen ist". Ein relativ großes Echo in der Öffentlichkeit erregte die vorübergehende Weigerung einiger Lehrer, Jan ZOBEL die Abiturprüfung abzunehmen. Auf öffentliche Empörung stieß eine mit "Au Backe" betitelte angebliche "Schülerzeitung". Sie wurde vor den Sommerferien an einigen Hamburger Schulen verteilt und von ZOBEL presserechtlich verantwortet. Die Schulbehörde geht davon aus, daß es sich bei dem Blatt um politische Werbung an Schulen handelt, die - soweit sie mit dem Bildungsund Erziehungsauftrag der Schule in Einklang steht - nur wirklichen Schülerzeitungen erlaubt ist. "Au Backe" werde jedoch nicht von Schülern gemacht und sei daher keine Schülerzeitung. Zur Zeit ist noch unklar, in welcher Form die Mitglieder des aufgelösten JN-Landesverbandes ihre "politische" Arbeit in Zukunft fortführen werden. Eine von ZOBEL am 24.01.97 lancierte Meldung in der "tageszeitung", man wolle versuchen, Personen in der Hamburger FDP " unterzubringen ", ist als nicht ernsthaft anzusehen. 1.5.4 Hamburger Liste für Ausländerstopp (HLA) Die HLA wurde 1982 auf Initiative Hamburger NPD-Funktionäre und mit der Unterstützung des NPD-Parteivorstandes gegründet, um an der im gleichen Jahr stattfindenden Bürgerschaftswahl teilzunehmen. Sie versteht sich als Zusammenschluß Hamburger Bürger deutscher Nationalität und gibt vor, sich mit demokratischen Mitteln an der Bekämpfung politischer Mißstände beteiligen zu wollen. Ihr Vorsitzender ist nach wie vor Ulrich HARDER, der zugleich auch Hamburger NPD-Landesvorsitzender ist. Die Ursache nahezu aller gesellschaftlichen Probleme liegt nach dem politischen Verständnis der HLA in der Anwesenheit von Ausländern in Deutschland. Beschränkte sich die HLA in ihrer politischen Agitation bisher vorwiegend auf die Ausländerproblematik, sind in diesem Jahr insbesondere der Kampf gegen die Einführung einer einheitlichen europäischen Währung ("Euro") und die generelle "Maastrichtpolitik" hinzugekommen - Themen, zu denen mit teilweise identischen Parolen auch die NPD agiert. Die HLA hatte für die Hamburger Bürgerschaftswahl 1997 schon 1995 ein Bündnis aller Rechtsparteien in Form eines "Hamburg-Blockes" vorgeschlagen. Sie räumt diesem Bündnis aber selbst kaum Chancen ein, da zumindest die "Republikaner" - laut HLA-Nachrichten Winter 96/97 aus "Parteiegoismus" - kein Interesse zeigen. Andere Aktivitäten als die Verbreitung der in diesem Jahr erschienenen vier Ausgaben der HLA-Nachrichten wurden nicht bekannt. Die HLA-Nachrichten unterschieden sich sowohl in der Aufmachung als auch in der Themenwahl kaum von den 93 "Hamburger Nationaldemokraten" der NPD. Für beide Publikationen ist Ulrich HARDER presserechtlich verantwortlich, von dem somit die einzigen bekannten Aktivitäten der HLA ausgingen. In einem Kommentar (HLA-Nachrichten Winter 96/97) nannte HARDER als aktuell wichtige Frage, ob der Wirtschaftsstandort Deutschland von ausländischen Firmen und Arbeitern so bestimmt werde, " daß wir als Deutsche hier kaum noch unser Recht auf Arbeit verwirklichen können. Multikapital, Multikultur werden überwuchern, was einst Deutschland war". HARDER schloß seinen Kommentar: "Es ist Gefahr im Verzug!" 1.5.5 Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) Die 1991 von ehemaligen Mitgliedern der rechtsextremistischen Parteien NPD und "Republikaner" gegründete DLVH hat ihren Parteistatus aufgegeben und sich - unter Beibehaltung der Organisationsstruktur und -bezeichnung - in einen Verein umgewandelt. Ausschlaggebend für diesen Schritt war ihre fortlaufende politische Erfolglosigkeit. Der DLVH-Bundesvorstand sprach sich Mitte April für die Umkonstituierung aus, nachdem die Partei bei der schleswig-holsteinischen Landtagswahl am 24. März mit lediglich 0,2% der Stimmen eine deutliche Niederlage erlitten hatte. In einer Pressemitteilung verkündete die Parteispitze, daß die DLVH künftig nicht mehr neben anderen "patriotischen" Parteien zu Wahlen antreten werde. Die Wahlkonkurrenz rechter Kräfte sei den Wählern nicht zu vermitteln. Vielmehr müsse alles unternommen werden, die personellen, organisatorischen, publizistischen und finanziellen Potentiale der "demokratischen Rechten" zu bündeln und den begonnenen Einigungsprozeß erfolgreich abzuschließen. Mit der Umwandlung der DLVH in einen Verein sollten die Spielräume für neue Initiativen erweitert werden. Die Bereitschaft zum Verzicht auf den Parteistatus folgte nicht nur der Einsicht in die Perspektivlosigkeit eigener Wahlteilnahmen. Sie trug auch dem Umstand Rechnung, daß die Mitgliederzahl der DLVH von rund 900 auf deutlich unter 800 gesunken war. Versuche, über regionale "Runde Tische" ein organisationsübergreifendes "nationales " Bündnis zu schaffen, waren bei den Spitzen der bedeutenden anderen rechtsextremistischen Parteien {"Republikaner", DVU) kaum auf Resonanz gestoßen. Selbst an den Parteibasen, die die rechte Einigung mehrheitlich befürworten, kühlte das Interesse an " Runden Tischen " nach anfänglicher Unterstützung deutlich ab. Vor diesem Hintergrund würde der Anspruch der DLVH, Motor einer Einigung des rechten Spektrums in der Bundesrepublik zu sein^ nach Auffassung des Bundesvorstandes nur eine realistische Zukunft haben, wenn der Parteistatus abgelegt und damit die Konkurrenzsituation zu anderen rechten Parteien beseitigt werden würde. 94 Auf dem 4. ordentlichen Bundesparteitag am 19. Oktober in Pfofeld/Bayern unterstützte die erforderliche 2/3-Mehrheit der anwesenden Mitglieder nach kontroverser Diskussion schließlich den Antrag des Bundesvorstandes zur entsprechenden Satzungsänderung. Ein verabschiedetes "Manifest" löste das bisherige Parteiprogramm ab. Es betont aber erneut die nationalistische, völkisch-kollektivistische Grundorientierung der DLVH. So agitiert sie gegen eine "maßlose und unkontrollierte Einwanderung, gegen Asylmißbrauch und Überfremdung" und bekennt sich zu einer " Wirtschaftsund Sozialordnung der nationalen Präferenz. Arbeitsplätze, Wohnraum und soziale Versorgung müssen vorrangig den Einheimischen zur Verfügung gestellt werden." Anstelle einer "schrankenlosen Freihandelsund Globalisierungspolitik" fordert sie eine "sozialpatriotische Solidargemeinschaft des Volksganzen. " Obwohl die DLVH laut "Manifest" daran festhält, eine "breite Bewegung des demokratischen Patriotismus" ins Leben rufen zu wollen, hat sie kaum Aussichten, die von ihr angestrebte " rechte Einheit " auch nur in Ansätzen verwirklichen zu können. Unabhängig von ihrem Status - Partei oder Verein - lehnen die Führungsspitzen der großen Rechtsparteien ein " nationales " Bündnis im allgemeinen (" Republikaner ") oder eine Zusammenarbeit mit der DLVH im speziellen (DVU) ab. Auch die von November 1995 bis März 1996 andauernde "Winteroffensive", die die Vernetzung der rechten Kräfte durch "Runde Tische" forcieren sollte, hat die weitgehende Isolierung der DLVH im rechten Lager nicht durchbrechen können. Ihre Bedeutung dürfte daher - wie bisher - vor allem auf die maßgebliche Beteiligung einiger ihrer Funktionäre an den überregionalen Publikationen "Nation & Europa1, sowie "Europa Vorn" beschränkt bleiben. Der Hamburger Landesverband der DLVH wurde am 02.11.91 gegründet und stagniert seitdem bei einem Mitgliederbestand von ca. 30 Personen. Zu diesen Mitgliedern zählen u.a. einzelne ehemalige Angehörige der verbotenen neonazistischen "Nationalen Liste" (NL), deren Eintritt in die DLVH durch die faktische Aufhebung des Unvereinbarkeitsbeschlusses gegenüber Neonazis möglich geworden war. Die politische Praxis der DLVH Hamburg reduzierte sich nahezu ausschließlich auf die interne Parteibzw. Vereinsarbeit. Lediglich auf dem Umweg über die regelmäßigen Kontakte zu dem aktiveren Landesverband Schleswig-Holstein traten Hamburger Mitglieder an die Öffentlichkeit. Anläßlich der dortigen Landtagswahl am 24. März halfen sie bei der Sammlung von Unterstützungsunterschriften und bei Flugblattverteilungen; darüber hinaus waren Hamburger Mitglieder in die Organisation einer Wahlkampfveranstaltung Anfang März in Koberg eingebunden. Die Anknüpfungsthemen im Wahlkampf - u.a. Steuerverschwendung, Arbeitslosigkeit sowie Zunahme von Kriminalität und Drogenmißbrauch - entsprachen den allgemein bevorzugten Agitationsschwerpunkten der DLVH. Die Hauptattacken ihrer politischen Propaganda richteten sich im abgelaufenen Jahr primär gegen die Bonner "Altparteien", denen im Hinblick auf soziale Problemstellungen völliges Versagen angelastet wird. 95 Im Rahmen der Bestrebungen, das rechte Spektrum zu einigen, fanden unter wesentlicher Mitwirkung des DLVH-Landesverbandes Schleswig-Holstein - in Anwesenheit auch einiger Hamburger Interessenten - am 22. September in Hartenholm und am 10. November in Nortorf Saalveranstaltungen eines " Bündnisses Rechts für Deutschland" statt. Es beteiligten sich jeweils rund 150 Personen. Nach eigener Darstellung verfolgt das Bündnis das Ziel, " Vertreter aller verfassungsmäßigen, sozialund nationalgerichteten Parteien, Verbände und parteilich ungebundenen Personen in Schleswig-Holstein " zusammenzuführen. 1.5.6 Einigungsbestrebungen Die rechtsextremistische Szene beklagte ihre anhaltend desolate und zerstrittene Verfassung. Neben bloßen Unmutsbekundungen wurden eine breite Skala unterschiedlicher Einigungsappelle, Vorschläge und Initativen entwickelt, diese Misere zu beenden. Es meldeten sich erneut sowohl nicht organisationsgebundene Einzelpersonen als auch Mitglieder und Führungspersonen rechtsextremistischer Organisationen zu Wort. Die 1995 mit Elan eingeleiteten Einigungsinitiativen zur Sammlung des rechtsextremistischen Spektrums wurden, allerdings weniger schwunghaft, fortgesetzt bzw. um einige neue Ansätze erweitert. Sie gehen davon aus, sich dem zunehmend greifenden staatlichen Verfolgungsdruck nur aus einer Position der Stärke heraus widersetzen zu können. Der aus gemeinsamen Wahlauftritten erhoffte Stimmengewinn soll sich am Ende als Machtgewinn auszahlen. Unterschiedlich intensive, in den Ansätzen vielfältige Vorstöße gingen von allen größeren rechtsextremistischen Parteien, Vereinen und Gruppierungen aus. Je unbeweglicher dabei an Führungsund Alleinvertretungsansprüchen festgehalten wurde, umso dürftiger waren die Erfolgsaussichten. Fast alle rechtsextremistischen Parteien haben ihre Abgrenzungsbeschlüsse gegenüber anderen Organisationen formal oder konkludent aufgehoben bzw. beachten sie einfach nicht mehr. Die "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH O 1.5.5) erklärte Ende 1995 per Satzungsänderung die "generelle Vereinbarkeit" einer Mitgliedschaft in der DLVH - unabhängig von Zugehörigkeiten zu "anderen" Staatsund verfassungskonformen Parteien oder "sonstigen volkstreuen politischen Organisationen". Der Abgrenzungsbeschluß der NPD (O 1.5.3) gilt zwar offiziell noch, wurde praktisch aber nicht mehr angewandt. Die DVU (3 1.5.2) grenzt sich nur noch gegenüber neonazistischen Personen ab, insbesondere gegen ehemalige Angehörige verbotener Gruppen. Lediglich die Bundesführung und einige Landesvorstände der " Republikaner" ( 5 1.5.1) nahmen vereinzelte Regelwidrigkeiten zum Anlaß, ihren Abgrenzungsbeschluß in wiederholten Verlautbarungen und Bekräftigungen der Bundesführung für absolut gültig zu erklären, Annäherungen, Absprachen oder andere Formen von Zusammenarbeit mit Parteien und Gruppierungen der sog. "Alten Rechten" oder gar mit Neonazis abzulehnen. 96 Unter verschiedenen Zusammenarbeitsformen wurde das Modell sog. regionaler oder örtlicher " Runder Tische " am häufigsten kopiert. In solchen Gesprächsrunden setzten sich Vertreter unterschiedlicher Organisationen auch mit Unorganisierten zusammen. Die Bandbreiten der Diskutanten erstrecken sich von Mitgliedern der "Republikaner" über militante Neonazis bis hin zu rechtsextremistischen Skinheads. Eine so erhoffte Überwindung von Berührungsängsten und gegenseitigen Blockierungen soll letztlich zur kontinuierlichen Zusammenarbeit überleiten und die Weichen für Wahlbündnisse stellen. Obwohl auch Parteifunktionäre bei den "Runden Tischen" mitwirken, tragen sie oftmals Züge einer Art Basisbewegung aus den mittleren und unteren Parteietagen heraus. Die Mehrzahl rechtsextremistischer Parteien und Organisationen toleriert oder unterstützt diese aus den eigenen Reihen kommenden Aktivitäten. Insbesondere die Führungsebenen bestehen jedoch darauf, daß die Eigenständigkeit der jeweiligen Organisation dadurch nicht zur Disposition gestellt wird. Die an "Runden Tischen" entwickelten Einheitsphantasien mußten dadurch auf Grenzen stoßen und nach anfänglichen Fortschritten zwangsläufig stagnieren. Ähnlich geartete Runden entstanden in mehreren Bundesländern, zuletzt in Schleswig-Holstein, auch unter Namen wie " Vereinigte Rechte" oder "Bündnis Rechte". In Bayern veranstaltete der Verein "Nation-Europa-Freunde e. V. " zusammen mit der DLVH unter dem Motto "Das Elend und neue Chancen der politischen Rechten" am 1. Februar in Würzburg den "/. Würzburger Runden Tisch" mit etwa 30 Teilnehmern. Zur " Lage und Zukunft der Rechtsparteien " traf sich am 27. April auf Initiative der DLVH in Augsburg ein weiterer "Runder Tisch" mit etwa 35 Teilnehmern. In Nordrhein-Westfalen führte der bereits im Oktober 1995 als regionaler Verbund "demokratischer Patrioten" gegründete "Förderkreis Bündnis Deutschland/Runde Tische NRW" in Mülheim und Krefeld Veranstaltungen durch: Am " /. Runden Tisch im Ruhrgebiet" nahmen am 2. März etwa 160 Rechtsextremisten teil, darunter als Stargast der ehemalige "Republikaner"-Bundesvorsitzende Franz SCHÖNHUBER. Die Veranstaltung am 22. September in Krefeld besuchten etwa 200 Personen. In seiner Zeitung "Forum Bündnis Deutschland" propagierte der "Förderkreis" noch die " Einheit der demokratischen Rechten " in einer anzustrebenden gemeinsamen Wahlpartei. Bereits im Oktober verlor sich der plakatierte "Patriotismus" in gegenseitigen Verdächtigungen, die Einheitsbestrebungen zur Durchsetzung von Führungsansprüchen zu mißbrauchen. Funktionäre der DLVH und der "Republikaner" initiierten den "2. Runden Tisch der Rechten in Rheinland-Pfalz" am 13. April in Ludwigshafen. Die Teilnehmer forderten ein Bündnis aller rechten Parteien und beschlossen eine an der " Pulheimer Erklärung" vom 02.09.95 orientierte Resolution zur Gründung des "Förderkreises Bündnis Deutschland/Runder Tisch Rheinland-Pfalz ". 97 In Niedersachsen kandidierte im September ein aus Anhängern der " Republikaner " und der NPD bestehendes "Bündnis Rechte" (O 1.5.3.1) anläßlich der Kommunalwahlen im Landkreis Stade und erzielte 1,7 % der Stimmen. Der Landesvorstand der "Republikaner" leitete gegen die Teilnehmer aus den eigenen Reihen Ausschlußverfahren ein. In Schleswig Holstein wurde Ende September auf einer Kundgebung mit etwa 150 Personen in Hartenholm das "Bündnis Rechts für Deutschland" gegründet. Es bot sich allen "sozial" und "deutschnational" gesinnten Menschen als gemeinsames parteiübergreifendes Forum zur " Bekämpfung der verfehlten Politik der Etablierten " an. Auf einer Veranstaltung des "Bündnisses" am 9. November wurden die etwa 150 Teilnehmer aufgefordert, auf ihre jeweiligen Stammorganisationen (Parteien, Vereine) einzuwirken und für eine Unterstützung der Bündnisinitiative zu werben. Es wurde eine Wählergemeinschaft als "Heimat aller Rechten" anvisiert. Als Hauptpromotor "Runder Tische" betätigte sich die DLVH. Der Bundesparteitag im Oktober beschloß die Umwandlung in einen Verein, um sich künftig verstärkt dem eigentlichen Gründungszweck als Sammlungsbewegung zu widmen. Die Statusänderung wurde als " Beitrag zur Einheit der demokratischen Rechten " hochgelobt. Einem zugleich verabschiedeten Manifest war zu entnehmen, daß die Organisation den mit "Runden Tischen" eingeschlagenen Weg rechtsextremistischer Vernetzung weiterverfolgt. Dem Parteitag schloß sich eine Gemeinschaftskundgebung mit etwa 500 Teilnehmern verschiedener rechtsextremistischer Parteien und Organisationen an. Gastredner Franz SCHÖNHUBER appellierte ein weiteres Mal, Streitigkeiten zu begraben und eine vereinigte "sozialpatriotische Opposition" gegen das Bonner "Parteienregime" zu mobilisieren. In diesem Sinne proklamierte die DLVH eine bundesweite "Winteroffensive" und organisierte dazu u.a. "Für Volk und Heimat - Opposition für Deutschland - Gemeinsam sind wir stark" ein Eröffnungstreffen am 22. November in Limburgerhof/Rheinland-Pfalz mit etwa 60 Teilnehmern. Angehörige der NPD beteiligten sich ebenfalls an "Runden Tischen". Um nicht ins Hintertreffen zu geraten und sich eine führende Rolle innerhalb rechter Bündnisse zu sichern, startete die NPD eine eigene Initiative unter dem anspruchsvollen programmatischen Schlagwort "Bündnis Deutschland". Alle "nationalen Kräfte" wurden zur Bildung einer neuen "nationalen Fundamentalopposition" - unter ihrer Führung - aufgerufen. Die NPD und ihre Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN O 1.5.3.2) sahen sich dabei als zentralen Kristallationskern eines "nationalen Aufbruchs" und Meinungsfuhrer im "nationalen Widerstand". Unter dem Banner "Bündnis Deutschland" soll zur Bundestagswahl 1998 eine einheitliche "patriotische" Liste antreten. Ideen, eine völlig neue Partei zu gründen, lehnte die NPD ab. Die DVU plädierte für einen " rechten Burgfrieden " und ein Ende " rechter Zersplitterung". Sie stünde für eine Zusammenarbeit mit allen "demokratischen nationalen 98 Rechten" zur Verfügung. Anders als die NPD, zog die DVU eine klare Trennungslinie gegenüber sogenannten "NS-Zirkeln", die nur zu Kriminalisierung und Verbot führten. Ebenso wie NPD-Anhänger sehen sich DVU-Angehörige an den "Runden Tischen" innerhalb der Bündnisbewegung als entscheidende Kraft. Hauptmotiv der DVU, sich auf Bündnisüberlegungen aktiv einzulassen, waren vorangegangene Wahlniederlagen. Insbesondere nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein (März) zeigte sich der DVU-Bundesvorsitzende in anscheinend moderater Offenheit gegenüber einer parteiübergreifenden Zusammenarbeit. Die daran geknüpften Bedingungen stellten sich jedoch für potentielle Partner bei genauerem Hinsehen als faktische Unterwerfung bzw. DVU-Vorherrschaft und somit letztlich unseriös heraus. Der ehemalige Bundesvorsitzende der "Republikaner", Franz SCHÖNHUBER, ließ keine Gelegenheit aus, im "patriotischen Lager" für eine Rückkehr zur "Fundamentalopposition", für einen "Waffenstillstand" und ein Ende konkurrierender Wahlantritte zu werben. Alle "sozialen, demokratischen und patriotischen Kräfte" - mit Ausnahme von Neonazis - sollten sich der Sammlungsbewegung anschließen. Im Juni meldete sich aus Thüringen erstmals ein " Franz-Schönhuber-Freundeskreis ", weitere " Freundeskreis "-Gründungen folgten. SCHÖNHUBERS "Freunde" trafen sich auf Gemeinschaftsveranstaltungen mit Funktionären und Mitgliedern anderer rechtsextremistischer Parteien und Organisationen mit bis zu 150 Teilnehmern getreu dem imperativen Motto: "Deutsche Patrioten an einen Tisch!". Auch SCHÖNHUBER betrachtet sich als Führungsfigur bei der Zusammenführung aller " Patrioten ". Die Bundesführung der "Republikaner" behauptete nach außen ihren strikten Abgrenzungskurs gegenüber allen anderen rechtsextremistischen Parteien der "Alten Rechten" sowie neonazistischen Gruppierungen. Wahlbündnisse, "Runde Tische" und andere Formen der Zusammenarbeit wurden kategorisch abgelehnt. Der Landtagswahlerfolg in Baden-Württemberg bestätige die Richtigkeit dieses Vorgehens. Sie seien die einzige rechte demokratische Partei mit parlamentarischer Verankerung. Diese Selbstzufriedenheit stößt in Teilen der Partei auf Widerstand. Insbesondere in den ostdeutschen Landesverbänden, woanders eher auf unteren Parteiebenen, besteht Bereitschaft, mit anderen rechtsextremistischen Organisationen zusammenzuarbeiten. Selbst im Bundesvorstand regte sich vorsichtige Kritik. So konstatierte der stellvertretende Bundesvorsitzende: "Mit Ausgrenzungen und Parteiausschlüssen der eigenständig Mitdenkenden (...) ist es auf Dauer nicht getan". Es bleibt allerdings festzuhalten, daß gegen mehrere Regelverletzer mit Ordnungsmaßnahmen und Ausschlußverfahren vorgegangen wurde. Die Absage der "Republikaner" wurde von den anderen rechten Parteien einhellig kritisiert, seitens der NPD gar ins Licht des Verrats gerückt: Der Abgrenzungskurs der "Republikaner" schade der "nationalen Opposition" und entlarve sich in Wahrheit als Versuch, sich dem "System" anzubiedern. 99 Nach den Verbotsmaßnahmen gegen Neonazis überraschte es nicht, daß die in ihren Wirkungsspielräumen stark eingeschränkte Szene äußersten Kooperationsbedarf erkennen ließ. Entsprechende Angebote bezogen sich insbesondere auf gemeinsame Veranstaltungsaktivitäten und die gegenseitige Unterstützung von Aktionen. Gemeinsame Themen ("Anti-Antifa", "Revisionismus", Widerstand gegen staatliche Repression, Gefangenenarbeit, "Heldengedenktag", Todestag Rudolf HESS) boten Anknüpfungsmöglichkeiten, um mit den sog. "Alten Rechten" aktionsbezogene gemeinsame Nenner zu finden. Bündnisbestrebungen im Dunstkreis rechtsextremistischer Parteien wurden von einigen Neonazis u.a. durch Teilnahme an "Runden Tischen" unterstützt, soweit sie eigenen strategischen Vorstellungen nicht zuwiderliefen. Andere verhielten sich desinteressiert. In einer von Neonazis angestrebten, bisher nicht einmal ansatzweise verwirklichten " Volksfront von rechts " (Christian WORCH) wäre es allerdings undenkbar, daß die Neonaziszene auf eine eigenständige Rolle verzichten und sich unter das Zepter nationaler Parteien begeben würde. Die nach dem Wegfall eigener Organisationshüllen gefaßte Absicht, andere Gruppen zu unterwandern und zu beeinflussen, wird weiterverfolgt. In den Zielorganisationen ist diese Absicht durchaus bekannt. Die von Neonazis ausgehende erhöhte Radikalität birgt erhebliche Risiken und gefährdet den Parteifrieden. Insbesondere die um ihr öffentliches Erscheinungsbild besorgten Wahlparteien begegnen den Neonazis daher - von punktuellen Unbekümmertheiten abgesehen - überwiegend vorsichtig. Unter diesen Umständen haben sie sich auf eine kontinuierliche Zusammenarbeit bisher nicht eingelassen. Einzig die NPD vollzog eine bemerkenswerte Kehrtwende gegenüber eintrittswilligen NS-Anhängern. Hamburg stach am Jahresende gleichsam als einer der wenigen "weißen Flecken" auf einer bundesweit von rechtsextremistischen "Runden Tischen", "Bündnissen", " Freundes "- und " Förderkreisen " etc. durchsetzten Landkarte hervor. Alle Hamburger Rechtsextremisten bekannten sich zwar grundsätzlich zur Notwendigkeit einer Sammlung, sondierten und debattierten auch über Möglichkeiten, bundesweit vorgemachte Einigungsinitiativen in Hamburg nachzuvollziehen. Erfolge blieben allerdings aus. Ob in Fragen einer gemeinsamen neuen Hamburger Partei zur Bürgerschaftswahl 1997, einer Kräftebündelung der "nationalen Opposition" in einer bereits existierenden Partei oder hinsichtlich einer überstülpenden Sammlungsinitiative: Stets erwiesen sich Machtund Führungsansprüche der einzelnen Parteien und Gruppierungen sowie gegenseitige persönliche Animositäten als unüberwindbar erscheinende Barrieren - ein Syndrom, das trotz mancher Auflockerungsübungen bundesweit fortdauert. Die praktische Umsetzung theoretischer Einsichten scheiterte ein weiteres Mal an der dem rechtsextremistischen Lager gleichsam chronisch anhaftenden Unfähigkeit, Macht und Gruppenegoismen zugunsten "höherer" gemeinsamer Ziele zu opfern. Kurzfristige, ohnehin nur regional begrenzte Bündnisse hielten bislang nur im Vorfeld von Wahlen. Vorstellungen eines geeinten und mächtigen "nationalen Lagers", einer in 100 äußerer und innerer Geschlossenheit bundesweit aufbegehrenden "nationalen Opposition", bleiben - unter den aufgezeigten Bedingungen - Utopie. Ein - nur der "Not" gehorchender - historischer Brückenschlag zwischen Rechtsund Linksextremisten spielt sich in den Köpfen einzelner Personen der rechtsextremistischen Szene ab. Sie sehen in einer solchen zweckgebundenen Kampfgemeinschaft die einzige Chance, das "System " zum Einsturz zu bringen. Fundamentale Links-/RechtsGegensätze und Gesinnungs-Diskrepanzen werden dabei einstweilen bewußt ausgeblendet. Angesichts vermeintlich paralleler antikapitalistischer Stoßrichtungen, der im Zeichen beiderseitiger tiefgreifender Staatskritik für deckungsfähig gehaltenen Feindbilder sowie vor dem Hintergrund einer angeblich drohenden - von Links und Rechts gleichermaßen verabscheuten - "One World" (Weltdiktatur) ergibt sich die quasi logische Schlußfolgerung: Nur eine völkisch-sozialistisch geprägte Einheitsfront sei imstande, das herrschende " System " abzulösen. Erst danach sei die Zeit reif, um ideologische Gegensätze auszufechten und sich gegen den dann noch übrigen einzigen Gegner durchzusetzen. Sondierungen im Sinne eines solchen futuristisch anmutenden Zweckbündnisses gingen von Rechtsextremisten ebenso wie von Seiten sogenannter "Nationalkommunisten" aus. Der Gedankenaustausch vollzog sich u.a. in der linken Postille "Der Funke" (Hamburg) und in rechten Publikationen wie "Sleipnir" mit veröffentlichten Stellungnahmen des jeweiligen politischen "Gegners". Protagonisten beider Seiten empfahlen u.a., sich unter dem Kampfbegriff "Nationalkommunismus" zu nähern und in einen offenen Dialog einzutreten. Kritikern einer solchen " weltfremden Ideologie " und eines " ideologischen Wirrwarrs " wurde die linke und rechte Systemgegner gleichermaßen treffende staatliche Repression entgegengehalten. Das System als " Todfeind" der Rechten und Linken spiele beide gegeneinander aus und versuche, sie zu ureigenen Zwecken in für das System ungefährlichen Bahnen zu kanalisieren. Dieses Prinzip gelte es zu durchbrechen. Auch einige Hamburger Rechtsextremisten vertrauen auf diesen Ansatz. Der Hamburger JN-Landesvorsitzende Jan ZOBEL und der ehemalige Hamburger FAPVorsitzende Andre GOERTZ verkündeten unter dem Stichwort "progressiver Nationalismus ": Parteien, Linke, Ausländer, Juden und Geschichtsfälschung seien zur Ablenkung der rechten Kräfte vom System geschaffene "Nebenkriegsschauplätze". Gegner seien nicht die Linken, Ausländer oder Juden - Gegner sei das "System". Bleibe man auch in Zukunft voreingenommen und dogmatisch unbeweglich, könne das "System" sich in Sicherheit wiegen. Den "wirklichen Linken" wurde nahegelegt, sich zur Beteiligung an rechten Aktionen durchzuringen, explizit der JN-Aktionswoche " Gegen System und Kapital". Der Hamburger "Alt-68er" des ehemaligen "Sozialistischen Deutschen Studentenbundes" (SDS), sich heute noch auf MARX und HEGEL berufende nationalrevolu101 tionäre Theoretiker Dr. Reinhold OBERLERCHER, sieht sich inzwischen als völkisch-germanischer "Nationalmarxist". Er erklärte: Ohne aufeinander abgestimmte Linke und Rechte bleibe das "Nationale Lager" und seine "Reichsdeutsche Bewegung" handlungsunfähig. "Reichsfeinde" hetzten Linke und Rechte aufeinander, um die nationale Einheit aller Deutschen zu verhindern. Ideen einer Zusammenarbeit von Linksund Rechtsextremisten beschränken sich bisher beiderseits auf eine kleine Schar von Vordenkern und Befürwortern. 1.5.7 Vorbereitungen auf die Hamburger Bürgerschaftswahl 1997 Rechtsextremistische Zusammenarbeitsbestrebungen und bündnispolitische Initiativen ( S siehe 1.5.6) konzentrierten sich in diesem Jahr u.a. darauf, Chancen für das Zustandekommen von Wahlbündnissen im Hinblick auf die Neuwahl des Hamburger Landesparlamentes und zu den Bezirksversammlungen im September 1997 mit Vorausschau auch auf die Bundestagswahl 1998 auszuloten. Entsprechende Überlegungen und Vorstöße wurden bei internen Debatten sichtbar und konnten in der rechtsextremistischen Publizistik durchgehend verfolgt werden. Bei der Hamburg-Wahl am 19.09.93 waren die "Deutsche Volksunion" (DVU, 2,8% der Stimmen), die neonazistische - 1995 verbotene - "Nationale Liste" (NL, 0,0%) und die "Republikaner" (REP, 4,8 %) als Konkurrenten angetreten. Um einer erneuten kräftezersplitternden - bis heute traumatisch nachwirkenden - Bürgerschaftwahlkonkurrenz vorzubeugen, übten sich zunächst alle Hamburger Rechtsextremisten in gegenseitigen Vernunftsappellen, scheinbar selbstlosen Bekenntnissen zur Einheit der " nationalen " Opposition und prinzipieller Kooperationsbereitschaft. Angesichts des drohenden " Unterganges" Deutschlands im Chaos einer "Multi-Kulti"Gesellschaft, einer ins " Unermeßliche " steigenden Kriminalität, sozialer " Demontage" und Verelendung des Volkes sowie angesichts eines gesellschaftlichen Verfalls auf allen Ebenen müsse der " herrschende ", angeblich korrupte " Bonzenund Parteienklüngel" abgelöst werden. Der Stimmzettel werde zum "Denkzettel". Die Vision eines gemeinsamen wählbzw. bündnispolitischen Kraftaktes begann spätestens im Frühjahr, nach den Landtagswahlerfolgen der "Republikaner" (O 1.5.1) in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, zu bröckeln. Für den REP-Bundesvorstand stand nunmehr fest, Erfolge auch außerhalb von Bündnissen erzielen zu können. Da der Bundesvorstand jegliche Zusammenarbeit mit anderen Gruppierungen ablehnte, schieden die Hamburger "Republikaner" als Partner aus. Gesprächsofferten des DVU-Bundesvorsitzenden an die REP-Führung, sich über die Vermeidung einer erneuten gegenseitigen Blockade in Hamburg zu verständigen, blieben unbeantwortet. Der Hamburger Landesverband der REP beugte sich dem Bundesvorstand. Er erklärte im September, mit Unterstützung der norddeutschen REP-Landesverbände - unab102 hängig von anderen - unter dem Motto "Für einen starken Norden" zur Bürgerschaftswahl anzutreten. Dessenungeachtet signalisierten andere Rechtsextremisten in Hamburg weiterhin Kooperationsbedarf und entwickelten Modelle für gemeinsame Wahlbeteiligungen. Der Hamburger Neonazi und ehemalige Vorsitzende der verbotenen NL, Thomas WULFF, hielt in einem Interview im "Bramfelder Sturm" (Nr. 8) eine ganz neue Partei, gleichsam als Erprobungsmodell der "nationalen Opposition", für möglich, die alle gutwilligen und konstruktiven Kräfte vereine und die Existenz der "AltParteien" in Frage stelle. WULFF, der es zu diesem Zeitpunkt noch darauf abgesehen hatte, in der "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (DLVH) ein Sprungbrett für ein persönliches wahlpolitisches Engagement zu finden, gelang es jedoch nicht, seine Idee mit konkreten Schritten auch praktisch umzusetzen. Auch die NPD (O 1.5.3) warb für ein Wahlbündnis: Der Hamburger Landesverband sei bereit, sich an einem "Bündnis für Hamburg" zu beteiligen. Mit einer eigenen Liste wolle er nur im " ungünstigsten " Fall antreten und zuvor alle Möglichkeiten ausschöpfen, um mit anderen "volksbewußten" Menschen und "normalen Gruppen" den "Etablierten" eine gemeinsame Alternative entgegenzusetzen. Diese Position sei auch der Hamburger DVU bekannt. Die endgültige Entscheidung obliege dem DVUBundesvorsitzenden. Die NPD-nahe "Hamburger Liste für Ausländerstopp" (HLA, O 1.5.4) unterstützte die Bestrebungen für eine Listenverbindung mit der DVU. Die DVU (O 1.5.2) ihrerseits beteuerte grundsätzliches Interesse an einem Wahlbündnis mit den "Republikanern", der NPD und der HLA. Nachdem die "Republikaner" abgewunken hatten, setzten DVU und NPD ihre Sondierungen fort, wobei der DVU-Bundesvorsitzende Dr. FREY ein - wie auch immer geartetes - Zusammengehen nur unter dem Aushängeschild der DVU akzeptieren wollte. Bereits zum Zeitpunkt des Verhandlungsbeginns mit der NPD preschte die DVU mit einem Beschluß vor, in dem sie "ihre" Teilnahme an der Bürgerschaftswahl bekanntgab. In Wahlappellen und Unterstützungsaufrufen gelobte sie, alle Kraft darauf zu konzentrieren, das Wahlergebnis von 1993 "entscheidend" zu verbessern. Wer dem deutschen Volk seine Identität bewahren wolle, müsse die DVU unterstützen. Wahlantritte der DVU belebten die politische Landschaft. Sie vermittelten den Bundestagsparteien die Existenz eines rechten, an "deutschen" Interessen orientierten Potentials. Die DVU werde alles daran setzen, um mit einem Hamburger Erfolg bundesweites Aufsehen zu erregen. Die Bürgerschaftswahl sei absoluter Schwerpunkt der Parteiarbeit. Im September erklärte Dr. FREY den Wahlkampf für angelaufen. Einen auffälligen Hamburg-spezifischen Akzent setzte die DVU am 28. September auf ihrer Großkundgebung in der Passauer "Nibelungenhalle", wo vor etwa 2.300 Besuchern dem Hamburger Rechtsextremisten und Rechtsanwalt Jürgen RIEGER der "Freiheitspreis 103 der Deutschen National-Zeitung" (DNZ) verliehen wurde. RIEGER wurde als unerschrockener Kämpfer für die Freiheit des deutschen Volkes gewürdigt. NPD-Kreise waren über die präjudizierenden, weitere Gespräche belastenden Festlegungen der DVU befremdet, Optimisten fühlten sich vom DVU-Vorsitzenden hingehalten und getäuscht. Man hatte auf seriöses Interesse der DVU an einem gleichberechtigten Wahlbündnis vertraut. Es blieb das Angebot übrig, NPD-Mitglieder auf der DVU-Kandidatenliste unterzubringen. Die so brüskierte NPD bzw. ihr Landesvorsitzender Ulrich HARDER beharrten darauf, sich vor vollendeten Tatsachen über Inhalte und Personen zu einigen. Werde eine faire Zusammenarbeit verfehlt, trete sie im Tandem mit der HLA auf einer eigener Liste an. Im November meldete sich die NPD mit einem ersten Hinweis auf ihr stadtteilbezogenes Wahlverhalten, ihrer Kandidatur zur Bezirksversammlung in HamburgHarburg. Dort hätten die "Republikaner" 1993 vom Wahlverzicht der NPD profitiert und 7,3% erhalten. 1994 hätten sich die REP-Bezirksabgeordneten von der Partei getrennt und sollten nicht wiedergewählt werden. Die Zeit sei reif für eine gewaltfreie, intensive, "nationale Opposition", die "deutsche Interessen" in Harburg vertrete. Die NPD werde mit "zuverlässigen" eigenen Kandidaten zur Bezirksversammlung antreten. Man werde den Bezirk nicht noch einmal Leuten überlassen, die vor allem Diäten kassieren wollten. Mittlerweile hat die NPD ihre Kandidaturen zur Hamburger Bürgerschaft und zu allen Bezirksversammlungen beim Landeswahlleiter angemeldet. Damit zeichnete sich für das Wahljahr 1997 eine ähnliche Konstellation wie 1993 ab: Mit der NPD, der DVU und den "Republikanern" wetteifern erneut drei rechtsextremistische Parteien letztlich gegeneinander. Die stellenweise von Neonazis durchsetzte DLVH (O 1.5.5) und andere Hamburger Neonazis beklagten diese - nach ihrem Verständnis "drohende" - Neuauflage eines "gegenseitigen Vernichtungskampfes". Konkurrierende rechte Parteien, die sich gegenseitig unter 5% drückten, stießen auf Unverständnis bei den Wählern. Eine Wiederholung des 1993 praktizierten Egoismus gleiche einem "Super-Gau". Die daran Schuldigen hätten nichts hinzugelernt und frönten bar jeder Einsicht der "Lust am Brudermord". Die DLVH kündigte gar eine Untersuchung an, wer für diese Konfrontationsstrategie verantwortlich sei und wollte "prüfen", welche Partei unter diesen Umständen in Hamburg überhaupt Unterstützung verdiene. Fazit: Obwohl rechtsextremistische Parteien weitgehend übereinstimmende politische Ziele sowie lautstark die angebliche Unfähigkeit der "Systemparteien" propagieren und kooperatives Handeln der "nationalen Opposition" anmahnen, beweisen sie im gleichen Zuge ihr eigenes Unvermögen. Sie sind unfähig, ihre gegenseitige Blockade zu überwinden, Führungsansprüche zurückzustellen und gemeinsame Bestrebungen parteiopportunistischen Erwägungen voranzustellen. 104 Halbwegs ernsthafte Bemühungen um eine rechtsextremistische Käftebündelung und wahltaktische Verständigung gingen in Hamburg nur von der NPD aus. Dem DVUBundesvorsitzenden waren - trotz gegenteiliger Behauptungen - machttaktische Erwägungen und finanzielle Interessen wichtiger, als ungewisse und daher als riskant empfundene bündnispolitische Initiativen. Nach wie vor ist das Wahlverhalten der DVU-Landesverbände von Finanzspritzen ihres Bundesvorsitzenden abhängig, der sich dabei auf seine Wirtschaftsunternehmen stützen kann. Für eine doch noch irgendwie geartete überraschende Hamburger NPD/DVU-Wahlallianz müßte sich die NPD vermutlich einer DVU-Listenhegemonie unterwerfen. Die Hamburger "Republikaner" sind als Bündnispartner ausgeschieden. 1.6. Sonstige Bestrebungen und Strukturen 1.6.1 Neue Rechte / Ideologien, Erscheinungsformen, Strategien Der Begriff "Neue Rechte" steht seit Ende der 60er / Anfang der 70er Jahre für eine akademisch-intellektuelle, "modernisierte" Spielart rechten antidemokratischen Denkens. Seit etwa Anfang der 90er Jahre rückte er wieder zunehmend in den Blickpunkt der politischen Diskussion. Heute werden unter diesem Begrifflosgelöst von seinem bisherigen historischen Kontext - z.T. ganz unterschiedliche geistig-politische Phänomene und Strömungen subsumiert, was zu einer erheblichen Begriffsunklarheit geführt hat. Problematisch ist auch, daß dieser Begriff auf ein politisches Spektrum rechts von den Unionsparteien ausgeweitet wurde, das nicht als rechtsextremistisch bezeichnet werden kann. Die historische "Neue Rechte", die Ende der 60er Jahre als geistig-politische Gegenströmung zur "Neuen Linken" in der politischen Arena erschien, ist kein spezifisch deutsches, sondern ein europäisches Phänomen, dessen Ausgangspunkt in Frankreich liegt. Leitbild der "Neuen Rechten" in Deutschland war zunächst und ist z.T. noch die seit 1968 aktive französische "Nouvelle Droite" (G.R.E.C.E.) und ihr Chefideologe, der Publizist Alain de BENOIST. Die schulbildende französische "Neue Rechte" bezieht sich ihrerseits u.a. auf die Tradition der (europäischen) "Konservativen Revolution", jener in Deutschland u.a. mit den Namen Oswald SPENGLER, Carl SCHMITT, Arthur MOELLER van den BRUCK, Edgar Julius JUNG oder Hans FREYER verbundenen intellektuellen Zirkel und Ideenschmieden, die das rechte antidemokratische Denken in der ersten deutschen Republik geprägt und zu ihrem Niedergang beigetragen hatten. Als die drei wichtigsten Gruppen der "Konservativen Revolution"gelten Jungkonservative, Nationalrevolutionäre und Völkische. Gemeinsam war ihnen - trotz aller vorhandenen weltanschaulichen Differenzen - die Gegnerschaft zum Weimarer System und ihr für die heutige " Neue Rechte " vorbildhafter Anspruch, dieses System durch 105 einen revolutionären geistigen Akt überwinden zu können. Der scheinbare innere Widerspruch zwischen "konservativ" und "Revolution" war Programm: Der "Konservatismus" war nicht rückwärts gewandt und wollte nicht restaurieren, sondern einen revolutionären geistig-politischen Prozeß anstoßen, um in einer vom "Liberalismus zersetzten Welt Verhältnisse zu schaffen und Werte hervorzubringen, die der Bewahrung wert sind" (MOELLER van den BRUCK). Kern des heutigen neurechten Theoriemodells ist der Anspruch, völkische und nationalistische Ordnungsvorstellungen intellektuell und wissenschaftlich fundieren und als ernstzunehmendes politisches Alternativmodell präsentieren zu können. Die Protagonisten der "Neuen Rechten" sehen sich als "Ideenlieferanten" und "geistige Wegbereiter" für einen kulturellen und politischen Wertewandel. Politisch steht im Vordergrund der Kampf gegen den von Liberalismus und Marxismus angeblich in der Tradition der Aufklärung herbeigeführten " Egalitarismus " und die Besinnung auf die Werte vor 1789. Um der neurechten Weltanschauung auch politisch zum Durchbruch zu verhelfen, ist nach Ansicht ihrer Vertreter ein "metapolitischer", d.h. "kulturrevolutionärer" Ansatz notwendig, der in der geistigen Auseinandersetzung und in Anlehnung an Konzepte der "Neuen Linken" entwickelt wurde. Von dem italienischen marxistischen Theoretiker Antonio GRAMSCI übernahmen zunächst BENOIST und seine Mitstreiter die Vorstellung eines Kulturkampfes, in dem es darum gehe, vor der politischen die kulturelle Vorherrschaft zu gewinnen, um so gesellschaftlich notwendige Rahmenbedingungen für einen politischen Paradigmenwechsel zu schaffen. Die "Neue Rechte" in Deutschland hat keinen festen organisatorischen Bezugsrahmen. Ihr fehlt auch eine einheitliche ideologische Orientierung. Bis in die 80er Jahre wurden unter "Neue Rechte" vor allem nationalrevolutionäre Strömungen verstanden. Die Nationalrevolutionäre selbst verwendeten den Begriff kaum oder lehnten ihn ab. Eine politische Standortbestimmung als "rechts" hätte nur den politischen Lagergegensatz von "links" und "rechts" deutlich herausgestrichen, den sie genau entgegengesetzt durch Annäherung in " nationalen " und " sozialen " Fragen zu entschärfen versuchten. Noch heute gebräuchliche Begriffe wie "Biohumanismus", "Ethnopluralismus", "Befreiungsnationalismus" oder "Volkssozialismus" bzw. "Solidarismus" verweisen auf die wichtigsten Ideologieprinzipien der nationalrevolutionären "Neuen Rechten". Weitere weltanschauliche Grundpositionen enthalten die prinzipielle Ablehnung der Philosophie der Aufklärung, Absagen an Rationalismus, Materialismus und liberale Demokratie. Wesentliche Elemente sind ein radikaler Anti-Egalitarismus (Differentialismus), das Konzept des "Europa-Nationalismus" ("Dritter Weg") sowie die Ablehnung des "Judäo-Christentums", verbunden mit der Favorisierung antiegalitärer, heidnischer Religionen (Neopaganismus). Seit Anfang der 80er Jahre erfuhr der Begriff "Neue Rechte" eine inhaltliche Erweiterung. Ohnehin war bereits der völkisch-nationalrevolutionäre Flügel durch Zersplitte106 rung in "rechte" Nationalrevolutionäre, Solidaristen, Linksnationalisten und Nationalbolschewisten auch begrifflich zerlegt geworden. Nunmehr wirkten sich auch der zunehmende Einfluß der französischen "Nouvelle Droite" und die damit verbundene stärkere Diffusion neurechter Ideen aus. Das führte im Zusammenspiel mit einer zeitlich parallel verlaufenden Radikalisierung und "Re-Ideologisierung" von Teilen des etablierten Konservatismus dazu, daß dem völkisch-nationalrevolutionären Flügel ein etatistisch geprägter nationalkonservativer bzw. "konservativ-revolutionärer" Flügel zur Seite gestellt wurde. Daraus resultierte die heutige schillernde Begriffsbreite "Neue Rechte" als vielfach undifferenziert gebrauchte Richtungsangabe für verschiedene "konservative", "nationale" und "nationalrevolutionäre" Strömungen. Entsprechend dieser Zersplitterung gab und gibt es innerhalb des neurechten Spektrums unterschiedliche politische Handlungskonzepte mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Adressatengruppen. Es wurden - beeinflußt durch die jeweiligen zeitgeschichtlichen und gesellschaftspolitischen Bedingungen - auch heterogene ideologische Begründungsund Argumentationsmuster entwickelt. Alle Strömungen schöpfen entweder aus dem ebenso vielschichtigen Gedankenfundus der "Konservativen Revolution" bzw. lassen zumindest Anleihen erkennen oder beziehen sich ausdrücklich auf spezifische "konservativrevolutionäre" Bewegungen (Nationalrevolutionäre, Jungkonservative). Untereinander bilden sie ideologische, programmatische und personelle Schnittmengen und grenzen sich gleichermaßen thematisch, begrifflich und durch ihre intellektuelles Niveau von der antiquierten "Alten Rechten" ab. Das in jüngster Zeit häufiger gebrauchte Stichwort "lntellektualisierung" will auf das gemeinsame Bemühen um intellektuellen Niveaugewinn, erhöhte Diskursfähigkeit sowie auf den Primat politischer Theoriearbeit als Voraussetzung für die Praxis hinweisen. Übereinstimmung besteht letztlich auch in dem allgemein formulierten Ziel einer "nationalen Wiedergeburt" Deutschlands bzw. einer erstrebten "Renationalisierung" deutscher Politik. Hingegen scheiden sich die Ansichten bereits darüber, wie man im Rahmen einer metapolitischen Strategie der geistig-politischen Meinungsführerschaft und der politischen Machtübernahme näherkommen kann: Ob durch geschickte politische Tarnung und Infiltration des demokratisch-konservativen Spektrums oder in der direkten geistigen Auseinandersetzung. Die "Neue Rechte" agiert nicht als politische Bewegung und läßt sich wegen ihrer ideologischen Heterogenität und Strukturlosigkeit keiner Partei oder Organisation idealtypisch zuordnen. Ihr Einfluß ist heute in erster Linie dort ablesbar, wo in Gruppen, Organisationen und anderen politischen Bestrebungszusammenhängen neurechte Denkansätze und Theorieelemente auftauchen. Solche Anzeichen finden sich z.B. bei der NPD/ JN, den " Republikanern ", der DLVH sowie den Projekten "Sache des Volkes", "Thule-Seminar" und "Deutsch-Europäische Studiengesellschaft" (DESG). Weitere Hinweise lieferten Zeitschriften und Theorieorgane wie "Europa Vorn", 107 "Nation & Europa", "Wir selbst", "Junge Freiheit" (JF), "CriticA'n", "Staatsbriefe", "Sleipnir", "Etappe", "DESG-lnform" und "Junges Forum" sowie Verlage (z.B. "Arun"-Verlag in den 90er, "GRABERT-Verlag" und "Sinus-Verlag" in den 80er Jahren). Auch unabhängige Publizisten und Autoren haben sich mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Zielrichtungen auf Ideen der "Neuen Rechten" bezogen. Die verschiedenen Phänomene der "Neuen Rechten" lassen sich u.a. deswegen nur schwer auf einen gemeinsamen Nenner bringen, weil " Konservative Revolution " als Identitätsbegriff in der wissenschaftlichen und politischen Diskussion seit längerem umstritten ist, was auch den Begriff "Neue Rechte" als zentrale Bezugsgröße berührt. Die einen vernachlässigen die für Verfassungsschutzbehörden wichtige klare Grenzziehung zwischen noch demokratischem Konservatismus und Rechtsextremismus. Das kann passieren, wenn etwa von der "Scharnierfunktion" der "Neuen Rechten" gesprochen und darauf abgehoben wird, daß neurechte Ideologiemuster auf konservativen wie auch rechtsextremen Ideologien aufbauen, aber dennoch eine relativ eigenständige Zone im rechten Lager darstellen. Die anderen laufen dagegen Gefahr, durch eine zu enge Auslegung Ideologieelemente auszuklammern, obwohl sie zweifellos auch zum Gedankengut der "Neuen Rechten" gehören. Statt von der "Neuen Rechten" sollte von im einzelnen zu definierenden Erscheinungsformen oder Strömungen der " Neuen Rechten " gesprochen werden, von denen aus der Verfassungsschutzperspektive u.a. folgende für relevant erachtet werden: Konservativ-revolutionäre "Neue Rechte" Hierbei handelt es sich um eine vergleichsweise intellektuell anspruchsvolle Strömung innerhalb des Rechtsextremismus. Die konservativ-revolutionäre "Neue Rechte ", als deren Spiritus Rector Armin MOHLER gilt, orientiert sich am antidemokratischen Jungkonservatismus der Weimarer Republik. Sie zielt mit einer metapolitischen Strategie in erster Linie auf die Umwertung bestehender Werte. Ihre politischen Vorstellungen laufen auf die Errichtung eines cäsaristisch-autoritären Systems hinaus - ähnlich dem des italienischen Faschismus. Mit anderen Worten: Rückkehr zum absolut souveränen, das Gemeinwohl definierenden Machtstaat, in dem das Modell der wertepluralistischen offenen Gesellschaft abgelöst ist, und zwar durch eine ethnisch-kulturell homogene, ständisch gegliederte Gemeinschaft "loyaler" Bürger, die in Form einer akklamatorischen " organischen Demokratie " die Interessen von "Volk" und "Reich" bereitwillig der Führung einer neo-aristokratischen Staatselite bzw. heroischen Führergestalt anvertrauen. Die Eingrenzung der konservativ-revolutionären "Neuen Rechten" - gleichbedeutend mit der Zuweisung einzelner Vertreter ins rechtsextremistische Spektrum - ist problematisch, weil sie sich aufgrund von Überschneidungen nicht immer zweifelsfrei vornehmen läßt. Dieses ist u.a. an der Wochenzeitung "Junge Freiheit" (JF) erkennbar. Sie gilt als publizistisches Flaggschiff der "Neuen Rechten". Einerseits begegnet 108 sie neurechten Intellektuellen, Publizisten, Journalisten und Historikern im rechtsdemokratischen Spektrum mit Sympathie. Andererseits dient sie aber Autoren als Forum, deren Äußerungen eher auf eine konservativ-revolutionäre oder nationalrevolutionäre Ausrichtung hindeuten und als rechtsextremistisch angesehen werden. Anhaltspunkte für Verfassungsfeindlichkeit lassen sich immer nur an Äußerungen und Verhaltensweisen einzelner Personen festmachen. Nationalrevolutionäre "Neue Rechte" Personen, die sich selbst als "Nationalrevolutionäre" einordneten, propagierten in den 70er und 80er Jahren einen "fortschrittlichen Nationalismus" (Henning EICHBERG). Der angebliche " Superimperialismus " der damaligen Großmächte nebst ihren Ideologien - Liberalismus und Marxismus - wurden zu Hauptfeinden erklärt. Den Kern des angestrebten "Nationalen Sozialismus" bildeten drei Elemente: "Nationale Identität", Sozialismus, ökologische Lebensweise. Diese Richtung der "Neuen Rechten" hat sich u.a. von Ideen nationalrevolutionärer Vordenker der "Konservativen Revolution", z.B. Ernst NIEKESCH, Franz SCHAUWECKER, Otto STRASSER, inspirieren lassen. In Anlehnung an die "Nouvelle Droite" behaupten Nationalrevolutionäre, daß jedes Volk "nationale Identität" und ein "Recht auf eigenständige Entwicklung" beanspruchen dürfe. Damit begründen sie ihren potentiell revolutionären Nationalismus als "Gegenprinzip" zum angeblichen "Kulturimperialismus", insbesondere der USA. In Wahrheit verbirgt sich unter dieser Verschleierung eine Absage an westliche Ideale wie Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenrechte, die als anmaßende " Ideologie der Menschenrechte " (Alain de BENOIST) diffamiert werden. Jede Kultur und jedes Volk besitze eigene, von anderen nicht antastbare Wertmaßstäbe und Normen. Die damalige nationalrevolutionäre "Neue Rechte" blieb eine Randerscheinung. Der maßgeblich von Henning EICHBERG entwickelte "Ethnopluralismus" nebst dem darauf fußendem "Befreiungsnationalismus" (Wolfgang STRAUß) entfaltet noch heute ideologische Anziehungskraft auf das gesamte " nonkonforme " rechte Spektrum. EICHBERGs " Ethnopluralismus "-Modell ist praktisch zum vorherrschenden Nationalismuskonzept des gesamten rechten Lagers geworden. Es hat damit über seinen ursprünglich begrenzten Wirkungskreis hinaus die "Modernisierung" des Rechtsextremismus beflügelt. Eine besonders radikale Spielart des revolutionären Nationalismus repräsentieren gegenwärtig der sich als "Nationalmarxist" bezeichnende Hamburger Dr. Reinhold OBERLERCHER ( 5 1.2.2, 1.5.6) und das "Deutsche Kolleg". Zu den Zeitschriften, in denen völkisch-nationalrevolutionär geprägtes Gedankengut anzutreffen ist, gehören "Europa Vorn", "Wir selbst", "Staatsbriefe" und "Sleipnir". Henning EICHBERG schrieb 1996 für das nationalrevolutionäre Magazin " Wir selbst" einen längeren kritischen Beitrag zum Thema "Konservative Revolution ". 109 Solidaristische "Neue Rechte" 1974 entstanden aus der Spaltung der nationalrevolutionären Bewegung die "Sache des Volkes/Nationalrevolutionäre Aufbauorganisation" (SdV/NRAO) und die "Solidaristische Volksbewegung" - 1980 in "Bund Deutscher Solidaristen" umbenannt und bis etwa 1985 aktiv. Führender Kopf der "Solidaristen" ist Lothar PENZ. Bereits seit den 60er Jahren arbeitete PENZ, z.T. unter Berufung auf Autoren und Vordenker der " Konservativen Revolution " an der Weiterentwicklung einer Theorie des "Solidarismus" {"Solidarische Demokratie" plus Volkssozialismus). In den 70er Jahren war dieser Personenkreis, der zugleich den personellen Kern der "DeutschEuropäischen Studiengesellschaft" (DESG) und des " Verlages Deutsch-Europäischer Studien" (DEST) bildet, in der sich formierenden "grünen" Bewegung aktiv und versuchte Anfang der 80er Jahre in der Partei "Die Grünen" Fuß zu fassen. Wenn davon gesprochen wird, daß innerhalb der "Neuen Rechten" auch wertkonservative und ökologisch-ganzheitliche Denkfiguren ideologisch integriert werden, so sind damit in erster Linie Vertreter der solidaristischen Strömung gemeint. Eine ähnliche Strategie scheint heute der neurechte "Hamburger Kreis" zu verfolgen. PENZ entwickelte das stark von Thesen der Verhaltensforschung beeinflußte Konzept des "Biohumanismus". In der Tradition naturalistischer Lebensphilosophie wird ein vermeintlich "realistisches" Menschenbild konstruiert, das von der angeblichen Dominanz der "natürlichen Triebausstattung" des Menschen gegenüber den vernunftgesteuerten Bereichen menschlichen Daseins ausgeht. Es erklärt den Menschen in erster Linie unter dem Aspekt höchst unterschiedlicher erblich bedingter Eigenschaften. Die daraus gefolgerte fundamentale " Ungleichheit der Menschen" und seine Naturabhängigkeit sind Ausgangspunkte sozialer und politischer Schlußfolgerungen und Forderungen. DESG und DEST nebst Nachrichtenblatt "DESG-Inform" sowie das Theorieorgan "Junges Forum" sind die einzigen, noch heute existierenden Organisationen der historischen "Neuen Rechten". 1992/93 arbeitete die DESG im Rahmen ihrer sogenannten "Denkfabrik Europa der Völker" auch mit Dr. Reinhold OBERLERCHER zusammen. 1996 erschien in der JF ein längerer Beitrag von PENZ, in dem er u.a. für die Neubelebung der gegenaufklärerischen Ideen der "Neuen Rechten" plädierte und warnte, es sich erneut als "systemkonforme Rechte" bequem zu machen. Direkte Ableger der "Nouvelle Droite" in Deutschland Laut Alain de BENOIST gibt es in Deutschland keinen autorisierten offiziellen Ableger der " Nouvelle Droite ". Gleichwohl und trotz seiner relativen Bedeutungslosigkeit versteht sich das 1980 in Kassel gegründete "Thule-Seminar" als deutsches Gegenstück zur neurechten Denkfabrik G.R.E.C.E, in Frankreich. Neben allgemeinem Gedankengut der "Neuen Rechten", das sich in Schriften des Thule-Seminars wieder110 findet, treten folgende Merkmale hervor: Eine stark antichristlich-heidnische und antiwestliche Prägung, der ethnopluralistisch begründete Kampf gegen eine "multirassische Gesellschaft" und die auch für die "Nouvelle Droite" typische Überhöhung des Germanentums. Das " Thule-Seminar " versteht sich als Teil einer " Neuen Kultur", die gegen die "Dekadenz" des Westens und seines "American way of dying" aufbegehrt. 1996 machte das " Thule-Seminar" mit dem Buch "Im Kampf um das Wesen" und Vortragsveranstaltungen des Autors und "Thule"-Leiters Pierre KREBS von sich reden. Weniger bekannt ist, daß die Betreiber des Mailbox-Verbundsystems "Thule-Netz" (O 1.9) ihren Namen in Anlehnung an das "Thule-Seminar" gewählt haben, weil sie sich den Ideen der "Neuen Rechten" verbunden fühlen. Die heutige französische "Nouvelle Droite" ist keineswegs mehr ideologisch homogen. Nach ideologischen Differenzierungen und persönlichen Streitigkeiten spaltete sie sich 1993. Der Vorgang leitete zur Gründung eines europaweiten neurechten Netzwerkes, der sogenannten "Europäischen Synergien", über. Diese weisen stark nationalrevolutionäre Tendenzen auf bzw. befaßten sich intensiv mit der Thematik des Nationalbolschewismus/Nationalkommunismus. Im Herbst 1995 wurde eine deutsche Sektion "Synergon Deutschland" mit Sitz in Hamburg ins Leben gerufen. Der Belgier Robert STEUCKERS ist Initiator und intellektueller Kopf der "Europäischen Synergien ". Im August 1995 war er als Referent bei der " Freien Deutschen Sommeruniversität" auf Burg Hohenberg in Franken aufgetreten. Diese ursprünglich als JF-Sommeruniversität entstandene Einrichtung hatte sich 1995 unter dem ehemaligen JF-Redakteur Hans-Ulrich KOPP und einigen Mitstreitern verselbständigt. Zum Generalthema "Wirtschaft" (14.-18.08.96) konnte das Institut qualifizierte Referenten fast aus dem gesamten sogenannten Spektrum "Neue Rechte" gewinnen, u.a. erneut den Hamburger Dr. Reinhold OBERLERCHER. Die "Freie Deutsche Sommeruniversität" ist eine elitäre Züge tragende Schulungseinrichtung. Sie fühlt sich besonders dem Gedankengut der "Konservativen Revolution" verpflichtet und möchte dieses der "Nationalen Opposition" in Deutschland erschließen. 1.6.2 Deutsches Kolleg und Hamburger Kreis Deutsches Kolleg Das im Dezember 1994 in Berlin als Nachfolgeorganisation des ehemaligen Leserkreises der "Jungen Freiheit''(JF) gegründete "Deutsche Kolleg" versteht sich als Schulungseinrichtung der " nationalen Intelligenz " und will bundesweit "junge schöpferische Kräfte" bündeln, um ihnen "geistiges Rüstzeug" zu vermitteln. Geistiger Kopf der im Februar 1995 gestarteten Schulungsarbeit ist der sich selbst als "völkischgermanischer Nationalmarxist" bezeichnende Dr. Reinhold OBERLERCHER aus 111 Hamburg. Ende der 60er Jahre gehörte er zu den radikalsten Aktivisten des linksextremistischen "Sozialistischen Deutschen Studentenbundes" (SDS). Seit etwa 1987 versucht er, sich in der rechtsextremistischen Szene als führender nationalrevolutionärer Theoretiker zu etablieren. OBERLERCHER repräsentiert gegenwärtig die radikalste und kompromißloseste Variante des "revolutionären Nationalismus", der sich in seinem Fall mit einem aggressiven Antisemitismus und Rassismus paart. Nach Ansicht OBERLERCHERs mangelt es dem "nationalen Lager" nicht an Intellektualität, sondern an "sozialwissenschaftlich geschulter Intelligenz". OBERLERCHER und das "Deutsche Kolleg" prognostizieren, daß mit dem baldigen Niedergang des "westlichen Liberalismus" tiefgreifende "Umwälzungen" des politischen und ökonomischen Systems in Deutschland verbunden sein würden. Diese Umwälzungen müßten auf ein "nationales Fundament" gestellt werden, um dem Volk eine Lebensperspektive zu schaffen. Der "Machtergreifung" einer "neuen deutschen Nationalbewegung" bzw. "Reichsbewegung" müsse die "Wortergreifung" einer auch sozialwissenschaftlich geschulten, starken diskursfähigen Elite vorausgehen, die in der Lage ist, in ideologischen, politischen und ökonomischen Fragen die Meinungsführerschaft zu übernehmen. Es werde eine gut geschulte sozialwissenschaftliche Intelligenz gebraucht, die sich zutraut, die Hochburg des Bestehenden zu stürmen: die Gesellschaft in allen ihren Spielarten, als Ideologie, als Politik und als Ökonomie. Sie müsse den konventionellen Kräften - "systemverteidigenden wie systemkritischen Systemlingen" - überlegen sein, nicht nur an Kampfeslust, Eroberungswillen und Opfersinn, sondern auch in ihrer intellektuellen Ausrüstung und geistigen Schlagkraft. Langfristiges Ziel ist die Beseitigung der liberalen, parlamentarischen Demokratie und die Wiederherstellung des "Deutschen Reiches" als völkisch homogener deutscher Nationalstaat mit einem hierarchischen bzw. ständisch gegliederten Staatsund Gesellschaftsaufbau. Seit 1995 ist das "Deutsche Kolleg" mit Hilfe örtlicher Repräsentanten dabei, die Schulungsarbeit bundesweit zu expandieren und in verschiedenen Großstädten Schulungsgruppen zu etablieren. Im Gespräch oder schon eingerichtet sind Ableger des " Deutschen Kollegs " in Hamburg, Kiel, Bielefeld, Würzburg, München sowie in einigen anderen Städten. Die von OBERLERCHER vorgelegten Ausarbeitungen, u.a. das sog. " 100-Tage-Programm einer Nationalen Notstandsregierung in Deutschland" und sein "Reichsverfassungsentwurf ', werden vom "Deutschen Kolleg" didaktisch aufbereitet und als Einfuhrungskurs ("Reichsbürgerkunde") oder Aufbaukurse ("Politische Ökonomie", "Rechtsund Staatstheorie", u.a.) angeboten. Im Mai veröffentlichte OBERLERCHER nach längerer Pause eine Ausarbeitung "Deutschlands Zukunft", die wegen ihres teilweise strafrechtlich bedenklichen Inhalts in zensierter Form in der Computer-Mailbox " Widerstand" und in der Zeitschrift "Sleipnir" (Nr. 5/96 Sept./Okt.) erschien. Darin prophezeit OBERLERCHER erneut 112 als Reflex auf fortdauernde Masseneinwanderung "Rassenkriege amerikanischen Musters und Volkstumskriege balkanischer Machart" in Deutschland. "Aber auch nach einem siegreichen Rassenkampf' komme " dann immer noch der Klassenkampf. Dieser Kampf geht gegen die Diktatur des global nomadisierenden Finanzkapitals... ". Der globale Einheitsmarkt werde ein globales Einheitselend erzeugen als Auftakt zur "Höllenfahrt" des "BRD-Systems". Dieser revolutionäre historische Prozeß, der wegen der Unfähigkeit und Unreformierbarkeit des Systems einsetze, werde mit der Errichtung einer neuen "revolutionären" Ordnung enden. Die neue Ordnung gedanklich vorzubereiten und zu entwickeln, sei Aufgabe jenes Teils der "Deutschen Nationalbewegung", der tatsächlich die Systemfrage stelle: "Gebt mir einige Hundertschaften idealistischer deutscher Feuerköpfe zur Schulung - ich werde mit ihnen die BRD aus den Angeln heben! ". Entgegen seinen pathetischen Versprechungen ließen OBERLERCHERs Schulungsinitiativen insgesamt jedoch den erhofften Erfolg vermissen. Daß der Aufbau der Schulungsgruppen 1995 und 1996 trotz anfänglichen Interesses in verschiedenen rechtsextremistischen Kreisen nicht so schnell und flächendeckend voranging, wie anfänglich gehofft, wurde vom "Deutschen Kolleg" u.a. auf den allgemein desolaten Zustand des " nationalen " Lagers zurückgeführt, das sich zwischen Apathie und blindem Aktionismus bewege. Auch seien die geringen personellen Kräfte des "Deutschen Kollegs" zu keinen größeren Anstrengungen in der Lage gewesen. Dort, wo OBERLERCHER Gelegenheit zu Schulungen hatte, stießen sie auf ein geteiltes Echo. Anfang des Jahres entwickelte sich insbesondere in der rechtsextremistischen Computermailbox " Widerstand BBS" hierzu eine sehr kontroverse Diskussion. OBERLERCHERs Anhänger sehen in ihm nach wie vor eine intellektuelle Ausnahmeerscheinung im "nationalen" Lager. Er habe den Mut und die intellektuellen Fähigkeiten, ein praktikables Konzept für die wirkliche Erneuerung Deutschlands aufzustellen und sei damit auf Erfolgskurs. Kritiker halten ihn dagegen für einen wirklichkeitsfremden Theoretiker, dessen politische Ideen undurchführbar seien. Sein "Reichsverfassungsentwurf' sei weder im "nationalen" Lager noch für die Volksmassen vermittelbar. Seine Theorien bewegten sich im " luftleeren Raum ". Dem System seien sie "herzlich egal", weil sie keine gesellschaftspolitischen Wirkungen zeigten. Ihre Breitenwirkung sei gleich Null. Damit stellten sie für den Staat auch keine Gefahr dar. Die Funktion solcher Denker wie OBERLERCHER liege im Grunde nur darin, denjenigen Kameraden, die die grundsätzliche Notwendigkeit nationalrevolutionären Denkens bereits begriffen hätten, weitere Denkanstöße zu geben. Mit seinen Seminaren und Gedankenspielen könne OBERLERCHER aber keinesfalls die Entmachtung des Systems bewerkstelligen. Verfechter von OBERLERCHERs Strategie halten dem entgegen, daß es in absehbarer Zeit eine revolutionäre Situation in der BRD geben werde, auf die sich die nationalrevolutionären Kräfte einstellen müßten. Es sei unabdingbar, sich ein schlüssiges 113 politisches Konzept und ein alternatives Gesellschaftsmodell zu erarbeiten und anzueignen. Nach dem Systemumbruch werde man gefordert sein, die "richtigen" Antworten zu geben. Hamburger Kreis (HK) Der seit 1994 unter diesem Namen aktive " Hamburger Kreis " (HK) gehörte bis zur Jahresmitte zu den sog. "Leserkreisen" der sich als "nationalkonservativ" verstehenden Wochenzeitung "Junge Freiheit" (JF). Im Juni gab die JF bekannt, daß sie den Titel "JF-Leserkreis" nicht mehr anerkennt und ihre Zusammenarbeit mit diesen Kreisen offiziell für beendet erklärt. Begründet wurde diese Entscheidung mit nicht näher erläuterten " vereinzelten Vorgängen " in " unkontrolliert gegründeten Leserkreisen", die die Arbeit der Redaktion "in negativer Weise" tangiert und behindert hätten. Diesem Schlußstrich unter die Zusammenarbeit der Zeitung mit ihren Leserkreisen waren in den letzten zwei Jahren Streitigkeiten über die programmatische Ausrichtung des Blattes und die personelle Zusammensetzung der Redaktion vorausgegangen. Zu den wenigen Kreisen, die bis zuletzt eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der JF pflegten, gehörte der "Hamburger Kreis". Gleichzeitig war er aber zusammen mit anderen "konservativ" und "national" ausgerichteten Zirkeln aus dem gesamten Bundesgebiet im August 1995 an der Gründung des unabhängigen Dach verbandes "Konservative Gesprächsund Arbeitskreise" (KGAK) beteiligt. Die diesem Verbund angehörenden Kreise weisen sowohl Berührungspunkte zum rechtsextremistischen wie zum rechtsdemokratischen Spektrum auf. In den letzten beiden Jahren entwickelte sich der HK zu einem vornehmlich an neurechten bzw. nationalrevolutionären Ideen und Positionen orientierten unabhängigen Diskussionsund Veranstaltungsforum. Zu den in diesem Jahr nach Hamburg eingeladenen Referenten gehörte u.a. Robert STEUCKERS, der als einer der intelligentesten Vordenker der "Neuen Rechten" in Europa gilt und 1993 mit den sogenannten "Europäischen Synergien" ein neues europaweites neurechtes Netzwerk gründete, ferner der ehemalige JF-Redakteur und Leiter des neurechten "Arun "-Verlages, Stefan ULBRICH. Intensive Kontakte unterhält der HK auch zu den " Unabhängigen Ökologen Deutschlands" (UÖD), einer 1991 gegründeten Abspaltung der ÖDP. Im März gab ein UÖD-Vorstandsmitglied auf Einladung des HK eine Einführung in das Thema " Bioregionalismus ", das in der wertkonservativen Ökologieszene - insbesondere bei den UÖD - seit etwa Anfang 1995 zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Der in den USA als Teil der neuen "spirituellen Ökologie" entwickelte "Bioregionalismus" will ein neues Bewußtsein für "Heimat" erreichen, d.h. eine neue ganzheitliche Wahrnehmung der Heimatregion. Neue Verwurzelung im ganzheitlichen Weltbild und in den Erkenntnissen der " Tiefenökologie " machen den Kern des " Bioregionalismus " aus. 114 Der "Bioregionalismus" glaubt, einen Ausweg aus der globalen, die menschliche Existenz bedrohenden Öko-Krise anbieten zu können. Dazu sollen "Regionalismus" (Streben nach Einheit von kultureller Identität und politischer Souveränität), Erkenntnisse der " Tiefenökologie " sowie traditionelle Lebensweisen und naturreligiöse Vorstellungen von Indianern und anderen Urvölkern zusammengefügt werden. Vom neurechten bzw. nationalrevolutionären Standpunkt aus verbindet sich mit diesem Konzept einerseits die Hoffnung, über den von " rechts " besetzten Begriff " Bioregionalismus" und seinen innovativen Ideologieansatz das im Grunde wertkonservative, aber von linksalternativen " Grünen " beherrschte Thema " Ökologie " zurückzugewinnen. Andererseits soll sich darüber eine neue, ökologisch begründete Form des Widerstandes gegen den aktuellen Hauptfeind der Völker - das global operierende Finanzkapital (Weltkapitalismus) - sowie gegen andere Globalisierungsund Vermassungstendenzen entwickeln, um so angeblich " lebensfeindliche Strukturen " aufbrechen zu können. Bereits 1995 hatte der HK erklärt, daß das deutsche Volk "mit allen Völkern gemeinsame Interessen gegen die menschenund völkerverachtende Politik der imperialen Machtstrukturen und Systeme" habe. Die Mitarbeit des "Hamburger Kreis "-Leiters Hanno BORCHERT in der UÖD-Zeitschrift " Ökologie - Forum für Naturund Heimatschutz" deutet daraufhin, daß sich innerhalb der UÖD Rechtsextremisten Gehör verschafft haben. In der Nr. 4/1996 von "Ökologie" forderte BORCHERT dazu auf, die Dogmen der Aufklärung zu verwerfen. Mit ihnen seien die vitalen Lebensinteressen des Menschen zugunsten mechanistischer Werte entmachtet worden. Demonstrieren gegen Symptome allein genüge nicht mehr, um dem imperialen Kapitalismus und dessen umfassender ökologischer und sozialer Umweltzerstörung zu begegnen. Jetzt gehe es darum, die volklich-sozial-kulturelle Krise zu beseitigen und mit basisdemokratischen, kommunitären und bioregionalistischen Gegenentwürfen die "Ökologie des Menschen" gegen Entgrenzung und Globalisierung zu sichern. Seit einigen Monaten scheint der HK weitgehend inaktiv zu sein. 1.6.3 Burschenschaften Die "Intellektualisierung" rechtsextremistischen Gedankenguts wird insbesondere im Umfeld der "Neuen Rechten" betrieben. Sie findet auch im Spektrum korporierter Studentenverbindungen ihren Niederschlag, insbesondere innerhalb der akademischen Burschenschaften, die sich von ihrer Geschichte her als politisch motivierte Bünde verstehen und auch politisch aktiv sind. Im Zuge der Revitalisierung "nationaler" Politikkonzeptionen nach der deutschen Wiedervereinigung scheinen auch innerhalb des Dachverbandes "Deutsche Burschenschaft" (DB), dem etwa 120 Bünde mit über 2.000 Aktiven (Füxe, Burschen) angehören, die Kräfte an Gewicht zu gewinnen, die eine starke Affinität zum nationalistischen Lager aufweisen. Dabei vermischen sich bei einigen Burschenschaften rechtsextremistisches Gedankengut mit 115 studentischer Brauchtumspflege und burschenschaftlichen Idealen zu einer insgesamt nationalistisch orientierten Gemeinschaft. Derartige Tendenzen waren auch 1996 bei einzelnen Hamburger Burschenschaften festzustellen. Innerhalb der DB existieren nach Eigeneinschätzung ein "liberaler" und ein in der "Burschenschaftlichen Gemeinschaft" organisierter "nationalkonservativer'''' Block. Spätestens seit 1993 waren die Spannungen und teilweise tiefgreifenden Zerwürfnisse zwischen den unterschiedlichen politischen Lagern innerhalb der DB kaum mehr zu übersehen. Zu diesem Zeitpunkt entzündete sich eine sehr kontrovers geführte Grundsatzdebatte über das Selbstverständnis der Burschenschaften. Dabei wurde von einzelnen unverhohlen beklagt, daß die DB immer mehr zur "politischen Sekte" verkomme, " weil sie es nicht schafft, sich solcher Bünder oder Personen dauerhaft zu entledigen, die wegen ihrer abstrusen oder radikalen Positionen allenfalls ins Randspektrum gehören. " Die Berufung auf einen " volkstumsbezogenen " Vaterlandsbegriff und die gleichzeitige Betonung der territorialen Grenzen von 1937 habe im Ergebnis dazu geführt, daß "die ewig Gestrigen zu dominieren scheinen". Die "mitgliederschwachen radikalen Bünder führen das große Wort, die mitgliederstarken und meistens gemäßigteren Bünder ... werden 'angemacht'." (vgl. "Burschenschaftliche Blätter" Nr. 1/94, Jan. 1994, S. 34ff.). 