FAIRSTÄNDNIS 1HVerfas9mun File R/8.3 Hamburg | 1995 | u = Freie und Hansestadt Hamburg Landesamt für Verfassungsschutz X iasahal om; nr Verfassungsschutzbericht 1995 di Vv BH2 die Herausgeber: dei Freie und Hansestadt Hamburg Ha Behörde für Inneres ha Landesamt für Verfassungsschutz tio Johanniswall 4, 20095 Hamburg Telefon: 040/244443 Telefax: 040/338360 29 Auflage: 5.000 Mai 1996 Druck: Schmidt & Klaunig, Ringstraße 19, 24114 Kiel Vorwort Mit dem Verfassungsschutzbericht 1995 legt das Landesamt für Verfassungsschutz die dritte umfassende Jahresbilanz vor, die sich mit extremistischen Bestrebungen und Aktivitäten befaßt. Der Jahresbericht des Landesamtes folgt dem neuen Hamburger Verfassungsschutzgesetz, das die Hamburgische Bürgerschaft am 2. März 1995 verabschiedet hat. Zielgerichtete Arbeit des Landesamtes, Normenklarheit und Wahrung des Datenschutzes sind durch dieses Gesetz gewährleistet. Mit dieser Öffentlichkeitsarbeit informiert der Verfassungsschutz Regierung, Parlament und Bürger über seine Tätigkeit und über die aktuellen Gefährdungen des demokratischen Rechtsstaates. Der Bericht stellt die extremistischen Strömungen bewußt im Gesamtzusammenhang dar und betrachtet nicht allein die Hansestadt Hamburg, denn die Aktivitäten des deutschen und ausländischen Extremismus gehen über Landesund Staatsgrenzen hinaus. Die veröffentlichten Informationen spiegeln in zusammengefaßter Darstellung die Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz in seinen drei Hauptarbeitsbereichen (Rechtsextremismus, Linksextremismus und Ausländerextremismus) wider. Der Verfassungsschutzbericht widmet den neuen Entwicklungstendenzen im Bereich des Rechtsextremismus (Intellektualisierung, Bewegungsgedanke, Kulturkampfund Vernetzung) weiterhin seine verstärkte Aufmerksamkeit. Hier beweist sich die notwendige Funktion des Verfassungsschutzes als politisches Frühwarnsystem in besonderer Weise Zugleich werden beispielhaft die Wirkungen staatlichen exekutiven Handelns deutlich gemacht und damit der notwendige Zusammenhang zwischen handlungsorientierter Lagebeurteilung (Sache des Verfassungsschutzes) und der Aktion (z.B. Verbotsverfügung und Vollzug durch die Exekutivbehörden) hergestellt. Der Verfassungsschutz ist keinSelbstzweck, sondern erweist sich als wichtiges Instrument des in seiner Freiheitlichkeit wehrhaften Rechtsstaates. Im Bereich des Rechtsextremismus sind folgende Aspekte besonders hervorzuheben: - Nach gemeinsamen Anstrengungen von Regierung, Parlament und Öffentlichkeit konnte bei den Wahlen 1994 und 1995 der Einfluß rechtsextremistischer Parteien auf Kommunalund Landesparlamente sowieaufdas Bundesund Europa- 3 parlament zurückgedrängt bzw. ihr Einzug in diese verhindert werden. Zugleich ist die Zahlbrutaler rechtsextremistischer Gewalttaten auch 1995 weiter zurückgegangen. Beidessollte jedoch nicht als Entwarnung oder Beruhigung verstanden werden. Gerade das Abschneiden von "Republikanern" und "Deutscher Volksunion" bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein im März 1996 verlangt auch künftig weitere Anstrengungen, um ein erneutes Anwachsen des organisierten Rechtsextremismus zu verhindern. Zwar konnte mit Organisationsund Demonstrationsverboten der öffentliche Raum für Selbstdarstellung und Rekrutierung rechtsextremer Organisationen weiter deutlich verengt werden, doch ist die Fortsetzung rechtsextremistischer Aktivitäten unter wachsender Bereitschaft zu Militanz und Konspiration unter Einsatz modernster Kommunikationssysteme zu erwarten. -- Die Hamburger Innenpolitik wird auch nach dem Verbot der "Nationalen Liste" am 24. Februar 1995 an ihrem konsequenten Kurs festhalten, Spielräume für rechtsextremistische Agitation soweit wie möglich einzuschränken. Dabei muß drei Entwicklungen besondere Aufmerksamkeit gelten: den Versuchen der Intellektualisierung des Rechtsextremismus; der zunehmenden Nutzung moderner Kommunikationsmittel mit dem Ziel, sich der Beobachtung und Bekämpfung zu entziehen; und schließlich dem Versuch, sich staatlichen Zugriffen in vernetzten und konturlosen Strukturen zu entziehen und Organisationsverbote zu unterlaufen. Die zweite Hauptaufgabe stellten linksextremistische Gruppen und Organisationen mit ihrer fortgesetzten Militanz und terroristischen Aktivitäten. Vor dem Hintergrund ihrersog. Deeskalationserklärung von 1992wareineKrise der RAFsichtbar beworden. Eine neue terroristische Gruppe, die Antiimperialistische Zelle (AIZ), nimmt für sich in Anspruch, Vollstreckerin und Bewahrerin des RAF-Erbes zu sein. Mit vier 1995 verübten Anschlägen gegen politische bzw. diplomatische Repräsentanten, bei denen sie offenbar tödliche Bedrohungen unbeteiligter Dritter in Kauf nahm, forderte die AIZ den demokratischen Rechtsstaat und seine Sicherheitsbehörden zu Gegenmaßnahmen heraus. Mit Sorge beobachten wir auch, daß Autonome und selbstgerechte junge "Antifaschisten" den Rechtsextremismus und eine dem Staat unterstellte "Faschismus"tendenz vorschieben, um linksextremistische Bestrebungen zu steigern. Von beiden Seiten - Rechtsund Linksextremisten - gingen 1995 Mordandrohungen gegen hohe Funktionsträger aus, weil diese zur Wahrung rechtsstaatlicher Verhältnisse in Deutschland mit Maßnahmen gegen politische Extremisten befaßt waren. Angesichts solcher Morddrohungen und anderer Gewalttaten muß klar sein und bleiben: Der Rechtsstaat kann und wird keinerlei politisch motivierte Gewalt dulden. Unverändert beeinflussen innenpolitische Entwicklungen in anderen Ländern auch die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, indem sie die Motivationslage, Mobilisierungen und Aktionsinhalte der in Deutschland agierenden ausländischen Extremisten bestimmen. So wirken islamistisch-fundamentalistische Tendenzen 'ebensoin unser Land hinein, wie diezugespitztemilitärische Auseinandersetzungim Südosten der Türkei. Die Sicherheitsbehörden müssensichdiesen zum Teilgewalttätigen Bestrebungen entgegenstellen, ohne selbst auf die Ursachen der Konflikte einwirken zu können. Deshalb müssen wir uns auch in den nächsten Jahren konsequent rechtsstaatlich mit militant agierenden Ausländerorganisationen auseinandersetzen. Wir werden nicht hinnehmen, daß ausländische Extremisten die Konflikte ihrer Länder in Deutschland austragen und damit das friedliche Zusammenleben deutscher und ausländischer Mitbürger in Hamburg stören. Hamburg, Mai 1996 Narluust Whahlar Hartmuth Wrocklage Präses der Behörde für Inneres der Freien und Hansestadt Hamburg Inhaltsverzeichnis I. Allgemeines 10 1. Verfassungsschutz in Hamburg 10 2. Überblick 1995 / Organisationen und Potentiale 14 2.1 Rechtsextremismus 14 22 Linksextremismus 20 23 Ausländerextremismus 26 II. Politischer Extremismus 1995 29 1. Rechtsextremismus 29 1.1 Grundlagen und Formen des Rechtsextremismus 29 1.2 Erscheinungsformen rechtsextremistischer Denkund Verhaltensweisen 36 1.2.1. Strategien, Konzepte, Praktiken 36 1.2.2. Ideologie, Erscheinungsformen und Strategien der Neuen Rechten 47 1.23 Revisionismus 54 1.2.4 Antisemitismus sg 1.3 _ Rechtsextremistische Gewalt 6 1.3.1. Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten 61 1.3.2 Rechtsextremistischer Terrorismus 68 1.4 Neonazismus 73 1.4.1. Grundsätzliches 73 1.4.2 Anti-Antifa 76 1.43 Ereignisse: Rudolf HESS-Aktionswoche und Heldengedenktag 78 1.4.3.1Rudolf-Hess-Aktionswoche 79 1.4.3.2Aktionen am 19. Novemberzum Heldengedenktag 85 1.4.4 Neonazistische Gefangenenhilfe 86 1.4.5 Neonazismus in Hamburg 88 1.4.5.1 Ehemalige Nationale Liste (NL) 88 1.4.52 Ehemalige Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) 9 15 Rechtsextremistische Parteien %9 1.5.1 Die Republikaner (REP) 1.5.2 Deutsche Volksunion (DVU) 106 1.5.3 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) und Nebenorganisation 110 1.5.3.1 NPD 110 1.5.3.2 Junge Nationaldemokraten (IN) 114 1.5.4 Hamburger Liste für Ausländerstopp (HLA) 119 1.5.5 Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) 120 1.5.6 Einigungsbestrebungen / Perspektiven 122 1.6 Sonstige Organisationen und Objekte 125 1.6.1 Das Deutsche Rechtsbüro (DRB) 125 1.6.2 Burschenschaften 127 1.6.3 Hetendorf-Komplex 128 1.6.4 Rechtsextremistische Weltanschauungsund Kulturvereine 130 17 Skinheads 132 1.7.1 Ursprung, Wesenszüge, Motivationsmuster 132 1.7.2 Fanzines, Skinbands, Tonträger und Konzerte 133 1.7.3 Skinheads in Hamburg 136 Zusammenarbeit deutscher und ausländischer Rechtsextremisten 138 1.8.1 Zusammenarbeit in Europa 138 1.8.2 Verbindungen nach USA und Kanada 143 1.8.3 NSDAP/AO 145 2. Linksextremismus 148 2.1 Strukturen, Leitbilder, Absichten, Richtungen 148 22 Theorie und Praxis / Schwerpunkte 1995 151 2.2.1 Überblick über Anknüpfungsthemen und Aktionsanlässe 151 2.2.2 Schwerpunkt Antifaschismus 152 222.1 Allgemeines 152 2.2.2.2 Alte und neue Antifa 154 2.2.2.3 Antifaschistische Strukturen 156 2.2.2.4 Aktivitäten 159 2.2.3 Schwerpunkt Ausländerund Asylproblematik 163 2.2.3.1 Allgemeines 163 2.2.3.2 Aktivitäten 165 2.3 Linksextremistische Gewalt 169 2.3.1 Linksextremistisch motivierte Gewalttaten 169 2.3.2 Linksextremistischer Terrorismus 175 2.3.2.1 Rote ArmeeFraktion (RAF)undUmfeld 175 2.3.2.2 Antiimperialistische Zelle (AIZ) 177 2.3.23 Revolutionäre Zellen (RZ) und Rote Zora 183 24 Autonome / Anarchistische Szene 187 2.4.1 Grundsätzliches 187 2.4.1.1 Autonome 187 24.1.2 Anarchismus 189 2.4.2 Autonome Gruppen in Hamburg / Objekt Rote Flora 191 2.4.3 Anarchistische Gruppen in Hamburg / Objekt Libertäres Zentrum 193 2.4.4 Reaktionen auf Exekutivmaßnahmen der Generalbundesanwaltschaft 196 24.4.1 Solidaritätskampagne bundesweit und in Hamburg 196 2.4.42 Bundesweite Protestdemonstration in Hamburg 200 2.4.5 Protest und Widerstand gegen Stadtteilentwicklung 204 2.4.6 Widerstand gegen Castor-Transporte und Atommüllagerung 208 2.4.7 Sonstige Agitation und Aktionen 210 Parteien und sonstige Vereinigungen 213 2.5.1 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) und Umfeld 213 2.5.1.1 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 214 2.5.1.2 Sozialistische DeutscheArbeiterjugend(SDAJ) 217 2.5.1.3 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) 219 2.52 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 220 2.5.3 Nachfolgestrukturen des Bundes Westdeutscher Kommunisten (BWK) nebst Volksfront 222 2.5.4 Vereinigung für Sozialistische Politik (VSP) 24 2.5.5 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) 226 2.5.6 Nachfolgegruppen des Kommunistischen Bundes (KB) 227 2.5.7 Marxistische Gruppe (MG) 228 2.5.8 Trotzkistische Gruppen und Strömungen 230 2.5.8.1 Allgemeines 230 2.5.8.2 Revolutionär-Sozialistischer Bund (RSB) 231 2.5.8.3 Sozialistische Arbeitergruppe (SAG) 232 2.5.84 Jugend gegen Rassismus in Europa (RE) 232 2.5.8.5 _Spartakist Arbeiterpartei Deutschlands (SpAD) 233 2.5.8.6 Bund Sozialistischer Arbeiter (BSA) 234 3. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 234 3.1 Allgemeines 234 3.1.1. Hintergründe, Merkmale, Zielrichtungen 234 3.1.2 Gewalthandlungenund sonstige Gesetzesverletzungen 236 3.2 Kurden 239 3.2.1 Allgemeines 239 3.2.2 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 241 33 Türken 252 3.3.1 Allgemeines 252 3.3.2 Linksextremisten 254 3.3.2.1 Devrimci Sol 254 3.3.2.2.1 DHKP-C (Karatas-Flügel) 255 3.3.2.2.2 THKP/-C(Yagan-Flügel) 257 3.3.2.2 Türkische Kommunistische Partei / MarxistenLeninisten (TKP-ML) 259 3.3.2.2.1 Partizan-Flügel: TKP/ML 3.3.2.2.2 DABK-Flügel: TKP(ML) 261 3.3.3 Nationalisten 262 3.3.4 Islamisten 263 3.3.4.1 Islamische Gesellschaft Neue Weltsicht e.V. (IGMG/EMUG) - ehemals AMGT263 33.42 Islamische Bewegung (IH) 3.4 Iraner 267 3.4.1 Allgemeines 267 3.4.2 Anhänger der iranischen Regierung 270 3.4.3 Gegnerder iranischen Regierung 270 3.5 Araber 273 Anhang: Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz (gelb abgesetzter Teil) 275 Abkürzungsverzeichnis 295 Stichwortverzeichnis 301 IL. Allgemeines 1. Verfassungsschutz in Hamburg Das Landesamt für Verfassungsschutz ist ein Inlandsnachrichtendienst. Es hat keine exekutiven Aufgaben oder Befugnisse. Das Amt beobachtet, recherchiert, liest, anaIysiert und erstellt Lagebilder als Hintergrundinformationen für den Senat. Letztlich dient es als "Frühwarnsystem" gegen Bedrohungen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Das Landesamt informiert aber auch - wie mit diesem Bericht - die Öffentlichkeit. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung können nur dann mit nachhaltigen Erfolgen rechnen, wenn sie die Bürger über ihre wirklichen Absichten täuschen können. Verfassungsschutz durch Aufklärung ist daher ein wichtiges Anliegen dieser Veröffentlichung. Das Grundgesetz garantiert politisch Andersdenkenden bis hin zu radikalen Überzeugungen Freiheit. Auch radikale politische Überzeugungen und Gesinnungen haben ihren Platz in unserer pluralistischen Gesellschaftsordnung. Die Grenzen der Freiheit werden überschritten, wenn Organisationenoder politische Parteien die Demokratie und den Rechtsstaat in Frage stellen oder sie gar beseitigen wollen. Erst wenn Feinde der Freiheit sich als extremistische Bestrebungen bemerkbar machen, die Grundprinzipien und den Kernbestand unserer Verfassung antasten wollen, treten die Abwehrkräfte des demokratischen Rechtsstaates auf den Plan. Auf Grund der bitteren Erfahrungen, die Deutschland und seine Nachbarn nach dem Untergang der Demokratie in der abwehrschwachen Weimarer Republik sammeln mußten, hat sich die Bundesrepublik in ihrem Grundgesetz für eine streitbare Demokratie entschieden. Sie ist ihren Feinden gegenüber entschlossen abwehrbereit. Der Freiheitsanspruch einzelner steht in einem Spannungsverhältnis zum Freiheitsanspruch anderer und zum Recht aller Bürger auf Freiheit und Sicherheit. Beide Grundwerte müssen mit rechtsstaatlichen Mitteln gegeneinander ausbalanciert werden. Verfassungsschutz bewegt sich nicht in einer rechtlichen Grauzone, sondern hält sich streng an seinen gesetzlichen Auftrag und seine gesetzlichen Befugnisse. Sein Handeln ist stets an rechtsstaatlichen Maßstäben zu messen. Er unterliegt daher u.a. parlamentarischer Kontrolle, der Kontrolle des Datenschutzbeauftragten und der Nachprüfung durch die Gerichtsbarkeit. Die Aufgaben und Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz werden durch das am 14.03.95 in Kraft getretene Hamburgische Verfassungsschutzgesetz (HmbVerfSchG) vom 07.03.95 bestimmt. Durch das neue Gesetz wurde die alte Fassung von 1978 abgelöst. Mit der Gesetzesnovellierung wurde insbesondere den er10 höhten Anforderungen des Datenschutzes entsprochen, die sich in der Folge des Bundesverfassungsgerichtsurteils zum Volkszählungsgesetz von 1983 ausgeprägt haben. Rechtsgrundlagen für die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten und Informationen durch das Landesamt für Verfassungsschutz wurden präzisiert. Zugleich wurde aber auch den Anforderungen aus dem Verfassungsschutzgesetz des Bundes von 1990 Rechnung getragen. Das neue Gesetz stellt die zwingend gebotene Einheitlichkeit auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes in der Zusammenarbeit und im Informationsaustausch mit den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder sicher. Das Gesetz ist vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geprägt. Der konkrete Aufgabenkatalog des Landesamtes für Verfassungsschutz ergibt sich aus $ 4 des Gesetzes. Der vollständige Gesetzeswortlaut ist im Anhang zu diesem Bericht (gelb abgesetzte Seiten) nachzulesen. Die bundeseinheitlich geregelten Aufgaben der Extremismusbeobachtung, Spionageabwehr sowie der Mitwirkung bei Sicherheitsüberprüfungen sind unverändert geblieben. Der Hamburger Verfassungsschutzbericht 1995 gibt Aufschluß über Aufgabenberei'che des Landesamtes für Verfassungsschutz, beschreibt sie in den Schwerpunkten der Extremismusbeobachtung mit den Zusammenhängen und Ergebnissen. Zum besseren Verständnis der vielfältigen Bestrebungen wurde besonderer Wert darauf gelegt, den tieferen Hintergrund und die Denkweise politischer Extremisten offenzulegen und zu erläutern. Die Konturen extremistischer Bestrebungen werden nicht nur abstrakt nachgezeichnet, sondern auch mit konkreten aktuellen Handlungsbeispielen belegt. Der Bericht verzichtet darauf, Aufgaben und Ergebnisse im Bereich der Spionageabwehr und der Mitwirkung bei Sicherheitsüberprüfungen darzustellen. Die Gesetze kennen die Begriffe "extremistisch" und "verfassungsfeindlich" nicht. In den Zuständigkeitsbereich des Hamburger Verfassungsschutzes fallen Organisationen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, daß sich ihre Bestrebungen "gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes" richten oder "eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der verfassungsmäßigen Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben." Organisationen oder unorganisierte Personenzusammenhänge, die diese Voraussetzungen erfüllen, werden mit dem Arbeitsbegriff "extremistisch" bezeichnet. Dieser Begriff hat auch in der öffentlichen Darstellung und Auseinandersetzung seinen Niederschlag gefunden. Der Verfassungsschutz unterscheidet damit bei der Darstellung von Organisationen und der Benennung ihrer Mitgliederzahlen nicht zwischen Organisationen, die zunächst nur "tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht" bieten und solchen, zu denen Gerichtsentscheidungen vorliegen, die von "verfassungsfeindlichen Bestrebungen" sprechen. Er unterscheidet auch nicht zwischen "verfassungs- 1 feindlichen" Organisationen und solchen, deren "Verfassungswidrigkeit" gesetzlich und gerichtsfest geregelt ist und die verboten sind. Der Verfassungsschutzbericht zeichnet nicht nur die Ziele und Aktivitäten extremistischer Bestrebungen nach, er beziffert auch die unterschiedlichen Organisationspotentiale. Erkannjedoch besondersbei denGroßorganisationen keine Aussagetreffen, ob eine bestimmte einzelne Person über ihre bloße Mitgliedschaft hinaus aktive Trägerin extremistischer Bestrebungen ist oder nicht. Aus welchen Motiven jemand einer vom Landesamt für Verfassungsschutz beobachteten Organisation beitritt, bleibt vielfach unbekannt. Deshalb spricht der Bericht auch bei den Gesamtzahlen von "Mitgliedern" 'oder "Mitgliedschaften" und nicht von Extremisten. Umdie Arbeit der Verfassungsschutzbehörden transparenter zu machen, habensich die Innenministerund -senatorender Länder 1992 dafür ausgesprochen,Strukturdaten der Verfassungsschutzbehörden zuveröffentlichen: 1. Der Haushaltsplan 1995der Freienund Hansestadt Hamburg wies für das Landesamt für Verfassungsschutz am Jahresende 160,2 (1994: 162,5 / 1993: 167,5) Stellen aus. Am 1.1.1996 erfolgte einweiterer Abbau auf 150,2 Stellen. 2. Der Haushaltsansatz ohne Personalkosten und abzüglich der Einsparquoten betrug 1995 für das Landesamt für Verfassungsschutz 4.915.000 DM (1994: 4.977.000 DM, 1993: 5.812.000 DM). 3. Durchdas Landesamt für Verfassungsschutz waren am 31.12.1995 im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) 11.322 (31.12.1994: 13.011 / 31.12.1993: 13.137) Personen erfaßt, davon 38,53 Prozent (31.12.1994: 32,84 Prozent, 31.12.1993: 33,01 Prozent) im Zusammenhang mit Sicherheitsüberprüfungen. Die Verfassungsschutzbehörden sammeln und speichern personenbezogene Daten über extremistische Bestrebungen, sicherheitsgefährdende Aktivitäten und im Rahmen der Mitwirkungsaufgabe im Rahmen von Sicherheitsüberprüfungen. Instrument der gegenseitigen Unterrichtung der Verfassungsschutzbehörden sind unter anderem 'gemeinsame Dateien. Die "klassische" gemeinsame Datei im Sinne des $ 6 BVerfSchG ist die Personenzentraldatei (PZD) im Verbund des bundesweiten Nachrichtendienstlichen Informationssystems (NADIS). Sie ist eine grundsätzlich allen Verfassungsschutzbehörden zur Verfügung stehende Sammlung von Hinweisen auf Unterlagen, 'diepersonenbezogene Informationen enthalten.Jede Behörde speichertin eigener Verantwortung biographische Daten unddas Aktenzeichen derbetreffenden Unterlage. Im Zusammenhang mit Personalien wird lediglich eine Aktenfundstelle gespeichert, nicht die eigentliche Information. Durch die PZD soll im konkreten Bedarfsfall fest22 gestellt werden können, ob eine Person bereits früherim Zusammenhangmit der 'Aufgabenwahrnehmung bekannt geworden ist. Die Nutzung von Informationen aus den Unterlagen ist ein von der PZD unabhängig und konventionell ablaufender zweiter Schritt. Wenn eine PZD-Fundstelle angezeigt wird, bedeutet das nicht zugleich, daß "belastende" Informationen vorliegen. Diesesgilt unter anderemfür die überwie'gendeZahlderjenigen Personen, an deren Sicherheitsüberprüfung die Verfassungsschutzbehörden mitgewirkt haben und zu denen keine sicherheitsrelevanten Informationen vorliegen. Zugriffzu gespeicherten Daten haben ausschließlich die Verfassungsschutzbehörden. Sie sind verpflichtet, nach präzise vorgegebenen Fristen die gespeicherten Daten zu prüfen. Sind sie nicht mehr aufgabenrelevant bzw. ist ihre weitere Aufbewahrung nicht mehr erforderlich, werden sie gelöscht. Der Datenschutzbeauftragte kontrolliert, ob die Prüfungs-und Löschungsfristen beachtetwurdenundwerden. 13 2. Überblick 1995 / Organisationen und Potentiale Die zahlenmäßige Entwicklung in den drei vom Verfassungsschutz beobachteten Extremismuskomplexenverlief im Berichtsjahr, aber auch in der langzeitlichen Betrachtung der letzten 10 Jahre, uneinheitlich. Der bundesweit z.Zt. deutlich abnehmenden Organisationsstärke im Rechtsextremismusbereich stand 1995 eine deutlich zunehmende Tendenz im Bereich des Ausländerextremismus gegenüber. Die Mitgliederund Anhängerentwicklung im Bereich des Linksextremismus bewegte sich nur minimal oberhalb einer Stagnation. 2.1 Rechtsextremismus Der Rechtsextremismus in der Bundesrepublik befindet sich, ausgelöst durch staatliche Organisationsund Veranstaltungsverbote und durch Wahlmißerfolge der verschiedenen rechtsextremistischen Parteien, in einer Umbruchphase. Die Krise des organisierten Rechtsextremismus hat sich beschleunigt. Sie wird durch interne Kämpfe in mehreren größeren Parteien und - entgegen allen Appellen zur Einheit der Rechten 14 - durch noch immer vorhandene "Führer"-Egoismen verstärkt. Insbesondere aus den Basisbereichen rechtsextremistischer Parteien heraus gab es daher Anstöße zu neuen strategischen Anläufen und übergreifenden Handlungsabsprachen. Mit örtlichen und regionalen "Runden Tischen" wurde im Bereich des Rechtsextremismus ein erster ernstzunehmender Versuch sichtbar, sich über die politischen Führungsspitzen hinwegzusetzen und sich von deren gescheiterten Konzepten zu lösen. Die Generalmaxime des Jahres 1995 lautete daher: Beendigung lamentierender Debatten, forciertes konkretes Handeln zur Vereinheitlichung des rechten Lagers. Zum Wesen des Rechtsextremismus gehören unverändert streng hierarchische, nach dem Führerprinzip ausgerichtete Entscheidungsebenen. Das daraus resultierende Gehorsamsprinzip ließ in der Vergangenheit keine Verselbständigungen bzw. Eigeninitiativen "von unten" zu. Es wäre daher ein Novum, wenn der Ansatz der "Runden Tische" sich überregional oder gar bundesweit - entgegen "von oben" vorgegebener Marschrichtungen - als beständig herausstellen würde und zugleich auch effektive Erfolge hervorbrächte. Der Rechtsextremismus bietet in seiner Zerrissenheit und seinem Mangel an personellen und sachlichen Alternativen zu den demokratischen Kräften dezeit keine Gefahr für den Bestand der Bundesrepublik Deutschland. Diese Aussage wird auch nicht durch gegenteilige Ankündigungen, Drohungen und Erwartungshaltungen von Rechtsextremisten in Frage gestellt, die sich aus grotesken Fehleinschätzungen der Wehrhaftigkeit des freiheitlichen demokratischen Rechtsstaates und aus einer Überschätzung ei'gener Möglichkeiten und Fähigkeiten ableiten. Dieser Flucht aus der Realität entspricht es auch, daß sich Rechtsextremisten immer häufiger in Anspielung auf den Untergang der ehemaligen DDR Mut machen, die Bundesrepublik in einer Art "Volksbewegung" hinwegfegen zu können. Sie hoffen darauf, daß die ihnen verhaßten demokratischen Politiker nicht in der Lage sein werden, Probleme der Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot oder Inneren Sicherheit zu lösen und lassen Appelle kursieren, in denen dazu animiert wird, durch aktives Handeln den "Verfall" des Staates gar zu beschleunigen. Vorsorglich werden bereits Konzepte für eine "Machtübernahme" bereitgehalten. Anders als in anderen europäischen Ländern können rechtsextremistische Organisationen in der Bundesrepublik weder auf wirkungsvolle Führungspersonen zurückgreifen noch die Kraft und die Fähigkeit aufbringen, sich an der Gestaltung des politischen Lebens zu beteiligen. Ihre zumeist kurzlebigen, von politischen Zuspitzungen und Aufwallungen in Einzelfragen abhängigen Erfolge sind allerdings häufig ein Seismograph gesellschaftlicher Zerrüttungen oder Polarisierungen. "Denkzettel"Reflexe im Protestverhalten der Wählerschaft können in einem verschärften Meinungsklima u.U. desolaten rechtsextremistischen Parteien zu von ihnen selbst nicht erwarteten Abstimmungserfolgen verhelfen. Die Abnahme des organisierten Rechtsextremis15 mus bedeutetzunächst,daßseinPotential nur wenigerexakt meßbar ist. Sie sagtnichts über eine weitere Nähe und Verbundenheit zu rechtsextremistischen Positionen. Die statistisch erfaßte rechtsextremistisch motivierte Gewalt ging weiter zurück, insbesondere fremdenfeindlichen Delikte. Unverändert gilt, daß die weit überwiegende Mehrzahl der Straftaten weder von organisierten Rechtsextremisten noch aufgrund gezielter, längerfristiger Planung begangen wurde, sondern spontan aus dem jeweili'gen örtlichen Umfeld der Tatziele heraus. Straftaten wurden u.a. daher mit abschrekkender Wirkung schnell aufgeklärt und konsequent strafrechtlich geahndet. Die Ausdehnung der österreichischen Briefbombenattentate auf die Bundesrepublik zeigt, daß 'esauch bei uns zu terroristischenAnschlägenvon Rechtsextremisten kommenkann. DieOffenlegungmehrerer Waffendepotsdurchden Neonazi Peter NAUMANN hat den weit verbreiteten Waffenfetischismus bestätigt und ein Schlaglicht auf die tatsächlich vorhandene Bewaffnung von Rechtsextremisten geworfen. Der drastische Rückgang des organisierten Rechtsextremismus setzte sich nach 1994 fort. Die Zahl der rechtsextremistischen Mitgliedschaften nach Abzug von Doppelmitgliedschaften verringerte sich um etwa 10.000 auf etwa 46.100 (1994: etwa 56.600). Insbesondere wegen der Gründung neuer neonazistischer Kleingruppen stieg demgegenüber die Anzahl der von den Verfassungsschutzbehörden beobachteten rechtsextremistischen Organisationen auf 92 (1994: 81). Die Rechtsextremisten gliedern sich auf in (r) etwa 6.200 gewaltbereite Rechtsextremisten, insbesondere rechtsextremistische Skinheads, von denen nur eine geringe Anzahl in festen Personenzusammenschlüssen organisiert ist (1994: etwa 5.400). Die Erhöhung der Zahl ergibt sich insbesondere durch eine Veränderung der Erfassungskriterien, * etwa 1.980 Neonazis nach Abzugderetwa 500 Doppelmitgliedschaften (1994 etwa 2.940), davonetwa 920in 42Gruppierungen ( 1994: etwa 1.790 in 33 Gruppierungen nach Abzug von etwa 800 Doppelmitgliedschaften) und 1.060 unorganisierte Neonazis (1994: etwa 1.150), * etwa 35.900 Mitglieder in 4 rechtsextremistischen Parteien (1994: etwa 45.000 in 6 rechtsextremistischen Parteien). Davon entfallen auf (r) "DIE REPUBLIKANER" etwa 16.000 (1994 : 20.000) (r) "Deutsche Volksunion" (DVU)etwa 15.000 (1994 : 20.000) (r) "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) etwa 4.000 (1994: etwa 4.500) "DeutscheLigafür Volk und Heimat" (DLVH) etwa 900 (1994:etwa 900). 16 ab 992 neuaufgenommen DIE REPUBLIKANER 10000 20000 30000 40000 50000 60000 70000 'Außerdem werden von den Ämtern für Verfassungsschutz 9 Jugendund Studentenorganisationen mit etwa 280 Mitgliedern (1994: 8 Organisationen mit etwa 260 Mitgliedern) sowie 37 rechtsextremistische Vereinigungen mit etwa 2.380 Mitglieden (1994: 36 Organisationen mit etwa 2.670 Mitgliedern) beobachtet. Rechtsextremisten verbreiteten ihre Propaganda in 35 unabhängigen publizistischen Einrichtungen. Von rechtsextremistischen Gruppen und unabhängigen Personen und Redaktionen wurden insgesamt 96 Schriften mit unterschiedlicher Erscheinungshäufigkeit und Auflagenzahl herausgegeben. 58 Schriften erschienen mindestens viermal in Jahr. Diese Schriften hatten eine Gesamtauflage von über 5,6 Millionen Exemplaren. Trotz weiterer erheblicher Mitgliederverluste waren die "Republikaner" erstmals mitgliederstärkste Partei im deutschen Rechtsextremismus. Die taktisch bedingten 'Auseinandersetzungen in der Partei, in deren Mittelpunkt die Frage der Zusammenarbeit mit anderen rechtsextremistischen Organisationen steht, erreichte ihren vorläufi17 gen Höhepunkt mit dem Parteiaustritt desehemaligen langjährigen Bundesvorsitzen-/ den SCHÖNHUBER. Weitere Mißerfolge bei Wahlen und die von Teilen der Partei-' basis zunehmend geforderte und praktizierte Beteiligung an "nationalen Sammlungs-) bestrebungen" verschärften die Spannungen in der Partei. DerNiedergang der DVUsetztesich weiterfort. Trotz erneutem hohem finanziellen) Einsatz verlordie Partei bei den Wahlen zur Bremer Bürgerschaft nach zwei Wahlperiodenihredortigen Mandateund damit eineBasisfürpropagandistische Öffent-' lichkeitsarbeit und finanzielle Einnahmen. Außer der Herausgabe der Wochenzeitun-; 'gen des Dr. FREY undder jährlichen Großveranstaltung in Passau fanden kaum noch. politische Aktivitäten statt. Die DVU geriet innerhalb des rechtsextremistischen La'gers durch die starre Haltung ihres Parteivorsitzenden in zunehmende Isolation. DerNPDgelang es 1995nicht, politische Akzente zusetzen und den Niedergang der Partei aufzuhalten. Der Parteivorsitzende DECKERT konzentrierte sich weitgehend auf antisemitische und revisionistische Ausfälle, die vermehrt zu Verurteilungen führten. Im November trat er eine Haftstrafe an. DECKERT war auch innerhalb der NPD zunehmend umstritten. Der sich daraus ergebende Machtkampf soll auf einem Parteitag mit der Neuwahl des Bundesvorstandes geklärt werden. Mit ihrer aktionistischen, nationalrevolutionären Ausrichtung entwickeln sich die "Jungen Nationaldemokraten" (JN) zur größten rechtsextremistischen Jugendorganisation, die für ehemalige Mitglieder verbotener Organisationen attraktiv wird, Anspruchsgemäß will die DLVH für die Vereinigung der "Rechten" eintreten. Sie ist z.Zt. treibende Kraft bei der Bildung der einleitend erwähnten "Runden Tische". Diese Bemühungen hatten punktuelle Anfangserfolge, führten jedoch nicht zur Stärkung der eigenen Organisation. Neonazis sind durch Organisationsverbote und nahezu flächendeckende Veranstaltungsverbote besonders betroffen. Mit den Verboten der FAP und der "Nationalen Liste" (NL) wurden ihnen zwei weitere der noch verbliebenen Organisationsbasen| genommen. Damit sind die "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) und "Die Nationalen e.V." als die beiden letzten neonazistischen Organisationen mit Überregionalem Anspruch nachgeblieben. Neonazis versuchen insbesondere auf örtlicher und regionaler Ebene mittels autonomer Kameradschaften, unstrukturierter Aktionsbündnisse oder Einsickern in "legale" rechtsextremistische Organisationen weiterzuarbeiten. Die avisierte überregionale Vernetzung blieb aus. Bundesweite neonazistische Aktionen in früheren Größenordnungen wurden wegen Chancenlosigkeit gar nicht erst versucht. Gewalttaten rechtsextremistischer Skinheads gingen weiter zurück. Demgegenüber stieg, die Zahl der Skinhead-Konzerte im Inund Ausland (bis zu 1.000 Besucher) merklich. Sie könnten sich als Stimulanz für eine Reaktivierung der Skinheadszene erweisen. 18 Diebundesweiten Entwicklungen im organisierten Rechtsextremismus spiegelten sich in Hamburg wider. Er ist hier nur schwach ausgeprägt. Geeignete Führungspersonen fehlen. Das Mitgliederpotential blieb zwar relativ stabil, aber weitgehend passiv. Mit 'dem Verbot der FAP und der NL verloren die Neonazis in Hamburg ihre letzten eigenen Organisationshüllen. Da die Fortführung verbotener Organisationen durch Neugründungen strafbar wäre, arbeiten einige unter dem Dach bestehender rechtsextremistischer Parteiorganisationen weiter. Öffentlich sichtbare Aktionen - wenn auch mit nur minimalem Publizitätseffekt - wurden in und um Hamburg durchweg von Neonazis durchgeführt. Ende 1995 lag - unter Abzug von Doppelmitgliedschaften - das Organisationspotential bei etwa 1.250 (1994: 1.300). Die nachfolgenden Zahlen sind gerundete Werte: r--8er8388 Rechtsextremistische Mitgliederpotentiale in Hamburg 1994 und 1995 N 8s Skinh. Neonais DW REP NPD HLA DLVH Sonst FSPRBASU r_ä N rechtsextremistische Skinheads [Neonazis| DYU REPUBLIKANER DLVH Sonstige (organ. und unorganisiert) 19 Die Gesamtzahl rechtsextremistischer Straftaten sank in Hamburg deutlicher als in der Bundesentwicklung von 424 auf 323. Spektakuläre Gewaltanschläge blieben aus. Die allermeisten Straftaten entfielen auf Propagandadelikte. Fremdenfeindlich motivierte Straftaten waren deutlich rückläufig. Die Hamburger Polizei ermittelte 156 Tatverdächtige (1994: 252). 2.2 Linksextremismus Ungeachtet des weltweiten Ansehensverlustes sozialistischer, kommunistischer und sonstiger "revolutionärer" Gesellschaftsmodelle halten Linksextremisten an ihnen fest. Mit sprachlichen "Modernisierungen" und Umschreibungen alter Inhalte strebt insbesondere die DKP nach einem "Comeback". Reste der ehemaligen dogmatischen Neuen Linken - heute als Marxisten-Leninisten bzw. sonstige revolutionäre Marxisten bezeichnet - verfolgen zum Teil Umgruppierungsideen in der Nähe oder unter dem 20 ee DachderPDS.Einige andere marxistischeGruppenundParteiansätzezeigen sich von Umdenkungsprozessen in der radikalen Linken und Neubewertungen revolutionärer Ideologien nahezu unberührt. Ihre angestaubte Doktrin hatte noch vor über 20 Jahren im Zeichen der Ost-West-Blockkonfrontation, aufstrebender revolutionärer Befreiungsbewegungen auf mehreren Kontinenten, des chinesischen Maoismus, des Vietnamkrieges und vor dem Hintergrund eines tiefgreifenden nachkriegszeitlichen Wertewandels und Generationenkonfliktes in den westlichen Gesellschaften einen vorübergehendenAufschwungerlebt. Als Relikte dieserlängst verblaßten und abgebröckelten Gegenbewegung zum freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat finden sie. sich heute z.T. in politischer Einsiedelei bzw. Isolation wieder. | Diejenigen Linksextremisten, die schon vor 1989 nicht den Orthodoxien und Doktrinen klassischer Revolutionsideen nachzueifern versuchten, sondern sich als "Autonome" in einer undogmatischen, "basisorientierten" politischen Subkultur bewegten, wurden von der "Krise der Linken" weniger berührt. Mit dem "Realsozialismus" war "auch eine zentralistische Organisationsphilosophie ("Die Partei hat immer recht") "gescheitert, von der Autonome sichbeiihrerEntstehung schon 10 Jahrevorher ganz | bewußtundausdrücklichverabschiedethatten. Linksextremistische Organisationen/Fraktionen gliederten sich Ende 1995 bundesweit } in 44 Parteien/Fraktionen und sonstige Kemund Nebenorganisationen (1994: 46). Die Zahl ihrer Mitglieder belief sich auf insgesamt 28.500 (1994: 27.400). In den " Bundeszahlen sind erstmalig etwa 5.000 Mitglieder der "Kommunistischen Platt- \ form"(KPF) der PDS berücksichtigt. Hinzu kommt das als "Terroristen und sonstige | gewaltbereite Linksextremisten" subsumierte übrige linksextremistische Spektrum, zu "dem auch die früher als Rubrik "Anarchisten und sonstige Sozialrevolutionäre" er- " faßten Personen zählen: es umfaßte bundesweit gut 7.000 Personen (1994: etwa 6.700). Beide Kategorien summierten sich aufbundesweit 35.500 (1994: 34.100). In den Zahlenspiegel über die bundesweiten Anhängerpotentiale deutscher Linksextremisten wurde im Jahre 1994 - nach Veröffentlichung des Hamburger Verfassungsschutzberichtes und rückwirkend ab 1992 - das KPF-Potential der PDS eingefügt. Abweichend zu früher veröffenlichten Zahlen des Landesamtes für Verfassungsschutz erhöhten sich dadurch die Vergleichsgrößen auf Bundesebene für die Jahre ab 1992. Dadurch ergibt sich auch in der graphischen Darstellung (siehe Diagramm) in der langzeitlichen Entwicklungskurve eine stärkere Abstufung. Nach dem steilen Niedergangder Anhängerzahlen ab 1989 mit einer "Talsohle" 1991 (26.600) hat sich das linksextremistische Personenpotential in Deutschland ohne den konstanten Sockel der KPF leicht erholt und seit 1992 auf nunmehr um 30.000 bei minimaler Aufwärtstendenz eingependelt. Der irreversible Anhängerverlust gegenüber konstant um 53.000 Personen (1981 - 1987) ging weit überwiegend zu Lasten des einstigen orthodox-kommunistischen Organisationsgefüges im Einflußbereich der 21 "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP). Sie verfügte in den 80er Jahren noch über etwa 40.000 Mitglieder, nunmehr im dritten Jahr gleichbleibend etwa über 6.000. Selbst unter Berücksichtigung der durch die deutsche Einheit hinzugewachsenen linksextremistischen Mitgliederund Anhängerpotentiale ist das heutige gesamtdeutsche linksextremistische Spektrum zahlenmäßig bei weitem kleiner, als vor 1989 allein in den alten Bundesländern. Die 1991 zum Schein aufgelöste "Marxistische Gruppe" (MG) mit damals etwa 10.000 fest angebundenen Personen bildet weiterhin ein schwer meßbares Potential. Unter den revolutionär-marxistischen Organisationen konnte die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) als einzige auf einen bemerkenswerten Mitgliederzuwachs verweisen: von 1.700 (1992) über 2.000 (1993) und etwa 2.300 (1994) näherte sich ihre geschätzte Anhängerschaft etwa der Zahl 2.700 - eine Steigerungsrate in 3 Jahren von knapp 60%. Die Zahl der organisierten Trotzkisten bewegte sich nach Abzug von Doppelmitgliedschaften kaum verändert um 1.500. In Hamburg endete die abwärtsgerichtete Entwicklung des linksextremistischen Personenpotentials. Mit 1.355 dem linksextremistischen Spektrum zugerechneten Personen (abzüglich Doppelmitgliedschaften) war ein Wiederanstieg um gut 11% gegen- 2 i über 1994 (1.220) zu verzeichnen. Damit wurde in etwa das Niveau von 1992 wiederhergestellt. Nach dem dramatischen Absturz seit 1988 (4.700) hat der LinksexSsrzu=tremismus in Hamburg damit offenbar eine "Talsohle" durchschritten und liegt nunmehr erstmalig wieder im leichten bundesweiten Aufwärtstrend. In der Zahl 1.355 ist mit 410 Personen das - als Gesamtblock - stabile autonome Spektrum enthalten, das allerdingsin sich eher unverbindlich ist, stark fluktuiert und sich nicht in Form von "Mitgliedschafien" erschließt. Der Zahlenanstieg geht u.a. auf eine leicht erhöhte Einschätzung der nur schwer abgrenzbaren "antiimperialistischen" Szene undauf die Tatsache zurück, daß die "Marxistische Gruppe" (MG) sich auch personell wieder deutlicher darstellte. Unscheinbare Zuwächse in anderen Einzelbereichen schlugen sich summarisch erstmals wieder sichtbar in der Gesamtbilanz nieder, da sie sich nicht mehr durch Verluste der DKP rechnerisch auflösten. Für ihren Informationsaustausch, Propagandaaktivitäten und Mobilisierungen bedienten sich deutsche Linksextremisten zahlreicher von ihnen gesteuerter Verlage und Vertriebssysteme. In der Bundesrepublik existieren unverändert über 40 Literaturbetriebe, die etwa 300 linksextremistische periodische Publikationen in einer geschätzten Gesamtauflage von rund 4 Millionen Exemplaren verbreiteten. Schlüsselfunktionen im Nachrichtenverkehr vorwiegend der Hamburger autonomen/anarchistischen 23 Szene nahm wiederum der seit 1975 betriebene Buchladen "Schwarzmarkt" wahr. Er reiht sich in die bundesweit existierenden etwa 80 autonomen Infoläden ein. Weil Rechtsextremisten kaum noch Chancen hatten, sich mit größeren Ansammlungen ins Rampenlicht der Öffentlichkeit zu stellen, fanden linksextremistische Antifas auch immer weniger Gelegenheit zur direkten Konfrontation z.B. mit Neonazis unter freiem Himmel. Die Zahlen bundesweit registrierter linksextremistischer Gewalttaten aufdem Antifa-Sektor hat prozentual und in absoluten Zahlen deutlich abgenommen. Die Ausländerund Asylproblematik, insbesondere Abschiebungen abgelehnter 'Asylbewerber und das gegen die "Arbeiterpartei Kurdistan" (PKK) verhängte Betätigungsverbot, waren auch dieses Jahr ein Kampagnenthema deutscher Linksextremisten. Linksextremistische Gewalt bedrohte und gefährdete unverändert die innere Sicherheit. Die Zahl der registrierten Gewalttaten ist nach einem kontinuierlichen Anstieg von 1990 - 1993weiter bundesweit abgesunken. In Hamburg wurde das Vorjahresergebnis wiederholt. Auch für politisch motivierte Gesetzesverletzungen insgesamt gab es bundesweit eine deutlich rückläufige Entwicklung, mit Ausnahme der Deliktkategorie "Gefährliche Eingriffe in den Bahnund Luftverkehr": Auseinandersetzungen um sog. "Castor"-Transporte zum Atommüll-Lager Gorleben haben zu einem Gewalttatenanstieg militanter Kernkraftgegner geführt. Hamburg blieb davon unberührt. 'Auf der Ebene des linksextremistischen Terrorismus kann es nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden keine Entwarnung geben. Die Ankündigung der RAF von 1992, auf gezielte Tötungsaktionen einstweilen zu verzichten, hatte zwar Bestand, aber eine neue terroristische Gruppierung, die "Antiimperialistische Zelle" (AIZ), stellte sich weiterhin in die Tradition der RAF und verübte 1995 vier Sprengstoffanschläge. Die terroristischen "Revolutionären Zellen" (RZ) hatten seit einigen Jahren als tatsächlich handelndes Bedrohungspotential an Bedeutung verloren. Ihr politisches Selbstverständnis ist unter Beteiligten uneinheitlich, z.T. umstritten. Emeut meldete sich die dem RZ-Bereich zuzurechnende Frauengruppe "Rote Zora" mit einem Sprengstoffanschlag, der u.a. auch mit Kritik an männerpatriarchalen Traditionen unter PKK-Anhängern begründet wurde und auf die kurdische Frauenemanzipation aufmerksam machen sollte. 'Anders als orthodox-kommunistische Ideologien erscheinen Utopien und individualistisch-subjektivistische Denkweisen autonomer Zusammenhänge im Linksextremismus noch relativ "unverbraucht". Der unter Autonomen vorherrschende militante Aktionismus wurde bundesweit und in Hamburg erneut sichtbar - punktuell mit flieBender Annäherung an den Terrorismus. Anarchistische Ideen bzw. libertäre Politikansätze - in den letzten Jahren weitgehend "außer Mode" - stießen insbesondere unter Schülern und Jugendlichen wieder auf steigendes Interesse. 24 Die Entpolitisierung der ehemals besetzten Hafenstraßenhäuser und eine zunehmende Versachlichung des langjährigen Konfliktes mit den Hausbewohnern ermöglichten zur Jahreswende 1995/96 eine Vertragslösung, die Voraussetzungen für eine friedliche Zukunft beinhaltet. Im Stadtteilzentrum "Rote Flora" verwischten zum Teil szene-kulturelle Ambitionen und interne Debatten das früher stärker militanzgeneigte Verhaltensbild. Gleichwohl war das Zentrum "Rote Flora" nach den Exekutivmaßnahmen der Generalbundesanwaltschaft gegen die Untergrundzeitschrift "radikal" sowie gegen Verdachtspersonen im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen linksterroistische Gruppen ein wichtiger Bezugspunkt linksextremistischer Solidarität, die Mitte Dezember nach längerer Pause zu einer bundesweiten Großdemonstration in Hamburg mit etwa 4.700 Teilnehmern führte. Teile der "Roten Flora" wurden Ende November durch ein Feuer schwer beschädigt. Im Rahmen von Protesten gegen Umstrukturierung und Stadtteilentwicklung wurden in Hamburg vorübergehend wieder Gebäude besetzt. Randalierende Protestierer gingen teilweise militant gegen Polizeibeamte vor und verursachten vereinzelt erhebliche Sachschäden. Seit 1994 machte eine Kategorie Hamburger Linksextremisten auf sich aufmerksam, die mit extrem antinationalen/antideutschen Aussagen provozierte und damit sogar bei anderen Linksextremisten auf Unverständnis stieß. Als "Antinationales Plenum Hamburg" agitierte dieses Spektrum insbesondere unter Bezugnahme auf den 50. Jahrestag des Kriegsendes. Mehrere marxistisch-leninistische oder sonstige revolutionär-marxistische Organisationen haben in Hamburg Stützpunkte, Ortsgruppen, Landesoder Bezirksverbände. Systemüberwindung, "revolutionärer" Bruch und ein 2. Anlauf zum "Sozialismus" sind unverändert zentrale Bestrebungsinhalte der DKP. Die Nachfolgestrukturen des "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK) und die jetzt als "Vereinigung für Sozialistische Politik" (VSP) auftretende ehemalige "Vereinigte Sozialistische Partei" orientieren sich weiterhin in Anlagerung an die PDS bzw. in personenbezogener Tuchfühlung mit der PDS. Die MLPD - ein innerlich auf dem Stand der 70er Jahre verharrendes "Denkmal" der ehemaligen dogmatischen "Neuen Linken" - versuchte, ihrer bundesweit auf etwa 2.700 Mitglieder gewachsenen Anhängerschaft in einer Dauerkampagne die "Lehre von der proletarischen Denkweise" nahezubringen. Die Gruppe "K" - Teilrestmenge des 1991 aufgelösten KB - hat sich zum Jahresende nunmehr ihrerseits aufgelöst. Personen der 1991 angeblich aufgelösten "Marxistischen Gruppe" meldeten sich dagegen mit neuem Etikett, aber ohne erkennbar veränderte politische Inhalte, auch in Hamburg zurück. Trotzkistische Gruppierungen und Strömungszirkel sind weiterhin - auch in Hamburg - unbedeutende Randerscheinungen des linksextremistischen Gesamtgefüges. 25 2.3 Ausländerextremismus Das Potential der in der Bundesrepublik vertretenen ausländischen extremistischen Organisationen (einschließlich verbotener Organisationen) hat mit 55.500 Mitgliedern/ Anhängern die Zahl der deutschen Rechtsextremisten (46.100) überholt. Es ist auch um mehr als ein Drittel höher als das der deutschen Linksextremisten (35.500). Betrachtet man alle aufdeutschem Territorium agierenden inund ausländischen politischen Extremisten als eine statistische Summe, dann entfallen davon rund 40 % auf ausländische Extremisten. Ausländische Extremisten/Gesamtüberblick | 19955 | (1994) Gesamtzahl einschl. Pers. verbot. Organisationen] 35.300 | 147.050) davon Anhänger verbotener Organisationen | 9.950 _| (300) | Untergliedert nach politischen Standortkategorien gab es 1995 etwa 16.800 Anhänger linksextremistischer (1994: 15.060), 6.900 Anhänger extrem nationalistischer (1994: 26 5.610) und 31.800 Anhänger islamisch-extremistischer (1994: 26.380) Organisationen. Darin waren 9.950 Personen (1994: 8.300) verbotener Organisationen enthalten. linksextremistisch | _nationalistisch islamistisch 1995 (1994) 1995 (1994) 1995 (1994) (8.300) (davon PKK) (7.500) Türken h (4.280) . (24.100) (Araber 70 Tao) | 120] (1.930) franer Bao To I tw | (Sonstige _ oT Go | m I Tom I --| [Gesamt 116.300[015000,[6300] 6310) | 31.30[G380]| Der weit überwiegende Teil (aufgerundet 73 %) dieser Potentiale bzw. Richtungen entfiel auf Personen/Organisationen türkischer Volkszugehörigkeit. Die zweitgrößte Volksgruppe ausländischer Extremisten bildeten mit 17% Personen kurdischer Herkunft. Es folgten mit weitem Abstand Araber (5%), Iraner (2%) und sonstige Nationalitäten bzw. Volkszugehörigkeiten (3%). Die vorstehenden Zahlenverhältnisse sind keinesfalls kongruent mit den Gefährdungsintensitäten, die von den einzelnen Spektren bzw. darin enthaltenen Gruppierungen für die innere Sicherheit der Bundesrepublik ausgehen. So waren die "nur" etwa 30% umfassenden ausländischen Linksextremisten 1995 für 272 von 283 Gewalttaten verantwortlich, mithin für 96,1% aller Gewalttaten. Auf das annähernd doppelt so große Spektrum islamischer Extremisten entfielen dagegen 2 Gewalttaten, mithin lediglich etwa 0,7 %. Das Gesamtpotential ausländischer Extremisten in Hamburg ist in den letzten Jahren zum Teil in deutlichen Sprüngen angestiegen. So hat sich die PKK von etwa 80 im Jahre 1991 hier seitdem versechsfacht. Türkische Linksextremisten haben ihre Anhängerschaft in Hamburg seit 1991 annähernd verdoppelt. Die islamistischen türkischen Organisationen in Hamburg sind seit 1991 von rund 300 auf nunmehr gut 1.000 angewachsen und haben sich somit mehr als verdreifacht. ( |] Entwicklungssprünge ui kurdischer und türkischer Extremisten in Hamburg von 1991 - 1995 Mit etwa 8.900 Mitgliedern/Anhängern behauptete die verbotene "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) einen Anteil von etwa 16% am Gesamtpotential ausländischer Extremisten. Die Tatsache, daß diese 16% allein für etwa 70% aller Gewalttaten im Jahre 1995 verantwortlich waren, ist ein überdeutliches Indiz für die Tatsache, daß die PKK - trotz Betätigungsverbots - nach wie vor und verstärkt die von ausländi28 schen Extremisten ausgehende gegen die innere Sicherheit Deutschlands gerichtete Bedrohungsszenerie beherrscht. In Hamburg verfügt die PKK unverändert mit etwa 500 Mitgliedern/Anhängern (einschließlich des außerhamburgischen Einzugsgebietes) über rund 23% des insgesamt 'etwa 2.200 Personen umfassenden Potentials ausländischer Extremisten. Das daneben bestehende Spektrum von etwa 1.300 türkischen Extremisten verteilt sich auf etwa 150 Linksextremisten, 150 - 200 extreme Nationalisten und schätzungsweise etwa 1.000 Anhlinger islamisch-extremistischer Ausrichtung. Etwa 400 weitere Personen 'gehören organisiert oder unorganisiert anderen, örtlich unbedeutenden ausländischen extremistischen Kleingruppen, Strömungen und Richtungen an. I. Politischer Extremismus 1995 1. Rechtsextremismus 1.1 Grundlagen und Formen des Rechtsextremismus Die ideologischen Grundzüge des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik haben sich seit dessen ersten Erfolgen Mitte der sechziger Jahre kaum gewandelt. Charakteristisch ist, daß er über kein geschlossenes wissenschaftliches Lehrgebäude, wie etwa der Marxismus-Leninismus, verfügt. Die rechtsextremistischen Lehrsätze setzen sich aus Fragmenten verschiedener ideologischer Teilbereiche zusammen. Die fehlende geschlossene Theorie wird durch das im Rechtsextremismus praktizierte Führerprinzip zumindest teilweise kompensiert. Rechtsextremistische Politik ist weitgehend vom Willen und den Fähigkeiten der Führungspersonen abhängig. Deren politische Grundanschauungen bestimmen die Zielsetzung und die Schwerpunkte der politischen Themen. Die Grundelemente des Rechtsextremismus sind Nationalismus, Verabsolutierung des Staates und völkische Ideologie, in Deutschland in der verschärften Form einer Rassenideologie. Die Aktivitäten rechtsextremistischer Organisationen richten sich gegen die Verfassung. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 23.10.52, in dem die Verfassungswidrigkeit der "Sozialistischen Reichspartei" (SRP) festgestellt wurde, die Merkmale beschrieben, die rechtsextremistische Organisationen kennzeichnen: - Mißachtung wesentlicher Menschenrechte, besonders der Würde des Menschen, seines Rechtes auf freie Entfaltung und des Grundsatzes der Gleichheit vor dem 29 Gesetz. Hintergrund sind die Ideologiedesabsoluten Primats desStaatesvorder Person und die Wiederbelebung des Antisemitismus. -- Bekämpfung des für eine freiheitliche Demokratie wesentlichen Mehrheitsprinzips. Hintergrund sind die grundsätzliche Verunglimpfung der anderen Parteien als "Systemparteien" und deren Bekämpfung mit dem Ziel, sie auszuschalten. - Ein innerer Aufbau derPartei,der nicht denNormen derDemokratieentspricht, sondern im Geist des Führerprinzips vonoben nach untendurchgeführt wird. Das Gericht ging von dem allgemeinen Schluß aus, daßeine Partei die Strukturprinzipien,diesie beisichselberverwirklichthat,auch imStaatdurchsetzen wird. = _ Wesensverwandtschaft in der Vorstellungswelt und im Gesamtstil mit der früheren NSDAP. Hintergrund sind der mythisierte Reichsgedanke, überhebliches Sendungsbewußtsein, die Vorstellung von deutscher Hegemonie, die sich in ÄuBerungen führender Funktionäre, in Veröffentlichungen oder Parteiprogrammen rechtsextremistischer Parteien finden. Diese Merkmale müssen nicht insgesamt vorliegen, um eine Vereinigung als rechtsextremistisch einzustufen. Vielmehr ist eine rechtsextremistische Organisation bereits dann als verfassungsfeindlich anzusehen, wenn sie gegen einzelne fundamentale Verfassungsgrundsätze verstößt. Rechtsextremistische Organisationen versuchen zunehmend, durch offene Bekenntnisse zum Grundgesetz, durch neutral gehaltene, möglichst juristisch unangreifbare Programme sowie durch Mäßigung in ihrem öffentlichen Auftreten und in ihrer öffentlichen Propaganda aus taktischen Gründen ihre wahren Absichten zu verschleiern. Dies gilt mittlerweile auch für neonazistische 'Gruppierungen. Diese Taktik erschwert den Nachweis der Verfassungsfeindlichkeit. Teilweise gelingt es Rechtsextremisten, alte ideologische Inhalte in ein neues, modernes sprachliches Gewand zu kleiden. So werden etwarassistische Aussagen unter dem Begriff "Ethno'pluralismus" in eine unverdächtige Form gebracht. Seit dem 2. Weltkrieg sind keine neuen rechtsextremistischen Ideologien oder Ideologiefragmente entwickelt worden. Allerdings verschieben sich die Akzente und Gewichte, mit denen der aktuelle Rechtsextremismus sich auf unterschiedliche politische Weltanschauungsrichtungen bezieht. Der Nationalsozialismus hatte auch nach seinem Untergang für Rechtsextremisten noch jahrzehntelang hohe Bedeutung und erregte in der Öffentlichkeit die meiste Aufmerksamkeit. Er verliert neuerdings aus zweierlei Gründen zunehmend an Gewicht: Einerseits läßt das rigorose Vorgehen ge'gen nationalsozialistisch motivierte Aktivitäten und Propaganda den Betreibern kaum noch Spielräume. Andererseits verblaßt das in den Anfangsjahren der Bundesrepublik nochstärker auspersönlichem Miterleben vonAltnazisüberlieferte "leuchtende" NS'Vorbildmit steigender Zeitdistanz zum "Dritten Reich". 'An Bedeutung gewinnen statt dessen unterschiedliche Facetten einer antidemokratischenIdeologie,dienoch vor demtotalen NS-Staatzu höchsterBlüte in der Weimarer Republik gelangt war: Die Ideender "Konservativen Revolution". Bisher erfreuten sich nationalrevolutionäre oder revolutionär-konservative Ansätze der "Konserva", tiven Revolution" überwiegend in Theoriezirkeln, Zeitungen und Verlagen bzw. bei 'Autoren, dieunter dem Oberbegriff "Neue Rechte" zusammengefaßt sind, besonderer Sympathie und Auseinandersetzung. Das vorgenannte Spektrum berührt Teile des Rechtsextremismusaußerhalbdes fest organisierten Potentials in einer Grauzonezwischen äußerstem rechten demokratischen Rand und rechtsextremistischen Kernberei'chen. Dadurch, daß sich bisher eher abgrenzende unterschiedliche rechtsextremistische Bereiche allmählich vermischen oderdurchdringen, sind die Ideen der "KonservativenRevolution" auch im organisiertenRechtsextremismus auf dem Vormarsch und bilden dort einen Hintergrund für Intellektualisierungstendenzen. Der Rechtsextremismus ist in der Bundesrepublik in den vergangenen Jahren vielfältiger geworden. Lange Zeit wurde er in die Bereiche "Neonazismus", "Nationaldemokratische Organisationen", "National-freiheitliche Organisationen", "Unabhängige Jugendorganisationen" und "Kulturund Weltanschauungsvereinigungen" unterteilt. Damit läßt er sich heute nicht mehr zutreffend beschreiben. Auf Grund ihrer Entstehungsgeschichte lassen sich beispielsweise die größeren Organisationen "REPUBLIKANER" und die "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) nicht in dieses Schema einordnen. Wegen weitgehend übereinstimmender politischer Positionen wären derartige Einteilungen inzwischen eher willkürlich. Sie entsprächen eher den Egoismen der jeweiligen Führungen. Im übrigen lösen sich diese Kontraste auch durch punktuell erfolgreiche Infiltrationen rechtsextremistischer Parteien und GrupPierungen seitens der ehemaligen Mitglieder verbotener neonazistischer Organisationen auf. Neben Verschmelzungen werden dadurch gleichzeitig Neuorientierungen in den Zielorganisationen ausgelöst oder beschleunigt. Um dort konsensfähig zu bleiben, können die Neonazis allerdings fundamentaloppositionelle/revolutionäre Politikansätze in ihren neuen Umgebungen nur noch zurückhaltend dosiert weiterverfolgen. Es wäre nicht sachgerecht, den deutschen Rechtsextremismus pauschal als "neonazistisch" oder "faschistisch" einzustufen. Verschiedene Bereiche unterscheiden sich zumindest teilweise nach ihren Aktionsformen, aber auch in ihrer politischen Ausrichtung, so in ihrer Stellung zum Nationalsozialismus. Mißerfolge bei Wahlen bzw. verstärkte staatliche Repression haben öffentliche Betätigungen weitgehend unterbunden, lassen zugleich aber rechtsextremistische Bereichsgrenzen zunehmend zerflieBen. Gemeinsamer Nenner weiter Teile des Rechtsextremismus ist, daß sie durchweg die Gesellschaftsordnung konsequent ablehnen und sich als Fundamentalopposition gegen dasbestehende "System" in derBundesrepublik verstehen. 31 Der tradierte Neonazismus, der sichauf nationalsozialistische Weltanschauung, Pro'grammatik und Machtansprüche beruft,verliert an Bedeutung. Neonazis sind von den .une Folgenstaatlicher Repression amstärkstenbetroffen und in der Bundesrepublikimmer weniger imstande, ihren unverhohlenen politischen Haß öffentlich zu artikulieren,sichöffentlichmit nationalsozialistischen Symbolen zu umgeben oderihrebetont aktionistischen Neigungen öffentlich auszuleben. Nachdem sie durch Verbote ihr organisatorisches Gerüst weitgehend verloren haben, versuchen sie, Sachzwänge mit strategischen und taktischen Veränderungen zu überbrücken. Zugleich verschieben sich Inhalte weg von der klassischen NS-Lehre hin zu nationalrevolutionären oder sozialrevolutionären Überzeugungen. Die versprengte Szene hat z.Zt. keine Chance, neue überregionale Organisationsstrukturen aufzubauen. Sie verlegt sich daher auf anderweitige Kompensationsversuche: Aufbau regionaler Bewegungen ohne feste Strukturen, Bildung örtlicher autonomer Kameradschaften, Fortsetzungsaktivitäten unter dem Dach anderer rechtsextremistischer Organisationen (z.B. DLVH, NPD, IN), Beteiligung an örtlichen Sammlungsbestrebungen ("Runde Tische"). Als - relativ - größere neonazistische Organisationen sind lediglich die Gefangenenhilfsorganisation HNG und "Die Nationalen e.V." verblieben. Mit dieser Entwicklung lösen sich herkömmliche - von Außenstehenden leicht erkennbare - neonazistische Erscheinungsprofile auf. Zusammen mitderohnehin schon erzwungenen öffentlichen Abstinenz könnte vordergründig angenommen werden, die Neonazi-Szene sei "verschwunden". Tatsächlich sind ihre Anhänger für uneingeweihte Beobachteraber nur schwerer zu lokalisieren und zu identifizieren. Neonazistisches Verhalten funktioniert in Abhängigkeit von einer herausragenden, unumstrittenen Führungsperson, die blindes Vertrauen ihrer Anhänger genießt und ein richtungsweisendes Programm vorweist. Nebenihrer strukturellen Krise und inhaltlichen Neubesinnung leidet die Neonaziszene inzwischen auch unter zunehmender Führungslosigkeit (9 siehe unter 1.2.1). Den ältesten noch bestehenden Teil des deutschen Rechtsextremismus verkörpern die sich selbst "nationaldemokratisch" nennenden Organisationen: Die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands"(NPD) und ihre Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (IN). Obwohl die Wurzeln der Nationaldemokraten bis auf Vorgängerorganisationen unmittelbar nach dem Zusammenbruch des NS-Staates 1945 zurückgehen und politisch "heimatlos" gewordene chemalige Nationalsozialisten sich 1964 als Mitbegründer der NPD wiederbetätigten, berufen sich die Nationaldemokraten ideologisch nicht auf den Nationalsozialismus. Allerdings leugnen sie dessen Verbrechen. Der noch amtierende NPD-Vorsitzende DECKERT stellte die revisionistische Agitation in den Mittelpunkt seiner politischen Aktivitäten. Er wurde wegen wiederholter diesbezüglicher Rechtsverletzungen zu mehreren Freiheitsstrafen verurteilt und befand sich Ende 1995 in Haft. Unter Parteimitgliedern wurde bereits Besorgnis geäußert, DECKERT könne mit seiner Agitation der Partei öffentlich schaden. 32 Jegliche nationaldemokratische Politik geht von einem Staatsbegriff aus, der sich auf einer rassistisch geprägten Volkstumsideologie gründet. Konstitutiv ist ferner die Weigerung, die historisch-politischen Gegebenheiten nach 1945 anzuerkennen. Die NPD hatte auf ihrem Höhepunkt 1969mit etwa 28.000 Mitgliedern nur knapp den Einzug in den Bundestag verfehlt. Sie hat heuteden vorläufigen Tiefpunkt ihrerParteigeschichte erreicht. Die aktuellen Veränderungsprozesse in der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) beginnen, sich auch auf die Mutterpartei auszuwirken. Sie führen insbesondere zu einer sich deutlich verjüngenden Altersstruktur und zu einer stärker aktionistisch geprägten Ausrichtung. In den JNhates eine deutliche Zäsurgegeben. Sie verfolgten zunehmend aktionistische Ansätze und verwandeltensichin ein AuffangundSammelbeckenfür ehemalige Mitglieder verbotener neonazistischerOrganisationen. Ihre Grenzenzum NeonaZum nationaldemokratischen Organisationsspektrum zählt die auf Hamburg begrenzte Partei "Hamburger Liste für Ausländerstopp" (HLA). Teile der Hamburger NPD hatten sie 1982gegründet,um sich unter populistischer Flagge an der Wahlzur Hamburger Bürgerschaft zu beteiligen. Diese NPD-Abspaltung war rein taktischer und persönlich bedingter Natur. Sie beruhte nicht auf politischen oder ideologischen Differenzen. Die enge Nähe des NPD-Landesverbandes Hamburg zur HLA ergibt sich schon daraus, daß Ulrich HARDER zugleich Vorsitzender beider Organsationen ist. Den mitgliederstärksten Komplex des deutschen Rechtsextremismus bilden die "REPUBLIKANER" und die sich selbst "national-freiheitlich" nennenden Organisationen des MünchenerVerlegers Dr. Gerhard FREY. Der von Dr. FREY absolutistisch geführte "national-freiheitliche" Gesamtkomplex besteht aus dem 1972 gegründeten Verein "Deutsche Volksunion e.V." (DVU) mit seinen sechs Aktionsgemeinschaften sowie der Partei "Deutsche Volksunion" (DVU) - 1987 unter dem Namen "Deutsche Volksunion - Liste D" (DVU-Liste D) gegründet. Kraft Satzung sind die Mitglieder des Vereins und der Aktionsgemeinschaften auch Mitglieder der Partei, sofern sie dieses nicht ausdrücklich ablehnen. In ihrem Ursprung sind die "National-freiheitlichen" eine Abspaltung der NPD. Dr. FREY hatte vor Gründung des Vereins DVU hohe Funktionen im Bundesvorstand der NPD. Die weit überwiegende Mehrzahl der Mitglieder wird von der Parteiführung absichtlich politisch inaktiv gehalten, um unliebsame Opposition in den Organisationen auszuschließen. Die meisten Mitglieder beschränken sich zumeist darauf, die Wochenzeitungen des Dr. FREY zu abonnieren, Beiträge und Spenden zu entrichten und bei dem von Dr. FREYs Ehefrau betriebenen "Freiheitlichen BuchundZeitschrifienverlag GmbH" Gedenkmedaillen, Schallplatten, Kassetten und Bücher mit rechtsextremistischem Inhalt zu kaufen. Für diese Artikel wird in den Wochenzeitungen des Dr. FREY "Deutsche National-Zeitung" (DNZ) und "Deutsche Wochenzei33 tung" (DWZ) massiv geworben.Finanzielle Aspekte haben anscheinend bei denpolitischenAmbitionen des Dr. FREYBedeutung. Die"national-freiheitlichen" Organisationen haben keine geschlossene eigene Ideologie entwickelt. Ihre Grundthemen sind Ideologiefragmente aus dem rechtsextremistischen Standard-Katalog: eineaus rassistischem Volksverständnis geborene ausländerfeindlichePropagandagegendie Überfremdungdesdeutschen Volkes, ein früher aggressiver - heutesubtilerer - Antisemitismus sowie einstark ausgeprägter Nationalismus. Auch die "National-freiheitlichen" leugnen permanent deutsche Kriegsschuld und NS-Verbrechen. Die "REPUBLIKANER" (REP) sind die einzige rechtsextremistische Partei mit einstmals demokratischen Wurzeln. 1983 als CSU-Abspaltung entstanden und seit der Übernahme des Parteivorsitzes durch Franz SCHÖNHUBER auf deutlichem Rechtskurs, komplettieren die REP als nationalpopulistische Partei das rechtsextremistische Spektrum. Wie alle rechtsextremistischen Parteien,sind auch die REPkeine Programm-, sondern eine Weltanschauungspartei. Noch weniger als bei anderen rechtsextremistischen Parteien, wie z.B. der NPD, steht bei den REP ein geschlossenes politisch-ideologisches Konzept im Vordergrund, sondern ein auf Massenwirksamkeit zielender rechter Populismus. Ihre demagogische, auf das Anheizen von Emotionengerichtete Agitationlebtdavon, Feindbilder zu verbreiten und Ressentiments zu schüren. Sie richtet sich gegen demokratische Institutionen und deren Repräsentanten, die einer "deutschfeindlichen" Politik bezichtigt werden. Daran hat auch SCHÖNHUBERS Parteiaustritt nichts geändert. Der "völkischkollektivistische" Nationenbegriff und autoritäres Staatsverständnis stehen - wie bei NPD oder DVU - im Mittelpunkt des politischen Denkens und Handelns. Die Bestrebungendes amtierendenBundesvorstandes unterscheidensich trotz ständig betonter Abgrenzungen zu den anderen rechtsextremistischen Parteien politisch-inhaltlich kaum von diesen. Die Abgrenzungslegendewurde im übrigen vonTeilender Parteibasis durch Teilnahme an sog. "Runden Tischen" öffentlich konterkariert. Die "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) wurde als nationale Sammlungsbewegung von abgespaltenen Anhängern der NPD und der "REPUBLIKANER" im Jahre 1991 unter dem Namen "Deutsche Liga" (DL) gegründet. Sie konnte bisher keine eigenständigen politischen Positionen erarbeiten, um sich programmatisch von konkurrierenden rechtsextremistischen Parteien zu unterscheiden. Das DLVH-Parteiprogramm enthält sprachliche und ideologische Anlehnungen an das NPD-Programm. Ihre Agitationsthemen entsprechen denen anderer rechtsextremistischer Organisationen. Neben der Partei besteht der "Förderverein Vereinigte Rechte". Er sieht seine 'Aufgaben in der Wahrung, Pflege und Förderung "deutscher" Interessen. Die DLVH war 1995 Haupttriebfeder für Sammlungsbestrebungen an sog. "Runden Tischen" in mehreren Bundesländern. Über bisher noch trennende Parteiund Organisationsgren- zen hinweg formierten sich an den "Runden Tischen" Gesprächsund Aktionskreise mit dem Ziel, konkrete Anläufe zur Vereinheitlichung des rechten Lagers zu unternehmen. Bei den Führungender großen rechtsextremistischen Parteien stießen diese Vorstöße auf Widerstand, weil sie an den sorgsam gepflegten Unvereinbarkeitsformalien rüttelten. Neben den vorgenannten gab es am Jahresende weitere 43 rechtsextremistische Or'ganisationen mit zusammen etwa 2.500 Mitgliedern. Bei ihnen handelt es sich um ein Sammelsurium von Organisationen unterschiedlichster Ausrichtung, teils regionaler, teils überregionaler Bedeutung. Zu ihnen gehören rechtsextremistische Kleinstpartei'en, aber auch Organisationen, die sich kulturellen, traditionspflegenden und weltanschaulichen Aufgaben widmen, ferner Jugendund Studentenorganisationen. Aktivitäten dieser Vereine beschränken sich zumeist auf interne Veranstaltungen und Seminare, auf denen z.T. prominente Referenten Vorträge halten. In einigen dieser Organisationen werden offen rassistische und antisemitische Thesen vertreten. Die Bedeutung nationalistischer Agitation wächst. Ermutigt durch nationalistische Bestrebungen in mehreren Teilen der Welt -insbesondere im zerfallenen ehemaligen sowjetischen Einflußgebiet, verbreiten deutsche Rechtsextremisten immer offensiver nationalistische Thesen als vermeintliche Ideologie der Zukunft. Sie erweisen sich zunehmend als Klammer für den gesamten Rechtsextremismus. In der Öffentlichkeit ionalismus - ungeachtet erkennbarer Intellektualisierungstenden'r Parolen wie "Deutschland den Deutschen" oder "Ausländer . lich besteht er aus zwei Elementen: einem inneren und einem nach auBen gerichteten Nationalismus. Der Nationalismus im Inneren trägt antiliberale, antikapitalistische und antidemokratische Züge. Nach innen richten sich Fremdenhaß, Angstmache vor Überfremdung, Volkstod oder Vermischung. Innengerichtete Agitation geißelt u.a. die multikulturelle Gesellschaft und stempelt die in Deutschland lebenden Ausländer zum Sündenbock vieler Probleme. Diese sich z.T. in Gewalt entladende Agitation wird von Ideen einer nationalistischen Kulturpolitik ("nationale" Kulturrevolution) begleitet, die sich in extremer Form gegen Einflüsse fremder, insbesondere amerikanischer Kulturelemente wendet. An ihrer Stelle soll der "traditionellen" deutschen Kultur, zum Teil als Rückbesinnung auf die "germanischen Vorfahren" wieder Geltung verschafft werden. Der nationalistische Kulturkampf will aus der Überlegenheiteiner noch zu erringenden "kulturellen Hegemonie" heraus schließlich "die Machtfrage" stellen. 'Äußerer Nationalismus verficht den Nationalstaat. Supranationale Strukturen und politische Vorhaben, wie das Vertragswerk von Maastricht mit Kompetenzenverlagerungenauf europäische Gemeinschaftseinrichtungen, Ichnen Nationalisten daher vehementab. Sie würdigen auch andere Völker heraboder beanspruchenvonanderen Staaten die Rückgabe von Gebieten, die sie weiterhin als lediglich vorübergehend 35 fremdverwaltetes deutsches Territorium ansehen. Dieses kommt auch darin zum Ausdruck, daß sie das Gebiet der ehemaligen DDR nicht als Ostdeutschland, sondern als "Mitteldeutschland" bezeichnen. Mit Hilfe einer - nur in dieser begrifflichen Verbindung paradox klingenden - internationalen nationalistischen Zusammenarbeit soll die Europäische Union gestoppt und durch ein "Europa der Vaterländer" ersetzt werden. Rassismus ist ein besonders typisches Merkmal des deutschen Rechtsextremismus. Er ist in ähnlicher Ausprägung in anderen Ländern kaum zu finden. Rassistische Theorien gehenvon derUngleichheit der Menschen aus. Während aufinternationaler Ebene überwiegend die Überlegenheit der "weißen Rasse" und deren Bewahrung propagiertwird, kommenin Deutschlanddarüber hinaus speziell dieThesen von der Überlegenheit der nordischen Rasse hinzu, die angeblich Ursprung und Hort aller menschlichen Zivilisation ist. Der im Nationalsozialismus konzipierten Rassenlehre und mörderischen Umsetzung stimmenauch heute nochviele Rechtsextremisten zu. Sie werden in eigene rassistische Überlegungen eingeflochten. Rassismus ist Grundlage der ausländerfeindlichen Gewalt in der Bundesrepublik. Rassismus "moderner" Form wird unter dem Begriff' "Ethnopluralismus" verbreitet. Er versteckt sich hinter zunächst unverdächtig klingenden Grundbegriffen und verkleideten Formulierungen, die nicht auf Anhieb durchschaubar sind. Diese Erscheinungsform des Rassismus hat bis in konservative Kreise hinein Eingang gefunden. Seine Grundsubstanz und Gedankenstruktur haben sich jedoch kaum gewandelt. 1.2 Erscheinungsformen rechtsextremistischer Denkund Verhaltensweisen 1.2.1 Strategien, Konzepte, Praktiken Mit Organisationsund Veranstaltungsverboten, Exekutivmaßnahmen, strafrechtlichen Ermittlungen, Verurteilungen und anderen staatlichen Repressionsmaßnahmen haben Bundesregierung, Landesregierungen, die für die Wahrung innerer Sicherheit zuständigen Behörden und die Justiz in den letzten Jahren den Rechtsextremismus in Deutschland entschlossen bekämpft. Aufklärungsmaßnahmen haben auch in der Öffentlichkeit, bei den Bürgern, insbesondere unter Pädagogen, Schülern und Jugendlichen, die Wachsamkeit gegenüber Rechtsextremisten geschärft. Die kritische Lage der Rechtsextremisten verschärfte sich durch Mißerfolge ihrer Parteien bei Wahlkandidaturen - ein Umschwung, der u.a. aufdie Entspannung der Asylproblematik zurückgeht, die immer noch einer ihrer Hauptagitationsstoffe ist. Hinzu kam die anhaltende Konkurrenz rechtsextremistischer Parteien bei Wahlen bis hin zur gegenseitigen Bekämpfung sowie die gesellschaftliche Ächtung rechtsextremistischer Positionen. Unter diesen für ihn ungünstigen Gesamtbedingungen wurde der Rechtsextremismus in seiner Handlungsfähigkeit nachhaltig geschwächt. Insbesondere Neonazis gerieten in existentielle Bedrängnis und sehen sich bis heute anhaltend Organisationsverboten ausgesetzt. Aus dieser Defensive heraus waren die Betroffenen 1994dazuübergegangen, sich strategisch und praktisch umzuorientieren und sich mit neuen Konzepten möglichst gegen weitere staatliche Verbotsakte, exekutive Zugriffe und Bestrafungen zu wappnen. Diese Anstrengungen setzten sie 1995 fort. Rechtsextremisten betrachteten sich weiterhin als "Opfer politischer Verfolgung" und "Märtyrer eines Unrechtstaates". In Grundsatzdebatten suchten ihre Vordenker auch in diesemJahr nach neuen Strategienund Handlungskonzepten, umdem auf ihnen lastenden Druck auszuweichen, sich aus der Defensive zu lösen und Handlungsfreiheit zurückzugewinnen. Dabei wurden unterschiedliche neue theoretische Strategieund Konzeptionsansätze sichtbar, die zum Teil auch praktisch umgesetzt wurden. Die begrenzten Aussichten solcher praktischen Anläufe wurden allerdings deutlich: Trotz ständig wiederholter Appelle zur Einheit der "Nationalen" sind erfolgversprechende realistische Gesamtkonzeptionen, die die Isolation und Zersplitterung des rechten Lagers überwinden könnten, im Rechtsextremismus entgegen allen Wunschbildern auch weiterhin nicht vorhanden. Wesentliche Elemente für rechtsextremistische Neuorientierungen waren u.a.: " Das Selbstverständnis als Fundamentalopposition zum demokratischen System. Damit einher gingen mitunter Überlegungen, ob und wann das allgemeine Widerstandsrecht nach Art. 20 Absatz 4des Grundgesetzes anzuwenden wäre. (r)_ Verstärkte Aktivitäten als außerparlamentarische Opposition ohne generellen Verzicht auf Wahlbeteiligungen. " Aufhebung, Korrektur oder Nichtbeachtung der Unvereinbarkeitsbeschlüsse bestehender Organisationen vorwiegend gegenüber Neonazis - auch Angehörigen verbotener Organisationen - Kooperation in gemeinsamen Veranstaltungen und anderen Aktivitäten. * Aufnahme von Angehörigen verbotener in andere rechtsextremistische Organisationen, um ihnen durch neue Mitgliedschaften Wege zur weiteren politischen Betätigung zu bahnen. Auch sollte den Verbotsbetroffenen Raum gegeben werden, ihren gefährdeten Personenzusammenhalt aufrechtzuerhalten. (r) Gezielter Eintritt von Mitgliedern verbotener in nicht verbotene Organisationerl mit dem Hintergedanken, diese zu unterwandern, letztlich zu "übernehmen" und damit die alte Politik ihrer verbotenen Organisationen unter neuem Etikett fortzusetzen (Entrismus). 37 * Bildung regionaler Gesinnungsgemeinschaften ("Bewegungen") als strukturlose Aktionsbündnisse mit oder ohneNamensgebungen, an denen sich Angehörige unterschiedlicher Organisationen und andere, unorganisierte Rechtsextremisten beteiligen können. Da bei Gründung bundesweiter Ersatzorganisationen neue Verbote drohen, werden statt dessen regionale autonome Kameradschaften oder Kleinstgruppen gebildet. Mit technischen Kommunikationseinrichtungen wie Info-Telefonen, Faxgeräten, Mailboxen und Mobiltelefonen werden Kontakte gepflegt, der Zusammenhalt gesichert und gemeinsame Aktionen abgesprochen. Hohe Mobilität soll staatliche Überwachungsmaßnahmen erfolgreich unterlaufen und letztlich denErfolg spontaner - auch rechtswidriger - Aktionensichern ((r) Beispiel Rudolf-HESS-Aktionswoche, siehe 1.4.3.1). * Örtliche "Runde Tische": Angehörige unterschiedlicher rechtsextremistischer Organisationen diskutieren, tauschen Erfahrungen aus, planen und bestreiten gemeinsame Veranstaltungen und Aktionen. Die Palette beteiligter Rechtsextremistenist breit gefächert. Siereichte 1995 vonmilitanten Skinheadsbis zuParteimitgliedern der "Republikaner". "Runde Tische" boten auch unorganisierten Einzelaktivisten ein dankbares Forum für politisches Engagement (9 siehe auch: Einigungsbestrebungen, 1.5.6). * Aufbau konspirativer nach dem Zellenprinzip operierender Organisationen. * intensive politische Schulung in Seminaren, durch Schulungshefte etc. (r) Wiederbelebung der abgeklungenen "Anti-Antifa"-Arbeit. Alte Hauptzielrichtung: Aufklärung des politischen Gegners. Neue Hauptzielrichtung: Der "Repres'sionsapparat", besonders Staatsschutzbehörden. Das "Anti-Antifa"-Projekt hatte den ersten Anstoß zur Vernetzung der rechtsextremistischen Szene gegeben. Die Bedeutung dieser langfristig angelegten Kampagnenarbeit, die erste Akzente einer strategischen Umgruppierung signalisiert hatte, hatweiterabgenommen (9 Anti'Antifa siehe 1.4.2). + Einrichtung von Pressearchiven, Installierung von Prozeßfhilfe-)gruppen, Ermittlungsausschüssen, Rechtsbüros nach linksextremistischen Vorbildern. (r) Nutzung des vorpolitischen Raumes, um Anschlußan anderetatsächliche oder vermeintliche "nationale Kräfte" zu gewinnen. U.a. wurde die Annäherung an Schützenund Reservistenvereine sowie Burschenschaften propagiert, wo man ein vor politischen Gegnern sicheres Umfeld und Gesinnungsklima vermutete. Forcierte Vernetzung regionaler Zeitungsprojekte, um Propaganda einem größeren Publikum vermitteln zu können. Strukturund Organisierungsfragen: Erste erfolgreiche praktische Anpassungen an ihre neuen Konzepte konnte die rechtsextremistische Szene 1993 bei der technisch-kommunikativen Vernetzung verbuchen. 1994 wurden Weichen in Richtung auf eine gruppenübergreifende Zusammenarbeit gestellt. Im übrigen wurde über Techniken nachgedacht, sich exekutiven Zugriffen, Verbotszwängen und massiver Strafverfolgung - zugleich aber auch dem engmaschigeren Beobachtungsnetz der Sicherheitsbehörden - entziehen zu können: Organisationsbedingte Angriffsflächen sollten entweder beseitigt oderaber durch diffuse "autonome" Infrastrukturen aufgelöst werden. Unter Verzicht auf statutenmäßig festgeschriebene Hierarchien - das Führerprinzip wird letztlich weiterhin anerkannt - wurden insbesondere im neonazistischen Spektrum neue Organisationsformen entwickelt. Am Ende soll eine Vielzahl kleiner oder mittelgroßer regionaler Gruppen mit unterschiedlichster organisatorischer Ausformung entstehen, die z.B. als eingetragene Vereine oder als harmlos erscheinende 'Gruppen unter neutralen Aushängeschildern nicht ohne weiteres als rechtsextremistisch erkennbar sind. So entstanden z.B. nach außen nicht extremistisch wirkende autonome Kameradschaften, Aktionszusammenschlüsse oder "Leserkreise". Langfristig steht eine bundesweite Vernetzung der regionalen Gruppen auf dem Programm. In punktueller und anlaßbezogener Zusammenarbeit soll die Aktionsfähigkeit der Rechten wiedergewonnen, gesichert oder gar gesteigert werden. In diesem Zusammenhang wurden erneut - zugleich verstärkte - engere Verzahnungen von Neonazis mit der Basis rechtsextremistischer Parteien sichtbar; Unvereinbarkeitsbeschlüsse wurden deutlich aufgeweicht oder ignoriert. Konzeptionell griffen Rechtsextremisten zum Teil Strukturprinzipien auf, die sie bei linksextremistischen "Autonomen" abgeguckt hatten. Im Gegensatz zu linken "Auto'nomen" folgt ihr theoretischer Ansatz jedoch nicht etwa antiautoritären, antihierarchischen oder emanzipatorischen Glaubenssätzen, die rechtsextremistischen Überzeugungen extrem zuwiderlaufen. Insbesondere Neonazis denken, fühlen und handeln weiterhin nach hierarchischen Mustern und gehorchen doch letztlich immer noch dem Führerprinzip. Ihre Aktivitäten hängen weitestgehend von Führungsqualitäten der jeweiligen Vordenker, Wortführer und Vorbilder ab. Insbesondere, wenn überregional richtungsweisende Ideengeber, Koordinatoren und Organisatoren fehlen, neigt die Szene zu Unentschlossenheit. Vor diesem Hintergrund bekam auch die Tatsache Bedeutung, daß die Neonazi-Szene 1994/95 eine Reihe organisationsund politikerfahrener Anführer verloren hat: Mehrere altgediente praxiserfahrene Führer wie ALTHANS, PRIEM, WEIDNER haben sich in der Szene durch Distanzierungen bzw. Ausstiegserklärungen während ihrer Strafprozesse diskreditiert. Neue "Führer" wachsen dagegen nur langsam und vereinzelt nach. Taktiken und Praktiken / Aktionsverhalten: Nur punktuell, wie z.B. bei den wiederkehrenden HESS-Gedenkaktionen, kamen ansatzweise bundesweite Mobilisierun39 'gen zustande. Aber selbst dieseszentrale Anliegenvermochtees nicht, dasneonazistische Potential wenigstens punktuell in einer geschlossenen Mobilisierungsfront zu vereinen. Es teilte sich im Falle der HESS-Aktionen auf zwei Aktionsschauplätze - Roskilde (Dänemark) und Schneverdingen (Niedersachsen) auf. Konspirative Vorbereitungsmodalitäten sowie mit technischen Mitteln (u.a. Mobiltelefonen) dirigierte Anreiseund Aufmarschbewegungen eigneten sich zwar, die "Verfolgungsbehörden" irrezuführen bzw. Veranstaltungsverbote zu unterlaufen. Weil zugleich aber der Kreis 'der Mitwisserund Eingeweihten unterden konspirativen Bedingungenbegrenzt blieb, waren auch die höheren Teilnehmerzahlen der Vorjahre nicht mehr zu erreichen. Die begrenzten Möglichkeiten, mit taktischen Konzepten und Täuschungsmanövern gegenüber staatlichen Stellen, Bewegungsfreiheit zurückzugewinnen, sind offenkundig. Wie in den Vorjahren hatten rechtsextremistische Strategen im August gehofft, mit einer zeitgleich bundesweit gestreuten Serie von Demonstrationsund Kundgebungsanmeldungen zum "Rudolf-HESS-Gedenken" auf Lücken in der staatlichen Verbotspraxis zu stoßen. Um die Behörden zu beschäftigen und Polizeikräfte zu binden, wurde auch mit Scheinanmeldungen taktiert. In Anspielungaufdie bundesweiten "Chaos-Tage" von Punkern in Hannover meldete Michael PRÜMMER, Bundes'geschäftsführer der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (IN) eine Demonstration in Hannoverunter dem Tenor "Wenn Chaos herrscht im ganzen Land brauchen wir die starke Hand" für den 19. August an. Der Aufzug wurde verboten. Die Tendenz zu nicht angemeldeten, spontanen öffentlichkeitswirksamen Demonstrationen und anderen Aktionen wird sich zukünftig dennoch verstärken. Gerade die jüngsten "Rudolf-HESS-Aktionen" haben gezeigt, daß jede gelungene Aktion von noch so kurzer Dauer und mit geringer Beteiligung der Anhängerschaft schon als motivationsfördernder "Erfolg" vermittelt wird. Zugleich sollen die staatlichen Institutionen nicht zur Ruhe kommen und die "Kosten des Systems" hochgetrieben werden. Einigung und Zusammenarbeit: Bisher war ausschließlich auf regionaler Ebene zu beobachten, daß die vielfältigen neuen rechtsextremistischen Strategieideen auch praktisch umgesetzt werden. An der Basis rechtsextremistischer Organisationen verfestigte sich die Überzeugung, daß das nationale Lager ohne gegenseitige Zusammenarbeit keine Zukunft haben wird. Unvereinbarkeitsbeschlüsse sind zwar hinderlich, werden aber auch immer weniger respektiert. Regionale Gliederungen rechtsextremistischer Parteiorganisationen, z.B. der DLVH und NPD, haben sich vereinzelt Mitgliedern verbotener Organisationen geöffnet. In mehreren Regionen - z.B. im Großraum Hamburg, im Harz und in Franken ist es gelungen, organisationsübergreifende Bündnisansätze unter Einbeziehung von Neonazis zu finden. Sie machten sich umgehend verstärkt aktionistisch bemerkbar. Anders als im europäischen Ausland ist es selbst nach anfänglichen begrenzten Annäherungsschritten in Einzelbereichen deutscher Rechtsextremisten bei Absichtser40 0 klärungen geblieben. Österreichische oder französische Rechtspopulisten beziehen im politischen Kräfteverhältnis Macht und Einfluß aus der erfolgreichen Konzentration von Interessenten, Mitgliedern und Wählerneigungen auf eine große Partei. Vergleichbare Brückenschläge über ein breites Gruppenspektrum hinweg gab es in Deutschland bisher nicht. Egoismen selbsternannter "Führer" und bis ins Persönliche reichender Streit und Argwohn ließen eine kontinuierliche gruppenund ortsübergreifende Zusammenarbeit nicht zu. Eine Zusammenführung von Organisationen ist unter 'diesen Umständen schwer vorstellbar. Statt dessen zeigte sich das rechtsextremistische Lager gerade im Berichtsjahr - auch vor dem Hintergrund der Verbote - mehr denn je gespalten und uneinig. Der Sturz SCHÖNHUBERS als Parteivorsitzender der "Republikaner" gab Abspaltern das Startsignal zur Gründung einer weiteren Konkurrenzorganisation, der Partei "Die Freiheitlichen". Im übrigen hat der traditionelle, an Parteien gebundene Rechtsextremismus auch wegen seiner kontinuierlich sinkenden Mitgliederzahlen weiter an Bedeutung verloren. Geistig-theoretische und Schulungsoffensive/intellektualisierung: Viele Rechtsextremisten wollen sich mit der gegenwärtigen Schwächung des rechten Lagers nicht abfinden. Mit einer taktisch-strategischen sowie "geistigen Gegenoffensive" möchten sie sich des Verfolgungsdrucks entledigen. In einigen Köpfen wächst auch die Neigung, politische Isolation mit Gesetzesverstößen zu durchbrechen. Bisherige Rechtfertigungsmuster haben sich abgenutzt. Einige Ideologen beanspruchen daher inzwischen das Recht auf Widerstand nachArtikel 20 Absatz 4 desGrundgesetzes. Kursierende Szenarien angeblicher "Notstandsbewaltigung" erfreuten sich wachsen'der Beliebtheit quer durch das gesamte rechtsextremistische Spektrum und wurden von Stichwortgebern der "Neuen Rechten" intellektuell unterfüttert: So wurden "Thesen zum Systemwechsel" (Dr. Hans-Dietrich SANDER, "Staatsbriefe" 11/95) präsentiert, den nur eine kleine Elite "exekutieren"könnemit dem Ziel, die "nationale Verfügungsgewalt über alle existenziellen und essentiellen Belange des deutschen Volkes" wiederherzustellen. Einer, der als Vordenker das "nationale Lager" in diesem Sinne mit provokanten Thesen zur "Machtergreifung" durch bewaffnete "Volksaufstände" stimuliert, ist der Hamburger Reinhold OBERLERCHER. Er hält sogar schon einen "Reichsverfassungsentwurf" parat. Vorwiegend strategisch denkende Rechtsextremisten beklagten das hohe Schulungsdefizit "nationaler Aktivisten" - insbesondere der Führungskader. Sie forderten entschlossene Initiativen zur Ausbildung einer "nationalen Intelligenz" als Anschubkraft und geistige Speerspitze einer erfolgreichen "Bewegung". Vereinzelt fanden auch interne Schulungen statt mit dem Ziel, politische, juristische und konspirative Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln. Auch Kenntnisse im Strafrecht und Versamm- 4 lungsrecht seien unerläßlich, um z.B. nach Veranstaltungsverboten juristisch gegen angebliche Grundrechtsverletzungen vorgehen zu können. Das umfangreichste und radikalste Schulungsprogramm lieferte der zuvor bereits erwähnte Hamburger Rechtsextremist Dr. Reinhold OBERLERCHER. Er will mit seinen Schulungaktivitäten einen heterogenen Kreis aus Neonazis, studentischen Gruppen, Neuen Rechten und rechten Altparteien ansprechen und politische Kader schmieden. Seine Thesen wurden vom "Deutschen Kolleg" in Berlin als Schulungsunterlagen didaktisch aufbereitet und verbreitet. Auch Hamburger Neonazis haben erkannt, daß neben öffentlichen Aktionen Ideologieschulungen für eine erfolgreiche politische Arbeit wichtig sind. Den Anhängern sollen politische Grundvorstellungen über die angestrebte "Systemalternative" und ein höheres intellektuelles Niveau vermittelt werden. In den Schulungen - zugleich geistig-theoretische Einstimmung auf eine strukturlose Formierung als "Bewegung" - wurden besonders die Vorteilserwartungen herausgestellt, die sich mit dem "Bewegungsgedanken" verbinden: Chancen, flexibler und konspirativer agieren zu können sowie die Perspektive,langfristigautonomeZellen analogzum Konzept des linksextremistischen Spektrums aufbauen zu können. Verschiedene Zeitschriften nahmen sich vorrangig der strategischen und ideologischen Diskussion um den Aufbaueiner parteiunabhängigen Bewegung an und stellten sich dafür als Forum zur Verfügung. Durchweg wurden überkommene Organisationsformen bzw. die Unbeweglichkeit "nationaler" Parteien und Vereine kritisch hinterfragt. Begriffe wie "Nationale Volksbewegung", "Nationale Gemeinschaft" oder "APO des Volkes" (Außerparlamentarische Opposition nach dem Vorbild der ersten. linken Protestbewegung Ende der 60er Jahre) markierten die Denkrichtung bzw. Quellen, aus denen die Autoren schöpften. Auch hier waren vielfach Leserkreise, Kulturvereinigungen, Gesprächsrunden oder Aktionsgruppen Ausgangspunkte weiterführender Überlegungen, wie sie auch im Interview mit dem Schulungsleiter des "Deutschen Kollegs" entwickelt wurden. Die vorwiegend informellen Kreise sollen außerparlamentarisch aktiv werden. Zeitungsprojekte sollen als verbindende Medien und Diskussionsforen die Vernetzung der autonomen und lose strukurierten Zirkel fördern und sie einer breiten Öffentlichkeit vermitteln. Der "Bewegungs"-Gedanke als einer der strategischen Hauptwege hat insbesondere unter jüngeren Rechtsextremisten als Reflex auf die staatliche Verbotslinie und auf Mißerfolge rechtsextremistischer Parteien an Bedeutung gewonnen. Die Organisationsform "nationaler" Parteien als gleichgewichtiger strategischer Ansatz wird dessenungeachtet in den mitgliederstärksten Parteien "Republikaner" und DVU weiter verfochten. Diese Option erhielt nach dem Erfolg der "Republikaner" bei den Landtagswahlen 1996 in Baden-Württemberg neuen Auftrieb. Ausweichen ins Ausland: Der bereits 1994 erkennbare Trend, daß Rechtsextremisten aufgrund inländischer Organisationsund Veranstaltungsverbote Teilaktivitäten ins Ausland verlagern, setzte sich fort ((r) siehe auch 1.8). So wurden die Kontakte zu Gesinnungsgenossen z.B. nach Dänemark vertieft, allerdings ohne darauf eine kontinuierliche Zusammenarbeit oder Vernetzung aufbauen zu können. Im Mittelpunkt dieser Ausweichbestrebungen standen Länder, in denen Propagandadelikte strafrechtlich weniger streng verfolgt werden, als in Deutschland. Allerdings verstärkte sich auch in den "Gastländern" unter Politikern und Bürgern Ablehnung und Widerstand sowie die Bereitschaft zu härteren Gangarten gegen Rechtsextremisten. Sichtbare Zeichen waren z.B. die Auslieferung des Deutschamerikaners LAUCK aus dänischer Haft nach Hamburg und Maßnahmen belgischer Behörden gegen Begleiterscheinungen der "Jjzerbedevaart" 1995 (,"Ijzerbedevaart" = traditionelles flämisches Nationalistentreffen, an dessen Rand sich seit Jahren europaweit auch Rechtsextremisten versammeln). In ersten Reaktionen der Betroffenen deutete sich an, daß nunmehr offenbar vermehrt der osteuropäische Raum als Ausweichort anvisiert wird. Gewaltfrage: Insbesondere diejengen Rechtsextremisten, die weniger bereit sind, staatlichem Druck durch Ausweichreaktionen nachzugeben, diskutierten zunehmend militante Aktionsformen und propagierten diese auch zum Teil offen. Weil sie sich nicht mehr politisch legal in Organisationen artikulieren können, fühlen sie sich als Opfer "willkürlicher" Unterdrückung. Der Staat selbst hat daher nach ihrem Verständnis gewaltsame Zuspitzungen zu verantworten. Vereinzelte Distanzierungsrhetorik zu jeglicher Form der Gewalt entsprach zumeist nur taktisch motivierten Rücksichtnahmen und dem inneren Eingeständnis, daß bewaffnete Kämpfe in der Bundesrepublik unter den gegebenen sozialpolitischen Bedingungen und angesichts anhaltender eigener Schwäche zur Zeit "noch" aussichtslos wären. In einem Interview der unter neonazistischen Einfluß geratenen Zeitung der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (IN) "Einheit und Kampf" bekannte der ehemalige Hamburger Vorsitzende der verbotenen "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP), Andre GOERTZ, angesichts staatlicher Repression halte er Gewalt derzeit für falsch, weil sie lediglich den Staat zu weiteren Maßnahmen gegen Rechts legitimieren würde. Zugleich wurde in den von GOERTZ besprochenen Ansagen des "Nationalen Infotelefons Hamburg" (NIT) aber deutlich, daß er z.B. Aktionen des zivilen Ungehorsams für ein probates Mittel hält, Aktionsspielräume der Neonazis zurückzugewinnen. Kommunikation und Technik: Unmittelbar und relativ problemlos umsetzbar war dagegen die weitere Ausrüstung der Szene mit modernen technischen Hilfsmitteln (Funktelefone, Computer u.4.). Sie sind inzwischen ein unverzichtbares taktisches Handwerkszeug für die politische Alltagspraxis. Die Kommunikationsmöglichkeiten mit Hilfe der nationalen Mailboxen und "Info-Telefone" wurden lebhaft genutzt. 43 Dieals Reaktionauf den staatlichen Verbots-undVerfolgungsdruckgegründeten kleinen regionalen Gruppen, Gesprächskreise usw. arbeiteten mit minimalen organisatorischen Strukturen. Sie habensich jedoch eine gut funktionierende Kommunikationsstrukturaufgebaut.Dierechtsextremistische Szenebedientesicherneutintensiv der gesamten Bandbreite technischer Kommunikationsmittel und forcierte weiter die technischeAufrüstung in nahezuallen Regionen. Neben der faststandardmäßigen Ausrüstung mit Faxgeräten und Anrufbeantwortern wurden auch alle anderen technischen Optionen verstärkt genutzt: Die Telefonkommunikation wurde überwiegend über Mobiltelefone der C-, D- und E =Netze abgewickelt.Hohe Bedeutung - obwohl mit zunehmendenVorbehalten - wur'de der relativen Abhörsicherheit von Mobiltelefonen beigemessen. Sie erlaubte abgeschirmte oder verschlüsselte Nachrichtenübermittlungen. Ihr Gebrauch gewährleistete zudembei der Planung und Durchführungeigener Veranstaltungen flexibles und kurzfristiges Reagieren auf Polizeimaßnahmen undauf Gegenaktionen von "Linken". Mit Sprechfunkgeräten und anderen Funkanlagen operierten sogenannte "Ordnergruppen" der rechtsextremistischen Organisationen u.a., um politische Veranstaltungen gegen befürchtete Übergriffe politischer Gegner abzusichern. Ein wichtiges Kommunikationsmittel sind weiterhin Mailboxen. Inländische Mailboxstützpunkte sollen weiterausgebaut werden und intensiver mit ausländischenStationen verkehren. Das rechtsextremistische "Thule-Netz"diente u.a. dazu, "Gegenöffentlichkeit" herzustellen, Kontakte zwischen nationalen Gruppen zu fördern und "nationalen Aktivisten" eine Datenbank zugänglich zu machen. Staatlichem Verfolgungsdruck soll eine Kommunikationstechnik entgegengestellt werden, die nicht mehr - oder nur mit erheblichem Aufwand - ausgespäht werden kann. Die dem "Thule-Netz" angehörenden Mailboxen waren jeweils in mehrere Zugriffsebenen aufgegliedert (Gast, "User", Aktivist, Kader). Die jeweilige Zugriffsebene, d.h. die Berechtigung, einen bestimmten Informationsbereich (Brett) einzusehen, wurden dem Benutzer vom Mailboxbetreiber durch eine Art Lizenz zugewiesen. Die Themenpalette umfaßte u.a. die Bereiche Anti-Antifa, Europäischer Nationalismus, Gesellschaft, Medien, Kultur, Technik, Sicherheitsfragen. Außerdem tauschten die Teilnehmer über Mailboxen persönliche Nachrichten aus. "User" des Thule-Netzes waren neben Einzelpersonen auch Parteien, Zeitschriften und andere Versender des rechtsextremistischen Spektrums. Sorgfältig - aber nicht lückenlos - wachten die Betreiber (,"SysOps") der angeschlossenen Mailboxen darüber, daß von den Benutzern ("Usern") keine unerwünschten Beiträge einspielt wurden, die den Tatbestand der Volksverhetzung, Aufstachelung zum Rassenhaß, Beleidigung und Verwendung von verfassungswidrigen Kennzeichen erfüllten. Dahinter verbarg sich Angst vor staatlichen Eingriffen und strafrechtlicher Verfolgung, die nicht die "User", sondern die "SysOps" treffen würden. 44 a --------- 'Seit Mai 1994betriebder Kreisverband Frankfurt/Main der "Republikaner"(REP) eine eigene Mailbox unter der Bezeichnung "Future-Decision". Auf dieser Schiene rs ze s wurden Propagandatexte und parteiinterne Informationen transportiert. Eine zweite REP-Mailbox ist inzwischen in Betrieb: die "Filder"-Box in Ostfildern. Eine Zusammenarbeit mit dem "Thule-Netz" wurde von den Betreibern abgelehnt. Umge'kehrt distanzierten sich auch die Betreiber des "Thule-Netzes" von den REP-Boxen. Das "Thule-Netz" hatte über die Mailbox "Widerstand" Zugang zum "Internet" - einem weltweiten Informationsund Kommunikationsnetz, dessen Anwender/Nutzer in 'der Regel nicht per Modem, sondern durch direkte Datenleitungen verbunden sind. Dieser Umstand garantierte extrem schnelle und effektive Nachrichtentransfers. Mit 'dem Einstieg deutscher Rechtsextremisten ins "Internet" dehnten sie ihre Propagandaund Kommunikationsreichweite auf einen weltweiten Radius aus und beschleunigten auch die Geschwindigkeit ihres Informationsverkehrs. Bekannte Rechtsextremisten, wie der Neonazi Gary LAUCK (USA) oder der Revisionist Emst ZÜNDEL (Kanada), die auf die transatlantische Verbreitung ihrer Propaganda angewiesen sind, nutzten ebenfalls das "Internet". Personen und Gruppierungen des linksextremistischen Spektrums hatten bereits vor Jahren die Vorzüge elektronisch gestützter Nachrichtenübermittlungssysteme ent'deckt. Analog hierzu haben sichdie "Nationalen Info-Telefone" (NIT) zu einer wichtigen Kommunikationsschiene des rechtsextremistischen Spektrums entwickelt. Die 'ersten Einrichtungen dieser Art entstanden in Wiesbaden (1992), Mainz (1993), Hamburg (1993) und Hallenberg (Sauerland). Ende des Jahres existierten "Info-Telefone" in Berlin, Franken, Rheinland, Hamburg, Halstenbek bei Hamburg und Westfalen. Einige haben ihren Betrieb freiwillig oder nach staatlichen Exekutivmaßnahmen wegen strafbarer Ansageinhalte (Volksverhetzung, Aufstachelung zum Rassen'haß, Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) aufgegeben. Darüber hinaus installierte die rechtsextremistische Szene u.a. in Köln, Ludwigshafen und Frankfurt/M. ähnliche Anlagen, die sich aber nicht als "Nationale Info-Telefone" bezeichneten. Die "Info-Telefone" verbreiteten zum Teil textidentische oder inhaltlich gleiche Ansagen. Ihre Themenauswahl erstreckte sich von Hinweisen auf Veranstaltungen sowie rechtsextremistische Verlage und Publikationen über Kommentare zu aktuellen politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Vorgängen bis hin zur Warnung vor Aktionen der linksextremistischen Szene. Breiten Raum nahmen wieder Berichteundagitierende Kommentare zu Repressionsmaßnahmen der"Verfolgungs'behörden", wie Hausdurchsuchungen und Demonstrationsverbote gegen Rechtsextremisten, ein. Wiederholt wurde eine aus rechter Sicht krasse Ungleichbehandlung beklagt. Der angeblich "offenkundige" und "unverständlicherweise" wohlwollende, höchste Freizügigkeit gewährende Umgang staatlicher Behörden mit deutschen Linksextremisten und ausländischen "Terroristen" wurde angeprangert. Die Duplizität dieser - jeweils staatliche "Kumpanei" mit politischen Gegnern unterstellenden - 45 Argumentation war auffällig: Linksextremisten beklagten ihrerseits angebliche staat liche Willkür und "Verhätschelung" von Rechtsextremisten. Auch die NIT-Betreiber achteten darauf, in ihren Ansagetexten zwar klar erkennbare rechtsextremistische Botschaften zu verpacken, sie aber möglichst ohne Angriffsflachen für strafrechtliche Verfolgungen zu formulieren. Regelmäßig wurde die Szene mit konkreten Tips für das Verhalten gegenüber der Polizei und dem Verfassungsschutz bedient. Als weitere Hilfe wurden allgemeine Hinweise und Kontaktadressen für eine Rechtsberatung veröffentlicht. Die Detailgestaltung der "Info-Telefone" hat sich gewandelt. So wurden Termine geplanter eigener Aktionen, Demonstrationen und Kundgebungennichtlänger überdas NIT preisgegeben. Hierzu wurde fast ausschließlich auf Mobiltelefone übergewechselt - eine Schutzmaßnahme gegen frühzeitige Entdeckung und Durchkreuzung von Aktionsvorhaben, die sich für die Szene zuletzt u.a. im Zusammenhang mit der Rudolf-HESS-Aktionswoche ausgezahlt hat, allerdings die Mobilisierungsbreite beeinträchtigte. Hamburger Entwicklungen und Bezüge: Auch in Hamburg gab es einzelne Anzei'chen dafür, in welche Richtungen Neonazis streben, um politisch überleben und weiterzuarbeiten zu können. Mit der Oktoberausgabe hat der Hamburger JN-Landesvorsitzende Jan ZOBEL die Herausgabe der JN-Publikation "Einheit und Kampf" übernommen. Inzwischen wurde sie zur Plattform für die politischen Ideen der hinzugekommenen neonazistischen Redaktionsmitglieder Andre GOERTZ (Halstenbek/SH) und Steffen HUPKA (Quedlingburg/SA). So war es nicht verwunderlich, daß in ihr auch die neonazistische Einigungsund Vernetzungspropaganda wiederzufinden war, die dafür wirbt, den "nationalen Widerstand" zu organisieren und die Agonie zersplitterter "Kleinstgruppen" zu stoppen. Kurz vor ihrem Verbot im Februar hatte die "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP) in der Februar-Ausgabe ihrer Zeitung "Die neue Standarte" noch das "Bewe'gungs"-Konzept vorgestellt. Unter dem Tenor "Wir wollen die Bewegung" schrieb. das von Andre GOERTZ herausgegebene Blatt, angesichts des staatlichen Verbotskurses müßte jeder Versuch einer Parteineugründung scheitern. Mit den rechten "Altparteien" und ihren pauschalen Unvereinbarkeitsbeschlüssen wurde kritisch abgerechnet: ".dienen den ewig-gestrigen NS-Fetischisten .. die bestrebt sind, das alte System neu zu errichten" und "Wir Jugendliche haben die Zeichen der Zeit erkannt". Bewegung heiße "Sammlung aller Nationalisten". Abgrenzungsbeschlüsse nützten nur den Herrschenden. In Wahrheit seien nur diejenigen unvereinbar, die mit rechtswidrigen Methoden kämpften. Emeut wurden die Vorteile einer "Bewegung" ohne Programm, Satzung, Mitgliedschaften oder Vorsitzende gepriesen und die Vision einer "gewaltigen Nationalbewegung" auf breiter Basis beschworen. Mit einem kritischen Seitenhiebaufdie alten Rechtsparteien wurde auch auf diejenigen angespielt, die die Einheit der Rechten 46 'gegenteiliger Rhetorik seit Jahren hintertrieben und nur um ihre Parteiposten Führungspositionen zitterten. Unter dem Schlagwort "Progressiver Nationalis"sollenThemen wie Antisemitismus und Revisionismus aus taktischen Gründen nach außen gemieden oder distanzierend behandelt werden, um sich vom des Rechtsextremismus zu befreien. Von einer Realisierung dieser hochgeideologisch-strategischen Zielvorgaben ist die rechtsextremistische Szene llerdings weit entfernt. raT vsRra von GOERTZ betriebene Versuch, Aktivisten und Interessenten aus aufgelösten istischen Gruppen und Mitglieder noch existierender anderer rechtsextremistiOrganisationen miteinander in einer "Norddeutschen Bewegung" zu verklamist aus Hamburger Landessicht und auf diesen Raum bezogen der bisher einzige nicht umgehend gescheiterte Umgruppierungsansatz. Gleichwohl stößt dessen Entwicklung auch an Grenzen. Die praktische Umsetzung hinkt dem hohen theoretischen 'Anspruch weit hinterher. 1.2.2 Ideologien, Erscheinungsformen und Strategien der Neuen Rechten Der Begriff "Neue Rechte" steht seit Anfang der 70er Jahre für eine akademischintellektuelle, "modernisierte" Spielart rechten antidemokratischen Denkens. Seit etwa Ende der 80er Jahre und verstärkt in den letzten drei Jahren rückte der Begriff "Neue Rechte" wieder zunehmend in den Blickpunkt der politischen Diskussion. Heute werden unter diesem Begriff - losgelöst von seinem bisherigen historischen Kontext - zum Teil ganz unterschiedliche geistig-politische Phänomene und Strömun'gen subsumiert, was zu einer erheblichen Begriffsunklarheit geführt hat. Das liegt auch daran, daß dieser Begriffauf ein politisches Spektrum rechts von den Unionsparteien ausgeweitet wurde, das nicht ohne weiteres als rechtsextremistisch bezeichnet werden kann. Die historische "Neue Rechte", die Ende der 60er Jahre als geistig-politische Gegenströmung zur "Neuen Linken" in der politischen Arena erschien, ist kein spezifisch deutsches, sondern ein europäisches Phänomen, dessen Ausgangspunkt in Frankreich liegt. Leitbild der "Neuen Rechten" in Deutschland waren daher - und sind zum Teil nochdie seit 1968 aktive französische "Nouvelle Droite" ("Neue Rechte") und ihr 'Chefideologe, der Publizist Alain de BENOIST (Jahrgang 1943). Die schulbildende "Neue Rechte" in Frankreich sieht sich in der Tradition der - europäischen - "Konservativen Revolution" verwurzelt, jener in Deutschland u.a. mit den Namen Oswald SPENGLER, Carl SCHMITT, Arthur MÖLLER van den BRUCK, Edgar Julius JUNG 'oder Hans FREYER verbundenen intellektuellen Zirkel und Ideenschmieden, die das rechte antidemokratische Denken in derersten deutschen Republik geprägt und zu ih- rer Auflösung beigetragen hatten. Der scheinbar widersprüchliche Name "Kons. ve Revolution" war dabei Programm: Der "Konservatismus" der "Konservativen Iution" war nicht nach rückwärts gewandt und wollte keine geschichtlich ül nen Verhältnisse restaurieren, sondern einen (national-) revolutionären, geistig-politischen Prozeß in Gangsetzen, um überhaupterstin einer vom "Liberalismuszersetzten Welt Verhältnisse zu schaffen und Werte hervorzubringen, die der wert sind". Zu den drei wichtigsten Gruppen der "Konservativen Revolution" werden die Jungkonservativen, die Nationalrevolutionäre und die Völkischen gerechnet. Gemeinsam) war ihnentrotz aller vorhandenen weltanschaulichen Differenzen - die Gegnerschaft zum Weimarer System und ihr, für die heutige "Neue Rechte" vorbildhafter Anspruch, dieses System durch einen revolutionären geistigen Akt überwinden zu können. Kern des neurechten Theoriemodells, das von deutschen Rechtsextremisten in den 70er Jahren adaptiert und zum Teil weiterentwickelt wurde, ist der Anspruch, völkische und nationalistische Ordnungsvorstellungen intellektuell und wissenschaftlich fundieren und als ernstzunehmendes politisches Alternativmodell präsentieren zu können. Die Protagonisten der "Neuen Rechten" sehen sich dabei in erster Linie als "Ideenlieferanten" und "geistige Wegbereiter" für einen kulturellen und politischen, Wertewandel. Politisch steht im Vordergrund der Kampf gegen den vom Liberalismus und Marxismus angeblich in der Tradition der Aufklärung herbeigeführten' "Egalitarismus" und die Besinnung auf die Werte vor 1789. Ein Staatswesen, das von der "Annahme einer Gleichheit der Menschen ausgeht", beruht nach den Axiomen konservativ-revolutionären Denkensaufeiner "Täuschung" (Armin MOHLER, "Die Konservative Revolution in Deutschland 1918-1932", 4. Aufl. 1994, S.127). Um der neurechten Weltanschauung auch politisch zum Durchbruch zu verhelfen, ist nach Ansicht ihrer Vertreter ein "metapolitischer", d.h. kulturrevolutionärer Ansatz notwendig, der in der geistigen Auseinandersetzung und in Anlehnung an Konzepte der "Neuen Linken" entwickelt wurde. Von dem italienischen marxistischen Theoretiker Antonio GRAMSCI übernahmen zunächst BENOIST und seine Mitstreiter die Vorstellung eines Kulturkampfes, in dem es darum gehe, vor der politischen die kulturelle Vorherrschaft zu gewinnen, um so die gesellschaftlich notwendigen Rahmenbedingungen für einen politischen Paradigmenwechsel zu schaffen. Anders als in Frankreich, wo die "Nowvelle Droite" zu einem feststehenden Begriff geworden ist, hat die historische "Neue Rechte" in Deutschland keinen festen organisatorischen Bezugsrahmen mehr. Die dominante nationalrevolutionäre Orientierung ist in denHintergrundgetreten und - zumindestin einergewissen Bandbreite - einem rechten Pluralismus gewichen. D.h., der lange Zeit auf nationalrevolutionäre Positionen verengte Begriff "Neue Rechte" hat sich im Laufe der Jahre auch inhaltlich erweitert und ist heute als Sammelbegriff für verschiedene politisch-ideologische Strö48 ee 'mungen zu verstehen, die inhaltlich primär aus dem ebenso vielschichtigen Gedan'kenfundus der "Konservativen Revolution" schöpfen oder sich ausdrücklich auf spezifische "konservativ-revolutionare" Bewegungen beziehen. Diese Definition lag den 'bisherigenBeiträgenüberdie "NeueRechte"in den Hamburger Verfassungsschutzberichten 1993 und 1994 zugrunde. "7aN>3 Da die "Neue Rechte" zwar als Ideologie, aber unter diesem Namen nicht mehr als politische Bewegung in Erscheinung tritt und auch nicht einer bestimmten Partei oder Organisation idealtypisch zugeordnet werden kann, ist ihr Einfluß heute in erster Li'nie in theoretischer Form nachweisbar. Auf die durch die "Neue Rechte" reaktivierten Thesen und Gedankengebilde der "Konservativen Revolution" wurde von ganz unterschiedlichen politischen Gruppierungen oder Teilen von ihnen mit unterschiedlichen Schwerpunkten, Zielrichtungen und unterschiedlicher Intensität Bezug genommen. Beispiele fanden sich u.a. bei der NPD und IN, den "Republikanern" (REP), der DLVH, der "Sache des Volkes", beim "Thule-Seminar" und der "DeutschEuropäischen Studiengesellschaft". Weitere Beispiele lieferten die Zeitschriften bzw. Theorieorgane "Europa Vorn", "Nation & Europa", "Wir selbst", "Junge Freiheit", "Criticon", "Staatsbriefe", "Sleipnir", "Etappe", "DESG-Inform", "Junges Forum" 007SE20ZUalda2"anm und Verlage wie der "Arun"Verlag" sowie diverse Publizisten und Autoren. 'Gegen die These, daß die so unter einem gemeinsamen Ordnungsbegriff versammelten verschiedenen ideologischen Bewegungen auch eine gemeinsame metapolitische Strategie verfolgen würden, läßt sich angesichts der jüngsten Entwicklungen in die'sem Spektrum allerdings einiges einwenden. Gemeinsam ist dieser heterogenen neurechten Szene sicherlich ein Prozeß, der gemeinhin als "/ntellektualisierung" bezeichnet wird: Das Bemühen um intellektuelle Niveauanhebung und Diskursfähigkeit sowie die Betonung der politischen Theoriearbeit als Basis und Handlungsanleitung für die politische Praxis. Letztlich stimmt sie in dem allgemein formulierten Ziel "nationale Wiedergeburt" Deutschlands überein, weniger pathetisch ausgedrückt: In dem Bestreben, eine "Renationalisierung" deutscher Politik durchzusetzen. Völlig gegensätzlich erscheinen allerdings die Ansichten darüber, ob man durch eine metapolitische Strategie, d.h. durch das Streben nach kultureller Hegemonie und - damit verbunden - durch politische Infiltration in das demokratisch-konservative Spektrum, der politischen Machtübernahme sukzessive näher kommen kann. Der Begriff "Neue Rechte" wird selbst von denen, die ihrem ideologischen Umfeld im hier definierten Sinne zuzurechnen sind, äußerst zurückhaltend verwendet oder sogar als ungeeignet abgelehnt. Es herrschen nicht nur unterschiedliche Auffassungen über die richtige Strategie, sondern auch nicht unerhebliche ideologische Differenzen, ja sogar teilweise antagonistische Positionen, die definitionsbedingt miteinander in 'einen Kontext gestellt werden. Dies hängt unmittelbar auch damit zusammen, daß der Begriff "Konservative Revolution" als Ausdruck einer spezifischen politischen Identität in der wissenschaftlichen und politischen Diskussion seit längerem sehr umstritten 4 ist und als identitätsstiftende Bezugsgröße damit auch denBegriffder "Neuen Für endgültige Begriffsverwirrung sorgte das allenthalben als publizistisches schiff der "Neuen Rechten" angesehene Wochenblatt "Junge Freiheit". Während einem Kommentar vom 20. Januar die offensichtlich unter den eigenen Lesern mutete Anhängerschaft der "Neuen Rechten" noch kämpferisch aufgefordert wur endlich "die geistige Revolution" gegen die "Voherrschaft der Linken" zu errin behauptete Chefredakteur Dieter STEIN, das Phänomen "Neue Rechte", "als Hauptorgandie JF anerkannt wird", habe mit der JF "fast gar nichts zu tun" (,. Intern" Nr. 3/95 vom 22. Juni, Seite 1). In der Öffentlichkeit wird der Begriff "Neue Rechte" kaum noch als politisch-i gischer Ordnungsbegriff aufgefaßt. Er wird statt dessen personenbezogen auf ei Kreis von rechten Intellektuellen, Historikern und Publizisten verengt, der vorwi gend in der "Grauzone" zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus angesik delt ist. Politische Beobachter warnen davor, daß auch dieses Spektrum sich im K: auf das ideologische Gerüst der "Konservativen Revolution" stützt. Seine aus "j konservativen" Quellen gespeiste "Systemkritik" sei antiaufklärerisch, antiemanzij torischund antiliberal -letztlich antidemokratisch. Demwird von Seitender "Ne Rechten" entgegnet, man halte am "antitotalitären Konsens" fest und beachte im litischen Diskurs die demokratischen Spielregeln. Die so - scheinbar moderat - in politischen Diskurs eingetretene "neue" "Neue Rechte" versteht es geschickt, dem) Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit auszuweichen. In den letztenJahren, soscheint es, ist die metapolitischeStrategie der"NeuenRechten" hier erstmals erfolgversprechend in die Praxis umgesetzt worden. Entsprechend ist auch der Verdacht begründet, daßauf der politisch-ideologischen Ebene der "revo-) Iutionäre Konservatismus" der "Neuen Rechten" lediglich aus taktischen Gründen die) Gestalt eines sich bürgerlich-reformistisch gebenden Konservatismus angenommen' hat, der sich angesichts der politischen Realitäten und Machtverhältnisse jeglicher' nationaler Revolutionsmystik enthält. Das konservativ-revolutionäre Credo, daß man, "aus tiefstem Willen zur Erhaltung zerstören muß" (E. J. JUNG) wird man kaum aus, dem Munde dieser reformistischen Rechten hören. Nachaußenhinstellt sich die "neue" "Neue Rechte" damit als geistig-politisches Phänomen dar, das mit der historischen "Neuen Rechten" tatsächlichaufden ersten Blick nur wenigzutunhat.Überdie Frage,obdas strategische Konzeptunddieangebliche Befreiung von ideologischem Ballast wirklich nur taktischem Kalkül entspringt und das Bekenntnis zum Grundgesetz nur vordergründig ist, herrscht allerdings auch in der nationalen Szene keine Einhelligkeit. Kritiker von rechts werfen der neuen "Neuen Rechten" vor, im Kern "systemloyal" (Wolfgang STRAUB) oder "systemfixiert" zu sein und nur Korrekturen am System im Sinn zu haben (Hans-Dietrich SANDER). so Festgemacht wird dieses Urteil insbesondere am politischen und strategischen Kurswechsel der JF, die heute jeden Bezug auf die "Konservative Revolution" vermeidet. Vorausgegangen war dem ein heftiger Richtungsstreit, in dessen Folge nicht nur lang'jährige Redakteure und Mitarbeiter die JF verließen, sondern auch eine Vielzahl von JF-Leserkreisen sich von ihr abwandten. Den JF-Verantwortlichen wird vorgeworfen, die "ehemals systemkritische" Wochenzeitung "herunterliberalisiert" zu haben. Dieser Bruch wurde nach außen u.a. durch die fünftägige Veranstaltung der "Freien Deutschen Sommeruniversität" sichtbar, die im August auf der Burg Hohenberg/BY fast zeitgleich mit der konkurrierenden JF-Sommeruniversität in Neuhof bei Fulda stattfand. Unter den Referenten befand sich u.a. aus Hamburg Dr. Reinhold OBERLERCHER (s.u., "Staatsbriefe" Nr. 10/95, S. 28ff.). Aus diesem Kreis heraus wurde auch eine neue unabhängige Organisationsplattform mit einem eigenen Sprecherrat für die ehemaligen Leserkreise gegründet: "Die Konservativen Gesprächsund Arbeitskreise in Deutschland und Österreich" (KGAK). KGAK-Gruppen gibt es u.a. Hamburg ("Hamburger Kreis", s.u.), Braunschweig, Hannover, Berlin ("Das Berliner Gespräch"/"Deutsches Kolleg", s.u.), Dresden,Frankfurt/M., Karlsruhe, Stuttgart, 'Nürnberg, München (s. u.a. "Das Ostpreußenblatt" Nr. 42 v. 21.10.95, S. 20 und Nr. 44/95 v. 04.11.95, $. 18). Die Neuorientierung hin zum rechts-konservativen Spektrum ist offensichtlich bei einigen Zirkeln und Gesprächsgruppen nicht nachvollzogen worden, die sich zwar als unabhängig betrachten, aber weiterhin als JF-Leserkreis fungieren wollen. Der dazu 'gehörende "Hamburger Kreis" definierte sein Demokratieverständnis mit dem Zitat von Arthur MOELLER van den BRUCK: "Demokratie ist die Anteilnahme eines Vol'kes an seinem Schicksal" und behauptete, daß eben dieses Prinzip gegenwärtig in keiner "akzeptablen Form" verwirklicht sei. MOELLER van den BRUCK versteht unter Demokratie allerdings nicht die Staatsform, sondern "das Volk selbst". Demokratie beruhe auf dem "Blute"und nicht auf dem "Vertrag". en 'erE Mit diesem "konservativ-revolutionären" Demokratiebegriff wird zweifellos die komanf promißlose Frontstellung zum Modell des demokratischen Verfassungsstaates formuliert. Zum Thema "Völkerverständigung/Ethnopluralismus" bekannte der "Hambur'ger Kreis" (HK) freimütig, das deutsche Volk habe "mit allen Völkern gemeinsame Interessen gegen die menschen-undvölkerverachtende Politik der imperialen Macht'strukturen und Systeme". Es gehe um das "Selbstbestimmungsrecht der Völker". An anderer Stelle erklärte der HK, daß er "alle Projekte" unterstütze, "die sich gegen die egalitären Totalitarismusideologien stark machen und zur Wiederbelebung unseres kulturellen Erbes" beitragen. In "diesem" Sinne verstehe er sich auch als "Leserkreis" der JF. Der hier erkennbare befreiungsnationalistische Denkansatz ist ein klassisches Ideolo'gem der völkisch-nationalrevolutionären "Neuen Rechten" und markiert den dort an51 gesiedelten Standort des "Hamburger Kreises". Wenn auch die JF behauptet, mit der historischen "Neuen Rechten" fast nichts zu tun zu haben: In ihren Leserkreisen ist] die "nationalrevolutionäre Komponente" nach wie vor lebendig. Noch eindeutiger waren die Absetzbewegungen von der JF am Beispiel des ehemaligen JF-Leserkreises Berlin nachzuvollziehen. Nachfolgeorganisation dieses Leserkreises ist das "DeutscheKolleg" (DK). Das DK wurde im Dezember 1994 in Berlin gegründet. U.a. auf regelmäßigen Diskussionsund Vortragsveranstaltungen unter dem Titel "Das Berliner Gespräch" schöpfen die Initiatoren und Träger des Kreises nach eigenen Angaben "ausdem Fundus" der "Konservativen Revolution". In erster' Linie versteht sich das "Deutsche Kolleg"aber als Einrichtung zur "Schulung der jun'gen nationalen Intelligenz". Mit dem Aufbau von Schulungsgruppen in mehreren Orten der Bundesrepublik wurde begonnen. Mit ihnen wird ein breites Interessentenspektrum von "Neuen Rechten" bis hin zu Neonazisangesprochen. Geistiger Kopf dieser Schulungsarbeit ist der Hamburger Dr. Reinhold OBERLERCHER (Jahrgang 1943). Der ehemalige radikale Aktivist des "Sozialistischen Deutschen Studentenbundes" (SDS) und promovierte Sozialwissenschaftler konvertierte in 'den 80er Jahren ins nationalistische Lager. Dort erregte er in den letzten Jahren insbesondere durch seine radikalen Veröffentlichungen Aufsehen. Bemerkenswert ist, daß der auchvon seinen Kritikern als einerderwichtigsten undfähigstenTheoretikerdes "nationalen" Lagers anerkannte OBERLERCHER sich nicht als "rechts" bezeichnet, sondern als "Nationalmarzist". OBERLERCHER präsentiert gegenwärtig die mit Abstand radikalste und kompromißloseste Variante des "revolutionären Nationalismus", der sich in seinem Fall mit aggressivem Antisemitismus und Rassismus paart. Das Judentum in seiner weltund geistesgeschichtlichen Dimension ist für ihn Inbegriff des "absolut Bösen". Insoweit kritisiert OBERLERCHER auch Adolf HITLER: "Die Judenfrage zum Ras: 'senproblem zu erklären, verharmlost das absolut Böse, eine Erscheinung der Freiheit des menschlichen Geistes, zum biotechnisch lösbaren Problem" (R. OBERLERCHER, "Lehre vom Gemeinwesen", "Verlag der Freunde", Berlin 1994, S.96). Das von ihm propagierte "Vierte Reich" soll daher nicht nur "Erbe des Dritten Reiches" und "Beendiger der zweiten Systemzeit" sein, sondern insbesondere auch "die Fehler und Halbheiten bei der Liquidation der Ersten Systemzeit berichtigen" (ebd. S. 177). OBERLERCHER läßt keinen Zweifel daran, daß "an Grundsätzlichkeit und Radikalität jede politische Maßnahme der NS-Regierung übertroffen werden muß" ("Staatsbriefe" Nr. 2/94 S.5). Wichtigstes Publikationsforum seiner Thesen war in den letzten Jahren das seit 1990 erscheinende nationalrevolutionäre Theorieorgan "Staatsbriefe" (Auflage: ca. 1.000), das sich wie OBERLERCHER der Wiederbelebung der "Reichsidee" verschrieben hat und sich damit rühmt "allein vier Entwürfe einer neuen politi'schen Ordnung vorgestellt" zu haben für die Zeit nach der "/mplosion" und Abwicklung des"Bonner Systems". 52 'Nach Ansicht OBERLERCHERs mangelt es dem nationalen Lager nicht an Intellektualität, sondern an "sozialwissenschaftlich geschulter Intelligenz". Die 68er Bewegung, "die von rechtskonservativen Kreisen mit kindisch anmutender Übertreibung 'gefürchtet und dämonisiert wird, war die Wortergreifung einer sozialwissenschaftli'chen Nachwuchsintelligenz". Auch für die "neue deutsche Nationalbewegung" oder "Reichsbewegung" stehe vor der Machtergreifung die Wortergreifung. Dazu werde 'eine neue, gut geschulte sozialwissenschaftliche Intelligenz gebraucht, die sich zutraut, die Hochburg des Bestehenden zu stürmen: die Gesellschaft in allen ihren Spielarten, als Ideologie, als Politik und als Ökonomie ( siehe "Europa Vorn" Nr. 81 v. 15.02.1995, S.8f.). Mittlerweile ist das "Deutsche Kolleg" in Zusammenarbeit mit OBERLERCHER dabei, die erst Anfang 1995 in Berlin begonnene Schulungsarbeit bundesweit auszudehnen und in verschiedenen Städten Schulungsgruppen zu etablieren. Im Gespräch oder schon eingerichtet sind Ableger des "Deutschen Kollegs" in Hamburg, Kiel, Bielefeld, Nürnberg/Würzburg, München, Stuttgart, Köln, Düsseldorf und Hannover. Die von OBERLERCHER in den letzten Jahren vorgelegten Ausarbeitungen,u.a. das sog. "100-Tage-Programm einer Nationalen Notstandsregierung in Deutschland" von 1992 (s. "Staatsbriefe" Nr. 1/93) und sein "Reichsverfassungsentwurf", veröffentlicht wa. in seinem Buch "Zehre vom Gemeinwesen" (1994), werden vom "Deutschen Kolleg" didaktisch aufbereitet und als Einführungskurs ("Reichsbürgerkunde") oder 'Aufbaukurse ("Politische Ökonomie", "Rechtsund Staatstheorie", u.a.) angeboten. Die sich bei OBERLERCHER zeigende Kombination von extrem linkem und extrem rechtem Gedankengut ist ideengeschichtlich nicht neu und auch kein Einzelfall. Anfang des Jahres tauchte in der nationalen Szene eine Publikation die so gar nicht in das gängige Rechts-Links-Klischee zu passen schien: "Sleipnir". Das linksnationalistisch angehauchte Theorieorgan, das zweimonatlich im Berliner "Verlag der Freunde"erscheint, versteht sich als Diskussionsforum und Dialogorgan zwischen nationalistisch orientierten Systemgegnern aus dem"rechten" wie dem "linken" Lager. 'Aufmerksamkeit erregte "Sleipnir" allerdings nicht dadurch, sondern durch antisemitische Ausfälle und massive revisionistische Agitation. Gegen die beiden Herausgeber wurde im Sommer ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet. Am 15. November wurden die Verlagsräume in Berlin durchsucht und die Ausgaben Nr. 2 bis Nr. 5 beschlagnahmt. Zur Begründung wurden u.a. zwei antisemitische Artikel OBERLERCHERS angeführt, die in "Sleipnir" Nr. 2/95 (März/April) abgedruckt worden waren. Vor dem Hintergrund der hier nur kurz angerissenen divergierenden politisch-ideologischen Strömungen erscheint der Begriff "Neue Rechte" als politischer Oberbegriff zunehmend unbrauchbar. Unproblematisch anwendbar ist er lediglich z.B. bei Publikationen, die sich selber ausdrücklich so einordnen, wie beispielsweise die Zeitschrift "Europa Vorn", die von sich behauptet, die "bekannteste und mit Abstandmeistverkaufte Zeitschrift der europäischen Neuen Rechten" zu sein, oder bei Organisationen, die als direkte Ableger der "Nouvelle Droite" anzusehen sind, wie das "Thule-Semi'nar" in Kassel. Gemeinsamer ideologischer Nenner aller Erscheinungen, die mit der "Neuen Rechten" im weiteren Sinne in Verbindung gebracht werden, ist nicht die Einordnung als "rechts" oder "konservativ", sondern zunächst ganz allgemein die Betonung der "nationalen Idee", die im Extremfall zum nicht mehr hinterfragbaren Primat der Politik verabsolutiert wird. Dieser gemeinsame "nationale" Denkansatz, der sich in Begriffspaaren wie "nationalliberal", "nationalkonservativ", "national. demokratisch", "nationalrevolutionär", "nationalsozialistisch"oder "nationalkommunistisch" widerspiegelt, ist Ausgangspunkt ganz unterschiedlicher, gemäßigter wie radikaler Spielartendes Nationalismus,dieentweder noch am äußersten Rande desdemokratischen Verfassungsbogens anzusiedeln sind oder diesen mehr oder weniger eindeutig sprengen. Statt "Neue Rechte" könnte man dieses Spektrum daher treffender mit "Neuer Nationalismus" umschreiben. 1.2.3 Revisionismus Rechtsextremistische Geschichtsbetrachtung geht von der völligen Ablehnung der deutschen Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg aus. Nach Überzeugung fast aller Organisationen des sogenannten "nationalen Lagers" wurde das deutsche Volk nach 1945 systematisch "antideutsch umerzogen", "kollektiv gedemütigt" und ihm ein permanentes Schuldbewußtsein oktroyiert. Dieses alles sei mit der geschichtsverzerrenden Vokabel "Vergangenheitsbewältigung" etikettiert worden. Aus diesem Blickwinkel leiten Rechtsextremisten ihr historische Tatsachen verklärendes und "revidierendes" Geschichtsbewußtsein ab. Revisionismus verklammert Rechtsextremisten unterschiedliche Couleur zu einer abstrakten geschichtsdogmatischen Glaubensgemeinschaft. Revisionisten hoffen in ihrer organisierten anti-aufklärerischen Propaganda darauf, daß ihre Adressaten - ebenso wie sie selbst - historische Aussagen, Belege und Zeitdokumente ignorieren. Sie setzen auf Unkenntnis, mangelndes Wahrheitsinteresse und Tatsachenverdrängung insbesondereunter jungen Leuten, die über den Nationalsozialismus nur soviel oder so wenig wissen, wie es ihnen durch Eltern, Schule undLesestoff überliefertwurde. Revisionismus ist nicht nur eine Denkweise, sondern zugleich Strategie und Mobilisierungshebel verfassungsfeindlicher rechtsextremistischer Gesamtbestrebungen. Warum investieren Revisionisten massiv Engagement und Geld in ihre Propagandakampagnen über angebliche Geschichtslügen? Dahinter stehen einerseits Glaubensgewißheiten, die die authentische Lesart der NS-Geschichte als Phantasieprodukt von "Meinungsindustrie" der Nachrichtenmedien, "Umerziehung" und "Meinungsdikiatur" der "Siegermächte" des 2. Weltkriegs sowie staatlicher Komplotte und Manipu54 lationen erklären - mithin als Werk einer Art "Meinungsmafia". Eine mehr strategisch angelegte Richtung greift unmittelbar das Existenzrecht der Bundesrepublik Deutschland an: Einzige Legitimationsgrundlage dieses Staates sei der "Holocaust". Diese Staatsräson sei allerdings nicht tragfähig, sondern beruhe auf "Geschichtsklitterung". Mit dem Entzug der angeblichen "Legitimationsgrundlage Holocaust" glauben Revisionisten, der Bundesrepublik den sicheren Todesstoß versetzen zu können. Es wird klar, daß die selbsternannten angeblichen "Patrioten" mit dieser Kampagne den freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat bekämpfen und das Vertrauen in ihn unterminieren wollen. Die nahezu einmütige Wertschätzung, der sich der Revisionismus im "nationalen La'ger" bisher erfreute, bröckelte jedoch inzwischen ab - allerdings nicht als Ergebnis neuer Einsichten, sondern wegen taktischer Differenzen. Einzelne Rechtsextremisten - auch in Hamburg - zweifelten "nach hinreichender Prüfung" überhaupt nicht an der geschichtlichen Tatsache der Judenvernichtung im NS-Staat. Die "Bewegung" drohe aber unter den stigmatisierenden Folgen anderslautender - revisionistischer - Aussagen unterzugehen. Geschichtsumschreibung sei daher ungeeignet, politische Mehrheiten zu gewinnen. Auch das NPD-Parteivorstandsmitglied Winfried KRAUSZ rief dazu auf, politische 'Akzente besser mit anderen Themen zu setzen. In der rechtsextremistischen Publikation "Europa Vorn" entledigte er sich weiterer Debatten über KZ-Verbrechen mit der rhetorischen Frage, ob Auschwitz nicht eine bloße "Randerscheinung des Zweiten Weltkrieges" gewesen sei, wie es der Vorsitzende der rechtsextremistischen französischen Partei "Front National" bereits formuliert habe. Der weltweit bedeutende deutsch-kanadische Revisionist Ernst ZÜNDEL beklagte im 'August in dem von ihm herausgegebenen "Germania-Rundbrief" sich im weltweiten Maßstab befehdende revisionistische Kräfte, besonders im englischen Sprachraum. Ein Benutzer der rechtsextremistischen Mailbox "Widerstand" brachte im August das Dilemma des Revisionisten-Lagers und dessen strategische Bedeutung sinngemäß wie my0z2 folgt auf den Punkt: Seit 1945 sei Antisemitismus ein zentraler und essentieller - weit dehnbarer - Identifikationspunkt des rechten Lagers gewesen. An zweiter Stelle habe die Einheit in nationalstaatlichen Denkkategorien gestanden, drittens der Rassismus. Das Eine sei nicht ohne das Andere zu haben. Ebenso würden rechte Modernisierungsversuche durch Revisionismus-Austreibungen an hartgesottenen Verschwörungstheoretikern scheitern. Gerade die bräuchte man aber als Fußvolk und Basis, um auch mal "draufzuhauen". Revisionismus steht im engen Zusammenhang mit Antisemitismus. Erneut wurde JuTV0.0 den Fälschung der historischen Wahrheit und Politikern die Rolle willfähriger jüdischer "Büttel" angedichtet. Die "satanisch verjudete Bonner Holocaustdemokratie" 55 habe sich angeblich zu Zahlungen von bisher 130 Milliarden DM an Israel "erpressen" lassen. Seitrund 45 Jahrenwollten Rechtsextremistenin BüchernundBroschürenu.a. widerlegen, daß im "Dritten Reich"Judenmassenhaft vernichtet wurden. Die Judenvernichtung sei nach dem Kriege "erfunden" worden, "um Deutschland für immer politisch abhängig, unmündigund im Rahmen einer ewigen Wiedergutmachungfinanziell erpreßbar zu machen", behauptet Emst ZÜNDEL in seinem Buch: "Ernst ZÜNDEL, ein Mann, der Geschichte macht". Der in Toronto/Kanada lebende ZÜNDEL ist Zentralfigur für die weltweite Koordinierung und Organisierung der Revisionismuskampagne und deren wichtigster und aktivster Exponent. Er verbreitete wieder in großen Mengen entsprechende Broschüren, Aufkleber, Bücher und Videos. Seine erheblichen finanziellen Ressourcen dürften nicht nur auf Kleinspenden ihm zugeneigter Anhänger zurückzuführen sein. So war es ZÜNDEL z.B. möglich, revisionistische Botschaften über' angemietete Radiosendekapazitäten im nordamerikanischen Raum zu verbreiten. 1995 verbreitete ZÜNDEL seinePropagandakostensparend im weltweiten Computernetz "Internet". Aus Angst vor Verhaftung besuchte er seit längerem Deutschland nicht mehr. Im Interesse breiterer Propagandawirkung steigerten die Revisionisten den unentgeltlichen Versand von Pamphleten an Meinungsmultiplikatoren, wie Politiker, Professoren, Lehrer, Juristen, Theologen, Studenten usw. Sie hofften, über Umwege einen, "Dialog mit der Gesellschaft" eröffnen und bewußtseinsverändernd wirken zu können. Sie beriefen sich dabei auf die Freiheit der Wissenschaft als Grundund Menschenrecht. Niemand - auch nicht als Jude - habe ein "Anrecht" auf ein bestimmtes Ergebnis wissenschaftlicher Forschung. Revisionisten berufen sich gern auf Artikel 5 des Grundgesetzes. 1994 hatte das Bundesverfassungsgericht dazu aber festgestellt, daß dasLeugnen des Holocaust" in den Nazi-KZ geradenichtvon dieser Grundrechtsnorm gedeckt wird. Zum revisionistischen Material, das im zeitlichen Umfeld des 8. Mai zur Erinnerung an die "50-jährige Knechtschaft" massenhaft verschickt wurde, gehörte das sog. "Deutsche Manifest". Es enthielt u.a. eine Ansammlung aufhetzender Imperative: "Fragt nach den Beweisenfür den Holocaust - es gibt keine! Fragt nach den Beweisen für die Gaskammern - es gibt keine! Fragt nach den Verbrechen des Dritten Reiches - es gibt keine! Fragt nach den Vorteilen der Multikultur - es gibt keine! Fragt nachden Vorteilen derEU für unser Land - es gibt keine!..." Die Hamburger Landeszentrale für politische Bildung empfing die Propagandaschrift "Die Zeit ist reif". Darin wurde aufgefordert, anläßlich des 50. Jahrestages des Kriegsendes die "Holocaustgeschichten" kritisch zu hinterfragen. Das Hamburger Goethe-Gymnasium erhielt das bundesweit anonym verschickte Propaganda-Pamphlet "Simon Wizenthal - Geständnis vor meinem Tod" - eine Fälschung billigsterArt mit 13 "Bekenntnissen". Darin wurde dem imaginären "Wizenthal" Freu'de darüberin den Mundgelegt, "daßichdiesesJubeljahr (1995 ) nocherlebendarf, mit einemgesicherten Staat Israel, so daßwir kein schlechtes Gewissenmehrer'zeugen müssen, um Sühnegeld zu erpressen". Der Inhalt dokumentierte die enger wer'dende Verzahnung revisionistischer und antisemitischer/antizionistischer Propaganda. In der intellektuell angehauchten nationalistischen Zeitschrift "Sleipnir" 1/95 vom Januar/Februar ((r) siehe 1.2.2) kam der auch unter dem Pseudonym "Ernst GAUSS" schreibende Revisionist Germar SCHEERER geborener RUDOLF zu Wort. SCHEERER ist Verfasser des nach ihm benannten "Rudolf-Gutachtens", das in pseudowissenschaftlicher Art den Holocaust zu widerlegen versucht hatte. Auch SCHEERER wiederholte die tatsachenverdrehende Behauptung, de facto sei "der Holocaust-Glaube die Machtgrundlage der links-internationalistischen, liberalextremistischen Eliten der BRD". In Wahrheit ist das Leugnen des Holocaustes primär ein Medium, das Rechtsextremisten verbindet. In der "Sleipnir" Nr. 2 äußerte der ehemalige Linksextremist und heutige "Nationalmarxist" Reinhold OBERLERCHER trotz des offenkundigen Massenmordes an Juden während der Nazi-Herrschaft in Deutschland zynisch, daß "der Auschwitzglaube die erste wirkliche, den gesamten Globus umspan'nende Weltreligion" sei. Mit dem weitgehenden "Verlust des Antisemitismus als gemeinschaftlichem Ressentiment der europäischen Völker gegen die orientalische Welt" sei eine Schwächung des europäischen "Selbstwertgefühls" einhergegangen. Damit offenbarte OBERLERCHER sein auf Vorurteilen basierendes, Haß predigen'des und antiaufklärerisches Dogma. Mehrere "prominente" Revisionisten wurden 1995 strafrechtlich belangt. Der NPD'Vorsitzende DECKERT, der sich in den letzten Jahren als revisionistischer Einzelkämpfer profiliert hatte, wurde am 21. April in einer Prozeß-Neuauflage vom Landgericht Karlsruhe wegen Volksverhetzung zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. DECKERT verbüßt seit November seine Haftstrafe. Das Landgericht Stuttgart verurteilte am 23. Juni den Verfasser des 0.8. "Rudolf-Gut'achtens", Germar SCHEERER, wegen Volksverhetzung zu 14 Monaten Haft ohne Bewährung. SCHEERER ist nach Gerichtsauffassung ein "fanatischer Überzeu'gungstäter mit einer tiefen antisemitischen Einstellung". Laut Gericht wurde sein 120 Seiten umfassendes "Gutachten" in einer Auflage von 1.000 - 2.000 Stück an heraus'gehobene Persönlichkeiten im gesamten Bundesgebiet verschickt. Der Neonazi Ewald ALTHANS - Ziehkind und bislang einer der wichtigsten Mitarbeiter seinesMentorsEmstZÜNDELin der Bundesrepublik - mußte sich vor dem Berliner Landgericht verantworten. Als Hauptdarsteller des Filmes "Beruf Neonazi" wurde er der Verbreitung von NS-Propaganda und Volksverhetzung angeklagt und 57 'am 30. August zu dreieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. In das Strafmaß wurde| eine 1994 vom Landgericht München wegen Volksverhetzung verhängte Strafe (qualifizierte Auschwitzleugnung) einbezogen. Das Urteil wies ALTHANS als "gefährlis (chen geistigen Brandstifter" und "gefährlichen Demagogen" aus, der Nährboden für Straftaten wie in Hoyerswerda und Solingen schaffe. Unter dem Verdacht, den Holocaust geleugnet zu haben, mußten sich zwei Angeklag. te in Hamburg verantworten. Am |. Februar sprach das Hamburger Amtsgericht den Neonazi Andre GOERTZ und einen Mitangeklagten vom Verdacht der Volksverhetzung frei. Beide hatten eine Ansage des "Nationalen Infotelefones Hamburg" (NIT) von 1994 zu vertreten. In einer massiven Kritik am SPIELBERG-Film "Schindlers Liste", der an die Nazi-Verbrechen gegen Juden erinnert, war vom "Auschwitz mythos" die Rede. Das Gerichtsahesalsnicht erwiesen an, daß damitdiehistorisch bewiesene Massenvernichtung der Juden gemeint gewesen wäre, weil GOERTZ während des Prozesses erkärthatte, die Judenvernichtungseifürihneinehistorische Tatsache. Im Berufungsverfahren vor dem Landgericht Hamburg wurde der erstinstanzliche Freispruch am 6.Septemberbestätigt. 1.2.4 Antisemitismus Antisemitismus ist eine besondere Form des Rassismus. Er ist bis heute - vielfach gekoppelt mit revisionistischen Geschichtsverfälschungen - integraler Bestandteil rechtsextremistischer Ideologie und Praxis. Rechtsextremisten haben ihre rassistische Agitation, die sich insbesondere vor Inkrafttreten des Asylverfahrensgesetzes schwerpunktmäßig auf Ausländerfeindlichkeit und Asylproblematik konzentriert hatte, intensiver dem Antisemitismus zugewendet. Sie richtet sich unmittelbar gegen einzelne jüdische Mitbürger, ganz allgemein jedoch auch unter Berufung auf Weltverschwörungstheorien gegen das Judentum schlecht" hin. Juden als Hauptfeindbilder finden sich nicht nur in subtil verkleideter Formin Propagandaschriften, sondern auch in unverhüllt aggressiven, hetzerischen antisemitischen Aussagen. ÜberMailboxenwerdeninzwischenauchdie modernenelektronischen Medien zur Verbreitung antisemitischer Propaganda mißbraucht. Antijüdische Propaganda dient zudem als Verständigungsmittel unterschiedlicher Gruppierungen, die sich in ihrem HaßaufMinderheiten aller Art einig sind. Die Verwandtschaft antisemitischer und ausländerfeindlicher Gesinnungen wurde in der Vergangenheit u.a. in rechtsextremistischen Videound Computerspielen veranschaulicht, indem z.B. die vor 50 Jahren praktizierten Methoden des Massenmordes an jüdischen Mitbürgern nunmehr als "Lösungsmodelle" rassistischer Fremdenfeindlichkeit "spielerisch" ausgelebt wurden. Die Erscheinungsformen bzw. Methoden des Antisemitismus reichen von bloßen E=ERE /orurteilen bis hin zu Straftaten, wie Beleidigungen, Sprühen von Drohund Hetzparolen sowie Schändungen jüdischer Friedhöfe, Gedenkstätten und Einrichtungen. Die Urheber beschränken sich zum Teil nicht "nur" auf verbale Angriffe. Emeut wurden 'einzelne Personen körperlich bedroht; insbesondere prominente jüdische Repräsen'tanten sahen sich anonymen Drohbriefen bis hin zu Morddrohungen ausgesetzt. Ein in KölnlebenderSchriftsteller berichtete von 861 Drohbriefen,die ihn in 4Jahrenerfeichthabenund von nächtlichen Anrufen, in denenihm sinngemäß mit "Judeverdammier, nach Auschwitzkommst Du!" gedroht wurde. SErFTSIiDrBe 'Antisemitisch motivierte Straftaten haben mit 1.155 (1995) gegenüber 1.366 (1994) um gut 15% abgenommen. Diese Kategorie von Gesetzesverletzungen beruht zumeist 'auf Straftatbeständen der Volksverhetzung, bei denen es nur selten gelingt, die Täter zu ermitteln und strafrechtlich zu belangen. Antisemitisch motivierte Gewaltdelikte habengegenüber 1994 weiter um etwa 34% abgenommen.Sowurden 1995 insgesamt "nur"noch27antisemitische Gewalttatengegenüber41imJahre 1994registriert. Schmieraktionen und andere Schändungenjüdischer Friedhöfe und Einrichtungen 'gehen nicht selten mit revisionistischer Ideenverbreitung einher, bevorzugt durch Leugnung des Holocaust. Die Zahl der Friedhofsschändungen hat gegenüber 1994 bundesweit abgenommen. Vermehrt haben unbekannt gebliebene Täter KZ'Gedenkstätten geschändet. Hintergrund dieser Zunahme waren die Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus und des Kriegsendes in FTazur Deutschland sowie die damit einhergehenden Gedenkveranstaltungen zur Befreiung 'der Konzentrationslager. 'Antisemitismus ist keine Ausnahmeerscheinung in einer begrenzten rechtsextremistischen Szene. Er gehört vielmehr zum Repertoire systematischer Demagogie aller rechtsextremistischen Organisationen und Parteien. So kehrt er seit Jahren in subtil verpackten Attacken der "Deutschen Volksunion" (DVU) wieder, die sich dabei der Presse ihres Bundesvorsitzenden Dr. FREY bedient, ebenso in neonazistischen Schriften und Skinhead-Magazinen, den sog. "Fanzines". Die als Sprachrohr der DVU dienende "Deutsche Wochen-Zeitung" (DWZ) hetzte am 17. März gegen das Präsidiumsmitglied des Zentralrates der Juden in Deutschland, Michel FRIEDMANN wa. mit der Aussage, dieser gleite auf einer von den Massenmedien gelegten "Schleim'spur" in politische Schlüsselstellungen. In anonymen Schriften und Flugblättern mit rechtsextremistischem Hintergrund wurden antisemitische Inhalte zumeist in aggres'siver Form und mit unverhüllt herabwürdigender Absicht zu Papier gebracht. Publikationen, die unschwer rechtsextremistischen Personen oder Organisationen zugeordr-a7's net werden können, verhielten sich aus taktischen Gründen vorsichtiger. Die vom ehemaligen Hamburger FAP-Vorsitzenden Andre GOERTZ herausgegebene neonazistische Zeitschrift "Der Standard" veröffentlichte im Juni einen Artikel über 59 den neuen Politikansatz "Progressiver Nationalismus", dessen taktisches Konzept es darauf anlegt, sich möglichst mit einem modern und dynamisch wirkenden Image zu präsentieren. Darin wurde auch auf die stigmatisierenden Folgen antisemitischer ProV2 paganda abgehoben. Im März wurde bundesweit die antisemitische Druckschrift "Deutsches Manifest" versandt. Die Absenderangaben waren falsch bzw. täuschten bei einem Teil der Broschüren die Jüdische Gemeinde in Berlin als Absender vor. Adressaten waren Personen des öffentlichen Lebens, Politiker sowie verschiedene Behörden. Die geschichtli'che Entwicklung des jüdischen Volkes wurde in volksverhetzender und herabwürdigender Weise dargestellt, der Holocaust geleugnet und die arische Rasse zugunsten 'anderer Völker überhöht. Rechtsextremisten versuchten wiederum, mit antisemitischen Aussagen an rassistische Instinkte zu appellieren. Wiederholt legten Agitatoren es darauf an, Persönlichkeiten jüdischen Glaubens, wie den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Ignatz vu BUBIS, persönlich anzugreifen und jüdische Repräsentanten in ihrer Gesamtheit zu diskriminieren und pauschal herabzuwürdigen. Unter wahlpolitisch engagierten Rechtsextremisten herrscht ein Trend, mit antisemitischen Aussagen an symbolträchtigen Orten auf sich aufmerksam zu machen. In einer Pressemitteilung der NPD vom 1. August nahm die Partei die Vorgänge um das Kölner Geiseldrama vom 28. Juli und die Tatsache, daß der Täter zeitweise in Israel gelebt hatte, zum Vorwand, pauschal die in Deutschland lebenden Juden zu verunglimpfen. Zunächst wurde scheinheilig "allen Verletzten sowie den Angehörigen der Mordopfer ... tiefempfundenes Mitgefühl und Beileid" ausgesprochen. Wörtlich dann: "Diese unmenschliche Tat wäre möglicherweise nicht geschehen, wenn verantwortungsvolle deutsche Politiker dem Treiben der Kreise um Bubis/ Friedmann sowie der deutschfeindlichen Medien entgegengere- . 22 en wären, anstatt wie in diesem Jahr noch laufend Öl ins Feuer zu gie'Ben wie bei den Geschichtsklitterungs-'Feiern' am 8. Mai". Ein besonders aggressiver Antisemitismus ging wieder von neonazistischen Zeitschriften aus, die im Ausland hergestellt und nach Deutschland geschleust wurden. Eklatante Beispiele lieferte der "NS-Kampfruf". Die Publikation wird von der "NSDAP/AO" des in Hamburg inhaftierten Deutsch-Amerikaners Gary Rex LAUCK (2 siehe auch 1.8.3) herausgegeben. In ihr wird permanent aggressiv gegen die Juden gehetzt und zur Anwendung von Gewalt aufgerufen. BE Mit dem Verbot der neonazistischen Organisationen FAP und NL am 24. Februar wurden zugleich zwei Quellen antisemitischer Propaganda in Hamburg getroffen. In der letzten Ausgabe der NL-Zeitschrift "Index" vom Januar 1995 war noch ein Hin60 mv weis erschienen, wonach es der Redaktion wegen eines angeblich in diesem Staat herrschenden "Denk-, Rede-, Schreibverbots" nicht möglich sei, einen kritischen Artikel zum 50. Jahrestag der Befreiung von Ausschwitz (das Wort "Befreiung" in Anführungszeichen, weil das Datum für Rechtsextremisten u.a. den Beginn einer "Sie'gerdiktatur" kennzeichnet) zu veröffentlichen. Der Beitrag endete mit dem Hinweis, daß man gern Zahlen und Argumente geliefert hätte, die "Herrn Bubis denSchlaf geraubt" hätten. Aufgrund dieses Artikels verurteilte das Amtsgericht Hamburg am 4. Dezember den ehemaligen I. Vorsitzenden der verbotenen "Nationalen Liste" (NL) und Verantwortlichen der Publikation, Thomas WULFF, wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten. Dieser legte gegen das Urteil Berufung ein. Die jüdische Gemeinde in Hamburg bzw. Schleswig-Holstein war im Mai Adressat antijüdischer Untertöne der "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (DLVH). Der Vorsitzende der schleswig-holsteinischen DLVH-Landtagsfraktion, Ingo STAWITZ, schrieb der "so gut wie nicht vorhandenen 'Jüdischen Gemeinde', bei einer Unterstützung mit Landeshaushaltsmitteln bestünde die Gefahr, daß dann auch "verschiedene Zigeuner-Sippen", Kroaten, Serben, Kurden usw. Ansprüche anmeldeten. 1.3 Rechtsextremistische Gewalt 13.1 Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten Rechtsextremistische Gewalt äußert sich in Deutschland überwiegend in fremdenfeindlich motivierten Strafdelikten. Der Verfassungsschutz wertet eine Straftat als rechtsextremistisch motiviert, wenn sie zumindest auch der Verfolgung rechtsextremistischer, d.h. nationalistischer oder rassistischer Ziele dient. Eine gegen einen "Fremden" gerichtete Straftat ist dann rechtsextremistisch motiviert, wenn dieser zumindest auch wegen seiner "Fremdheit" Opfer einer Straftat wurde. Das wird insbesondere dann vermutet, wenn Zielpersonen bzw. -objekte oder Taten an sich für ei'ne solche Motivation sprechen und keine diese Annahme widerlegenden Tatsachen bekannt sind. Erwiesen ist eine rechtsextremistische Motivation insbesondere dann, wenn sich der Täter zu einer entsprechenden Zielsetzung bekennt, oder die Tatumstände einen vernünftigen Zweifel an einer rechtsextremistischen Motivation nicht aufkommen lassen. In der Vergangenheit hat vielfach eine Art "Propaganda der Tat" Nachahmungstäter angestiftet, die Schwelle zwischen verbaler Gewaltandrohung und aktiver Verbre'chensbegehung zu übertreten. Die sog. "Fanale" von Rostock, Mölln und Solingen hatten Signalwirkung für anschließende Serien rechtsextremistischer Gewalttaten. Fanaleffekte wiederholten sich 1994/95 nicht mehr. 6 Jüdische Mitbürger, Ausländer, sog. "lebensumwerte" Minderheiten und politische Gegner wurden in Deutschland wieder von Rechtsextremisten verbal und körperlich bedroht und angegriffen. Nach einer vorläufigen Übersicht des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom Frühjahr 1996 wurden 1995 insgesamt 837 Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem rechtsextremistischen - davon 540 mit fremdenfeindlichem - Hintergrund erfaßt. Entwicklung der Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem rechtsextremist. Hintergrund auf Bundesebene 1987 - 1995 " Tötungsdelikte (einschließlich Versuche) "_ Sprengstoffanschläge (einschließlich Versuche) * Brandanschläge (einschließlich Versuche und aller Sachbeschädigungen unter >a * Einsatz von Brandmitteln) Landfriedensbrüche " Körperverletzungen und a * Sachbeschädigungen mit Gewaltanwendung zn Im Vergleichszeitraum 1994 wurden 1.489 Gewalttaten registriert, davon 860 mit fremdenfeindlichem Hintergrund. Der Anteil der Brandund Sprengstoffanschläge betrug damals 6,8%. Der kontinuierliche Rückgang von rechtsextremistischen (einschließlich fremdenfeindlichen) Gewalttaten setzte sich somit auch im Jahr 1995 fort. Gegenüber 1994 wurden insgesamt rund 44% weniger Gewalttaten verübt. 'Fremdenfeindliche Gewalttaten nahmen - in absoluten Zahlen - um 37% ab. 1995 'hatten knapp 65% der registrierten Gewalttaten eine fremdenfeindliche Zielrichtung, 1994 war dieser Anteil mit 58% etwas geringer. Das Jahr 1995 schloß mit der niedrigsten Quote fremdenfeindlicher Strafund Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund seit Beginn der Ausschreitungen in Hoyerswerda im September 1991 ab. Ion Weil der prozentuale Anteil fremdenfeindlich motivierter Taten etwas zugenommen hat (er war von 1993 = 72% zu 1994 auf 58% gesunken) - bei einem gleichzeitigen Rückgang der Gesamtzahl aller Gewalttaten - ist innerhalb der Jahressumme der Anteil von Gewalttaten ohne fremdenfeindliche Motivation von 28% (1993) über 42% (1994) auf nunmehr 35% (1995) abgefallen. Die Tendenz, daß sich rechtsextremisti'sche Gewalttaten vom Feindbild des Ausländers immer stärker lösen und auf andere 'Opferbereiche oder Angriffsobjekte verlagern, hat sich 1995 daher nicht fortgesetzt. 'Derprozentuale Anteil von Brandund Sprengstoffanschlägen an der Gesamtsumme aller rechtsextremistischen Gewalttaten blieb von 1994 (101:1489) zu 1995 (45:837) 'annähernd konstant. Bemerkenswert war wiederum, daß es 1995 - ebenso wie 1994 - 'kein vollendetes Tötungsdelikt gab. Zählt man die 7.059 "weiteren Gesetzesverletzungen" (z.B. Bedrohung, Volksverhetzung, Beleidigung usw.) mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation zu den Gewalttaten hinzu, ergibt 'sich eine Gesamtzahl von 7.896 Gesetzesverletzungen (1994: 7.952, 1993: 10.561). Die nachgelassene politische Gewaltkriminalität hat einen vielschichtigen Hinter'grund. Bis 1992 waren insbesondere Asylbewerber Opfer militanter Rechtsextremi'sten. Das neue Asylrecht und der sich daraus ergebende spürbare Rückgang der Asylbewerberquote, die öffentliche Ächtung der Fremdenfeindlichkeit und des Rechtsextremismus sowie konsequentes staatliches Vorgehen gegen Rechtsextremisten haben dieses Problemfeld seit 1993 entschärft. Potentielle Täter, die bis dahin glaubten, sich auf Sympathien in der Bevölkerung stützen zu können, sahen sich ihrer Scheinlegitimation enthoben. Mit "Lichterketten" setzten Bürger - erstmals im November 1992 nach dem Brandanschlag von Mölln - Zeichen des Widerstandes gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus. 63 e Rechtsextremistische Gewalttaten 1995: BundesweiteVeränderunggegenüber1994 ) 0% -10% I EN 20%} 30% 40% | ! ==] F 0% | 60% | E i 8. 33 _! sJ g: 33 38 83 a: 58 sea 28 58 a3E58 3 5 en & Ein Anlaß zur Entwarnung besteht jedoch nicht. In den vergangenen Jahren bedurfte es mitunter nur einer spektakulären Gewalttat, um sogleich Nachahmer auf den Plas zu rufen und die Kurve der Gewalt in die Höhe zu treiben. Die Zahl fremdenfeindlich motivierter Straftaten ist - trotz Abschwächung - nicht hinnehmbar. Sie ist immer noch sechsmal so hoch wie 1990. Entschlossene staatliche Bekämpfung der politischen Gewaltkriminalität erhöhte das Verfolgungsrisiko der potentiellen Täter, Mittäter und Mitkäufer. Überraschende poll zeiliche Exekutivmaßnahmen, hohe Freiheitsstrafen und die begleitende Medienberichterstattung zeigten offenbar Wirkung. Potentielle Straftäter wurden auch durch Rechtsprechungen gewarnt, wonach Brandstiftungen den Tatbestand des Mordes bzw. Totschlages erfüllen können. Die Zahl der rechtsextremistischen (einschließlich der fremdenfeindlichen und antisemitischen) Straftaten in Hamburg ist 1995 von 424 auf 323 gesunken. Rund 40% dieser Taten (129) hatten eine fremdenfeindliche Ausrichtung. 1994 lag der Anteil bei 37%, 1993 bei 53%. Der bereits 1994 festgestellte Trend sinkender Zahlen im Bereich der fremdenfeindlichen Straftaten hat sich 1995 fortgesetzt. Waren es 1994 noch 155 Straftaten, so sark diese Zahl 1995 auf 129 Fälle ab. 'Gesunken ist auch die Anzahl der rechtsextremistischen Strafiaten ohnefremdenfeindli'chen Bezug. Hierwurden 1994 noch 269 Fälle registriert, denen 1995 nur noch 194 'Fälle gegenüberstehen. In den 194 Fällen sind 60 antisemitische Straftaten enthalten. Als fremdenfeindlich geltenin Hamburg Straftaten, wennsie sich gegen Personen richten, denen der Täter aufgrund ihrer Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes ein Bleibeoder Aufenthaltsrecht in seiner Wohnumgebung oder in der gesamten Bundesrepublik bestreitet. In Zweifelsfüllen, wenn fremdenfeindliche Motive nach den polizeilichen Ermittlungen nicht feststehen, aber auch nicht auszuschließen sind, wird eine Straftat als fremdenfeindlich eingestuft. In der Gesamtzahl aller rechtsextremistischen Straftaten sind neben den schweren Straftaten, wie Tötungsdelikte (Vollendung und Versuch) Körperverletzungen Brandstiftungen (einschließlich Versuch) Landfriedensbrüche Sachbeschädigungen mit Gewaltanwendung auch die Delikte minder schwerer Bedeutung (Verbaldelikte) erfaßt, wie . sonstige Sachbeschädigungen (z.B. Schmierparolen) Verbreitung von Propagandamitteln / Verwenden von Kennzeichen verfassungsidriger Organisati Nötigung, Bedrohung andere Straftaten (z.B. nach $$ 123, 126, 130, 185 StGB) Im Bereich der schweren Straftaten gab es 1995 wie auch 1994 keine Tötungsdelikte, 'auch keine Versuche. 1993 registrierte die Polizei in Hamburg noch 2 Tötungsversu'che,von denen einer fremdenfeindlich motiviert war. Die Zahl der in Hamburg ver(übten Körperverletzungen lag im Berichtszeitraum bei 29 Fällen (1994: 44 Fälle), von denen sich 28 gegen Fremde richteten. Erstmals nach Jahren wurde 1995 in Hamburg von Rechtsextremisten keine Brandstiftung begangen oder versucht. 1994 65 wurden noch 7 Fälle, 1993 sogar 11 registriert. Ähnlich sind auch die Sachbeschädigungen mit Gewaltanwendung zurückgegangen; hier sank die Gesamtzahl 1995 auf9 herab, von denen 2 fremdenfeindlich motiviert waren (1994: 21, davon 13 fremdenfeindlich). %-za 701 =o Der Abwärtstrend machte sich auch bei der Gesamtzahl der sog. Verbaldelikte bemerkbar. Hier waren 285 Fälle (1994: 352) zu verzeichnen. In dieser Zahl sind 9 nD fremdenfeinliche Straftaten (1994: 102) enthalten. Bei den rechtsextremistischen Straftaten innerhalb dieser Kategorie waren die Delikte "Verbreiten von Propagandamitteln / Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen" mit 9} 66 (1994: 167) und bei den fremdenfeindlichen mit 30 Fällen (1994: 51) die "Nörigun'gen und Bedrohungen" am stärksten vertreten. Die Hamburger Polizei konnte insgesamt 156 Tatverdächtige ermitteln. Rechtsextremistischen Gruppen bzw. Organisationen gehörten 14 (1994: 72) Tatverdächtige an. 78 (1994: 139) Personen hatten zum Tatzeitpunkt offenbar eine fremdenfeindliche Einstellung, ohne politisch organisiert zu sein. Die Mehrzahl der Tatverdächtigen bei 'den rechtsextremistischen Straftaftaten war unter 30 Jahre alt. Bei den fremdenfeindlichen Straftaten waren von den ermittelten Tatverdächtigen 35 Personen unter 25 Jahre und 38 Personen über 25 Jahre alt. wrechtsetrem. Rechtsextremistische Straftaten u remdenfeind. in Hamburg / Altersstruktur 2| derermittelten Tatverdächigen nantisemitisch " " "bi bis 131. 14174. 18203. 21-243. 58. Nach den Feststellungen der Polizei konnten im Bereich der rechtsextremistischen Straftaten ohne fremdenfeindlichen Bezug in 12 Fällen, im Bereich der Straftaten mit fremdenfeindlichem Bezug in I1 Fällen Skinheads als Tatverdächtige ermittelt werden. Von den 60 (1994:63) in Hamburg festgestellten antisemitischen Straftaten konnten 13 (1994:18) aufgeklärt werden. Hinter der Gesamtzahl verbergen sich | Körperverletzung, 2 Sachbeschädigungen, I Sachbeschädigung mit Gewaltanwendung, | Schmiererei, 4 Propagandadelikte, 3 Bedrohungen/Nötigungen und 50 sog. "andere" Strafsachen (z.B. gemäß $$ 123, 126, 130 StGB u.a.). 67 Beispiele rechtsextremistischer bzw. fremdenfeindlicher Straftaten in Hamburg zeigen, daß auch in Hamburg weiterhin ein entsprechendes Gewaltpotential vorhanden war und daher auch hier in Zukunft mit neuen rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten zu rechnen ist. Am 31. März stieg eine 6-köpfige jugendliche Personengruppe in Hamburg-Langenfelde in einen S-Bahnzug der Linie S3. Einer der Jugendlichen bedrängte die Fahrgäste provozierend mit der Frage, ob auch Ausländer anwesend seien. Nachdem sich ei ne verängstigte türkische Frau zu Erkennen gegeben hatte, wurde sie zunächst zu ei nem Wortwechsel genötigt,der durch das vorsätzlich provozierende Verhalten der Jugendlichen eskalierte und ihnen schließlich als Vorwand zur körperlichen Drangsalierung der Frau diente. Ein Täter schubste die Frau mit dem Kopfan die Waggontür. Ihr wurde ein Arm umgedreht und ein Tritt gegen das rechte Knie versetzt. Am 10. August warf ein 21-jähriger jugendlicher Täter aus dem Treppenhausfenster seines Wohnhauses im Stadtteil Altona-Altstadt einen Molotowcocktail in Richtung einer vorbeigehenden türkischen Frau. Der Brandsatz verfehlte die Geschädigte und beschädigte ein geparktes Auto. 1.3.2 Rechtsextremistischer Terrorismus Vor dreizehn Jahren endete die bisher aktivste Phase des rechtsextremistischen Terrorismus in Deutschland. Sie dauerte von 1977-1982, erreichte mit dem Anschlag auf das Münchener Oktoberfest am 26.09.1980 (13 Tote, 215 Verletzte) ihren Höhepunkt und endete mit der Zerschlagung der antiimperialistisch motivierten HEPP/KEXELGruppe. Diese hatte 1982 Anschläge auf Fahrzeuge amerikanischer Soldaten in Hessen verübt. Z.Zt. gibt es in der Bundesrepublik keine rechtsterroristischen Organisationen, die mit linksterroristischen Gruppen wie der RAF oder der RZ vergleichbar wären. Die große Mehrheit der aktiven Rechtsextremisten distanziert sich von terroristischer Gewalt als Mittel der Politik, allerdings, wie aus diversen Äußerungen erkennbar wird, teilweise, nur aus taktischen Gründen: Die politische Stabilität der Bundesrepublik läßt terroristische Aktivitäten wegen mangelnder Erfolgsaussichten zwecklos erscheinen. Insbesondere werden verstärkt staatliche Repressalien gegen die rechtsextremistische Szene befürchtet, sollten aus ihr heraus tatsächlich rechtsterroristische Akte verübt werden. Esgab und gibt jedochemstzunehmende Bekundungenund Umstände,diesichals Indizien bzw. Vorstufen eines aufkeimenden rechtsextremistischen Terrorismus in 'der Bundesrepublik herausstellen könnten. Anzeichen möglicher rechtsterroristischer Verfestigungen entdeckten die Sicherheitsbehörden ab 1992. So gab es innerhalb der im November 1992 verbotenen "Nationalistischen Front" (NF) bereits Ansätze zum 'Aufbau eines "Nationalen Einsatzkommandos" (NEK). Eine Kleinstgruppe orientierte sich beim Aufbau illegaler Strukturen an der Strategieschrift "Eine Bewegung in Waffen", für die als Herausgeber ein "Autorenkollektiv WerwolfCopyright 1992/ 103 bei Horst Wessel Verlag" verantwortlich zeichnete. Unter Rechtsextremisten kursieren theoretische und praktische Bauanleitungen für Sprengund Brandsätze. Ebenso kursieren Aufrufe, sich mit Schriften und Kampfpraktiken der linksterroristischen "Rote Armee Fraktion" (RAF) zu beschäftigen. Allerdings sind es nur einige wenige Personen, die sich mit der praktischen Umsetzung dieser Theorien und Anleitungen beschäftigen und sich in einer logistischen Vorphase fürterroristische Aktivitäten befinden. Nach wie vor neigen einzelne Personenzusammenhänge dazu, Geländeübungen und "'Wehrsport" als Vorbereitungaufeinen "Tag X" zu betrachten. Die Verfügbarkeit von Waffen und Sprengstoff wird dabei als gegeben vorausgesetzt. Rechtsterroristische Anschläge wurden in der Vergangenheit von Einzeltätern verübt, die Fanale setzen wollten. Sie operierten nicht aus klassischen illegalen Strukturen, 'sondern aus der Legalität heraus. Ihr Handeln war, im Gegensatz zum linksextremistischen Terrorismus, selten Ergebnis gründlicher - intellektuell und ideologisch fundierter - Strategiedebatten. Wegen fehlender Konzepte, mit denen Anlaß, Ziele, Mittel und Methodik sorgfältig und logisch miteinander in Relation gebracht worden wären, waren sie unkalkulierbar. Kontinuierliche Detailplanungen und exakte Tatvorbereitungen, wie bei der sog. HEPP/KEXEL - Gruppe, bildeten die Ausnahme. Rechtsextremistische Terroristen vermochten es auch nicht, ihr Handeln in Bekennungsschreiben anschließend der Öffentlichkeit zu vermitteln und eine etwaige offene Unterstützerszene zu mobilisieren: Die Taten sollten für sich sprechen. Zu beachten ist, daß unter Rechtsextremisten Neigungen zum Waffenbesitz verbreitet sind, der spontanes Handeln begünstigt. Bereits im Januar 1993 prophezeite der Hamburger rechtsextremistische Rechtsanwalt Jürgen RIEGER iner "Panorama"-Fernschsendung mit Blick auf Verbotsverfahren gegen neonazistische Organisationen: "Wenn diese Verbote tatsächlich durchgehen sollten, kriegen wir eine rechte RAF, da können Sie sicher sein. Wenn die ersten Reporter und Richter umgelegt sind, dann wissen Sie, es geht los! Nicht die Großen, wie der Präsident des Verfassungsgerichts, sondern Reporter, Richter, Polizisten. Diese Gruppierungen sind dran". Unberechenbar bleiben in diesem Zusammenhang deutsche rechtsextremistische Söldner, die aus dem ehemaligen Jugoslawien mit praktischen Waffenund Kampferfahrungen zurückkehren, nachdem sie dort ab 1991/92 auf kroatischer Seite u.a. 6 "gegendasSerbentum"gekämpft habenund Kontaktezu anderenausländischen rechtsextremistischen Söldnern knüpfen konnten. Diese Neonazis stellen ein großes Risiko dar, weil ihre Hemmschwelle, politische Ziele mit Gewalt gegen Menschen durchzusetzen, erheblich gesunken seindürfte. Man muß davon ausgehen,daß in den Söldnereinheiten, die an Kriegshandlungen in Kroatien und Bosnien-Herzegowina beteiligt waren, mehr als 100 Deutsche mit rechtsextremistischem Hintergrund ge kämpft haben. Die Zahl der deutschen Söldner insgesamt (u.a. ehemalige NVASoldaten, ehemalige Fremdenlegionäre, Kriminelle und Abenteurer) dürfte höher liegen. 'Aus Depots im kroatisch-bosnischen Grenzgebiet sollen Waffen, Sprengstoff ua nach Deutschland geschleust und im "rechten Lager" verteilt worden sein. Waffen und Minen aus einem am 2. November 1994 im Frankfurter Stadtwald entdeckten Erddepot, das mit einem Söldner einer Brigadeeinheit in Verbindung gebracht wird, sowie andere Querverbindungen beweisen die Emsthaftigkeit dieser Bedrohung. Ein durchstrukturierter Rechtsterrorismus hat sich bisher nicht ausgeformt. Zufallsfunde, 'Aussagebereitschaft von Tatverdächtigen, aber auch die offensive öffentliche Präsentation von Ermittlungsergebnissen der Sicherheitsbehörden haben solche Bestrebungen zumindest gestört. Gleichwohl sind Abschottungstendenzen und verbale Radikalisierungen warnende Zeichen. So wie aus der linken 68er Bewegung eine spezifische Ausformung desLinksterrorismuserwuchs,birgtdieganzandersstrukturierte Bewegung von rechts in ihrer Organisationsund Orientierungskrise Gefahren eines organisierten Rechtsterrorismus. Von November 1992 bis Ende 1995 sind in der Bundesrepublik elf rechtsextremistische Vereinigungen verboten worden, davon fünf auf Bundesund weitere sechs auf Länderebene. Hinzu kommen die nahezu flächendeckenden Verbote öffentlicher Betätigungen. Überlegungen zu neuen, gruppenübergreifenden - teils autonomen + Strukturen erhielten dadurch Auftrieb. Bei einzelnen Rechtsextremisten wird vor die'sem Hintergrund aber auch verstärkt darüber nachgedacht, zu einer militanten Praxis überzugehen. In ihre Überlegungen fließen zunehmend Prinzipien und Praxisanleitungen ein, die sie aus Erfahrungen und Handbüchern illegaler bzw. militanter/terroristischer Linksextremisten schöpfen. Deren rein operatives Instrumentarium ist austauschbar. Auch hat die Neonazi-Szene z.B. aus der Antifaoder der "Widerstandsrecht"-Kampagne des politischen Gegners gelernt und setzt sich mit deren theoretischen Abhandlungen zum "bewaffneten Kampf" auseinander. Es besteht die Gefahr, 'daß sich einige kleine rechtsextremistische Zirkel zu Quellen illegaler, auch militanter rechtsextremistischer Formierung entwickeln. Die US-amerikanische "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei/Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP/AO) mit Sitz in Lincoln/Nebraska (USA) war bisher bedeutende Lieferantin für entsprechende Ideen und Anleitungen. Ob sie diese Funktion unverändert fortsetzen kann, bleibt zu beobachten. Ihr selbsternannter "Propa- " 'gandaleiter", der Amerikaner Gary Rex LAUCK, wurde am 20. März in Dänemark festgenommen und sitzt seit seiner Auslieferung in Hamburg in Untersuchungshaft ?rBES50985 (9 Einzelheiten siehe 1.8.3). Als Reaktion auf LAUCKs Festnahme richtete die NSDAP/AO in der Notausgabe Juli/August des "NS-Kampfruf" eine Drohung an den angeblichen "Drahtzieher des Terrors", den sie für "die jetzige Terrorwelle gegen die Untergrundkämpfer im Reichsgebiet" verantwortlich machte: Generalbundesanwalt NEHM. Schon im Januar 1994 hatte LAUCK in dem von ihm herausgegebenen "NS-Kampfruf" unter der durchsichtigen Frage "Gewalt als Kampfmittel?" geschrieben: Jedem Nationalsozialisten zwinge sich angesichts des "andauernden und immer zunehmenden Terrorismus des Bonner Verratsregimes und seiner Killer-Kommandos" die Frage auf, *..ob eraufdie Gewalt als Kampfmittel verzichten soll oder nicht." Gegen den fanatischen Einzelkämpfer, der klar denke und kaltblütig handele, gäbe es keinen Schutz. Keineswegs zufällig wurde in der gleichen Ausgabe des "NS-Kampfruf" der revolutionäre Kleinkrieg nach "Werwolf"-Art propagiert. Bauanleitungen zur Herstellung von Sprengkörpern und Brandmitteln wurden u.a. auch über Mailboxen und als Broschüren veröffentlicht. Dieses unterstreicht, wie wichtig es ist, daß sich die Verfassungsschutzbehörden künftig noch intensiver auf die stärkere Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel und Datennetze durch Rechtsextremisten einstellen. 'Auch wenn es bisher keinen Hinweis auf praktische Umsetzungsüberlegungen gibt, wirft die theoretische Befassung mit Giftkampfstoffen in einem Fall doch ein Schlaglicht auf die Geisteshaltung einzelner Neonazis: Am 15. August wurden bei zwei Neonazis aus Sachsen - ehemaligen Funtionären der verbotenen "Deutschen Nationalisten" (DN) - im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen Verbreitens von Propa'gandamitteln verfassungswidriger Organisationen und wegen Volksverhetzung u.a. 81 Computerdisketten beschlagnahmt. Auf einer inzwischen entschlüsselten Datei "Anarchie" waren eine Einführung in die Sprengstoffchemie, Anleitungen zur Herstellung einer Rohrbombe und weiterer Sprengkörper sowie Hinweise zur Herstellung von Giftkampfstoffen, insbesondere Senfgas, gespeichert. Die latente Gefahr, daß sich aus erkennbaren Ansätzen tatsächliche terroristische Strukturen im strafrechtlichen Sinne (terroristische Vereinigungen im Sinne von $129a StGB) herausbilden, erfordert Wachsamkeit. Mit der "Wiking-Jugend" (WJ) hatte das Bundesministerium des Innern am 10. November 1994 eine Organisation verboten, aus der in ihrer über 40-jährigen Geschichte auch spätere Rechtsterroristen hervorgegangen sind. So waren der ehemalige WJ-Gauführer Uwe ROHWER 1979 wa. wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung und der ehemalige WJ-Gauführer Odfried HEPP 1987 u.a. wegen versuchten Mordes und Sprengstoffanschlägen verurteilt worden. z Im August wurde eine Reihe von Erddepots des Rechtsterroristen Peter NAUMANN bekannt. Der Vorgangwarf ein Schlaglicht auf Vorbereitungsprozesse bzw. Terrorismusverdachtspunkte, die Anlaß zur Sorge geben. NAUMANN hatte - medienwirksam - dem Bundeskriminalamt insgesamt 10 von ihm im Laufe von Jahren in Hessen und Niedersachsen angelegte Erddepots preisgegeben. Fast 200 kg (!) Sprengstoff, große Mengen Waffen, Granaten, Panzerminen und Munition wurden sichergestellt. Sie stammten überwiegend von einem verstorbenen Forstmeister namens LEMBKE, zum Teil aus dem ehemaligen Jugoslawien. Die Generalbundesanwaltschaft leitete gegen NAUMANN ein Ermittlungsverfahren nach $ 129a StGB wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung und des Verstoßes gegen das Waffenund Sprengstoffgesetz ein. NAUMANN gab an, sich wegen der Preisgabe der Depots mit demChef der 1992 verbotenen militanten "Nationalistischen Front" (NF), Meinolf SCHÖNBORN, dem neonazistischen Liedermacher Frank RENNICKE und dem ehemaligen NPD-Bundesvorsitzenden Günter DECKERT verständigt zu haben. Sie sollte angeblich die Konfrontation zwischen Staat und "nationalen Kräften" deeskalieren. Angesichts einer sich "zuspitzenden innenpolitischen Situation" wolle man mit einer "Strategie der kämpferischen Gewaltfreiheit" dem rechten Lager klar machen: "Wer bombt, unterstutzt die Feinde Deutschlands". Rechtsterrorismus führe "uns in eine endgültige politische und völkische Sackgasse." SCHÖNBORN verbreitete eine Stellungnahme, nach der ein Kampf zur Zeit nicht zu gewinnen sei. Dem "Versuch, uns zur Unzeitzu einem Kampf zu provozieren, der von Anfang an darauf ausgelegt ist, daß wir ihn verlieren", müsse entgegengesteuert werden. In der rechten Szene wurden NAUMANNS Selbstenthüllung und seine nachgeschobenen Weltverschwörungstheorien teilweise kritisch-spöttisch (,frischgeborener Friedensapostel"), aber auch entsetzt-frustriert kommentiert: Er habe in maßloser Überschätzung seiner politischen Wichtigkeit nicht begriffen, daß seine Aktion eine Kriminalisierung der "nationalen Opposition" auslöse. Für die Öffentlichkeit sei das vom Verfassungsschutz an die Wand gemalte "braune Terrorschreckgespenst" nun "endlich" Realität geworden. Der Verfassungsschutz könne sich bestätigt sehen und umgehend noch schärfere Maßnahmen gegen Rechtsextremisten fordern. Andere "Kameraden" empfanden es als ärgerlich, daß Material abgeliefert wurde, das man irgendwann noch gut hätte verwenden können. 'Auch Kritiker in NAUMANNs politischem Umfeld witterten Gefahr. Die Sicherheitsbehörden würden intensiv nach weiteren Beteiligten suchen und sich keinesfalls mit NAUMANNs Version zufrieden geben, über ein längeren Zeitraum ohne Unterstützung Dritter derart viele Depots angelegt und betreut zu haben. NAUMANNS Vorstoß ist mit Vorsicht zu bewerten. n 1.4 Neonazismus 1.4.1 Grundsätzliches Die neonazistische Szene befand sich Jahr unter den Nachwirkungen von inzwischen 11 staatlichen Verbotsakten unverändert in einer Neuorientierungsphase. 1992-1994 waren acht Vereinigungen (1992: "Nationalistische Front", "Deutsche Alternative", "Nationale Offensive", "Deutscher Kameradschafisbund Wilhelmshaven", 1993: "Nationaler Block", "Heimattreue Vereinigung Deutschlands", "Freundeskreis Freiheit für Deutschland"; 1994: "Wiking Jugend") verboten worden. 1995 kamen die "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei", die "Nationale Liste" und die "Direkte Aktion/Mitteldeutschland" hinzu. 'Am Jahresende existierte mit der "Hilfsgemeinschaft für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG (r) siehe 1.4.4) nur noch eine überregional [nren t bedeutsame, in der Öffentlichkeit aber kaum in Erscheinung tretende NeonaziOrganisation. Weitere überregionale Vereinigungen, wie die "Deutschen Nationalisten" und "Die Nationalen e.V.", hatten kaum arbeitsfähige Untergliederungen vorzuweisen. Sie waren somit nur sehr eingeschränkt zu kontinuierlichen Aktivitäten imstande. Im übrigen reduzierte sich der organisierte Neonazismus fast ausschließlich auf Kleinund Kleinstgruppen mit lediglich örtlichen oder allenfalls regionalen Wirkungskreisen. Mittels neuer Strategien versuchten Neonazis deshalb, die staatlichen Vereinigungsverbote zu unterlaufen und ihre politische Tätigkeit auf anderer Basis fortzuführen. Dabei zeichneten sich Modelle ab, in denen herkömmliche Organisationen durch informelle Strukturen ersetzt sowie kräftezersplitternde Rivalitäten und persönliche BaAESuTaAse 'Animositäten überwunden werden sollten. Die im Frühjahr 1992 ins Leben gerufene Anti-Antifa-Kampagne (9 siehe 1.4.2), die sich u.a. die Schaffung einer rechten "Einheitsfront" zum Ziel gesetzt hatte, markierte 'einen ersten Einstieg in diese Richtung. Aufeinen einzigen Zweck beschränkt - Ausforschung des politischen Gegners - sollte sie zu einer Kooperation von Neonazis aus allen Gruppierungen führen und bestehende Organisationsgrenzen aufbrechen. Interne Differenzen zwischen den einzelnen Gruppierungen sollten hinter der vorrangigen und übergeordneten gemeinsamen Aufgabe zurückstehen. Diese Konzeption versprach der neonazistischen Szene zum einen juristische "UnanFR ortastbarkeit". Personenzusammenschlüsse wie die Anti-Antifa konzentrieren sich lediglich auf ein begrenztes Thema, ohne sich dabei mit einer verletzbaren Organisationshülle zu umgeben. Da ihnen vereinsoder parteirechtlich faßbare Strukturen fehIen, können sie nicht mit Organisationsverboten belangt werden. Zum anderen er- 7 leichtert ein überschaubaresgriffiges Thema es den Neonazis, ihr Gemeinschaftsbewußtsein zu stärken und Streitigkeiten der Gruppen untereinander zurückzustellen. Trotz ihres aus der Anti-Antifa-Kampagne bezogenen neuen Elans konnte die Neonazi-Szene bislang kein neues vergleichbares zentrales Agitationsthema besetzen. Selbst zu Anlässen mit hohem symbolischen Stellenwert wurde nicht einmal versucht, daran überregional oder gar bundesweit einheitliche Strategien zu entwickeln. So blieb es anläßlich des 50. Jahrestages des Kriegsendes und der Rudolf-HESS-Aktionswoche lediglich bei Veranstaltungenauf regionaler Ebene. Über punktuelle Vernetzungen hinaus strebten Teile des neonazistischen Lagers weiterhin eine dauerhafte, umfassendere Zusammenarbeit an. Möglichst alle "nationalen" Kräfte sollen sich in Form einer "Bewegung" zusammenschließen, die ebenfalls keine formellen - durch Verbotsmaßnahmen angreifbaren - Strukturen aufweist. Der Bewegungsgedanke verfolgt eine viel weitergehende Perspektive als die zuvor beschriebene themenbezogene Vernetzung. Differenzen im rechtsextremistischen Spektrum sollen nicht mehr nur einzelfallbezogen, sondern unter dem Dach einer breiten Bewegung generell überwunden werden. Alle "nationalen" Deutschen sollen gleichsam im Schulterschluß ihre politische Tätigkeit auf die wichtigste gemeinsame Aufgabe konzentrieren: den Kampf gegen das "herrschende System". An die Stelle von Parteioder Vereinsmitgliedschaften soll das alle verbindende Bewußtsein treten, dem vereinten "nationalen Widerstand" anzugehören, der staatlicher Repression trotzt und mutig die Auseinandersetzung mit dem System sucht. In der Praxis haben die Neonazis sich diesem hochgesteckten Ziel, herkömmliche Or'ganisationsstrukturen durch eine bundesweit agierende Bewegung zu ersetzen, jedoch nicht einmal ansatzweise nähern können. Unverändert stehen persönliche Rivalitäten und Führungsstreitigkeiten einer Einigung entgegen. Eine allgemein anerkannte Führungsfigur, die eine überregionale Neustrukturierung der neonazistischen Szene auf den Weg bringen könnte, fehlt. Als zusätzliches Hemmnis erweist sich ein deutlicher Generationswechsel an der Spitze der Neonazis. Zum einen haben sich viele erfahrene Führungspersonen - teilweise unter dem Eindruck der staatlichen Exekutivmaßnahmen - zurückgezogen, wurden zu Haftstrafen verurteilt oder schränkten wegen noch anhängiger Strafverfahren und drohender Verurteilungen ihre politische Tätigkeit ein. Einzelne vermeintliche "Führer" stießen anschließend in der Szeneauf offene Ablehnung und Verachtung. Indem einige sich vor 'Gericht z.B. durch Schuldeingeständnisse und Belastung von Mitangeklagten mildere Strafen zu "erkaufen" versuchten, wirkten sie auf das rechtsextremistische Umfeld demoralisierend. Zum anderen sind die neuen Neonazi-Kader bislang nicht imstande, auf Bundesebene maßgebliche Akzente zu setzen und eine Führungsrolle zu übernehmen, da ihre Bedeutung zumeist regional begrenzt ist. 