1995 zogen einige der gemäßigten Burschenschaften aus dieser Situation die Konsequenzen und gründeten am 13. Januar 1996 in Hannover einen eigenen Dachverband: die "Neue Deutsche Burschenschaft". Deren Sprecher erklärte u.a., daß es genug Beispiele von Äußerungen gäbe, die "zu Recht als rechtsextrem eingestuft" würden (s. JF Nr.3/96 v. 19.01.96, S. 2). Die DB werde von den abgespaltenen Burschenschaften zwar nicht "pauschal" als "rechtsradikal" eingestuft, "wohl aber Einzelpersonen und Einzelbünde". Hierzu zählt u.a. die Burschenschaft "Olympia Wien", die nach 1989/ 1990 auch für das Geschäftjahr 1996/97 zur "Vorsitzenden Burschenschaft" des Dachverbandes gewählt wurde. Auf dem Burschentag 1991 in Eisenach fiel "Olympia Wien" bereits durch ihre Forderung nach geeigneten Maßnahmen zur sofortigen Beendigung der "Unterwanderung des deutschen Volkskörpers durch Ausländer" auf. Noch heute wird die Beteiligung von "Olympen" an Bombenanschlägen in Südtirol Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre als "tatkräftige Unterstützung" des dortigen Freiheitskampfes glorifiziert (s. BBl. 3/96, S. 189). Diese in einem Artikel des Verbandsblattes zum Ausdruck gebrachte Geisteshaltung läßt in der Tat keinen Zweifel daran, daß rechtsextremistisches Gedankengut in Teilen der DB auf fruchtbaren Boden fällt. 116 1.6.4 Sonstige rechtsextremistische Organisationen und Einrichtungen Neben den in den vorangegangenen Kapiteln behandelten Organisationen existiert eine Vielzahl weiterer rechtsextremistischer Organisationen und Einrichtungen. Ende des Jahres hatten die Verfassungsschutzbehörden 44 derartige Objekte mit zusammen etwa 3.400 Mitgliedern erfaßt, die als eingetragene oder formlose Vereine, als "Gesellschaften" oder sonstige Interessenvereinigungen ohne besonderen rechtlichen Status auftreten. Es handelt sich um eine Ansammlung unterschiedlichster Ausrichtung sowie teils regionaler, teils überregionaler Ausdehnung oder Bedeutung. Dazu gehören Kleinstparteien, aber auch Organisationen mit kultureller, traditionspflegender, weltanschaulicher oder heidnisch-germanischer Zweckangabe, Jugendund Studentenorganisationen sowie Rechtshilfevereine. Ihre Aktivitäten beschränken sich zumeist auf interne Veranstaltungen und Seminare, auf denen zum Teil prominente bzw. von Rechtsextremisten wegen ihrer mutigen "Unbeugsamkeit" respektierte Referenten Vorträge halten. Sie sind z.T. Orte völkisch-nationalistischer Gesinnungspflege, an denen Ansichten und " Wahrheiten " nach dem Verständnis der Interessentenschaft "ungeschminkt" ausgesprochen werden dürfen, die nach ihrer Überzeugung andernorts als tabuisiert (" Maulkorbund Denkverbot") gelten bzw. von der angeblich staatlich verordneten "Systempresse" arglistig oder schamhaft unterdrückt werden. Darüberhinaus erstellen sie Propagandamaterialien, Zeitungen und Broschüren. In einigen dieser Organisationen werden offen revisionistische, rassistische und antisemitische Thesen vertreten. Hervorhebenswerte Vereinigungen sind das vom Trägerverein " Heide-Heim e. V. " betriebene Kommunikationsund Veranstaltungszentrum in Hetendorf (Landkreis Celle/Niedersachsen) und das " Deutsche Rechtsbüro " (DRB). Die von Rechtsextremisten geführte Einrichtung Hetendorf hat aufgrund nachgelassener Aktivitäten als eines der bisher wichtigsten rechtsextremistischen Kommunikationsund Veranstaltungszentren in der Bundesrepublik an Bedeutung eingebüßt. Eigentümer des Anwesens ist der 1984 gegründete " Heide-Heim e. V. " mit Sitz in Hamburg. Zweck des Vereines ist, "ein Volksbildungsund Jugendheim zu unterhalten" sowie Veranstaltungen durchzuführen. Hetendorf diente in den vergangenen Jahren u.a. mittlerweile verbotenen neonazistischen Organisationen als Forum für eine breite Palette von Veranstaltungen z.B. zur rechtsextremistischen Meinungs-, Selbstverständnis-, Traditionsund Ritualienpflege. Nach dem Verbot dieser Organisationen, gestiegener Aufmerksamkeit der öffentlichen Medien gegenüber dem Treiben in Hetendorf sowie massiven Gegenaktionen antifaschistischer Gruppen {"Sonntagsspaziergänge") fanden in diesem Jahr - von Ausnahmen abgesehen - kaum noch bedeutende Aktivitäten in Hetendorf statt. 117 Die Geschicke des Hetendorf-Komplexes werden maßgeblich durch den Rechtsextremisten und Hamburger Anwalt Jürgen RIEGER gestaltet. Er ist seit Mitte des Jahres Vorsitzender des " Heide-Heim e. V. " - davor stellvertretender Vorsitzender. RIEGER ist auch Vorstandsmitglied in zwei Trägervereinigungen des " Heide-Heim e. V. ", der "Gesellschaß für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung e. V." (GfbAEV) und dem "Nordischen Ring" (NR). Die GfbAEV und der NR sind Träger u.a. rassistischen Gedankengutes. Die GfbAEV wurde 1962 in Ellerau (Schleswig-Holstein) als "Deutsche Gesellschaft für Erbgesundheitspflege" gegründet und 1972 umbenannt. Nach Auffassung der GfbAEV begeht jeder Mann " biologischen Verrat ", der eine Partnerin "fremder Rasse heiratet" und "Kinder anderer Rassen adoptiert und in unseren Lebensbereich bringt, so daß dadurch die Bastardisierung hier gefördert wird" ("Neue Anthropologie" Nr. 1/2, Juni 1991). Der NR wurde 1974 von ehemaligen GfbAEV-Mitgliedern gegründet. Auch er wendet sich in seiner Publikation "Nordische Zukunft" gegen die "Rassenmischung" und strebt die "Erhaltung der biologischen Substanz der nordischen Rasse" an. Einer Vereinsregistereintragung zufolge gilt die GfbAEV seit 08.01.97 in Deutschland im rechtlichen Sinne als aufgelöst, nachdem der Verein seinen Sitz von Ellerau nach Moholm (Schweden) verlegt hat. RIEGER ist maßgeblich verantwortlich für die Planung der jährlich stattfindenden " Hetendorfer Tagungswoche ", die seit sechs Jahren zur Pflege des sogenannten nordischen Brauchtums veranstaltet wird und neben symbolischen Ritualien politische Vorträge anbietet. An der diesjährigen Tagungswoche nebst Sonnenwendfeier vom 15.-23. Juni nahmen erheblich weniger Personen als in den vergangenen Jahren teil. Gegen die Veranstaltung hatte in der norddeutschen "Antifa"Szene (O siehe 2.2.1.3) ein " Celler Bündnis gegen die 6. Hetendorfer Tagungswoche " zum Ort des Geschehens mobilisiert und mit bis zu mehreren Hundert Personen - u.a. aus Hamburg - die Anfahrt der Tagungsteilnehmer blockiert. Am Tag der Sonnenwendfeier (20. Juni) kam es zu Übergriffen überwiegend vermummt und zum Teil militant agierender Demonstranten (u.a. Landfriedensbruch, Körperverletzung, Sachbeschädigung). Die eingreifende Polizei meldete 56 vorläufige Festnahmen, insgesamt 83 Personalienfeststellungen und über 200 Platzverweise. In der "Antifa"-Szene wurde später behauptet, man habe knapp ein halbes Hundert am 15./16. Juni anreisende "Faschos" zum Umkehren " bewogen ". Das im April 1992 in Hamburg gegründete "Deutsche Rechtsbüro" (DRB) fungiert bundesweit als Kontaktund Koordinierungsstelle für juristischen Rat suchende Personen und Organisationen. Es möchte der weitverbreiteten Unwissenheit und Unsicherheit in rechtsextremistischen Kreisen insbesondere über strafrechtliche Zusammenhänge begegnen. Dazu betreibt es Öffentlichkeitsarbeit, gibt juristische Ratgeber und Presseerklärungen heraus, organisiert Schulungen und Vorträge. Es vermittelt bedarfsentsprechend kompetente "national" eingestellte Rechtsanwälte, die mit dem 118 DRB zusammenarbeiten. Regelmäßig erstellt das DRB im Rahmen juristischer Aufklärungsarbeit sogenannte "Merklisten" zu Themen, wie * Veröffentlichung der Privatanschrift * Verbotsliste gegen Rechts * Strafliste gegen Rechts * Volksverhetzung und ähnliche Straftaten * Hausdurchsuchungen * Versammlungsrecht * Merkliste für Strafgefangene * Fotografieren mit Informationen über Rechtsmittel und Musterbegründungen. 1.7 Skinheads 1.7.1 Grundsätzliches, Merkmale Die Ende der 60er Jahre in den Arbeitervierteln Großbritanniens entstandene Skinhead-Bewegung verstand sich als Gegenbewegung zu den aus etablierten Bürgerschichten stammenden "Hippies" und "Mods". Anfänglich demonstrierte unpolitische Protesthaltungen wurden etwa ab 1977 von nationalistischem, ausländerfeindlichem und rassistischem Gedankengut verdrängt und fanden auch in Deutschland Nachahmer. Als sich die Skinheadszene Mitte der 80er Jahre hinter der englischen Leitfigur Ian STUART unter dem Kampfmotto "White Power" sammelte, wurde ihr paneuropäisches rassistisches "White power "-Programm (Weiße Rasse = Herrenrasse) von Deutschen übernommen. Die durch die ostdeutsche politische und gesellschaftliche "Wende" im Herbst 1989 begünstigte Eskalation von Radikalität und Gewaltbereitschaft bei Skinheads und anderen Rechtsextremisten schlug sich u.a. in den verheerenden Exzeßtaten von Hoyerswerda, Rostock, Mölln und Solingen nieder. Nach exekutiven Zugriffen und unfreiwilligem "Outing" durch die linksextremistische "Antifa"-Szene haben sich vermehrt jüngere, durch Kleidung und Habitus als Skinheads ausgewiesene Mitläufer aus Angst vor Strafe und staatlichem Druck von der Szene gelöst. Dagegen ist eine generelle Abkehr großer Teile der Skinheads vom Rechtsextremismus nicht erkennbar. Im Gegensatz zu den Vernetzungsstrukturen von Neonazis oder militanten Linksextremisten führen militant-rechtsextremistische Skinheads ein eher isoliertes Eigenleben. Ihr Potential läßt sich daher nicht spontan ausschöpfen und zu überregionalen politischen Massenaktionen mobilisieren. "Hammerskins" und "Blood & Honour119 Skins ", die ihren Ursprung in den USA und England haben, versuchen nunmehr auch in der Bundesrepublik, Teile der Skinheadszene zu politisieren und zu strukturieren. Die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten, insbesondere der rechtsextremistischen Skinheads, wird für das Jahr 1996 mit leicht steigender Tendenz auf 6.400 beziffert. 1995 waren es rund 6.200. Skinheads bilden weiterhin ein erhebliches Gewaltpotential, das Gewaltbedürfnisse anlaßbezogen - örtlich und regional unterschiedlich - mit z.T. äußerster Brutalität auslebt. 1.7.2 Fanzines / Skinbands / Tonträger / Konzerte Emotionale Bindungen der strukturarmen Skin-Gruppen werden durch zwei Kommuni-kationsschienen begünstigt, die breitere Politisierungen und ein gruppenübergreifendes Zusammengehörigkeitsgefühl fördern können: musikalisch-akustisch durch Skin-Bands und publizistisch durch "Fanzines". Skin-Bands mit rechtsextremistischer Ausrichtung artikulieren in ihrer Musik, Band-Namen, Titeln und Texten die Weltanschauung einer "White-Power-Bewegung". Sie steht für Rassismus (Bandname "Oithanasie"), Gewalt (Bandname "Brufol Attack"), Antisemitismus und Nationalismus. Die Musik propagiert und verherrlicht Gewalt als legitimes Mittel zur 120 Durchsetzung politischer oder politisch verbrämter Ziele, bedient und animiert Ressentiments und Haßgefühle und stachelt z.B. dazu auf, Asylbewerberunterkünfte in Brand zu stecken {"Commando Pernod"). Sie fördert auch die gefühlsmäßige Integration von Skins. Musikveranstaltungen bieten Begegnung, stärken das "Wir-Gefühl" von Randfiguren und "hartem Kern" sowie Lagermentalität. Im Umfeld von Skinhead-Konzerten werden rechtsextremistische Begleiterscheinungen registriert, wie z.B. Zeigen des Hitler-Grußes und "Sieg Heil"Rufe; häufig wird Propagandamaterial - inklusive "Demo-Tapes" und CDs mit rechtsextremistischen Texten - angeboten. In den letzten Jahren ist es für Skinhead-Bands schwieriger geworden, ihr einschlägiges Repertoire zu verbreiten. Staatliche Abwehr und Prävention - wie z.B. Beschlagnahme von Tonträgern, Strafverfolgungen wegen Volksverhetzung oder Aufstachelung zum Rassenhaß - und konsequente Beobachtungsund Verhinderungsmaßnahmen haben solche Bestrebungen zurückgedrängt. Insbesondere in Deutschland indizierte Musiktitel wurden verstärkt von ausländischen Vertrieben und Verlagen importiert. Ein Hauptaugenmerk staatlicher Gegenmaßnahmen galt in diesem Jahr u.a. dem Vertrieb der indizierten CD "Republik der Strolche" (Gruppe "LANDSER"), da speziell dessen Erlös rechtsextremistischen Bestrebungen und Zielen dienen sollte. In den Liedern äußert sich unverhüllt Rassismus und Nationalismus sowie Ausländerfeindlichkeit mit volksverhetzendem Charakter. Welche Bedeutung Konzerte für die Skinheadszene haben, zeigte die erhebliche Zunahme derartiger Konzerte in der Bundesrepublik. 1996 hat sich die Anzahl der Skinheadkonzerte gegenüber 1995 (35) mit 68 Veranstaltungen fast verdoppelt. Die meisten fanden in den ostdeutschen Bundesländern statt, allein 24 in Sachsen. Daneben besuchten deutsche Skinheads weiterhin Konzerte im benachbarten Ausland. Neben den bekannten Skin-Bands wie "Brutal Attack", "No Remorse", "Endstufe", "Thor's Hammer" und "08/15" war besonders für "Kraftschlag" das 96er Veranstaltungsjahr erfolgreich. Die früher rechtsextremistische Skinband "Böhse Onkelz" distanzierte sich von ihrem alten Liedund Gedankengut und mutierte zur Kultband mit erheblichem kommerziellen Erfolg, u.a. einem Herbstkonzert in der Hamburger Alsterdorfer Sporthalle. Ein Gefühl globalen Zusammenhalts der nur lockere Kontakte pflegenden Skin-Gruppen vermitteln u.a. Konzertbesuche. Sich rechtsextrem gebärdende Skin-Bands inszenieren ihre Musik in häufig aufhetzerischer, dämonisierender sowie verhöhnender Textwahl und Gestik. Sie präsentieren sich unter unverhohlen oder unterschwellig Gewalt symbolisierenden Eigenbezeichnungen. Titel und Texte vermitteln eine manchmal gespenstisch wirkende, elitär-heroische " White-Power "-Mentalität. Manche Tiraden sind doppeldeutig verpackt. Trotzdem weiß jeder, was gemeint ist: Rassismus, Gewalt, Antisemitismus und Nationalismus. 121 Ein ebenfalls verbindendes Medium sind die sog. "Fanzines", (Kurzform für "fanmagazines"). Auch sie geben Einblick in das Denken und Handeln der Szene. Die meisten sind einfach aufgemacht und erscheinen in nur kleinen Auflagen. Sie animieren ihre Leserschaft zu Feindseligkeiten und Übergriffen gegen vermeintliche gemeinsame Gegner. "Fanzines" veröffentlichen Erlebnisberichte über Feten, Konzerte, neue Musikaufnahmen bzw. Demotapes sowie Interviews mit inund ausländischen Skin-Bands, in denen diese zum Teil ihre politische Gesinnung offenbaren und begründen. Sie informieren bevorzugt auch über Schlägereien und andere Gewaltexzesse, wenn dabei gegen Ausländer und als "Zecken" stigmatisierte Linke vorgegangen worden war oder werden soll. 1.7.3 Hammerskins und 'Blood & Honour'-Skim Die 1986 in Dallas (Texas/USA) und nach einer TV-Selbstdarstellung von Sean TARRANT und Wollin LANGE gegründete Skinhead-Organisation "Hammerskins" ist eine besonders elitär ausgeprägte Strömung. Trotz nur geringer Resonanz fühlt sie sich als globaler Vorreiter zur Vereinigung der " Weißen Rasse ". Eindeutig rassistische Positionen paaren sich z.T. mit nationalsozialistischen Merkmalen. "Hammerskins" treten in mehreren europäischen Ländern auf. Deutsche "Hammerskins" sind in "Sektionen" - überwiegend in den neuen Bundesländern - organisiert. Sie wurden u.a. in Berlin ( 2 0 - 3 0 Mitglieder), Bremen (10 - 15) und Brandenburg festgestellt, u.a. als Veranstalter von Konzerten, auf denen sie für ihre Bewegung werben. Im Internet ist eine englischsprachige Homepage installiert, die deutschen "Hammerskins" zuzurechnen ist und als Kontaktadressen die Anschriften des " Ultima-Tonträgerversands" (Halle) sowie des Fanzines "Hass Attacke" (Neustadt/Sachsen) nennt. " Blood & Honour " wurde Mitte der 80er Jahre von Ian STUART (Kürzel von Ian Stuart DONALDSON), dem 1993 verstorbenen Sänger der britischen neonazistischen Skinhead-Band "Skrewdriver", gegründet. Ziel der unter dem Schlagwort " The Independent Voice of Rock Against Communism" firmierenden Organisation ist die Beeinflussung der Skinhead-Szene durch neonazistische Skinhead-Musik. Auch " Blood & Honour" versteht sich als Teil der weißen, elitären Herrenrasse. Ihre Popularität und der darauf beruhende Zugang und Einfluß auch auf unpolitische Skins erklären sich aus intensiven Konzertaktivitäten, reger Publizistik (einschlägige Fanzines) sowie ihrer betonten Basisnähe als quasi "Skin-Bewegungzum Anfassen". Ein in Großbritannien erscheinendes, professionell gestaltetes Magazin unter dem Titel "Blood& Honour" wird auch in der deutschen Szene verbreitet. 1995 und 1996 erschienen vierseitige deutsche Ausgaben eines "Blood & Honour"Mitteilungsblatts. Darin wurde als Kontaktanschrift die Postlageradresse des von dem Deutschen Marcel SCHILF (23) geleiteten Vertriebs "NS 88" in Hillerod (Dänemark, O 1.8.1, 122 1.2.2) angegeben. "Sektionen" existieren u.a. in Frankreich und den USA, in Deutschland - etwa seit 1994 - in Bayern, Berlin, Brandenburg und Sachsen mit jeweils rund 30 Mitgliedern. Die deutschen "Sektionen" unterhalten lockere gegenseitige Kontakte. Seit 1995 tritt besonders die Berliner "Sektion" aktiv hervor. Sie organisierte drei Konzerte in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Abgesehen von einzelnen Mitgliedern der " Sektion " Sachsen traten die übrigen bislang nicht öffentlich in Erscheinung. Nach - bisher unbestätigten - Meldungen soll ein bekannter Hamburger Skinhead die hiesige " Blood & Honour "- Sektion leiten. 1.7.4 Situation in H a m b u r g Abweichend von Auftriebstendenzen in einigen anderen Bundesländern setzte sich der personelle und aktionistische Niedergang der Hamburger Skinheadszene fort. Sie wird auf etwa 40 Personen geschätzt, die überwiegend dem weiteren Umfeld der ehemaligen verbotenen "Nationalen Liste" (NL) zuzurechnen sind. Sie entziehen sich - mit wenigen Ausnahmen - einer kontinuierlichen "politischen" Arbeit. Allerdings ließ sich ein erheblicher Teil zu bestimmten Veranstaltungen und Aktionen, so zu einer Wahlkampfveranstaltung der DLVH am 2. März in Ulzburg (SchleswigHolstein), die mit einem Konzert des "nationalen Barden" Frank RENNICKE kombiniert war, mobilisieren. Auch der alljährliche "Rudolf-Hess-Marsch" stößt auf Interesse. Die - trotz zum Teil aufwendiger Anreisen - enorme Anziehungskraft von inund ausländischen Skinhead-Konzerten wurde durch relativ hohe Besucherzahlen auch aus Hamburg bestätigt. Hamburger Kontakte zu " Hammerskins " wurden hingegen nicht registriert. Örtlicher Schwerpunkt der rechtsextremistischen Hamburger Skin-Szene sind unverändert die ineinander übergehenden Stadtteile Bramfeld, Farmsen-Berne und Rahlstedt im Bezirksamtsbereich Wandsbek. Innerhalb dieses bis zu 30 Skinheads zählenden Umfeldes haben ehemalige NL-Mitglieder gewisse Anleitungsund Führungsfunktionen. Bei ihren politischen Aktivitäten versuchen die ehemaligen Bramfelder NL-Anhänger auch speziell auf Skins ausgerichtete Aktionen und Treffen durchzuführen, um das Umfeld fester anzubinden, zu aktivieren und zu vergrößern. Nach Schließung ihres Trefflokals am 14.12.95 ebbte die Resonanz jedoch merklich ab. Das ehemalige führende Bramfelder NL-Mitglied Thorsten BARTHEL gibt die aus dem "Bramfelder Sturm" hervorgegange Publikation "Hamburger Sturm" heraus, deren größter Abnehmerkreis in der hiesigen Skinszene zu finden ist. Der Herausgeber bezeichnet sie als "Sprachrohr der nationalen Jugend" und als "Rundbrief an seinen "Kameradenund Freundeskreis". Seit Oktober 1995 wurde die "Patriotische Jugend" aus Henstedt-Ulzburg als Mitherausgeberin des "Bramfelder Sturms" angege123 ben. Bei der "Patriotischen Jugend" handelt es sich um ehemalige NL-Anhänger aus der Henstedt-Ulzburger Skinheadszene. Beide Gruppen haben gute Kontakte zu Hamburger und auswärtigen Skins sowie zu HSV-Fans aus der Hooligan-Szene. Der Vollständigkeit halber wird das erstmalig am 15.09.94, letztmalig im November 1996 erschienene Skinhead-Fanzine "Vikingforce" erwähnt. Der Hamburger Herausgeber wollte mit der englischund deutschsprachigen Publikation auch "Kameraden" in Kanada, USA und England erreichen. Die ehemaligen Bramfelder NL-Anhänger betätigen sich punktuell auch im Sinne der "Anti-Antifa" ( 3 1.4.3). Dabei werden politische Gegner ausgekundschaftet, auch unter Angabe von Namen und sonstigen Personalien in Veröffentlichungen (1996 rückläufig) angeprangert und Leser aufgefordert, dem "Antifa-Terror" entgegenzutreten bzw. Personen "anzusprechen". In der Vergangenheit wurden solche Anstiftungen auch umgesetzt, die Zielpersonen mit Droh-, Schmierund Klebeaktionen attackiert. Nach wie vor agitieren Bramfelder Skinheads gegen Ausländer und Asylbewerber ebenso haßerfüllt und aggressiv wie gegen ausländerfreundliche, angeblich " inländerfeindliche" Politik der demokratischen Parteien. Mit zielstrebig auf Hooligans ausgerichteten Aktionen versuchten die Bramfelder Initatoren sich auch diese Gattung unter neonazistischen Vorzeichen zu erschließen. Mit Aufklebern "HSV-Fans gegen Links - Gemeinsam für Verein und Vaterland!" und in der Schrift "Bramfelder Sturm" warben sie bereits 1995 für die Teilnahme an Aktionen anläßlich des Bundesliga-Fußballspieles HSV/St. Pauli am 24.11.95 im Hamburger Volksparkstadion. St. Pauli-Fans sind nach Skinhead-Sprachregelung " Zecken ", die man " abklatschen " sollte. Im " Bramfelder Sturm " war die Aktion als Rachemaßnahme für einen "feigen Übergriff" durch eine "Anarcho-Bande" auf vier "Kameradinnen" deklariert worden. Damals waren 32 Personen in Gewahrsam und je zwei Personen wegen Waffenbesitzes und Zeigens eines Transparentes mit "SSRunen" festgenommen worden. 34 weitere Personen wurden nach dem Spiel wegen Landfriedensbruchs und Körperverletzung festgenommen. Von Pseudo-Fußballfans ausgehender Haß kam auch in diesem Jahr anläßlich des Bundesliga-Lokalderbys HSV/St. Pauli am 15. September wieder hoch: Ein "Aktionskomitee Nationale Freizeitgestaltung 1996" in Zusammenarbeit mit einer angeblichen Arbeitsgemeinschaft " 725 Jahre deutsches Bramfeld" rief per Flugblatt "HSV-Skins gegen die Zeckenseuche von St. Pauli!" bzw. "Westkurvenpogo gegen links!" dazu auf, das "Antifa-Zeckengesindel" in "unserer" Westkurve nicht mehr zu dulden und "ein Zeichen" zu setzen. Der "Sieg von Worms - der Rudolf Heß Stadt 1996" (O 1.4.5) habe gezeigt, daß es mit der "nationalen Skinheadszene" wieder aufwärts gehe. Immer mehr Skinheads entdecken die Vermarktung ihrer Subkultur als profitable Einnahmequelle. Auch einzelne Hamburger Neonazis und Skinheads boten Tonträger mit Skinhead-Musik auf Treffen, Veranstaltungen und Konzerten an. Im Bezirk Ber124 gedorf betreiben zwei Skinhead-Brüder den Skin-Laden " Buy Or Die ". Das Sortiment umfaßt neben Bekleidung auch andere skinbezogene Artikel, u.a. Fanzines und Tonträger. Nebenbei informiert der Laden über Skinhead-Veranstaltungen. Die Ladenbetreiber haben sich als Veranstalter, besonders durch das weit über die Grenzen Hamburgs hinaus bekannte "Skin-Fußballturnier" im Bergedorfer Stadtteil Nettelnburg, einen Namen gemacht. Etwa 200 Teilnehmer besuchten das am 18. Mai zum zweiten Mal stattgefundene Turnier. Diese wie auch andere Veranstaltungen im gesamten Bundesgebiet werden von den Brüdern kommerziell genutzt, indem sie an Verkaufsständen das gesamte Repertoire an Skin-Artikeln anbieten. Über "Buy Or Die" warb auch ein Skinhead aus Bergedorf unter dem Label " White Pride Tapes" (WPT) für Tonträger mit Skinmusik. Gegen ihn wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Eine polizeiliche Durchsuchung ergab, daß er bei dem dänischen Musikverlag "NS 88" (s.o.) indizierte CDs orderte und unerlaubt auf Kassetten kopierte in der Absicht, sie gewinnbringend zu vermarkten. Andere Anbieter, die bisher auf Raubkopien aus Tschechien angewiesen waren, besitzen mittlerweile eigene CD-Preßwerke ("Brenner" genannt), die bei geringen CD-Rohling-Preisen profitträchtig sind. In einschlägigen Katalogen werden immer noch Tonträger der Hamburger Skin-Band "Oi-Drumz" und "Commando Pernod" angeboten. Aktuelle Informationen über den Fortbestand dieser Gruppen oder personelle Veränderungen liegen nicht vor. Mit "Punkroggenroll" versuchte die Hamburger Skin-Band " Wilde Jungs" ein Comeback. Obwohl Hamburger Skinheads im Vergleich zu früheren Jahren weniger Gewalttaten verübt haben, birgt diese prinzipiell gewaltgeneigte Szene eine ständige potentielle Gefahr. Analog zu Entwicklungen in ostdeutschen Ländern gibt es auch in Hamburg und im Hamburger Umland Ansätze für eine Erweiterung dieses Gewaltpotentials um eher unpolitische Jugendliche. Bei mehreren ausländerfeindlichen Strafund Gewalttaten in Halstenbek waren neben Skinheads aus Hamburg und Schleswig-Holstein auch Hooligans und andere gewalttätige Jugendliche beteiligt. 1.8 Grenzüberschreitende Aktivitäten 1.8.1 Europa Deutsche und andere europäische Rechtsextremisten arbeiten seit den Verboten rechtsexremistischer Parteien und Organisationen stärker zusammen. Sie kooperieren in vielfältiger Ausprägung und Intensität, sei es durch gegenseitige Veranstaltungsbesuche, aktive Unterstützung von Aktionen oder durch logistische Hilfe in Wahlkämpfen. Dieses hat auch für die Herstellung und Verbreitung rechtsextremistischen Propagandamaterials Bedeutung, in Europa insbesondere in den grenznahen Gebieten 125 Hollands und Dänemarks, in Belgien und in den skandinavischen Ländern. Daneben sind Kanada und die USA Ursprungsländer nach Deutschland einströmender rechtsextremistischer Propagandamittel. Liberalere Strafgesetze dieser Länder werden genutzt, um in der Bundesrepublik strafrechtlicher Verfolgung zu entgehen. In der rechtsextremistische Szene wächst das Verlangen, der verabscheuten europäischen politischen Integration eine europaweite Vernetzung " volksbewußter " internationaler Organisationen entgegenzusetzen. Diese sollen die Europäische Union (EU) bekämpfen und sich für ein "Europa der Vaterländer" einsetzen. Der stellenweise bereits stattfindende grenzüberschreitende Informationsaustausch soll zu einer beständigen Zusammenarbeit überleiten und letztlich in europaweit abgestimmte Aktionen münden. Auf der Ebene rechtsextremistischer europäischer Jugendorganisationen setzten die "Jungen Nationaldemokraten" (JN O 1.5.3.2) diese Vernetzungsbemühungen durch ihre alljährlichen "nationalen Jugendkongresse" fort. Initiator und erhoffte Schlüsselfigur für eine verstärkte Zusammenarbeit europäischer nationalistischer Parteien und Organisationen ist der von deutschen Rechtsextremisten als charismatisch empfundene Führer des französischen "Front National" (FN), Jean-Marie Le PEN. Frankreich: Seit Anfang des Jahres bemühte sich Le PEN zunächst in Tuchfühlung mit dem Führer der rechtsextremen "Liberaldemokratischen Partei Rußlands" (LDPR), Wladimir SCHIRINOWSKIJ, eine große Konferenz aller "patriotisch-europäischen" Gruppierungen zu organisieren. Motto: "Patrioten aller Länder vereinigt Euch!" Da eine Teilnahme SCHIRINOWSKIJs selbst in den Reihen der FN auf massiven Widerstand stieß, wurde er bei den weiteren Vorbereitungen ausgeklammert. Im Dezember trafen sich im Straßburger Europaparlament auf Einladung Le PENs deutsche "patriotische" Verleger und Publizisten mit den Führungen des "Front National" und des für ein unabhängiges Flandern und für die Spaltung Belgiens eintretenden " Vlaams-Blok ". Der deutschen Delegation, geleitet von dem ehemaligen Bundesvorsitzenden und Europaabgeordneten der "Republikaner", Franz SCHÖNHUBER, gehörten auch die Herausgeber der Monatszeitschrift "Nation & Europa", ferner das Ex-MdEP und Vorstandsmitglied der " Deutschen Liga für Volk und Heimat" (DLVH), Harald NEUBAUER, an. Die französische Seite appellierte an die deutsche Rechte, die Zersplitterung der nationalistischen Kräfte in Deutschland zu überwinden. Le PEN bekundete seinen Wunsch nach einer stärkeren Vernetzung der "patriotischen" Kräfte in Europa mit dem Ziel einer weiterführenden Zusammenarbeit. Der FN genießt bei deutschen Rechtsextremisten hohes Ansehen als Vorbild für eine erfolgreiche Opposition gegen die herrschenden Parteien. Großbritannien: Der im englischen Brighton ansässige rechtsextremistische Verlag " Nineteen Eighty Four Press " versandte die von Carlos Whitlock PORTER verfaßte revisionistische Broschüre "Nicht schuldig in Nürnberg". Der Verlag vertreibt auch 126 Werke bekannter anderer Revisionisten wie Thies CHRISTOPHERSEN, Ernst ZÜNDEL und Wilhelm STÄGLICH. Unter seiner Adresse firmiert auch der Verlag "Books Unlimited", der bereits das revisionistische "Rudolf-Gutachten" vertrieb, in dem der Holocaust geleugnet wird. In Uckfield/East Sussex wurde die dritte Ausgabe des revisionistischen "National-Journals. Das deutsche Info-Magazin" gedruckt. Es wird von einem Unterstützerkreis des Holocaust-Leugners Otto Ernst REMER herausgegeben. Niederlande: Die Niederlande gewinnen als wichtige Basis für den Vertrieb rechtsextremistischer Schriften zunehmende Bedeutung. Persönliche Kontakte deutscher Neonazis zur holländischen "Aktionsfront Nationalsozialisten" (ANS) wurden gefestigt. Die aktionistische Zusammenarbeit der vergangenen Jahre, u.a. Auftritte vor der dänischen Botschaft in Den Haag und in Sittard anläßlich der Verhaftung Gary LAUCKS (O 1.8.3), wurde fortgesetzt. Die LAUCK-Solidaritätsaktionen anläßlich der Prozeßeröffnung am 9. Mai in Hamburg unterstützten neben dänischen auch holländische Neonazis. Am 30. März fanden in Leerdam und Echt (NL) Demonstrationen niederländischer Rechtsextremisten unter Beteiligung deutscher Gesinnungsgenossen statt. Zu der u.a. von der nationalistischen "Centrumspartij 86" (CP 86) angemeldeten Veranstaltung in Leerdam kamen insgesamt 80 Personen, darunter etwa 20 deutsche Rechtsextremisten. Ca. 30 Personen, darunter ein Bundesvorstandmitglied der "Jungen Nationaldemokraten " (JN) und knapp 20 weitere deutsche Rechtsextremisten, beteiligten sich an der Demonstration in Echt, zu der ein niederländisches "Antikapitalistisches Komitee" (AKK) aufgerufen hatte. Das bis dahin unbekannte AKK ist ein Zusammenschluß deutscher und niederländischer Nationalisten. Rund 80 deutsche und niederländische Rechtsextremisten - u.a. aus Hamburg - trafen sich am 9. November zum Gedenken an HITLERs Marsch zur Feldherrenhalle in Schiedam (NL). Deutsche und niederländische Neonazis stehen im Verdacht, eine dem 1993 erschienenen "Einblick" (Z> 1.4.3) ähnelnde "Anti-Antifa"-Broschüre vorzubereiten. In Rotterdam war eine Mailbox "Weerwolf.BBS" dem rechtsextremistischen deutschen Thule-Netz angeschlossen. Seitdem diese nicht mehr aktiv ist, ist die Mailbox " OstWest White Board" in Arnheim dem Mailbox-Netz (O siehe 1.9) angeschlossen. Dänemark: Seit Jahren bestehen enge Kontakte zwischen deutschen Neonazis und der "Dänischen Nationalsozialistischen Bewegung" (DNSB). Ab 1. Februar war die DNSB als Betreiberin des lokalen Radiosenders "Radio Oasis" lizensiert. Im September wurde die Lizenz entzogen, nachdem zweimal wöchentlich stundenlang "nationale" Propaganda und entsprechende Musik sowie Zitate aus Hitlers "Mein Kampf ausgestrahlt worden waren. Die örtliche Rundfunkkommission hatte dem Radiosender - Betreiber war der DNSB-Vorsitzende Jonni Jesper HANSEN - die Li127 zenz mit der Auflage erteilt, keine rassistischen Beiträge zu senden. Der im dänischen Hillered ansässige, von einem deutschen Neonazi geleitete Vertrieb "NS 88" (O siehe u.a. 1.2.2) hat sich zu einem bedeutenden Anbieter nationalsozialistischer Tonträger (CD "Reichssturm - Heim ins Reich") und Videomachwerken, überwiegend mit " White-Power Konzerten ", entwickelt. Im aktuellen, insbesondere der Skinhead-Szene zugedachten Angebot, sind neben zahlreichen Konzertmitschnitten auch "Aryan Flags" (Hakenkreuze und andere Symbole), CDs und Videos aus der NS-Zeit. Belgien: Bei einem internationalen Treffen von Rechtsextremisten aus Belgien, den Niederlanden, Finnland, Frankreich und der Bundesrepublik am 20. April in Antwerpen wurde zu Aktionen im Zusammenhang mit dem am 9. Mai in Hamburg beginnenden Strafprozeß gegen Gary Rex LAUCK (s.o.: Niederlande) aufgerufen. Anläßlich der "69. herbedevaart" am 25. August in Diksmuide nahm die belgische Polizei insgesamt 129 Personen, darunter 43 deutsche Rechtsextremisten, fest. Unter den 150 angereisten deutschen Rechtsextremisten befanden sich einige Funktionäre verbotener deutscher rechtsextremistischer Parteien und Organisationen. Spanien: Etwa 50 deutsche Rechtsextremisten, Vertreter des belgischen " Vlaams Blok", des französischen "Front National" und der britischen "National Socialist Alliance" (NSA) haben an den Gedenkfeiern zum Todestag General FRANCOs (20.11.75) vom 22.-24. November in Madrid teilgenommen. Die Gedenkfeiern wurden von der "Alianza por la Unidad Nacional" (AUN) veranstaltet. Die AUN orientiert sich an FRANCO und grenzt sich von Neonazigruppen ab. Deutsche und österreichische Revisionisten halten sich in Spanien auf und setzen z.T. von dort ihre revisionistische Agitation fort. Die vorstehenden Länderbeispiele sind ein Auszug aus einem umfangreicheren Katalog - vielfach auch relativ unbedeutender - Ereignisse, Querverbindungen und sonstiger internationaler rechtsextremistischer Bezüge. 1.8.2 USA und Kanada In den USA existiert ein wichtiger Bezugspunkt internationaler - auch deutscher - Revisionisten: Das "Institute of Historical Review" (IHR). In der Vergangenheit arbeiteten auch deutsche Revisionisten als freie Mitarbeiter des Instituts. Ein zugunsten des mit revisionistischen Aussagen hervorgetretenen - z.Zt. inhaftierten - ehemaligen NPD-Bundesvorsitzenden DECKERT gegründetes "Günter Deckert Freedom Committee" (Pasadena/USA) machte sich mit einem Solidaritätsaufruf bemerkbar. Der Aufruf wurde von dem Revisionisten Ernst ZÜNDEL (siehe: Kanada) per Internet verbreitet. 128 Auch die Skinhead-Szene bezieht Impulse aus den USA. Durch US-amerikanische Vertriebe gelangen Tonträger, Videos, Devotionalien neonazistischer SkinheadBands per Post nach Deutschland. In der rechtsextremistischen Skinhead-Szene gibt es extrem nationalistische und rassistische Neigungen. Von den USA her strahlt die sog. " Hammerskin "-Bewegung unter rassistischen Vorzeichen auch nach Deutschland aus. Kanada: deutsche und ausländische Revisionisten beziehen theoretisches Rüstzeug aus Kanada von dem dort ansässigen Ernst ZÜNDEL, der weltweit als revisionistischer Vordenker und Chefideologe bekannt ist (ZÜNDEL: O siehe 1.2.3 Revisionismus, 1.2.2 Antisemitismus, 1.9 Internet). 1.8.3 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei / Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP/AO) Die 1972 von dem deutschstämmigen Amerikaner Gerhard LAUCK gegründete und seitdem von ihm geleitete NSDAP/AO bekennt sich zur Ideologie des Nationalsozialismus und strebt dessen Restaurierung an. Nahziel ist die Aufhebung des NS-Verbotes, d.h. die Wiederzulassung der NSDAP als Wahlpartei in Deutschland und der "Ostmark" (Österreich). Endziel: "Schaffung eines nationalsozialistischen Staates in einem freien, souveränen und neuvereinigten großdeutschen Reich", Errichtung einer " neuen Ordnung auf einer rassistischen Grundlage in der ganzen arischen Welt ". Die Zentrale der NSDAP/AO in Lincoln / Nebraska (USA) wurde durch den weltweiten Vertrieb rechtsextremistischer Publikationen, von NS-Abzeichen, Hakenkreuzaufklebern u.a. an Gesinnungsgenossen bekannt, die das Material in ihren Heimatländern weiterverbreiten sollen. Das deutschsprachige Organ der NSDAP/AO, der "NS-Kampfruf, erschien seit 1973 bis zur Festnahme LAUCKs am 20.03.95 in Dänemark jeweils zweimonatlich, danach noch sporadisch in verminderter Stärke. Es ist von extrem antisemitischem Gedankengut durchdrungen, hetzt gegen Angehörige angeblich "minderwertiger, nicht-arischer Rassen" und bietet Bestrebungen gegen den freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat - auch Überlegungen zu gewaltsamen Kampfformen - Darstellungsraum. Neben dem "NS-Kampfruf erscheinen Zeitungen und "NS-Nachrichtenblätter" in neun weiteren europäischen Sprachen, in den USA zwei Fernsehprogramme in mehreren lokalen Kabelnetzen. In Abstimmung mit dem verstorbenen Neonazi-Führer Michael KÜHNEN konzipierte LAUCK die NSDAP/AO als Untergrundbewegung, die legal arbeitende Neonazis unterstützen sollte. In der Bundesrepublik sollten unabhängige, gegenseitig abgeschottete, aus den USA mit Propagandamaterial belieferte Zellen entstehen. Staatliche Exekutivmaßnahmen gegen einzelne Zellen sollten den Bestand der Gesamtorganisa129 tion nicht gefährden können. Gleichwohl war es deutschen Sicherheitsbehörden gelungen, in Kommunikationswege der NSDAP/AO einzudringen. In einer Aktion von Sicherheitsbehörden und der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Hamburg wurden am 23.03.95 Hausdurchsuchungen durchgeführt. Sie lieferten zwar keine Hinweise auf die Existenz des angedachten Zellensystems, jedoch auf Einzelpersonen und kleinere Gruppen, die Propagandaträger der NSDAP/AO bezogen und weiterverbreiteten. Herstellung und Verbreitung des deutschsprachigen "NS-Kampfrufs" sowie anderen Materials wurde zwar nicht total blockiert, jedoch erschwert. Nach der Verhaftung LAUCKs wurden die Aktivitäten der NSDAP/AO in den USA offensichtlich in kleinerem Stil fortgesetzt. Gerhard ("Gary") Rex LAUCK wurde am 06.03.95 in Kopenhagen festgenommen. Am 05.09.95 wurde LAUCK den Justizbehörden in Hamburg überstellt. Am 9. Mai begann der Strafprozeß vor dem Landgericht in Hamburg. Am 22. August wurde LAUCK zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren wegen Volksverhetzung, Aufstachelung zum Rassenhaß, Verbreitung von Propagandamitteln und der Verwendung von Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation verurteilt. Die Untersuchungshaft in Dänemark und Deutschland wurde angerechnet. Der Bundesgerichtshof hat das Urteil inzwischen bestätigt. Zur Prozeßeröffnung kam es in Hamburg zu - insgesamt unbedeutenden - Solidaritätskundgebungen mit wenigen Teilnehmern. Die deutsche Neonaziszene zeigte sich, außer in Nordrhein-Westfalen, desinteressiert. Selbst in Hamburg - am Ort des Prozeßgeschens - wurde in der ohnehin geschwächten Neonaziszene nur verhalten mobilisiert. Am 9. Mai tauchten vor der Justizvollzugsanstalt etwa 35 Rechtsextremisten mit einem Transparent "Freiheit für Gary LAUCK" und einer Flagge des Deutschen Reiches (ohne Symbol) auf. Nach etwa 10-15 Minuten löste sich die Versammlung auf und fuhr zum Landgericht. Eine Konfrontation mit linksextremistischen Gegendemonstranten führte zum überstürzten Rückzug der Rechtsextremisten. Am Kleinbus eines holländischen Rechtsextremisten zerstörte ein Linksextremist die Seitenscheibe. Unterdessen bemühte sich die NSDAP/AO, den "NS-Kampfruf weiter erscheinen zu lassen. In der erst im August bekannt gewordenen März/April-Ausgabe (Nr. 116) erklärte ein "Europa-Ausschuß der NSDAP/AO" diese Ausgabe zum einzig "offiziellen" NSDAP/AO-Produkt. Der "Ausschuß" distanzierte sich damit von einer unmittelbar vor Prozeßbeginn aufgetauchten "Sondernummer" (auch Nr. 116) des "NSKampfrufes", die durch ihre militante Gesamttendenz bzw. unverhohlene Aufforderung zur Gewalt manche Anhänger und Sympathisanten abgestoßen hatte. Die Sonderausgabe hatte nach Aussagen aus den eigenen Reihen dazu beigetragen, daß die zunächst in größerem Stil angedachten Solidaritätsaktionen am 9. Mai nur zurückhaltend unterstützt wurden. Auch nach seiner Verurteilung ist LAUCK in der deutschen neonazistischen Szene überwiegend kein Thema, das Resonanz erzeugt. Das Desin130 teresse ist ein Gradmesser für die gelegentlich überschätzte Bedeutung LAUCKs bei deutschen Neonazis. 1.9 Rechtsextremistische Bestrebungen mit Hilfe moderner Informationstechnologie Später als andere, dem technischen Fortschritt aufgeschlossene Kreise der Gesellschaft, haben Rechtsextremisten begonnen, sich die Vorzüge moderner Kommunikationsmittel zu erschließen. Ein deutlicher Anschub setzte ein, als die verstärkten Repressionsmaßnahmen des Staates zu wachsenden kommunikativen, agitatorischen und aktionistischen Problemen der Rechtsextremisten in der Bundesrepublik geführt hatten. Heute nutzen sie die Vorteile von Mailboxen und zunehmend des "Internet", um relativ ungehindert zu kommunizieren und einen größeren Verbreitungsgrad zu erreichen. Vor allem aber kommt es ihnen darauf an, staatliche Überwachungsmaßnahmen zu erschweren oder zu verhindern bzw. Bestrafungen zu umgehen. In der internen Nachrichtenverbreitung und Kommunikation haben auch "Info-Telefone" und Mobiltelefone (" Handys ") erhebliche Bedeutung. Mailboxen: Das " Thule "-Netz ist derzeit der einzige funktionierende organisationsübergreifende Mailbox-Verbund im rechtsextremistischen Bereich. Die Mailboxen "Franken" und "Phantom" - beide in Nürnberg installiert - waren im Herbst 1992 ein erster, aber gescheiterter Versuch, ein Mailbox-Netz zu gründen. Im März 1993 startete die Mailbox " Widerstand" in Erlangen mit dem Versuch, ein "Netzfür nationale Datenfernübertragung" (DFÜ) zu errichten. Diesem Netz hat sich die "Phantom "-Mailbox angeschlossen. Der erste Nachrichtenaustausch zwischen beiden Mailboxen am 20.03.1993 wird als Geburtsstunde des " Thule "-Netzes angesehen. Seine Einrichtung wurde im "Thule-Journal" (Nr. 1, März 1994), herausgegeben vom Betreiber der Mailbox " Widerstand", begründet: Das Ziel der " Thule "-Mailboxen sei die Schaffung eines dezentralen Netzes. Man wolle die neuen Medien politisch und "nationalistisch" nutzen und dazu die Idee eines eigenen Datennetzes verwirklichen. Die " Thule "-Mailboxen sollten "Gegenöffentlichkeit" schaffen und folgende weiteren Aufgaben erfüllen: Herstellung und Verfestigung der Kontakte zwischen "nationalen Gruppen" untereinander. Entwicklung einer Datenbank mit Informationen für "nationale Aktivisten". Insbesondere sollte die Herstellung von "nationalgesinnten" Publikationen durch die Bereitstellung von Artikeln gefördert werden. Minderung des " Verfolgungsdruckes durch das System ", indem Kommunikationsmöglichkeiten bereitgestellt werden, die vom "System" nicht - oder nur mit hohem technischen Aufwand - ausgespäht werden können. 131 Zum Aufbau einer Mailbox benötigt ein Betreiber (Systemoperator = SysOp) einen Computer, ein Modem und Kommunikationssoftware. In der Regel ist eine Mailbox dann rund um die Uhr über das öffentliche Fernsprechnetz erreichbar. Die Teilnehmer am Datenaustausch bezeichnet man als User. Sie können jederzeit aus ihrer Box Informationen abrufen oder darin einstellen. Wer sich als User an einer Mailbox beteiligen will, muß sich als Benutzer beim SysOp registrieren lassen. Neben dem üblichen Paßwortschutz sind die Zugangsberechtigungen zu den Datenbeständen der Mailbox durch Zugriffsebenen geregelt. Die Mailbox wird vom SysOp in unterschiedliche Zugriffsebenen (Gast, User, Aktivist, SysOp) gegliedert, in die jeder User vom SysOp entsprechend seinen Aktivitäten eingeteilt wird. Nur wer sich aktiv an der Mailboxkommunikation beteiligt, kann seinen Datenzugriff durch den SysOp erweitern lassen. Zum Schutz vor unerlaubtem Mitlesen durch Linksextremisten und Sicherheitsbehörden wird ein digitales Verschlüsselungsprogramm ("Pretty Good Privacy", PGP) genutzt, welches zur Zeit eine optimale Datensicherheit gewährleistet. Am Jahresende waren dem " Thule "-Netz folgende Mailboxen angeschlossen: "Widerstand BBS" (Erlangen), "Janus BBS" (München), "Elias BBS" (Rhein-Neckar), "Asgard BBS" (Bad Segeberg), "Germania BBS" (Bonn), "Osgiliath BBS" (Frankfurt), "Propaganda BBS" (Karlsruhe), "Kraftwerk BBS" (Nordbayern), "Stoertebecker BBS" (Stavenhagen). Außerdem ist die in den Niederlanden ansässige Mailbox "Ost-West-White Board" (Arnheim/NL) dem Netz angeschlossen. Die Anfang des Jahres in Hamburg installierte Mailbox "Bollwerk BBS" stellte schon bald den Betrieb wieder ein. In den "Thule" - Mailboxen werden unterschiedliche Themenbereiche ("Bretter") angeboten, die sich zum Beispiel mit Fragen der "Anti-Antifa", des europäischen Nationalismus, der Gesellschaft sowie mit Medienund Publikationsfragen befassen. Für aktuelle Informationen und Veranstaltungshinweise gibt es außerdem die Bretter Termine, Nachrichten, Diskussion, Berichte u.a. Darüberhinaus existieren Bretter mit Informationen über rechtsextremistische Organisationen ("Republikaner", NPD, DLVH, DVU). Die Bretter sind keine Sprachrohre der jeweiligen Parteien, sondern enthalten von anderen eingestellte Nachrichten über diese Organisationen. Besonders aufmerksam achten die SysOps der angeschlossenen Mailboxen darauf, daß keine Beiträge von Usern eingespielt werden, die den Tatbestand der Volksverhetzung, Aufstachelung zum Rassenhaß, Beleidigung und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen erfüllen. Dahinter steht die Befürchtung, daß im Falle staatlicher Gegenmaßnahmen die SysOps, und nicht die unter Pseudonymen schreibenden User zur Verantwortung gezogen werden. Bisher kam es im Bundesgebiet wegen solcher Verstöße zu vier Durchsuchungsmaßnahmen gegen SysOps. Unter den angeschlossenen Boxen und den darüber kommunizierenden Usern herrscht eine hohe Fluktuation. Der Mailboxverbund begünstigt einen breiten, organi132 sationsübergreifenden Informationsaustausch und nahezu unbegrenzte Diskussionsprozesse. Dabei zeigt sich jedoch, daß zwischen den verschiedenen rechtsextremistischen Teilspektren herrschende Rivalitäten und Unstimmigkeiten sich über die Mailboxen nahtlos fortsetzen. Sie führen gelegentlich zu Ausgrenzungen und Austritten aus dem Verbund. Manche Autoren sondern sich schon wegen ihrer für die große Mehrheit der Rechtsextremisten abwegigen Gedankenspiele und Themen von selbst ab (Beispiel: Liaison von Rechtsund Linksextremisten, O 1.5.6 -> Hamburg). Neben dem "Thule"-Netz betreiben die "Republikaner" (REP) zwei eigene REPNetze. Ein Netz ist mit Mailboxen in Frankfurt und Stuttgart vertreten. Ein weiterer Netzverbund trägt die Kurzbezeichnung RNV ("Republikaner Netz Verbund"). Während das erstgenannte Netz vorwiegend nach Art eines Sprachrohres parteioffizielle Verlautbarungen verbreitet - z.B. Presseerklärungen der Parteigremien, Hinweise auf Veranstaltungen und Termine - dient der RNV eher als allgemeines Diskussionsund Kommunikationsforum. "Internet": Zunehmend gewinnt auch das "Internet" für Rechtsextremisten (Personen und Organisationen) an Bedeutung. Mit dem Einstieg ins "Internet" dehnten deutsche Rechtsextremisten ihre Propagandaund Kommunikationsreichweite auf einen weltweiten Radius aus. Bekannte Figuren im Ausland, wie der Revisionist Ernst ZÜNDEL (3 siehe 1.2.3) und der Neonazi Gary Rex LAUCK (3 siehe 1.8.3), erschließen sich dieses relativ neue, ständig weiterentwickelte Medium, um sich einem möglichst weltweiten Kreis von Anhängern, Sympathisanten und Interessenten darzustellen und mitzuteilen. So bietet ZÜNDEL seit 1995 über den Internetbereich " World Wide Web " (WWW) umfangreiche revisionistische Text-, Tonund Bilddokumente an, die von jedem "Internet"-Nutzer abgerufen werden können. In der Bundesrepublik wird das "Internet" nach einem zunächst eher verhaltenen Einstieg einzelner Personen und Organisationen aus dem rechten Bereich zunehmend stärker angenommen. Zunächst wurden rechtsextremistische Inhalte hauptsächlich von ausländischen Rechtsextremisten in das "Internet" eingestellt. Seit Anfang 1996 nutzen auch deutsche Rechtsextremisten vermehrt dieses Medium. Das Angebot deutscher Themenbretter ("Homepages") bestreiten z.B. Parteien (NPD, "Republikaner"), rechtsextremistische Verlage und Versandhändler und die Skinheadszene. Mehrere Mailboxen des " Thule "-Netzes ("Elias", "Osgiliath", "Widerstand", "Bollwerk", "Janus" und "Dissident") haben ebenfalls eine " Internet"-Womzry&gc eingerichtet. Die Angebotsskala dieser Bretter expandiert ständig. Über die reine Nachrichtenverbreitung hinaus sind die Aktivitäten im "Internet" ein weiterer Schritt zur informellen Vernetzung der rechtsextremistischen Szene - bundesweit und international. 133 Auf Einladung der NPD fand am 20./21. Juli in Augsburg ein "Nationaler InternetKongreß" unter dem Motto "Zusammenarbeit und Vernetzung der an moderner Informationstechnik beteiligten nationalen Gruppen" statt. Hauptziel des Kongresses war laut einer Meldung in der " Thule "-Mailbox " Germania " neben dem Austausch von Informationen die Koordinierung bereits vorhandener "Internet"-Seiten. Wegen der verstärkten Einspielung rechtsextremistischer Propaganda bzw. verfassungsfeindlicher Agitation ins "Internet" stießen wiederholt auch die Brettanbieter (Provider) auf öffentliche Kritik. Anfang des Jahres sperrte der Provider "T-Online" die ZÜNDEL-Homepage. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft Mannheim gegen ZÜNDEL ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes der Volksverhetzung eröffnet. Über andere Provider bestand aber weiterhin Zugang zur ZÜNDEL-Homepage. Im Oktober sperrte der Provider "America Online" (AOL) die "Internet"Seite eines rechtsextremistischen Versandes mit der Begründung, sie enthalte inakzeptable nationalsozialistische Inhalte. Mit dieser Selbstbeschränkung zog die AOL als erster "Internet"-Anbieter Konsequenzen aus der Forderung an die Provider, in den frei zugänglichen Computernetzen hinsichtlich rechtsextremistischer Inhalte eine freiwillige Selbstkontrolle zu auszuüben. "Info-Telefone" und "Nationale Info-Telefone": Linksextremisten hatten bereits vor den Rechtsextremisten die Vorzüge elektronisch gestützter Nachrichtenübermittlung entdeckt. Analog zur linksextremistischen informellen Vernetzung haben sich im rechtsextremistischen Bereich die "Nationalen Info-Telefone" (NIT) zu einer wichtigen Kommunikationsund Informationsschiene entwickelt. Von diversen, z.T. kurzlebigen, Einrichtungen waren am Jahresende noch die NITs Hamburg, SchleswigHolstein, Franken, Thüringen, Berlin-Brandenburg und Rheinland aktiv. Ihre Ansagetexte sind - im Gegensatz zu den im Wirkungsgrad niedriger einzustufenden "einfachen" "Info-Telefonen" - zum Teil mit identischen Grundinformationen versehen. Die bundesweit für bedeutsam gehaltenen Grundinformationen werden durch regional-spezifische Nachrichten ergänzt. Es kann daher von einer teilweisen bundesweiten Vernetzung von NITs ausgegangen werden. Sie bündeln das Informationsaufkommen und werden zur aktuellen Koordinierung von Veranstaltungen eingesetzt. Außerdem werden im Bundesgebiet noch zwei "Info-Telefone" in Köln {"Europa Vorn") und Ludwigshafen {"Internationales Hilfskomitee für nationale und politische Verfolgte und deren Angehörige e. V. " (IHV)) betrieben. Es handelt sich um Anrufbeantworter, deren Ansagetexte auf rechtsextremistische Veranstaltungen, Verlage und Publikationen hinweisen. Sie informieren über aktuelle politische und gesellschaftliche Themen aus rechtsextremistischem Blickwinkel und machen auch auf bevorstehende Aktionen der linksextremistischen Szene aufmerksam. Auch die Betreiber der "Info-Telefone" achten darauf, in ihren Ansagetexten zwar klar erkennbare rechtsextremistische Botschaften zu verpacken, sie aber möglichst ohne Angriffsflächen für strafrechtliche Verfolgung zu formulieren. 134 Mobil-Telefone: Jahrelang nahm die rechtsextremistische Szene an, Mobiltelefone (" Handys ") seien abhörsicher. Der in dieser Zeit gewachsene massive Trend, sich mit diesem modernen Kommunikationsmittel auszurüsten und im Zuge rechtsextremistischer Aktivitäten einzusetzen, hält auch an, seitdem das Gegenteil bekannt ist. Für den Vorteil der flexiblen Einsetzbarkeit wird der Nachteil des Abhörrisikos in Kauf genommen. Der Gebrauch von Mobil-Telefonen gewährleistet bei der Planung und Durchfuhrung eigener Veranstaltungen schnelles Reagieren auf Polizeimaßnahmen und auf Gegenaktionen von "Linken". So wurden die Teilnehmer der Rudolf-HESSMärsche in den vergangenen Jahren per "Handy" zu den Veranstaltungsorten dirigiert, nachdem sie Hinweise und Telefonnummern den Ansagetexten der NIT entnehmen konnten. Radioprojekte: Ähnlich wie Linksextremisten bemühen sich Rechtsextremisten, über eigene Radiosendungen in Offenen Kanälen auf sich aufmerksam zu machen und ihre Propaganda zu verbreiten. Seit April wurde in Berlin das von Rechtsextremisten gestaltete Projekt "Radio Deutschland" auf der Kabelfrequenz des " Offenen Kanals Berlin " (OKB) ausgestrahlt. Nach der vierten Ausstrahlung am 17. Juli war "Radio Deutschland" wegen des Verstoßes gegen Jugendschutzbestimmungen von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg mit einem dreimonatigen Sendeverbot belegt worden. Ab August wurde das neonazistische Radioprojekt unter der Bezeichnung "Radio Germania" unter der presserechtlichen Verantwortung der "Kameradschaft Beusselkiez", einer neonazistisch-autonomen Gruppe aus Berlin, weitergeführt. 2. Linksextremismus 2.1 Ideologische Grundlagen und praktische Erscheinungsformen Linksextremisten, die sich an herkömmlichen revolutionären Überzeugungen orientieren, leiten ihre politischen Ziele aus angeblich wissenschaftlich belegten Lehrsätzen ab. Eigene Positionen erklären sie als Schlußfolgerung aus vermeintlich historischen Gesetzmäßigkeiten, Gegenpositionen als Quelle ständiger gesellschaftlicher Widersprüche und Konflikte, die diese Gesetzmäßigkeit produzieren. Linksextremistische Weltanschauungen werden hauptsächlich durch zwei Ideologien bestimmt: Kommunismus und Anarchismus. Beide haben unterschiedliche Strömungen und Varianten hervorgebracht. Der Kommunismus stützt sich im wesentlichen auf Lehren von MARX, ENGELS und LENIN, darüber hinaus auf Theorien TROTZKIS, STALINs und Mao TSE135 TUNGs. Drei wichtige Bestandteile des Marxismus-Leninismus sind die Philosophie, die politsche Ökonomie und der wissenschaftliche Kommunismus. Für die Durchsetzung revolutionärer Prozesse erlangte vor allem LENINs Theorie von der sozialistischen Revolution Bedeutung. Kommunistische Parteien betrachten sich als Speerspitze eines angeblich historisch gesetzmäßigen Überganges vom Kapitalismus zum Sozialismus/Kommunismus und der in diesem Zuge unausweichlichen sozialistischen Revolution. Sie sind an der Zuspitzung und Radikalisierung gesellschaftlicher Konflikte interessiert, die in eine "revolutionäre Situation" münden sollen, in der die Macht erobert werden kann. Mit ihrer angeblichen Wissenschaftlichkeit erheben Kommunisten einen Unfehlbarkeitsanspruch, der Widerspruch unterdrückt. Ihr Alleinvertretungsanspruch duldet keine demokratisch-pluralistische Willensbildung. Sie sind überzeugt, über die unumstößliche Wahrheit und daher eine für alle verbindliche Heilslehre zu verfügen, die allen Gliedern der Gesellschaft zu Wohlstand und Glück verhilft. Am Ende soll jedermann allein nach seinen Bedürfnissen leben, die im übrigen dann mit den Bedürfnissen aller identisch wären. Der damit verbundene Kollektivismus und die erstrebte "Diktatur des Proletariats " mißachten individuelle Menschenund Grundrechte. In linksextremistischen Staatsund Gesellschaftsentwürfen haben Volkssouveränität, Chancengleichheit für Parteien und das demokratische Recht auf Bildung einer Opposition keinen Platz. Die Trennung zwischen Legislative, Exekutive und Rechtsprechung wird aufgehoben und existiert bestenfalls zur Wahrung einer demokratischen Fassade pro forma auf dem Papier. Scheinwahlen dienen der Eigenbestätigung selbsternannter "revolutionärer" Cliquen. Zu den indirekten strategischen Methoden von Linksextremisten gehört es, Wortbedeutungen zu vereinnahmen und zu verändern. Wortideologen versuchen, aus einer von ihnen betriebenen systematischen Begriffsverwischung zu profitieren. So reden sie stereotyp von Demokratie, um in Wahrheit totalitäre Ziele und Gesinnungen zu kaschieren. Unverhohlen definieren sie kriminelle Gewalt als "legitimen" und "gewaltfreienpolitischen Widerstand" oder "Gegengewalt". Rechtsstaatliche Strafverfolgung heißt in ihrer Sprachregelung "Kriminalisierung" angeblich "demokratischer Proteste". Linksextremisten geben vor, den Staat, die Wirtschaft und die Gesellschaft radikal "umgestalten" zu wollen, zielen damit in Wahrheit aber auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Politische Veränderungen werden nicht nur friedlich versucht. Unter den linksextremistischen Organisationen in der Bundesrepublik gab es bis Ende der 80er Jahre zwei Lager: Einerseits die orthodoxen - moskauorientierten - Kommunisten um die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP), andererseits die Organisationen der sog. "Neuen Linken" mit den revolutionären Marxisten-Leninisten, Trotzkisten, Autonomen und Anarchisten. Die zwischen beiden Lagern bestehenden Gegensätze haben sich weitgehend aufgelöst. Die meisten von ihnen erklären das Scheitern des " realen Sozialismus " nicht als Widerlegung von Theorien, sondern mit 136 einer unzulänglichen Praxis. Funktionäre und Ideologen versuchen daher, ihre alten Theorien in neuen Wortgewändern zu verkleiden und nach Auswegen aus ihrer Krise zu suchen, die sie nur als Etappe bzw. vorübergehende Überlegenheit des " Klassenfeindes" begreifen. Autonome Linksextremisten berufen sich nicht auf Lehren klassischer Vordenker. Ganz im Gegenteil entstand ihre Bewegung in den Jahren um 1980 nicht zuletzt als Reaktion auf die Dominanz autoritär strukturierter, sich politisch-elitär gebärdender und in Dogmen erstarrter linksextremistischer Parteien bzw. Parteiaufbauorganisationen. Autonome folgen einfach gefühlsspontanen, subjektiven Impulsen und dem utopischen Bedürfnis, (angeblich) "herrschaftsfreie" Zonen zu erkämpfen. Das Aktionsverhalten undogmatischer - auch in der Theorie " autonomer " - Linksextremisten ist schwerer überschaubar und wenig kalkulierbar. Anarchisten orientieren sich an Ideen anarchistischer Vordenker und Vorkämpfer, bleiben jedoch - wie Autonome - wegen ihrer aktionistischen Neigung zur Propaganda der Tat genauso unberechenbar. Bedeutende anarchistische Theoretiker waren u.a. William GODWIN (1756-1836), Pierre-Joseph PROUDHON (1809-1865), Michail Alexandra witsch BAKUNIN (1814-1876), Sergej Gennadiewitsch NETSCHAJEW (1847-1882), Petr Alexandrovic KROPOTKIN (1842-1921) und der deutsche Philosoph Max STIRNER (18061856). Autonome und Anarchisten bilden eine sich überlappende bzw. ineinanderfließende Szene. Autonome und Anarchisten benutzen den Rahmen der freiheitlichen Demokratie mit dem Ziel, die bestehende Ordnung zu zersetzen, sie unter Mißachtung demokratischer Willensbildung mit Gewalt zu zerschlagen. Sie wollen keine Diktatur des Proletariats, sondern eine in jeder Hinsicht "herrschaftsfreie", mithin "ohn"-mächtige Gesellschaft durchsetzen. Unter der Devise "Macht kaputt, was euch kaputt macht!" möchten sie den Staat " abschaffen ". Autonome verbinden ihre Forderungen nach "Autonomie" außerhalb der Gesetze und anderer "Zwänge des Systems" mit offenen Bekenntnissen zur Gewalt. Anschläge und Sabotage werden als "Kampfformen" propagiert und praktiziert. Körperliche Unversehrtheit anderer bedeutet ihnen wenig, wenn sie nicht in ihr Konzept paßt. Autonome beherrschen - ausgerüstet mit Eisenstangen, Knüppeln, Reizstoffsprühgeräten und anderen waffenähnlichen Gegenständen, bevorzugt unter der Deckung von Schutzhelmen und "Haßkappen" - ein breites Arsenal militanter Praxis: Besetzen, Zerstören, Straßenkampf und Brandstiftung, körperliche Angriffe u.a. auf Polizeibeamte. Hohe Sachschäden sowie eskalierende Kosten der privaten und öffentlichen Sicherheit sollen den "Preis" des "Systems" unbezahlbar machen. Gezielter politisch motivierter Mord wird primär aus " Zweckmäßigkeits "-Gründen abgelehnt. Vereinzelt ist es jedoch vorgekommen, daß moralische Bedenken zurückgestellt und Tötungshandlungen als Ausdruck "legitimen" Widerstandes für tolerierbar gehalten wurden. 137 Fließende Übergänge führen von der autonomen und anarchistischen Szene zu Personen und Gruppen des "Antiimperialistischen Widerstandes" (AIW), die dem Prinzip des "bewaffneten Kampfes" (militärisch und/oder durch militante Anschläge) als Mittel der politischen Auseinandersetzung nahestehen. Zum AIW gehören wechselnde, häufig kurzlebige, diffuse, eher informelle Gruppenzusammenhänge, die nur selten den Mut haben, sich als Personen auch öffentlich zu zeigen. Zum AIW gehört das seit 1992 zerstrittene Umfeld der terroristischen "Rote Armee Fraktion" (RAF). Linksextremistische Terroristen haben sich zum Ziel gesetzt, den Staat durch spektakuläre Anschläge bis hin zu Mord zu erschüttern. Ihr Feindbild sind Personen, die sie als Garanten, Stützen, " Werkzeuge" oder "Lakaien" der bestehenden Ordnung definieren. Ein Vierteljahrhundert lang gehörte es zur Doktrin der "Roten Armee Fraktion " (RAF), durch bewaffneten Kampf den "Imperialismus " zu zerschlagen - u.a. mit der Ermordung von Repräsentanten der Gesellschaft. Guerillakriegsaktivitäten kommunistischer Partisanen in Südamerika und im Fernen Osten dienten als Leitfiguren des Kampfes in den "Metropolen" der Bundesrepublik. Vorbilder waren Ernesto Che GUEVARA, MARX, LENIN, STALIN, sowie die Vietnamesen Ho Tschi MINH und Nguyen GIAP. Die Praxis sog. "Stadtguerilleros" läßt sich vor allem auf Mao TSETUNG, Carlos MARIGHELLA (Brasilien) und die "Tupamaros" (Uruguay) zurückführen. Eine kulthafte Verehrung von Gewalttätern findet sich in Ideen des Anarchisten BAKUNIN wieder. Insbesondere die RAF orientierte sich in ihrer Anfangszeit an Carlos MARIGHELLAs "Minihandbuch des Stadtguerilleros", das an die Stelle des "Massenkampfes" Aktionen bewaffneter kleiner Gruppen setzte und dabei breite Akzeptanz der Bevölkerung erreichen wollte. Mao TSE-TUNG prägte das Ideal vom Guerillero, der sich im Volk bewegt, "wie der Fisch im Wasser "(Volkskriegstheorie). In der Bevölkerung stieß die RAF auf Ablehnung, der Staat erwies sich als nicht erpreßbar. Seit 1992 hat die RAF einen Weg eingeschlagen, "revolutionäre Politik" und den Aufbau von " Gegenmacht von unten " neu zu bestimmen. Die "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) versuchte bis zur Festnahme zweier mutmaßlicher Täter am 25. Februar mit Anschlägen gegen Funktionsträger ("Eliten") von Wirtschaft und Politik an die RAF-Tradition anzuknüpfen. Terroristen leben entweder in Form von Guerilla-Kommandos als "Illegale" im Untergrund (RAF) oder verüben anlaßbezogen aus ansonsten legalen Lebensumständen heraus konspirativ vorbereitete und recherchierte Gewalttaten {"Revolutionäre Zellen ", " Rote Zora ", AIZ). 138 2.2 Themen und Agitationsinhalte Unter den Anknüpfungsthemen linksextremistischer Organisationen und Personenzusammenhänge standen wieder zwei Komplexe im Mittelpunkt: Die AntifaschismusKampagne (O 2.2.1.) und die Ausländerund Asylproblematik ( 3 2.2.2). Beide Komplexe wurden von Linksextremisten auch begriffsmäßig als "Antifaschismus/ Antirassismus" verknüpft. Beide Komplexe stellen Linksextremisten in einen Zusammenhang mit einer anderen Motivationslinie bei ähnlich gelagerter Zielrichtung - dem "Antinationalismus". Alle drei Kampfbegriffe sollen in ihrem Sinne die Verfassungswirklichkeit im freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat als "faschistisch" stigmatisieren. Linksextremisten bezichtigen demokratisch gewählte Volksvertreter, Regierende sowie mit Ausländerund Asylproblemen befaßte Mitarbeiter von Behörden und Institutionen in Bund und Ländern des "Rassismus". Die Wahrnehmung jeglicher deutscher politischer Interessen wird als "nationalistische" Politik diffamiert und in die Nähe rücksichtsloser "imperialistischer" Ausbeutung bzw. Machtpolitik und letztlich einer nationalsozialistischen Auferstehung gerückt. Weitergehende Anknüpfungsthemen spiegelten sich erneut u.a. in Protesten der autonomen/anarchistischen Szene gegen Stadtteilentwicklung/Umstrukturierung (O 2.4.3) und in der sich ausweitenden und verschärfenden Militanz gegen Castor-Transporte und Atommülllagerung (3 2.4.4) wider. 