'Vordiesemfürdie Szene ungünstigen Gesamthintergrund beschränkten sichdie neo'nazistischen Aktivitäten auf örtliche und regionale Veranstaltungen. Aus ihren Entwürfen zu intensiverer Zusammenarbeit hatte die Szene neue Zuversicht geschöpft. Ein Aufbruch zu alternativen Aktionsund Organisationsformen, die interne Abgren'zungenüberwinden sollten,war angesagt,wurde abernichteingelöst. Um ihren legalen Handlungsspielraum zu erweitern, gingen Neonazis dazu über, sich in sonstige rechtsextremistische Parteien und Vereine - teils auch nur pro forma - zu integrieren. So suchten sie Anschluß z.B. bei der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD), bei der NPD-Jugendvereinigung "Junge Nationaldemokraten" (IN) oder bei der "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (DLVH). Durch solche Einbindungeneröffneten sie sich Spielräume,umbereitsverhängteoder nochdrohende Verbote neonazistischer Vereinigungen kurzfristig zu unterlaufen. Zum anderen verbanden sie damit Hoffnungen, ihre "Zielorganisationen" langfristig unterwan'dern zu können. In ihrer neuen politischen Umgebung entwickelten Neonazis auffälliges Interesse, Einflußauf deren Publikationswesen zu gewinnen und sich dort Plattformen zur Verbreitung ihrer politischen Ziele zugänglich zu machen. Mehrere ehemalige Funktionäre verbotener Vereinigungen wurden beispielsweise als Redaktionsmitglieder der bundesweiten JN-Schrift "Einheit und Kampf" oder der von der rechtsextremistischen Gruppierung "Die Nationalen e.V." herausgegebenen "Berlin-Brandenburger Zeitung" aufgeführt. Parallel zur forcierten strukturellen Vernetzung haben Neonazis ihre schon 1993/94 begonnene technische Vernetzung weiter ausgebaut. Moderne Kommunikationsmittel (Info-Telefone, Mailboxen, Mobiltelefone) sollen helfen, fehlende formale Strukturen zumindest teilweise zu kompensieren. Während die Nationalen Info-Telefone offen Informationen aus der Szene verbreiten, können Mailboxen sowohl allgemein zugängliche als auch nur autorisierten Personen vorbehaltene Ebenen besitzen. Sie sind darüber hinaus auch für interne (Strategie)Diskussionen sowie für den Austausch vertrauliche Daten nutzbar. Mobiltelefone erlauben es Neonazis aufgrund ihrer flexiblen Handhabbarkeit, kurzfristig zu Kundgebungen zu mobilisieren, deren Veranstaltungsorte bis zuletzt geheimgehaltenen werden. Der stärkere Einsatz neuer Kommunikationstechniken unterstützt somit die Bemühungen der Neonazi-Szene, sich - bei gleichzeitiger Abschottung nach außen - enger zusammenzuschließen und in elektronisch gestützter "Tuchfühlung" situationsgerechter agieren und reagieren zu können. Nach anfänglichen erfolgversprechenden Ansätzen 1993/94 sprach am Jahresende nur noch wenig dafür, daß die bundesdeutschen Neonazis in naher Zukunft mit ihren neuen Konzeptentwürfen auch praktisch deutlich vorankommen werden. Zwar inve75 stierte die Szene in steigendem Umfang in die Aufrüstung mit Info-Telefonen, Mailboxen sowie Mobiltelefonen und damit in einen intensiveren internen InformationsLzsm austausch. Ihr eigentliches Ziel, sich mittels moderner Kommunikationstechniken auch extern - mithin öffentlichkeitswirksam - nachhaltiger in Szene setzen zu können, wurde innerhalb Deutschlands durchgängig von staatlichen Veranstaltungsverboten durchkreuzt. Allenfalls regional - wie im Falle der diesjährigen Rudolf-HESS-Kundgebung am 19. August in Schneverdingen - gelang es, Verbotsverfügungen zu unterlaufen ((r) siehe 1.4.3.1). Die von den Neonazis verbuchten Vorteile aus der themenbezogenen Vernetzung, z.B. der Anti-Antifa-Kampagne, konnten Nachteile aus ihrer staatlicherseits erzwun>D genen öffentlichen Abwesenheit keineswegs kompensieren. Punktuelle Zusammenarbeit in formal strukturlosen - gegen Verbotsakte daher immunen - Personenzusammenschlüssen konnte sich zwar relativ gefahrlos entwickeln. Sie war jedoch außerstande, rechtsextremistisches Gedankengut systematisch in breitere Gesellschaftsschichten zu tragen. 1.4.2 Anti-Antifa Die Anti-Antifa-Kampagne wurde im Frühjahr 1992 von dem stellvertretenden Vorsitzenden der zwischenzeitlich verbotenen Hamburger "Nationalen Liste" (NL), Ta 'Christian WORCH, vor dem Hintergrund zunehmender Übergriffe linksextremistischer "Antifaschisten" auf Angehörige des rechtsextremistischen Spektrums ins Leben gerufen, um mit ihrer Hilfe den Übergang von der "ständigen Defensive ... in die politische Offensive" einzuleiten. Die Anti-Antifa hat zwei strategische Hauptziele: Sie soll erstens "Feindaufklärung" betreiben, indem sie alle erhältlichen Informationen über politische Gegner erfaßt und verbreitet, und zweitens den gemeinsamen Nenner einer "Einheitsfront" organisationsübergreifender Aktionsgemeinschaften in einer "Volksfront von Rechts" abgeben. Den bisherigen Höhepunkt in dieser Hinsicht stellte die Ende November 1993 erschienene Anti-Antifa-Publikation "Der Einblick" dar, in der auf rund 40 Seiten "linke" Personen und Gruppierungen aus dem gesamten Bundesgebiet aufgelistet wurden, verbunden mit der unmißverständlichen Aufforderung an die eigenen "Kameraden", diese auf ihre Gesinnung "anzusprechen". Am 31. Januar wurden die beiden Hauptverantwortlichen zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung bzw. einem Jahr Haft mit Bewährung verurteilt. Nicht zuletzt infolge dieses konsequenten Vorgehens der Gerichte und der Strafverfolgungsbehörden sind nach dem Erscheinen des "Einblick" keine weiteren überre'gionalen Anti-Antifa-Publikationen bekannt geworden. 76 Das zweite zentrale Ziel der Anti-Antifa-Kampagne, die Schaffung einer "Einheitsfront", kennzeichnet das Bestreben, organisationsübergreifende Aktivitäten zu entwickeln, an denen sich Rechtsextremisten aus allen Gruppierungen beteiligen können und sollen. Dieses Zusammenwirken soll bestehende Organisationsgrenzen aufbrechen. Die Anti-Antifa ist nur eines unter mehreren identitätsstiftenden Themen, mit deren Hilfe Rechtsextremisten vor dem Hintergrund ihrer Wahlmißerfolge und der gegen sie gerichteten staatlichen Repressionen versuchen, ihre Zusammenarbeit untereinander zu forcieren und gemeinsame Aktionsfelder zu eröffnen. Das Konzept der Anti-Antifa hat in neonazistischen, aber auch anderen rechtsextremistischen Kreisen, wie z.B. der "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (DLVH) und den "Jungen Nationaldemokraten" (IN), der Jugendvereinigung der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD), zunächst positive Resonanz gefunden. Über ihre sonstige politische Tätigkeit hinaus haben Einzelaktivisten und Angehörige bestehender Organisationen - teilweise in eigens zu diesem Zweck gegründeten AntiAntifa-Gruppen - die Ausforschung mißliebiger Personen aufgenommen. Die gesammelten Daten wurden auf Flugblättern und in rechten Publikationen, wie 'dem "Index" der NL (bis zu deren 1995 erfolgtem Verbot) und den "Nachrichten der Hilfsgemeinschaft für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V.", abgedruckt. Neben schriftlichen Veröffentlichungen wurden sowohl über rechtsextremistische Mailboxen als auch zum Teil über "Nationale Info-Telefone" Informationen ausgetauscht und für eine Mitarbeit in der Anti-Antifa geworben. Die Anti-Antifa hat - gemessen an ihrem ursprünglichen Anspruchals bundesweites, organisationsübergreifendes Aktionsfeld für Rechtsextremisten inzwischen an Bedeutung eingebüßt. Nach einem anfänglichen, vor allem durch die Herausgabe des "Einblick" verursachten rapide ansteigenden Interesse, war die Zahl der in der Anti'Anti 'ampagne derzeit noch engagierten Aktivisten deutlich rückläufig. Zudem richtete sich das Ausforschen der verschiedenen Gruppen und Einzelpersonen weitgehend nur auf ihr jeweiliges Örtliches Umfeld. Die überregionale Zusammenarbeit beschränkte sich auf Einzelfälle, in denen Erkenntnisse ausgetauscht wurden. Das ursprünglich angedachte Ziel der Anti-Antifa, die von ihr gesammelten Erkenntnisse zentral auszuwerten, wurde nicht verwirklicht. Dem weitergehenden Ziel einer "Ein'heitsfront" konnte sie sich nicht einmal ansatzweise annähern. 'Aus den in Hamburg im Berichtsjahr bekanntgewordenen Aktivitäten der Anti-Antifa kann geschlossen werden, daß in der Regel Personen und Objekte aus der Region ausgespäht wurden. So verteilten unbekannte Täter Anfang Mai in Altona im Wohnumfeld einer PDSBundestagsabgeordneten ein Flugblatt, in dem ihr vorgeworfen wurde, ihre aus parlamentarischen Anfragen gewonnenen Informationen über die nationale Opposition an die Antifa weiterzugeben. Sie fungiere damit als "Bindeglied der SED / PDS zur linksradikalen Szene". Das Pamphlet schloß mit der Aufforde- ung, die "Volksvertreterin"auf diese Beziehungen "anzusprechen" und ihr klarzumachen, daß auch nationalgesinnte Menschen ein Recht auf freie Meinungsäußerung, und politische Betätigung hätten. Der Fortschritt der "nationalen" Opposition dürfe nicht durch solche Personen behindert werden. Als Kontaktadresse der Anti-Antifa wurde auf dem Flugblatt, das auch in verschiedenen rechtsextremistischen Publikationen abgedrucktwurde,u.a. dasPostfachdes IN-LandesverbandesHamburg angegeben. Neben den "Linken" standen auch wiederum öffentlich Bedienstete im Visier der Anti-Antifa. Hintergrund für diese Ausweitung ihrer "Zielgruppe" ist ein verändertes Feindbild der Rechtsextremisten. In den vergangenen Jahren betrachteten sie in erster Linie aktive "Antifaschisten" als Hauptgegener, weil diese rechtsextremistische Veranstaltungen auch mit militanten Mitteln zu verhindern versuchten. Infolge des entschlossenen staatlichen Vorgehens gegen "Rechts" mit zahlreichen Organisationsund Veranstaltungsverboten sowie den zum Teil drastischen Gerichtsurteilen gegen rechte Straftäter fühlen sie sich nunmehr gleichermaßen von Funktionsträgern der Exekutive und der Judikative angegriffen. Die Antifa-Antifa hat ihrer Ausforschungstätigkeit daher auf öffentlich Bedienstete ausgedehnt. In dem Maße, wie sie sich infolge der staatlichen Rechtsextremismusbekämpfung in ihren verfassungsfeindlichen Bestrebungenimmer stärker eingeschränkt sehen, schließen sie die nach ihrer Meinung dafür zur Rechenschaft zu ziehenden Verantwortungsträger als Zielobjekte in die Anti-Antifa-Kampagne ein. Vor diesem Hintergrund zeichnete sich unter den Anti-Antifa-Aktivisten die - zumindest verbal geäußerte - Bereitschaft ab, die gesammelten Informationen nunmehr zu nutzen, um zur angekündigten "Offensive" überzugehen - einer Offensive, die über die bloße Veröffentlichung von Daten hinausgehen würde. 1.4.3 Ereignisse: Rudolf-HESS-Aktionswoche und Heldengedenktag Für Rechtsextremisten sind öffentlichkeitswirksame Aktionen ein wesentlicher Bestandteil ihrer Taktik und Propaganda. Um sich selbst, ihre Anhängerschaft und "nationale" Gesinnung effektvoll in Szene zu setzen, versuchen ihre Führer zu symbolträchtigen Gedenkanlässen alljährlich, im großen Stil öffentliche Aufmärsche zu veranstalten. Dabei haben sich zwei Hauptereignisse verfestigt: Gedenkaktionen zum Todestag des HITLER-Stellvertreters Rudolf HESS im August und der sog. "Helden'gedenktag" am Volkstrauertag im November. Staatliche Maßnahmen haben es Rechtsextremisten zunehmend erschwert, in der Bundesrepublik zentrale Großveranstaltungen durchzuführen. Saalveranstaltungen, Kundgebungen und Aufmärsche unter freiem Himmel konnten in den letzten Jahren mit wenigen Ausnahmen unterbunden werden. Dennoch ist es Neonazis in Einzelfäl- gelungen, Lücken für demonstrative Akte zu finden. Teilweise wurde auf Schauim europäischen Ausland ausgewichen. In der Zusammenarbeit und Begegbei Gedenkaktionen suchen rechtsextremistischen Gruppierungen IntegrationsIdentifikationseffekte und Gelegenheiten, Stärke zu demonstrieren. Auch werden 'Anlässe als Chance gesehen, wenigstens punktuell Verbotsfolgen zu kompenund den Zusammenhalt des rechten Spektrums zu bewahren. 14.3.1 Rudolf-HESS-Aktionswoche Am 17. August jährte sich der Todestag des ehemaligen Hitler-Stellvertreters und Kriegsverbrechers Rudolf HESS zum achten Mal. HESS war 1987 im Alter von 92 Jahren im Kriegsverbrechergefängnis der Alliierten des 2. Weltkrieges in BerlinSpandau als letzter verbliebener Häftling verstorben und anschließend in Wunsiede/Bayern beigesetzt worden. Seitdem organisierten rechtsextremistische Gruppen alljährlich Gedenkkundgebungen sowie andere öffentlichkeitswirksame Aktionen in zeitlicher Nähe zum Todestag. In den Jahren 1988-1994 hatten in unterschiedlicher Ausgestaltung "Rudolf-HESS'Gedenkmärsche" und Kundgebungen stattgefunden, die sich von Jahr zu Jahr be'achtlichen Zulaufs erfreuten und mit 2500 Teilnehmern 1992 in Rudolstadt einen Höhepunkt fanden. Neben symbolischer Manifestation konnten über ideologische Gräben hinweg Vernetzungseffekte erzielt werden. Sie ermöglichten Aktionseinheiten 'von Neonazis über Skinheads und Mitgliedern rechtsextremistischer Parteien bis hin 'zuGeschichtsrevisionisten. Seit 1989 wurden die Kundgebungen zum Teil von massiven, auch gewalttätigen linksextremistischen Protestaktionen begleitet. Um direkten Konfrontationen auszuweichen und Veranstaltungsverbote zu umgehen oder zu vermeiden, reagierten Rechtsextremisten zunehmend mit konspirativen Verhaltensweisen. Vorbereitungen 1995: Um Veranstaltungsverbote zu unterlaufen, meldeten Rechtsextremisten wiederum bundesweit Kundgebungen an, deren vorgeschobenes Motto - zB. sozialpolitischen Inhalts - den wahren Hintergrund verschleiern sollte, Mit Täuschungsmanövern hofften sie, sich Spielräume für genehmigte Gedenkkundgebungen erschleichen zu können, die auf dem Papier als solche nicht erkennbar sein sollten. 'Auch sollte die Tatsache, daß als Anmelder von Kundgebungen demonstrativ namhafte, den staatlichen Institutionen zweifellos einschlägig bekannte, Rechtsextremisten vorgeschoben wurden, die unterstellte Ablehnungs-"Maschinerie" der Behörden nicht zur Ruhe kommen lassen. Zugleich konnten die - erwartungsgemäß - verhängten Veranstaltungsverbote als Aufhänger für die eigene Agitation und Propaganda genutzt werden. 79 Während 1994 die Vorbereitungen des eigens dafür gegründeten "Wunsiedel. tees" schon im Frühjahr begonnen hatten, liefen die Aktionsplanungen in diesem nur zögerlich an. Realistisch schätzten führende Neonazis die Erfolgschancen eis zentralen Aufmarschplanung in Deutschland - selbst unter enormem organi: schen Aufwand - gering ein. Das "Wunsiedel-Komitee" wurde daher gar nicht nik "erst einberufen. Die Erfahrungen von 1993 und 1994, als wegen umfangreicher zeikontrollen und Problemen der Funkkoordination viele Demonstrationswillige Veranstaltungsorte verfehlt hatten, waren nicht vergessen. Es wurden daher " fältige und kreative" Aktionenaufregionaler Ebene oder ein Gedenkmarsch im 'nachbarten Ausland angedacht. Ende Juni begannen Mailboxen und "Nationale Infotelefone" in verschiedenen desländern, für eine "Rudolf-HESS-Aktionswoche" zu mobilisieren. Zwischen dem 12. und 20. August sollten im gesamten Bundesgebiet "nationale Bürger an die mordung von Rudolf HESS" erinnern. Die Aufrufe übernahmen inhaltlich ein ge meinsam vom sogenannten "Wunsiedel-Koordinationsbüro" sowie von der Wähler: 'gemeinschaft "Die Nationalen" unterzeichnetes und über eine niederländische Postfachanschrift herausgegebenes Flugblatt. Darin hieß es, trotz "wachsender Repressi. on gegen den nationalen Widerstand" werde zu kreativ-phantasievollen, effektiven, und öffentlichkeitswirksamen Aktionen aufgerufen. "National-autonome Fußballfreunde" wurden aufgefordert, ihre Mannschaft mit "Aufklärungsmaterial" zum Fall HESS zu unterstützen - eine Umschreibung für Propagandaaktionen in Fußballstadien. Gleichzeitig wurde an die Beachtung der "derzeit geltenden" Gesetze erinnert. Die Informationen sollten "alle Kameradinnen und Kameraden mit Szenehintergrund" über die internen Funktelefone, die netzunabhängigen Mailboxen und über das "bekannte Kuriersystem" erreichen. Die Vorbereitungen der HESS-Gedenkaktionen wurden dieses Mal jedoch nicht zentral koordiniert. Im übrigen bewirkten persönliche Animositäten und unterschiedliche taktisch-strategische Bewertungen, daß neben durchaus wirkungsvollen regionalen Propagandaaktionen schließlich zwei voneinander unabhängige zentrale HESS-Gedenkmärsche vorbereitet wurden. Einige Neonaziführer befürworteten aufgrund von Erfahrungen der Vorjahre eine Demonstrationim Ausland. Anderelehnten dasnach Fluchtaussehende Ausweichen ins Ausland ab, weil es gerade in Zeiten zunehmender Repression darauf ankomme,in Deutschland Präsenz zu demonstrieren. Ende Juli lud die "Dänische Nationalsozialistische Bewegung" (DNSB) zu einem "Rudolf HESS-Gedenkmarsch" nach Roskilde/Dänemark ein. Im Frühjahr hatte die DNSB u.a. die vom US-Amerikaner Gerhard "Gary" LAUCK geführte NSDAP/AO zu einem internationalen Kongreß nach Dänemark eingeladen. LAUCK war dort am 20. März auf dem DNSB-Gelände in Greve festgenommen worden und saß zunächst in Roskilde, später in Kopenhagen, bis zu seiner Auslieferung nach Hamburg am $. 'mber in Abschiebehaft ((r) siehe 1.8.3). Der als "gesamteuropäisch" angekünMarsch sollte deutschen Veranstaltungsverboten zum Trotz nun erst recht Einit und Stärke demonstrieren. Ausdrücklich wurde betont, daß das Tragen von NSiformen und Symbolen in Dänemark nicht strafbar sei. Während nach Roskilde öfich mobilisiert wurde, lief die Vorbereitung von Kundgebungen in Deutschland erwarteter Verbote konspirativ über Mundpropaganda und über die als abhörgeltenden Mobiltelefone. jnswochenende 12/13. August: Im Gegensatz zu 1994 blieben größere Aktionen am ersten Wochenende aus. Es wurden Propagandamaterial verteilt und Kranziederlegungen initiiert. Etwa 80 Rechtsextremisten versuchten in Frankenberg/Sacheine als "Kameradschafisreffen" getamte HESS-Gedenkfeier durchzuführen. 55 Personen wurde bis zum Ende der Aktionswoche Präventivgewahrsam verhängt. Dieses löste bundesweit im rechtsextremistischen Spektrum heftige Empörung und Proteste aus. In einer Sonderansage des "Nationalen Info-Telefons" Schleswig-Holstein (Standort: 'ehemalige FAP-Bundesgeschäftsstelle in Halstenbek-Krupunder) vom 14. August wurde ein gemeinsamer Aufruf des Hamburger Ex-FAP-Landesvorsitzenden Andre 'GOERTZ und des Hamburger Landesvorsitzenden der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN), Jan ZOBEL, an die "Verantwortlichen der Bundesrepublik" verlesen. Anknüpfend an die Ereignisse in Sachsen verkündeten beide: "Es reicht!" Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit werde für "nationale Bürger" praktisch außer Kraft gesetzt. Während gewalttätige Punker während der "ChaoStage" in Hannover straffrei blieben, würden "nationale Bürger" vorbeugend inhaftiert. Auch wurde die Ungleichbehandlung linksund rechtsextremistischer Aktionen angeprangert: Demonstrationen der verbotenen PKK oder des RAF-Umfeldes würden geduldet, jedes Öffentliche Auftreten "nationaler Bürger" dagegen unterbunden. GOERTZ und ZOBEL warnten den Staat, "permanente Eingriffe in die Grundrechte nationaler Menschen" zu unterlassen. Repressionsmaßnahmen hätten bei den Betroffenen Wut aufgestaut, die zu eskalieren drohe. Um den ernsthaften Willen der "nationalen Opposition" zu einer friedlichen Lösung zu dokumentieren, sollte für 'den 20. August eine Kundgebung zur Erinnerung an Rudolf HESS angemeldet werden. Mit der großzügigen Genehmigung dieser Veranstaltung könne der Staat seinerseits einem unkontrollierten Ausbruch von Gewalt deeskalierend vorbeugen. Dieser Ansage entsprechend meldete der Bundesgeschäftsführer der IN für den 19. 'August eine Demonstration in Hannover unter dem Tenor "Wenn Chaos herrscht im 'ganzen Land, brauchen wir die starke Hand" an. Diese und alle anderen während der Aktionswoche bundesweit angemeldeten Demonstrationen wurden von den Behörden verboten. Die Demonstrationsverbote wur- den ausnahmslos beachtet. In mehreren Bundesländern,insbesonderein Sachsen, Bayern, Thüringen und Hessen, kam es zu zahlreichen Flugblattverteilungen sowie Klebeund Sprühaktionen. In Hamburg fanden während der gesamten Aktionswoche verschiedene Aktionen zum HESS-Gedenken mitgeringeröffentlicherWirkung statt. Sowurden in mehreren Hamburger Stadtteilen und an der Synagoge in Eimsbüttel ab 11. August Plakate "Rudolf HESS Märtyrer des Friedens" mit dem Impressum des ehemaligen FAPLandesvorsitzenden Hamburg, Andre GOERTZ, verklebt und Flugblätter der IN/ NPD (V.i.S. Jan ZOBEL, JN-Bundespressesprecher und Landesvorsitzender Hamburg) verteilt. Personenfeststellungen ergaben, daß sich Skinheads aus dem Bereich der ehemaligen NL-Kameradschaft Bramfeld-Farmsen-Rahlstedt als Verteiler mitbetätigten. Aktionswochenende 18./19. August: Noch am 15. August verkündete das "Nationale Info-Telefon" (NIT) Hamburg,daß es keinen zentralen Aufmarsch geben werde, da ein Versammlungsrecht für "nationale Bürger" praktisch nicht existiere. Wegen erwarteter staatlicher Repressionen planten regionale Aktionsbündnisse vor allem Spontankundgebungen. Kurzfristig wurde von Führungspersonen der ehemaligen FAP zu öffentlichen HI Gedenkaktionen in Hamburg mobilisiert. Am 18. August wurden erkannte Rechtsextremisten anläßlich des Fußballspiels HSV /. Bremen durch die Polizei am desHamburger Volksparkstadions gehindert. Es bestand derVerdacht, daß siewi im öffentlichen Aufruf vorgesehen - das Spiel durch HESS-Sympathieaktionen st wollten. Ebenfalls am 18. August versammelten sich 58 Neonazis zu einer Sponi stration am U-Bahnhof Habichtstrasse im Stadtteil Barmbek. Aus dem Aufzug h wurden "HESS"-Parolen skandiert. Der Aufzug wurde nach wenigen Minuten der Polizei aufgelöst, 15 Personen in Gewahrsam genommen. In einer rung der JN vom 19. August feierte ZOBEL die Demonstration dennoch cherisch als Erfolg: Es sei der "nationalen Jugend Hamburgs und Schleswigsteins" gelungen, von ihrem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit Gebrauch zu chen und eine Demonstration "zu Ehren des Friedensfliegers und Märtyrers R HESS" durchzuführen. Die Erklärung endete mit der vagen Drohung, im Falle rer Veranstaltungsverbote "neue Wege" zu beschreiten. An den Hamburger Akti waren nur einzelne Anhänger der verbotenen NL beteiligt. Selbständige Aktionen diesem Kreis heraus wurden nicht festgestellt. Europäischer Gedenkmarsch Roskilde/Dänemark 19. August: Für die genehmi Demonstration in Roskilde wurde auf Flugbliättern und über die deutschen ""Nati len Info-Telefone" offen geworben. In Hamburg hatte Christian WORCH den Au 2 unter Anhängern der verbotenen NL und ihnen nahestehenden Skinheads verbreitet. Bereits am 18. August reisten deutsche Neonazis und Skinheads mit privaten Autos nach Dänemark ein. Etwa 80 mutmaßliche Demonstrationswillige scheiterten an den 'Ausreisekontrollen des Bundesgrenzschutzes und wurden nicht durchgelassen. We'gen der geographischen Randlage Dänemarks - lange Anreisewege für Interessenten aus Süddeutschland - hatten sich fast ausschließlich Neonazis aus den nördlichen Bundesländern auf den Weg gemacht. Das Anwesen des DNSB in Greve diente als zentraler Anlaufpunkt für die aus Norwegen, Schweden, Dänemark, Großbritannien und der Bundesrepublik angereisten Rechtsextremisten. 'Am 19. August marschierten insgesamt etwa 150 Neonazis, darunter Anhänger der verbotenen FAP (u.a. Friedhelm BUSSE, ehemaliger Bundesvorsitzender) und der 'NL (u.a. die Hamburger Christian WORCH und Thomas WULFF) in Roskilde auf. Die Demonstranten hatten sich mit Hakenkreuzfahnen, der "SS-Standarte" sowie Transparenten "Stoppt den BRD-Staatsterror" drapiert. Neben dem ehrenden Andenken an HESS sollte auch für die Freilassung von "Gary" LAUCK, dem in dänischer Auslieferungshaft sitzenden Leiter der NSDAP/AO, demonstriert werden. LAUCK war 'jedochbereits von Roskildein ein anderes Gefängnis nach Kopenhagenverlegtworden. Der Aufmarsch wurde von etwa 400 Gegendemonstranten des linksextremistischen 'autonomen Spektrums gestört. Als sie die Neonazis mit Steinen und Flaschen angriffen, löste die zahlenmäßig nur zurückhaltend vertretene dänische Polizei den Aufzug aufund dirigierte die Neonazis zu ihren Fahrzeugen zurück. Bei weiteren Auseinandersetzungen wurden PKWs und ein Reisebusder Neonazis beschädigt, einige Perso'nen verletzt. Anschließend sammelten sich die Neonazis auf dem DNSB-Stützpunkt in Greve. istian WORCH verfaßte einen in den "HNG-Nachrichten" (HNG > siehe 1.4.4) kten Verlaufsbericht, in dem er sich beim DNSB für die gelungene Organides HESS-Marsches bedankte und zugleich anregte, die Demonstration 1996 in jark zu wiederholen. Zwischenzeitlich sollten die Kontakte der Deutschen zum 'B gefestigt und ausgebaut werden. WORCH beklagte sich über das Verhalten des zschutzes: "Wie zu Honeckers Zeiten" sei zahlreichen Demonstrationsdie Ausreise aus Deutschland verwehrt worden. WORCH stellte im übrigen " daß nach dem Mißerfolg von 1994 in Luxemburg in diesemJahrder "offizielle" 'marsch in Roskilde stattgefunden habe. Mit diesem Hinweis relatier den Stellenwert der parallelen HESS-Aktion in Schneverdingen, deren Verebenfallsfür sich reklamierten, "den" nationalen Widerstand zu verkörpern. nkmarsch Schneverdingen 19. August: Andere Neonazikreise mobilisierten ab dem 16. Augustin der Schlußphase unter Einsatz von Mobiltelefonen - zu eiGedenkmarsch in Niedersachsen. Es gehörte zu den konspirativen Vorbereiimständen der Demonstration, daß den Anreisenden am 19. August zunächst le- 3 diglich nach Arteiner Schnitzeljagd die nacheinander anzulaufenden Ortschaften Handy bekanntgegeben wurden, damit sie überhaupt erst einmal den Antreteplatz reichen konnten. Etappenweise wurden sie zum eigentlichen Veranstaltungsortdir Den Ehrenfriedhof in Schneverdingen erreichten etwa 200 zum Teil vermi Rechtsextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet. Während der friedlich den Demonstration wurden u.a. die Reichskriegsflagge sowie Transparente mit 'Aufschrift "Ehre für Rudolf HESS" und "Hiermarschiert dernationale Wi gezeigt. Unbekannte Täter - vermutlich politische Gegner - steckten zwei PKWs gereister Berliner Neonazis in Brand. Auf der Anreise nach Schneverdingen der Bundesvorsitzende der "Deutschen Nationalisten", Michael PETRI, und in Unterbindungsgewahrsam genommen. Gegen 15 Personen ergingen PI weise, Erst als die Demonstranten wieder zum Friedhof zurückkehrten, wurden von Polizeikräften sowie einzelnen autonomen Gegendemonstranten erwartet. meisten Demonstrationsteilnehmer konnten unbehelligt abreisen. Die Schneverdinger Aktion wurde insbesondere wegen der konspirativen, erfolgreich gcheimgehaltenen Vorbereitung als gelungener Schachzug gefeiert. Spontan waren, auch zuvor an der dänischen Grenze zurückgewiese Neonazis dazugestoßen, darunter' auch einige Hamburger. Das Hamburger "Nationale Info-Telefon" buchte die De, monstration als Erfolg der norddeutschen Aktivisten, die einen Überrasch: 'gelandet hätten. woche" insbesondere die Hamburger Aktionen. Polemisch und abwertend äußerte sich das NIT allerdings über den Marsch in Roskilde. Dort hätten sich "mostalgische NS-Anhänger" zu einer "chaotischen Demo" versammelt, um mit "Hakenkreuzfahnen undHitlergruß" durch die Straßenzuziehen. Der Marsch habenicht nur R HESS gegolten, sondern auch der Solidarität mit dem "selbsternannten Vorsitzenden der NSDAP/AO, Gary Lauck". HESS-Gedenkmärsche sollten ausschließlich in Deutschland stattfinden. Ein Zurückweichen vor dem Staat ins Ausland werde daher auch 1996 nicht in Frage kommen. In der Publikation "Einheit und Kampf" Nr. 14 wurde die NIT-Ansage unter der Überschrift "Faschingsumzug in Dänemark" abgedruckt. "Nationale Info-Telefone" an anderen Orten des Bundesgebietes berichteten über die Aktion in Roskilde neutraler. Diese Reaktion verdeutlichte erneut tiefgreifende Rivalitäten unter den in Hamburg vertretenen neonazistischen Lagern. Die anhaltende Kluft unterstreicht aber auch die in Neonazikreisen weit verbreitete Unfähigkeit, gemeinsame Aktivitäten nicht nur in theoretischen Modellen und Appellen, sondern auch praktisch zu entwickeln. 84 ie zwei zentralen HESS-Gedenkmärsche wurden in der rechtsextremistischen Szene einhellig als Erfolg gefeiert, zumal es - wie zuletzt 1993 in Fulda - gelungen war, wieder einen Aufzug in der Bundesrepublik zustandezubringen. Das in Schneingen aufgegangene taktische Konzept - konspirative Vorbereitung und Einsatz Mobiltelefonen - gab den Akteuren Auftrieb. Wegen der gleichzeitigen Veranin Dänemark war das mobilisierbare Gesamtpotential allerdings gesplittet somit nicht zentral ausgeschöpft. Realitätszwängen hatten die Organisatoren ihre Ansprüche auf Publizität und Ilung von vornherein herunterschrauben müssen. So konnten sie jetzt leichter über die insgesamt doch niedrigen Teilnehmerzahlen hinwegsehen und 'den Gang der Ereignisse als Erfolgsmeldungen verbreiten. Konspirative Geheimhalfung und verbesserte Mobilität durch Steuerung mit technischen Hilfsmitteln er'schwerten die Arbeit der Sicherheitsbehörden. Der Auftritt von etwa 200 Neonazis in Schneverdingen konnte so unbehelligt stattfinden. yase 1.4.3.2 Aktionen am 19. November zum "Heldengedenktag" 'Auch in der Totenehrung anläßlich des Volkstrauertages sucht ein breites rechtsextremistisches Spektrum Gelegenheiten zur öffentlichen Selbstdarstellung. In den Jahren 1990 bis 1992 hatten Rechtsextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet "Heldengedenkfeiern" als zentrale Großkundgebungen auf dem Soldatenfriedhof bei Halbe durchgeführt, bei denen es zu massiven Polizeieinsätzen kam. Die Veranstaltung 1992 kam trotz Verbots zustande. Die Bedeutung des Soldatenfriedhofes bei Halbe 'ergibt sich daraus, daß in der Nähe gegen Ende des Zweiten Weltkrieges Kämpfe stattgefunden hatten, bei denen Tausende Soldaten und Zivilisten getötet worden waren. Trotz Verbotserwartung wurde auch in diesem Jahr eine Zentralkundgebung auf dem Friedhof angemeldet. Dazu riefen zunächst auch die "Nationalen Infotelefone" auf. 'Am 16. November bestätigte das Oberverwaltungsgericht Frankfurt/Oder das Verbot, das auch eingehalten wurde. Bereits am 22. Oktober hatten Rechtsextremisten neonazistische Parolen in das Gästebuch der Ausstellung vor dem Waldfriedhof in Halbe 'geschmiert. Parallel organisierten Rechtsextremisten bundesweit kurzfristig und zum Teil konspirativ regionale Ersatzfeiern auf Friedhöfen ihrer örtlichen Umgebungen. 'So legten Anhänger der DLVH Hamburg am 19. November einen Kranz mit der 'Aufschrift "Den Helden zum Gedenken - DLVH Hamburg" auf dem Soldatenfriedhof in Vahrendorf/Niedersachsen nieder. Der vorausgegangene Versuch von Mitgliedern des"Stahlhelme.V.", dort einenKranzniederzulegen, wurdevonderPolizei verhindert. 'Am 26. November legten etwa 50 Personen am Soldatendenkmal in Solingen-Burg (Nordrhein-Westfalen) einen Kranz nieder. Wolfgang NAHRATH, NPD-Bundesvor85 standsmitglied,hielt eine Ansprache. An der vom LandesvorstandNordrhein-' falen der JN organisierten Aktion nahmen neben JN-Mitgliedern auch Anhänger derer rechtsextremistischer Gruppierungen teil, darunter "autonome National und eine Abordnung der "Fundamentalistischen Arbeiterpartei der Niederlande". 'Auch diese lediglich lokal bedeutsamen Kleinstveranstaltungen wurden wiederum Erfolge bewertet, obwohl das Gegenteil der Fall war. Bei den HESS-Aktionen am "Heldengedenktag" scheiterte das Kalkül der Rechtsextremisten, Handlungs: keit und Geschlossenheit öffentlich darzustellen: Da nur kleine, von Presse und stiger Öffentlichkeit weitgehend unbemerkte Kundgebungen zustandekamen, die eigentlich anvisierte effektvolle und provokative Selbstdarstellung verfehlt. durchgängigen Veranstaltungsverbote waren somit durchaus wirksam. Deshalb wächst unter Neonazis die Bereitschaft, die Legalität zu verlassen und Ve anstaltungsverbote zu unterlaufen. Weil Zentralveranstaltungen unter denrealen | dingungen selbst bei hohem technischen und organisatorischen Aufwand nur Erfolgsaussichten haben, erhalten Befürworter von Ausweichkonzeptenin Ri europäischer Nachbarländer Auftrieb. Der. Trend zu einer konsequent konspirati Praxis mit Überraschungseffekten durch extrem kurzfristige Mobilisierungen wi sich verstärken, auch wenn das Teilnehmerpotential hierbei nicht voll ausgesch werden kann. Verlagerungen ins Ausland sind in der Szene umstritten. Manche fürchten, daß dieses als Zeichen politischer Schwäche ausgelegt werden könnte. dere sehen die mit Auslandsaktionen verbundenen Vorteile. Sie setzen bei Kun bungen wie in Roskilde auf Möglichkeiten, europäischen Gesinnungsgenossen zu gegnen, gemeinsam die Idee einer internationalen Vernetzung zu fördern und anlaßbezogen zu kooperieren. 1.4.4 Neonazistische Gefangenenhilfe Aufgrund der in den vergangenen Jahren erheblich gestiegenen Anzahl inhaftierter rechtsextremistischer, insbesondere neonazistischer Straftäter, hat sich die Gefangenenbetreuung zu einem wichtigen Betätigungsfeld des Rechtsextremismus entwickelt Über eigens zu diesem Zweck ins Leben gerufene Vereine, deren bekannteste die neonazistische "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangeneund deren Angehörige e.V." (HNG) sowie das "Internationale Hilfskomitee für nationale politische Ver" folgte und deren Angehörige e.V." (IHV) sind, sollen einsitzende Rechtsextremisten ideelle und materielle Unterstützung erhalten. Sie reicht von der Aufnahme in eine sog. Gefangenenliste, um Briefkontakte zu anderen "Kameraden" zu vermitteln, über kleinere Geldund Sachspenden bis hin zur Hilfe bei der Arbeitsplatzund Wohnraumbeschaffung nach der Haftentlassung. Obwohl die HNG und das IHV stets einen angeblich rein karitativen Charakter der Gefangenenbetreuung betonten, verfolgten sie weiterhin mit ihren Aktivitäten in er86 Linie das Ziel, die in Haft befindlichen Gesinnungsgenossen in ihrer Weltanung zu festigen, um sie nach ihrer Freilassung wieder in die Neonazi-Szene 'dern zu können. Demzufolge war das entscheidende Kriterium für die Untering eines Inhaftierten ausschließlich dessen rechtsextremistische Gesinnung. Straftäter, die beispielsweise Brandanschläge oder Körperverletzungen aus 'politischen Überzeugung" heraus begangen haben, galten als "politische Ge"und damit als betreuungswürdig. 1979 von dem Rechtsextremisten Henry BEIER gegründete und gegenwärtig von Mainzer NS-Aktivistin Ursula MÜLLER geführte HNG war nach dem Verbot der iheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) trotz eines Rückganges der Mitglieauf etwa 300 (1994: 340) auch weiterhin die zahlenmäßig stärkste neonazistiOrganisation in der Bundesrepublik. Ihre Bedeutung für die Szene beruhte da- i weniger auf ihrer eigentlichen Tätigkeit, der Gefangenenhilfe, sondern vielauf ihrer Funktion als Sammelbecken für Neonazis aller Richtungen, die in HNG über die ansonsten bestehenden Organisationsgrenzen hinweg zusammenarbeiteten. diese integrative Rolle nicht zu gefährden, war die HNG stets darauf bedacht, ich in der Neonazi-Szene neutral zu verhalten und nicht die zwischen den unterschiedlichen neonazistischen Organisationen ausgetragenen Streitigkeiten in der eige'nen Organisation fortzusetzen. Ihre öffentlichen Aktivitäten beschränkte die HNG im wesentlichen darauf, das mo'natlich erscheinende Vereinsorgan "Nachrichten der HNG" herauszugeben. Die dort 'publizierte Gefangenenliste wurde auch von anderen neonazistischen Zeitungen, wie 'dem "NS-Kampfruf" der NSDAP/AO, und von rechtsextremistischen Mailboxen übernommen. Dadurch fand die HNG mit ihren Aktivitäten und Inhalten über die eigenen Organisationsgrenzen hinweg Beachtung. In Hamburg besitzt die HNG lediglich einige weitgehend passive Einzelmitglieder. FR EISFR E 'Als Konkurrenzorganisation zu der HNG hatte der Ludwigshafener Neonazi Emst TAG 1987 das IHV gegründet. Wegen seiner geringen Mitgliederzahl erlangte es in der rechtsextremistischen Szene insgesamt aber kaum Bedeutung. Das IHV hat seine 'ohnehin nur sporadischen Aktivitäten nach dem Rücktritt des TAG von der Funktion 'des Vereinsvorsitzenden im Mai noch weiter reduziert. Da es dem IHV bislang nicht 'gelungen ist, im norddeutschen Raum Fuß zu fassen, war es auch in Hamburg nicht vertreten. Die Konkurrenz zwischen HNG und IHV wurde in der Vergangenheit durch massive, öffentlich ausgetragene gegenseitige Anfeindungen und Verunglimpfungen deutlich. 87 1.4.5 Neonazismus in Hamburg 1.4.5.1 Ehemalige "Nationale Liste" (NL) Der am 13.03.1989 von Hamburger Anhängern des verstorbenen Neonazis Mi KÜHNEN als Landespartei in Hamburg gegründete Verein "Nationale Liste" wurde durch Verfügung der Behörde für Inneres (BfI) vom 23. Februar mit Wis vom 24. Februar gemäß $ 3 Vereinsgesetz verboten und die sofortige Vollzichung Verbotesangeordnet. Im Rahmen des Verbotes wurdenam 24. Februar insgesami' fünf Objekte von NL-Mitgliedern durchsucht, das Postfach und das Konto der NL beschlagnahmt. Dabei wurden umfangreiches Schrifigut, NL-Material und zum Ver" einsvermögen gehörende Gegenstände sichergestellt. Außerdem wurde die zu NLTreffen genutzte Wohnung in Hamburg-Bergedorf im Zuge des NL-Verbotes versiegelt. Die Versiegelungwurdeam 21. April wieder aufgehoben. Die NL wurde verboten, da sie nach ihren Zielen darauf ausging, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen. Sie hatte die Absicht, eine mit den 'Grundelementen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht mehr verein. bare neue Staatsstruktur aufzubauen. Das von der NL geforderte "Reich" sollte in seinerStruktureine Fortsetzungdes "Ill. Reichs"unter Adolf HITLER sein. Das Verbotsverfahren nahm insgesamt eineinhalb Jahre in Anspruch. Am 31.08.1993 hatte der Hamburger Senat beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der NL gemäß Artikel 21 Absatz 2 Grundgesetz beantragt. Mit Beschluß vom 17.11.1994 hatte das BVerfG den Antrag des Hamburger Senates als unzulässig zurückgewiesen. In der Begründung des BVerfG hieß es: Die NL sei keinePartei im Sinne desArtikel 21 GG und $ 2 Abs.] Parteiengesetz. Siebiete nach dem Gesamtbild ihrer tatsächlichen Verhältnisse keine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit des in ihrer Satzung und ihrem Programm geäußerten Willens zur Einflußnahme auf die politische Willensbildung und zur Mitwirkung an der parlamentarischen Vertretung des deutschen Volkes. Nach Bekanntwerden des BVerfG-Beschlusses am 22. Februar verfügte die Bfl als zuständige Verbotsbehörde das Verbot des Vereins NL. Gegen das Verbot reichte der' ehemalige NL-Vorstand im März Klage beim Hamburger Oberverwaltungsgerichl ein. In der Klagebegründung wurde das Verbot für unzulässig und unbegründet er. klärtund insbesondere die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtesüberdie Nicht-Parteieigenschaft der NL kritisiert. Die der NL vorgeworfenen, das Verbot be 'gründenden, insbesondere die in ihrer Publikation "/ndex" gemachten Aussagen wur'den gerechtfertigt und untermauert. Die Bfl als zuständige Verbotsbehörde entgegnete, die NL habe die Grenzen zwi schen legaler (und notwendiger) Opposition und dem aggressiven Verächtlichmachen Verfassungsordnung überschritten und damit die Voraussetzungen für ein Ver- t gemäß $ 3 Vereinsgesetz erfüllt. Das Verfahren dauert zur Zeit noch an. NL hatte bei ihrer Gründung am 13. März 1989 etwa 20 Mitglieder, seit 1990 bis Zeitpunkt ihres Verbotes konstant etwa 30. Ihr aktiver Anhängerkreis war im lichen auf Hamburg beschränkt. Darüber hinaus gab es vereinzelte Anhänger Schleswig-Holstein. Seit April 1989 gab die NL eine eigene Publikation mit dem "Index" heraus, die in einer Auflage von 800 bis 1.000 Exemplaren achtmal lich erschien. i e wesentlichen Führungspersonen der NL waren der Vorsitzende Thomas WULFF sein Stellvertreter Christian WORCH. Beide gehören seit Jahren zu den maßgeb'Aktivisten der bundesdeutschen Neonaziszene. Vor KÜHNENs Tod zählten zudessen engsten Mitarbeitern und identifizierten sich vollständig mit seiner poli'hen Zielsetzung und nationalsozialistischen Gesinnung. =?732 'h dem Verbot behaupteten die ehemaligen NL-Mitglieder zwar, daß sie ihre polien Aktivitäten durch das Verbot in keiner Weise eingeschränkt sähen. Sie konnjedoch nicht über tatsächliche Wirkungen hinwegtäuschen: Verlust der Operatiis, Erschwerung des Zusammenhaltes, teilweise Demotivation. Ehemalige zogen sich daher auf die Teilnahme an Aktivitäten anderer Organisationen in 'undaußerhalb Hamburgs zurück und traten dort auf Veranstaltungen als Redner oder 'Referenten auf. Die Agitationsthemen blieben die gleichen wie vor dem NL-Verbot und richteten sich insbesondere gegen Ausländer, Asylanten und politische Gegner. FER ABTFES 'Die ehemaligen Mitglieder der NL waren bemüht, jeglichen unmittelbaren Bezug zur verbotenen NL zu vermeiden. Die Neugründung einer politischen Organisation barg 'die Gefahr eines erneuten Verbotes und wurde daher abgelehnt. Auf der Suche nach 'neuen Betätigungsfeldern wurden die Kontakte zu anderen Hamburger rechtsextremistischen Organisationen intensiviert. Verbindungen wurden insbesondere zur DLVH geknüpft, die den ehemaligen NL-Aktivisten eine geeignete neue organisatori'sche Basis zur Fortsetzung ihrer politischen Aktivitäten bieten könnte. Örtlicher Schwerpunkt von Aktivitäten der chemaligen NL-Anhänger ist, wie schon FFeran vor dem Verbot, der Bereich Hamburg-Bramfeld, Farmsen, Rahlstedt. Die in die'sem Bereich aktiven ehemaligen NL-Anhänger stammen aus der dortigen Skinhead'szene. Sie nehmen eine gewisse Führungsfunktion innerhalb eines aus bis zu 30 Skin'heads bestehenden Umfeldes wahr und setzen ihre politischen Aktivitäten nach dem 'NL-Verbot unbeeindruckt fort. So nahmen sie u.a. mehrfach an öffentlichen rechtsextremistischen Aktivitäten innerhalb und außerhalb Hamburgs teil. Für das von den Bramfeldern verbreitete Propagandamaterial zeichnete bis September Thorsten BÄRTHEL presserechtlich verantwortlich. Seit Oktober wird die "Patriotische JuBr 9 gend" aus Henstedt-Ulzburg als Herausgeberin angegeben. Hierbei handelt es sich ebenfalls um ehemalige Anhänger der NL. Wie vor demVerbot derNL, gab der Kreis umdas ehemaligeführendeBramfelder NL-Mitglied Thorsten BÄRTHEL weiterhin die seit Dezember 1994 erscheinende Publikation "Bramfelder Sturm" heraus, darüber hinaus Propagandamaterial in 'Form von Aufklebern. Bislang sind insgesamt sechs Ausgaben dieser Schrift erschienen, davon vier nach dem NL-Verbot. Der Herausgeber bezeichnet sie als "Sprachrohr der nationalen Jugend" und als "Rundbrief" an seinen "Kameradenund Freundeskreis". In der Publikation wurde über verschiedene rechtsextremistische Organisationen, deren Aktivitäten sowie über Skin-Konzerte und über Skin-Bands berichtet. Aktuelle Themen wurden aus "nationaler" Sicht kommentiert. Gegen den politischen Gegner, Juden, Ausländer, Multikultur und etablierte Parteien wurde zum Teil aggressiv agitiert. Andere Beiträge berichteten über sogenannte - von Rechtsextremisten verherrlichte - deutsche "Freiheitskämpfer", wie Rudolf HESS. Obwohl ein unmittelbarer NL-Bezug vermieden wurde, ging die Berichterstattung auchauf Aktivitäten derehemaligen NL (-Anhänger) vorund nach demVerbotein. Das Verbot selbst bezeichnete die Schriftleitung des "Bramfelder Sturm" im März u.a. als eine "hinterhältige Aktion" der "Systeminstitutionen". Besondere Aufmerksamkeit widmeten die ehemaligen Bramfelder NL-Anhänger im Rahmen der "Anti-Antifa"-Arbeit ( siehe auch 1.4.2) politischen Gegnern. In ihren Publikationen wurden verschiedene Personen namentlich genannt und umfangreiche persönliche Daten über sie veröffentlicht. Gleichzeitig forderten sie dazu auf, dem "Antifa-Terror" entgegenzutreten und dessen Urheber "anzusprechen". So wurde in der sechsten Ausgabe des "Bramfelder Sturm" im Zusammenhang mit dem al "Mordanschlag" bezeichneten Überfall auf den rechtsextremistischen Rechtsanwalt Jürgen RIEGER ((r) siche 2.2.2.4) ein Zeitungsredakteur als "geistiger Brandstifter" des "versuchten Mordes" bezeichnet und erklärt, "wer diesem...mal ein paar nette Worte unter 'vier Augen' sagen möchte", sollte bei dessen Zeitungsredaktion anrufen, Es gäbe natürlich noch andere Möglichkeiten, dem "Antifa-Terror" entgegenzutreten -"(überlegt selber mal!!)". Darüber hinaus wurde in Form von Aufklebern aufgefor dert: "Kampfgegen die Antifa-Banden! - Taten statt warten!" "Stoppt den roten Terror", Es stellte sich heraus, daß diese Aufforderungen von den Lesern auch tatsächlich umgesetzt und die genannten Personen mit Droh-, Schmierund Klebeaktionen attackiert wurden. In seinem Bericht über dasJahr 1994war das Landesamtfür Verfassungsschutz auf' die besonders aggressive Agitation gegen einen Bramfelder Pastor eingegangen. Wegen dieser Sachewurde auch Thomas WULFF als presserechtlich Verantwortlicher eines NL-Flugblattes, das im Januar unter dem Tenor "Kriminelle Ausländer: Abschieben statt inhaftieren" erschienen war, am 4. Februar vom Landgericht Hamburg 9% verurteilt. Den NL-Anhängern wurde durch das Gericht untersagt, weiterhin öffentlich gegendenPastorzu agieren, dessen Namenund Anschriftzunennenund die Leserdazuaufzufordern, ihm "die Meinung zusagen". Weiterer Agitationsschwerpunkt der ehemaligen Bramfelder NL-Anhänger war das Thema "Ausländer und Asylanten". Mit Aufkleben "Freiheitskämpfer gegen Multi-Kulti'-Überfremdung und 'One-World''-Ausbeutung!", "Freiheitskämpfer gegen Überfremdung und Ausbeutung, "Multi-Kulti in unserem Deutschland ?? Wir sagen 'nein zu dieser Überfremdung!" und "Multi-Kulti ist Völkermord! Stoppt die Über'fremdung!" wurde in aggressiver Weise gegen Ausländer, Asylanten und die nach 'Ansicht von Rechtsextremisten zu ausländerfreundliche Politik der etablierten Parteien agiert. Welche feindseligen Assoziationen Rechtsextremisten hierbei in den Sinn kommen, stellten sie zeichnerisch dar: Auf den Aufklebern war ein Skinhead mit Fahne und Keule abgebildet. Ein hochrangiges Agitationsthema war erneut Rudolf HESS. So wurde in einer Aus'gabe des "BramfelderSturm" HESS als "Märtyrerfür den Frieden" und "Parlamentärdes Friedens" verherrlicht und behauptet, er sei im "Nürnberger Rachetribunal" "rechtswidrig" von der "Siegerjustiz" angeklagt und zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Aufkleber unter presserechtlicher Verantwortung von Thorsten BÄRTHEL zum Tod von HESS sollten der Bevölkerung weismachen: "Rudolf HESS von den Be'satzern ermordet am 17.8.87 - Du hast uns wollen zeigen was deutscher Mut vermag: Zu kämpfen und zu schweigen, drum sollen Flammen steigen, an deinem Sterbetag!". Im Rahmen der HESS-Aktionswoche vom 12. - 20. August wurden am 16. August drei ehemalige Bramfelder NL-Anhänger von der Polizei mit 22 HESS-Plakaten und Klebeutensilien überprüft. Zu einem späteren Zeitpunkt war zu sehen, daß identische Plakate im Raum Hamburg-Rahlstedt umfangreich verklebt worden waren. Am 17. 'August waren in Hamburg-Bramfeld weitere HESS-Flugblätter hinter Scheibenwischer geparkter Autos geklemmt worden. Der "Bramfelder Sturm" triumphierte anläßlich der "HESS-Aktionswoche", daß einem "VVN-Antifatzke" "die Ehre zuteil" 'geworden sei, die Rudolf HESS-Aktionswoche in Form von Plakaten "hautnah mit'zuerleben". Weitere Aufkleber spiegelten einen Querschnitt durch das einschlägige Arsenal neonazistischer Forderungen und Parolen wider, deren Agitationsinhalte und Wortwahl zum Teil mit früheren Aufklebern der ehemaligen NL identisch waren: "Deutsche Jugend im Freiheitskampf! National-radikal-sozial!", "Freiheit 'für alle nationalen politischen Gefangenen - Meinungsfreiheit auch für sogenannte Neonazis!", "Schutz des deutschen Lebens! statt Schutz des Geldes! Gegen Korruption und Kapital unser Kampfist national!" und "Todesstrafe 'für Drogendealer! Deutsche nehmen niemals Drogen!" 9 ger auch, mit speziell darauf ausgerichteten Aktionen Sympathien unter Skin! zu gewinnen, um so ihr Umfeld zu aktivieren, zu verbreitern und ihren Einfluß vergrößern. Wie bereits vor dem NL-Verbot - veranstalteten sie in Bramfeld mäßig Treffen mit dem Skin-Umfeld. Desweiteren wurde mit Aufklebern "HSV-F. 'gegen Links Gemeinsam für Verein und Vaterland!" und in der Schrift ". Sturm" für die Teilnahme an Aktionen anläßlich des Bundesliga-Fußballspieles H! FC St. Pauli am 24. November im Hamburger Volksparkstadion geworben. Im "BramfelderSturm"war der BesuchdesSpielesals Racheaktionfür einen "feigen Übergriff" durch "Anarcho-Bande" auf vier "Kameradinnen" angekündigt worden. Im Stadionbereich kam es zur Ingewahrsamnahme von 32 Personenund je zwei Festnahmen wegen unerlaubten Waffenbesitzes und wegen Zeigens eines Transparentes mit "SS-Runen". Nach dem Spiel wurden im Bereich Hamburg-St.Pauli 34 weitere Personen wegen Landfriedensbruchs und Körperverletzung festgenommen. Zuvor hatte es Auseinandersetzungen mit als gegnerisch angesehenden Fußballfans gegeben. Neben ihren Hamburger Aktivitäten besuchten die ehemaligen Anhänger der NL auch Veranstaltungen anderer rechtsextremistischer Organisationen und Gruppierungen innerhalb und außerhalb Hamburgs: " So wurde Christian WORCH vor Beginn eines Lesertreffens der rechtextremistischen Publikation "Recht und Wahrheit" am 18. März in Vilshofen/Bayern von derPolizei festgenommen und erst amfolgenden Tag aus demGewahrsam entlassen. Es sollte verhindert werden, daß WORCH sich aktiv an der Veranstaltung der "Deutschen Freiheitsbewegung" beteiligen bzw. als Überraschungsredner auftreten konnte. Anschließend berichtete er dazu in einer Erklärung "Freistaat Bayern - Redeverbot für WORCH" überseineFestnahme. Er nanntedie NamendesPolizeirates, der die Ingewahrsamnahme veranlaßt, und des Richters, der die Gewahrsamnahme bestätigt hatte. (r) Am 5. August besuchten ehemalige Angehörige der NL in Willingen-Usseln eine Gedenkveranstaltung zum dritten Todestag eines verstorbenen Neonazis. Unter den Hamburger Gästen befand sich auch Christian WORCH. (r) Am 18. August versammelten sich für wenige Minuten etwa 60 Personen unter Führung des ehemaligen FAP-Funktionärs Andre GOERTZ in Hamburg-Barmbek zu einem nicht angemeldeten Gedenkmarsch für Rudolf HESS. Es wurden Parolen skandiert. Die Teilnehmer flüchteten nach dem Erscheinen der Polizei. 15 Personen konnten in Gewahrsam genommen werden. (r) Einige wenige ehemalige Angehörige der NL waren am 19. August nach Schneverdingen gereist, um dort an dem unangemeldeten HESS-Gedenkmarsch von etwa 150 Personen teilzunehmen. 2 'Am 19. August hatten dänische Neonazis zu einem weiteren HESS-Gedenkmarsch nach Roskilde eingeladen. Unter den etwa 150 Teilnehmern des Umzuges befanden sich Christian WORCH, Thomas WULFF und weitere ehemalige An- _ hänger der NL. Im "Bramfelder Sturm" wurde dazu positiv gemeldet, daß "unser Ziel", auf Rudolf HESS aufmerksam zu machen, "voll" erreicht worden sei. 'Am 26./27. August wurde in Diksmuide/Belgien auf dem jährlichen Flanderntreffen "Jjzerbedevaart" erneut der im Ersten Weltkrieg gefallenen Flamen gedacht. Nach tätlichen Auseinandersetzungen mit der belgischen Polizei wurden etwa 140 Deutsche, unter ihnen auch ehemalige Anhänger der NL, am 27. August in die Bundesrepublik abgeschoben. * Am 30, September trat WORCH auf einem Leserkreistreffen der rechtsextremistischen Publikation "Recht und Wahrheit" in Berlin vor etwa 100 Teilnehmern als Redner zum Thema "politische Verfolgung" auf. (r) Am 19. November legten laut "Bramfelder Sturm" 15 "Kameradinnen und Kameraden" auf dem angeblichen "SS-Ehrenfriedhof" in Vahrendorf einen Kranz zu Ehren dort gefallener deutscher Soldaten nieder. 12 "weitere Kameradinnen und Kameraden" legten auf einer offiziellen Gedenkfeier in Henstedt-Ulzburg ihren eigenen Kranz nieder. Strategisches Ziel der ehemaligen NL und ihrer bundesweit anerkannten Führungspersonen war und ist die Schaffung einer Art rechtsextremistischen Netzwerkes. Über gemeinsame Veranstaltungen und Kampagnen zu gemeinsamen Themen wird versucht, zu einer organisationsübergreifenden Zusammenarbeit zu kommen. Im Hinblick auf die zunehmenden "staatlichen Repressalien" soll sie sich zudem in einer organisationsunabhängigen Form vollziehen. Bestehende Organisationsgrenzen und - strukturen sollen aufgebrochen und eine Einheitsfront mit Breitenwirkung in Form einer "Volksfront von Rechts" geschaffen werden. In diesem Sinne setzte insbesondere Christian WORCH nach dem NL-Verbot seine Aktivitäten fort. In seiner Rolle als bundesweit anerkannter führender Neonazi und Stratege unterstützte er diverse Aktivitäten anderer rechtsextremistischer Gruppen und Personen im Inund Ausland. Er meldete sich in mehreren bundesweit verbreiteten Erklärungen und Artikeln zu verschiedenen Themen zu Wort. Insbesondere setzte er sich mit der "beispiellosen politischen Verfolgung" der "nationalen Opposition" auseinander. Zur eigenen Person bekundete WORCH seine trotz aller Repressalien ungebrochene Entschlossenheit, politisch weiterzukämpfen. WORCHs Ausführungen wurden in verschiedenen rechtsextremistischen Schriften, wie den "Nachrichten der HNG", der Schrift "Sleipnir" und der Publikation "Recht und Wahrheit" veröffentlicht. WORCH gehörte auch zum Autorenkreis der rechtsextremistischen Monatsschrift "Staatsbriefe". 93 U.a. kommentierte WORCH die Verurteilung des österreichischen Neonazis Gottfried KÜSSEL, die Ermittlungen im Zusammenhang mit den Briefbombenattentaten in Österreich und einen angeblich von den Behörden herbeigeredeten Rechtsterrorismus in Deutschland. Schärfstens verurteilte WORCH diejenigen Neonazis, die sich während ihrer Prozesse auf Absprachen mit der Justiz eingelassen und zum Teil auch in ihren Aussagen andere belastet hatten, um Strafmilderung zu erhalten. Er spielte damit aufentsprechende Beispiele u.a. im ANS/NA-Nachfolgeprozeß in Stuttgart und im Prozeß gegen den Neonazi Ewald ALTHANS in Berlin an. Die so ins Licht des Verrätertums und der Zersetzung Gestellten machte WORCH dafür verantwortlich, deaktivierendaufdiejenigen zu wirken, die weiter aktiv kämpfen wollten. 1994 hatte WORCH die Strategie entwickelt, durch Besuche bei Prozessen gegen Gesinnungsgenossen öffentliches Aufsehen bzw. propagandawirksame Publizität zu erregen. Bei dem seit September vor dem Landgericht Koblenz laufenden Prozeß gegen 18 ehemalige Mitglieder, Funktionäre und Sympathisanten der verbotenen neonazistischen "Deutschen Alternative" (DA) sollte diese Strategie in großem Stil umgesetzt werden. Tatsächlich verlief sie jedoch nach bescheidenem anfänglichen Zuspruch im Sande. WORCH selbst war am 30.11.94 vom Landgericht Frankfurt/M. wegen Fortsetzung der 1983 verbotenen ANS/NA - zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren ohne Bewährung verurteilt worden. Sein Revisionsantrag beim Bundesgerichtshof (BGH) war am 25. Oktober als unbegründet verworfen worden. Am 6. November hatte WORCH daraufhin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt und die Revisionsentscheidung des BGH Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht sowie eine einstweilige Aussetzung des Haftvollzugs bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde beantragt. Die Beschwerde wurde zurückgewiesen. Am 26. Februar trat er seine Haftstrafe an. Die ehemaligen NL-Vorsitzenden Thomas WULFF und Christian WORCH waren von folgenden Verfahren und Urteilen betroffen: Am 15. Januar wies das Hamburger Oberlandesgericht (OLG) einen Revisionsantrag WORCHS als unbegründet zurück. Das Landgericht Hamburg hatte WORCH am 21.11.1994 wegen Verletzung der Führungsaufsicht zu einer Geldstrafe von 7.500 DM verurteilt. Ihm war vorgeworfen worden, in der Zeit von 1983 - 1987 mehrfach gegen Weisungen der Führungsaufsicht verstoßen zu haben. Das OLG entschied, die Urteilsüberprüfung habe keinen Rechtsfehler zum Nachteil WORCHs ergeben. Thomas WULFF wurde am 4. Dezember vom Amtsgericht Hamburg als presserechtlich Verantwortlicher der Januar-Ausgabe der ehemaligen NL-Schrift "/ndex" (Nr. 48) wegen Volksverhetzung zu 6 Monaten Gefängnisstrafe ohne Bewährung verurteilt. Anlaß war ein Artikel zum 50. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers 'Auschwitz. WULFFwurde vom Staatsanwalt als "unverbesserlicher Überzeugungstärum. ter" charakterisiert, der immer noch davon überzeugt sei, daß es die Massenvernichtung von Juden nicht gegeben habe. WULFF legte gegen das Urteil Berufung ein. 1.45.2 Ehemalige Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) rumm Die 1979 von dem Rechtsextremisten Martin PAPE gegründete, ab 1984 von Anhän'gem des verstorbenen Neonazi-Führers Michael KÜHNEN unterwanderte und seit 1986 von KÜHNEN-Gegnern dominierte FAP wurde am 24. Februar verboten und aufgelöst. Die Verbotsverfügung des Bundesministers des Innern gemäß $ 3 des Ver'einsgesetzes wurde mit der aggressiv-kämpferischen Ablehnung der freiheitlichen 'demokratischen Grundordnung durch die FAP begründet. "rom Bis zu ihrem Verbot war die FAP mit rund 430 Mitgliedern sowie aktiven Landes'verbänden in Berlin, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und - bis Dezember 1994 - Hamburg, die mitgliederstärkste neonazistische Organisation in der Bundesrepublik. Weltanschaulich setztesiesichin ihrem aktuellen Programmvom März 1992für einen "völkischen Sozialismus" ein. Statt marxistischer Klassenkämpfe oder kapitalistischer 'Ausbeutung des Arbeiters habe die .. Volksgemeinschaft" an erster Stelle zu stehen. 'Zur Begründung des Verbotes wurde in der Verfügung des Bundesministers des In'nern angeführt, daß die FAP nach ihrer Zielsetzung der NSDAP wesensverwandt und 'schon aus diesem Grunde verfassungswidrig sei. In den Äußerungen führender Ver'einsfunktionäre werde dem Sprachgebrauch der Nationalsozialisten entsprechend eine "Machtübernahme" angekündigt. Auf dem Weg dorthin und in der Zeit danach sei für 'die FAP die nationalsozialistische Weltanschauung alleiniger Maßstab. Die verfassungsfeindliche Haltung des Vereins komme nicht nur verbal, sondern auch in dem tatsächlichen Verhalten seiner Mitglieder und Anhänger zum Ausdruck. So mißachte die FAP durch ihre propagandistische Hetze gegen Ausländer wesentliche Menschenrechte, insbesondere die Würde des Menschen, das Recht der Persönlichkeit auf freie Entfaltung und den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz. Ihre Ausrichtung am Nationalsozialismus und die daraus folgende Ablehnung des demokratischen Systems bedingten die Zielsetzung der FAP, die freiheitliche demokratische Grundordnung letztendlich gewaltsam zu beseitigen und eine Ordnung zu errichten, die der grundgesetzlichen nicht entspreche. Eine zwischenzeitlich erhobene Anfechtungsklage der FAP gegen das Vereinsverbot wurde vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen. Bereits im September 1993 hatten sowohl die Bundesregierung als auch der Bundesrat einen Antrag an das Bundesverfassungsgericht gestellt, die FAP nach dem Partei- % engesetz zu verbieten. In einem dem Bundesinnenministerium am 22. Februar Kenntnis gelangten Beschluß wies das Bundesverfassungsgericht jedoch beide ge als unzulässig zurück, da es der FAP nicht den Parteistatus zuerkannte. Das richt begründete seine Entscheidung mit dem Gesamtbild der in der FAP Verhältnisse: Angesichts der geringen Mitgliederzahl, der unzureichenden tionsstrukturen, des fehlenden kontinuierlichen Hervortretens in der Öffentlichl und des Mangels an jeglicher Unterstützung in der Bevölkerung biete die FAPkei hinreichende Gewährfür die Ernsthaftigkeit ihrer politischen Zielsetzung und sei her keine Partei, sondern ein Verein. Nach Bekanntwerden dieses Beschlusses Bundesverfassungsgerichtes verbot der Bundesminister des Innern die FAP hendauf der Grundlage des Vereinsgesetzes. Innerhalb der FAP löste das Verbot Empörung aus, die allerdings weniger auf Verbotsmaßnahme an sich, als vielmehrauf die Verweigerung des Parteienstatus" rückzuführen war. Das von dem ehemaligen Hamburger FAP-Landesvorsi Andre GOERTZ betriebene "Nationale Infotelefon" (NIT) Hamburg warf dem desverfassungsgericht vor, mit seiner Entscheidung das gesamte Parteiengesetz ad surdum zu führen und das grundgesetzliche Parteienprivileg für "nationale" Organisationen außer Kraft zu setzen. Die früheren FAP-Mitglieder diskutierten schon bald über mögliche Auswege, um re politischen Aktivitäten fortsetzen zu können. Während ein Teil die Bildung formal) strukturloser Personenzusammenschlüsse in Form "autonomer", aber untereinander vernetzter Kameradschaftenbefürwortete, sprach sich einanderer Teil für denAnschluß an eine rechte Wahlpartei aus. Der ehemalige Bundesvorsitzende Friedhelm BUSSE empfahl aufeiner Vortragsveranstaltung am 29. April indirekt den Eintritt die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD), die sich für ihn als sinnvokles "Sammelbecken" des nationalen Lagers darstelle. Die NPD selbst zeigte sich grundsätzlich bereit, vormalige Mitglieder der FAP unter gewissen Bedingungen in ihren Reihen aufzunehmen. Seitdem wurden in Kreisen der verbotenen FAP verschiedene Konzepte entwickelt, die für die politische Weiterarbeit in Betracht gezogen wurden. Bisher haben die ehe maligen FAP-Anhänger jedoch nicht erkennbar versucht, eine Nachfolgeorganisation zu gründen. Ein überregionaler Zusammenhalt der ehemaligen FAP ist nicht feststellbar. Auf lokaler und regionaler Ebene setzten die früheren FAP-Angehörigen allerdings ihre Aktivitäten - u.a. durch Teilnahme an rechtsextremistischen Veranstaltungenfort. Der 10 - 15 Mitglieder zählende FAP-Landesverband Hamburg hatte sich bereits Ende 1994 - also noch vor dem Vereinsverbot - aufgelöst. In einer am 04.12.94 veröffentlichten Pressemitteilung hatten der damalige Hamburger Landesvorsitzende Andre GOERTZ und der Bundesgeschäftsführer Glenn GOERTZ bekanntgegeben, daß % FAP-Bundesgeschäftsstelle zum 31.12.94 von Halstenbek nach Berlin verlegt und ferner die Parteistrukturen in Hamburg und Schleswig-Holstein nicht mehr inden. Alle bisherigen Mitglieder hätten die FAP verlassen und sich anderen Or- i angeschlossen. lich entfaltete Andre GOERTZ auch nach der Auflösung der norddeutschen Strukturen weiterhin politische Aktivitäten, insbesondere in Zusammenarbeit it dem Hamburger Landesvorsitzenden der NPD-Jugendorganisation "Junge Natio'naldemokraten" (IN), Jan ZOBEL. Aus Anlaß des 50. Jahrestages des Kriegsendes eranstaltete GOERTZ am 6. Mai in Halstenbek eine Kundgebung unter dem Motto "50Jahre seit Kriegsende - Gemeinsam Demokratie und Freiheit schützen!". Es befeiligten sich rund 65 Personen aus verschiedenen rechtsextremistischen Organisationen, darunter ehemalige FAP-Mitglieder aus Hamburg und Schleswig-Holstein. In 'einer Presseerklärung hob ZOBEL anschließend das gemeinsame Auftreten der unter'schiedlichen rechten Gruppierungen hervor und kündigte an, daß sich die "nationalen" Bürger im Norden Deutschlands auch in Zukunft ihr Recht auf Versammlungsfreiheit nicht nehmen lassen würden. 'Am 14. August veröffentlichten Andre GOERTZ - als Verantwortlicher des "Natio'nalen Info-Telefones"(NIT) Hamburg - und ZOBEL - als JN-Pressesprecher - einen "offenen Aufruf", in dem sie die Vorbeugehaft für Rechtsextremisten im Vorfeld der 'diesjährigen Rudolf-HESS-Aktionswoche kritisierten. Permanente Eingriffe in die 'Grundrechte "nationaler" Menschen hätten bei den Betroffenen einen Haß aufgebaut, der sich zwangsläufig entladen werde. Um zu beweisen, daß die "nationale Op7-57om45 'position" in der Lage sei, friedlich zu demonstrieren, bekundeten GOERTZ und 'ZOBEL ihr Interesse an einer politischen Auseinandersetzung mit dem "BRD-System" und forderten das Recht, eine HESS-Kundgebung abzuhalten. Nachdem die Behördenauf dieses Ansinnen nicht eingegangen waren, versammelten sich am Abend des 18. August im Stadtteil Barmbek unter Führung des Andre GOERTZ ca. 60 Personen zu einer unangemeldeten, rund zehnminütigen Kundgebung, in deren Verlauf lautstark HESS-Parolen skandiert wurden. Die kurze Zeit später eintreffende Polizei nahm 15 Rechtsextremisten vorübergehend in Gewahrsam. v_'v8vu Als Teilnehmer konnten u.a. ehemalige FAP-Angehörige erkannt werden. In einer Pressemitteilung, die er daraufhin in seiner Funktion als Bundespressesprecher der IN herausgab, betonte ZOBEL, daß es "Aktivisten der nationalen Bewegung" aus Hamburg und Schleswig-Holstein gelungen sei, trotz der Repression der Herrschenden in Barmbek eine "Spontandemonstration" zu Ehren von Rudolf HESS abzuhalten. Da 'sämtliche angemeldeten Kundgebungen verboten würden, seien Nationalisten gezwungen, neue Wege zu gehen. 7r Neben seinen demonstrativen Auftritten betrieb Andr(r) GOERTZ im vergangenen Jahr nach wie vor die "Nationalen Info-Telefone" (NIT, (r) Hintergrund siehe 1.2.1: 9 Strategien, Konzepte, Praktiken) Hamburg und Schleswig-Holstein. Sie warteten weitestgehend mit inhaltsgleichen Meldungen auf. Schwerpunktthemen der Ansagedienste waren Aussagen zur Vernetzung des rechten Lagers, die Anklage angeblich "anti-deutscher" Politik der "Bonner" Parteien und die Agitation gegen die multikulturelle Gesellschaft. Für öffentliches Aufsehen sorgte ein Prozeß gegen Andrt GOERTZ und einen weite ren Rechtsextremisten wegen Volksverhetzung, Verleumdung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener. Beiden wurde vorgeworfen, im März 1994 über das NIT Hamburg - und damit öffentlich - den Film "Schindlers Liste" mit strafbaren Aussagen kommentiert zu haben. Die Angeklagten hätten mit der Wortwahl "Auschwitz-Mythos" die systematische Vernichtung von Juden im Konzentrationslager Auschwitz geleugnet. Sowohl in der ersten Instanz als auch in der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Hamburg wurden die Angeklagtenjedoch freigesprochen, da es nach Auffassung der Gerichte "keine überzeugenden Hinweise" gebe, daß. der Begriff "Auschwitz-Mythos" in der rechten Szene als Codewort für "Auschwitz Lüge" verstanden werde. Gegen den Freispruch legte die Staatsanwaltschaft Revision ein. Am Rande der Berufungsverhandlung wurde der ebenfalls als Rechtsextremist bekannte Anwalt des GOERTZ von linksextremistischen Gewalttätern angegriffen und verletzt ((r) siche Antifa-Aktivitäten 2.2.2.4). Das von GOERTZ presserechtlich verantwortete FAP-Organ "Standarte" erschien im Berichtsjahr nicht mehr. Statt dessen gab GOERTZ nach der Auflösung der norddeutschen FAP-Strukturen zunächst eine Publikation "Die neue Standarte" heraus,dieer im Laufe des Jahres nochmals in "Der Standard" umbenannte. Ihre Auflage umfaßte - laut Eigenangabe - 800 Exemplare. In diesen Schriften konstatierte der Herausgeber die Erfolglosigkeit der rechtsextrestischen Parteiarbeit und propagierte ein neues Konzept: Die Organisierung und Vernetzung des rechten Lagers im Rahmen einer nationalen "Bewegung". Unter dem Schlagwort "Progressiver Nationalismus" stellte er eine "politische Strömung nationaler Verbände in Norddeutschland" vor, mit deren Hilfe alle Aktivisten als Kämpfer: für die "Systemalternative" geschult und ausgebildet werden sollen, mithin für den Umsturz des bestehendes Systems. Als Perspektive des "Progressiven Nationalismus" setzte sich GOERTZ plötzlich für eine Abkehr von "klassischen" rechten Inhalten ein, z.B. vom Revisionismus und vom Antisemitismus. Dahinter stehen in erster Linie taktische Überlegungen und nicht etwa ein tiefgreifender Gesinnungswandel. Indem die "Bewegung" sich gegenüber der Öffentlichkeit und möglichen Interessenten auf weniger abstoßende Inhalte beschränkt und moderater präsentiert, soll sie Akzeptanz und Zuspruch gewinnen. Die Konzeption des "Progressiven Nationalismus" wurde auch in der Publikation "Einheit und Kampf" präsentiert, die seit Oktober von ZOBEL herausgegeben wird. 98 'Zum Redaktionsstab gehören auch Andre GOERTZ, der JN-Bundesvorsitzende Holger APFEL sowie ein ehemaliger Funktionär der verbotenen "Nationalistischen Front" (NF). Diese Personenkonstellation signalisiert nicht zu übersehende Verflechtungen zwischen Anhängern verbotener und nicht verbotener Organisationen. Sie ist ein offensichtliches aktuelles Indiz dafür, daß sich Teile des rechtsextremistischen "Lagers" darum bemühen, eine parteiübergreifende, nicht organisationsgebundene 'Zusammenarbeit zu etablieren. Es sind allerdings erhebliche Zweifel angebracht, daß es den Bündnisstrategen tatsächlich gelingen wird, eine dauerhafte Einigung der verschiedenen rechten Organisationen oder gar einen Pakt mit politischen Gegnern herbeizuführen. Andre GOERTZ und weitere ehemalige Mitglieder der FAP aus Hamburg und Schleswig-Holstein haben sich nach Auflösung der norddeutschen FAP-Strukturen weiterhin politisch engagiert. Seine vielfältigen Aktivitäten haben dazu geführt, daß am 8. Dezember GOERTZ' Wohnung in Halstenbek-Krupunder polizeilich durchsucht wurde. Ihm wurde vorgeworfen, die verbotene FAP unter dem Namen "Norddeutsche Bewegung" fortzuführen. 15 Rechtsextremistische Parteien 1.5.1 Die Republikaner (REP) Die "Republikaner" wurden am 26. November 1983 von den ehemaligen CSU-Bundestagsabgeordneten Franz HANDLOS und Ekkehard VOIGT sowie dem ehemaligen stellvertretenden Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks, Franz SCHÖNHUBER, als Rechtsabspaltung der CSU in München gegründet. Gegenwärtig gehören etwa 16.000Mitgliederder Partei an. Schwerpunkte sind die südlichen Bundesländer Bayem und Baden-Württemberg. Seit 1985 geben die REP eine eigene Parteizeitung heraus. "Der Republikaner" erschien bis Ende 1994 monatlich in einer Auflage von bis zu 135.000 Exemplaren (August 1993). Seit Januar 1995 erschien das Parteiorgan aus Kostengründen nur 'noch zweimonatlich in einer vierseitigen "Notausgabe" mit drastisch heruntergesetzter Auflage. 'Als Interessenvertretung der im öffentlichen Dienst tätigen Mitglieder der REP wurde am 31. Oktober 1993 die parteiinterne Vereinigung "Republikanischer Bund der öffentlich Bediensteten" (RepBB) gegründet. Der RepBB will Staatsbediensteten insbesondere bei beruflicher Benachteiligung wegen Mitgliedschaft bei den REP rechtliche und praktische Hilfe leisten und den "ungerechtfertigten, verleumderischen Angriffen "9 und Einschüchterungsversuchen durch etablierte politische Beamte mit allen des Rechtsstaatesentgegentreten". DemRepBBgehörtenetwa 150Mitglieder an. In mehreren Landesverbänden existieren auf Kreis-, Bezirksund Landesebene 'Arbeitskreise der "Republikanischen Jugend" (RJ), denen an der Spitze ein gendbeauftragter vorsteht. Die RJ ist keine eigenständige politische Nachwuch: nisation der REP, sondern der fest an die Mutterpartei angebundene Zusam von REP-Mitgliedern, die jünger als 30 Jahre alt sind. Die Arbeitskreise sich als "Sprachrohr der Jugend innerhalb der Partei". Einen Bundesverband der gibt es bislang noch nicht. In den einzelnen Arbeitskreisen der RJ waren nur etwa. Jung"Republikaner" organisiert. Seit Jahresende existiert auch ein "Republi scher Bund der Frauen" (RBF), der in einem Faltblatt "Familienpolitische punkte" verbreitete. Die Entwicklung der REP ist seit der Parteigründung ganz entscheidend von nerparteilichen Richtungsund Machtkämpfen geprägt. Unter der Führung von F SCHÖNHUBER entwickelten sich die REP seit 1985 zu einer rechtsextremisti populistischen Partei, die insbesondere nach den ersten Wahlerfolgen von 1989 eit 'enorme Anziehungskraft auf Rechtsextremisten aus anderen Organisationen 1990 kam es zu innerparteilichen Machtkämpfen zwischen SCHÖNHUBER mehreren Personen aus dem Bundesvorstand, die eine Zusammenarbeit mit den gen Parteien des rechtsextremistischen Spektrums anstrebten. Nach dem Sieg seine innerparteilichen Gegner auf dem Bundesparteitag in Ruhstorf im Juli 1990 te SCHÖNHUBER sich in den folgenden Jahren verstärkt darum bemüht, die von den übrigen rechtsextremistischen Parteien und Organisationen abzugrenzen als "demokratisch legitimierte Rechtspartei" zu etablieren. Durch sein Treffen mit dem DVU-Vorsitzenden Dr. FREY am 22. August 1994 und) die gemeinsame Presseerklärung rückte der damalige REP-Vorsitzende erstmals öffentlich von seiner Linie ab. SCHÖNHUBER wurde wegen seines Schulterschlusses mit Dr. FREYscharf kritisiert und verzichtete schließlich unter dem massiven Druck des Bundesvorstandesauf eine weitere Kandidatur für den Parteivorsitz. Am 17. De: zember 1994 übernahm nach dieser bislang schwersten Parteikrise sein Stellvertreterzugleich Vorsitzender der baden-württembergischen Landtagsfraktion - Dr. Rolf SCHLIERER, dieses Amt. SCHÖNHUBER, der seit Herbst auch mit einer eigenen Kolumne in der DLVHnahen Publikation "Nation und Europa" vertreten ist, wandelte sich zu einem der eifrigsten Fürsprecher einer großen rechten Sammlungsbewegung. Bestrebungen, ihn aus der Partei auszuschließen, fanden aber insbesondere aus wahltaktischen Rücksichtnahmen keine Mehrheit im Bundesvorstand. Wegen "unüberwindbarer Gräben" zur Parteispitze trat SCHÖNHUBER am 16. November überraschend aus der Partei aus. 100 in der aktuellen Situation 1995 litt die Partei unter innerer Unruhe, existentielProblemen und Abwärtstrends. Nach den Turbulenzen des Jahres 1994 rief der Bundesvorsitzende SCHLIERER am Jahresanfang zu mehr Geschlossenheit und igkeit auf. Angesichts gewachsener finanzieller und organisatorischer Schwierigwarb er um Unterstützung für den Konsolidierungskurs der neuen Parteifüh- ' Zur befürchteten Spaltung kam es nach dem erzwungenen Abgang SCHÖNJERS zwar nicht, wohl aber zu einem erheblichen Mitgliederschwund. Der Partei nur noch etwa 16.000 (1994: 20.000) Mitglieder bei weiter fallender Tenan. SCHÖNHUBER rechnete die REP sogarauf nur noch 13.000 Parteimitglieherunter. Auch zahlreiche Funktionäre bis hin zu Bundesvorstandsmitgliedern ii im Laufe des Jahres die Partei. 'h dramatischer als die Mitgliederentwicklung spitzte sich die Finanzsituation der i zu. Nachdem den REP von der Bundestagsverwaltung Abschlagszahlungen nach neuen Parteienfinanzierungsgesetz für 1995 verweigert worden waren, mußte Parteiapparat in großen Teilen abgebaut werden. Die im März in Berlin eröffnete Bundesgeschäftstelle mußte mit einer minimalen personellen und finanziellen tattung auskommen. Für viele Aktivitäten fehlte das Geld. Zeitweise drohte der jesorganisation sogar akute Zahlungsunfähigkeit. Mittlerweile fließen der Partei aber wieder dringend benötigte Gelder aus der staatlichen Parteienfinanzierung zu. 'Den REP ist es wider alle Beteuerungen wiederum nicht gelungen, ihrem ständig behaupteten demokratischen Anspruch gerecht zu werden. Dieses belegen exemplarisch 'auch Äußerungen des stellvertretenden Bundesvorsitzenden und baden-württembergi'schen Landesvorsitzenden Christian KÄS. In seiner Redeauf dem "Republikanertag" (der baden-württembergischen REP am 03. Oktober in Stuttgart bezeichnete er u.a. 'den baden-württembergischen Innenminister als einen "eiskalten Schreibtischtäter, (der diesem Land und seinen Menschen mehr Schaden zugefügt hat, als es Jahre alliierten Bombenterrors je vermocht hätten!" Wer sich heute liberal nenne, entwickele seines Erachtens nicht selten zum "Feind der Demokratie". Jene, die "Liberalität" in ihren Farben führten, gehörten "zu den politischen Kräften, die all das zu verantworten haben, was ich bekämpfe". Die "Liberalität" in Deutschland sei zu einem "weichen Totalitarismus" pervertiert. In augenfälliger Anlehnung an ein SCHÖNHUBER-Zitat von 1994, der die Bundesrepublik Deutschland als "einen Unrechtsstaat ohne Konzentrationslager und physische Vernichtung" diffamiert hatte, verstieg sich KÄS zu der Behauptung, daß die "existentielle Vernichtung" von andersdenkenden Menschen in Deutschland zwar nicht mehr "durch Kugeln oder Gas", dafür aber "ebenso perfide durch Ausgrenzung und Diffamierung ..." betrieben werde. Wer die "/deologie der Mitte" politisch bekämpfen wolle, so KÄS, müsse sich daher zur "Radikalität" bekennen. Einwanderungsbedingten Problemen durch Asylbewerber und Ausländer in Deutschland könne nicht durch Abschiebung "von einer Handvoll Negern in den Sudan" entgegengewirkt 101 werden. Die REPriefen daher emeutsolaut nach einem Ende der Masseneinwanderung, daß es "auch im letzten Negerkral in Afrika klar sein muß: Deutschlandwill sie nicht, Deutschland will sie nicht, Deutschland will sie nicht." Wie ambivalent und gespalten das Verhältnis zwischen dem alten und dem neuen. Bundesvorsitzenden war, demonstrierten beide öffentlich. Anläßlich des Landesparteitages in Thüringen am 19. März hatten beide noch versichert, künftig im Interesse der Partei wieder zusammenarbeiten zu wollen. Diese scheinbare Eintracht erwies sich schon bald als Trugbild. Zwar beteuerte SCHÖNHUBER noch im April schriftlich, mit seiner beabsichtigten Rückkehr in die "aktive Politik" keinesfalls die Schwierigkeiten des neuen Bundesvorsitzenden vergrößern, sondern allenfalls "beste'hende Unterschiede über den künftigen Weg der REP kollegial innerhalb der REP diskutieren" zu wollen. Tatsächlich war SCHÖNHUBER bereits zu diesem Zeitpunkt dabei, einigungswillige rechte Kräfte zu sammeln bzw. sich als prominenter Fürsprecher für eine rechte Sammlungsbewegung zu engagieren. Öffentlich bedauerte der REP-Gründer den Abgrenzungsparteitag von Ruhstorf 1990 rückschauend als einen "Flop". Die damals kalkulierte "Rechnung, die Staatsdiener (innerhalb der REP) durch Preisgabe mancher, von parteipolitischen Gegnern als Extremisten bezeichneter Funktionäre vor derGarottedes Verfassungsschutzes zu bewahren",seinichtaufgegangen. Wie schon 1985 nach seinem Wechsel an die Parteispitze, orientiert sich SCHÖNHUBER nach 10 Jahren politisch und strategisch wieder zunehmend am Vorbild des französischen "Front National" (FN) von Jean-Marie Le PEN. Dieser Kurswechsel fand Rückendeckung insbesondere in den neuen Bundesländern. Die dortigen Parteianhänger hatten dem ehemaligen Bundesvorsitzenden auch nach seinem Abgang großenteils die Treue gehalten - allen voran der Landesverband Thüringen, der ihm im März demonstrativ die Ehrenmitgliedschaft verlieh. Unter dem programmatischen Motto "Ein Modell für alle Patrioten" fand auf Initiatie ve und Einladung des thüringischen REP-Landespräsidiums am 1. Juni in Eisenach ein "/. Runder Tisch" über die Zukunft der deutschen Rechten statt. Mit am Tisch saBen hochrangige Vertreter der NPD und der DLVH. Die Teilnehmer waren sich einig, daß in Zukunft nur geschlossenes Auftreten der "demokratischen Rechten" zum parlamentarischen Durchbruch verhelfen könnte. Am 10. Juni beteiligten sich Funktionsträger der REP ebenfalls an einem vom DLVH-Landesverband Nordrhein-Westfalen veranstalteten Treffen von Vertretern der NPD, DLVH, DVU sowie anderer rechter Splitterparteien und Organisationen in Bergisch-Gladbach. Der dort von angeblich über 80 Teilnehmern verabschiedete "Rheinische Appell" beschwor die "Einheit der 'Patrioten"undrief zur "Sammlung derdemokratischen Rechten"auf. Diese Ereignisse signalisierten unübersehbar Annäherungsbestrebungenaufverschie. denen Ebenen und Gliederungen mehrerer Parteien, auch der REP. Die dadurch alarmierte REP-Parteiführung sah sich am 18. Juni genötigt, mit einem neuen Ab102 grenzungsbeschluß und Sanktionsandrohungen dieser Tendenz demonstrativ entgeor genzutreten. In einer Pressemitteilung vom 19. Juni unterstrich der Bundesvorsitzende SCHLIERER, der Bundesvorstand habe am Vortage einstimmig und unmißverständlich die Positionen der REP gegen "Runde Tische" und ähnliche Initiativen abgesteckt. Die REP Ichnten weiterhin kategorisch jede Annäherung, Absprache oder andere Zusammenarbeitsformen mit Parteien oder Gruppierungen ab, die der "'Alten 'Rechten (NPD, DVU, DLVH, FAPeic.)"zugerechnet werden. Jede weitere Betei gung an "Runden Tischen"im Sinne des "Eisenacher Signals"werde als parteischäASTrSEuSncYs digendes Verhalten geahndet. Von dieser Warnung offenbar unbeeindruckt, beteiligten sich Mitglieder und Funktionäre der REP auch danach noch an ähnlichen Treffen: So am 6. Juli in München ("Münchener Mahnruf") mit angeblich rund 200 Teilnehmern, am 2. September in Pulheim bei Köln ("Pulheimer Erklärung"), an dem rund 100 "deutsche Patrioten" teilgenommen haben sollen, sowie am 2. Oktober in Ludwigshafen ("Pfälzer Aufruf"). SCHÖNHUBER beteiligte sich außerdem an einem weiteren von der DLVH initiierten "Runden Tisch" am 22. September in München (9 siehe auch 1.5.6 Eini'gungsbestrebungen). 'Am 16. Oktober intervenierte SCHLIERER erneut mit einer Pressemitteilung öffentlich gegen Personen aus den eigenen Reihen. Einer der stellvertretenden Landesvor'sitzenden aus Thüringen hatte persönlich auf dem 3. ordentlichen Bundesparteitag der 7BaF2 DLVH am 3. Oktober eine Grußbotschaft des Landesvorsitzenden sowie des gesamten Landesvorstandes übermittelt. Er hatte damit exemplarisch öffentlich vorgeführt, 'daß mit Abgrenzungsbeschlüssen der Parteispitze gegenüber anderen Rechtsextremisten an der Parteibasis stellenweise großzügig umgegangen wird. SCHLIERER wehrte sich energisch gegen die von der DLVH behauptete "rechte Kooperation" von DLVH und REP. Das hektische Krisenmanagement der Parteiführung konnte aber 'nur unvollkommen verdecken, daß bei den REP breitflächig und durch alle Gliederungen hindurch offen über Strategien einer gemeinsamen "nationalen Opposition" nachgedacht und diskutiert wurde. SERSeH@egH Einer der entschiedensten Gegner jeglicher Zusammenarbeit, der bayerische Landesvorsitzende und stellvertretende Bundesvorsitzende Alexander HAUSMANN, trat am 10. November hingegen wegen des zögerlichen Verhaltens des Bundesvorstandes gegenüber SCHÖNHUBER von seinen Parteiämtern zurück. Konkret warf HAUSMANN der Parteiführung mangelnden Willen vor, sich von SCHÖNHUBER zu trennen. In der Presse wurde HAUSMANN mit der Aussage zitiert, die REP befinden sich auf dem "Weg, der in den Extremismus und Antisemitismus" führe. SCHLIERERS taktisches Kalkül, sich nicht auf eine Kraftprobe mit SCHÖNHUBER einzulassen, ging jedoch am Ende auf: Nur sechs Tage nach dem HAUSMANN-Rücktritt trat 785 SCHÖNHUBER aus der Partei aus. In seinem Austrittsschreiben charakterisierte der ehemalige Vorsitzende die Parteispitze als Riege "verhaltensgestörterundkomplexbe103 ladener" Funktionäre, die keine Sacharbeit leisteten, sondern lediglich "endlose inenkämpfe" anheizten. Der Umgang miteinander hätte bereits "menschenverach Züge" angenommen. SCHLIERER wertete diesen Rückzug als "zwangsläufige Konsequenz" einer lingeren Entwicklung, in deren Verlauf sich SCHÖNHUBER zunehmend von dem von der Partei für richtig befundenen Kurs entfernt habe. Am 20. November schloß sich der thüringische REP-Landesvorsitzende SCHÖNHUBERs Austritt an. Trotz des Abgangs ihrer Gründerfigur schwelte die interne Strategiedebatte der REP weiter. Die ungewisse Zukunft der Partei spiegelte sich auch in ihren Landtagswahlergebnissen von 1995 wider. Bei der hessischen Landtagswahl am 19. Februarerzielten die REP 2,0% der Wählerstimmen; bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 14. Mai erreichten sie nur 0,8 % und verfehlten damit die für die Parteienfinanzierung. wichtige 1%-Marke. Am selben Tag landeten sie bei den Bürgerschaftswahlen in Bremen bei nur 0,3 %. Auch 2,7 % der Wählerstimmen bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl vom 22. Oktober ließen das erhoffte Signal für einen bundesweiten Aufschwung vermissen. Der Landesverband Hamburg der REP war 1984 als zweite Landesorganisation nach Bayern gegründet worden. Die Hamburger "Republikaner" werden seit dem 26. November 1994 von dem Hamburger Taxi-Unternehmer Hans FIEDLER angeführt. Die bundesweite Auseinandersetzung um den neuen Kurs SCHÖNHUBERS hatte 1994 auch in Hamburg zu massiven, von taktischen und persönlichen Motiven geprägten Richtungskämpfen geführt, an deren Ende die Fraktion um den langjährigen Landesvorsitzenden und SCHÖNHUBER-Anhänger Werner JAMROWSKI unterlag. Die von JAMROWSKI angeführten SCHÖNHUBER-Unterstützer scheiterten am 19, März mit ihrem Versuch, den neuen Landesvorstand wieder abwählen zu lassen. Zu einer Entscheidung in der Sache kam es aber nicht mehr, weil etwa 10 bis 20 zum Teil vermummte Störer in die Mitgliederversammlung eindrangen, antinazistische Parolen riefen und die Anwesenden mit Farbbeuteln bewarfen. Nach dem Eintreffen der Polizei mußten die Demonstranten den Raum verlassen. Die Versammlung der "Re'publikaner" löste sich auf. Ihre Richtungskämpfe haben die Hamburger REP und die Bundespartei auch mit erheblichen Mitgliederverlusten bezahlt. Die Ende 1994 auf etwa 150 bezifferten Hamburger "Republikaner" dürften 1995 weiter deutlich abgenommen haben. Ihr ganz überwiegender Teil nimmt nicht am Parteileben teil. Die finanzielle Misere der REP trifft auch den HamburgerLandesverband. Ihm wurden ebenso wieder Bundesorganisation für 1995 Vorauszahlungen nach dem neuen Parteienfinanzierungsgesetz versagt. Obendrein hatte die Bürgerschaftskanzlei mit Bescheid vom 29. Dezember 1994 einen Betrag von 30.642,DM zurückgefordert. Er war den Hamburger REP 199% entsprechend ihrem Bürgerschaftswahlergebnis von 1993 (4,8%) als abschlagsweise "Zahlung bewilligt worden. Am 5. Januarklagteder Landesverband vor dem Hamburgischen Verwaltungsgericht gegen die Rückforderung. Erberiefsich darauf, daß die parallel von der Bundestagspräsidentin verweigerten Bundesmittel noch Gegenstand eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Köln seien und sich somit auch die Bürgerschaftskanzlei noch nicht auf eine rechtskräftige Rückforderungsgrundlage stützen könne. Daraufhin wurde das Verfahren bis zur Kölner Entscheidung vorläufig FRRF ausgesetzt. Am 20. und 21. März verhandelte das Hamburgische Verfassungsgericht die im Zu'sammenhang mit den Bürgerschaftsund Bezirksversammlungswahlen vom 19. September 1993 erhobenen Wahlbeschwerden der Hamburger REP. Als Beschwerdefühfer trat zum einen der Bergedorfer Jung-"Republikaner" Jan PIGORS auf, der von Christian KÄS vertreten wurde. PIGORS, der 1993 auf Platz 2 der Bergedorfer BeFiSazshr zirkswahlliste der REP kandidiert hatte, beanstandete die Nichtzulassung der REP zur Wahl der Bezirksversammlung. Der Landesverband hatte zum anderen gegen die Bürgerschaft Beschwerde geführt, weil sie Einsprüche der REP gegen die Gültigkeit 'der Bürgerschaftswahl abgewiesen hatte. Die REP hatten nach der Wahl behauptet, die Stimmenauszählung sei zu ihren Ungunsten manipuliert worden. Beide Klagepunkte wurden mit Urteil vom 25. April abgewiesen. Erfolgreicher verlief dagegen der Versuch, vor dem Hamburgischen Oberverwaltungsgericht den Fraktionsstaus für drei Abgeordnete in der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte zu erstreiten. Das Gericht erkannte den drei Republikanern am 2. TRPFBESHARGS März im Wege der einstweiligen Anordnung den Fraktionsstatus zu. Nachdem die Hamburger Führungsrivalitäten ausgefochten waren, versuchte der Landesvorstand insbesondere die Öffentlichkeitsarbeit wiederzubeleben und zu verbessern. Hierzu wurde u.a. eine eigene Parteizeitung, der "Alster Report", konzipiert. Das zweimonatlich erscheinende kostenlose Parteiblatt - 1995 mit 5 Ausgaben erschienen - diente in erster Linie Werbezwecken und sollte die Hamburger Bevölkerung auf die REP aufmerksam machen. Jede Ausgabe wurde schätzungsweise in mehreren tausend Exemplaren verteilt. Durchgängig wehrten sich die "Republikaner" im "Alster Report" gegen den Vorwurf des Rechtsextremismus. Vor dem Hintergrund der sog. "Chaos-Tage" in Hannover anläßlich eines PunkerTreffens führten die REP im "Alster Report"Nr. 4 (Sept/Okt.) u.a. aus (Syntaxund vsnawr Zeichensetzungsfehler im Orginal): "Warum durfien Polizisten die Plünderungen in Hannover nicht verhindern? Weil mehrere der Jugendlichen ein ausländisches Aussehen hatten und der Polizeieinsatzleiter nicht im ZDF oder ARD als fremdenfeindlich zur Schau .- gestellt werden wollte. Warum werden ähnliche Strafaten in Hamburg nicht verfolgt? Weil die SPD Senatoren (...) ein Herz für die autonomen Chaoten 105 der Hafenstraße/Schanzenviertel/Altona und der Wirtschaftsasylanten aus aller Welt, den Rauschgifisüchtigen, den Schwulen und Lesben haben. Der anständige Hamburger ist für diese Leute nur der Geldgeber für ihre rot'grünen Experimente, Stimmvieh für die nächste Legislaturperiode damit das eigene, nicht kleine Gehalt weiterfließt. Dafür wird gekungelt, gelogen und betrogen...". Im übrigen präsentierten sich die REP der Hamburger Öffentlichkeit insbesondere in der zweiten Jahreshälfte lediglich in den Bezirken Wandsbek, Bergedorf und Eimsbüttel vereinzelt mit sog. Info-Tischen, an denen sie angeblich großen Zuspruch erführen. Abgesehen von eher Tagesaktualitäten folgenden Wortmeldungen waren die Hamburger REPs zu kontinuierlicher und kompetenter sachpolitischer Arbeit kaum imstande. Ihre Handlungsfähigkeit war nach internen Querelen und durch personelle Ausdünnung spürbar geschwächt. 1.5.2 Deutsche Volksunion (DVU) Von den politischen Organisationen des Verlegers Dr. Gerhard FREY, die sich selbst als "national-freiheitlich" bezeichnen, hat die in München ansässige Partei "Deutsche Volksunion" (DVU) die größte Bedeutung. Ihre Mitgliederzahlen sind kontinuierlich zurückgegangen. Nach etwa 26.000 im Jahre 1993 und ca. 20.000 Mitgliedern 1994 wurde ihre Zahl im Dezember auf nur noch rund 15.000 geschätzt. Die DVU gibt selbst traditionell höhere Zahlen an. Neben der Partei DVU existieren als weitere "national-freiheitliche" Organisationen. der 1971 als "überparteiliches" Sammelbecken der "verfassungstreuen" Rechten gegründete Verein "Deutsche Volksunion e.V." mit den angeschlossenen Aktionsgemeinschaften "Aktion Oder-Neiße" (AKON), "Aktion deutsches Radio und Fernsehen" (ARF), .o.o. "Ehrenbund Rudel - Gemeinschaft zum Schutz der Frontsoldaten" (ER), "Initiative für Ausländerbegrenzung" (1.L.A.), "Deutscher Schutzbundfür Volk und Kultur" "Volksbewegung für Generalamnestie" (VOGA). bei Außenstehenden der Eindruck entstehen, "überzeugende" politische Inhal'der DVU hätten zu einer massiven Beitrittswelle geführt. Die DVU-Bundesorganisation wird durch ihren Bundesvorsitzenden von München aus zentralistisch geführt. Dr. FREY bestimmt die politischen Inhalte und Aktivitäten und nimmt Einfluß auf Personalentscheidungen auchauf regionaler Ebene. Ehemali'ge Mitglieder bezeugten öffentlich, daß die Partei zentralistisch und autoritär geführt 'und durch die Art der Vergabe finanzieller Zuschüsse in Abhängigkeit gehalten wird. 'Regionale und überregionale Aktivitäten der Landesverbände sind von der Zustimmung der Parteizentrale abhängig. Veranstaltungen finden selten und zumeist unter 'Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Nur ein ganz kleiner Teil der Parteimitglieder ist in die politische Arbeit der Organisation eingebunden. Der Rest beschränkt sich auf den Bezug der Wochenzeitungen des Dr. FREY und den Kauf anderer Druckerzeugnisse 'sowie sonstiger Artikel (z.B. Medaillen, Audiound Videokassetten) aus dem "FZFreiheitlicher Buchund Zeitschriftenverlag GmbH". Offensichtlich werden auch Personen als Mitglieder geführt, die Interesse für die Partei bekundet haben, ohne ihr formell beizutreten. Die DVU ist in allen Bundesländern mit eigenen Landesorganisationen vertreten. Die Berliner und Brandenburger Mitglieder sind im Landesverband Berlin-Brandenburg zusammengefaßt. Obwohl langjährig mitgliederstärkste rechtsextremistische Organisation, hat es die DVU bisher nicht geschafft, einen flächendeckenden organisatorischen Unterbau zu errichten. Unter dieser Schwäche hat auch ihr bisher nur sporadisches kommunalpolitisches Wahlengagement gelitten. Das Parteiprogramm der DVU erschöpft sich in 12 Punkten und einem populistischplakativen Forderungskatalog mit Allgemeinplätzen wie "Bewahrung der deutschen Identität", "Gleichberechtigung für Deutschland", "Schaffung von Arbeitsplätzen", "Schutz vor Kriminelle" oder "Direkte Demokratie für deutsche Bürger". Mit vagen Formulierungen sollen extremistische Zielsetzungen verschleiert werden. Das Programm bleibt nach Umfang und Inhalten sowie in seiner Aussagekraft hinter denen anderer - auch rechtsextremistischer - Parteien zurück. Die DVU gibt keine offizielle Parteizeitung heraus. Propagandaträger sind die von Dr. FREY in seinem ihm persönlich gehörenden Verlag ("DSZ-Druckschrifienund Zeitungsverlag GmbH") herausgegebenen Wochenzeitungen "Deutsche Nationalzeiung" (DNZ, wöchentliche Auflage ca. 36.000 Stück) und "Deutsche Wochenzeitung" (DWZ, wöchentliche Auflage ca. 22.000 Exemplare). Mit den Mitgliederzahlen der Partei gingen somit auch die Auflagenhöhen der Wochenzeitungen erheblich zurück (1994 noch 42.000 bzw. 25.000). Sie werden mittlerweile mit einer wesentlich geringeren Auflage auch in Österreich vertrieben. Mit den beiden Wochenblättern verfügt 107 Dr. FREY über das größte und einflußreichste Pressewesen im rechtsextremistis Lager. Neben Ereignisberichten und Meinungskolumnen aus dem Parteileben und der schen Praxis der DVU agitieren diese Blätter mit ausländerbzw. fremdenfeindli antijüdischen/antisemitischen, völkisch-nationalistischen und geschichtsrevis schen Aussagen, "Enthüllungen" oder Untertönen. DWZ und DNZ verein! komplexe Sachverhalte mit zum Teil demagogischen und äußerst aggressiven lungen und Zuspitzungen. Mit Erfolg haben die Verantwortlichen bisher darüber wacht, daß ihnen dabei keine strafrechtlich relevanten Verstöße nachgewiesen konnten. Darüber hinaus wird in der DNZ und der DWZ für Bücher, Medaillen Videos geworben, die der von Dr. FREYs Ehefrau betriebene "FZ-Freiheitlich Buchund Zeitschriftenverlag GmbH" anbietet. Die DVU grenzt sich durch Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegenüber Skinheads und neonazistischen Parteien ab. Aufregionaler Ebene mißachten Mitglieder der Partei diesen Unvereinbarkeitsbeschluß und arbeiten punktuell mit Vertretern nahezu des 'gesamten rechtsextremistischen Spektrums zusammen. 'Aufdem vom 15.-16. Juli in München stattgefundenen DVU-Bundesparteitag wurde. ein neuer Bundesvorstand gewählt. Er ist mit dem alten Vorstand identisch. Resolutionen und Beschlüsse des Bundesparteitages veröffentlichte die DVU in den FREYschen Wochenzeitungen am 28. Juli unter der Überschrift "Das will die DVU wirk. lich". Darin beklagte sie erneut, eine multikulturelle Gesellschaft raube Deutschen und Ausländern ihre Identität, entfremde sie ihrem Volkstum und verhindere ein + auch von der DVU angestrebtes - friedliches Nebeneinander der Völker. Der Bundesvorsitzende verglich die politische Freiheit in Deutschland mit der russischen: Danach sei Rußland ein "Paradies". Erneut veranstaltete die DVU ihre jährliche Großkundgebung am 30. September in der Passauer "Nibelungen-Halle", dieses Mal mit etwa 2.500 Teilnehmern. Die Veranstaltung unter dem Motto "Recht und Freiheit für Deutschland" verlief - trotz der bereits ebenso traditionellen Gegendemonstration - störungsfrei. Der als Hauptredner auftretende Bundesvorsitzende Dr. Gerhard FREY beschwor die "Einheit der Rechten" und zeigte sich überzeugt, daß es zur DVU keine Alternative gebe. Den "REPUBLIKANERN" prophezeite er, ohne ihren gestürzten Spitzenmann Franz SCHÖNHUBER künftig chancenlos in Bedeutungslosigkeit zu versinken. Die NPD habe politisch total versagt und schwäche das "rechte Lager", weil sie "nationalbewußte" Menschen an eine Partei mit aussichtsloser Perspektive binde. Wie schon im Jahr zuvor, wurde der Afro-Amerikaner Dr. Robert L. BROCK - Verfechter eines "Schwarzen Nationalismus" - als Redner präsentiert. Symbolisch für alle unterdrückten Minderheiten durften zwei indianische Freiheitskämpfer auftreten. weitere Ehrengäste wurden der Abgeordnete der rechtsextremistischen nieder- i "Centrumspartei", Johannes JANMAAT, sowie Verteter aus Flandern, ich und Südtirol begrüßt. Dr. FREY monierte das erneute Einreiseverbot ge'den "kommenden Präsidenten Rußlands", den russischen Nationalisten Wladimir IIRINOWSKU. Dieser hatte in einer übermittelten Grußbotschaft seine Freundzu Dr. FREY und seine Zuversicht unterstrichen, 1996 bei den russischen Prätschaftswahlen den großen Durchbruch seiner Partei zu schaffen und Boris abzulösen. den Mißerfolgen 1993 bei der Kommunalwahl in Hessen sowie der Bürgerlin Hamburg und den damit verbundenen finanziellen Verlustenin Millio'nenhöhe hatte Dr. FREY auf eine Teilnahme an sämtlichen Wahlenim Jahre 1994 verzichtet. Er hatte aber angekündigt, daß die DVU 1995 wieder Wahlen bestreiten wolle. Da die DVU 1987 und 1991 zweimal den Sprung in die Bremer Bürgerschaft geschafft hatte, vermutete Dr. FREY in Bremen besonders günstige Bedingungen für 'einen DVU-Wahlerfolg. Der Wahlkampf wurde mit dem DVU-üblichen - gemessen am realen Beitragsaufkommen - hohen finanziellen Aufwand bestritten. Der fest erwartete Wahltriumph am 14. Mai fiel allerdings aus. Er hätte Hoffnungssignal für 'ganz Deutschland werden sollen. Mit insgesamt 8.494 Stimmen erreichte die DVU nur 2,47 %. 'Das Kommunalwahlergebnis in Bremerhaven am 24. September bescherte der DVU 'dagegen 5,7 % Stimmanteile und 3 Sitze in der Bremerhavener Stadtverordneten-Versammlung. An dieses Ergebnis knüpfte Dr. FREY in Passau größte Hoffnungen für die Landtagswahl am 24.03.1996 in Schleswig-Holstein. Eine dortige Riege ehemaliger DVU-Fraktionsmitglieder stand unter Verdacht, Fraktionsgelder zweckwidrig für die Parteiarbeit verwandt zu haben. Einrichtungen der DVU-Parteizentrale und 'Adressen in Schleswig-Holstein und Hamburg waren am Jahresende in diesem Zusammenhang von Hausdurchsuchungen betroffen. Obwohl der Hamburger DVU-Landesverband mit unter 600 Mitgliedern stagnierte, blieb die DVU die örtlich personell weitaus stärkste rechtsextremistische Organisation. Ein organisatorischer Unterbau des Landesverbandes auf Bezirksoder Kreisebene ist nicht erkennbar. Die Partei hat in Hamburg keinerlei Außenwirkung. Es fanden keine öffentlichen Aktionen in Hamburg statt. Der Landesverband fiel auch nicht mit eigenen Propagandaverteilungen im Stadtbereich auf. Der Verein DVU e.V. mit den sechs angeschlossenen Aktionsgemeinschaften war in Hamburg inaktiv. Gemeinsam mit dem Schleswig-Holsteiner DVU-Landesverband führten die Hamburger am 14. Oktober in Schleswig-Holstein einen Landesparteitag durch. Diese in der DWZ vom 27. Oktober als "Aufbruch-Parteitag der DVU Hamburg" titulierte Veranstaltung diente der Mobilisierung zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein und der Wahl eines neuen Hamburger DVU-Landesvorstandes. 109 1.5.3 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) und Nebenorganisation 1.5.3.1 NPD Die NPD ist die älteste rechtsextremistische Partei in der Bundesrepublik. Sie feierte FBRPEV 1994 ihr 30-jähriges Bestehen. Seit 1991 ist der ehemalige Lehrer Günther DECKERT Parteivorsitzender. Ihren Verlautbarungen sind rassistische und nationalistische Denkweisen und Zielsetzungen zu entnehmen. Die Partei bestreitet die Gleichheit aller Menschen als angeblich längst überholtes Dogma und schöpft statt dessen ihre Prinzipien aus dem vermeintlich lebensrichtigen Menschenund Weltbild der Ungleichheit. Vorrangiges politisches Ziel ist ein Nationalstaat, in dem der einzelne anstelle grundgesetzlich garantierter Individualrechte auf die Volksgemeinschaft und nationale Solidarität verpflichtet wird. Daraus resultiert eine völkisch-kollektivistische Grundhaltung. Aufder Basis dieser Doktrin agitiert die NPD grobschliächtig und pauschal gegen Juden, Ausländer und Asylbewerber und diffamiert im gleichen Zug deutsche Politiker wegen angeblicher Vernachlässigung deutscher Volksinteressen. Hauptmedium dieser Propaganda ist das Parteiorgan "Deutsche Stimme" (DS). Der Mitgliederbestand der NPD ist im Zuge eines seit Jahren abwärtsgerichteten Mitgliedertrends bis zum Jahresende auf 4.000 (1994: 4.500) abgesackt - ein Rückschlag auch für DECKERTSs mit genau gegenteiliger Berechnung eingeschlagenen aktionistischen Kurs. Auch ständige NPD-Eigenwerbung als älteste und bestorganisierte "nationale" Partei Deutschlands konnte die trendbedingte personelle und organisatorische Schwächung nicht aufhalten bzw. sie gegenüber den größeren Parteien DVU und REP aufwerten. Die NPD bietet keine Zukunftslösungen an, sondern steigerte vor allem, personifiziert durch DECKERT, ihre auf propagandistische Effekte angelegte Praxis. Die unter Mitgliederverlusten und Überaltertung notleidende Organisationsstruktur zwang zu Reorganisationsüberlegungen. Da sich inzwischen personelle Auffrischungen durch den Zuwachs junger Interessenten aus der Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) abzeichnen, könnte sich dieser Problemdruck abschwächen. Die NPD war weit davon entfernt, an frühere Wahlerfolge anknüpfen zu können. Obwohl sie sich bei der hessischen Landtagswahl am 19. Februar ganz bewußt als Konkurrentin zur DVU anbot, erreichte sie nur 0,3%. Die DVU schlußfolgerte, für Wahlbündnisse sei die NPD kein Gesprächspartner mehr. In Bremen/Bremerhaven landete die NPD bei 0,1%, wertete aber selbst diese totale Wählerabsage noch als "Erfolg": Durch die NPD-Kandidatur sei der Wiedereinzug der DVU in die Bremer 'Bürgerschaft verhindert worden! Anläßlich der Bremerhavener Kommunalwahl entfielen auf die NPD 0,24% der Stimmen. Mit einem Unvereinbarkeitsbeschluß hatte sich die NPD 1992 formal gegen Neonazis abgegrenzt und dieses noch 1993 bekräftigt. In der Praxis hat die Partei ihre Distanz 'gegenüber Neonazis punktuell aufgegeben und beteiligt diese an Veranstaltungen 'oder Aktionsbündnissen. Auf beiden Seiten - NPD und Neonazis - gibt es Versuche ir Strömungen, sich von Fall zu Fall gegenseitig unter eigener Dominanz zu 'vereinnahmen und zu funktionalisieren. Die NPD hebt in der Interpretation ihres Un'vereinbarkeitsbeschlusses gegenüber Neonazis praktisch nur noch auf das Statuskrilerium unzulässiger "Doppelmitgliedschaft" ab. 'Die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der NPD erschließen sich weniger aus ihrem antiquierten Programm, das im November 1996 durch einen Programmparteitag neugefaßt werden soll. Richtungsweisende Indizien liefern vielmehr Funktionärsaus'sagen und Publikationen, die sich die Partei zurechnen lassen muß. Insbesondere der Parteivorsitzende DECKERT tat sich dabei mit seiner revisionistischen Öffentlichkeitsarbeit und seinen antisemitischen Äußerungen hervor. In der DS vom März wurde DECKERT gelobt: er zeige auf, daß Deutschland nicht souverän, sondern heute 'noch fremdbestimmt sei - von Mächten, die die inneren Angelegenheiten Deutschands nichts angingen. DECKERT habe sich dadurch den "alttestamentarischen Haß" zugezogen, die hinter einer "pseudodemokratischen Fassade ihre dunklen machtpolitischen Spiele" zum Schaden der Bürger austrügen. Beispiele menschenverachtender und rassistischer NPD-Agitation werden inzwischen auch mittels elektronischer Kommunikation frei Haus geliefert. Ein NPD-Mitglied tierte in der Mailbox "Widerstand" das Feuer in der Hamburger "Roten Flo"(9 siehe 2.4.2): "Leider war es ein technischer Defekt! Besser wäre, alle Häuser um die Sternschanze hätten gebrannt. In der Ecke wohnen nur massenhaft Kanacker andmilitanter Linx-Pöbel". Im Zusammenhang mit Exekutivmaßnahmen gegen die NPD in Süddeutschland war DECKERT am 26. Januar Ziel einer Durchsuchung. Bei ihm wurden ein Kleinlibergewehr - ohne vorweisbare Waffenbesitzkarte - und einige Ausgaben von Hiters "Mein Kampf" gefunden. Ebenfalls im Januar drohte DECKERT dem Leiter der 'KZ-Gedenkstätte Buchenwald in einemBrief mit Maßnahmen bei einem Machtwech- . In Anspielung auf die Erfassungsstelle Salzgitter zur Registrierung von DDR- t teilte DECKERT dem Gedenkstättenleiter mit, er sei nun im "Nationalen'gitter-Brigthon" erfaßt - einem angeblichen britischen Datenspeicher. Das LG Karlsruhe verurteilte DECKERT am 22. April in einer Neuverhandlung weVolksverhetzung zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung ((r) siehe 1.2.3). Die DS mentierte das Urteil diffamierend: "Hilde Benjamin (ehemalige DDR-Justizmi- nisterin) und Roland Freisler (Präsident des Nazi"Volksgerichtshofes") hätten i wahre Freude!" an den Karlsruher Richtern gehabt und "Der Rechtsstaat wird. | mehr Gesinnungsterrorstaat" (DS 5/95), die Justiz zur "politischen Hure" (DSTE , 8/95). Gesinnungsfreunde riefen nach dem Karlsruher Urteil zunächst das "Ka schafts - und Hilfswerk Freiheit für Günter DECKERT" zur finanziellen Untersti zung der Familie ins Leben. Am 15. Dezember gründeten führende NPD-Mitgli dann das "Kameradschafishilfswerk für nationaleGefangene"als noch einzutrage, den Verein. Vereinszweck: Finanzielle Unterstützung "mationaler Kameraden den Gerichten und im Gefängnis sowie deren Familienangehörigen". Mit der Gründung sollte u.a. die einseitige DECKERT-Fixierung der 1. Gründung korrigi werden. In einem anderen Verfahren wurde DECKERT am 21. Juni vom Amtsgericht (AG Weinheimzu sechs WochenHaft verurteilt. Er hattein Briefen an die Städte Weit heim und Mannheim den Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutsch BUBIS, als "jüdischen Hochkommissar über Deutschland" bezeichnet und ihm D schenhetze vorgeworfen. Der konspirativ vorbereitete 26. ordentliche NPD-Parteitag am 10./11. Juni in N" kirchen bei Amstorf bestätigte DECKERT mit über 92% Zustimmung ohne Gege kandidaten im Amt. Der Bundesschatzmeister bestätigte die weiterhin ange n Finanzen - bedingt u.a. durch Schuldentilgung bei derBundestagsverwaltung beim Land Baden-Württemberg wegen rückzuerstattender Wahlkampfkostenvo zahlungen. Einzelne NPD-Mitglieder haben sich an den Einigungsbestrebungenim Rahmen sg "Runder Tische" beteiligt ((r) siehe 1.5.6) Allerdings mied die NPD ein oft Partei-Engagement. Ein 1994 von der NPD anderen rechtsextremistischen P 'offerierter Wahlpakt "Bündnisfür Deutschland" fand keine Resonanz. 'Am 30. September setzte das NPD-Präsidium seinen Parteivorsitzenden über h ab. Es warf DECKERT Eigenmächtigkeiten in Erbschaftsangelegenheiten der und Mißachtung von Vorstandsbeschlüssen vor. Der Parteivorstand bestätigte die Akt am 8. Oktober. Interimsmäßig wurden die Stellvertreter Udo HOLTMANN Ellen-Doris SCHERER mit der Parteiführung beauftragt. In einer anschließenden nerparteilichen "Schlammschlacht" (parteiinterne Diktion) wurden die für DEI KERTs Sturz Verantwortlichen zu "Putschisten" gestempelt und öffentlich namer lich angeprangert. Mehrere Landesverbände verlangten einen Sonderparteitag, DECKERT wiedereinzusetzen. Insgesamt machte sich eine DECKERT entgegenko mende Stimmungslage bemerkbar. Im November setzte das Landesverbands-Schiedsgericht Baden-Württemben DECKERT auf seinen Antrag hin wieder als Parteivorsitzenden ein - allerdings nicht' 112 fehabilitierend, sondern wegen fehlender "Eilbedürftigkeit". Weil DECKERT seit 'dem 8. November eine Haftstrafe verbüßt, konnte er seine Amtsgeschäfte allerdings (nicht mehr aufnehmen. 'Der Hamburger NPD-Landesverband (LV) bestätigte auf dem Landesparteitag im Frühjahr den amtierenden Landesvorsitzenden Ulrich HARDER, der zugleich Vorsit'zender der "Hamburger Liste Ausländerstopp" (HLA, (r) siehe 1.5.4) ist, Der LV hat 'wie im Vorjahr etwa 80 Mitglieder. Die Partei behauptete hingegen einen Mitgliederzuwachs. Außenaktivitäten fanden nicht statt. Für die Publikation "Hamburger Na'tionaldemokraten" (HN, halbjährliches Organ des LV) zeichnet HARDER verantwortlich. Von den sechs Hamburger Kreisverbänden (K'V) ist nur der regelmäßig monatlich tagende KV-Altona arbeitsfähig. Die übrigen fünf - Bergedorf hat ohnehin keinen KV - sind desolat. Im Herbst räumten die HN ein, 1994 die eigenen Kräfte 'zum Nachteil des Hamburger Landesverbandes zu sehr auf Mecklenburg-Vorpommern konzentriert zu haben. Die HN-Frühjahrsausgabe geißelte DECKERTs Verurteilung als "politische Gesinnungsjustiz, die wir seit dem Ende der DDR für erledigt hielten". In der Herbst'Ausgabe erteilte der LV dem revisionistischen Aktionismus des Bundesvorsitzenden eine eindeutige Absage. Bis zu 30% der Wähler seien durchaus bereit, grundSätzliche Standpunkte nationaler Politik zu unterstützen. Die Hälfte davon rechnete sich der LV als mittelfristiges Wählerpotential aus. Dagegen könne eine (Anm.: fevisionistische) "Auschwitzund Anti-Juden-Partei allenfalls 0,3%" erreichen. 'Vor dem Hintergrund der Verurteilung des NPD-Funktionärs FÖRSTER (s.0.) sahen sich die Hamburger genötigt, in den HN auf "Die gewaltfreie Opposition" der NPD hinzuweisen, die Veränderungen nur über Wahlen erstrebe. Das historische Datum "8. Mai" (50. Jahrestag des Kriegsendes 1945 und des Nationalsozialismus) war in (der Hamburger NPD-Propaganda identisch mit "Niederlage" und Auftakt zur "Umerziehung" - keinesfalls aber mit einem Akt der Befreiung. 'Für die Hamburger NPD hatte anfänglich ein Wahlbündnisangebot an andere rechte Parteien politische Priorität. Die Zersplitterung der "nationalen" Kräfte sei der größte Feind "nationaler" Bestrebungen. Der Vorschlag war u.a. bereits auf die nächste Bürgerschaftswahl gemünzt, Eine HLA-Erklärung unterstützte das Ansinnen. Im Herbst konterkarierte die NPD ihren Frühjahrsvorstoß jedoch selbst, indem sie öffentlich ihre Parteikandidatur zur Hamburger Bürgerschaftswahl 1997 verkündete. Diese taktiefende Sprunghaftigkeit des NPD-/HLA-Vorsitzenden HARDER läßt nur die Schlußfolgerung zu, daß "Republikaner", DVU und DLVH sein Hegemoniestreben in einem möglichen Wahlbündnis durchschaut haben und kein Wahlbündnis unter NPDFührung wünschen. 113 1.5.3.2 Junge Nationaldemokraten ( IN) Die "Jungen Nationaldemokraten" (IN) sind formal die Jugendorganisation NPD. Sie zählen bundesweit weiterhin etwa 150 Mitglieder. Obwohl diese zur ven Mitarbeit in den NPD-Parteigremien verpflichtet sind und sich papiermäßig Zielsetzung und Programmatik der NPD bekennen, artikulieren sie sich zu aggressiver. Sie verstehen sich als eine weltanschaulich geschlossene "national" sonnene "Jugendbewegung neuen Typs" mit revolutionärer Ausrichtung und innerorganisatorischer Disziplin. Einen guten Teil ihrer Kraft konzentrieren sie auf, theoretische Grundlagen zu erarbeiten, u.a. um sich sich aus dem Schatten "Mutterpartei" NPD zu lösen und "alte Zöpfeder traditionellen Rechten" ab; den. Die JN streben nach einem Profil als konzeptionell selbständige - autonome - volutionäre Bewegungfür junge Nationalisten im Alter zwischen 14 und 35 Sich selbst in die Tradition "der" deutschen Jugendbewegung stellend, sehen sie si als künftiger Kern einer neuen "nationalen Jugendbewegung", der dann das Lei "politischer Soldaten" (Kader) verkörpert: Von Idealen angetriebene, nach Erfüllung ihres politischen Kampfauftrages strebende Menschen. Zu diesem Zweck sollen die geeignetsten Kader "herausgefiltert" werden, die sind, "unerbittlich" zu kämpfen, ggf. "gesellschaftliche Achtung" in Kaufzu und einen radikalen politischen Aktivismus zu entfalten. Zusammen mit der NPD len sie letztendlich den Aufstand des "radikalisierten", zu einer "Bewegung" gel delten Volkswillens gegen das etablierte Parteiensystem steuern und eine "nati Volksherrschaft" errichten. Ausdrücklich spekulieren sie dabei auf "Schwächen" demokratischen Rechtsstaates, der antidemokratischen Bestrebungen nur mit rechtsstaatlichen Mitteln begegnen darf. Da sie für sich selbst den Anspruch erheben, eigentlichen Verteidiger der Freiheit zu sein, sei Extremismus "keine Schande Mäßigung keine Tugend". Als Vorhut eines aufder Solidargemeinschaft der "deutschen Stämme" begründeten neuen "Reiches" wollen die JN eine an unterschiedlichen Fähigkeiten, Lei: und Bedürfnissen der Menschen orientierte anti-egalitäre Gesellschaft unter der Kurz" formel "Chancengerechtigkeit statt Chancengleichheit" etablieren. Für die Nr. 14 der bisherigen JN-Zeitschrift "Einheit und Kampf" (EuK) vom Oktober zeichnete erstmals der in Hamburg wohnende JN-Bundespressesprecher ZOBEL als Herausgeber verantwortlich. Zur Redaktion gehören außerdem der IN. Bundesvorsitzende Holger APFEL sowie die Neonazis Andre GOERTZ (ehemaliger Spitzenfunktionär der verbotenen FAP) sowie Steffen HUPKA (Herausgeber der na tionaltrevolutionären Theoriezeitschrift "Umbruch". Mit der Neubesetzung und Umstrukturierung der Redaktion war auch eine programmatisch akzentuierte Umbenennung der EuK von ehemals "Stimme des jungen Deutschland" in "Systemalt Zeitschrift" verbunden. Ein direkter Bezug der EuK zu den JN wurde in der 0.g. Aus114 'nicht mehr hergestellt, Wegen des gravierenden Einflusses von Neonazis auf die ion, die sich folgerichtig auch in entsprechenden Inhalten und Aussagen wijiegeln, ist die EuK heute dem neonazistischen Spektrum zuzuordnen. Auch die'deutliche Positionswechsel markiert eine politische Gewichteverschiebung bei den weg von der Mutterpartei NPD - hin zum aggressiveren Neonazismus. Die bisheriNPD-Jugend soll sich dadurch in ein Auffangbecken für solche Neonazis verwandie infolge verbotsbedingter Organisationsauflösungen freigesetzt wurden. REBFTHRUFEB konnte in der bisherigen Organisationszeitschrift "Einheit und Kampf" (EuK) für fine stärkere Betonung nationalistischen Gedankenguts geworben werden. In einem ientlich nicht gezeichneten Artikel der EUK Nr. 14 (Okt.1995) wurde ein "Pro'gressiver Nationalismus" (PN) in vereinnahmender Weise als politische Strömung tionaler Verbände" in Norddeutschland bezeichnet, der eine "Systemalternative" .. Grundpfeiler dieser Alternative sei die "Schaffung einer wirklichen Demokratie, die Abkehr vom Parteien-Parlamentarismus". Es handelt sich hierbei um einen Versuch, Eckpunkte und Grundzüge des eigenen ungen ein: So wird z.B. nahegelegt, in der öffentlichen Selbstdarstellungaufrevisio'nistische Argumentation bzw. Betrachtungsweisen zu verzichten. Dessenungeachtet ARGEBRFrGS habe Revisionismus "in der internen Ausbildung" weiterhin Platz. Um aber das von den Sicherheitsbehörden selbstverständlich entdeckte Wiederauftauchen von ehemaligen Angehörigen verbotener neonazistischer Gruppen in neuer 'Umgebung - insbesondere deren politische Weiterarbeit - gegen staatliche Sanktionen 'zu schützen, werden formale Bindungen unter dem Dach der NPD vorsorglich auf'rechterhalten. So können die JN im Schutz des von der NPD beanspruchten ParteienPrivilegs einstweilen unbehelligt zur Stärkung des "nationalen Widerstandes" für die 'Zusammenführung und Aktionseinheit aller sich "nationaloppositionell" nennenden 3535 'Gruppierungen eintreten. Folgerichtig plädieren sie einschließlich der Anhänger ver'botener Organisationen auch für eine Aufhebung der Unvereinbarkeitsbeschlüsse der 'NPD. Diese gelten zwar papiermäßig noch, haben aber fast keine tatsächliche Bedeutung mehr. So konnte der in Hamburg aktive Halstenbeker Neonazi und ehemalige FAP-Spitzenfunktionär Andr(r) GOERTZ während der JN-Oster-Schulung vom 14.16. April in Thüringen unwidersprochen über wirtschaftsund sozialpolitische Ideen der NSDAP sprechen. ESzZ22.5 2.5 Der stellvertretende JN-Bundesvorsitzende Andreas STORR/Berlin ist Redaktionsmitglied der "Berlin-Brandenburger-Zeitung" (BBZ). Diese gehört zu einem drei Zeitungen umfassenden Projekt, an dem Neonazis führend beteiligt sind. Auch woanders wurde eine Vielzahl gemeinsamer Aktionen von JN/Neonazis bekannt, so z.B. anläßlich von Sonnenwendfeiern, bei denen die JN ihre Kontakte zu Neonazis zu fe- stigen und auszubauen versuchte. Die von dieser schwerwiegenden - Neonazis it grierenden - Entwicklung tangierte rechtsextremistische Wahlpartei NPD hat bisher nicht reagiert. Das Gedenken zum 50. Jahrestag des Kriegsendes von 1945 (8. Mai 1995) war IN ein willkommener Anlaß, um "gegen die herrschenden Machtstrukturen" zu tieren. In besonders hoher Auflage (It. Eigenangabe fast eine Million) wurde Flugblatt "Wir feiern nicht! - Schluß mit der Befreiungslüge!" verbreitet. Der 8. 1945wurde vonden IN zum Datum vonSchmach,Niederlage und Trauerumi pretiert. Die 8.Mai-Kampagne der JN war einer der vielfältigen - fast ausn: vergeblichen - rechtsextremistischen Versuche, eine organisationsübergreifende tionseinheit zustandezubringen, um daraus frische Impulse für die nationali Vernetzung zu beziehen. Mit vereinten Kräften sollte der angeblichen Mein! nipulation des herrschenden Machtapparates eine Gegenöffentlichkeit entgi stellt werden, um - in revisionistischer Manier - "Lügen der Herrschenden" decken und letztendlich damit das "System in Frage zu stellen". Dieser Vorgabe gemäß wurde im Organisationsbrief "/N-Konkret" Nr. 2 wor tig dazu aufgefordert, die "liberalkapitalistische Front" des Hauptfeindes "a: chen" und seine "Bastionen zum Einsturz" zu bringen. Ein bemerkenswertes Li auf die Offenheit im Umgang mit anderen Rechtsextremisten warf die Tatsache, IN-/NPD-Mitglieder in München vor dem Hintergrund der 8. Mai-Thematik an ei vom Neonazi Peter NAUMANN angemeldeten Veranstaltung teilnahmen (9 NAUMANN: siche 1.3.2 "Rechtsextremistischer Terrorismus"). Der 24. ordentliche JN-Bundeskongreß am 2./3. September in Siedentram sen-Anhalt stand unter dem Motto "Soziale Gerechtigkeit durch soziale T" schaft". Er verabschiedete u.a. ein "nationales Jugendprogramm". Als Kon; hepunkt bewerteten die JN das Gastreferat des rechtsextremistischen Vordenkers national-marxistischem Hintergrund Reinhold OBERLERCHER aus Hamburg. Vortrag war dem Kongreß-Motto gewidmet. Aus ihrer nationalistisch-völkischen Grundhaltung heraus, die ausschließlich vermeintliche Lebensinteressen des deutschen Volkes abhebt, bekämpfen die JN propagandistisch auch die fortschreitende europäische Integration. Dieses unterstrichen sie u.a. mit programmatischen Vokabeln wie "Befreiungskampf" und "Befreiungsnationalismus". Die JN sehen sich als eine Avantgarde für die Zusammenarbeit europäischer nationalistischer Kräfte gegen die europäische Integration. Der strategischen Option einer europäischen Sammlung von Rechtsextremisten entspricht der am 16. Dezember zum zweitenmal nach 1994 von den JN veranstaltete "Kongreß der europäischen Jugend" in Gerach/Bayern. Ursprünglich war geplant, diese Neuauflage in einem "demokratischen LandMitteleuropas" stattfinden zu las116 mithin nach JN-Lesart keinesfalls in der Bundesrepublik. Die Wiederholung des drückte den Willen der IN aus, ihn zu instititutionalisieren und sich so als bei der Etablierung einer europäischen Jugendbewegung stark zu machen. Leitmotiv des Kongresses lautete "Nie wieder Imperialismus! Nie wieder Krieg! lischer Nationalismus bis zum Sieg!" Demgemäß kritisierte der IN-BundesvorHolger APFEL in seiner Eröffnungsansprache u.a. angebliche "Weltherr;bestrebungen imperialer Großmächte, Wirtschaftsimperialismus multinationaKonzerne". Damit hob er auf Weltverschwörungstheorien ab,die fast durchgängig Iteil rechtsextremistischer Weltanschauung sind, unter völlig anderen Vorzeiin sehr ähnlicher Diktion bezeichnenderweise aber auch bei der linksterroristi"Antiimperialistischen Zelle" (AlZ (r) siehe 2.3.2.2) auftauchen. Neben Redaus den eigenen Reihen sprachen auch Vertreter rechtsextremistischer Gruppiegen aus mehreren europäischen Ländern oder überbrachten Grußadressen. Nach Ansage des "Nationalen Infotelefons" (NIT) Hamburg lehnten auch sie das istische" Maastricht-Europa ab. In der Szene wurde der Kongreß als "ein'ksvolle Manifestation für ein Europa Freier Völker" gefeiert. (- und NPD-Mitglieder beteiligten sich einträchtig mit ehemaligen Anhängern der nen FAP an den Feiern zum Todestag des früheren HITLER-Verbündeten und ischen Diktators General FRANCO in der Zeit vom 18.-20. November in Majanien. Sie besuchten bei dieser Gelegenheit auch das erste "Europäische effen Nationaler Vereinigungen", das der spanische "Jugendverband - Bündnis für tionale Einheit" organisiert hatte. Einzelne JN-Mitglieder waren auch wieder in der isationsübergreifenden "Anti-Antifa"-Arbeit aktiv. Hamburg: In Hamburg wurde am 10. März der JN-Landesverband wiedergegrünIn Anwesenheit des stellvertretenden JN-Bundesvorsitzenden Michael Prümmer der bisherige Landesbeauftragte Jan ZOBEL zum Landesvorsitzenden geit. In einer Ansage des NIT-Hamburg über das Gründungsereignis wurde beklagt, daß die IN als verfassungsfeindlich bewertet werden. Diese seien integraler Bestandfeil der NPD und trügen die Arbeit der NPD mit. Die JN-Hamburg haben etwa 10 Mitglieder. Die IN sehen sich - offenbar unbeschadet der vom NIT reklamierten "integralen" NPD-Identität - als Bestandteil der neonazistischen "Norddeutschen Bewegung" (NDB). In einem Flugblatt vom Januar riefen sie zum Eintritt in diese neue "Natio'malbewegung" auf: "Hinein in die Gemeinschaft der neuen Nationalbewegung! Wir bauen jetzt das Fundament für die kommende nationale Rechte". Nicht Parteileben und NS-Romantik seien wichtig, sondern "das Durchdringen der Gesellschaft mit 'den Idealen nationaler Politik". Die drogensüchtige Multi-Kulti-Jugend ohne Ideale - so wurde behauptet - sei das Produkt der Politik der Herrschenden. Man sei bewußt "anders" und besinne sich aufdie deutschen kulturellen Werte. 117 Der Aufruf endete mit dem Appell: "Werdet Teil der nationalen Opposition". Di ser nur scheinbar organisationsfeindliche, von den Hamburger JN favorisierte satz einer lockeren "Bewegung" offenbarte eine deutliche Diskrepanz zur Linie der Hamburger NPD, die an der tradierten Organisationsform einer politischen Partei festhält. Das Zusammenwirken und Überschneiden des JN-Landesverbandes mit Mitgliedern des ehemaligen FAP-Landesverbandes Hamburg wurde das Jahr über durchgehend forciert. So waren als Rednerduo für eine Kundgebung am 11. Februar in Flensburg. zum Gedenken an die "Opferdes alliierten Massenmordes" Jan ZOBEL und Andre GOERTZ angesagt. Die Hamburger NPD nimmt die enge Zusammenarbeit der IN mit ehemaligen Kadern der FAP bisher ohne erkennbaren Widerstand hin - zumindest: wurde keine öffentliche Distanzierung bekannt. In der Nacht zum 9. Februar wurden an Türen und Wänden des multikulturellen Kinderladens "Maimouna" in Altona diverse ausländerfeindliche Aufkleber der IN verklebt. Mit großer Wahrscheinlichkeit kamen der/die Täter aus den Reihen der N. Ein weiteres Beispiel ihrer Kooperation mit ehemaligen FAP-lem wollten die JN am 25. März praktizieren. Für diesen Tag war eine Veranstaltung auf dem Bahnhofsvorplatz Berliner Tor angemeldet unter dem Motto "Wir fordern die Sprengung des asbestverseuchten Polizeihochhauses". Es sollten Transparente mit dem Slogan "Unsere Poli zei verdient einen umweltfreundlicheren Arbeitsplatz" gezeigt werden. Die Veranstalter wollten damit - aus durchsichtigen Gründen - Sympathiepunkte bei Polizisten einheimsen. Die Veranstaltung wurde verboten. Im Rahmen der von den JN unterstützten "Anti-Antifa"-Arbeit (Anti-Antifa (r) siehe 1.4.2) verteilten Unbekannte im Mai am Wohnort der Bundestagsabgeordneten der PDS-Fraktion Ulla JELPKE in der Hamburger Königstraße Flugblätter mit ihrem Porträt und persönlichen Daten. Nach dem Verständnis der Flugblatturheber sei die Politikerin das "Bindeglied der >demokratischen< SED/PDS zur linksradikalen Szene (Antifa, Anarchisten, Autonome, Kommunisten, RAF-Umfeld usw.)". Es wurde dazu aufgerufen, weitere sog. "Antifaschisten", die gegen nationale Bürger und Organisationen vorgehen, namhaft zu machen und/oder sie - sinngemäß - ans Licht der Öffentlichkeit zu zerren. Als Kontaktanschrift war u.a. das Postfach des Hamburger JNLandesvorsitzenden ZOBEL angegeben. Die JN vermitteln den Eindruck, unter starkem Einfluß ehemaliger FAP-Spitzenfunktionäre zu stehen. Das Einschwenken der JN auf einen neonazistischen Kurs steigert die von Neonazis ausgehende Unterwanderungsgefahr auch für die Hamburger NPDParteiorganisation. 1.5.4 Hamburger Liste für Ausländerstopp (HLA) Die HLA hatte sich am 04.04.1982 konstituiert, um zur damaligen Hamburger Bürgerschaftswahl kandidieren zu können. Die Partei war auf Initiative Hamburger NPDFunktionäre mit Unterstützung des NPD-Parteivorstandes gegründet worden. Sie versteht sich als politischer Zusammenschluß Hamburger Bürger deutscher Nationalität und gibt vor, sich mit demokratischen Mitteln an der Bekämpfung politischer Mißstände beteiligen zu wollen. Die Mitgliederzahl der HLA liegt bei etwa 60. Vorsitzender ist weiterhin Ulrich HARDER, der zugleich auch Hamburger NPD-Landesvorsitzender ist. Schon in ihrer Namensgebung verrät die HLA, daß sie praktisch eine "Ein-Punkt-Partei" ist, die mit der Ausländerproblematik demagogisch umgeht. Sie agitiert mit dem vereinfachenden Erklärungsmuster, daß die Anwesenheit von Ausländern in Deutschland Ursache nahezu aller gesellschaftlichen Probleme ist. In ihrem Organ "HLANachrichten" beansprucht sie, "Die Partei für deutsche Interessen in Hamburg " zu sein, Tatsächlich fördert die Partei programmgemäß in ihrer Propaganda weiterhin hauptsächlich ausländerfeindliche Tendenzen. Die HLA erweitert diese angeblich nationale Interessen wahrende Stoßrichtung, 'indem sie auch den europäischen Einigungsprozeß bekämpft. Nach ihrem vorübergehenden und wenig erfolgreichen Engagement in MecklenburgVorpommern in den Jahren 1993/94 zu Lasten ihrer Hamburger Aktivitäten wollte sich die HLA ab 1995 wieder stärker Hamburger Belangen zuwenden. Eine entsprechend deutliche Wiederbelebung der HLA-Agitation in Hamburg war jedoch nicht festzustellen. Ihre politische Propaganda beschränkte sich auch in diesem Jahraufdie einmalige Herausgabe der "HLA-Nachrichten". Darin vermittelten die Verfasser den Eindruck, als ob Deutschland das Opfer einer gezielten Verschwörung wäre. Sie unterstellten, mit der Zuwanderung von Ausländern werde in Wirklichkeit ein von langer Hand lancierter strategischer Zweck verfolgt: die Zerstörung herkömmlicher deutscher Werte und Tugenden. Plakativ forderte die HLA daher: "Zurück zu den tradierten Werten!" Beispiele demagogischer Meinungsbeeinflussung lieferte die HLA in ihrer Parteizeitung vom Sommer an mehreren Stellen. Unter einem Balken mit der dreimaligen Parole "Ausländer Stopp!" folgte eine Warnung: "Die Indianer haben sich nicht gewehrt. Daher leben sie heute in Reservaten. Wir wehren uns!" Zum Preis von 7 DM für 100 Stück bot die HLA auch wieder Klein-Aufkleber (sog. Spuckis) zum Verkauf an, die den Bürgern gelegentlich an Fassaden, Laternenpfählen oder in den öffentli'chen Verkehrsmitteln begegnen. Sie enthielten Parolen gegen "Scheinasylanten", für vorrangige Zuteilungen von Wohnraum an deutsche Wohnungssuchende, gegen Ausländerwahlrecht sowie die Abbildung einer Familie, die unter der Forderung nach 'Ausländerstop verkündete: "...damit wir eine Zukunft haben!" 119 Zu den Hamburger Bürgerschaftswahlen 1997 will die HLA allen Hamburger Parteien, die eine "ähnliche Programmatik" wie sie haben, vorschlagen, ein "Nationales Wahlbündnis" - etwa in Form eines "Hamburg-Blockes" - einzugehen. Die dafür in Frage kommenden rechtsextremistischen Parteien (u.a. "Die Republikaner", DVU) klassifizierte sie ohne Differenzierung als "Splitterparteien". Aus dieser Bewertung bestünde, die 5%-Hürde zu überspringen. Im übrigen würden "nur mit der HLA" auch genug Kandidatenzur Verfügung stehen - eineAnspielungauf ProblemezB. der DVU, qualifizierte Personen zu einer Kandidatur zu bewegen. 1.5.5 Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) Die DLVH wurde 1991 in Villingen-Schwenningen/Baden-Württemberg von Abweichlern der rechtsextremistischen Parteien NPD und "Republikaner" gegründet. Sie ging aus dem "Förderverein VereinigteRechte" hervor, der sich 1990 in München als Verein "Deutsche Allianz" konstituiert hatte und mit Sitz in Landshut weiterbesteht. Zur DLVH gehören die in Landshut ansässige "RVG Verlagsund VertriebsGmbH" und die "Patria-Versand GmbH". Letztere handelt mit Büchern, Tonträgern, Videokassetten, Aufklebern, Fahnen, bedruckten T-Shirts u.ä. Der DLVH-Bundesvorstand wurde auf dem Parteitag am 14. Oktober im Amt bestitigt. Gleichberechtigte Vorsitzende sind Harald NEUBAUER (ehemaliges Bundesvorstandsmitglied der "Republikaner"), Jürgen SCHÜTZINGER (ehemaliges Bundesvorstandsmitglied der NPD) und der ehemalige Fraktionsvorsitzende der DVU im schleswig-holsteinischen Landtag, Ingo STAWITZ. Die Mitgliederzahl der DLVH stieg seit ihrer Gründung bei unbedeutende Schwankungen geringfügig von 800 auf 900. Örtliche Schwerpunkte waren wieder Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, NordrheinWestfalen und Bayern. Das DLVH Parteiprogramm von 1991 enthält unverkennbare Gemeinsamkeiten bzw, eine ideologische Verwandtschaft mit der NPD, DVU und den "Republikanern". Pro= grammatik, Propaganda und Agitation der DLVH folgen einer nationalistischen, vök kisch-kollektivistischen Grundorientierung. Im Mittelpunkt aller DLVH-Botschaften stehen fast beschwörende Appelle zum "Erhalt der deutschen Identität und Souves ränität" gegen 2 Hauptbedrohungen: Die Asylund Ausländerproblematik und die Preisgabe deutscher Interessen durch eine verfehlte Bündnispolitik. Die populistischen Appelle der DLVH an Sozialneid, niedere Konkurrenzund Haß instinkte zielen darauf ab, das Meinungsklima in Deutschland zu polarisieren und auf kurze Sicht - Protestwählerpotentiale auf sich zu ziehen, langfristig den geselk schaftlichen Konsens einer pluralistischen demokratischen Ordnung zu unterminieren. Die DLVH orientiert sich dabei nach eigenen Angaben an Erfolgen ähnlich gela120 'gerter "Bewegungen" in anderen europäischen Ländern: Den "Freiheitlichen" in Österreich, dem "Front National" in Frankreich, der "Alleanza Nazionale" in Italien und dem "Vlaams Blok" in Flandern/Belgien. Alle vertreten laut DLVH einen "zukunfisorientierten Patriotismus mit hoher sozialer und ökologischer Verantwortung". 1995 konzentrierte sich die DLVH auf erneute Anläufe für einen Zusammenschluß aller nationalen Gruppierungen. Sie kam damit auf ihr eigentliches Gründungsanliegen zurück - die krisenhafte Entwicklung und Uneinigkeit der drei größten Organisationen des "Nationalen Lagers" (NPD, DVU, Republikaner) zu überwinden. Getreu ihrem Selbstverständnis als "Sammlungsbewegung demokratischer Patrioten" bezog, sie das gesamte Spektrum des Rechtsextremismus in ihre Einigungsinitiativen ein. Dazu wich sie seit Ende 1994 auch von papiermäßigen Unvereinbarkeits-/Abgrenzungsbeschlüssen gegen Neonazis ab. Im Oktober 1994 hatte der Bundesvorstand der DLVH in einer Resolution die Richtung angezeigt: Die DLVH werde jede Person und Strömung solidarisch unterstützen, die auf eine Sammlungder demokratischen Rechfen hinwirke. 1995 müsse für die deutsche Rechte ein Jahr der Versöhnung, Öffnung und Erneuerung werden; nur gemeinsam lasse sich eine flächendeckende, schlagkräfige und glaubwürdige politische Alternative zum Bonner Parteienkarussel aufbauen. Entsprechend öffnete sich die DLVHauf regionaler Ebene auch ehemaligen Mitgliedern verbotener neonazistischer Organisationen, die ihrerseits dadurch die Chance erblicken, ihre bisherige politische Arbeit ungestört fortzusetzen und u.U. in die DLVH hineinzutragen. Die mittelund langfristigen Perspektiven dieser Zusammenarbeitsbestrebungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Aufhebung des Nebenund Gegeneinanders im rechten Lager, Wahlerfolge in abgestimmten/gemeinsamen Kandidaturen und Zweckbündnissen. Devise: Wer die politischen Machtverhältnisse in Deutschland "erschütern" wolle, müsse die demokratische Rechte in Deutschland sammeln und ihre Kräfte konzentrieren. Kurzfristige Perspektive: möglichst schon ab Frühjahr 1996 eine umfassende bundesweite Einigungsinitiative und eine Zielmarke von 15 - 20 % für die "Rechte" bei der nächsten Bundestagswahl. Im übrigen: Ein rechter Schulterschluß gegen staatliche Repressalien. Seit Oktober 1994 versucht die DLVH als Hauptoder Mitinitiator sogenannter "Runder Tische", auf örtlicher und regionaler Ebene die Vereinigung des "nationalen Lagers" voranzutreiben (9 Einzelheiten siehe 1.5.6). 'Auf dem 3. ordentlichen DLVH-Bundesparteitag am 14. Oktober in Pommersfelden/ Bayern wurde das seit 1991 bestehende, als"Gründungsmanifest" bezeichnete Parteiprogramm um den Zusatz "...Einigung demokratischer Patriotinnen und Patrioten" ergänzt. Ein Mitglied der "Republikaner" bekannte sich in einem Grußwort zur Zusammenführung aller rechten Gruppierungen in Deutschland. 'Die DLVH bestritt ihre öffentlichen Aktionen meist mit Flugblattverteilungen und anderen Propagandaschriften. Zu den parteieigenen, überregional erscheinenden Pu221 blikationen zählen die Monatszeitschrift "Nation und Europa" und die "] Rundschau". Die "Deutsche Rundschau" und andere revisionistische/nationalistis Literatur ist über den RVG-Verlag - Geschäftsführer: DLVH-Funktionär Peter HOUST - zu beziehen. Der Verlag "Nation und EuropaDeutsche Rundschau" User in der Mailbox "Widerstand". Zu den unbedeutenden regionalen Schriften gehört das vierteljährlich in der Nordregion erscheinende Info-Blatt "Die Nordlichter", Der Hamburger Landesverband der DLVH wurde offiziell am 02.11.1991 gegründet. Der Mitgliederbestand stagniert seitdem bei 30 Personen - mehrheitlich ehemalige Mitglieder der NPD und HLA. Auch in Hamburg hat die DLVH ihren Anspruch als Sammlungsbewegung nicht aufgegeben und ist weiterhin bemüht, neue Mitglieder zu gewinnen. Seit 1994 gibt es in Hamburg und Schleswig-Holstein Kontakte zu neo" nazistischen Organisationen. Nach den Verboten der neonazistischen NL und FAP im Februar ist mit einer weiteren Annäherung dieses Personenkreises an die DLVH zu rechnen. 'Abgesehen von unwesentlichen, vereinzelten Flugblattaktionen beschränkten die DLVH-Anhänger sichauf interne Parteiarbeit. So wurden im April im Bereich Hamburg-Blankenese Flugblätter mit dem Tenor "Befreiung von wem - von was?" in Hausbriefkästen verteilt. Für die Flugschriften zeichnete die DLVH VillingenSchwenningen presserechtlich verantwortlich. Der DLVH-Landesverband Hamburg unterhält regelmäßige Kontakte zum Landesverband Schleswig-Holstein. Für die Zulassung zu den am 24. März 1996 bevorstehenden Landtagswahlen mußten Unterstützerunterschriften gesammelt werden. Hamburger Mitglieder der DLVH haben dabei sowie bei der Verteilung verschiedener Wahlkampfflugblätter geholfen. 1.5.6 Einigungsbestrebungen / Perspektiven Immer dann, wenn überhöhte Erwartungen rechtsextremistischer Parteien im Zusammenhang mit Wahlkandidaturen besonders nachhaltig enttäuscht werden, kommt neue Bewegung in schwelende Strategiedebatten über mögliche Bündnisse bis hin zu einer Art Einheitsfront oder "Bewegung" im "nationalen Lager". Insbesondere nach. der desillusionierenden Serie von Niederlagen im "Superwahljahr" 1994 loderte diese Debatte wieder auf. Quer durch das gesamte rechtsextremistische Spektrum meldeten sich Theoretiker und Strategen zu Wort und boten vielfältige Visionen und Konzepte für eine Einigung der Rechten an. Die bei den meisten rechtsextremistischen Wahlparteien (NPD, DVU, REP) insbesondere in den Führungsetagen vorzufindenden Egoismen haben sie bis heute daran 'gehindert, aussichtsreiche Schritte in Richtungaufeine "Rechte Allianz" oder "Rechte Einheitspartei" zu wagen. Die ebenfalls zu Wahlen antretende "Deutsche Liga für Volk und Heimat" (DLVH) war vor diesem Hintergrund von vorneherein als Samm122 lungsbewegung angetreten. An der Mitgliederbasis der anderen Parteien wurde die Einigungsunfähigkeit der Führungsriegen vielfach mit Unverständnis und offener Kritik quittiert. Einige Mitglieder und nachgeordnete Funktionsträger sind inzwischen 'nicht mehr bereit, mögliche parteioffizielle Initiativen abzuwarten. Aus den unteren 'Parteiebenen heraus wurden verstärkt Vorstöße unternommen, durch beispielgebende Eigeninitiativen zu beweisen, daß die "Einheit der Rechten" keine unerreichbare Utopie bleiben muß. '$o haben sich neue basisorientierte "Runde Tische" etabliert, um wenigstens erst einmal die Isolierung der verschiedenen rechtsextremistischen Bereiche auf örtlicher 'oder regionaler Ebene aufzulösen. Gegen den Widerstand der Bundesvorstände nahmen daran auch Mitglieder der DVU und der "Republikaner" teil. Zumeist auf Initiative der seit langem für die "Einigung der deutschen Rechten" agierenden rechtsextremistischen DLVH trafen sich im Jahresverlauf in mehreren Regionen vor allem 'Anhänger der "Republikaner", der NPD und DVU, aber auch Neonazis zu "Runden Tischen der Konservativen und Demokratischen Rechten". Es wurden jeweils fast inhaltsgleiche politische Appelle verabschiedet, in denen geradezu beschwörend die angeblich immer dringendere Vereinigung des rechten Lagers verlangt wurde. Nur eine starke und zukunftsorientierte Rechtspartei könne dem endgültig drohenden Absturz in die Bedeutungslosigkeit begegnen. Durch einen jahrelangen Schlingerkurs und unnötige Querelen in den eigenen Reihen hätten sich die "nationalen" Parteien von den Wählern entfremdet. Resignation und Frustration machten sich breit. Alle "seriösen Kräfte von rechts" müßten endlich gebündelt werden, statt gegenseitig zu konkurrieren. Das heillose Gegeneinander eigentlich Gleichgesinnter müsse ein Ende finden. Nur wenn die vernünftigen ". Patrio'ten" zusammenfänden, könne sich eine neue Aufbruchstimmung einstellen. Als mittelfristiges Ziel definierten die Teilnehmer, im Lager der "demokratischen Patrioten" einen Neubeginn wenigstens "anzuschieben" und sichauf eine gemeinsame Wahlplattform zu einigen. In einer ersten Etappe - etwa bis zum Frühjahr 1996 - versprachen sich die Initiatoren bereits eine umfassende Einigungsinitiative auf Bundesebene. "Runde Tische" sollten zunächst über Wahlbeteiligungen den Sprung in die Landtage und in den Bundestag vorbereiten, das Gegenund Nebeneinander rechter Parteien und Vereinigungen überwinden, ein Klima gegenseitigen Vertrauens fördern und so das Vorfeld zum weiterführenden Einstieg in eine "Vereinigte Rechte" ebnen. Als strahlende Vorbilder und Erfolgsmodelle wurden immer wieder entsprechende Bestrebungen im europäischen Ausland bemüht: So "Die Freiheitlichen" der FPÖ unter Führung Jörg HAIDERS in Österreich und der französische "Front National" unter Jean-Marie Le PEN. Die von den Teilnehmern diverser "Runder Tische" verabschiedete Serie unterschiedlich formulierter Aufrufe hatte eine übereinstimmende Zielperspektive: Die 123 "Einheit aller Patrioten". So entstanden u.a. am 1. Juni das "Eisenacher Signal", am 2. September die "Pulheimer Erklärung" und am 2. Oktober der "Pfälzer Aufruf". Die Bundesvorsitzendender anderen drei großen Wahlorganisationen registrierten die, Einigungsinitiativen der DLVH bzw. die "Runden Tische" argwöhnisch und ablehnend. Mißbilligend mußten sie zusehen, wie sich Teile ihrer Mitgliederbasis punktuell verselbständigten und unbekümmert über bestehende Abgrenzungsbeschlüsse hinwegsetzten. Auch in Hamburg unternahm die DLVH Vorstöße, die Zusammenarbeit mit anderenrechtsextremistischen - selbst neonazistischenOrganisationenzufördern. Nach dem "Appell von Ludwigshafen" Ende Oktober 1994 und der "Ingolstädter Erklärung" im Februar 1995 organisierte die DLVH auf gleicher strategischer Linie am 10. Juni den "RundenTisch der Konservativen und Demokratischen Rechten im Rheinland". Die dort Versammelten verabschiedeten einstimmig den "Rheinischen Appell" zur "Bündelung der versprengten Kräfte von Rechts". Als bundesweit umzusetzende Sofortmaßnahme zur "Einigung aller Patrioten" postulierte die Erklärung + gleichsam flächendeckende - lokale "Runde Tische". Die am 2. September von 70 Anhängern, Vertretern bzw. Funktionären u.a. der DLVH, REP, DVU und NPD im nordrhein-westfälischen Pulheim verabschiedete sog. "Pulheimer Erklärung" manifestierte den Willen zur Zusammenarbeit und Kräftekonzentration. Ihr Wortlaut wurde seit Oktober regelmäßig von der DLVH mit: Unterstützungsaufrufen im Rahmen einer Unterschriftenaktion publiziert: "Die gravierenden Mißstände in Deutschland und das Unvermögen der Alt'parteien, diese zu beseitigen, machen eine starke und zukunftsorientierte Rechtspartei dringend erforderlich. Doch der deutschen Rechten droht der Sturz in die dauerhafte Bedeutungslosigkeit..Wir brauchen jetzt ein kraftvolles Signal der Versöhnung und Bündelung aller seriösen Kräfte von rechts. Es muß Schluß sein mit dem Gegeneinander eigentlich Gleichgesinnter. Nur wenn die vernünftigen Patrioten zusammenfinden, kann der Zerfall gestoppt werden und eine neue Aufbruchstimmung entstehen". Erwartungsgemäß stand auch der DLVH-Bundesparteitag in Pommersfelden am 14, 'Oktober im Zeichen der Einigungsperspektive. Vor den anwesenden Gästen, u.a. Ne onazis und Skinheads, bekräftigten DLVH-Redner ihre Strategie der "Runden Ti" sche". Spätestens bis zu den Landtagswahlen 1996 müsse eine umfassende Einigungsinitiative auf Bundesebene geschmiedet werden, um den drohenden Absturz in die Bedeutungslosigkeit abzuwenden. Die Idee einer Sammlung aller "rechten Kräfte" hat sich inzwischen zum aktuellen Vorzugsthema unter den einfachen Mitgliedern rechtsextremistischer Parteien, aber auch bis in die lokalen Funktionärsebenen hinein, verdichtet. Der ehemalige REP- Bundesvorsitzende Franz SCHÖNHUBER hat sich umgehend zu einem vehementen Befürworter parteiübergreifender Zusammenarbeit gewandelt und wiederholt an "Runden Tischen" teilgenommen. Nach dadurch zwangsläufigen Differenzen mit 'dem REP-Bundesvorstand erklärte er am 16. November seinen Parteiaustritt ((r) siehe auch 1.5.1). Das bundesweite Sammlungsengagement der DLVH orientierte sich insbesondere an 'den Perspektiven künftiger Wahlkandidaturen. Die Tatsache, daß an den "Runden Tischen" in den anderen Bundesländern auch Neonazis interessiert waren und als Gäste auf dem DLVH-Bundesparteitag "geduldet" wurden, spricht für gegenseitige Offenheit. Daß Kontakte zu Hamburger Neonazis für den schleswig-holsteinischen DLVH-Chef Ingo STAWITZ keinesfalls tabu sind, hatte er 1994 bereits in einer gemeinsamen Presseerklärung mit dem ehemaligen Hamburger Vorsitzenden der verbo'tenen FAP, AndrEUR GOERTZ, demonstriert. Zwei Aspekte stehen einstweilen noch vor einem Erfolg der intensivierten Einigungskampagne: Die bisherigen Initiativen entwickelten sich zur Hauptsache von den Basisbereichen her - unter Umgehung zentraler Beschlußlagen und zum Teil in schroffer 'Konfrontation mit Führungsebenen. Da die Willensbildung unter Rechtsextremisten letztlich aber immer noch dem "Führerprinzip" gehorcht, werden innere Widerstände keine Dynamik zulassen. Es gibt auch keine Anzeichen, daß sich diese Widerstände durch einen grundlegenden Wandel zu neuen Einsichten - etwa durch Aufgabe von Führungsansprüchen, Machtrivalitäten und sonstigen Egoismen - in naher Zukunft auflösen könnten. 1.6 Sonstige Organisationen und Objekte 1.6.1 Das Deutsche Rechtsbüro (DRB) Das "Deutsche Rechtsbüro" (DRB) wurde Anfang 1992 in Hamburg von Rechtsanwälten, Jurastudenten und sonstigen juristisch interessierten Personen als juristische Selbsthilfeeinrichtung und Koordinierungsstelle der rechtsextremistschen Szene gegründet. Eigenen Angaben zufolge möchte das DRB sein juristisches Wissen der "rechten" Szene zur Verfügung stellen und bundesweit an Aktivisten weitergeben, damit dieser Personenkreis bei gerichtlichen Verfahren und im sonstigen Umgang mit Polizei und Justiz rechtlich besser informiert und vorbereitet ist. Der weitverbreiteten Unwissenheit in der gesamten rechtsextremistischen Szene insbesondere über strafrechtliche Zusammenhänge soll begegnet werden. Die öffentliche Berichterstattung über das DRB hatte im Juli 1993 dazu geführt, daß das Hamburger Postfach aufgelöst und ins bayerische Münsing (Postfach 44, 82539 125 Münsing) verlegt wurde. Seit Jahresende hat das DRB auch eine Postfachadressei Berlin (Postfach 330 441, 14174 Berlin). Geleitet wird das DRB jedoch weiterhin von einer Hamburger Rechtsanwältin, die für ihre Veröffentlichungen ("Mäxchen Treuherz und die juristischen Fußangeln", 1992, "Mäxchen Treuherzund die Fallstricke der Behörden", 1993) das Pseudonym Gisela SEDELMAIER benutzt. Das DRB verfügt über ein eigenes Urteilsarchiv, aus dem wichtige Urteile zu strafrechtlich relevanten Themen angeboten werden. Auch juristische Ausarbeitungen zu verschiedenenThemen werden gegen Selbstkostenpreis an interessierte Personenabgegeben. Weiter führt das DRB Rechtsschulungen vorwiegend im norddeutschen RE Raum durch und ist bei der Vermittlung von Rechtsanwälten im Bundesgebiet behilflich. Mittlerweile wird auch eine Mappe zur juristischen Selbstschulung angeboten. In 'Anzeigen und durch persönliche Kontaktaufnahme werden Rechtsanwälte um Mitarbeit gebeten. Personen aus dem "rechten" Lager, die wichtige Urteile o.4. zur Verfügung stellen können, werden gebeten, diese Materialien zuzusenden. Durch Pressemitteilungen in verschiedenen rechtsextremistischen und neonazistischen Publikationen macht das DRB regelmäßigaufsich aufmerksam. VerlautbarunZFEB gen werden außerdem über das "Nationale Infotelefon" (NIT) Hamburg und die Computer-Mailbox "Widerstand BBS" in Erlangen verbreitet. Auch 1995 setzte das DRB seine juristische Aufklärungsarbeit unvermindert fort. Im März wurde eine 16-seitige "Merkliste Hausdurchsuchung und Beschlagnahme" veröffentlicht. Darin wurden u.a. das richtige Verhalten der Betroffenen und vermeintliche Rechtsverstöße der Durchsuchungsbeamten thematisiert, sowie auf Rechtsmittel hingewiesen. Die entsprechende Pressemitteilung des DRB wurde u.a. in "DESGinform" (Nr.2-3/95), in "Sleipnir" Nr.2/95 (März/April) und in den "HNG-Nachrichten" (Nr.171, April) veröffentlicht. Auch das NIT Hamburg machte am 23. Februar in einer Durchsageauf die "Merkliste" aufmerksam. Im Juni erschien eine 24-seitige "Verbotsliste gegen Rechts", in der nach Darstellung des DRB alle "wesentlichen, rechtskräfiigen Verbote von Gerichten und Behörden gegen nationale Deutsche aufgeführt und kurz beschrieben" sind. Mit dieser Auflistung der "Vereinsverbote, Versammlungsverbote, Berufsverbote und indizierten, dh verbotenen Schriften, Tonträger usw." werde die heute oft gehörte Behauptung widerlegt, die bundesdeutschen Behörden und Gerichte seien auf dem rechten Auge blind. Zwei Tage nach dem Überfall mutmaßlicher Linksextremisten auf den rechtsextremistischen Anwalt Jürgen RIEGER am 30. August (9 siche 2.2.2.4) versandte das DRB ein Rundschreiben mit der Aufforderung, Solidarität mit RIEGER zu zeigen, und mit der Bitte, vom DRB vorformulierte Protestschreiben gegen linksextremisti126 se scheGewalt an die HamburgerJustizbehörde, dieHanseatische Rechtsanwaltskammer sowie an die Presse zusenden. Beteiligt an dieser Aktionwarauch das NIT 'Hamburg. Im November bot das DRB eine "Merkliste Rechtsmittel gegen die Veröffentlichungvon Privatanschrifien" an. Das DRB hat sich in den knapp vier Jahren seines Bestehens nicht nur als wichtige und anerkannte Institution in der rechtsextremistischen Szene fest etabliert, sondern 'gilt dort mittlerweile als unentbehrliche Einrichtung, um der zunehmenden staatlichen Repression gegen "nationale" Aktivisten und Gesinnungsträger wirksam entgegenwirken zu können. 1.6.2 Burschenschaften Die "Intellektualisierung" rechtsextremistischen Gedankenguts, wie sie insbesondere im Umfeld der "Neuen Rechten" betrieben wird, schlug sich auch im Spektrum korporierter Studentenverbindungen nieder. Sie berührte insbesondere akademische Burschenschaften, die sich von ihrer Geschichte her als politisch motivierte Bünde verstehen und daher auch politisch ambitioniert arbeiten. Die Wiedervereinigung Deutschlands hatte eine Revitalisierung nationaler Politikkonzeptionen begünstigt. Diese Tendenz stärkte auch innerhalb des Dachverbandes "Deutsche Burschenschaft" (DB) Kräfte, die deutliche Affinitäten zum nationalistischen Lager aufweisen. Dabei vermischte sich bei einigen Burschenschaften rechtsextremistisches Gedanken'gut mit studentischer Brauchtumspflege und burschenschaftlichen Idealen zu einer insgesamt nationalistisch orientierten Gesinnungsgemeinschaft. Entsprechende Ten'denzen wurden auch bei Hamburger Burschenschaften beobachtet. Spätestens seit 1993 waren die Spannungen und teilweise tiefgreifenden Zerwürfnisse zwischen den unterschiedlichen politischen Lagern innerhalb der DB kaum mehr zu übersehen. Diese Lager kristallisierten sich um einen nach eigener Definition "liberalen" Pol und um einen in der "Burschenschaftlichen Gemeinschaft" organisierten "nationalkonservativen" Block. Im August 1993 erregte die Erlangener Burschenschaft "Bubenreuther" mit Warnungen vor rechtsradikalen Tendenzen Aufsehen. Sie selbst sei aus dem Dachverband ausgetreten, weil dieser sich zu "rechtsradikal" positioniere. Nach dem Anstoß der Bubenreuther scherten mehrere Verbindungen aus der DB aus, um sich mit der Konkurrenzgründung "Vereinigung Deutscher Burschenschafter" von den Rechten abzugrenzen. Diese Abspaltung war jedoch nur sehr kurzlebig. Unterdessen entzündete sich 1993/94 eine sehr kontroverse Grundsatzdebatte über das Selbstverständnis der Burschenschaften. Kritiker beklagten in vorbehaltloser Offenheit und Deutlichkeit die fortschreitende Veränderung der DB zu einer "politischen Sekte", die "es nicht schafft, sich solcher Bünder oder Personen dauerhaft zu entledigen, die wegen ihrer abstrusen oder radikalen Positionen allenfalls ins Rands- 'pektrum gehören." Der Berufungaufeinen "volkstumsbezogenen" Vaterlan. bei gleichzeitiger Fixierungaufdie territorialen Grenzen des Deutschen Reiches von 1937 sei es zu verdanken, daß "die ewig Gestrigen zu dominieren scheinen". Die "mitgliederschwachen radikalen Bünder führen das große Wort, die mitgliederstarken undmeistens gemäßigteren Bünder ... werden 'angemacht'." (,"Burschenschaftli'che Blätter" Nr. /94, Januar 1994, S. 34 ff). 1995 zogen einige der gemäßigten Burschenschaften aus dieser Situation Konsequenzen und gründeten am 13. Januar 1996 in Hannover einen eigenen Dachverband: Die "Neue Deutsche Burschenschaft". In einem Interview mit der "Jungen Freiheit" (IF Nr. 3/96 v. 19.01.96, S.2) verwies der Sprecher des neuen Dachverbandes auf zahlreiche Verlautbarungen z.B. zur Territoriumsfrage, die "zu Recht als rechtsextrem eingestuft" würden. Die DB werde von den abgespaltenen Burschenschaften zwar nicht "pauschal" als "rechtsradikal" abgestempelt, "wohl aber Einzelpersonen und. Einzelbünde", Die DB hat den darin verborgenen Vorwurfdes Rechtsextremismus als "schlichte Lüge" zurückgewiesen. 1.6.3 Hetendorf-Komplex In den letzten Jahren hatte sich das unter dem Sammelbegriff "Hetendorf" geläufige Objekt in der gleichnamigen Ortschaft im Landkreis Celle zu einem bedeutenden rechtsextremistischen Kommunikationsund Veranstaltungszentrum in der Bundesrepublik entwickelt. Eigentümer des Anwesens in Hetendorf ist der 1984 gegründete "Heide-Heim e.V." mit Sitz in Hamburg. Zweck des Vereines ist, "ein Volksbildungsund Jugendheim zu unterhalten" sowie Veranstaltungen durchzuführen. Daneben gibt es noch den sich in der Schreibweise geringfügig unterscheidenden "Heideheim e.V." mit Sitz in Buchholz. Er fungiert als Förderverein des "Heide: Heim e.V." Hamburg und des damit verbundenen Anwesens in Hetendorf. Der Verein trägt nur zur Finanzierung bei. Der Komplex in Hetendorf genießt im rechten Lager beachtliches Ansehen als Austragungsstätte vielfältiger Kulturund Jugendveranstaltungen. So diente er in den vergangenen Jahren u.a. folgenden rechtsextremischen, insbesondere neonazistischen Organisationen als Versammlungsstätte für zahlreiche Veranstaltungen unterschiedli'chen Inhalts: (r) "Wiking - Jugend" (WJ) - verboten am 10.11.1994 vom Bundesminister des Inneren * "Nationalistische Front" (NF) - verboten am 27.11.1992 vom Bundesminister des Inneren 128 (r) "Nationale Liste" (NL), Hamburg - verboten am 24.2.1995 vom Senator der Behörde für Inneres der Freien und Hansestadt Hamburg, " "Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung" (GfAEV), # "Nordischer Ring" (NR) "Gesellschaft für freie Publizistik" (GFP) Um das Kommunikationszentrum in Hetendorfnicht durch eine befürchtete behördliche Schließung zu gefährden, wurde nach den Verboten der "Wiking Jugend", der "Nationalen Liste" und der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) das Veranstaltungsangebot im Berichtsjahr stark eingeschränkt. Auch das zunehmende Interesse der öffentlichen Medien und verstärkte Gegenaktivitäten politischer Gegner " insbesondere Protestkundgebungen antifaschistischer Gruppen - trugen dazu bei, daß Rechtsextremisten sich mit weiteren eigenen Aktivitäten in Hetendorf deutlich zurückhielten. Mehrfach war Hetendorf Ziel von Demonstrationen ((r) siehe 2.2.2.4). Zu nennenswerten Ausschreitungen kam es dabei nicht. Die Geschicke des Hetendorf-Komplexes werden maßgeblich durch den Rechtsextremisten und Hamburger Anwalt Jürgen RIEGER gestaltet. Er ist Vorstandsmitglied im "Heide-Heim e.V.", der GfbAEV und des NR, die zu den Trägervereinen des "Heide-Heim e.V." gehören. RIEGER ist überwiegend verantwortlich für die Planung und Auswahl der im Objekt verkehrenden fast ausschließlich rechtsextremistischen Organisationen. Er organisiert u.a. auch die jährlich stattfindende "Hetendorfer Ta'gungswoche", die seit Jahren zur Pflege des sog. "nordischen" Brauchtums veranstaltet wird und neben symbolischen Ritualien politische Vorträge anbietet. An dieser Tagungswoche, die in diesemJahr vom 17. - 25. Juni stattfand, nahmenmehrere Hundert Personen aus nahezu dem gesamten rechtsextremistischen Spektrum teil. Eine "Initiative gegen die 5. Hetendorfer Tagungswoche" hatte zur Blockade des Objektes am 17. Juni aufgerufen, um öffentlichen Druck für dessen Schließung zu erzeugen. Sie konnte allerdings nuretwa 50 Personen mobilisieren. RIEGER löste in der schwedischen Öffentlichkeit durch den Ankauf eines großen Landgutes (nach Pressemeldungen etwa 650 Hektar für etwa 2,2 Millionen DM) in Svenneby/Schweden erhebliche Beunruhigung aus. Es wurden Befürchtungen laut, er könne seine bisher in Deutschland entwickelten rechtsextremistischen Aktivitäten zumindest teilweise ins Nachbarland verlagern. Konkrete Anhaltspunkte, daß hier möglicherweise ein Ausweichoder Ersatzobjekt für Hetendorf entstehen könnte, liegenbisher jedoch nicht vor. Allerdings fiel auf, daß RIEGERS politische Aktivitäten und damit zusammenhängenden anwaltlichen Geschäfte in der Bundesrepublik seitdem abgenommen haben. Die Hetendorf mittragenden Vereine GfbAEV und NR sind Träger rassistischen Gedankenguts. Die GfbAEV wurde 1962 in Ellerau (Schleswig-Holstein) als "Deutsche 129 Gesellschaft für Erbgesundheitspflege" gegründet und 1972 umbenannt. Nach fassung der GfbAEV begeht jeder Mann "biologischen Verrat", der eine P: "fremder Rasse heiratet" und "Kinder anderer Rassen adoptiert und in unseren bensbereich bringt, so daß dadurch die Bastardisierung hier gefördert wird" (Neue 'Anthropologie Nr. 1/2, Juni 1991). Der NR wurde 1974 von ehemaligen GfbAEV-Mitgliedern gegründet. Auch er wendet sich in seiner Publikation "Nordische Zukunft" gegen die "Rassenmischung" und strebt die "Erhaltung der biologischen Substanz der nordischen Rasse" an. Zu den Ausrichtern der Hetendorfer Tagungswoche gehört seit 1991 auch die "Gesellschaft für Freie Publizistik - Arbeitskreis Hamburg e.V." (GFP). Die in München ansässige Gesellschaft wurde dort 1960 von ehemaligen SS-Offizieren und NSDAP-Funktionären gegründet. Der frühere "Chefideologe" der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD), Dr. Rolf KOSIEK, leitet seit 1992 die GFP. Sie macht im wesentlichen Front gegen angebliche tabuisierte Wahrheiten und Geschichtsentstellungen, insbesondere zur deutschen Kriegsschuld. Sie agitiert im übrigen gegen die deutsche Ausllnderpolitik. In Hamburg existiert ein Arbeitskreis der GFP, der eigene Veranstaltungen durchführt. 1.6.4 Rechtsextremistische Weltanschauungsund Kulturvereinigungen Neben den in den vorhergehenden Abschnitten behandelten rechtsextremistischen Organisationen gibt es eine Vielzahl weiterer rechtsextremistischer Gruppierungen unterschiedlichster Ausrichtung mit teils regionaler, teils überregionaler Bedeutung. Ihre Mitgliederzahlen variieren zwischen kaum mehr als zehn und wenigen Hundert. Diese zumeist vereinsrechtlich konstituierten Sektierergruppen beschränken ihre AktivitätenaufVeranstaltungen mit internem Charakter. Auf Tagungen und Seminaren und anderen geschlossenen Veranstaltungen halten zum Teil namhafte rechtsextremistische Referenten Vorträge. Es werden Zeitungen und Broschüren mit zumeist geringen Auflagen hergestellt. In einigen dieser Organisationen werden offen revisionistische, rassistische und antisemitische Thesen vertreten. Die nachstehend beispielhaft behandelten Organisationen haben Organisationsteile 'oder Einzelmitglieder in Hamburg: Das 1950 gegründete "Deutsche Kulturwerk Europäischen Geistes e.V." (DKEG, Sitz: München) vermittelt den Charakter eines national-völkischen Kulturvereins. Der Verein hat sich u.a. die Erneuerung "volkshaften" Selbstverständnisses, die Pflege "volkshafter" konservativer Literatur und den Aufbau von "Pflegstätten" völkischen im deutschen Raum zum Ziel gesetzt. Die bundesweit etwa 20 Pflegstätten orVeranstaltungenin eigener Regie, auf denen z.B. drohende "Überfrem- " und "Untergang" der Deutschen im "Vielvölkermischmasch" beklagt und die als "Gedankenmanipulationsmaschinerie" hingestellt werden. Veranstaltun'gen der Pflegstätte Hamburg/Lüneburg werden von Rechtsextremisten unterschiedli'cher Richtung besucht. Die auch als "Norverwaltung des Deutschen Ostens" (NDO) auftretende, in Kiel ansässige "Gemeinschaft ostund sudetendeutscher Grundeigentümer und Geschädigter" (GOG) wirbt für ein "Deutsches Reich" in den Grenzen vom 01.09.1939. Sie agitiert gegen die demokratischen Parteien ("Lizenzparteien") und organisiert eigene Veranstaltungen. Von ihr werden unregelmäßig erscheinende Rundbriefe herausgegeben. Die GOG spricht vom "Untergang" des deutschen Volkes in einer multikulturellen ("mischrassigen") Gesellschaft. Der "Freundeskreis Ulrich von Hutten e.V.", Sitz Stamberg, nebst "Notgemeinschaft für Volkstum undKultur e.V.", Sitz Miesbach (Oberbayern), hat bundesweit rund 280 Anhänger. Seine Veröffentlichungen ("Huttenbriefe") enthalten Verunglimpfungen der Bundesrepublik Deutschland und ihrer demokratischen Institutionen (Bundestag: "riesiges Scheinparlament"). Sie verbreiten rassistisches Gedankengut ("Zucht, d.h. Auslese, ist die Verwirklichung genetischer Ethik") und leugnen die Kriegsschuld Deutschlands ("Geschwätz" und "Verleumdung"). Der 1937 gegründete und in Tutzing ansässige "Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e.V." (BfG), dem bundesweit rund 240 Mitglieder angehören, wird von dem Art Dr. Günther DUDA geleitet. Der Bund vertritt die antiparlamentarische rassistische und antisemitische Weltanschauung der Mathilde LUDENDORFF. Der BfG befürchtet den Untergang deutscher Kultur im "Schmelztiegel der Nationen", die Gefährdung "deutschen Geistes" durch "Überfremdung und Anbiederung". Er beklagt eine angeblich "käuflich gemachte Journaille", die ihr "Gift" gegen deutsche Gefühie, Denkweise und echtes Nationalbewußtsein "verspritzt". "Die Deutsche Freiheitsbewegung e.V. - Der Bismarck-Deutsche" (DDF, Sitz: Kaufbeuren) wurde 1983 vom ehemaligen Wehrmachts-Generalmajor und ehemaligen 2. Vorsitzenden der 1952 verbotenen "Sozialistischen Reichspartei" (SRP), Otto Emst REMER, gegründet. Seit 1989 ist Georg Albert BOSSE Vorsitzender. Zu den politischen Zielen der neonazistisch ausgerichteten DDF gehören der Austritt Deutschlands aus der NATO und EU, bewaffnete Neutralität, eine strategische Achse Paris - Berlin - Moskau und als Endziel ein "wiedervereinigtes Reich". Die Bundesrepublik ist für die DDF eine staatliche "Mißgeburt", die dem angeblich rechtlich fortbestehenden "Deutschen Reich" heimtückisch übergestülpt worden sei. Die Aktivititen der DDF erschöpfen sich vorwiegend in der Herausgabe der Publikation "Recht und Wahrheit" sowie in der Veranstaltung von Lesertreffen, an denen Mit131 glieder unterschiedlicher rechtsextremistischer Bereiche teilnehmen. Um den Terror bis 1945 zu verharmlosen, erklärte die Zeitschrift "die Mehrzahl der Te in Auschwitz" als Folge von Epidemien. Die Gründer der Bundesrepublik stufie Blatt als "Kollaborateure" der Siegermächte des 2. Weltkrieges ein. 1.7. Skinheads 1.7.1. Ursprung, Wesenszüge, Motivationsmuster Die Skinhead-Bewegung hat ihren Ursprung Ende der60erJahre in den A teln englischer Großstädte als Gegenbewegung zu den aus etablierten Bürgerschi ten stammenden Hippies und Mods. Etwa ab 1977 übernahmen sie unter dem Eit rechtsextremistischer Organisationen nationalistisches, ausländerfeindliches und sistisches Gedankengut. Die politisierte Skinhead-Bewegung fand auf das engli Vorbild fixierte Nachahmer in Deutschland. Als Mitte der 80er Jahre die engli Leitfigur lan STUART Skinheads unter dem Kampfbegriff "white power" sammelte, wurde sein paneuropäisches rassistisches "white power"-Programm von Deutschen übernommen. Zunehmend überdeckten nationalistische und fremdenfeindliche Einstellungen bis dahin eher unpolitische Protesthaltungen. Zeugnisse solcher Veränderungen waren z.B. Hitler-Geburtstagsfeiern der Skinhead-Szene am 20. April, wie sie auch 1995 wieder veranstaltet wurden. Die politische und gesellschaftliche "Wende" in der ehemaligen DDR im Herbst 1989 verlieh Skinheads und anderen gewaltgeneigten Rechtsextremisten neuen Auftrieb, 1992 schätzte des Bundesamt für Verfassungsschutz die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten einschließlich Skinheads im vereinten Deutschland auf 6.400, davon zwei Drittel in den alten Bundesländern. Radikalität und Gewaltbereitschaft stei gerten sichbishin zuden Exzeßtaten von Hoyerswerda, Rostock, Mölln undSolingen. Nach exekutiven Zugriffen haben sich vermehrt jüngere durch Kleidung und Habitus als Skinheads ausgewiesene Mitläufer aus Angst vor Strafe von der Szene gelöst. Politische Facetten werden sich in der weiter existierenden Skinhead-Bewegung auch künftig halten. Sie sind ein quasi Skin-"immanentes" Kernelement. Eine generelle 'Abkehr großer Teile der Skinheads vom Rechtsextremismus ist nicht absehbar. Militante Rechtsextremisten im Skinheadbereich führen ein eher abgesondertes wenig vernetztes Eigenleben - im Gegensatz zu neonazistischen Vernetzungsstrukturen oder gar militanten Linksextremisten. Ihr Potential läßt sich daher nicht breitflächig bzw. überregional ausschöpfen und zu Massenaktionen mobilisieren. Die Zahl gewaltbereiter Rechtsextremisten, insbesondere der rechtsextremistischen Skinheads, betrug im Bundesgebiet rund 6.200 (1994: rund 5.400). Dieser Anstieg bei 132 A A itigem Rückgang der Gewalttatenziffern ist im wesentlichen auf einen präziErfassungsmodus des Gefährdungspotentials zurückzuführen. Er schließt nunneben namentlich bekannten und nicht identifizierten Rechtsextremisten auch jenigen Militanten ein, die als gewaltbereit eingeschätzt werden, nach außen hin nicht notwendigerweise gewalttätig gewesen sein müssen. Miitante Rechtsextremisten einschließlich Skinheads: Einschätzung des 7BEZ E nBE SEB S bundesweiten Potentials BeSEE 1.7.2 Fanzines, Skinbands, Tonträger und Konzerte Emotionale Bindungen der strukturarmen, nur lose Kontakte pflegenden Skin-Gruppen werden durch zwei Kommunikationsschienen begünstigt, die breitere Politisierungen und ein gruppenübergreifendes Zusammengehörigkeitsgefühl fördern können: musikalisch-akustisch durch die Skin-Bands und publizistisch durch die "Fanzines". Skin-Bands mit rechtsextremer Ausrichtung artikulieren in ihrer Musik, Band-Namen, Titeln und Texten ihre Weltanschauung als eine "White-Power-Bewegung" (Weiße Rasse, Herrenrasse). Sie steht für Rassismus (Beispiel: Bandname "Oithanasie"), Gewalt (Bandname: "Brutal Attack") Antisemitismus und Nationalismus. $o brüllte die Skin-Band "Tonstörung" z.B. "Heil dem Führer, Heil dem Volk, Heil dem Reich, auf in den Krieg". Zwei Personen der Gruppe wurden am 27. April u.a. wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhaß vom Landgericht Mannheim zu Jugendstrafen (21 bzw. 1$ Monate) auf Bewährung verurteilt Die Musik propagiert Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung politischer politisch verbrämter Ziele, bedient und animiert Ressentiments und Haßgefühle stachelt z.B. dazu auf, Asylantenunterkünfte in Brand zu stecken ("Commando 'nod"). Sie fördert auch die gefühlsmäßige Integration von Skins. Musikveran: gen bieten Begegnung, stärken das Zusammengehörigkeitsbedürfnis von Randfig und "hartem Kern" sowie Lagermentalität. Im Umfeld von Skinhead-Konzerten werden rechtsextremistische Begleitersch gen registriert, wie z.B. Zeigen des "Hitler-Grußes" und "Sieg Heil"-Rufen; wird Propagandamaterial - inklusive "Demo-Tapes" und CDs mit rechtsextremisti schen Texten - angeboten. In den letzten Jahren ist es für Skinhead-Bands und zertbesucher schwieriger geworden, ihr einschlägiges Repertoire zu verbreiten. Staatliche Abwehr und Prävention - wie z.B. Beschlagnahme von Tonträgern, Strafverfolgungen wegen Volksverhetzung oder Aufstachelung zum Rassenhaß - und konsequente Beobachtungsund Verhinderungsmaßnahmen haben solche Bestrebungen zurückgedrängt. Präventive Maßnahmen setzen bereits im Vorfeld bei der Anreise von Teilnehmern zu Skinhead-Konzerten mit voraussichtlich strafrechtlich relevanten Inhalten an. Dennoch ist die zunächst rückläufige Zahl der Konzerte wieder auf anndhernd 40(1994: 20) allein in Deutschlandangestiegen. Konzerte fanden vermehrt im Ausland statt, weil die Veranstalter dort mit weniger ausgeprägter staatlicher Abwehr rechneten. Deutsche Teilnehmer nutzten solche Gelegenheiten, internationale Kontakte - u.a. zu schwedischen und britischen Skins - zu vertiefen und zu festigen. Von den 1.000 Teilnehmern eines am 24. Juni in Göteborg' (Schweden) durchgeführten Konzerts, auf dem auch die deutsche Band "Krafischlag" auftrat, kamen rund 300 aus Deutschland. Bei den Vorbereitungen zu Konzerten in Deutschland gingen die Organisatoren zur nehmend konspirativ vor. So wurden im Vergleich zum Vorjahr erheblich öfter Skinkonzerte z.B. als private Geburtstagsoder Hochzeitsfeiern, "Scheunenfeten" und sonstige unverdächtige Anlässe deklariert, bei denen die Polizei z.B. durch absichtlich falsche Ortsangaben getäuscht werden sollte. Für diese Konzerte wurde nicht mehr öffentlich geworben; sie wurden nur Insidern bekanntgegeben. An Konzerten, bei denen auch ausländische Skin-Bands auftraten und Skinheads aus dem europäischen: Ausland angereist waren, nahmen bis zu 1.000 Personen teil. Die britische Skin-Band "No Remorse" spielte wiederholt in Deutschland. Neben der italienischen Band "A.D.L.122" trat "No Remorse" am 15. August auf einem Skinhead-Konzert in Majdalalena (Tschechien) auf, das auch von deutschen Skinheads besucht wurde. Anläßlich eines Konzertes am 23. März in Triptis bei Gera (Thüringen) wurden 231 Personen aus 10 Bundesländern festgenommen. U.a, wurden Schreckschußwaffen, Hiebund Stichwaffen, neonazistisches Propagandamaterial, rechtsextremistische "Fanzines" CDs und Musikcassetten sichergestellt. Namen aufgetretener Bands: 134 "Legion Ost", "Sturmtrupp" und "Foierstoss". Ehemalige Funktionäre der rechten 'Szene haben Vorstöße unternommen, über das Medium 'Skinhead-Konzerte' die 'Skin-Szene wieder intensiver zu indoktrinieren und zu mol ieren, sie in ihrem Sinne politisch zu nutzen und mittelfristig als Rekrutierungsfeld aufzubauen. Dadurch rückt dieser Beobachtungsbereich aktuell auch stärker ins Blickfeld der Sicherheitsbehörden. Am 21. Oktober organisierte ein ehemaliger FAP-Spitzenfunktionär in Northeim (Niedersachsen) das mit Abstand größte Skinhead-Konzert in Deutschland. Vor rund 1.000 Teilnehmern traten u.a. die Bands "Svastika" (Schweden) und "No Remorse" TIrev rs er (6.0. auf. Bei der Auflösung der Veranstaltung wurden Polizeibeamte mit Flaschen, Steinen und Kanthölzern beworfen. Die Polizei nahm 65 Personen vorläufig fest, gegen 86 wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet. An gleicher Stelle hatten sich am 2. September etwa 300 Skinheads zum Konzert mit den rechtsextremistischen Bands "Freikorps" (Bad Schwartau) und "Boot Brothers" (Delmenhorst) versammelt. Die Polizei stellte Baseballschläger, Schreckschußpistolen, Buschmesser und einen Totschläger sicher. 'Anfang 1993 hatten bundesweite Exekutivmaßnahmen gegen Hersteller und Vertreiber rechtsextremistischer Skin-Musik stattgefunden. Sie hatten sich in Hamburg gegen Mitglieder der Bands "Commando Pernod" und "Oi-Dramz" gerichtet. Seitdem 'gab es keine Hinweise auf neu veröffentlichte CDs dieser Gruppen. Im ersten Halb'jahr boten rund 20 Vertriebe Tonträger mit rechtsextremistischen Inhalten und andere Artikel der Skinheadsubkultur an. Unter den politischen Geschäftemachern befanden sich Neonazis, aber auch z.B. ein exponiertes Mitglied der rechtsextremistischen Partei DLVH. Der ehemalige Bundesgeschäftsführer der NPD-Jugendorganisation IN erweiterte 1994 seinen Zeitschriftenverlag um einen Musikverlag, in dem SkinheadMusik vertrieben wurde. Organisierte Rechtsextremisten haben erkannt, daß sich Skinbands als "Einstiegsdroge in die nationalsozialistische Jugendszene" funktionalisieren lassen und dabei auch noch das "Kulturmonopol der Etablierten" knacken. Zweite Kommunikationsschiene der Skinhead-Szene sind die "Fanzines" (Abkürzung der englischen Bezeichnung "fan-magazine"). Sie geben selbstdarstellerisch Aufschluß über das Denken und Handeln der Szene und reproduzieren in einfacher Aufmachung bei geringen Auflagen ebenfalls die gemeinsamen "Wertvorstellungen", Die Leserschaft wird zum Handeln gegen vermeintliche gemeinsame Feinde animiert, wobei Orientierungen auf gewalttätigen Aktionismus überwiegen. "Fanzines" veröffentlichen Erlebnisberichte über Feten, Konzerte und neue Platten bzw. Demotapes sowie Interviews mit inund ausländischen Skin-Bands, in denen diese zum Teil ihre politische Motivation offenbaren und begründen. Sie informieren auch über Schlägereien und andere Gewaltexzesse, wobei mit besonderer Genugtuung Auseinandersetzungen mit Ausländern und als "Zecken" stigmatisierten Linken aufgegriffen und verherrlicht werden. 