2.2.1 Antifaschismus 2.2.1.1 Allgemeines Kaum ein politischer Begriff wird so oft mißverstanden oder fehlgedeutet, inflationär und für Manipulationen mißbraucht, wie der des Antifaschismus. Antifaschist ist - vom einfachen Wortsinn her - jemand, der gegen den Faschismus ist. Antifaschistisches Engagement in diesem Sinne ist nicht Beobachtungsgegenstand des Verfassungsschutzes. Umgangssprachlich sind mit der unpräzisen Wortwahl "Faschisten" zumeist einfach " Rechtsextremisten " gemeint. Die Bekämpfung des Rechtsextremismus haben sich auch der Verfassungsschutz und andere Sicherheitsbehörden zum Ziel gesetzt. Daher kommt es darauf an, stets auch die Bestrebungsziele zu beleuchten, denen "Antifaschismus" teilweise nur als Rechtfertigungsetikett anhaftet. Im orthodox-kommunistischen Sprachverständnis zielt "Antifaschismus" letztlich darauf ab, eine sozialistische Gesellschaftsordnung zu errichten. Beide Vokabeln - Faschismus und Antifaschismus - werden von Linksextremisten als Kampfbegriffe benutzt, mit denen das Feindbild von Neonazis / Rechtsextremistischen Parteien / Neuen Rechten auf Konservative und Demokraten ausgedehnt wird, wenn diese sich 139 antikommunistisch äußern oder linksextremistische Standpunkte nicht teilen. Politiker, die vor Gefahren des politischen Extremismus insgesamt - mithin einschließlich des Linksextremismus - warnen, werden kurzerhand in die Ecke einer "staatlichen Anti-Antifa" gestellt. Anschläge, Körperverletzungen und Sachbeschädigungen werden als "legitim" im Sinne "antifaschistischer Selbsthilfe" dargestellt. Jahrzehntelang hatte die ehemalige DDR ihren "antifaschistischen" Charakter zur Legitimation ihrer eigenen Staatlichkeit betont. Die Berliner Mauer wurde als "antifaschistischer Schutzwall" hochstilisiert, vom DDR-Regime die "antifaschistische" Tradition beschworen. Westdeutsche Kommunisten reflektierten das AntifaschismusVerständnis der DDR gegen angeblich weiterhin in der Bundesrepublik verwurzelte NS-Neigungen und latent fortdauernde faschistische Tendenzen ("Der Schoß ist fruchtbar noch... "). Autonome Gruppen übernahmen den Antifa-Begriff der Kommunisten. Er ist inzwischen ideologische Brücke und Integrationselement unterschiedlicher linksextremistischer Gruppen und Strömungen. Faschismus war ein europäisches Krisensyndrom nach dem ersten Weltkrieg. Er ist im begriffsgerechten Sinne jedoch einzig auf das ehemalige Herrschaftssystem MUSSOLINIS in Italien anwendbar. Der Begriff wurde später auch auf den Nationalsozialismus und die sich auf ihn beziehenden Bewegungen ausgeweitet. Typische Elemente des italienischen Faschismus waren u.a.: militanter Antibolschewismus, Antiliberalismus, aufgeheizter Patriotismus, Lenkung der Volksmassen durch suggestive Indoktrination, elitäre nationalistische Selbstüberhöhung, glorifizierender Heroismus, sowie imperialistische Herrschaft und Zukunftsverheißung. Anders als beim deutschen Nationalsozialismus fehlte dem italienischen Faschismus eine ausgeprägte rassistische Komponente mit dem Ziel der Massenvernichtung. Nach der Doktrin der traditionellen Antifa ist Faschismus Ausdruck skrupelloser "kapitalistischer Krisenbewältigung", eine Herrschaftsform im fortgeschrittensten Stadium des Kapitalismus (Imperialismus), in die sich das "Monopolkapital" als letzten Ausweg zur Herrschaftssicherung zu retten versucht. Er werde immer dann installiert, wenn Ausbeutungs-/Profitinteressen in der parlamentarischen Demokratie nicht mehr durchgesetzt werden könnten (Parole: "Hinter dem Faschismus steht das Kapital!"). Damit wird auch der "Klassencharakter" des Faschismus erklärt. Weil der bürgerliche Staat nach dieser Theorie Interessenvertreter des Monopolkapitals ist, muß antifaschistischer Widerstand in einer Einheitsfront gegen den bürgerlichen Staat gebündelt werden und verhindern, daß der Staat bereitwillig die Macht an die Faschisten abtritt. Das politische Selbstbild der "Antifa" läßt sich wie folgt zusammenfassen: In einer sich im Kapitalismus ständig erneuernden neofaschistischen Gefahr sieht sie sich als einzige Kraft, die das ganze Bild von Ursache und Wirkungsform des Faschismus vermitteln kann. Sie fühlt sich als einzige effiziente Gegenkraft gegen eine drohende 140 Wiederkehr des Nationalsozialismus. Unter allen politischen Kampagnenträgern sieht sich die "Antifa" als umfassend integrierende Meinungsführerin, da der Faschismus im Prinzip die Wurzel aller bösen politischen Kräfte ist und sich hinter den Masken aller nur denkbaren politischen Feindbilder verbirgt. Antifaschismus wird so letzlich zum Synonym für Antikapitalismus; Antikommunismus wird zum Synonym für Faschismus. Bekämpfung des Linksextremismus wird als gleichbedeutend mit faschistischer Unrechtsherrschaft, Willkür und Unterdrückung hingestellt. Sog. "Antifaschisten" entfernen sich von jenen aufrichtigen wehrhaften Demokraten, deren Streben darauf gerichtet ist, einer Wiederholung deutscher Schuld mit rechtsstaatlichen Mitteln zu begegnen. Franz SCHANDL, freier Publizist in Wien, Mitbegründer der österreichischen Grünen, schrieb in der Zeitung "junge weit" Nr. 296 vom 19. Dezember über "Kurzschlüsse" des Antifaschismus. Er behindere die Analyse, antworte vorschnell und wolle alles im braunen Eck orten oder dorthin bugsieren. In seinem Haß sei Antifaschismus eine Kategorie der Blindheit: " Was würde er (der Antifaschismus) wohl tun, würde man ihm die Faschisten wegnehmen? Gewiß würde er welche finden, notfalls auch erfinden. " 2.2.1.2 Organisationen und Gruppenzusammenhänge Dem in der "autonomen" Szene vorherrschenden Bedürfnis nach Unabhängigkeit steht der gleichzeitige Wunsch nach Zusammenarbeit gegenüber, um durch abgestimmtes Verhalten und Kräftebündelung größeres Gewicht zu erlangen. Eine Balance, die beiden Ansprüchen genügt, wurde bisher nicht gefunden. Die unter AntifaGruppen bundesweit geführte Debatte um eine bundesweite Organisierung oder Vernetzung verläuft daher weiterhin kontrovers. Die bedeutendste Vernetzungsbestrebung findet sich in der 1992 von zahlreichen - inzwischen weniger gewordenen - Antifa-Gruppen gegründeten "Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation" (AA/BO). Die AA/BO möchte sich von der einseitigen Fixierung auf einen reinen " Anti-Nazi-Kampf " lösen. Sie widmet sich daher u.a. dem Thema "Staatliche Repression" und propagiert unter Antifas auch "antiimperialistische" Stoßrichtungen. Wiederholt haben sich die AA/BO bzw. ihr angeschlossene Gruppen für Gewaltanwendung ausgesprochen. Dominante Gruppen innerhalb der AA/BO sind u.a. die "Autonome Antifa (M)" aus Göttingen, die "Antifaschistische Aktion Berlin" und die "Antifa Bonn-Rhein/Sieg". Wegen unüberbrückbarer Differenzen über Konzepte und Ideen verließen 1996 zahlreiche Gruppen die AA/BO. So hatte z.B. die "Rote Antifa Initiative" aus Berlin wegen ihrer stalinistischen Ausrichtung wiederholt andere Antifa-Gruppen verprellt, die der AA/BO daraufhin den Rücken kehrten. 141 Außerhalb der AA/BO stehende "Antifas" lehnen diese vor allem wegen ihrer hierarchischen Strukturen, des hohen Grades angestrebter Organisierung und wegen der unautorisierten Vereinnahmung von Nicht-AA/BO-lern zu eigenen Zwecken bei Demonstrationen ab. Insbesondere die Göttinger "Autonome Antifa (M) " erntete Kritik. Ihr an kommunistische Aufmärsche der 20er/30er Jahre erinnerndes martialisches Auftreten als "schwarzer Block" stünde im krassen Widerspruch zu ihren geordneten und oft friedlichen Demonstrationen. Sie lasse sich sogar auf Absprachen mit der verhaßten Polizei ein. Daneben richteten sich Sexismusvorwürfe gegen die Göttinger und die "Antifa Bonn". An den Treffen der AA/BO nahm ein Personenzusammenhang im Beobachterstatus teil, der seit 1995 unter der Bezeichnung "Hamburger Antifaschistische Initiative" (HAI) auftritt. Erstmalig trat eine "Antifaschistische Gruppe Hamburg" auf. In der "Antifa"-Szene hieß es, daß es sich dabei um eine Abspaltung der HAI handeln soll. Bereits 1993 waren zahlreiche unzufriedene Gruppen wieder aus der AA/BO ausgetreten. Etliche von ihnen gründeten das bundesweit agierende "Bl-Treffen". Es strebte ebenfalls eine Kooperation von Antifa-Gruppen an, gab sich aber weniger hierarchisch strukturiert und lehnte eine festere Organisierung ab. Im Frühjahr 1995 nahm das "Bl-Treffen" die Bezeichnung "Bundesweites Antifa-Treffen" (BAT) an. Im BAT ist die Hamburger "Autonome Männer-Antifa" (AMA) vertreten. Sie ist Mitbegründerin dieser Vernetzungsbestrebung und zählt zu deren Stützen. Ebenso wie die HAI schottet sich die AMA gegenüber Außenstehenden ab. Die meisten Antifagruppen sind gemischt geschlechtlich zusammengesetzt. Neben dem Ausnahmefall AMA existieren in Hamburg aber auch rein weibliche, sogenannte " Frauen-Antifa" - Gruppen ("Fantifas"). Die 1993 in Hamburg gegründete "Antifaschistische Jugend/Bundesweiter Zusammenschluß" (AJ/BZ) bildet ein bundesweites Dach für diverse Antifa-Jugendgruppen - darunter die "Antifa Jugendfront Hamburg" (AJF). Sie erstrebt einen "revolutionären Antifaschismus" und orientiert sich nicht nur darin an der AA/BO. Die AJF Hamburg versucht mit ihrem unregelmäßig erscheinenden "Antifa-Jugendinfo" neue Interessenten unter Schülern und Jugendlichen, sog. "Jungantifas", zu gewinnen. Die "Antifa" fasziniert Jugendliche eher, als andere Bestrebungen. Die Aussicht, "praktisch" bzw. "direkt" aktiv werden zu können, reizt, zumal bei Aktionen gegen vermeintliche oder tatsächliche Rechtsextremisten umständliche moralische Rechtfertigungen für unnötig gehalten werden. Auch das Bedürfnis nach "action" und Zusammenhalt in der Gruppe spielt eine Rolle. Autonome haben dieses erkannt und versuchenjunge Leute im Zuge "antifaschistischer" Aktivitäten anzupolitisieren und in die "Szene" einzubinden. 142 Neben den erwähnten - an bundesweite Initiativen angebundenen - Hamburger Gruppen gibt es zahlreiche andere "Antifa"-Gruppen und -Bündnisse. Viele davon sind stadtteilbezogen organisiert. Zu den sich aus der Vielfalt heraushebenden Einrichtungen gehört das "Bündnis Keinen Fußbreit den Faschisten", das 1993 anläßlich der Hamburger Bürgerschaftswahl als Ersatz für die zuvor aufgelöste "Antifa Hamburg" gegründet worden war und das die Aktivitäten Hamburger "Antifa "-Initiativen zu koordinieren versucht. Das Bündnis gibt monatlich die "Antifaschistischen Informationen " in Papierform und per e-mail heraus, um über bevorstehende oder stattgefundene "Antifa"-Aktivitäten in und um Hamburg zu berichten, Mobilisierungen zu unterstützen und Informationen auszutauschen. Im Bündnis arbeiten neben vorwiegend von der autonomen/anarchistischen Szene geprägten Stadtteil"Antifa "-Gruppen auch Personen orthodox-kommunistischer und anderer revolutionär-marxistischer Gruppen mit. Auch die "Hochschulantifa" und die "Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten" (AG/R) sind dem Bündnis angeschlossen. Die 1989 gegründete "Hochschulantifa " ist ein durch Linksextremisten beeinflußter Zusammenschluß von Studenten mit dem Hauptziel, tatsächliche oder vermeintliche rechtsextremistische Bestrebungen an den Hamburger Hochschulen zu enthüllen und zu bekämpfen. Der "Arbeitskreis gegen faschistische Zentren" - ein Zusammenschluß Hamburger "Antifa"-Gruppen - hat sich 1996 aufgelöst. Mit den 1995 erfolgten Verboten der neonazistischen FAP und NL waren für den Arbeitskreis entscheidende Zielobjekte entfallen. 2.2.1.3 Aktivitäten und Beispiele für Gewaltanwendung Die diesjährigen umfangreichen Aktivitäten linksextremistischer "Antifas" können hier nur ausschnitthaft beschrieben werden. Hamburger Linksextremisten tauchten bundesweit auf mehreren Antifa-Demonstrationen auf. Dabei stießen sie u.a. mit Rechtsextremisten zusammen oder lieferten sich Auseinandersetzungen mit der Polizei. Anschläge auf vermeintliche NS-Kriegsverbrecher: In der Nacht zum 17. Mai verübten Personen einer bisher unbekannten Gruppe "Antifaschistische Zelle" (AZ) einen Anschlag auf das Haus eines Journalisten in Lütjensee bei Hamburg. Die Täter zerschlugen Scheiben, stahlen u.a. ein Diktiergerät und verteilten die Inhalte von Farbbeuteln und Buttersäure im Haus. Dem Geschädigten warfen sie vor, während des 2. Weltkrieges Kriegsverbrechen begangen zu haben. In einem Bekennerschreiben listeten sie Namen weiterer vermeintlicher NS-Kriegsverbrecher und potentieller Anschlagsopfer auf. Die Täter sind höchstwahrscheinlich unter Hamburger Linksextremisten zu suchen. Im Juni beschmierten etwa 50 Antifas das Haus eines vermeintlichen Kriegsverbrechers in Bonn mit Antifa-Parolen. Sie nannten sich "Autonome Antifaschisten in Er143 innerung an die unbekannte Lehrerin aus Kislowodsk 29.06.96" und hinterließen am Anschlagsort einen "Steckbrief der Zielperson. Überfall auf die FSU: am 4. Juni überfielen in Hamburg etwa 20 "Antifas" eine auch von Rechtsextremisten besuchte Veranstaltung der Partei "Freisoziale Union" (FSU). Es wurden Scheiben eingeworfen, ein Teppich angezündet und eine Person verletzt. Die Täter blockierten den Gebäudeausgang. Zuvor war wiederholt in AntifaSchriften gegen die FSU agitiert worden. Ihr wurde unterstellt, sie verbreite rechtsextremistisches Gedankengut, indem sie die "Freiwirtschaftslehre" befürworte. Reaktionen auf die Brandkatastrophe in Lübeck: Am 18. Januar wurden bei einer Brandkatastrophe in einer Lübecker Asylbewerberunterkunft mehrere Bewohner getötet. Das ganze Jahr über behaupteten Linksextremisten im Rahmen einer sich überschneidenden "Antifa"und "Antirassismus"-Kampagne, nicht der vor dem Landgericht Lübeck angeklagte libanesische Mitbewohner, sondern deutsche Rechtsextremisten hätten den Brand gelegt. Den Ermittlungsbehörden wurde "Rassismus" vorgeworfen. In diesem Sinne versuchte die Szene massiv, auf den Gerichtsprozeß einzuwirken. Am selben Tag randalierten etwa 100 Personen des Hamburger autonomen "Antifa"Spektrums unmittelbar nach Bekanntwerden des Lübecker Ereignisses vor dem Gebäude der "Burschenschaft Germania". Es wurden Farbbeutel geworfen, Barrikaden gebaut, Scheiben eingeschlagen, Autos beschädigt und Signalmunition verschossen. Farbschmiereien beschränkten sich nicht nur auf das Gebäude der Burschenschaft. Die Polizei nahm 28 Demonstranten in Gewahrsam. Zu den Gewalttaten bekannten sich "Autonome und Antifaschistische Gruppen". Vorher hatten bereits etwa 500 Personen - überwiegend Nichtextremisten - friedlich in Hamburg demonstriert. Autonome und orthodoxe Kommunisten hatten versucht, diese Demonstration für ihre Zwekke zu nutzen. Am 19. Januar fand eine erneute "Spontan"-Demonstration statt, an der sich u.a. Autonome beteiligten. Am 20. Januar versammelten sich etwa 2.500 überwiegend nicht-extremistische Teilnehmer zu einer Großdemonstration in Lübeck, darunter aber auch zahlreiche Autonome aus Hamburg. Die rund 200 Teilnehmer einer am 23. März in Lübeck stattgefundenen Demonstration waren etwa zur Hälfte Linksextremisten aus Hamburg. Der Lübecker Brand war Dauerthema zahlreicher Demonstrationen und Veranstaltungen von "Antifas" und "Antirassisten", zuletzt am 28. November bei einer von etwa 200 Personen besuchten Informationsveranstaltung in Hamburg ( 3 siehe u.a. auch Grevesmühlen-Demonstration unter 2.2.2.2). Anti-Hetendorf-Aktionen: Ende Mai bis Mitte Juni konzentrierten Hamburger Antifas ihre Aktivitäten auf die Kampagne gegen das von Rechtsextremisten betriebene Veranstaltungszentrum Hetendorf/Landkreis Celle {"Heide-Heim e.V.", O siehe 144 1.6.4). Als Teil des sog. "braunen Netzes" geriet das "Heide-Heim" schon häufiger ins Visier von Linksextremisten. Ende 1984 waren in Hetendorf Gebäude und Fahrzeuge durch einen Brandanschlag zerstört worden. Nach zahlreichen Aktionen im Jahr 1995 gingen "Antifas" auch in diesem Jahr gegen das Zentrum vor. Am 31. Mai demonstrierten etwa 30 von ihnen in Hamburg-Blankenese gegen eine dort wohnende Frau, die Funktionärin eines der Hetendorfer Trägervereine sein soll. Nur einen Tag später zogen 300 zumeist jugendliche "Antifas" friedlich durch den Stadtteil Winterhude, um auf die Existenz des "rechten Zentrums" in Hetendorf hinzuweisen. Gleichzeitig wurde zu zwei Aktionen unmittelbar gegen das "Nazi-Zentrum" mobilisiert: Zur Blockade der alljährlichen rechtsextremistischen "Hetendorfer Tagungswoche" am 15. Juni und zur Störung der damit verbundenen Sonnenwendfeier am 20. Juni. Etwa 200 zumeist jugendliche "Antifas" - viele aus Hamburg - versuchten die Anreise von Rechten zur Tagungswoche zu verhindern. Bei der Blockade kam es zu Auseinandersetzungen mit Rechtsextremisten. Etwa 300 überwiegend vermummte "Antifas" beteiligten sich an der Störung der Sonnenwendfeier. Einige beschossen das Anwesen mit Signalmunition und versuchten vergeblich, es zu stürmen. Die Polizei nahm u.a. etliche Demonstranten aus Hamburg fest. In der Nacht zum 29. Dezember verübten autonome "Antifas" einen Anschlag auf ein Gebäude des "Heide-Heim e. V. ", bei dem mehrere Sicherheitsglasscheiben zerstört wurden. Aktionen gegen Rudolf HESS-Gedenkmarsch: Linksextremistische Proteste gegen den rechtsextremistischen Rudolf HESS-Gedenkmarsch blieben dieses Jahr nur eine Randerscheinung, weil die "Antifa"Szene zu wenig über die Planungen der Rechten wußte. Es gelang etwa 200 "Antifaschisten", gegen den Aufmarsch von 250 Rechtsextremisten am 17. August in Worms (O siehe 1.4.2) vor Ort zu protestieren. Einige festgenommene Protestierer trugen Waffen bei sich. Mobilisierung zum LAUCK-Prozeß: Teile der Hamburger "Antifa"Szene, vor allem die "Autonome Männer-Antifa" (AMA), hatten viel Energie in eine Kampagne zum Prozeß gegen den US-Neonazi Gary LAUCK (O siehe 1.8.3) investiert. Wegen ausbleibender rechtsextremistischer Solidaritätsbekundungen fehlte dem Prozeß die für linksextremistische Anknüpfungen geeignete Brisanz. Bei Prozeßeröffnung am 9. Mai marschierten etwa 100 "Antifas" friedlich zum Landgericht Hamburg. Zielobjekt Burschenschaften: Burschenschaften geraten bei Linksextremisten leicht unter " Faschismus "-Verdacht. Einige Tage nach der o.g. gewalttätigen Spontan-Demonstration vom 18. Januar (Hintergrund: Lübeck) zogen erneut - dieses Mal friedlich - "Antifas" zur Hamburger "Burschenschaft Germania". Im Februar demonstrierten 25 Personen friedlich gegen eine Veranstaltung der "Burschenschaft Alemania Hansea". Insbesondere die "Hochschulantifa" beschäftigte sich mit Burschenschaften, bei denen sie rechtsextremistische Tendenzen bzw. Personen erblickt haben will. Im Mai und Juni widmete sie diesem Thema zwei Veranstaltungen. 145 "Antimilitarismus": Linksextremistischer "Antifaschismus" verfolgt - ebenso wie die Antikapitalismus-Kampagne - eine gegen den Staat gerichtete Hauptstoßrichtung. In die gleiche Richtung weist auch das gelegentliche Auftreten von "Antifas" als "Antimilitaristen". Am 5. Februar störten etwa 25 von ihnen in Hamburg eine Rede des Bundesverteidigungsministers zum Thema "NATO-Einsätze". An einer Hamburger Vorbereitungsveranstaltung zu Protestaktionen gegen die NATO-Ministerratstagung am 3. Juni in Berlin nahmen ebenfalls "Antifa"-Angehörige teil. In Berlin demonstrierten auch "Antifas" aus Hamburg. Es kam zu Auseinandersetzungen vor dem Tagungshotel, wo 36 Demonstranten festgenommen wurden. Gegen ein am 24. Oktober in Kaltenkirchen (Schleswig-Holstein) geplantes öffentliches Gelöbnis agitierte - mit der Absicht, zu stören - u.a. die "Antifaschistische Gruppe Hamburg". Die Bundeswehr verlegte das Gelöbnis daraufhin in eine Kaserne. Wurzen: Am 16. November versammelten sich zwischen 5.000 und 6.000 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet - überwiegend autonome "Antifas" - zu einer Demonstration in Wurzen (Sachsen). Aus Hamburg beteiligten sich allein etwa 300 Linksextremisten. Im Rahmen einer vorangegangenen deutschlandweiten "Info-Tour" hatte eine Mobilisierungsveranstaltung auch in Hamburg stattgefunden. Der Protest richtete sich gegen die angeblich außergewöhnlichen Bedrohungen durch gewaltbereite Rechtsextremisten im sächsischen Muldetalkreis. Es kam zu Auseinandersetzungen kleineren Umfangs: Demonstranten bewarfen vereinzelt Polizisten mit Steinen, beschädigten ein Kraftfahrzeug und schlugen die Scheiben einer Bank ein. Vor allem von " autonomer " Seite wurde der Charakter des Protestes als zu friedlich kritisiert. Andere Anlässe: Anders, als noch vor einigen Jahren, mangelt es der "Antifa "Szene für einen reinen "Anti-Nazi-Kampf " in Hamburg an greifbaren Zielobjektenund Personen. Sie weicht daher anlaßbezogen auch auf das benachbarte Umland oder auf Betätigungsfelder aus, die sie mit der "Antifa"-Thematik in Kausalzusammenhang stellt. In der Vergangenheit war Halstenbek (Schleswig-Holstein, Randgemeinde zu Hamburg) ein Kristallisationspunkt für Konfrontationen zwischen Linksund Rechtsextremisten. Dieses Jahr kam es in Tostedt (Niedersachsen) zu Aufschaukelungen zwischen der rechtsund linksextremistischen Szene. Hamburger "Antifaschisten" unterstützten vor Ort Tostedter "Antifas" u.a. im April und Juli. Etliche "Antifas" übten bei der Hamburger 1. Mai-Demonstration den Schulterschluß mit dem linksextremistisch dominierten "internationalistischen Block". Während der Umzug in Hamburg friedlich verlief, kam es bei der Berliner Maidemonstration wieder zu Ausschreitungen vor allem durch militante Autonome. "Antifas" reklamierten für sich auch das Thema "Sozialabbau", indem sie sich - vergeblich - an der gewerkschaftlichen Großdemonstration in Bonn am 15. Juni zu beteiligen versuchten. Die "Antifa Bonn" hatte dafür mit der Parole "Heraus aus der Defensive, rein in den revolutionären Block " geworben. 146 Weil sie sich auch für sog. "antiimperialistische" und "Antirepressions"-Arbeit interessierten, tauchten Hamburger "Antifas" auf einer Veranstaltung zum Prozeß gegen die RAF-Terroristin Birgit HOGEFELD in der "B5" auf. 2.2.2 Ausländerund Asylproblematik/Schlagwort Antirassismus und Stichwort Antinationalismus 2.2.2.1 Allgemeines Das nationalsozialistische Unrechtsregime hatte der Welt vor über 50 Jahren vorgeführt, welches Schicksal politisch verfolgte Menschen erwarten kann, wenn ihnen die Zuflucht in einen anderen Staat verwehrt wird. "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht" - diese Garantie in Artikel 16 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes war die Antwort der Bundesrepublik Deutschland auf die Verbrechen des Nationalsozialismus. Der Anspruch auf Asyl wurde dadurch zu einem individuellen Grundrecht. Millionen von Menschen wurde seitdem in Deutschland - vielfach lebensrettend - Zuflucht vor Verfolgung gewährt - mehr, als in den meisten anderen Ländern der Welt. Trotzdem versuchen Linksextremisten, Deutschland in die Nähe nationaisoziahscher Verbrechen zu rücken, bezichtigen sie den Staat permanenter Verstöße gegen die Menschenrechte sowie der Mißachtung der Menschenwürde. Sie denunzieren Politiker, Verwaltung, Justiz und Wirtschaftsunternehmen, die unmittelbar oder mittelbar mit Ausländerangelegenheiten, Asylverfahren und der praktischen Betreuung oder Versorgung von Asylbewerbern befaßt sind, als "Rassisten", "Schreibtischtäter" oder willfährige Werkzeuge eines menschenverachtenden Systems. Dahinter steht vielfach die Absicht, ein humanitäres gesellschaftliches Problemfeld emotional aufzuladen und zuzuspitzen, Polarisierungen zu fördern. Manche Linksextremisten, auch wenn sie sich selbst von Gewalt distanzieren, werden mit ihrer tatsachenverfälschenden und Fakten negierenden Agitation und Propaganda zu Stichwortgebern für politische Gewalttäter. Immigranten bzw. Asylbewerber, die in Deutschland Arbeit, Schutz vor Hunger, Krieg und politischer Verfolgung suchen, sind nach linksextremistischem Verständnis Opfer ausbeutungsbedingter Verelendung in ihren Heimatländern bzw. Opfer politischer Befehlsempfänger des "Imperialismus". Sie seien Leidtragende kapitalistischen Hegemoniestrebens bzw. dadurch "angezettelter" Bürgerkriege in den Herkunftsländern. Das Eintreten für diese Menschen gilt, somit angeblichen Opfern des eigenen Hauptfeindes, des in der Bundesrepublik Deutschland "herrschenden" politischen "Systems "(" Der Hauptfeind steht im eigenen Land! "). 147 Die "Marxistisch-leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) schrieb in einem Kommentar ihres Zentralorgans "Rote Fahne" (Nr. 46, 4. Oktober 1996): Die bürgerliche Presse und Politiker "hetzen gegen 'Wirtschaftsasylanten'". Es seien dieselben "internationalen Monopole", die zur Steigerung ihrer Profite in den "imperialistischen Kernländern " die Massenarbeitslosigkeit und soziale Demontage in die Höhe trieben und weltweit durch maßlose "Ausplünderung" Millionen Menschen zum Verlassen ihrer Heimat zwängen. Deutlich wurde auch der Bezug zur linksextremistischen "Antinationalismus"-Kampagne: Eine gemeinsame internationale "Kampffront der Werktätigen" müsse aufgebaut werden, dann habe der "Nationalismus" keine Chance. Solche Aussagen dokumentieren, daß die Kampagne gegen Asylpolitik und Abschiebeverfahren von Linksextremisten in Wahrheit als Teil des politischen Kampfes gegen die herrschende staatliche Macht verstanden wird. Sie überlappt sich mit der Antifaschismuskampagne, indem sie durch sprachliche Anspielungen das heutige Deutschland ins Licht des nationalsozialistischen Unrechtsstaates zu stellen versucht. So wurden in den letzten Jahren Abschiebeverfahren als "Deportationsmaschine" beschrieben, Abschiebehaftanstalten als " letzte Station der Verwertungsund Selektionsmaschinerie" und "brutalstes Instrument staatlicher rassistischer Herrschaftssicherung" bezeichnet. In einem Aufruf (Juli 1995) unter dem Motto "Sand ins Getriebe der Abschiebemaschinerie! " war von " rassistischen Sondergesetzen " die Rede. Die als "Solidarität" mit hier lebenden ausländischen Menschen etikettierten Bestrebungen von Linksextremisten instrumentalisieren nicht nur Einzelschicksale, sondern widmen sich auch der Unterstützung politisch-extremistischer ausländischer Organisationen. Seit dem Betätigungsverbot gegen die linksextremistische "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Ende 1993 wurde diese intensiver als vorher von deutschen Linksextremisten unterstützt. Neben der in Hamburg bereits existierenden Unterstützergruppe "Freunde des kurdischen Volkes" - ein überwiegend von deutschen Linksextremisten angeleiteter Personenzusammenhang, den es in ähnlicher Form in etwa 30 anderen Städten gibt - formierte sich das Hamburger "Bündnis gegen das PKK-Verbot". Im "Antiimperialistischen Widerstand" (AIW, O siehe 2.3.2.2) agiert ein Personenzusammenhang, der sich "Kurdistan Solidarität Hamburg" nennt. Die terroristische "Rote Armee Fraktion" behauptete in ihrem Papier vom 29. November ( 5 siehe 2.3.2.1) u.a. eine "Repression"', die sich als Begleitwerkzeug sozialen Kahlschlags am härtesten gegen "Immigrantinnen" und "Nichtweiße" richte. Eine besondere Rolle komme dabei Bundesinnenminister KANTHER zu, der als einer "der größten Schreibtischmörder Europas " der Gegenwart bezeichnet werden könne. Diese Denkweise korrespondiert mit Aussagen in einem Mobilisierungsaufruf der autonomen Szene gegen die am 3./4. Juni in Berlin stattgefundene NATO-Ministerratstagung: Die NATO und maßgeblich Deutschland konzentrierten sich auf "Expansion und Wohlstandsverteidigung vor der weltweiten Armut". Gegen den "Feind nach innen" müsse der auf jahrhundertelanger Ausbeutung des "Trikonts" (Asien, Afrika, 148 Südamerika) beruhende Wohlstand gesichert werden. Dieses zeige u.a. die Verfolgung des kurdischen " Widerstandes " in der Bundesrepublik. 2.2.2.2 Aktivitäten und Beispiele für Gewaltanwendungen Die nachstehenden Ausführungen über Ereignisse auf Bundesebene und in Hamburg lassen erkennen, wie bedenkenlos das Ausländerund Asylthema als Medium für Bestrebungen zur "Systembekämpfung" mißbraucht wird und wie leicht es zu Wechselwirkungen zwischen einer unverantwortlichen Strapazierung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit und politisch-extremistischer Gewaltanwendung kommen kann. In dem auch von Linksextremisten genutzten Mailboxverbund " ComLink " erläuterte im Januar eine Marburger Gruppe "Aktion Zuflucht", die sich selbst als "autonomen Kreisen " zugehörig bezeichnete, daß sie vor einer Abschiebung stehende Flüchtlinge dem staatlichen Zugriff entziehen wolle. Es müßten " Handlungsmöglichkeiten " gefunden werden, die "direkt in die Abschiebemaschinerie eingreifen". Man übertrete bewußt Gesetze und fordere andere auf, dieses auch zu tun, " ob legal oder illegal, das ist für uns dann scheißegal. " Ein Blick nach Weiterstadt (Anm.: hier verübte die terroristische RAF 1993 einen Bombenanschlag) genüge, um weitere Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Zudem gebe es "Ausländerinnenbehörden" in vielen Städten. Am 25. Januar verübte eine autonome Gruppe "F.S.H. W.I.N.E.B. Ü. " ("Für Schweine haben wir immer noch einen Brandsatz übrig") in Berlin einen gegen eine Baufirma gerichteten Brandanschlag, weil sie Profite aus dem Bau des "Abschiebeund Folterknastes" Berlin-Grünau zöge. Gegen einen Transporter der gleichen Firma richtete sich auch ein Brandanschlag einer Gruppe "Das K.O.M.B.I.N.A.T. " am 24. April. In einer Erklärung forderte sie "Abschaffung aller Abschiebknäste!", "Grenzen auf für alle!" und die Freilassung der inhaftierten mutmaßlichen Mitglieder der terroristischen "Antiimperialistischen Zelle" (AIZ, O siehe 2.3.2.3). In der Nacht zum 16. Mai wurde auf eine Mercedes-Benz-Vertretung in Hanau ein Brandanschlag verübt. In einem Selbstbezichtigungsschreiben erklärten die Gewalttäter " Unterdrückung" der kurdischen Bevölkerung "hier" als Ausdruck einer "rassistischen repressions und hetzkampagne". Mercedes profitiere von Waffenlieferungen an die Türkei; daran knüpften die Urheber die Parole "Mercedes-Brenntz". Unter Mitwirkung gewaltbereiter Linksextremisten wurde im Frühjahr anläßlich des 3. Jahrestages des "Asylkompromisses" zu einer bundesweiten Demonstration gegen den "größten Abschiebeknast der BRD" in Büren (NRW) unter dem Motto "gegen die Inhaftierung und für das Bleiberecht von Flüchtlingen" mobilisiert. Um Zeichen für den Widerstand gegen eine angeblich " rassistische Flüchtlingspolitik " zu setzen, demonstrierten demgemäß am 26. Mai rund 600 Personen. Ein etwa 200 Personen 149 starker "Schwarzer Block" wurde von der Polizei und anderen Demonstranten daran gehindert, gewalttätige Aktionen durchzuführen. Sachschaden in Höhe von etwa 300.000 DM verursachte ein vermutlich von Angehörigen der autonomen Szene in Frankfurt/M. verübter Brandanschlag gegen Fahrzeuge eines Bewachungsunternehmens, das in einer Selbstbezichtigung in einen Zusammenhang mit "Abschiebeknästen" (u.a. Büren) gestellt wurde. Die Urheber, die sich als "stördienst gmbh i.A. " bezeichneten, behaupteten, private Sicherheitsdienste in Flüchtlingsunterkünften, Aufnahmelagern und Haftanstalten seien " Teil des staatlichen Rassismus". Sicherheitsbedürfnissen wurde eine "rassistische Grundlinie" unterstellt, die sich in Razzien und Kontrollen gegen Migranten zeige. Unbekannte Täter mit der Kommandobezeichnung "K.A.B.E.L.S.C.H.N.I.T.T." durchschnitten am 9. Juli nahe dem Flughafen Frankfurt/M. Glasfaserkabel der Deutschen Telekom. Zwei in der Nähe liegende Datenleitungen der Stadtwerke wurden fast zeitgleich durchtrennt. In einer Erklärung kritisierten die Urheber die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Asylrecht vom 14. Mai. Es sei nötig, auch mit Sabotage gegen "rassistischen Terror" zu agieren. Die Rolle von Informationstechnologien {"technologische Angriffe") in den "Machtund Ausbeutungsstrukturen" müsse intensiver hinterfragt werden. In Anspielung auf die Abschiebeunterkunft am Rhein-Main-Flughafen sprachen die Verfasser vom "Internierungslager". Im Dezember wurde an der Universität Hamburg per Flugblatt für eine Filmveranstaltungsreihe "Antirassistisches Kino an der Uni" im Wintersemester 96/97 geworben. Unter Bezugnahme auf die Aktion "K.A.B.E.L.S.C.H.N.I.TT." wurde für den 30.01.97 ein Film "Gefahrfür das Datennetz - How to get through" als "Dokumentation" angekündigt. Der Anschlag als Teil des Widerstandes gegen "institutionalisierten Rassismus" werde in dem Film thematisiert. Die Veranstalter wollten die Vorführung in der Universität " als Beitrag zur politischen Debatte der antirassistischen Bewegung und als Widerstand gegen staatliche Repression" verstanden wissen. In seiner Ausgabe Nr. 383 vom 11. Juli veröffentlichte das bundesweit verbreitete autonome Szeneblatt "Interim" einen Aufruf zu einer bundesweiten Demonstration in Grevesmühlen am 31. August. Hintergrund war der Brandanschlag vom 18. Januar gegen eine Lübecker Asylbewerberunterkunft, bei dem zehn Menschen ums Leben gekommen waren. In dem Aufruf hieß es u.a.: "Die Brandstifter sitzen nicht (nur) in Bonn! (...) Bringen wir ihnen unsere Wut und unseren Haß!". Die antinationale Komponente - ansonsten übliche Parole: "Nie wieder Deutschland!" - lautete dieses Mal: "Scheiß Deutschland!" Als Kontaktadresse für den letztgenannten Aufruf war ein "Anti-Repressionsbüro" in Berlin angegeben. Über den Veranstaltungsort kam es zu konträren Auffassungen. Die mehr auf eine antinationale Stoßrichtung setzenden Demonstrationswilligen befürworteten Grevesmühlen, Interessenten mit primär "antifaschistisch" und "antirassistisch" etikettier150 ter Protesthaltung favorisierten Lübeck als Demonstrationsort. Ein bereits für den 20. Juli angesagter bundesweiter dezentraler Aktionstag war nur noch auf geringes Interesse gestoßen, nachdem der Beschuldigte im Lübecker Brandstifterprozeß aus der Haft entlassen worden war. Ungeachtet der unterschiedlichen Mobilisierungsziele demonstrierten Anhänger beider Positionen zunächst gemeinsam mit etwa 300 Personen überwiegend friedlich in Lübeck. Im Anschluß fuhr etwa die Hälfte von ihnen nach Grevesmühlen weiter, um auch dort - trotz eines Verbotes - zu demonstrieren. Alle nach Grevesmühlen gereisten Demonstrationswilligen wurden vorübergehend festgenommen. Die "antinationale" Ausrichtung des Grevesmühlen-Aufrufes (Tenor u.a.: deutsche Rassisten wohnen "überall") war deshalb aufgeteilte Zustimmung gestoßen, weil er nicht die angeblich "rassistischen" Ermittlungen der Lübecker Staatsanwaltschaft ins Zentrum der Kritik rückte und weil im übrigen "nicht alle" Deutschen "Rassisten" seien. Aus Hamburg wurde der "antinationale" (Grevesmühlen-) Aufruf u.a. von der "Hochschulantifa", der "Gruppe Ratio Rausch Revolution" und der "Gruppe Demontage" unterstützt. Für ein in Hamburg vom 2. bis 4. Februar stattgefundenes " Tribunal gegen die Flüchtlingspolitik der Freien und Hansestadt Hamburg" interessierten sich auch Linksextremisten. In der anarchistischen Zeitschrift "graswurzelrevolution" (Nr. 206, März 1996) hieß es in einem Bericht über das Tribunal: " Überall finden sich die Wrocklages und Vosc heraus für eiskalte und dumpfdreiste Rechtfertigungsreden, finden sich Amtsleiterilnnen und Geschäftsführerinnen wie (...es folgen 7 Namen), die sich als willfährige und zuverlässige Diener eines unmenschlichen Ausgrenzungsund Abschiebesystems entpuppen, und schließlich die unübersehbare Zahl unterer Chargen. " Behörden, Amtsträger und Politiker sahen sich - auch in Hamburg - wieder einer diffamierenden Rufmordkampagne ausgesetzt. Sie würden sich an der Selektion von Migranten und Flüchtlingen nach Herkunft, Hautfarbe, Nationalität und Geschlecht beteiligen. Die Stadt sei Erfüllungsgehilfe menschenverachtender deutscher Flüchtlingspolitik, sie demontiere die Menschenrechte und sei mitverantwortlich für täglichen " Rassismus ". Das Tor zur Welt sei nur einseitig geöffnet: für Waffen, Geld und Unterstützung terroristischer Systeme. Menschen auf der Flucht vor Verfolgung, Krieg, Folter und Armut bliebe es verschlossen. Die Wahrheit wurde verschwiegen, so z.B., daß die deutschen Bundesländer bis Mitte 1996 über 14 Milliarden DM für die Aufnahme allein der bosnischen Bürgerkriegsflüchtlinge aufgebracht hatten, daß allein die Freie und Hansestadt Hamburg den Schutz von 12.500 Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien übernommen hatte - nahezu soviel, wie ganz Großbritannien insgesamt seit 1992. 151 Unbekannt gebliebene Täter warfen in der Nacht zum 15. April mit Steinen Scheiben am Wohnhaus des Vizepräsidenten des Landesarbeitsamtes Nord ein. Anschließend schleuderten sie mit schwarzer bzw. roter Farbe gefüllte Flaschen in die Räume. Es entstand erheblicher Sachschaden. Dem Landesarbeitsamt Nord untersteht auch das Arbeitsamt Hamburg. Die Täter rechtfertigten ihr Handeln mit "antirassistischen" Tatbegründungen. Es besteht der Verdacht auf eine mögliche Urheberschaft oder Mitwirkung Hamburger Linksextremisten. Das Bekennerschreiben einer "Stern Schnuppen AG Wildwuchs" bezeichnete den Geschädigten als "professionellen Menschenjäger und Schreibtischtäter"'. Er befasse sich mit der Bekämpfung von Schwarzarbeit und dem Aufbau von Fahndungsgruppen. Seine "Schnüffler" lasse er auf Baustellen in Hamburg und Schleswig-Holstein los. Als "Schwarzarbeiter" diffamierte Menschen aus Osteuropa, illegale Migranten oder Asylbewerber, würden ausgewiesen. Die "AG Ziviler Ungehorsam gegen staatlichen Rassismus" in der anarchistischen "Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen" (FÖGA, O siehe 2.4.2 Anarchismus) warb bundesweit für "Aktionstage gegen staatlichen Rassismus" vom 10.-17. August in Hamburg. Die Aktionen sollten "unbequem, ungehorsam und gewaltfrei" sein. Eine von militanten Linksextremisten gern bemühte, begriffsverfälschende - weil selektive, Interpretation des Wortes Gewalt wurde mitgeliefert: "Gewaltfrei" bedeute (sinngemäß: nur), daß es zu keinen "menschenverletzenden" Handlungen komme. Man räumte ein, daß solche Aktionen zu "Konflikten" mit der Staatsgewalt fuhren könnten. Im Vordergrund stünde u.a. eine unmenschliche "Abschiebemaschinerie". Der "Abschottungs-Mißhandlungs-Deportationsapparat" solle behindert werden. Abschiebungen und Abschiebehaft würden "skandalisiert". Die Aufrufer knüpften insbesondere an das o.g. " Tribunal gegen die Flüchtlingspolitik der Freien und Hansestadt Hamburg" an. In einem Artikel der FÖGA-Zeitschrift "graswurzelt-evolution" (Nr. 211, Sept. 1996) wurde die Beteiligung an den Aktionstagen als "eher mager" resümiert. Bereits in der Antikernkraft-Kampage gegen "Castor"-Transporte haben Linksextremisten mehrfach "Gewalt gegen Sachen" - insbesondere Sabotage - als "gewaltfreies" Handeln propagiert. Unbekannt gebliebene militante Linksextremisten verübten am 4. November einen Farbanschlag auf den Dienstwagen des Hamburger Innensenators WROCKLAGE anläßlich der Anfahrt zu einem Besuch bei der " Türkischen Gemeinde". Drei Vermummte bewarfen das Fahrzeug mit Farbflaschen und Farbbeuteln und flüchteten. In einer am Tatort zurückgelassenen, mit "Autonome" unterzeichneten Erklärung riefen sie dazu auf, Verantwortliche für Sozialabbau und Flüchtlingsabschiebung anzugreifen. In der autonomen und "antifaschistischen" Szene Hamburgs wurde für den 23. November eine Demonstration gegen die Abschiebehaftanstalt Glasmoor (Norderstedt bei Hamburg) vorbereitet, zu der sich nach einer Auftaktkundgebung am Hamburger Hauptbahnhof schließlich etwa 400 Teilnehmer u.a. autonomer, kommunistischer, aber 152 auch kirchlicher Gruppen in Glasmoor versammelten. Vor der Haftanstalt kam es zu Ausschreitungen. Einige Teilnehmer durchtrennten den Zaun einer benachbarten Weide und versuchten, polizeiliche Absperrgitter zu entfernen. Einem Polizeibeamten wurde der Arm ausgekugelt, andere Beamte wurden mit farbgefüllten Glasbehältern beworfen, wodurch ein Beamter im Gesicht verletzt wurde. Wiederholt wurden Polizeibeamte von Demonstranten, darunter etwa 80 zum Teil vermummte Gewaltbereite, erheblich beleidigt. 2.3 Linksextremistische Gewalt Vorbemerkung: Soweit nachstehend statistisch ermittelte Vergleichszahlen vorhergehender Jahre genannt werden, die von früheren Veröffentlichungen abweichen, beruhen die jetzigen Angaben auf einem aktuelleren Erkenntnisund Bewertungsstand. 2.3.1 Linksextremistisch motivierte Gewalttaten / Statistik Einen deutliche Zäsur in der Gewaltstatistik markierte das Jahr 1988, als sich linksextremistisch motivierte Gewalttaten mit 790 gegenüber 1987 fast halbierten. Im Jahr der Vereinigung beider deutscher Staaten (1990) wurde mit 587 Gewalttaten schließlich die niedrigste Zahl seit 1981 erreicht. Bis 1993 folgte ein Wiederanstieg auf 1.120 linksextremistische Gewalttaten. Die seitdem durchgehend abwärtsgerichtete Gewalttatenkurve stieg in diesem Jahr mit 654 erstmals wieder an. Die Zunahme gegenüber 1995 beträgt 14 %. 153 Tatarten 1995 1995 1996 1996 Zeitraum 01.01. - 31.12. Bund Hamburg Bund Hamburg Tötungsdelikte 0 0 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 0 0 2 0 Schußwaffenanschläge 1 0 0 0 Sprengstoffanschläge 8 0 11 0 Brandanschläge 86 5 93 1 Landfriedensbrüche 76 6 83 3 Körperverletzungen 35 2 30 0 Widerstandshandlungen 23 2 23 0 Raubüberfälle 5 0 2 0 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, 114 0 154 2 Luftoder Straßenverkehr Sachbeschädigungen mit 224 13 256 11 erheblicher Gewaltanwendung Gewalttaten insgesamt: 572 28 654 17 Gewaltandrohungen 137 4 111 8*) Sonstige Gesetzesverletzungen mit 256 9 167 4 linksextremistischem Hintergrund Gesetzesverletzungen insgesamt: 965 41 932 29 *) 6 Fälle mit Anti-"Castor"-Bezug Linksextremistisch motivierte Gewalt geht seit einigen Jahren weit überwiegend von militanten Autonomen und Anarchisten (O 2.4) im Kontext zu aktuellen und symbolträchtigen linksextremistischen "Reizthemen" bzw. Kampagnen aus. Straßenmilitanz im Verlauf von Demonstrationen und sog. "Anschlußaktionen" hinterließen in früheren Jahren häufig erhebliche Sachschäden. Heute beteiligen sich weit weniger Menschen an öffentlichen Aufmärschen und Gewalttäter agieren eher aus konspirativ vorbereiteten - bevorzugt nächtlichen - kommandoähnlichen Aktionen. Auf Veranstaltungen politischer Gegner, in der Regel Kundgebungen, Demonstrationen und Aufmärsche von Rechtsextremisten, warteten Linksextremisten auch dieses Jahr überwiegend vergeblich, weil die staatlichen Verbotsund Unterbindungsmaßnahmen gegen Rechtsextremisten deutlich sichtbar gegriffen haben. Für den "Antifa"-Sektor (O 2.2.1) boten sich in dieser Hinsicht wenig praktische Anknüpfungsmöglichkeiten. Das führte dazu, daß Rechtsextremisten bzw. von der "Antifa" als solche eingestufte Personen und Gruppen verstärkt an ihren Wohnund Tagungsorten "aufgesucht" wurden, um ihnen durch Störoder ZerStöraktionen "Denkzettel" zu verpassen und sie einzuschüchtern. 154 Es wurden bundesweit noch 83 (1995: 80) Gewalttaten gegen Personen und Objekte registriert, die von den Tätern dem rechtsextremistischen Spektrum zugerechnet wurden. Damit entfielen knapp 13 % (1995: 14 %) aller linksextremistischen Gewalttaten auf Delikte, die im Szenejargon im weitesten Sinne als "antifaschistische Selbsthilfe" gerechtfertigt werden. Die staatliche Bekämpfung des Rechtsextremismus hat dazu geführt, daß linksextremistischen Gewalttätern weniger Angriffsflächen gegen diese Form des Extremismus zur Verfügung stehen. In Hamburg gab es mit 2 Fällen eine deutlich rückläufige Tendenz (1995: 7, 1994: 8) des militanten Aktionsgeschehens gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten. Das gegenseitige Aufrechnen der Tatschwere hatte in früheren Jahren anlaßbezogen zu verhängnisvollen Aufschaukelungen gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen Rechtsund Linksextremisten geführt. Die fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Hoyerswerda (1991), Rostock (1992) oder der Brandanschlag in Solingen im Mai 1993 waren Fanale, auf die von Rechtsund Linksextremisten mit nachfolgenden Gewalttatenserien reagiert worden war. Entsprechende Aktionsanlässe gab es in den letzten drei Jahren nicht. Steile Zuspitzungen der bundesweiten Gewaltkurve wurde mit 129 militanten Aktionen im Monat April und mit 80 Aktionen im Oktober registriert. Das erste Hochschnellen der Gewaltspirale war auf die eskalierenden Auseinandersetzungen um den Transport abgebrannter radioaktiver Kernkraftbrennelemente in das Zwischenlager Gorleben am 8. Mai zurückzuführen. Deshalb formierte sich ein weiteres Mal der bereits im November 1994 und April 1995 aufgeflammte friedliche und zugleich gewaltsame Protest von Kernkraftgegnern. Militante Autonome und Anarchisten beherrschten die Gewaltszenerie (O 2.4.4). Hintergrund der zweiten Zuspitzung war der für November in Aussicht genommene, dann aber auf 1997 verschobene CastorTransport. 291 der das Jahr über insgesamt registrierten militanten Aktionen waren allein der Zielrichtung "Anti-Castor"/"Anti-Kernkraft" zuzuordnen, mithin fast die Hälfte (etwa 44,5 %). Auch in Hamburg machten Atomkraftgegner mobil und beteiligten sich - u.a. im Zusammenhang mit einer in Hamburg stattgefundenen bundesweiten "Herbstkonferenz" ( 5 2.4.2.2) maßgeblich an der Planung und Vorbereitung von Aktionen im Jahr 1997. Es wurden u.a. Sachbeschädigungen gegen die HEW verübt und zwei Bombenattrappen gelegt. Protest und Widerstand gegen Stadtteilentwicklung ( 3 2.4.3) spielte im Gewaltverhalten - gemessen am Volumen anderer Zielrichtungen - nur eine nachrangige Rolle. In dieser Kategorie wurden bundesweit 106 (= 16 %, 1995: 36 = 6%) Gewaltaktionen festgestellt. In Hamburg hat das von Autonomen "für sich" beanspruchte Karolinen-/ Schanzenviertel hat diesbezüglich im Berichtsjahr an Bedeutung verloren. Streitobjekt waren wieder leerstehende Gebäude der ehemaligen "Laue-Fabrik". Ein weiteres Anknüpfungsthema, bei dem Gewalttäter bisher nur eine Randbedeutung hatten, war 155 das historische Wahrzeichen des Stadtteils Eimsbüttel, der ehemalige Wasserturm im Sternschanzenpark. Die Hamburger Jahresstatistik politisch motivierter Gewalttaten von Linksextremisten fällt dieses Jahr aus dem bundesweit wieder ansteigendem Trend heraus. Die Hamburger Vorjahresrate von 28 militanten Aktionen hat sich 1996 um 40 % auf 17 verringert. Der nach 1993 (47 Gewalttaten) sehr deutliche Rückgang der linksextremistischen Gewaltentwicklung beträgt 64 %. Wiederum wurden die meisten linksextremistischen Gewalttaten in der Kategorie "Sachbeschädigungen mit erheblicher Gewaltanwendung" verübt. Mit 11 Gewalttaten gab es - ebenfalls abweichend vom bundesweiten Trend - in Hamburg gegenüber den Vorjahren (1993 = 33, 1994 = 15, 1995 = 13) einen weiteren Rückgang. Die in Hamburg von Linksextremisten gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten verübten 2 Gewalttaten bedeuten in dieser Kategorie gegenüber 1995 (7) einen Rückgang um 71 %. In Anschlagsbekennungen und sonstigen Begründungen zu militanten Aktionen bezogen sich Linksextremisten wieder bundesweit auf die Ausländerund Asylbewerberproblematik, indem sie Behauptungen über eine angeblich repressive, unmenschli156 che und "rassistische" Praxis deutscher Institutionen gegen Ausländer, Kriegsflüchtlinge und Asylbewerber aufstellten. Es besteht der Verdacht, daß die Verantwortlichen für einen gegen den Vizepräsidenten des Landesarbeitsamtes Nord gerichteten Anschlag ( 3 2.2.2.2) in Hamburg zu suchen sind. Ein Farbanschlag auf den Dienstwagen des Senators der Behörde für Inneres am 4. November wurde u.a. mit der Abschiebung von Flüchtlingen begründet. Sprengstoffanschläge sind in Hamburg seit 1986 von linksextremistischer Seite nicht mehr verübt worden. Auch Schußwaffen wurden in Hamburg von Linksextremisten seit 1988 nicht mehr eingesetzt. 2.3.2 Linksextremistischer Terrorismus Das Wort Terror bedeutet systematische Verbreitung von Angst und Schrecken durch Gewaltaktionen. Terrorismus ist das Verbreiten von Angst durch Anschläge und Gewaltmaßnahmen zur Erreichung bestimmter (politischer) Ziele - eine von Minderheiten gegen rechtsstaatlich verankerte Mehrheiten gerichtete Schreckensherrschaft. Könnten Terroristen sich durchsetzen und sich Staatsautorität aneignen, wäre dieses das Ende menschlicher Freiheit. Linksund rechtsextremistische Terroristen stützen sich nicht selten auf ein diffuses sympathisierendes Vorbzw. Umfeld, aus dem heraus zwar auch Gewalt angewendet wird, das aber noch nicht primär auf die Verbrei157 tung von Schrecken abhebt. Es verfolgt eher eine Propaganda der Tat oder legt es einfach darauf an, dem politischen Gegner hohe materielle Verluste zuzufügen und ihn dadurch indirekt zu bestimmten Verhaltensweisen zu nötigen. Terroristen und andere Gewalttäter bemänteln ihr Handeln als "gerechte Gewalt". 2.3.2.1 Rote Armee Fraktion (RAF) Wie bereits in den zurückliegenden Jahren, verübte der Kommandobereich der RAF keine neuen Anschläge. Ihren letzten Anschlag beging die RAF am 27.03.93 gegen den Neubau der Justizvollzugsanstalt Weiterstadt. Nach ihrer als authentisch bewerteten Erklärung vom 06.03.94 dauerte es rund 2 Vi Jahre, bis sich die RAF erneut an die Öffentlichkeit wandte. So ging am 4. Dezember bei der Presseagentur "Agence France Presse" in Bonn das mit "Rote Armee Fraktion 29.11.96" unterzeichnete Schreiben ein. Eine weitere RAF-Erklärung gleichen Datums wurde in der autonomen Szene-Zeitschrift "Interim" Nr. 401 vom 12. Dezember veröffentlicht. Bereits einen Tag später druckte die Zeitung "junge weit" eine dritte Stellungnahme der RAF ab. Formelle und inhaltliche Merkmale, besonders im Schreiben vom 29. November, ließen zunächst Zweifel an der Echtheit der Erklärung aufkommen. Untersuchungen belegten letztlich aber die Authentizität dieser Erklärung. Ausgebliebene Aktivitäten berechtigen - trotz der letzten Wortmeldungen - zu der Mutmaßung, daß es "der RAF" an einem diskussionsoder aktionsfähigen bzw. in dieser Beziehung handlungsbereiten Personenzusammenhang fehlt. Inwieweit sich dahinter eine abwartende oder resignative Haltung verbirgt, blieb ungewiß. Inhaltlich bescheinigten die Verfasser dem kurz zuvor aus der Illegalität aufgetauchten und im Zusammenhang mit der Ermordung (1989) des Chefs der Deutschen Bank, Alfred HERRHAUSEN in Verdacht geratenen Christoph SEIDLER, "nie in der RAF gekämpft" zu haben. Im Zusammenhang mit dem "ehemaligen Staatsschutzspitzel" Siegfried NONNE sprachen die Verfasser vom "Komplex NONNE" als " Erfindung deutscher Geheimdienste ", die sie im übrigen verdächtigten, " etwas mit dem Tod des Bruders von NONNE zu tun " zu haben. Allerdings räumten die Urheber des Papiers vom 29. November im Hinblick auf die aktuelle Situation der "radikalen Linken " einen " Epochenbruch auch für die Geschichte der Linken " und ein (ungünstiges) "gegenwärtiges Kräfteverhältnis" ein. So handele es sich bei der geschwundenen Distanz zu staatlichen Aussteigerprogrammen nicht nur um ein Problem im Zerfallsprozeß "unseres" ehemaligen politischen Zusammenhanges, sondern ein Problem " der Linken " schlechthin. Fragen im Hinblick auf eine Auflösung der RAF wurden von den Verfassern konsequent ignoriert. Eine möglicherweise selbstkritische Bilanz ("Auseinandersetzung um die Geschichte der Linken") hielten sie nur dann für sinnvoll, wenn sie "zur Neube158 Stimmung revolutionärer Politik und Neuformierung einer radikalen Linken " beitrüge. Nur von da aus werde es möglich sein, "systemüberwindende Visionen in die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen zu tragen". Ihre tiefe Distanz zur angeblich beherrschenden Lebenswirklichkeit in Deutschland - "staatlicher und gesellschaftlicher Rassismus" - bekleideten die Verfasser des o.g. Papiers mit der globalen Option, " im Prozeß der sozialen Revolution das alles hinwegzufegen. " Wenige Wochen später, am 13. Dezember, meldete sich "die RAF" erneut, dieses Mal mit einem am 9. Dezember datierten Brief, der bei der in Berlin erscheinenden Zeitung "Junge Welt" einging. Darin hieß es überaus deutlich, das RAF-Konzept sei "überholt". Das sei objektiv so und "dabei bleibt es also auch". Alles andere würde völlig " an der politischen Situation insgesamt - und unserer speziellen erst recht - vorbeigehen". Es könne auch keine modifizierte Neuauflage des Alten geben. Die Verfassser räumten eine "problematische Situation" ein, in der für viele die RAF bereits Geschichte sei, " während wir uns nicht in Luft auflösen können und werden ". Die RAF kündigte an, in einem weiteren Papier die eigene Geschichte aufarbeiten zu wollen. Es ist zu erwarten, daß sich die Kommandoebene in diesem Schreiben auch zu den eigenen Zukunftserwartungen verbindlicher äußern wird. Schon im Lichte dieser jüngsten aktuellen Einlassungen, aber auch völlig unabhängig davon, wurde deutlich, daß die Lage der RAF insbesondere vor dem Hintergrund ausbleibender Resonanz im linksextremistischen Lager unverändert auswegund perspektivlos geblieben ist. Der RAF-Komplex wird selbst von einst maßgeblichen Aktivisten, deren Biographien mit der RAF-Geschichte aufs engste verbunden sind, als gescheitert betrachtet. Die historische Bilanz von Fakten, Umständen und aktuellen drängenden Appellen ehemals Aktiver setzt zwangsläufig Zeichen in Richtung auf die Beendigung eines verhängnisvollen Irrweges, des Projektes "RAF". 1992 hatte die RAF eine Diskussion über den "Aufbau einer Gegenmacht von unten" ausdrücklich erwünscht und die daraufhin ausbleibende Resonanz in ihrer Erklärung vom 06.03.94 beklagt. Seitdem hatte sie zu diesem Anliegen geschwiegen. 1992 hatte die RAF im sogenannten "April-Papier" eine "Zäsur" verkündet. Sie bedeutete den (vorläufigen) Verzicht auf gezielt tödliche Aktionen u.a. in der Hoffnung, damit die Totalisolation in der linksextremistischen Szene durchbrechen zu können. Gleichzeitig mit der Zäsurankündigung verabschiedete sich die RAF von ihrer bis dahin selbst gewählten Avantgarde-Rolle. Sie kündigte aber an, als gleichberechtigter Partner in die Zukunftsdebatte der "revolutionären Linken" eingreifen zu wollen. Die Zäsurerklärung hatte das terroristische Umfeld in eine tiefe Sinnkrise gestürzt und keinesfalls - wie von der RAF erhofft - einen Neuanfang eröffnet. Verschiedene Wortmeldungen der RAF nach ihrer Zäsur verpufften wirkungslos. 159 Auch die letzten verbliebenen "Gefangenen aus der RAF", wie sich die inhaftierten Terroristen selbst gerne bezeichnen, hoffen anscheinend nicht mehr auf eine Wiederbelebung des terroristischen Kampfes. Im Juni 1996 veröffentlichte die Zeitschrift "konkret" ein umfangreiches Interview mit dem einflußreichen RAF-Inhaftierten Helmut POHL. Dieser erklärte die Politik der RAF für gescheitert. Er forderte den Kommandobereich auf, seine Auflösung zu erklären. Laut POHL bezweifelten auch die Inhaftierten seit geraumer Zeit die Richtigkeit gezielter Mordanschläge. So hätten sie erwogen, ob "an Stelle der Erschießungen Sabotageaktionen auf hohem Niveau gemacht werden könnten" - ein Gedanke, der aber nicht umgesetzt worden sei. Rückschauend bewertete POHL es als Fehler, die Weiterentwicklung politischer Strukturen vernachlässigt zu haben. Statt dessen hätten sich Ideologie und Aktionismus durchgesetzt. Realitätsferne hätte zu einer "in sich kreisenden Betriebsamkeit und Aktionismus", einem "Politik-Ersatz" geführt. Die Mordanschläge ab der 2. Hälfte der 80er Jahre seien nur noch "eine Aneinanderreihung von Erschießungen ... Bestrafungsaktionen" gewesen. Im gleichen Atemzug verteidigte POHL gleichwohl frühere Anschläge der RAF mit tödlichem Ausgang. Diese hätten noch eine " strategische " Bedeutung gehabt. Weiteren Äußerungen POHLs war zu entnehmen, daß er und die anderen verbliebenen Inhaftierten der RAF nur noch auf ihre Entlassung hinarbeiten wollen. Am 5. November endete der voraussichtlich letzte größere RAF-Prozeß gegen die ehemalige Aktivistin Birgit HOGEFELD. Sie wurde u.a. wegen mehrfachen Mordes und schwerster terroristischer Straftaten vom Oberlandesgericht Frankfurt/M. zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt. Das Gericht ahndete u.a. ihre Beteiligung an dem Mord an dem US-amerikanischen Soldaten Edward PIMENTAL sowie an dem Bombenanschlag auf die US-Air Base am Frankfurter Flughafen (1985, zwei Tote). Ihre Mittäterschaft an dem fehlgeschlagenen Anschlag auf den damaligen Staatssekretär Hans TIETMEYER (1988) und an der Sprengung des Neubaus der Justizvollzugsanstalt in Weiterstadt (1993) wurde als erwiesen angesehen. Von dem Vorwurf des Mordes an einem Beamten der Grenzschutzeinheit GSG 9 im Juni 1993 in Bad Kleinen wurde die Verurteilte freigesprochen. In ihrem Schlußwort vom 29. Oktober unterstützte HOGEFELD die Forderung POHLs nach einer RAF-Selbstauflösung. Sehr deutlich verurteilte sie RAF-Anschläge, an denen sie selbst beteiligt war. Das Schicksal des Soldaten PIMENTAL bewertete sie uneingeschränkt als Mord, die Opfer der damaligen Aktionen täten ihr leid. Auch aus ihrer Sicht scheint der bewaffnete Kampf gescheitert zu sein. Mit der erwarteten Selbstauflösung der RAF würde der blutige, mehr als 25jährige Kampf einer kleinen, aber zu allem entschlossenen terroristischen Gruppe gegen den freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat und dessen Wirtschaft enden. Anschläge und Aktionen der RAF forderten 33 Menschenleben auf der Opferseite. Auch auf der 160 Seite der Terroristen starben Menschen bei Schußwechseln mit der Polizei, an den Folgen eines Hungerstreiks und durch Selbstmorde. Ein Ende der RAF wäre zwar nicht gleichbedeutend mit einem generellen Ende linksextremistisch motivierten Terrors in Deutschland. Es würde jedoch eine schwerwiegende Last heimtückischer Bedrohung von den Menschen nehmen und ein verhängnisvolles, Jahrzehnte währendes Kapitel in der Geschichte des deutschen Linksterrorismus schließen. 2.3.2.2 Antiimperialistischer Widerstand (AIW): Die im Abschnitt 2.3.2.1 beschriebene "Zäsur" der RAF (1992) hatte nachhaltige ungewollte Konsequenzen. Sie rüttelte nicht nur in der RAF selbst, sondern auch im gesamten linksterroristischen deutschen Umfeld an bisher unerschütterlich erscheinenden Orientierungen und Selbstgewißheiten. Ein den Realitäten entrücktes, auf politisch-idealistischen Illusionen ruhendes und längst bröckelndes Theoriegebäude stürzte ein. Bis dahin war es möglich, dem Linksterrorismus nahestehende, angelagerte oder zugehörende Personen zumindest nach verschiedenen ideologischen Teilbereichen gegenseitig abzugrenzen und z.B. dem sogenannten RAF-Umfeld zuzuordnen. Diese Unterschiede sind seit 1992 zunehmend verschwommen. Heute kann nur noch global von einem terroristischen Umfeld gesprochen werden. Ein gemeinsamer Nenner ist, daß diese Szene sich zum größten Teil als " antiimperialistischer Widerstand" (AIW) definiert. Es handelt sich um einen Personenkreis, der "antiimperialistisch" ausgerichtet ist und grundsätzlich den "bewaffneten Kampf (militärische und/oder militante Anschläge) als Mittel der politischen Auseinandersetzung akzeptiert. Dabei ist stark umstritten, wann (bereits jetzt oder erst später aus einer Position der Stärke) und in welcher Intensität der bewaffnete Kampf (sachoder personenbezogene Anschläge) zu führen ist. Auch die Interpretationen, was unter " Imperialismus " zu verstehen und welches Verhalten "antiimperialistisch" ist, sind vor dem Hintergrund linksextremistischer Dialektik und Semantik vielseitig dehnbar. Dem AIW werden diverse wechselnde, häufig kurzlebige, diffuse, eher informelle Gruppenzusammenhänge zugerechnet, die sich nur selten mit Organisationsbezeichnungen, ereignisbezogenen Phantasienamen oder mehrdeutigen Kürzeln in der Öffentlichkeit bemerkbar machen. Die Grenzen im AIW sind fließend und verändern sich ständig. Seine Beobachtung und Bekämpfung wird dadurch erschwert. Zunehmend orientieren sich jüngere Antifas als Teil des AIW an den von Realitäten längst überholten Thesen und eingestandenermaßen gescheiterten Strategieansätzen der "Rote Armee Fraktion" (RAF). Sie selbst sind bisher allerdings mit Anschlägen nicht erkennbar in Erscheinung getreten. Seit der "Zäsur" der RAF und der dadurch eingekehrten Krise verharrt die terroristische Szene des AIW in Hamburg weitgehend in anhaltender Agonie. Andere thematische Schwerpunkte wie "Hafenstraße" oder "Antifaschismus'1 haben sich für die Re161 aktivierung dieses Personenkreises als entweder erledigt oder als generell ungeeignet erwiesen. Zahlreiche langjährig erfahrene Personen des früheren RAF-Umfeldes haben sich zurückgezogen. Obwohl diskussionsbedürftige Themen, wie der in 2.3.2.1 angeschnittene POHL-Brief (u.a. Aufforderung an die RAF, sich aufzulösen) oder der HOGEFELD-Prozeß, vorliegen, wurden selbst diese nicht nachhaltig aufgegriffen. So lautete eine der wenigen Reaktionen auf den POHL-Brief: "Die Alteren sind damit nicht einverstanden, die Jüngeren begreifen ihn nicht". Mit dem HOGEFELD-Prozeß setzten sich nur Einzelpersonen auseinander. Entwickelt sich ausnahmsweise noch einmal eine Erörterung von Perspektiven, bleibt das RAF-Thema unberücksichtigt. Es scheint, als habe die frühere Klientel der RAF deren verbliebenen Rest " abgeschrieben ". Vor dem Hintergrund der ihr gegenüber gehegten Vorbehalte vermochte auch die "Antiimperialistische Zelle" (AIZ, 3 2.3.2.3) dem "Antiimperialistischen Widerstand" in Hamburg keine neue Schubkraft zu vermitteln. Deren wiederholte Signale an die übrige "Linke" zu neuer antiimperialistischer Mobilisierung fanden kein Echo. AIZ-Aktionen und Taterklärungen stießen auf breite Ablehnung. In lähmenden Diskussionen, ob die inhaftierten mutmaßlichen AIZ-Mitglieder überhaupt als Angehörige des " Widerstandes" und als "Linke" zu betrachten seien und Solidarität verdienten, setzte sich ein Minimalkonsens durch: FALK und STEINAU seien als in gewisser Hinsicht noch solidaritätsbedürftiger Bestandteil der Linken einzuschätzen. Die Solidarität erschöpfte sich bislang in Grußadressen, in denen die "AlZ-Politik" inhaltlich aber abgelehnt wurde. Derzeit widmet sich der AIW fast ausschließlich der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK). Die in Hamburg aktive deutsche PKK-Unterstützungsszene umfaßt nur wenige Personen, die allerdings erhebliches Engagement entwickeln. Es schlägt sich überwiegend in der Organisierung von PKK-dienlichen Informationsveranstaltungen und Demonstrationen nieder. Hier ist die "Kurdistan Solidarität Hamburg" federführend. Für Pressemeldungen, wonach im deutschen PKK-Unterstützungspotential einzelne dazu tendieren, ihr Anliegen auch mit terroristischen Aktionen zu verfolgen, gibt es bisher keine Bestätigung. Solche Tendenzen würden im übrigen den in der zweiten Jahreshälfte vom PKK-Generalvorsitzenden Abdullah ÖCALAN ausgesandten Deeskalationssignalen für Deutschland entgegenwirken. Trotzdem bleibt festzuhalten, daß sich das Verhältnis zwischen deutschen Linksextremisten und der PKK verändert. Lange Zeit hatte sich die PKK deutscher Sympathisanten aus dem autonomen und linksterroristischen Spektrum eher als Steigbügelhalter, z.B. als vorgeschobene Anmelder von Demonstrationen u.a., bedient. Demgegenüber war am Jahresende Meldungen der PKK und der linksextremistischen Szene zu entnehmen, daß sich "Internationalistinnen" m Ausbildungslagern der PKK in Kurdistan aufhielten. Sie würden dort politisch geschult und militärisch ausgebildet. Im PKK-Parteistatut werden solche Umstände als "Internationalismus" ( 3 2.4.5) defi162 niert. Deutsche Linksextremisten, die in Kurdistan politische und militärische Ausbildungen absolviert haben, berichteten in dem im Spätsommer erschienenen Buch "Licht am Horizont" (ohne Verlags-, Herausgeberoder Autorenangabe) u.a. über die Teilnahme deutscher und anderer westeuropäischer Brigadisten an Kampfeinsätzen der PKK in Kurdistan. Frühere Vorbehalte aus dem deutschen linksterroristischen Spektrum hatten der PKK noch angelastet, sie verfolge "nationale" Ziele - für linksextremistische Antifaschisten ein Keim des Faschismus. Frauen, z.B. der terroristischen "Roten Zora" ((c) siehe 2.3.2.4), warfen der PKK ein patriarchales "Disziplinierungs und Unterordnungsprinzip" gegenüber Frauen vor. Hier hat offensichtlich ein Umdenken eingesetzt. In verschiedenen Flugblättern bekannte sich das militante Spektrum sogenannter "Frauen/Lesben"-Zusammenhänge neuerdings ausdrücklich zum "Befreiungskampf der PKK". In dem o.g. Buch "Licht am Horizont" wurde die angeblich gleichberechtigte Rolle der Frau in der PKK hervorgehoben und auf die Existenz autarker Frauenausbildungsund -kampfverbände hingewiesen. Solche Schilderungen vermitteln Fronteindrücke von hoher Faszination für Frauen des terroristischen Umfeldes. Zusammenfassend ist festzustellen: Den "Antiimperialisten" sind in mehreren Etappen ideologische Leitbilder, an denen sie sich früher ausrichteten, abhanden gekommen. Deutsche Vorkämpfer-Organisationen und kräftespendende Bündnispartner fehlen. Ein steigendes Potential des linksterroristischen deutschen Umfeldes weicht auf die Unterstützung der PKK aus. Die bewaffneten Auseinandersetzungen in der Türkei bzw. in Kurdistan um eine kurdische Autonomie bilden einen Identifikationspunkt, wie ihn noch in den 80er Jahren die Bürgerkriegsauseinandersetzungen in Nicaragua und El Salvador darstellten. 2.3.2.3 Antiimperialistische Zelle (AIZ) Im Hamburger Verfassungsschutzbericht 1995 war auf die drohende Gefahr weiterer AIZ-Anschläge hingewiesen worden. Nachdem zwei Tatverdächtige Anfang des Jahres verhaftet wurden, erfolgten im gesamten restlichen Jahr keine Anschläge mehr. Ihre letzte Aktion hatte die AIZ am 23.12.95 durchgeführt, indem sie einen Sprengsatz vor dem Düsseldorfer Bürogebäude der Firma Heitkamp AG gezündet hatte. Das Haus war u.a. Sitz des peruanischen Honorarkonsulats in Deutschland. Am 23. Februar wurden zwei mutmaßliche AIZ-Aktivisten - Bernhard FALK und Michael STEINAU - von der Polizei in Witzhave (Schleswig-Holstein) festgenommen. Sie hatten sich bereits seit geraumer Zeit der AIZ-Mitgliedschaft verdächtig gemacht. Die bei ihnen sichergestellten Asservate unterstützen - vorbehaltlich weiterer ermittlungstechnischer und gerichtlicher Überprüfungen - den dringenden Verdacht, 163 daß sie für AIZ-Anschläge verantwortlich sind und weitere Anschläge konkret geplant hatten. So werden ihnen bei Berlin und in Schleswig-Holstein entdeckte Erddepots zugeordnet, in denen Substanzen für weitere Sprengsätze lagerten. Schriftstücke deuten darauf hin, daß der nächste Anschlag in Hamburg verübt werden sollte und sich gegen den SPD-Bundestagsabgeordneten Freimut DUVE gerichtet hätte. Die AIZ hatte sich seit 1992 unter wechselnden Bezeichnungen mit Anschlägen und zahlreichen theoretischen Schriften, bemerkbar gemacht. Die terroristische RAF hatte in ihrem "April-Papier" 1992 (siehe oben: "Zäsur") angekündigt, vorläufig auf gezielt tödliche Aktionen verzichten zu wollen. Die AIZ war damit nicht einverstanden und umgab sich mit dem Schein einer notwendigen und legitimen Nachfolgerin der RAF. In deutlicher Absage an die Rückzugslinie der RAF beharrte sie - in zum Teil belehrend und besserwissend klingender Manier - auf einer Fortsetzung bewaffneter Kampfformen. Ihrer gelegentlich nostalgisch angehauchten Verehrung der RAFGründergeneration fühlte sich die AIZ seit 1992 mit einer Serie von lebensgefährlichen Anschlägen und symbolischen Aktionen verpflichtet: 22.11.92 Brandanschlag auf das Rechtshaus der Hamburger Universität 18.03.93 Inbrandsetzung von Sägespänen vor dem ehemaligen Wohnhaus eines GSG 9-Beamten in Soligen 17.11.93 Schußwaffenanschlag auf das Gebäude des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall in Köln 05.06.94 Sprengstoffanschlag auf die Kreisgeschäftsstelle der CDU in Düsseldorf 26.09.94 versuchter Sprengstoffanschlag auf die Landesgeschäftsstelle der FDP in Bremen 22.01.95 Sprengstoffanschlag auf das Wohnhaus des ehemaligen Staatssekretärs Dr. KOEHLER in Wolfsburg 23.04.95 Sprengstoffanschlag auf das Wohnhaus des MdB BLANK (CDU) in Düsseldorf/Erkrath 17.09.95 Sprengstoffanschlag auf das Wohnhaus des MdB BREUER (CDU) in Siegen 23.12.95 Sprengstoffanschlag auf ein Düsseldorfer Bürohaus der Fa. Heitkamp AG, in dem sich u.a. das Honorarkonsulat Perus befand 164 Den Anschlägen folgten jeweils umfangreiche Selbstbezichtigungsschreiben und andere Positionspapiere. Sie zeichneten ein zunehmend wirrer erscheinendes, dämonenhaftes Feindbild von einer zu bekämpfenden imperialistischen Weltverschwörung. Die darin zum Vorschein kommenden "antiimperialistischen" Erklärungsmuster richteten sich zunehmend auch an einem islamisch-fundamentalistischen Weltbild aus. Mit einem Arsenal politischer Phrasen und Schablonen, aber auch mit Anschlägen, die z.B. unbeteiligte Passanten gefährdeten, isolierte sich die AIZ von Beginn an in der gewaltbereiten und übrigen linksextremistischen Szene. Insbesondere die glorifizierende Anbiederung an islamisch-fundamentalistische Terrororganisationen, z.B. die palästinensische HAMAS und die algerische "Bewaffnete Islamische Gruppe" (GIA), stieß andere terroristische Zirkel und autonome Zusammenhänge ab. So weigerte sich die linksextremistische Berliner Szenezeitung " interim " im Januar, künftig weitere AIZ-Papiere zu veröffentlichen. Auch Angehörige der in Hamburg Mitte 1995 vor dem Hintergrund von Exekutivmaßnahmen des Generalbundesanwaltes entstandenen "Soligruppe" (O 2.4.1.2) übten scharfe Kritik an der positiven Bezugnahme der AIZ auf islamistische Gruppen. In den Debatten der übrigen linksextremistischen Szene spielte die AIZ nur eine marginale Rolle. Heute geht es - wenn überhaupt - nur noch darum, ob den einsitzenden mutmaßlichen AIZ-Mitgliedern der Status von "politischen Gefangenen" mit einem Anspruch auf Solidarität zugebilligt werden dürfe. Nachdem FALK und STEINAU sich inzwischen zu "muslimischen Gefangenen" erklärt haben, laufen Solidaritätsbefürworter Gefahr, in der eigenen Szene selbst nicht mehr ernstgenommen zu werden. Seit der Verhaftung FALKs und STEINAUs schweigt die AIZ. Dieses unterstützt die These, daß die terroristische Gruppierung mit den Verhaftungen zerschlagen worden sein könnte. Es gibt allerdings Anhaltspunkte für den Verdacht, daß die AIZ nicht nur aus zwei Personen bestanden hat. Verschiedene Umstände und ideologische "Schwenks" der AIZ lassen es möglich erscheinen, daß sie sich phasenweise aus wechselnden Personen zusammengesetzt hat. Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand ist es eher unwahrscheinlich, daß die AIZ noch existiert und erneut Anschläge verübt. 2.3.2.4 Revolutionäre Zellen (RZ) und Rote Zora "Revolutionäre Zellen" (RZ) gehen von der Vorstellung aus, in kleinen und autonom agierenden Einheiten (Zellen) "Gegenmacht" zum Staat aufzubauen. Statt in die Illegalität abzutauchen, soll "/clandestines" (heimliches) Wirken aus legalen Strukturen heraus die Staatsgewalt daran hindern, Einzelpersonen aus der Gesamtstruktur des militanten Widerstandes herauszufiltern. Basiskontakte und persönliche Einbindungen in die Legalität autonomer Stadtteilgruppen und Initiativen machten sich die als RZ-Zusammenhang unerkannt bleibenden Personen zum Prinzip. 165 1973 verübten "Revolutionäre Zellen" erstmalig terroristische Aktionen. Zwei Jahre später erläuterten sie in der Druckschrift " Revolutionärer Zorn " ihr Selbstverständnis, ihre Perspektiven und Prinzipien. Durch eigene militante Aktionen wollten sie andere gewaltbereite Linksextremisten zur Nachahmung anregen, um in einer wachsenden Bewegung das Potential für eine "soziale Revolution" zu stärken. Sehr ernste Bedrohungen gingen von den RZ Mitte der achtziger Jahre aus. So wurden 1986 Sprengstoffanschäge gegen das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg und das Bundesverwaltungsamt in Köln verübt. Weitere Anschläge galten der Hauptverwaltung der Lufthansa in Köln und Ausländerbehörden in Hagen und Hamm. Bei einer sogenannten "Knieschußaktion" wurde der damalige Leiter der Berliner Ausländerbehörde erheblich verletzt. In Hamburg richtete sich ein Bombenanschlag gegen die Ausländerbehörde, ein Brandanschlag gegen eine Polizeidienststelle, 1989 ein Brandanschlag gegen die Arbeitsund Sozialbehörde. In dieser Zeit steigerte sich innnerhalb der RZ eine Debatte über Männerdominanz und die von Frauen ausgehende Kritik am sog. "Pariarchat". Eine seit Ende der siebziger Jahre innerhalb der RZ existierende Gruppierung "Rote Zora" kam 1987 zu der Auffassung, ihre revolutionär-feministischen Ziele nur unabhängig von den männerdominierten RZ erreichen zu können. Die nunmehr eigenständig operierenden Frauen der "Roten Zora" verübten 1987 zeitgleich an zehn verschiedenen Orten in der Bundesrepublik Brandanschläge auf Filialen der Bekleidungsfirma "Adler", um damit gegen die Ausbeutung von Textilarbeiterinnen in Südkorea zu protestieren. Die daraufhin forcierten staatlichen Exekutivmaßnahmen gegen Tatverdächtige und Bestrafungen von Tätern dürften ebenso wie die paralysierende interne Patriarchatsdebatte dazu beigetragen haben, daß RZ und "Rote Zora" in den anschließenden Jahren als terroristische Bedrohungen an Bedeutung verloren. Anfang der neunziger Jahre setzte zwar eine Grundsatzdiskussion über die Notwendigkeit des bewaffneten Kampfes ein; sie brachte aber letztlich keine weiterführenden Ergebnisse hervor. Erst Ende 1993 meldete sich die "Rote Zora" mit der Schrift "Mill's Tanz auf dem Eis" (Anspielung auf Militanz) in der Öffentlichkeit zurück und gab zu verstehen, nicht länger aktionsuntätig bleiben zu wollen. Bereits ein halbes Jahr später zerstörte bzw. beschädigte die "Rote Zora" in Nürnberg und Gera mit Sprengund Brandsätzen Lastkraftwagen eines Unternehmens, das von der nach ihrer Meinung menschenunwürdigen Grundversorgung von Asylbewerbern mit Gütern des täglichen Lebensbedarfes profitiere. Der Schaden belief sich auf mehrere hunderttausend Mark. Nach diesem Ereignis folgte lediglich 1995 ein Sprengstoffanschlag auf die Werkhalle einer Werft in Lemwerder bei Bremen. Der dort verursachte Schaden war allerdings unbedeutend und wurde daher erst nach Eingang eines Bekennungsschreibens entdeckt. 166 Die "Rote Zora" wandte sich in ihrer Bekennung zum Anschlag in Lemwerder an radikale Teile der feministischen Bewegung, um diese aus ihrer angeblich selbstauferlegten Passivität aufzurütteln. Die kritisierten Frauen würden sich nur noch mit dem eigenen "Rassismus", Antisemitismus und "Hetero/Sexismus" beschäftigen. Sie sollten daher ihr " Kleingrüppchen-Dasein " aufgeben und sich stärker dem internationalen Frauenwiderstand widmen, z.B. den in Deutschland lebenden Kurdinnen, die von hier aus den Widerstand ihres Volkes unterstützten. Nur über eine Verbindung mit den Kämpfen anderer Frauen könne die revolutionäre Perspektive - ein "kämpferisches Miteinander" - zurückgewonnen werden. Hauptadressaten der "Rote Zora "-Botschaft dürften die dem bundesweiten "Antiimperialistischen Widerstand" (AIW, (c) siehe 2.3.2.3) zuzurechnenden Frauen gewesen sein. In Hamburg existiert ein sog. "FrauenLesben Kurdistan Solidaritätskomitee", dessen Angehörige sich vorrangig um politische Gemeinsamkeiten mit kurdischen Frauen und um deren aktive Unterstützung bemühen. Im November bezeichneten sie sich in einem Flugblatt als "feministische Internationalistinnen", die sich berufen fühlten, "revolutionäre, fortschrittliche Bewegungen und besonders feministische Organisationen und FrauenLesbenbewegungen in anderen Ländern " zu unterstützen. Sie würden sich mit "Angriffen auf den kurdischen Befreiungskampf auseinandersetzen und sich mit "Kurdinnen und Kurden" solidarisieren. Es bleibt offen, ob und inwieweit diese Zielbestimmung auch auf den Anstoß der "Roten Zora" zurückgeht oder generell einer gemeinsamen neuen Richtungsbestimmung von Frauen des "Antiimperialistischen Widerstandes" entspricht. Als Tatsache bleibt festzuhalten, daß in diesem Jahr weder unter dem Siegel der "Roten Zora" noch unter dem der "Revolutionären Zellen" Aktionen ausgeführt wurden. Das Prinzip der RZ, "militante Gewalt aus kleinen, autonom agierenden Kernen zu verüben", ist allerdings bei mehreren Anschlägen autonomer Gruppen - auch in Hamburg - berücksichtigt worden. 2.4 Autonome und anarchistische Szene 2.4.1 Autonome 2.4.1.1 Grundsätzliches Staat und Öffentlichkeit werden durch politisch motivierte Gewalt und Militanz von Linksextremisten herausgefordert, die sich als "Autonome" definieren. Sie stellen sich außerhalb der "herrschenden" Gesetze und "Zwänge", verhalten sich zumeist aggressiv, antistaatlich und in den Zielperspektiven subversiv. Spontaneität, "Null Bock"Mentalität, permanente Revolte (statt permanenter Revolution) und "praktischer" 167 Widerstand sind Eckpunkte autonomen Selbstverständnisses. Nicht fürs Proletariat, sondern für ein universell selbstbestimmtes Leben wird gekämpft. Autonome lassen sich weniger von Ideologien wie Marxismus, Sozialismus und Kommunismus leiten, weil sie davon ausgehen, daß auch diese nicht auf staatliche Macht (z.B. "Diktatur des Proletariats") und Staatlichkeit an sich verzichten. Vielmehr wollen sie das System zerschlagen und "Autonomie" als totales Prinzip in einer herrschaftsfreien Gesellschaft ("Keine Macht für niemand!") durchsetzen. Gewaltbereitschaft ist konzeptioneller Bestandteil autonomen Selbstverständnisses. Statt einer Revolution der proletarischen "Massen" stehen bei Autonomen die eigene Person und individuelle Betroffenheit im Vordergrund. Hierarchien und Machtzentren, damit auch der Staat ("Schweinesystem"), werden abgelehnt. Ihr von dogmatischen Linksextremisten abweichendes Politikverständnis hindert Autonome aber nicht mehr, mit ihnen zusammenzuarbeiten, wenn es den eigenen Zielen dient. Autonome Gruppen sind zumeist lokal/dezentral und unstrukturiert angelegte Personenzusammenhänge, deren Willensbildung sich auf Plenumstreffen vollzieht. Einzelne Plenen halten untereinander Kontakte. Stabile und stringente überregionale bzw. bundesweite Vereinheitlichungen scheiterten bisher am antihierarchischen, antiautoritären und organisationsfeindlichen autonomen Selbstverständnis. Die Praxis autonomer Gruppen hat sich vom "Häuserkampf' über die Antiatomund Friedensbewegung, ,^4ntirepressions"-Kampagnen, "Antifaschismus", "Antimilitaris" und Widerstand gegen Munitionstransporte ständig wechselnde Schwerpunkte gesucht. "Antifa", "Antirassismus", Asylverfahrensfragen, Umstrukturierung von Wohnvierteln, Widerstand gegen Atommüllbzw. Castortransporte und internationalistische Ambitionen standen das Jahr über im Vordergrund autonomen Denkens und Handelns. Angebliche autonome "Gegenwehr" kennt in ihrer Vielfalt und Erfindung von Rechtfertigungen kaum Grenzen. Sie kann sich in Massenmilitanz und Straßenkrawallen entladen, oder aber in spontanen oder konspirativ vorbereiteten und durchgeführten Anschlägen bemerkbar machen. Unabhängig von Art und Ausmaß ihrer Gewalt legen Autonome Wert darauf, ihr Handeln öffentlich zu begründen. " Vermeidbarkeit" ist ein Grundprinzip ihrer Anknüpfungsstrategie. Insbesondere unter Jugendlichen versuchen Autonome, Interessenten einzufangen, deren Bedürfnis, Frust oder Haß aktionistisch auszuleben, entgegenzukommen. Verbindungen und Kontakte ergeben sich zumeist über "befreite" Räume, besetzte Häuser, Wohngemeinschaften, Jugendzentren, Kneipen, Infound Buchläden. Als eine Art "befreites" Terrain definieren Autonome in Hamburg das im Zuge einer Besetzungsaktion "angeeignete" Stadtteilzentrum "Rote Flora" im Szenequartier Schanzenviertel. 168 2.4.1.2 Autonome Gruppen in Hamburg Nachfolgend wird - nur ausschnittund beispielhaft - das breite Feld autonomer Zusammenhänge in Hamburg beleuchtet. Auf die autonome "Antifa" wurde bereits gesondert unter 2.2.1 eingegangen. Weitere Fundstellen und Bezugspunkte ergeben sich aus den Kapiteln 2.2.2 (Antirassismus, Antinationalismus) sowie 2.4.3 - 2.4.5 (Stadtteilentwicklung, Atomkraft, Internationalismus). Rote Flora: hierbei handelt es sich um ein - nicht nur - von autonomen Gruppen und Einzelpersonen als Versammlungsund Veranstaltungseinrichtung genutztes, zum Symbol und " Freiraum " erklärtes Objekt. Die Betreiber erheben Anspruch, subkulturelle Tendenzen "subversiv" mit eigenen Inhalten zu füllen und Identifikationspunkt autonomen Lebensstils zu sein. Dieses schlägt sich u.a. auf der Ebene der Selbstverwaltungsstrukturen nieder. Unter den Betreibern befinden sich Personen, die eigene linksextremistische Bestrebungen entwickeln und die "Rote Flora" als Enklave mit quasi exterritorialem Status gegen das "System" und gegen staatliches Handeln betrachten. Das Objekt war 1995 durch einen Brand im oberen Gebäudetrakt teilweise zerstört worden. Eine anfänglich breite Welle der Solidarität reichte aus, um die provisorische Weiternutzung der "Roten Flora" zu sichern. Der zwar noch nicht vollendete Wiederaufbau dürfte immerhin dazu beigetragen haben, daß die "Rote Flora" ihr Gewicht als Stadtteilund Kulturzentrum im Schanzenviertel, aber eben auch als Anlaufund Bezugspunkt linksextremistischer Bestrebungen zurückerlangte. In den Anfängen war der Kampf gegen die "staatliche Ordnungsmacht" das einigende Hauptziel der "F/ora"-Aktionisten. Ihr damaliges Spektrum setzte sich zum Großteil aus linksextremistisch motivierten Hausbesetzern zusammen, die sich aus der autonomen Szene des Schanzenviertels rekrutierten. Auch heute dominieren Linksextremisten in der "Roten Flora", beklagen jedoch deren rückläufigen politischen Stellenwert. Der "Organisationsrat" entfaltet nur noch sporadisch politische Außenwirkung - so im Dezember, als er per Flugblatt der geplanten kommerziellen Nutzung des Wasserturmes im Sternschanzenpark als Hotel widersprach und Widerstand ankündigte. Innerhalb des linksextremistischen Spektrums wird die "Rote Flora" heute in erster Linie als Veranstaltungsort genutzt. So fanden zahlreiche Treffen der nachfolgend noch gesondert beschriebenen "Soligruppe" {"radikal"-Komplex) in der "Roten Flora" statt. Auch "Antifa"-Gruppen nutzen die Räumlichkeiten für eigene Veranstaltungen. Im Vorfeld des zweiten sog. Castor-Transportes am 8. Mai nach Gorleben fanden in der "Roten Flora" Mobilisierungstreffen statt, auf denen Widerstandsaktionen gegen die Transporte koordiniert werden sollten. 169 Angesichts eines wachsenden Konzert-, Discound sonstigen Kulturbetriebs beklagt die autonome Szene - durchaus nicht einhellig - Kommerzialisierungstendenzen, eine Debatte, die sich vornehmlich in der Flora-Postille "Zeck" niederschlug. Allerdings werden Konzerte und Discos oftmals mit politischen Zwecken (Erlösen sog. "SoliVeranstaltungen") verknüpft, so am 18. Oktober anläßlich einer Veranstaltung zugunsten Betroffener im sog. "radikal"Verfahren der Generalbundesanwaltschaft. Der Trend hin zur "Kultur" ist im übrigen kein "Rote Flora "-spezifisches Einzelphänomen. In der gesamten linksextremistischen Szene scheinen sich subkulturelle Strömungen einer wachsenden Konjunktur zu erfreuen. Im Sprachrohr "Zeck" spiegelt sich die anhaltend relevante volle Breite autonomer und anderer linksextremistischer Themenfelder wider. Neben Bekennungen zu terroristischen Anschlägen finden sich einschlägige autonome Diskussionspapiere bis hin zu Berichten über Hausbesetzungen. Die Gebäudefassade "zieren" anlaßbezogen politische Parolen, Malereien etc. mit linksextremistischem Hintergrund, die gelegentlich auch militante Neigungen der Urheber erkennen lassen. So war in diesem Jahr u.a. in übergroßer Darstellung ein Bauplan für eine sog. Hakenkralle abgebildet - eine Vorrichtung, mit der militante Atomkraftgegner im Zuge ihres "Protestes" gegen Castor-Transporte seit zwei Jahren wieder schwere Sachschäden an elektrischen Oberleitungen der Deutschen Bahn AG anrichteten, was in einem Fall zur Verletzung eines Lokführers führte. Die "Rote Flora" ist heute eine - im Vergleich zu den Anfängen - weniger homogene und in ihrer politischen Bedeutung nachlassende Szeneinstitution. Nutzer und Betreiber sind sich jedoch einig, ungeachtet finanzieller Zuwendungen oder Vergünstigungen keine staatliche Einflußnahme zuzulassen bzw. Abhängigkeiten entstehen zu lassen. Generell besteht die Neigung, staatliche Reglementierungen oder Maßnahmen, die massiv in den Bestand bzw. den "befreiten" Status und die politische Funktion des Komplexes eingreifen würden, als "Provokation" zu verstehen. Brigittenstraße 5: Entgegengesetzt zur abnehmenden Bedeutung der "Roten Flora" übernahm der Treffpunkt Brigittenstraße 5 (Szeneabkürzung: B5) nach Wiedereröffnung am 30.11.95 zunehmend die Funktion eines Kommunikationszentrums für linksextremistische Gruppen bzw. Bestrebungszusammenhänge in Hamburg. Die Bandbreite reicht von der "antiimperialistischen" "Kurdistan Solidarität Hamburg" (O 2.3.2.2) über "Antifa"-Gruppen ( 3 2.2.1) aus dem autonomen Spektrum bis hin zum Projekt "Nadir", das Möglichkeiten der elektronischen Informationsverbreitung bzw. Datenfernübertragung (Z> 2.6) für die linksextremistische Szene nutzbar machen will. "Nadir" / Infogruppe Hamburg (IFGHH): "Nadir" geht auf die "Infogruppe Hamburg" (IFGHH) zurück, die im Sommer 1994 von Personen aus der autonomen Szene ins Leben gerufen wurde. Offenbar ist die IFGHH in die Struktur des "Nadir"170 Projekts integriert. Unter dem Titel "Die Infogruppe stellt sich vor" erläutert die IFGHH ihre selbst gestellten Aufgaben und Ziele. Sie möchte insbesondere den "Austausch und Informationsfluß zwischen linken Gruppen" mittels Datenfernübertragung (hauptsächlich über Mailboxen) initiieren und verbessern. Der "Aufgaben"-Katalog enthält aber auch konkret benannte verfassungsfeindliche Ziele, z.B. die Absicht, die " herrschenden Verhältnisse umzustürzen und alle Ideologien, die diese stützen, anzugreifen". Die IFGHH will "antiimperialistische, antikapitalistische, antifaschistische, antimilitaristische und antipatriarchale Politik in Hamburg und anderswo" unterstützen. Die "Nadir"-Betreiber unterhalten ein über eine Internet-Adresse einsehbares elektronisches Archiv. Die dort nachlesbare Selbstdarstellung legt u.a. dar, daß "Nadir" einer "sozialen Revolution" gegen "Herrschaftsund Ausbeutungsverhältnisse" zur Realität verhelfen will. Um dieses praktisch umzusetzen, hat die IFGHH sich folgende Arbeitsweise vorgenommen: mit Redaktionen "linker Hamburger Zeitungen" zusammenarbeiten, Berichte in andere Städte und Länder verschicken, "bestimmte" Meldungen und Informationen an die "bürgerliche Presse" geben, Informationssammlungen erstellen, in Datenbanken recherchieren, Texte über Mailboxen verbreiten, eingehende Texte weiterleiten, sich als Informationszentrale auf der Ebene elektronischer Vernetzung "etablieren", die Vernetzung von Gruppen unterstützen und organisieren. Die IFGHH übernimmt Assistenzfunktionen für andere linksextremistische Gruppen, indem sie deren Texte, Flugblätter, Bekennungen etc. in Mailboxverbundsysteme - z.B. in das "Antifa"-Brett des "Comlink"-Netzes (O 2.6) - einspeist. Die Nachrichten reichen von Texten zu Hausbesetzungen über die "Kurdistan"-Solidarität bis hin zu Tatbekennungen der terroristischen "Antiimperialistischen Zelle" (AIZ, 3 2.3.2.3). Diese in ihren Akzenten sehr deutliche Bandbreite ist schon aus dem Inhaltsverzeichnis des "Nadir Archivs" abzulesen. Sogar den vollständigen Inhalt ganzer Zeitschriften, wie etwa des autonomen Blattes "Zeck" aus der "Roten Flora", des dem "Antiimperialistischen Widerstand" (AIW, O 2.3.2.2) zuzurechnenden "Angehörigen-Infos" und der von einem zum Teil linksextremistisch zusammengesetzten Kreis herausgegebenen "Lokalberichte Hamburg" "postet" die Gruppe ins Netz. Für Gruppen und Angehörige aus dem linksextremistischen Spektrum bietet "Nadir" einen "e-mail-Dienst", "Newsgroups" (Diskussionsforen zu bestimmten Themenbereichen) und andere elektronische Dienste an. "Nadir" vergleicht sich selbst mit einer Art elektronischem Infoladen. Regelmäßig werden in der "B5" im Zuge sog. "OfflineCafes " Interessierte in die Technik der Mailboxen, des Internets, elektronischer Post etc. eingeführt. Ein Computer mit Internetzugang steht während des " Cafes " zur Verfügung. 171 Rote Hilfe e.V.: Die 1986 aus der ehemaligen KPD/ML-Nebenorganisation "Rote Hilfe Deutschlands " hervorgegangene " Rote Hilfe e. V. " (RH) war in Hamburg nach zeitweiliger Inaktivität 1989 neu gegründet worden. Sie ist eine - laut Satzung "parteiunabhängige" - strömungsübergreifende Schutzund Solidaritätsorganisation für angeblich "politisch Verfolgte". Unter politischer Betätigung in diesem Sinne versteht die RH das Eintreten für die Ziele der "Arbeiterbewegung", des "antifaschistischen", "antisexistischen" und "antirassistischen" Kampfes. Sitz der RH ist Dortmund; der Bundesvorstand ist in Kiel beheimatet. Die RH betätigt sich bundesweit über zahlreiche Ortsund Regionalgruppen. Die Hamburger Ortsgruppe gibt als Kontaktadresse den autonomen Infoladen "Schwarzmarkt" an. Die RH leistet insbesondere finanzielle Unterstützung (laut Eigenangabe jährlich 30.000 bis 60.000 DM, seit Bestehen etwa 900.000 DM) für - von der "Klassenjustiz" - verurteilte Gesinnungsgenossen. In der vierteljährlich erscheinenden Publikation "Die Rote Hilfe" legt die Organisation darüber anhand von Beispielen Rechenschaft ab. Nutznießer sind u.a. Personen, die bei linksextremistischen, auch gewalttätig verlaufenen Demonstrationen festgenommen wurden, militante "Antifas", Wehrund Ersatzdienst-"Totalverweigerer", PKK-Angehörige etc. Die gut 2.000 zahlenden Mitglieder - nur ein Bruchteil davon nimmt an der aktiven Arbeit teil - bringen diese Mittel durch regelmäßige Beiträge und Spenden auf. In ihrer Zeitung und in Flugblättern sowie als Unterstützerin von Demonstrationen und sonstigen Aktionen ergreift die RH Partei für sog. "politische Gefangene". Anläßlich des dritten Todestages des mutmaßlichen RAF-Terroristen Wolfgang GRAMS veranstaltete die Organisation am 29. Juni eine Gedenkkundgebung in Bad Kleinen, um an die "mysteriösen" Umstände des GSG 9-Einsatzes am Bad Kleinener Bahnhof am 27.06.93 zu erinnern. Damals kamen GRAMS und ein GSG 9-Beamter ums Leben. Die Teilnehmer dieser Veranstaltung rekrutierten sich überwiegend aus Zusammenhängen des "Antiimperialistischen Widerstands" (AIW, O 2.3.2.2). Die "Rote Hilfe" Hamburg rief per Flugblatt anläßlich des dritten Jahrestages des PKK-Verbots zu einer "Knastkundgebung" vor dem Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis auf. Strafprozesse gegen PKK-Mitglieder wurden dabei als "Repression" hingestellt. "Soligruppe" Hamburg: Am 13.06.95 war es zu exekutiven Maßnahmen im Zuge von Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft gegen Verdachtspersonen im Zusammenhang mit den terroristischen Vereinigungen (O 2.3.2) "Antiimperialistische Zelle" (AIZ), "Das K.O.M.I.T.E.E.", "Rote Armee Fraktion" (RAF) sowie gegen mutmaßliche Verantwortliche der Untergrundzeitschrift "radikal" gekommen. Danach gab es eine breite Solidarisierung in der linksextremistischen Szene für die von den bundesweit durchgeführten Durchsuchungen und Festnahmen Betroffenen, u.a. die bundesweite Demonstration am 16.12.95 in Hamburg mit etwa 4.700 Teilnehmern. In Hamburg - ähnlich in anderen Städten - gründete sich die "Soligruppe Ham172 burg", ein Zusammenschluß aus Betroffenen und Personen des autonomen und "antiimperialistischen " Lagers. Inzwischen haben diese "Soligruppen zum 13.06.1995" an Bedeutung verloren. Sie veröffentlichten zwar ihre linksextremistisch gefärbten und einseitig vorgefaßten Ansichten sowie Selbstdarstellungen seinerzeit untergetauchter mutmaßlicher "radikal"Redakteure. Auch berichteten sie über die Festnahme zweier mutmaßlicher AIZ-Angehöriger, produzierten Flugblätter und meldeten sich in Szene-Publikationen zu Wort. Größere Aktionen blieben jedoch aus. Der Versuch, eine Neuauflage der Demonstration vom 16.12.95 zustandezubringen, scheiterte. Ein Streitpunkt war der Umgang mit den als mutmaßliche AIZ-Mitglieder am 26. Februar festgenommenen Michael STEINAU und Bernhard FALK. Letztlich kündigte die "Soligruppe Hamburg" beiden im Oktober die ohnehin nur halbherzige Solidarität wegen ihrer offenen Bekenntnisse zum islamischen Fundamentalismus gänzlich auf. Die bundesweit - ungeachtet einstweilen abgeflachter Aktivitäten - anhaltend arbeitsfähigen "Soligruppen" dürften sich anläßlich von Prozessen gegen mutmaßliche "radikal"'-Redakteure - voraussichtlich Frühjahr 1997 - mit neuen Mobilisierungen zurückmelden. 2.4.2 Anarchisten 2.4.2.1 Grundsätzliches Von allen Gesellschaftsmodellen ist der Anarchismus die absolute Antithese zu einer formierten Staatlichkeit. Auf der Suche nach herrschaftsfreien Räumen bestreitet er staatlicher Macht jede Berechtigung. "Anarchie" bedeutet "Führeroder Herrschaftslosigkeit". Anarchisten glauben, die Menschen könnten als staatenlose Gesellschaft besser als unter dem Schirm staatlicher Ordnungsmacht, Autorität und Hierarchie leben. Sie vertrauen auf herrschaftsfreie (anarche) Selbstregulierungssysteme, wie z.B. kollektive Verbände des berufsständischen Lebens, in denen es sich friedlich, gerecht und in materieller Sicherheit leben lasse. Anarchisten und Kommunisten trennen unterschiedliche ideologische Grundprinzipien. BAKUNIN (1814-1876), Theoretiker eines kollektivistisch-revolutionären Anarchismus, der Staatlichkeit schlechthin "ausrotten" wollte, lehnte den Kommunismus ab. Er erkannte am Kommunismus - genau im Gegensatz zum Anarchismus - die Absicht, Staatsmacht in den Händen einer Staatspartei zentralisieren zu wollen. Wo Kommunisten siegen, müssen Anarchisten daher auch als erste damit rechnen, zum "Schweigen" gebracht zu werden. KROPOTKIN (1842-1921) vertrat einen "AnarchoKommunismus" mit einer zwar auch staatsfreien Ordnung, in der sich die Verteilung 173 von Gütern jedoch in universeller Gütergemeinschaft - wie in der kommunistischen Theorie - nach den Bedürfnissen, nicht nach dem Leistungsprinzip vollziehen soll. Einen Spagat zwischen Kommunismus und Anarchismus - quasi zwischen Macht und "Ohn"-Macht - versucht die in Heidelberg ansässige anarcho-kommunistische "Freie Arbeiter-Union/Anarchistische Partei" (FAU/AP): Zwar möchte auch sie den Staatsapparat zerschlagen, will ihn jedoch durch die "revolutionäre Diktatur des Proletariats" ersetzen. Theoretiker eines individualistischen Anarchismus war u.a. PROUDHON (1809-1865). Diese Variante strebt eine gerechtere Güterverteilung bei grundsätzlicher Wahrung des Privateigentumsprinzips an. Als Sozialrevolutionäre Arbeiterbewegung bildete sich Ende des 19. Jahrhunderts der "Anarchosyndikalismus" heraus und versuchte - im Gegensatz zum älteren Anarchismus - die Arbeiterschaft zu organisieren: In ihm sollten die Gewerkschaften {"Syndikate") die einzig effektiven Kampforgane und zukünftigen Selbstverwaltungsorgane nach einem Sturz der kapitalistischen Gesellschaftsordnung sein. Seine Kampfform ist die "direkte Aktion" (Boykott, Sabotage, Massenstreik). Innerhalb der antiautoritären radikalen außerparlamentarischen Opposition während und nach der Protestbewegung von 1968 wurde das Idealbild eines geradezu idyllischen menschlichen Zusammenlebens von mehreren kleinen Gruppen aufgegriffen. In den 70er Jahren waren sie manchmal Umfeld oder Durchlaufstation für militant oder terroristisch ambitionierte Personen. Einige schlossen sich später undogmatischen, ökologisch oder emanzipatorisch motivierten radikalen oder extremistischen Strömungen an. Ehemalige Anhänger anarchistischer Zirkel fanden sich später in der artverwandten autonomen Bewegung wieder. 2.4.2.2 Anarchistische Gruppen in Hamburg Die Anarchistische Föderation Hamburg (AFH) - ein nach dem Hamburger "Anarchismus-Kongreß" 1994 gegründeter Zusammenschluß - ist inzwischen offenbar inaktiv. Das Libertäre Zentrum (LIZ) ist eine Anlaufstelle mehrerer anarchistischer Gruppen im Karolinenviertel. Das als Kommunikationsund Tagungszentrum dienende Objekt wurde 1986 von der anarcho-syndikalistischen "Freien Arbeiterinnen und Arbeiter Union" (FAU) eingerichtet. Es wird besonders von militanzgeneigten, aktionistisch ambitionierten Personen und Gruppen im Karolinenund Schanzenviertel aufgesucht, darunter auffallend junge Interessenten und Akteure im Schüleralter (Szenejargon: "LIZ-Kids"). Wegen eines "sexistischen Übergriffs" in den eigenen Reihen entzündete sich unter der "LIZ"-Klientel eine nachhaltige "Patriarchats"und "Sex"WM5"-Auseinander174 setzung, die die "politische" Praxis ins Stocken brachte. Das "Rote Flora''-Info "Zeck" reflektierte den internen Streit in die Öffentlichkeit. Im Mai (Nr. 49) erschien ein Artikel: "Die Macht der Männer ist die Geduld der Frauen - oder: Die gescheiterte Sexismusdebatte im Libertären Zentrum Hamburg". Angesichts von Anschuldigungen gegen eines ihrer Mitglieder entschied sich die FAU-Ortsgruppe - unter Mitnahme der gesamten "LIZ"-Bibliothek - zum Auszug aus dem "Libertären Zentrum ". Angehörige verschiedener Zusammenhänge des "LIZ" beteiligten sich am 23. März an einer von Schleswig-Holsteinischen und Hamburger "antirassistischen" Gruppen und " Flüchtlingsinitiativen " initiierten Solidaritätsdemonstration und Kundgebung in Lübeck zugunsten eines dort einsitzenden, als Brandstifter beschuldigten Libanesen (O 2.2.1.3). Zu den Aufrufunterstützern ("Bündnis Aktion - Gelöbnis verhindern") für eine Protestdemonstration gegen eine öffentliche Gelöbnisfeier der Bundeswehr in Berlin am 31. Mai ("Ja, stören") gehörte auch das "LIZ". Die bundesweit etwa 100 Anhänger (Hamburg: etwa 15) umfassende anarchosyndikalistische Freie Arbeiterinnen und Arbeiter Union (FAU) gibt sich als umstürzlerische Klassenkampforganisation. Originärer Anarcho-Syndikalismus erstrebt eine Staatsund klassenlose Ordnung auf dem Wege revolutionärer Gewerkschaftsund Betriebsarbeit und "direkter Aktionen", z.B. Besetzungen, Boykotts, Streiks und Sabotage. Von solcher Theorie ist die FAU-Praxis weit entfernt. Die FAU gab ihre Schrift "direkte aktion" bis Mitte des Jahres von Hamburg aus heraus. Seit der Nr. 117 (Sept./Okt.) tritt ein neu gegründeter Verein als Herausgeber auf, die Druckerei wurde gewechselt. Die "politische " Arbeit der FAU litt das Jahr über unter lähmenden Auswirkungen der im "Z/Z"-Zusammenhang erwähnten Sexismusdebatte. Nach ihrem Auszug aus dem "LIZ" ließen sich die FAU und die ihr verbundene "Libertäre Jugend" (LJ) im September in dem ehemaligen Lokal der früheren Sozialrevolutionären "Jobberinitiative Schwarze Katze" (Altona-Altstadt) nieder und betreiben dort ihr eigenes anarchistisches "Zentrum". Die etwa gleichstarke Libertäre Jugend war während des anarchistischen Hamburger Sommercamps der AFH im Juli 1995 entstanden. Am 2. Februar meldete sie eine Solidaritätskundgebung vor dem griechischen Generalkonsulat in Hamburg gegen die Massenverhaftung (17.11.95) von etwa 500 Autonomen / Anarchisten am Athener Polytechnikum an. Die alljährliche Athener Demonstration soll an den Aufstand vom 17.11.1973 gegen die damalige Militärdiktatur erinnern. Bei der Räumung der besetzten polytechnischen Hochschule unter Einsatz von Panzern der Armee hatte es 52 Tote gegeben. Unter den etwa 200 Personen (viele aus autonomen/anarchistischen Zusammenhängen), die am 12. Oktober gegen die geplante Hotel-Nutzung des Wasserturms im Stemschanzenpark demonstrierten (O 2.4.3), war auch die "Libertäre Jugend" vertreten. Die LJ gehörte zum Aufruferkreis für eine Demonstration gegen ein öffentliches Rekrutengelöbnis am 24. Oktober in Kaltenkirchen unter dem Motto: 175 Dem deutschen Militarismus entgegentreten! Kein Gelöbnis in Kaltenkirchen und anderswo! ". Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten (AG/R): Die an zwei Händen abzuzählenden Personen der früher über den Buchladen "Schwarzmarkt" im Stadtteil Eimsbüttel zu erreichenden AG/R geben als Kontaktadresse jetzt den GNN-Verlag (Stadtteil Altona-Altstadt) an. Sie entstand vorwiegend auf Initiative von Interessenten aus dem Schul-/Hochschulbereich, die sich die Zerschlagung des bestehenden Gesellschaftssystems zum Ziel gesetzt haben und eine anarchistische "Rätedemokratie" errichten möchten. Zu den Schwerpunkten der AG/R gehörte der "Antifa"-Sektor. AG/R-Mitglieder unterstützen das Hamburger Bündnis "Keinen Fußbreit den Faschisten!". Die AG/R ist an der Herausgabe der u.a. von der "AG BWK in und bei der PDS" (O 2.5.3.1) beeinflußten "Lokalberichte Hamburg" und "Antifaschistischen Nachrichten" beteiligt. Sie war kontinuierlich auf Treffen, Veranstaltungen und Aktionen der "Antifa"-Szme (O 2.2.1.) vertreten. Anarchist Black Cross (ABC): Die Hamburger ABC-Gruppe wollte nach eigenen Angaben u.a. "Antirepressionsarbeit" leisten, hat inzwischen aber offenbar ihre Aktivitäten eingestellt. Auch von dem seit Oktober 1993 in Aussicht genommenen - von ABC unterstützten - anarchistischen Solidaritätsnetz war in Hamburg nichts mehr zu hören. Sozialrevolutionäre artikulieren ihren Widerstand gegen das bestehende Gesellschaftsystem zum Teil in militanten Protesten gegen die sozialen Verhältnisse in der Bundesrepublik. Nach ihrem Verständnis herrscht in Deutschland u.a. eine "rassistische" und unmenschliche Sozialund Ausländerpolitik zu Lasten sozialer Randgruppen (Ausländer, Arbeitslose, "Jobber", Sozialhilfeempfänger). Sozialrevolutionäre Ideologie lehnt sich theoretisch auch an das Konzept autonomer "revolutionärer Kerne" der terroristischen "Revolutionären Zellen" (RZ) an. Die in den Vorjahren in Hamburg ohnehin nur noch sporadisch wahrnehmbaren Sozialrevolutionäre sind hier in diesem Jahr nicht mehr öffentlich in Erscheinung getreten. Föderation gewaltfreier Aktionsgruppen (FÖGA): Die bundesweit mehrere Hundert Personen umfassende FÖGA versteht sich als Klammer der anarchistischen, basisdemokratischen "Graswurzelbewegung". Über sie vollzieht sich die überregionale Koordinierung, Vernetzung und Vertretung von Personen, die in "Gewaltfreien Aktionsgruppen" und "Trainingskollektiven"(TK) zur Einübung "zivilen Ungehorsams" bzw. gewaltfreier Widerstandsformen (Blockaden u.a.) aktiv sind. Angegliederte Einrichtungen sind die "Graswurzelwerkstatt" in Köln als Koordinationsstelle und der "Verlag Graswurzelrevolution e. V. " in Heidelberg. Informationsträger ist die Zeitschrift "graswurzelrevolution ". 176 "Graswurzelrevolution" meint eine tiefgreifende gesellschaftliche Umwälzung, in der durch Macht " von unten " alle Formen von Gewalt und Herrschaft abgeschafft werden sollen. Gewaltfreiheit wird von "Graswurzlern" umgedeutet: Gewalt gegen Sachen ist danach "gewaltfreier" und "legitimer Widerstand", weil "Sachen" keine Gewalt empfinden. Gewaltfreiheit bezieht sich nur auf die Nichtanwendung "körperverletzender" Gewalt. Insbesondere in der Anti-Castor-Kampagne ist sog. "gewaltfreie" Sabotage wieder ein hochaktuelles Rechtfertigungskonstrukt. Unter der Adresse des Hamburger Graswurzelkontaktes "Gewaltfreies Aktionsbündnis" trat auch das "Anti-Atom-Büro Hamburg" (AABH) auf. Es war Hauptorganisator und Anlaufstelle für die bundesweite "Herbstkonferenz" von Atomkraftgegnern vom 27.-29. September in Räumen des Fachbereichs Erziehungswissenschaften der Universität Hamburg (rund 200 Teilnehmer). Mehrere linksextremistische Gruppen und Zusammenhänge bezogen sich in Verlautbarungen (u.a. über Mailbox) vor und nachher auf dieses Ereignis und ließen keinen Zweifel über das zentrale Anliegen der Konferenz: Ein vernehmliche Festlegung auf das "ganze Spektrum der Widerstandsformen", u.a. um den "Aktionsradius der fundierten Kleingruppen" zu "verbessern". (Thesenpapier einer "Heidegruppe", veröffentlicht im autonomen Szeneblatt "Interim" Nr. 383, 12. Juli). Die Aussage "ganzes Spektrum... " ist ein in der AntiCastor-Kampagne unmißverständlicher Hinweis darauf, daß neben Demonstrationen z.B. auch Blockaden, Besetzungen und Zerstörungen von Bahngleisen, Straßenunterhöhlungen und brennende Barrikaden gemeint sind.. Eine Konferenzarbeitsgruppe nannte sich "AG Kampf gegen den Castor - Kampf gegen die herrschende Ordnung", eine Bestätigung für das unter autonomen Linksextremisten vorherrschende Verständnis der Anti-Castor-Bewegung als Variante des " antikapitalistischen Kampfes ". Das AABH war vor der "Herbstkonferenz" in einem Beitrag zu Wort gekommen, der in der "anti atom aktuelll - Zeitung für die sofortige Stillegung aller Atomanlagen" (Nr. 73 v. September) veröffentlicht worden war. Es hatte darin zum Ausdruck gebracht, daß "gegen Atomkraft auch jenseits der Gesetze vorgegangen" werden dürfe. Auch in der "Zeck" (Nr. 53, Oktober 1996, Info-Blatt der "Roten Flora", Hamburg) war ein Text des AABH abgedruckt, in dem verklausuliert zu Gewalt aufgerufen wurde. Als Aktionsorte vor der "Haustür" wurden die "Hamburgischen Electricitätswerke" (HEW), ihre Kundenzentren, die Hauptverwaltung in der City Nord und Betriebshöfe genannt. Der Text sollte ausdrücklich die Positionen umreißen, mit der das AABH an die "Herbstkonferenz" und "weitere Aktivitäten" heranging: AKWs stünden im Zentrum der "herrschenden Ordnung". Die Betreiber (u.a. HEW, Siemens) seien Profiteure des Nazi-Faschismus und der Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen gewesen. Das AABH verbindet den Kampf gegen Atomenergie mit der "Infragestellung der herrschenden Ordnung" und der Bekämpfung des "gesellschaftlichen Systems". Mittels "Aktionsformen" und Kampagnen solle "die herrschende Ordnung wenigstens punktuell außer Kraft" gesetzt werden. Wörtlich: 177 "Besetzung und Blockaden als unmittelbarer Ausdruck, sich der herrschenden Gewalt in Form von Atomanlagen, von Polizei und Justiz in den Weg zu stellen, Sabotage als Angriff auf ihre Maschinerie und ihr Kapital, Verweigerung gegenüber Gesetzen als Ausdruck unserer Illoyalität zu diesem System. " Eine "AG Ziviler Ungehorsam gegen staatlichen Rassismus" der FÖGA warb bundesweit für "Aktionstage gegen staatlichen Rassismus" vom 10. - 17. August in Hamburg. Bei den geplanten Aktionen sei "gewaltfrei" so zu verstehen, daß es zu keinen " menschenverletzenden Handlungen " komme. Die Aufrufer knüpften an das " Tribunal gegen die Flüchtlingspolitik der sogenannten Freien und Hansestadt Hamburg" vom 2.4. Februar an. Als Anmeldeadresse für die Aktionstage wurden in den "Antifaschistischen Nachrichten" Nr. 15 (25. Juli) ein "Archiv Aktiv" (Sternschanze/ Hamburg) und die o.g. "AG Ziviler Ungehorsam gegen staatlichen Rassismus" angegeben. 2.4.3 Protest und Widerstand gegen Stadtteilentwicklung Mit illegalen Besetzungen leerstehender Gebäude - ob friedlich oder militant - verfolgen Linksextremisten überwiegend politische Zwecke. Einerseits wollen sie spektakulär darauf aufmerksam machen, daß sie in den von ihnen beanspruchten Vierteln keine "Kommerzialisierung" von Wohnund Lebensbedürfnissen bzw. Spekulationsobjekte dulden. Andererseits wollen sie durch vorübergehende oder längerfristige " Inbesitznahmen " demonstrieren, daß sie entschlossen sind und auch die Macht haben, ihren politischen Anspruch und Widerstand durch entsprechendes Handeln durchzusetzen. Ein regionaler Schwerpunkt militant geführter Stadtteilkämpfe ist Berlin, wo u.a. eine terroristische Gruppierung "Klasse gegen Klasse" seit Jahren mit Brandund Sprengstoffanschlägen u.a. die "Umstrukturierung proletarischer Stadtteile" verhindern möchte. In Niedersachsen mobilisieren Linksextremisten gegen die "EXPO 2000" als angebliche "Propagandashow des internationalen Kapitals und Großdeutschlands", die der Umstrukturierung der Region diene, prestigeträchtige Objekte zur "Aufmotzung" der Innenstadt fördere und ärmere Bevölkerungsschichten aus "yuppisierten" Wohnbezirken an die Peripherie verdränge. In Hamburg konzentrierte sich das Interesse von Häuserkämpfern in den letzten Jahren auf leerstehende Gebäude der einst im Schanzenviertel angesiedelten ehemaligen Gewürzfabrik "Hermann Laue". Nach Ansicht von Besetzergruppen betrieben die Immobilieneigentümer eine rücksichtslose Umstrukturierung des Viertels und versuchten auf Kosten Wohnungssuchender von Leerständen zu profitieren. Im " eigenen " Viertel sollten keine " Yuppie "-Läden und frei finanzierte Wohnungen mit hochschießenden Mietpreisen entstehen. Unter " Yuppies " (" Young urban professio178 nais") sind junge berufstätige Großstadtmenschen mit guten Einkommen und ausgeprägten Konsumbedürfnissen zu verstehen, die primär am beruflichen Erfolg, Luxus und Materialismus orientiert sind. Neben der Bekämpfung von Leerständen richtete sich der Stadtteilwiderstand somit auch gegen die geplante Zweckumwandlung des Objekts. Ansonsten drohe im Viertel ein Fremdkörper, der für "Kapitalismus in Reinkultur" stehe. Gerade dessen Bekämpfung ist jedoch ein Hauptanliegen linksextremistischer Ideologie. Abgesehen davon, daß der "Klassenfeind" zum Nachbarn werden würde, befürchtet man als weitere negative Konsequenz für das Viertel einen Vertreibungsdruck durch unbezahlbare Mieten, Lebenshaltungskosten etc. zu Lasten der eingesessenen Bevölkerung - resultierend aus der höheren Kaufkraft wohlhabender neuer Bewohner. Die sozial schwächeren Altbewohner, i.d.R. also auch die "Szeneangehörigen", würden dann in "Wohnklos" an den Stadtrand abgeschoben werden. Attraktive Wohnlagen im inneren Stadtbereich blieben dann nur noch den "privilegierten" besserverdienenden Neubewohnern vorbehalten. Nach den turbulenten Ereignissen im Jahr 1995 mit zahlreichen Hausbesetzungsaktionen im "Laue"-Komplex, blieb es 1996 im "Szeneviertel" vergleichsweise ruhig. Lediglich das für die Umbauarbeiten im "Laue"-Komplex verantwortliche Projektplanungsbüro geriet gelegentlich ins Visier militanter Häuserkämpfer. Am 12. März bewarfen Unbekannte dessen Gebäude mit etwa 25 Farbeiern. Ein "Kommando Hans Erich Dabeistein" bekannte sich in einem Flugblatt zu einer am 15. April begangenen Sachbeschädigung. Die Täter hatten eine Scheibe des Projektplanungsbüros eingeworfen. Als Hintergrund für die nachgelassenen linksextremistischen Aktivitäten kommen verschiedene Umstände in Betracht. Trotz langjährigen Widerstands gegen die Umnutzung des Komplexes wurde der Beginn der Bauarbeiten im Frühjahr 1996 nicht verhindert. Der Investor machte Konzessionen, indem er ein Gebäude für alternative Wohnformen zur Verfügung stellte. Die Stadt hat sich den Anliegen alternativer Wohnprojekte im Viertel nicht verschlossen. Potentielle Besetzergruppen mußten aber für den Fall erneuter Gesetzesverstöße mit entschlossenem polizeilichen Eingreifen rechnen. Der historische Wasserturm im Schanzenpark geriet wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit - auch der ortsansässigen linksextremistisch beeinflußten Szene. Der 1909 erbaute Turm gilt wegen seiner markanten Architektur und exponierten Lage als Wahrzeichen Eimsbüttels. Vor etwa 25 Jahren hatte er ausgedient und blieb seitdem ungenutzt. 1990 erwarb ein Investor den Turm mit der Auflage, ihn mindestens zu 50% nichtkommerziell zu nutzen. Bereits damals wandte sich eine sog. " WasserturmIni" gegen eine befürchtete "Kommerzialisierung". Im Sommer wurden Pläne laut, 179 nach denen der Investor eine vollständige Nutzung als Hotel anstrebe und keinerlei öffentlich nutzbare Flächen mehr vorsehe. Gruppen aus dem linksextremistisch beeinflußten Spektrum widersprachen jeglicher auf Profit gerichteten Verwendung. Einige möchten den Turm als Stadtteilund Kommunikationszentrum ausgebaut sehen, andere verwerfen jegliche Nutzung und wollen ihn lediglich in seiner jetzigen Form konservieren. Zunächst hat sich der Protest überwiegend verbal-radikal artikuliert. Eine neu entstandene WasserturmInitiative " Kleine schwarze Yuppiefresserlnnen ", die sich nach eigenen Angaben im anarchistischen "Libertären Zentrum" (LIZ) trifft, macht mit ihrer Namengebung bereits deutlich, worum es ihr hauptsächlich geht. In Flugblättern agitierte die Gruppe nach bekanntem Argumentationsmuster gegen den Investor und die Stadt. In der Publikation "Zeck" (Info aus der Flora, Nr. 53, Okt. 1996) kündigte ein sich wöchentlich im LIZ treffendes " Wasserturmplenum" für den 12. Oktober eine Protestdemonstration um "5 vor 12" im Stadtteil Altona an. Es beteiligten sich bei friedlichem Verlauf etwa 200 Personen, darunter - neben Nichtextremisten - Autonome und Anarchisten. Sprechchöre skandierten u.a. "Kommt Zeit, kommt Rat, kommt Attentat". Am Jahresende kam es zu kleineren Gewaltakten im Zusammenhang mit dem Wasserturm. Am 19. Dezember stand die Beschlußfassung der Bezirksversammlung Eimsbüttel über die endgültige Nutzung des Wasserturms als Hotel auf der Tagesordnung. Dieses war für etwa 10 Vermummte das Signal, in der Nacht zuvor aus gestohlenen Autoreifen Straßenbarrikaden zu errichten und in Brand zu setzen. Sie hinterließen ein Transparent mit der Parole "Kein Hotel im Wasserturm - Spekulanten angreifen!". Auch die Sitzung der Bezirksversammlung blieb vom Besuch lautstark protestierender Wasserturmgegner (lt. Presseberichterstattung "Anwohnerinitiativen") nicht verschont. Auf einem vor Ort verteilten Flugblatt des " Organisationsrates der Roten Flora " machten die Verfasser unmißverständlich klar, daß sie gegen das Vorhaben Widerstand leisten wollen. Wie dieser aussehen soll, blieb allerdings offen. In der maßgeblich von Linksextremisten mitherausgegebenen Publikation "Lokalberichte Hamburg" (Nr. 26, 19. Dezember) war von der mundgerechten Zerlegung städtischen Eigentums nach Investorenart die Rede, eine Speisefolge, die "mit Sicherheit nicht auf den Geschmack der Leute im Schanzenviertel" treffe. Die Verfasser fügten noch eine Anspielung auf die bekannte Parole "Eat the rich" hinzu. 2.4.4 Widerstand gegen die Nutzung der Atomkraft Seit 1994 sind geplante Transporte abgebrannter Kernbrennstoffelemente in " Castor "-Behältern nach Gorleben stets Auftakt für Proteste und Widerstand gegen die friedliche Nutzung der Atomkraft. Für Linksextremisten ist die Atomkraft ein Konfliktthema im Kampf gegen das ihnen verhaßte "politisch-wirtschaftliche Sy180 stern", angebliche "Unterdrückung" und "kapitalistische Verwertungslogik". "Castor" wurde für sie zu einem Schlüsselbegriff und Kampfsymbol. Politische Extremisten sind nur ein Teilspektrum in der Anti"Castor "-Kampagne. Sie instrumentalisieren friedliche Proteste und radikalisieren diese durch Gewaltbereitschaft und militante Aktionsformen. Das bundesweit beachtete Berliner autonome Szeneblatt "Interim" (Nr. 378 vom 30. Mai) veröffentlichte die Erklärung eines offensichtlich linksextremistisch gesteuerten Personenzusammenhanges in der Anti"Castor "-Bewegung namens "Rat für Auswärtige Angelegenheiten der Freien Republik Wendland", deren Kernaussage auch in Verlautbarungen anderer Gruppen zum Vorschein kommt: "Wir sehen die Auseinandersetzung gegen den Castor und damit für die sofortige Stillegung aller Atomanlagen als Teil all jener Kämpfe, in denen sich die Menschen gegen die herrschenden Verhältnisse auflehnen. Gegen Sozialabbau, Einschränkung von Freiheitsrechten genauso wie gegen Rassismus und patriarchale Strukturen. " Autonome und Anarchisten bekämpfen die Kernenergienutzung als angeblichen Ausdruck einer Staatsraison des "Atomstaates ", der es darauf anlege, Menschen zu beherrschen und auszubeuten. Das "Atomprogramm" zu verhindern, bedeutet für sie einen Schritt zur "Zerschlagung" des Systems hin zu einer "herrschaftsfreien" Gesellschaft. Der "Anti-AKW-Kampf" müsse in den Zusamenhang eines "generellen revolutionären Kampfes" ("Interim" Nr. 386, 23. August) gestellt werden. Einzelne in revolutionär-marxistischen Gruppen organisierte Kommunisten beteiligen sich zwar nicht an gewaltsamen Protesten, agitieren aber gegen die Kernenergienutzung als angeblichen Klassenkampf der " Bourgeoisie gegen die Arbeiterklasse ". Einrichtungen der "Deutsche Bahn AG" waren wieder Hauptangriffspunkte militanter AKW-Gegner hauptsächlich aus der linksextremistischen autonomen und anarchistischen Szene. Mit einer Welle von zum Teil lebensgefährdenden Sachbeschädigungen und Eingriffen in den Schienenverkehr wollten die Täter die Bahn als einen angeblichen "Hauptprofiteur" der Atomwirtschaft anprangern und einschüchtern. Bürgerliche und primär ökologisch-alternativ motivierte Widerstandsgruppen grenzten sich mehrfach gegen militante Aktionsformen ab. Eine Grauzone bildeten sog. "Schienendemontagen" unter dem Motto "Ausrangiert", denen durch vorherige öffentliche Ankündigungen und Aufforderungen zur "massenhaften" Aktion der Vorwurf konspirativer Heimtücke genommen und das Etikett eines vermeintlich legitimen, friedlich-demonstrativen und "symbolischen" Widerstandes angeheftet werden sollte. Sie gelten trotz objektiver Sachbeschädigungen nach linksextremistischer Wortbedeutungslehre - weil nicht "menschenverletzend" - als "gewaltfrei". 181 Obwohl auch andere Transporte mit atomarer Fracht durch die Bundesrepublik rollen, konzentrieren sich Proteste auf Anlieferungen zum Zwischenlager Gorleben. Am 8. Mai erreichte der militante Widerstand bei dem nach 1995 zweiten Gorleben-Transport einen Höhepunkt. Gewaltbereite " Castor "-Gegner bestimmten das öffentliche Erscheinungsbild des Widerstands. Der von der Mehrheit der Demonstranten getragene friedliche Protest geriet in der medialen Berichterstattung ins Hintertreffen. Militante "Protestler" attackierten die bundesweit zum Schutz des " Castor "-Transportes eingesetzten 15.000 Polizeibeamten u.a. mit Steinwürfen, Signalmunition, Feuerwerkskörpern, Zwillenschüssen und brennenden Barrikaden. Um möglichst viele Sicherheitskräfte zu binden, begleiteten die vor Ort agierende Widerstandsfront anderswo zahlreiche "flankierende" Aktionen, u.a. Sachbeschädigungen an Bahneinrichtungen. Schwerpunkt verübter Straftaten war wieder Niedersachsen. Aber auch in vielen anderen Regionen der Bundesrepublik wurden " Castor "-Gegner aktiv. An vielen Stellen wurden das Jahr über sog. Hakenkrallen in elektrische Oberleitungen der Bahn gehängt, immense Sachschäden verursacht und Bahnreisende durch Verkehrsausfälle zu Wartezeiten genötigt. Andere Sabotageakte richteten sich gegen die Steuerungsund Signaltechnik der Bahn. Einige Gewalttäter gingen auch koordiniert vor. Autonome bekannten sich zu einer konzertierten Aktion am 20. Februar, bei der Oberleitungen rund um Berlin mit Hakenkrallen bestückt wurden. Einen Tag später wurden serienweise Fahrkartenautomaten an der Bahnstrecke Frankfurt-Heidelberg beschädigt bzw. zerstört. An anderen Stellen wurden wieder Strommasten abgesägt und umgestürzt. Es blieb auch nicht bei Bombenattrappen und -drohungen. Ein explodierter Sprengsatz unterhöhlte einen Schienstrang, so daß der Schienenkörper absackte. Eine neben den Gleisen deponierte Rohrbombe konnte rechtzeitig entschärft werden. Züge wurden per Notbremse gestoppt, Schienenstränge demontiert und unterhöhlt. Am 22. August entgleiste bei Dannenberg ein Regionalzug wegen eines herausgetrennten Schienenstücks. Glücklicherweise blieben die 12 Fahrgäste des Triebwagens unverletzt. Gegen Jahresende steigerte sich die Gewalt wieder zu einer konzertierten Hakenkrallenaktion in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Am 23. Oktober wurde dabei der Stromabnehmer eines ICE auf der Bahnstrecke Bremen - Hamburg bei Groß Klecken in Niedersachsen - laut Bekennertext "planmäßig" - abgerissen. Herunterstürzende Teile der Oberleitung durchschlugen die Glasscheibe eines entgegenkommenden Zuges, dessen Lokführer am Auge verletzt wurde. Anschlußdebatten hierüber in der autonomen Szene (u.a. Publikation " Interim ") offenbarten zum Teil Betretenheit und Verunsicherung. In einem mit "Augen auf und weiter so" endenden Text versuchten sich die anonymen Täter für den durch ihren "Fehler" (ungünstige Tatortauswahl) verursachten "Unfall" zu entschuldigen. Sie beschwerten sich aber zugleich, daß diejenigen, " die hier militant Widerstand leisten " als " menschenverachtende Monster diffamiert werden, die den Tod von Unbeteiligten für ihre Ziele in Kauf nehmen ". 182 Man verstieg sich zu dem Verdacht, die Bahn oder Polizei könnte den "Unfall" inszeniert haben: "Counterinsurgency-Operationen" gehörten ja zum Verhaltensrepertoire derjenigen, die den "politischen Widerstand (...) mundtot" machen wollten ("Interim " Nr. 400, 5. Dezember). Wegen des konspirativen Vorgehens der Täter gelang es den Sicherheitsbehörden bisher nicht, Tatverdächtige im Zusammenhang mit Anschlägen auf Einrichtungen der Bahn zu ergreifen. Vorbeugende Überwachungen, Abwehrmaßnahmen und Täterermittlungen wurden durch sich überschneidende Szenarien friedlicher und militanter Aktionsformen, von Massenmobilisierungen und Nadelstichaktionen anonymer Kleingruppen sowie von begrenzten Regelverletzungen und massiven Gesetzesverstößen erschwert. Die Protestbewegung bewertet die Auswirkungen ihrer Kampagne als Erfolg. Die den "Herrschenden" bzw. der "Atommafia" durch das massive Sicherheitsaufgebot entstandenen "Kosten des Systems" konnten sie von 55 Mio. DM (1995) auf 71 Mio. DM (1996) hochtreiben. Ein zweiter Transport im Jahre 1996 sei verhindert worden. Die Bahn AG sehe sich außerstande, für die Kosten der ihr zugefügten hohen Schäden allein aufzukommen. Annähernd die Hälfte aller in diesem Jahr bundesweit verübten linksextremistisch motivierten Gewalttaten entfällt auf den Anti-"Castor"Komplex. Zum Erfolg der Militanzstrategie äußerten sich am 3. Mai in einem Selbstbezichtigungsschreiben zu einer Wurfankeraktion sog. "A.U.T.O.N.O.M.E. G.R.U.P.P.E.N.": "Wir rufen alle militanten Zusammenhänge auf zumindest einen Teil ihrer subversiven Energie auf den Widerstand gegen das Atomprogramm zu konzentrieren. Durch die Verzahnung des Widerstandes von Flugblattverteilerinnen bis zu Mastsägerinnen ist erstmals seit Jahren wieder in einem Teilbereichskampf ein Sieg möglich. " In Hamburg richtete sich der militante Widerstand vornehmlich gegen Einrichtungen der "Hamburgischen Electricitätswerke AG" (HEW). Am 18. April zerstörten Unbekannte mit Steinen Fensterscheiben der HEW-Kundenfilialen in den Stadtteilen Eimsbüttel und Altona, schütteten übelriechende Buttersäure in den Räumen aus und hinterließen Farbschmierereien. Am Tatort lagen Flugblätter mit der Aufschrift "Stoppt Castor". Autonome Kernkraftgegner beschädigten Verteilerkästen und andere HEW-Anlagen. Auf Häuserwände geschmierte Parolen mit militantem Tenor dokumentierten die auch hier gewachsene - sich anonym gebende - Gewaltbereitschaft im Zuge der Anti-"Castor"-Kampagne. In der autonomen Publikation "Zeck" (Info aus der "Roten Flora" Nr. 50, Juni) bezichtigte sich eine Gruppe "kommando theodore kaczyinski", am 5. Mai in Altona eine Bombenattrappe in einem Zug deponiert zu haben. Die Gruppe drohte: "...diesmal war es nur eine Attrappe - wenn der Castor kommt ist es eine echte Bombe". An einer Fassade des "Rote Flora "-Zentrums (Z> 183 2.4.1.2) prangte die übergroße Abbildung eines Bauplanes zur Herstellung von Hakenkrallen. 1995 befand sich an gleicher Stelle die zeichnerische Darstellung eines " Castor "-Transportes, der sich auf einen durch Sabotage beschädigten Schienstrang zubewegte. Da der Szene vergleichbare Bezugsobjekte in Hamburg nicht zur Verfügung stehen, zog es sie zu den im Umland vorzufindenden Atomkraftwerken. Vor allem das von den HEW mitbetriebene AKW Krümmel war dem Hamburger Anti-AKW-Spektrum ein Dorn im Auge. Am 16. Dezember legten " Castor "-Gegner an einem zum AKW Krümmel führenden Gleis eine Sprengstoffattrappe ab, die Anti-"Castor "-Flugblätter enthielt. Die linksextremistisch beeinflußte Hamburger Antikernkraftbewegung sucht verstärkt Anschluß an die bundesweite Bewegung. Bereits anläßlich des zweiten Brennelementetransportes ins nahegelegene Gorleben fühlten sich Hamburger Aktivisten hinsichtlich illegaler Aktionen im Wendland angesprochen. Ein wachsendes Hamburger Potential ist entschlossen, an Mobilisierungen aktiv mitzuwirken. Vom 27.-29. September war Hamburg Tagungsort der bundesweiten "Anti-Atom-Herbstkonferenz". Personen der örtlichen autonomen und anarchistischen Szene versuchten dort offenbar, ihre linksextremistisch geprägten - auf unfriedliche Aktionen hinauslaufenden - Konfliktstrategien einzubringen ( 3 vgl. 2.4.2.2 FÖGA). Deutlicher als in den Vorjahren bereiten sich Hamburger Linksextremisten darauf vor, sich anläßlich des im Frühjahr 1997 erwarteten dritten " Castor "-Transportes nach Gorleben in Widerstandsaktionen direkt einzumischen. 2.4.5 Internationalismus Allgemeines: Aus der Sicht von Kommunisten fällt die Menschheit mehrheitlich einer permanenten weltweiten Klassenauseinandersetzung in einer internationalen Arena zum Opfer, die nahezu alle Sphären des gesellschaftlichen Lebens erfaßt. Bis zum Zusammenbruch der von der KPdSU angeführten kommunistischen Weltbewegung waren es insbesondere die kommunistischen Parteien der "sozialistischen Staatengemeinschaft" und ihnen verbundene Organisationen in den "kapitalistischen" Ländern, die im Rahmen des "proletarischen Internationalismus" "brüderliche" Beziehungen zu klassenkämpferischen Parteien und revolutionären Organisationen in der "Dritten Welt" pflegten. In Ländern, die sich bereits vom "Kolonialjoch" des "Imperialismus" befreit hatten, sollte das "Bollwerk" gegen "konterrevolutionäre" Bestrebungen gestärkt werden. Dort, wo "das Volk" im "antiimperialistischen" Kampf noch nicht gesiegt hatte, wurden revolutionäre Bestrebungen unterstützt. 184 Seit dem Niedergang des östlichen Staatskommunismus hat das Netz "proletarischinternationalistischer" Beziehungen erheblich an Bedeutung verloren. Bei der DKPJugendorganisation SDAJ rangiert die auch über das Internet laufende Mobilisierung zu den "14. Weltjugendfestspielen" 1997 in Kuba (O 2.5.1.2) unter dem Stichwort "Internationalismus". Sie zitiert u.a. das "Kommunistische Manifest" (Marx, Engels): "Die Arbeiter haben kein Vaterland, man kann ihnen nicht nehmen, was sie nicht haben... ". Heute sind es zu einem erheblichen Teil undogmatische Linksextremisten, Autonome, Anarchisten und Personen des terroristischen Umfeldes, die der eingeräumten "faktischen Niederlage Ende der 80er Jahre" zum Trotz das Feld eines sog. "antiimperialistischen Widerstandes " besetzen und ihre Aktionen als Solidarität mit den Opfern der weltweiten "kapitalistisch-kolonialistischen Ausbeutungsund Herrschaftsicherung" zu erklären versuchen. Widerstandsbewegungen in den lateinamerikanischen Ländern stehen bei ihnen hoch im Kurs. Anhaltend hohe Sympathien bei deutschen Linksextremisten erwarb sich die "Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung" (EZLN, Mexiko), seitdem sie im Januar 1994 vorübergehend vier mexikanische Regierungsgebäude besetzt hatte. Lebhafter Resonanz erfreut sich die "Peru-Solidarität" seit Beginn der spektakulären Geiselnahme am 17. Dezember in der Residenz des japanischen Botschafters in der peruanischen Hauptstadt Lima. Aktivitäten: Auf internen Zusammenkünften und bei anderen Anlässen hatte sich die Hamburger autonome/anarchistische Szene in den letzten 3 Jahren wiederholt mit der mexikanischen EZLN solidarisiert. Mit Informationsständen und öffentlichen Veranstaltungen wurde hier in diesem Jahr auch auf die Lebensbedingungen der indigenen (eingeborenen) Bevölkerung im südlichen Mexiko (Chiapas) hingewiesen. " Widerstand und Utopie" lautete das Motto einer Veranstaltung am 5. Juni im "Kolibri" (Altona), wo Hintergründe und Zusammenhänge des zapatistischen Aufstandes in Chiapas erklärt werden sollten. Ein bundesweit stark beachtetes Ereignis, auf das sich deutsche Mexiko-Solidaritätsinitiativen in der ersten Jahreshälfte vorbereiteten, war der sog. "Intergalaktische Kongreß". Er fand vom 27. Juli - 3. August in Mexiko in Anwesenheit von Delegationen ausländischer Unterstützergruppen statt und wurde von den "Zapatisten" - "Ejercito Zapatista de Liberacion Nacional" (EZLN, Zapatistische Armee zur Nationalen Befreiung) - eigenständig durchgeführt. Hamburger Unterstützer beteiligten sich zumindest an dem vorbereitenden " /. Europäischen Treffen für eine menschliche Gesellschaft und gegen den Neoliberalismus" vom 30. Mai - 2. Juni in Berlin. Es verfolgte zugleich den viel weitergehenden Zweck, Sozialrevolutionäre Strömungen neu zu beleben und internationale Kontakte unter gleichgesinnten revolutionären Gruppen zu knüpfen. Die über 1.000 Teilnehmer kamen vor allem aus westeuropäischen Ländern, aber auch aus Osteuropa. Sie einigten sich u.a. auf einen "Schlußstrich" unter die eigenen "zerstörerischen" Lebensbedingungen und eine Absage an jegliche, die 185 "Unterdrückung" und "Ausbeutung" in der Dritten Welt fördernden Interessen. Die EZLN-Erklärung vom 01.01.94 " Ya basta - es reicht! "sei Leitmotiv der internationalen Solidarität. In der Ausgabe Nr. 41/42 der von Personen aus dem "Antiimperialistischen Widerstand" herausgegebenen Szenepublikation "clockwork - zusammen für befreiung kämfen " war der Kampf der EZLN ein zentrales Thema. Die Redaktion der in Mainz erscheinenden Zeitschrift erläuterte, verstärkt die " kämpfe um befreiung und kämpferischen widerstand gegen die herrschenden Verhältnisse" aufgreifen zu wollen. In einem Beitrag hieß es mit Blick auch auf Mexiko: Angesichts der Tatsache, daß der Kapitalismus seit 1989 einen großen Sieg feiere, sei es "bitternotwendig", um Befreiung zu kämpfen. Wörtlich: " nicht das system bestimmt, wie es den menschen geht und was passiert, sondern die menschen sind es, nach denen ein system zu funktionieren hat und wenn es nicht funktioniert, dann muß das system eben abgeschafft werden. " Am 17. Dezember stürmten 20 Angehörige der terroristischen peruanischen Organisation "Movimiento Revolucionario Tupac Amaru" (MRTA) das japanische Botschaftgebäude in Lima und nahmen mehrere Hundert Geiseln, um gefangene Rebellen freizupressen; zum Jahreswechsel 1996/97 befanden sich noch über 70 Personen in der Gewalt der Botschaftsbesetzer. Linksgerichtete Revolutionäre in ausländischen "Systemknästen" werden von deutschen Linksextremisten unterschiedslos in einen globalen Zusammenhang mit angeblich "politisch" Inhaftierten des eigenen Landes gestellt. So hatten Gruppen des deutschen autonomen/antiimperialistischen Spektrums am 18. März erstmals zu einem "bundesweiten Aktionstag - Freiheit für alle politischen Gefangenen weltweit" aufgerufen. Auch für den 18.03.97 ist ein Solidaritätsund Widerstandsaktionstag geplant, um den "herrschenden" Verhältnissen "Aufruhr und Widerstand" entgegenzusetzen. Der 18. März gilt als Schlüsseldatum in der "Geschichte der Klassenkämpfe" ("Tag der Pariser Commune "). 1923 hatte die " Rote Hilfe " einen " Internationalen Tag der Hilfe für politische Gefangene " ausgerufen. Schon lange vor dem 17. Dezember gab es Anhaltspunkte für Kontakte zwischen in Hamburg lebenden MRTA-Anhängern (Peruanern) und deutschen Linksextremisten. Durchgängig erschien hier auch das "offizielle" Organ der MRTA - in deutscher Sprache - unter dem Titel " VOZ REBELDE" (kämpfende Stimme), herausgegeben von dem in Hamburg lebenden MRTA-Europavertreter Isaac VELAZCO. Es gab als Kontaktadresse den Buchladen "Schwarzmarkt" im Stadtteil Eimsbüttel an. Ein beachtlicher Mobilisierungserfolg innerhalb der Hamburger linksextremistischen Szene gelang am 9. Oktober anläßlich des Staatsbesuchs des peruanischen Präsiden186 ten FUJIMORI mit einer von etwa 50 Personen getragenen Protestkundgebung vor der Handelskammer. Propagandamittel wiesen u.a. auf die Mitwirkung einer "PeruGruppe", der "Türkischen Kommunistischen Partei-Marxisten - Leninisten" (TKPML) und der " Revolutionären Kommunisten (BRD) " hin. Maoisten gaben sich mit einem Mao Tsetung-Bildnis zu erkennen. Die Teilnehmer - darunter Hamburger Autonome - skandierten altbekannte linksextremistische Parolen: "Deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt", "Hoch die internationale Solidarität" und " Hoch die internationale Revolution ". Es fiel auf, daß im Dezember für die Tage unmittelbar vor der Geiselnahme in Lima in Hamburg eine enge Serie von Mahnwachen mit MRTA-Hintergrund vor dem peruanischen Generalkonsulat angemeldet wurde. Die Mahnwachen fanden ohne jede deutsche Beteiligung statt. Mit der Geiselnahme in der japanischen Botschaft in Lima änderte sich dieses. In Flugblättern, in der autonomen Szene-Zeitschrift "Interim", aber auch in den modernen elektronischen Medien, wie "Comlink" (O siehe 2.6), fanden sich Solidaritätsappelle zugunsten der MRTA. Die revolutionäre Bewegung "Tupac Amaru" wurde als "kämpfende Einheit" herausgestellt, die sich an der kubanischen Revolution und am Geist Che GUEVARAs orientiere. Der höchst aktuelle Hintergrund gab Solidaritätsinitiativen Auftrieb. Am Jahresende häuften sich - relativ kleine - Kundgebungen und Aufzüge. Deutsche Linksextremisten beteiligten sich - gemessen an dem lebhaften Echo in linksextremistischen Medien - in eher bescheidenen Zahlen mit durchschnittlich 20 bis 30 Personen. Auf den ansonsten durchweg friedlichen Veranstaltungen flogen vereinzelt Knallkörper oder verschossene Leuchtmunition. Für den Fall, daß die Besetzung in Lima durch peruanisches Militär oder mit ausländischen Sondereinheiten - selbst über eine deutsche Beteiligung wurde spekuliert - beendet werden sollte, riefen Flugblätter dazu auf, sich sofort abends im " Rote Flora "-Zentrum zu versammeln. Unabhängig davon wurden in Hamburg in Flugblättern weitere Aktionen angekündigt, u.a. für Anfang 1997 eine Protestveranstaltung vor dem peruanischen Generalkonsulat und ein Vorbereitungstreffen für eine Demonstration. Diese Aktionen gehen u.a. von einem Peru-Solidaritätskomitee aus, das über den autonomen Buchladen "Schwarzmarkt" zu erreichen ist, von der Ortsgruppe der "Roten Hilfe e.V." (O 2.4.1.2) und der " Kurdistan Solidarität Hamburg" (O 2.3.2.2). 187 2.5 Dogmatisch orientierte Parteien und Vereinigungen 2.5.1 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) und Umfeld 2.5.1.1 DKP Die Ergebnisse des 13. Parteitages der DKP (3./4. Februar, Dortmund) bildeten monatelang den Drehund Angelpunkt in den internen Debatten der Organisation und in ihrer Selbstdarstellung gegenüber der Öffentlichkeit. Höhepunkte des Parteitags waren u.a. die Verabschiedung des Aktionsprogramms "Die Rechtsentwicklung stoppen! Widerstand gegen Kriegspolitik, Sozialund Demokratieabbau! " und der Beschluß, das bisher 14-täglich erschienene Zentralorgan "Unsere Zeit" (UZ) ab 1. Juli wieder als Wochenzeitung herauszugeben. Getreu dem Aktionsprogramm sollen nunmehr alle Gliederungen der etwa 6.100 Mitglieder starken DKP Arbeitsvorhaben und Handlungsorientierungen als Grundlage ihrer künftigen Arbeit entwickeln. Das Programm macht deutlich, daß der "Sieg des Kapitals über den ersten großen sozialistischen Anlauf von 1917/89" nur als eine historische Zwischenepisode verstanden wird, in der sich die "Arbeiterbewegung" bzw. der "Sozialismus" vorübergehend in einer Defensive befinden. Nach dem "Anschluß der DDR" würden in der Bundesrepublik "Antikommunismus und Kriminalisierung der sozialistischen Vergangenheit genutzt", um gesellschaftspolitische "Alternativen" zu verhindern. Eine differenzierte Betrachtung des Sozialismus der DDR sei nötig, um über einen "neuen sozialistischen Anlauf" in Deutschland diskutieren zu können. Rückblickend enthüllte die DKP der Bevölkerung aus ihrer Sicht vermeintliche Folgen der weggefallenen "Systemkonkurrenz" der sozialistischen Länder Osteuropas einschließlich der ehemaligen DDR: Die DDR sei es gewesen, die in der " BRD, aber auch in anderen westeuropäischen Ländern", als "dritter Verhandlungspartner" mit am Tisch gesessen habe, "wenn es um Arbeiterrechte und sozialen Fortschritt ging". Jetzt lasse der Kapitalismus alle Hemmungen fallen und räume die "Schaufensterauslagen " der sozialen Martwirtschaft weg. In Ostdeutschland finde eine " konterrevolutionäre " Veränderung der Gesellschaft statt. Aktuelle gesellschaftspolitische Entwicklungen wurden u.a. mit dem Begriff "Neoliberalismus" belegt. Regierung und Unternehmerverbände betrieben einen gesellschaftlichen Umbau in Richtung eines "Frühkapitalismus", flankiert von einer aggressiven imperialistischen Außenpolitik. Der "staatsmonopolistische Kapitalismus" entwickele sein Gesamtkonzept einer "weltweiten imperialistischen Offensive". Demgegenüber offerierte die DKP in ihrem Aktionsprogramm wieder das einschlägig be188 kannte Arsenal kommunistischer Standardrezepte. Zur Lösung der Probleme müsse das kapitalistische System nicht nur punktuell verbessert, "sondern überwunden werden". Der Kapitalismus könne nicht ohne "revolutionären Bruch mit den kapitalistischen Besitzund Machtverhältnissen" in eine Gesellschaftsordnung umgewandelt werden, in der alle Menschen sich "ingleicher" Weise "frei" entfalten könnten. Dieser revolutionäre Bruch hin zu einer neuen Gesellschaft führe zum "Sozialismus". Während heute noch Menschen die Folgen des von Kommunisten in der ehemaligen DDR verübten Unrechts ertragen müssen und sich an die "Gleichheit" und "Freiheit" hinter Beton und Stacheldraht mit Bitterkeit erinnern, peilt die DKP mit auf erneute Enteignungen hinauslaufenden Parolen und altbekannten Versprechungen bereits wieder Experimente für einen "sozialistischen Anlauf an. Das Vorhaben, die in den 80er Jahren noch täglich - nach dem Versiegen finanzieller Transfers aus der DDR nur noch 14-tägig - erschienene Parteizeitung " UZ" (Auflage etwa 10.000) als Wochenzeitung herauszugeben, wurde von den etwa 240 gewählten ordentlichen Parteitagsdelegierten erwartungsgemäß abgesegnet. Am Jahresende ging der Parteivorstand von bundesweit über 6.000 DKP-Mitgliedern aus. Sie verteilen sich auf über 200 Grundorganisationen. Vom 27. April - 16. Juni veranstaltete die DKP bundesweit Werbewochen zur Gewinnung neuer Abonnenten. Laut Leserumfrage soll etwa jeder vierte Neuabonnent PDS-Mitglied sein. PDS-Mitglieder stellen nach der Umfrage etwa 9% der Gesamtleserschaft. Das Durchschnittsalter der Leser betrage 48 Jahre, ein Drittel der Leserschaft sei älter als 60. Ihr " internationalistisches " Engagement konzentrierte die DKP erneut auf ein Solidaritätsprojekt in Kuba - ehemals Vorposten der sowjetkommunistisch dirigierten "realsozialistischen" Staaten. Nachdem 1995 in der Provinz Matanzas das Gesundheitszentrum " Tamara Bunke " mit Hilfe der DKP errichtet worden war, erweiterte die Partei ihren Einsatz für den Zeitraum 1996/97 auf ein Reha-Zentrum für Kinder und Jugendliche. Anfang des Jahres veröffentlichten die DKP, die " Kommunistische Partei der Arbeit der Türkei" (TKEP) und die "Kommunistische Partei Kurdistans" (KKP) eine gemeinsame Erklärung " Ohne Frieden keine Demokratie! Gemeinsam gegen militärische und politische Hilfe der BRD an die Türkei!". Sie forderten u.a. die Anerkennung der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) als "Kriegspartei", die Anerkennung des (PKK-dominierten) kurdischen Exilparlaments und die Aufhebung des PKKVerbots. Die " UZ" vom 9. Februar würdigte die Solidarität kommunistischer Parteien aus Deutschland, der Türkei und Kurdistan. Im Juli bekräftigte die DKP ihre "Solidarität mit dem kurdischen Volk und der demokratischen, sozialistischen Bewegung in der Türkei". 