135 1.7.3 Skinheads in Hamburg In Hamburg hat die Zahl der militanten rechtsextremistischen Skinheads als staatlicher Prävention und Gegenmaßnahmen weiter abgenommen. Das Landesamt für Verfassungsschutz geht von rund 80 Jugendlichen und mistischen Skinhead-Szene an. Ihre Aktivitäten waren wie schon im Vorjahr eher ring. Vorbeugende, abwehrende und strafverfolgende Maßnahmen der Polizei, und anderer Sicherheitsbehörden haben dazu beigetragen. Unterlegenheit gegenül der Schlagkraft und koordinierten Gegenmobilisierungen politischer Gegner auf ten linksextremistischer "Antifaschisten" frustrierten und verunsicherten die Ski head-Szene. Zwischen beiden Seiten kam es in der Vergangenheit gelegentlich zu offenen, handfesten Konfrontationen. Vereinzelt wurden Skinheads in Form von "Steckbriefen" in ihren Stadtteilen und sonstigen Umfeldern öffentlich angeprangert. Das so gestiegene Konfrontationsrisiko veranlaßte einige Angehörige der Skinhead-Szene, vorsichtiger zu agieren und sich unauffälliger zu verhalten. Auch die Hamburger Skinhead-Szene hat eine eigenständige, nach außen abgeschottete und in Teilen neonazistisch indoktrinierte Subkultur entwickelt. Sie ist zwar partiell mit dem organisierten Neonazismus verbunden, kann von diesem jedoch kaum vereinnahmt, gesteuert oder funktionalisiert werden. Nur rund ein Fünftel der Hamburger Skinheads agierte bis zu deren Verbot im Februar im politischen Umfeld der "Nationalen Liste" (NL) und der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP). Wegen des"Parteigelabers"bestand grundsätzlich wenig Neigung, sich rechtsextremistischen Parteien fest anzuschließen. In Hamburg war 1994 nach dreijähriger Pause wieder ein "Fanzine" aufgetaucht. Unter dem Titel "Vikingforce" befaßte es sich überwiegend mit der Vorstellung deutscher und ausländischer Skin-Bands, mit Konzertund Partyberichten und sonstigen Skin-Interna. Ein politischer Anspruch war nicht erkennbar. Eine Mischform zwischen "Fanzine" und neonazistischen Agitationsblättern stellt der "Bramfelder Sturm" dar. Bei diesem in geringer Stückzahl gedruckten Blatt handelt es sich nicht um ein typisches "Fanzine", sondern um eine unregelmäßige Publikation von Anhängern der am 24. Februar verbotenen "Nationalen Liste" (NL), die sich überwiegend an Skinheads wandte. Das Blatt vermittelte einerseits Inhalte, die ins Profil von "Fanzines" passen, verstand sich andererseits aber zugleich als "Sprachrohr der nationalen Jugend" und als ". Rundbrief" eines "Kameraden-und Freundeskreises". Schwerpunkt der rechtsextremistisch motivierten, gewaltbereiten Skinheads in Hamburg blieb der Bezirk Wandsbek. Insbesondere in den Stadtteilen Bramfeld, Rahlstedt, Farmsen und Berne hat sich eine bis zu 30 Personen starke Skinhead-Szene ent- it, die von ehemaligen Mitgliedern der verbotenen NL angeleitet wurde. Der iegende Teil dieser Szene waren Jugendliche, Heranwachsende und Jungerim Alter von 16 - 25 Jahren. Ihr Treffpunkt mit überregionaler Bedeutung ein inzwischen aufgegebener Imbiß in Bramfeld. Dort trafen sich teilweise bis zu Personen, darunter auch Jugendliche aus anderen Hamburger Stadtteilen und dem d. His in Hamburg lief die Verständigung der Skinheads untereinander über private und Feiern. Auswärtskontakte reichten von Rostock, Schwerin, Kiel, Neuster über Geesthacht, Buxtehude, Lüneburg bis nach Bielefeld, in Einzelfällen weiter südlich. 'Die Statistik des Hamburger Landeskriminalamtes über rechtsextremistische bzw. Rer sE fremdenfeindliche Straftaten im Zeitraum 01.01.-31.12.1995 gibt - in Zahlen gefaßt - 'auch Aufschluß über die von Hamburger Skinheads ausgehende Bedrohung der öffentlichen Sicherheit. Insgesamt wurden in Hamburg 194 rechtsextremistische und 129 fremdenfeindlich motivierte Straftaten registriert. Bei den 194 rechtsextremistischen Straftaten (ermittelte Tatverdächtige: 67 Personen) wurden 12 und bei den 129 fremdenfeindlichen Straftaten (ermittelte Tatverdächtige: 89) 11 Personen als Skinheads bzw. in Skinhead-Manier auftretende Personen als Tatverdächtige ermittelt. FSRF7ER 'Auch in Hamburg sind die von Skinheads ausgegangenen Gewaltdelikte zahlenmäßig zurückgegangen. Ehemals feste Skinhead-Cliquen aus einzelnen Stadtteilen lösten sich angesichts erhöhter Überwachung und strafrechtlicher Verfolgung auf, bzw. bildeten sich erst gar nicht neu. Die öffentlich in typischer Skinhead-Kluft herumlaufenden Aktiven sind weniger geworden. Das schließt nicht aus, daß sie in Hamburger Stadtteilen vereinzelt weiterhin auftreten. Die Hamburger Skinhead-Szene hat kaum Führungsfiguren oder Gruppierungen, die befähigt und gewillt wären, Organisationsund Strategiekonzepte zu entwickeln. Der bisher erreichte Diskussionsstand vermittelt daher eher Perspektivlosigkeit und deFBTEITErRA fensives Bewußtsein. Dieses Stimmungsklima begünstigt in Einzelfällen allerdings Trotzhaltungen, die latenten Neigungen zu unvorhersehbaren krawallartigen oder "klammheimlichen" Protestausbrüchen entgegenkommen. Es gibt Anhaltspunkte, daß 'einzelne Personen dabei auch vor militanten Aktionen nicht zurückschrecken würden. 1.8 Zusammenarbeit deutscher und ausländischer Rechtsextremisten 1.8.1 Zusammenarbeit in Europa Deutsche und ausländische Rechtsextremisten kooperieren in vielfältiger Ausprägung und Intensität. Die Zusammenarbeit reicht von der gegenseitigen Teilnahme an Veranstaltungen und Aktionen über finanzielle Hilfe, logistische und Wahlkampfunterstützung, Unterstützung bei der Herstellung und Verbreitung von Propagandamaterial bis hin zur Gewährung von Unterschlupf bei drohender Strafverfolgung. Vereinzeit setzen sich strafverfolgte Personen zu ausländischen Gesinnungsgenossen ab, wenn sie sich dort vor Auslieferung geschützt glauben. Die Zusammenarbeit wird derzeit insbesondere von den "Jungen Nationaldemokraten" (IN), der Jugendorganisation der NPD, gefördert, an deren "2. Europäischen Kongreß der Jugend" Rechtsextremisten aus mehreren europäischen Ländern teilnahmen. Für die Herstellung und Verbreitung rechtsextremistischen Propagandamaterials sind insbesondere die grenznahen Gebiete Hollands und Dänemarks, Belgiens sowie neu erdings Osteuropas und der skandinavischen Länder von besonderer Bedeutung. So werden die liberaleren Strafgesetze der europäischen Nachbarländer dazu genutzt, in der Bundesrepublik strafrechtlicher Verfolgung zu entgehen. Das Propagandamaterial wird als unauffällige Paketoder Postsendung nach Deutschland verbracht. Dabei werden fiktive Absender angegeben; als Empfngeradresse werden häufig Postfächer bzw. Postlageradressen benutzt. Für die Herstellung von Druckbzw. Propagandamaterialien werden auch aus Kostengründen gern Dienste in Tschechien, Polen und in den baltischen Staaten in Anspruch genommen. Inzwischen kann rechtsextremistische Propaganda auch unmittelbar über "Internet" bezogen werden. Kontakte zu ausländischen Nationalisten oder Rechtsextremisten bewegen sichin der Regel auf individueller, personenbezogener Ebene. Zum Teil sind sie über erstmalige oder einmalige Versuche bzw. Sondierungen nicht hinausgekommen. Nicht selten offenbarten sich schon bald ideologische Differenzen, die einer kontinuierlichen inhaltlichen Zusammenarbeit im Wege standen. Niederlande: Holland ist nicht nur eine wichtige Basis für den Vertrieb rechtsextremistischen Schriftgutes mit Bestimmungsort Deutschland, sondern wird neben Dänemark auch für Kundgebungen deutscher und ausländischer Rechtsextremisten genutzt. Mittlerweile haben Neonazis einige Demonstrationen im westlichen Ausland zum Teil mit logistischer Unterstützung dortiger Gesinnungsgenossen durchgeführt. Am 1. April versammelten sich vor der dänischen Botschaft in Den Haag ca. 40-50 deutsche und niederländische Rechtsextremisten zu einer Solidaritätskundgebung, um. gegen die geplante Auslieferung des NSDAP/AO-Führers Gary LAUCK aus dänischer Haft in die Bundesrepublik zu demonstrieren. Die Demonstranten protestierten anschließend vor der österreichischen Botschaft in Den Haag gegen die Verurteilung des Mitgliedes der verbotenen Österreichischen "Volkstreuen Außerparlamentari'schen Opposition" (VAPO), Jörg SCHIMANEK, durch ein Wiener Gericht zu 15 Jahren Freiheitsstrafe. Am 15. Oktober demonstrierten ca. 50 deutsche und niederländische Rechtsextremisten unangemeldet in Sittard/Holland, um ihre Solidarität mit 'dem zwischenzeitlich nach Hamburg ausgelieferten LAUCK zu bekunden. Die Demonstranten führten Fahnen der verbotenen FAP mit sich. Die Polizei löste die Demonstration auf und nahm 38 Neonazis, darunter 18 Deutsche, in Gewahrsam. Dänemark: Im dänischen Roskilde demonstrierten am 19. August im Rahmen der "Rudolf-HESS-Aktionswoche" 150 deutsche Rechtsextremisten (D siehe 1.4.3.1). Kontakte zwischen deutschen Neonazis, insbesondere aus Norddeutschland, und der DNSB werden kontinuierlich gepflegt und sollen weiter ausgebaut werden. Die DNSB erhielt 1995 die Sendelizenz für eine eigene regionale Radiostation ("Radio Oase"), über die sie erklärtermaßen u.a. deutlich rassistische Botschaften verbreiten will. 'Dänemark ist im Gegensatz zu früheren Jahren als Ruheraum für deutsche Rechtsextremisten zunehmend unattraktiv geworden. Der Führer der verbotenen neonazistischen "Nationalistischen Front" (NF), Meinolf SCHÖNBORN, sowie der deutsche Revisionist Thies CHRISTOPHERSEN verließen resigniert das Land. Das rechtsextremistische dänische Vertriebsunternehmen "NS 88" versandte Tonträ'ger, Videos und andere vorwiegend in der rechtsextremistischen Skinhead-Szene gefragte Utensilien u.a. nach Deutschland. Die Zahl "88" steht für "Heil Hitler" (8. Buchstabe des Alphabets = H). Schweden: Am 25. November wurden sieben deutsche Neonazis bei einer Demonstration in Göteborg festgenommen. Sie waren zusammen mit etwa 200 Gleichgesinnten aus Deutschland und mit insgesamt etwa 500 rechtsextremistischen Teilnehmern aus den skandinavischen Ländern angereist. Während der Demonstration wurden grob rassistische, volksverhetzende Parolen und "Sieg Heil!"-Rufe skandiert. Seit einigen Jahren kommt es auch in Stockholm unter deutscher Beteiligung zum Todestag 'des von Nationalisten verehrten "Heldenkönigs" Karl XII. zu rechtsextremistischen 'Aufmärschen. Spanien: Die Herausgabe der Zeitung "HALT" des in Spanien aufhältlichen österreichischen Neonazis Gerd HONSIK wurde fast eingestellt. Erstmals ließ er die Zeitung mit verschiedenen Deckadressen versenden, nämlich aus Barcelona, Taragona und Vilaseca. Im Sommer wurden über Litauen nachgedruckte ältere "HALT"-Ausgaben an Adressaten in Deutschland verschickt. Einigen Exemplaren war deutsches rechtsextremistisches Material beigelegt. 139 HONSIK war 1992 in Österreich wegen Betätigung im nationalsozialistischen Sinne zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden und hatte sich vor Haftantritt nach Spanien abgesetzt. Er ist einer der führenden europäischen Revisionisten. Einzelne deutsche Neonazis pflegen persönliche Kontakte zu dem ehemaligen "CEDADE"-Vorsitzenden Pedro Varela GEISS, der weiterhin sporadisch zu Vortragsreisen nach Deutschland eingeladen wird. In Madrid/Spanien gedenken jährlich am 20. November Anhänger des verstorbenen Diktators Franco. Auch in diesem Jahr versammelten sich mehrere Tausend Rechtsextremisten, darunter zahlreiche deutsche Neonazis. Aus dem Aufzug heraus wurden Fahnen der in Deutschland verbotenen FAP geschwenkt. Die Veranstaltung hatte in diesem Jahr einen stärkeren Zulauf deutscher Rechtsextremisten, insbesondere von AnhängernderJN, NPDund der verbotenen FAP,alsin den Vorjahren. Während 1994 rund 50 Rechtsextremisten aus Deutschland nach Spanien gekommen waren, reisten diesmal etwa 200 Deutsche an. Am 18. Novemberbesuchten sie - teilweise in SA-Uniformen - ein Denkmal der Gefallenen des spanischen Bürgerkrieges. Sie zeigten den "Hitler-Gruß" und sangen das "Horst Wessel-Lied". Am 19. November versammelten sich ca. 6.000 bis 8.000 Personen aus dem Inund Ausland zu Ehren FRANCOS. Am Rande dieser großen Kundgebung veranstalteten die deutschen Rechtsextremisten in der Madrider Innenstadt einen eigenen Aufzug. Einzelne besuchten außerdem das erste "Europäische Treffen Nationaler Vereinigungen", das von der spanischen Organisation "Federacion degrupos Juveniles - Alianza 'por la Unidad Nacional" (AUN) organisiert worden war. Frankreich: Deutsche und französische Rechtsextremisten pflegen Kontakte insbesondere auf persönlicher Ebene oder bei Sonnwendfeiern und anderen feierlichen Traditionsanlässen. . Belgien: Traditionell sind auch die Kontakte zwischen deutschen und belgischen Rechtsextremisten. An einem "Europäisch-nationalistischem Pfingstlager" in Belgien. beteiligten sich auch in diesem Jahr deutsche Rechtsextremisten. Die vierteljährlich erscheinende revisionistische Publikation "Die Bauernschaft" des Altnazis Thies CHRISTOPHERSEN wurde von Emst ZÜNDEL übernommen, der Vertrieb an über 3.000Leser erfolgt seitdem aus Belgien. Das Blatt wird in einer vom belgischen Rechtsextremisten Siegfried VERBEKE geleiteten Antwerpener Druckerei hergestellt. VERBEKE war Mitglied der inzwischen verbotenen "Vlamse Militanten Orde" (VMO). Das regelmäßig unter erhöhter Medienaufmerksamkeit veranstaltete große traditionelle Treffen flämischer Nationalisten, "/izerbedevaart" (ljzerwallfahrt), fand wieder am letzten Augustwochende (26./27.8.) in der westflämischen Kleinstadt Diksmuide statt. Teilnehmer aus Belgien, den Niederlanden, Frankreich und Deutschland nutzten auch in diesem Jahr die Gelegenheit zur internationalen Begegnung. Im Laufe des 26. August trafen sich etwa 500 Rechtsextremisten, vorwiegend Skinheads, in Diksmuide. Unter ihnen bildeten die Deutschen mit rund 250 Personen die größte Gruppe. Dazu 'gehörten u.a. der ehemalige Vorsitzende der verbotenen FAP, Friedhelm BUSSE, der NPD-Vorsitzende Günter DECKERT und der Bundesvorsitzende der JN, Holger APFEL. Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren zeigten die Deutschen keine Fahnen, Transparente oder andere Kennzeichen, die auf eine Organisationszugehörigkeit schließen ließen. Während des "internationalen Kameradschafistreffens" am 26. August skandierten alkoholisierte Teilnehmer wiederholt Parolen wie "Sieg Heil, Ausländer raus" und zeigten den "Hitler-Gruß", Nach ersten Festnahmen kam es zu teilweise heftigem Widerstand und Gewalttätigkeiten gegenüber der Polizei. Bis zum späten Abend wurden insgesamt etwa 200 Personen festgenommen. Rund 140 Deutsche wurden am 27. August in die Bundesrepublik abgeschoben. Österreich: Traditionell gute Kontakte bestehen zwischen deutschen und österreichischen Rechtsextremisten, insbesondere zur "Volkstreuen außerparlamentarischen Opposition" (VAPO) des Gottfried KÜSSEL. Die neonazistische VAPO war ursprünglich der österreichische Zweig der "Bewegung" des deutschen Neonazi-Führers Michael KÜHNEN. Als sich 1986 infolge der Anti-Homosexuellen-Kampagne die deutsche und die österreichische Bewegung spalteten, gründete KÜSSEL die VAPO als Sammelbecken für österreichische Anhänger des 1991 verstorbenen KÜHNEN. KÜSSEL besaß langjährige enge Kontakte zu deutschen Rechtsextremisten und galt als KÜHNENs Nachfolger. Bis zu seiner Verhaftung im Januar 1992 besuchte er zahlreiche neonazistische Veranstaltungen in Deutschland. Nach KÜSSELs Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zunächst 10 Jahren, nach einem Revisionsverfahren im Oktober 1994 schließlich zu 11 Jahren Haft, lierten Neonazis in der Bundesrepublik die Initiative "Freiheitfür Gottfried KÜSSEL". Diese Solidaritätskampagne wurde anläßlich der ersten Verurteilung KÜSSELs am 29.09.93 ins Leben gerufen, war aber seitdem stark rückläufig. Am 31. März wurde Hans Jörg SCHIMANEK in Wien zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren wegen Mitwirkung am 'Aufbau einer nationalsozialistischen Organisation, der VAPO, verurteilt. Er leitete eine "Kameradschaft", deren uniformierte Mitglieder u.a. "Wehrsportübungen" und "Gauappelle" veranstalteten. Der Oberste Gerichtshof in Wien reduzierte das Strafmaß nach Berufung SCHIMANEKs im Novemberauf acht Jahre. Am 1. April fand die 0.g. (siehe: Niederlande) gemeinsame Solidaritätsdemonstration deutscher und holländischer Rechtsextremisten für SCHIMANEK und LAUCK in Den Haag statt. Deutsche Neonazis griffen das Urteil gegen SCHIMANEK. propagandistisch auf und richteten in einer Petition ein Begnadigungsersuchen für SCHIMANEK und KÜSSEL an den österreichischen Bundespräsidenten. Die Zeit141 schrift "HNG-Nachrichten" berichtete in ihrer Septemberausgabe ausführlich über SCHIMANEKSs Prozeß. Mit einem zugleich veröffentlichten Brief an die HNGSchriftleitung hatte dieser sich für die Zuschriften deutscher Kameraden bedankt. Zahlreiche Kontakte hatte es auch zwischen deutschen Rechtsextremisten und den VAPO-Aktivisten Peter BINDER und Franz RADL bis zu deren Festnahme gegeben. Besonders Binder pflegte intensive Beziehungen zur militanten Berliner NeonaziSzene. Im Dezember 1993 - kurz nach der ersten Briefbombenserie von Rechtsterroristen in Österreich - war Binder auf dem Weg zu Berliner Gesinnungsgenossen an der österreichisch-tschechischen Grenze festgenommen worden; er hatte Schußwaffen, Munition und Sprengkapseln bei sich. Am 21. Dezember wurden BINDER und RADL vom Wiener Landgericht wegen Wiederbetätigung im nationalsozialistischen Sinne zu 5 bzw. 3 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Schweiz: Auch in der rechtsextremistischen Skinheadszene sind Auslandsbegegnungen üblich. Am 19. August versammelten sich rund 250 Personen - Neonazis und zahlreiche Skinheads - bei Aarau (Aargaw/Schweiz). Sie kamen u.a. aus Deutschland, Italien, Frankreich, den Niederlanden und der Schweiz, um sich zu einer von den "Schweizer Hammerskins" (S.H.S) organisierten "5. S.H.S-Sommerparty" zu treffen. Unter den Teilnehmern wurde ein Flugblatt des "Wunsiedel-Koordinationsbüros/Die Nationalen" (Hintergrund: Rudolf-HESS-Aktionswoche, (c) siehe 1.4.3.1) verteilt. Osteuropa: Vereinzelt gibt es Pläne und Ansätze deutscher Rechtsextremisten, sich Basen in einigen Ostblockländern (Tschechien, Polen, Litauen, Ungarn) zu schaffen. Da es für sie immer schwieriger wird, interne Treffen und Veranstaltungen in der Öffentlichkeit durchzuführen, gewinnen Ausweichorte im grenznahen osteuropäischen Ausland weiter an Bedeutung. Zudem gab es Bemühungen, in grenznahen Gebieten Immobilien zu erwerben, um sich ungehindert und konspirativ treffen zu können. Auf eigenem Gelände könnten auch Schulungsveranstaltungen sowie Wehrsportübungen störungsfrei durchgeführt und Vernetzungsansätze im Rechtsextremismus forciert werden. Gerade das osteuropäische Ausland wird bevorzugt, da Rechtsextremisten damit rechnen, vor dem Hintergrund des dort erstarkenden Nationalismus auf mehr Sympathie und Akzeptanz in der Bevölkerung zu treffen. Rußland: Nach der Entspannung zwischenstaatlicher Beziehungen haben auch die Kontakte zwischen Rechtsextremisten aus Deutschland und Rußland zugenommen. Gemeinsame Leitmotive für bilaterale Beziehungen sind u.a. der "Kampfdes Abendlandes" gegen Überfremdung und gegen "weltweiten Zionismus"; ferner eine angestrebte Revision europäischer Grenzen, wobei im Hinblickauf die "deutschen Ostgebiete" stark gegensätzliche Ansichten aufeinandertreffen. Einzelne deutsche Rechtsextremisten und Gruppen suchten mit unterschiedlichen Ergebnissen Kontakte zu exponierten russischen Rechtsextremisten, um sich selbst po- litischaufzuwertenund Übereinstimmungen iminternationalenrechtenSpektrum zu demonstrieren. Prominente Gesprächspartner bei Auslandreisen sind der Vorsitzende der "LiberalDemokratischen Partei Rußlands" (LDPR), Wladimir SCHIRINOWSKU und der Führer der rechtsextremistischen "Russischen Nationalen Einheit" (RNE), Alexander BARKASCHOW. Neonazistische Gruppen stehen SCHIRINOWSKIJ eher ablehnend gegenüberund konzentrieren ihre Bemühungen aufeinelockere Zusammenarbeit mit BARKASCHOW. Das Verhältnis deutscher Rechtsextremisten zu SCHIRINOWSKIJ wurde am Jahresanfang lebhaft in den rechten Mailboxen diskutiert. Die Person SCHIRINOWSKUs warheftigumstritten. Ihm wurde mehrfach vorgeworfen, eine Doppelmoral zu verfolgen und einen Traum vom "Großrussischen Reich" unter Verschiebung territoriaker Grenzen in Europa zu verfolgen. Demgegenüber ist die betont wohlwollende Beziehung zwischen SCHIRINOWSKU und dem DVU-Vorsitzenden Dr. FREY hervorzuheben. Nachdem die DVU während des Tschetschenien-Krieges aufgrund befürchteter negativer Reaktionen in der deutschen Öffentlichkeit kurzzeitig das Thema "SCHIRINOWSKIJ" gemieden hatte, nahm Dr. FREY anläßlich seiner Moskaureise im Juli wieder persönlichen Kontakt zum LDPR-Vorsitzenden auf. Am 21. Juli erschien ein "Exklusivinterview" mit SCHIRINOWSKI) in der "Deutschen Nationalzeitung" (DNZ). Dr. FREY hatte sich auf Einladung von SCHIRINOWSKIJ in Moskau aufgehalten und lobte die freundliche Gesprächsathmosphäre. SCHIRINOWSKIJ hatte Dr. FREY sogar zu einem medienwirksamen Auftritt auf einer Pressekonferenz in der Staatsduma verholfen, wo beide ineiner gemeinsamen Presseerklärung ihre Gesprächsergebnisse vorstellten. 1.8.2 Verbindungen nach USA und Kanada USA: Nach der Verhaftung des NSDAP/AO-Leiters "Gary" LAUCK am 20. März in Dänemark erschienen zwei Ausgaben des Propagandablattes "NS-Kampfruf". Ein "Koordinierungsausschuß Europa der NSDAP/AO" informierte in der Ausgabe Nr. 113 (Mai/Juni) über die Umstände der Verhaftung LAUCKs am 20. März in Dänemark, betonte aber, daß die wichtigsten Vorbereitungen für einen neuen "Propagan'dasturmauf Europa" zuvor noch hätten abgeschlossen werden können. Die Bundesrepublik soll von sicheren Staaten aus "eingekreist" und ständig mit Propagandamaterial versorgt werden. Der "politische Endkampf" für ein "nationalsozialistisches Europa" müsse beginnen ((r) siehe separate Darstellung des NSDAP/AO-Komplexes unter 1.8.3). Am 16. August wurde der amerikanische Staatsbürger Hans SCHMIDT in Frankfurt aufgrund eines Haftbefehls des AG Schwerin wegen des Verdachts der Volksverhet143 zung festgenommen. Nach Aussetzung der U-Haft ab 04.01.96 hat er sich offenbar in seine Heimat Florida abgesetzt und wurde erneut zur Fahndung ausgeschrieben. SCHMIDT ist Urheber der revisionistischen Schrift "USA-Bericht", die auch in Deutschland verbreitet wird und rassistische - insbesondere antisemitische - Artikel abdruckt. Er ist Vorsitzender der rechtsextremistischen amerikanischen "German 'American National Politic Action Committee" (GANPAC). In einem Brief hatten mutmaßliche deutschstämmige Sympathisanten SCHMIDTs dem Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern u.a. gedroht: "Wir leben in den U.S.A., haben aber in der Heimat durch Geschäfisverbindungen genügend Einfluß, Sie fertig zu machen. Ein Anrufwürde Ihre Existenz innerhalb von 48 Stunden grundlegendverändern(...) Wir 'geben Ihnen zehn Tage Zeit, ..Hans zu entlassen" In den USA existiert ein wichtiger Bezugspunkt internationaler - auch deutscher + Revisionisten: Das "Institute of Historical Review" (IHR). In der Vergangenheit arbeiteten auch deutsche Revisionisten als freie Mitarbeiter des Instituts (Hintergrund: (c) siehe 1.2.3: Revisionismus). 'Auch die deutsche Skinhead-Szene bezieht Impulse aus den USA. Zunehmend gelan'gen insbesondere durch US-amerikanische Vertriebe Tonträger, Videos, Devotionalien neonazistischer Skinhead-Bands per Post nach Deutschland. In diesem Zusammenhang ist die auch im Computernetz "Internet" vertretene Firma "Resistance Re'cords" (Detroit) hervorzuheben. In der rechtsextremistischen Skinhead-Szene gibt es extrem nationalistische und rassistische Neigungen. Von den USA her versucht die sog. "Hammerskin"-Bewegung diese unterschiedlichen Betonungen unter rassistischen Vorzeichen (Parole: "Ein einig Volk von Brüdern") einzuebnen. Die "Hammerskin"-Bewegung dehnt sich nunmehr seit etwa einem Jahr auf Europa aus. Erste Hinweise deuten Aktivitäten in Deutschland in enger Anbindung an neonazistische Zusammenhänge an. Kanada: Neonazis profitieren erheblich von drucktechnischen Zulieferungen aus den USA; deutsche und ausländische Revisionisten bezogen wieder theoretisches Rüstzeug aus Kanada von dem dort ansässigen Emst ZÜNDEL, der weltweit als revisionistischer Vordenker und Chefideologe anerkannt wird. Unterstützung erfuhr auch der Hamburger Neonazi Christian WORCH, dessen Bericht über den Rudolf-HESSGedenkmarsch im dänischen Roskilde von ZÜNDEL über das Datennetz "Internet" weltweit verbreitet wurde (weiterer Hintergrund zu ZÜNDEL: (r) siehe 1.2.3: Revisionismus). 144 1.8.3 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei / Auslandsund Aufbauorganisation (NSDAP/AO) Die 1972 von dem deutschstämmigen Amerikaner Gerhard LAUCK gegründete und seitdem von ihm geleitete NSDAP/AO bekennt sich - wie bereits aus der Namensgebung zu ersehen - zur Ideologie des Nationalsozialismus und strebt offen dessen Restaurierung an. Ihr erklärtes Nahziel ist in diesem Zusammenhang die Aufhebung des NS-Verbotes, d.h. die Wiederzulassung der NSDAP als wahlberechtigte Partei in Deutschland und der "Ostmark" (Österreich). Als Endziel der NSDAP/AO definierte LAUCK: "Die NSDAP/AO erstrebt die Zulassung der NSDAP als eine wahlberechtigte 'Partei in Deutschland. Endziel unseres Strebens ist die Schaffung eines nationalsozialistischen Staates in einem freien, souveränen und neuvereinigten großdeutschen Reich und die Errichtung einer neuen Ordnungauf einer rassistischen Grundlage in der ganzen arischen Welt". In der Absicht, mit Propagandamaterial den Boden für eine nationalsozialistische Revolution zu ebnen, vertreibt die NSDAP/AO über ihre Zentrale in Lincoln/Nebraska (USA) weltweit einschlägige Publikationen, NS-Abzeichen, Hakenkreuzaufkleber u.2. an Gesinnungsgenossen, die das Material dann in ihren Heimatländern weiterverbreiten sollen. Das deutschsprachige Organ der NSDAP/AO, der "NS-Kampfruf", erschien seit 1973 bis zur Festnahme LAUCKs am 20.03.95 in Dänemark jeweils zweimonatlich, danach nur noch zweimal in reduziertem Umfang, zuletzt in einer geschätzten Auflage von etwa 10.000 Exemplaren. Die abgedruckten Beiträge sind durchweg von extrem antisemitischem Gedankengut durchdrungen. Schwerpunkte sind insbesondere Hetze gegen Angehörige angeblich "minderwertiger, nicht-arischer Rassen" und Strategiedebatten über - auch gewaltsame - Kampfformen gegen den freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat. In der Schrift "SS Rassenkunde und Richtlinienzur Gattenwahl" werden Juden u.a. als "Parasiten der Menschheit" bezeichnet. Hauptbetätigungsfeld der NSDAP/AO ist Deutschland, jedoch entfaltet sie ihre Propagandatätigkeit zugleich in zahlreichen anderen Ländern. So veröffentlicht sie neben 'dem "NS-Kampfruf" Zeitungen und "NS-Nachrichtenblätter" in neun weiteren europäischen Sprachen; darüber hinaus ist sie in den USA mit zwei Fernsehprogrammen in mehreren lokalen Kabelnetzen vertreten und speist Informationen ins "Internet" ein. Die Organisation arbeitet mit erheblichem finanziellen Aufwand, der mit Sicherheit nicht aus Mitgliedsbeiträgen und Verkaufserlösen bestritten werden kann. In rechtsextremistischen Kreisen wird über mögliche Geldquellen / Geldgeber daher nur spekuliert. In enger Abstimmung mit dem verstorbenen Neonazi-Führer Michael KÜHNEN konzipierte LAUCK die NSDAP/AO als NS-Untergrundbewegung, die die Aktivitä145 ten der legal arbeitenden Neonazis unterstützen sollte. Um Anhänger der NSDAP/AO. strafrechtlicher Verfolgung zu entziehen, war geplant, in der Bundesrepublik unabhängige, voneinander abgeschottete Zellen zu bilden, die im Untergrund agieren und aus den USA mit Propagandamaterial versorgt werden sollten. Mittels einer derarti'gen Struktur wollte LAUCK erreichen, daß staatliche Exekutivmaßnahmen stets nur zur Zerschlagung einzelner Zellen führen, den Bestand der Gesamtorganisation aber nicht gefährden. 1995 waren die bereits seit über einem Jahrzehnt andauernden Bemühungen deutscher Sicherheitsbehörden, in die Kommunikationswege der NSDAP/AO einzudringen und sie durch exekutive Maßnahmen zu schwächen, erfolgreich. Der "Organisationsleiter" der NSDAP/AO, der US-amerikanische Staatsbürger Gerhard ("Gary") Rex LAUCK, wurde am 20. März auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Hamburg sowie aufgrund eines bestehenden Haftbefehls des Amtsgerichtes Hamburg vom 6. März in Kopenhagen festgenommen und am 21. März dem dortigen Haftrichter vorgeführt. Das Gericht ordnete die vorläufige Auslieferungshaft an. Das Festnahmeersuchen ging auf ein von der Staatsanwaltschaft Hamburg und dem Bundeskriminalamt geführtes Ermittlungsverfahren gegen LAUCK wegen des Verdachtes mehrerer Vergehen gemäß $$ 86, 86 a, 129, 130 und 131 Strafgesetzbuch zurück. Am 13. März war LAUCK unter konspirativen Umständen nach Dänemark eingereist, u.a. üm dort mit Angehörigen der "Danmarks National Sosjalistik Bevaegelse" (Dänische Nationalsozialistische Bewegung/DNSB) Absprachen über eine Umorganisation der NSDAP/AO zu treffen. Am 24. August stimmte der dänische Oberste Gerichtshofder Auslieferung LAUCKs nach Deutschland zu. Dessen Beschwerde gegen die im Mai von derdänischen Regierung verfügte Auslieferung wurde abgelehnt. Zwei gleichlautende Entscheidungen vorheriger Instanzen wurden damit bestätigt. Am 05. September wurde LAUCK von Dänemark den Justizbehörden in Hamburg überstellt, wo er seitdem inhaftiert ist. Am 07.02.96 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen LAUCK. Ihm werden 38 Straftaten vorgeworfen. In einer gegen die NSDAP/AO gerichteten gemeinsamen Aktion verschiedener Si'cherheitsbehörden und der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Hamburg wurden am 23. März im Rahmen bundesweiter Exekutivmaßnahmen Hausdurchsuchungen durchgeführt. Insgesamt waren 56 Personen und 84 Objekte im gesamten Bundesgebiet mit Ausnahme des Saarlandes betroffen, Als Beweismittel wurden ca. 9.000 Hakenkreuzaufkleber, ca. 150 Exemplare des "NS-Kampfrufes", mehrere Fahnen sowie Armbinden sichergestellt. Weiterhin wurden aufgefundene Waffen und Munition beschlagnahmt. Die Durchsuchungen erbrachten keine Anhaltspunkte für die tatsächliche Existenz des von LAUCK und KÜHNEN konzipierten Zellensystems zur politischen Untergrundarbeit. In der Bundesrepublik gibt es jedoch Einzelpersonen und kleinere Personengruppen, die Propagandamaterial der NSDAP/AO beziehen und gBaE Z Die Exekutivmaßnahmen gegen die NSDAP/AO haben die weitere Herstellung des 'deutschsprachigen NS-Kampfrufs und den Verteilungsapparat für NSDAP/AOPropaganda zwar getroffen, konnten sie jedoch nicht total unterbinden. Auch nach 'der Festnahme von LAUCK setzte die NSDAP/AO ihre Aktivitäten in den USA offensichtlichwennauch eingeschränkt - fort. & Die NSDAP/AO ihrerseits wiegelte das Vorgehen der deutschen und dänischen Sicherheitsbehörden als Mißerfolg ab. In der verspätet erschienenen Mai/Juni-Nummer des "NS-Kampfruf", die den Eindruck einer Notausgabe erweckte, berichtete ein "Koordinierungsausschuß Europa der NSDAP/AO" über die Umstände der Festnahme LAUCKs am 20. März, versicherte seiner Leserschaft aber, daß die wichtigsten Vorbereitungen für einen neuen "Propagandasturm aufEuropa" zuvor noch hätten FRBEKRTFNGES abgeschlossen werden können. Die Bundesrepublik solle nunmehr von sicheren Drittstaaten aus "eingekreist" und regelmäßg mit Propagandamaterial - selbstverständlich auch mit dem "NS-Kampfruf" - versorgt werden. LAUCKS Inhaftierung könne dieses Erstmalig drohte die NSDAP/AO sehr konkret mit einer gezielten Terroraktion gegen 'den Generalbundesanwalt: In der im Oktober bekanntgewordenen Juli/August-Ausgabe des "NS-Kampfrufs" (Nr. 114), dem Sprachrohr der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei/Auslandsund Aufbauorganisation" (NSDAP/AO), prangerte sie den Generalbundesanwalt als angeblichen "Drahtzieher desTerrors" an: "Kay Nehm (54). Generalbundesanwalt: Verantwortlich für die jetzige Terrorwelle gegen die Untergrundkämpfer im Reichsgebiet. Eines Tages werden diese Politbonzen ihrer absolut notwendigen Beseitigung hinzugeführt werden! FÜR DAS SYSTEM KEINEN MILLIMETER BODEN, SONDERN NEUN MM". 147 2. Linksextremismus 2.1 Strukturen, Leitbilder, Absichten, Richtungen 'Anders als im Rechtsextremismus wächst politischer Extremismus von links nicht Vorurteilen, wie rassistischem Empfinden, nationalistischer Ideologie oder aus eit Wahn biologischer Überlegenheit. Er tritt vielmehr mit dialektischer Rationalität gerüstet auf. Dogmatische Linksextremisten leiten ihre politischen Zielsetzungen aus angeblich wissenschaftlich belegten Überzeugungen ab. Ihre eigenen Positionen erklären sie als Schlußfolgerung aus historischen Gesetzmäßigkeiten, Gegenpositionen als Quelle ständiger gesellschaftlicher Konflikte, die stufenweise diese Gesetzmäßigkeit produzieren. Drei wichtige Bestandteile des Marxismus-Leninismus sind die Philosophie, die politsche Ökonomie und der wissenschaftliche Kommunismus. Für die Durchsetzung revolutionärer Prozesse hat vor allem LENINS Theorie von der sozialistischen Revolution Bedeutung. Kommunistische Parteien betrachten es als ihre Aufgabe, der angeblich historisch gesetzmäßigen Entwicklung vom Kapitalismus zum Sozialismus/ Kommunismus zum Durchbruch zu verhelfen, die hierzu unausweichliche sozialistische Revolution durchzusetzen. Mitt ihrer angeblichen Wissenschaftlichkeit erheben Kommunisten einen Unfehlbarkeitsanspruch. Sie sind überzeugt, als einzige den richtigen Weg erkannt zu haben, auf dem alle Glieder der Gesellschaft zu Wohlfahrt und Glück geführt werden können. Dieser Weg eröffne letzlich jedermann die Möglichkeit, allein nach seinen Bedürfnissen zu leben, die im übrigen dann mit den Bedürfnissen aller identisch wären. Unter den linksextremistischen Organisationen in der Bundesrepublik gab, es bis Ende der 80er Jahre zwei Lager: Einerseits die orthodoxen - moskauorientierten - Kommunisten um die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP), andererseits die Organisationen der sog. "Neuen Linken" mit den revolutionären Marxisten-Leninisten, Trotzkisten, Autonomen und Anarchisten. Beide Lager sind nach der Diskreditierung marxistischer Gesellschaftsentwürfe und dem Scheitern des "ersten Arbeiterund Bauernstaates auf deutschem Boden" Rechtfertigungszwängen, existenziellen Nöten, Isolation und schwindender Resonanz ausgesetzt. Das Verschwinden des "real existierenden Sozialismus" bedeutete keinesfalls das Ende des Linksextremismus in Deutschland. Es stürzte ihn jedoch - wie auch weltweit - in eine tiefe Krise. Seine Strategen schen die Ursachen für das Scheitern des "realen Sozialismus" nicht in falscher Theorie, sondern in deren mangelhafter Ausführung. Linksextremistische Funktionäre und Ideologen debattierten daher verstärkt über Auswege aus der Krise, die sie nur als Etappe begreifen. 148 Zuge von Umgruppierungen löstensichdie bis 1989 errichteten organisatorischen ideologischen Abgrenzungen auf. Ehemals orthodoxe Kommunisten kooperieren ibefangen mit gewaltund militanzgeneigten Linksextremisten, die sie früher als " ablehnten. Ehemals "Neue Linke" ließen sich auch im abgelaufenen auf Aktionseinheiten mit früher orthodoxen "alten" Linken ein, die sie in den 'Jahren noch als "moderne Revisionisten" verachteten. unisten arbeiten auf eine schrittweise Beseitigung der freiheitlichen Demokrahin, um an deren Stelle die "Diktatur des Proletariats" zu errichten, eine Herr'schaftsform, die mit den freiheitlichen demokratischen Grundsätzen unserer Verfas'sung nicht zu vereinbaren ist. Sie orientieren sich dabei mit unterschiedlichen Akzenfenan den Theorien von Marx, Engels, Lenin, Trotzki, Stalin, Mao Tse-tung bis hin 'zu Ideen anarchistischer Vordenker. Ihre Handlungsmuster sind dadurch nachlesbar und relativ berechenbar. Kommunisten verfolgen eine Strategie, soziale und politische Mißstimmungen anzuheizen, zu bündeln und auf "massenwirksame" Nahziele zu lenken, das revolutionäre Endziel keineswegs aus den Augen lassend. Zuspitzun'gen und Radikalisierungen sollen letztlich in eine "revolutionäre Situation" münden, in der die Macht erobert wird. Undogmatische Autonome hingegen haben keine historischen Vorbilder: Sie folgen einfach gefühlsspontanen subjektiven Impulsen und der Maxime, herrschaftsfreie Zonen aufbauen zu wollen. Ihr Aktionsverhalten ist schwerer überschaubar und weniger kalkulierbar. Anarchisten orientieren sich zwar ähnlich wie Marxisten-Leninisten an Ideen anarchistischer Vordenker und Vorkämpfer, sind jedoch - wie Autonome - wegen ihrer Neigungen zur Propaganda der Tat ebenfalls wenig berechenbar. Bedeutende anarchistische Theoretiker waren u.a. William GODWIN (1756-1836), PierreJoseph PROUDHON (1809-1865), Michail Alexandrowitsch BAKUNIN (18141876), Sergej Gennadiewitsch NETSCHAJEW (1847-1882), Petr Alexandrovic KROPOTKIN (1842-1921) und der deutsche Philosoph Max STIRNER (1806-1856). Autonome und Anarchisten benutzen den Rahmen der freiheitlichen Demokratie mit dem Ziel, die bestehende Ordnung zu zersetzen, sie unter Mißachtung demokratischer Willensbildung mit Gewalt zu zerschlagen. Sie wollen keine Diktatur des Proletariats, sondern eine in jeder Hinsicht "herrschafisfreie", mithin im wahrsten Sinne des Wortes "ohn"-mächtige Gesellschaft durchsetzen. Dazu wollen sie den Staat "abschaffen". "Revolutionäre Gewalt" wird von Linksextremisten regelmäßig als "Gegengewalt" der "unterdrückten Klasse" gegen die angebliche Gewalt der "herrschenden Klasse" verbrämt und gerechtfertigt. Lediglich aus taktischen Gründen lassen sich Linksextremisten in der tagespolitischen Auseinandersetzung auch auf Aktionsformen ein, die sie nicht mit dem Gesetzin Konflikt bringen. Immer dann, wenn es ihnen zweckmäBig erscheint, sind die meisten auch zu ungesetzlichen Aktionen bereit. In linksextremistischen Staatsund Gesellschaftsentwürfen haben Volkssouveränität, Chan- cengleichheit für Parteien und das Recht auf Bildung einer Opposition keinen Die Trennung zwischen Legislative, Exekutive und Rechtsprechung wird au ben und existiert bestenfalls zur Wahrung einer demokratischen Fassade pro aufdem Papier. Autonome verbinden ihre Forderungen nach "Autonomie", d.h. nach Freiräumen au SeERNT Berhalb der bestehenden Gesetze und "Zwänge des Systems", mit offenen Bekenntnissen zur Gewalt. Anschliige und Sabotage werden als "Kampfformen" propagiert und praktiziert. Körperliche Unversehrtheit anderer bedeutet ihnen wenig, wenn sie nichtin ihreZerrbilderpaßt. Autonomebeherrschen die gesamte Bandbreite von Militanz: Besetzen, Zerstören, Straßenkampf und Brandstiftung. Hohe Sachschäden: und Kosten der privaten und öffentlichen Sicherheit sollen den "Preis" des "Systems" in die Höhe treiben und unbezahlbar machen, ein Kalkül, das 1995 ganz unverhohlen u.a. im Zusammenhang mit dem Widerstand gegen Castor-Transporte und gegen angebliche "Profiteure" von Abschiebungen verfolgt wurde. Gezielter politisch motivierter Mord wird meist nur aus "Zweckmäßigkeits"-Gründen abgelehnt, von einzelnen gleichwohl ohne moralische Bedenken als "legitim" toleriert. Fließende Übergänge führen von der autonomen und anarchistischen Szene zu Personen und Gruppen des "Antiimperialistischen Widerstandes" (AIW). Diese akzeptierten weiterhin in ihren Verlautbarungen grundsätzlich das Prinzip des "bewaffneten Kampfes" (militärisch und/oder durch militante Anschläge) als Mittel der politischen u.. Auseinandersetzung. Umstritten war höchstens, ob dieser Kampf sofort oder erst später aus einer Position der Stärke heraus zu führen sei, ggf. mit welcher Intensität (Gewalt nur gegen Sachen oder auch gegen Personen). Zum AIW gehören wechselnde, häufig kurzlebige, diffuse, eher informelle Gruppenzusammenhänge, die sich nur selten mit Eigennamen öffentlich zu erkennen gaben. Die Abgrenzungen im AIW waren weiterhin durchlässig und veränderten sich laufend. Zunehmend orientierten sich auch jüngere "Antifas" als Teil des AIW an den ursprünglichen Thesen der "Rote Armee Fraktion" (RAF). Das RAF-Umfeld ist ein Teil des AIW. Dieses Personenspektrum blieb nach dem vorläufigen Verzicht der RAF (1992)auf gezielt tödliche Aktionen unter gleichzeitigem ideologischen Umdenken bis heute zerstritten. Personen des RAF-Umfeldes (Hamburg: etwa 50) standen entweder dem RAF-Kommandobereich ideologisch nahe, oder vertraten Positionen der verbliebenen RAF-Inhaftierten. Beide Seiten bemühten sich im abgelaufenen Jahr, bestehende Gräben zu überwinden. Linksextremistische Terroristen habensich zumZielgesetzt, denStaat durch spektakuläre Anschläge bis hin zu Mord zu erschüttern. Ihr Feindbild sind Personen, die sie als Garanten, Stützen, "Werkzeuge" oder "Lakaien" der bestehenden Ordnung definieren. Ein Vierteljahrhundert lang war es die Doktrin der "Roten Armee Fraktion" (RAF), durch bewaffneten Kampfden "Imperialismus" zu zerschlagen. Mit Morden 'an höchsten Repräsentanten der Gesellschaft wollten sie das Bewußtsein der "arbeienden Massen" verändern und die Revolution erzwingen. Guerillakriegsaktivitäten kommunistischer Partisanen in Südamerika und im Fernen Osten dienten vielfach als Leitfiguren des politischen Kampfes in den "Metropolen" der Bundesrepublik. IdeoIogische Vorbilder waren Ernesto Che GUEVARA, MARX, LENIN, STALIN, sowie die Vietnamesen Ho Tschi MINH und Nguyen GIAP. Die Praxis sog. "Stadtguerileros" läßt sich vor allem auf Mao TSE-TUNG, Carlos MARIGHELLA (Brasilien) und die "Tupamaros" (Uruguay) zurückführen. Die pseudoreligiöse Weihe von Gewalttätern findet sich in Ideen des Anarchisten BAKUNIN wieder. Insbesondere die RAF orientierte sich in ihrer Anfangszeit an Carlos MARIGHELLAs "Minihandbuch des Stadtguerilleros", das an die Stelle des "Massenkampfes" 'Aktionen bewaffneter kleiner Gruppen setzte und dabei breite Akzeptanz der Bevölkerung erreichen wollte. Mao TSE-TUNG prägte das Ideal vom Guerillero, der sich im Volk bewegt, "wie der Fisch im Wasser "(Volkskriegstheorie). In der Bevölkerung stieß die RAF auf Ablehnung und Empörung, der Staat erwies sich als nicht erpreßbar. Seit 1992 hat die RAF einen Weg eingeschlagen, "revolutionäre Politik" und den Aufbau von "Gegenmacht von unten" neu zu bestimmen. Die "Antiimperialisti'sche Zelle" (AIZ) versuchte erneut, mit Anschlägen gegen Funktionsträger (,. Eliten") von Wirtschaft und Politik an die RAF-Tradition anzuknüpfen. Terroristen leben entweder in Form von Guerilla-Kommandos als "/llegale" im Untergrund (RAF) oder verüben anlaßbezogen aus ansonsten legalen Lebensumständen heraus konspirativ vorbereitete und recherchierte Gewalttaten ("Revolutionäre Zellen" und "Rote Zora", AIZ). 22 Theorie und Praxis / Schwerpunkte 1995 Linksextremisten bemühten sich erneut, ihre Theorien zu verbreiten, in der Hoffnung, durch eigenes Verhalten Anstoß zu breiten Bewegungen (,, Volks"bzw. "Massenbewegungen") zu geben bzw. Unterstützer und Nachahmer mitzureißen. Sie warben für ihre Ideen (Propaganda), politisierten und polarisierten (Agitation), organisierten Handlungsstrukturen (Parteien, Gruppen, Initiativen, Komitees), mobilisierten (Kundgebungen, Demonstrationen) bzw. machten durch "direkte" eigene Aktionen (passiver oder aktiver Widerstand, Gewalttaten)auf sich aufmerksam. 2.2.1 Überblick über Anknüpfungsthemen und Aktionsanlässe Unter den Anknüpfungsthemen linksextremistischer Organisationen und Personenzusammenhänge standen wieder zwei Komplexe im Mittelpunkt, die das ganze Jahr über aufgegriffen wurden und sich als Schwerpunkte in theoretischen Schriften und 151 Debatten widerspiegelten. Als dauerhafte Themen bestimmten die Anti Kampagne ((r) 2.2.2.) und die Ausländerund Asylproblematik ((r) 2.2.3) w das Aktionsverhalten. Beide Komplexe wurden von Linksextremisten auch mäßig als "Antifaschismus/Antirassismus" verknüpft. Weil Rechtsextremisten i staatlicher Verbote seltener bei öffentlichen Auftritten als Angriffsziele zur Ve gung stehen, verlagerten Antifa-Gruppen ihre Aktivitäten häufiger auf die A: blematik und die "Anti-Abschiebe"-Kampagne. Beide Schwerpunktthemen schlugen sich mit unterschiedlicher Intensität in und Praxis aller in diesem Bericht behandelten linksextremistischen Organi: und Gruppen nieder. Weitergehende Anknüpfungsthemen (2 2.4.4 - 2.4.7) sich u.a. aus den Exekutivmaßnahmen der Bundesanwaltschaft vom 13. Juni, aus Protesten gegen Stadtteilentwicklung/Umstrukturierung, der Kampagne Castor-Transporte und Atommülllagerung und sonstigen Anlässen, wie z.B. der nationalen Mobilisierung zum 8. Mai (50. Jahrestag der Befreiung). 2.2.2 Schwerpunkt Antifaschismus 22. 1 Allgemeines Kaum ein politischer Begriff wird so oft mißverstanden oder fehlgedeutet, inflationär und für Manipulationen mißbraucht, wie der des Antifaschismus. Antifaschist ist - vom einfachen Wortsinn her - jemand, der gegen den Faschismus ist. Antifaschistisches Engagement in diesem Sinne ist nicht Gegenstand von Beobachtungen des Verfassungsschutzes. Umgangssprachlich sind mit der unpräzisen Wortwahl "Faschisten" zumeist einfach "Rechtsextremisten" gemeint. Die Bekämpfung des Rechtsextremismus haben sich auch der Verfassungsschutz und andere Sicherheitsbehörden zum Ziel gesetzt. Daher kommt es darauf an, stets auch die Bestrebungsziele zu beleuchten, denen "Antifaschismus " teilweise nur als Rechtfertigungsetikett anhaftet. Im orthodox-kommunistischen Sprachverständnis zielt "Antifaschismus" letztlich darauf ab, eine sozialistische Gesellschaftsordnung zu errichten. Beide Vokabeln - Faschismus und Antifaschismus - werden von Linksextremisten als Kampfbegriffe benutzt, mit denen das Feindbild von Neonazis / Rechtsextremistischen Parteien / Neuen Rechten auf Konservative und Demokraten ausgedehnt wird, wenn diese sich antikommunistisch äußern oder linksextremistische Standpunkte nicht teilen. Politiker, die vor Gefahren des politischen Extremismus insgesamt - mithin einschließlich des Linksextremismus - waren, werden kurzerhand in die Ecke einer "staatlichen AntiAntifa" gestellt. Jahrzehntelang hatte die ehemalige DDR ihren "antifaschistischen" Charakter zur Legitimation ihrer eigenen Staatlichkeit betont. Die Berliner Mauer wurde als "anti152 istischer Schutzwall" hochstilisiert, vom DDR-Regime die "antifaschistische" ition beschworen. Westdeutsche Kommunisten reflektierten das Antifaschismusis der DDR gegen angeblich weiterhin in der Bundesrepublik verwurzelte igungen und latent fortdauernde faschistische Tendenzen ("Der Schoß ist . Autonome Gruppen übernahmen den Antifa-Begriff der KommuEr war unverändert Integrationsideologie und Kampagnen-Kitt der unterlichen linksextremistischen Gruppen und Strömungen. Anschläge, Körperverund Sachbeschädigungen wurden wiederum zu "antifaschistischer Selbstbegriffsgerechten Sinne jedoch einzigaufdas ehemalige Herrschaftssystem MUSLINIS in Italien anwendbar. Der Begriff wurde später auch auf den Nationalsoziaus und die sich auf ihn beziehenden Bewegungen ausgeweitet. Typische Elemendes italienischen Faschismus waren u.a.: militanter Antibolschewismus, Antiliberaismus, aufgeheizter Patriotismus, Lenkung der Volksmassen durch suggestive Indokrination, elitäre nationalistische Selbstüberhöhung, glorifizierender Heroismus, sowie imperialistische Herrschaft und Zukunftsverheißung. MUSSOLINI selbst kennzeich'nete seine Doktrin des faschistischen Staates u.a. als Willen zu Macht und Herrschaft, als Streben zur territorialen Expansion der Nation. Anders als beim deutschen Nationalsozialismus fehlte dem italienischen Faschismus jedoch die ausgeprägte rassisti'sche Komponente mit dem Ziel der Massenvernichtung. Nach der Doktrin der traditionellen Antifa ist Faschismus Ausdruck skrupelloser "kapitalistischer Krisenbewältigung", eine Herrschaftsform im fortgeschrittensten Stadium des Kapitalismus (Imperialismus), in die sich das "Monopolkapital" als letzten Ausweg zur Herrschaftssicherung zu flüchten versucht. Er werde immer dann installiert, wenn Ausbeutungs-/Profitinteressen in der parlamentarischen Demokratie nicht mehr durchgesetzt werden könnten (Parole: "Hinter dem Faschismus steht das Kapital!"). Damit wird auch der "Klassencharakter" des Faschismus erklärt. Weil der bürgerliche Staat nach dieser Theorie Interessenvertreter des Monopolkapitals ist, muß antifaschistischer Widerstand in einer Einheitsfront gegen den bürgerlichen Staat gebündelt werden und verhindern, daß der Staat bereitwillig die Macht an die Faschisten abtritt. Das politische Selbstbild der "Antifa" laßt sich wie folgt zusammenfassen: In einer sich im Kapitalismus ständig erneuernden neofaschistischen Gefahr sieht sie sich als einzige Kraft, die das ganze Bild von Ursache und Wirkungsform des Faschismus vermitteln kann. Sie fühlt sich als einzige effiziente Gegenkraft gegen eine drohende Wiederkehr des Nationalsozialismus. Unter allen politischen Kampagnenträgern sieht sich die "Antifa" als umfassend integrierende Meinungsführerin, da der Faschismus im Prinzip die Wurzelallerbösen politischen Kräfte ist und sichhinter den Masken aller nur denkbaren politischen Feindbilder verbirgt. Antifaschistische Meinungsge153 wißheit ist auch Ausdruck selektiver Erfahrungsverarbeitung, von Illusionismus und Realitätsverlust sowie einer kalkulierten Begriffsverschiebung: Antifaschismus wird letzlich zum Synonym für Antikapitalismus, Antikommunismus zum Synonym für Faschismus, Bekämpfung des Linksextremismus gleichbedeutend mit faschistischer Unrechtsherrschaft, Willkür und Unterdrückung. RaLSBE Als Zeugin solcher Begriffsverwischungen meldete sich im Juli die im Frankfurter RAF-Prozeß wegen Mordes angeklagte Birgit HOGEFELD in einer kritischen Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Geschichte zu Wort: Es sei schwer nachvollziehbar, "daß wir", genauso wie andere linke Zusammenhänge, zu einem Faschismusbegriff kommen konnten, in dem Faschismus in erster Linie als über der Gesellschaft stehende, den Kapitalinteressen dienende Herrschaftsstruktur geschen wurde, "Dabei 'hätten wir dochgerade das aus unserem eigenen Leben besserwissen können." 2.2.2.2 Alte und neue "Antifa" Orthodoxe Kommunisten haben ihre Vorreiterfunktion in der "Antifa"-Bewegung spätestens seit 1989 verloren, als Autonome ihr direktes Vorgehen gegen Rechtsextremisten mit militanten Aktionen steigerten. Die DKP betrachtete die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (VVN-BdA) weiterhin als Vorfeld, um Antifaschismus als Tradition und Perspektive zu verteidigen. Im Zusammenhang mit den Gedenkfeiern zum 50. Jahrestag des Kriegsendes in Europa am 8. Mai behandelte die DKP "Antifaschismus" als Schwerpunktthema. In dem von der DKP vermittelten Bild deutscher Gegenwart erfreute sich der Nazi-Faschismus einer ungebrochenen Kontinuität. Die DKP-Kampagne zum 8. Mai sollte daher das "anti faschistische" Geschichtsbild festigen, zugleich vom Unrechtscharakter des ehemaligen SED-Regimes ablenken. Öffentliche Bewertungen der DKP entsprachen diesen Klischees. Ihre Sprecher wiederholten in der Extra-Ausgabe der DKP-Zeitung "UZ" vom 28. April die These vom "antifaschistischen Versuch" der DDR, die Lehrendes 8. Mai zu beherzigen. Demgegenüber seien in der Bundesrepublik die alten Machtund Herrschaftsverhältnisse restauriert worden. Der Bundesausschuß der VVN/BdA berichtete von enttäuschten Hoffnungen der Widerstandskämpfer, der Verfolgten und Befreiten: Nach 50 Jahren müßten sie angeblich erleben, wie die Lehren aus der Geschichte geopfert würden, während faschistische Verbrechenrelativiert und Täter zu Opfern umdefiniertwürden. Im jüngeren deutschen "Antifa"-Spektrum dominieren heute Personen autonomer Gruppenzusammenhänge, deren politisches Weltbild kein abgeschlossenes Ideologiesystem enthält. Autonomes Antifaschismusverständnis schließt zumeist Antinationalismus, Antikapitalismus, Antirassismus, Antilmperialismus und Antisexismus ein und bietet in dieser Breite einer bunten Vielfalt linksextremistischer Gruppen und Initiativen Anknüpfungsund Integrationsmöglichkeiten. Unverändert verbindet sich 'der eigentliche "Anti-Nazi-Kampf" mit einer radikalen, an die gesellschaftlichen Wurzeln gehenden Gegnerschaft zum "imperialistischen System". Für die von Autonomen bestimmte "moderne Antifa" gilt es weitgehend als legitim, zur Durchsetzung politischer Ziele auch Gewalt gegen Personen und Sachen einzusetzen oder wenigstens zu tolerieren. Militanz ist für sie als Mittel der politischen 'Auseinandersetzung unverzichtbar. Gewalt wird nicht wahllos, sondern zumeist gezielt und überlegt so eingesetzt, daß sie - aus der Sicht der Täter - den Mitbürgern gegenüber "vermittelbar" ist, d.h. daß die Beweggründe für Gewalttaten und deren praktische Auswirkungen von der Öffentlichkeit bis zu einem gewissen Grad noch akzeptiert werden können. Autonomen Antifaschismus, "direkte Aktionen" und Militanz gegen Rechtsextremisten gibt es seit den 80er Jahren. Eine inzwischen auch von 'der rechtsextremistischen "Anti-Antifa" kopierte Methode der "Antifa" besteht darin, Haß und Aggressionen gegen tatsächliche oder vermeintliche einzelne "Faschisten" mit steckbriefähnlichen Enthüllungen von Personalien zu schüren. Im "antifaschistischen Kampf" wurde und wird personenbezogen teilweise militanter agiert, als in anderen autonomen Kampagnen. Einerseits rechtfertigen sich autonome "Antifas" hierfür mit tatsächlicher oder behaupteter persönlicher Betroffenheit als Opfer rechtsextremistischer Übergriffe oder angeblicher faschistoider staatlicher Gewalt ("antifaschistische Selbsthilfe"). Andererseits hoffen sie darauf, daß die weit überwiegende Mehrheit der Bevölkerung Rechtsextremisten ablehnt und ihre gewaltsame Bekämpfung mit offener oder klammheimlicher Sympathie toleriert. Das Feindbild erklärt sich quasi aus sich selbst heraus und bedarf keiner großen Begründungen. Ua. dieser Aspekt erklärt auch, daß z.B. im Zusammenhang mit Demonstrationen die Übergänge zwischen linksextremistischen - verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgendenPotentialen und teilnehmenden Nichtextremisten eines eher linksliberalen Spektrums fließender sind. "Antifaschistisch" motivierte Straßenmilitanz - z.B. bei Demonstrationen und Kundgebungen - hat in den letzten Jahren abgenommen. Direkte Konfrontationen mit Rechtsextremisten kamen infolge staatlicher Verbotsmaßnahmen (kaum noch Spielräume für neonazistische Aktionen auf Straßen und Plätzen) seltener vor. Dem Staat wurde von Linksextremisten einerseits in der Vergangenheit Untätigkeit gegen Rechtsextremisten aus machtpolitischen Gründen vorgeworfen; paradoxerweise wurde ihm andererseits in jüngster Zeit nach den schwer wegzudiskutierenden Repressionsmaßnahmen gegen Rechte nachgesagt, einstweilen die "Faschisten" zur Durchsetzung seiner Politik und zum "Schutz" des Kapitalismus nicht mehr zu "benötigen". Autonome "Antifas" unterstellten gar, durch sein konsequentes Vorgehen gegen Rechtsextremisten wolle der Staat den "Antifas" das "Wasser abgraben". Der Erfolg staatlicher Exekutivmaßnahmen gegen Rechtsextremisten hat insoweit eine begrüßenswerte linksextremistische Rechtfertigungskrise nach sich gezogen. Gleich155 wohl geben sich Antifas mit der rechtsstaatlichen Bekämpfung von Rechtsex' nicht zufrieden. Anstelle von Verboten fordern sie deren "Zerschlagung" - eine finition, deren praktische Bedeutung sie mit Sachbeschädigungen, Körperl und anderen "direkten" (= zumeist gewalttätigen) Aktionen plausibel zu machen suchen. Starke Polizeiaufgebote ließen Ausschreitungen bei Antifa-Demonstrationen noch zu. Die Festnahmerisiken militanzgeneigter Demonstranten wurden kalkulierbar. Militant wurde weniger bei angemeldeten Kundgebungen und strationen agiert, als im Rahmen "spontaner", zumeist nächtlicher Aktionen rativer Kleinstgruppen, wo sich die Ausführenden vor polizeilichen Zugriffen sic glaubten. Dieser Trend hat dazu geführt, daß sich einige Gruppen gegen A hende abgeschottet haben. Daneben existieren in der Antifa-Szene aber weiterhin fene Strukturen und Kontaktadressen, die neuen Interessenten zugänglich sind. In den Augen "traditioneller" Antifaschisten haben autonome "Antifas" keine terführende Perspektive: sie bewegten sich auf einer "kleinbürgerlichen" und "si kulturellen" Linie, hätten keine fundierte Faschismusanalyse und agierten zu nistisch. Ihr oftmals abschreckendes Auftreten verhindere umfassende antifaschi sche Volksbewegungen in einer antifaschistischen Einheitsfront und damit den freierischen Klassenkampf gegen das "Monopolkapital". Dieses hindert beide ji nicht an punktueller Zusammenarbeit. Die herausgehobene Bedeutung des "Antifa"-Themas in Hamburg erklärt sich ua damit, daß führende Rechtsextremisten hier oder im hamburgischen Umland wohnen. Dazu gehören der bundesweit bekannte Anwalt und Verteidiger von Rechtsextremisten, Jürgen RIEGER, der ehemalige Ideengeber der verbotenen Hamburger neonazistischen "Nationalen Liste" (NL), Christian WORCH, der Ex-NL-Vorsitzende Thomas WULFF und der ehemalige Funktionär der verbotenen neonazistischen "Freiheitlichen Arbeiterpartei Deutschlands" (FAP), Andre GOERTZ. "Autonome" Antifaschisten haben in der Vergangenheit wiederholt versucht, ihre vielfältigen dezentralen Ansätze regional oder bundesweit zusammenzufassen. Bündnisansätze oder Vernetzungen waren jedoch unbeständig und scheiterten an inneren Widersprüchen. Seit 1992 gibt es neue Einigungsbestrebungen. Sie wurden auch 1995 fortgesetzt. 2.2.2.3 Antifaschistische Strukturen An den mehrgleisigen Bestrebungen, die bundesweite Antifa-Bewegung zu koordinieren und einheitlich zu organisieren, waren auch wieder Hamburger AntifaGruppen beteiligt. 156 - formell im Frühjahr 1993 - wurde die "Antifaschistische Aktion / BundesweiOrganisation" (AA/BO) als bundesweite Zusammenhang für eine verbindliche, isierung von Antifa-Gruppen gegründet. Die autonome Szene war mit sich unzufrieden: es mangelte ihr an Kontinuität und Verbindlichkeit sowie einer ierten beständigen Theorie - eine quasi angeborene Schwäche "autonomer" Prin- . Die AA/BO möchte das Niveau isolierter regionaler "Anti-Nazi"-Kämpfe soanonymer Kleingruppenmilitanz überwinden und die "Antifa" mit neuen Bündjern zu einer gesellschaftlich relevanten Kraft in Deutschland weiterentwikGewachsene Geschlossenheit bewies die AA/BO durch straff organisierte Delionen mit zumeist mehreren Hundert Teilnehmern. flußreiche Gruppen innerhalb der AA/BO sind die "Autonome Antifa (M)" aus ingen und die Gruppe "Für eine linke Strömung" (F.e.L.S.) aus Berlin. F.e.lS. ierte sich vorübergehend gleichzeitig auch in der "Initiative für eine bundeswei- e revolutionäre Organisierung", deren Niedergang nach dem Rückzug von F.e.lS. nicht mehr aufzuhalten war. Auch die "Antifa Bonn/Rhein-Sieg" war 1995 eine wichtige Stütze der AA/BO. Die AA/BO ist in der autonomen Antifa-Szene umstritten. Vor allem ihre hierarchi'sche Ordnung, Formalismus und ein hoch angesetzer Grad der angestrebten Organisierung wurden kritisiert. Auch wurde der AA/BO eine Neigung vorgeworfen, Demonstrationen einseitig zu vereinnahmen, sich offenen Diskussionen zu entziehen. Der Generalvorwurf lautete sinngemäß, die AA/BO maße sich überzogene Dominanz und autoritäres Verhalten an. Die AA/BO steuert einen auf Gewaltanwendung gerichteten Kurs. Im April führten AA/BO-Gruppen ein Seminar zum bewaffneten/militanten Kampf durch. Im Juli äuBerte ein führendes Mitglied der AA/BO aus Göttingen zum Begriff "gewaltfrei", dieses sei ein "ideologischer Begriff", der im völligen Gegensatz zu autonomer Politik stehe. Eine Bielefelder AA/BO-Gruppe akzeptierte in einem Selbstverständnispapier physische Gewalt gegen Personen und Sachen als Mittel des politischen Kampfes. Eine seit dem Frühjahr 1995 unter der Bezeichnung "Hamburger Antifaschistische Initiative" (HAI) auftretende Antifa-Gruppe agierte im Sinne der AA/BO und war zumindest Teilnehmerin an AA/BO-Treffen. Im Herbst 1993 waren bundesweit mehrere Antifa-Gruppen nach politischen renzen aus der AA/BO ausgetreten. Einige gründeten anschließend das sog. "BlTreffen", das ebenfalls eine bundesweite Kooperation von Antifa-Gruppen anstrebte, aber weniger hierarchisch strukturiert war und eine verbindliche Organisierung abIchnte. Die der AA/BO kritisch gegenüberstehenden "Antifas" verglichen deren martialisches und uniformes Auftreten mit dem einer Kaderpartei bzw. ML-Gruppierung. Im Frühjahr benannte sich das "B/-Treffen" in "Bundesweites Antifa-Treffen" (BAT). FzZe Aus Hamburg ist die "Autonome Männer-Antifa" (AMA) beim BAT vertreten. Sie zählt zu den Stützen dieses bundesweiten Organisierungsansatzes. Als Gegenstück zu diesem rein männergeprägten Antifa-Zusammenhang gibt es bundesweit - auch in Hamburg - " Frauen-Antifa"-Gruppen, abgekürzt "Fantifas". Die "Antifaschistische Jugend/Bundesweiter Zusammenschluß" (AUBZ) wurde 1993 in Hamburg gegründet. Sie propagiert einen "revolutionären Antifaschismus" und orientiert sich weitgehend an der AA/BO. Unter den 15 deutschen Antifa-Jugendgruppen der AVBZ befindet sich auch die "Antifa-Jugendfront Hamburg" (AJF). Die AJF profitierte offensichtlich von dem erhöhten moralischen Imperativ, der sich, siehe 2.4.4.2), diente die "Rote Flora" trotz eingeschränkter Funktionstüichtigkeit als - allerdings nicht alleinige - Koordinierungsstelle. Weitere Veranstaltungen mit linksextremistisch besetzten Themenkomplexen können hier nur beispielhaft aufgezählt werden: "Anti-Castor" (Musikveranstaltung), Freiheitsbewegung der Indios in der mexikanischen Provinz Chiapas, Freilassungskampagne für den in den USA inhaftierten Journalisten Mumia Abu-Jamal, Solidarität mit einem autonomen "Antifaschisten", der wegen eines gewaltsamen Überfalls auf den Nazi-Anwalt RIEGER angeklagt werden soll (9 siehe 2.2.2.4). Im Info aus der "Roten Flora", der Zeitschrift "Zeck", wurden Bekennungen zu terroristischen Anschlägen und Diskussionspapiere zu einschlägigen autonomen Bezugsthemen abgedruckt, ebenso Berichte zu Hausbesetzungen. Die "Rote Flora" wurde bundesweit von Linksextremisten angelaufen. Sie war sowohl Mittelpunkt der Hamburger Vorbereitungen zum bundesweiten Autonomiekongreß Ostern in Berlin als auch Austragungsort eines diesbezüglichen bundesweiten Vorbereitungstreffens. Das Zentrum war auch wieder Treffoder Sammelpunkt insbesondere für sog. "spontane" Aktionen. Als Anfang des Jahres die Räumung des Hüttendorfes "Anatopia" bei Papenburg drohte, versammelten sich vor der "Roten Flora" etwa 50 Personen aus der autonomen Szene. Anschließend gingen Scheiben eines benachbarten Geschäfts und anderer Objekte sowie geparkter Pkws zu Bruch. Am 16. Juni demonstrierten Hamburger Linksextremisten anläßlich der o.g. Exekutivmaßnahmen des Generalbundesanwaltes vom 13. Juni. Für die sich anschließende - gewalttätig verlaufene - "Spontan"-Demonstration im Schanzenviertel war die "Rote Flora" Ausgangspunkt, zugleich auch Zufluchtsort gewaltbereiter Demonstranten vor der Polizei. 192 idaritätsbekundungen mit der feuergeschädigten "Roten Flora" beruhen auf Geitigkeit. So finden gewaltbereite Linksextremisten im "Flora"-Info "Zeck" Iwollende Berücksichtigung. Die Gebäudefassade ist ein anlaßbezogener Parolenmit Botschaften zu einschlägig linksextremistisch besetzten Themen, u.a. zu igen Aktionen von AKW-Gegnen ((r) siche 2.4.6). 2.4.3 Anarchistische Gruppen in Hamburg / Objekt Libertäres Zentrum Die Anarchistische Föderation Hamburg (AFH) ist ein nach dem Hamburger "Anarchismus-Kongreß" vom Oktober 1994 gegründeter Zusammenschluß mehrerer Hamburger anarchistischer Gruppen und Einzelpersonen. Die AFH versteht sich als eine Art Dachverband für Gruppen und Zirkel in Hamburg und Umgebung. Mit einemFlugblatt warb die AFHfür ein "Anarchistisches Sommercampin Hamburg" vom 22.29. Juli. Der Aufruf wurde von anarchistischen und autonomen Gruppen, ua. der Ortsgruppe Hamburg der anarcho-syndikalistischen "Freien Arbeiterinnen und Arbeiter Union/Internationale Arbeiter Assoziation" (FAU/IAA) unterstützt. Zentrale Hamburger Anlaufstelle mehrer anarchistischer Gruppen ist das "Libertäre Zentrum" (LIZ) im Stadtteil St. Pauli. Das auch als Kommunikationsund Tagungszentrum dienende "LIZ" wurde 1986 von der Hamburger Ortsgruppe der anarchosyndikalistischen FAU/IAA eingerichtet. Es hat sich inzwischen als Kontaktstelle überwiegend militanzgeneigter, aktionistisch veranlagter Personen und Gruppen im Karolinenund Schanzenviertel herausgestellt. Den im "LIZ" verkehrenden Szencangehörigen gehören bemerkenswert viele junge Interessenten und Akteure im Schüleralter an. Sie kommen auch aus den Hamburger Randund Umlandgebieten und vermischen sich zum Teil mit der Punker-Szene. Diesen "LIZ-Kids" (Szenejargon) wurde insbesondere von Autonomen wegen ihrer mehrfach offenbarten Unerfahrenheit und unbekümmerten Neigung zu "durchgeknallten Aktionen" ein "destruktives" und "chaotisches" Verhalten nachgesagt. Sie waren 1994 auch an den Auseinandersetzungen um den Bauwagenplatz "Bambule" sowie 1995 mehrfach an militanten Vorkommnissen beteiligt: so u.a. an Hausbesetzeraktivitäten (Laue-Komplex), an der Besetzung des mexikanischen Generalkonsulates (Februar), an der Inbrandsetzung von Barrikaden in der Feldstraße nach der Kurden-Demonstration vom 20. März und an militanten Blockadeaktionen bei Gorleben im Zusammenhang mit "Castor-Transporten". Das "LIZ" war Anmeldeadresse für das bundesweite "Anarchistische Sommercamp" (22.-30. Juli) am Hohendeicher See in Hamburg-Ochsenwerder, an dem sich zeitweise bis zu 300 Anarchisten, Anarcho-Syndikalisten, sog. "Graswurzler" (Publikation: "Graswurzelrevolution") und "Antifas", darunter auch Personen aus Österr eich, der Schweiz, Frankreich und den Niederlanden beteiligten. Die bundesweit weniger als 100 Anhänger (Hamburg: etwa 15) umfassende anarchosyndikalistische Freie Arbeiterinnen und Arbeiter Union / Internationale Arbeiter Assoziation (FAU / IAA) - Sitz: Frankfür/M. - gibt sich als umstü rzlerische Klassenkampforganisation. Sie ist Sektion der "Internationalen Arbeiter Assoziation" (IAA). Originärer Anarcho-Syndikalismus erstrebt eine staatsund klassenlose Ordnungauf dem Wege revolutionärer Gewerkschaftsund Betriebsarbeit und "direkter Aktionen", z.B. Besetzungen, Boykotts, Streiks und Sabotage. In der Alltagspraxi s ist die FAUNIAA weit davon entfernt, auch nur ansatzweise im Sinne anarcho-syndikalistischer Theorie praktische Bedeutung zu erlangen. Das "LIZ" war Stützpunkt der FAU/IAA-Gruppe Hamburg. Es diente zugleich als Kontaktund Vertriebsadre sse der FAU/IAA-Publikation "direkte aktion". Mit der Libertären Jugend hat sich die FAU/IAA eine etwa 20 Personen umfassende. Jugendorganisation geschaffen. Sie wurde während des anarchistischen Hamburger Sommercamps der "AFH" im Juli ins Leben gerufen. Die weniger als 10 Mitglieder umfassende Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten (AG/R) gibt als Kontaktadresse den Buchladen "Schwarzmarkt" im Stadtteil Eimsbüttel an. Sie entstand vorwiegend auf Initiative von Personen aus dem Schul-/ Hochschulbereich, die sich die Zerschlagung des bestehenden Gesellschaftssystems zum Ziel gesetzt haben und eine anarchistische "Rätedemokratie" errichten möchten. Bis 1990 nannten sie sich "Gruppe Junger Anarchisten" (GJA). Zu den Schwerpunkten der AG/R gehörte der "Antifa"-Sektor. Ihre Mitglieder unterstützten das Hambur'ger Bündnis "Keinen Fußbreit den Faschisten!" Die AG/R arbeitete bei der Herausgabe der u.a. von der "AG BWK in und bei der PDS" beeinflußten "Lokalberichte" und "Antifaschistischen Nachrichten" mit. Etwa seit dem Frühjahr 1994 machte die Anarchistische Aktion Hamburg (AAH) öffentlich auf sich aufmerksam. Sie bezeichnet sich selbst als "ehemalige AntifaGruppe". Die Hamburger Gruppe der Anarchist Black Cross (ABC) beteiligt sich an einem etwa seit Oktober 1993 im Aufbau befindlichen anarchistischen Solidaritätsnetz. Es will nach eigenen Angaben u.a. "Antirepressionsarbeit" leisten. Unter der Bezeichnung "wildeat" existieren bundesweit mehrere sozialrevolutionäre Gruppen um die gleichnamige Theoriezeitschrift mit Kontaktadressen in Berlin, Köln, Hamburg, Freiburg und Mannheim. Die nur wenige Personen umfassende Hamburger "wildcat"-Gruppe warb im April u.a. zusammen mit der FAU auf einem Flugblatt unter dem Tenor "Die Zeit der Revolution ist nicht vorbei..." für eine Ver- anstaltung zum Aufstand der "Zapatistas in Chiapas" (Mexiko). Befreundete Aktivisten, die an einer "Solidaritätskarawane" für die Widerstandsbewegung teilgenommen hatten, sollten dabei zu Wort kommen. Mit einem Flugblatt rief "wildcat" auch zu einer Veranstaltung am 10. Juni im "L/Z" zum Thema "Arbeiterinnen in Rußland 'aufder Suche nach dem Glück" auf. Für den 28. November Iuden u.a. "wildcat" und FAU zu einer Diskussionsveranstaltung im "L/Z" über die Perspektiven des "Arbeiterwiderstandes" im ehemaligen Jugoslawien auf. Sozialrevolutionäre artikulieren ihren Widerstand gegen das bestehende Gesellschaftsystem zum Teil in militanten Protesten gegen die sozialen Verhältnisse in der Bundesrepublik. Nach ihrem Verständnis herrscht in Deutschland u.a. eine rassistische und unmenschliche Sozialund Ausländerpolitik zu Lasten sozialer Randgruppen (Ausländer, Arbeitslose, "Jobber", Sozialhilfeempfänger). Das ideologische Selbstverständnis der Sozialrevolutionäre lehnt sich theoretisch auch an das Konzept autonomer "revolutionärer Kerne"der terroristischen "Revolutionären Zellen" (RZ) an. Bis 1990 betrieben Sozialrevolutionäre in Hamburg in den Stadtteilen Dulsberg und St. Pauli sog. "Jobberläden". Überregional verständigten sich Sozialrevolutionäre ua. auf Bundeskongressen der "Erwerbslosenund Jobberinitiativen". Auf dem Bundeskongreß im April 1990 in Sprockhövel definierten sie als Ziel, eine "multinationale, antikapitalistische Vernetzung sozialrevolutionärer Gruppen" aufzubauen. 'Auf dieser Linie engagierten sich Hamburger Sozialrevolutionäre 1995 u.a. als Organisatoren eines europaweiten Kongresses in Hamburg. Die vom 5.8. Oktober in der Hamburger Universität stattgefundene Veranstaltung mit etwa 70 Teilnehmern war als "Europäischer Kulturkongreß gegen Massenarbeitslosigkeit und Armut" deklariert. Als Träger fungierte das sog. europäische Netzwerk "ITACA - für eine Welt ohneArmut und Arbeitslosigkeit". Sozialrevolutionäre operieren u.a. mit dem Symbol einer "Schwarzen Katze", di sich auch in der Namensgebung der bundesweit 17 "Wildcat"-Gruppen wiederfindet. Föderation gewaltfreier Aktionsgruppen (FÖGA): Die bundesweit mehrere Hundert Mitglieder und nahestehende Personen ohne Mitgliederstatus umfassende FÖGA (Hamburg: etwa 10 Personen) versteht sich als bundesweite Klammer der anarchistischen, basisdemokratischen "Graswurzelbewegung". Über sie vollzieht sich die überregionale Koordinierung, Vernetzung und Vertretung von Personen, die in "Gewalt'freien Aktionsgruppen", der Gruppe "Kollektiver Gewaltfreier Widerstand" (KGW) und "Trainingskollektiven" (TK) zur Einübung "zivilen Ungehorsams" bzw. gewaltfreier Widerstandsformen (Blockaden u.ä.) aktiv sind. Angegliederte Einrichtungen sind die "Graswurzelwerkstatt" in Köln als Koordinationsstelle und der "Verlag Graswurzelrevolution e.V."in Heidelberg. Informationsträger der FÖGA ist die Zeitschrift 195 "graswurzelrevolution". Die FÖGA ist Mitglied der "War Resisters International" (London). "Graswurzelrevolution" bezeichnet nach dem Selbsverständnis ihrer Träger eine tiefgreifende gesellschaftliche Umwälzung, in der durch Macht von unten alle Formen von Gewalt und Herrschaft abgeschafft werden sollen. Gewaltfreiheit wird von "Graswurzlern" vielfach nicht im eigentlichen Sinne des Wortes ausgelegt, sondem umgedeutet: Gewalt gegen Sachen wäre danach "gewalifreier" und "legitimer Widerstand", weil "Sachen" keine Gewalt empfinden können. Gewaltfreiheit bezieht sich für sie nur auf die Nichtanwendung körperverletzender Gewalt. Insbesondere in der Antikernkraftbewegung der 80er Jahre (gegen Strommasten und "Atomstrom") wurden durch sog. "gewaltfreie"Sabotage zumeist unbekannt gebliebener Tätergruppen hohe Sachschäden verursacht. Im Zuge der 1994 und 1995 von militanten Kernkraftgegnern entwickelten Kampagne gegen Castor-Transporte kehrten solche Aktionsformen z.B. mit Sabotageaktionen zu diesen Vorbildern zurück: So bei der Zerstörung eines Verladekranes in Dannenberg (August) und mit der Beschädigung von Gleisund Signalanlagen sowie elektrischen Eisenbahn-Oberleitungen an verschiedenen Stellen. Beabsichtigte öffentlich angekündigte Schienendemontagen wurden als Aktion "zivilen Ungehorsams" verharmlost ((r) siche 2.4.6). Personen, die der FÖGA zugerechnet werden, beteiligten sich in Hamburg an dem im Juli stattgefundenen "Anarchistischen Sommercamp" an der Oberelbe im Stadtteil Ochsenwerder. 2.4.4 Reaktionen auf Exekutivmaßnahmen der Generalbundesanwaltschaft 2.4.4.1 Solidaritätskampagne bundesweit und in Hamburg Im Rahmen exekutiver Maßnahmen des Generalbundesanwaltes am 13. Juni wurden insgesamt 55 Objekte in Berlin, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein durch die zuständigen Landeskriminalämter und durch das Bundeskriminalamt durchsucht. In 17 Fällen richteten sich die Ermittlungen gegen Verdachtspersonen im Zusammenhang mit der terroristischen Vereinigung "Antiimperialistische Zelle" (AIZ), in 4 Fällen gegen Mitglieder der terroristischen Vereinigung "Das K.O.M.I.T.E.E." und in 33 Fällen gegen Verantwortliche der Untergrundzeitschrift "radikal". Ein weiteres Objekt wurde im Zuge von Ermittlungen gegen "radikal" und die "Rote Armee Fraktion" (RAF) durchsucht. al" In den meisten Fällen stützte sich die Durchsuchungsanordnung auf $ 102 der Strafprozeßordnung und diente dem Auffinden und Sicherstellen von Beweismitteln. Vier Haftbefehle gegen mutmaßliche Herausgeber der Zeitschrift "radikal" wurden vollstreckt. Vier weitere mit Haftbefehlen gesuchte mutmaßliche Angehörige der "radikal" sind vor ihrer Verhaftung untergetaucht. vuoszra3 285 In Hamburg durchsuchte die Polizei elf Objekte wegen Verdachts der Mitgliedschaft/ Unterstützung einer kriminellen/terroristischen Vereinigung gemäß $$ 129/129a StGB. Davon betrafen 4 Fälle den Komplex "radikal", sieben den Komplex "AIZ". Bei der Zeitschrift "radikal" handelt es sich um eine seit 1984 im Untergrund hergestellte Druckschrift des linksterroristischen und des autonomen Spektrums, in der nahezu regelmäßig auch strafbare Inhalte veröffentlicht werden. Das Blatt dient der Agitation, der Selbstdarstellung von Gruppen dieses Spektrums sowie als publizistisches Forum für szeneinterne Debatten und sonstige Kommunikation. Die Vereinigung "Das K.O.M.I.T.E.E." hatte am 27.10.94 einen Anschlag auf die "wuUTe Bundeswehrkaserne in Bad Freienwalde/Brandenburg u.a. mit der Begründung verübt, die Bundeswehr unterstütze den Krieg der türkischen Regierung gegen die PKK und die kurdische Bevölkerung. "Das K.O.M.I.T.E.E." hatte im April geplant, die Abschiebehaftanstalt in Grünau bei Berlin zu sprengen. Weil die Polizei zwei Autos mit gefälschten Kennzeichen, davon ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug, vorher entdeckt hatte, wurde der Anschlag verhindert. Nach den Durchsuchungsmaßnahmen solidarisierten sich bundesweit Linksextremisten - vorwiegend aus der autonomen und anarchistischen Szene bis hin zum terroristischen Umfeld - mit den betroffenen Personen und Gruppen. Sie wurden in Hamburg insbesondere von jugendlichen Aktivisten, zum Teil Schülern und Studenten, unterstützt. Beweislagen und den strafrechtlichen Gehalt der Tatgegenstände weitgehend ignorierend beklagten die Solidarisierer das Vorgehen der Bundesanwaltschaft global als "Angriff auf linke Strukturen". Tatverdachte wurden als "staatliche Konstrukte" abgetan, unbequeme Fragen nach der Wahrheit bzw. Schuld oder Unschuld Betroffener verdrängt. Lediglich um die Bewertung der terroristischen "Antiimperialistischen Zelle" (AIZ) wurde gestritten. In Hamburg versammelten sich einen Tag nach den Durchsuchungen spontan etwa 200 Angehörige der autonomen/anarchistischen Szene im Zentrum "Rote Flora" und empörten sich über die Exekutivmaßnahmen. Da die Hamburger Polizei in der Umgebung des Veranstaltungsortes vorsorglich starke Einsatzkräfte bereitgehalten hatte, verzichteten die Teilnehmer auf eine angedachte "Spontandemonstration". Statt dessenrief ein "Soli-Plenum Hamburg" zu einer angemeldeten Demonstration am 16. Juni unter dem Motto "Anschlag auf linke Strukturen - Zu den Durchsuchungen und Festnahmen am 13. Juni" auf. Die etwa 600 Teilnehmer - rund 100 Ver197 mummite - propagierten auf Transparenten in Anspielung auf relevante Paragraphen des Strafgesetzbuches ($129: Bildung krimineller Vereinigungen, $ 129a: Bildung terroristischer Vereinigungen) u.a. die Parole "Kein 129, 129a wird uns übertönen - sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen". Bei gewalttätigen Auseinandersetzungen attackierten etwa 50 aus der "Roten Flora" kommende vermummte Personen Polizeibeamte mit Steinen und Knallkörpern. 29 Personen wurden festgenommen. Zahlreiche militante Demonstranten waren zwischen 17 und 25 Jahren alt. Ebenso wie Rechtsextremisten bedienen sich auch Linksextremisten moderner elektronischer Kommunikationsmittel. Um den Austausch und Informationsfluß zwischen linken Gruppen mittels Datenfernübertragung (hauptsächlich über Mailboxen) zu verbessern, hatte sich 1994 die Vernetzungsinitiative "Infogruppe Hamburg" (IFGHH) gegründet, sich zugleich aber zur Aufgabe gemacht, die "herrschenden Verhältnisse umzustürzen und alle Ideologien, die diese stützen, anzugreifen". Mit Informationen über die Mailboxsysteme "ComLink" und "SpinnenNetz" unterstützte die IFGHH nach dem 13. Juni die Mobilisierung einer Widerstandsfront. An der in der "Roten Flora" angesiedelten Hamburger "Soligruppe" beteiligten sich hauptsächlich von den Exekutivmaßnahmen betroffene Personen und Angehörige aus autonomen und antifaschistischen Gruppenzusammenhängen. Sie kooperierten mit 'dem gleichartigen "Soli-Plenum" Schleswig-Holstein. Über das Für und Wider einer Solidarisierung mit der terroristischen "Antiimperialistischen Zelle" (AIZ) wurde zwischen AIZ-Unterstützern und AIZ-Distanzierern kontrovers debattiert. Die Unterstützerseite argumentierte mit Appellen an das Lagerbewußtsein der "radikalen Linken": Hauptaspekt der Exekutivmaßnahmen sei der damit beabsichtigte "Schlag gegen linke Strukturen", quasi stellvertretend für die gesamte "linke" Bewegung. Die AIZ beanspruche daher zu Recht die ungeteilte Solidarität aller "Linken". AIZ-Distanzierer beriefen sich aufdie weitgehende Ablehnung der AIZ in der übrigen Linken. Sie hielten Solidarität wegen tiefgehender Vorbehalte (2 siehe 2.3.2.2 AIZ) für ungerechtfertigt. Einzelne Solidaritätsverweigerer wollten. der AIZ wegen ihrer Bündnisoption gegenüber islamischen Fundamentalisten sogar generell den Status einer linken politischen Institution aberkennen. Letztlich einigten sich die regionalen Soligruppen auf eine Pro-AIZ-Linie, um die personenbezogene Solidarität zugunsten der Betroffenen im AIZ-Komplex nicht durch eine abgehobene Grundsatzdiskussion über die AIZ zu gefährden. Damit sollte auch vermieden werden, die Betroffenen selbst während der AIZ-Ermittlungsverfahren generell unter Distanzierungsdruck zu setzen. Die Hamburger "Soligruppe" veranstaltete am 06. September eine Podiumsdiskussion in der "Roten Flora" unter dem Motto "Gemeint sind wir alle!?" mit etwa 200. 198 Teilnehmern. Das Podium war in erster Linie mit Hamburger Betroffenen der Durch'suchungsmaßnahmen besetzt. DieVeranstalterunterstrichen ihre Pro-AIZ-Position. Wochenlang veranstalteten Solidaritätsgruppen regelmäßig Kundgebungen vor den Haftanstalten, in denenihre Klienteleinsaß.Einerseitssolltendie Aktionen dem staatlichen "Repressionsapparat" einen geschlossenen "linken Widerstand" signalisieren, andererseits den Betroffenen Mut machen. Die "Rote Hilfe" Kielrief für den 2. Juli zu einer Demonstration vor den Justizvollzugsanstalten in Bruchsal, Karlsruhe, Heimsheim und Rastatt auf, wo zu diesem Zeitpunkt Inhaftierte des "radikal"-Verfahrens einsaßen. Aus Hamburg reisten Personen u.a. nach Rastatt. Zwei im Zusammenhang mit dem "radikaf'-Verfahren Inhaftierte wurden später nach Neumünster bzw. Lübeck verlegt. Daraufhin rückten Hamburger Teilnehmer auch dort im Juli und August mehrfach zu "Knastkundgebungen" vor den Justizvollzugsanstalten an. Die weiteren monatlichen Kundgebungen im letzten Quartal bestritten jeweils nur unter hundert Demonstranten. Außergewöhnlichen Zuspruch fand die Kundgebung am 2. Dezember in Lübeck, zuderetwa 400 Szeneangehörige mobilisiert werden konnten. Im Oktobertratendie bundesweitenSoligruppen mit zwei Publikationen andieÖffentlichkeit. In Hamburg erschien die Broschüre "Gemeint sind wir alle!?" Darin beschrieben die Soligruppen aus Hamburg und Schleswig-Holstein das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden aus linksextremistischer Sicht. Ebenfalls im Oktober erschien die "Nullnummer" einer bundesweiten "Soli-Zeitung" unter dem Titel "Radikale Zeiten", die sich u.a. zum Ziel setzte, den Handlungsspielraum der staatlichen "Verfolgungsbehörden einzugrenzen". Neben der Information und Mobilisierung von Szeneangehörigen soll die sogenannte "linksliberale" Öffentlichkeit sensibilisiert s onTrin r werden. Das Blatt erscheint unter führender Beteiligung von Linksextremisten aus Hamburg und Schleswig-Holstein. Der Titel demonstriert einerseits Nähe zur Untergrundzeitung "radikal", soll zugleich aber auch die These einer angeblich zunehmenden staatlichen Repression gegen "Links" ausdrücken. Erwartungsgemäß überwogen in diesen und anderen Propagandaaktionen Rechtfertigungen und Verharmlosungen von Straftaten und Tatverdächtigen sowie Darstellungen, in denen das Han'deln von Ermittlungsund Strafverfolgungsbehörden als staatliche Willkür zur Ausschaltung unbequemer politischer Gegner - quasi nur "kritischer Demokraten" - hingestellt wurde. Eine Zuspitzung der Kampagne kündigte sich durch die in Hamburg veranstaltete "Soli-Woche gegen die Verfahren wegen Radikal, K.O.M.I.T.E.E, AIZ und RAF" vom 24. November bis 3. Dezember an. In diversen Szenetreffpunkten fanden Ausstellungen, Filmvorführungen, Informationsveranstaltungen, Diskussionen und Parties statt. Neben politischen Diskussionen wurden Spenden gesammelt, um die Inhaftierten in ihren Strafprozessen finanziell zu unterstützen. Gleichzeitig wurde die Sze'ne aufeinen neuen Höhepunkt - die bundesweite Demonstration am 16. Dezember in 'Hamburg - eingestimmt ((r) siehe 2.4.4.2). 19 Im November wurde die zweiteilige etwa 100 Seiten umfassende 153. Ausgabeder Zeitschrift "radikal" - wiederum aus dem Untergrund heraus - veröffentlicht. Die Herausgeber konnten damit beweisen, daß mit den Exekutivmaßnahmen vom 13. Juni lediglich ein Teil ihrer "klandestinen" (heimlichen) Gesamtstruktur getroffen worden war. Die linksextremistische Protestwelle nach den Exekutivmaßnahmen kam nicht überraschend. Hinsichtlich der AIZ blieb die Solidaritätsfront allerdings anhaltend gespalten. Auf ein bemerkenswertes Echo stieß die Kampagne bei jüngeren Hamburger Autonomen und Anarchisten. Das Thema wurde zu einem willkommenen Identifikationspunkt der Szene. Einen Hinweis auf das dahinter stehende Selbstverständnis gaben "einige radikal-Gruppen" mit einer Stellungnahme im autonomen Szeneblatt "Interim" Nr. 339 vom 6. Juli. Darin wurde die Anerkennung des staatlichen Gewaltmonopols ausdrücklich abgelehnt und sog. "Gegenmacht" propagiert. Diese Zielrichtung schließe notwendigerweise militante und bewaffnete Interventionen ein. 2.4.4.2 Bundesweite Protestdemonstration in Hamburg Der 13. Dezember wäre Haftprüfungstermin für vier im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen die Untergrundzeitschrift "radikal" inhaftierte Personen aus Lübeck, Neumünster, Münster und Berlin gewesen. Die Betroffenen waren aber schon vorher am 5. und 6. Dezember gegen Kaution freigelassen worden, weil Verdunkelungsgefahr nicht mehr angenommen wurde. Mobilisierungen zu einer machtvollen bundesweiten Demonstration waren eigentlich als Druckmittel gegen die Justizbzw. Strafverfolgungsbehörden zur Beeinflussung der Haftüberprüfungsverfahren gedacht. Die vorzeitige Haftentlassung der vier Beschuldigten hatte allerdings kaum Rückwirkungen auf den Fortgang der Mobilisierungskampagne. Die bundesweit installierten Solidaritätsstrukturen waren sich darin einig, aus einer Art Trotzhaltung heraus unverdrossen für eine Unterstützung der Hamburger Demonstration weiterzuwerben. Da die inzwischen freigelassenen Häftlinge aus verschiedenen Bundesländern stammen und auch die untergetauchten Angehörigen der "radikal"-Struktur unter Linksextremisten bundesweit Sympathien genießen, hatte sich die regionale Solidaritätsarbeit schnell auf ganz Deutschland ausgeweitet. Sie hatte den Nebeneffekt, daß sich unterschiedliche linksextremistische Zusammenhänge miteinander vernetzten. Schon von daher schien es den Veranstaltern von vornherein geboten, die Demonstration bundesweit anzulegen. Hamburg war ohnehin Austragungsort des 2. bundesweiten Solidaritätstreffens gewesen, hatte sich zusammen mit der Solidaritätsbewegung in Schleswig-Hostein durch intensive Daueraktivitäten seit dem Sommer als Vorbild für 200 I andere in Szene gesetzt und somiteine gewisse Leitfunktion. Die Wahl Hamburgs als 'Ort einer zentralen Protestmanifestation lag daher nahe. 'An den Vorbereitungen in Hamburg für den 16. Dezember waren drei Vorbereitungsgruppen beteiligt, die für die gesamte Organisation der Demonstration verantwortlich waren. Sie rekrutierten sich aus unterschiedlichen schon in der vorangegangenen "Soli"-Kampagne aktiven linksextremistischen Hamburger Gruppen und Personenzusammenhängen, insbesondere auch aus der Antifa-Szene. Als Anmelder im Sinne des Versammlunggesetzes stellte sich der Landesgeschäftsführer der PDS-Hamburg zur Verfügung. Das sogenannte "Autonome Blockplenum" war für die Organisierung eines autonomen Demonstrantenblocks zuständig. Es traf sich mehrfach in der inzwischen durch ein Großfeuer zerstörten "Roten Flora". Mit drei Flugblättem warb es um Demonstrationsteilnehmer, wobei die Verfasser einen militanten Verlauf nicht ausschließen wollten. Auch aus anderen interessierten Gruppenzusammenhängen waren von Anfang an im Kontrast zu besonneneren Stimmen deutliche Neigungen zur Gewaltbereitschaft zu vernehmen, die auch überregional - z.B. in Richtung der Berliner Szene - reflektiert wurden. Von Anfang an hatten sich die Organisatoren eine Massenmobilisierung mit möglichst vielen Angehörigen der linksextremistischen Szene vorgenommen. Diversen Gruppen und Zusammenhängen wurde die Teilnahme mit dem Angebot schmackhaft gemacht, unter dem weitgefaßten Generalthema "Kriminalisierung linker Strukturen" auch ihre gruppenspezifischen Anliegen darstellen zu dürfen. Als Konsequenz daraus entschlossen sich unterschiedliche Gruppen, themenbezogene Demonstrationsblöcke zu bilden, die sich zu einer Gesamtdemonstration zusammenfügen sollten. Flankierende Vorbereitungstreffen fanden in anderen Städten, u.a. in Berlin und Bremen, statt, Ziel der Veranstalter war es, möglichst weit in den Hamburger Innenstadtbereich vorzudringen, um so im vorweihnachtlich belebten Einkaufsgetriebe auf ein möglichst breites Publikum zu treffen. Der am Tag der Demonstration anstehende verkaufsoffene Sonnabend und die zahlreichen Weihnachtsmärkte veranlaßten die Polizei, den Veranstaltern Auflagen zur Demonstrationsroute zu erteilen. So wurde der Innenstadtbereich ausgeklammert und ein Marschverlauf über den Gänsemarkt und den Jungfernstieg untersagt. Als Ersatz wurde eine von den Veranstaltern abgelehnte Alternativroute angeboten, die von der Moorweide über das Kriegerdenkmal am Dammtorbahnhof zum Gänsemarkt führte, von dort über den Valentinskamp am Hochhaus des Axel Springer-Verlages vorbei zum Untersuchungsgefängnis Holstenglacis. Die Schlußkundgebung sollte vor der "Roten Flora" stattfinden. Bis zuletzt kämpften die Veranstalter vergeblich um eine gerichtliche Entscheidung zugunsten ihrer Routenplanung durch die Innenstadt. Zugleich berieten sie über eige- ne "Alternativkonzepte". Auch in diese, prinzipiell auf einen friedlichen Verlauf ausgerichtete breite Diskussion mischten sich immer wieder Stimmen, die latente Gewaltbereitschaft erkennen ließen. Die Veranstalter verzichteten offenbar auch darauf, die Demonstrationsteilnehmer verbindlich auf Gewaltfreiheit festzulegen. Den Teilnehmern blieb es weitgehend selbst überlassen, diese Frage jeweils für sich zu beantworten. Erfahrungsgemäß machen manche militanzgeneigten auswärtigen Linksextremisten weite Anreisen davon abhängig, ob nur eine "Latschdemo" (Szenejargon) angesagt ist, oder auch Gelegenheit besteht, gegen "Angriffe" des Staates eine "Vielfalt des Widerstandesauf die Straße zu tragen". Szeneintern wird diese Umschreibung als "nicht unbedingt nur mit friedlichen Aktionsformen" verstanden. Unter diesen Vorzeichen versammelten sich am 16. Dezember etwa 4.700 Teilnehmer zur Einleitungskundgebung an der Moorweide, erheblich mehr, als die Veranstalter und die Polizei erwartet hatten. Die meisten gehörten zum militanten autonomen und anarchistischen Spektrum, viele waren vermummt. Auch die orthodox-kommunistische DKP war vertreten. Auswärtige Teilnehmer kamen u.a. aus Berlin, Freiburg, Nürnberg, Passau, München, Frankfur/M., den neuen Bundesländern und den Niederlanden. Die Redner, darunter ein selbst betroffener mutmaßlicher Angehöriger der "radikal", sprachen zum Thema "Politische Gefangene" und zu den Exekutivmaßnahmen vom 13. Juni. Sie forderten die Abschaffung der $$ 129 (Bildung krimineller Vereinigungen) und 129a (Bildung terroristischer Vereinigungen) des Strafgesetzbu'ches sowie die Freilassung aller angeblichen "politischen Gefangenen". An der Spitze des Umzuges marschierten die sogenannten "Soli"-Gruppen, die vom "Schwarzen Block" eingerahmt wurden - einem erfahrungsgemäß harten Kern militanzgeneigter Linksextremisten. Es folgte der "Städteblock" auswärtiger Teilnehmer und ein unstrukturierter Block sonstiger Personen, der sich mit dem "Anti-AKWBlock" mischte. Es schlossen sich etwa 300 Teilnehmerinnen an, die sich als "Frauen und Lesben"-Block bezeichneten. Den anschließenden, in der Szene-Terminologie "Internationalismusblock" genannten Teil bildeten türkische und kurdische Linksextremisten, die mit etwa 600 Personen relativ stark vertreten waren. Am Schluß hatten sich mit insgesamt etwa 800 Demonstranten der sogenannte "Jugendblock" und der "Antifa-Block" eingereiht. Aus dem Zug heraus wurden Böller und Leuchtkugeln abgefeuert, vereinzelt Steine und Glaskugeln gegen Polizeibeamte und Objekte geworfen. Mehrere parkende Kraftfahrzeuge wurden beschädigt. Ein an der Marschspitze gezeigtes Transparent sollte der Bevölkerung und dem Staat mit der programmatischen Aussage "Linksradikal ins nächste Jahrtausend" signalisieren, daß die Demonstranten langfristige revolutionäre Perspektiven verfolgen. Hinzu kamen Parolen mit konkreten Erläuterungen: "Power durch die Mauer bis sie bricht", "Bunt und radikal gegen den Atomstaat" sowie "BRD und NATO raus aus Jugoslawien" und "Jetzt und hier - aufder Flucht aus dem Exil in den legalen Widerstand", Andere Stoßrichtungen wurden mit Parolen wie "Weg mit dem PKK-Verbot", "Widerstand organisieren - radikal handeln" angezeigt. Im internationalen Block wurden Fahnen des militärischen Arms der PKK "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) und Transparente der linksextremistischen türkischen "Revolutinären Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) - des sog. "Karatas"-Flügels der in Deutschland verbotenen revolutionär-marxistischen "Devrimci Sol" - gezeigt. Am Gänsemarkt forderte die Demonstrationsleitung ohne Erfolg von der Polizei, den Zutritt zum Jungfernstieg und in die Innenstadt freizugeben. Auf dem Weg zum Untersuchungsgefängnis/Holstenglacis wurde der geplante Vorbeimarsch am SpringerHochhaus ausgelassen. Vor der Haftanstalt bekundeten Redner ihre Sympathien u.a. mit Häftlingen der antiimperialistischen Gruppen und der terroristischen RAF. Am Neuen Pferdemarkt wurde der Aufzug für beendet erklärt und löste sich auf. Während des Aufzuges hatten die Veranstalter mehrfach den "politischen" Charakter der Aktion und friedliche Absichten bekundet. Diverse Teilnehmer vollführten in mehreren dezentralen Kleingruppen Anschlußaktionen. In Höhe Schanzenstraße/Lagerstraße wurden Barrikaden errichtet, Scheiben eingeworfen (u.a. einer Buchhandlung am Neuen Wall) und Müllcontainer in Brand gesteckt. Insbesondere für auswärtige Teilnehmer war mit dem "Alternativkonzept" für den Fall eines Demonstrationsverbotes ein Großausschnitt des Hamburger Stadtplanes vervielfältigt worden. Darin wurde unter Angabe von Treffpunkten auf Einkaufspassagen und eingezeichnete Kaufhausstandorte hingewiesen und dazu aufgefordert, "möglichst unauffällig gekleidet" zu erscheinen. Im Vorfeld der Demonstration hatten einzelne Akteure erhöhte Lust zur "Besichtigung" z.B. von "Porzellanabteilungen" erkennen lassen. Trotz umfangreicher weiträumiger polizeilicher Vorkehrungen stießen mehrere Hundert Demonstranten in die Innenstadt vor. Sie sammelten sich an den verabredeten Treffpunkten Mönckebergbrunnen, Kaufhaus Brinkmann/Spitaler Straße, UFAKino/Gänsemarkt und Alsterhaus/Jungfernstieg. Einige verteilten Flugblätter und skandierten Parolen wie "Lebt undlest radikal" und "Hoch die internationale Solidarität", Beim Versuch, in Kaufhäuser einzudringen, wurden insgesamt 96 Personen in Gewahrsam genommen und erst am Abend freigelassen. Vier Personen wurden vorläufig festgenommen und nach erkennungsdienstlicher Behandlung entlassen. Unter den 100 festgenommenen bzw. in Gewahrsam genommenen Personen befanden sich auffallend viele Auswärtige und Jüngere. Im Verlauf der gesamten Aktionen wurden ein Demonstrant, ein Polizist und zwei Passanten leicht verletzt. Ein fälschlich als Polizist in Zivil verdächtigter Passant war von Demonstranten verprügelt und seiner 'Ausweispapiere beraubt worden. Am Abend hielten sich etwa 500 Personen noch in der Ruine des autonomen Zentrums "Rote Flora" auf, deren weitere Aktionsbereitschaft offensichtlich unter den Wirkungen des strengen Frostes litt. Den Initiatoren der Hamburger Großdemonstra203 tion war es u.a. darauf angekommen, über die "Solidaritäts"-Thematik Identifikationsund Vereinheitlichungseffekte unter den bundesweit vielfältigen und inhaltlich zum Teil deutlich differierenden linksextremistischen Gruppenzusammenhängen herbeizuführen. In ihren Nachbetrachtungen zeigte sich die linksextremistische Szene daher nicht nur über Verlaufund Ergebnisse der Demonstration überwiegend zufrie'den,sondernauchwegen des - eigene Erwartungen übertreffenden - Mobilisierungserfolges. 2.4.5 Protest und Widerstand gegen Stadtteilentwicklung Solange es Autonome gibt, haben sie sich stets gegen Veränderungen gewehrt, die sich - nach ihrem Verständnis - gegen "ihre" Lebensräume richteten. Neue stadtplanerische Akzente, z.B. Nutzungsverdichtungen in gewachsenen Stadtvierteln durch Baulückenschließungen, Aufstockungen, teilweise aber auch Sanierungen und Modernisierungen, treffen den "Nerv" Autonomer, wenn dadurch der Charakter der Viertel unerwünscht verändert wird. Da Autonome sich nach ihrem Verständnis in ihren Schwerpunktvierteln quasi auf "eigenem" Territorium befinden, werden Bauherren, Politikern und staatlichen Stellen Eingriffsbefugnisse weitgehend abgesprochen, Konflikte mit Immobilienbesitzern, vorrangig aber mit dem sog. "Gewaltapparat" des Staates, sind nahezu vorprogrammiert. Standardformen des "Stadtteilwiderstandes" sind Hausbesetzungen, demonstrative oder gewaltsame Störaktionen, Barrikadenbau, Sachbeschädigungen und Nötigungen. Besetzungsaktionen: Die Besetzung eines leerstehenden Gebäudes ist für gewaltbereite Linksextremisten überwiegend eine "politische Aktion". Zunächst wollen sie signalisieren, daß sie in ihren Szenevierteln keine "Kommerzialisierung", "Miethaie" bzw. "Immobilienspekulanten" dulden. Daneben sind - auch kurzzeitige - "Inbesitznahmen" Machtdemonstrationen, die etwaige Zweifel an ihrem Durchsetzungswillen zerstreuen sollen. In Hamburg waren leerstehende Gebäude der ehemaligen Gewürzfabrik "Hermann Laue" im Schanzenviertel erneut Mittelpunkt von Auseinandersetzungen linksextremistisch motivierter Hausbesetzer mit der Polizei. Gleich mehrere Gruppen hatten in den letzten Jahren Ansprücheauf das Objekt erhoben und sich mit zahlreichen Besetzungsaktionen Aufmerksamkeit verschafft. Die im "Szeneviertel" gelegene ehemalige Gewürzfabrik Laue ist in den Augen der "Häuserkämpfer" ein Paradebeispiel, wie Eigentümer auf Kosten Wohnungssuchender von spekulativen Leerständen zu profitieren versuchen. Zudem sollen im "eigenen" Viertel Umstrukturierungen durch "Yuppie"-Läden und Mietenexplosionen infolge frei finanzierten Wohnungsbaus gleichsam über eine "alternative Veränderungssperre" abgewehrt werden. Ansonsten entstünden im Viertel "Fremdkörper", denen schließlich "Kapitalismus in Reinkultur" folge. Mit dem "Klassenfeind" und dessen höherer Kaufkraft in hautnaher Nachbarschaft würde auch "Vertreibungs204 druck" z.B. durch steigende Mieten und Lebenshaltungskosten einziehen. Sozial Schwächere - als solcheverstehen sich auch die Szeneangehörigen - würden schließlich in "Wohnklos" am Stadtrand abgeschoben. Attraktive Wohnlagen im Innenstadtbereich blieben nur Eindringlingen der besserverdienenden "Klasse" vorbehalten. 'Seit etwa zwei Jahren hat sich das Bündnis "Nimm 2" um Räume im leerstehenden 'ehemaligen Laue-Komplex bemüht und sich zunächst mit kurzzeitigen, eher symbolischen Besetzungsaktionen bemerkbar gemacht. 1995 erreichte das Bündnis auf dem Verhandlungsweg, daß ihm im Zuge eines städtebaulichen Vertrages Räume auf dem Laue-Areal zugesichert wurden. Mit gleichem Vertrag bahnte sich für eine weitere Besetzergruppe eine Lösung an. Nachdem bekannt geworden war, daß Jugendliche aus der autonomen/anarchistischen Szene das Gebäude Sternstraße 107 zu Wohnzwecken besetzt hatten, wurde der Besetzungszustand mit einer polizeilichen Räumungsaktion Anfang Februar beendet. Dabei wurden 21 Personen in Gewahrsam genommen, nachdem u.a. Polizeibeamte mit Leuchtspurmunition beschossen worden waren. Die Polizei stellte u.a. Waffen und pyrotechnische Gegenstände sicher. Nach diesem, von ihr als konkrete "staatliche Intervention" erlebten Ereignis, verstand die Gruppe ihre Wiederbesetzung als "politische Aktion", In einem Flugblatt agitierte sie in agressiver Schärfe gegen Staat und Eigentümer. Den Abriß des Gebäudes konnte sie jedoch nicht verhindern. Die Investoren des Laue-Komplexes kamen den ehemaligen Besetzern entgegen, indem sie ihnen übergangsweise Ersatzwohnraum an anderer Stelle des Areals zur Verfügung stellten. Zu heftigen Auseindersetzungen zwischen "Hausbesetzern" und der Polizei kam es am 1. Mai. Zunächst etwa 30, später bis zu 150 Jugendliche, drangen in ein WohngebäudedesLaue-Komplexes in der Kampstraße ein. In der näheren Umgebungerrichteten sie Barrikaden aus Toilettenhäuschen, Holzbalken, Absperrgittern etc. und setzten sie teilweise in Brand. Später demolierten einige Gewalttäter Autos, zerstörten Schaufensterscheiben und warfen "Molotoweocktails". Dabei wurden - offenbar gezielt - auch Fleischergeschäfte geschädigt. Unter Linksextremisten, insbesondere in autonomen/anarchistischen Kreisen, verfestigte sich in den letzten Jahren auch in Hamburg zunehmend eine über sensiblen Tierschutz weit hinausgehende radikale Tierrechtsideologie, deren Träger teilweise militant agieren. Schon öfter waren Bezugsobjekte, wie z.B. der Schlachthof, das Ziel von Sachbeschädigungen. Indenfrühen Morgenstunden des 2. Mai eskaliertedieam VortagbegonneneAktion in eine Richtung, die keinerlei realen Bezug zur Wohnraumproblematik mehr erkennen ließ, Vermummte drangen in die "Hamburger Bank von 1861" in der Schanzenstraße ein und richteten dort Verwüstungen in einer Schadenshöhe von mehreren hunderttausend Mark an. Als die Polizei gegen die Barrikaden vorzugehen versuchte, wurden anrückende Beamte mit einem massiven Steinhagel eingedeckt. 15 Polizisten wurden leicht verletzt, 9 Fahrzeuge und ein Wasserwerfer beschädigt. Die Randalierer ten entkommen. Der angerichtete Gesamtschaden dieser Besetzungsund tion wurde auf etwa 2 Millionen DM geschätzt. Das Täterspektrum rekrutierte erkennbar vorwiegend aus jungenbetont aktionistisch veranlagten - Autonomen, zum Teil überhaupt nicht im Viertel selbst ansässig, sondern von den Stadtränden her angereist waren. Am9. Juni hatte einähnlichstrukturierterundmotivierter PersonenkreisoffenbareineweitereBesetzungsaktion beabsichtigt. Angesichts starker Polizeipräsenzdisponierten die Akteureumundbeschränktensichaufeine unangemeldeteDemonstrationdurchdasViertel. Mehrere Besetzungsaktionen im Herbst verliefen überwiegend friedlich. Am 16, September besetzten einige Autonome - zeitgleich zu einem im Viertel stattfindenden Straßenfest - Wohnungen in der Kampstraße 5 und 6 sowie eine ehemalige Kneipe. In dem Lokal richteten die Besetzer ein "Autonomes Info-Cafe" ein. Der Besetzungszustand endete abrupt, als Baumaschinen einige Tage später das Lokal abrissen. In einem Flugblatt der Besetzerguppe wurde deutlich, daß auch hier das bereits bekannte jugendliche Täterspektrum aktiv geworden war, das u.a. im Umfeld des anarchistischen "Libertären Zentrums" ((r) siehe 2.4.3) zu orten ist. Einige Tagespäter startetenetwa 30 Personeneinen erneutenBesetzungsversuch im LaueKomplex. Diese Aktion eines sog. "Autonomen Kommandos The hole nine yards" wurde durch entschlossenes Eingreifen von Polizeikräften noch am gleichen Tag beendet. Obwohl die Täter sich mit Flüssigkeitsbehältern, Farbwurfgeschossen, Werkzeugen und sonstigen Wurfgeschossen eingedeckt hatten, kam es zu keinerlei militantem Widerstand. Nur kurz dauerte auch eine Besetzungsaktion am 25. August in der Nähe des LaueKomplexes. Etwa 30 Autonome drangen in das Haus Budapesterstraße 8 ein. In einem Flugblatt machten die Besetzer deutlich, daß sie einen geplanten Abriß des Gebäudes sowie die "Luxussanierung" des Millerntors verhindern wollten. Die von einer Gruppe "Karotte" veranstaltete Aktion hatte eher Happeningcharakter und verlief weitgehend friedlich. Protestaktionen und Sachbeschädigungen: Als vor einigen Jahren das Bauvorhaben "Einkaufszentrum Ottensen" (heute: "Mercado") bekannt wurde, war dieses der Auftakt zu einer jahrelangen Widerstandskampagne gegen das Projekt. Die sog. "Hertie-Ini", in der vorwiegend Linksextremisten die Richtung bestimmten, wandte sich gegen den - im Szenejargon - "Konsumtempel". Kleinere Sachbeschädigungen an der Baustelle signalisierten schon bald, daß sich hier nicht nur Bürgerproteste artikulierten. Demonstrative Aktionen summierten sich bereits, bevor überhaupt der erste Spatenstich gemacht war. Nach Baubeginn flaute der Widerstand zunächst ab. Anfang Oktober, zur Eröffnung des "Mercado", flackerten die Proteste noch einmal 206 auf. Mit einem Flugblatt unter dem Motto "Tag Min Ottensen" erhofften sich Initiativen eine "breite" Mobilisierung zu Gegenaktionen, indem sie einmal vor angeblich drohenden Umstrukturierungsfolgen für das ganze Otten'ser Viertel warnten. In mehreren Geschäften wurde übelriechende Buttersäure ausgeschüttet, Obst der Marktstände im Erdgeschoß wurde einer "intensiven Kontrolle" unterzogen (ständi'ges Anfassen und Wiederhinlegen); in einem Elektronikgeschäft wurden Gerätebe'schädigungen als offenbar neuartige phantasievolle "Widerstandsform" kreiert. Eine angemeldete Kundgebung von rund 200 Personen unter dem Motto "Gegen den 'Konsumterror in Ottensen" degradierte Kundschaft und Wohnbevölkerung zu Terroropfern. In einem Redebeitrag wurdedie Geschichtedes Widerstandsrekapituliert und dessen Fortsetzung gleichsam zur Überlebensfrage hochstilisiert. Sprechchöre wie "Mercado raus aus Ottensen" intonierten die Begleitmusik. Nachder Kundgebungwarwieder "vielfältiger Widerstand" angesagt: Blockierung von Geschäftszugängen, ausgiebige Sitzproben auf ausgestellten Möbeln, absichtliches. "Mißgeschick" durch Zerstörung ausgestellter Glaswaren, unruhestiflende "kostenlose 'Bücherverteilung" in einer Buchhandlung (etwa 40 Störer), und die Forderung nach kostenloser Herausgabe von Waren aus einer Parfümerie. Als direkte "Geschmacksund Belastungsprobe" etikettierten etwa 40 bis50Personen ihr Vorgehenin einem Supermarkt, bei dem ohne Kaufabsicht Einkaufswagen beladen und Lebensmittelpackungen angebrochen wurden. Die geschädigten Geschäftsleute stellten nach Polizeiangaben keine Strafanträge. Während der Geschäftszeit wurden auch zwei Bombendrohungen gemeldet, die als nicht ernsthaft angenommen wurden. Erhebliche Sachbeschädigungen hinterließen Unbekannte am 15. Februar an einem Hotelneubau in der Feldstraße (Stadtteil St. Pauli). Zahlreiche Fensterscheiben wurden zerstört. Bereits in der Vergangenheit waren Unbekannte mit ähnlichen Aktionen gegen das Objekt vorgegangen. In Flugblättern verbreiteten die Täter einschlägige Umstrukturierungslegenden. Bundesweite Koordinierung: Am 12. Mai veranstalteten Autonome in Leipzig einen bundesweiten "BesetzerInnenkongreß". Die etwa 200 Teilnehmer konferierten über szenerelevante Komplexe wie "Zusammenarbeit" mit Behörden, Verträge, staatliche Repression, Motivationsmängel, Scheitern sog. "Besetzerräte" etc. Die Veranstaltung schloß mit einer Demonstration von etwa 1000 Personen. Der Kongreß stieß bundesweit - auch in Hamburg -aufeher verhaltene Resonanz. 207 2.4.6 Widerstand gegen Castortransporte und Atommüllagerung Im Mittelpunkt linksextremistischer militanter Widerstandsaktionen gegen die Nutzung der Atomkraft stand - wie schon im Vorjahr - die Kampagne gegen Atomtransporte. "Castor"-Behälter, mit denen Atomabfälle aus Atomkraftwerken in das Zwischenlager Gorleben transportiert werden sollten, wurden zum Haßsymbol für den Widerstand gegen die friedliche Nutzung der Atomkraft. Nach der Devise, die "Atomgemeinde an ihrer empfindlichsten Stelle" zu treffen: "dem Geldbeutel", galt das Prinzip, u.a. durch ein Höchstmaß von Sachbeschädigungen Castor-Transporte "zu einem Millionenverlust für die Atomlobby zu machen". Systematisch provozierte kostenintensive Polizeigroßaufgebote gegen Störaktionen sollten auch auf Seiten des Staates bei jedem Atommülltransport "die Kosten des Systems" unbezahlbar machen. Mit der sinngemäßen Formel "Atomwirtschaft = kapitalistische Produktionsweise = kapitalistischer Staat" ließ sich problemlos ein klassisches linksextremistisches Feindbild reproduzieren. Der Schienenverkehr war wieder Hauptangriffsziel dieses Widerstandes mit Schwerpunkt im Bundesland Niedersachsen - Standort des Atommüllagers Gorleben. Militante AKW-Gegner sägten Schienenstränge an, unterhöhlten und lockerten sie, beschädigten Steuerungselektronik der Bahn, deponierten Bombenattrappen sowie eine Granate russischer Herkunft auf Bahngeleisen, stoppten Züge per Notbremse, blokkierten Gleise mit abgelegten Baumstämmen, brennenden Strohballen, Betonringen etc. Mit sog. Wurfankern wurden z.T. erhebliche Sachschäden an elektrischen Oberleitungen der Bahn angerichtet, die wiederholt zu stundenlangen Verkehrsausfällen führten. Teilweise wurden diese Anschläge in offensichtlich koordinierten Serien verübt. So wurden am 24. Oktober gleichzeitig an sechs Stellen im Hamburger Umland rund um das Stadtgebiet Wurfanker plaziert. Der entstandene Sachschaden belief sich auf mehrere Hunderttausend DM. Betroffene Fahrgäste mußten diese gefährli'chen Angriffeauf den Bahnverkehr mit erheblichen Zeitverlusten bezahlen. Bauanleitungen für derartige Sabotagevorrichtungen fanden sich in einschlägigen autonomen Schriften, wie etwa der "Agitare Bene" und der "Interim". Einen Höhepunkt erreichte der militante Widerstand am 24./25. April, dem sog. "Tag X", Datum des ersten Castor-Transports vom AKW Philipsburg nach Gorleben. Mit Schwerpunkt im Wendland fanden bundesweit "Anti-Castor"-Aktionen statt, Neben friedlichen Protesten kam hierbei das gesamte einschlägige Arsenal militanter Widerstandsformen der autonomen/anarchistischen Antikernkraftbewegung zum Einsatz. Polizisten, die das unmittelbare Transportgeschehen eskortierten, wurden auf dem letzten Teilstück u.a. mit Steinwürfen massiv angegriffen. Das an der Verladestation von Protestierern errichtete Hüttendorf "Verladenix" wurde beim Eintreffen des Castorbehälters geräumt. Mit einem massiven Polizeiaufgebot erreichte der Transport schließlich gegen permanente Behinderungen sein Bestimmungsziel. Der mit etwa 55 Millionen DM bilanzierte Kostenaufwand wurde in der Anti-AKW208 U -- Bewegung mit höchsterGenugtuung alserfreulicherErfolgsmaßstab gefeiert. Unter dem Motto "Jetzterstrecht" und "Tag X?"verübten Militante auch danach vereinzelte Sachbeschädigungen an Bahneinrichtungen, um - präventiv - künftige Transporte schon im Ansatz ins Licht sinnloser, unbezahlbarer, unbeherrschbarer und letztlich unkalkulierbarer "Abenteuer" zu stellen. Ein zweiter Höhepunkt ereignete sich am 22. August mit einer Aktion im "Wendland". An einem Atomtransporten dienenden Verladekran in Dannenberg wurde mit einem Schneidbrenner Sachschaden von etwa 300.000,DM verursacht. Zuvor hatten die Täter eine Sicherung in einer Schaltstation entfernt und damit den Strom der Verladestation und einer angrenzenden Siedlung unterbrochen. In der Nähe wurde ein mitgebrachter, mit Autoreifen vollgestopfter PKW in Brand gesetzt. Zur gleichen Zeit - offenbar koordiniert - griffen etwa 20 Vermummte das geplante Endlager in Gorleben an. Sie versuchten auf das Gelände vorzudringen, verübten Sachbeschädigungen und schossen mit Leuchtmunition in die Luft. Außerdem unterbrachen sie mit Wurfankern die Stromversorgung des Lagers. Auchin Hamburg zeigte sich Widerstand gegen die Castor-Transporte. Bereits vor dem "Tag X" tauchtenim Schanzenviertel Plakate auf,die zu Widerstandsaktionenin und umGorleben aufriefen. Fürden 20. April warin der "Stadtteiletage"in derBartelsstraße ein Vorbereitungstreffen angesagt. Am S-Bahnhof Sternschanze sollten Busse mit Fahrtziel "Wendland" bereitstehen. Am 22. April errichteten Vermummte im Schanzenviertel Barrikaden nebst Transparent mit der Aufschrift "Kein Castor durch Hamburg und anderswo". Am 26. April versammelten sich in der "Roten Flora" etwa 80 Personen wegenderEreignisse in und um Gorleben. Nach demTreffen demonstrierten 30 - 40 Vermummte von der "Flora" aus in Richtung Pferdemarkt, wo sich der Zug auflöste. Aus Anlaß des "Anti-Castor-Tags" am 28. Oktober prangte an der "Roten Flora" eine Parole, mit der zu Widerstandsaktionen animiert wurde. Eine beigefügte zeichnerisch dargestellte Szene gab Auskunft über die Qualität der angedachten Aktionsformen: Ein Eisenbahn-Castor-Transport, der sich einem sabotierten Schienenstrang nähert. An diesem Tag deponierten Castor-Gegner eine Bombenattrappe auf einer Eisenbahnbrücke im Stadtteil Groß-Borstel. Außerdem sprühten und schmierten Unbekannte im Hamburger Stadtgebiet zahlreiche Anti-Castor-Parolen an Hauswände, Stromverteilerkästen und andere Fassaden. Am 16. Dezember marschierte innerhalb des Demonstrationszuges in Sachen "radikal" ((r) siehe 2.4.4.2) auch ein eigens gebildeter Anti-AKW-Block, in den sich zur Hauptsache autonome AKW-Gegner aus dem "Wendland" eingereiht haben dürften. Im Zusammenhang mit Atomtransporten wurden AKW-Gegner auch im entfernten und näheren Hamburger Umland aktiv. Am 13. August beschädigten sie vor dem 209 Kernkraftwerk Brunsbüttel etwa 50 m Gleisanlagen. Am 23. September blocki Demonstranten im Zuge eines "Keep Krümmel Kool-Festivals" zeitweilig die zum AKW Krümmel bei Geesthacht. Zwei Tage später sollte vor dem AKW dorf eine Blockade einen Atomtransport ins britische Sellafield verhindern. 'Gegen die französische Atom-Testserie im Pazifik wurde am französischen Generalkonsulat eine Bombenattrappe deponiert, zu der sich aber niemand bekannte. Dagegen bekannte sich eine "Anti-Atomtest-Gruppe Fernando Perreia" zu einem Farbbeutelanschlag auf das französische Kulturinstitut. Spektakuläres Aufschen erregten militante AKW-Gegner, die am 13. April bei Gortz, (Brandenburg) einen Hochspannungsmast umlegten. Die sich dazu bekennenden sog, "Autonomen Gruppen gegen den Strom" erhielten propagandistische Unterstützung durch die Szenezeitschrift "Interim", die interessierten Nachahmern eine gedruckte, Anleitung für das Verfahren bei solchen Anschlägen nahebrachte. Militante AKW-Gegner werteten 1995 als Erfolgsjahr, auch wenn der erste CastorTransport letztlich nicht verhindert, sondern nur empfindlich behindert werden konnte. In autonomen Schriften, wie etwa der "Interim", brüsteten sie sich, der "AtomMafia" erheblich finanziell geschadet zu haben und waren stolz, einen zweiten Transport zumindest für 1995 verhindert zu haben. Positiv wurde auch gewürdigt, daß sich ungeachtet massiver linksextremistischer Einflüsse auch nichtextremistische "bürgerliche" Initiativenaufeine breite Allianz von AKW-Gegnern eingelassen hatten. Eine Spaltung in der Gewaltfrage gäbe es bisher nicht: Anschläge und Sachbeschädigungen würden allseits akzeptiert. Es meldeten sich aber auch warnende Stimmen aus Umweltschutzinitiativen mit einer kategorischen Absage an jegliche Aktionen, bei denen Menschenleben gefährdet würden. Unterhalb dieser Schwelle bestünde jedoch keine Veranlassung, sich von "jeder Aktion" zu distanzieren, die man "nicht zu verantworten" habe. "Castor" wird auch in Zukunft ein Schlüsselbegriff für Antikernkraft-Proteste bleiben. Er ist ein identifikationsförderndes Codewort für ein erhebliches, auch militantes Mobilisierungspotential, das sich vorwiegend aus Kleingruppen und Einzelpersonen zusammensetzt. In größeren autonomen/linksextremistischen Zusammenhängen - zumindest in Hamburg - hat das Thema nur Randbedeutung. 2.4.7 Sonstige Agitation und Aktionen Etwa seit Mitte 1994 trat in Hamburg ein Personenzusammenhang auf, der sich zunächst als "Antinationales Aktionsbündnis", wenig später als "Antinationales Plenum" bezeichnete. Die Urheber eines im November 1994 erschienenen Flugblattes, die sich hinter der Bezeichnung "Gruppe Landesverrat" versteckten, dürften dem 210 Spektrum angehören. Das "Antinationale Plenum Hamburg" setzte sich insim Zusammenhang mit den offiziellen Berliner Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag (8. Mai) des Tags der Befreiung von dernationalsozialistischen Diktatur 'mit provokativer Deutschlandkritik in Szene. Die Gruppe agierte mit einer rigorosen, extrem antinationalen, antideutschen, Lan'desverrat verherrlichenden, teils grotesken und menschenverachtenden Propaganda. In Anspielungauf nationalsozialistisches Vokabular wurde die deutsche Einheit von 1990 als "Anschluß" der DDR denunziert bzw. die Wiedervereinigung als "imperialistische Vereinnahmung" diffamiert. Das in der Wendezeit 1989/90 geprägte appellative Bekenntnis "Wir sind ein Volk" stellte sich für das "Antinationale Plenum" als Ausdruck eines völkisch-biologistischen Denkens auf der Grundlage einer "Blut und Boden"-\deologie dar, die im "Dritten Reich" zur Judenvernichtung geführt habe. Jegliche nicht totale Absage an das Deutschland von heute, seine gesellschaftlich und staatliche Ordnung wurde als "Kollaboration mit der Nation" angeprangert. Dieses alles kehrte unter der Standard-Parole "Nie wieder Deutschland" in unterschiedlichen Facetten und Ausprägungen auf Flugblättern und Broschüren, auf Spruchbändern und in der Agitation von Kundgebungsrednern wieder. Hamburg war schon 1989 ein ideologisches Zentrum dieser selbst unter anderen Linksextremisten umstrittenen extremen Absageanjegliches - auch gemäßigtes - nationale Empfinden. Mit weitgehend identischen, zumindest sinngemäßen Parolen hatten ehemalige KB-Spitzenfunktionäre und zeitweilige Ökosozialisten damals von Hamburg aus die bundesweite Sammlungsbewegung "Radikale Linke" initiiert. In ihr hatte sich eine bunte, an ein "letztes Aufgebot" erinnernde Mischung von aktiven und 'ehemaligen KB-Mitgliedern zusammengefunden: Bekannte Namen u.a. aus der ehemaligen "Vereinigten Sozialistischen Partei" (VSP), den Autonomen, Anarchokommunisten, einem führenden Hamburger Theoretiker der sozialrevolutionären Bewegung, Personen des RAF-Umfeldes, vorübergehend einer ehemaligen RAF-Angehörigen, von Exponenten des DKP"Erneuerer"-Flügels bzw. DKP-Abweichler bis hin zum "prominenten" Herausgeber einer namhaften linken Zeitschrift. Zur ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl hatte die "Radikale Linke" am 02.12.90 ca. 500 Teilnehmer auf einer bundesweiten Konferenz der "Außerparlamentarischen Opposition gegen Deutschland" in der Universität Hamburg unter dem Motto "Keine 'Stimmefür Deutschland! Reichstagswahlen - ohne uns!" versammelt und eine "anti'nationale Demonstration" von 850 Personen (600 des gewaltbereiten Spektrums) durch die Hamburger Innenstadt durchgeführt. Die "Radikale Linke" ist eingeschlafen, ihr ideologisch-propagandistischer Ansatz wurde 1994/95 wiederbelebt. Einige Wortführer von 1995 haben zum Teil Organisa- tionen und Reststrukturen durchlaufen, aus denen bereits 1989/90 wichtige Impulse gekommen waren. Ein Anhaltspunkt dafür war, daß das "Antinationale Plenum" 1995 über die KB-Nachfolgestruktur "Gruppe K" [Zeitschrift "Bahamas" zu kontaktieren war. Das Ideengut des "Antinationalen Plenums" wurde außer von "Bahamas" auch von der Hamburger Zeitschrift "/7" Celsius - Zeitung für den Rest" aufgegriffen. Beide Publikationen haben sich u.a. für das maßgeblich von Hamburg aus miteingefädelte "antinationale Aktionswochenende" in Berlin am 06./07 Mai gegen die Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Befreiung eingesetzt. In Berlin wurden auch die Sympathien zugunsten der allierten Bombenangriffe auf Dresden von 1945 zum Prüfstein für ein lobenswertes Antideutschtum hochgespielt. Es zeigte sich, daß ein 1993 in Hamburg verklebtes Plakat "Bomber Harris said: 1 would do it again! We say: Do it now!" keine Absonderlichkeit eines einzelnen Übereiferers gewesen war. In einem 4-seitigen Flugblatt vom 3. Oktober holte das "Antinationale Plenum Hamburg" zu einer Art Generalabrechnung mit dem seit 5 Jahren wiedervereinigten Deutschland aus. Deutschland bereite sich nunmehr auf Verbrechen im Namen von Freiheit und Menschenrechten vor und sei von den Siegermächten des 2. Weltkrieges eingeladen, bei der Aufteilung von Interessensphären seinen Teil der Beute zu sichern. Die ökonomischen und politischen "Eliten" - eine neuerdings von Linksextremisten häufiger gebrauchte Feindbildmarkierung, nachdem sie in Tatbegründungen der terroristischen "Antiimperialistischen Zelle" / AIZ zum Standardbegriff wurde - gingen immer "dreister" gegen "LohnarbeiterInnen" vor. Ein Ausweg könne letzlich nur in der Bekämpfung des kapitalistischen Systems und der "Aufhebung von Lohnarbeit" gefunden werden, In einer Art nationaler Phobie scheuten sich die Verfasser sogar, das Wort "Bürger" zu gebrauchen und sprachen von "Insassinnen" des neuen Deutschlands. Als fatales Bündnis eben dieser "Elite" mit dem Mob stellen sich ihrer Meinung nach die fremdenfeindlichen Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen 1992 dar. Die "Antinationalen" warben für einen Bruch mit "jeglichem positiven Bezug auf nationale Interessen" - einer Aufkündigung des nationalen Konsenses - als Voraussetzungfür den Widerstand gegen herrschende Interessen. "Antikapitalismus", "Antifaschismus" und "Antiimperialismus" waren in der von "Antinationalen" immer wieder provokativ vorgetragenen Propaganda selbstverständlicher Bestandteil. Da ihre geradezu inquisitorischen und denunziatorischen Thesen letztlich auch den Befreiungsnationalismus unterdrückter Völker oder um Autonomie kämpfender Volksgruppen (Baskenland, Nordirland) ausschlossen, wurden sie von revolutionären Marxisten kritisiert. Dennoch sind die Hamburger bundesweit auf Resonanz und Unterstützung bei Aktionen, insbesondere in Berlin, punktuell auch aus Bremen, gestoßen. 'Am 21. Oktober hat sich die in Hamburg ansässige KB-Nachfolgestruktur Gruppe "K" aufgelöst (2 siehe 2.5.6). Deren bisheriges "Büro K" einschließlich aller techni'schen Einrichtungen wurde an das Hamburger "Antinationale Büro" vererbt. 2.5 Parteien und sonstige Vereinigungen Die organisatorischen Strukturen und das Gesamtgefüge marxistisch-leninistischer und sonstiger revolutionär-marxistischer Parteien und Organisationen blieben 1995 - von Ausnahmen abgesehen - stabil. Bei der DKP, im Bereich des ehemaligen "Bundes Westdeutscher Kommunisten" (BWK) und bei derzur "Vereinigung für Sozialistische Politik" umkonstituierten ehemaligen Partei VSP hielt der schon 1994 sichtbare personenund organisationsbezogene Trend an, Erfolgsoder Überlebensperspektiven in der Nähebzw.unter demDachder PDSzusuchen. Die Marxisten-Leninisten und sonstigen revolutionären Marxisten waren weiterhin bemüht, sich von den traumatischen Nachwirkungen des in der ehemaligen DDR gescheiterten "ersten Anlauf" zum Sozialismus zu lösen. So pflegten sie - allen Anfechtungen und Sinnkrisen zum Trotz - das Bild vom Marxismus-Leninismus als hoffnungsträchtige Idee, die sich eines Tages durchsetzen, mit der "Barbarei" des Kapitalismus aufräumen und die Menschen erlösen werde. Je nach politischem Standort im gefächerten linksextremistischen Gesamtspektrum wurden einfache menschliche und unabwendbare praktische Unzulänglichkeiten, wirtschaftliche Erpressung und mörderischer Rüstungswettlauf seitens des internationalen Imperialismus oder schlicht Verrat "entarteter" kommuni r Renegaten an der korrekten proletarischen Linie für das Scheitern des realen Sozialismus verantwortlich gemacht. 5 Jahre nach dem behaupteten "Abwickeln" bzw. dem "Anschluß" der ehemaligen DDR überwogen insbesondere in nostalgischen Einäugigkeiten der DKP Erinnerungen an ein verlorenes Arbeiterparadies: Mit sicheren Arbeitsplätzen, umfassenden Frauenrechten, bezahlbaren Mieten, ausreichend Kindergartenplätzen, einem von sozialenSorgen undNötenfreien Alltag, ohne Obdachloseoder Bettler, ohneDrogen an den Schulen, ohne Miethaie in den Siedlungen. Statt dessen seien "Vulgärkapitalismus", Sozialabbau, Demontage, Ausländerverfolgung und ein Rückfall ins vergangene Jahrhundert zu verzeichnen. Die vor 50 Jahren "scheinbar" besiegte "braune Pest" breite sich wieder aus. 2.5.1 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) und Umfeld Die DKP hat ihren seit 1993 nach steilem Absturz erreichten Mitgliederbestand von 'etwa 6.000 bis Ende 1995 annähernd gehalten. Da die vor 1989 zur Interessentengewinnung, Mitgliederrekrutierung und als Kaderreserven genutzten Vorfeld-, Einfluß213 Gewerkschaftsarb eit-einstwichtigeQ uellezuIn r teressen tengewinnung-ste cktnoch wahlpolitische Engagement der DKP hielt an. Im Februar trat sie unter der Lo"Die Kohlen holen, wosie sind - bei den Banken" mit einer offenen Landesliste 32 Kandidaten bei den Hessischen Landtagswahlen an. In 6 Wahlkreisen war die mit Direktkandidaten vertreten. Insgesamt erhielt sie 3.254 (0,1%) der Erstund 1261 (0,0%) der Zweitstimmen. 1987 war die DKP noch in allen Wahlkreisen mit Dilidaten angetreten und hatte 0,3% der Erststimmen erhalten. Trotz des 'schlechteren Abschneidens der Partei konnte sie einenpositivenEffekt verbuchen, Im2 'denndurch ihre Kandidatursicherte diehessische DKPder Gesamtpartei den Parteienstatus. Im Mai nahm die DKPmit 47 Direktkandidaten undeiner offenen Landesliste von 21 Kandidaten an den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen teil, um - bei Kandidaturenthaltung der PDS und linker Wahlbündnisse - die "linke Flanke nicht unbesetzt" zu lassen. Die Losung lautete hier "Wer den Reichen nichts nimmt, kann den Armen nichts geben". Die - aus Sicht der DKP - "linke Wahlalternative" setzte sich jedoch auch hier nicht durch. Die DKP mußte sich auch in Nordrhein-Westfalen mit nur 0,1% der Erststimmen bescheiden. Bei der Bremer Bürgerschaftswahl, ebenfalls im Mai, kandidierte die DKP nicht eigenständig, sondern versuchte auf der offenen Liste der PDSFuß zu fassen, wasim Einzelfall auch gelang. Ein DKP-Mitglied wurde auf Platz 3 der offenen Liste der PDS für Bremerhaven nominiert. Ebenfallsaufden offenen Listen der PDS versuchte sich die DKP im Oktober bei den Berliner Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen und zum Abgeordnetenhaus. In den Bezirken Weißensee und Hellersdorf sah die DKP ihr Engagementendlich zumindest mit einem Achtungserfolg gekrönt: DKP-Mitglieder zogen über die 'offenen PDS-Listenin die Bezirksparlamente ein. Neben Wahlkampfaktivitäten und permanenten Debatten über das Aktionspro'gramm waren das Pressefest und das hochrangige Projekt "UZals Wochenzeitung" weitere Hauptthemen und Betätigungsfelder der DKP. Das "9. UZ-Pressefest - Volksfest der DKP" wurde vom 1. bis 3. September im Revierpark Wischlingen in Dortmund veranstaltet. DasFest stand in diesem Jahr im Zeichen der Solidaritätmit dem kommunistischen Kuba. Vertreter zahlreicher kommunistischer und sozialistische Parteien und Organisationen besuchten das Fest, z.B. Gäste aus Kuba, China, Korea, Vietnam und Bosnien. Inländische Gastdelegierte kamen u.a. von der KPD und der VVN-BdA. Abordnungen und Gäste mehrerer Bundesländer präsentierten sich mit zahlreichen gastronomischen Verkaufsständen oder hatten Infostände aufgebaut. Diskussionsrunden widmeten sich u.a.Themen wie "Berufsverbote/Rachejustitz - Vereintes Deutschland, geteilte Demokratie" und "Kurdistan-Forum - Deutschland 215 In der breiten Themenpalette des Pressefestes spielte auch die beabsichtigte Stärkung des Parteiorgans "Unsere Zeit" (UZ) ein Rolle. Nach den ehrgeizigen Plänen der Partei soll die z.Zt. noch alle zwei Wochen erscheinende UZ ab 01.07.96 wöchentlich. herausgegeben werden. Das Gelingen dieses Projektes wird als Schlüssel zur weiteren Stabilisierung und Weiterentwicklung der Partei angesehen - nicht zuletzt auch als Hebel zur Gewinnung neuer Interessenten und Mitglieder. Die abonnierte Auflage der Zeitung ist nach Angaben des Parteivorstandes seit Mitte 1990 von 16.600 auf 10.200 zurückgegangen. 7.000 Abbestellungen standen nur 1.500 neuen Lesern gegenüber. Auf der 10. Parteivorstandstagung am 27./28. Mai in Essen hatte Parteisprecher Heinz STEHR die Stabilisierung der DKP gemeldet und vorgeschlagen, nunmehr an der Basis auch organisatorisch für den nötigen Neuund Umbau zu sorgen. Auch in Hamburg wurde in diesem Sinne über eine Anpassung der Organisationsstrukturen debattiert. Sie stammen noch ausder ZeitEnde der 80er Jahre,als die Bezirksorganisation Hamburg über 3.000 Mitglieder zählte, von denen heute noch 10 - 15 % nachgeblieben sind. Allein die Besetzungder drei Ebenen Gruppen / Kreise / Bezirk sowie der daneben bestehenden Arbeitsgruppen und Kommissionen bindet in so erheblichem Maße Personal, daß daraus inzwischen eine Kopflastigkeit der Hierarchieebenengegenüber den einfachen Mitgliedern herrührt. Strukturelle Probleme wurden dadurch verschärft, daß der Hamburger Bezirksvorstand sich offenbar durch die zwischengeschaltete Kreisebene zunehmend von der Basis abgehoben und isoliert fühlte. Insgesamt leidet die DKP unter der gegenüber früher recht unkomfortablen Mangelsituation, daß sie nach dem Verlust von Transfermitteln aus der ehemaligen DDR kaum noch hauptamtliche Funktionäre bezahlen kann. Die vom Bezirksvorstand angesichts solcher Sachzwänge angestrebte Konzentration und Effektivierung von Kräften durch Abschaffung der Kreisebenen stieß an der Basis auf offenbar unerwarteten Widerspruch. Trotz einer stabilisierten Mitgliederbilanz wird die Hamburger DKP von schleichenden Existenzproblemen bedroht. Die zunehmend prekäre Überalterung der Anhängerschaft gefährdet die Zukunft der Bezirksorganisation, weil es auf der anderen Seite nicht gelingt, durch Neurekrutierungen unter Jugendlichen die unausgeglichene Generationenschichtung abzumildern. Dieses wäre jedoch eine wichtige Voraussetzung, um auch nur ansatzweise in der einst weit fortgeschrittenen Betriebsund Gewerkschaftsarbeit ("B&G-Sektor") wieder Fuß zu fassen und in diesem klassischen kommunistischen Zielbereich wieder interventionsfähig zu werden. Statt dessen wird mit Sorge registriert, daß selbst das - nach DKP-Verständnis - Standard-Repertoire an sich obligater Veranstaltungsanlässe und Politikfelder zumeist nur dürftig "beackert" bzw. "abgearbeitet" wird Die ca. 450 Mitglieder umfassende DKP-Bezirksorganisation Hamburg trat mit verschiedenen Veranstaltungen, u.a. zu den Themen "Antifaschismus" und gegen eine 216 a _ 'deutsche militärische Unterstützung der Friedenssicherung (,imperialistisches Großmachtstreben") im ehemaligen Jugoslawien an die Öffentlichkeit. Im Januar initiierte Ssu SgBSE5 die DKP-Kreisorganisation Wandsbek eine Veranstaltung mit dem Titel "Anforderungen an linke Politik im heutigen Deutschland", zu der ein Mitglied der "Kommunistschen Plattform" der PDS als Gastredner eingeladen worden war. Die Hamburger DKP unterstützte die von den meisten anderen linksextremistischen Organisationen mitgetragene Demonstration zum "Tag der Machtübertragung" am 30. Januar sowie eine Demonstration am 25. November gegen das PKK-Verbot. Die "Jungen Kommunisten" (JUKO) - Jugendund Hochschulgruppe der DKPHamburg - sind in das 1995 ins Leben gerufene lokale "Antiimperialistische Jugendbündnis" eingebunden. Ihm gehören u.a. auch die SDAJ und die Hamburger "AG 'TVY ETSsnuaR Junge GenossInnen" (Arbeitsgemeinschaft der PDS) sowie autonome "Antifas" an. Das Bündnis machteu.a. miteiner Flugblattaktion während des Hafengeburtstags,mit einer Kundgebung "gegen den imperialistischen Krieg in Jugoslawien" im September sowie einer Kundgebung "gegen die 'neue' Militärpolitik der BRD" im November auf sich aufmerksam. 25.1.2 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) Die "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) ist eine von mehreren ehemaligen Nebenund Einflußorganisationen der DKP, von denen die meisten die Krise der Partei Ende der 80er Jahre nicht überlebt haben. Der vor 10 Jahren unter Schülern, Auszubildenden und gewerkschaftlich engagierten Jugendlichen einflußreichste linksextremistische deutsche Jugendverband ist als solcher heute nur noch ein Erinnerungsposten. Alle Versuche, unter ehemaligen Zielgruppen neues Profil und Rückhalt zu gewinnen, sind über punktuelle Kleinsterfolge nicht hinausgekommen. Die SDAJ legt heute Wert darauf, nur noch als eine der DKP "nahestehende" Jugendorganisation bezeichnet zu werden. Sie versteht sich weiterhin als revolutionär sozialistische Arbeiterjugendorganisation und bewegt sich in unverändert orthodoxkommunistischen Theorievorstellungen. Anfang der 90er Jahre hatte sich die SDAJ um eine neue Standortbestimmung bemüht und im Juni 1991 einen Aufruf verabschiedet, mit dem sie sich zum Vorreiter eines bundesweiten Dachverbandes linker sozialistischer Jugendverbände ("linke föderative Jugendstruktur") machen wollte - allerdings ohne Resonanz. Der Verband versucht inzwischen mit anderen Mitteln, wieder Anschluß unter Jugendlichen zu finden. Hierzu setzte die SDAJ in ihren Anknüpfungsthemen neue Akzente. Einerseits intensivierte sie ihre jugendpolitische Themenbehandlung und konzentrierte ihr Engagement auf die Interessentengewinnung im Sektor der Jugendberufsbildung. Zugleich war eine deutliche Themenverschiebung zum Antifaschismus-Komplex zu beobach- ten. Anfang des Jahres proklamierte die SDAJ den Kampagnenstart zum Wi bau einer "zentralen Arbeiterjugendpolitik". Inzwischen will sie neue "Ansätze in Schülerund Antifa-Bewegung" gewonnen haben. In ihrem Aufruf zum Tag der freiung am 8. Mai bekannte sich die SDAJ zu der Aufgabe, der mus" identifizierte sie als angebliche Form der kapitalistischen Herrschaft, die in Bundesrepublik ungebrochen fortexistiere. Anläßlich des "UZ"-Pressefestes der DKP im Sommer meldete die SDAJ einen geblichen "Neuen Aufbruch an den Unis". In Berlin und in Bochum wurden SD, Hochschulgruppen gebildet. Zu Beginn des Berufsausbildungsjahres plante die Jugendorganisation, eine Lehranfängerzeitung herauszugeben, die im Rahmen einer bundesweiten offensive vor Lehrwerkstätten und Berufsschulen an Auszubildende verteilt sollte. Die Richtungsbestimmung dieser Initiative ergab sich am Ende eines Begründungskataloges: "... Deshalb wollen wir ein Gesellschafissystem, in dem das Recht Ausbildung und Übernahme garantiert ist, Deshalb sind wir für Sozialismus." Als neue Publikation erschien die gemeinsame Zeitung von SDAJ und DKP "Signale". Ob es sich hierbei um ein beständiges Projekt handelt, blieb offen. Sowohlaufseiten der DKP als auch SDAJ-seitig wurde Interesse an einer wieder engeren Zusammenarbeit z.B. durch regelmäßigen Informationsaustausch und Gesprächsrunden signalisiert. Auf Bundesebene gab die SDAJ weiterhin ihre Publikation "Position-Magazin der SDAJ" heraus. Vom 3.-5. Juni veranstaltete die SDAJ ihr traditionelles Pfingstcamp ("200 Dauercamper"), diesmal in Rothmannsthal/Bamberg unter dem Motto "Der Kampf geht weiter - Widerstand gegen Rechts". Das erlebnisorientierte, polit-kulturell gemischte Programm mit Diskussionsund Musikveranstaltungen drehte sich u.a. um AntifaThemen und "umden reaktionären Umbau der BRD". Ein gemeinsam von DKPund SDAJ organisierter "Antikriegs-Rock" zum "Antikriegstag 1995" mit Gruppen aus Berlin, Hamburg und Großbritannien erinnerte an die "Rock gegen Rechts"-Konzerte früherer SDAJ-Blütezeiten. Das Pfingstcamp war auf Werbeeffekte (im Angebot u.a.: ein "Rotes Frühstück"), Erfahrungsaustausch und auf die Entwicklung "revolutionärer Perspektiven" angelegt. Auf besonderes Interesse stieß eine Diskussionsrunde mit ehemaligen Inhaftierten der RAF. In Hamburg beteiligte sich die SDAJ 1995 an der Zusammenarbeit und den Aktivitäten des neu entstandenen Bündnisses "Antiimperialistisches Jugendbündnis Hamburg" (2 siehe DKP 2.5.1.1), dem z.B. auch die Hamburger DKP-Hochschulgruppe. "Junge Kommunisten" (JUKO) angehört. Der SDAJ-beeinflußte Motorradclub "Kuhle Wampe" veranstaltete anläßlich des 50. Jahrestages der Befreiung am 8. Mai eine 218 indfahrt (etwa 90 Teilnehmer) durch die Stadt. Der Corso wurde gruppenauch von anderen Linksextremisten unterstützt. 'August beteiligte sich die Hamburger SDAJ an der Herausgabe der Publikation berichte Hamburg", ein ursprünglich vom "Bund Westdeutscher Kommuni- " (BWK) herausgegebenes hamburgweites Info, in das inzwischen u.a. Anarc die "Hochschul-Antifa", die "Freunde des kurdischen Volkes Hamburg", Vereinigung für Sozialistische Politik" (VSP) und die "Volksfront gegen Reaktion, 'hismus und Krieg" eingebunden sind. Mit selbständigen, allein von ihr selbst öffentlichen Aktionen oder Veranstaltungen ist die SDAJ in Hamburg 'nicht aufgetreten. 25.1.3 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) Die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" (VVN) wurde 1947 unter Berufung auf den Schwur von Buchenwald ("Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel") gegründet. 1972 öffnete sie sich auch jüngeren Menschen, die aufgrund ihrer späteren Geburt definitiv nicht mehr zu den Verfolgten des Naziregimes gezählt werden konnten, und nannte sich fortan "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" (VVN-BdA). Nach ihrer Satzung ist die Vereinigung ein überparteilicher, überkonfessioneller Zusammenschluß von Verfolgten des Naziregimes, Widerstandskämpfern und Antifaschisten, welcher in der Bekämpfung der Ursachen und Erscheinungsformen des "Faschismus, Militarismus", Antisemitismus, "Revanchismus" und der Ausländerfeindlichkeit seine Aufgaben sieht. Dabei erstrebt sie laut Satzung "die Zusammenarbeit aller demokratischen Kräfte, um zur Verwirklichung des Vermächtnisses des antifaschistischen Widerstandskampfes beizutragen". Als Anhängerin der orthodox-kommunistischen Faschismusanalyse, die den Kapitalismus als eigentlichen Urheber des Faschismus und unschädlich zu machenden Gegner ausmacht, bedient sich die VVNBdA jedoch einer selektiven Definition, wer sich Demokrat nennen darf. Das Zertifikat "Demokrat" billigt sie nur sog. "Antifaschisten" zu. "Kapitalisten" sind im kommunistischen Sinne Wegbereiter des "Faschismus", "Antikommunisten" Befürworter des "Kaptalismus". Also kann niemand, der gegen Kommunismus ist, zugleich "Antifaschist" sein. Die bisher nur in den alten Bundesländern präsente VVN-BdA nahm im Oktober am Bundeskongreß des 1990 noch in der ehemaligen DDR gegründeten ostdeutschen "Bundes der Antifaschisten" (BdA) teil. Eine Vereinigung beider Organisationen wird angestrebt. Im Rahmen von Satzungsdiskussionen auf dem vorgenannten Kon- greß konnten ein eindeutiger Bezug des BdA/Ost auf das Grundgesetz und eine Ver" pflichtung auf das Prinzip der Gewaltfreiheit offenbar nicht durchgesetzt werden. Ein Vorstandsmitglied des BdA setzte sich vielmehr für die Tolerierung "verschiedener" Aktionsformen ein - im linksextremistischen Sprachgebrauch zumeist eine Umschreibung dafür, daß Gewalt zulässig ist. Im Oktober veröffentlichte die VVN-BdA ihr alljährliches "Schwarz-Braun-Buch", nach ihrem Verständnis ein alternativer Verfassungsschutzbericht. Die "offiziellen" Verfassungsschutzberichte seien unglaubwürdig, da sie von Bundesund Landesinstitutionen stammten, deren "Praxis selbst vielfach der Verfassung zuwider" laufe. Diese Berichte könnten nicht "anerkannt" werden. Die VVN-BdA hat ihren Öffnungskurs in Richtung auf engere Zusammenarbeit mit 'Angehörigen aus dem Spektrum autonomer "Antifas" - auch in Hamburg - fortgesetzt. Einzelne VVN-Mitglieder engagierten sichin antifaschistischen Bündnisse. Diverse Initiativen und Aktionen autonomer "Antifas" wurden unterstützt. Die Landesvereinigung Hamburg initiierte auch selbst mehrere Diskussionsveranstaltungen, u.a. aus Anlaß des 50. Jahrestages der Befreiung am 8. Mai. Im Rahmen der Kampagne gegen die drohende Hinrichtung des ehemaligen Mitgliedes der "Black-Panher"-Bewegung, Mumia ABU-JAMAL, im US-Staat Pennsylvania beteiligte sich die Hamburger VVN-BdA am 12. August an einer Protestdemonstration (ca. 300 Teilnehmer) vor dem Generalkonsulat der USA. Im November führte die VVN-BdA wieder ihre "Antifaschistischen Stadtteilrundgänge" zu historischen Stätten des antifaschistischen Widerstandes durch. Die Dehnbarkeit ihres Antifaschismus-Begriffes vermittelte die VVN-BdA u.a. dadurch, daß der Landesverband Hamburg die bundesweite Solidaritätsdemonstration vom 16. Dezember in Hamburg zugunsten von Personen aus dem "radikal"-Zusammenhang und linksterroristischer Gruppen unterstützte (9 siehe Hintergrund 2.4.4). 2.5.2 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) Die 1982 gegründete - aus dem "Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands" (KABD) hervorgegangene - MLPD stellt sich in den wiederkehrenden "Informationen für neue Leserinnen und Leser" ihres wöchentlich erscheinenden Zentralorgans "Rote Fahne" als Partei mit dem ehrgeizigen Anspruch vor, "den Marxismus-Leninismus und die Maotsetungideen schöpferisch auf die heutige Situation" anzuwenden. Sie erstrebt nach eigenen Angaben "die internationale Arbeitereinheit mit der Perspektive, den Imperialismus zu stürzen und den echten Sozialismus aufzubauen". Anfang des Jahres verlegte die MLPD ihren Sitz von Essen nach Gelsenkirchen Ihren am Maoismus orientierten, angeblich "echten Sozialismus" grenzt die MLPD kategorisch vom gescheiterten politischen Modell der ehemaligen DDR ab, bei dem 220 sich aus MLPD-Sicht lediglich um eine "Bourgeoisie neuen Typs" gehandelt hat. Dessen "Fehlentwicklung" bzw. "Entartung" des Sozialismus sei auf die nicht überwundene "kleinbürgerliche Denkweise" in der dafür verantwortlichen einstigen SED zurückzuführen. Als Kronzeugen dieser "Verkrüppelung" präsentierte die MLPD in der "Roten Fahne" Nr. 31 stolz ein ehemaliges SED-Mitglied, das seine Aufnahme in 'die MLPD beantragt hatte, um dort seine Mitschuld vor der "Arbeiterbewegung" abzutragen. Demgegenüber propagierte die MLPD - insbesondere an die Adresse der eigenen Gefolgschaft - in einer Dauerkampagne die "Lehre von der proletarischen Denkweise" als einzig korrekte Methode auf dem Weg zum Endziel. Mit dieser mehr nach innen gerichteten Kampagne bekräftigte die Parteiführung das kommunistischen Parteien traditionell anhaftende exklusive Erkenntnismonopol zur "richtigen" Anwendung des Marximus-Leninismus. Mitglieder und Sympathisanten wurden das gesamte Jahr über mit der verordneten Erkenntnismethode der "proletarischen Denkweise" konfrontiert und gefordert. Im Dezember sollten bundesweit 25 von ZK-Mitgliedern und anderen hohen Funktionären angeleitete Schulungen veranstaltet werden. Die auf abstraktem Niveau geführte "Denkweisen"-Debatte überfordert manche - insbesondere jugendlichen - MLPD-Anhänger, eignet sich daher aber auch zur Disziplinierung. Sie wurde als Hebel für "Kontrolle und Selbstkontrolle" genutzt und erleichterte das Vorgehen gegen "Abweichler". Hierdurch, ebenso mit einem latent aufblühenden Personenkult um die Person des Parteivorsitzenden Stefan ENGEL, umgab sich die Partei mit klassischen Stilelementen aus der Geschichte des Kommunismus. Im Mai veranstaltete die bundesweit auf etwa 2.700 Mitglieder angewachsene MLPD in Gelsenkirchen ihr traditionelles internationales Pfingstjugendtreffen, diesmal unter dem Motto "Der internationalen Solidarität gehört die Zukunft". Nach Querelen mit der Stadt Gelsenkirchen - sie hatte die Sondernutzungserlaubnis für den gewünschten Veranstaltungsort zunächst verweigert und dann mit umfangreichen, detaillierten 'Auflagen doch noch erteilt - zeigte sich die MLPD mit dem Erfolg der Veranstaltung zufrieden. In einer Presseerklärung meldete sie - in ebenso traditioneller maßloser Überhöhung - 21.000 Besucher. Das 25-jährige Erscheinungsjubiläum der "Roten Fahne" wurde auf dem Pfingstjugendtreffen mitgefeiert. Als zweite seit Jahren derkehrende Veranstaltung der Partei fand im Juli und August die "Sommerfreizeit in Schwerin am Plauer See statt. Das Ferienlager von vorwiegend Kindern und Jugendlichen fand mit ca. 400 Teilnehmern regen Zuspruch. Nach den 0,0%-Wahlergebnissen bei der Bundestagswahl 1994 nahm die MLPD 1995 an keiner Wahl mehr teil. Sie entschuldigte diese Abstinenz damit, die Kräfte der Partei nicht überstrapazieren zu wollen. Die Parteiführung behielt sich jedoch vor, Kandidaten oder Initiativen anderer Wahlbewerber, die ihrer Meinung nach die Entstehung einer außerparlamentarischen Bewegung förderten, zu unterstützen. Ihre so geschonten eigenen Kräfte konzentrierte die Partei statt dessen vorrangig auf das Pfingstjugendtreffen und die Vorbereitungen zum V. Parteitag im Jahre 1996. Wie in jedem Jahr mobilisierte die Partei zu diversen auch unter Marxisten-Leninisten 'obligaten Traditionsanlässen - so zu Aktionen am 1. Mai, zum internationalen Frauentag, Ostermärschen und zum "Antikriegstag" am 1. September. In Hamburg ist die Partei mit einer Ortsadresse vertreten. Die Stadt zählt mit Niedersachsen, Bremen und Schleswig-Holstein zum Bezirk Nord der MLPD. Einschließlich einzelner Mitglieder der bundesweiten Jugendorganisation "Rebell" zählt Hamburg etwa 30 Mitglieder und Anhänger der MLPD, Diese machten sich hauptsächlich mit Informationsständen, ansonsten jedoch öffentlich nur unbedeutend bemerkbar. Im Rahmeneiner bundesweiten Serie fandauch in Hamburgeine Veranstaltung zumErscheinen der Nr. 26 des theoretischen Organs "Revolutionärer Weg" statt, dessen Titel den Menschen das aktuelle Hauptanliegen der MLPD im Zeichen angeblicher "Barbarei" des Kapitalismus vermittelte: "Der Kampfum die Denkweise in der Arbeiterbewegung". Im Januar startete im Vorfeld der MLPD ein von rund 200 Personen besuchter bundesweiter Kongreß in Dortmund die "überparteiliche" Aktion "Arbeitsplätze für Millionen". im Rahmen eines "Sofortprogramms" wurden 5 Millionen neue Arbeitsplätze "auf Kosten der Monopole" verlangt - u.a. durch Einführung der 30-Stundenwoche bei "vollem Lohnausgleich". Auch in Hamburg präsentierte sich eine ensprechende Initiativgruppe mit Veranstaltungen. Der 1991 gegründete MLPD-beeinflußte Frauenverband "Courage" (Sitz Köln, ca. 600 Mitglieder) unterhält in Hamburg seit Juli 1994 eine Gruppe. Sie stellte sich im September im Rahmen der "Barmbeker Kulturtage" vor. Über sich selbst behauptet der Verband, überparteilich, demokratisch, international und finanziell unabhängig zu sein. 2.5.3 Nachfolgestrukturen des Bundes Westdeutscher Kommunisten (BWK) nebst Volksfront Der BWK war 1980 als marxistisch-Ieninistische Organisation durch Abspaltung vom damaligen maoistischen "Kommunistischen Bund Westdeutschland" (KBW) entstanden. Die BWK-Anhängerschaft von ursprünglich etwa 600 Mitgliedern hat sich bis. heute mehr als halbiert. Auf seiner 13. Ordentlichen Bundesdelegiertenkonferenz im März 1993 beschloß der BWK als erste linksextremistische Organisation der alten Bundesländer eine organisierte Zusammenarbeit mit der PDS. Zuvor hatte der BWK bereits seine Publikationsund Verlagsaktivitäten weitgehend mit entsprechenden PDS-Aktivitäten zusammen- geführt. 1994 und 1995 hat sich der BWK politisch - in Hamburg auch räumlich - zunehmend unter das Dach der PDS begeben. Als deutliches Zeichen dieser Annäherung hatten bereits zur Bundestagswahl 1994 BWK-Mitglieder - auch in Hamburg - auf Wahllisten der PDS kandidiert. Inzwischen sind in den alten Bundesländern die Landesverbände des BWK unter 'Ausnutzung von PDS-Satzungslücken in den "AGen BWK in und bei der PDS" aufgegangen. Einen formellen Auflösungsbeschluß faßte die BWK-Bundesdelegiertenkonferenz im März. Ungeachtet dieser umständlichen, von taktischen Erwägungen geleiteten Rechtskonstruktion, setzte der BWK seinen Zusammenhang auch ohne die abgelegte Statushülle fort. Die ehemaligen Landesverbände sind jetzt Träger eines weiteren Hilfskonstruktes, der "Vereinigung BWK-Bundeskonferenz". Unter diesem Namen agierte der noch etwa 250 Personen umfassende BWK seit März als bundesweiter Zusammenhang weiter. Aus dieser Zweigleisigkeit spricht der Versuch, einerseits politische Infrastrukturen, statuarische Rechte und Spielräume (einschließlich steuerlicher Vorteile) unter dem Etikett der PDS zu nutzen sowie deren Kursbestimmung gegen vermeintliche ideologische und reformerische "Aufweichungen" zu beeinflussen. Andererseits soll der alte BWK-Zusammenhang als Standbein, Stützpfeiler und Identitätsstifter bewahrt werden. 'Angesichts solcher offenbar als suspekt (', Unterwanderung durch politische Splittergruppen") empfundenen Taktierei hatte der PDS-Bundesvorstand am 23. März bei der PDS-Bundesschiedskommission (BSK) beantragt, die Gründung von "AGen des BWK in und bei der PDS" als mit dem Parteistatut unvereinbar festzustellen. Die BSK hat den Antrag mit einem am 30. Juni veröffentlichten Beschluß aus statuarischen und verfahrensrechtlichen Gründen abgewiesen und statt dessen "politischen Handlungsbedarf" bei den westdeutschen PDS-Landesverbänden konstatiert. Beweismaterial lege zwar die Annahme nahe, daß der BWK die AGen initiiert und sich "personell, programmatisch und organisatorisch de facto" in diese umgewandelt habe - allerdings mit dem Ziel, seine politische, ideologische und propagandistische Arbeit fortzusetzen. Die BSK sprach von einer "organisierten Ankoppelung" und von einer "Anlagerung" des BWK an die PDS, um dort die BWK-Organisation zu "rekonstituieren". So seien die AGen weitgehend eigenständige, geschlossene politische Vereinigungen. Ihre Satzungen enthielten dem PDS-Statut widrige Merkmale einer eigenständigen Parteiund Vereinsmitgliedschaft wie Eintritt, Ausschluß, Mitgliedsbeiträge und Anerkennung der Programmatik des BWK. Die AG-Mitglieder müßten sich daher eindeutig politisch-organisatorisch vom BWK trennen und sollten dazu auch den Namen der 'AGen ändern. Die BSK hat das Problem an die Schiedskommissionen der westlichen Landesverbände verwiesen. Die 1993 konstituierte "AG BWK in und bei der PDS/ Linke Liste Hamburg" hatte für den Fall einer BSK-Negativentscheidung eine ge- richtliche Klärung der Statusfrage angekündigt. Der Konflikt war bis zum Jahresende nicht entschieden. In Hamburg agierte die etwa noch 50 Personen umfassende "AG BWK in und bei der PDS/Linke Liste" vornehmlich in der linksextremistischen Solidaritätskampagne für die verbotene "Arbeiterpartei Kurdistan" (PKK). Sie organisierte dazu eigene Veranstaltungen und unterstützte Veranstaltungen und Demonstrationen anderer Linksextremisten, insbesondere durch Mitwirkung im Hamburger "Bündnis gegen das PKKVerbot". Anläßlich der Hamburger Demonstration zum kurdischen "Newroz"-Fest unterzeichnete die "AG BWK" das Aufrufflugblatt u.a. zusammen mit der DKP, der VVN-BdA, der VSP und der "Volksfront". Die 1979 von der maoistischen-proalbanischen KPD/ML gegründete "Volksfront" (VF) stand seit Ende der 80er Jahre unter BWK-Dominanz. Mit bundesweit noch etwa 200 Mitgliedern (Hamburg etwa 20) - darunter auch Personen aus der VVN-BdA, VSP und der Hamburger "Anarchistischen Gruppe/Rätekommunisten" (AG/R) - bewegte sich die VFaufder politischen Linie der "AGen BWK in und bei der PDS" und der übrigen vertretenen Organisationen. Die bundesweite Mitgliederversammlung am 26. November in Köln fand am Rande der Jahrestagung des Herausgeberkreises der "Antifaschistischen Nachrichten" statt, an der auch PDS-Mitglieder mitwirken. Ende 1994 hatte sich die bisherige VF formell aufgelöst mit der Absicht, künftig als Verein mit einer neuen Satzung und unter geändertem Namen (als "Arbeitsgemeinschaft") Anläßlich der linksextremistischen Proteste gegen die Berliner Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Befreiung (8. Mai) beteiligte sich die VF an der bundesweiten Kampagne "Nie wieder Deutschland", In Hamburg konzentrierte sich die VF auf die Zusammenarbeit mit anderen Antifa-Gruppen hauptsächlich über das hiesige Bündnis "Keinen Fußbreit den Faschisten". Anläßlich von Arbeitstreffen, Veranstaltungen und Demonstrationen wurde die schon zuvor gepflegte enge Zusammenarbeit u.a. mit 'Angehörigen der "AG BWK in und bei der PDS", DKP bzw. VVN-BdA und VSP fortgesetzt. Die Mehrzahl der Hamburger VF-Mitglieder befürwortet eine verbindli'chere Zusammenarbeit mit der VVN-BdA. Doppelmitgliedschaften wurden erwogen. 2.5.4 Vereinigung für Sozialistische Politik (VSP) Die VSP ist - wie der BWK -eineReststruktur derfrüheren "dogmatischen Neuen Linken" mit marxistischen Grundpositionen. Sie war 1986 durch Fusion der maoistisch-proalbanischen KPD/ML mit der deutschen Sektion der trotzkistischen IV. Internationale, "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM), als "Vereinigte Sozialistische Partei" (VSP) entstanden. Die VSP-Gründer hatten sich vorgenommen, zum Aufbau einer "revolutionären sozialistischen Massenpartei" beizutragen. Im Vorfeld ihrer Zentralen Delegiertenkonferenz (24/25. Juni) räumte die VSP nach 9 Jahren öffentlich ein, dieses Ziel verfehlt zu haben. Ausführlich wurde eine tiefgreifende weltweite Krise der revolutionären Marxisten analysiert: Nicht nur Strukturen, sondern das gesellschaftliche Milieu der "radikalen Linken" sei weggebrochen. Die "Arbeiterklasse" sei entsolidarisiert und gespalten, unfähig zur Bündelung von "Klasseninteressen". Der "Zusammenbruch im Osten" habe einen Zusammenbruch "in den Köpfen der Menschen" nach sich gezogen. Menschen, die zum revolutionären Bruch mit den politischen Herrschaftverhältnissen bereit wären, seien kaum mehr zu finden. Restbestände der Linken frönten alten Kinderkrankheiten wie Dogmatismus und Sektierertum, wie etwa die MLPD. Die "Restlinken" zu vereinen, wäre ein hoffnungsloses Unterfangen. Die westdeutsche Linke sei mit ihrem Versuch, eine radikale sozialistische Bewegung mit realem Masseneinfluß herauszubilden, gescheitert. Seit Mitte nennt sich die Organisation nur noch "Vereinigung für Sozialistische Politik" (VSP). Der Parteianspruch wurde aufgegeben. Mit der Abspaltung von Mitgliedern, die am 16.10.94 den trotzkistischen RSB gegründet hatten ((r) siehe: 2.5.8.2) war die Rest-VSP bis zur Jahresmitte auf etwa 150 Mitglieder geschrumpft. Künftig will die VSP-Leitung stärker in die programmatischen Debatten für "eine neue sozialistische Partei" eingreifen - einer Partei, die sich auf den Aufbau eines reproletarisierten "gesellschaftlichen Widerstandes" orientiert, in der reformorientierte "und revolutionäre Kräfte" zusammenarbeiten: Zentraler Ort, an dem eine solche Aufgabe heute sinnvoll angegangen werden könne, sei die PDS. Für viele VSP-Ier ist die PDS letzte Hoffnungsträgerin, daß die Linke in Deutschland überhaupt noch "ein Bein an die Erde kriegt." Das zur Bundestagswahl 1994 eingeleitete PDS-Engagement von VSP-Iern wurde fortgesetzt. Im Unterschied zum BWK, der sich bereits vor der VSP der PDS anlagerte ("AGen BWK in und bei der PDS") gibt esbei der VSPdie "AGPDS in der VSP". In Hamburg hatte ein VSP-Mitglied 1994 zur BundestagswahlaufPlatz 3 der offenen Landesliste der PDS kandidiert. Aus den weitgehend öffentlich reflektierten VSP-internen Debatten war unzweifelhaft zu entnehmen, daß eine Mehrheit angesichts brökkelnder Eigenstrukturen das PDS-Engagement (u.a. Doppelmitgliedschaften) als Rettungsanker begreift. Offenbar wird darauf spekuliert, den Westaufbau der PDS voranzubringen und auf mittlere Sicht zumindest über kommunale Wahlerfolge der PDS auch selbst politische Funktionen übernehmen zu können. Auf bundespolitischer Ebene ist 1994 über die Wahlliste der PDS ein VSP-Mitglied als Abgeordneter der PDS-Fraktion in den Bundestag eingezogen. Die VSP ist in Hamburg als selbständige politische Bestrebung wenig in Erscheinung getreten. Die etwa 20 - 25 Mitglieder der Ortsgruppe Hamburg - einst bundesweit stärkste VSP-Ortsgruppe - arbeiteten vorwiegend in gruppenübergreifenden Zusammenhängen mit anderen Linksextremisten, u.a. in antifaschistischen Bündnissen, zu- sammen. Zu einer Filmveranstaltung am 26. Januar im Hamburger VSP-Büro (,"Bedeutung der Oktoberrevolution") präsentierte die VSP-Ortsgruppe den Vorsitzenden 'der PDS-Bundestagsgruppe, MdB Gregor GYSI, als Diskussionsredner. Veranstaltungen im April und Juni befaßten sich mit den politischen Verhältnissen und gesellschaftlichen Widerständen in Lateinamerika. Wichtigster Propagandaträger war auch in Hamburg wiederum die 14-tägliche VSP-Publikation "Sozialistische Wochenzeitung" (SOZ) mit einer bundesweiten Auflage von zuletzt etwa 1.600. 2.5.5 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der Kommunistischen Partei Deutschlands (AB) Der AB ist eine marxistisch-leninistische Organisation im Spektrum der ehemaligen dogmatischen "Neuen Linken" ("K-Gruppen"). Er ist 1973 durch Zusammenschluß mehrerer jeweils örtlich aktiver, maoistisch orientierter "Arbeiterbasisgruppen" entstanden. Seine Programmatik entspricht dem klassischen Theorieprofil dogmatischer Linksextremisten: Beseitigung der "herrschenden Ausbeuterklasse", Errichtung der "Diktatur des Proletariats", Verwirklichung des Kommunismus in einer "klassenlo'sen Gesellschaft". In der allen Kommunisten eigenen Dialektik wird die dabei anzuwendende Gewalt als Gegengewalt umgedeutet, da die "herrschende Klasse" das Proletariat gewaltsam unterdrücke und nicht freiwillig auf ihre Macht verzichte. Der AB ist seit seiner Gründung vorwiegend in Bayern aktiv und hat dort auch seine organisatorischen Schwerpunkte, u.a. in Augsburg, Nürnberg, München, Regensburg. In mehreren Bundesländern bestehen weitere Ortsgruppen und Stützpunkte. Bundesweit beläuft sich die Mitgliederzahl auf etwa 200, davon etwa die Hälfte in Bayern. Die Ortsgruppe Hamburg umfaßt etwa 15 Personen. Seit 1990 ist die Organisation gespalten. Die auch in Hamburg vertretene Mehrheitsfraktion gibt das monatliche Zentralorgan "Kommunistische Arbeiterzeitung" (KAZ) heraus. Sie wird auch als "KAZ-Fraktion" bezeichnet. In Hamburg trat der AB in diesem Jahr - wie schon zuvor - nur unbedeutend an die Öffentlichkeit. Er beschränkte sich hauptsächlich darauf, Veranstaltungen, Demonstrationen und Kundgebungen anderer linksextremistischer Gruppierungen zu unterstützen. Zur Demonstration am 30. Januar aus Anlaß des "62. Jahrestages der Machtübertragung" unterstützte der AB einen u.a. von DKP, VVN-BdA, AG BWK in und bei der PDS, Volksfront und VSP getragenen Kundgebungsaufruf. Unter dem Motto "Befreiung statt Vernichtung" beteiligte sich der AB mit anderen Linksextremisten an der Hamburger 1. Mai-Demonstration. Als eigenständige politische Kraft ist der AB - selbst im Vergleich zu anderen Hamburger linksextremistischen Zusammenhängen - bedeutungslos. Er suchte hier deswe- 'gen die Aktionseinheit mit anderen Linksextremisten, bevorzugt mit DKP und VVNBdA. Für eine künftige vereinigte revolutionäre und kommunistische Bewegung sieht der AB in der DKP eine wichtige Partnerin. Die deutsche Wiedervereinigung liest sich beim AB als Ergebnis "konterrevolutionärer Ereignisse von 1989/90" und als "schwere Niederlage aller Kommunisten" einschließlich AB und DKP. Auch riumlich steht der AB der DKP nahe: Er ist Untermieter im DKP-Büro "Magda-ThüreyZentrum", 2.5.6 Nachfolgegruppen des Kommunistischen Bundes (KB) 1971 war in Hamburg der "Kommunistische Bund" (KB) gegründet worden. Er bekannte sich zum Marxismus-Leninismus und dessen Weiterentwicklung zum Maoismus. Nach 20 Jahren löste sich der schwerpunktmäßig in Norddeutschland angesiedelte KB im April 1991 auf. Er hatte sich in zwei Strömungen mit unvereinbaren Standpunkten über die Zukunft revolutionärer Marxistenim vereintenDeutschland -- u.a. im Verhältnis zur PDS - gespalten. Von 1977 noch etwa 1.700 Mitgli nem Mobilisierungsumfeld bis zu 5.000 Personen und Auflagen des "Arbeiter'kampfes" bis zu 27.500 waren noch etwa 180 Mitglieder und eine Zeitungsauflage von ca, 6.000 übriggeblieben. Die inzwischen bundesweit auf einen bescheidenen aktiven Kern geschrumpfte Mehrheitsfraktion "Ex-KB-Mehrheit" sah sich bisher der Tradition des ehemaligen KB verpflichtet. Sie hat daher auch die ehemalige KB-Publikation "Arbeiterkampf" unter der neuen Bezeichnung "analyse und kritik" (ak) - Redaktionssitz Hamburg - weiterpubliziert. Da das überholte "Parteiladen"-Image nicht mehr als zeitgerecht empfunden wird, sondieren die "ak"-Herausgeber Zusammenarbeitsmöglichkeiten mit anderen linksextremistischen Zeitungsprojekten. Einzelne aus dem Spektrum der Ex-KB-Mehrheit stammende Personen engagieren sich inzwischen in der PDS - eine Orientierung, die 1991 entscheidend zum Bruch mit der Minderheitsfraktion beitrug. Die Gruppetrat über ihre publizistischen Aktivitäten hinausin Hamburgkaum öffentlich in Erscheinung. Die "Ex-KB-Minderheit" gründete im Juli 1991 den zuletzt noch etwa 80 Personen (Hamburg etwa 20) umfassenden Zirkel "Gruppe K". Laut Gründungserklärung sah sie sich selbst als Teil der "nichtreformistischen, radikalen, antikapitalistischen, kommunistischen Linken". Ihr Ziel war eine "herrschafisfreie Gesellschaft". Sie gab 4 - 6 Mal im Jahr die Zeitschrift "bahamas" mit Redaktionssitz in Hamburg heraus, die sie selbst als "Zirkular" bezeichnete, um den provisorischen Charakter der Publikation zu betonen. Die "Gruppe K" exponierte sich mit extrem antinationalen Aussagen und fühlte sich einer "radikalen Deutschland-Kritik" verpflichtet. Schon 1990 hatte sie die Kampagne Am 21. Oktober erk|lärte die G ruppe "K" j munistisch e O ganisationsa nsa tz sei u.a. di 2.5.7 (olutionär-marxis !tsgruppen- d tischeD n iskussion ensog."Rote nZellen"he s- rv orgegangen, Sie entstand -als eine 'die regelmäßig an Schulungen, Teach-In's und Arbeitskreisen teilnahmen. In alten Bundesländern, insbesondere an den Hochschulstandorten, hatte sie Grup'oder Stützpunkte etabliert. In Hamburg - einer der MG-Hochburgen - wurde von 1.000 Mitgliedern, Kandidaten und Sympathisanten ausgegangen. Überraschend hatte die "Marxistische Gruppe" (MG) im Mai 1991 ihre Selbstauflö'sung bekanntgegeben. Nachdem zahlreiche - zum Teil hochrangige - in Einflußpositionen vorgedrungene MG-Aktivisten entdeckt bzw. "geoutet" worden waren, grassierte in der damaligen Organisation eine "Spitzel"-Psychose. MG-Mitglieder und Kader hatten in den Jahren zuvor gesellschaftliche Institutionen und Unternehmens'etagen infiltriert und Einflußnetze geknüpft. MG-Seilschaften hatten sich auf attraktive berufliche Positionen gehievt, die sie in ihrem eigenen Jargon als "Jobs der Elite" definierten und in einer "Marxistischen Berufsberatung" (1987) exemplarisch aufgezählt hatten: Arzt, Zahnarzt, Apotheker, Ingenieur, Börsenspekulant, Journalist, Lehrer, Manager, Offizier, Politiker, Professor, Pfarrer, Programmierer, Psychologe, Rechtsanwalt. In selbst gewählter Abschottung gegenüber anderen extremistischen Gruppierungen hatte die MG ihrer Anhängerschaft abstruse Auslegungen marxistischer Theoriefragmente als die einzig richtigen gleichsam eingetrichtert. Ein avantgardistischer und elitärer Habitus kennzeichneten die Funktionärskaste. Rekrutierungsprozeduren und Gruppengehorsam vermittelten Merkmale einer Sekte, deren Anhänger zum Teil Persönlichkeitsveränderungen durchmachten, wie sie bei Glaubenssekten zu beobachten sind. U.a. die Konspiration der MG nach außen, Überwachung nach innen und die systematische Einflußvernetzung veranlaßten den Bundesinnenminister im März 1991, die MG in einer Aufklärungsbroschüre als "Kommunistischen Geheimbund" zu betiteln. Den Sicherheitsbehörden boten sich frühzeitig Anhaltspunkte, nach denen die Emnsthaftigkeit der Auflösungsdeklaration bezweifelt werden mußte. In Hamburg hatte sich die MG nach 1991 lange Zeit in der Öffentlichkeit zurückgehalten. Eine Reihe schon vorher als Basisstrukturen dienender Wohngemeinschaflen blieb weitgehend unangetastet. Bereits im März 1992 war dann die erste Ausgabe der vierteljährlichen Zeitschrift "Gegenstandpunkte" ohne direkten Hinweis auf die MG erschienen. Die im Impressum genannten Redakteure waren allerdings als führende MG-Funktionäre bekannt. Unter vermeintlich unverfänglichen Bezeichnungen traten "ehemalige" MG-ler in Hamburg mindestens seit 1994 wieder mit Versammlungen und Veranstaltungen offen auf. Am 21.06.1994 richteten "ehemalige" MG-Ier als "Gruppe Diskussion und Kritik" in Hamburg eine Veranstaltung zum Wahljahr 1994 aus. 1995 erschienene Ausgaben der "Gegenstandpunkte" enthielten Beilagen, mit denen die Redaktion auch für Hamburg Diskussionsveranstaltungen anbot und Termine bekanntgab. Auf dem Programm standen u.a. die Tarifrunde 1995, "Weltmarkt und Geldmarkt" sowie "Rassismus und 229 Nationalismus". Das aktuelle Erscheinungsbild der MG spricht dafür, daß die ihr verbliebenen Kernbereiche sich auf einem abgesenkten Niveau konsolidiert haben und die verbliebene Anhängerschaft dort anknüpft, wo sie 1991 eine Art "Überwinterungspause" eingelegt hatte. Zu den Klassikern des Marxismus-Leninismus pflegt die MG ein eher distanziertes Verhältnis. Sie bedient sich ihrer Philosophien auch nur selektiv und steht auch nicht an der Spitze irgendeines sozialen "Widerstandes von unten". Mit ihrem Zynismus, ihrer verschrobenen Dialektik und einem intellektuell-elitären Sprachduktus kann sie "proletarische" Zielgruppen nicht erreichen. Sie ist daher auch kein mögliches Zentrum revolutionärer Massenmobilisierungen. Die Rückkehr "ehemaliger" MG-ler an die Öffentlichkeit hat auch die Aufmerksamkeit anderer Linksextremisten geweckt. Die - im Oktober selbst aufgelöste - KBNachfolgestruktur "Gruppe K" beklagte sich in ihrem Periodikum "bahamas" Nr. 18/1995 u.a. darüber, daß die MG nach ihrer "Metamorphose in eine nicht organisatorisch festzumachende Strömung" gegen antinationale Strömungen den Vorwurf erhoben habe, sie seien die "wirklichen Rassisten". In der Überschrift zum "bahamas"Artikel wurde den Autoren von "GEGENSTANDPUNKTE" bescheinigt, sie hätten sich offenbar von "Volkskritikern" (MG) zu "Volksaufklärern" gewandelt. 2.5.8 Trotzkistische Gruppen und Strömungen 2.5.8.1 Allgemeines Unter den revolutionären Marxisten in Deutschland gibt es etwa 1.500 Trotzkisten. Sie heben sich durch ihre betont antistalinistische Orientierung von anderen Kommunisten ab und fielen in der Vergangenheit durch eher differenzierende, theoriebetonte analysierende Argumentation auf. Trotzkistische Strategievorstellungen interessierten schon während und nach der Studentenrevolte von 1968 insbesondere avantgardisti sche intellektuelle "Neue Linke". Dem "Vereinigten Sekretariat" der IV. Internationale (damals Brüssel) unter seinem geistigen Führer Emest MANDEL (gestorben 20.07. 1995) waren z.B. 1974 weltweit 48 nationale "Sektionen" angeschlossen. MANDEL hatte persönliche Kontakte zu Fidel CASTRO und Che GUEVARA, war eine EinNußfigur der Protestbewegung im Mai 1968 in Frankreich, der deutschen APO von 1968, bei den Massenstreiks in Italien 1969 und bei der portugiesischen "Revolution der Nelken" 1974. Die deutsche Sektion "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) verfügte in den 70ern über600 Mitglieder in rund 50 Ortsgruppen und Stützpunkten. Weltweit hat es noch kein Beispiel staatlicher trotzkistischer Machtausübung gegeben. Trotzkisten unterlagen somit bisher auch noch keinem Zugzwang, durch selbst geschaffene Fakten die Richtigkeit ihrer Theorien praktisch beweisen zu müssen. Zu den klassischen Merkmalen trotzkistischer Einflußgewinnung gehört die Taktik des Entrismus, des Unterwanderns z.B. sozialdemokratischer Parteien oder gewerkschaftlicher Organisationen bzw. der verdeckten Mitarbeit in solchen. Sie zielt darauf ab, deren Strukturen in "bürgerliche" und "proletarische" Bestandteile aufzuspalten. Zwischen dem hochgesteckten theoretischen Anspruch trotzkistischer Gruppierungen und ihrem praktischen Einfluß klaffen Abgründe. Trotzkisten bilden in Deutschland einen bunten Flickenteppich politischer Sektiererzirkel, die untereinander ideologisch zerstritten sind. Nachstehend werden nur einige erläuternd aufgezählt. 2.5.8.2 Revolutionär-Sozialistischer Bund (RSB) Der "Revolutionäre Sozialistische Bund" (RSB) wurde am 16.10.94 in Mannhein gegründet. Die Initiative ging von unzufriedenen trotzkistischen Mitgliedern der "Vereinigten Sozialistischen Partei" (VSP), der Miniorganisation "Gruppe Spartakus (für die IV. Internationale)", der Splitterorganisation "Gruppe Avanti - 4. Internationale" und der trotzkistischen "INPREKORR"-Strömung aus. Letztere war 1986 im Zuge der VSP-Gründung entstanden, weil Mitbegründer der VSP mit einem trotzkistischen Vorlauf in der ehemaligen "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) Wert darauf legten, ihre bisherige politische Identität durch individuelle Mitgliedschaft in der weltweiten trotzkistischen Dachorganisation "IV. Internationale" zu bewahren. Das Fusionsabkommen mit der damaligen "Kommunistischen Partei Deutschlands (Marxisten-Leninisten)" erlaubte diese Zweigleisigkeit. Mitglieder und Leitungspersonen des RSB stammen überwiegend aus der VSP. Der RSB ist daher im wesentlichen eine VSP-Abspaltung, die u.a. in dem Anlagerungskurs der VSP an die PDS keine "revolutionär-sozialistische Alternative" erblicken kann. Mitglieder der "INPREKORR"-Strömung hatten 1988 in der VSP eine "Plattform zur Erneuerung der VSP" gebildet. Sie entwickelte sich zu einem dauerhaften innerparteilichen Unruheherd mit dem Ziel, die VSP insgesamt der "IV. Internationale" anzuschließen - ein Schritt, mit dem sich die GIM bei den Fusionsverhandlungen 1986 gegenüber ihrer Fusionspartnerin KPD nicht hatte durchsetzen können. 1991 verselbständigte sich diese Dissidentenschaft als "Organisation in der Organisation", deren Anliegen Anfang 1993 von der VSP-Mehrheit definitiv zurückgewiesen wurde. Von nun an steuerten die Unterlegenen zielstrebig die Reorganisation einer deutschen Sektion der "IV. Internationale"außerhalbder VSP an. Der 14. Weltkongreß der trotzkistischen "IV. Internationale" (5.-10. Juni) hat über die Anerkennung des RSB als "Deutsche Sektion der IV. Internationale" nicht entschieden, zumal auch die in der Rest-VSP verbliebenen Trotzkisten ("AG der Mitglieder der IV. Internationale in der VSP") auf ihre statusrechtliche Anerkennung hoffen. In seinem Zentralorgan "Avanti" solidarisie rte sich der etwa 100 Mitglieder umfassende RSB (Hamburg unter 10) mit der verb otenen PKK als stärkster revolutionärer Organisation in Deutschland. Fehler und " Übe rgriffe" seien in "Befreiungskämpfen" unvermeidbar und kein Distanzierungsgrun d. Anläßlich der Hamburger Demonstrati - on zum kurdischen "Newroz"-Fest am 20. März unterzeichnete der RSB u.a. zusammen mit VSP, DKP, MLPD und "AG BWK inundbeiderPDS" das Aufruff lugblatt. Der RSB hat in Hamburg zu mehreren and eren Veranstaltungen eingeladen, u.a. am 27. September zu einer Podiumsdiskussion in der "Werkstatt 3" zum Thema "Sozialismus oder Barbarei". 2.5.8.3 Sozialistische Arbeitergruppe (SAG) Die SAG - SitzHannover - ist diedeutscheSektionder internationalen trotzkis tischen Strömung "InternationaleSozialisten"(15 ). Sie erstrebt den Aufbau einer revolution ä- ren kommunistischen Partei, die proletarische Revolution und einen Staat unter Führung von Arbeiterräten. Der Weg dorthin führt nach Auffassung der SAG über eine beharrliche Betriebsund Gewerkschaftsarbei t. Die etwa 200 Mitglieder (Hamburg etwa um 30) umfassende Organisation verfügt über Kontaktadressen u.a. in Berlin, Chemni tz, Esslingen, Frankfurt/Main,Freiburg, Gera, Gießen, Göttingen, Hamburg, Hannov er, Kiel, Köln, Leipzig, Ludwigshafen, München, Plauen, Rostock, Schleswig und Zwi ckau. Die von der SAGverbreitete monatliche Publikation "Sozialismus von unte n" verschleiert ihre Herkunft mit der Herausgeberangabe: "Verein für Geschic hte und Zeitgeschichte der Arbeiterbew e- gung". Vorläufer war das Parteiorgan "Kla ssenkampf". Seit 1994 forcierten SAG-Mitglieder - auch in Hamburgihre Entrismuspolitik gegenüber den Jungsozialisten in der SPD. U.a. zu diesem Zweck waren nach dem Muster der britischen Sektion "Socialist Workers Party" (SWP) und ihrer "Anti-NaziLeague" in mehreren deutschen Städten Vorfeldstrukturen mit Schwerpunkten im "antifaschistischen" Kampf - sog. "Anti-NaziBündnisse" (ANB) - initiiert worden. Einen Rückschlag erlitt diese Strategie in Ham burg, indem sich das hiesige ANB nach nur | 1-monatiger Existenz im Februar ohne Angabe von Gründen auflöste. In der lokalen linksextremistischen Szene war es als zu "bürgerlich" in Verruf geraten und von Bündnisabsprachen weitgehend ausgesch lossen worden. Mit der ANB-Auflösung entfiel ein Ansatzpunkt entristischer Absichten, sie bedeutet nicht 'deren Scheitern. 