189 In unterschiedlicher Form beteiligte sich die DKP 1996 an Wahlen. Am 10. März kandidierten in Nürnberg zu den bayerischen Kommunalwahlen 7 DKP-Mitglieder auf der offenen PDS-Liste " PDS/Linke Internationale Liste ". Mit einem Stimmenanteil von 1,3% verfehlte die Liste knapp den Einzug eines Kandidaten in den Stadtrat (keine 5%-Hürde). Bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg am 24. März kandidierte die DKP selbständig in 7 Wahlkreisen und errang 1.783 (0,0%) der Stimmen. In Schleswig-Holstein nahm sie am selben Tag ebenfalls in sieben Wahlkreisen an den Landtagswahlen teil, scheiterte aber auch hier mit 0,0%. Zum 22. Juni initiierte die DKP in Karlsruhe eine Veranstaltung anläßlich des 40. Jahrestags des KPD-Verbots. Der DKP-Vorsitzende Heinz STEHR behauptete, in der "BRD" sei der Faschismus nie wirklich aufgearbeitet und daher der "Antikommunismus" als Staatsdoktrin übernommen worden. Dieser müsse gebrochen werden. In einem Interview ("Neues Deutschland", 24. Juni) sprach STEHR von der Kriminalisierung sozialistischer Versuche. Rechtfertigungen und Beschönigungen kennzeichneten dagegen Verlautbarungen anläßlich des 50. Jahrestages der Zwangsvereinigung (April 1946) von SPD und KPD in der damaligen sowjetischen Besatzungszone. Mit dem angeblich demagogischen " Kampfbegriff" der Zwangsvereinigung (" Lüge " und " Klischee ") werde auf ein " Fundamentaldogma der von Kurt Schumacher ausgerichteten und antikommunistisch disziplinierten Sozialdemokratie der Westzonen zurückgegriffen" ("UZ" 5. April). Die DKP beteiligte sich wieder an der traditionellen Rosa LUXEMBURG-Gedenkdemonstration im Januar in Berlin und an den bundesweiten Ostermärschen. In Hamburg verfügt die DKP über eine Bezirksorganisation mit etwa 450 Mitgliedern. Sie unterstützte u.a. die bundesweite Werbekampagne zur Förderung der " UZ". Die Parteitagsergebnisse wurden optimistisch mit der Aussage "Mit der DKP muß wieder gerechnet werden!" kommentiert. Die Bezirksorganisation nahm sich Fortschritte "auf dem Weg zur weiteren Konsolidierung und Festigung der Partei" vor. Nach dem Aderlaß und dem Stimmungstief in den ersten Jahren nach der "Wende" verbreitete die DKP-Führung jetzt in Hamburg - ebenso wie der Bundesvorstand - positive Trendmeldungen. Mit neuen Initiativen sollen " Erfolge " nun auch in der Jugendarbeit einkehren, wo der ehemals einflußreiche Jugendverband "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) z.Zt. ein unbedeutendes Dasein führt. Die vom Bezirksvorstand herausgegebene Publikation "DKP-Info" (ehemals interner "InfoDienst") wurde auf eine "öffentlichkeitswirksamere" Erscheinung umgetrimmt. Am 20./21. Januar beteiligte sich die Hamburger DKP an einem Seminar der DKPNordbezirke Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein mit dem Ziel, die Betriebsund Gewerkschaftspolitik in den drei Bezirken stärker in die politische Arbeit der Partei zu integrieren. Im August beteiligte sie sich mit der PDS-Kreisorganisation Eimsbüttel, der "Kommunistischen Plattform" der PDS, der "Nicaragua-Initiative" und dem "Antirassistischen Telefon" am Methfesselfest in Eimsbüttel. Auch in Ham190 burg mobilisierte die DKP zum internationalen Frauentag, zum Ostermarsch und zur 1. Mai-Demonstration. Sie warb für die PKK-dominierte Großdemonstration "Frieden jetzt" am 15. Juni (Hamburg), die Demonstration zum sog. "Antikriegstag" (1. September) und rief zur Hamburger Demonstration "Gegen das Bonner Sparpaket" am 13. September auf. Daneben organisierte die DKP kleinere örtliche Veranstaltungen, z.B. zur Kuba-Thematik, sowie eine Reihe von Informationsständen. Die DKP beabsichtigt, sich 1997 an der Hamburger Bürgerschaftswahl zu beteiligen. In welcher Form sie kandidieren wird, wurde bis Jahresende nicht bekanntgegeben. U.a. wegen ihres ambivalenten Verhältnisses zur PDS, aber auch wegen der von der PDS-Bundesführung vertretenen Abgrenzung gegenüber der DKP, ist unklar, ob es zwischen beiden zu einem abgestimmten Wahlverhalten kommt. Einerseits ist die DKP an "breiten" Bündnissen "antikapitalistisch" orientierter "Kräfte" (einschließlich der PDS) interessiert, andererseits wirft sie der PDS vor, ins " bürgerliche " Lager abzudriften und sich nicht mehr klar zum Kommunismus zu bekennen. Deshalb pflegt die DKP bevorzugt Kontakte zur "Kommunistischen Plattform" (KPF) der PDS, mit deren Positionen sie weitgehend übereinstimmt. Trotz ihrer Vorbehalte gegen die nicht auf KPF-Kurs liegenden Teile der PDS ist die DKP anhaltend stark interessiert, sich auf dem " Ticket " der PDS (" offenen Listen " der PDS bei Wahlen) Zutritt zu Parlamenten zu verschaffen. 2.5.1.2 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) Die 1968 gegründete "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) ist ein Überbleibsel ehemaliger Nebenund Einflußorganisationen der DKP, von denen die meisten die Krise der Partei Ende der 80er Jahre nicht überlebt haben. Der in den 80er Jahren unter Schülern, Auszubildenden und gewerkschaftlich engagierten Jugendlichen einflußreichste linksextremistische deutsche Jugendverband hat es in der Zeit nach 1989 nicht geschafft, neues Profil und nachhaltiges Interesse unter Jugendlichen zu gewinnen. Um sich von dem nachteiligen Image eines "Parteiladens" zu befreien, legt die SDAJ Wert darauf, sich von der DKP als eine ihr nur noch " nahestehende " Jugendorganisation abzuheben. Diese Abgrenzung wurde auf dem 13. SDAJ-Bundeskongreß am 24./ 25. Februar in Gladbeck aufrechterhalten. Auch wenn das Bestreben in Richtung einer engeren "Zusammenarbeit" im "Bündnis" mit der DKP - bei Hinarbeit auf das "gemeisame sozialistische Ziel" (" UZ" 23. Februar) - in Verlautbarungen unübersehbar durchscheint, wird der parteiunabhängige Status stets betont. Inhaltlich gibt sich die auf etwa 200 Mitglieder (1985: ca. 15.000 aktive Mitglieder in ca. 900 örtlichen Gruppen) zusammengeschmolzene SDAJ unverändert als revolutionärsozialistische "Arbeiterjugendorganisation" mit orthodox-kommunistischen Theorievorstellungen. Im Internet versucht sich die SDAJ von den (eigene Wortwahl) 191 "negativen Eigenschaften" des "Reizwortes" "Sozialismus", z.B. " Unfreiheit, Stasi" zu befreien. Sozialismus heiße " Macht der Arbeiterklasse ". Im Zeichen angestrebter neuer Reprofilierung unter Jugendlichen stand auch das Motto des Gladbecker Bundeskongresses "Perspektiven entwickeln - Gegenwehr organisieren - Widerstand gegen Rechts". Neben ihren "antifaschistischen" und "antimilitaristischen" Aushängeschildern sowie ihrem in diesem Jahr verabschiedeten Frauenstatut sucht die SDAJ nach werbewirksamen Möglichkeiten, im betrieblichen und schulischen Ausbildungssektor wieder Fuß zu fassen. Äußeres Zeichen dieser Anstrengungen zur Interessentengewinnung war eine monatelange Kampagne - u.a. Unterschriftensammlung - mit der zentralen Forderung nach einem Lehrstellengesetz. Fehlende Resonanz bei Jugendlichen kann die SDAJ auch damit nicht übertünchen, daß sie sich mit einer Bündniskulisse umgibt. In der DKP-Presse wurden u.a. gute Verbindungen zu regionalen PDS-Jugendgruppen sowie zu Antifa-Gruppen vermerkt. Auf ihrem "Pfingstcamp" (24.-27. Mai, Bottrop, Motto: "Widerstand und Perspektive") wurden als Gäste Personen der Göttinger "Autonomen Antifa (M)", Mitglieder des von der PKK beherrschten kurdischen Exilparlaments und Vertreter der kubanischen Botschaft begrüßt. In Hamburg ist die SDAJ am "Antiimperialistischen Jugendbündnis " beteiligt. Die kubanische Hauptstadt Havanna wird vom 28.07.-05.08.1997 Austragungsort der " 14. Weltfestspiele der Jugend" sein. Laut SDAJ ruhen - nach dem " Verschwinden der sozialistischen Staaten Osteuropas " - auf Kuba die Hoffnungen " hunderttausender Menschen in aller Welt" für eine "Fortführung sozialistischer Perspektiven in der kapitalistisch beherrschten Welt". Ein Vertreter des einst sowjetkommunistisch beeinflußten " Weltbundes der demokratischen Jugend" (WBDJ) rief auf dem SDAJBundeskongreß zur Unterstützung dieser Manifestationsveranstaltung auf. Laut " PS/Z"-Jugendbeilage vom 6. September will die SDAJ mit einer Geldsammlung Interessenten eine Teilnahme ermöglichen. In Hamburg organisierten DKP und SDAJ im Oktober eine Veranstaltung zugunsten der " Weltfestspiele". In der " VZ" vom 22. November wurde es in einem Bericht über die "Freundschaftsgesellschaft Bundesrepublik Deutschland (BRD) - Kuba e. V. " als großer politischer Erfolg hingestellt, daß trotz des Zusammenbruchs der europäischen sozialistischen Staaten die Idee der " Weltjugendfestspiele " wieder aufgegriffen werden konnte. Im Internet kündigte die SDAJ an, man werde auf den Weltfestspielen die Stimme erheben, um " Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Imperialismus" zu verurteilen. In Hamburg unterstützte die unter 50 Mitglieder zählende SDAJ neben der DKPEimsbüttel, den "Jungen Kommunisten", der VVN-BdA und der "Hochschulantifa" eine Diskussionsveranstaltung am 22. Februar zum Thema: Neonazis in der Szene und an der Schule. DKP und SDAJ widmeten sich auf einer Veranstaltung am 27. April der Frage "Militarismus - was ist das?" SDAJ, DKP und VVN-BdA riefen ge192 meinsam zur Demonstration anläßlich des sog. "Antikriegstages" am 1. September auf. Am 23. Februar meldete die " UZ" die Gründung eines " Vereins zur Förderung von sozialistischer Arbeiterjugendund Kinderpolitik" (SOJA). Der Verein firmiert unter der Hamburger DKP-Adresse "Ernst-Thälmann-Haus". Als Vereinsunterstützer wurden u.a. der DKP-Bundesvorsitzende Heinz STEHR, dessen Vorgänger Herbert MIES, der frühere DDR-Verteidigungsminister Heinz KESSLER (heute DKP) sowie die SDAJ genannt. SOJA verwaltet den "Zentralen Fonds der SDAJ zur Unterstützung der 14. Weltfestspiele". 2.5.1.3 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) Die " Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes " (VVN) wurde 1947 unter Berufung auf den Schwur von Buchenwald (" Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Außau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel") gegründet. 1972 öffnete sie sich auch jüngeren Menschen, die aufgrund ihrer späteren Geburt nicht mehr zu den Verfolgten des Naziregimes gezählt werden konnten. Sie nannte sich fortan " Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (VVN-BdA). Die Auffüllung der Organisation mit Nichtverfolgten ("Stafettenübergabe") ist eine Existenzfrage. Von ihr hängt auch ab, ob die Organisation nach einem altersbedingten Verlust der Gründergeneration für Linksextremisten als Instrument des "Antifaschismus" gegen den demokratischen Verfassungsstaat weiterhin zur Verfügung steht. Nach ihrer Satzung ist die Vereinigung ein überparteilicher, überkonfessioneller Zusammenschluß von Verfolgten des Naziregimes, Widerstandskämpfern und Antifaschisten, welcher in der Bekämpfung der Ursachen und Erscheinungsformen des "Faschismus, Militarismus", Antisemitismus, "Revanchismus" und der Ausländerfeindlichkeit seine Aufgaben sieht. Sie erstrebe " die Zusammenarbeit aller demokratischen Kräfte, um zur Verwirklichung des Vermächtnisses des antifaschistischen Widerstandskampfes beizutragen ". Als Anhängerin der orthodox-kommunistischen Faschismusanalyse, die den Kapitalismus als eigentlichen Urheber des Faschismus und unschädlich zu machenden Gegner ausmacht, bedient sich die VVN-BdA jedoch einer selektiven Definition, wer sich Demokrat nennen darf. Das Zertifikat "Demokrat" billigt sie nur sog. "Antifaschisten" zu. "Kapitalisten" sind im kommunistischen Sinne Wegbereiter des "Faschismus", "Antikommunisten" Befürworter des "Kapitalismus". Danach kann niemand, der gegen Kommunismus ist, zugleich "Antifaschist" sein. Im Februar stellte sich die VVN-BdA im "Internet" vor und bezeichnete sich - in der Zahl überhöht - mit angeblich "knapp 10.000 Mitgliedern" als größte Organisation "von Antifaschisten und ehemaligen Widerstandskämpfern in Deutschland". Nach einem Bericht im "Neuen Deutschland" vom 3. Juni über den VVN-BdA-Bundeskon193 greß (1./2. Juni Braunschweig) haben die VVN-BdA sowie ihre Partnerverbände in den neuen Bundesländern weitere Impulse zur Zusammenarbeit geben wollen. Bei den Partnerverbänden handelt es sich um den "Interessenverband ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstandskampf Verfolgter des Naziregimes und Hinterbliebener e. V. " (IVVdN) und den "Bundder Antifaschisten" (BdA). Grußworte an den Kongreß hielt u.a. ein Vertreter der Göttinger "Autonomen Antifa (M) ". In einem Interview ("UZ" Nr. 13, 28. Juni) nahm der VVN-BdA-Bundessprecher Dr. Ulrich SCHNEIDER zum Prozeß gegen die Göttinger "Autonome Antifa (M) " Stellung. Er berichtete von einem deutlichen "politischen Signal" auf dem Bundeskongreß gegen die "Kriminalisierung" der Göttinger. Die "Neofaschismus-Kommission" der VVN-BdA trat in einem Diskussionspapier ("antifa-rundschau" Nr. 28, Okt.-Dez.) dafür ein, "in der BRD ein Klima des Antifaschismus" zu schaffen. Weltanschauliche Unterschiede und sonstige politische Positionen müßten (bündnisstrategisch) "zurückgestellt" werden. Die VVN-BdA und der IVVdN sind Mitgliedsverbände der früher durch die KPdSU gesteuerten Dachorganisation orthodox-kommunistisch orientierter "antifaschistischer" Verbände, "Federation Internationale des Resistants" (FIR), die in diesem Jahr ihren XII. Weltkongreß durchführte. Zum bevorstehenden 50. Jahrestag der VVN-BdA-Gründung (15.03.97) richteten 40 ältere Mitglieder - darunter als Intitiator der Altkommunist Kurt BACHMANN (von 1969-1973 Vorsitzender der DKP) - einen "Appell aus der Gründergeneration der VVN an die nachfolgenden Generationen" ("UZ" vom 23. August). Darin hieß es, die Aufgaben des "Antifaschismus" seien noch nicht gelöst. Nach einem anfänglichen antifaschistischen Konsens 1945 seien in der "BRD" die alten Machtund Besitzverhältnisse wiederhergestellt worden. Heute vollziehe sich militärisch abgesichertes Großmachtstreben unter der Flagge "Standort Deutschland". Die VVN-BdA sei dagegen der organisierte Ausdruck des antifaschistischen und antimilitaristischen Konsenses. Der Appell bewegte sich auf der Linie der orthodox-kommunistischen Faschismusdoktrin, derzufolge es gilt, den " Faschismus " mit seinen Ursprüngen, besonders der "kapitalistischen" Wirtschaftsordnung, auszumerzen. Die Doktrin läuft darauf hinaus, daß das Ziel erst mit der Errichtung einer sozialistisch/kommunistischen Wirtschaftsordnung erreicht ist. In der früheren DDR hatte sich die dortige VVN 1953 aufgelöst, weil mit der Ausrottung der " Wurzeln des Faschismus " deren Aufgabe erfüllt wäre. Auch in Hamburg war das Bestreben der VVN-BdA in Richtung auf Zusammenarbeit mit Angehörigen aus dem Spektrum autonomer "Antifas" (O vgl. 2.2.1) und 194 "Antirassisten" (Z> vgl. 2.2.2) wieder erkennbar. Ein Forum übergreifender Kontakte bot erneut u.a. das Hamburger " Bündnis Keinen Fußbreit den Faschisten ". Für den 15. Januar wurde in den "Antifaschistischen Nachrichten" (Dez. 1995) eine Veranstaltung des "Harburger Bündnisses gegen Rassismus", des VVN-BdA-Kreisverbandes Harburg und einer "Glasmoorgruppe" gemeldet. Die VVN-BdA unterstützte neben DKP, SDAJ und "Hochschulantifa" die Veranstaltung zum Thema Neonazis in der Szene und an der Schule am 22. Februar. Auch die PKK-dominierte Großdemonstration am 15. Juni in Hamburg (37.000 Teilnehmer) wurde u.a. von der VVN-BdA Hamburg unterstützt. Zur "Antikriegstag"-Demonstration am 1. September mobilisierten gemeinsam die Hamburger Landesorganisationen von DKP, VVNBdA und SDAJ. Am 2. November präsentierte sich die VVN-BdA der Öffentlichkeit im Stadtteil Altona mit einem Infostand. Für den 23. November riefen zahlreiche "antifaschistische" und "antirassistische" Gruppen zu einer Demonstration "gegen den Abschiebeknast Glasmoor" auf. Zu den Unterstützern gehörten die Hamburger Landesorganisationen der VVN-BdA und der DKP. 2.5.2 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) Die 1982 gegründete MLPD stellt sich in ihrer Wochenzeitung "Rote Fahne" (RF) regelmäßig als Partei vor, die " den Marxismus-Leninismus und die Maotsetungideen schöpferisch auf die heutige Situation" anwendet. Sie strebt nach einer "internationalen Arbeitereinheit ", um " den Imperialismus zu stürzen und den echten Sozialismus aufzubauen". Der "echte" Sozialismus unterscheidet sich laut MLPD von der "Bourgeoisie neuen Typs " in der ehemaligen DDR. Deren Fehlentwicklung führt die Partei auf eine " kleinbürgerliche Denkweise " der einstigen SED-Verantwortlichen zurück. Demgegenüber propagiert die MLPD die "proletarische Denkweise" als zentrale Leitlinie und einzig erfolgversprechende Methode des politischen Kampfes. Der V. MLPD-Parteitag im Februar widersprach jeder Form von "Klassenzusammenarbeit" und kritisierte die "schädliche Rolle" der PDS, welche als selbsternannte Anwältin ostdeutscher Interessen die Klassenfronten verwische und damit die Einheit der Arbeiterklasse zersetze. Der Parteitag bestätigte " unwiderruflich " die "proletarische Denkweise " als neue Grundlage des Parteiaufbaus. Als ein Schwerpunkt der Parteiarbeit wurde der Aufbau des MLPD-Jugendverbandes "Rebell" zu einer "wirklichen Jugendmassenorganisation" beschlossen. Der "Rebell" nebst Kinderorganisation "Rotfüchse" wird als Schule und "Hauptreservoir" für den weiteren Aufbau der MLPD angesehen. Mitgliedern und Sympathisanten "proletarisches" Denken nahezubringen, sie entsprechend zu schulen und dabei mahnend die Fehler "kleinbürgerlicher Denkweisen" 195 aufzudecken und zu überwinden, ist zentraler Grundansatz und stereotype Quintessenz jeglicher von der MLPD ausgehenden Propaganda. Dieses Anliegen betrifft die eigenen Reihen, Gewerkschaften und andere Organisationen, richtet sich primär aber gegen die weltweiten "imperialistischen Mächte". Ob zur Verbesserung der "Ausbeutungsbedingungen" der multinationalen Konzerne oder zur Unterdrückung und "Zersetzung" der "proletarischen Klassenkämpfe" - stets und überall bedient sich nach Erkenntnis der MLPD angeblich der Klassenfeind in der " Krise des Kapitalismus" systematisch und international ein und derselben "Hauptwaffe" (RF Nr. 38, 20.September): Der "kleinbürgerlichen Denkweise"'. In diesem Sinne attackierte die etwa 2.700 Mitglieder starke Partei auch das "Bonner Krisenprogramm" und seine Auswirkungen auf die Arbeitnehmer. In der "Roten Fahne" berichtete sie stetig über "selbständige Streiks" z.B. in der Automobilindustrie. In einem Flugblatt vom 2. Oktober - behauptete Auflage: 150.000 - beklagte die MLPD eine angeblich unfähige parlamentarische Opposition im Kampf gegen das Sparprogramm der Bundesregierung. Einzig das "kämpfende Industrieproletariat" sei "Kern einer wahren Opposition". Es brauche die grundlegende Alternative des " echten Sozialismus ". Ähnlich wie die in den 70er Jahren von den damaligen "K-Gruppen" kreierte "Revolutionäre Gewerkschaftsopposition" (RGO) will die MLPD heute die Gewerkschaften als "Kampforganisationen" gegen a\z"Gewerkschaftsbürokratie" angeblich "verteidigen". Wie einst die RGO spricht die MLPD von einer "reformistischen" Gewerkschaftsführung als "Ordnungsfaktor der herrschenden staatlichen Ordnung" (RF Nr. 26 v. 28. Juni, S. 4). Nach der Bonner Großdemonstration des DGB am 15. Juni widmete sich die MLPD der Debatte über einen Generalstreik als politischem Massenstreik "gegen die staatliche Ordnung". Selbständig organisierte "wilde" Streiks gegen den Willen der Gewerkschaftsführungen würden den " Übergang zu einer revolutionären Situation" kennzeichnen (RF Nr. 26). Unter der Überschrift "Generalstreik ist politischer Massenkampf' erinnerte die RF an den Widerstand gegen den Kapp-Putsch von 1920 als lobendes Beispiel. In einem RF-Kommentar (Nr. 25, 21. Juni) " Wie weiter nach dem 15.6.?" sprach die Autorin von einer "neuen Opposition von unten" und einem über "die Grenzen des Systems" hinausgehenden Denken. Zur Ergreifung der "notwendigen Kampfmaßnahmen " und zwecks Übergangs zu " selbständigen Kämpfen " regte die MLPD die Bildung betrieblicher und branchenbezogener "Aktionskomitees" an (RF Nr. 41, 11. Oktober). Am 24./25. Februar wurde "mit Unterstützung" der MLPD in Kassel die Vorfeldorganisation "Solidarität International" (SI) gegründet. Laut RF Nr. 9 vom 2. März hätten rund 280 Personen aus 60 Orten in Deutschland auf dem Kongreß fast 1.000 Personen repräsentiert. Der MLPD-Vorsitzende Stefan ENGEL war Mitglied der vor196 bereitenden Koordinierungsgruppe und ist Mitglied der SL Laut ENGEL bedeutet die "Überparteilichkeit" der SI unbedingt den Einschluß "revolutionärer Kräfte". Im Zuge der Selbstverständnisdebatte strich der Gründungskongreß im Grundsatzprogramm die negative Abgrenzung " keine Kampforganisation ". Laut SS 3 der Satzung verfolgt die SI gemeinnützige steuerbegünstigte Zwecke. Im Grundsatzprogramm wird eine zweigeteilte Welt beschrieben: Einerseits "die profitorientierte menschenfeindliche Politik der multinationalen Konzerne, ihrer Regierungen", die u.a. mit Massenarbeitslosigkeit, Verelendung, Hungertod, weltweiten Flüchtlingsströmen, politischer Unterdrückung, Militarisierung, Ressourcenausplünderung das Leben präge. Auf der anderen Seite formiere sich dagegen weltweiter Widerstand, u.a. mit Landbesetzungen, Massendemonstrationen, bewaffneten Volksaufständen, Streiks sowie Massenbewegungen gegen Rassismus und Neofaschismus. Welche "Richtung" sich durchsetze, dürfe SI "nicht egal" sein. Aus einem Gemeinschaftsprojekt der philippinischen MLPD-Partnerorganisation mit SI resultierte am 21. September in Gelsenkirchen die Gründung eines "Freundschaftsvereines " namens " Deutsch-Philippinische Freunde ". Die MLPD berichtete in ihrem Zentralorgan RF vom 27. September, daß das Programm u.a. die Unterstützung des "Befreiungskampfes" auf den Philippinen vorsehe. Es gehöre zum Selbstverständnis des Vereins, " alle gerechten Kampfformen der Massen zu unterstützen, einschließlich des bewaffneten Befreiungskampfes". An der Gründungsveranstaltung nahm u.a. Jose Maria SISON teil - Mitbegründer der "Kommunistischen Partei der Philippinen" (CPP). Die MLPD nebst Jugendorganisation "Rebell" ist in Hamburg mit einer Ortsadresse und etwa 30 Anhängern vertreten. Daneben sind der von der MLPD unterstützte Frauenverband "Courage" sowie die Hilfsorganisation "SI" präsent. Letztere führte im April zwei Veranstaltungen u.a. zum Befreiungskampf der philippinischen neuen " Volksarmee " durch. Ferner machte die MLPD in Hamburg mit einem Informationsstand und einer musikalischen Parteispendenveranstaltung auf sich aufmerksam. Im Mai organisierte sie eine öffentliche Diskussionsveranstaltung zu ihrem - angeblich in Solingen - stattgefundenen V. Parteitag. Im übrigen beteiligte sich die MLPD im März an der Demonstration zum "Internationalen Frauentag" sowie am 13. September an einer Demonstration gegen staatliche Sparmaßnahmen. 2.5.3 Sonstige revolutionäre Marxisten 2.5.3.1 Nachfolgestrukturen des Bundes Westdeutscher Kommunisten (BWK) Der BWK war 1980 als marxistisch-leninistische Organisation durch Abspaltung vom damaligen maoistischen "Kommunistischen Bund Westdeutschland" (KBW) entstanden. 1993 beschloß der BWK eine organisierte Zusammenarbeit mit der PDS und be197 gab sich nachfolgend zunehmend unter deren Dach. Zur Bundestagswahl 1994 kandidierten BWK-Mitglieder - auch in Hamburg - auf Wahllisten der PDS. Inzwischen sind die alten Landesverbände des BWK in "AGen BWK in und bei der PDS" aufgegangen. Im März 1995 erklärte der BWK seine Auflösung als politische Partei. Die als politische Vereinigung bestehende Nachfolgestruktur "Bund Westdeutscher Kommunisten - Bundeskonferenz" - ist ein Konstrukt, das den Identitätszusammenhang der "Arbeitsgemeinschaften" bewahren soll. Die "Bundeskonferenz" tagte im März und Oktober. Der PDS-Bundesvorstand entdeckte 1995 in dieser Zweigleisigkeit Anzeichen für eine mit dem Parteistatut unvereinbare " Unterwanderung durch politische Splittergruppen". Die PDS-Bundesschiedskommission (BSK) sprach von einer "organisierten Ankoppelung" bzw. "Anlagerung" des BWK an die PDS, um dort die BWKOrganisation zu "rekonstituieren". Die Hamburger AG "BWK in und bei der PDS/Linke Liste " umfaßt ca. 50 Mitglieder. Sie entfaltete das Jahr über kaum eigenständige Außenaktivitäten, sondern beschränkte sich auf interne Veranstaltungen, wie ein Wochenendseminar und eine Mitgliederversammlung. Im November unterstützte sie im Zuge der "Antirassismus "-Kampagne eine gruppenübergreifenden Demonstration gegen Abschiebungen. Die von Personen des ehemaligen BWK beeinflußte " Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg" (VF) hatte bereits 1994 ihre Auflösung beschlossen und sich perspektivisch auf eine Annäherung an die VVN-BdA orientiert. 1995 beschloß die VF, sich künftig "Arbeitsgemeinschaft gegen Reaktion, Faschismus und Krieg/Volksfront" (AG/VF) zu nennen und diese ins Kölner Vereinsregister eintragen zu lassen. Bis zur Mitgliederversammlung im November 1996 war die Eintragung nicht erfolgt. Die AG/VF sondiert weiter bei der VVN/BdA Möglichkeiten einer engeren Zusammenarbeit. Nach der Mitgliederversammlung im November berichteten Teilnehmer " über weitere Verbesserungen in der praktischen Zusammenarbeit mit der VVN und über die Mitarbeit in Zusammenhängen der VVN". Die zentrale Aufgabenstellung der früheren VF und heutigen AG/VF hat sich seit 1995 zunehmend auf einen einzigen Zweck hin reduziert, die Herausgabe der bundesweiten "Antifaschistischen Nachrichten" zu "unterstützen". Der Herausgeberkreis umfaßt ein politisches Spektrum, das von der "Anarchistischen Gruppe/Rätekommunisten" (AG/R, Hamburg) über ein Hamburger Mitglied des VVN-BdA-Bundesausschusses, die " BW K-Bundeskonferenz", die " Vereinigung für Sozialistische Politik" (VSP) bis hin zum Vorsitzenden des " Bundes der Antifaschisten e. V. " (BdA, Sitz: Leipzig) reicht. Eine angestrebte Auflagenerhöhung - zuletzt ca. 900 Stück - wurde bis zum Jahresende nicht erreicht. Die AG/VF besteht z.Zt. aus unter 300 Personen (Hamburg: ca. 20). Dem Ende des Jahres gewählten bundesweiten Vorstand sowie der Finanzprüfungskommission ge198 hören Mitglieder aus Hamburg an. Die Hamburger AG/VF trat das Jahr über nicht mit selbständigen Aktionen an die Öffentlichkeit. Einzelne Mitglieder wirkten in gruppenübergreifenden autonomen Arbeitszusammenhängen mit. 2.5.3.2 Vereinigung für Sozialistische Politik (VSP) Die VSP ist - wie die Reste des BWK - ein Relikt der früheren "dogmatischen Neuen Linken " mit revolutionär-marxistischen Grundpositionen. Sie war 1986 durch Fusion der maoistisch-proalbanischen KPD/ML mit der trotzkistischen "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) als " Vereinigte Sozialistische Partei'4 (VSP) entstanden. Ihr Ziel, die Zersplitterung der sich als "revolutionär" verstehenden Linken mit einer "revolutionären sozialistischen Massenpartei" zu überwinden, hat die VSP nach eigenem Eingeständnis verfehlt. Das gesellschaftliche Milieu der "radikalen Linken" sei weggebrochen, die "Arbeiterklasse" entsolidarisiert und unfähig zur Bündelung von " Klasseninteressen ". Seit Mitte 1996 nennt sich die Organisation " Vereinigung für Sozialistische Politik" (VSP). Sie will in die programmatischen Debatten für "eine neue sozialistische Partei" eingreifen, die sich auf den Aufbau eines reproletarisierten "gesellschaftlichen Widerstandes " orientiert sowie reformorientierte " und revolutionäre Kräfte " in sich vereinigt: Zentraler Ort für eine solche Perspektive ist für einen Teil der VSP die PDS. VSP-Mitglieder, die sich auf dieser Linie bewegen, haben sich als "AG PDS in der VSP" zusammengetan. In Hamburg hatte ein VSP-Mitglied 1994 zur Bundestagswahl auf Platz 3 der offenen Landesliste der PDS kandidiert. Auf bundespolitischer Ebene zog damals ein VSP-Mitglied über die Wahlliste der PDS in den Bundestag ein. Nach längerem Vorgeplänkel haben sich die Redaktionen der VSP-Publikation "Sozialistische Zeitung" (SoZ) und der von ehemaligen Mitgliedern des 1991 aufgelösten "Kommunistischen Bundes" (KB) herausgegebenen Zeitung "analyse & kritik" ("ak", früher: "Arbeiterkampf ") jetzt auf eine Kooperation verständigt. Im März gaben beide erstmalig die gemeinsame Publikation "extra" heraus. Ebenfalls im März führte die VSP ein Internationalismus-Seminar ("...von Che bis Macos") in Amsterdam durch (Internationalismus: O 2.4.5). Im Juni folgte ein Diskussionsseminar " Wer befreit uns von der Erwerbsarbeit? ", das eine Diskussion zur Erneuerung der VSP-Programmatik - Tagesordnungspunkt der VSP-Bundeskonferenz im Juni - einleitete. Die "Neuerarbeitung eines politischen Grundlagentextes der VSP " wurde als " dringend erforderlich " erachtet, " weil die Gründungsdokumente hoffnungslos veraltet" seien. Bis zur Bundeskonferenz 1997 soll eine "programmatische Erklärung" erarbeitet und dann verabschiedet werden. 199 Politische Positionen wurden bereits jetzt abgesteckt, indem die Bundeskonferenz eine Resolution zum Selbstverständnis der VSP - insbesondere im Hinblick auf das Engagement von VSP-Mitgliedern in der PDS - verabschiedete. Danach will "die VSP dazu beitragen, die PDS ...zu stärken" , lehnt jedoch ein "fraktionelles Verhalten in und zur PDS" (sprich: eine der BWK-Methode nachempfundene "AG VSP in und bei der PDS") ab. Als Arbeitsschwerpunkt wurde die schon bisher verfolgte "Präsenz und aktive Mitarbeit von VSP-Mitgliedern in den Gewerkschaften und sozialen Bewegungen " festgehalten. Die Bundeskonferenz sah sich zu dieser Klarstellung genötigt, weil bereits seit 1994 VSP-Mitglieder ihr Engagement in die PDS hineinverlagert haben und weitere VSP-Mitglieder nachziehen - eine Kräftverschiebung, die den Bestand der VSP gefährdet. Die Ortsgruppe Hamburg umfaßt etwa 20 - 25 Personen, die als eigenständig agierender Zusammenhang kaum noch öffentlich auftreten. Im Juni wollte die "Internationalismusgruppe" der Hamburger VSP zusammen mit anderen Gruppierungen auf einer Veranstaltung unter dem Motto "Widerstand und Utopie" Hintergründen und Zusammenhängen des zapatistischen Aufstandes in Chiapas/Mexiko nachgehen (O vgl. 2.4.5). Im August war sie Mitorganisator einer Solidaritätsund Informationsveranstaltung zum Streik der Liverpooler Hafenarbeiter. Die von der "Internationalismusgruppe" ausgehenden Anstöße für Aktivitäten im Rahmen linksextremistischer Solidaritätsbewegungen beziehen sich u.a. auf lateinamerikanische Länder und auf kurdische Autonomiebestrebungen. Mitglieder der Hamburger VSP engagierten sich darüber hinaus in gruppenübergreifenden autonomen Zusammenarbeitsstrukturen zu anderen linksextremistischen Themenstellungen. Ein Höhepunkt war für die VSP ihr Jubiläum zum zehnjährigen Bestehen der Organisation und ihrer "Sozialistischen Zeitung" (SoZ) in Hamburg. Als Referent einer aus diesem Anlaß am 26. Oktober stattgefundenen Podiumsdiskussion {"Perspektive der Linken in Deutschland") wurde u.a. ein Bundestagsabgeordneter in Hamburg begrüßt. 2.5.3.3 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) Der AB ist 1973 durch den Zusammenschluß mehrerer maoistisch orientierter "Arbeiterbasisgruppen" entstanden. Er verfolgt klassische kommunistische Ziele: Beseitigung der "herrschenden Ausbeuterklasse", Errichtung einer "Diktatur des Proletariats" und Verwirklichung einer "klassenlosen Gesellschaft". Schwerpunkte der Organisation liegen in Bayern, in anderen Bundesländern existieren Ortsgruppen und Stützpunkte. Aus der seit 1990 bestehenden Fraktionierung der etwa 200köpfigen Anhängerschaft (zwei Flügel) wurde dieses Jahr eine definitive Trennung. Die nach dem ehemals von beiden Fraktionen getragenen früheren AB-Zentralorgan "Kommunistische Arbeiterzeitung" (KAZ) benannte "KAZ-Fraktion" besiegelte auf ihrem Frühjahr-Arbeitstreffen Ende März überraschend die endgültige Loslösung 200 vom "Arbeiterbund" und damit dessen Spaltung. Sie firmierte danach als "Gruppe Kommunistische Arbeiterzeitung", die weiterhin die "Kommunistische Arbeiterzeitung" herausgab. Die anschließende Diskussion über eine Annäherung an oder einen Eintritt in die DKP hätte fast zur "Spaltung der Abspaltung" bzw. deren Auflösung geführt: Einige Mitglieder widersetzten sich auf dem Herbst-Arbeitstreffen im Oktober einer Beschlußvorlage, die einen Kollektiveintritt der " Gruppe Kommunistische Arbeiterzeitung" in die DKP vorsah. Es kam schließlich zu einem Kompromiß, der Doppelmitgliedschaften erlaubt. Im Dezember erklärten 25 Mitglieder aus Bayern ihren Eintritt in die DKP. Sie versicherten, dort nicht als Fraktion arbeiten und die DKP auch nicht "ummodeln" zu wollen. Ihr einziges Ziel sei es, den Zusammenschluß kommunistischer Kräfte zu fördern und die günstigeren Bedingungen in der sehr viel größeren DKP zu nutzen, um Antworten auf die " offenen Fragen der kommunistischen Bewegung" zu finden. Die KAZ-Redaktion will bis zum September 1997 pausieren und dann ein verändertes Zeitungskonzept vorlegen. Die ehemalige Stammfraktion des Arbeiterbundes, jetzt alleiniger Träger des Namens "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD", kündigte zur Jahresmitte die VII. Delegiertenkonferenz des AB an. In Hamburg ist der AB mit etwa einem Dutzend Personen vertreten. Er hat seinen Sitz im sog. "Magda-Thürey-Zentrum", in dem auch das Kreisbüro Eimsbüttel der DKP untergebracht ist. Die Ortsgruppe verhielt sich nach außen das Jahr über eher zurückhaltend. Im April initiierte sie mit der DKPEimsbüttel und dem "Kurdistan Volkshaus e.V." (PKK-Hintergrund) im "MagdaThürey-Zentrum" eine Veranstaltungsreihe. Gemeinsam mit der DKP und "antifaschistischen" Gruppierungen rief der AB zur Demonstration am 1. Mai auf. Aus dem AB heraus wurde Einfluß auf die bundesweite, von Linksextremisten unterstützte "Antirassismus "-Kampagne genommen (O 2.2.2). Diese Kampagne konzentrierte sich das Jahr über insbesondere auf den Prozeß gegen einen in Lübeck angeklagten Libanesen, der beschuldigt wurde, den Brand vom 8. Januar in einer Lübekker Asylbewerberunterkunft gelegt zu haben. Linksextremisten sehen in dem Strafverfahren u.a. einen zentralen Bezugspunkt, um mit antinationaler Zielrichtung der Justiz " rassistische " Ermittlungen zu unterstellen. Eine in diesem Zusammenhang gegründete sog. "Internationale Unabhängige Kommission" (IUK) zur Untersuchung des Lübecker Brandanschlages wurde vom AB erheblich unterstützt. Das " Interne Zirkular" des AB (Nr. 491 vom 22. August) berichtete über Ergebnisse der Plenartagung seines Zentralkomitees vom August. Darin hieß es zur Aufgabenstellung der IUK: Es gehe nicht um Schuld oder Unschuld, "sondern um Einmischung in die inneren Angelegenheiten Großdeutschlands...". An anderer Stelle des Zirkulars wurde unterstellt, daß Morde in diesem Lande "staatlicherseits gedeckt" würden und "ins politische Programm der Herrschenden passen ". 201 2.5.3.4 Marxistische Gruppe (MG) Die MG war Anfang der 70er Jahre aus den revolutionär-marxistischen Diskussionszirkeln und Arbeitsgruppen - den sog. "Roten Zellen" - hervorgegangen. Sie hatte bis 1991 mehr als 10.000 fest eingebundene Anhänger erreicht und darüber hinaus mehrere tausend Personen, die regelmäßig an Schulungen, Teach-ln's und Arbeitskreisen teilnahmen. In Hamburg - eine der MG-Hochburgen - wurde von etwa 1.000 Mitgliedern, Kandidaten und Sympathisanten ausgegangen. Überraschend hatte die "Marxistische Gruppe" (MG) im Mai 1991 ihre Selbstauflösung bekanntgegeben. Nachdem zahlreiche MG-Aktivisten "geoutet" worden waren, grassierte in der damaligen Organisation eine "Spitzel"-Psychose. Mitglieder und Kader hatten in den Jahren zuvor gesellschaftliche Institutionen und Unternehmensetagen infiltriert und Einflußnetze geknüpft. MG-Seilschaften hatten sich auf attraktive berufliche Positionen gehievt, die sie in ihrem eigenen Jargon als "Jobs der Elite" definierten und in einer "Marxistischen Berufsberatung" (1987) exemplarisch aufgezählt hatten: Arzt, Zahnarzt, Apotheker, Ingenieur, Börsenspekulant, Journalist, Lehrer, Manager, Offizier, Politiker, Professor, Pfarrer, Programmierer, Psychologe, Rechtsanwalt. Ein avantgardistisch-elitärer Habitus kennzeichnete die Funktionärskaste. Rekrutierungsprozeduren und Gruppengehorsam vermittelten Merkmale einer Sekte, deren Anhänger zum Teil Persönlichkeitsveränderungen durchmachten, wie sie bei Glaubenssekten zu beobachten sind. U.a. die Konspiration der MG nach außen, Überwachung nach innen und die systematische Einflußvernetzung veranlaßten den Bundesinnenminister 1991, die MG in einer Aufklärungsbroschüre als "Kommunistischen Geheimbund" zu bezeichnen. Die Sicherheitsbehörden hatten die Ernsthaftigkeit der Auflösung schon früh bezweifelt. In Hamburg hatte sich die MG nach 1991 lange Zeit in der Öffentlichkeit zurückgehalten. Eine Reihe schon vorher als Basisstrukturen dienender Wohngemeinschaften blieb weitgehend unangetastet. Bereits im März 1992 war dann die erste Ausgabe der vierteljährlichen Zeitschrift "Gegenstandpunkte" ohne direkten Hinweis auf die MG erschienen. Die im Impressum genannten Redakteure waren allerdings als führende MG-Funktionäre bekannt. Unter vermeintlich unverfänglichen Bezeichnungen traten "ehemalige" MG-ler in Hamburg mindestens seit 1994 wieder offen auf, u.a. als "Gruppe Kritik und Diskussion". Vieles spricht dafür, daß die MG ihr verbliebene Kernbereiche konsolidiert hat und dort anknüpft, wo sie 1991 pausierte. Zu den Klassikern des Marxismus-Leninismus pflegt die MG ein eher distanziertes Verhältnis. Sie bedient sich ihrer Philosophien auch nur selektiv und steht auch nicht an der Spitze irgendeines sozialen "Widerstandes von unten". Mit ihrem Zynismus, ihrer verschrobenen Dialektik und einem intellektuell-elitären Sprachduktus kann sie 202 "proletarische " Zielgruppen nicht erreichen. Sie ist daher auch kein mögliches Zentrum revolutionärer Massenmobilisierungen. Auch im Berichtsjahr initiierte die Redaktion der Publikation " Gegenstandpunkte " in Hamburg wieder regelmäßig Diskussionsveranstaltungen im Kontext zu den aktuellen Ausgaben der Zeitschrift. Ein Mitglied der " Gegenstandpunkte "-Redaktion nahm am 12. April an einer Diskussionsveranstaltung zum Thema "Deutschland '96/Imperialistische Ziele, ökonomische Mittel, nationalistische Mitmacher - nebst linker Patrioten" teil. Als Veranstalter trat erstmals eine "Arbeitslose Akademiker / NachwuchsOrganisation - Studentischer Verein zur Vorbereitung von Hochschulabgängern auf ihren späteren Lebensweg" (AA/NO) zusammen mit der "Gruppe Kritik und Diskussion " auf. Eine weitere Veranstaltung der AA/NO und der " Gruppe Kritik und Diskussion " am 17. April war dem Thema "Sozialstaat '96" gewidmet. Es referierte ein Alt-MG-ler, der 1995 in der linksextremistischen Publikation "bahamas" (Nr. 18-1995, Seite 22) als ein "maßgeblicher Theoretiker der 'Gegenstandpunkt'-Strömung" bezeichnet worden war. Am 19. September trat die "Gruppe Kritik und Diskussion" mit einer Veranstaltung "Militarismus '96" an die Öffentlichkeit Im November wurde bekannt, daß Personen der " Gruppe Kritik und Diskussion " gemeinsam mit Mitgliedern der DKP, der "Kommunistischen Plattform" (KPF) der PDS, unorganisierten Einzelpersonen sowie weiterer Gruppierungen auf der Ebene eines sog. "Offenen Kommunistischen Forums" (OKF) zusamentreffen. Das OKF versteht sich als Diskussionszusammenhang. Am 23. November veranstaltete es in Hamburg ein Seminar zum Thema "Kommunisten heute". Diese Annäherung erscheint bemerkenswert, weil gerade die DKP sich zusammen mit anderen revolutionär-marxistischen Organisationen noch in den 70er und 80er Jahren durch die damalige "Marxistische Gruppe" insbesondere im Hochschulbereich provoziert gefühlt hatte. Zum Teil wurden MG-Funktionäre ins Licht verkappter Rechtsextremisten gestellt. Die MG ihrerseits hatte damals das von der DKP verteidigte DDR-System (angeblich keine Planwirtschaft, sondern "Hebel"-Wirtschaft) kritisiert und auch die DKP nicht ausgespart, wenn sie das Verhalten anderer linksextremistischer Organisationen zynisch-spöttisch kommentierte. 2.5.3.5 Trotzkistische Gruppen und Strömungen Unter den revolutionären Marxisten in Deutschland gibt es etwa 1.500 Trotzkisten. Sie heben sich durch ihre betont antistalinistische Orientierung von anderen Kommunisten ab und fielen in der Vergangenheit durch eher differenzierende, theoriebetonte analysierende Argumentation auf. Trotzkistische Strategievorstellungen interessierten schon während und nach der Studentenrevolte von 1968 insbesondere 203 avantgardistische intellektuelle "Neue Linke". Dem "Vereinigten Sekretariat" (VS) der IV. Internationale (damals Brüssel) unter seinem geistigen Führer Ernest MANDEL (gestorben 20.07.95) waren z.B. 1974 weltweit 48 nationale "Sektionen" angeschlossen. MANDEL hatte persönliche Kontakte zu Fidel CASTRO und Che GUEVARA, war eine Einflußfigur der Protestbewegung im Mai 1968 in Frankreich, der deutschen APO von 1968, bei den Massenstreiks in Italien 1969 und bei der portugiesischen "Revolution der Nelken" 1974. Die deutsche Sektion "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) verfügte in den 70er Jahren über 600 Mitglieder in rund 50 Ortsgruppen und Stützpunkten. Weltweit hat es noch kein Beispiel staatlicher trotzkistischer Machtausübung gegeben. Trotzkisten blieb es somit bisher erspart, sich an einem von ihnen errichteten System staatlicher und gesellschaftlicher Ordnung praktisch messen lassen zu müssen. Zu den klassischen Merkmalen trotzkistischer Einflußgewinnung gehört die Taktik des Entrismus, des Unterwanderns z.B. sozialdemokratischer Parteien oder gewerkschaftlicher Organisationen bzw. der verdeckten Mitarbeit in solchen. Sie zielt darauf ab, deren Strukturen in "bürgerliche" una "proletarische" Bestandteile aufzuspalten. Zwischen dem hochgesteckten theoretischen Anspruch trotzkistischer Gruppierungen und ihrem praktischen Einfluß klaffen Abgründe. Trotzkisten bilden in Deutschland einen bunten Flickenteppich politischer Sektiererzirkel, die untereinander ideologisch zerstritten sind. Nachstehend werden nur einige erläuternd aufgezählt. Der 1994 gegründete "Revolutionär Sozialistische Bund / Vierte Internationale" (RSB) ist beim Bundeswahlleiter als Partei i.S. des Parteiengesetzes registriert. Laut seiner "Programmatischen Erklärung" können die Menschheitsprobleme nur durch einen "revolutionären Sturz des Kapitals" gelöst werden. Der RSB warnt vor "Illusionen in den Parlamentarismus " und sieht seinen Schwerpunkt in " außeparlamentarischen Kämpfen". Laut Statut vom 19.11.95 will er sich dennoch an "Wahlen zu Parlamenten und/oder Gemeinderäten " beteiligen. In einem am 22. Mai anläßlich einer Gewerkschaftsdemonstration in Hamburg verteilten RSB-Flugblatt wurde Deutschland sinngemäß als Ort rücksichtsloser Machtpolitik und Bereicherung des "Kapitals" dargestellt. Der RSB mobilisierte als einzige deutsche Gruppierung zu einem im Juli von Trotzkisten organisierten internationalen "sozialistischen" Jugendsommercamp nach Portugal. Die Veranstalter bezeichneten sich als in "politischer Sympathie zur IV. Internationale/VS" stehend. In München war der RSB Mitunterzeichner eines Demonstrationsaufrufes gegen die Feiern zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober unter dem Tenor: "Es gibt nichts zu feiern, aber viele Gründe zum Widerstand! ". Darin wurde behauptet, in Deutschland würden Nazis mit Schützenhilfe der "herrschenden Politik" gesellschaftsfähig, würde die Meinungsund Versammlungsfreiheit "ausgehebelt" und eine "Allianz aus Polizei, Justiz und Geheimdiensten" einen Generalangriff gegen jegliche "grundsätzliche Opposition " führen. 204 Die "Sozialistische Arbeitergruppe" (SAG) setzte ihre Entrismuspolitik gegenüber den Jungsozialisten in der SPD fort. Nachdem in Hamburg das von der SAG mitbegründete "Anti-Nazi-Bündnis" 1995 offensichtlich gescheitert war, versucht die SAG jetzt offenbar über das von Hamburg aus geleitete "Linksruck-Netzwerk" Zugang zu Juso-Kreisen zu erlangen. In der monatlich erscheinenden Publikation "Linksruck" werden als Redakteure und Kontaktpersonen u.a. als SAG-Funktionäre bekannte Personen aufgeführt. Nach eigenen Angaben wurde der "Linksruck" ursprünglich von Jungsozialisten gegründet. Daher trug die Publikation früher auch den Untertitel "Jusos gegen rechts". In Hamburg wurde der "Linksruck" bei einer Gewerkschaftsdemonstration am 22. Mai in der Hamburger Innenstadt von Anhängern des Netzwerkes verteilt. In Hamburg nutzten Angehörige der "Spartakist Arbeiterpartei Deutschlands" (SpAD) verschiedene Anlässe, um Abnehmer für ihre Publikationen - in der Hauptsache die Zeitschrift "Spartakist" - zu finden, so am 22. Mai anläßlich einer Gewerkschaftsdemonstration, bei der die SpAD sich auch mit einem Büchertisch präsentierte. Auf einem Stadtteilfest im Schanzenviertel am 24. August verteilten Anhänger der SpAD ein Flugblatt des von ihr gesteuerten "Komitees für soziale Verteidigung" (KfsV). Es wandte sich gegen Aufmärsche des "Ku Klux Klan" in den USA. Die SpAD ist mit der "International Communist League" (ICL, Sitz: New York/USA) verbunden. Amerikanische Schwesterorganisation des KfsV ist das " Partisan Defense Committee ". Unter dem Motto " Der Kampf für den Trotzkismus in der nachsowjetischen Welt" rief die SpaD zu einer Veranstaltung am 19. September in Hamburg auf. Ein Hamburger Mitglied zeichnet für das bundesweite Sprachrohr der SpAD, "Spartakist", verantwortlich. Die trotzkistisch beeinflußte "Jugend gegen Rassismus in Europa" (JRE) hat sich im März in "Jugend Offensive/JRE" (JO/JRE) umbenannt. Der neutraler gehaltene neue Name dürfte mit einer angestrebten thematischen Verbreiterung und forcierten Einflußgewinnung unter Jugendlichen zusammenhängen. Neben den Schwerpunkten "Antifaschismus" und "Antirassismus" will sich die Organisation künftig in die Kampagne gegen Castor-Transporte, in Fragen von Atomtests, Studiengebühren für Studenten, Bildungsabbau und Kürzungen im Jugendbereich einmischen. Im Zuge dieser Entwicklung ist eine engere Anbindung an die trotzkistische "Sozialistische Alternative VORAN" (SAV, deutsche Sektion des internationalen trotzkistischen Dachverbandes "Committee for a Worker's International" - CWI, London) erkennbar. Die JO/JRE könnte als Jugendorganisation in der SA V aufgehen. Seit Ende 1994 leidet die JO/JRE unter Abspaltungsbzw. Zerfallstendenzen. Einzelne Ortsgruppen lösten sich auf oder spalteten sich ab, um danach als eigenständige Gruppierungen zu agieren. Sie warfen der JRE u.a. vor, sich zu sehr dem Einfluß der "Sozialistischen Alternative VORAN" zu unterwerfen. Auf Bundesebene entwickelte die JO/JRE nur sporadisch Aktivitäten, u.a. als Mitunterzeichnerin eines Aufrufs zu einer 205 Protestdemonstration in Lübeck anläßlich des Brandes in einem Asylbewerberheim. Die offensichtlich geschwächte Hamburger Ortsgruppe entwickelte in diesem Jahr keine von außen sichtbaren Aktivitäten. Der in Hamburg z.Zt. nicht vertretene "Bund Sozialistischer Arbeiter" (BSA) ist Sektion des "International Committee of the Fourth International" (Sitz: Detroit/ USA). Seine Schwerpunkte sind Berlin, Frankfurt/M., Stuttgart und das Ruhrgebiet. Anläßlich seines 25-jährigen Bestehens startete das BSA-Zentralkomitee eine Spendenkampagne, um die Ausdehnung des BSA "in neue Gebiete" zu finanzieren und die Zeitung "Neue Arbeiterpresse" zu stärken. 1989 und 1994 hatte der BSA auf Bundesebene und in Hamburg bei den Europawahlen mit jeweils 0,0%-Ergebnissen kandidiert. 2.5.6 Hamburger Bürgerschaftswahl 1997 Während auf rechtsextremistischer Seite fast das gesamte Jahr hindurch im Hinblick auf die Bürgerschaftswahl 1997 intensiv - aber ergebnislos - über Bündnisbildungen bzw. denkbare Listenkonstellationen nachgedacht, debattiert und sondiert wurde, wurde das Wahlthema auf linksextremistischer Seite nur in vagen Anspielungen gestreift. Die DKP kündigte zwar prinzipiell ihre Wahlteilnahme an, ließ die Form einer Kandidatur (Alleinoder Bündniskandidatur) jedoch offen. Bei der Bürgerschaftswahl 1993 hatten DKP-Mitglieder auf einer 10-köpfigen Bündnisliste "Linke Alternative - Wehrt Euch!" kandidiert. Vier Kandidaten gehörten der DKP an, drei der PDS, jeweils einer der "Alternativen Liste" (AL), der MLPD ( 3 2.5.2) und der " Volksfront" ( 5 siehe unter 2.5.3.1). Die Liste erzielte damals 0,5 % der abgegebenen Stimmen (4.312 Stimmen). Daneben hatte die " Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP, heute: "Vereinigungfür Sozialistische Politik", Z> 2.5.3.2) kandidiert und 0,0 % (274 Stimmen) erzielt. Anläßlich der Bundestagswahl 1994 kandidierten in Hamburg Mitglieder der DKP, der VSP und des BWK (O vgl. 2.5.3.1) auf der Liste der PDS. Da in der VSP und in den BWK-Nachfolgestrukturen anhaltend eine PDS-Orientierung vorherrscht, werden aus diesen Bereichen keine selbständigen (Allein-) Kandidaturen erwartet. Für Prognosen, ob und ggf. welche sonstigen linksextremistischen Gruppierungen sich auf eine Teilnahme vorbereiten und auch gesetzliche Voraussetzungen für eine Wahlzulassung erfüllen werden, lagen am Jahresende keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. 206 2.6 Linksextremistische Bestrebungen mit Hilfe moderner Informationstechnologie Seit die neuen Informationstechniken vermehrt Einzug in das private und das berufliche Leben gefunden haben, werden sie auch von Linksextremisten genutzt, die untereinander kommunizieren und gemeinsam politisch agitieren wollen. Unter den elektronischen Medien sind die Datenfernübertragung durch Mailboxen und MailboxVerbundsysteme hervorzuheben. Eine Mailbox ist eine Art elektronischer Briefkasten. Sie sammelt, verwaltet und verteilt Nachrichten ihrer Betreiber und der angeschlossenen Nutzer. Der Zusammenschluß mehrerer Mailboxen stellt ein Mailboxverbundsystem, auch Netz genannt, dar. Die Bedeutung der Informationsübermittlung über Mailboxen ist in den vergangenen Jahren rapide gewachsen. Seit Anfang der 80er Jahre, noch bevor Rechtsextremisten diese Form der Datenfernübertragung für ihre Zwecke entdeckten, wurde sie von der " Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) und der "Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend" (SDAJ) eingesetzt. Neben eigenen Mailboxen nutzen Linksextremisten auch fremde z.T. kommerziell betriebene Verbundsysteme. Über die modernen elektronischen Medien lassen sich Informationen schnellstmöglich, an breite Empfängerspektren sowie in weiteste Entfernungen übermitteln und sind über Mailboxen jederzeit verfügbar. Nachrichten können auch verschlüsselt oder durch Paßwörter vor dem Zugriff Dritter geschützt werden. Auch das weltumspannende "Internet" stößt auf rasant steigendes Interesse linksextremistischer Organisationen und Personenzusammenhänge. In Hamburg erwies sich die "Infogruppe Hamburg" (IFGHH) als eine Vorreiterin bei der Bekanntmachung der neuen Technologie insbesondere im linksautonomen Spektrum und bei der Verbreitung linksextremistischer Texte. Nach eigenem Verständnis will sie so "antiimperialistische, antikapitalistische, antifaschistische, antimilitaristische und antipatriarchale Politik in Hamburg und anderswo " unterstützen. Durch ihr Engagement in der Datenfernübertragung möchte die "Infogruppe" zur bundesweiten und internationalen Vernetzung der linksextremistischen Szene beitragen, um "linke Gegenöffentlichkeit" zu schaffen und die "herrschenden Verhältnisse umzustürzen ". "SpinnenNetz": anläßlich des Golfkrieges wurde 1991 das Mailbox-Verbundsystem "SpinnenNetz" u.a. aus Zusammenhängen des linksterroristischen Umfeldes heraus gegründet. Angesichts eines inzwischen erheblich verbreiterten Angebots anderer Netze, hat es in den letzten Jahren an Bedeutung stark verloren. Es wird vorrangig von Angehörigen der linksextremistischen Szene in Anspruch genommen und nutzt über das "International Counter Network" (ICN) auch Möglichkeiten zum Informationsaustausch mit dem Ausland. Über das "SpinnenNetz''-System wollen "Antiimperia207 listen" und "Autonome" der linksextremistischen Szene "unzensierte" Texte - auch mit verfassungsfeindlichen Inhalten - übermitteln. An das "SpinnenNetz" sind Mailboxen in Berlin, Bonn und Frankfurt/Main angeschlossen. Ihre Betreiber wollen nicht nur Informationen übermitteln, sondern auch Theorieund Praxisdebatten, über Fragen der Szene-Organisierung und über einschlägige linksextremistische Bezugsthemen führen, u.a. um "revolutionäre Bewegungen" voranzubringen. Die Vernetzung politisch-extremistischer Gruppen im "SpinnenNetz" verfolgt somit kaum einen technischen Selbstzweck oder gar Zeitvertreib, sondern dient primär zielgerichteten verfassungsfeindlichen Bestrebungen. So werden neben Mobilisierungsaufrufen zu Kundgebungen, Demonstrationen, " Widerstands "aktionen und sonstigen Veranstaltungen Propagandaerklärungen, Resolutionen und Diskussionsbeiträge zu linksextremistischen Kampagnen verbreitet, die sich u.a. in der Agitation gegen das PKK-Betätigungsverbot richten oder den militanten Widerstand gegen " Castor "-Transporte unterstützen sollen. " SpinnenNetz " ist hierarchisch organisiert. Leseund Schreibberechtigungen werden je nach Intensität der Mitarbeit einzelner Gruppen zugestanden. Auf der untersten Ebene, dem Gaststatus, wird keine Mitarbeit verlangt, jedoch wird nur ein beschränkter Lesezugriff eingeräumt. Informationen von herausragender Bedeutung werden mit dem Programm "Pretty Good Privacy" (sinngemäß etwa: "ziemlich gute Privatsphäre") verschlüsselt, da die Szene befürchtet, Inhalte ihrer Nachrichten könnten unerwünschten Personen bekannt werden und zu nachteiligen Konsequenzen führen. In der bundesweit beachteten autonomen Berliner Szenezeitschrift "Interim" Nr. 361 vom 01.02.96 wurde dazu aufgerufen, alle Informationen zu verschlüsseln. Dadurch würden " Telefonund Postüberwachung" für den Staat zunehmend schwieriger. Unter Verwendung spezieller Software ist auch ein durch "PGP" verschlüsseltes Telefonieren möglich. "ComLink": Linksextremisten nutzen auch das nicht-kommerzielle Mailbox-Verbundsystem "Computernetzwerk Linksysteme", kurz "ComLink" oder "CL" genannt. Im Gegensatz zum "SpinnenNetz" ist "CL" nicht hierarchisch gegliedert und auch nicht von Extremisten dominiert. Allerdings werden einige CL-Mailboxen von politischen Extremisten betrieben oder überwiegend genutzt. Auch in der Mailbox "ComLink Hamburg" finden sich linksextremistische Beiträge. Orthodoxe Kommunisten, Marxisten-Leninisten und sonstige revolutionäre Marxisten sowie "Autonome" und "Antiimperialisten" agitieren im "CI"-Netz u.a. zu den Kampagnenthemen "Antifaschismus", "Solidarität mit der PKK" oder "Kampf gegen Atomkraftwerke". In das "CZ/'-Netz wurde z.B. im September 1995 von der "Infogruppe Hamburg" die Erklärung der terroristischen Gruppe "Antiimperialistische Zelle" (AIZ) zum Sprengstoffanschlag auf das Wohnhaus des CDU-Bundestagsabgeordneten BREUER vom 17.09.95 in ein "CL"-Brett eingestellt. Die Hamburger Mailbox "Bingo" bietet im "CL"-Netz ein umfangreiches Archiv zum Thema "Rechtsextremismus" an. 208 "Internet": Das "Internet" wurde 1969 als Mailbox-Verbundsystem zwischen militärischen Forschungseinrichtungen der USA gegründet. Später wurde es in einen militärischen und einen zivilen Zweig geteilt. Aus letzterem hat sich ein internationales Verbundsystem entwickelt. Auch das "Internet" wird von Linksextremisten zunehmend zur politischen Agitation mißbraucht. So wurde seit Dezember 1995 die verbotene linksextremistische Druckschrift "radikal" auszugsweise verbreitet. Anbieter aus den USA und den Niederlanden stellten deren Texte für "Internet"-User zur Verfügung. Das "SpinnenNetz" hat Zugang zum "Internet". Auch die militante "Autonome Antifa (M)" aus Göttingen agitiert im "Internet". Diese Gruppe begründete ihre Wertschätzung des "Internet" damit, daß das sich angeblich "verschärfende" politische Klima in Deutschland ihre Möglichkeiten einschränke, sich bürgerlicher Medien zu bedienen oder durch öffentlichkeitswirksame Aktionen politischen Einfluß zu gewinnen. 1996 agitierte die "(M)" vor allem gegen strafrechtliche Verfolgung {"Kriminalisierung") mehrerer ihrer Mitglieder. Der Anbieter der Informationen der "(M)" ist in den Niederlanden ansässig und unterliegt daher nicht dem Zugriff deutscher Sicherheitsorgane. Sein Verhältnis zur Gewalt erläuterte ein Vertreter der "Autonomen Antifa (M)" im "Antifa Jugendinfo" (August): Die Frage sei nicht Gewalt oder Gegengewalt, sondern "gegen wen ich meine Aktionen richte". Militanz sei eines von vielen Mitteln "der Auseinandersetzung". Sonstige Medien: Neben "SpinnenNetz" und "CL" ist noch das linksextremistische Mailboxverbundsystem der anarchistischen "Freie Arbeiter Union" (FAU) zu erwähnen. In Hamburg existiert eine FAU-Ortsgruppe. Der Einzug der Computer-Technologie in das Medienarsenal verfassungsfeindlicher Bestrebungen flankiert die Nutzung der - daran gemessen - geradezu konventionell wirkenden übrigen Mittel. So gehören zur Ausrüstung autonomer und antiimperialistischer Zusammenhänge neben Mailboxen auch Telefonketten, sog. "Info"und "jVo/rw/'-Telefone sowie unkommerzielle "alternative" Radiosendungen. Vor allem vor, während und nach Aktionen werden Mobilfunktelefone eingesetzt, um deren Verlauf oder angebliche "Bullenübergriffe" (polizeiliche Personenkontrollen, Festnahmen) zu melden sowie bestimmte Verhaltensweisen von Aktivisten verdeckt zu dirigieren. Perspektiven: Elektronische Medien - vor allem Mailboxen - als Werkzeug linksextremistischer Bestrebungen werden international, bundesweit und auch in Hamburg weiter an Bedeutung gewinnen. Die aktuelle Entwicklung der letzten Jahre hat erwiesen, daß die linksextremistische Szene es nicht versäumt, technische Innovationen umgehend aufzugreifen, in sie zu investieren und sie für ihre verfassungsfeindlichen Zielsetzungen anzuwenden. Damit ist auch eine neue Qualität der Herausforderung staatlicher Sicherheitsorgane verbunden. 209 3. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 3.1 Allgemeines 3.1.1 Hintergrund und ßestrebungsmerkmale Die in Deutschland lebenden mehr als 7 Millionen ausländischen Staatsangehörigen bilden einen Bevölkerungsanteil von etwa 8,8 %. In Hamburg liegt ihr Anteil mit 15,9 % - wie in allen Ballungszentren - deutlich höher als im Bundesdurchschnitt. Zweifellos distanziert sich die überwältigende Mehrheit der hier lebenden Ausländer von extremistischen Gruppierungen und beobachtet politische Zuspitzungen in der Heimat schon wegen der daraus resultierenden Aktionen ihrer Landsleute in Deutschland mit Sorge. Nur eine Minderheit nutzt ihre hier im Vergleich zur Heimat gesicherte Lebenssituation für politisch-extremistische Bestrebungen und Betätigungen. Diese Minderheit macht nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch die Sicherheitsbehörden auf sich aufmerksam. Fast unverändert werden etwa 2.260 (unter 1 %) der in Hamburg lebenden knapp 273.000 Ausländer Organisationen zugerechnet, die dem gesetzlichen Beobachtungauftrag des Verfassungsschutzes unterliegen. Dabei ist in Rechnung zu stellen, daß bei einer nicht unerheblichen Zahl von Mitgliedern, Sympathisanten und sonstigen Anhängern in erster Linie familiäre und herkunftsbedingte Bindungen und Beziehungen den Anstoß dazu geben, sich in die Disziplin extremistischer Organisationen einbinden zu lassen. Häufig lassen sie sich als Unterstützerpotential mitreißen bzw. einspannen, wenn herausfordernde Ereignisse in der Heimat zu Betroffenheit und massiven Protestaktionen der im Ausland lebenden politisch-extremistisch engagierten Landsleute führen. Ausländerorganisationen unterliegen dem gesetzlichen Auftrag der Beobachtung durch den Verfassungsschutz, wenn sie (SS 4 HmbVerfSchG) * sich mit ihren Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und die innere Sicherheit wenden und/oder * durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange Deutschlands gefährden und/oder * sich ihre Bestrebungen gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenleben der Völker richten. Unter dem Aspekt der Bedrohung deutscher Sicherheitsinteresssen sind die seit 1993 mit einem Betätigungsverbot belegte "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK nebst Propa210 gandaorganisation ERNK) und die aus der seit 1983 verbotenenen "Devrimci Sol" (türkische Linksextremisten) hervorgegangenen DHKP-C und THKP/-C von besonderer Bedeutung. Während das Verhalten der PKK-Anhänger in Deutschland in früheren Jahren von gewalttätigen Ausschreitungen geprägt war, hat sich im Laufe des Jahres offenbar die Überzeugung durchgesetzt, daß den übergeordneten Interessen der Partei bis auf weiteres am besten mit einer Deeskalation und einem Verständigungskurs gegenüber deutschen staatlichen Stellen gedient werden könnte. Die Anhängerschaft der " Devrimci Sol" hat demgegenüber unverändert ein gefährliches Gewaltverhalten an den Tag gelegt. Deutsche auswärtige Belange können u.a. schon dadurch gefährdet werden, daß - vom Territorium der Bundesrepublik aus - auf Gewaltanwendung gerichtete Vorbereitungshandlungen stattfinden. Diese Voraussetzung erfüllen z.B. bereits Geldsammlungen, wenn damit militärische oder terroristische Einheiten in der Heimat, ggf. auch in anderen Gaststaaten, finanziert bzw. Waffen beschafft werden. Besonders linksextremistische türkische und kurdische sowie iranische Widerstandsorganisationen sind in dieser Hinsicht auffällig geworden. Solche " Spenden "-Erhebungen berühren dazu die innere Sicherheit in Deutschland immer dann in nicht hinnehmbarer Weise, wenn sie sich unter Androhung oder Ausübung von Gewalt unter erpresserischen Umständen vollzieht. Unmittelbar und augenfällig werden auswärtige Belange immer dann gefährdet, wenn sich politisch motivierte Gewalt gegen ausländische Vertretungen, religiöse, kulturelle und kommerzielle Einrichtungen von Ausländern oder - personenbezogen - direkt gegen ausländische Mitbürger richtet. Der Anspruch auf staatlichen Schutz vor Straftätern ist unteilbar und gilt für alle in Deutschland lebenden Menschen. Über die größte und zudem anhaltend wachsende Anhängerschaft der politisch-extremistischen Ausländerorganisationen verfügen islamische Extremisten. Sie sind zu fast 90 % türkischer Herkunft. Ihre Zahl wird auf bundesweit etwa 31.000 geschätzt - angesichts von mindestens 2 Millionen in Deutschland lebenden Muslimen letztlich immer noch eine relativ kleine Minderheit. Sie sieht den Islam nicht nur als geistigreligiöses Kulturgut, sondern als politische Direktive und Handlungsanleitung. Kennzeichnend für diese Form des Extremismus (Islamismus) ist die Ideologisierung und damit Instrumentalisierung des Islam mit dem Ziel, Pluralismus und Mehrparteiensystem durch ein einzig auf dem Koran basierendes System - einen Gesellschaft und Staat umfassenden totalen "Gottesstaat" - zu ersetzen und den in westlichen Rechtsordnungen verankerten Menschenrechten den Universalanspruch des Koran überzuordnen. Eine unmittelbare Gefährdung der inneren Sicherheit Deutschlands, vergleichbar mit dem Aktionsgeschehen linksextremistischer Ausländerorganisationen, geht von Islamisten derzeit nicht aus. Allerdings muß das sich hier ggf. bildende Gefahrenpotential sorgfältig beobachtet werden. Schon heute geht mit dem Islamis211 mus zumeist eine mehr oder weniger offen verbreitete antijüdische oder antizionistische Polemik einher, die in ihrer Aggressivität ein nicht zu unterschätzendes Konfliktpotential offenbart und sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Organisationen von Iranern und Arabern blieben in Deutschland von ihrer Zahl und ihren Aktivitäten her auch in diesem Jahr Randerscheinungen im Ausländerextremismus. Aufgrund ihrer terroristischen Aktivitäten im Ausland beanspruchen sie allerdings nach wie vor die Wachsamkeit deutscher Sicherheitsbehörden. 3.1.2 Gewalthandlungen und sonstige Gesetzesverletzungen / Statistik Im vergangenen Jahr wurden bundesweit insgesamt 269 Gewalttaten erfaßt, bei denen ein ausländerextremistischer Hintergrund erwiesen oder aufgrund der Gesamtumstände zu vermuten ist. Diese Zahl bedeutet gegenüber dem Vorjahr nur einen geringfügigen Rückgang um etwa 5 % (1995: 283 Gewalttaten). Die Summe schwerer Gewaltakte (Tötungsdelikte, Sprengstoff-/Brandanschläge) ist von 190 auf 124 zurückgegangen. 212 Der drastische Anstieg von Brandanschlägen von 1994 auf 1995 (von 56 auf 188) hat sich erfreulicherweise nicht verfestigt. Die Vorjahreszahl hat sich um 68 auf nunmehr 120 im Jahre 1996 vermindert. Gleichwohl bedeutet dieses Ergebnis gegenüber den 7 Jahren von 1988 - 1994 immer noch eine Steigerung. Allein 50 Brandanschläge wurden im Zusammenhang mit Hungerstreiks in der Türkei verübt. Hinter der überwiegenden Zahl dieser Anschläge stehen - abweichend vom Vorjahr - nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden linksextremistische türkische Organisationen (Z> 3.3.2). 