2.5.8.4 Jugend gegen Rassismus in Europa (JRE) Der trotzkistische Einfluß auf die bundes weit etwa 1.000 Mitglieder von JREGruppen bröckelte ab. Einige Ortsgruppen löst en sich auf, bei anderen kam es zu Ab- 'spaltungen, die als unabhängige bzw. eigenständige Zusammenhänge weiterarbeiteten. Siebegründetenihr Ausscheren damit, daß die JRE zustark von der "Sozialisti'schen Alternative VORAN" (SAV, deutsche Sektion des internationalen trotzkistischen Dachverbandes "Committee for a Worker's International" - CWI, London) beeinflußtsei. Das Bundesbürosei ausschließlich mit SAV-Mitgliedern besetzt. Es mangelederOrganisationan Basisdemokratie und Abgrenzung zur Sozialdemokratie. Zudem wurden "Sicherheits"-Defiziteim Hinblick auf befürchtete Neonazi-Angriffe gegen enttarnte JRE-Mitglieder beklagt. Auch die Hamburger Ortsgruppe war von solchen Verlusten betroffen. Ihr Rest trifft sich zwar weiterhin regelmäßig in Räumen des DKP-Kreisbüros "Magda-ThüreyZentrum", warjedochwenigeraktiv,als in früheren Jahren. Im Juniveranstaltete die JRE eine bundesweite Aktionswoche gegen Rassismus. Offenbar auch angesichts rückläufiger rechtsextremistischer Aktivitäten in der Öffentlichkeit versucht die JRE, sich auf Bundesebene völlig neue Aktionsfelder zu erschließen, so u.a. im Bereich des Antikernkraftbzw. Anti"Castor"-Widerstandes. Unter dem Eindruck spektakulärer Protestbewegungen gegen Sozialabbau in Frankreich hofft die JRE auch auf größeren Einfluß unter Schülern (z.B. in Schülervertretungen), Studenten und Auszubildenden. 2.5.8.5 Spartakist Arbeiterpartei Deutschlands (SpAD) Die SpAD wurde am 21.01.90 in Berlin als deutsche Sektion der trotzkistischen "Internationalen Kommunistischen Liga" (Vierte Internationale) von der "Trotzkistischen Liga Deutschlands" (TLD) und Mitgliedern sog. "Spartakist-Gruppen" gegründet. Sie ist politisch mit der "SpartacistLeague"(USA)verbunden und steuert das im August 1989 gegründete "Komitee für soziale Verteidigung" (K1SV). Berlin ist bis heute organisatorischer Schwerpunkt der SpAD. Die Organisation hat sich öffentlich mit ehemaligen Funktionären des SED-Regimes (u.a. Erich MIELKE, Markus WOLF) solidarisiert und eine "antikommunistische Hexenjagd" beklagt. Die SpaD propagiert die trotzkistische Strategie des Entrismus durch Unterwanderung von "Massenorganisationen" und Parteien. SpAD-Vertreter nahmen am 25. Februar in Berlin am Kongreß der "Kommunistischen Plattform" (KPF) der PDS teil und suchten nachhaltig Kontakt zu KPF-Mitgliedern. In Hamburg machte sich die SpAD vor allem mit Veranstaltungen ihrer "SpartakistJugend" bemerkbar. In Flugblättern warb diese für eine Filmveranstaltung zur schwarzen Anti-Rassismus-Bewegung in den USA und lud zu einer DiskussionsVeranstaltung "Von Sacco und Vanzetti über Scottsboro Boys bis Mumia Abu-Jamal - Zur kommunistischen Verteidigungsarbeit: Klasse gegen Klasse" ein. Ein Hamburger 233 SpAD-Mitglied zeichnet für das bundesweit erscheinende SpAD-Sprachrohr "Sparta'kist" verantwortlich. 2.5.8.6 Bund Sozialistischer Arbeiter (BSA) Der 1971 gegründete BSA mit einer nur unscheinbaren kleinen Mitgliederschar wird hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt. In Hamburg und auch bundesweit machte sich die Organisation fast ausschließlich über ihre Publikation "Neue Arbeiterpresse" bemerkbar. Der BSA gehört einer der zahlreichen weltweit konkurrierenden trotzkistischen Strömungen, dem "Internationalen Komitee der Vierten Internationale" (IKVI) als deutsche Sektion an. Er hatte 1989 und 1994 bundesweit und in Hamburg bei den Europawahlen mit jeweils 0,0%-Ergebnissen kandidiert. 3. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern 3.1 Allgemeines 3.1.1 Hintergründe, Merkmale, Zielrichtungen Deutschland ist Gastland für etwa 7 Millionen Ausländer, das sind insgesamt etwa 8,6 % der Bevölkerung. In Hamburg ist ihr Anteil mit 15,6 % (knapp 268.000) deutlich höher als im Bundesdurchschnitt. Sie sind in ihrer großen Mehrheit friedliche, wohlmeinende Mitbürgerinnen und Mitbürger, auf die das deutsche Volk in vielfältiger Hinsicht angewiesen ist. Allerdings gibt es ein - im Gesamtverhältnis minmales - gleichwohl wachsendes Potential ausländischer Extremisten, das nicht übersehen und in der Gefährlichkeit für das friedliche Zusammenleben von Ausländern und Deutschen nicht unterschätzt werden darf. Etwa 2.200 der in Hamburg lebenden Ausländer (0,8%) werden Organisationen zugerechnet, die im Rahmen des gesetzlichen Auftrags der Beobachtung durch den Verfassungsschutz unterliegen, weil sie ($ 4 HmbVerfSchG) (r) sich mit ihren Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und die innere Sicherheit wenden und/oder (r) durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange Deutschlands gefährden und/oder * sichihre Bestrebungen gegendenGedankender Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenleben der Völkerrichten. Bei einer nicht unerheblichen Zahl von Mitgliedern, Sympathisanten und sonstigen Anhängern gaben primär familiäre und herkunftsbedingte Bindungen und Beziehungen den Anstoß dazu, sich in die Disziplin extremistischer Organisationen einbinden zu lassen. Häufig lassen sie sich als Unterstützerpotential mitreißen, einspannen bzw. aktivieren, wenn herausfordernde Ereignisse in der Heimat zu massiven Protestreaktionen der im Ausland lebenden politisch-extremistisch engagierten Landsleute führen. Während sich zweifellos die überwältigende Mehrheit der in Deutschland lebenden Ausländer von extremistischen Gruppierungen distanziert und die Entwicklung mit Sorge beobachtet, nutzen andere ihre hier - im Vergleich zur Heimat - gesichertere Lebenssituation zu politischen Bestrebungen und Betätigungen, die den Gesetzen und staatlichen Interessen des Gastlandes zuwiderlaufen. Vor allem linksextremistische Türkenund Kurdenorganisationen stehen im Konflikt mit deutschen Sicherheitsbehörden. Aus ihrem Selbstverständnis als "Revolutionäre" und aus möglicherweise in der Heimat erlittener Willkür, Verfolgung, Unterdrückung und Verwicklung in Kriegshandlungen resultiert nicht selten eine Einstellung zur Anwendung von Gewalt, die zwangsläufig mit unserer Rechtsordnung kollidiert. Mehrere Serien von Brandanschlägen ausländischer Extremisten und diverse militante Ausschreitungen machten dieses 1995 besonders deutlich. Deutsche auswärtige Belange können u.a. schon dadurch gefährdet werden, daß - vom Territorium der Bundesrepublik aus - auf Gewaltanwendung gerichtete Vorbereitunghandlungen stattfinden, die militärischen oder sonstigen bewaffneten Kämpfen gegen die Regierung eines Heimatlandes dienen sollen. Dazu gehören z.B. bereits Geldsammlungen, mit denen militärische oder terroristische Einheiten finanziert oder Waffen beschafft werden. Die innere Sicherheit in Deutschland wird z.B. von "Spenden"Erhebungen mehrerer ausländischer Gruppen immer dann in nicht hinnehmbarer Weise berührt, wenn sie sich unter Androhung oder Ausübung von Gewalt unter erpresserischen Umständen vollzieht. Unmittelbar und augenfällig werden auswärtige Belange immer dann gefährdet, wenn sich politisch motivierte Gewalt gegen offizielle ausländische Vertretungen, ausländische Handelsund Wirtschaftinstitutionen oder personenbezogen gegen ausländische Mitbürger richtet und das staatliche Gewaltmonopol mißachtet. Der Anspruch auf staatlichen Schutz vor Straftätern ist unteilbar und gilt für alle in Deutschland lebenden Menschen. Von den hier beobachteten politisch-extremistischen und sicherheitsge! 'Ausländerorganisationen verfügen die islamischen Extremisten mit etwa 31.800 über die größte und eine zudem anhaltend wachsende Anhängerschaft. Angesichts von über zwei Millionen in Deutschland lebenden Muslimen stellt das darin enthaltene extremistische Potential letztlich einen relativ kleinen Anteil (1,6 %) dar. Kennzeichnend für diese Form des Extremismus ist das Bestreben, Pluralismus und Mehrparteiensystem durch das System eines auf dem Koran basierenden, Gesellschaft und Staat umfassenden "Gottesstaates" zu ersetzen und den in westlichen Rechtsordnungen verankerten Menschenrechten den Totalitätsanspruch des Koran überzuordnen. Mit dem Islamismus geht zumeist eine mehr oder weniger offen verbreitete antijüdische 'oder antizionistische Propaganda einher, die wegen ihrer Feindseligkeit konfliktträchtig ist und sich gegen das friedliche Zusammenleben der Völker richtet. Der Extremismus von Iranern und Arabern forderte aufgrund seiner terroristischen Methoden im Ausland erhöhte Aufmerksamkeit der deutschen Sicherheitsbehörden wa. deswegen heraus, weil sich auch in Deutschland Anhänger entsprechender Gruppierungen dieser Nationalitäten aufhalten. 3.1.2 Gewalthandlungen und sonstige Gesetzesverletzungen Die nachstehenden Zahlenangaben für 1995 sind vorläufig. Korrekturen aufgrund neuer Ermittlungsergebnisse, geänderter Erkenntnislagen und Bewertungen sind vorbehalten. Soweit die Vergleichszahlen für 1994 von früheren Statistiken abweichen, beruhen die jetzigen Angaben auf einem aktuelleren Erkenntnisstand. Insgesamt wurden bundesweit 283 Gewalttaten erfaßt, bei denen ein ausländerextremistischer Hintergrund erwiesen oder aufgrund der Gesamtumstände zu vermuten ist - ein um 8% höheres Ergebnis als 1994 (262 Gewalttaten). Sie sind weit überwiegend türkischen und kurdischen Extremisten zuzurechnen. Vor allem die Zahl der Brandanschläge stieg drastisch von 56 im Vorjahr auf 188 im Jahr 1995. Die Verdreifachung dieser Tatenkategorie ging nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden überwiegend auf das Konto der PKK, die ohnehin für etwa 70% aller von ausländischen Extremisten verübten Gewalttaten verantwortlich gemacht wird. linksextremistisch extrem islamischnationalistisch. 'extremistisch [_ v3] 20m | um | 'Terrorakteu. andere schwere Gewalttaten / Bundesebene "Tötungsdelikte (einschl. Versuch) Sprengstoffanschläg Brandanschläge ** ua Summe der schweren Gewaltakte | 76 ]10 | Sonstige Gewaltakte: (Freihetsberaubungen 1714| [Raub/Erpressung#8 | [Kömerverletzungen| [Landiriedensbrüche "7 LL I 9 1 15} [Sachbeschädigungen mirerheblGewaltanwendung | 23 | 30 | Nötigung Summe der sonstigen Gewaltakte 28] Gewalandrohungen DB 50 ") 1994: 15 versuchte und 5 vollendete Tötungsdelikte, 1995: 1 vollendetes Tötungsdelikt *) umfaßt Brandstiftungen und alle Sachbeschädigungen unter Einsatz von Brandmitteln ***) hohe Dunkelziffer bei Spendengelderpressungen (z.T. mit schweren Körper verletzungen) #***) z.T.mit Körperverletzungen (1994: 21, 1995 mind. 7) und Tötungsversuchen (1994: 5, 1995: 1) In Hamburg wurden insgesamt 14 Brandanschläge gezählt - gegenüber 1994 mit "nur" 6 mehr als doppelt so viele. Sie richteten sich weit überwiegend gegen Einrichtungen türkischer Mitbewohner, Reisebüros, Banken, Gaststätten und Vereinsräume, die von Ausländern frequentiert oder betrieben werden. Die Gesamtzahl der Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem ausländerextremistischen Hintergrund belief sich in Hamburg 1995 auf 30 (1994: 21), was eine Zunahme um über 40% bedeutet. Die Chronologie der Gewaltakte in Hamburg setzte am 17. Februar ein, als eine türkische Reiseagentur im Stadtteil Bergedorf von Brandstiftern heimgesucht wurde. Am gleichen Tag richtete sich ein Brandanschlag gegen ein türkisches Reisebüro im Stadtteil Ottensen. Am 28. Februar war ein weiteres Reisebüro im Stadtteil Altona Ziel eines Anschlages. In einer Bekennung bezeichneten sich die Täter als "Kinder des Landes vom Feuer und der Sonne" - eine im Zusammenhang mit der PKK237 Jugend gebräuchliche Umschreibung. Minuten später richtete sich ein Anschlag ge'gen ein Reisebüro im Stadtteil Harburg. Kurz danach erfolgte ein erneuter Brandanschlag im Stadtteil Bergedorf auf die türkische Reiseagentur, die bereits am 17.02. betroffen war; schließlich wurde in der gleichen Nacht ein weiteres türkisches Reisebüro in Harburg Opfer von Attentätern. Bereits in der Nacht vom 02./03. März folgte eine weitere Sachbeschädigung an einem dritten Harburger türkischen Reisebüro. Ebenfalls in der gleichen Nacht wurde auf ein türkisches Reisebüro im Stadtteil St. Pauli geschossen. Die Täter hinterließen hier einen Aufrufzur Solidarität mit dem Befreiungskampf des kurdischen Volkes - eines von zahlreichen Indizien im vorstehend geschilderten Gewalttatenkomplex, nach denen kurdische Extremisten als Verursa'cher anzunehmen sind. 180. / Teror-/und sonstige a schwereGewaltakte | se22.11.93 ausländischer Eitremisten in PRKder Bundesrepublik | BetätigmgAm 14. März verübten türkische Linksextremisten einen Brandanschlag gegen den Sitz der "Türkischen Familien-Union" im Stadtteil Altona, die dem extrem nationalistischen türkischen Dachverband ADÜTDF zuzurechnen ist und von Linksextremisten als "faschistische Graue Wölfe" für die Opfer des Alevitenkonfliktes (militante Auseinandersetzungen am 12/13. März in Istanbul) indirekt mitverantwortlich gemacht werden. Zwei weitere Brandanschläge türkischer Linksextremisten richteten sich am 15. März gegen den Sitz der türkischen nationalistischen "Großen Einheits238 'parte' (BBP) in Altona und gegen die Teestube eines türkischen Kulturvereines in St. Pauli, die von politischen Gegnern als Treffpunkt von "Faschisten" angesehen wird. Zwei weitere Brandanschläge türkischer Linksextremisten folgten am 15. April. Einer richtete sich gegen ein deutsches Reisebüro in St. Pauli, ein anderer gegen einen islamischen Kulturverein im Stadtteil Wilhelmsburg. Drei Brandanschläge - wahrscheinlich von PKK-Anhängern - wurden in der Nacht vom 26./27. Juli verübt. Sie richteten sich gegen ein türkisches Restaurant in St. Pauli, dessen Betreiber von den Tätern vermutlich den "Grauen Wölfen" zugerechnet wird, gegen einen türkischen Kulturverein in St. Pauli und gegen ein türkisches Lokal am Veddeler Damm. 3 Tage später suchten Brandstifter den Pavillon der "Selbsthilfeorganisation für türkische Rentner und Alte" in Bergedorf heim. Das Feuer konnte rechtzeitig gelöscht werden, bevor größerer Schaden entstand. Am 6. Oktober überfielen vier mit Schußwaffen ausgerüstete türkische Linksextremisten einen Angestellten des türkischen Generalkonsulates, fesselten ihn und schmierten Parolen an die Wände seines Arbeitsraumes. Am 15. Dezember warfen türkische Linksextremisten 'einen Molotow-Cocktail in den Vorraum einer türkischen Bank in der Innenstadt. 3.2 Kurden 3.2.1 Allgemeines Dasauf etwa 22 Millionen Menschen geschätzte kurdische Volk lebt seit Jahrhunderten in einem geographisch zusammenhängenden Siedlungsgebiet, das sich heute auf Territorien der Türkei (ca. 12 Mio.), Irans (ca. 5 Mio.), Iraks (ca. 4 Mio.), Syriens (ca. 1 Mio.) und Armeniens (ca. 20.000 ) erstreckt. Im Irak leben Kurden seit 1991 in einer UNO-Schutzzone in faktischer Autonomie, allerdings ohne vertragliche Anerkennung seitens der irakischen Führung. Bewaffnete Aufstände der Kurden im Iran und in der Türkei mit der Forderung nach Autonomie wurden in der Vergangenheit und bis heute blutig niedergeschlagen. Die genaue Zahl der in Deutschland lebenden Kurden ist nicht bekannt. Schätzungen 'gehen von 450.000 bis fast 500.000 Personen kurdischer Herkunft aus, die überwiegend aus der Türkei stammen (Schätzungen für Hamburg: 24.000 - 28.000). Ein Teil von ihnen ist in politischen Organisationen engagiert, die in ihren Heimatregionen mit unterschiedlichen Mitteln für einen Autonomiestatus kämpfen: teils friedlich mit politischen Mitteln, teils mit militärischer oder terroristischer Gewalt. Zu den gemäßigten - nach teilstaatlicher Autonomie im Irak strebenden - Organisationen gehören die "Demokratische Partei Kurdistan/Irak" (DPK/Irak) und die "Parri'otische Union Kurdistans" (PUK). Sie kämpfen im Irak trotz gemeinsamer Ziele seit 239 1994 mit kurzen Unterbrechungen bis in die jüngste Zeit bewaffnet gegeneinander um die Vorherrschaft in der Region. Beide mit zusammen etwa 400 Anhängern auch iin Deutschland vertretenen Organisationen sind hier bisher nicht durch militante Aktionen aufgefallen. Einen föderativen Staat Kurdistan innerhalb der Türkei strebt die marxistisch-leninistisch ausgerichtete "Sozialistische Partei Kurdistans" (PSK) an. Ihre Interessen werden in Deutschland von ihrer Nebenorganisation "KOMKAR - Verband der Vereine aus Kurdistan" vertreten. Etwa 400 Anhänger sind bundesweit in örtlichen Vereinen organisiert, so im Hamburger "Kurdisch-Deutschen Freundschafisverein e.V.". Anhänger des "KOMKAR"-Verbandes sind bisher ebenfalls nicht durch militante Aktionen aufgefallen. Ein kurdischer sozialistisch geprägter Nationalstaat ist das Ziel der linksextremistischen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) unter ihrem Generalsekretär Abdullah ÖCALAN. Die PKK schließt inzwischen eine Autonomielösung innerhalb der Grenzen des türkischen Staates nicht aus. Sie sieht sich als legitime Vertreterin der Interessen des kurdischen Volkes. 1984 eröffnete der bewaffnete Flügel der PKK, die "Volksbefreiungsarmee Kurdistans" (ARGK) in der Südosttürkei einen militärisch - zum Teil terroristisch - geführten Kampf gegen den türkischen Staat bzw. dessen Sicherheitskräfte. In Deutschland hat sich die PKK mit nahezu 9.000 Anhängern zur militantesten ausländischen Extremistenorganisation entwickelt, Mit ihrer permanten Gewaltausübung im Gastland bedroht sie die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Sie tritt hier durchweg unter der Fahne ihrer Propagandaorganisation "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) auf. Am 26.11.93 wurden PKK und ERNK durch Verfügung des Bundesministers des Inneren mit Betätigungsverboten belegt. 29 örtliche Mitgliedsvereine sowie mehrere Teilund Nebenorganisationen wurden verboten und aufgelöst. Deren Klage auf Verbotsaufhebung ist noch nicht beschieden. Die PKK operiert in Deutschland mit einer Doppelstrategie: Einerseits auf den Straßen politisch-propagandistisch und militantaktionistisch - andererseits im scheindiplomatischen Gewand mit dem Anspruch einer legitimen und seriösen Volksvertretung: So entwickeln PKK-Funktionäre auf unterschiedlichen Ebenen bemerkenswertes Engagement, um über Kontakte zu politischen Institutionen, Behörden und Entscheidungsträgern Sympathien zu gewinnen, Einfluß zu nehmen und öffentliches Interesse am Kurdenproblem - im Sinne der PKK - zu wecken. 3.2.1 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Die PKK bestimmte erneut weitgehend das öffentliche Erscheinungsbild politisch engagierter Kurden in Deutschland, obwohl ihr hier seit November 1993 jegliche Betätigung untersagt ist. Die Organisation war im Laufe des Jahres mehrfach von Beschlagnahmeund Festnahmeaktionen sowie Strafverfolgungsmaßnahmen betroffen, die eine Fortsetzung ihrer Aktivitäten in Deutschland erschwerten. Sie blieb aber weiterhin handlungsfähig. Dieses bewiesen zahlreiche Neuund Ersatzgründungen sowie Beispiele massiver Gewaltausübung. Auf Grund von Solidarisierungseffekten konnte die PKK u.a. zusätzliche Anhänger gewinnen. Nach neuerer Schätzung stieg ihre Zahl seit 1994 von etwa 7.500 auf ca. 8.900. Fürdas Hamburger Einzugsgebiet wird die PKK-Gefolgschaft unverändert auf etwa 500 geschätzt. Wie bei allen Ausländerorganisationen haben auch bei der PKK aktuelle Ereignisse und Entwicklungen in der Heimat hohe Bedeutung für das Verhalten ihrer Anhänger im Ausland. Im Februar 1995 spitzten sich die militärischen Auseinandersetzungen zwischen türkischen Sicherheitskräften und PKK-Kämpfern mit einer Offensive der türkischen Armee zu. Am 15. März verlängerte das türkische Parlament das Ausnahmerecht in 10 Provinzen der Südosttürkei. Am 20. März dehnten die türkischen Streitkräfte ihre Offensive auf mutmaßliche Stützpunkte der PKK im Nordirak aus, wo etwa 35.000 Soldaten eingesetzt wurden. Anfang Mai war der Vorstoß der türkischen Regierung weitgehend abgeschlossen. Die "Kurdisch-Deutsche Presse-Agentur" (KURD-A) reagierte am 17. Januar mit einem Aufruf der ARGK zum "Boykott des türkischen Tourismus" unter Hinweis auf Devisenerträge, mit denen die Türkei angeblich den Krieg gegen das kurdische Volk finanziere. Berei September 1993 hatte der Generalsekretär ÖCALAN diesbezüglich vor Türkeireisen gewarnt. Anschlagsaktivitäten: Mitte Februar setzte in den alten Bundesländern und in Berlin eine Serie von Brandanschlägen ein, die sich überwiegend gegen türkische Reisebüros richteten. Dabei wurden stellenweise erhebliche Sachschäden angerichtet. Personen kamen nicht zu Schaden. Obwohl in der Regel keine Bekennungen auftauchten, legten verschiedene Indizien und Umstände eine PKK-Urheberschaft nahe. Mit ausschlaggebend für den ausgewählten Zeitpunkt dieses Gewaltausbruchs waren vermutlich die vom 11.-19. Februar in Hamburg stattgefundene Reisemesse und die Internationale Tourismusbörse in Berlin vom 4.-8. März. Auf beiden wurde intensiv für die Türkei als Reiseland geworben. Festnahmen einzelner Tatverdächtiger sowie an Tatorten aufgefundene Flugschriften "Keine Ferien in der Türkei" bzw. mit der Unterschrift "Kinder des Landes vom Feuer und der Sonne" ließen Rückschlüsse auf eine PKK-Urheberschaft zu. Die PKK-Jugendorganisation "Union der Jugendlichen aus Kurdistan" (YCK,) beschrieb in ihrer Verbandszeitschrift "Sterka Ciwan" (Stern 241 der Jugend) im Frühjahr ihre Mitglieder als "Kinder der Sonne und des Feuers, die fern von ihrem Heimatland die Sehnsucht nach Freiheit und Heimatland verspüren". In Hamburg wurden am 17. und 28. Februar sowie am 1. und 2. März mehrere Anschläge gegen türkische Reiseunternehmen registriert. Es gab sowohl Sachbeschädigungen durch Steinwürfe als auch Schäden durch Brandsätze. Die Täterzuordnung war schwierig, weil auch türkische Gruppierungen im genannten Zeitraum Anschläge aus anderen Anlässen verübt hatten. Vertreter der "Nationalen Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) bestritten in einer am 2. März herausgegebenen Erklärung, etwas mit den Brandanschlägen zutunzuhaben. Die PKKund ERNKhattensich schon bei früheren Anlässen von Gewalttaten distanziert, gleichzeitig jedoch die Vorkommnisse als "legitime" Reaktionen des kurdischen Volkes gerechtfertigt. Im Juni flammten erneut Anschlagsaktivitäten auf. Sie richteten sich nunmehr gegen Polizeidienststellen in Stuttgart, Ludwigshafen, Nürnberg und Kiel und dürften im Zusammhang mit der bevorstehenden Wiederkehr des Todestages von Halim DENER gestanden haben, der 1994 bei einer Polizeikontrolle ums Leben gekommen war. Aber auch die Schließung des "Agri-Verlages" in Köln am 1. Juni und/oder die Festnahme des mutmaßlichen PKK-Regionalverantwortlichen/Süd am 29. Mai in Kiel könnten Auslöser gewesen sein. 'Am 3. und 5. Juli verübten unbekannte Täter Brandanschläge auf polizeiliche Einrichtungen in Konstanz, Freiburg und München, wobei es sich vermutlich um Reaktionen auf Exekutivmaßnahmen gegen die PKK vom 27. Juni in mehreren Bundesländern (s.u.) handelte. Die nächste Brandanschlagsserie - begrenzt aufdie alten Bundesländer - begann am 24. Juli und setzte sich bis in den August hinein fort. Sie richtete sich erneut gegen türkische Reisebüros, nunmehr aber auch gegen Geschäfte, Gaststätten und Vereinsgebäude. Wiederum wiesen Indizien und Tatumstände bzw. Organisationszugehörigkeiten festgenommener Personen auf die Urheberschaft der PKK hin. Die zeitlichen Umstände der Einzeltaten deuteten darauf hin, daß die Öffentlichkeit auf Hungerstreikaktionen in Berlin und Frankfurt sowie in der Türkei aufmerksam gemacht werden sollte. Demonstrationsaktivitäten gegen den türkischen Einmarsch im Irak: Die Anschlagsaktivitäten der PKK wurden von demonstrativen Aktionen gegen das militärische Geschehen in der Heimatregion flankiert. An einer am 20. März in Hamburg zum "Newroz-Fest" durchgeführten Demonstration zum Thema: "Gegen den Völkermordan den KurdInnen und das Verbot der PKK" nahmen ca. 460 Personen teil, darunter auch etwa 180 vermummte Deutsche. Veranstalter war der Verein "Kurdistan Volkshaus e.V.". Am Rande der Demonstration wurden geringfügige Sachbeschädigungen angerichtet. An diesem und an den nachfolgenden Tagen fanden in vielen 242 StädtendesBundesgebietes ähnliche Veranstaltungenstatt, beidenenes auchzu Zu'sammenstößen mit Sicherheitskräften kam. Einen weiterenstörungsfrei verlaufenen - Aufzug in Hamburg am 30. März "Gegen die Verwendung von deutschen Waffen in Kurdistan" veranstalteten die "Freunde des kurdischen Volkes". Einige der etwa '600 Teilnehmer trugen Fahnen der ERNK bzw. der ARGK. Am 20. April versammelten sich in Hamburg etwa 85 Personen vor dem US-Generalkonsulat zu einer gewaltfreien "Mahnwache", um "gegen die Politik der USA in Bezugaufdie türkische Invasion im Nordirak" zu demonstrieren. Veranstalter war der Verein "Kurdistan Volkshaus e.V.". Die "Solidaritätsinitiative für Kurdistan" - eine Gruppierung der linksextremistischen deutschen Kurdistan-Solidarität - mobilisierte am 1. April in Düsseldorf etwa 18.000 Personen zu einer Großdemonstration. Aktionen und Reaktionen gegen Verbotsund Exekutivmaßnahmen: In ihrem gesamten Verhalten und öffentlichen Auftreten demonstrierten die PKK-Führung und ihre Anhänger das ganze Jahr über, daß sie unbeschadet aller Verbotsund Exekutivmaßnahmenüber eine funktionierende Logistik, Handlungsbereitschaft und -fähigkeit verfügen. Für einige verbotene Organisationen/Organisationsteile wurden Ersatzorganisationen gegründet. Es wurde versucht, auf deutsche staatliche Institutionen Druck auszuüben. Sie sollten bestehende Verbote aufheben, von neuen Verboten absehen sowieauf exekutive und strafrechtliche Maßnahmen verzichten. Am 2. März verbot der Bundesinnenminister das Kölner "Kurdistan Informationbüro" (KIB) - eine Ersatzorganisation für das im November 1993 verbotene "Kurdistan-Komitee". Fünf weitere ähnliche Einrichtungen wurden in Bayern verboten. Im Zugedieser VerbotewurdenBüros und Wohnungen in fünf Bundesländern (Nordrhein-Westfalen, Bayern, Berlin, Niedersachsen und Thüringen) durchsucht. Es wur'den Propagandamaterial und Schußwaffen gefunden. Der Europasprecher der ERNK interpretierte im "Kurdistan Rundbrief" vom 9. März das neuerliche Verbot kurdischer Organisationen sinngemäß als fortgesetzte konzertierte Kampagne der deutschen und türkischen Regierung gegen den "Nationalen Befreiungskampf Kurdi'stans". Die Arbeit des KIB wurde vorübergehend von der "Informationsstelle Kurdistan" (ISKV) mit Sitz in Bonn wahrgenommen, einer von deutschen Staatsbürgern getragenen Institution. Sie wurde erstmals in der Februar/März-Ausgabe der PKKnahen Zeitschrift "Kurdistan-Report" als Kontaktadresse angegeben. Später - Ende Juli - trat im Zusammenhang mit der Anmeldung einer Mahnwache in Frankfur/M. ein "Kurdistan-Informationszentrum e.V." (KIZ) auf - offenbar ein lokaler Ableger des KIZ / Köln. DieAufgaben desam 2. März verbotenen KIBhatte am gleichenOrt undan gleicher Stelle das "Kurdistan Informationszentrum" (KIZ) Köln übernommen. Am 30. November wurden die Vereinsräume des KIZ / Köln und der "Informationsstelle Kurdi243 stans" (ISKU) in Bonn von der Polizei nach $ 4 des Vereinsgesetzes mit dem Ziel durchsucht, Beweismittel für etwaige Verbotsmaßnahmen sicherzustellen. In Köln wurde u.a. umfangreiches Propagandamaterial der verbotenen PKK und der ERNK. beschlagnahmt. Das KIZ kommentierte die Durchsuchungsmaßnahmen am 1. Dezember als neuerlichen Höhepunkt einer massiven "Kriminalisierungsund Einschüchterungskampagne". Am 5. Dezember verbot das hessische Innenministerium das "Kurdistan-Informationszentrum Frankfurt am Main e.V." und den "Kulturund Unterstützerverein des kurdischen Volkes e.V." Die Verbote wurden damit begründet, daß beide Vereine von der PKK dominiert würden und deren Arbeit verbotswidrig nahtlos fortgesetzt hätten. Eine Kraftprobe mit der Polizei suchten PKK-Anhänger am 14. November in Bremen. Der Innensenator der Hansestadt hatte gemäß $ 14 in Verbindung mit $ 3 des Vereinsgesetzes den Bremer Verein "Hevalti Kurdisch-Deutscher Verein für Völkerfreundschaften Bremen e.V." verboten. Bei anschließenden Durchsuchungsmaßnahmen wurde beweiserhebliches Material beschlagnahmt. Die Verbotsbegründung stützte sich u.a. auf die Tatsache, daß der Verein darauf ausgerichtet war, verbotene PKK-Aktivitäten im Raum Bremen zu organisieren.Er gefährde die innere Sicherheit und Ordnung sowie außenpolitische Interessen Deutschlands. Am 15. November wur'de das amtlich geschlossene Vereinshaus von etwa 100 Kurden aufgebrochen, besetzt und erst am Abend des nächsten Tages nach Verhandlungen geräumt. 'Am 30. Novemberhatte der bayerische Innenminister ein am 21. November verfügtes Verbot des in München ansässigen - der PKK zugerechneten - "Kurdischen Eliernvereins" vollzogen. Als Reaktion darauf wurden am 2. Dezember die Vereinsräume von 39 Kurden besetzt, die mit PKK-typischen Drohgebärden ihre Entschlossenheit unterstrichen, gef. das ganze Haus niederzubrennen. Selbst angetreten mit dem Anspruch, für das Lebensrecht des kurdischen Volkes zu kämpfen, bedrohten sie das Leben kurdischer Kinder mit 49 Molotoweocktails. Die Brandsätze waren auf Fensterbänken aufgereiht, in deren Nähe die Kinder plaziert wurden. Tatsächlich schütteten zwei Besetzer brennbare Flüssigkeiten aus, die ein Dritter entzündete. Personen kamen nicht zu Schaden. Erst nachts zogen die Besetzer nach Verhandlungen ab. Sie müssen sich u.a. wegen schwerer Brandstiftung, Siegelbruchs, Nötigung, Vergehens gegen das Waffengesetz und weiterer Delikte verantworten. Zeitgleich nahmen in München etwa 70 Personen - überwiegend Kurden - an einer friedlichen Solidaritätsdemonstration teil. Am 3. Juni demonstrierten in Hamburg rund 250 Personen gegen die zwei Tage zuvor erfolgte Durchsuchung und Schließung des "Agri-Verlages" in Köln, bei der die Polizei u.a. etwa 15 Tonnen PKK-Propagandamaterial sichergestellt hatte. Am selben Tage kam es auch in Köln (ca. 450 Personen) und Ulm (ca. 40 Personen besetzten ein Reisebüro in einem Kaufhaus) zu Protestaktionen. Bereits am Vortag waren Ge- schäftsstellen der SPD (Köln und Düsseldorf) und ein CDU-Büro (Osnabrück) aus gleichem Anlaß das Ziel von Protesten gewesen. Anfang Juli häuften sich erneut öffentlichkeitswirksame Aktionen, dieses Mal offenbar wegen polizeilicher Maßnahmen, die Ende Juni in Hessen und Rheinland-Pfalz stattgefunden hatten. Am 27. Juni hatte die Polizei dort 43 Objekte durchsucht, die 'Aktivisten/Sympathisanten der PKK zugerechnet wurden. Diese reagierte ab 4. Juli mit diversen unangemeldeten Protestaktionen vor kurdischen Vereinshäusern. Dabei wurden an den Hausfassaden schwarze Transparente mit Parolen wie "Wir protestieren gegenjegliche Angriffe der BRD gegen Kurden" angebracht. In Hamburg versammelten sich am 4. Juli etwa 35 Kurden im Stadtteil Harburg vor dem "Kurdistan Volkshaus e.V.", Sie verteilten Flugblätter aus Protest "Gegen die Unterdrückung der Kurden in der Türkei und gegen die Unterstützung der türkischen Politik durch die BRD". Am Gebäude war eine schwarze Fahne mit entsprechendem Parolentext angebracht. Am 6. Juli versammelten sich etwa 40 Kurden auf dem Hamburger Rathausmarkt, um dem 1. Bürgermeister eine Resolution zur Kurdistanproblematik zu überbringen. Die Teilnehmer wurden auf das Bannmeilengesetz aufmerksam gemacht und aufgefordert, den Rathausmarkt zu verlassen. Nachdem eine dreiköpfige Delegation im Rathaus dem Büro des 1. Bürgermeisters eine Resolution übergeben hatte, löste sich die gewaltlose Versammlung auf. Eine aus Anlaß des 2. Jahrestages des PKK-Verbotes auf Initiative einer PDS-Bundestagsabgeordneten für den 18. November in Köln angemeldete Kurdendemonstration - Tenor: "Für eine politische Lösung in Kurdistan" - wurde kurzfristig durch den Polizeipräsidenten u.a. wegen vermuteter Gewaltbereitschaft verboten. Trotz des Verbotes hatten sich zahlreiche Demonstrationswillige versammelt. 335 Personen - überwiegend Deutsche - wurden von der Kölner Polizei vorübergehend festgenommen und am gleichen Tag wieder freigelassen. Ein "Pressebüro gegen das Verbot der Demonstration vom 18.11.1995" beschwerte sich über die Polizei wegen angeblicher "brutaler Mißhandlungen" von Demonstranten. Aus gleichem Anlaß fanden zwischen dem 23. und 26. November zahlreiche Protestaktionen in anderen Städten statt. In Ulm wurden am 25. November in diesem Zusammenhang anläßlich der Ingewahrsamnahme von etwa 85 Personen Messer, Schlagwerkzeuge und Propagandamaterial der PKK sichergestellt. In Essen nahm die Polizei am 25. November bei einer Sitzblockade rund 110 Personen fest. Es kam zu Widerstandshandlungen mit Steinwürfen und Molotowcocktails. Am selben Tag demonstrierten in Saarbrücken etwa 2.500 Personen - darunter auch Deutsche aus dem autonomen Spektrum - friedlich. In Köln wurden am 26. November 396 Personen festgenommen sowie Knüppel, Baseballschläger, Messer und Reizstoffsprühgeräte beschlagnahmt. In Stuttgart wurden am 26. November nach einem Versammlungsverbot 105 Platzverweise erteilt. In Hamburg veranstalteten die "Freunde des kurdi245 schen Volkes" am 25. November vor diesem Hintergrund eine friedlich verlaufene Demonstration mit etwa 750 - 800 Teilnehmern. Aktionsverhalten im Zusamme mit Hungerstreiks: Am 14. Juli begann in der Türkei ein unbefristeter Massenhungerstreik der aus "politischen Gründen einsitzenden kurdischen Gefangenen einschließlich deren Familienangehörigen". Die Inhaftierten wollten damit an einen Hungerstreik von PKK-Aktivisten im Militärgefängnis Diyarbakir im Jahre 1982 erinnern, bei dem u.a. zwei ZK-Mitglieder gestorben waren. Nach einem entsprechenden Aufruf des im April in Den Haag gegründeten kurdischen Exilparlaments (s.u.) begannen in Berlin und Frankfurt/M. aus Solidarität mit den Streikenden in der Heimat ebenfalls Hungerstreikaktionen. In Berlin beteiligten sich etwa 100 Personen. Sie forderten zudem die Freilassung des in Großbritannien seit Oktober 1994 inhaftierten ERNK-Funktionärs Kani YILMAZ sowie die Freilassung in Deutschland und Frankreich inhaftierter anderer Kurden - gleichsam aktionsobligatorisch auch die Aufhebung der Vereinsverbote. Als PKKAnhänger am 24. Juli anläßlich der Beschlagnahme von Propagandamaterial mit Gewalt reagierten, löste die Polizei die an der Berliner Gedächtniskirche stattfindende Hungerstreikaktion am 26. Juli auf. Die Teilnehmer zogen in das türkische Kulturzentrum in Kreuzberg, wo am 27. Juli die 41jährige Kurdin Gülnaz BAGHISTANI an Hungerstreikfolgen starb. Die PKK gab wider besseres Wissen der Polizei die Schuld am Tod der Frau und machte aus ihr eine Märtyrerin. Am Frankfurter Hungerstreik nahmen ab 21. Juli bis zu 300 Personen teil, die demonstrativ Symbole der verbotenen PKK bzw. der "Nationalen Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) zeigten. Als die Polizei am 27. Juli die Aktion auflöste, leisteten etwa 100 Kurden erheblichen Widerstand, u.a. mit Steinen, Hölzern und Eisenteilen. Parallel demonstrierten am 25. Juli im Bundesgebiet insbesondere kurdische Frauen. In Hannover besetzten bis zu 100 Mitglieder/Sympathisanten der "Union der freien Frauen aus Kurdistan" (YAJK) die Geschäftsräume des "Hannoverschen Wochenblattes" und erreichten einen Fernsehauftritt (RTL), bei dem eine Resolution verlesen wurde. In Hamburg-Winterhude übergabenetwa40 Personen vor der Geschäftsstelle der CDU eine Erklärung der YAJK an einen CDU-Vertreter. Etwa 8.000 Personen - zum Teil mit Bussen aus anderen Städten angereist - gedachten am 1. August in Berlin bei einem Trauermarsch der verstorbenen Gülnaz BAGHISTANI. Ein schwerer Zwischenfall ereignete sich am 11. August in Berlin. Polizei öffnete gewaltsam das Eingangstor zum Kurdischen Kulturzentrum im Stadtteil Kreuzberg. Aus dem Objekt heraus waren fortgesetzt Straftaten und Ordnungswidrigkeiten begangen worden. Die Beamten wurden mit Stangen, Knüppeln und Molotowcocktails massiv angegriffen. Am 15. August - nach 26 Tagen - wurde der Hungerstreik in Berlin beendet. Freilassungskampagne für Kani YILMAZ: Seit Oktober 1994 ist der ERNK-Funktionär Kani YILMAZ in London inhaftiert. Aus Anlaß der für den 4. Mai - auf deutschen Antrag - erwarteten Auslieferungsentscheidung des zuständigen Londoner Gerichtes versammelten sich an diesem Tage etwa 145 mutmaßliche PKK-Anhänger vor dem britischen Generalkonsulat in Hamburg zu einer Protestkundgebung. Das Konsulat verweigerte die Annahme einer Resolution. Daraufhin wollten einige Teilnehmer Absperrungen durchbrechen, entrollten Fahnen mit dem Symbol der verbotenen ERNK und forderten die Freilassung des YILMAZ. Die Blockade einer Straßenkreuzung wurde von der Polizei unter Schlagstockeinsatz aufgelöst. Seitens der Blockierer war angekündigt worden, "Hamburg heute auseinandernehmen" zu wollen. Bei der Festnahme von insgesamt 52 Personen wurden 8 Polizisten verletzt. Zeitgleich hatten sich 150 mutmaßliche PKK-Anhänger zu einer entsprechenden Aktion vor der britischen Botschaft in Bonn versammelt. Am 25. Juli entschied der Londoner "Belmarsh magistrates Court", daß YILMAZ an die Bundesrepublik auszuliefern sei. Sofort versammelten sich in London mehr als 1.000 Kurden vor dem Innenministerium. Auch in mehreren deutschen Städten wurde unangemeldet demonstriert und YILMAZ' Freilassung gefordert. In Hamburg wurde die CDU-Geschäftsstelle von Vertreterinnen der YAJK "aufgesucht". Eine zweitägige Anhörung in London über den "Habeaskorpus"-Einspruch des bis Jahresende noch nicht ausgelieferten ERNK-Funktionärs ist auf April 1996 vertagt worden. Politische Einflußnahme auf das "Newroz"-Fest: Die traditionellen Feiern zum kurdischen Neujahrsfest (Newroz) waren für die PKK von jeher willkommene Gelegenheiten, über die unmittelbare eigene Anhängerund Sympathisantenschaft hinaus auch politisch unter bisher inaktiven Kurden für sich zu werben und sie für sich zu gewinnen. Im Zusammenhang mit Verboten dieser Veranstaltungen kam es häufig zu militanten Zusammenstößen mit der Polizei. Für die PKK ist "Newroz ein Tag der Freiheit und des Widerstandes und deshalb untrennbar mit der Geschichte des kurdi'schen Kampfes gegen Fremdherrschaft verbunden". In Hamburg besuchten am 18. März etwa 4.500 Personen das - zum wiederholten Male in der Alsterdorfer Sporthalle stattfindende - Newroz-Fest der ERNK-Region Nord-West. Die Sporthalle war von einem Mitglied des Hamburger Solidarbündnisses "Freunde des kurdischen Volkes" angemietet worden - ein überwiegend von deutschen Linksextremisten gebildeter Zusammenhang. Die gegenüber 1994 (7.000) rückläufige Teilnehmerzahl wurde darauf zurückgeführt, daß viele Hamburger Kurden zur Aleviten-Demonstration nach Köln gereist waren (siehe nächsten Absatz). 'Aleviten-Konflikt: Die schnelle Verbreitung von Nachrichten in der moderenen Mediengesellschaft bringt es mit sich, daß ausländische Extremisten binnen weniger Stunden in Deutschland auf Vorgänge in den Heimatländern mit der Mobilisierung eigener Anhänger reagieren können, Dieses zeigte sich u.a. Mitte März, nachdem ins- ser und eine Zuckerbäckerei gefeuert und dabei mehrere Menschen getötet, verletzt. Die ohnehin konfliktgeladenen gesellschaftlichen, ethnischen und politischen sätze in derTürkei wurden durchanschließendegewaltsameZusammenstöße mit Polizei außerordentlich verschärft. Bis zu 30 Menschen sollen dabei getötet sein. In Deutschland fanden umgehend pro-alevitische Protestaktionen statt, die Teil von deutschen Linksextremisten angemeldet wurden. Die PKK verfügt inzwischen mit der bundesweiten "Union der Aleviten aus Kurdistan" (KAB) über einen speziellen zielgruppenorientierten ERNK-Frontverband. Die Solidarität der PKK' 'auch mit nichtkurdischen Aleviten beruht u.a. darauf, daß sie als Gelegenheit gesehen ERES wurde, den türkischen Staat für Untaten verantwortlich zu machen. In Hamburg beteiligten sich am 18. März etwa 300 Demonstranten an einem angemeldeten Aufzug der "Vereinigung der Aleviten aus Kurdistan (in Gründung)" von der Moorweide zum Gerhart-Hauptmann-Platz. Vereinzelt wurden ERNK-Symbole' gezeigt. In Köln demonstrierten am gleichen Tag 25.000 türkische Aleviten gegen die Unterdrückung ihrer Glaubensgemeinschaft. Polarisierung zwischen linksextremistischen Kurden und rechtsextremistischen Türken: Am 3. September kam es zur Konfrontation zwischen Anhängern der PKK und mutmaßlichen nationalistischen Türken. Jugendliche aus dem PKK-Spektrum Neumünster waren - nach PKK-Darstellung - in ein Neumünsteraner Lokal gezogen, welches von türkischen Nationalisten, sog. "Grauen Wölfen" (2 siche 3.3.3) frequentiert wird. Dort soll es zu Beschimpfungen und Handgreiflichkeiten gekommen F sein. Ein Angreifer der PKK soll einen Angehörigen der Nationalisten durch Messerstiche verletzt haben, woraufhin ein anderer Nationalist einen Pistolenschuß auf die Angreifer abgegeben haben soll. Ein jugendlicher PKK-Anhänger wurde erschossen, drei weitere wurden verletzt. Der authentische Tathergang und die Hintergründe sind unklar. In Presseerklärungen vom 4. und 5. September beschrieb die "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V." (YEK-KOM) den Sachverhalt - anders als die Polizei - als "vorläufigen Höhepunkt einer Reihe von Überfällen türkischer Faschisten". Die Polizeidarstellung wurde bestritten, ein Verhalten, das sich in die permanente Diffamierungskampagne der PKK gegen deutsche staatliche Stellen einreihte. Am 9. September fand in Neumünster ein Trauermarsch von etwa 7.000 Demonstranten statt. Neben ERNK-Anhängern nahmen auch Anhänger oder Sympathisanten der türkischen linksextremistischen "Devrimci Sol" und DHKP-C, der "Marxistisch-Leninisti248 'Kommunistischen Partei-Gründung" (MLKP-K) und der Gruppierung "Türki'Revolutionäre Kommunistische Partei" (TDKP) teil. Die PKK bewies einmal ihre Fähigkeit, adhoc erhebliche Anhängermassen zu mobilisieren und einzumobilisierung / Einbeziehung von Frauen, Jugendlichen und Kindern: In ichen Aktionen und Veranstaltungen zeigte die PKK ihre ungebrochene hohe ilisierungskraft - gepaart mit innerer Disziplin und Bereitschaft zu offensivem . Durch bewußt provokatives Verhalten, oft durch Zeigen verbotener Embleme, wurde permanent die Toleranzgrenze der Polizei ausgetestet. Die PKK fühlt sich trotz Verbots legitimiert, ihren "Kampf" auch in Deutschland - nach der Türkei "Kriegsgegner Nr. 2" - fortzusetzen. Dieser Auffassung versuchte sie u.a. mit Massenaufmärschen und -versammlungen Nachdruck zu verleihen. 'Zu einer Großdemonstration "Für eine politische Lösung in Kurdistan" am 17. Juni in Bonn erschienen etwa 70.000 Anhänger aus Deutschland und den westeuropäischen Nachbarländern. An einem bundesweiten Treffen der PKK-Nebenorganisation "Freie Frauenbewegung aus Kurdistan" (TAJK) am 14. Mai in Hungen/Kreis GieBen beteiligten sich etwa 3.000 Personen, darunter 80 % Frauen und Kinder. Die TAJK hat sich im Juni Unionder freien Frauen aus Kurdistan" - YAJK - umbenannt. Die Jugendorganisation "Union der Jugendlichen aus Kurdistan" (YCK) mobilisierte zu einer Demonstration am 28. Oktober in Duisburg ca. 7.000 Personen aus 'dem Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland, darunter Anhänger türkischer linksextremistischer Organisationen. Am 1. Juli gedachten in Hannover etwa 5.000 Personen des bereits oben erwähnten Halim DENER, der vor einem Jahr in Hannover bei einer Personenkontrolle von einem Polizisten unbeabsichtigt erschossen worden war. Spendenerpressung: Die PKK finanziert ihren Parteiund Propaganda-Apparat sowie den militärischen Kampf in Kurdistan im wesentlichen durch Mitgliedsbeiträge, Einnahmen aus demVerkaufvon Publikationen und durch Überschüsse aus parteieigenen Unternehmen. Erhebliche Bedeutung haben von jeher die jährlich wiederkehrenden Spendenkampagnen. Bei mehreren in Deutschland operierenden extremistischen Ausländerorganisationen - auch der PKK - ist es üblich, die Anhängerschaft und vermeintlich wohlhabende andere Landsleute mit erheblichen Spendenforderungen unter Druck zu setzen. Die angewandten Methoden sind häufig nicht legal, es werden erhebliche Spendenbeträge mit erpresserischen Methoden gewonnen. Am 9. Mai wurden von der Hamburger Polizei aufgrund eines Haftbefehles zwei Angehörige der PKK festgenommen. Sie werden beschuldigt, sich in der Vergangenheit gegenüber Wohnheiminsassen als Angehörige der PKK ausgegeben und unter massiven Drohungen u.a. zu Spenden genötigt zu haben. Zusammen mit anderen Personen sollen sie versucht haben, einem türkischen Bäcker "Spenden" abzupressen. Das Opfer war niedergeschlagen worden und hatte u.a. schwere Kopfverletzungen er- litten. Am 7. Dezember begann vor dem Landgericht Hamburg ein Strafverfahren gen die beiden PKK-Angehörigen. Es war am Jahresende noch nicht abgeschlossen. 28zsua Am 7. August wurde in Hamburg ein anderer mutmaßlicher Spendengelderpresser der PKK festgenommen. Er ist dringend verdächtig, von 1993 - 1995 in mindestens 18 Fällen türkische Geschäftsleute für die PKK erpreßt zu haben. Der Beschuldigte zeigte sich bei seinen Erpressungsbemühungen außergewöhnlich aggressiv. Er hatte den Opfern u.a. gedroht, daß entweder etwas "in die Luftfliegen" oder "erwas passieren werde", wenn keine Zahlungen geleistet würden. Ein bezeichnendes Licht auf den hohen Anspruch des kurdischen Exilparlaments (siche nächsten Absatz) wirft die Tatsache, daß der Beschuldigte im Februar als Vertreter der verbotenen "Nationalen e"oum Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) zum Delegierten für die Wahl der Abgeordneten zu diesem Exilparlament aufgestellt worden war. Gerade dieses hatte sich aber u.a. zum Ziel gesetzt, in der internationalen Öffentlichkeit mit friedlichen Mitteln um Akzeptanz, Sympathie und Unterstützung für die kurdische Sache zu werben. Ein 'Gerichtsverfahren warbis Ende 1995 noch nicht eröffnet worden. Werben um öffentliche Anerkennung, Sympathie und Unterstützung: Parallel zu 'öffentlichkeitswirksamen Aktionen bemüht sich die PKK international um quasi völkerrechtliche Anerkennung ihres Anliegens. Neues Aushängeschild ist das sogenannte kurdische Exilparlament. Im Ausland lebende Kurdenpolitiker hatten Anfang des Jahres in Brüssel angekündigt, ein kurdisches Exilparlament gründen zu wollen. Es sollte den "nationalen Befreiungskampf Kurdistans" unterstützen und organisieren. Laut Vorbereitungsausschuß sollte es allen offenstehen, die sich für den Befreiungskampf einsetzten. Dazu gehöre "auch" die PKK. Das Exilparlament sei kein Parlament der PKK, aber ohne die PKK sei eine Verhandlungslösung mit der türkischen Regierung undenkbar, Nach Delegiertenwahlen im Februar fand die konstituierende Sitzung am 12. April in Den Haag mit etwa 400 Teilnehmern statt, darunter auch eine große Anzahl von Parlamentsabgeordneten aus mehreren europäischen Staaten. Dem Exilparlament gehören 65 Abgeordnete an. Das Parlament hat keinen dauerhaften Sitz. Es versteht sich als Vertretung für "alle" Kurden, so jedenfalls der Europasprecher der "Nationalen Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK), die mit 12 Sitzen stärkste Kraft ist. Die Sitzverteilung zeigte eine PKK-Dominanz. Zu den 12 Abgeordneten der ERNK kommen rund 20 Abgeordnete der sogenannten "Y-Gruppen" (= PKK-Teilund Nebenorganisationen) sowie 6 Abgeordnete der im Jahre 1994 von der türkischen Regierung verbotenen PKK-nahen "Demokratie-Partei" (DEP). Die Gründung des Exilparlaments wurde vor allem von Vertretern PKK-kritischer Organisationen abgelehnt. Insbesondere die kurdische Gemeinde hattedaraufhingewiesen, daß keineswegs alle Organisationen bzw. ethnischen und religiösen Minderheiten aus dem türkischen Teil Kurdistans beteiligt seien. 11 von insgesamt 12 kurdi250 'schen Gruppierungen hätten bereits im Vorfeld abgewinkt, viele andere Exilorganisa'tionen seien weder beteiligt noch informiert worden. Das Parlament sei nicht legiti'miert, für alle Kurden zu sprechen. Im Rahmen einer mehrgleisigen Strategie soll mit dem Exilparlament offensichtlich 'eine scheinbar demokratisch und völkerrechtlich legitimierte Institution in der internationalen politischen Öffentlichkeit vorgezeigt werden, die sich als Verhandlungspartner anbietet. Die Kurdenvertretung kämpft um einen Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen, im Europarat und bei der KSZE. Intern wird offensichtlich auf erfolgreiche Anerkennungsbestrebungen der palästinensischen Befreiungsorganisation PLO ("Palestine Liberation Organisation") unter der Führung Yassir ARAFATs und des südafrikanischen ANC ('African National Congess") unter Nelson MANDELA reflektiert. Größtes Hindernis ist, daßdie PKKals Hauptkraftihr gewaltsames Verhalten bis heute fortsetzt und auch keinerlei Anstalten zu einem künftigen Gewaltverzicht erkennen laßt. Angebliche Friedfertigkeit signalisierte die PKK auch in Hamburg. Am 1. März wurde vom Ausländerbeauftragten der Freien und Hansestadt Hamburg eine Gewaltverzichtserklärung veröffentlicht, die von 16 kurdischen Vereinen, Verbänden und Vereinigungen unterzeichnet worden war. Zu den Unterzeichnern gehörten auch Vereine aus dem Einflußkreis der PKK. Das Bekenntnis zur Friedfertigkeit hat bisher zu keinergenerellen Verhaltensänderung in der PKK bzw. in ihrem Umfeld geführt. Zeitliche und andere Umstände des PKK-Verhaltens in Deutschland deuten darauf hin, daß das Aktionsverhalten zentral gesteuert wird, mithin auch Gewaltdirektiven in der Re'gel von außerhamburgischen PKK-Gremien ausgehen dürften. Als kosmetische Veränderung hat die PKK ihre Satzung modifiziert und Symbole ausgetauscht. In ihrem neuen Parteiprogrammnebst überarbeiteterSatzung versucht sie, sich mit einem modemisierten Sozialismusverständnis darzustellen. Auf der Parteifahne - bisher ein rot unterlegter fünfzackiger gelber Stern nebst Hammer und Sichel als deutliches Symbol der marxistisch-leninistischen Ausrichtung - soll künftig eine gelbe Fackel in einem roten Stern eine neue Kursbestimmung ausdrücken. Perspektiven: Die PKK bedroht und gefährdet nach wie vor die innere Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland sowie auswärtige Belange. Sie ist in der Lage, ein 'großes Sympathisantenumfeld für ihre Zwecke zu mobilisieren, und kann mit wachsender Unterstützung deutscher Linksextremisten rechnen. Sie wird auch in Zukunft große Anstrengungen unternehmen, dem türkischen Staat u.a. wirtschaftlich durch Verunsicherungskampagnen gegen den Türkei-Tourismus zu schaden. Der vom Generalsekretär der PKK über die Medien veröffentlichte, in der Türkei erneut ausgerufene einseitige Waffenstillstand läßt keine grundlegend abweichende Bewertung zu. Es ist damit zu rechnen, daß die PKK weiterhin zweigleisig agiert und trotz gegenteiliger Imagepflege ihren aggressiven Kurs in Deuts chland bzw. gegen den deutschen Staat und dessen Verbotslinie eher nochsteigert. 3.3 Türken 3.3.1 Allgemeines Türkische Staatsangehörige bilden mit über 71.000 Personen die größte Gruppe von Ausländern in Hamburg. Diese Zahl umfaßt auch Türken kurdischer Herku nft, deren Anzahl, da statistisch nicht erfaßt, auf etwa 20.000 bis 25.000 geschätzt wird. Das Gruppengefüge der türkischen politisch-extremistischen Organisationen umfaßt ein breites ideologisches Spektrum von revolutionär-markistischen Gruppierungen über islamistische bis zu extrem-nationalistischen Organisationen. In Hamburg haben sie insgesamt wenig mehr als etwa 1.300 Anhänger, somit 2,6 % der hier lebenden Türken (ohne kurdische Organisationen), Unter dem Aspekt der Bedrohung deutscher Sicherheitsinteressen sind die revolutionär-marxistischen Gruppierungen von besonderer Bedeutung, so die "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) und die "TKP-ML" (Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten). Beide waren in den vergangenen Jahren durch Spaltu ngsprozesse vorübergehend geschwächt. Der Anfang 1993 begonnene Spaltungsprozeß der "Devrimci Sol" scheint nunmehr abgeschlossen zu sein: Aus ihm sind zwei selbständig handelnde Organisationen, die "DHKP-C" (RevolutionäreVolksbefre iungsparteiFront) und die "THKP/-C" (Türkische Volksbefreiungspartei/-Front), hervorgegangen. Offene gegenseitige Drohungen und blutige Feindseligkeiten zwisc hen Anhängern beider Organisationen - 1993/1994 kamen dabei in Deutschland zwei Personen zu Tode - haben die Spaltung zementiert und lassen eine Versöhnung nicht erwarten. Die Anhänger der TKP-ML scheinen sich mit der Spaltung zu arrangieren und tolerieren offenbar die jeweilige Gegenseite, so daß es zu keinen nennenwert en Tätlichkeiten kam. Diese revolutionär-marxistischen türkischen Gruppierungen richteten ihre Aktivitäten verstärkt gegen ihren gemeinsamen Feind: Den "faschistis chen" türkischenStaat, "seine" (bzw. die ihm wirtschaftlich nützenden) Einrichtungen sowie tatsächliche 'oder vermeintliche Befürworter in Deutschland. Neben ihnen besteht in Hamburg eine bisher wenig in Erscheinung tretende ältere Abspaltung der TKP-ML, die MLKP (Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei). Sie tritt vorwiegend in Aktionseinheiten mit einzelnen der erstgenannten Organisationen auf. Insgesamt werden dem türkischen - nichtkurdischen - linksextremistischen Spektrum in Hamb urg etwa 150 Personen (bundesweit über 4.770) zugerechnet. 'Aktivitäten dieser Organisationen machten besonders deutlich, wie unmittelbar und aktuell Konfliktund Krisensituationen in der Türkei ihre Motivationslage und ihr praktisches Handeln bestimmen. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß ein Zusammengehen mit der PKK nicht beobachtet wurde, auch wenn türkische Linksextremisten grundsätzlich mit dem "Befreiungskampf" der PKK sympathisieren, u.a. weil er sich gegen den gemeinsamen Feind - den türkischen Staat - richtet. Rechtsextremistische türkische Organisationen können sich in Hamburgauf etwa 150 bis 200 (bundesweit ca. 6.000)Anhänger stützen. Sie hatten sich in den letzten Jahren kaum öffentlich bemerkbar gemacht. Für ein Wiedererstarken türkischer Nationalisten gibt es Anhaltspunkte. Damit steigt die Gefahr, daß es auch zu Konfrontationen mit türkischen / kurdischen Linksextremisten und zu provokativen Handlungen in der Öffentlichkeit kommen kann. Sollte es zu einer solchen Situation kommen, würde sie dasfriedliche Zusammenleben der hierlebenden Ausländer unddamit Belange der inneren Sicherheit bedrohen. Islamistische Organisationen üben einen nicht zu unterschätzenden Einfluß auf eine 'große Zahl türkischer Mitbürger aus. Allen voran gilt dieses für die stabilste und mitgliederstärkste islamistische Vereinigung, die ehemalige AMGT (,. Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e.V.") - jetzt IGMG/EMUG ("Islamische Gesellschaft NeueWeltsicht e.V." / "Unionfür den Bau und die Unterhaltung vonMoscheen in Europa e.V."). Diese lehnt sich politisch an die türkische Wohlfahrtspartei ("Refah Partisi" - RP) an. Die IGMG/EMUG tritt für ein am Islam orientiertes - dem Primat der Religion unterworfenes - Staatswesen ein. Dieses Streben wendet sich nicht nur gegendie bestehendeOrdnungin der Türkei,sondernverfolgt letztlich eine "auf die 'ganze Welt undaufEuropa" gerichtete "heilsbringende" Perspektive. Islamistische Vorstellungen vertragen sich nicht mit westlichem Demokratieverständnis. Der organisierte Islamismus in Deutschland propagiert unter seinen Anhängern ein Bild von den "Ungläubigen", das eine Integration in die Gesellschaft des Gastlandes erschwert. Die bisher durch aggressive Polemik am meisten Aufsehen erregende islamistische Organisation, der sog. KAPLAN-Verband (ICCB), ist nach dem Tod des Vorsitzenden KAPLAN (15.5.95) zerstritten und gespalten. Der ICCB hat in Hamburg keinen Stützpunkt, wohl aber die von ihm 1989 abgespaltene und seit einigen Jahren auch hier existierende "Islamische Bewegung"(IH). Islamistische türkische Organisationen verfügen in Hamburg über eine engere Anhängerschaft von etwa 1.000 Personen, bundesweit über fast 30.000. 253 3.3.2 Linksextremisten 3.3.2.1 Devrimci Sol Die "Devrimci Sol" (Revolutionäre Linke) versteht sich als eine vom MarxismusLeninismus angeleitete Volksbewegung, die mit Hilfe einer bewaffneten Revolution die Zerschlagung des türkischen Staatsgefüges zum Ziel hat. Seit ihrer Gründung im Jahr 1978 fordert sie durch ihre in der Türkei verübten Schußwaffenund Sprengstoffanschläge - insbesondere auf Personen des öffentlichen Lebens - die Sicherheitskräfte des türkischen Staates ständig heraus. Nach gewalttätigen Ausschreitungen im Jahre 1982 wurde die Organisation in Deutschland im Februar 1983 verboten. Sie blieb - zunächst unter der Tambezeichnung "Avrupa'daDevrimci Gene" (Revolutionäre Jugend in Europa) - aberweiterhin aktiv und zählt inzwischen wieder zu den gefährlichsten der in Deutschland operierenden türkischen Gruppierungen. Eine vorübergehende deutliche Schwächeperiode scheint überwunden zu sein. Die politische Handlungsfähigkeit, insbesondere ihre nach außen gerichtete Mobilisierungsund Schlagkraft, war der Organisation Anfang 1993 weitgehend abhandengekommen. Damals hatte sich "Dev Sol" in zwei unversöhnlich gegenüberstehende Lager gespalten. Der innere Konflikt war durch Differenzen um die Person des bis dahin unumstrittenen Leiters, Dursun KARATAS, ausgelöst worden. Ein oppositioneller Flügel warf ihm u.a. Führungsfehler und Verrat vor. Die anschließende Spaltung - begleitet von zahlreichen gegenseitigen Gewalttaten der rivalisierenden Lager bis hin zu Tötungsdelikten - hat sich auf allen Ebenen sowohl in der Türkei als auch in Europa vollzo'gen, wobei die Stärkeverhältnisse der Flügel zueinander sich von Land zu Land unterscheiden. Auch in Deutschland sind die Kräfteverhältnisse regional unterschiedlich verteilt. Insgesamt zeichnet sich aber in den bundesweiten Gesamtpotentialen ein Übergewicht der dem KARATAS-Flügel zuzurechnenden Anhängerschaft ab. Die oppositionelle (Abspalter-) Richtung wurde in den Darstellungen der Sicherheitsbehörden zunächst nach ihrem im März 1993 in der Türkei erschossenen Führungsfunktionär als YAGAN-Flügel bezeichnet. Die Oppositionsgruppe nannte sich anfangs unverändert "Devrimci Sol" sowie "Devrimci Sol Gücler" (Revolutionäre Linke Kräfte). Seit September 1994 traten die Oppositionellen öfter unter der Bezeichnung THKP/-C ("Türkiye Halk Kurtulus Partisi-Cephe" - Türkische Volksbefreiungspartei/-Front) auf. Sie griffen damit auf den Ursprungsnamen der Organisation zurück, aus der "Devrimci Sol" in der Türkei Anfang der siebziger Jahre hervorgegangen war. Mit dem Statusanspruch "Partei" will das Abspalterpotential offensichtlich dokumentieren, daß es sich inzwischen als selbständige handlungsfähige Organisation konsolidiert hat. 'Andererseits soll auch vor der Öffentlichkeit ein Trennungstrich zum konkurrierenden Lager gezogen werden, obwohl die abgekürzten Schreibweisen sich nur im Anfangsbuchstaben unterscheiden und von Außenstehenden leicht verwechselt werden können. Der KARATAS-Flügel nahm nämlich etwa zur gleichen Zeit die Bezeichnung DHKP-C ("Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephe" - Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) an, seit Mitte 1995 vereinzelt auch mit dem Zusatz "DHG ("Devrimci Halk Gücler" - Revolutionäre Volkskräfte). Die Gesamtzahl der Anhängerschaft beider Organisationen in Deutschland wird auf etwa 1.000 geschätzt. In Hamburg werden ihnen insgesamt weniger als 100 Personen zugerechnet. DHKP-C-Anhänger sind in Hamburg - abweichend von der umgekehrten bundesweiten Gewichtung - in der Minderheit. Die unverändert anhaltenden Rivalitäten zwischen THKP/-C und DHKP-C wurden durch den Austausch von aggressiver Polemik und gegenseitige Todesdrohungen der verfeindeten Flügel gegenüber Funktionäiren dokumentiert. Sie sind weiterhin eine erhebliche Gefahrenquelle, weil beim Zusammentreffen von Anhängern der beiden Flügel ein relativ hohes Risiko für den Ausbruch von Gewalttätigkeiten besteht. 3.3.2.1.1. DHKP-C (KARATAS-Flügel) Im März veröffentlichte die DHKP-C in deutscher Sprache "Das Programm der revoIutionären Volksbefreiungspartei". Darin erklärte sie: "Unsere Partei hat sich die marxistisch-leninistische Weltanschauung zu ei'gen gemachtund kämpft dafür. Das Endziel der DHKP ist, eine Gesellschaft und eine Welt ohne Ausbeutung und ohne Klassen zu schaffen. Aber unser 'heutiges Ziel ist die Errichtung der Revolutionären Volksmacht - der Macht aller Volkskräfte, die gegen Oligarchie und Imperialismus sind". Als "Feinde des Volkes" definiert die DHKP-C u.a. "alle staatlichen und privaten Institutionen, die dem Imperialismus und der Oligarchie dienen". Diese Aussage ist auch als Generalklausel für Aktionen der Partei in Deutschland zu verstehen. Sie richtet sich gegen alle dem türkischen Staat loyal gegenüberstehenden Kräfte, insbesondere gegen die als "Faschisten" titulierten Anhänger der türkischen "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP), die sog. "Grauen Wölfe" ((r) siehe 3.3.3). Deutlich öfter als der YAGAN-Flügel versuchte der KARATAS-Flügel im abgelaufenen Jahr, mit Gewalt Propagandawirkungen zu erzielen, dem Ansehen des türkischen Staates zu schaden und politische Gegner einzuschüchtern. Diese Aktivitäten berührten die innere Sicherheit der Bundesrepublik. Zwar wurde 1995 bei Auseinandersetzungen niemand getötet, wohl aber konnte z.B. bei Brandanschlägen nicht aus255 geschlossen werden, daß auchMenschenleben gefährdet würden. Im übrigen kam es zu gewalttätigen Zusammenstößenund aggressiver Agitation. Im Februar wurde in Hagen (NRW) von KARATAS-Anhängern ein angeblicher Verräter entführt, Er konnte nach mehreren Tagen entkommen. Drei Organisationsangehörige wurden als Täterim November zuje 2 Jahren und 8 Monaten Haft verurteilt. Ein YAGAN-Anhänger wurde am 29. November in Hannover entführt. Nach öffentlichen Protesten befreundeter türkischer Gruppierungen kam das Opfer nach einigen Tagen wieder frei. Auf die Ereignisse um den Aleviten-Konflikt in Istanbul am 12./13. März ((r) siehe 3.2.2) reagierte auch die DHKP-C mit Aktionen in der Bundesrepublik. Im Laufe des März gingen mindestens sieben Brandanschläge bundesweit - insbesondere in Berlin und Nordrhein-Westfalen - auf ihr Konto. Die Anschläge richteten sich u.a. gegen türkische Banken und Reisebüros. In der Publikation "DHKC-Nachrichtenbulletin" vom 3. April wurde mit Zielrichtung gegen türkische Einrichtungen und nationalistische bzw. staatsloyale Türken in Deutschland verkündet: "Wir müssen bei jeder Gelegenheit bewaffnet sein...vernichtet alle Agenten, Informanten, faschistischen Zentralen, wo immer ihr lebt, gestattet keinem von ihnen das Recht zu leben". Ihre bedenkenlose Gewaltbereitschaft und besorgniserregend gestiegene Schlagkraft bewies die Gruppierung erneut am 14. April durch nahezu zeitgleich durchgeführte Brandanschläge auf fünf türkische Banken in Köln und zwei weitere Anschläge in Baden-Württemberg am 17. April. In Hamburg waren am 15. April zwei Objekte von Brandanschliigen der DHKP-C betroffen: ein türkisches Reisebüro und ein islamischer Kulturverein. Vor dem Hintergrund dieser Brandanschläge und der Freiheitsberaubung eines Abtrünnigen im Frühjahr leitete der Generalbundesanwalt am 1. Juni ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung gem. $ 129 a StGB ein. Ziel ist die Ermittlung terroristischer Strukturen innerhalb der DHKP-C in Deutschland. Mit der Forderung, eine Reportage über Massaker in der Türkei senden zu dürfen, besetzten 15 DHKP-C-Anhänger - darunter vier aus Hamburg - am 24. Juli die Räume des Senders RTL in Bremen. Nach mehreren Stunden wurde das Gebäude durchdie Polizei geräumt. Wie sich Ereignisse in der Türkei unmittelbar auchauf die Szene ausländischer Extremisten in Deutschland und deutscher Unterstützer auswirken, zeigten die Reaktionen insbesondere der DHKP-C während einer Gefangenenmeuterei in der Haftanstalt Buca bei Izmir ab 21. September, in deren Verlauf mindestens drei Inhaftierte ums 256 Leben kamen. Vom 22. bis 26. September führten Organisationsangehörige in mehreren Städten die gesamte Bandbreite öffentlichkeitswirksamer Aktionen vor. Sie reichte von spontanen Aufzügen, Farbsprühaktionen, Flughafenund Bankbesetzungen bis hin zu gefährlichen Brandanschlägen. In Hamburg entzündeten Aktivisten am 22. Septemberauf der Straßenkreuzung Steindamm/Pulverteich Autoreifen. 22 Personen gingen am 26. September mit Farbbeuteln gegen das türkische Generalkonsulat vor. Einige besetzten am selben Tag vorübergehend eine türkische Bank am Steindamm. Offensichtlich waren auch Gesinnungsfreunde aus dem Hamburger Umland zur Unterstützung angereist. Aus Protest gegen "Festnahme und Folter Andersdenkender in der Türkei" besetzten Türken am 30. Oktober in mehreren Städten Büros von "amnesty international", so auch in Hamburg, wo sie ein Spruchband "Schluß mit der Unterdrückung in den Ge'fängnissen - DHKC" zeigten (unter dieser "abgekürzten Abkürzung" tritt die DHKP- C gelegentlich auch auf). Die Aktionen verliefen in allen Fällen nach Verhandlungen mit der Polizei friedlich. Sie waren offensichtlich zentral geplant und in erster Linie auf Medienwirkung bedacht. Vor dem Hintergrund erneuter Häftlingsrevolten in der Türkei ab 13. Dezember (Ümraniye-Gefängnis in Istanbul) wurde in Hamburg am 15. Dezember ein Brandanschlag gegen eine Bank am Steindamm verübt, zu dem sich die DHKP-C und die TKP(ML) bekannten. 3.3.2.1.2 THKP/-C (YAGAN-Flügel) Die THKP/-C steht der DHKP-C in ihrer grundsätzlichen Gewaltbereitschaft nicht nach. Sie bedroht ihrerseits Führungsfunktionäre des DHKP-C-Lagers mit dem Tode, insbesondere dessen Vorsitzenden KARATAS. Es gibt Hinweise, daß die Organisation sich deutschen linksextremistischen Terroristen zumindest verbunden fühlt, möglicherweise zu ihnen sogar Verbindungen hat. Sehr deutlich wurde ein Artikel des türkischsprachigen Parteiorgans "Devrimci Cizgi" (Revolutionäre Linie) im August. Neben einem Abdruck des RAF-Symbols wurde u.a. erklärt, daß die "revolutionären Kräfte mit großem Interesse...die Diskussionen innerhalb der RAF und die Entwicklung des bewaffneten Kampfes der AntiImperialistischen Zelle" verfolgten. Der Artikel schloß mit dem Bekenntnis: "Hiermit geben wir bekannt, daß wir als Devrimci Sol Gücler uns mit der Anti-Imperialistischen Zelle solidarisieren und den in Deutschland geführten Kampf unterstützen" ( AIZ siehe 2.3.2.2). Gegenseitige Provokationen führten im Laufe des Jahres mehrfach zu kleinen Zusammenstößen zwischen Mitgliedern von THKP/-C und DHKP-C. Bezeichnend für die nach wie vor angespannte Situation war eine Schlägerei zwischen Angehörigen beider Lager während der 1. Mai-Demonstration im Hamburger Stadtpark. Zwei Beteiligte wurden dabei so schwer verletzt, daß sie ins Krankenhaus eingeliefert werden mußten. Auch die THKP/-C reagierte auf die Vorfälle in der Türkei vom 12./13. März (Aleviten-Konflikt) u.a. mit Gewalt. Gemeinsam mit anderen linksextremistischen Türkengruppen bildete sie in Hamburg vorübergehend ein "Kampf-Komitee gegen den Faschismus", das am 14. und 15. März mit Brandsätzen gegen drei Objekte vorging, die 'offensichtlich als Trefforte "rechter" oder zur Türkei loyal stehender Landsleute angesehen wurden. Das "Kampf-Komitee" bekannte sich in zwei Fällen mit dem Schriftzug "Fasizme karsi devrimci direnis komitesi" (Revolutionäres Widerstandskomitee gegen den Faschismus) auf in der Nähe der Zielobjekte abgelegten Spruchbändern zur Urheberschaft und zum Motiv. Am 15. März führten etwa 30 Anhänger des Bündnisses eine vorübergehende friedliche "Besetzung" von Redaktionsräumen der "Spiegel-TV"-GmbH in Hamburg durch. Am 16. März brachte das Bündnis aus gleichem Anlaß in Hamburg etwa 400 Demonstranten zu einer zeitweise unfriedlich verlaufenen Demonstration auf die Straße. Eine türkische Moschee und die Geschäftsräume einer türkischen Bäckerei wurden mit Steinen beworfen. Im Oktober wurde deutlich, daß die Frühjahrsaktionen der THKP/-C zum Thema Kampf gegen "Faschismus" nur der Auftakt zu einer das Jahr über durchgehaltenen Antifaschismuskampagne waren, der offenbar Vorrang vor allen anderen Themen eingeräumt wurde. Ein äußeres Zeichen dieser Antifa-Kampagne waren z.B. fortwährende Plakatierungen mit Antifa-Tenor. Einer anderen Sprache bediente sich die Organisation mit einem Brandanschlag am 5. Oktober gegen ein offenbar als Sitz "rechter Türken" angesehenes Vereinslokal in Uetersen. Die Ausführenden bekannten sich mit Parolenschmierereien "Dev Sol" und "Tod den Faschisten" (auf türkisch) an den Fensterscheiben des Gebäudes zu ihrer Tat. Der Anschlag verursachte leichten Sachschaden. Am 6. Oktober überfielen in Hamburg vier Türken den Sozialattache des türkischen Generalkonsulats (GK) in einer GK-Außenstelle am Steintorweg. Sie bedrohten den Diplomaten mit Waffen und fesselten ihn. An die Wände sprühten sie Parolen, die sich auf das "Massaker in Buca" bezogen, sowie den Schriftzug "Devrimci Sol Gücler". Anschließend flüchteten sie. Der Attache blieb unverletzt. Am 15. November wurdeeiner der Täter gefaßt und im Januar 1996 zu 4 WochenArrest (Jugendstrafe) verurteilt. Die örtliche THKP/-C engagierte sich zusammen mit anderen türkischen Linksextremisten in einem türkischen "Antifaschistischen Komitee Hamburg", das am 14. Oktober etwa 460 Personen zu einer Demonstration "Gegen den Terror türkischer Faschisten" mobilisieren konnte. Am 11. November war erneut das türkische Generalkonsulat (GK) Ziel einer Protestaktion der THKP/-C. Vor dem GK protestierten etwa 30 Personen mit Spruchbän'dern in türkischer Sprache "Gegen den Staatsterror in den Gefängnissen" sowie mit 'dem Zusatz "Devrimci Sol Gücler". Einige Protestierer versuchten, sich am Zaun vor dem GK anzuketten. 15 Personen wurden vorläufig festgenommen. 3.3.2.2 Türkische Kommunistische Partei / Marxisten-Leninisten (TKP-ML) 1972 in der Türkei gegründet, hat sich die TKP-ML den revolutionären Umsturz der politischen Verhältnisse im Heimatland zum Ziel gesetzt. Dazu hat sie sich einen militärischen Arm - die "Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee" (TIKKO) - geschaffen. Die TIKKO steht im Guerillakampf gegen türkische Sicherheitskräfte mit dem allen Marxisten-Leninisten gemeinsamen Etappenziel, den "revolutionären Massen" den Weg zur Machtergreifung zu ebnen. Die Partei ist maoistisch orientiert, d.h. ihre marxistisch-leninistische Grundideologie wird um Ideen Mao Tse-tungs "schöpferisch" ergänzt - insbesondere um Maos Konzept des "revolutionären Volkskrieges". Ein friedlicher Übergang zum Sozialismus ist nach den Theorien des ML nicht möglich, sondern kann nur über eine bewaffnete Revolution erreicht werden. Als kommunistische Kaderpartei wird die TKP-ML, wie alle klassischen kommunistischen Parteien, von einem Zentralkomitee (Merkez Komitesi) mit einem Politbüro (Siyasi Bürosu) geführt. In den europäischen Ländern auBerhalb der Türkei werden die Politbüro-Aufgaben von einem "Auslandsbüro" (Yurtdisi Bürosu) wahrgenommen. Höchstes Organ ist die "Parteikonferenz". Die örtlichen Vereine in der Bundesrepublik gehören einem Dachverband an, der ATIF ("Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V."), die seit jeher ihre Verbundenheit mit der Partei verschleiert. Die TKP-ML ist Mitglied im militanten maoistischen Dachverband RIM(,. Revolutionary Internationalist Movement / Revolutionäre internationalistische Bewegung", Zentrale: London), in dem die "Kommunistische Partei Perus" (PCP) eine führende Rolle innehat. Der Anführer der PCP bzw. der peruanischen Guerillaorganisation "Leuchtender Pfad" (Sendero Luminoso), Dr. Abimael GUZMAN, befindet sich seit September 1992 in lebenslänglicher Haft. Zum Jahrestag der Verhaftung finden im Ausland regelmäßig Solidaritätsaktionen statt. Deutsche Linksextremisten, die der RIM zuzurechnen sind, treten als "Revolutionäre Kommunisten" (RK) - auch in Hamburg - auf. Im Frühjahr 1994 kam es in der TKP-ML aufgrund interner Machtkämpfe zur faktischen Spaltung in zwei konkurrierende Flügel. Spaltungen und permanente Umgruppierungen sind offenbar ein typisches Syndrom der Geschichte türkischer Linksex- tremisten ((r) siehe u.a. "Devrimci Sol" 3.3.2.1). Beide TKP-ML-Flügel beanspruchenjeweils für sich,die Partei zu verkörpern. Die deutschen Sicherheitsbehörden benutzen zur Unterscheidung der beiden Organisationsteile folgende Bezeichnungen: Ein Flügel wird nach den Anhängern des DABK (Ostanatolisches Gebietskomitee) 7B3Z benannt, das sich nach fünfjähriger Trennung Anfang 1992 gerade erst wieder der Parteiangeschlossenhatte und nun erneuteigene Wegegeht. Die in der Ursprungspartei verbliebene Anhängerschaft wird als "Partizan"-Flügel bezeichnet. Ähnlich wie ein Jahr zuvor bei "Dev Sol" führten die Differenzen in der TKP-ML zur Trennung der Anhängerschaft auf allen Ebenen bis hinunter zu den örtlichen Basisgruppierungen. DiesePolarisierung vollzog sichjedochnicht - wie beider Spaltung der Devrimei Sol -untergewaltsamenBegleitumständen. Deren abschreckendes Beispiel hatte möglicherweise zu mehr Besonnenheit gemahnt. Die spaltungsbedingten Reibungsverluste, die organisatorische Zerstückelung und logistische Aufteilung hat naturgemäß zunächst die Handlungsfähigkeit der Organisation nach außen geschwächt. Über ein Jahr lang gingen die öffentlichen Aktivitäten der TKP-ML zurück. Inzwischen haben die getrennten Potentiale aber in zwei eigenständigen Organisationen wieder Tritt gefaßt und sich gefestigt. In den Monaten davor fiel es schwer, Schriften und Bekennungen aus dem TKP-ML-Spektrum jeweils den richtigen Flügeln zuzuordnen, weil es keine sicheren und eindeutigen Merkmale dafür gab. Im Laufe des Jahres schälten sich jedoch folgende Namensunterscheidungen heraus, die einerseits von eifersüchtigem Beharren auf überlieferten Kürzeln zeugen, andererseits aber Bedingung für getrennte Erscheinungsprofile sind. Da die Buchstabenfolge identisch ist und unterschiedliche Akzente nur durch Schrägstrich 'oder Klammern gesetzt werden, sind Verwechslungen vorprogrammiert: Der DABKFlügel firmiert jetzt als TKP(ML), der "Partizan"-Flügel als TKP/ML. Die Zahl der gesamten TKP/MLbzw. TKP(ML)-Anhängerschaft in Deutschland wurde mit knapp 2.000 Ende 1995 um etwa 25 % höher als 1994 geschätzt. In Hamburg wird gleichbleibend von deutlich unter 100 ausgegangen, wobei hier der "Partizan*-Flügel - die TKP/ML - die Mehrheit stellt. 3.3.2.2.1 Partizan-Flügel: TKP/ML 'Anläßlich der alljährlich veranstalteten zentralen Gedenkfeier zum Todestag des Parteigründers KAYPAKKAYA (18.5.73) zeigte sich, daß der Stammflügel TKP/ML seine Mobilisierungsfähigkeit zurückgewonnen hat, Etwa 6.000 Personen versammelten sich am 13. Mai aus diesem Anlaß in Köln. In Hamburg veranstaltete der örtliche Partizan-Verein im Februar eine öffentliche Gedenkveranstaltung zu Ehren gefallener Revolutionäre mit etwa 350 Besuchern. Of260 fensichtlich waren nicht alle Teilnehmer allein aus politischer Motivation gekommen, sondern hatten sich zum Teil von dem angebotenen Musikprogramm mit türkischen Folkloregruppen anlocken lassen. Bemerkenswert ist, daß auch Anhänger des konkurrierenden Lagers (DABK bzw. TKP(ML)) mit einem Informationsstand zugelassen waren - ein offensichtlicher Hinweis darauf, daß sich beide Seiten inzwischen tolerieren und respektieren. Der Hamburger Partizan-Flügel agierte nach den Vorfällen in der Türkei vom 12./13. März (Aleviten-Konflikt) Seite an Seite mit dem "Dev Sol" /Y AGAN-Flügel THKP/-C im türkischen "Kampf-Komitee gegen den Faschismus" (u.a. Brandanschläge am 14. und 15. März gegen "rechte" bzw. staatsloyale Türken) sowie am 15. März bei der "SPIEGEL-TV"-Besetzung (9 siehe 3.3.2.1.2). Partizan-Anhänger beteiligten sich am 16. März auch an der vom "Kampf-Komitee" veranstalteten Demonstration in Hamburg gegen "Die Massaker in Istanbul" mit insgesamt 400 Teilnehmern, aus der heraus Steine auf eine Moschee und eine türkische Bäckerei geworfen wurden. 3.3.2.2.2 DABK-Flügel: TKP(ML) Nachdem der Propagandakrieg zwischen den konkurrierenden TKP-ML-Flügeln sich im Frühjahr beruhigt hatte, beschloß die Führung des DABK-Flügels im Mai sogar, 'Anführer der "Mafia-Clique" künftig nach gehöriger Selbstkritik bei sich aufzunehmen. Die im Partizan-Spektrum verbleibenden Personen bzw. ihre Organisation würden zwar weiterhin nicht als "TKP(ML)" anerkannt, bei Massenveranstaltungen aber auch nicht ausgegrenzt. Dieser moderate Umgang miteinander hatte sich bereits im Februar auf der Hamburger "Partizan"-Veranstaltung angekündigt, wo ein DABKInformationsstand zugelassen worden war. Die jährliche Gedenkveranstaltung zum Todestag des Parteigründers KAYPAKKAYA fand am 20. Mai in Frankfurt/M. mit etwa 4.000 Teilnehmern statt - eine Woche nach der entsprechenden Kölner "Partizan"-Veranstaltung mit 6.000 Besuchern. 'Auf Festnahmen ihrer Funktionäre in der Türkei reagierte das DABK in der Vergangenheit regelmäßig sehr empfindlich. Zuletzt hatte die Organisation im Dezember 1994 einen solchen Anlaß an verschiedenen Orten in Deutschland mit Brandanschlägen gegen türkische Reisebüros und Banken beantwortet. Im Juni wurde in der Türkei ein ZK-Mitglied festgenommen. Spontan versammelten sich am 16. Juni etwa 65 Personen im Stuttgarter Flughafen zu einer "demonstrativen Ankettung". Nachdem sich Pressevertreter eingefunden hatten und ausreichend Medienaufmerksamkeit erregt worden war, wurde die Aktion beendet. Auf Brandanschläge oder andere Gewalttaten wurde dieses Mal verzichtet. Gewalttätig verliefen dagegen Proteste u.a. von DABK-Anhängern am 23. September in der Schalterhalledes Flughafens Düsseldorf. Etwa 30 Personen demonstrierten aus 'Anlaß von Gefängnisrevoltenin der Türkei (Buca/lzmir) vordem Schalter der "Istanbul Airlines" und drohten, Benzinzu entzünden. 17 Personen wurdenvorläufigfestgenommen. In Hamburg machten Anhänger des DABK nur einmal mit einer öffentlichen Aktion auf sich aufmerksam, wobei die handelnden Personen sich selbst aber nicht zeigten: Zu einem Brandanschlag am 15. Dezemberaufeine türkische Bank aus Anlaß von Häftlingsrevolten in Istanbul (13.12.) bekannten sich DHKC und TKP(ML) nebeneinander auf einem gemeinsamen Spruchband. 3.3.3 Nationalisten Die 1978 gegründete extrem-nationalistische "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa" (Avrupa Demokratik Ülkücü Türk Demekleri Federasyonu / ADÜTDF) unterstützt im Bundesgebiet die politischen Ziele der in der Türkei beheimateten "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP). Die MHP unter ihrem Vorsitzenden Alparslan TÜRKES setzt sich für die Bildung eines islamischen Nationalstaates in der Türkei ein. Die Bestrebungen der ADÜTDF sind MHPkonform. In einem Urteil des türkischen Verfassungsgerichtes von 1976 war es türkischen Parteien untersagt worden, im Ausland Vertretungen zu gründen. Um dennoch den Zusammenhalt von MHP-Anhängern im Ausland zu sichern, hatten sich 1978 über 60 sog. "Kulturund Idealistenvereine" aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Belgien und den Niederlanden zur ADÜTDF zusammengeschlossen. Diese bemüht sich in Deutschland, als eine politisch gemäßigte, demokratischen Prinzipien verpflichtete Organisation aufzutreten, distanziert sich auch von Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung. Die Organisation versteht sich u.a. als Abwehrfront gegen Marxisten bzw. Kommunisten und befindet sich in Gegnerschaft zur PKK. Im Sprachgebrauch politischer Gegner werden die ADÜTDF-Anhänger gemeinhin als "Faschisten" oder landläufig als "Graue Wölfe" bezeichnet. Der Wolfhat eine aus der türkischen Mythologie abgeleitete symbolische Bedeutung (Fabeltier, das in grauer Vorzeit die Türkstämme aus Zentralasien nach Westen geführt haben soll). Er taucht mitunter auf Briefköpfen 'oder Anstecknadeln von Anhängern der ADÜTDF auf. Zum Gruß erheben manche ADÜTDF-Anhänger den ausgestreckten Arm, wobei die Handbildung einen Wolfskopf symbolisiert. Eine Organisation "Graue Wölfe" existiert in Deutschland nicht. Latente Gefahren ergeben sich aus dem Umstand möglicher militanter Reaktionen von ADÜTDF-Anhängern auf Angriffe linker türkischer oder kurdischer Extremisten auf Vereinsobjekte bzw. Treffpunkte von Nationalisten. Ein Indiz für solche Gefah- ergab sich z.B. anläßlich polizeilicher Vorkontrollen bei einer "Kulturveranstalr-7'5ä8 tung" im Januar 1994 in Duisburg, wo Hiebund Stichwaffen, Gasund Schreck'schußpistolen, CS-Gasbehälter und pyrotechnische Gegenstände sichergestellt wur'den. In der Antwort der Bundesregierung vom 18.08.95 auf eine parlamentarische Kleine Anfrage (Drucksache 13/2164) wurden 11 vom Bundeskriminalamt seit 1990 registrierte Fälle angeführt, in denen es Hinweise auf Übergriffe türkischer RechtsexremistengegenLandsleute gab bzw.in denenein solcher Hintergrundbehauptetwurde. Im Bundesgebiet werden der ADÜTDF, die ihren Sitz in Frankfurv/M. hat, etwa 135 Vereine zugerechnet. Bundesweit wird die Mitgliederzahl bei steigender Tendenz mit 'rund6000 angegeben; das Mobilisierungspotential liegt bei etwa 10.000 - 15.000 Personen. Die ADÜTDF finanziert sich ihrer Satzung zufolge aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden. Der Hamburger ADÜTDF-Mitgliedsverein hat seit 1993 die Bezeichnung "Türkische Familien Union in Hamburg und Umgebung e.V."; seine Mitgliederzahl liegt bei rund 150 Personen. Das Vereinsgebäude, in dem sich auch Gebetsräume befinden, war im März Ziel eines von linksextremistischen Türken verübten Brandanschlages. Zwei Tage später wurde das Gebäude aus einer Demonstration heraus - Tenor "Gegen faschistische Massaker am 12./13.3. in Istanbul" - mit Steinen beworfen. 1995 verdichteten sich Hinweise, daß sich türkische Linksextremisten und extreme Nationalisten vermehrt gegenseitig provozierten. Ein Zeichen verschärfter Pol rung dürfte ein gewaltsamer Vorfall im September in Neumünster gewesen sein, wo bei Auseinandersetzungen ein dem PKK-Umfeld zugerechneter Jugendlicher erschossen wurde ((r) siehe 3.2.2). Das u.a. auf die Ereignisse im Aleviten-Konflikt zurückzuführende Aktionsverhalten türkischer und kurdischer Linksextremisten in der Bundesrepublik richtete sich auch gegen "die" hier lebenden türkischen "Faschisten". Zu gewaltsamen Vergeltungsaktionen von Anhängern des Hamburger ADÜTDF-Vereins ist es - entgegen Befürchtungen - allerdings nicht gekommen. 3.3.4 Islamisten 3.3.4.1 Islamische Gesellschaft Neue Weltsicht e.V. (IGMG) und Europäische Moscheenbauund Unterstützungsgemeinschaft e.V. (EMUG) - vormals Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e.V. (AMGT) Die IGMG und die EMUG sind im Juni aus der AMGT hervorgegangen. Hintergrund dieser Neukonstituierung und Umkonstellation war eine aus taktischem Kalkül vorgenommene Aufgabenteilung unter Verzicht auf die alte AMGT-Hülle. Die Organisationen arbeiten pro forma vereinsrechtlich getrennt, setzen in ihrer Summe de facto 263 jedoch inhaltlich und sinngemäß die AMGT-Arbeit bzw. die politisch-religiöse setzung der Vorläuferorganisation fort. Die EMUG verwaltet nunmehr den nicht erheblichen Immobilienbesitz der ehemaligen AMGT, während sich die IGMG religiösen, sozialen und kulturellen Belange der Mitglieder und Sympathisanten nimmt. Die mit ihrer Zentrale in Köln ansässige IGMG/EMUG versteht sich als eu Sammelbecken von Menschen moslemischen Glaubens. Nach eigenen Bekun" verfügt die IGMG/EMUG weltweit über ca. 200.000 Anhänger, die überwiegend Europa leben; der monatliche Mitgliederzuwachs wird mit etwa 1.000 angegeben. Verfassungsschutzbehörden schätzen die Mitgliederstärke des Verbandes in Deutschland auf etwa 26.000. Es wird nicht davon ausgegangen, daß alle Mitglieder/Anhän'ger der IGMG/EMUG bewußt islamisch-extremistische Ziele verfolgen oder unterstützen. Selbst unter diesem Vorbehalt ist die IGMG/EMUG mit Abstand die mitgliederstärkste unter allen türkischen extremistischen Organisationen auf deutschem Boden. Sie finanziert sich laut Satzung aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden, Zuschüssen, Schenkun'gen und dem Gewinn aus Immobiliengeschäften. In der Öffentlichkeit versucht sich die Organisation als Dachverband darzustellen, der über regionale Unterorganisationen und eigenverantwortliche Mitgliedsinstitutionen den 2 Millionen Muslimen in Deutschland lediglich Dienstleistungen anbietet. Unzweifelhaft erfüllen die ihrer Regie unterstehenden Einrichtungen in mancherlei Hinsicht Funktionen als Orte der Kommunikation, Begegnung und Hilfe im Alltag für viele moslemische Glaubensanhänger: So sind z.B. große Moscheen - neben den eigentlichen Gebetsräumen - mit eigenen Ladeneinrichtungen, Reisevermittlungen, Teestuben, Wohn-, Leseund Schulungsräumen ausgestattet. Sie werden aber zugleich als Schild empfunden, der gegen Assimilation schützt. Diese Tatsache kann aber nicht über die weitergehenden langfristigen Zielsetzungen und den tieferen politischen Hintergrund des Verbandes hinwegtäuschen. Auch die Nachfolger der AMGT streben mittelfristig danach, die laizistische - d.h. auf Trennung von Staat und Religion bedachte - türkische Regierungsform zu beseitigen und in der Türkei einen theokratischen Staat zu errichten. Langfristig richten sich solche Bestrebungen gegen "ungläubige" Staaten auf der gesamten Welt. Die IGMG/EMUG steht in enger Verbindung zur islamistischen türkischen "Refah Partisi" (RP, Wohlfahrtspartei), die unter ihrem Vorsitzenden ERBAKAN auftürkischem Boden für dieses Ziel eintritt. Sie leistet vom Deutschland und anderen europäischen Ländern aus publizistische sowie finanzielle Hilfen und unterstützt die Wahlwerbung der RP. Bestrebungen, die als Verfassungsgrundlage und Maßstab staatlichen Handelns ausschließlich den Koran zulassen wollen, begründen erhebliche Zweifel an verbalen 264 'nen insbesondere Juden und derStaat Israelverteufelt wurden -in einer Weise,die 'dem Gebot religiöser Toleranz und dem Gedanken der Völkerverständigung widersprach. In Artikeln ihres Sprachrohrs, der weit verbreiteten Tageszeitung "Milli Gaze1e", artikuliert die Organisation inzwischen vorsichtiger, obwohl antiisraelische bzw. antizionistische Töne nicht zu überhören sind. Nach der Ermordung des israelischen Ministerpräsidenten hob "Milli Gazete" am 8. November u.a. deutlich hervor (Übersetzung): "Für RABIN, der vorgestern von einer Person seiner eigenen Rasse getötet wurde, fandin Jerusalem eineprächtige Beerdigungsfeierstatt. Sogar mit dieser Feier haben die Okkupanten versucht, eine legale Grundlage für ihre Behauptung, Jerusalemsei die HauptstadtIsraels,zuschaffen" . . . "Die in den Zionismus verliebten Führer, die zu der Beerdigung RABINs, der bei der Ermordung vontausendenvon Muslimen eineRolle gespielthat,undder der Hauptverantwortliche für diese Morde ist, nach Jerusalem gekommen sind, 'haben den extremistischen Führer des Zionismus, RABIN, zu einem Apostel des Friedens gemacht." Die auf europaweite Expansion bedachte IGMG/EMUG ist mit erheblicher Finanzkraft ausgestattet. Dieses belegen u.a. Grundstückskäufe sowie neu errichtete bzw. gegründete Moscheen, wodurch sich ihre Präsenz auch für Außenstehende sichtbar verstärkte. Zugleich erweiterte die Organisation in den vergangenen Jahren mit Hilfe verschiedener zielgruppenorientierter Nebenorganisationen (Jugendliche, Frauen, Wissenschaftler, Studenten) deutlich ihren Einflußbereich. Die IGMG/EMUG-Untergliederung "Bereich Hamburg" ("Hamburg Bölgesi") umfaßt knapp20 Moscheen auf demGebietder Freienund Hansestadt Hamburg, Schleswig-Holsteins und Niedersachsens, wobei eine Moschee durchaus lediglich aus einem für derartige Zwecke hergerichteten Wohnraum (Gebetsraum) bestehen kann, der den Gläubigen der Umgebung zugänglich ist. Mehrere dieser Moscheen werden von der IGMG/ EMUG-nahen "Gesellschaft der türkischen Arbeiter in Hamburg und Umgebung zur Gründung und Erhaltung einer Moschee e.V." betrieben. Als "Zentralmoschee" (Merkez Camii) fungiert die von diesem Verein getragene Moschee in der Böckmannstraße. Die Mitgliederstärke des gesamten IGMG-Bezirks Hamburg (reicht u.a. bis Kiel und Stade) wird auf 3.000, innerhalb der hamburgischen Landesgrenzen auf etwa 1.000 Personen geschätzt. Der tatsächliche Einflußbereich der IGMG/ EMUG dürfte über diese unmittelbar angebundene Anhängerschaft weit hinausreichen. 