1995 wurde die Mehrzahl der Anschläge der PKK (O 3.2.2) zugerechnet. Gewalttaten und sonstige Gesetzesverletzungen 1995 1996 Tötungsdelikte 1 1 Versuchte Tötungsdelikte 0 1 Sprengstoffansch läge 1 1 Brandanschläge * 188 120 Summe der schweren Gewaltakte 190 124 Freiheitsberaubungen 4 13 Raub/Erpressung ** 13 44 Körperverletzungen 19 23 Landfriedensbrüche *** 15 27 Sachbeschädigungen mit erhebl. Gewaltanwendung 30 24 Nötigungen 12 14 Summe der sonstigen Gewaltakte 93 145 Gewalttaten insgesamt ^BJT*PS^M Gewaltandrohungen 31 15 Sonstige Gesetzesverletzungen 276 260 Insgesamt 590 544 *) umfaßt Brandstiftungen und alle Sachbeschädigungen unter Einsatz von Brandmitteln **) hohe Dunkelziffer bei Spendengelderpressungen ***) z.T. mit Körperverletzungen (1995 mind. 7, 1996 mind. 9) und Tötungsversuchen (1995: 1) In Hamburg ist die Zahl der Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem ausländerextremistischem Hintergrund von 30 (1995) um 10 % auf 27 zurückgegangen (Diagramm: nächste Seite). In Hamburg wurden insgesamt 8 Brandanschläge gezählt (1995: 14). Sie richteten sich u.a. gegen Einrichtungen türkischer Organisationen, Reisebüros, und Vereinsräume. Allein 4 davon fanden im Januar als Reaktion auf Gefangenenmeutereien statt, die in der Türkei mehrere Todesopfer forderten. Die Urheber sind u.a. der DHKP-C 3 3.3.2.1) und den TKP-ML-Flügeln (O 3.3.2.3 und 3.3.2.4) zuzuordnen. Auf Hintergründe und Einzelheiten wird in den nachfolgenden Kapiteln - im Kontext mit den beschriebenen Organisationen - eingegangen. 213 3.2 Kurden 3.2.1 Allgemeines Etwa 22 Millionen Menschen kurdischer Volkszugehörigkeit leben ohne eigenen Nationalstaat in einem geographisch zusammenhängenden Siedlungsgebiet, das sich u.a. auf Territorien Irans, Iraks, Syriens und Armeniens erstreckt, mehrheitlich (ca. 12 Millionen Kurden) aber auf die Türkei. Im Irak leben Kurden seit 1991 in einer LTNOSchutzzone in faktischer Autonomie ohne formelle Anerkennung Iraks. Bewaffnete Autonomiebestrebungen der Kurden im Iran und in der Türkei wurden stets niedergeschlagen. In Deutschland leben nach Schätzungen 450.000 bis 500.000 Personen kurdischer Abstammung, überwiegend aus der Türkei (Hamburg: schätzungsweise 24.000 - 28.000). Ein Teil gehört politischen Organisationen an, die in ihren Heimatregionen um Autonomie kämpfen: teils friedlich mit politischen Mitteln, teils mit militärischer oder terroristischer Gewalt. Etwa 10.800 in Deutschland lebende Kurden werden extremistischen Gruppierungen zugerechnet. Irakisch-kurdischen Gruppierungen in Deutschland werden rund 400 Personen zugerechnet. Es handelt sich um Mitglieder von Parteien, die in der "Kurdistan-Front 214 Irak" (KPI) zusammengeschlossen sind. Dazu gehören die "Demokratische Partei Kurdistans-Irak" (DPK), die den Nordteil des Iraks zur Türkei hin beherrscht, und die "Patriotische Union Kurdistans" (PUK), die bisher im Süden des Nordiraks an der Grenze zum Iran politischen Einfluß beansprucht. Die KFI erstrebt einen föderativdemokratischen Teilstaat Kurdistan in einem Bundesstaat Irak. Sie streiten jedoch um die Vorherrschaft in der Region. Ende August flammten unter ihnen erneut Kämpfe auf, in die sich iranische Streitkräfte auf Seiten der PUK und irakisches Militär auf Seiten der DPK eingemischt haben sollen. Mit irakischer Hilfe gelang es der DPK, die PUK aus der Provinzhauptstadt Erbil zu vertreiben und vorübergehend fast das gesamte nordirakische Kurdengebiet zu kontrollieren. Mitte Oktober eroberte die PUK den größten Teil der verlorenen Gebiete zurück. Trotz Waffenstillstands schwelt der Konflikt weiter. Von Anhängern der DPK und PUK sind in Deutschland bisher keine Gewalttaten ausgegangen. Einen föderativen Staat Kurdistan innerhalb der Türkei erstrebt die marxistisch-leninistischen Idealen folgende "Sozialistische Partei Kurdistans" (PSK). Sie ist in Deutschland durch etwa 400 Anhänger des " KOMKAR - Verband der Vereine aus Kurdistan " vertreten. Diesem Dachverband gehört in Hamburg der " Kurdisch-Deutsche Freundschaftsverein e. V. " an. "KOMKAR" ist bisher ebenfalls nicht militant aufgefallen. Äußerst militant agierten in der Vergangenheit dagegen die etwa 10.000 in Deutschland lebenden Anhänger der linksextremistischen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK). Ihr bundesweites Sympathisantenumfeld beläuft sich auf etwa 50.000 Personen. Dem Hamburger Einzugsbereich werden etwa 500 PKK-Anhänger zugerechnet. Unter ihrem Gründer und mit diktatorischer Macht ausgestatteten Generalsekretär Abdullah ÖCALAN kämpfte die PKK anfänglich für einen sozialistisch geprägten Staat "Großkurdistan", sprach zeitweilig aber von der Errichtung eines autonomen Gebietes innerhalb der Türkei. Sie sieht sich als legitime Vertreterin des gesamten kurdischen Volkes. 1984 eröffnete der bewaffnete Flügel der PKK, die " Volksbefreiungsarmee Kurdistans" (ARGK, damals: HRK) in der Südosttürkei einen militärischen - zum Teil terroristischen - Guerillakampf gegen den türkischen Staat. Bei uns tritt die PKK durchweg unter der Fahne ihrer Propagandaorganisation "Nationale Befreiungsfront Kurdistans " (ERNK) auf. Am 26.11.93 wurde gegen PKK und ERNK durch den Bundesminister des Inneren ein Betätigungsverbot erlassen. Eine Reihe von Nebenund Teilorganisationen wurde verboten und aufgelöst, darunter die Dachorganisation "FEYKA-Kurdistan". Im März 1994 entstand ein neuer Dachverband, die "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V." (YEK-KOM), der Funktionen der verbotenen "FEYKA-Kurdistan " übernommen hat. In Hamburg ist das " Kurdistan Volkshaus e. V. " Mitgliedsverein dieser Föderation. 215 3.2.2 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Von der PKK gingen auch nach dem Verbotsakt von 1993 Gefahren für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland aus. Das Verbot und die mit Verbotsverstößen verbundenen strafrechtlichen Wirkungen hielten die Organisation nicht davon ab, mit erhöhter Konspiration und Serien zum Teil brutaler Anschläge und Gewaltoperationen gegen die Ordnung des Gastlandes Deutschland zu verstoßen und die staatlichen Sicherheitsorgane herauszufordern. Leidtragende dieser Aggressionen waren insbesondere türkische Einrichtungen in Deutschland. Auf diese Weise bestimmte die PKK auch in den ersten Monaten diesen Jahres das öffentliche Erscheinungsbild der hier politisch engagierten Kurden. Seit dem Frühjahr scheint die PKK-Führung erkannt zu haben, daß Konsequenzen der von ihr ausgehenden Bedrohung sich letztlich gegen die eigenen Interessen richten könnten. Ihr Generalsekretär ÖCALAN gestand ein, die öffentliche Meinung und drohende verschärfte Restriktionen in Deutschland falsch eingeschätzt zu haben. Es bleibt abzuwarten, ob seine Mäßigungsappelle an die eigene Anhängerschaft nicht nur vorübergehenden taktischen Bedürfnissen dienen, sondern Zeichen eines nachhaltigen Richtungswechsels hin zu einem friedlich angelegten Verhalten sind. Deutschland hat erhebliche strategische Bedeutung (Rekrutierungsraum, Geldbeschaffung) für den bewaffneten Kampf der PKK in Kurdistan und spielt auch eine zentrale Rolle für PKK-Exilorganisationen (Finanzierung des Organisationsapparates) in anderen europäischen Ländern. 3.2.2.1 Demonstrative Aktionen Gleich zum Jahresbeginn erfuhren die Sicherheitsbehörden, daß die PKK sich mit gewalttätiger Absicht auf Veranstaltungen in mehreren Städten - u.a. Hamburg - vorbereitete. Dabei sollte es insbesondere beim provozierten Einschreiten der Polizei zu militanten Auseinandersetzungen kommen. Tatsächlich wurden am 12. Februar in Stuttgart, Berlin, Frankfurt/M. und Hannover demonstrative Aktionen festgestellt. Starke Polizeipräsenz und intensive Kontrollen verhinderten, daß dabei Straftaten verübt wurden. In Stuttgart löste die Polizei eine Versammlung von rund 250 Personen auf, die Parolen skandierten und eine aggressive Haltung einnahmen. In Hamburg blieben die befürchteten gewalttätigen Aktionen aus. Zum "50. Jahrestag der Gründung der kurdischen Republik" war für den 20. Januar eine Großdemonstration in Dortmund angemeldet worden. Die Veranstaltung sollte an die 1946 im Iran ausgerufene "Kurdische Republik Mahabad" erinnern, wurde wegen des PKK-Hintergrundes jedoch verboten. Eine Ersatzveranstaltung sollte am 27. Januar in Saarbrücken stattfinden. Auch diese unter dem Motto "Politische Lösung des Kurdistan-Konflikts " vom " Kurdischen Kulturverein " angemeldete Veran216 staltung wurde verboten. Beide Verbote lösten - trotz ÖCALANs seinerzeitigen Interview-Drohungen - keine gewalttätigen Reaktionen aus. Für den 9. März hatte eine Person aus dem Spektrum deutscher autonomer Linksextremisten eine Demonstration in Bonn anläßlich des "Internationalen Frauentages" - Motto: "Freiheitfür Kurdistan! Für einen weltweiten revolutionären Frauen/Lesbenbefreiungskampß'" - angemeldet. Deutsche "Autonome Frauen/Lesbengruppen" wollten sich beteiligen. Tatsächlich bestritt die PKK-Frauenorganisation " Union der freien Frauen aus Kurdistan " (YAJK) diese Demonstration mit 1.200 bundesweit angereisten Personen (90% Frauen und Kinder) überwiegend kurdischer Volkszugehörigkeit. Unter ERNKund PKK-Fahnen bzw. sonstigen verbotenen Symbolen skandierten die Teilnehmer Parolen wie "Ich bin PKK!". Fahnenträgerinnen wurden systematisch von einigen Männern und Frauen mit Kinderwagen abgeschirmt. Der Versuch, über die Veranstalterin auf die Teilnehmer der Demonstration einzuwirken, blieb wirkungslos. Als die Polizei die verbotenen Gegenstände beschlagnahmen wollte, wurde sie mit Flaschen, Dosen und Pflastersteinen beworfen und mit Tränengas, Stangen und Brettern attackiert. 12 Polizeibeamte wurden erheblich verletzt. Eine ursprünglich für Hamburg am 16. März geplante Großdemonstration, die auf das Streben der Kurden nach staatlicher Autonomie und auf die o.g. Waffenstillstandserklärung hinweisen sollte, wurde nach Dortmund verlegt. Unter dem Eindruck der eine Woche zuvor in Bonn gewalttätig verlaufenen Frauendemonstration wurde für Dortmund ein - von der PKK ignoriertes - Versammlungsverbot erlassen. Europaweit mobilisierte Kurden versuchten, den verbotenen Demonstrationsort zu erreichen. An Grenzübergängen von und nach Belgien und den Niederlanden kam es zu erheblichen gewalttätigen Auseinandersetzungen. Polizeikräfte wurden brutal von knüppelbewaffneten PKK-Anhängern angegriffen und verletzt. Drei Dienstwaffen wurden entwendet. Zwei Beamte erlitten schwere Kopfverletzungen. Trotz Abriegelungen erreichten rund 2.000 Kurden ihr Dortmunder Ziel, wo Polizeieinsatzkräfte u.a. mit Pflastersteinen attackiert wurden. Es wurden Brandanschläge auf ein Reisebüro und ein Postamt verübt. Die Polizei erteilte 2699 Platzverweise, nahm 1166 Personen in Gewahrsam und 284 vorläufig fest. Am Hamburger ZOB trafen sich am späten Vorabend rund 275 Personen. Da lediglich 5 Busse in Richtung Dortmund abfuhren, blieben rund 100 unfreiwillig zurück, die in einem Aufzug Richtung Steindamm marschierten und dabei mit Steinwürfen auf Polizeibeamte zielten. 30 Personen wurden in Gewahrsam und 3 festgenommen. Am 16. März kehrten rund 200 überwiegend jugendliche PKK-Anhänger mit Bussen aus Richtung Dortmund zurück. Zusammen mit bereits am ZOB anwesenden Kurden bildeten sie einen Demonstrationszug, der friedlich verlief. Abends formierte sich ein "Spontanaufzug" vor dem "Rote Flora "-Zentrum. Etwa 50 zum Teil Vermummte - überwiegend Deutsche - liefen durch das Schanzenviertel, skandierten Parolen gegen das "PKK-Verbot", verteilten Flugblätter und klebten Plakate mit dem ERNK-Symbol. 217 Vor dem Hintergrund der Gewalt vom 9./16. März und von Erfahrungen in früheren Jahren mußten sich die Sicherheitsbehörden im Vorfeld des kurdischen Neujahrstages {"Newroz", 21. März) und im Zusammenhang mit bundesweit geplanten " Newroz" - Feiern auf erneute schwere Gewalttaten einstellen. Bereits am 19. März hatten Kurden in Düsseldorf, Hannover und Mainz versucht, in die jeweiligen Landtage einzudringen und sich mit Protesten bemerkbar zu machen. In den Mittagsstunden dieses Tages versammelten sich ca. 35 PKK-Aktivisten vor der Hamburger SPD-Zentrale. Eine vermutlich beabsichtigte Besetzung wurde polizeilich verhindert. In Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Bayern wurden mehrere für den 20./21. März geplante "Newroz"-Veranstaltungen verboten, in Hamburg eine von der "Kurdistan Solidarität Hamburg" (deutsches antiimperialistisches Spektrum) für den 20. März angesetzte Demonstration vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht. Haupthintergrund in Hamburg war der Prozeßauftakt gegen drei PKKFunktionäre, die der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung beschuldigt wurden. Sie sollen 1994 die Hinrichtung von Abtrünnigen der PKK angeordnet haben. Trotz Verbots versammelten sich am Morgen etwa 55 Personen aus dem linksextremistischen Spektrum in der Nähe des Strafjustizgebäudes zu einem Aufzug, bei dem Transparente gegen das PKK-Verbot gezeigt wurden. Die Versammlung wurde polizeilich aufgelöst. Für den 20. März waren bundesweit insgesamt ca. 25 Demonstrationen (teils als Fakkelzüge) angemeldet, bis auf zwei Ausnahmen aber verboten worden. Gleichwohl versuchten in den jeweiligen Städten insgesamt mehrere tausend Demonstranten, sich zu versammeln. Bei intensiven polizeilichen Vorkontrollen wurden mehr als 800 Personen in Gewahrsam bzw. vorläufig festgenommen und über 5.200 Platzverweise erteilt. Die demonstrativen Aktionen verliefen weitgehend friedlich. In Hamburg war eine für den 20. März von den "Freunden des Kurdischen Volkes" angemeldete "Fackeldemo" verboten worden. Trotzdem versuchten etwa 50 Personen des linksextremistischen Spektrums im Stadtteil Altona, sich zu einem Aufzug zu formieren, was die Polizei verhinderte. Danach bildeten sich zwei neue Aufzüge: Einer in Altona (etwa 80 Teilnehmer), ein anderer am S-Bahnhof Sternschanze (etwa 100-120 Personen offenbar kurdischer Herkunft). Die zweite Gruppe versuchte, eine Demonstration zum Dammtorbahnhof durchzuführen und wuchs auf 250 Teilnehmer an. Polizeiliche Anordnungen zur Auflösung wurden ignoriert. Als der Umzug losmarschierte, wurden 194 Personen von der Polizei - die vereinzelt mit Steinen beworfen wurde - vorübergehend in Gewahrsam genommen. Eine Person wurde wegen Landfriedensbruchs (Steinwürfe) festgenommen. Für den 21. März wurden bundesweit etwa 10 Demonstrationen geplant, bis auf Veranstaltungen in Bremen und Kiel jedoch verboten. Die genehmigten Veranstaltungen verliefen ohne nennenswerte Störungen. Störungsfrei blieben auch vereinzelte unbe218 deutende Ansammlungen von Kurden in anderen Städten, wo die Polizei intensive Vorkontrollen durchführte. Anläßlich des 2. Jahrestages der Selbstverbrennung zweier PKK-Aktivistinnen demonstrierten am 22. März rund 150 Personen in Mannheim. Nach Aufforderung durch die Polizei wurden mitgeführte PKK-Fahnen eingerollt. Ein vorwiegend von deutschen Organisationen gebildetes Aktionsbündnis "Frieden jetzt" rief zu einer Großdemonstration am 15. Juni in Hamburg auf. Dem Bündnis gehörten kirchliche, gewerkschaftliche und andere demokratische Funktionsträger sowie sonstige Einzelpersonen an. Auch Personen und Organisationen aus PKK-nahen Zusammenhängen waren im Aktionsbündnis vertreten. Das Veranstaltungsmotto lautete: " Frieden jetzt! - Für die Beendigung des Krieges und ein friedliches und gleichberechtigtes Zusammenleben des kurdischen und türkischen Volkes ". Kurdische Sprecher erwarteten von der Demonstration Unterstützungsimpulse für die Friedensbewegung in der Türkei. Sie sollte sich durch einen betont friedlichen Verlauf grundlegend von vorangegangenen Konfrontationen zwischen kurdischen Demonstranten und deutscher Polizei unterscheiden. Das Veranstaltungskomitee rief die gesamte demokratische Öffentlichkeit und alle Kurden dazu auf, auf einer " sensiblen, verantwortungsbewußten undfriedlichen Basis" zu demonstrieren. Dieses Ziel wurde erreicht. In Deutschland lebende kurdische Teilnehmer reisten überwiegend aus den westlichen Bundesländern an. Dänische Kurden wurden von dänischen Grenzbeamten an der Ausreise gehindert und reagierten darauf u.a. mit Blockadeaktionen. Die Hamburger Polizei zählte rund 37.000 Demonstranten - fast ausschließlich Kurden, nur wenige Deutsche - sowie vereinzelte Anhänger linksextremistischer türkischer Organisationen. Die konkreten Erfahrungen am 15. Juni haben gezeigt, daß innerhalb der Demonstrationsleitung maßgeblich das PKK-Spektrum Ablauf und Gestaltung der friedlichen Demonstration bestimmte. Die Teilnehmer verhielten sich äußerst diszipliniert. Allerdings wurden zahlreiche verbotene Symbole gezeigt. Die PKK hat sich in Deutschland in den vergangenen Jahren auf breiter Front durch zielgruppenorientierte Einflußorganisationen Zugang zu gesellschaftlichen, beruflichen und kulturellen Bezugsgruppen unter der kurdischen Bevölkerung verschafft. Auch in Sportvereine wurden Gefolgsleute eingeschleust und in Vorstandsfunktionen gebracht. Zu einem für den 20. Juli in München geplanten Fußballturnier zu Ehren eines als Märtyrer verehrten Gefallenen der PKK hatten sich 16 kurdische Fußballvereine angesagt. Es wurden etwa 1.500 Teilnehmer und Besucher aus dem Inund Ausland erwartet. Trotz eines Veranstaltungsverbotes, stellte die Polizei insgesamt etwa 1.000 Angereiste fest, die vereinzelt PKK-Parolen anstimmten. Eine Straßenblokkade (40 Personen) wurde durch vorläufige Festnahme von 23 Personen beendet. In den Fahrzeugen von 3 Personen fanden sich Materialien zur Herstellung von Molotowcocktails. 219 Vor 12 Jahren hatte die ARGK (damals als HRK) ihren bewaffneten Kampf in der Türkei begonnen. Anläßlich des Jahrestages (15. August) veröffentlichte die der PKK nahestehende Zeitung "Özgür Politika" am 14. August eine Erklärung der ERNK, daß "das kurdische Volk weiterhin den psychologischen und terroristischen Angriffen des internationalen Imperialismus" ausgesetzt sei. Sie drohte sehr direkt mit "entschlossenen Kampfformen in Europa ", deutete zugleich aber auch diplomatische Initiativen an. Die Ambivalenz dieser Ankündigungen entsprach der wiederholt gepflegten PKK-Praxis, sich je nach Bedarf und anlaßbezogen wechselweise mit Drohgebärden oder eher friedlichen Tönen in Szene zu setzen. Im Gegensatz zur verbalen Drohkulisse verliefen die bundesweit angesetzten ARGK-Jahrestagsveranstaltungen ohne schwerwiegende Auseinandersetzungen. In Hamburg hatte die PKK-Jugendorganisation " Union der Jugendlichen aus Kurdistan" (YCK) für den 11. August ein Grillfest mit einem Laufwettbewerb im Stadtteil Harburg geplant, das u.a. wegen schlechter Witterung ausfiel. An einem vom ERNK-Bezirk Hamburg organisierten "Familienpicknick" im Volkspark Altona (18. August) beteiligten sich 500 - 700 Erwachsene und Kinder friedlich und ohne Zwischenfälle. 1995 war in Neumünster ein kurdischer Jugendlicher im Streit mit rechtsgerichteten Türken erschossen worden. Ihm zu Ehren fand am 7. September eine Gedenkveranstaltung in Neumünster statt, an der etwa 3.500 PKK-Anhänger und Sympathisanten der Partei teilnahmen. Sie skandierten PKK-Parolen und zeigten mehrere Fahnen mit Symbolen der verbotenen PKK. Einige verbrannten eine türkische Flagge. Bei Vorkontrollen hatte die Polizei Schlagwerkzeuge und eine Schreckschußpistole sichergestellt. Trotz spürbarer Aggressivität und Erregung der Teilnehmer befolgten sie im wesentlichen zuvor mit der Polizei getroffene Absprachen. Das diesjährige kurdische "Friedensfestival" am 21. September im Köln-Müngersdorfer Stadion sollte an die Tradition des früheren "Kurdistan-Festivals" anknüpfen. Initiator war die "Initiative Appell von Hannover c/o medico international, Frankfurt/M. " Der europaweiten Mobilisierung folgten rund 60.000 Menschen, die friedlich für ein Ende des Krieges in Kurdistan demonstrierten. Sie forderten u.a., das Verbot kurdischer Organisationen in Deutschland aufzuheben. Von der Bundesregierung verlangten sie politischen Druck auf die Türkei, damit dort die Menschenrechte geachtet und antikurdische Sondergesetze aufgehoben würden. In einer telefonischen Live-Übertragung kritisierte der PKK-Vorsitzende zwar das Vorgehen deutscher Strafverfolgungsbehörden, bemühte sich jedoch um Mäßigung, indem er u.a. auf demokratische Formen der politischen Auseinandersetzungen verwies. Die Veranstaltung hatte Volksfestcharakter. Allerdings wurden auch hier verbotene Symbole gezeigt. Am 24. September brach im Hochsicherheitsgefängnis der südosttürkischen Stadt Diyarbakir eine Gefängnisrevolte aus, in deren Verlauf mindestens 11 Häftlinge, zumeist PKK-Angehörige, ums Leben gekommen sein sollen. Hintergrund war eine beabsichtigte Umquartierung von Gefangenen, die angeblich Abmachungen mit der Ge220 fangnisverwaltung widersprach. Vor diesem Hintergrund fanden am 28. September im Bundesgebiet Protestdemonstrationen statt. In Bremen forderten 800 Personen friedlich "Freiheitfür politische Gefangene" und "Stopp mit den Massakern in türkischen Gefängnissen"An Berlin protestierten 750 Menschen unter dem Motto "Massaker an Häftlingen in türkischen Gefängnissen". In Stuttgart versammelten sich 250 Kurden zu einer Spontandemonstration "Gegen das Massaker in Diyarbakir". Es wurden kurdische Parolen und vereinzelt PKK-Rufe skandiert sowie eine PKK-Fahne gezeigt. Dabei fiel auf, daß die Akteure sich bemühten, Konflikte mit Sicherheitskräften zu vermeiden, PKK-Anhänger sich mit verbotenen Parteisymbolen zurückhielten. 3.2.2.2 Hungerstreikaktionen und Proteste gegen Menschenrechtsverletzungen Vom 3.24. Juni traten mutmaßliche PKK-Anhänger in Bonn in einen Hungerstreik, um ihre "Solidarität mit den hungerstreikenden Gefangenen in der Türkei und in Kurdistan" zu bekunden. Anmelder war ein Vorstandsmitglied des Bonner "Kurdistan-Centrums e. V. ". Hintergrund war ein Mitte April von politischen Gefangenen in türkischen Gefängnissen begonnener Hungerstreik für die Verbesserung ihrer Haftbedingungen. Ein "Solidaritätskomitee mit den Hungerstreikenden" informierte per Flugblatt, Hunderte von Kurden befänden sich in Bonn, Brüssel, London, Genf und Stockholm zur Unterstützung der hungerstreikenden Gefangenen in den türkischen Gefängnissen im Solidaritätshungerstreik. In den türkischen Gefängnissen stünden Folterungen, Repressalien und sonstige Angriffe auf der Tagesordnung. Der türkische Staat verweigere den vom PKK-Vorsitzenden ÖCALAN angebotenen Dialog für eine politische Lösung der Kurdenfrage. Nach wie vor werfen insbesondere Menschenrechtsorganisationen türkischen Behörden vor, politisch mißliebige Personen zu verschleppen. Seit Mai 1995 organisierten insbesondere im Istanbuler Stadtteil Taksim betroffene "Mütter der Verschwundenen" vor dem dortigen "Galatasaray-Gymnasium" Protestveranstaltungen. Die Idee wurde später auch in westeuropäischen Ländern mit ähnlichen Protestaktionen aufgegriffen. In Hamburg begannen entsprechende Samstagsaktionen Ende Juli jeweils am Bahnhof Altona. Die türkischen und kurdischen Frauen nannten sich ebenfalls "Samstagsmütter". Anläßlich eines Staatsbesuches des türkischen Staatspräsidenten DEMIREL in Deutschland trafen sich etwa 30 Personen aus dem Umfeld der Hamburger "Samstagsmütter" im Zusammenwirken mit Personen einer deutschen Kurdistan-Solidaritätsgruppe am 5. November zu einer friedlichen Kundgebung auf dem Rathausmarkt. Die Innenministerkonferenz am 21./22. November in Hamburg nahmen - zum Teil linksextremistisch beeinflußte - deutsche und ausländische Gruppen zum Anlaß, um mit demonstrativen Aktionen für eine politische Lösung der Kurdistan-Frage einzureten. PKK-Anhänger führten am 22. November in der Nähe des Konferenzortes eine 221 Versammlung durch. Die Anmeldung hatte die deutsche Solidaritätsgruppe "Freunde des kurdischen Volkes" übernommen. Zwei weitere Aktionen sollten ebenfalls in der Nähe des Konferenzortes bzw. vor dem Untersuchungsgefängnis Holstenglacis stattfinden. Eine davon ging von der von Deutschen getragenen "Kurdistan-Solidarität Hamburg" aus. Auf der Innenministerkonferenz sollten auch Fragen des 1993 verhängten PKK-Verbotes erörtert werden. Die Versammlungen verliefen mit insgesamt nur etwa 180 Teilnehmern friedlich. Für den 7. Dezember plante die PKK im Hinblick auf den Tag der Menschenrechte (10. Dezember) eine bundesweite zentrale Veranstaltung in Köln. Zu einem Schweigemarsch wurden 25.000 Personen erwartet. Die Veranstaltung sollte von deutschen Unterstützern angemeldet werden. Nach einer Verschiebung auf den 14. Dezember und Verlegung des Versammlungsortes nach Bonn wurde die Veranstaltung verboten. Entgegen früher vielfach obligaten militanten Reaktionen auf Versammlungsverbote akzeptierten die Veranstalter das Verbot und hielten sich an den von ÖCALAN vorgegebenen friedfertigen Kurs. 3.2.2.3 Bombendrohungen, Anschläge und Barrikaden Den im Jahresverlauf registrierten Beispielen von Mäßigung ging in den ersten Monaten noch eine Zuspitzung von Gewaltvorkommnissen voraus. In der Nacht zum 8. Januar ging bei der Telefonauskunft der Telekom in Bonn eine gegen die türkische Botschaft gerichtete Bombendrohung ein, der allerdings keine Tatausführung folgte. Am frühen Morgen desselben Tages verübten unbekannte Täter einen Brandanschlag auf den türkischen Kulturverein in Singen/Baden-Württemberg. Am Tatort wurde eine der PKK zugeordnete Fahne gefunden. In Mannheim wurden an diesem Tag von unbekannten Tätern zwei Brandsätze gegen ein türkisches Reisebüro geschleudert. Auch hier wurde eine PKK-Fahne gefunden. Die Anschläge standen vermutlich im Zusammenhang mit der Niederschlagung von Gefängnisrevolten linksgerichteter Häftlinge in türkischen Gefängnissen. Ab 16. März folgten bundesweit insgesamt 16 Brandanschläge - zumeist mit Molotowcocktails - die teils im Zusammenhang mit dem bevorstehenden kurdischen " Newroz "-Fest, teils auch mit Maßnahmen deutscher Sicherheitsbehörden gegen die PKK gestanden haben dürften. Bis auf zwei Ausnahmen waren stets deutsche Einrichtungen betroffen. In verschiedenen Städten, auch in Hamburg, errichteten unbekannte Täter im Zusammenhang mit dem "Newroz"-Y=est brennende Barrikaden auf Straßen, wobei bevorzugt Autoreifen und Müllcontainer angezündet wurden. Die Täter dürften in den Reihen der PKK und/oder deutscher Unterstützerkreise zu suchen sein. 222 Am 20. März beobachteten Objektschutzkräfte der Polizei in Hamburg, wie an der Absperrung zum türkischen Generalkonsulat eine Bombenattrappe aus einem vorbeifahrenden Fahrzeug geworfen wurde. 3.2.2.4 Festnahmen, Strafverfahren, Verbote und sonstige Exekutivmaßnahmen In diesem Jahr ist es den Sicherheitsbehörden gelungen, eine Reihe führender PKKMitglieder festzunehmen, die nach Ermittlungen der Bundesanwaltschaft als Mitglieder einer terroristischen Vereinigung innerhalb der Führungsstrukturen der PKK gelten. Der Vereinigung gehören in der Regel Gebietsund Regionalverantwortliche in Deutschland sowie ständige Mitglieder der "Europäischen Frontzentrale" (ACM) an, denen schwerste Straftaten von Brandstiftung bis hin zu Tötungsdelikten vorgeworfen werden. Um Autorität und Macht der Partei zu sichern, soll diese Vereinigung mit Bestrafungsaktionen gegen interne Gegner und Dissidenten vorgehen. Die Festnahmeserie gegen hochrangige Funktionäre erschütterte unmittelbar die Infrastruktur und Aktionsfähigkeit der PKK in Deutschland und versetzte dem für die Einfädelung von Gewaltaktionen verantwortlichen Befehlsapparat empfindliche Rückschläge, die das strategische Umdenken der PKK-Führung mit beeinflußt haben dürften. Als Folge von Exekutivmaßnahmen sah sich die PKK veranlaßt, ihre Führungskader verstärkt nach dem Rotationsprinzip auszuwechseln, um weitere Zugriffe zu verhindern oder zu erschweren. Am 4. Januar wurde ein PKK-Gebietsleiter festgenommen, der die Parteiarbeit in Hannover organisiert hatte. Ihm wurde vorgeworfen, an zwei Brandanschlägen beteiligt gewesen zu sein. Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaften Braunschweig und Hannover wurden gegen mutmaßliche PKK-Angehörige u.a. wegen des Verdachts der schweren Brandstiftung, Bildung einer kriminellen Vereinigung Haftbefehle erlassen und am 18. Januar Durchsuchungsmaßnahmen in Hannover, Braunschweig, Salzgitter und Lingen durchgeführt. Zusätzlich wurde der " Deutsch-Kurdische Freundschaftsverein " in Hannover durchsucht, bei dem es sich um den zentralen Anlaufpunkt der PKK für Hannover handeln sollte. Wegen dringenden Tatverdachts der Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung wurde am 20. Januar nach Angaben der Bundesanwaltschaft ein Abgeordneter des PKK-dominierten Kurdischen Exilparlaments in Heidelberg verhaftet. Er war den Ermittlungen zufolge u.a. für die Gebiete Hannover und Berlin verantwortlich, später für die Region Nordrhein-Westfalen und zuletzt in Süddeutschland. Am 30. Januar durchsuchte die Polizei aufgrund von Beschlüssen des Ermittlungsrichters in einem Verfahren der Staatsanwaltschaft Lüneburg wegen Verdachts eines Verstoßes gegen das Vereinsgesetz das Zentraldepot der PKK für das Gebiet Hannover. Nach ersten Erkenntnissen wurden weite Teile Niedersachsens aus diesem Depot 223 mit Propagandamaterial der PKK versorgt. Mit der Beschlagnahme von gut zwei Tonnen Propagandamaterial wurde nach Einschätzung des Landeskriminalamtes die Propagandastruktur der PKK in Norddeutschland zerschlagen. Am 13. Mai verbot das Innenministerium des Landes Baden-Württemberg den "Deutsch-Kurdischen Freundschaftsverein" in Stuttgart und ordnete dessen sofortige Auflösung sowie die Einziehung seines Vermögens an. Der Verein sei eine zentrale Anlaufstelle für die PKK gewesen und habe sich an der Vorbereitung von Gewalttaten beteiligt. Bei der Durchsuchung der Vereinsräume und von 7 Wohnungen der Vorstandsmitglieder/Vereinsvorstände wurden u.a. Propagandamaterial, Plakate der PKK/ERNK und Spendenquittungen sichergestellt. Bei einer am selben Tag in diesem Zusammenhang auf der Grundlage von Gerichtsbeschlüssen in Stuttgart und Umgebung durchgeführten Durchsuchung von 21 Objekten von PKK-Anhängern wurden große Mengen Publikationen sowie Spendenquittungen der PKK/ERNK mit Gesamtbeträgen von weit über DM 200.000 DM sowie 75.000 DM Bargeld aufgefunden und sichergestellt. Ein hochrangiger PKK-Funktionär - mutmaßlicher Chef der " Europäischen Frontzentrale" (ACM) - wurde am 17. Juni in Celle/Niedersachsen festgenommen. Er wird der Rädelsfuhrerschaft in dieser terroristischen Vereinigung innerhalb der Führungsorganisation der PKK verdächtigt. Am 10. Oktober erhob die Bundesanwaltschaft vor dem Oberlandesgericht Celle Anklage gegen zwei mutmaßliche FUhrungsfunktionäre der PKK. Einer muß sich wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung, der andere wegen drei schwerer Brandstiftungen verantworten. Das Gerichtsverfahren war am Jahresende noch nicht abgeschlossen. In Essen durchsuchten Polizeibeamte am 25. Juni insgesamt 6 Objekte, die dem PKKUmfeld zugerechnet wurden. Sie stellten umfangreiches Material sicher und nahmen eine Person vorläufig fest. Am 22. Oktober wurde in Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz bei Durchsuchungen von insgesamt 92 Objekten mutmaßlicher Kader bzw. Aktivisten der PKK umfangreiches Beweismaterial beschlagnahmt. In Ulm wurden dabei 2 türkische Kurden - u.a. ein Gebietsbeauftragter - festgenommen. Ein kurdisches " Kulturzentrum " in Ulm stellte sich als Versammlungsstätte für PKKAktivisten heraus. Aufgrund eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Stuttgart wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz wurden am 6. November insgesamt 22 Objekte mutmaßlicher PKK-Angehöriger in Reutlingen, Tübingen, Eutingen im Gäu, Heilbronn, Neckarsulm, Aichtal und Stuttgart durchsucht. Neben Propagandamaterial der PKK stellte die Polizei Spendengeldquittungen sowie sonstige Aufzeichnungen sicher. In Reutlingen wurde aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Stuttgart ein mutmaßlicher Raumverantwortlicher der PKK festgenommen. Am nächsten Tag durchsuchte 224 die Polizei wegen des Verdachts der Unterstützung der PKK und einer anlaufenden PKK-Spendenkampagne mehrere Wohnungen sowie Räume des " Kurdischen KulturundSportvereins" in Reutlingen. Es waren auch Objekte in Stuttgart, Tübingen, Esslingen, Freudenstadt und Heilbronn betroffen. Auch hier wurden Spendengeldquittungen, Propagandamaterial und sonstige schriftliche Unterlagen sichergestellt. Das Bayerische Oberste Landesgericht verhängte am 5. Dezember gegen Gebietsverantwortliche der PKK in Freiburg und Nürnberg je 2 Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung. Der Gebietsleiter von München erhielt eine Freiheitsstrafe von 22 Monaten ohne Bewährung. Ob diese Urteile bis Jahresende rechtskräftig wurden, ist nicht bekannt. Schon allein aufgrund ihrer Leitungsfunktion in der PKK hätten sich die Angeklagten nach Ansicht des Gerichts der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung strafbar gemacht. Nach Auffassung des Strafsenats bildeten alle "professionellen Kader einer Region in Deutschland" eine solche Vereinigung, da sie für die Planung und Durchführung der seit 1993 von der PKK getragenen gewaltsamen Übergriffe auf türkische und deutsche Einrichtungen verantwortlich seien. Die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichtes war die erste Verurteilung aufgrund eines Strukturverfahrens. In Hamburg begann am 20. März vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht das Strafverfahren gegen drei mutmaßliche Mitglieder der PKK. Eine Frau - zuletzt Verantwortliche der Region Nord-West - wurde der Rädelsführerschaft, eine weitere Frau - zuletzt Verantwortliche des Bezirks Bremen - der Mitgliedschaft sowie ein Mann der Unterstützung einer Vereinigung beschuldigt, deren Zweck oder Tätigkeit darauf gerichtet sei, Mord und Totschlag sowie gemeingefährliche Straftaten zu begehen. Am 5. März 1997 wurden sie wegen versuchten Totschlags und der Bedrohung abtrünniger PKK-Mitglieder zu Haftstrafen von fünfeinhalb, vier bzw. dreieinhalb Jahren verurteilt. Ihre Opfer galten als Anhänger des Parteidissidenten und ÖCALANKritikers Selim CÜRÜKKAYA. Es war angeordnet worden, Anhänger CÜRÜKKAYAs mit Bestrafungsaktionen zu disziplinieren und engste Freunde zu töten. Die Beschuldigten waren nach Überzeugung des Gerichts Auftragggeber für Anschläge gegen Abweichler und haben den Tod der jeweiligen Opfer "mit in Kauf genommen ". Die Taten seien als versuchter Totschlag zu werten und nicht - wie es die Bundesanwaltschaft gefordert hatte - als versuchter Mord. "Niedrige Beweggründe" als Mordmerkmal lägen nicht vor. Die Täterso die mündliche Urteilsbegründung nach einer Pressemeldung - seien als besonders aktive und überzeugte PKK-Mitglieder einzig von dem Ziel motiviert gewesen, die kurdische Volksidentität zu wahren. Sie sähen in der PKK die einzige politische Kraft, die ihr physisches Überleben gegenüber der türkischen Regierung sichern könne. Das alles könne die Taten nicht rechtfertigen oder entschuldigen. Es befreie aber von einer über das Maß hinausgehenden Verwerflichkeit. Nach der mündlichen Urteilsbegründung (das Urteil ist noch nicht rechtskräftig) brach unter den etwa 100 Zuschauern im Gerichtssaal frenetischer Jubel aus. 225 3.2.2.5 Drohungen und Gewaltverzichtsbekundungen Im Vorfeld der türkischen Parlamentswahl am 24.12.95 hatte der PKK-Generalvorsitzende ÖCALAN am 14.12.95 einseitig einen Waffenstillstand erklärt, um ein günstiges Klima für etwaige Verhandlungen mit der neuen türkischen Regierung zu schaffen. Im Rahmen von Interviews - im Januar durch den kurdischen Sender MED-TV veröffentlicht - kommentierte ÖCALAN die Lage seiner Partei in Deutschland. Dabei richtete er u.a. Drohungen gegen Deutschland und warnte vor " unkontrollierten Ausschreitungen". Zahlreiche Gewaltaktionen der PKK auf deutschem Boden in den ersten Monaten 1996 hatten u.a. das Ziel, von hier aus direkt und indirekt politischen Druck auf die neue türkische Regierung auszuüben und sie zur Aufnahme von Verhandlungen mit der PKK zu bewegen. Als dieses Kalkül gescheitert war, endete Mitte August der Waffenstillstand mit der Wiederaufnahme von Kampfhandlungen. Nach den noch Ende Januar von ÖCALAN persönlich gegenüber Deutschland erhobenen massiven Drohungen folgte am 20. März im Hinblick auf das kurdische Neujahrsfest {"Newroz") aus gleichem Munde ein erster Mäßigungsappell. ÖCALAN rief die Kurden dazu auf, ihre Konflikte im Ausland friedlich zu regeln und und demokratische Spielregeln zu beachten. Es fiel auf, daß auf eine Reihe von Veranstaltungsverboten im Bundesgebiet für den 20. März nicht militant reagiert wurde. Trotz massiver Kritik an der Unterstützung Deutschlands für die Türkei lehnte ÖCALAN Racheakte in Deutschland ab. Anfang und Mitte Mai bekundete er in Interviews sein Bedauern über die Ausschreitungen vom Frühjahr. Er gab Fehler der PKK in Deutschland zu und räumte generell ein, das Negativecho in der deutschen Öffentlichkeit unterschätzt zu haben. Die PKK wolle nunmehr ausschließlich auf demokratische Weise für ihr Anliegen werben. In seinem ZDF-Interview vom 15. September sprach ÖCALAN abermals von Fehlern und versprach, daß es in Zukunft in Deutschland keine von der PKK ausgehende Gewalt mehr geben werde. Deutschland biete genügend Möglichkeiten zur demokratischen Auseinandersetzung. Mit den meisten seiner Aufrufe und Appelle verband ÖCALAN allerdings auch die Erwartung, daß Deutschland der PKK diplomatisch helfe und seine Positionen gegenüber der Türkei korrigiere. Gegenüber zahlreichen Aktionen der PKK in den ersten Monaten bedeutete dieses eine Zäsur. Vermutlich vollzog sich ÖCALANs Umsteuerung nicht ohne Widerstand innerhalb der Organisation. In spektakulärer Widersprüchlichlichkeit wechselten sich allerdings noch im ersten und zweiten Quartal harsche, geradezu kriegerische Drohungen gegenüber der Bundesrepublik und einlenkende, leisere und nachdenklicher klingende Töne einander ab. Drohte der PKK-Chef einerseits unverhohlen mit unkontrollierten Ausschreitungen, unnachgiebiger Härte und unterschwellig auch mit verheerenden Eskalationsakten, versuchte er wenige Tage später, sich vor der Weltöffentlichkeit in der Rolle eines zutiefst friedlich gesonnenen, staatsmännisch und di226 plomatisch denkenden und handelnden Gesprächspartners in Szene zu setzen. Festzuhalten bleibt, daß es seit dem Frühjahr - abgesehen von relativ unbedeutenden Zwischenfällen - zu keinen Gewaltanwendungen mehr gekommen ist. Selbst auf Vereinsverbote und Durchsuchungen von Vereinen - früher regelmäßig Startsignale für explosive Reaktionen - wurde betont zurückhaltend reagiert. 3.2.2.6 Beurteilung / Perspektiven Die PKK hat ihren jahrelangen Kurs militanter Konfrontation in der ersten Jahreshälfte zumindest ausgesetzt. Episoden, in denen die PKK im Zuge wechselhafter Strategien in Deutschland Verwirrung über ihren tatsächlichen Charakter zu stiften versuchte, waren in früheren Jahren wiederholt zu beobachten. Die nach einer letzten Gewaltserie im Frühjahr eingeleitete Phase moderaten Verhaltens dauert inzwischen länger, als alle vorangegangenen Pausen. Mit zunehmender Dauer wachsen die Chancen, daß die PKK die Suspendierung ihres alten Kurses militanter Konfrontation in Deutschland nicht nur als vorübergehenden taktischen Einschub versteht, sondern als prinzipielle Zäsur für eine dauerhafte Wandlung durchhält. Die Aussichten einer solchen Korrektur hängen naturgemäß auch davon ab, ob ein gemäßigter Kurs PKK-intern breit verankert und an der Basis mitgetragen wird. Er würde auf Widerstände stoßen, wenn Kritiker darauf verweisen könnten, daß er zu keiner Entspannung und Anerkennung - aus ihrer Sicht berechtigter - Belange führt. Es darf nicht übersehen werden, daß die prinzipielle Gewaltbereitschaft bei den PKK-Angehörigen latent weiter vorhanden und daß die PKK nach wie vor eine schlagkräftige, europaweit handlungsfähige Organisation ist. Die von ÖCALAN u.a. per Fernsehinterview eines griechischen Privatsenders noch am 11. März ausgesprochenen Drohungen, deutsche Interessen (Tourismus, Wirtschaftsunternehmen) in der Türkei anzugreifen, wurden im Jahresverlauf nicht wiederholt. ÖCALAN hatte Touristen vor Türkeibesuchen gewarnt. Die Tourismusregionen seien Krisengebiete von vorrangiger Priorität. Sollte die PKK dort aktiv werden, sei mit "extremen" Wirkungen zu rechnen. In einem Land, das Krieg führe, habe Tourismus keinen Platz. Nach Pressemeldungen besuchten die Türkei 1995 etwa 1,6 Millionen Deutsche. Nach dem Selbstverständnis der PKK bedeutet die Respektierung der deutschen Gesetze keinen Verzicht auf das Zeigen ihrer verbotenen Symbole in der Öffentlichkeit. ÖCALAN rechtfertigte dies am 15. Juni damit, daß die Kurden ein Volk seien, das vor der Gefahr stehe, vollständig vernichtet zu werden und sie einen Anspruch auf ihre demokratischen und nationalen Forderungen und Rechte hätten. Dazu gehört es offenbar, Fahnen und andere Symbole zu zeigen. Entsprechend gewalttätig reagierten in der Vergangenheit kurdische Demonstranten, wenn die Polizei verbotene Symbole, die den Freiheitskampf versinnbildlichen, sicherstellte. 227 3.3 Türken 3.3.1 Allgemeines In Hamburg leben etwa 71.000 türkische Staatsbürger. Türkische Staatsangehörige nichtkurdischer Volkszugehörigkeit bilden mit etwa 45.000 Personen die größte Gruppe von Ausländern in Hamburg. Das Gruppengefuge der türkischen extremistischen Organisationen umfaßt ein breites ideologisches Spektrum von revolutionärmarxistischen Gruppierungen über islamistische bis zu extrem-nationalistischen Organisationen. In Hamburg haben sie insgesamt wenig mehr als 1.300 Anhänger, mithin knapp 3 % dieser Bevölkerungsgruppe. Unter dem Aspekt der Bedrohung deutscher Sicherheitsinteressen sind die revolutionär-marxistischen Gruppierungen von besonderer Bedeutung, die in ihrer Heimat mit Gewalt gegen die Regierung vorgehen. Ihre Anhänger verstehen sich als Revolutionäre, die von deutschem Territorium aus den Kampf ihrer Gefährten in der Türkei propagandistisch und finanziell zu unterstützen versuchen. Abgesehen von der ohnehin bei politisch motivierten Umstürzlern auf der ganzen Welt zwangsläufigen Ablehnung der jeweils herrschenden Rechtsordnung, pflegen ausländische Extremisten ein den deutschen Rechtsnormen noch viel weniger angepaßtes eigenes Verständnis von moralisch "berechtigter" Gewalt {"Notwehr") und "legalem" Widerstand. Dieses wirkt sich z.B. in den Methoden von "Spenden" - Erhebungen, bei Regelverletzungen im Zuge demonstrativer öffentlicher Auftritte und in einer andersartigen Rechtsauffassung in Bezug auf militante Verhaltensweisen aus. Das nach außen sichtbare Verhalten türkischer Linksextremisten wurde das Jahr über in erster Linie von Ereignissen in der Türkei beherrscht, insbesondere, als in türkischen Gefängnissen Personen der eigenen Organisationen in Revolten und Hungerstreiks verwickelt waren oder gar starben. Die Schlagkraft und politische Wirkung der seit 1983 in Deutschland verbotenen linksextremistischen Organisation "Devrimci Sol" {"Revolutionäre Linke") sowie der TKP-ML {"Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten") wurde in den vergangenen Jahren jeweils durch Spaltungsprozesse geschwächt. Aus den - nur organisatorisch - weitgehend abgeschlossenen Klärungsprozessen bei der "Devrimci Sol" sind zwei neue Organisationen hervorgegangen: Die DHKP-C ("Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front", O 3.3.2.1) und die "THKP/-C Devrimci Sol" ("Türkische Volksbefreiungspartei/-Front", O 3.3.2.2). Gegenseitige Drohungen und blutige Auseinandersetzungen zwischen beiden Organisationen lassen keine Versöhnung erwarten. Die Anhängerschaft beider Organisationen summiert sich - bei einem deutlichen Übergewicht der DHKP-C - in Deutschland auf etwa 1.200 Personen. 228 Zeitlich fast parallel hatte sich 1994 die Spaltung der TKP-ML vollzogen. Anhänger des früher schon vorübergehend ausgescherten "Ostanatolischen Gebietskomitees" (DABK) sonderten sich erneut ab. Beide Flügel beharren darauf, jeweils die einzig legitime Fortsetzung ihrer Ursprungsorganisation zu repräsentieren, verzichten aber auf gewaltsame Klärungsversuche. Die ursprüngliche Organisationsbezeichnung TKP-ML verwenden beide in leicht verwechselbaren Versionen: Der (schwächere) DABK-Flügel mit Klammersetzung TKP(ML), der (stärkere) Stammflügel mit Schrägstrich TKP/ML. Beide (zusammen etwa 2.000 Anhänger) tolerieren sich gegenseitig ( 3 3.3.2.3 und 3.3.2.4). Eine andere - in Hamburg mit einem Stützpunkt vertretene - Abspaltung der TKP-ML machte sich vorwiegend im Rahmen von Aktionseinheiten bemerkbar: Die MLKP ("Marxistisch-leninistische Kommunistische Partei", O 3.3.2.5). Aus ihren Reihen heraus wurde im August in Duisburg ein Abtrünniger ermordet. Extrem-nationalistische türkische Organisationen hatten sich in den letzten Jahren in Deutschland öffentlich zurückgehalten. Das friedliche Zusammenleben der hier lebenden Ausländer und damit die innere Sicherheit können jedoch - auch in Hamburg - sehr schnell bedroht sein, wenn sich die Konfliktherde zwischen nationalistischen und linksextremistischen Türken / Kurden durch zugespitzte Ereignisse - hier oder in der Türkei - spontan aufheizen. Die extrem nationalistische Positionen vertretende ATF ("Almanya Türk Federasyonu" = Deutsche Türk Föderation) präsentiert sich als gemäßigte demokratische Organisation, deren Mitglieder die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland respektieren. Sie ist im Oktober als Nachfolgeorganisation der seit 1978 bestehenden ADÜTDF neu gegründet worden, im Bundesgebiet werden ihr etwa 140 Vereine mit rund 6.900 Mitgliedern zugerechnet. Von ihren politischen Gegnern werden die ATFAnhänger - wegen ihres Erkennungssymbols - als " Graue Wölfe " bezeichnet. Mit ihrer nationalistisch-chauvinistischen Ideologie eignet sich die ATF jedoch als Angriffsobjekt militanter politischer Gegner. Am Vereinsgebäude des Hamburger ATFMitgliedervereins " Türkische Familien Union in Hamburg und Umgebung e. V. " kam es, beispielsweise im Zusammenhang mit einer Solidaritätsdemonstration für im Hungerstreik befindliche politische Gefangene in der Türkei, sporadisch zu Konfrontationen mit türkischen Linksextremisten. Islamistische Organisationen, als stabilste und mitgliederstärkste allen voran die IGMG/EMUG ( 3 3.3.3.1), haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluß unter der hier lebenden türkischen Bevölkerung. Die stark an die türkische Wohlfahrtspartei ("Refah Partisi") angelehnte IGMG/EMUG vertritt ein islamistisches Staatsbzw. antiwestliches Demokratieverständnis. Ihre Propaganda wirkt der gesellschaftlichen 229 Integration in Deutschland ansässiger Moslems entgegen. Der besonders durch aggressive Polemik auffallende islamistische sog. KAPLAN-Verband (ICCB) ist in sich zerstritten und gespalten. Er besitzt in Hamburg keinen Stützpunkt. Die vom ICCB abgespaltene "Islamische Bewegung" (IH, O 3.3.3.2) betreibt im Stadtteil Wilhelmsburg eine Moschee. Das Mobilisierungspotential islamistischer türkischer Organisationen läßt sich schwer eingrenzen, zumal davon auszugehen ist, daß ihre Einrichtungen von Besuchern aufgesucht werden, für die religiöse und soziale Betreuung im Vordergrund steht. In Hamburg wird die engere Anhängerschaft unverändert auf etwa 1.000 Personen geschätzt, bundesweit auf gut 28.000. 3.3.2 Linksextremisten 3.3.2.1 DHKP-C Die DHKP-C {"Devrimci Halk Kurtulus Partisi -Cephesi / Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front") ist neben der THKP/-C (O 3.3.2.2) aus einer Anfang 1993 begonnenen und Ende 1994 auch in einer unterschiedlichen Namensgebung besiegelten Spaltung der "Devrimci Sol" (Kürzel: Dev Sol, "Revolutionäre Linke") hervorgegangen. Die ursprüngliche Dev Sol - so auch heute noch die DHKP-C - versteht sich als eine am Marxismus-Leninismus orientierte Volksbewegung, die auf dem Wege einer bewaffneten Revolution das türkischen Staatsgefüge zerschlagen will. Seit ihrer Gründung im Jahr 1978 bis heute hat sie in der Türkei durch Schußwaffenund Sprengstoffanschläge - insbesondere auf Personen des öffentlichen Lebens - die türkischen Sicherheitskräfte ständig herausgefordert. Nach einer Serie gewalttätiger Ausschreitungen in Deutschland im Jahre 1982 ist die Dev Sol hier seit Februar 1983 verboten, zählt aber ungeachtet ihrer Spaltung und trotz einer im Vergleich zur PKK nur begrenzten Mitgliederzahl (etwa 1.200) inzwischen wieder zu den gefährlichsten der in Deutschland operierenden türkischen Gruppierungen. Die Spaltung der Organisation war Anfang 1993 durch Differenzen um die Person ihres bis dahin unumstrittenen Leiters, Dursun KARATAS, ausgelöst worden. Ein Teil der Organisation warf und wirft ihm bis heute u.a. Führungsfehler sowie Verrat vor und bildete einen oppositionellen Flügel. Der von zahlreichen gegenseitigen Gewalttaten zwischen den rivalisierenden Lagern bis hin zu Tötungsdelikten begleitete Spaltungsprozeß hatte sich nachfolgend auf allen Ebenen sowohl in der Türkei als auch in Europa vollzogen. Unter den derzeit etwa 1.200 Mitgliedern beider inzwischen verselbständigten Parteien in Deutschland überwiegt die Anhängerschaft des KARATAS-Flügels - der jetzigen DHKP-C. Letztere tritt seit Mitte 1995 manchmal mit dem 230 Zusatz "DHG" ("Devrimci Halk Gücler" = "Revolutionäre Volkskräfte") auf und benutzt wechselweise auch die Abkürzungen DHKP (Partei) oder DHKC (Front). In Hamburg werden beiden immer noch der Dev Sol verbundenen Organisationen (DHKP-C und THKP/-C) insgesamt weniger als 100 Personen zugerechnet. Abweichend vom bundesweiten zahlenmäßigen Übergewicht der DHKP-C schien diese in Hamburg bisher nur eine Minderheit zu bilden. Verschiedene Hinweise deuten jedoch daraufhin, daß die DHKP-C in Hamburg auf dem Wege ist, sich personell zu verstärken und gegen die rivalisierende THKP/-C durchzusetzen. Die andauernden Rivalitäten lassen sich aus gegenseitiger aggressiver und feindseliger Polemik bis hin zu Todesdrohungen gegen exponierte Funktionäre ablesen. Wie sich im Laufe des Jahres 1996 erneut zeigte, muß unverändert mit Gewalttätigkeiten zwischen Anhängern beider verfeindeten Organisationen gerechnet werden. Zwar gab es das Jahr über keine Auseinandersetzungen mit Todesfolgen, wohl aber zahlreiche verbale und handgreifliche Zusammenstöße - bis hin zum Schußwaffengebrauch und Riskierung tödlicher Verletzungen. Ungebrochen ist auch die - von internen Differenzen unabhängige - grundsätzliche Gewaltund Tötungsbereitschaft der DHKP-C in bezug auf ihren eigentlichen politischen Gegner - den türkischen Staat. Ihre diesbezüglichen Aussagen sind durchaus ernst zu nehmen und ausnahmslos auch für die Anhängerschaft im Ausland - mithin auch in Deutschland - verbindlich. Ein deutliches Indiz dafür ist z.B., daß einige Vorgaben und Festlegungen bezeichnenderweise auch deutschsprachig veröffentlicht wurden. Somit ist klar, daß sie sich gleichermaßen an diejenigen türkischen Anhänger in Deutschland richten, für die Deutsch neben Türkisch inzwischen zur Heimatsprache geworden ist, ferner auch an deutsche Unterstützer. Eine generelle Feindbestimmung liefert das im März 1995 von der DHKP-C in deutscher Sprache veröffentlichte "Programm der revolutionären Volksbefreiungspartei". Darin sind als "Feinde des Volkes (...) alle staatlichen und privaten Institutionen, die dem Imperialismus und der Oligarchie dienen " festgehalten. Deutlicher dokumentierte die Partei ihre latente Gewaltbereitschaft mit einer Aussage in der Publikation "DHKC-Nachrichtenbulletin" vom 03.04.95: "Wir müssen bei jeder Gelegenheit bewaffnet sein (...) vernichtet alle Agenten, Informanten, faschistischen Zentralen, wo immer ihr lebt, gestattet keinem von ihnen das Recht zu leben ". Es versteht sich, daß sich damit Aktionen der Partei auch in Deutschland gegen alle Einrichtungen des türkischen Staates richten können, im übrigen aber auch gegen nichtstaatliche Einrichtungen und Institutionen, die dem türkischen Staat loyal gegen231 überstehen bzw. ihn stützen. Die Drohungen der DHKP-C betreffen insbesondere die als "Faschisten" titulierten Anhänger der türkischen MHP ("Partei der Nationalistischen Bewegung") - sogenannte "Graue Wölfe". Wie unmittelbar und zeitnah Ereignisse im Zuge innertürkischer politischer Konflikte von der türkisch-extremistischen Bezugsszene in Deutschland aufgegriffen werden, zeigte sich u.a. in entsprechenden Reaktionen der DHKP-C. In solchen Fällen ist seit Jahren das türkische Generalkonsulat in Hamburg das naheliegende und bevorzugte Ziel, um mit Spruchbändern, lautstark oder auch gewalttätig zu protestieren. In diesem Jahr fanden solche Protestaktionen am 3. Mai, 16. Juli, 27. September und 13. Dezember statt. Auf den Ausbruch einer Häftlingsrevolte am 13.12.95 in der Türkei (Ümraniye-Gefängnis in Istanbul) folgte umgehend 2 Tage später ein Brandanschlag in Hamburg auf eine türkische Bank am Steindamm. Die DHKP-C und die TKP/ML bekannten sich als Urheber. Erneute Zwischenfälle und schwere Vorwürfe gegen die Haftbedingungen in türkischen Gefängnissen lösten im Januar diesen Jahres eine neue bundesweite Welle von Protestaktionen türkischer Linksextremisten aus. Es wurden u.a. über zwanzig Brandanschläge verübt, darunter etwa ein Dutzend aus den Reihen der DHKP-C gegen türkische Einrichtungen (Generalkonsulate, Banken, Reisebüros und Vereinsobjekte). In Hamburg verübten Anhänger der DHKP-C am 5. Januar einen Brandanschlag auf ein türkisches Reisebüro im Stadtteil Wilhelmsburg. Weitere Brandanschläge - drei in Hamburg - bis Mitte Januar gingen auf das Konto anderer türkischer linksextremistischer Organisationen. Hungerstreikaktionen (April bis Juli) in türkischen Gefängnissen gegen die Haftbedingungen und schließlich der Tod von 12 Inhaftierten - darunter fünf Angehörige der DHKP-C - zogen ebenfalls eine bundesweite Protestwelle nach sich, mit der die deutsche Öffentlichkeit auf die Vorgänge in der Türkei aufmerksam gemacht werden sollte. Anhänger der DHKP-C beteiligten sich - vereinzelt gemeinsam mit anderen türkischen Linksextremisten - an einer Reihe demonstrativer Aktionen. Die Aktionsformen reichten von Kundgebungen und Demonstrationen über Solidarhungerstreiks bis hin zu Besetzungsaktionen. In Hamburg wurde am 8. Juli der "Spiegel "-Verlag besetzt. Eine Demonstration vor dem türkischen Generalkonsulat am 16. Juli verlief unfriedlich. Im Gebäude des Hamburger Flughafens fand am 27. Juli eine Kurzkundgebung statt. Alle drei Aktionen ( 3 siehe auch 3.3.4) werden Anhängern der DHKP- C zugerechnet. Die im Vergleich zu anderen Regionen wenigen Aktivitäten der DHKP-C in Hamburg sind auf ihre - noch - verhältnismäßig kleine Anhängerschar zurückzuführen. Offensichtlich gelingt es ihr aber, anlaßbezogen ' zusätzliche auswärtige Anhänger nach Hamburg zu mobilisieren. So wurden bei der 1. Mai-Demonstration und bei einem Aufzug am 3. Oktober in Hamburg größere Gruppen der DHKP-C festgestellt, die 232 sich offensichtlich auf von auswärts kommende Verstärkungen stützen konnten. Gleichwohl behauptet hier der im bundesweiten Maßstab offenbar geschwächte feindliche Flügel " THKP/-C Devrimci Sol" einen seiner letzten Stützpunkte. Es gibt Hinweise, daß die Anhänger der DHKP-C bestrebt sind, mit handgreiflichen Einschüchterungsversuchen Personen des ohnehin zerfallsbedrohten gegnerischen Lagers zur Abkehr von den Abspaltern oder gar zur Rückkehr in die Stammorganisation zu veranlassen. So läßt sich zumindest ein Vorfall in Hamburg deuten: Am 13. Mai überfiel eine Schlägergruppe der DHKP-C vor dem " Volkshaus der Türkei" (Stadtteil St. Pauli) zwei Anhänger der THKP/-C. Einer der Angegriffenen wurde schwer, der andere durch Hiebe mit Schlagstöcken lebensgefährlich verletzt. Einer der Geschädigten war vorher schon einmal das Opfer von Überfällen durch Angehörige der DHKP-C gewesen. Offenbar als Reaktion darauf folgte am 18. Mai ein Gegenangriff, bei dem im Stadtteil Altona THKP/-C - Anhänger auf Personen der DHKP-C einschlugen, die als Insassen eines PKW verkehrsbedingt vorübergehend anhalten mußten. Bei einem sich anschließenden Schußwechsel wurde eine Person leicht verletzt. Das - europaweit - durchaus beachtliche Mobilisierungspotential der DHKP-C wurde auf einer Kulturveranstaltung am 7. Dezember in Belgien eindrucksvoll sichtbar. Dort versammelten sich etwa 6.000 Personen. Wenn auch unter Einschluß von Familienangehörigen und Sympathisanten anderer Organisationen ist das eine Zahl, die der verfeindete Flügel nicht annähernd aufbieten kann. Die DHKP-C ist angesichts der fortdauernden Rivalitäten im Lager der Dev Sol und wegen ihres ihres aggressiven, zum Teil gewaltgeneigten Vorgehens gegen politische Gegner eine ständige Gefahrenquelle. Ein Nachlassen ihrer Aktivitäten ist - trotz Dev Sol-Verbots - nicht zu erwarten. Im Dezember veröffentlichte die PKK (O 3.2.2) ein "Protokoll" über die Gründung einer Allianz von DHKP-C und PKK, deren Ziel es sei, eine "revolutionäre Front" als ersten Schritt zum einem "Kräftebündnis aller patriotischen Kräfte" zu bilden. Ob diese Aktionseinheit Bestand haben und sich auf diese und weitere Organisationen im Ausland (Deutschland) auswirken wird, läßt sich noch nicht beurteilen. 3.3.2.2 THKP/-C Die THKP/-C ("Türkiye Halk Kurtulus Partisi /-Cephesi", übersetzt: "Türkische Volksbefreiungspartei/Front") ist neben der DHKP-C (O 3.3.2.1) aus der dort bereits beschriebenen Spaltung der "Devrimci Sol" ("Revolutionäre Linke") hervorgegangen. Die ursprüngliche "Devrimci Sol" - so auch heute noch die THKP/-C - versteht sich als eine vom Marxismus-Leninismus angeleitete Volksbewegung mit dem Ziel, über eine bewaffnete Revolution das türkische Staatsgefüge zu zerschlagen. Zur Bedeutung der Dev Sol in der Türkei, ihrem Verbot, den Hintergründen ihrer Spal233 tung, den Kräfteverhältnissen und zu den andauernden internen Rivalitäten in Deutschland wird auf die Ausführungen unter 3.3.2.1 verwiesen. Die Gegner des KARATAS-Flügels DHKP-C, zunächst nach ihrem im März 1993 in der Türkei erschossenen Führungsfunktionär als YAGAN-Flügel bezeichnet, nannten sich anfangs selbstbewußt weiter "Devrimci Sol", vorübergehend auch "Devrimci Sol Gücler" ("Revolutionäre Linke Kräfte"). Seit Herbst 1994 treten sie vermehrt unter der für größere Klarheit bei öffentlichen Auftritten sorgenden Bezeichnung THKP/-C auf. Damit griffen die Abspalter auf die alte historische Bezeichnung der Ursprungsorganisation zurück, aus der "Devrimci Sol" Anfang der siebziger Jahre in der Türkei hervorgegangen war. Gelegentlich ist der Abkürzung THKP/-C der Zusatz " Devrimci Sol" angehängt. Unter den in Hamburg dem Komplex Dev Sol insgesamt zugerechneten weniger als 100 Personen überwiegen - anders als in der bundesweiten Gegenüberstellung - Anhänger der THKP/-C. Mit gegenseitigen Bestrafungsund Einschüchterungsaktionen versuchen seit geraumer Zeit die beiden Lager, sich hier gegeneinander zu behaupten, wobei Gewaltaktionen in erster Linie von DHKP-C - Anhängern ausgehen. Durch das rabiate Vorgehen der KARATAS-Anhänger in Hamburg könnte die hiesige Anhängerschaft der THKP/-C allmählich in die Defensive gedrängt werden. Am 13. Mai kam es zu den bereits bei der DHKP-C ( 3 3.3.2.1) beschriebenen Auseinandersetzungen. Der Vorfall zeigt, daß sich THKP/-C und DHKP-C in ihrer grundsätzlichen Gewaltbereitschaft in nichts nachstehen. Angesichts der in einem Ballungsraum wie Hamburg hohen Wahrscheinlichkeit, daß Anhänger der rivalisierenden Organisationen in ihren sich ohnehin überschneidenden Wohnund Versammlungsumfeldern aufeinandertreffen, sind gewaltsame Zusammenstöße gleichsam vorprogrammiert. Daran ist besonders bedenklich, daß einzelne Personen mit Schußwaffen ausgerüstet sind. Auch am Beispiel der THKP/-C zeigte sich das Jahr über wieder deutlich, wie politische Vorkommnisse in der Türkei sofort bis nach Deutschland ausstrahlen. Anhänger linksextremistischer türkischer Organisationen in der Bundesrepublik fühlen sich von Ereignissen in der Heimat direkt mitbetroffen bzw. herausgefordert. Sie reagieren darauf äußerst sensibel sofort mit offenen und organisierten Protesten oder - zumeist nächtlichen - Anschlägen und Überfällen. Im Zeitalter moderner weltumspannender elektronischer Nachrichtenmedien ist die räumliche und zeitliche Distanz zwischen der Türkei und Deutschland dabei so gut wie bedeutungslos geworden. Auf das unter 3.3.2.1 erwähnte Hintergrundgeschehen in der Türkei (u.a. Gefangenenmeutereien mit mehreren Toten und Verletzten) reagierten auch Anhänger der THKP/-C in Hamburg. Am 6. Januar blockierten zunächst etwa 40 - 50 Personen im Hamburger Flughafen den Schalter einer türkischen Fluglinie, wenige Stunden später 234 besetzten etwa 20 Personen vorübergehend die Hamburger Petri-Kirche. Am 7. Januar entzündeten unbekannte Täter auf der Fahrbahn vor dem "Phantom"-Theater "Neue Flora" einen Brandsatz. Zu allen drei Aktionen bekannte sich die THKP/-C in ihrer Parteizeitschrift "Devrimci Cözüm" (Revolutionäre Lösung). Die Hungerstreiks in türkischen Gefängnissen (April - Juli) veranlaßten außerhalb Hamburgs auch Anhänger der THKP/-C zur Teilnahme an Solidarhungerstreiks und Demonstrationen (Köln und Frankfurt), obwohl sich keine eigenen Anhänger unter den 12 Opfern des " Todesfastens" befanden. In der zweiten Jahreshälfte kam es im Rahmen von Ermittlungen des Generalbundesanwaltes wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung zu Durchsuchungen von Wohnungen und anderen Objekten. Mehrere Funktionäre der THKP/-C wurden festgenommen. Die Exekutivmaßnahmen dürften eine der Ursachen dafür sein, daß sich die Anhängerschaft für den Rest des Jahres in der Öffentlichkeit auffallend zurückhielt. Hinzu kommt, daß innerhalb der türkischen linksextremistischen Szene in Hamburg offenbar ein für die THKP/-C bedrohlicher Prozeß politischer Isolierung eingesetzt hat. Während 1995 noch Aktionsbündnisse bei Demonstrationen und gemeinschaftlich verübte Brandanschläge zu beobachten waren, sind diese fast das ganze Jahr über ausgeblieben. Lediglich an der Blockadeaktion am Flughafen (6. Januar) war die TKP/ML (Partizan, O 3.3.2.3) als "Partnerin" beteiligt. Auffällig war auch die Abwesenheit von Mitgliedern der THKP/-C bei einer Protestdemonstration in Hamburg am 3. Oktober gegen Vorkommnisse in türkischen Gefängnissen. Der Aufzug wurde von einem "Komitee zur Unterstützung der revolutionären türkischen und kurdischen Gefangenen " veranstaltet, eine Bündniskonstruktion, die zwar unterschiedliche türkische und kurdische Linksextremisten aktionistisch vereinte, aber nur Anhänger des gegnerischen Flügels DHKP-C einschloß. Am 14. April fand in Zürich eine europaweite Kulturveranstaltung von Anhängern und Sympathisanten der THKP/-C statt, zu der etwa 600 - 800 Besucher kamen. Ein Vergleich veranschaulicht das gegenüber der konkurrierenden DHKP-C (O siehe 3.3.2.1, Belgien: 6.000 Personen am 7. Dezember) bedeutend geringere Mobilisierungspotential. 3.3.2.3 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) {Partizan) Die 1972 in der Türkei gegründete TKP/ML strebt einen revolutionären Umsturz des politischen Systems in der Türkei an. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, anstelle des alten Systems eine kommunistische Gesellschaftsordnung maoistischer Prägung zu errichten. Mit der von ihr aufgestellten "Türkischen Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee" 235 (TIKKO) führt sie einen - zum Teil terroristischen - Guerillakampf gegen türkische Sicherheitskräfte, um das System zu destabilisieren und so den Weg zur Machtergreifung durch die "revolutionären Massen" zu ebnen. Als kommunistische Kaderpartei wird die TKP/ML - nach dem einschlägigen Muster auch anderer kommunistischer Parteien - von einem Zentralkomitee (Merkez Komitesi) mit einem Politbüro (Siyasi Bürosu) geführt, dessen Rolle in den außertürkischen europäischen Ländern ein "Auslandsbüro" (Yurtdisi Bürosu) wahrnimmt. Höchstes Organ ist die "Parteikonferenz". Die im Bundesgebiet existierenden, der TKP/ML zuzurechnenden örtlichen Grundorganisationen - im rechtlichen Status von Vereinen - gehören dem Dachverband ATIF {"Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e. V. ") an. In Hamburg vertritt der im Stadtteil Eimsbüttel im DKP-Objekt "Magda-Thürey-Zentrum" ansässige "Solidaritätsund Kulturverein der Arbeitnehmer aus der Türkei in Hamburg e. V. " die Ziele der TKP/ML. Interne Machtkämpfe führten im Frühjahr 1994 zur Abspaltung eines Flügels, der ebenfalls für sich beansprucht, die Partei zu verkörpern. Bei der Abspaltung handelt es sich um die Anhängerschaft des "DABK" ("Ostanatolisches Gebietskomitee"), das sich gerade Anfang 1992 nach fünfjähriger Trennung wieder der Partei angeschlossen hatte. Die Abspalter buchstabieren sich - fast namensgleich und daher leicht verwechselbar - " TKP(ML) ". Sie sind äußerlich nur in der Klammerschreibweise des Zusatzes " ML " (statt Schrägstrich) von der Stammorganisation unterscheidbar. Die Differenzen führten zur Trennung der Anhängerschaft auf allen Ebenen bis in die örtlichen Gruppierungen hinein. Angesichts der abschreckenden gewaltsamen Begleitumstände bei der Spaltung der "Devrimci Sol" (O 3.3.2.1 - 3.3.2.2) gingen die zerstrittenen Flügel allerdings behutsamer miteinander um und vermieden weitgehend gegenseitige Gewaltanwendungen. Wie sich schon im Vorjahr andeutete, haben sich beide Seiten offensichtlich arrangiert und treten sogar vereinzelt, z.B. bei Demonstrationen, Seite an Seite in der Öffentlichkeit auf. Die Summe der Anhänger beider Organisationen in Deutschland wird auf 2.000 geschätzt. In Hamburg sind es weniger als 100 Personen, deren Mehrheit der TKP/ML (Partizan) zugerechnet wird. Mehrere Anlässe im innenpolitischen Geschehen der Türkei berührten unmittelbar auch die TKP/ML, weil davon einige Organisationsangehörige betroffen waren. Diese inneren Konflikte in der Türkei bestimmten das von türkischen Linksextremisten ausgehende Aktionsgeschehen im Ausland. Gefängnismeutereien in Istanbul (Ümraniye-Gefängnis) mit mehreren Todesopfern veranlaßten am 6. Januar etwa 40-50 türkische Linksextremisten, im Hamburger Flughafen für wenige Minuten einen Schalter der " Turkish Airlines" zu blockieren. Sie zeigten u.a. Spruchbänder " Wir werden Ümraniye und alle Massaker rächen". Anhänger der TKP/ML und der "Devrimci Sol" (THKP/-C, 3 3.3.2.2) hatten die Aktion initiiert. 236 Angehörige der TKP/ML nahmen gemeinsam mit anderen linksextremistischen türkischen Organisationen, darunter auch Anhänger der abgespaltenen TKP(ML) bzw. des "DABK", am 11. Mai in Hamburg an einem von etwa 200 Personen gebildeten Aufzug teil, um unter dem Motto " Gegen die Ermordung von drei Demonstrationsteilnehmern in Istanbul am 1.5.96" zu protestieren. Aus Anlaß von Hungerstreikaktionen in türkischen Gefängnissen beteiligten sich TKP/ML-Anhänger im Juni an einem mehrtägigen Solidaritätshungerstreik von Angehörigen türkischer linksextremistischer Gruppierungen in Köln. Die anfangs noch vorwiegend in Form gewaltfreier demonstrativer Aktionen artikulierten Proteste eskalierten in gewaltsamen Aktionsformen, als der Hungerstreik in der Türkei die ersten Todesopfer gefordert hatte. Bundesweit wurden zahlreiche Brandanschläge verübt. Mit mehreren Anschlägen bekundete auch die TKP/ML ihr Verständnis solidarischen Verhaltens gegenüber Hungerstreikenden und Todesopfern unter den Anhängern anderer Organisationen, zumal eigene Anhänger nicht unter den Opfern des Todesfastens waren. In Hamburg bekannte sich die Organisation zu einem am 26. Juli verübten nächtlichen Brandanschlag auf bewohnte Räume einer Zweigstelle der von staatlicher türkischer Seite unterstützten " Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion " (DITIB) im Stadtteil Hamm mit dem türkischsprachigen Text (übersetzt): "Die gestorbenen Fastenden, die heilig gestorben sind, werden wir rächen TKP/ML". Am 18. Mai fand in Köln die alljährliche Gedenkveranstaltung der TKP/ML zum Todestag des Parteigründers KAYPAKKAYA statt. Der Anlaß ist regelmäßig ein aktueller Gradmesser für die bundesweite Mobilisierbarkeit von Anhängern auch sympathisierender Organisationen nebst Familienangehörigen. Während 1995 etwa 6.000 Besucher kamen, waren es dieses Jahr rund 5.000. Die abgespaltene Organisation TKP(ML) konnte auf ihrer eine Woche später folgenden korrespondierenden Veranstaltung - ebenfalls in Köln - über 4.000 Besucher zählen. Angesichts des offenbar weitgehend unproblematischen, nicht mit Berührungsängsten belasteten gegenseitigen Umgangs, kann davon ausgegangen werden, daß sich die Besucherpotentiale auf beiden Veranstaltungen ganz erheblich überschnitten. Verschiedene Hinweise lassen erkennen, daß die Organisation - ebenso wie die meisten anderen extremistischen Ausländergruppierungen - zur Finanzierung ihrer Aktivitäten hier und in der Heimat neben Mitgliedsbeiträgen erhebliche Spendensummen mit mehr oder weniger sanftem Druck bei ihren Landsleuten einfordert. Nur vereinzelt wurden in der Vergangenheit erpresserische Methoden angezeigt. In Hamburg wurde in diesem Jahr der Fall eines Imbißinhabers bekannt, der Zahlungen verweigerte und sich der Polizei offenbarte, nachdem ihm unter Drohungen 2.000 DM abverlangt worden waren. 237 3.3.2.4 Türkische Kommunistische Partei (Marxisten-Leninisten) - TKP(ML) - ("DABK") Die Anhängerschaft des "Ostanatolischen Gebietskomitees" (DABK) hatte sich 1987 von der TKP/ML (O 3.3.2.3) abgespalten, sich ihr aber 1992 wieder angeschlossen. Im Frühjahr 1994 führten erneute Machtkämpfe auf der Führungsebene zur Wiederabspaltung. Beide Organisationsteile beanspruchen, "die" Partei zu verkörpern. Wie unter 3.3.2.3 beschrieben, sehen sich beide in ihren fast identischen Namensgebungen zum Verwechseln ähnlich: TKP(ML) = DABK, TKP/ML = " Partizan "-Flügel. Nach anfänglichen heftigen publizistischen Auseinandersetzungen haben sich beide offenbar miteinander arrangiert. Gegenseitige Gewalttätigkeiten sind nicht bekannt geworden. Als Auslandsorganisation mit einer im Heimatland terroristisch agierenden Anhängerschaft reagiert die TKP(ML) in Deutschland - wie auch andere türkische und kurdische Extremisten - sensibel und spontan auf Ereignisse in der Heimat. Sie fühlt sich erst recht provoziert, wenn die eigene Anhängerschaft von Vorgängen direkt betroffen ist - wie etwa im Januar, als Gefängnismeutereien in der Türkei mit mehreren Todesopfern bundesweit zu zahlreichen Protestaktionen führten. Über 20 Brandanschläge gingen zum Teil auch auf das Gewalttatenkonto der TKP(ML). In Hamburg bekannte sich die Partei auf Flugblättern zu nächtlichen Brandanschlägen am 6. Januar auf den Sitz des von ihr als regierungstreu eingestuften " Koordinationsverbands türkischer Vereine in Hamburg und Schleswig-Holstein e. V. " im Stadtteil Hammerbrook und auf ein türkisches Reisebüro im Stadtteil St. Georg. Auf deutsch und türkisch hieß es: "Die Massaker des türkischen Staates in den Gefängnissen werden wir nie vergessen! Unsere Aktionen werden weitergehen! TKP(ML) ". Am nächsten Tag warnte die Organisation auf einem beim S-Bahnhof Sternschanze angebrachten Spruchband: " Wir werden die Verantwortlichen von den Massakern im Knast zur Rechenschaft ziehen TKP(ML) ". Wegen des Todes (als "Ermordung" bewertet) von Demonstranten am 1. Mai in Istanbul verübte die TKP(ML) in Berlin am 7. Mai einen Brandanschlag auf ein türkisches Reisebüro. In Hamburg folgte am 11. Mai ein Aufzug mit etwa 200 Teilnehmern aus einem breiten Spektrum linksextremistischer türkischer Organisationen, darunter beide Flügelorganisationen der TKP/ML. Einem Hungerstreik (Todesfasten) in türkischen Gefängnissen (Mai bis Juli) fielen u.a. drei Angehörige der TKP(ML) zum Opfer. Dementsprechend massiv waren die Reaktionen der Organisationsanhänger im Ausland. Nach Solidaritätshungerstreiks in Frankfurt, Köln und Stuttgart im Juni setzten Brandanschläge gegen türkische Einrichtungen und unfriedliche Besetzungsaktionen in Medienanstalten ein. Die TKP(ML) bekannte sich zu einem Anschlag mit erheblichem Sachschaden auf den Sitz einer rechtsextremistischen türkischen Organisation in Frankfurt/M. am 16. Juli. 238 Daß die Organisation mit Hilfsmitteln für militante Aktionen ausgerüstet ist, wurde im November im Zuge von Durchsuchungen mehrerer ihr zugerechneter Objekte in Niedersachsen punktuell offenkundig. Neben schriftlichen Unterlagen wurden rund 2.200 DM mutmaßliche Spendengelder sichergestellt, dazu ca. 200g Sprengstoff, über 500 Schuß diverse Munition, 2 Maschinenpistolenmagazine und diverse Waffenteile. Die jährliche Gedenkfeier zu Ehren des verstorbenen Parteigründers KAYPAKKAYA fand am 27. April in Köln mit mehr als 4.000 Teilnehmern statt. Die Besucherzahl vermittelt zwar eine bemerkenswerte Mobilisierungsfähigkeit der TKP(ML), repräsentiert aber nicht ihre sehr viel niedriger anzusetzende engere aktive Anhängerschaft (O vgl. vorletzten Absatz in 3.3.2.3). 3.3.2.5 Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) Die MLKP entstand im September 1994 aus der Vereinigung einer schon seit 1978 bestehenden TKP-ML Abspaltung namens TKP/ML-H ("H" steht für "Hareket" = Bewegung) und einer anderen Splitterorganisation, der bislang bedeutungslosen TKIH (" Türkische Kommunistische Arbeiterbewegung"). Wie sich aus den Namen der meisten kommunistischen Parteien ablesen läßt, hat sich auch die MLKP die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung (hier: in der Türkei) als Ziel auf die Fahne geheftet. Sie hat sich dem bewaffneten Kampf verschrieben, für den sie sich der Guerillaorganisation "M 18" bedient. Zahlreiche Parteianhänger sind in türkischen Gefängnissen in Haft. Unter den Todesopfern eines Häftlingshungerstreiks im Juli befand sich auch ein MLKP-Mitglied. Die Anhängerschaft in Deutschland wird auf 700 geschätzt. Die Mitglieder engagieren sich durchweg in Aktionseinheiten mit anderen linksextremistischen türkischen Organisationen. Wie in allen extremistischen türkischen Auslandsorganisationen sind auch in der MLKP Spendensammlungen zur Mitfinanzierung der Heimatorganisation obligat. In Hamburg hat die Partei relativ wenige Anhänger, vermutlich unter 30. Sie treten auch hier vorwiegend in Aktionseinheiten mit anderen Linksextremisten auf. Im Stadtteil Altona unterhält die Organisation einen Stützpunkt. Im August 1995 hatte sich eine Abspaltergruppe - die KP/IÖ ("Kommunistische Partei/Aufbauorganisation") - formiert, die die ursprüngliche TKP/ML-H wiederherstellen will. Sie wird seitens der ohnehin vom Sektiererdasein bedrohten MLKP angesichts der dadurch heraufbeschworenen weiteren Zerfaserung nicht nur scharf kritisiert, sondern auch gewalttätig bekämpft. Am 27. August 1996 wurde ein KP/IÖFunktionär in Duisburg von MLKP-Aktivisten erschossen. 239 Im Januar und im Juni/Juli beteiligten sich MLKP-Anhänger in verschiedenen deutschen Städten an zahlreichen Protestaktionen vor dem Hintergrund der in den Kapiteln 3.3.2.1 bis 3.3.2.4 und 3.3.4 angesprochenen Gefängnisrevolten und Hungerstreiks in der Türkei. Zu dem breiten Repertoire der Aktionsformen gehörten Brandanschläge auf türkische Reisebüros, zu denen sich im Wechsel die Stammorganisation oder die Abspalter gemeinschaftlich mit der DHKP-C (O 3.3.2.1) bekannten, nämlich zu je einem Anschlag am 5. Januar in Dortmund (MLKP) und am 19. Juni in Berlin (KP/IÖ). In Hamburg beteiligten sich MLKP-Anhänger an Demonstrationen von jeweils etwa 20 Türken vor dem Türkischen Generalkonsulat am 5. Januar und 3. Mai. Die letztgenannte Aktion fand aus Protest gegen das Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte bei 1. Mai-Kundgebungen in Istanbul statt. Aus demselben Anlaß folgte am 11. Mai die Demonstration eines türkischen "Komitees gegen außergerichtliche Hinrichtungen". Unter den etwa 200 Demonstranten marschierten zahlreiche MLKP-Anhänger gemeinsam mit Anhängern von DHKP-C und TKP-ML (beide Flügel). An einem zeitweise unfriedlich verlaufenen Autokorso durch den Stadtteil Altona unter dem Tenor "Menschenrechte - Gedenken an die Verstorbenen des Hungerstreiks in der Türkei" nahmen am 3. August ebenfalls MLKP-Anhänger teil. Etwa die Hälfte von einem Dutzend beteiligter Fahrzeuge kam aus dem Hamburger Umland. Bemerkenswert ist das trotz relativ geringer Anhängerschaft vorhandene hohe Mobilisierungspotential der Organisation. So besuchten etwa 3.000 Personen aus dem Inund Ausland am 9. November in Köln das MLKP-"Kulturfestival". Selbst unter Berücksichtigung zahlreicher Familienmitglieder der engeren Anhängerschaft ist anzunehmen, daß ein erheblicher Veranstaltungszulauf dem breiten Umfeld sympathisierender bzw. ähnlich orientierter linksextremistischer türkischer Organisationen zuzuschreiben war. 3.3.3 Islamisten 3.3.3.1 Islamische Gesellschaft Neue Weltsicht e.V. (IGMG) Die vereinsrechtlich getrennten Organisationen IGMG (MG = "MUH Görüs", d.h. "Neue Weltsicht") und EMUG {"Europäische Moscheenbauund Unterstützungsgemeinschaft e. V. ") sind 1995 aus der AMGT (" Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa") hervorgegangen. Sie arbeiten im Sinne der politisch-religiösen Ziele der Vorläuferorganisation. Die EMUG verwaltet den nicht unerheblichen Immobilienbesitz der ehemaligen AMGT, die IGMG nimmt sich der religiösen, sozialen und kulturellen Belange der Mitglieder und Sympathisanten an. Mit der IGMG/EMUG verbindet sich neuerdings eine besondere Note, weil sie in enger Verbindung und inhaltli240 cher Übereinstimmung zur islamistischen türkischen "Refah Partisi" (RP, "Wohlfahrtspartei") steht und letztere in der Türkei zur Regierungspartei avancierte. Die IGMG/EMUG hilft der RP von Deutschland und anderen europäischen Ländern aus publizistisch und finanziell. Der RP-Vorsitzende ERBAKAN ist türkischer Ministerpräsident. Die eng mit der IGMG verbundene RP wird in der Türkei auch von der seriösen kritischen Presse als radikal-religiös ("kokten dinci") bezeichnet. Auch wenn sich die Parteiführung in der Öffentlichenkeit zum Laizismus bekennt, besteht doch in weiten Teilen der Bevölkerung die Sorge, daß dieser Verfassungsgrundsatz durch die RP gefährdet ist. Demonstrationen zum Jahresanfang 1997 in Ankara richteten sich auch gegen die angeblich von der RP angestrebte Einführung des islamischen Rechts ("Scharia"), im Dezember wurde ein Vorstoß des türkischen Ministerpräsidenten bekannt, sämtliche türkischen Vereine in der Bundesrepublik unter dem Dach der IGMG zu vereinen. Die Idee stieß - nicht zuletzt seitens des türkischen Militärs - auf Widerspruch. Die in Köln ansässige IGMG/EMUG - nach Eigenangabe 200.000 Mitglieder - versteht sich als europaweites Sammelbecken von Menschen moslemischen Glaubens. Die Verfassungsschutzbehörden schätzen die dem Verband in Deutschland angeschlossenen Personen auf über 26.500, wobei nicht davon ausgegangen wird, daß sie alle bewußt oder vorbehaltlos islamisch-extremistische Ziele verfolgen oder unterstützen. Trotz dieses Vorbehalts ist die IGMG/EMUG mit Abstand die mitgliederstärkste Organisation unter den türkischen Extremisten auf deutschem Boden. Sie finanziert sich laut Satzung aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden, Zuschüssen, Schenkungen sowie Gewinnen aus Immobiliengeschäften. Mit Zuschüssen dürften auch Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln gemeint sein. Es wird davon ausgegangen, daß die IGMG an den Bestrebungen der AMGT festhält, als islamische Glaubensgemeinschaft körperschaftsrechtlich anerkannt zu werden. Damit wären vielfältige Mitspracherechte im öffentlichen Leben, z.B. bei der Gestaltung von Religionsunterricht sowie Vergünstigungen und Befreiungen im Steuerund Gebührenrecht, verbunden. In der Öffentlichkeit versucht sich die Organisation als Dachverband darzustellen, der über regionale Unterorganisationen und eigenverantwortliche Mitgliedsinstitutionen zwei Millionen Muslimen in Deutschland lediglich Dienstleistungen anbietet. Unzweifelhaft erfüllen die von der Organisation geleiteten Einrichtungen für viele moslemische Glaubensanhänger Funktionen als Orte der Kommunikation, Begegnung und Hilfe im Alltag. Große Moscheen sind - neben den eigentlichen Gebetsräumen - mit eigenen Ladeneinrichtungen, Reisevermittlungen, Teestuben, Wohn-, Leseund Schulungsräumen ausgestattet. Dieses hebt die weitergehenden langfristigen politischen Zielsetzungen des Verbandes aber nicht auf. 241 Auch die Nachfolger der AMGT streben mittelfristig danach, die laizistische - auf Trennung von Staat und Religion bedachte - türkische Regierungsform zu beseitigen und in der Türkei einen theokratischen Staat zu errichten. Langfristig richten sich solche Absichten gegen "ungläubige " Staaten auf der gesamten Welt. Bestrebungen, als Verfassungsgrundlage und Maßstab staatlichen Handelns ausschließlich den Koran zuzulassen, begründen erhebliche Zweifel an verbalen bzw. formalen Bekenntnissen zur pluralistischen Demokratie und zu den Werten eines demokratischen Rechtsstaates. Unter Berufung auf Vorgaben des Islam behauptet die IGMG/EMUG, eine allen Muslimen obliegende Toleranz gegenüber Andersdenkenden zu praktizieren. Tatsächlich vertritt sie aber in ihren Veröffentlichungen Positionen, die westliche Länder, insbesondere aber den Staat Israel, verunglimpfen und als Bedrohung darstellen. Diese anti-zionistische Haltung vollzieht sich in einer Weise, die dem Gebot religiöser Toleranz und dem Gedanken der Völkerverständigung widerspricht. Antisemitische Polemik erscheint im Gegensatz zu früher seit einiger Zeit nicht mehr in den Verbandspublikationen. Ein Artikel im IGMG-Sprachrohr, der Tageszeitung "MUH Gazete" vom 13. August, behandelte das Treffen der G7-Staaten im August. In scharfer Form wurden die teilnehmenden Staaten u.a. als "siebenarmige Krake" angegriffen. Nicht die eigentlichen Volksvertreter verhandelten über wesentliche Wirtschaftsbelange, sondern "Strohmänner der Freimaurer", die den "zionistischen Zentralen" dienten. Zwielichtige Entscheidungen seien getroffen worden, indem darüber diskutiert worden sei, "wie die Weltherrschaft der Ausbeutung, die auf Blut und Rachsucht aufgebaut wurde...", aufrechterhalten werden könne. Der Zionismus wolle die gesamte Menschheit jüdischer Herrschaft unterordnen und auf der Erde ein konkurrenzloses israelisches Imperium schaffen. Die G7-Staaten würden dabei zum Erreichen der "Geheimen Weltherrschaft " eingesetzt. Die weiter expansionsbedachte IGMG/EMUG ist mit erheblicher Finanzkraft ausgestattet. Dieses belegen u.a. Grundstückskäufe sowie neu errichtete bzw. gegründete Moscheen, wodurch sie ihre Präsenz sichtbar verstärkt hat. Zugleich baute die Organisation in den vergangenen Jahren mittels verschiedener Zielgruppenorganisationen (für Jugendliche, Frauen, Wissenschaftler, Studenten) ihren Einfluß deutlich aus. Der Bereich Hamburg ("Hamburg Bölgesi") umfaßt knapp 20 Moscheen in einer Region, die Schleswig-Holstein und Niedersachsen einschließt. Als "Moschee" gilt auch schon ein für diesen Zweck hergerichteter, den Gläubigen der Umgebung zugänglicher Wohnraum (Gebetsraum). Mehrere dieser Moscheen werden von der IGMG/EMUG-nahen "Gesellschaft der türkischen Arbeiter in Hamburg und Umgebung zur Gründung und Erhaltung einer Moschee e. V. " betrieben. Die "Zentralmoschee" (Merkez Camii) liegt in der Böckmannstraße im Stadtteil St. Georg. Der gesamte regionale Bereich Hamburg betreut schätzungsweise 3.000 Mitglieder, der Stadtbereich 242 Hamburg etwa 1.000. Der tatsächliche Einfluß dürfte diese unmittelbare Anhängerschaft, die sich das Jahr über kaum öffentlich bemerkbar machte, weit übersteigen. 3.3.3.2 Islamische Bewegung" (IH) Die "Islamische Bewegung" (IH) ist 1989 als Abspaltung des "Verbandes der islamischen Vereine und Gemeinden e. V. " (ICCB) entstanden. Die Abspalter reagierten mit diesem Schritt darauf, daß sich die Führung des ICCB - auch als "Kaplan-Verband" bezeichnet - vom iranischem Einfluß gelöst hatte. Es gelang der "Islamischen Bewegung", bundesweit mehrere örtliche ICCB-Vereine zu übernehmen. Dabei brachten sie sich u.a. in den Besitz einer Hamburger Moschee. Heute liegt ihre vom Verein "Zentrum für Forschung und Kultur des Islam e. V. " getragene Moschee im Stadtteil Wilhelmsburg. Die IH hat das Ziel, in der Türkei einen "Islamischen Staat" nach dem Vorbild Irans zu errichten. In Flugblättern agitiert und polemisiert sie gegen die "kapitalistischen und zionistischen Teufel", propagiert Gewalt als Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele und glorifiziert das Märtyrertum. Gemeinsam mit Anhängern anderer islamisch-extremistischer Gruppierungen beteiligten sich IH-Anhänger wieder an einer Großdemonstration zum "Jerusalem-Tag", der vom verstorbenenen iranischen Staatsoberhaupt Ayatollah KHOMEINI ins Leben gerufen wurde, um an die "Befreiung Jerusalems vom Zionismus" zu erinnern. Darüber hinaus hat sich die IH mit öffentlichen Aktivitäten auch in diesem Jahr zurückgehalten. Sie wird auf bundesweit 300 - in Hamburg etwa 50 - Anhänger geschätzt. 3.3.4 Protestund Gewaltkampagne aus Anlaß von Hungerstreiks in türkischen Gefangnissen Haftbedingungen in türkischen Gefängnissen und damit verbundene Begleitumstände waren in der Vergangenheit schon häufig Anlaß zu Protesten, Revolten und Hungerstreikaktionen. Sie führten regelmäßig dann zu heftigen Reaktionen türkischer extremistischer Gruppierungen im Ausland, wenn Inhaftierte aus der eigenen Anhängerschaft beteiligt oder betroffen waren. Organisierte Hungerstreikaktionen mit konsequent durchgehaltenem "Todesfasten" als letztem Mittel des Widerstands hatten zuletzt Häftlinge der "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) im Juni 1984 in der Türkei durchgeführt. Damals kamen u.a. zwei ihrer Funktionäre ums Leben. Im April begannen PKK-Anhänger in der Türkei aus Protest gegen ihre Haftbedingungen einen zunächst lokal begrenzten Hungerstreik. Die Aktion weitete sich in den 243 folgenden Wochen unter Beteiligung zahlreicher Häftlinge mehrerer nichtkurdischer linksextremistischer Organisationen auf das ganze Land aus. Die Häftlinge wollten sich damit gegen allgemein menschenunwürdige Haftbedingungen, Isolationshaft, physische Gewalt in den Gefängnissen sowie gegen mangelnde medizinische Betreuung wehren. Sie forderten auch die Schließung des Isolationsgefängnisses in Eskisehir, die Unterbringung der Häftlinge in der Nähe ihrer Heimatstädte sowie die Entlassung des Justizministers. Nach Presseberichten wuchs die Front der Hungerstreikenden in zahlreichen türkischen Gefängnissen - bis zu 52 Anstalten wurden genannt - in der Zeit vom 20. Mai bis 27. Juli landesweit auf über 2.000 Häftlinge an. Zahlreiche Gefängnisinsassen gingen im Laufe der Zeit zum " Todesfasten " über, d.h. zu einer nicht mehr nach dem Rotationsprinzip unterbrochenen, sondern nunmehr unbefristeten Nahrungsverweigerung. Die Presse berichtete von 200 bis 300 zum Sterben entschlossenen Gefangenen. Gewalttätige Demonstrationen sowie Solidaritätshungerstreiks sympathisierender Demonstranten und Angehöriger der Gefangenen begleiteten die Hungerstreikkampagne in der Türkei. Die Initialaktion der PKK-Angehörigen war als befristeter Hungerstreik angelegt und entsprechend am 24. Juni beendet. Hinzugestoßene Anhänger anderer Organisationen machten weiter. Anfang Juli meldete die PKK-Presse die Organisationszugehörigkeiten der Streikenden: DHKP-C, TKP(ML), MLKP, TKP/ML sowie drei Splittergruppen. Erstes Todesopfer des totalen Hungerstreiks war am 21. Juli ein Angehöriger der TKP(ML). Weitere elf Inhaftierte starben im Laufe der nächsten Tage, der letzte am 28. Juli im Krankenhaus. Bei den Toten handelte es sich um fünf Angehörige der DHKP-C, zwei weitere Angehörige der TKP(ML), einen Angehörigen der MLKP und drei Angehörige einer Splittergruppe, des TIKB ("Bund Aufständischer Kommunisten der Türkei"). Der Hungerstreik wurde beendet, nachdem die Regierung am Abend des 27. Juli wesentlichen Forderungen der Häftlinge nach humaneren Haftbedingungen nachgegeben hatte. Die mit den Hungerstreikenden solidarische türkische Linksextremistenszene in Deutschland reagierte mit einem breiten Arsenal legaler und illegaler Aktionen auf den Konflikt in der Heimat. Ab Ende Mai antwortete sie zunächst mit vorwiegend gemäßigten Aktionen, wie befristeten Hungerstreiks, Kundgebungen und kurzfristigen Besetzungen. Als sich die Situation der Hungerstreikenden zuspitzte und die ersten Todesopfer zu beklagen waren, setzte bundesweit eine Reihe gefährlicher Brandanschläge ein. Die auf eine breite Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit abzielenden Aktionen begannen Ende Mai mit einer Reihe von Solidaritätshungerstreiks in mehreren Großstädten Westdeutschlands. Den Anfang machten am 31. Mai TKP(ML)-Anhänger in 244 Köln. Im Juni folgten Hungerstreiks PKK-naher Gruppierungen in Bonn und Düsseldorf. Sie endeten sofort mit dem Ende des Hungerstreiks ihrer Gesinnungsgenossen in der Türkei. In Köln veranstalteten ab 8. Juni Anhänger von DHKP-C, MLKP und TKP/ML eine separate Hungerstreikaktion. Sie wurde am 26. Juni von der Polizei wegen Verstößen gegen das Vereinsund Versammlungsgesetz beendet. Etwa am 12. Juni traten Anhänger der TKP(ML) und MLKP in Stuttgart in einen gemeinsamen Solidaritätshungerstreik, der nach dem Ende des Hungerstreiks in der Türkei abgebrochen wurde. Bereits im Vorfeld der sich für das Befinden der Hungerstreikenden in der Türkei mit fortlaufender Dauer zwangsläufig abzeichnenden Verschärfung fanden im Juni/Juli einzelne Brandanschläge (u.a. Berlin, Recklinghausen) statt. Ein Brandanschlag in Hamburg am 8. Juli richtete sich gegen das Objekt - in einem Wohngebäude! - eines Sportvereins der islamistischen IGMG ("Islamische Gesellschaft Neue Weltsicht e. V. ") im Stadtteil St. Georg. Zwei Brandsätze verbrannten auf dem Gehweg, einer der Täter wurde festgenommen. Angebrannte Flugblätter wiesen in deutscher Sprache auf den Hungerstreik hin. Es besteht der Verdacht, daß hinter dem Anschlag einer der in 3.3.2.3 - 3.3.2.4 beschriebenen TKP-ML-Flügel steht. Nachdem der erste Häftling, ein Anhänger der TKP(ML), am 21. Juli an den Folgen des Hungerstreiks gestorben war, zog dies eine bundesweite Welle von Brandanschlägen nach sich, die am 23724. Juli und vom 26.-28. Juli ihre Höhepunkte erreichte. Insgesamt sind vom 19. Juni bis 31. Juli über 40 Brandanschläge gemeldet worden. Sie häuften sich insbesondere in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Betroffen waren türkische Reisebüros und Geschäfte sowie Räumlichkeiten türkischer Vereine und Moscheen. Erstmals seit mehreren Jahren waren auch Objekte der islamistischen IGMG Ziel von Brandanschlägen. Die Tatsache, daß die IGMG seit der Regierungsbildung unter Führung der "Refah Partisi" indirekt zur regierungstragenden Organisation wurde, rückt sie aus linksextremistischer (regierungsfeindlicher) Sicht folgerichtig deutlich ins Lager des politischen Gegners. Räumlichkeiten "rechter" türkischer Vereine waren demgegenüber schon immer Ziel türkischer Linksextremisten. In Hamburg war ein Gebäudekomplex der DITIB (" Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V. ") zweimal von Brandanschlägen betroffen. Am 26. Juli wurden mehrere Scheiben der Vereinsräume eingeschlagen, drei ins Innere der bewohnten (!) Räume geworfene Brandsätze zündeten nicht. Auf einem hinterlassenen Laken wiesen die Täter auf den Hungerstreik hin und fugten hinzu: "TKP/ML". Am nächsten Tag wurden an einem auf demselben Grundstück befindlichen Lebensmittelladen Scheiben eingeschlagen. Drei hineingeworfene Brandsätze zündeten nicht bzw. erloschen von selbst. In diesem Fall verzichteten die Urheber auf eine Bekennung. Die DITIB ist ein von staatlicher türkischer Seite unterstützter Verein mit Hauptsitz in 245 Köln. Es handelt sich faktisch um eine Außenstelle der obersten Religionsbehörde der türkischen Regierung. Im Zeitraum vom 19. Juni bis 27. Juli fanden in mehreren Großstädten der alten Bundesländer und in Berlin insgesamt fast 20 Besetzungsaktionen statt, die jeweils nach Bekanntgabe von Presseerklärungen in der Regel gewaltfrei endeten. Bei jeder zweiten Aktion ließen sich die Urheber zweifelsfrei zuordnen: DHKP-C (5 Aktionen), MLKP (3) und TKP(ML) (2). Etwa die Hälfte der Aktionen fiel allein auf die 5 Tage vom 23. bis 27. Juli. Betroffen waren neben Einrichtungen von Behörden und Parteien auch mehrere deutsche und türkische Medienanstalten. Es kam den Aktivisten offenbar in erster Linie darauf an, die Öffentlichkeit auf die Hungerstreikenden aufmerksam zu machen und die öffentliche Meinung gegen die türkische Regierung zu mobilisieren. In Hamburg versammelten sich am 8. Juli mittags etwa 40 Türken - darunter Frauen und Kinder - in der Eingangshalle des "Spiegel"-Verlags. Sie erlaubten nur Pressevertretern einen Zutritt. Eine Gruppe hängte ein Spruchband aus dem 5. Stock "50. Hungerstreiktag! Es lebe der Widerstand in den türkischen Gefängnissen SoliKomitee Hamburg". Nachdem sie vor Pressevertretern eine Erklärung abgegeben und Flugblätter verteilt hatten, verließen die Besetzer das Gebäude und formierten sich zu einem Aufzug, der sich vor dem Hauptbahnhof friedlich auflöste. Die Flugblattinhalte ließen erkennen, daß es sich um eine Aktion der DHKP-C handelte. Am 26. Juli überfielen vier bewaffnete Türken das Büro des Arbeitsattaches des türkischen Generalkonsulats in Berlin. Sie fesselten den Attache mit Klebeband, besprühten Wände mit Parolen - u.a. "Devrimci Sol"und verließen das Gebäude. Zu Schaden kam niemand. Das Vorgehen zeigte deutliche Parallelen zu einem ähnlichen Überfall in Hamburg am 05.10.95 - ebenfalls durch Anhänger der "Devrimci Sol". Von Mitte Juni bis Anfang August fanden vor allem im Raum Köln und Frankfurt etwa 20, zumeist friedliche Demonstrationen und Kundgebungen mit bis zu 3.500 Personen (27. Juli, Bochum) statt. In Hamburg wie auch andernorts zeigten sich auch nicht betroffene türkische Organisationen solidarisch, so die DIDF (" Föderation der demokratischen Arbeitervereine aus der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland e. V. "). Sie ist die Basisorganisation der TDKP ("Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei"), die in der Öffentlichkeit vorwiegend publizistisch auftritt. Ihre Hamburger Gruppierung führte am 27. Juni und 25. Juli mit etwa 160 bzw. 320 Teilnehmern friedliche Demonstrationen durch. Unfriedlich verlief eine Demonstration von etwa 15 Anhängern der DHKP-C (überwiegend Frauen, die parolenbeschriftete weiße Leibchen trugen) am 16. Juli vor dem türkischen Generalkonsulat in Hamburg. Die Demonstranten räumten den Sicher246 heitsbereich vor dem Gebäude erst, nachdem sie eine Erklärung vor einem Fernsehteam verlesen hatten. Zwei Männer wurden wegen Widerstandshandlungen festgenommen. DHKP-C-Anhänger traten in Hamburg erneut am 27. Juli auf. Etwa 35 Personen sammelten sich am Nachmittag im Flughafenterminal 4 und entfernten sich friedlich, nachdem sie Texte zum Hungerstreik verlesen hatten. Wenig später skandierte eine sechsköpfige Gruppe im Terminal 1 auf türkisch politische Parolen. Zeitgleich hielten sich etwa 10 Personen im Büro des Reiseveranstalters "Öger Tours" auf und verließen die Räume erst, nachdem sie vor einem Kamerareporter eine Erklärung abgegeben hatten. Mit dem Abbruch des Hungerstreiks in der Türkei endeten auch die Protestaktionen im Ausland. Das unter großen Opfern (Menschenleben) in der Türkei erzwungene Hungerstreikergebnis wurde an der Solidaritätsfront in Deutschland überwiegend als Erfolg gewertet. Er wurde auf mehreren regionalen und überregionalen Veranstaltungen gewürdigt, so am 21. September in Köln unter dem Motto "Menschenrechte in der Türkei" mit rund 5.000 Teilnehmern u.a. der TKP(ML), DHKP-C und MLKP. Dabei wurde die einträchtige Zusammenarbeit der Organisationen hervorgehoben - eine Erfahrung, die die Akteure künftig auch für andere Kampagnen verwerten wollen. Ein in Hamburg entstandenes "Solidaritätskomitee mit den Hungerstreikenden politischen Gefangenen in der Türkei und Kurdistan " widmete sich zunächst weiterhin diesem Thema, firmierte aber später als "Komitee zur Unterstützung der 'SamstagsMütter ' in der Türkei und Kurdistan ". Es lehnte sich inhaltlich an Aktionen in der Türkei an, wo Frauen in Mahnaktionen auf die Schicksale verschwundener bzw. verschleppter Angehöriger aufmerksam machen. Das Hamburger Komitee bemühte sich ab August bis über das Jahresende hinaus jeden Samstag mit Informationsständen im Stadtteil Altona, "den Protest gegen das Regime wachzuhalten". In wechselnden Besetzungen beteiligten sich Deutsche und Türken aus unterschiedlichen Organisationen. Es ist zu erwarten, daß der beschriebene Hungerstreik von den betroffenen türkischen linksextremistischen Organisationen als zukunftsweisendes Schlüsselereignis von anhaltender Tragweite gewertet und der Juli regelmäßig Anlaß zu erneuten Gedenkund Solidaritätsaktionen geben wird. Auch wenn - wie sich gezeigt hat - die Kräfte dieser Organisationen bei weitem nicht die Mobilisierungsfähigkeit der PKK erreichen, haben sie vor dem Hintergrund extremer Betroffenheit erfolgreich den Schulterschluß geprobt und Kampagnenfähigkeit exerziert. Die MLKP als - von der Anhängerzahl her - kleinster Partner war für gemeinsame Aktionen mit allen türkischen linksextremistischen Organisationen offen, d.h. sie paktierte mit jeweils beiden Flügeln der "Devrimci Sol" und der TKP-ML. Der "Partizan" - Flügel der TKP-ML, in der Vergangenheit mehr dem " YAGAN-Flügel" der "Devrimci Sol" (" THKP/-C Devrimci Sol") zugeneigt, ging bei mehreren Aktionen mit der konkurrierenden DHKP-C zusammen. 247 Bemerkenswert ist auch, daß erstmalig wieder Objekte islamistischer Organisationen angegriffen wurden, möglicherweise ein warnendes Zeichen, daß künftig auch die IGMG - stellvertretend für die in der Türkei regierungsbeteiligte "Refah Partisi" - wieder als Zielscheibe linksextremistischer Feindseligkeiten herhalten muß. 3.4 Iraner 3.4.1 Allgemeines In Deutschland leben über 100.000 iranische Staatsangehörige, in Hamburg etwa 13.500. Sie stellen in Hamburg damit nach Türken, Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien und Polen die viertgrößte Gruppe von Ausländern. Dieser relativ hohe Anteil in Hamburg ergibt sich u.a. aus der Funktion der Stadt als Wirtschaftsmetropole. Zahlreiche iranische Firmen sind hier ansässig. Ein Teil der in Deutschland aufhältlichen Iraner engagiert sich politisch für den Heimatstaat, andere leben in Opposition und setzen sich hier für eine Änderung der politischen Verhältnisse in ihrer Heimat ein. Um ihre Situation und ihre Anliegen verstehen zu können, dürfen Selbstverständnis und Prinzipien von Staat und Gesellschaft im Iran nicht übersehen werden. In der Islamischen Republik Iran ist die schiitische Grundorientierung allen privaten und staatlichen Lebens ein tragendes Element und der Schlüssel zum Selbstverständnis des Landes. Schiiten sind Anhänger der "schi'at Ali", der "Partei Alis", einer der beiden Hauptrichtungen der Weltreligion Islam. Eine weltweite Minderheit von etwa 15% der Muslime sind Schiiten, die Mehrheit Sunniten (Anhänger der Sunna). Sunniten und Schiiten trennten sich im Streit um die Nachfolge des im Jahre 632 n.Chr. verstorbenen Propheten Mohammad. Der Schiismus erkennt im Gegensatz zu den Sunniten nur Ali, den Schwiegersohn und Vetter des Propheten Mohammad und die ihm nachfolgenden blutsverwandten zwölf Imame als rechtmäßige Nachfolger und einzig legitime Führer der muslimischen Gesellschaft an. Im Iran leben etwa 90% Muslime schiitischen Glaubens. Als Ergebnis der "Islamischen Revolution" von 1979 und der Machtübernahme durch den zehn Jahre später verstorbenen Ayatollah KHOMEINI wurde das schiitische Staatsund Herrschaftsverständnis in der Verfassung der Islamischen Republik Iran verankert. Es beruht auf dem Prinzip der "Herrschaft des anerkannten Gottesgelehrten" ("wilayat-e Faqih"). Unverzichtbares Kriterium der schiitischen Gemeinschaftsordnung ist, daß sich das Volk dem Willen Gottes und seiner Vertreter auf Erden - dem anerkannten geistlichen Führer oder einem Gelehrtenkollegium - unterzuordnen hat. 248 Zweifelsohne hat der Iran Leitbildfunktion - aber eine nur eingeschränkte Führungsrolle - für verschiedene islamische Bewegungen. Er gab Impulse für eine Rückbesinnung auf den "wahren Islam " auch in anderen Staaten. KHOMEINI machte seinerzeit die "dekadenten" und "satanischen" Kolonialund Supermächte - allen voran die USA als den "großen Satan" - für die politische, wirtschaftliche und kulturelle Schwäche der islamischen Welt verantwortlich. Im heutigen Sprachgebrauch iranischer Stellen werden diese Staaten häufig pauschal mit den Begriffen "Weltarroganz" und "Lakaien" assoziiert. Kritiker werden als Stimmen einer "zionistischen Weltverschwörung" abgetan. KHOMEINIs politischem und religiösem Testament von 1983 zufolge werden die "Feinde des Islam" von den "ungehemmten und terroristischen" USA angeführt. Der "internationale Zionismus" ist danach ihr Verbündeter. Jordaniens König wird als "professioneller vagabundierender Verbrecher" dargestellt. Als ebenso verhaßte Figuren tauchen in diesem Feindbild der marokkanische Monarch und der ägyptische Präsident als "Kriminelle im Dienste Amerikas und Israels" sowie das saudi-arabische Herrscherhaus als "Verräter" auf. KHOMEINIs Thesen und Ziele laufen darauf hinaus, daß der "Islam als Politik" betrachtet wird. Höchste Autorität des Landes ist nicht der Staatspräsident RAFSANDJANI, sondern der "Führer", Ayatollah KHAMENEI. Er hat die Möglichkeit, direkt oder indirekt in Exekutive, Legislative und Rechtsprechung einzugreifen. Pluralismus oder ein Mehrparteiensystem im Sinne des westlichen Demokratieverständnisses werden abgelehnt. Bis heute sind die einst erklärten Revolutionsziele aktuell, wie Stabilisierung und Ausbau der Macht bei gleichzeitiger Unterdrückung und Ausschaltung der Opposition, Export der islamischen Revolution mit dem Ziel, insbesondere "dekadente", vom Westen beeinflußte Regierungen islamischer Länder zu stürzen und die ganze Welt zu islamisieren. Diese in der Verfassung der Islamischen Republik Iran als dauerhafte Leitlinien verankerten Ziele werden regelmäßig bekräftigt. 3.4.2 Regierungsseitige Bestrebungen und Anhänger der iranischen Regierung Anschläge / Mykonos-Komplex / RUSHDIE-Urteil: Wie sich die iranische Regierung die Ausschaltung der Opposition in Theorie und Praxis vorstellt, wurde in einer im August 1992 im iranischen Fernsehen ausgestrahlten - unverändert gültigen - Erklärung des iranischen Ministers für Nachrichtendienstund Sicherheitsangelegenheiten, Ali FALLAHIAN, deutlich aufgezeigt. Der Minister hatte Grundsätze, Ziele und Erfolge seines Ministeriums dargelegt. Der Rahmen für die Bekämpfung von Dissidenten und Oppositionellen - zusammengefaßt in dem Begriff "feindlich gesinnt" - wird darin u.a. mit Stichworten wie "Beobachtung / Infiltration / Schwächung / 249 schwere Schläge " definiert. Personen und Gruppen, die kulturelle und religiöse Werte der islamischen Revolution in Frage stellen, werden im eigenen Land und im Ausland verfolgt und manchmal auch liquidiert. Iranischen Sicherheitsdiensten werden mehrere Mordanschläge auf im Ausland lebende führende Oppositionelle zugerechnet. Oppositionelle Bewegungen wurden auf diese Weise systematisch geschwächt. Gewaltsame Aktionen gegen innere Feinde im Ausland werden als legitimes Mittel iranischer Außenund Sicherheitspolitik verstanden. Zu dem in Berlin stattfindenden Prozeß wegen des Mordes an vier Oppositionellen im Lokal "Mykonos" (17.09.1992) und den in diesem Zusammenhang Ende 1995 eingeleiteten Untersuchungen gegen FALLAHIAN hieß es bereits damals in iranischen Medien, daß dies "eine weitere Maßnahme der prozionistischen Gruppen in Deutschland" sei. Die deutsche Justiz wurde als unfähig bezeichnet, zu erkennen, daß der Iran das "Hauptopfer des Terrorismus" sei. Unter dem Einfluß "zionistischer Kreise" werde in Deutschland versucht, bilaterale Beziehungen durch "bösartige Verschwörungen " zu stören. Im März erließ ein Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs einen Haftbefehl gegen FALLAHIAN. Aus dem Iran verlautete hierzu, ähnlich wie einige Monate zuvor, dieses sei Ergebnis einer "zionistischen und amerikanischen Verschwörung" gegen den Iran. Im August und September belasteten der ehemalige iranische Präsident BANI SADR und weitere Zeugen im "Mykonos "-Prozeß den Iran schwer, indem sie eine Verwicklung der iranischen Führung in den Anschlag behaupteten. Die Reaktionen aus dem Iran wurden zum Jahresende hin massiver, insbesondere im November nach dem Beginn der Plädoyers der Bundesanwaltschaft. Der deutschen Justiz wurde vorgeworfen, den Prozeß in ein "politisches Theater" verwandelt und das "heilige islamische Regime beleidigt" zu haben. Der Bundesanwalt wurde mit dem Naziverbrecher EICHMANN verglichen. Radio Teheran führte den "Skandal" auf "Feindseligkeiten des zionistischen Regimes und der US-Regierung gegenüber der Islamischen Republik Iran" zurück. Dies sei Teil von "umfassenden und sorgfältig ausgearbeiteten Verschwörungen der Vereinigten Staaten und des zionistischen Regimes gegen den islamischen Iran". Bei einer Massenkundgebung in der iranischen Stadt Ghom verabschiedeten im November mehrere tausend Mullahs und Koranstudenten sowie der Gouverneur und einige Parlamentsabgeordnete eine Erklärung, wonach die von der Anklage in Berlin erhobenen "Beleidigungen" gegen den Iran "in dieselbe Kategorie fallen wie die Satanischen Verse" von RUSHDIE. Es wurde mit dem Erlaß einer Fatwa gedroht: "Die Söldner-Staatsanwälte müssen für diesen Verrat und dieses Verbrechen die höchste Sühne verbüßen." Die Menge skandierte: "Wenn diese dreckigen faschistischen Ankläger sich nicht für ihre Beleidigungen unserer heiligen Werte entschuldigen, werden wir sie ebenso verurteilen wie Rushdie". 250 Derartige Drohungen sind durchaus ernst zu nehmen, zumal dem iranischen Strafrecht zufolge bei Beleidigungen gegen KHOMEINI oder KHAMENEI die Todesstrafe verhängt werden kann. Auch "Propaganda gegen die muslimische Regierung" steht unter Strafe. Iranische Regierungsvertreter und hohe Würdenträger haben mehrfach bekräftigt, daß sie die "göttliche Fatwa" (Rechtsgutachten) des verstorbenen Revolutionsführers Ayatollah KHOMEINI vom Februar 1988 gegen den Schriftsteller Salman RUSHDIE für unumkehrbar und somit für unverändert gültig halten. RUSHDIE lebt seitdem unter der ständigen Drohung, daß sein Todesurteil vollstreckt wird. Ein von der iranischen Stiftung "15. Khordad" inzwischen auf etwa vier Millionen DM erhöhtes Kopfgeld soll Attentäter anspornen. Außerhalb Deutschlands sind mehrere Anschläge gegen Personen bekannt geworden, die die von RUSHDIE verfaßten "Satanischen Verse" übersetzt oder verlegt hatten. KHOMEINI hatte seine "Fatwa" auch auf alle Personen ausgedehnt, die das Buch nur verbreiten. RUSHDIE gilt als personifizierte Verschwörung des Westens gegen den Islam {"lebendes Beispiel für das zionistische und westliche Komplott gegen den Islam "). Auf westliche Forderungen nach einer "klaren Position" Irans zum Todesurteil hin wird von der iranischen Führung - damit unter staatlicher Autorität - stereotyp wiederholt, daß eine offizielle Rücknahme des Todesbefehls gegen Rushdie nicht möglich sei. Allein schon das Ansinnen, die Fatwa aufzuheben, wurde vom Iran als Auswuchs einer "antiislamischen und antimuslimischen " Denkweise empfunden. Das Todesurteil erfreue sich weltweiter Sympathie beim größten Teil der muslimischen Führer. Eine Politisierung des Urteils liege "nicht im Interesse" der Weltgemeinschaft, insbesondere nicht der muslimischen. Allerdings wurde dem Westen eine pragmatische Lösung signalisiert: Das Todesurteil müsse "nicht zwangsläufig" vollstreckt werden. Unterstützung von Terrorgruppen: Das iranische Regime verfolgt nicht nur Dissidenten im In-und Ausland, sondern versucht zugleich mit vielfältigen Methoden, dem ehrgeizigen Ziel - Export der islamischen Revolution - zu dienen. Das Bestreben, prowestliche und laizistische Regime im Nahen und Mittleren Osten zu destabilisieren, ist langfristig angelegt und wird u.a. dadurch umgesetzt, daß in anderen Staaten islamische Revolutionen bzw. sogenannte islamische "Befreiungsbewegungen" unterstützt werden. Bei den der "Islamischen Widerstandsbewegung" (HAMAS) zugerechneten Anschlägen am 25. Februar in Jerusalem und Ashkalon, am 3. März in Jerusalem und am 4. März in Tel Aviv waren mehr als 58 Menschen ums Leben gekommen - mehr als 200 Personen wurden verletzt. Die regierungstreue iranische Nachrichtenagentur IRNA bezeichnete die Anschläge als "göttliche Vergeltung" und "gerechte Strafe". Israel bekomme "nun seine eigene Medizin zu schmecken". Die Bombenexplosionen verkündeten den "Anfang des Endes Israels". Die iranische Regierung distanzierte 251 sich auf westlichen Druck hin zwar von den Attentaten radikaler Palästinenser in Israel, verurteilte sie jedoch nicht ausdrücklich, sondern bezeichnete sie als Aktionen der "Freiheitsbewegung". Der Iran bezeichnet z.B. die HAMAS, die 1982 im Libanon mit iranischer Unterstützung gegründete HIZB ALLAH ("Partei Gottes") und den "Palästinensischen Islamischen Jihad" (PU) als "islamische Befreiungsbewegung". Er hat andere Auffassungen von Menschenrechten, als in westlichen Demokratien üblich. Unterstützungsleistungen werden auf vielfältige Art und Weise erbracht. Sie können aus militärischer Förderung, Ausbildungshilfe, finanziellen Leistungen und religiösen oder ideologischen Schulungen bestehen, werden üblicherweise nicht publik gemacht und oftmals von iranischer Seite auch vehement bestritten. Der Führer der libanesischen HIZB ALLAH, Scheich Hassan NASRALLAH, hat die Unterstützung seiner Organisation durch den Iran allerdings im März öffentlich eingestanden. Von iranischen Offiziellen wurde daraufhin die "Tapferkeit des libanesischen Widerstandes angesichts der Angriffe des zionistischen Regimes" gelobt und zu dem "herausragenden Sieg des libanesischen Volkes und der Kräfte der Hizbullah" gratuliert. Der iranische Botschafter in Bonn äußerte im April in einem Interview mit einer Hamburger Tageszeitung, der Iran sei aufgrund von Verstößen Israels gegen das Völkerrecht und gegen die UNO-Charta geradezu verpflichtet, die HIZB ALLAH im Kampf gegen die Besatzung und internationales Unrecht zu unterstützen. Wenn Israel die Besatzung beende, werde die Unterstützung aufgegeben. Iran unterstütze den Friedensprozeß zwar nicht, störe ihn aber auch nicht. Anderslautende Behauptungen seien Propaganda. Außerdem sei es ungerecht und unlogisch, wenn die ganze Welt sich über einen ermordeten Israeli errege, aber nichts dagegen unternehme, daß in Europa mordende iranische Oppositionelle ungehindert ihr Unwesen treiben könnten. Islamisches Zentrum Hamburg: Für den Export der islamischen Revolutionsidee spielt in Deutschland das "Islamische Zentrum Hamburg" (IZH) - Träger der "ImamAli-Moschee" - eine herausragende Rolle. Es hat sich zu einem Propagandazentrum der Islamischen Republik Iran entwickelt. Diese setzt offiziell die Leiter der Moschee bzw. des IZH ein. Es gibt Anhaltspunkte dafür, daß der Iran versucht, bundesweit andere Moscheen zu unterwandern, zu beeinflussen und letztendlich eine steuernde Funktion zu erlangen, indem er z.B. finanzielle oder organisatorische Unterstützung anbietet. Wegen der herausragenden Stellung des IZH muß davon ausgegangen werden, daß auch das IZH in diese Bestrebungen eingebunden ist. Das IZH verfügt über Zweigstellen in Münster ("Islamisches Zentrum in Münster - F ATIME Versammlung e. V. ") und Hannover ("Islamisches Zentrum Salman Farsi Moschee e. V. ") und strebt weitere Niederlassungen in anderen Städten an. Regierungstreue Iraner und Angehörige muslimischer Gruppen anderer Nationalitäten - insgesamt etwa 400 Personen, darunter z.B. Anhänger der HIZB ALLAH - suchen 252 das IZH zu Versammlungen, Gebeten, Vorträgen, Seminaren, Lesungen, islamischen Festen und Trauerfeiern auf. Obwohl von offizieller Seite eine innermuslimische und konfessionsübergreifende Offenheit bekräftigt wird, ist das IZH ein Ort, an dem das Weltgeschehen und Fragen des täglichen Lebens bevorzugt im Sinne einseitiger iranischer Lesart interpretiert werden. Das betrifft z.B. Meldungen über den "MykonosProzeß", Kommentare zum Streit um den Schriftsteller Salman RUSHDIE und die klare Ablehnung von Friedensverhandlungen mit dem verhaßten "zionistischen Gebilde". Antiwestliche Agitation und einseitige pauschale Schuldzuweisungen überwiegen. U.I.S.A.: Im IZH verkehren auch Anhänger des islamisch-extremistischen Dachverbandes "Union islamischer Studentenvereine in Europa" (U.I.S.A.). Bundesweit gibt es etwa 300 U.I.S.A.-Anhänger. Die regierungstreue iranische Organisation propagiert in Deutschland die Revolutionsideen KHOMEINIs und verteidigt vorbehaltlos alle Ziele der Islamischen Republik Iran. Ihre Mitglieder sind verpflichtet, "bis zum Tode den islamischen Glauben und die islamische Revolution" zu verteidigen. U.I.S.A.-Anhänger sind nicht öffentlichkeitswirksam aktiv. Sie beteiligen sich allerdings propagandistisch und praktisch an der alljährlich im Bundesgebiet stattfindenden Großdemonstration zum "Jerusalem-Tag" - dem von KHOMEINI kreierten "GHODS-Tag" oder "QODS-Tag", an dem allen Muslimen die Wiedereroberung Jerusalems und die Befreiung der heiligen Stadt vom Zionismus für den Islam immer wieder als Ziel vor Augen geführt werden soll. Am 17. Februar demonstrierten in Berlin aus diesem Anlaß bundesweit etwa 1.500 Muslime - größtenteils Anhänger islamisch-extremistischer Organisationen. Der IZHLeiter hob dort in einer Rede die Bedeutung Jerusalems im oben erwähnten Sinne hervor. Während der Demonstration wurde ein Flugblatt eines "Islamischen Einheitskomitees" verteilt, in dem Israel als "Krebsgeschwür" und "zionistisches Gebilde im Herzen des Nahen Ostens" bezeichnet wurde. Außerdem wurden Fotos des getöteten HAMAS-Bombenbauers Yehija AYASH und des früheren PIJ-Führers Fathi SHAKAKI gezeigt, was darauf schließen läßt, daß sich Anhänger dieser Organisationen unter den Demonstrationsteilnehmern befanden. 3.4.3 Gegner der iranischen Regierung Die gegen die islamisch-fundamentalistische Regierung gerichtete iranische Opposition ist breit gefächert und umfaßt u.a. Monarchisten, Marxisten, Maoisten, Trotzkisten, Nationalisten und eine klerikale Opposition. Die Politik der iranischen Führung ist darauf ausgerichtet, diese Opposition zu schwächen und auszuschalten. Der davon ausgehende Druck erlaubt es oppositionellen Kräften im Iran kaum, offen aufzutreten oder gar eine handlungsfähige Basis aufzubauen. Im Ausland fehlen - von Ausnahmen abgesehen - Führungspersönlichkeiten sowie Bereitschaft und Kraft, sich unter einem gemeinsamen Dach zu sammeln. Versuche, oppositionelle Kräfte zu bün253 dein, scheitern zumeist an internen Problemen und sind nur von kurzer Dauer. Die meisten Gruppen haben im Iran selbst nur eine schmale Basis und müssen daher vom Ausland aus agieren. Der "Nationale Widerstandsrat Iran" (NWRI) bzw. die darin dominierenden "Volksmodjahedin Iran " sind heute die am deutlichsten erkennbare Organisation unter den Regierungsgegnern. Dieser Teil besitzt auch Führungspersönlichkeiten, die als einzige im oppositionellen Lager für neue Anstöße sorgen. Der NWRI nimmt für sich in Anspruch, "der. iranische Widerstand" überhaupt zu sein. Er sieht sich als demokratische Alternative zur gegenwärtigen Regierung und gibt an, nach dem Sturz des "Mullah-Regimes" einen nichtreligiösen und demokratischen Staat im Iran errichten zu wollen. Der seit 1981 existierende NWRI hatte sich im August 1993 als "Exilparlament im Widerstand" mit 235 Mitgliedern konstituiert und Maryam RAD JA VI zur "iranischen Staatspräsidentin" gewählt - ein Versuch, sich vor der Öffentlichkeit als Alternative zum iranischen Regime zu legitimieren und zu etablieren. Inzwischen hat dieses Parlament weit über 500 Mitglieder. Die "Volksmodjahedin Iran" geben sich zwar als Vertreter einer gemäßigten islamischen Linie mit annähernd sozialdemokratischer Prägung, streben aber den gewaltsamen revolutionären Sturz der iranischen Regierung an. Die Organisation war 1965 gegründet worden, um die Diktatur des Schahs zu bekämpfen. Sie beteiligte sich 1979 auch an der Revolution gegen den Schah, geriet aber nach dem Umsturz in Opposition zur neuen Regierung, gegen die sie seit 1981 bewaffneten Widerstand leistet. Vom iranischen Regime werden die "Volksmodjahedin" verächtlich "Munafiqeen Khalq Organization"(MKO) - sinngemäß "Heuchler" - genannt. Die Organisation beschränkt sich nicht auf politische Propaganda zum Sturz des "Mullah-Regimes". Eine 1987 gegründete, im Irak stationierte "Nationale Befreiungsarmee " (NLA) und ein Widerstandsnetz im Iran selbst führen auch direkte Operationen durch, die in Publikationen des NWRI anschließend groß herausgestellt werden. Bei bewaffneten Aktionen im Iran gelang es dem Widerstand in der Vergangenheit, Unruhen auszulösen, Regierungsanhänger zu töten, Objekte der Infrastruktur (insbesondere Pipelines und Ölanlagen) zu zerstören und militärische Zentren der Revolutionsgarden anzugreifen. In der Propaganda der Organisation haben Meldungen über Menschenrechtsverletzungen und Hinweise auf angebliche wie tatsächliche Terroraktionen der iranischen Regierung zentrale Bedeutung. Im Gegenzug läßt der Iran keine Gelegenheit aus, die "Munafiqeen" für Unruhen und Anschläge im Heimatland verantwortlich zu machen, um sie vor der Bevölkerung als "Verräter" abzustempeln, die im Krieg zwischen Iran und Irak auf Seiten des Irak gegen den Iran gekämpft haben. 254 Andere Oppositionsgruppen halten im allgemeinen Distanz zu den "Volksmodjahedin Iran ", obwohl diese sich in ihrer Propaganda betont diplomatisch und als für den Westen attraktive politische Alternative darzustellen versuchen. Sie betonen zwar Meinungsfreiheit, Menschenrechte, Pluralismus, Gleichberechtigung usw., halten aber an militärischen Lösungen gegen die "Mullah-Diktatur" fest. Auch in diesem Jahr unternahmen sie Vorstöße, sich politische Anerkennung in westlichen Staaten zu verschaffen. Am Jahresende verlegte die "designierte Staatspräsidentin" überraschend ihren Sitz aus der Nähe von Paris in den Irak, angeblich, um damit zur Stärkung der NLA beizutragen. Anhänger der "Volksmodjahedin Iran" sind seit Mitte der achtziger Jahre in Deutschland in der "Iranisch Moslemischen StudentenVereinigung Bundesrepublik Deutschland e. V. " (IMSV) mit Sitz in Köln organisiert. Firmierungen als "Volksmodjahedin Iran" und IMSV sind seit etwa Mitte 1994 weitestgehend vom Signum "NWRI" abgelöst worden. Die deutsche NWRI-Zentrale residiert in Köln In Hamburg befand sich vom Frühjahr 1994 bis etwa zur Mitte dieses Jahres eine sog. "NWRI-Hauptgeschäftsstelle" im Stadtteil St. Georg. Dieses Objekt wurde aufgelöst. Das derzeit provisorisch untergebrachte Hamburger Büro betreut den gesamten norddeutschen Raum. Es organisierte im Verlauf des Jahres mehrere interne Veranstaltungen mit bis zu etwa 400 Teilnehmern aus diesem Großraum, vorwiegend jedoch aus Hamburg. Propaganda, zumeist politische Eigenwerbung, wurde auch über den "Offenen Kanal" Hamburg in den Fernsehsendungen "Simaye Asadi", "Aihneh-e Iran" und "Omide Iran" sowie über das Internet (Home Page unter http://www.irane-azad.org/) verbreitet. Auch andere moderne Kommunikationstechniken (z.B. Konferenzschaltungen und Satellitenübertragungen) werden vermehrt genutzt. Im Zusammenhang mit dem Berliner "Mykonos-Prozeß" (O 3.4.2), in dem der iranischen Führung Staatsterrorismus angelastet wurde, nutzte die Führung des NWRI die iran-kritische Stimmung, um in der Schlußphase des Verfahrens den unter der Last der Beweislage entstandenen Druck auf die Teheraner Regierung zu verstärken und den NWRI als einzig legitime und handlungsfähige Widerstandsorganisation in der Öffentlichkeit darzustellen. So teilte der NWRI Deutschland mit, daß nach seinen Ermittlungen seit 1989 fast 350 Exiliraner im Auftrag der iranischen Führung getötet worden seien. Seit Beginn des "kritischen Dialoges" der Bundesregierung mit der Teheraner Regierung habe sich die Zahl der Terroranschläge in 4 Jahren sogar verdoppelt. Breiten Raum nahm die Aufklärung über Vorgehensweisen des iranischen Geheimdienstes gegen die " Volksmodjahedin Iran" ein. Der iranische Geheimdienst habe eine aus abtrünnigen " Volksmodjahedin " bestehende Gruppierung ins Leben gerufen, die gezielt eingesetzt werde, um ganz im Sinne des iranischen Regimes die Volksmodjahedin Iran zu diffamieren bzw. zu diskreditieren. U.a. wurde vor in Hamburg 255 lebenden Personen gewarnt, die sich angeblich als Multiplikatoren gefälschter Nachrichten betätigen. Um ihr bisher gewonnenes politisches Ansehen nicht zu gefährden und das in der Öffentlichkeit dargestellte Rollenbild als "Hauptopfer des iranischen Terrorismus" nicht zu gefährden, verhalten sich die " Volksmodjahedin Iran " auf Kundgebungen betont friedlich. Dies war z.B. anläßlich einer Demonstration des NWRI am 24. Februar in Bonn mit etwa 1200 Teilnehmern erkennbar. Der Protest richtete sich gegen die Ermordung von NWRI-Funktionären in Istanbul - angeblich durch Täter im Auftrage des iranischen Regimes. Der Türkei wurde in diesem Zusammenhang "Kooperation mit dem iranischen Nachrichtendienst" vorgeworfen. Ein hochrangiger NWRI-Funktionär aus der Nähe von Paris führte in seiner Rede anläßlich einer Veranstaltung in Hamburg im Februar aus, daß das iranische Regime nur durch die "Bewegung des Volkes" und den "bewaffneten Kampf der Nationalen Befreiungsarmee zum Sturz gebracht werden" könne, nicht jedoch durch Reformen oder die Teilnahme an Parlamentswahlen. Anläßlich einer Diskussionsveranstaltung im Mai in Hamburg kommentierten Mitglieder des NWRI-Schattenkabinetts u.a. die Durchsuchung des iranischen Frachters "Iran Kohladooz" in Antwerpen und Hamburg und unterstellten, das iranische Regime habe die dabei aufgefundenen Waffen nach Europa gebracht, um eine Terroroperation gegen die Zentrale der "Volksmodjahedin Iran" in Paris durchzuführen. Es wurde zur Wachsamkeit ermahnt, weil dies auch in Deutschland passieren könne. Die Kölner Pressestelle der Organisation warnte bereits seit 1995 vor einem zerlegbaren Mörser-Modell, das im Iran speziell für staatsterroristische Anschläge in aller Welt entwickelt worden sei. Der NWRI nimmt für sich in Anspruch, auch "sozialpolitische" Aufgaben zu erfüllen. So unterstützt er - für Außenstehende nicht erkennbar - bundesweit auftretende Strukturen mit regional unterschiedlichen Schwerpunkten, die sich zumeist unter dem Mantel der Gemeinnützigkeit und im Vereinsstatus einen vorwiegend karitativen-humanitären Anstrich geben. Die unterschiedlichen Namensgebungen sind Fassaden und sollen dem Spender auf der Straße suggerieren, daß keine Verbindung zu politischen Organisationen besteht. Über Straßensammlungen u.a. der "Flüchtlingshilfe Iran" (FHI) und "Frauen für Demokratie im Iran" wird höchstwahrscheinlich auch Geld für die Unterhaltung des Organisationsapparates des iranischen Widerstandes beschafft, was allerdings sowohl von der FHI als auch vom NWRI bestritten wird. Der NWRI leidet notorisch unter finanziellen Schwierigkeiten und hat große Probleme, den umfangreichen Apparat aus eigenen Mitteln am Leben zu erhalten. Auch in den Hüllen des "Vereins Iranischer Demokratischer Akademiker" (VIDA), des "Vereins zur Förderung der Musik im Iran" und des " Vereins zur Eingliederung iranischer Flüchtlinge e. V. " wurden punktuell Belange des NWRI bzw. der IMSV wahrgenommen. 256 3.5 Araber 3.5.1 Palästinenser und Libanesen Nach dem Autonomieabkommen vom September 1995 wurde zwischen Israel und den Palästinensern nach monatelangem Tauziehen im Januar 1997 das sogenannte Hebron-Abkommen unterzeichnet. Insbesondere nach den israelischen Parlamentswahlen Ende Mai 1996 begannen schwierige Zeiten für die Weiterentwicklung und praktische Umsetzung des Friedensprozesses. Die Autonomieverträge mit den Palästinensern wurden auf israelischer Seite neu bewertet. Bereits festgelegte Termine und die Erfüllung ausgehandelter Maßnahmen z.B. zur Freilassung von palästinensischen Gefangenen verstrichen bzw. kamen ins Stocken. Es kam zu diversen zum Teil gewaltsamen Protestaktionen, bei denen u.a. militante Palästinenser, aber auch militante israelische Siedler, auf sich aufmerksam machten. Ein Führer der HAMAS ("Islamische Widerstandsbewegung") bezeichnete den durch die israelische Parlamentswahl bewirkten Regierungswechsel als "gleichbedeutend mit einer Kriegserklärung". Die Nahostverhandlungen kamen mehrfach, insbesondere nach Attentaten islamistischer Organisationen wie der HAMAS (im Februar und März in Jerusalem, Ashkelon und in Tel Aviv) und des "Palästinensischen Islamischen Jihad" (PU), zum Stillstand. Da die Verhandlungen auf der Stelle zu treten schienen, flammte die palästinensische Aufstandsbewegung "Intifada " in den israelisch besetzten Gebieten wieder auf. Das radikale arabische Lager und die palästinensischen Oppositionsgruppen verweigern sich den Abkommen und geißeln sie als "Verrat" an arabischen Interessen. Die Kritiker argumentieren, daß "den Juden" unrechtmäßig erworbener Besitz zugestanden werde. Andererseits beklagen radikale israelische Siedlerorganisationen - unterstützt vom rechten politischen Flügel in Israel - Abkommen und Friedensverhandlungen als "Kapitulation" vor einer fortwährenden arabischen Aggression. Beide Seiten setzten alles daran, eine friedliche Lösung auf Dauer zu torpedieren. Die Opposition gegen ARAFAT und die "Palästinensische Befreiungsorganisation" (PLO) umfaßt 10 palästinensische Gruppen. Es handelt sich um einen Zusammenschluß von Gruppierungen verschiedenster politischer Couleur - von prosyrischen Gruppen über Marxisten bis hin zu den Islamisten. Diese "Allianz der palästinensischen Kräfte" (AFP) vereint u.a. die marxistisch-leninistischen Organisationen "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) und die "Demokratische Front für die Befreiung Palästinas" (DFLP), die terroristische "Volksfront für die Befreiung Palästinas - Generalkommando" (PFLP-GC) und die islamisch-extremistische "Islamische Widerstandsbewegung" (HAMAS). Nach den von der HAMAS im Februar verübten Anschlägen in Jerusalem und Ashkelon übermittelte die AFP über einen Radiosender "herzliche Grüße an die heldenhaften Märtyrer, die die heldenhaften Opera257 tionen in Jerusalem und Ashkelon durchführten". Die AFP betonte die Entschlossenheit zur Fortsetzung des Kampfes und des Dschihad "bis die Ziele unseres Volkes, Befreiung, Rückkehr und vollständige Unabhängigkeit, erreicht sind". Das Widerstandsbündnis blieb ein loser Zusammenschluß auf dem Minimalkonsens: Ablehnung von Friedensverhandlungen. Der geringe politische Erfolg und Frustration angesichts unverrückbar erscheinender Realitäten (der jordanische König bezeichnete im Oktober 1996 die Stimmung unter den Arabern als ohnmächtige "Wut, die an Verzweiflung grenzt") schwächte das Zusammenwirken der ablehnenden Organisationen. Die Allianz der Gegner will trotz aller internen Probleme die "Intifada" fortsetzen. Der innerpalästinensische Kampf soll allerdings mit politischen Mitteln, statt mit Waffen geführt werden. Sämtliche Parteien beteuern stets, daß ein palästinensischer "Bruderkrieg" vermieden werden soll. Das islamistische Lager sieht ARAFAT und die palästinensischen Exekutivbehörden als "Marionetten" des "zionistischen Feindes". Eine korrespondierende oder auch nur vergleichbare arabisch-palästinensische Allianz gab es in der Bundesrepublik Deutschland bislang nicht. In manchen palästinensischen Organisationen im Bundesgebiet wurde selbstkritisch eingestanden, daß die Unterlegenheit der Palästinenser in ihrem Kampf gegen Israel u.a. durch die uneinheitliche Vorgehensweise und schwer zu überbrückende Divergenz zwischen religiösen und säkularen Gruppierungen verursacht ist. Eine im Verlauf des Jahres neu gegründete "Palästinensische Gemeinde Deutschland" bemerkte zu den Entwicklungen in Israel, daß sich die Palästinenser als Verlierer empfänden. In Hamburg sind Palästinenser, die der Ablehnungsallianz zuzurechnen sind, nur als örtlich unorganisierte Einzelpersonen vertreten. Ihre Reaktionen, zumeist verbale Solidaritätsbekundungen mit dem palästinensischen Widerstand in Israel, richteten sich größtenteils nach den offiziellen Vorgaben ihrer Heimatorganisationen und wurden nicht öffentlich ausgetragen. Intern wird zu Spenden für die "Brüder" in der Heimat aufgerufen. Dort zeichnen sich Tendenzen zur Auflösung der Allianz ab. DFLP und PFLP zogen sich bereits zurück. Die HAMAS ist eine 1987 gegründete islamisch-fundamentalistische Organisation. Sie ist überzeugt, Palästina sei ein islamisches Land, das durch bewaffneten Kampf gegen die "zionistischen Okkupatoren " befreit werden müsse. Der Name HAMAS ist eine Abkürzung für "Islamische Widerstandsbewegung", was im Arabischen zugleich "Enthusiasmus" heißt. Zunächst hauptsächlich religiös und sozial engagiert, ging sie nach dem Beginn der "Intifada" (Aufstand) Ende 1987 zum militanten Kampf über. Sie führte mit ihrem militärischen Arm, den "Izzedin-al-Kassem-Brigaden ", Terroraktionen durch, so die folgenschweren Anschläge von Ende Februar und Anfang März in Israel. Diese Anschläge richteteten sich nicht nur gegen Israel. Sie trafen insbesondere den Fortgang des Friedensprozesses und verdeutlichten der paläs258 tinensischen Selbstverwaltung, daß seitens der HAMAS kein Interesse an einer Zusammenarbeit besteht. Die HAMAS wird u.a. von Anhängern aus dem europäischen Ausland finanziell unterstützt. Sie hat sich bisher offiziell von Attentaten gegen Angehörige von Drittstaaten oder gegen israelische Bürger und Einrichtungen in Drittstaaten distanziert. Die im Bundesgebiet lebenden HAMAS-Anhänger haben neben ihren Propagandafunktionen die Aufgabe, Geld zur Unterstützung der HAMAS in den autonomen Gebieten zu beschaffen. In Hamburg ist die Organisation nur mit wenigen Personen vertreten, die sich u.a. in Moscheen im Stadtteil St. Georg treffen. Nach wie vor unbeugsam zeigt sich die libanesisch-schiitische HIZB ALLAH ("Partei Gottes"), die im Südlibanon Anschläge gegen die dort stationierten israelischen Truppen verübt und wiederholt vom Südlibanon den Norden Israels angriff. Die HIZB ALLAH wurde noch während der Libanon-Invasion Israels im Jahre 1982 auf Betreiben des Iran gegründet. Sie will im Libanon eine "Islamische Republik" nach iranischem Vorbild installieren und ist massiv gegen Friedensverhandlungen. Ihr erklärtes Ziel ist die Auslöschung des Staates Israel und die "Befreiung" Jerusalems. Von Beginn an verstand sie sich als Speerspitze im Kampf gegen die israelische Besetzung. Mit spektakulären blutigen und opferreichen Selbstmordanschlägen gegen US-amerikanische und französische Friedenstruppen 1983 erzwang die HIZB ALLAH den Rückzug internationaler Militäreinheiten. In den folgenden Jahren gelang es ihr, die israelische Armee in die südlibanesische Sicherheitszone abzudrängen. Insbesondere dort wurden bei Autobombenexplosionen oder aus Hinterhalten Dutzende israelische Soldaten getötet. Der HIZB ALLAH-Führer im Libanon, Scheich NASRALLAH, bekannte im März erstmals öffentlich, daß seine Organisation vom Iran finanziert werde und auch dessen politische Unterstützung genieße. Im April kam es bei der israelischen Militäraktion unter der operativen Bezeichnung "Früchte des Zorns" zu massiven Auseinandersetzungen zwischen israelischen Streitkräften und HIZB ALLAH-Milizen. Vom Libanon aus war ein permanenter Beschuß nordisraelischen Territoriums mit Katjuscha-Raketen vorausgegangen. Es war die schwerste Auseinandersetzung seit 14 Jahren (1982, israelischer Einmarsch in den Libanon und Bildung der "Sicherheitszone"). Sie löste u.a. eine Massenflucht der libanesischen Bevölkerung aus und hinterließ Hunderte von Toten. Die HIZB ALLAH drohte, den Norden Israels in eine "Hölle" zu verwandeln und weltweit Vergeltungsschläge durchzuführen. Wegen dieser Zuspitzung im Südlibanon kam es im Bundesgebiet insbesondere im April zu vereinzelten - friedlichen - Protestkundgebungen. Anhänger der HIZB ALLAH sind in auch Hamburg vertreten. Sie diskutierten die Vorfälle in ihrer Heimat ausgiebig. Die islamisch-extremistischen arabischen Organisationen machen in der Bundesrepublik Deutschland nicht durch öffentliche Aktionen auf sich aufmerksam. Personen 259 ihres Spektrums treffen sich vornehmlich auf internen Veranstaltungen und erörtern dort die sie bewegenden Themen im Sinne ihrer ideologisch-religiösen Zielsetzungen. Es geht diesen Organisationen vor allem darum, die politischen Verhältnisse in ihren jeweiligen Heimatländern zu verändern. Dabei werden auch gewaltsame Methoden - z.B. bei der HIZB ALLAH und bei der HAMAS - in Betracht gezogen. Ein zentraler Anlaß, öffentlich und gruppenübergreifend aufzutreten, ist der alljährliche sogenannte "Jerusalem-Tag" (O vgl. 3.3.3.2 und 3.4.2), der letzte Freitag nach dem Fastenmonat Ramadan. In diesem Jahr demonstrierten aus diesem Anlaß - insbesondere aber zum Zeichen der Solidarität mit dem Kampf der Palästinenser gegen Israel - am 17. Februar etwa 1.500 Personen in der Berliner Innenstadt. Während der Demonstration wurden antiamerikanische und antiisraelische Parolen skandiert sowie Fotos der Märtyrer AYASH und SHAKAKI gezeigt. AYASH war Experte der HAMAS für den Bau von Bomben für terroristische Mordanschläge und wurde im Januar 1997 in Israel selbst getötet. SHAKAKI war der Führer der PU; er war bereits im Oktober 1995 auf Malta getötet worden. In Flugblättern wurde zur Vernichtung des "zionistischen Gebildes" und des "Krebsgeschwürs" - gemeint ist Israel - aufgerufen. 3.5.2 Andere Volksgruppen Muslimbruderschaft: Die sunnitische "Muslimbruderschaft" (MB) wurde 1928 in Ägypten gegründet und verbreitete sich von dort aus in nahezu alle arabischen Staaten. Sie gilt als Stammorganisation vieler islamistischer Bewegungen im Nahen Osten. Ihr Ziel ist die Errichtung von Staatsformen, die sich streng an die islamische Gesetzgebung halten. Die derzeitigen arabischen Regime sind nach ihrer Ansicht unislamisch und müssen gestürzt werden. In Ägypten ist die MB verboten, aber seit Jahren geduldet. Einerseits soll der politische Umsturz durch die langsame Unterwanderung von Verwaltung und Armee ("Marsch durch die Institutionen"), andererseits mittels Anwendung von Gewalt erfolgen. Es gibt allerdings von Staat zu Staat unterschiedliche Ausprägungen der MB. Sie hängen von der jeweiligen politischen Situation im betreffenden Land ab. Insbesondere in den nordafrikanischen Staaten haben sich regionale MB-Zweige ausgebildet, darunter die algerische "Islamische Heilsfront" (FIS) und die tunesische "En Nahda". Auch die palästinensische HAMAS sowie diverse für Anschläge auf Touristen in Ägypten verantwortliche Gruppen, u.a. die "Jamaat alIslamiya" (wörtlich: "Islamische Gruppen") haben ihren Ursprung in der MB. In Ägypten wurden 1995 zahlreiche führende MB-Mitglieder festgenommen. Ihnen wird vorgeworfen, eine "terroristische Konspiration gegen die Sicherheit und Stabilität Ägyptens " in die Wege geleitet und radikale Islamisten unterstützt zu haben. 260 Im Bundesgebiet sind MB-Angehörige verschiedener arabischer Nationalitäten vorwiegend in islamischen Zentren und in diversen islamischen Vereinigungen organisiert. Sie sind auch in Hamburg vertreten. Ihr vorrangiges Interesse gilt hier der Rekrutierung von Muslimen fur die MB. Gewalttätige Aktivitäten von MB-Angehörigen auf deutschem Boden wurden bisher nicht bekannt. Algerische Islamisten: Eine nicht endende Serie von Terrorakten erschüttert Staat und Gesellschaft in Algerien und hat vereinzelt auf den europäischen Kontinent übergegriffen. Die 1989 gegründete "Islamische Heilsfront" (FIS), ihr bewaffneter Arm, die "Islamische Heilsarmee" (AIS) sowie die mit diesen Gruppen zumeist rivalisierende " Bewaffnete Islamische Gruppe " (GIA) verfolgen das Ziel, die algerische Regierung mit Gewalt zu beseitigen und ein islamistisches System zu errichten. Die personelle Stärke von AIS und GIA in Algerien wird vage auf 5.000 bis höchstens 10.000 Personen - bei einem jedoch weit darüber hinausgehenden Unterstützerumfeld - geschätzt. Strukturen von FIS, AIS und GIA in Form von Zeilen / Netzwerken wurden in ganz Europa erkannt. Schwerpunkte sind in erster Linie Frankreich, daneben Belgien, Schweden, die Schweiz und auch Deutschland. Daher sind auch europäische Sicherheitsinteressen bedroht. In Deutschland gibt es - außer einem informellen Kreis algerischer islamistischer Aktivisten vor allem im Raum Köln/Aachen - keine offene vereinsähnliche Struktur oder legale Vertretung der FIS / AIS oder GIA. Die Zahl algerischer Islamisten in Deutschland wird auf etwa 250 geschätzt. Hier lebende FIS-Aktivisten leisten sowohl auf politischer als auch auf logistischer Ebene Unterstützung für den islamistischen Widerstand im Heimatland. Nach Informationen, die dem Bundesamt für Verfassungsschutz vorliegen, nehmen algerische Islamisten auch logistische Unterstützung von Angehörigen türkischer islamisch-extremistischer Gruppen in Deutschland in Anspruch. Es gibt Anhaltspunkte, wonach mutmaßliche FIS-Anhänger auch in Deutschland an illegalen Waffentransfers beteiligt waren. Der Generalbundesanwalt leitete 1995 und 1996 mehrere Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung (SS 129 StGB) ein. Es wurden algerische Staatsangehörige festgenommen. Gegen einige Personen wurden Haftbefehle erlassen. Weitere Personen sind von Ermittlungsverfahren betroffen. Es wird davon ausgegangen, daß algerische Islamisten auch über Kontakte zu Personen in Hamburg verfugen. 261 Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz (HmbVerfSchG) Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz (HmbVerfSchG) vom 7. März 1995, zuletzt geändert am 22. Mai 1996 Der Senat verkündet das nachstehende von der Bürgerschaft beschlossene Gesetz: 1. Abschnitt Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz SS 1 Zweck des Verfassungsschutzes SS2 Zuständigkeit SS3 Zusammenarbeit SS4 Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz SS5 Begriffsbestimmungen SS6 Voraussetzung und Rahmen für die Tätigkeit desLandesamtes für Verfassungsschutz 2. Abschnitt Erheben und weitere Verarbeitung von Informationen SS7 Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz SS8 Erheben von Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln SS9 Weitere Verarbeitung personenbezogener Daten SS 10 Verarbeitung von Daten Minderjähriger SS 11 Berichtigung, Sperrung und Löschung 3. Abschnitt Datenübermittlung SS 12 Übermittlung nicht personenbezogener Daten SS 13 Übermittlung personenbezogener Daten an inländische Nachrichtendienste SS 14 Übermittlung personenbezogener Daten an inländische öffentliche Stellen und Strafverfolgungsbehörden SS 15 Übermittlung personenbezogener Daten an Stationierungsstreitkräfte SS 16 Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische öffentliche Stellen SS 17 Übermittlung personenbezogener Daten an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs SS 18 Übermittlung personenbezogener Daten an die Öffentlichkeit SS 19 Übermittlung personenbezogener Daten an das Landesamt für Verfassungsschutz SS 20 Registereinsicht durch das Landesamt für Verfassungsschutz SS 21 Übermittlungsverbote und -einschränkungen SS 22 Übermittlung personenbezogener Daten Minderjähriger 263 4. Abschnitt Auskunftserteilung SS 23 Auskunftserteilung 5. Abschnitt Parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes SS 24 Parlamentarischer Kontrollausschuß SS 25 Zusammensetzung und Pflichten des Ausschusses SS 26 Aufgaben des Ausschusses SS 27 Eingaben 6. Abschnitt Schlußvorschriften SS 28 Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz SS 29 Inkrafttreten 1. Abschnitt Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz SS1 Zweck des Verfassungsschutzes (1) Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder. (2) Zu diesem Zweck tritt dieses Gesetz neben das Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz - BVerfSchG -) vom 20. Dezember 1990 (Bundesgesetzblatt I Seiten 2954, 2970). SS2 Zuständigkeit (1) Der Verfassungsschutz wird innerhalb der zuständigen Behörde vom Landesamt für Verfassungsschutz wahrgenommen. Das Landesamt für Verfassungsschutz ist ausschließlich hierfür zuständig. Bei der Erfüllung seiner Aufgaben ist es an Gesetz und Recht gebunden (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). 264 (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf einer polizeilichen Dienststelle nicht angegliedert werden. Ihm stehen polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse gegenüber polizeilichen Dienststellen nicht zu; es darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht befugt ist. SS3 Zusammenarbeit (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz ist verpflichtet, mit Bund und Ländern in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. Die Zusammenarbeit besteht auch in gegenseitiger Unterstützung und Hilfeleistung sowie in der Unterhaltung gemeinsamer Einrichtungen. (2) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz nach Maßgabe dieses Gesetzes und soweit eigenes Landesrecht dies zuläßt, der Bund gemäß SS 5 Absatz 2 BVerfSchG nur im Benehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz tätig werden. Das Landesamt für Verfassungsschutz darf in den anderen Ländern tätig werden, soweit es die Rechtsvorschriften dieses Gesetzes und der anderen Länder zulassen. SS4 Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) Aufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über 1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der verfassungsmäßigen Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht in der Bundesrepublik Deutschland, 3. Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (SS 3 Absatz 1 BVerfSchG), 4. Bestrebungen und Tätigkeiten, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Absatz 2 des Grundgesetzes) oder das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 des Grundgesetzes) gerichtet sind. 265 Das Landesamt für Verfassungsschutz hat insbesondere den Senat über Gefahren für die Schutzgüter des SS 1 zu informieren und die dafür zuständigen staatlichen Stellen in die Lage zu versetzen, Maßnahmen zu ihrer Abwehr zu ergreifen. Darüber hinaus unterrichtet das Landesamt für Verfassungsschutz mindestens einmal jährlich die Öffentlichkeit über Gefahren für die Schutzgüter des SS 1. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz wirkt gemäß SS 3 Absatz 2 Satz 1 BVerfSchG mit 1. bei der Überprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich dienstlich verschaffen können, 2. bei der Überprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensund verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen und Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. An einer Überprüfung nach Absatz 2 Satz 1 Nummern 1 und 2 darf das Landesamt für Verfassungsschutz nur mitwirken, wenn die zu überprüfende Person zugestimmt hat. Gleiches gilt für Personen, die in die Überprüfung einbezogen werden. SS5 Begriffsbestimmungen (1) Im Sinne dieses Gesetzes sind: 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes solche politisch motivierten zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihnen gehörendes Gebiet abzutrennen, 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes solche politisch motivierten zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen, 266 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch motivierten zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Für einen Personenzusammenschluß handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt (SS 4 Absatz 1 Sätze 1 und 2 BVerfSchG). Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes sind auch Verhaltensweisen gemäß Satz 1 von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluß handeln, wenn sie gegen Schutzgüter dieses Gesetzes mit Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder diese sonst angreifen und bekämpfen. (2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne diese Gesetzes zählen gemäß SS 4 Absatz 2 BVerfSchG 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, 4. die Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung und ihre Ablösbarkeit, 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 6. der Ausschluß jeder Gewaltund Willkürherrschaft und 7. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. SS6 Voraussetzung und Rahmen für die Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz Das Landesamt für Verfassungsschutz darf nur Maßnahmen ergreifen, wenn und soweit sie zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind; dies gilt insbesondere für die Erhebung und weitere Verarbeitung personenbezogener Daten. Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat es diejenige zu treffen, die den einzelnen insbesondere in seinen Grundrechten und die Allgemeinheit voraussichtlich am 267 wenigsten beeinträchtigt. Eine geringere Beeinträchtigung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Information aus allgemein zugänglichen Quellen oder durch eine behördliche Auskunft gewonnen werden kann. Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. Sie ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, daß er nicht erreicht werden kann. 2. Abschnitt Erheben und weitere Verarbeitung von Informationen SS7 Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben Informationen erheben und weiter verarbeiten. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf bei den hamburgischen Behörden und den der Aufsicht der Freien und Hansestadt Hamburg unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur die Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben, die diesen Stellen im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung bereits vorliegen und die zur Erfüllung der Aufgaben des Verfassungsschutzes erforderlich sind. Das Landesamt für Verfassungsschutz braucht die Ersuchen nicht zu begründen, soweit dies dem Schutz des Betroffenen dient oder eine Begründung den Zweck der Maßnahme gefährden würde. (3) Ist zum Zwecke der Datenerhebung die Übermittlung von personenbezogenen Daten unerläßlich, ist sie auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken. Schutzwürdige Interessen des Betroffen dürfen nur in unvermeidbarem Umfang beeinträchtigt werden. SS8 Erheben von Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf mit nachrichtendienstlichen Mitteln Informationen verdeckt erheben. Der Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln ist vorbehaltlich SS 6 Absatz 1 nur zulässig, wenn 1. er sich gegen Organisationen, unorganisierte Gruppen, in ihnen oder einzeln tätige Personen richtet, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 bestehen, 2. er sich gegen andere als die in Nummer 1 genannten Personen richtet, von denen auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß sie für den Betrof268 fenen bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben, um auf diese Weise Erkenntnisse über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder gewalttätige Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 zu gewinnen, 3. auf diese Weise die zur Erforschung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 erforderlichen Nachrichtenzugänge geschaffen werden können oder ' 4. dies zur Abschirmung der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Nachrichtenzugänge des Landesamtes für Verfassungsschutz gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. Das Landesamt für Verfassungsschutz darf die so gewonnenen Informationen nur für die in Satz 2 genannten Zwecke verwenden. Unterlagen, die für diese Zwecke nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Informationen von anderen schriftlichen Unterlagen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand getrennt werden können; in diesem Fall unterliegen sie einem Verwertungsverbot. (2) Zulässige nachrichtendienstliche Mittel sind 1. verdeckt eingesetzte hauptamtliche Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, 2. verdeckt eingesetzte Personen, die nicht in einem arbeitsvertraglichen oder öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Landesamt für Verfassungsschutz stehen, wie Vertrauensleute, Informanten, Gewährspersonen, 3. planmäßig angelegte Beobachtungen (Observationen), 4. Bildaufzeichnungen, 5. verdeckte Ermittlungen und Befragungen, 6. verdecktes Mithören ohne Inanspruchnahme technischer Mittel, 7. verdecktes Mithören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes oder sonstiger Signale unter Einsatz technischer Mittel außerhalb von Wohnungen (Artikel 13 des Grundgesetzes), 8. Beobachten und Aufzeichnen des Funkverkehrs, soweit nicht der Postund Fernmeldeverkehr nach Maßgabe des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz 269 vom 13. August 1968 (Bundesgesetzblatt I Seite 949), zuletzt geändert am 27. Mai 1992 (Bundesgesetzblatt I Seiten 997,998), betroffen ist, 9. Aufbau und Gebrauch von Legenden, 10. Beschaffen, Erstellen und Verwenden von Tarnpapieren und Tarnkennzeichen, 11. Überwachen des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs nach Maßgabe des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz sowie 12. weitere vergleichbare Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung, insbesondere das sonstige Eindringen in technische Kommunikationsbeziehungen durch Bild-, Tonund Datenaufzeichnungen, um die nach Absatz 1 erforderlichen Informationen zu gewinnen. Die nachrichtendienstlichen Mittel sind abschließend in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher Informationserhebungen regelt. Die Dienstvorschrift bedarf der Zustimmung des Präses der zuständigen Behörde. Dem Hamburgischen Datenschutzbeauftragten ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Behörden der Freien und Hansestadt Hamburg sind verpflichtet, dem Landesamt für Verfassungsschutz Hilfe für Tarnungsmaßnahmen zu leisten. (3) Ein Eingriff, der in seiner Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gleichkommt, bedarf der Zustimmung des Präses, bei dessen Verhinderung des Staatsrates der zuständigen Behörde. (4) Im Falle des Absatzes 3 sind der betroffenen Person nachrichtendienstliche Maßnahmen nach ihrer Beendigung mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Läßt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilen, ob diese Voraussetzung vorliegt, ist die Mitteilung vorzunehmen, sobald eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Einer Mitteilung bedarf es nicht, wenn diese Voraussetzung auch nach fünf Jahren noch nicht eingetreten ist. SS9 Weitere Verarbeitung personenbezogener Daten (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben personenbezogene Daten weiter verarbeiten, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, daß die betroffene Person an Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 teilnimmt, und dies für die Beobachtung der Bestrebung oder Tätigkeit erforderlich ist, 270 2. dies für die Erforschung und Bewertung von gewalttätigen Bestrebungen oder geheimdienstlichen Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 erforderlich ist, 3. dies zur Schaffung oder Erhaltung nachrichtendienstlicher Zugänge über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 erforderlich ist oder 4. es nach SS 4 Absatz 2 tätig wird. In Akten dürfen über Satz 1 Nummer 2 hinaus personenbezogene Daten auch verarbeitet werden, wenn dies zur Erforschung und Bewertung nicht gewalttätiger Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 erforderlich ist. (2) Zur Aufgabenerfüllung nach SS 4 Absatz 2 Nummer 1 dürfen in automatisierten Dateien nur personenbezogene Daten über die Personen gespeichert werden, die einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen wurden. Daten über Personen, die in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen wurden, dürfen ohne Einwilligung dieser Personen nicht in automatisierten Dateien gespeichert werden. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Speicherungsdauer auf das für seine Aufgabenerfüllung erforderliche Maß zu beschränken. Bei der Einzelfallbearbeitung, im übrigen jeweils spätestens vier Jahre beginnend ab der ersten Speicherung, prüft das Landesamt für Verfassungsschutz, ob die Speicherung der personenbezogenen Daten weiterhin erforderlich ist. (4) Gespeicherte personenbezogene Daten über Bestrebungen und Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 oder 4 dürfen länger als zehn Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten Information nur mit Zustimmung des Präses der zuständigen Behörde oder der von ihm besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz gespeichert bleiben. SS10 Verarbeitung von Daten Minderjähriger (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf unter den Voraussetzungen des SS 9 Daten über Minderjährige in Sachakten und amtseigenen Dateien speichern und weiter verarbeiten. Daten über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nicht in gemeinsamen Dateien (SS 6 BVerfSchG), Daten Minderjähriger vor Vollendung des 14. Lebensjahres nicht in amtseigenen Dateien gespeichert werden. (2) Daten über Minderjährige in Dateien sind nach zwei Jahren auf die Erforderlichkeit der weiteren Speicherung zu überprüfen; spätestens nach fünf Jahren sind diese Daten zu löschen, es sei denn, daß nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse nach SS 4 Absatz 1 angefallen sind. 271 SS11 Berichtigung, Sperrung und Löschung (1) Erweist sich eine Information nach ihrer Übermittlung als unrichtig oder unvollständig, hat die übermittelnde Stelle ihre Information unverzüglich gegenüber dem Empfänger zu berichtigen oder zu ergänzen, wenn durch die unrichtige oder unvollständige Übermittlung schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt sein können. Die Berichtigung erfolgt dadurch, daß die unrichtigen Angaben, soweit sie in Akten enthalten sind, entfernt werden und, soweit sie in Dateien gespeichert sind, gelöscht werden. Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Trennung von zu berichtigenden und richtigen Informationen nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist. (2) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle oder der Datensicherung gespeichert werden, dürfen nur für diese Zwecke oder bei Verdacht des Datenmißbrauchs genutzt werden. (3) Im übrigen gilt für die Berichtigung, Sperrung und Löschung SS 19 des Hamburgischen Datenschutzgesetzes vom 5. Juli 1990 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt Seiten 133, 165, 226), zuletzt geändert am 10. März 1992 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt Seite 39). 3. Abschnitt Datenübermittlung SS12 Übermittlung nicht personenbezogener Daten Das Landesamt für Verfassungsschutz kann die im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgabenerfüllung erlangten Daten, die nicht personenbezogen sind, an andere Behörden und Stellen, insbesondere an die Polizei und die Staatsanwaltschaft, übermitteln, wenn sie für die Aufgabenerfüllung der Empfänger erforderlich sein können. SS13 Übermittlung personenbezogener Daten an inländische Nachrichtendienste (1) Gemäß SS 5 Absatz 1 BVerfSchG übermittelt das Landesamt für Verfassungsschutz dem Bundesamt für Verfassungsschutz und den Verfassungsschutzbehörden der Länder alle personenbezogenen Daten, deren Kenntnis zur Erfüllung der Aufgaben der Empfänger erforderlich ist. (2) Gemäß SS 21 Absatz 2 BVerfSchG übermittelt das Landesamt für Verfassungsschutz dem Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst Informationen einschließlich personenbezogener Daten. 272 SS14 Übermittlung personenbezogener Daten an inländische öffentliche Stellen und Strafverfolgungsbehörden (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Informationen einschließlich personenbezogener Daten an inländische öffentliche Stellen übermitteln, wenn dies zum Schutz vor Bestrebungen oder Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 zwingend erforderlich ist oder der Empfänger nach SS 4 Absatz 2 tätig wird. Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur für den Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. Hierauf ist er hinzuweisen. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf über Absatz 1 hinaus Informationen einschließlich personenbezogener Daten an die Staatsanwaltschaften und die Polizei übermitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß jemand eine in den SSSS 74 a und 120 Gerichtsverfassungsgesetz, SS 100 a Nummern 3 und 4 Strafprozeßordnung und SSSS 130, 131 Strafgesetzbuch genannte Straftat plant, begeht oder begangen hat sowie sonstige Straftaten, bei denen aufgrund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie gegen die in Artikel 73 Nummer 10 Buchstabe b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind. Personenbezogene Daten, die das Landesamt für Verfassungsschutz selbst mit nachrichtendienstlichen Mitteln nach SS 8 erhoben hat, dürfen nur dann an die Staatsanwaltschaft oder an die Polizei übermittelt werden, wenn die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für deren Erhebung mit entsprechenden Befugnissen zur verdeckten Datenerhebung nach der Strafprozeßordnung oder nach den SSSS 9 bis 12 und SS 23 Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei vom 2. Mai 1991 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt Seiten 187, 191) vorgelegen hätten. SS15 Übermittlung personenbezogener Daten an Stationierungsstreitkräfte Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Informationen einschließlich personenbezogener Daten an Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Streitkräfte vom 3. August 1959 (Bundesgesetzblatt II 1961 Seiten 1183, 1218) übermitteln. Die Entscheidung für eine Übermittlung treffen der Präses der zuständigen Behörde oder die von ihm besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz. Der Empfänger ist daraufhinzuweisen, daß er die übermittelten Daten nur zur Verarbeitung für den Zweck erhält, zu dem sie ihm übermittelt wurden. 273 SS16 Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische öffentliche Stellen Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz an ausländische öffentliche Stellen sowie an überoder zwischenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung seiner Aufgaben oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist. Die Entscheidung für eine Übermittlung treffen der Präses der zuständigen Behörde oder die von ihm besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz. Die Übermittlung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegenstehen oder wenn dadurch gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde. Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, daß er die übermittelten Daten nur zur Verarbeitung für den Zweck erhält, zu dem sie ihm übermittelt wurden. SS17 Übermittlung personenbezogener Daten an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs nicht übermitteln, es sei denn, daß die Übermittlung zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherheit des Bundes oder eines Landes erforderlich ist und der Präses oder bei seiner Verhinderung der Staatsrat der zuständigen Behörde seine Zustimmung erteilt hat. Dies gilt nicht bei Erhebungen nach SS 7 Absatz 3. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz führt über die Übermittlung nach Absatz 1 einen Nachweis, aus dem der Zweck und die Veranlassung der Übermittlung, die Aktenfundstelle und der Empfänger hervorgehen. Die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. (3) Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur für den Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden. Hierauf ist er hinzuweisen. SS18 Übermittlung personenbezogener Daten an die Öffentlichkeit Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit einschließlich der Medien über Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz ist die Übermittlung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn sie zu einer sachgerechten Information zwingend erforderlich ist. Stehen schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegen, kommt eine Übermittlung der personenbezogenen Daten des Betroffenen nur dann in Betracht, wenn die Interessen der Allgemeinheit deutlich überwiegen. 274 SS19 Übermittlung personenbezogener Daten an das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Die hamburgischen Behörden und die der Aufsicht der Freien und Hansestadt Hamburg unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind befugt, die Daten zu übermitteln, um die das Landesamt für Verfassungsschutz nach SS 7 Absatz 2 ersucht hat, soweit sie diesen Stellen bereits vorliegen. (2) Die in Absatz 1 genannten Stellen übermitteln dem Landesamt für Verfassungsschutz alle ihnen im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung vorliegenden Informationen über gewalttätige Bestrebungen und Tätigkeiten oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gemäß SS 4 Satz 1 Nummern 1, 3 und 4 und über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten nach SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummern 2 und 3. (3) Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizei übermitteln darüber hinaus auch andere im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung bekanntgewordene Informationen über Bestrebungen nach SS 4 Absatz 1, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz erforderlich ist. Die Übermittlung personenbezogener Daten, die aufgrund einer Maßnahme nach SS 100 a Strafprozeßordnung (StPO) bekanntgeworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß jemand eine der in SS 2 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. Die Übermittlung personenbezogener Informationen, die auf Grund anderer strafprozessualer Zwangsmaßnahmen oder verdeckter Datenerhebungen nach SS 2 Absatz 3 Satz 3 oder nach den SSSS 9 bis 12 des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei vom 2. Mai 1991 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt Seiten 187, 191) bekanntgeworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für gewalttätige Bestrebungen oder sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten bestehen; die Übermittlung ist auch zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine in SSSS 74a und 120 Gerichtsverfassungsgesetz und SSSS 130, 131 Strafgesetzbuch genannte Straftat bestehen oder eine sonstige Straftat, bei der aufgrund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie gegen die in Artikel 73 Nummer 10 Buchstabe b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet ist. Auf die nach Satz 2 übermittelten Informationen und die dazu gehörenden Unterlagen ist Artikel 1 SS 7 Absätze 3 und 4 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz entsprechend anzuwenden. Die nach Satz 2 übermittelten Informationen dürfen nur zur Erforschung gewalttätiger Bestrebungen oder sicherheitsgefährdender oder geheimdienstlicher Tätigkeiten genutzt werden. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die übermittelten Informationen unverzüglich darauf zu überprüfen, ob sie zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich 275 sind. Ist dies nicht der Fall, sind die Unterlagen zu vernichten. Die Vernichtung unterbleibt, wenn die Unterlagen von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand getrennt werden können; in diesem Fall unterliegen die personenbezogenen Daten einem Verwertungsverbot und sind entsprechend zu kennzeichnen. (5) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Informationsübermittlung aktenkundig zu machen. Vorschriften in anderen Gesetzen über die Informationsübermittlung an das Landesamt für Verfassungsschutz und über ihre Dokumentation bleiben unberührt. SS20 Registereinsicht durch das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf in von öffentlichen Stellen geführte Register und Datensammlungen einsehen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen über 1. Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind (SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1), oder 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht (SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2) oder 3. Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (SS4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3), oder 4. Bestrebungen und Tätigkeiten, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind ( SS 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4). (2) Eine Einsichtnahme ist nur zulässig, wenn 1. die Aufklärung auf andere Weise nicht möglich erscheint, insbesondere durch eine Übermittlung der Daten durch die registerführende Stelle der Zweck der Maßnahme gefährdet würde, 2. die betroffenen Personen durch eine anderweitige Aufklärung unverhältnismäßig beeinträchtigt würden und 276 3. eine besondere gesetzliche Geheimhaltungsvorschrift oder ein Berufsgeheimnis ihr nicht entgegensteht. (3) Die Anordnung für die Maßnahme treffen der Präses der zuständigen Behörde oder die von ihm besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz. (4) Die auf diese Weise gewonnenen Unterlagen dürfen nur zu den in Absatz 1 genannten Zwecken verwendet werden. Gespeicherte Daten sind zu löschen und Unterlagen zu vernichten, sobald sie für diese Zwecke nicht mehr benötigt werden. (5) Über die Tatsache der Einsichtnahme ist ein gesonderter Nachweis zu führen, aus dem ihr Zweck, die in Anspruch genommenen Stellen sowie die Namen der Betroffenen hervorgehen. Diese Aufzeichnungen sind gesondert aufzubewahren, durch technische und organisatorische Maßnahmen gegen unbefugten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. SS21 Übermittlungsverbote und -einschränkungen (1) Die Übermittlung von Informationen nach diesem Abschnitt unterbleibt, wenn 1. eine Prüfung durch die übermittelnde Stelle ergibt, daß die Informationen zu vernichten sind oder einem Verwertungsverbot unterliegen oder für den Empfänger nicht mehr bedeutsam sind, 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern oder 3. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, daß unter Berücksichtigung der Art der Informationen und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen. (2) Besondere Rechtsvorschriften, die Informationsübermittlungen zulassen, einschränken oder verbieten sowie die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleiben unberührt. SS22 Übermittlung personenbezogener Daten Minderjähriger (1) Personenbezogene Daten Minderjähriger vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Minderjährige eine der in SS 2 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat, im übrigen, solange die Voraussetzungen der Speicherung nach SS 10 erfüllt sind. 277 (2) Personenbezogene Daten Minderjähriger vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht an ausländische oder überoder zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. 4. Abschnitt Auskunftserteilung SS23 Auskunftserteilung Für die Auskunftserteilung gilt SS 18 des Hamburgischen Datenschutzgesetzes. 5. Abschnitt Parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes SS24 Parlamentarischer Kontrollausschuß Zur parlamentarischen Kontrolle des Senats auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes bildet die Bürgerschaft einen Kontrollausschuß. Dieser tagt in nichtöffentlicher Sitzung. SS25 Zusammensetzung und Pflichten des Ausschusses (1) Der Ausschuß besteht aus sieben Mitgliedern der Bürgerschaft. (2) Die Mitglieder des Ausschusses werden von der Bürgerschaft in geheimer Abstimmung gewählt. (3) Die Mitglieder des Ausschusses sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit in dem Ausschuß bekanntgeworden sind. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus dem Ausschuß oder aus der Bürgerschaft. (4) Der Ausschuß wählt einen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. (5) Sitzungsunterlagen und Protokolle verbleiben im Gewahrsam des Landesamtes für Verfassungsschutz und können nur dort von den Ausschußmitgliedern eingesehen werden. (6) Scheidet ein Mitglied des Ausschusses aus der Bürgerschaft oder seiner Fraktion aus, so verliert es seine Mitgliedschaft im Ausschuß; für dieses Mitglied ist unver278 züglich ein neues Mitglied zu bestimmen. Das gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus dem Ausschuß ausscheidet. SS26 Aufgaben des Ausschusses (1) Der Ausschuß übt die parlamentarische Kontrolle auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes aus. Die Rechte der Bürgerschaft und des Bürgerausschusses bleiben unberührt. (2) Zur Erfüllung seiner Kontrollaufgaben kann der Ausschuß vom Senat die erforderlichen Auskünfte, Unterlagen, Akten und Dateieinsichten, Stellungnahmen und den Zutritt zu den Räumen des Landesamtes für Verfassungsschutz und die Entsendung bestimmter Angehöriger des öffentlichen Dienstes als Auskunftspersonen verlangen. Der Senat bescheidet ein solches Kontrollbegehren abschlägig oder schränkt die Aussagegenehmigung ein, wenn gesetzliche Vorschriften oder das Staatswohl entgegenstehen. In diesem Fall legt der Senat dem Ausschuß seine Gründe dar. (3) Der Senat unterrichtet den Ausschuß in Abständen von höchstens drei Monaten oder auf Antrag eines Mitglieds über die Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz. (4) Der Senat hat dem Ausschuß 1. Gefahren für die Schutzgüter des SS 1, 2. die Dienstvorschrift über nachrichtendienstliche Mittel nach SS 8 Absatz 2 Satz 2 sowie ihre Änderungen, 3. die Maßnahmen nach SS 8 Absatz 3, 4. die Weiterspeicherung nach SS 9 Absatz 4, 5. die tatsächliche Arbeitsaufnahme mit einer Datei, für die eine Dateibeschreibung nach SS 9 Absatz 1 des Hamburgischen Datenschutzgesetzes vorgeschrieben ist, und ihre wesentlichen inhaltlichen Änderungen, 6. die Übermittlung personenbezogener Daten an Stationierungsstreitkräfte nach SS 15, 7. die Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische öffentliche Stellen nach SS 16, 279 8. die Übermittlung personenbezogener Daten an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs nach SS 17 mitzuteilen und jährlich über die Prüfungen nach SS 9 Absatz 3 Satz 2 zu berichten. SS27 Eingaben Eingaben einzelner Bürger oder einzelner Angehöriger des Verfassungsschutzes über ein sie betreffendes Verhalten des Landesamtes für Verfassungsschutz sind dem Ausschuß zur Kenntnis zu geben. Der Ausschuß hat auf Antrag eines Mitglieds Petenten und Auskunftspersonen zu hören. SS 26 Absatz 2 findet entsprechende Anwendung. Die Rechte des Eingabenausschusses bleiben unberührt. 6. Abschnitt Schlußvorschriften SS28 Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz In SS 1 des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz vom 17. Januar 1969 mit der Änderung vom 02. Februar 1981 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt 1969 Seite 5, 1981 Seite 24), wird folgender Absatz 5 angefügt: "(5) Die Kommission ist ausschließlich für die Überprüfung der von der zuständigen Behörde angeordneten Beschränkungsmaßnahmen zuständig. Sie kann zu ihrer Unterstützung den Hamburgischen Datenschutzbeauftragten ersuchen, die Einhaltung der Vorschriften über den Datenschutz in ihrem Zuständigkeitsbereich zu kontrollieren und ausschließlich ihr darüber zu berichten." SS29 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt das Gesetz über den Verfassungsschutz in der Freien und Hansestadt Hamburg vom 13. Februar 1978 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt Seite 51) außer Kraft. Der Senat 280 AA/BO Antifaschistische Aktion / Bundesweite Organisation AABH Anti-Atom-Büro Hamburg AB Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD ABC Anarchist Black Cross ACM Europäische Frontzentrale (PKK) ADÜTDF Avrupa Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu = Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa AFH Anarchistische Föderation Hamburg AFID Föderativer Islamstaat Anatolien (Hintergrund: ICCB) AFP Allianz der palästinensischen Kräfte AG/R Anarchistische Gruppe / Rätekommunisten AG/VF Arbeitsgemeinschaft gegen Reaktion, Faschismus und Krieg / Volksfront AIS Islamische Heilsarmee (Algerien) AIW Antiimperialistischer Widerstand AIZ Antiimperialistische Zelle AJ/BZ Antifaschistische Jugend / Bundesweiter Zusammenschluß AJF Antifa-Jugendfront ak analyse und kritik (früher: Arbeiterkampf) AKK Antikapitalistisches Komitee AKON Aktion Oder-Neiße e.V. AMA Autonome Männer Antifa AMGT Avrupa Milli Görüs Teskilatlari = Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e.V. ANS/NA Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Alternative APO Außerparlamentarische Opposition ARF Aktion Deutsches Radio und Fernsehen ARGK Artesa Rizgariya Gele Kurdistan = Volksbefreiungsarmee Kurdistans ATF Almanya Türk Federasyon = Deutsche Türk-Föderation ATIF Almanya Türkiyeli Isciler Federasyonu = Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. AÜTDK Avrupa Ülkücü Türk Dernekleri = Konföderation der idealistischen Türken in Europa (vormals: ADÜTDF) AUN Alianza por la Unidad Nacional AZ Antifaschistische Zelle 281 BAT Bundesweites Antifa-Treffen BBA Bajuwarische Befreiungsarmee BBZ Berlin-Brandenburger Zeitung BdA Bund der Antifaschisten BSA Bund Sozialistischer Arbeiter BWK Bund Westdeutscher Kommunisten ComLink Computernetzwerk Linksysteme CPP Kommunistische Partei der Philippinen CWI Commitee for a Worker's International D DABK Ostanatolisches Gebietskomitee DB Deutsche Burschenschaft DBI Deutsche Bürgerinitiative e.V. DESG Deutsch-Europäische Studiengesellschaft DEST Verlag Deutsch-Europäischer Studien DFLP Demokratische Front für die Befreiung Palästinas DFÜ Netz für nationale Datenfernübertragung DHG Devrimci Halk Gücler = Revolutionäre Volkskräfte (gelegentlicher Zusatz der DHKP-C) DHKC siehe: DHKP-C (tritt unter verschiedenen Bezeichnungen auf) DHKP siehe: DHKP-C (tritt unter verschiedenen Bezeichnungen auf) DHKP-C Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi = Revolutionäre Volksbe freiungspartei/-Front, tritt auch als DHKC oder DHKP auf, gelegentlich mit Zusatz "DHG" (Revolutionäre Volkskräfte) DITIB Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion DK Deutsches Kolleg DKP Deutsche Kommunistische Partei DLVH Deutsche Liga für Volk und Heimat DNSB Dänische Nationalsozialistische Bewegung DNZ Deutsche National-Zeitung DPK Demokratische Partei Kurdistans-Irak (auch KDP genannt) DRB Deutsches Rechtsbüro DS Deutsche Stimme DSVK Deutscher Schutzbund für Volk und Kultur DVU Deutsche Volksunion DWZ Deutsche Wochenzeitung 282 E EMUG Europäische Moscheenbauund Unterstützungsgemeinschaft e.V. ER Ehrenbund Rudel - Gemeinschaft zum Schutz der Frontsoldaten ERNK Eniya Rizgariya Netewa Kurdistan = Nationale Befreiungsfront Kurdistans EuK Einheit und Kampf EZLN Ejercito Zapatista de Liberacion Nacional = Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung FAP Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei FAU/AP Freie Arbeiter-Union/Anarchistische Partei FAU Freie Arbeiter Union FEYKA Föderation der Patriotischen Arbeiter und Kulturvereinigungen in der Bundesrepublik Deutschland e.V. FHI Flüchtlingshilfe Iran e.V. FIR Federation Internationale des Resistants FIS Islamische Heilsfront (Algerien) FN Front National FÖGA Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen G ":>:' : ' " :-' ...'***.::*"::*::* aKi^i^^i'vpW'SP;1' GfbAEV Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung e.V. GIA Bewaffnete Islamische Gruppe (Algerien) GIM Gruppe Internationale Marxisten H HAI Hamburger Antifaschistische Initiative HAMAS Harakat Al-Muqawama Al-Islamiya = Islamische Widerstandsbewegung HK Hamburger Kreis HLA Hamburger Liste für Ausländerstopp HN Hamburger Nationaldemokraten HNG Hilfsorganisation fur nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. HRK ehemalige Bezeichnung der heutigen ARGK (siehe: ARGK) 283 I ICL International Communist League ICCB Islami Cemaat Ve Cemiyetler Birligi = Verband der Islamischen Vereine und Gemeinden e.V. Köln I.f.A. Initiative für Ausländerbegrenzung IFGHH Infogruppe Hamburg IGMG Islamische Gesellschaft Neue Weltsicht e.V. IH Islamische Bewegung IHR Institute of Historical Review IHV Internationales Hilfskomitee für nationale politisch Verfolgte und deren Angehörige e.V. IMSV Iranische Moslemische Studentenvereinigung Bundesrepublik Deutschland IVVdN Interessenverband ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, Verfolgter des Naziregimes und Hinterbliebener IZH Islamisches Zentrum Hamburg JF Junge Freiheit JN Junge Nationaldemokraten JO/JRE Jugend Offensive / JRE (hervorgegangen aus JRE) JRE Jugend gegen Rassismus in Europa JUKO Junge Kommunisten K KAZ Kommunistische Arbeiterzeitung KB Kommunistischer Bund (1991 aufgelöst) KBW Kommunistischen Bund Westdeutschland KFI Kurdistan-Front Irak KfsV Komitee für soziale Verteidigung KGAK Konservative Gesprächsund Arbeitskreise KKP Kommunistische Partei Kurdistans KPD/ML Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten Leninisten KPF Kommunistische Plattform KP/IÖ Kommunistische Partei / Aufbauorganisation (MLKP-Abspaltung) 284 L LDPR Liberaldemokratische Partei Rußlands LIZ Libertäres Zentrum LJ Libertäre Jugend M M 18 Guerillaorganisation der MLKP MB Muslimbruderschaft MED-TV kurdischer Fernsehsender MG Marxistische Gruppe MHP Partei der Nationalistischen Bewegung (Türkei) MLKP Marksist-Leninist Komünist Partisi = Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei MLPD Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands MKO Munafiqeen Khalq Organization (verächtliche Bezeichnung für Volksmodjahedin Iran) MRTA Movimiento Revolucionario Tupac Amaru N NF Nationalistische Front NIT Nationales Infotelefon NL Nationale Liste NLA Nationale Liberation Army (Nationale Befreiungsarmee der iranischen Regierungsgegner / Volksmodjahedin Iran) NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands NR Nordischer Ring e.V. NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NSDAP/AO Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei / Auslandsund Aufbauorgan isation NWRI Nationaler Widerstandsrat Iran o OKF Offenes Kommunistisches Forum p PCP Kommunistische Partei Perus PDS Partei des Demokratischen Sozialismus PFLP Popular Front for the Liberation of Palestine = Volksfront für die Befreiung Palästinas PFLP-GC Popular Front for the Liberation of Palestine - General Command = Volksfront für die Befreiung Palästinas - Generalkommando PIJ Palästinensischer Islamischer Jihad PKK Partiya Karkeren Kurdistan = Arbeiterpartei Kurdistans PLO Palestine Liberation Organisation = Palästinensische Befreiungsorganisation PSK Sozialistische Partei Kurdistans PUK Patriotische Union Kurdistans R RAF Rote Armee Fraktion RBF Republikanischer Bund der Frauen REP Die Republikaner RepBB Republikanischer Bund der öffentlichen Bediensteten RF Rote Fahne RGO Revolutionäre Gewerkschaftsopposition RH Rote Hilfe e.V. RJ Republikanische Jugend RMV Republikanische Mittelstandsvereinigung RNV Republikaner Netz Verbund RP Refah Partisi = Wohlfahrtspartei RSB Revolutionär-Sozialistischer Bund RZ Revolutionäre Zellen bzw. Rote Zora SAF Sauerländer Aktionsfront SAG Sozialistische Arbeitergruppe SAV Sozialistische Alternative VORAN SDAJ Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend SDS Sozialistischer Deutscher Studentenbund SdV/NRAO Sache des Volkes/Nationalrevolutionäre Aufbauorganisation SI Solidarität International (MLPD-Hintergrund) SOJA Verein zur Förderung von sozialistischer Arbeiterjugendund Kinderpolitik SoZ Sozialistische Zeitung 286 SpAD Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands SRP Sozialistische Reichspartei TDKP Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei = Türkiye Devrimci Komünist Partisi THKP/-C Türkiye Halk Kurtulus Partisi-Cephesi = Türkische Volksbefreiungspartei/-Front TIKB Bund Aufständischer Kommunisten der Türkei TIKKO Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsannee TKEP Kommunistische Partei der Arbeit der Türkei TKIH Türkische Kommunistische Arbeiterbewegung TKP-ML Türkiye Komünist Partisi-Marksist-Leninist = Türkische Kommunistische Partei-Marxisten-Leninisten TKP(ML) DABK-Flügel der TKP-ML (siehe dort) TKP/ML Partizan-Flügel der TKP-ML (siehe dort) TKP/ML-H Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (Bewegung) WBHMEBSSEE *HH U.I.S.A. United Islamic Students Association in Europe = Union Islamischer Studentenvereine in Europa (iranische Regierungsanhänger) UZ Unsere Zeit V VdF Verlag der Freunde VF Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg VIDA Verein Iranischer Demokratischer Akademiker (iranische Regierungsgegner) VOGA Volksbewegung für Generalamnestie VSP Vereinigung für Sozialistische Politik (ab Mitte 1995), vorher: Vereinigte Sozialistische Partei VVN-BdA Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten w WBDJ Weltbund der demokratischen Jugend WJ Wiking-Jugend e.V. 287 YAJK Teygeran Azadiya Jinen Kurdistan (vormals TAJK, davor YJWK) = Union der freien Frauen aus Kurdistan YEK-KOM Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V. Aktionskomitee Rudolf HESS * 72 Allianz der palästinensischen Kräfte * Siehe AFP A.U.T.O.N.O.M.E. G.R.U.P.P.E.N. * 183 Alster Report * 79 AA/BO" 141; 142 AM A * 142 AA/NO * 203 AMGT * Siehe IGMG/EMUG AABH * 177 analyse & kritik (ak) * 199 AB * 200 Anarchist Black Cross (ABC) * 176 ABC * 176 Anarchisten * 22; 136; 152; 173 ACM * 223; 224 Anarchistische Föderation Hamburg * ADÜTDF * 229 Siehe AFH AFH-174;175 Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten AFP * 257 (AG/R) * Siehe AG/R AG BWK in und bei der PDS * 176; 198 Angehörigen-Info '171 AG PDS in der VSP * 199 ANS (Niederlande) * 127 AG Ziviler Ungehorsam gegen staatlichen ANS/NA "55; 65; 71 Rassismus" 152; 178 anti atom aktuell * 177 AG/R" 143; 176; 198 Anti-Antifa" 53; 58; 66; 100; 124; 127; AG/VF * 198 132; 140 AIS * 261 Anti-Antifa-Infogruppe Naumburg/Saale * AIW138; 148; 161; 167; 171; 172 68 AIZ * 5; 25; 138; 149; 162; 163; 171; 172; Anti-Atom-Büro Hamburg * Siehe AABH 208 Anti-Egalitarismus * 106 AJ/BZ * 142 Antifa Bonn-Rhein/Sieg * 141 AJF * 142 Antifa Jugendinfo * 142; 209 ak" 199 Antifaschismus * 22; 139; 161; 168; 172; AKK * 127 193; 208 AKON * 82 Antifaschistische Aktion Berlin "141 Aktion deutsches Radio und Fernsehen * Antifaschistische Aktion/Bundesweite Or82 - ganisation * Siehe AA/BO Aktion Oder-Neiße * 82 Antifaschistische Gruppe Hamburg * 142; Aktion Zuflucht * 149 146 Antifaschistische Informationen * 143 288 Antifaschistische Nachrichten * 176; 178; 195; 198 B Antifaschistische Zelle * 143 BACHMANN, Kurt * 194 Antiimperialistische Zelle * Siehe AIZ bahamas * 203 Antiimperialistischer Widerstand * Siehe Bajuwarische Befreiungsarmee * 54 AIW BARTHEL, Thorsten * 123 Antikapitalistisches Komitee * Siehe AKK BAT * 142 Antimilitarismus* 146; 168 BBA * 54 Antinationalismus * 147 BBZ * 58; 59 Antirassismus * 4; 34; 144; 147; 168; 172; BdA" 194; 198 175; 195; 201 Behind the Bars * 70 Antisemitismus * 30; 38; 45; 120; 121; 167 BENOIST, Alain de * 105; 106; 109; 110 APFEL, Holger * 72; 73; 86; 89; 91; 92 Berlin-Brandenburger Zeitung * Siehe Appell der 100 - Die Meinungsfreiheit ist BBZ in Gefahr! * 43 Bewaffnete Islamische Gruppe * Siehe Appell der 500 - Die Meinungsfreiheit ist GIA in Gefahr! * 43 Bingo * 208 Araber'212; 257 Biohumanismus * 106; 110 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der Blood & Honour-Skins * 120; 122 KPD * Siehe AB Books Unlimited (Verlag) * 127 Arbeiterpartei Kurdistans * Siehe PKK Bramfelder Sturm * 62; 64; 103; 123; 124 Arbeitsgemeinschaft gegen Reaktion, FaBrigittenstraße 5 (B5) * 170; 171 schismus und Krieg/Volksfront * Siehe Brutal Attack * 120; 121 AG/VF BSA * 206 Arbeitskreis gegen faschistische Zentren * Bund der Antifaschisten * Siehe BdA 143 Bund Deutscher Solidaristen ' 1 1 0 Arbeitslose AkademiBund Sozialistischer Arbeiter * Siehe BSA ker/Nachwuchsorganisation - StudentiBund Westdeutscher Kommunisten * Siescher Verein zur Vorbereitung von he BWK Hochschulabgängern auf ihren späteBundersweites Antifa-Treffen * Siehe BAT ren Lebensweg (AA/NO) * 203 Bündnis Deutschland * 85; 98 ARF-82 Bündnis für Hamburg * 103 ARGK * 220 Bündnis gegen das PKK-Verbot * 148 Arun-Verlag108 Bündnis Keinen Fußbreit den Faschisten * Aryan Flags" 128 143; 176; 195 ATF * 229 Bündnis Rechte * 43; 85; 97; 98 ATIF * 236 Bündnis Rechts für Deutschland * 98 AHN" 128 Burschenschaften * 68; 115; 144; 145 Autonome * 22; 25; 136; 152; 155; 167; Buy Or Die" 125 183; 208 BWK-26; 197; 199 Autonome Antifa (M) * 141; 142; 192; 194; 209 AYASH, Yehija"253;260 c AZ * 143 C.A.U.S.E.-Foundation * 70 Castor * 25; 26; 139; 152; 155; 169; 170; 177; 180; 208 Centrumspartij 86 * 127 289 CHRISTOPHERSEN, Thies * 127 DIENER, Lutz * 78 clockwork * 186 Differentialismus" 106 ComLink" 149; 171; 187; 208 Diksmuide * 128 Commando Pernod * 121 direkte aktion * 175 Committee for a Worker's International * DITIB * 237; 245 205 DKP "22; 24; 26; 136; 185; 188; 191; Courage * 197 192; 195; 201; 203; 206; 207; 236 Criticön * 108 DLVH * 17; 20; 33; 56; 63; 64; 65; 76; CÜRÜKKAYA, Selim * 225 78; 94; 96; 103; 107; 123; 126 DNSB * 127 DNZ * 40; 83 D DONALDSON, Ian Stuart * 122 DA * 55; 90 DPK-215 DABK * 229; 236; 237; 238 DRB" 118 DasK.O.M.B.I.N.A.T. * 149 Dritter Weg" 106 DasK.O.M.I.T.E.E. * 172 DSVK * 82 DBI * 59 DSZ-Druckschriftenund Zeitungsverlag DECKERT, Günther * 19; 70; 84; 90; 128 GmbH * 83 Demokratische Partei Kurdistans-Irak DVU * 17; 18; 33; 40; 76; 82; 85; 88; 96; (DPK)-215 98; 102 DerAktivist-89;91 DWZ * 83 Der Funke * 101 Der Republikaner * 75 Der weiße Wolf "70 E DESG107; 110 Ehrenbund Rudel - Gemeinschaft zum DESG-Inform" 108; 110 Schutz der Frontsoldaten * 82 DEST" 110 EICHBERG, Henning * 109 Deutsche Aktionsgruppen * 53 Einblick * 67; 68; 127 Deutsche Alternative * Siehe DA En Nahda * 260 Deutsche Bürgerinitiative e.V. * 60 Endstufe" 121 Deutsche Kommunistische Partei * Siehe ENGEL, Stefan * 196 DKP En trismus * 26; 204 Deutsche Stimme * 85; 86 ER "82 Deutsche Türk Föderation * 229 ERNK-211; 215; 217; 220 Deutscher Schutzbund für Volk und KulEtappe" 108 tur * 82 Ethnopluralismus * 34; 106; 109 Deutsches Kolleg * 109; 111 EuK-90;91 Deutsch-Philippinische Freunde * 197 Europa Vorn * 95; 107; 109 Devrimci Cözüm * 235 Europäische Frontzentrale * Siehe ACM Devrimci Sol * 211; 228; 230; 234; 236; Europäische Synergien "111 243; 246; 247 EZLN" 185; 186 DFLP * 257; 258 DHG * Siehe 3.3.2.1 DHKP-C DHKC * Siehe 3.3.2.1 DHKP-C F DHKP * Siehe 3.3.2.1 DHKP-C F.S.H.W.I.N.E.B.Ü. * 149 DHKP-C * 211; 213; 228; 230; 234; 235; FALK, Bernhard * 162; 163; 173 240; 244; 245; 246; 247 Fantifa * 142 DIDF * 246 Fanzine-120; 122; 124 Die Nationalen e.V. * 56; 58; 59 FAP "20; 55; 61; 65; 71; 90; 143 290 Fatwa * 251 Gesellschaft der türkischen Arbeiter in FAU174; 175; 209 Hamburg und Umgebung zur Gründung FAU/AP" 174 und Erhaltung einer Moschee e.V. * 242 Federation Internationale des Resistants * Gesellschaft für biologische AnthropoloSiehe FIR gie, Eugenik und Verhaltensforschung FEYKA-Kurdistan-215 * Siehe GfbAEV FHI*256 Gewaltfreies Aktionsbündnis * 177 FIEDLER, Hans * 79 Gewalttaten FIR194 ausländerextremistisch * 5; 29; 212; FIS * 260; 261 222; 243; 250 Flüchtlingshilfe Iran * Siehe FHI linksextremistisch * 4; 22; 25; 143; Föderation der Arbeiter aus der Türkei in 149; 153; 182 Deutschland e.V. * Siehe ATIF rechtsextremistisch "4; 16; 21; 45 Föderation der demokratischen ArbeiterGfbAEV-118 vereine aus der Türkei in der BundesreGIA" 165; 261 publik Deutschland e.V. * Siehe DIDF Glasmoorgruppe * 195 Föderation gewaltfreier Aktionsgruppen * GNN176 Siehe FÖGA GOERTZ, Andre * 61; 71; 90; 91; 92; 101 Föderation kurdischer Vereine in GRABERT-Verlag * 108 Deutschland e.V * Siehe YEK-KOM GRAMS, Wolfgang * 172 FÖGA" 152; 176 GRAMSCI, Antonio * 106 Franz-Schönhuber-Freundeskreis * 99 graswurzelrevolution * 151; 152; 176 Frauen für Demokratie im Iran * 256 Graue Wölfe * 229; 232 FrauenAntifa * 142 Gruppe "LANDSER * 121 FrauenLesben Kurdistan SolidaritätskomiGruppe Demontage * 151 tee * 167 Gruppe Kommunistische Arbeiterzeitung * Freie Arbeiterinnen und Arbeiter Union * 201 Siehe FAU Gruppe Kritik und Diskussion * 202 Freie Deutsche Sommeruniversität "111 Gruppe Ratio Rausch Revolution "151 Freiheitlicher Volksblock (FVB) * 67 Günter Deckert Freedom Committee * 128 Fremdenfeindlichkeit * 45; 46; 54 Freunde des kurdischen Volkes * 148; 218; 222 H Freundschaftsgesellschaft Bundesrepublik Hafenstraße * 161 Deutschland (BRD) - Kuba e.V. * 192 HAI * 142 FREY, Dr. Gerhard * 33; 40; 82; 103 HAMAS * 165; 251; 253; 257; 258; 259; FREYER, Hans105 260 Front National (FN) * 126; 128 Hamburger Antifaschistische Initiative * FVB * 67 Siehe HAI FZ-Freiheitlicher Buchund ZeitschrifHamburger Kreis * 110; 111 tenverlag GmbH * 82 Hamburger Liste Ausländerstopp * Siehe HLA G Hamburger Nationaldemokraten (HN) * 85; 88; 89; 94 G.R.E.C.E." 105; 110 Hamburger Sturm * 44; 62; 65; 123 Gefangenenhilfe der Nationalen e.V. * 70 Hammerskins119; 122; 123; 129 Gegenstandpunkte * 202 HANSEN, Jonni Jesper * 127 Germania-Rundbrief* 44 Harburger Bündnis gegen Rassismus * 195 291 Harburger Stimme * 88 International Communist League * 205 HARDER, Ulrich * 88; 93; 104 Internationalismus" 167; 184; 189; 199; Heide-Heim e.V. * 117; 118; 144; 145 200 HEPP/KEXEL-Gruppe * 53 Internet HESS-Gedenkaktionen * 53; 57; 64; 71; Nutzung durch ausländische Extremi92; 123; 145 sten * 255 Hetendorf * 64; 117; 118; 144 Nutzung durch Linksextremisten * 171 ; HIRSE, Wolfgang * 77; 80 185; 191; 192; 193; 209 HIZB ALLAH * 252; 259 Nutzung durch Rechtsextremisten * 16; HLA * 36; 82; 88; 93; 103 44; 63; 86; 87; 92; 122; 128; 131; HLA-Nachrichten * 93 133;134 HNG * 58; 65; 69 Intifada * 257; 258 Hochschulantifa * 143; 145; 151; 192; 195 Iraner "212; 248 HOGEFELD, Birgit" 147; 160; 162 Iranisch Moslemische StudentenHOLTMANN, Udo * 88 Vereinigung Bundesrepublik Hooligans-39; 124; 125 Deutschland e.V. * Siehe IMSV HRK * Siehe ARGK Islamische Bewegung * Siehe IH HUBBARD, L. Ron * 6 Islamische Gesellschaft Neue Weltsicht HUPKA, Steffen * 58; 90 e.V. * Siehe IGMG/EMUG Islamische Heilsarmee * Siehe AIS Islamische Heilsfront * Siehe FIS I Islamisches Zentrum Hamburg * Siehe I.f.A. * 82 IZH ICCB * 230; 243 Islamismus "211; 240; 248 IFGHH * 170; 207 IVVdN * 194 IGMG/EMUG * 229; 240; 245; 248 Izerbedevaart * 128 IH * 230; 243 IZH * 252; 253 IHR" 128 Izzedin-al-Kassem-Brigaden * 258 I H V ' 134 IMSV * 255; 256 Index * 44; 65 J Infogruppe Hamburg * Siehe IFGHH Jamaat al-Islamiya * 260 Info-Telefone * 134 Jerusalem-Tag * 243; 253; 260 Initiative für Ausländerbegrenzung * 82 JF" 108; 111 Institute of Historical Review * Siehe IHR JN * 19; 20; 32; 56; 63; 66; 68; 72; 74; 85; Intellektualisierung * 33; 107; 115 86; 89; 98; 107; 126; 127 Interessengemeinschaft zur Unterstützung JO/JRE * 205 Angehöriger von nationalen GefangeJobberinitiative Schwarze Katze * 175 nen * 70 JRE * 205 Interessenverband ehemaliger Teilnehmer Jugend gegen Rassismus in Europa * Sieam antifaschistischen Widerstandshe JRE kampf, Verfolgter des Naziregimes Jugend Offensive/JRE * Siehe JO/JRE und Hinterbliebener e.V. * Siehe JUNG, Julius" 105 IVVdN Junge Freiheit * Siehe JF Interim * 150; 165; 177; 181; 182; 183 Junge Kommunisten (JUKO) * 192 International Committee of the Fourth InJunge Nationaldemokraten * Siehe JN ternational * 206 Junges Forum * 108; 110 292 Junges Franken * 59 L Laizismus * 241; 251 K LANGE, Wollin * 122 K.A.B.E.L.S.C.H.N.I.T.T. * 150 LAUCK, Gary Rex * 54; 63; 67; 127; 128; Kameradschaft Beusselkiez * 135 129; 133; 145 Kameradschaftshilfswerk für nationale LDPR "83; 126 Gefangene * 70 Le PEN, Jean-Marie * 126 KAPLAN * 230; 243 Leuchter-Report * 41; 44 KARATAS, Dursun * 230; 234 Libertäre Jugend * Siehe LJ KAYPAKKAYA * 237; 239 Libertäres Zentrum * Siehe LIZ KAZ * 200 Linksruck * 205 KBW197 LIZ-174; 175; 180 KESSLER, Heinz * 193 LJ * 175 KFI'215 Lokalberichte Hamburg * 171; 176 KfsV * 205 KHOMEINI * 243; 248; 249; 251; 253 KKP" 189 M Klasse gegen Klasse * 178 M 18 (Guerillaorganisation) * 239 Komitee für soziale Verteidigung * Siehe Magda-Thürey-Zentrum ' 2 0 1 ; 236 KfsV Mailboxen Komitee zur Unterstützung der revolutiolinksextremistisch * 149; 187; 207 nären türkischen und kurdischen Gerechtsextremistisch" 16; 131 fangenen * 235 Marxistische Gruppe * Siehe MG KOMKAR"215 MB * 260 Kommando Hans Erich Dabeistein * 179 MED-TV * 226 Kommunistische Arbeiterzeitung * Siehe MG * 23; 202 KAZ MHP * 232 Kommunistische Partei der Arbeit der MIES, Herbert * 193 Türkei * Siehe TKEP Milli Gazete * 242 Kommunistische Partei der Philippinen Mitteldeutsche Rundschau * 59 (CPP)197 MLKP * 229; 239; 244; 245; 246; 247 Kommunistische Partei Kurdistans * 189 MLPD * 26; 148; 195; 206 Konservative Revolution * 30; 105; 107 MOELLER van den BRUCK, Arthur * KOPP, Hans-Ulrich -111 105; 106 KP/IÖ * 239; 240 MOHLER, Armin * 108 Kraftschlag' 121 MRTA186; 187 KRAUSE, Dr. Rudolf78; 79 MÜNSTERMANN, Hans * 56 KREBS, Pierre -111 Muslimbruderschaft * Siehe MB KÜHNEN, Michael "61; 129 Mykonos-Komplex * 249; 253; 255 Kurden "214 Kurdistan Solidarität Hamburg * 148; 162; 170; 218; 222 N Kurdistan Volkshaus e.V. * 201; 215 Nachrichten der HNG * 65; 69 Kurdistan-Front Irak (KFI) -215 Nadir" 170 NADIS = Nachrichtendienstliches Informationssystem * 14 293 NASRALLAH, Hassan * 252; 259 Nation & Europa * 43; 77; 78; 95; 108; o 126 OBERLERCHER, Dr. Reinhold * 37; 40; National Socialist Alliance (NSA) * 128 102; 109; 110; 111 Nationaldemokratische Partei Deutschlands * Siehe NPD Nationale Befreiungsaimee (Iran) * Siehe ö NLA ÖCALAN, Abdullah * 162; 215; 216; Nationale Befreiungsfront Kurdistans 221; 222; 226; 227 (ERNK) * Siehe ERNK Nationale Liste * Siehe NL Nationaler Widerstandsrat Iran * Siehe o NWRI Nationales Info-Telefon * Siehe NIT Offenes Kommunistisches Forum * Siehe Nationalfreiheitliche Gefangenenhilfe * 70 OKF Oi-Drumz125 National-Journals. Das deutsche InfoOithanasie * 120 Magazin * 127 OKF * 203 Nationalkommunisten * IOI Ostanatolisches Gebietskomitee * Siehe Nation-Europa-Freunde e.V. * 97 DABK NAUMANN, Peter * 55 Neonazismus * 19; 55 Neopaganismus" 106 NEUBAUER, Harald * 126 ö Neue Anthropologie -118 Özgür Politika * 220 Neue Arbeiterpresse * 206 Neue Rechte * 30; 33; 34; 105; 108; 109; 110 P Neue Thüringer Zeitung * 59 Palästinensische Gemeinde Deutschland * Newroz-218;226 258 NF * 36; 90 Palästinensischen Islamischen Jihad * SieNIEKESCH, Ernst * 109 he PU Nineteen Eighty Four Press * 126 Partei der Nationalistischen Bewegung NIT "40; 66; 68; 71; 72; 78; 134 (MHP) * 232 NL * 20; 44; 55; 61; 70; 95; 102; 123; 143 Partisan Defense Committee * 205 NLA * 254; 256 Patriotische Jugend * 63; 123 No Remorse " 121 Patriotische Union Kurdistans (PUK) * Nordische Zukunft -118 215 Nordischer Ring * Siehe NR PENZ, Lothar110 Nouvelle Droite * 105; 107; 109; 110 PETRI, Michael * 55 NPD * 17; 33; 43; 56; 70; 72; 74; 76; 82; PFLP * 257; 258 84; 92; 93; 94; 96; 98; 100; 103; 107; PFLP-GC * 257 133 PIJ * 252; 257; 260 NR-118 PKK * 25; 28; 148; 162; 163; 172; 189; NS 88 * 39; 122; 125; 128 191; 195; 201; 208; 210; 213; 215; NSDAP" 31; 64 216; 233; 243 NSDAP/AO * 63; 67; 129 PLO * 257 NS-Kampfruf" 54; 67; 129 POHL, Helmut160; 162 NWRI * 254 PORTER, Carlos Whitlock * 126 294 PRIVENAU, Markus * 90 RH172; 186 Progressiver Nationalismus * 71; 90; IOI RIEGER, Jürgen * 35; 44; 83; 103; 118 PSK-215 RJ "75 PUK-215 RMV "75 PZD = Personenzentraldatei * 14 RNV * 133 ROEDER, Manfred * 53; 59 Rote Antifa Initiative "141 R Rote Armee Fraktion * Siehe RAF radikal" 172; 209 Rote Fahne" 148; 195 Radio Deutschland * 59; 135 Rote Flora169; 170; 171; 175; 177; 180; Radio Germania * 59; 135 183;187 Radio Oasis * 127 Rote Hilfe e.V. * Siehe RH RADJAVI, Maryam * 254 Rote Zora -25; 138; 163; 165 RAF * 5; 25; 138; 147; 148; 158; 161; Rotfüchse * 195 164; 172 RSB * 204 Rassismus * 4; 38; 40; 48; 118; 120; 121; Rudolf-Gutachten" 127 129; 144; 150; 151; 167; 178; 192 Runder Tisch" 16; 76; 94; 97 RBF-75 RUSHDIE, Salman * 249; 251; 253 Rebell-195; 197 RZ "25; 165; 176 Recht und Wahrheit * 65 Refah Partisi * 229; 241; 245; 248 Reichsdeutsche Bewegung * 102 S Reichsverfassungsentwurf * 41 Sache des Volkes * 107 REIMERS, Rudolf-83 Sache des Volkes/Nationalrevolutionäre REMER, Otto Ernst * 127 Aufbauorganisation * Siehe RENNICKE, Frank * 123 SdV/NRAO RepBB * 75; 78 SAF * 57 Republik der Strolche -121 SAG * 26; 205 Republikaner * 17; 33; 75; 85; 88; 93; 94; Sauerländer Aktionsfront * 57 96; 97; 98; 99; 102; 107; 133 SAV * 205 Republikaner Netz Verbund * Siehe RNV SCHAAL, Karl-August * 78 Republikanische Jugend * Siehe RJ SCHAU WECKER, Franz * 109 Republikanische Mittelstandsvereinigung * SCHILF, Marcel * 122 Siehe RMV SCHIRINOWSKI Wladimir83; 126 Republikanischer Bund der Frauen * Siehe SCHLIERER, Dr. Rolf18; 75 RBF SCHMANCK, Burghard * 78 Republikanischer Bund der öffentlich SCHMITT, Carl * 105 Bediensteten * Siehe RepBB SCHNEIDER, Dr. Ulrich * 194 Revisionismus * 30; 38; 41; 70; 100; 127; SCHÖNHUBER, Franz * 75; 76; 78; 97; 128 98; 99; 126 Revolutionär Sozialistischer Bund * Siehe Schwarze Katze * 175 RSB Schwarze Listen * 53; 67 Revolutionäre Gewerkschaftsopposition * Schwarzmarkt" 172; 176; 186 Siehe RGO SCHWERDT, Frank * 59 Revolutionäre Kommunisten (BRD) * 187 Scientology Church (SC) * 6 Revolutionäre Zellen * Siehe RZ SDAJ" 185; 190; 191; 195; 207 RGO-196 SdV/NRAO" 110 295 SEIDLER, Christoph * 158 STRASSER, Otto * 109 SHAKAKI, Fathi * 253; 260 STRAUß, Wolfgang * 109 SI * 196 STUART, Ian119; 122 Sinus-Verlag * 108 Süddeutsche Allgemeine * 59 Skinheads * 19; 39; 52; 55; 62; 68; 70; Synergon Deutschland * 111 119; 128; 129; 133 Skinheads Allgäu * 55 Skrewdriver" 122 T Sleipnir"42;65; IOI; 108; 109 TARRANT, Sean * 122 SOJA * 193 TDKP * 246 Solidaristische Volksbewegung "HO Terrorismus Solidarität International * Siehe SI ausländerextremistisch * 223; 225; Solidaritätsund Kulturverein der Arbeit251; 256 nehmer aus der Türkei in Hamburg linksextremistisch * 25; 157 e.V. * 236 rechtsextremistisch * 52 Solidaritätskomitee Christian WORCH * THKP/-C * 211; 228; 230; 231; 233; 236; 65; 70 247 Solidaritätskomitee mit den HungerstreiThor's Hammer * 121 kenden politischen Gefangenen in der Thule-Netz111; 127; 131; 133 Türkei und Kurdistan * 247 Thule-Seminar" 107; 110 Soligruppe Hamburg * 165; 169; 172 TIKB * 244 SOZ * 199 TIKKO * 236 Sozialistische Alternative VORAN * Siehe TKEP189 SAV TKIH * 239 Sozialistische Arbeitergruppe * Siehe TKP(ML) * 229; 236; 237; 238; 244; 245; SAG 246; 247 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend * TKP/ML * 229; 232; 235; 238; 244; 245 Siehe SDAJ TKP/ML-H * 239 Sozialistische Partei Kurdistans (PSK) * TKP-ML * 213; 228; 229; 240; 245; 247 215 Tribunal gegen die Flüchtlingspolitik der Sozialistische Reichspartei (SRP) * 30 Freien und Hansestadt Hamburg ' 1 5 1 ; Sozialistische Zeitung * Siehe SOZ 152; 178 Sozialrevolutionäre * 22; 176 Trotzkismus * 253 SpAD * 205 Trotzkisten" 136; 203 Spartakist * 205 Tupac Amaru * Siehe MRTA Spartakist Arbeiterpartei Deutschlands * Türken * 228 Siehe SpAD Türkische Familien Union in Hamburg SPENGLER, Oswald * 105 und Umgebung e.V. * 229 SpinnenNetz * 207; 209 Türkische Kommunistische ParSRP-30 tei/Marxisten-Leninisten * Siehe TKPStaatsbriefe' 108; 109 ML STÄGLICH, Wilhelm * 127 Türkischen Arbeiterund BauernbefreiSTEHR, Heinz" 190; 193 ungsannee * Siehe TIKKO STEINAU, Michael * 162; 163; 173 Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Stern Schnuppen AG Wildwuchs * 152 Religion * Siehe DITIB STEUCKERS, Robert "111 Stiftung VRIJ Historish Onderzoek * 43 STORR, Andreas * 72; 91; 92 296 u Volkshaus der Türkei * 233 Volksmodjahedin Iran * Siehe NWRI U.I.S.A. "253 VOZREBELDE186 Ultima-Tonträgerversand * 122 VSP "26; 198; 199; 206 Union der freien Frauen aus Kurdistan * VVN-BdA" 192; 193; 198 Siehe YAJK Union der Jugendlichen aus Kurdistan * Siehe YCK w Union islamischer Studentenvereine in WALLNER, Otmar * 78 Europa * Siehe U.I.S.A. WBDJ * 192 Unsere Zeit * 188 WEIDNER, Norbert * 55 Weiße Rasse" 122 Weltbund der demokratischen Jugend * V Siehe WBDJ VdF * 42 WENDT, Christian * 59 VELAZCO, Isaac * 186 Westdeutsche Volkszeitung * 59 Verband der islamischen Vereine und White Pride Tapes (WPT) * 125 Gemeinden e.V. * Siehe ICCB White-Power" 119; 120; 121; 128 Verein Iranischer Demokratischer AkadeWiderstandsrecht nach Art. 20 Abs. 4 GG miker * Siehe VIDA Beanspruchung durch RechtsextremiVerein zur Eingliederung iranischer Flüchtsten * 35; 52; 58; 67 linge e.V. * 256 Wiking-Jugend * Siehe WJ Verein zur Förderung der Musik im Iran * Wilde Jungs * 125 256 Wir selbst108; 109 Verein zur Förderung von sozialistischer WJ "74 Arbeiterjugendund Kinderpolitik * WORCH, Christian * 55; 58; 62; 70; 100 Siehe SOJA WULFF, Thomas * 44; 61; 62; 70; 73; Vereinigte Rechte * 97 103 Vereinigte Sozialistische Partei * Siehe VSP Vereinigung der Verfolgten des Naziregi- Y mes - Bund der Antifaschisten * Siehe YAGAN * 234; 247 VVN-BdA YAJK * 217 Vereinigung für Sozialistische Politik * YCK * 220 Siehe VSP YEK-KOM'215 VF * 198; 206 VIDA * 256 Vikingforce* 124 Z Vlaams Blok126; 128 Zapatisten * Siehe EZLN VOGA * 82 Zeck-170; 171; 175; 177; 180 VOIGT, Udo19; 84; 89; 92 Zentrum für Forschung und Kultur des Volksbefreiungsarmee Kurdistans * Siehe Islam e.V. * 243 ARGK ZOBEL, Jan-90; 91; 93; 101 Volksbewegung für Generalamnestie * 82 ZÜNDEL, Ernst * 38; 44; 127; 128; 129; Volksfront gegen Reaktion, Faschismus 133; 134 und Krieg * Siehe VF 297 1 III! FAIRSTANDNIS Menschenwürde achten - Gegen Fremdenhaß Die Innenminister von Bund und Ländern