265 Hamburger IGMG/EMUG-Anhänger haben in diesem Jahr keine bedeutenden Benaktivitäten entwickelt. Um sich auch stärker öffentlich bekanntund ". parent" zu machen, wurden zur Jahresmitte im Moscheeumfeld / Böc) Flugblätter verteilt. Unter dem Tenor: "...Wir über uns..." wurden zugleich alle Islam bzw. an der Moschee Interessierten zu einem Besuch eingeladen. Am 25. bruar führen Hamburger IGMG-Anhänger zur zentralen "Jerusalem-Tag"stration nach Köln. An einer Protestkundgebung am 20. Januar vor dem rus is Generalkonsulat "Gegen den Völkermord in Tschetschenien" mit etwa 350 Teil mern beteiligte sich neben IGMG-Anhängern auch die islamisch-nationalisti ADÜTDF. Anläßlich von Protestaktionen türkischer und kurdischer Linksextremi vor dem Hintergrund des Aleviten-Konfliktes (Istanbul) im März sah sich die IG} zu Schutzmaßnahmen gegen befürchtete Angriffe auf Moscheen veranlaßt, weil kische Islamisten von Gegnern in die Nähe der "türkischen Faschisten" gerückt den und sich deshalb bedroht fühlten. 3.3.4.2 Islamische Bewegung (IH) Die "Islamische Bewegung" (IH) ist 1989 als Abspaltung des "Verbandes der islami'schen Vereine und Gemeinden e.V." (ICCB) entstanden. Die Abspalter reagierten mit diesem Schritt darauf, daß sich die Führung des ICCB - auch als "Kaplan-Verband" bezeichnet - vom iranischem Einfluß gelöst hatte. Es gelang der "/slamischen Bewegung", bundesweit mehrere örtliche ICCB-Vereine zu übernehmen. Dabei brachten sie sich u.a. in den Besitz einer Hamburger Moschee. Heute befindet sich ihre Moschee in der Mokrystraße im Stadtteil Wilhelmsburg und wird von dem Verein "Zentrum für ForschungundKultur des Isitm e.V." getragen. Die IH hat sich zum Ziel gesetzt, in der Türkei einen "/slamischen Staat" nach dem Vorbild Irans zu errichten. Sie geht nicht davon aus, dieses mit friedlichen Mitteln zu erreichen. In Flugblättern agitiert und polemisiert sie gegen die "kapitalistischen und zionistischen Teufel", äußert sich rassistisch anti-jüdisch, propagiert Gewalt als Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele und glorifiziert das Märtyrertum. Gemeinsam mit Anhängern anderer islamisch-extremistischer Gruppierungen beteiligten sich Hamburger Anhänger der IH auch im Februar - wie in jedem Jahr - an der Kölner Großdemonstration zum "Jerusalem-Tag". Dieser Anlaß war seinerzeit vom iranischen Ayatollah KHOMEINI proklamiert worden, um so stets aufs neue die "Befreiung Jerusalems vom Zionismus" anzumahnen. Nach Auffassung der IH ist der Kampf gegen Israel gewaltsam, notfalls unter Einsatz des Lebens zu führen. Insbesondere wegen ihrer politisch-weltanschaulichen Nähe zum iranischen Islamismus ist für IH-Anhänger auch das "Islamische Zentrum Hamburg" (IZH) von Bedeutung. Die bundesweit auf 300, in Hamburg auf etwa 50 Personen geschätzte "/slami sche Bewegung" wirkte 1995 vorwiegend nach innen unter eigenen Anhängern und Inter266 A weniger öffentlich. Zur Frage, ob und inwieweit sich die IH für ihre gegen türkische Regierung gerichteten Absichten möglicherweise auch um Einfluß unter Glaubensanhängern bemüht, hat sie sich bisher in ihren Verlautbarungen Deutschland leben über 100.000 iranische Staatsangehörige, in Hamburg etwa 13.300. Sie stellen in Hamburg damit nach Türken, Jugoslawen und Polen die viertgrößte Gruppe von Ausländern. Die relativ hohe Zahl iranischer Staatsbürger in Hamburg ergibt sich u.a. aus der Funktion der Stadt als Wirtschaftsmetropole. Zahlreiche iranische Firmen sind hier ansässig. Ein Teil der in Deutschland aufhältlichen Iraner engagiert sich politisch für den Heimatstaat, andere leben in Opposition und setzen sich hier für eine Änderung der politischen Verhältnisse in ihrer Heimat ein. Um ihre Situation und ihre Anliegen verstehen zu können, dürfen Selbstverständnis und Prinzipien von Staat und Gesellschaft im Iran nicht übersehen werden, In der Islamischen Republik Iran ist die schüitische Grundorientierung allen privaten und staatlichen Lebens ein wichtiges Element für das Selbstverständnis des Landes. Schiiten sind Anhänger der "schi'at Ali", der "Partei Alis", einer der beiden Hauptrichtungen der Weltreligion Islam. Eine weltweite Minderheit von etwa 15% der Muslime sind Schiiten, die Mehrheit Sunniten (Anhänger der Sunna). Sunniten und Schiiten trennten sich im Streit um die Nachfolge des im Jahre 632 n.Chr. verstorbenen Propheten Mohammad. Der Schiismus erkennt im Gegensatz zu den Sunniten nur Ali, den Schwiegersohn und Vetter des Propheten Mohammad und die ihm nachfolgenden blutsverwandten zwölf Imame als rechtmäßige Nachfolger und einzig legitime Führer der muslimischen Gesellschaft an. Im Iran leben etwa zu 90% Muslime schiitischen Glaubens. Als Ergebnis der "Islamischen Revolution" von 1979 und der Machtübernahme durch den zehn Jahre später verstorbenen Ayatollah KHOMEINI wurde das schiitische Staatsund Herrschaftsverständnis in der Verfassung der Islamischen Republik Iran verankert. Es beruht auf dem Prinzip der "Herrschaft des anerkannten Gottesgelehrten" ("wilayat-e Fagih"). Unverzichtbares Kriterium der schiitischen Gemei n- schaftsordnung ist, daß sich das Volk dem Willen Gottes und seiner Vertreter auf Erden - dem anerkannten geistlichen Führer, "rahbar" (s.u.), oder einem Gelehrtenkollegium - unterzuordnen hat. Zweifelsohne hat der Iran Leitbildfunktion - aber eine nur eingeschrä nkte Führungsrolle - für verschiedene islamische Bewegungen. Er gab Impulsefür eine Rückbesin267 nungauf den "wahren Islam" auch in anderen Staaten. KHOMEINI machte seinerzeit die "dekadenten" und "satanischen" Kolonial-und Supermächte - allen voran die USA als den "großen Satan" - für die politische, wirtschaftliche und kulturelle Schwäche der islamischen Welt verantwortlich. Im heutigen Sprachgebrauch iranischer Stellen werden diese Staaten häufig pauschal mit den Begriffen "Weltarroganz" und "Lakaien" assoziiert. Kritiker werden als Stimmen einer "zionistischen Weltverschwörung" abgetan. KHOMEINIs politischem und religiösem Testament von 1983 zufolge werden die "Feinde des Islam" von den "ungehemmten und terroristischen" USA angeführt. Der "internationale Zionismus" ist danach ihr Verbündeter. Jordaniens König wird als "professioneller vagabundierender Verbrecher" dargestellt. Als ebenso verhaßte Figuren tauchen in diesem Feindbild der marokkanische Monarch und der ägyptische Präsident als "Kriminelle im Dienste Amerikas und Israels" sowie das saudi-arabische Herrscherhaus als "Verräter" auf. KHOMEINIs Thesen und Ziele laufen darauf hinaus, daß der "/slam als Politik" betrachtet wird. Höchste Autorität des Landes ist nicht der Staatspräsident RAFSANDJANI, sondern der "Führer" ("rahbar") Ayatollah KHAMENEI. Er hat die Möglichkeit, direkt oder indirekt in Exekutive, Legislative und Rechtsprechung einzugreifen. Pluralismus oder ein Mehrparteiensystem im Sinne des westlichen Demokratieverständnisses werden klar abgelehnt. Bis heute sind die einst erklärten Revolutionsziele aktuell, wie Stabilisierung und 'Ausbau der Macht bei gleichzeitiger Ausschaltung der Opposition, Export der islamischen Revolution mit dem Ziel, insbesondere "dekadente", vom Westen beeinflußte Regierungen islamischer Länder zu stürzen und die ganze Welt zu islamisieren. Diese in der Verfassung der Islamischen Republik Iran verankerten Ziele werden regelmäBig bekräftigt. Wie sich die iranische Regierung die Ausschaltung der Opposition in Theorie und Praxis vorstellt, wurde in einer im August 1992 im iranischen Fernsehen ausgestrahlten - unverändert gültigen - Erklärung des iranischen Ministers für Nachrichtendienstund Sicherheitsangelegenheiten, Ali FALLAHIAN deutlich aufgezeigt. Der Minister hatte Grundsätze, Ziele und Erfolge seines Ministeriums dargelegt. Der Rahmen für die Bekämpfung von Dissidenten und Oppositionellen - zusammengefaßt in dem Begriff "feindlich gesinnt" - wird darin u.a. mit Stichworten wie "Beobachtung/ Infilration / Schwächung / schwere Schläge" definiert. Personen und Gruppen, die kulturelle und religiöse Werte der islamischen Revolution in Frage stellen, werden im ei'genen Land und im Ausland verfolgt und manchmal auch liquidiert. Iranischen Sicherheitsdiensten werden mehrere Mordanschläge auf im Ausland lebende führende Oppositionelle zugerechnet. Oppositionelle Bewegungen wurden auf 268 Weise systematisch geschwächt. Gewaltsame Aktionen gegen innere Feinde im werden als legitimes Mittel iranischer Außenund Sicherheitspolitik ver1. Zu deminBerlinstattfindendenProzeßwegen desMordesan vierOpposi- " iellen im Lokal "Mykonos" vom September 1992 und den in diesem ZusammenEnde des Jahres eingeleiteten Untersuchungen gegen den Informationsminister '(zugleich Geheimdienstminister) FALLAHIAN hieß es in iranischen Medien, daß dies "eine weitere Maßnahme der prozionistischen Gruppen in Deutschland" sei. Die 'deutsche Justiz wurde als unfähigbezeichnet, zu erkennen, daß der Irandas "Hauptop'fer des Terrorismus" sei. Unter dem Einfluß "zionistischer Kreise" werde in Deutschland versucht, bilaterale Beziehungen durch "bösartige Verschwörungen" zu stören. Iranische Regierungsvertreter und hohe Würdenträger haben mehrfach bekräftigt, daß sie die "göttliche Fatwa" (Rechtsgutachten) des Revolutionsführers Ayatollah KHOMEINI vom Februar 1988 gegen den britisch-indischen Schriftsteller Salman RUSHDIE für unumkehrbar und somit für unverändert gültig halten. RUSHDIE lebt seit'dem unter der ständigen Drohung, daß das Todesurteil gegen ihn vollstreckt wird. Außerhalb Deutschlands sind mehrere Anschläge gegen Personen bekannt geworden, die die von RUSHDIE verfaßten "Satanischen Verse" übersetzt oder verlegt hatten. KHOMEINI hatte seine "Fatwa" auch auf alle Personen ausgedehnt, die das Buch nur verbreiten. RUSHDIE gilt als personifizierte Verschwörung des Westens gegen den Islam ("lebendes Beispiel für das zionistische und westliche Komplott gegen den Islam"). In jüngster Zeit verdichteten sich im Iran Anzeichen für aufkommende kontroverse Haltungen in der RUSHDIE-Frage. Hintergrund sind u.a. westliche Forderungen nach einer "klaren Position" Irans zum Todesurteil. Allein schon Forderungen, die Fatwa aufzuheben, wurden vom Iran als Auswüchse einer "antislamischen und antimuslimischen" Denkweise empfunden. Das Todesurteil erfreue sich weltweiter Sympathie beim größten Teil der muslimischen Führer. Eine Politisierung des Todesurteils liege 'ht im Interesse" der Weltgemeinschaft, insbesondere nicht der muslimischen. lerdings wurde dem Westen eine pragmatische Lösung signalisiert: Das Todesurteil müsse "nicht zwangsläufig" vollstreckt werden. Der iranische Präsident RAFSANJANI bezeichnete den im November ermordeten israelischen Ministerpräsidenten RABIN als "einen der wichtigsten Begründer des Terrorismus in der Region", seinen Tod als "göttliche Rache". Ein iranischer Geistlicher sah in RABIN eine "Quelle der Korruption undder Verderbnis". Angesichts dieser unverhohlenen Genugtuung über einen Mord wurde die für November in Bonn geplante Konferenz "Europa und die islamische Welt", zu der der iranische Außenminister eingeladen war, verschoben. Der iranische Botschafter in Bonn bedauerte die "Falschinterpretation" RAFSANDJANIS. Dessen Äußerung bedeute keine Einladung an den Terrorismus. Der Iran sei selbst lange das 'Opfer von Terrorismus gewesen und verurteile ihn. 3.4.2 Anhänger der iranischen Regierung Für den Export der islamischen Revolutionsidee spielt in Deutschland das "/s/amische Zentrum Hamburg" (IZH) - Träger der "Imam-Ali-Moschee" - eine herausragende Rolle. Es hat sich zu einem Propagandazentrum der Islamischen Republik Iran entwickelt. Diese setzt offiziell die Leiter der Moschee bzw. des IZH ein, das über Zweigstellen in Münster und Hannover verfügt und u.a. mit Zuwendungen aus dem Iran sowie Besucherspenden finanziert wird. Regierungstreue Iraner und muslimische Gruppen anderer Nationalitäten suchen das IZH zu Versammlungen, Gebeten, Vorträgen, Seminaren, Lesungen, islamischen Festen und Trauerfeiern auf. Obwohl von offizieller Seite eine innermuslimische und konfessionsübergreifende Offenheit bekräftigt wird, werden das Weltgeschehen und Fragen des täglichen Lebens bevorzugt im Sinne einseitiger iranischer Lesart interpretiert, Die Nahost-Friedensverhandlungen mit dem verhaßten "zionistischen Gebilde" werden abgelehnt. Antiwestliche Agitation und einseitige pauschale Schuldzuweisungen überwiegen. Im Juli beteiligte sich das IZH an der Planung und Durchführung einer Demonstrati'on von Muslimen mehrerer Nationalitäten zur "Solidarität mit dem bosnischen Volk" in Bonn. Diese Aktion ging mit entsprechenden iranischen Bemühungen konform, die islamische Staatenwelt in der Bosnienfrageauf eine einheitliche Linie gegenüber den "Verschwörungen der Feinde" (allen voran die UNO) sowie "boshaften Intrigen des Westens" gegen die bosnischen Muslime festzulegen. Im IZH verkehren auch Anhänger des islamisch-extremistischen Dachverbandes "Union islamischer Studentenvereine in Europa" (U.1.S.A.). Die U.1.S.A. propagiert als einzige regierungstreue iranische Organisation in Deutschland die Revolutionsideen KHOMEINIs und verteidigt vorbehaltlos alle Ziele der Islamischen Republik Iran. Ihre Mitglieder sind verpflichtet, "dis zum Tode den islamischen Glauben und die islamische Revolution" zu verteidigen. Sie beteiligen sich jeweils an der Vorbereitung und Durchführung der alljährlich im Bundesgebiet stattfindenden Großdemonstration zum "Jerusalem-Tag" - dem von KHOMEINI kreierten "GHODS-Tag" oder "OODS-Tag". Im Februar demonstrierten in Köln aus diesem Anlaß bundesweit etwa 2.500 Muslime - größtenteils Anhängerislamisch-extremistischer Organisationen. 3.4.3 Gegner der iranischen Regierung Die gegen die islamisch-fundamentalistische Regierung gerichtete iranische Opposition ist organisatorisch zersplittert und ideologisch desorientiert. Sie ist keine ernsthafte Gegenkraft zur Herrschaft der Ayatollahs. 270 Die iranische Opposition leidet unter schleichender Auflösung. Interne Probleme verstärken sich, während gleichzeitig die Aussicht schwindet, im Iran eine handlungsfähige Basis aufbauen zu können. Im Ausland fehlen - von Ausnahmen abgesehen - Führungspersönlichkeiten sowie Bereitschaft und Kraft, sich unter einem gemeinsamen Dach zu sammeln. Monarchisten, Marxisten, Nationalisten und eine klerikale Opposition sind zersplittert. Die meisten Gruppen haben im Iran selbst nur eine schmale Basis und müssen daher vom Ausland aus agieren. Der "Nationale Widerstandsrat Iran" (NWRI) bzw. die darin dominierenden "Volksmodjahedin Iran" sind heute die wichtigste Organisation. Dieser Teil der Opposition besitzt auch Führungspersönlichkeiten, die noch für neue Anstöße sorgen. Der NWRI nimmt für sich in Anspruch, "dez iranische Widerstand" überhaupt zu sein. Er sieht sich als demokratische Alternative zur gegenwärtigen Regierung, der nach dem Sturz des "Mullah-Regimes" einen nichtreligiösen und demokratischen Staat im Iran errichten will. Der seit 1981 existierende NWRI hatte sich im August 1993 als "Exilparlament im Widerstand" mit 235 Mitgliedern konstituiert und Maryam RADJAVI zur iranischen Staatspräsidentin gewählt - ein Versuch, sich als Alternative zum iranischen Regime zu legitimieren und zu etablieren. Die "Volksmodjahedin Iran" sehen sich als Vertreter einer gemäßigten islamischen Linie mit annähernd sozialdemokratischer Prägung, streben aber den gewaltsamen revolutionärenSturz der iranischen Regierung an. Die Organisation war 1965 eigentlich gegründet worden, um die Diktatur des Schahs zu bekämpfen und schon damals ein demokratisches System zu errichten. Sie beteiligte sich 1979 auch an der Revolution gegen den Schah, geriet aber nach dem Umsturz in Opposition zur neuen Regierung, gegen die sie seit 1981 bewaffneten Widerstand leistet. Vom iranischen Regime werden sie verächtlich "Munafigeen Khalq Organization" (MKO, sinngemäß "Heuchler") genannt. Die Organisation beschränkt sich nicht auf politische Propaganda zum Sturz des "Mullah-Regimes". Eine "Nationale Befreiungsarmee" (NLA) und ein Widerstandsnetz im Iran selbst führen auch direkte Operationen durch, die in Publikationen des NWRI anschließend groß herausgestellt werden. Bei bewaffneten Aktionen im Iran gelang es dem Widerstand in der Vergangenheit, Unruhen auszulösen, Regierungsanhänger zu töten, Objekte der Infrastruktur (insbesondere Pipelines und Ölanlagen) zu zerstören und militärische Zentren der Revolutionsgarden anzugreifen. In der Propaganda der Organisation haben Meldungen über Menschenrechtsverletzungen und Hinweise auf angebliche wie tatsächliche Terroraktionen der iranischen Regierung zentrale Bedeutung. Im Gegenzug läßt der Iran keine Gelegenheit aus, die "Munafigeen" für Unruhen und Anschläge im Heimatland verantwortlich zu machen, um sie vor der Bevölkerung als "Verräter" abzustempeln, die im Krieg zwischen Iran und Irak auf Seiten des Irak gegen den Iran gekämpft haben. Andere Oppositionsgruppen halten Distanz zu den "Volksmodjahedin Iran", obwohl diese sich in ihrer Propaganda betont diplomatisch und als für den Westen attraktive politische Alternative darzustellen versuchen. Sie betonen zwar Meinungsfreiheit, Menschenrechte, Pluralismus, Gleichberechtigung usw., halten aber an militärischen 223 Lösungen gegen die "Mullah-Diktatur" fest. Auch 1995 unternahmen sie Vorstöße, sich politische Anerkennung in westlichen Staaten zu verschaffen. w 'Anhänger der "Volksmodjahedin Iran" sind seit Mitte der achtziger Jahre in Deutschland in der "/ranisch Moslemischen Studenten-Vereinigung Bundesrepublik Deutschland e.V." (IMSV) mit Sitz in Köln organisiert. Firmierungen als "Volksmodjahedin Iran" und IMSV sind inzwischen vom Signum "NWR/" abgelöst worden. Über Bü5anmun ros in Deutschland und anderen europäischen Ländern betreiben die iranischen Regierungsgegner zumeist auf Veranstaltungen politische Eigenwerbung und lancieren regimekritische Informationen an Nachrichtenmedien und politische Entscheidungsträger. Ehemalige "Volksmodjahedin"-Büros sind jetzt "Geschäftsstellen" der selbstemannten Exil-Regierung. Die deutsche NWRI-Zentrale residiert in Köln. In Hamburg befindet sich seit dem Frühjahr 1994 eine sog. "NWRI-Hauptgeschäfisstelle". Das Hamburger Büro ist mit etwa 200 Organisationsangehörigen (bundesweit etwa 850) regionaler Schwerpunkt des NWRI und betreut den gesamten norddeutschen Raum. Es organisierte im Verlauf des Jahres mehrere "spontane" Demonstrationen und Veranstaltungen mit bis zu etwa 400 Teilnehmern aus diesem Raum. Propaganda wurde auch über den Offenen Kanal Hamburg in den Fernsehsendungen "Simaye Asadi" und "Aihneh-e Iran" verbreitet. Am 16. Juni versammelten sich etwa 6000 oppositionelle Iraner in der Dortmunder Westfalenhalle. Zu einem geplanten Auftritt von Maryam RADJAVI kam es nicht, da ihr die Einreise aus Frankreich nach Deutschland von der Bundesregierung untersagt worden war. Daher wurden Ansprachen von RADJAVI live über Satellit auf eine Großleinwand übertragen. Aufdas Einreiseverbot ging RADJAVI selbst nicht ein. Es wurde aber von anderen Rednern aufgegriffen. So wurde behauptet, das Einreiseverbot sei ein "Deal" zwischen dem "Mullah-Regime" und der Bundesregierung. Der NWRI nimmt für sich in Anspruch, auch "sozialpolitische" Aufgaben zu erfüllen. So unterstützt er - für Außenstehende nicht erkennbar - bundesweit auftretende Strukturen mit regional unterschiedlichen Schwerpunkten, die sich zumeist unter dem Mantel der Gemeinnützigkeit und im Vereinsstatus einen vorwiegend karitativen-humanitären Anstrich geben. Straßensammlungen der sogenannten "Hilfsorganisationen" für Flüchtlinge ("Flüchtlingshilfe Iran", FHI) und Frauen ("Frauen für Demokratie im Iran") dienen jedoch auch dazu, Geld für die Unterhaltung des Organisationsapparates des iranischen Widerstandes zu beschaffen, was allerdings bestritten wird. Der NWRI leidet notorisch unter finanziellen Schwierigkeiten und hat große ?n A Probleme, den umfangreichen Apparat aus eigenen Mitteln am Leben zu erhalten. 'Auch unter der Hülle des "Vereins Iranischer Demokratischer Akademiker" (VIDA) wurden punktuell Belange des NWRI bzw. der IMSV wahrgenommen. 3.5 Araber Zwei Jahre nach dem 1993 zwischen Israel und der "Palästinensischen Befreiungsorganisation" (PLO) abgeschlossenen Grundlagenvertrag ("Declarationof principles of interimselfgovernment arrangements") wurde am 28. September ein weiteres Autonomieabkommen unterzeichnet. Der ursprüngliche Zeitplan für einen schrittweisen Übergang zur palästinensischen Autonomie wurde allerdings völlig umgestoßen. Palästinensische Forderungen nach einem eigenen Staat mit Jerusalem als Hauptstadt, die Rückkehr von Flüchtlingen und die Freilassung von Häftlingen aus israelischen 'Gefängnissen blieben ungeklärt. Die Nahostverhandlungen wurden mehrfach durch 'Attentate islamistischer Organisationen wie der "HAMAS" und des "Islamischen Jihad" gestört. Die "Intifada" in den israelisch besetzten Gebieten erhielt dadurch wieder Auftrieb. ARAFATs Verhandlungsposition gegenüber Israel und Versuche der Palästinensischen Autonomiebehörde (PNA), islamistische Organisationen einzubinden, wurden erschwert. Nach Selbstmordanschlägen von Islamisten in Netanya am 22. Januar mit über 20 Toten und mehr als 60 Verletzten, bei Tel Aviv am 24. Juli mit 7 Toten und etwa 30 Verletzten sowie in Jerusalem am 21. August mit mindestens 5 Toten und 'etwa 100 Verletzten, verzögerten Sicherheitsfragen den Verhandlungsfortgang. Nach etwa anderthalbjähriger Verzögerung fanden am 20.01.96 die Wahlen zum palästinensischen Autonomierat (Mischung aus Gesetzgebungsund Regierungsorgan) statt. Er löste die bisherige Selbstverwaltungsbehörde - PNA - ab. Trotz des Boykotts der ablehnenden palästinensischen Allianz gab es eine hohe Wahlbeteiligung. ARAFAT wurde mit überwältigender Mehrheit zum "Rais" (= Präsident) an die Spitzedes Autonomierates gewählt.Die nunmehranstehende Änderungder PLO-Charta - Streichung der Artikel, die das Existenzrecht Israels in Frage stellen - kann nur der Palästinensische Nationalrat (PNC) mit 2/3-Mehrheit durchsetzen. Israel will zur Abstimmung alle PNC-Mitglieder in die autonomen Gebiete einreisen lassen. Dazu gehören auch Vertreter von pallistinensischen Organisationen, die die Wahl zum Autonomierat nicht anerkennen. Namen "Nationale Demokratische und Islamische Front"; Anfang 1994 sie sich in "Allianz der palästinensischenKräfte" (AFP) um. Die Allianz vereint die marxistisch-leninistischen Organisationen "Volksfront für die Befreiung P. nas" (PFLP) und die "Demokratische Front für die Befreiung Palästinas" (DFLP) beides PLO-Mitgliedsorganisationen, die terroristische "Volksfront für die Palästinas - Generalkommando" (PFLP-GC) und die islamistische "/slamische derstandsbewegung" (HAMAS). Das Widerstandsbündnis blieb ein loser Zusam schluß auf dem Minimalkonsens der Ablehnung. Eigene Erfolglosigkeit und Frustration über Fortschritte der arabisch-israelischen Annäherung schwächten die Ablehnungsfront bis hin zu Auflösungstendenzen, ohne allerdings die "Intifada" aufzugeben. Sämtliche Parteien im innerpalästinensischen Kampf beteuern stets, einen "Bruder" krieg" vermeiden und die Auseinandersetzung mit politischen Mitteln, statt mit Waffen führen zu wollen. ARAFAT und die palästinensische Polizei scheinen zu befürchten, durch massives Vorgehen gegen die Islamisten einen Bürgerkrieg zu riskieren. Das islamistische Lager hat sie - ungeachtet aller Beteuerungen zur Friedfertigkeit - davor gewarnt, sich dem Kampf gegen den "zionistischen Feind" in den Weg zu stellen. Die HAMAS warf ARAFAT und der PNA regelmäßig nach Razzien und Festnahmen von Gesinnungsgenossen vor, sich als "Marionetten" des Feindes mißbrauchen zu lassen. Bewaffneter Kampf gegen die "zionistischen Okkupatoren" sei "legitim". Die islamisch-fundamentalistische HAMAS wurde 1987 gegründet. Sie ist der Überzeugung, daß Palästina ein islamisches Land sei und im bewaffneten Kampf befreit werden müsse. Die Abkürzung "HAMAS" steht für "Islamische Widerstandsbewegung", bedeutet im Arabischen aber zugleich auch "Enthusiasmus". Zunächst hauptsächlich religiös und sozial engagiert, ging sie nach Ausbruch der "Intifada" Ende 1987 zum militanten Kampf über. Ihr militärischer Arm, die "Izzedin-al-KassemBrigaden", führt Terroraktionen durch. HAMAS wird u.a. von Anhängern aus dem europäischen Ausland finanziell unterstützt. Sie hat sich bisher offiziell von Attentaten gegen Angehörige von Drittstaaten oder gegen israelische Bürger und Einrichtun'gen in Drittstaaten distanziert. In Hamburg leben einzelne Palästinenser, die Organisationen der Ablehnungsallianz angehören. Sie haben sich hier jedoch nicht organisiert. Solidaritätsbekundungen mit dem paltistinensischen Widerstand in Israel, politische Standpunkte und Reaktionen werden intern ausgetauscht, selten öffentlich zu erkennen gegeben. Sie entsprechen größtenteils offiziellen Vorgaben der Heimatorganisationen, für die intern Spenden gesammelt werden. Die vermutlich vom Iran unterstützte schüitisch-extremistische libanesische "HIZBALLAH" (Partei Gottes) ist ebenfalls massiv gegen palästinensisch-israelische Friedensverhandlungen. Sie verübt im Südlibanon Anschläge gegen die dort stationierten israelischen Truppen und will im Libanon eine Islamische Republik nach iranischem Vorbild installieren. Ihr erklärtes Ziel ist die Auslöschung des Staates Israel und die "Befreiung"Jerusalems. Anhänger der "HIZBALLAH" sind in Hamburg vertreten. 274 Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz (HmbVerfSchG) vom 7. März 1995, zuletzt geändert am 22. Mai 1996 Der Senat verkündet das nachstehende von der Bürgerschaft beschlossene Gesetz: 1Abschnitt 'Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz $1 Zweck des Verfassungsschutzes $2 Zuständigkeit $3 Zusammenarbeit 54 'Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz $5 __Begriffsbestimmungen 6 Voraussetzung und Rahmen für die Tätigkeit desLandesamtes für Verfassungsschutz & 2. Abschnitt Erheben und weitere Verarbeitung von Informationen $7 Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz 58 Erheben von Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln 59 Weitere Verarbeitung personenbezogener Daten $10 Verarbeitung von Daten Minderjähriger $11 Berichtigung, Sperrung und Löschung Abschnitt 3. Datenübermittlung $12 Übermittlung nicht personenbezogener Daten $13 Übermittlung personenbezogener Daten an inländische Nachrichtendienste $14 Übermittlung personenbezogener Daten an inländische öffentliche Stellen und Strafverfolgungsbehörden $15 Übermittlung personenbezogener Daten an Stationierungsstreitkräfte $16 Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische öffentliche Stellen $17 Übermittlung personenbezogener Daten an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs $18 Übermittlung personenbezogener Daten an die Öffentlichkeit $19 _ Übermittlung personenbezogener Daten an das Landesamt für Verfassungsschutz 275 U | $20 _ Registereinsicht durch das Landesamtfür Verfassungsschutz $21 _ Übermittlungsverbote und -einschränkungen $22 Übermittlung personenbezogener Daten Minderjähriger 4 Abschnitt Auskunftserteilung $23 _Auskunfiserteilung S. Abschnitt Parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes $24 Parlamentarischer Kontrollausschuß $25 Zusammensetzung und Pflichten des Ausschusses $26 Aufgaben des Ausschusses $27 Eingaben ' Abschnitt 6. Schlußvorschriften $28 ÄnderungdesGesetzeszur Ausführungdes Gesetzeszu Artikel 10 Grundgesetz $29 Inkrafttreten 1Abschnitt Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz s Zweck des Verfassungsschutzes (1) Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder. (2) Zu diesem Zweck tritt dieses Gesetz neben das Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundesundder Länder in Angelegenheitendes Verfassungsschutzesundüberdas Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz - BVerfSchG -) vom 20. Dezember 1990 (Bundesgesetzblatt I Seiten 2954, 2970). $2 Zuständigkeit (1) Der Verfassungsschutz wird innerhalb der zuständigen Behörde vom Landesamt für Verfassungsschutz wahrgenommen. Das Landesamt für Verfassungsschutz ist 276 I ließlichhierfür zuständig. BeiderErfüllung seiner Aufgabenist es an Gesetz und Recht gebunden (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). (2) Das Landesamt für Verfassungsschutzdarfeiner polizeilichen Dienststelle nicht angegliedert werden.Ihm stehen polizeilicheBefugnisseoder Weisungsbefugnisse 'gegenüber polizeilichen Dienststellen nicht zu; es darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht befugt ist. $3 Zusammenarbeit (1) DasLandesamt für Verfassungsschutz ist verpflichtet, mit BundundLändern in 'Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. Die Zusammenarbeit besteht auch in gegenseitiger Unterstützung und Hilfeleistung sowie in der Unterhaltung gemeinsamer Einrichtungen. (2) Verfassungsschutzbehörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur im Einvernehmen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz nach Maßgabe dieses Gesetzes und soweit eigenes Landesrecht dies zuläßt, der Bund gemäß $ 5 Absatz 2 BVerfSchG nur im Benehmenmit demLandesamt für Verfassungsschutz tätig werden. Das Landesamt für Verfassungsschutz darfin den anderen Ländern tätig werden, soweit es die Rechtsvorschriften dieses Gesetzes und der anderen Länder zulassen. $4 Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) Aufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sachund personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über 1, Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der verfassungsmäßigen Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht in der Bundesrepublik Deutschland, 3. Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden ($ 3 Absatz 1 BVerfSchG), 277 EEE 4. Bestrebungen und Tätigkeiten, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Absatz 2 des Grundgesetzes) oder das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 des Grundgesetzes) gerichtet sind. DasLandesamtfür Verfassungsschutzhatinsbesondere denSenat über Gefahrenfür die Schutzgüter des $ 1 zu informieren und die dafür zuständigen staatlichen Stellen in die Lage zu versetzen, Maßnahmen zu ihrer Abwehr zu ergreifen. Darüber hinaus unterrichtet das Landesamt für Verfassungsschutz mindestens einmal jährlich die Öffentlichkeit über Gefahren für die Schutzgüter des $ 1. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz wirkt gemäß $ 3 Absatz 2Satz1 BVerfSchG mit 1. beider Überprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich dienstlich verschaffen können, 2. bei der Überprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensund verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. beitechnischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen und Erkenntnissen 'gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte. 'An einerÜberprüfungnach Absatz 2 Satz I Nummern 1 und 2darf das Landesamt für Verfassungsschutz nur mitwirken, wenn die zu überprüfende Person zugestimmt hat. Gleiches gilt für Personen, die in die Überprüfung einbezogen werden. 5 Begriffsbestimmungen (1) Im Sinne dieses Gesetzes sind: 1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundesoder eines Landes solche politisch motivierten zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihnen gehörendes Gebiet abzutrennen, oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen, 3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch motivierten zielund zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem 'oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, einen der in 'Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Für einen Personenzusammenschluß handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt ($ 4 Absatz I Sätze I und 2 BVerfSchG). Bestrebungen im Sinne dieses Gesetzes sind auch Verhaltensweisen gemäß Satz I von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluß handeln, wenn sie gegen Schutzgüter dieses Gesetzes mit Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder 'diese sonst angreifen und bekämpfen. (2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne diese Gesetzes zählen gemäß $ 4 Absatz 2 BVerfSchG 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, 3. das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarische Opposition, 4. _ die Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung und ihre 'Ablösbarkeit, 5. die Unabhängigkeit der Gerichte, 6. der Ausschluß jeder Gewaltund Willkürherrschaft und 7. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. $6 Voraussetzung und Rahmen für die Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz Das Landesamt für Verfassungsschutz darf nur Maßnahmen ergreifen, wenn und soweit sie zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind; dies gilt insbesondere für 279 die Erhebung und weitere Verarbeitung personenbezogener Daten. Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat es diejenige zu treffen, die den einzelnen insbesondere in seinen Grundrechten und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine geringere Beeinträchtigung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Information aus allgemein zugänglichen Quellen oder durch eine behördliche Auskunft gewonnen werden kann. Eine Maßnahmedarfnicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. Sie ist nursolange zulässig,bis ihr Zweckerreichtist odersich zeigt, daßernicht erreicht werden kann. 2. Abschnitt Erheben und weitere Verarbeitung von Informationen $7 Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben Informationen erheben und weiter verarbeiten. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf bei den hamburgischen Behörden und den der Aufsicht der Freien und Hansestadt Hamburg unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur die Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben, die diesen Stellen im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung bereits vorliegen und die zur Erfüllung der Aufgaben des Verfassungsschutzes erforderlich sind. Das Landesamt für Verfassungsschutz braucht die Ersuchen nicht zu begründen, soweit dies dem Schutz des Betroffenen dient oder eine Begründung den Zweck der Maßnahme gefährden würde. (8) Ist zum Zwecke der Datenerhebung die Übermittlung von personenbezogenen Daten unerläßlich, ist sie auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken. Schutzwürdige Interessen des Betroffen dürfen nur in unvermeidbarem Umfang beeinträchtigt werden. 8 Erheben von Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln er sich gegen Organisationen, unorganisierte Gruppen, in ihnen oder einzeln tätige Personen richtet, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach $ 4 Absatz 1 bestehen, erssich gegen andere als die in Nummer I genannten Personen richtet, von denen auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß sie für den Betroffenen bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen 'oder weitergeben, um auf diese Weise Erkenntnisse über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder gewalttätige Bestrebungen und Tätigkeiten nach $ 4 Absatz | zu gewinnen, auf diese Weise die zur Erforschung von Bestrebungenoder Tätigkeiten nach $ 4 Absatz 1 erforderlichen Nachrichtenzugänge geschaffen werden können oder dies zur Abschirmung der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Nachrichtenzugänge des Landesamtes für Verfassungsschutz gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist. Das Landesamt für Verfassungsschutz darf die so gewonnenen Informationen nur für die in Satz 2 genannten Zwecke verwenden. Unterlagen, die für diese Zwecke nicht erforderlich sind, sind unverzüglich zu vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Informationen von anderen schriftlichen Unterlagen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand getrennt werden können; in diesem Fall unterliegen sie einem Verwertungsverbot. (2) Zulässige nachrichtendienstliche Mittel sind verdeckt eingesetzte hauptamtliche Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, verdeckt eingesetzte Personen, die nicht in einem arbeitsvertraglichen oder öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Landesamt für Verfassungsschutz stehen, wie Vertrauensleute, Informanten, Gewährspersonen, planmäßig angelegte Beobachtungen (Observationen), Bildaufzeichnungen, verdeckte Ermittlungen und Befragungen, verdecktes Mithören ohne Inanspruchnahme technischer Mittel, 281 7. _ verdecktes Mithören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes oder sonstiger Signale unter Einsatz technischer Mittel außerhalb von Wohnungen (Artikel 13 des Grundgesetzes), 8. Beobachten und Aufzeichnen des Funkverkehrs, soweit nicht der Postund Fernmeldeverkehr nach Maßgabe des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz vom 13. August 1968 (Bundesgesetzblatt I Seite 949), zuletzt geändert am 27. Mai 1992 (Bundesgesetzblatt I Seiten 997,998), betroffen ist, 9. Aufbau und Gebrauch von Legenden, 10. _Beschaffen, Erstellen und Verwenden von Tarnpapieren und Tarnkennzeichen, 11. Überwachen des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs nach Maßgabe des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz sowie 12. weitere vergleichbare Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung, insbesondere das sonstige Eindringen in technische Kommunikationsbeziehungen durch Bild-, Tonund Datenaufzeichnungen, um die nach Absatz I erforderlichen Informationen zu gewinnen. Die nachrichtendienstlichen Mittel sind abschließend in einer Dienstvorschrift zu benennen, die auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher Informationserhebungen regelt. Die Dienstvorschrift bedarfder Zustimmung des Präses der zuständigen Behörde. Dem Hamburgischen Datenschutzbeauftragten ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Behörden der Freien und Hansestadt Hamburg sind verpflichtet, dem Landesamt für Verfassungsschutz Hilfe für Tarnungsmaßnahmen zu leisten. (&) Ein Eingriff, der in seiner Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses gleichkommt, bedarf der Zustimmung des Präses, bei dessen Verhinderung des Staatsrates der zuständigen Behörde. (4) Im Falle des Absatzes 3 sind der betroffenen Person nachrichtendienstliche Maßnahmen nach ihrer Beendigung mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Läßt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilen, ob diese Voraussetzung vorliegt, ist die Mitteilung vorzunehmen, sobald eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Einer Mitteilungbedarf es nicht, wenn diese Voraussetzung auch nach fünf Jahren,noch nicht eingetreten ist. $9 Weitere Verarbeitung personenbezogener Daten (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf zur Erfüllung seiner Aufgaben personenbezogene Daten weiter verarbeiten, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunktefür den Verdachtbestehen, daßdie betroffene Person an Bestrebungen oderTätigkeitennach $ 4 Absatz I teilnimmt, und dies fürdieBeobachtung der BestrebungoderTätigkeiterforderlich ist, 2. diesfürdie Erforschung und Bewertung von gewalttätigen Bestrebungen oder 'geheimdienstlichen Tätigkeiten nach $ 4 Absatz 1erforderlich ist, 3. _ dieszur Schaffung oderErhaltungnachrichtendienstlicher Zugängeüber BestrebungenoderTätigkeiten nach $ 4Absatz I erforderlichist oder 4. esnach $ 4 Absatz 2tätig wird. In Akten dürfen über Satz 1 Nummer 2 hinaus personenbezogene Daten auch verarbeitet werden, wenn dies zur Erforschung und Bewertung nicht gewalttätiger Bestrebungen und Tätigkeiten nach $ 4Absatz | erforderlichist. (2) Zur Aufgabenerfüllung nach $ 4 Absatz 2 Nummer | dürfen in automatisierten Dateien nur personenbezogene Daten über die Personen gespeichert werden, die ner Sicherheitsüberprüfung unterzogen wurden. Daten über Personen, die in die Sicherheitsüberprüfung einbezogen wurden, dürfen ohne Einwilligung dieser Personen nicht in automatisierten Dateien gespeichert werden. (3) Das Landesamt für Verfassungsschutz hatdie Speicherungsdauerauf das für seine Aufgabenerfüllung erforderliche Maß zu beschränken.Bei der Einzelfallbearbeitung, imübrigen jeweils spätestensvier Jahre beginnendabder ersten Speicherung,prüft das Landesamtfür Verfassungsschutz,ob die Speicherung der personenbezogenen Datenweiterhinerforderlich ist. (4) Gespeicherte personenbezogene Daten über BestrebungenundTätigkeiten nach $ 4Absatz | Satz | Nummer 1, 3oder 4 dürfen länger alszehn Jahre nachdem Zeitpunktderletzten gespeichertenInformation nur mit Zustimmungdes Präses der zuständigen Behördeoder dervon ihm besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz gespeichertbleiben. 283 so Verarbeitung von Daten Minderjähriger (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darfunter den Voraussetzungen des $9 Daten über Minderjährige in Sachakten und amtseigenen Dateien speichern und weiter verarbeiten. Daten über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nicht in gemeinsamen Dateien ($ 6 BVerfSchG), Daten Minderjähriger vor Vollendung des 14. Lebensjahres nicht in amtseigenen Dateien gespeichert werden. (2) Daten über Minderjährige in Dateien sind nach zwei Jahren auf die Erforderlichkeit der weiteren Speicherung zu überprüfen; spätestens nachfünf Jahren sind diese Daten zu löschen, es sei denn, daß nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse nach $ 4 Absatz | angefallen sind. su Berichtigung, Sperrung und Löschung (1) Erweist sich eine Information nach ihrer Übermittlung als unrichtig oder unvollständig, hat die übermittelnde Stelle ihre Information unverzüglich gegenüber dem Empfänger zu berichtigen oder zu ergänzen, wenn durch die unrichtige oder unvollständige Übermittlung schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt sein können. Die Berichtigung erfolgt dadurch, daß die unrichtigen Angaben, soweit sie in Akten enthalten sind, entfernt werden und, soweit sie in Dateien gespeichert sind, gelöscht werden. Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Trennung von zu berichtigenden und richtigen Informationen nicht oder nur mit unverhältnismäßigem 'Aufwand möglich ist. (2) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle oder der Datensicherung gespeichert werden, dürfen nur für diese Zwecke 'oder bei Verdacht des Datenmißbrauchs genutzt werden. (6) Im übrigen gilt für die Berichtigung, Sperrung und Löschung$ 19 des Hamburgischen Datenschutzgesetzes vom 5. Juli 1990 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt Seiten 133, 165, 226), zuletzt geändert am 10. März 1992 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt Seite 39). 3 Abschnitt Datenübermittlung s2 Übermittlung nicht personenbezogener Daten Das Landesamt für Verfassungsschutz kann die im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgabenerfüllung erlangten Daten, die nicht personenbezogen sind, an andere Be- hörden und Stellen, insbesondere an die Polizei und die Staatsanwaltschaft, übermitteln, wenn sie für die Aufgabenerfüllung der Empfänger erforderlich sein können. $13 Übermittlung personenbezogener Daten an inländische Nachrichtendienste (1) Gemäß $ 5 Absatz | BVerfSchG übermittelt das Landesamt für Verfassungsschutz dem Bundesamtfür Verfassungsschutz und den Verfassungsschutzbehörden derLänderalle personenbezogenen Daten, deren Kenntnis zur Erfüllung der Aufgaben der Empfänger erforderlich ist. (2) Gemäß $ 21 Absatz 2 BVerfSchG übermittelt das Landesamt für Verfassungsschutz dem Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst Informationen einschließlich personenbezogener Daten. $14 Übermittlung personenbezogener Daten an inländische öffentliche Stellen und Strafverfolgungsbehörden (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Informationen einschließlich personenbezogener Daten an inländische öffentliche Stellen übermitteln, wenn dies zum Schutz vor Bestrebungen oder Tätigkeiten nach $ 4 Absatz | zwingend erforderlich ist oder der Empfänger nach $ 4 Absatz 2 tätig wird. Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur für den Zweck verwenden, zu demsie ihm übermittelt wurden. Hierauf ist er hinzuweisen. (2) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf über Absatz | hinaus Informationen einschließlich personenbezogenerDaten an dieStaatsanwaltschaften und diePolizei übermitteln, wenntatsächlicheAnhaltspunktedafürbestehen,daß jemand einein den $$ 74 aund 120Gerichtsverfassungsgesetz, $ 100 a Nummern 3 und4 Strafprozeßordnungund $$ 130, 131 Strafgesetzbuch genannte Straftatplant, begeht oderbegan'genhat sowiesonstigeStraftaten,beidenenaufgrundihrerZielsetzung, des Motivsdes Tätersoderdessen Verbindungzueiner Organisationtatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen,daßsie gegen diein Artikel 73 Nummer 10 Buchstabe boder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtetsind,PersonenbezogeneDaten, die das Landesamt für Verfassungsschutzselbstmit nachrichtendienstlichen Mitteln nach$ 8erhoben hat, dürfen nur dann an die Staatsanwaltschaft oderan die Polizei übermittelt werden, wenndietatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für deren Erhebung mit entsprechenden Befugnissen zurverdeckten Datenerhebung nach der Strafprozeßordnungodernach den$$ 9bis 12 und $ 23Gesetzüberdie Datenverarbeitung der Polizei vom 2. Mai 1991 (Hamburgisches Gesetz-und Verordnungsblatt Seiten 187, 191) vorgelegenhätten. | 285 ME ni ce 8a1 u 1zS a 0 na se | $15 Übermittlung personenbezogener Daten an Stationierungsstreitkräfte Das Landesamt für Verfassungsschutz darf Informationen einschließlich personenbezogene Daten an Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen von Artikel 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Streitkräfte vom 3. August 1959 (Bundesgesetzblatt II 1961 Seiten 1183, 1218) übermitteln. Die Entscheidung für eine Übermittlung treffen der Präses der zuständigen Behördeoder die von ihm besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz. Der Empfänger ist daraufhinzuweisen, daß er die übermittelten Daten nur zur Verarbeitung für den Zweck erhält, zu dem sie ihm übermittelt wurden. $16 Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische öffentliche Stellen Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz an ausländische öffentliche Stellen sowie an überoder zwischenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung seiner Aufgaben oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist. Die Entscheidung für eine Übermittlung treffen der Präses der zuständigen Behörde oder die von ihm besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz. Die Übermittlung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegenstehen oder wenn dadurch gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde. Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, daß er die übermittelten Daten nur zur Verarbeitung für den Zweck erhält, zu dem sie ihm übermittelt wurden. $17 Übermittlung personenbezogener Daten an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs nicht übermitteln, es sei denn, daß die Übermittlung zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oderder Sicherheit des Bundes odereines Landeserforderlichist und der Präses oder bei seiner Verhinderung der Staatsrat der zuständigen Behörde seine Zustimmung erteilt hat. Dies gilt nicht bei Erhebungen nach $ 7 Absatz 3. (2) DasLandesamt für Verfassungsschutz führt überdieÜbermittlungnach Absatz1 einen Nachweis, aus dem der Zweck und die Veranlassung der Übermittlung, die 'Aktenfundstelle und der Empfänger hervorgehen. Die Nachweise sind gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriffzu sichern undam Endedes Kalenderjahres, dasdemJahrihrerErstellungfolgt,zuvernichten. . (8) DerEmpfänger darf die übermittelten Datennurfür den Zweck verwenden, zu 'dem sie ihm übermittelt wurden. Hierauf ist er hinzuweisen. s8 Übermittlung personenbezogener Daten an die Öffentlichkeit Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit einschließlich der Medien über Erkenntnisse desLandesamtesfür Verfassungsschutzist die Übermittlungpersonenbezogener Daten nur zulässig, wenn sie zu einer sachgerechten Information zwingend erforderlich ist. Stehen schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegen, kommt eine Übermittlung der personenbezogenen Daten des Betroffenen nurdann in Betracht, wenn die Interessen der Allgemeinheit deutlich überwiegen. s19 Übermittlung personenbezogener Daten an das Landesamt für Verfassungsschutz (1) DiehamburgischenBehörden und die der Aufsicht der Freien undHansestadt Hamburg unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind befugt, die Daten zu übermitteln, um die das Landesamt für Verfassungsschutz nach $ 7 'Absatz 2 ersucht hat, soweit sie diesen Stellen bereits vorliegen. (2) Die in Absatz I genannten Stellen übermitteln dem Landesamtfür Verfassungsschutz alle ihnen im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung vorliegenden Informationen über gewalttätige Bestrebungen und Tätigkeiten oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gemäß $4 Satz 1Nummern1, 3 und 4und übersicherheitsgefährdende odergeheimdienstlicheTätigkeitennach $ 4 Absatz I Satz | Nummern 2und3. (8) Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, die Polizei übermitteln darüberhinausauch andere im Rahmen ihrer 'Aufgabenerfüllung bekanntgewordene Informationen über Bestrebungen nach $ 4 'Absatz 1, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz erforderlich ist. Die Übermittlung personenbezogener Daten, die aufgrund einer Maßnahme nach $ 100 a Strafprozeßordnung (StPO) bekanntgeworden sind, ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunktedafürbestehen, daß jemand eine derin $ 2 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. Die Übermittlung personenbezogene Informationen, die auf Grund anderer strafprozessualer Zwangsmaßnahmen oderverdeckter Datenerhebungennach $ 2 Absatz 3 Satz 3 oder nach den $$ 9bis 12 desGesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei bekanntgewordensind,ist nurzulässig, wenntatsächlicheAnhaltspunktefür gewalttätige Bestrebungen oder sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten bestehen; die Übermittlung ist auch zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine in $$ 74a und 120 Gerichtsverfassungsgesetz und $$ 130, 131 Strafgesetzbuch 'genannte Straftat bestehen oder eine sonstige Straftat, bei der aufgrund ihrer Zielsetzung,desMotivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie gegen die in Artikel 73 Nummer 10 Buchstabe b oder c des Grundgesetzesgenannten Schutzgüter gerichtet ist. Aufdie nach Satz 2 übermittelten Informationen und die dazu gehörenden Unterlagen ist Artikel 1 $ 7 Absätze 3 und 4des Gesetzeszu Artikel 10 Grundgesetzentsprechend anzuwenden. Die nach Satz 2 übermittelten Informationen dürfen nur zur Erforschung gewalttätiger Bestrebungen oder sicherheitsgefährdender oder geheimdienstlicher Tätigkeiten genutzt werden. (4) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die übermittelten Informationen unverzüglich darauf zu überprüfen, ob sie zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind. Ist dies nicht der Fall, sind die Unterlagen zu vernichten. Die Vernichtung unterbleibt, wenn die Unterlagen von anderen Informationen, die zur Erfüllung der 'Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand getrennt werden können; in diesem Fall unterliegen die personenbezogenen Daten einem Verwertungsverbot und sind entsprechend zu kennzeichnen. (5) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Informationsübermittlung aktenkundig zu machen. Vorschriften in anderen Gesetzen über die Informationsübermittlung an das Landesamt für Verfassungsschutz und über ihre Dokumentation bleiben unberührt. 520 Registereinsicht durch das Landesamt für Verfassungsschutz (1) Das Landesamt für Verfassungsschutz darf in von öffentlichen Stellen geführte Register und Datensammlungen einsehen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen über 1. Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind ($ 4 Absatz 1Satz | Nummer1), oder 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht ($ 4 Absatz 1 Satz I Nummer 2) oder 3. Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden ($ 4 Absatz I Satz I Nummer 3), oder 4. Bestrebungen und Tätigkeiten, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind ($ 4 Absatz | Satz | Nummer 4). (@) Eine Einsichtnahme ist nur zulässig, wenn 1. die Aufklärung auf andere Weise nicht möglich erscheint, insbesondere durch eine Übermittlung der Daten durch die registerführende Stelle der Zweck der Maßnahme gefährdet würde, 2. die betroffenen Personen durch eine anderweitige Aufklärung unverhältnismäßig beeinträchtigt würden und 3. eine besondere gesetzliche Geheimhaltungsvorschrift oder ein Berufsgeheimnis ihr nicht entgegensteht. (8) Die Anordnung für die Maßnahme treffen der Präses der zuständigen Behörde 'oder die von ihm besonders ermächtigten Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz. (4) Die auf diese Weise gewonnenen Unterlagen dürfen nur zu den in Absatz I genannten Zwecken verwendet werden. Gespeicherte Daten sind zu löschen und Unterlagen zu vernichten, sobald sie für diese Zwecke nicht mehr benötigt werden. (5) Über die Tatsache der Einsichtnahme ist ein gesonderter Nachweis zu führen, aus dem ihr Zweck, die in Anspruch genommenen Stellen sowie die Namen der Betroffenen hervorgehen. Diese Aufzeichnungen sind gesondert aufzubewahren, durch technische und organisatorische Maßnahmen gegen unbefugten Zugriff zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr ihrer Erstellung folgt, zu vernichten. 821 Übermittlungsverbote und -einschränkungen (1) Die Übermittlung von Informationen nach diesem Abschnitt unterbleibt, wenn 1. eine Prüfung durch die übermittelnde Stelle ergibt, daß die Informationen zu vernichten sind oder einem Verwertungsverbot unterliegen oder für den Empfänger nicht mehr bedeutsam sind, 289 2. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern oder 3. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, daß unter Berücksichtigung der Art der Informationen und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen. (2) Besondere Rechtsvorschriften, die Informationsübermittlungen zulassen, einschränken oder verbieten sowie die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufsoder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleiben unberührt. $2 Übermittlung personenbezogener Daten Minderjähriger (1) Personenbezogene Daten Minderjähriger vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelt werden, wenn tatsächli'che Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Minderjährige eine der in $ 2 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz genannten Straftaten plant, begeht oder began'gen hat, im übrigen, solange die Voraussetzungen der Speicherung nach $ 10 erfüllt sind. > (2) Personenbezogene Daten Minderjähriger vor Vollendung des 16. Lebensjahres dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht an ausländische oder überoder zwischenstaatliche Stellen übermittelt werden. 4.Abschnitt Auskunftserteilung 823 Auskunftserteilung Für die Auskunftserteilung gilt $ 18 des Hamburgischen Datenschutzgesetzes. 3. Abschnitt Parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes $24 Parlamentarischer Kontrollausschuß Zur parlamentarischen Kontrolle des Senats auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes bildet die Bürgerschaft einen Kontrollausschuß. Dieser tagt in nichtöffentlicher Sitzung. $25 Zusammensetzung und Pflichten des Ausschusses (1) Der Ausschuß besteht aus sieben Mitgliedern der Bürgerschaft. (2) Die Mitglieder des Ausschusses werden von der Bürgerschaft in geheimer Abstimmung gewählt. (8) Die Mitglieder des Ausschusses sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit in dem Ausschuß bekanntgeworden sind. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus dem 'Ausschuß oder aus der Bürgerschaft. (4) Der Ausschuß wählt einen Vorsitzenden und gibt sich eine Geschäftsordnung. (5) Sitzungsunterlagen und Protokolle verbleiben im Gewahrsam des Landesamtes für Verfassungsschutz und können nur dort von den Ausschußmitgliedern eingesehen werden. (6) Scheidet ein Mitglied des Ausschusses aus der Bürgerschaft oder seiner Fraktion aus, so verliert es seine Mitgliedschaft im Ausschuß; für dieses Mitglied ist unverzüglich ein neues Mitglied zu bestimmen. Das gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus dem Ausschuß ausscheidet. $26 'Aufgaben des Ausschusses (1) Der Ausschuß übt die parlamentarische Kontrolle auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes aus. Die Rechte der Bürgerschaft und des Bürgerausschusses bleiben unberührt. (2) Zur Erfüllung seiner Kontrollaufgaben kann der Ausschuß vom Senat die erforderlichen Auskünfte, Unterlagen, Akten und Dateieinsichten, Stellungnahmen und den Zutritt zu den Räumen des Landesamtes für Verfassungsschutz und die Entsendung bestimmter Angehöriger des öffentlichen Dienstes als Auskunftspersonen verlangen. Der Senat bescheidet ein solches Kontrollbegehren abschlägig oder schränkt die Aussagegenehmigung ein, wenn gesetzliche Vorschriften oder das Staatswohl entgegenstehen. In diesem Fall legt der Senat dem Ausschuß seine 'Gründe dar. 291 (3) Der Senat unterrichtet den Ausschuß in Abständen von höchstens drei Monaten 'oder auf Antrag eines Mitglieds über die Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz. (4) Der Senat hat dem Ausschuß 1. Gefahrenfür die Schutzgüter des $ 1, 2. die Dienstvorschrift über nachrichtendienstliche Mittel nach $ 8 Absatz 2 Satz 2 sowie ihre Änderungen, 3. die Maßnahmen nach $ 8 Absatz 3, 4. die Weiterspeicherung nach $ 9 Absatz 4, 5. die tatsächliche Arbeitsaufnahme mit einer Datei, für die eine Dateibeschreibung nach $ 9 Absatz I des Hamburgischen Datenschutzgesetzes vorgeschrieben ist, und ihre wesentlichen inhaltlichen Änderungen, 6. die Übermittlung personenbezogener Daten an Stationierungsstreitkräfte nach. s5, 7. die Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische öffentliche Stellen nach $ 16, 8. die Übermittlung personenbezogener Daten an Stellen außerhalb des öffentli'chen Bereichs nach $ 17 mitzuteilen und jährlich über die Prüfungen nach $ 9 Absatz 3 Satz 2 zu berichten. $27 Eingaben 6. Abschnitt Schlußvorschriften $28 Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz In$ 1 des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz vom 17. Januar 1969 mit der Änderung vom 02. Februar 1981 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt 1969 Seite 5, 1981 Seite 24), wird folgender Absatz 5 angefügt: *() Die Kommission ist ausschließlich für die Überprüfung der von der zuständigen Behörde angeordneten Beschränkungsmaßnahmen zuständig. Sie kann zu ihrer Unterstützung den Hamburgischen Datenschutzbeauftragten ersuchen, die Einhaltung 'der Vorschriften über den Datenschutz in ihrem Zuständigkeitsbereich zu kontrollieren und ausschließlich ihr darüber zu berichten." $29 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt das Gesetz über den Verfassungsschutz in der Freien und Hansestadt Hamburg vom 13. Februar 1978 (Hamburgisches Gesetzund Verordnungsblatt Seite 51) außer Kraft. 293 IT Abkürzungsverzeichnis AA/BO 'Antifaschistische Aktion / Bundesweite Organisation AAH 'Anarchistische Aktion Hamburg AB 'Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD ABC 'Anarchist Black Cross ADÜTDF Avrupa Demokratik Uelkuecue Türk Demekleri Federasyonu = Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e.V. AFH 'Anarchistische Föderation Hamburg AGR 'Anarchistische Gruppe / Rätekommunisten AIZ 'Antiimperialistische Zelle AYBZ Antifaschistische Jugend / Bundesweiter Zusammenschluß AJF Antifa-Jugendfront AKON Aktion Oder-Neiße e.V. AMA 'Autonome Männer Antifa AMGT Avrupa Milli Görüs Teskilatlari = Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e.V. ANB 'Anti-Nazi-Bündnis ARGK 'Artesa Rizgariya Gele Kurdistan = Volksbefreiungsarmee Kurdistans ATIF Alemanya Türkiyelli Isciler Federasyonu = Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. ATIK Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa e.V. = Avrupa Tuerkiyeli Isciler Konfederasyonu BAT BBP BfG BSA BWK BETT ER RE Saal cwI Committee for a Workers International Brink RETTEN DA Deutsche Alternative DABK Ostanatolisches Gebietskomitee DDF Die Deutsche Freiheitsbewegunge.V. - Der Bismarck-Deutsche DEP Demokratie-Partei DESG Deutsch-Europäische Studiengesellschaft DFLP Demokratische Front für die Befreiung Palästinas DHKC = Bezeichnung, unter der die DHKP-C auch auftritt DHKP-C Demvrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephese = Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-Front DKEG Deutsches Kulturwerk Europäischen Geistes DKP Deutsche Kommunistische Partei DLVH Deutsche Liga für Volk und Heimat DN Deutsche Nationalisten DNSB Dänische Nätionalsozialistische Bewegung DNZ Deutsche Nationalzeitung DPK/Irak Demokratische Partei Kurdistan/Irak DRB Deutsches Rechtsbüro DSVK Deutscher Schutzbund für Volk und Kultur DVU Deutsche Volksunion Dwz Deutsche Wochenzeitung E rat EA Ermittlungsausschuß EMUG Union für den Bau und die Unterhaltung von Moscheen in Europa eV. ER Ehrenbund Rudel ERNK Eniya Rizgariya Netewa Kurdistan = Nationale Befreiungsfront Kurdistans F . FAP Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei FAU/IAA Freie Arbeiter Union / Internationale Arbeiter Assoziation TAU/AP Freie Arbeiter-Union / Anarchistische Partei FHI Flüchtlingshilfe Iran e.V. FÖGA Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen 29% EG GfbAEV Gersellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung GFP Gesellschaft für Freie Publizistik e.V. GIM 'Gruppe Internationale Marxisten GIA Bewaffnete Islamische Gruppe (Algerien) GJA 'Gruppe Junger Anarchisten GOoG 'Gemeinschaft Ostund sudetendeutscher Grundeigentümer und Geschädigter [7% er: BE HAI HamburgerAntifa-Initiative HAMAS Harakat Al-Mugawama Al-Islamiya = Islamische Widerstandsbewegung HK Hamburger Kreis HLA Hamburger Liste Ausländerstopp HN Hamburger Nationaldemokraten HNG Hilfsorganisationfürnationale politische Gefangene und deren Angehörige EREERBES TR TER LPSA. Initiative für Ausländerbegrenzung 1AA Internationale Arbeiter Assoziation ICCB Islami Cemaat Ve Cemiyetler Birligi = Verband der Islamischen Vereine und Gemeinden e.V. Köln IfGHH Infogruppe Hamburg IGD Islamische Gemeinschaft Deutschland e.V. IGMG Islamische Gesellschaft Neue Weltsicht e.V. = siehe MGIT IH Islami Hareket = Islamische Bewegung IHV Internationales Hilfskomitee für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e.V. IMSV Iranische Moslemische Studentenvereinigung Bundesrepublik Deutschland e.V. (= Regierungsgegner) INPREKORR Internationale Pressekorrespondenz s Internationale Sozialisten IzH Islamisches Zentrum Hamburg w RETTEN EI x JF Junge Freiheit m Junge Nationaldemokraten JRE Jugend gegen Rassismus in Europa JUKO Junge Kommunisten K KAB Kürdistan Aleviler Birligi = Union der Aleviten aus Kurdistan KABD Kommunistischer Arbeiterbund Deutschlands KAZ Kommunistische Arbeiterzeitung (AB-Hintergrund) KB Kommunistischer Bund (1991 aufgelöst, in Nürnberg tritt eine Gruppe weiterhin unter dieser Bezeichnung auf) KFSV Komitee für soziale Verteidigung KGAK Konservative Gesprächsund Arbeitskreise in Deutschland und Österreich 1 KIB Kurdistan-Informationsbüro in Deutschland 1 KIz Kurdistan Informationszentrum KOMKAR Kürdistan Dernekleri Birligi = Verband der Vereine aus Kurdistan eV. KPF Kommunistische Plattform KURD-A Kurdisch-deutsche Presse-Agentur (Nachfolgerin von KURD-HA) KURD-HA Kurdistan Haber Ajansi/News Agency = Nachrichtenagentur EHE! LIZ Mm MEK Modjahedin-E-Khalgh (iranische Opposition) MHP Partei der Nationalistischen Bewegung MG Marxistische Gruppe MGIT Islam Toplumue Milli Görüs = siehe IGMG MLKP Marxist-Leninist Komünist Partisi = Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei MLKP-K MLKP in Gründung (siehe MLKP) MLPD Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands 298 NAP Neue Arbeiterpresse (BSA-Hintergrund) NDB NorddeutscheBewegung NEK Nationales Einsatzkommando NF Nationalistische Front NG Notgemeinschaft für Volkstum und Kultur e.V. NIT Nationales Infotelefon NL Nationale Liste NLA Nationale Liberation Army(iranische Regimegegner, Volksmodjahedin) No Nationale Offensive NPD 'Nationaldemokratische Partei Deutschlands NR Nordischer Ring e.V. NSDAP/AO Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei/ Auslandsund Aufbauorganisation NWRI Nationaler Widerstandsrat Iran Be ee PCP Kommunistische Partei Perus PDS Partei des Demokratischen Sozialismus PFLP Popular Front for the Liberation of Palestine = Volksfront für die Befreiung Palästinas PFLP-GC Popular Front for the Liberation of Palestine - General Command = Volksfront für die Befreiung Palästinas - Generalkommando PKK Partiya Karkeren Kurdistan = Arbeiterpartei Kurdistans PLO Palestine Liberation Organisation = Palästinensische Befreiungsorganisation PSK Sozialistische Partei Türkisch-Kurdistans (bis 1992: TSKP) PUK Patriotische Union Kurdistans RAF Rote Armee Fraktion RBF Republikanischer Bund der Frauen REP Die Republikaner RePBB Republikanischer Bund der öffentlichen Bediensteten RIM Revolutionary Internationalist Movement RJ Republikanische Jugend RK Revolutionäre Kommunisten (BRD) Hintergrund: RIM RL Radikale Linke(Linksextremistische Sammlungsbewegung) RP Refah Partisi = Wohlfahrtspartei 29 RSB Revolutionär-Sozialistischer Bund RZ Revolutionäre Zellen s X SAG Sozialistische Arbeitergruppe SAV Sozialistische Alternative VORAN (SAV) SDAJ Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend soz Sozialistische Zeitung SpAD Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands SRP Sozialistische Reichspartei SWP Socialist Workers Party | 1 T TAIK Freie Frauenbewegung aus Kurdistan | TDKP Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei = Tuerkiye | Devrimei Komuenist Partisi 1 THKP/-C Türkiye Halk Kurtulus Partisi-Cephese = Türkische 1 Volksbefreiungspartei-Front TIKKO Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee TKP-ML Türkiye Komünist Partisi/Marksist-Leninist = Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten TKP(ML) DABK-Flügel derTKP-ML | TKP/ML Partizan-Flügel der TKP-L U U.LS.A. United Islamic Students Association in Europe = Union Islamischer Studentenvereine in Europa (iranische Regimeanhänger) uz Unsere Zeit v VF Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg VIDA Verein Iranischer Demokratischer Akademiker (iranische Regime gegner) VOGA Volksbewegung für Generalamnestie VSP Vereinigte Sozialistische Partei (bis Mitte 1995) vsp Vereinigung für SozialistischePolitik(ab Mitte 1995) VVN-BdA Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten 300 ER w Wiking-Jugend e.V. Y YAIK Teygeran Azadiya Jinen Kurdistan (vormals TAJK, davor YIWK) = Union der freien Frauen aus Kurdistan YCK Yekitiya Ciwanen Kurdistan = Unionder Jugendlichen aus Kurdistan YEK-KOM Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland Stichwortverzeichnis Aktion deutsches Radio und Fernsehen (ARF)+ 106 4 'Aktion Oder-Neiße (AKON) + 106 17degCelsius - Zeitungfürden Rest 212 Aleviten-Konflikt + 247; 258; 263 Alleanza Nazionale + 121 Alster-Report + 105 A Althans, Ewald + 39; 57:94 AMA + 158 AABO + 187; 165 AMGT + 253; 263 AB+226 analyse und kritik (ak) " 227 Abu Jamal, Mumia+ 177; 192; 220; 233 Anarchafeministinnen + 190 ADÜTDF + 238; 262; 266 Anarchismus + 189 AFH+ 190; 193; 194 Anarchist Black Cross (ABC) + 190; 194 AG BWK in und bei der PDS + 165; 167; 'Anarchisten + 21; 148; 187; 193; 205; 219 194; 223; 225; 226; 232 Siche BWK Anarchistische Aktion Hamburg (AAH) + AG PDS in der VSP + 225 190; 194 AGIR + 158; 159; 167, 190; 194; 224 'Anarchistische Föderation Hamburg. Agitare Bene + 208 (AFH) + Siche AFH 'Agri-Verlag + 242: 244 'Anarchisische Gruppe/Rätekommunisten AIZ" 24; 117; 151; 167; 176; 177; 192; 196; 197; 198; 212 (AGIR) + Siehe AG/R Anatopia 174; 192 AUBZ + 158 'Anschläge ausländischer Extremisten in AIF + 188; 167 Hamburg + 237 AK Kassiber + 228 Anti-Antifa + 38; 44; 73; 76; 90; 117; 118; 152 301 Antifa Bonn/Rhein-Sieg + 157 Antifa-Jugendfront Hamburg (AJF) + Siehe AJF Bahamas + 212; 227; 230 'Antifaschismus+ 182; 188; 212; 216; 219 Bambule + 193 'Antifaschistische Aktion/Bundesweite OrBarkaschow, Alexander + 143 ganisation (AA/BO) + Siche AA/BO Bärthel, Thorsten + 89; 91 'Antifaschistische Jugend/Bundesweiter BAT + 158 Zusammenschluß (AJ/BZ+ ) Siche BBP + 239 AUBZ Beier, Henry + 87 Antifaschistische Nachrichten + 194; 224 Benoist, de, Alain+ 47 Antiimperialistische Zelle (AIZ) + Siehe Binder, Peter + 142 AIZ Bingo + 163 'Antlimperialistischer Widerstand (AIW) + Bosse, Georg Albert + 131 150; 177 Bramfelder Sturm + 90; 91; 92; 93; 136 'Antiimperialistisches Jugendbündnis BSA+234 Hamburg + 159; 217, 218 Bundfür Gotterkenntnis (Ludendorff) Antinationales Aktionsbüro + 228 e.V. (BfG) + 131 'Antinationales Büro + 213 Bund Sozialistischer Arbeiter (BSA) + 234 Antinationales Plenum Hamburg + 25; Bund Westdeutscher Kommunisten 164; 210; 228 (BWK) + Siehe BWK sowie AG BWK 'Anti-Nazi-Bündnis (ANB) + 232 in und bei der PDS Anti-Nazi-League + 232 BundesweitesAntifa-Treffen (BAT) + 158 Antisemitismus + 55; 58; 67; 103; 182; Bündnis für Deutschland + 112 186 Bündnis gegen das PKK-Verbot + 165; 'Apfel, Holger + 99 114; 141 24 'Appell von Ludwigshafen + 124 Bündnis Keinen Fußbreit denFaschisten + 'Araber + 27; 273 158; 194; 224 Arbeiterbund für den Wiederaufbau der Büro K + 213 Kommunistischen Partei Deutschlands Burschenschaften + 127 (AB) Siche AB Busse, Friedhelm + 83; 141 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) + Siche BWK + 25; 219, 222 PKK Arbeitskreis gegen faschistische Zentren + 158; 162 c ARGK + 240; 243 Casto+ r 150; 188; 192; 193; 196; 208; Arun-Verlag + 49. 233 ATIF+ 259 Cedade + 140 'Autonome + 39; 148; 160; 161; 187; 191; Centrumspartei" 109 204; Christophersen, Thies+ 139; 140 'Autonome Antifa (M) + 157; 160 CL-HH + 163 'Autonome Männer-Antifa (AMA) + Siche Comlink + 163; 198 AMA 'Committee for a Worker's InternatioAutonome Nationalisten + 86 nal(CWI) + 233 'Autonome Zelle Hamburg Gruppe Kola Courage + 222 Bankole + 166 Criticon" 49 'Autonomes Blockplenum + 201 CWI+233 'Avanti " 232 302 EEE || Deutsches Rechtsbüro (DRB) + 125 D Deutsch-Europtische Studiengesellschaft + DA+ 73,94 DABK + 260 Dänische Nationalsozialistische BeweDevrimci Sol + 203; 248; 252; 254 gung (DNSB) + Siehe DNSB Devrimei Sol Gücler + 254; 257; 258; 259 Das Berliner Gespräch + 52 DFLP + 274 Das K.O.M.LT.E.E. + 166; 167; 177; 192; DHKC (=DHKP-C) + 257 196; 197 DHKP-C + 203; 248; 252; 255; 257 Das KOLLEKTIV LU Die Bauernschaft + 140 Deckert,Günter+ 7,72; 110; 141 Die Deutsche Freiheitsbewegung e.V. - Dehoust, Peter " 122 Der Bismarck-Deutsche (DDF) + 131 Dellwo, Karl-Heinz + 176 Die Freiheitlichen + 41 Demokratie-Partei (DEP) + 250 DieNationalen". 18; 32; 73; 75 Demokratische Partei Kurdistan/Irak Die neue Standarte+ 46, 98 (DPK/Irak) + 239 Die Nordlichter + 122 Dener, Halim + 242; 249 direkteaktion + 194 DEP + 250 Direkte Aktion/Mitteldeutschland + 73 Der Einblick + 76; 77 DKP + 22; 148; 154; 159; 165; 202; 211; Der Republikaner + 99 213; 214; 224; 226; 232; 233 Der Standard + 59; 98 61,75; DESG-Inform + 49; 126 Deutsche Alternative (DA) + Siehe DA Deutsche Kommunistische Partei (DKP) + : 83; 139; 146 Siche DKP DNZ +33; 107 Deutsche Liga (DL) + 34 DPK/Irak + 239. Deutsche Liga für Volk und Heimat DSZ-Druckschriftenund Zeitungsverlag (DLVH)* Siehe DLVH GmbH + 107 Deutsche Nationalisten (DN) + Siche DN DVU + 16; 3 59; 102; 106; 113; 120; Deutsche National-Zeitung (DNZ) + Siehe 122 DNZ DVU-Liste D + 33 Deutsche Rundschau + 122 DWZ + 34; 59; 107; 109 Deutsche Stimme + 110 Deutsche Volksunion (DVU) + Siehe DvU Deutsche Volksunion e.V. (DVU e.V.)* Edelweißpiraten + 162 106 Ehrenbund Rudel - Gemeinschaft zum Deutsche Wochenzeitung (DWZ) + Siche Schutz der Frontsoldaten (ER) * 106 Dwz EinheitundKampf (EuK) + 43; 46; 75; Deutscher Kamaradschaftsbund Wil84; 98; 114 helmshaven + 73 Eisenacher Signal + 103; 124 Deutscher Schutzbund für Volk und KulEMUG + 253; 263 tur + 106 Engel, Stefan + 221 Deutsches Kolleg + 42; 51; 52; 53 Entrismus+ 37; 231; 232; 233 Deutsches Kulturwerk Europäischen GeiErbakan + 264 stes e.V. (DKEG) + 130 'Emmittlungsausschuß + 192 Deutsches Manifest + 60 303 ERNK + 203; 240; 242; 243; 246; 247; Freie Frauenbewegung aus Kurdistan 248; 250 (TAJK) + Siche TAJK Etappe + 49 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei Ethnopluralismus + 30; 36 (FAP) " Siehe FAP Europa Vom + 49; 53; 54; 55 Freunde des kurdischen Volkes + 165; Europäische Moscheenbauund Unter219, 246; 247 stützungsgemeinschaft e.V. (EMUG) + Freundeskreis Filmkunst + 163 Siehe EMUG, auch IGMG und AMGT Freundeskreis Freiheit für Deutschland + Exilparlament (Kurden) + 250; 251 2 Ex-KB-Mehrheit + 227 Freundeskreis Ulrich von Hutten e.V. * Ex-KB-Minderheit + 227 2 Frey, Dr. Gerhard + 18; 33; 34; 59; 100; F 106; 143 FrontNational + 55; 102; 121; 123 Fantifa + 158 Fundamentalistische Arbeiterpartei der Fanzines " 59; 133; 136 Niederlande + 86 FAP "18;43; 46; 73; 81; 83; 87; 98; 118; Für eine linke Strömung(F.e.l.S.) + 187 122; 136; 140 Future-Decision + 45 Faschismus + 183; 218; 219; 258 FZ-Freiheitlicher Buchund ZeitschrifFasizme karsi devrimci direnis komitesi + tenverlag GmbH + 107; 108 258 Fatwa + 269 G FAU/IAA + 190; 193; 194 FHI+ 272 Gauss, Emst " 57 Fiedler, Hans + 104 Gegenstandpunkte + 229 Filder-Box + 45 Geiss, Pedro Varela + 140 Flüchtlingshilfe Iran (FHI) + 272 Gemeinschaft ostund sudetendeutscher Föderation der Arbeiter aus der Türkei in 'Grundeigentümer und Geschädigter Deutschland e.V. (ATIF) * Siche ATIF (G0G+) 131 Föderation der Türkisch-Demokratischen German American National Politic Action Idealistenvereine in Europa Committee (GANPAC) + 144 (ADÜTDF) + Siehe ADÜTDF und Germania-Rundbrief " 55 (falsche) Bezeichnung Graue Wölfe 'Gesellschaft der türkischen Arbeiter in Föderation gewaltfreier Aktionsgruppen Hamburg und Umgebung zur Grün(FÖGA) + Siehe FÖGA dung und Erhaltung einer Moschee Föderation kurdischer Vereine in eV." 265 Deutschland e.V. (YEK-KOM) + Siche Gesellschaft für biologische AnthropoloYEK-KOM gie, Eugenik und Verhaltensforschung FÖGA + 195; 196 (GfbAEV) + 129 Folkerts, Knut + 176 'Gesellschaft für freie Publizistik (GFP) " Förderverein Vereinigte Rechte + 34 129 Frauen für Demokratie im Iran + 272 Gewalttaten/Statistik Freie Arbeiterinnen und Arbeiter-Union 'Ausländerextremismus + 236. (FAUNAA) + Siche FAU/IAA Linksextremismus + 169 Freie Arbeiter-Union/Anarchistische ParRechtsextremismus + 61 tei (FAU/AP) "190 GIA + 182 Freie Deutsche Sommeruniversität " 51 GJA + 159; 194 304 'Goertz, Andre +43; Hizbollah + 182 96; 97,98; 9; 1 HLA +33; 1 ,122 161 HLA-Nachrichten + 119 'Goertz, Glenn + % 83,86 graswurzelrevolution + 196 219 Graue Wölfe + 238; 239; 248; 262 176 GroßeEinheitspartei (BBP) + 239 Gruppe "K" + 25; 212; 213; 227; 230 Gruppe Avanti - 4. Internationale+231 Gruppe Diskussion und Kritik + 229 Gruppe Junger Anarchisten (GJA)+ Siehe GJA Gruppe Landesverrat + 210 ICCB + 253; 266 Gruppe Spartakus (für die IV. InternatioIGMG + 253; 263 nale) + 231 IH + 253; 266 Guzman, Dr. Abimael + 259 IHV +86 ljzerbedevaart + 43; 93; 140 IMSV + 272 H Index +60; 77; 89; 94; 162 HAI + 187; 167 Infogruppe Hamburg (IFGHH) + 198 Halt+ 139 Informationsstelle Kurdistan (ISKV) + 243 HAMAS + 273: 274 Informationsstelle Kurdistans (ISKU) + Hamburger Antifaschistische Initiative 244 (HAI) + Siche HAI Ingolstädter Erklärung + 124 Hamburger Kreis (HK) + 51 Initiative für Ausländerbegrenzung (I.L.A.) Hamburger Liste für Ausländerstopp + 106 (HLA+ ) Siche HLA Initiative für eine bundesweite revolutioHamburgerNaonakiemokraten(HN) näre Organisierung + 157 INPREKORR + 231 Hammerskins+ 142; 144 Institute of Historical Review (IHR) + 144 Handlos, Franz+ 99 Interim+ 168; 182; 191; 200; 208; 210 Internationale Arbeiter Assoziation (AA) *194 derstand gegen Stadtteilentwicklung Internationale Sozialisten (IS) + 232 Hausmann, Alexander + 103 Internationales Hilfskomitee für nationale Heideheim e.V. Buchholz + 128 politische Verfolgte und deren AngeHeide-Heim e.V., Hamburg hörige e.V. (IHV) + Siche IHV Heimattreue Vereinigung Deutschlands + Internationales Komitee der Vierten Inter- n nationale (IKVI) + 234 Heldengedenktag + 78; 85 Internet + 45; 56; 144; 163 Hepp, Odfried + 71 Intifada + 273; 274 Hepp/Kexel-Gruppe + 68; 69 Iraner + 27; 267 Hetendorf + 128; 160 Iranisch Moslemische StudentenHilfsorganisation für nationale politische Vereinigung Bundesrepublik DeutschGefangene und deren Angehörige e.V. land e.V. (IMSV) + Siehe IMSV (HNG) + Siehe HNG Islamische Bewegung (IH) + Siche IH Hizballah (Partei Gottes) + 274 305 Islamische Neue Weltsicht e.V. (IGMG) + KGAK +51 Siche IGMG, auch EMUG und AMGT KIB+ 243 Istamischer Jihad (siehe auch "Jihad") + KIZ + 243 273 Komitee für soziale Verteidigung (KfsV) + Islamisches Zentrum Hamburg (IZH) + 233 Siehe IZH KOMKAR + 240 Islamisten kommando pippi langstrumpf + 177 (iranische) + 267 'Kommunistische Arbeiterzeitung (KAZ) + Islamisten (arabische) + 273 226 Islamisten (türkische) + 263 Kommunistische Partei Perus (PCP) + 259 1ZH + 266; 270 Kommunistische Plattform (KPF)+ 21; Izzedin-al-Kassem-Brigaden + 274 23 Kommunistischer Bund (KB) + Siche KB Konservative Revolution + 31; 47 J Kosiek, Dr. Rolf+ 130 Jamrowski, Werner+ 104 Krausz, Winfried + 55 Janmaat, Johannes + 109 Kuhle Wampe + 218 Jerusalem-Tag + 266; 270 Kühnen, Michael + 88; 95; 141; 145 Jihad + 182 KURD-A + 241 IN + 32; 40; 43; 46; 49; 75; 77; 78; 81; 86; Kurden + 239 97; 110; 114; 135; 138; 140 Kurdisch-Deutsche Presse-Agentur IN-Konkret + 116 (KURD-A) + Siche KURD-A RE" 232 Kurdisch-Deutscher Freundschaftsverein Jugend gegen Rassismus in Europa (RE) e.V. (Hamburg) + 240 * Siehe JRE Kurdischer Eltemverein + 244 JUKO + 217; 218 Kurdistan Informationbüro (KIB) + Siche Junge Freiheit (JF) + 49; 50 KIB Junge Kommunisten (JUKO) + Siche Kurdistan Rundbrief 243 JUKO Kurdistan Volkshaus e.V. * 242; 243; 245 Junges Forum + 49 Kurdistan-Informationszentrum (KIZ) + Siche KIZ Kurdistan-Komitee + 243 K Kurdistan-Report + 243 Küssel, Gottfried+ 94; 141 KAB + 248 Kameradschaftshilfswerk für nationale Gefangene + 112 1 Kampf-Komitee gegen den Faschismus + 258; 261 Lauck, Gary Rex + 43; 45; 60; 71; 80; 83; Kaplan + 253; 266 84; 139; 143; 145; 162 Karatas, Dursun + 254; 257 Le Pen, Jean-Marie + 102; 123 Karatas-Flügel + 203; 254; 28 Leserkreis + 51 Käs, Christian + 101; 105 Leuchtender Pfad + 182; 29 Kaypakkaya + 260 Libertäre Jugend + 194 KAZ+ 226 Libertäres Zentrum (LIZ) + 190; 191; 193; KB +25; 227 206 Kelkal, Khaled + 182 Lokalberichte+ 194 KSV + 233 LokalberichteHamburg + 219 306 EEE | NEK +69 Neubauer, Harald + 120 Mailbox + 44; 5; 58; 71; 75; 77; 80; Neue Anthropologie + 130 122; 126; 163; 198 Neue Arbeiterpresse + 234 Mandel, Ernest " 230 Neue Rechte + 31; 47; 127 Marxistische Gruppe (MG) + Siche MG Neuer Nationalismus + 54 Marxistisch-Leninistische Partei Newroz + 247 Deutschlands (MLPD) + Siehe MLPD NF + 69; 73; 99; 128; 139 Mercado + 206 MG + 22, 23; 25,228 MHP + 262 Mili's Tanzauf dem Eis + 185 Milli Gazete + 265 MLKP + 252 NO+73 MLKP-K + 249 Norddeutsche Bewegung (NDB) + 47; 99; MLPD + 22; 25; 220; 232 7 Müller, Ursula + 87 Nordische Zukunft + 130 Münchener Mahnruf + 103 Nordische Ring (NR) + 129 Mykonos + 269 "Notgemeinschaft für Volkstum und Kultur ev. 131 Nouvelle Droite + 47; 54 NPD+16; 32; 40; 49; 60; 75; 85; 96; 102; 108; 110; 122; 130; 140 Nachrichten der HNG+ 87; 93; 126; 142 NADIS = Nachrichtendienstliches InforINSDAP/AO + 60; 70; 80; 83; 84; 87; 139; 143; 145; 162 mationssystem + 12 NS-Kampfruf+ 60; 71; 87; 143; 145 Nahrath, Wolfgang + 85 INS-Nachrichtenblätter " 145 Nation & Europa+49; 100; 122 NWRI + 271 Nationaldemokratische Partei Deutschlands. (NPD) + Siche NPD Nationale Befreiungsarmee (NLA) + Siche o NLA Nationale Befreiungsfront Kurdistans Oberlercher, Dr. Reinhold +41;42; 51; (ERNK) - Siehe ERNK 32; 53; 57; 116 Nationale Liste (NL) + Siche NL Nationale Offensive (NO) + Siche NO Nationaler Block " 73 Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) + Öcalan, Abdullah + 240; 241 Siehe NWRI Nationales Einsatzkommando (NEK) + Siche NEK o Nationales Infotelefon (NIT) + Siehe NIT Ostanatolisches Gebietskomitee (DABK) + Nationalistische Front (NF) + Siehe NF 260 Nationalsozialistische Deutsche ArbeiterPartei / Auslandsund AufbauorganipP sation (NSDAP/AO) + Siche NSDAP/AO Pape, Martin + 95 Naumann,Peter + 16, 72; 116 307 Partei der Nationalistischen Bewegung Republikanischer Bundderöffentlich (MHP) + 262 Bediensteten (RepBB) + Siche RepBB Partizan-Flügel + 260 Resistance Records + 144 Patria-Versand GmbH + 120 Revisionismus + 54; 79; 144 Patriotische Jugend + %0 Revolutionäre Kommunisten (RK) + 259 Patriotische Union Kurdistans (PUK) + Revolutio Zellenä n (RZ) re+ Siche RZ 240 Revolutionärer Weg + 222 PCP "259 Revolutionäres Widerstandskomite gegen e Petri, Michael + 84 den Faschismus + 258 Pfälzer Aufruf" 103; 124 Revolutionär-Sozialistischer Bund (RSB) PFLP + 274 *SicheRSB PFLP-GC + 274 Revolutionary Internationalist Movement / Revolutionäre internationalistische Bewegung (RIM) + 259 203; 224; 236; 238; 239; 240; 241; 253 Rheinischer Appell + 102; 124 PLO+273 Rieger, Jürg + 69; en 90; 126; 129; 156; Position-Magazin der SDAJ + 218 160; 161; 174; 192 Priem + 39 RIM + 259 Progressiver Nationalismus + 47; 60; 98 RI+ 100 Prümmer, Michael + 40 RK + 259 PSK + 240 Rohwer, Uwe + 71 PUK + 239 Rote ArmeeFraktio (RAFn)+SicheRAF Pulheimer Erklärung + 103; 124 RoteFlora + 25; 111; 189; 191; 197; 201; PZD = Personenzentraldatei 203; 209 Rote Hilfe+ 167; 192; 19 Rote Zora + 24; 151; 166; 167; 183 R RP" 253; 264 radikal +25; 167; 192; 196; 199; 200;220 RSB + 225; 231 Radikale Lin + 211; ke 228 Rudolf-Gutachten + 57 Radikale Zeiten + 199 Rudolf-HESS-Aktionswoche + 46; 74; 78; Radjavi, Marya +271;m 272 91; 97; 139 142; 161 Radl, Franz + 142 Runder Tisch " 15;18; 32; 35; 38; 102; RA + 69; F 150; 166; 167; 175; 192; 196; 103; 121; 123 257 Rushdie, Salman + 269 RAF-Umfeld + 165; 178; 211 RVG Verlagsund Vertriebs-GmbH + 120 RBF+ 100 RZ +24; 151; 166; 167; 183; 195 Rebell + 222 Recht und Wahrheit + 93; 131 Refah Partisi (RP) Siehe RP s Remer, Otto Ernst + 131 Sache des Volkes + 49 Rennicke, Frank + 72 SAG+ 232 I RepBB + 99 SAV+ 233 | Republikaner+ 16; 31; 33; 34; 38; 45; 49; Scheerer, Germar + 57 99; 108; 113; 120; 121; 122 Scherer, Ellen-Doris + 112 Republikanische Jugend (RJ) + Siehe RJ Schimanck, Jörg " 1 Republikanischer Bund der Frauen (RBF) Schirinowskij, Wladimir + 109; 143 * Siehe RBF Schlierer, Dr. Rolf+ 100; 103 308 Schmidt, Hans + 143 Standarte + 98 Schönborn, Meinolf" 72; 139 Stawitz, Ingo + 61; 120; 125 Schönhuber, Franz+ 18; 34; 41; 99; 100; Stehr, Heinz + 216 102; 103; 108; 125 Sterka Ciwan + 241 Schützinger, Jürgen + 120 Storr, Andreas + 115 Schwarze Katze + 195 T Schwarzer Block + 202 Schwarzmarkt + 24; 167; 194 SDAJ + 159; 217 Tag, Emst + 87 Sedelmaier, Gisela + 126 TAIK + 249 Siefert, Jens + 161 Taufer, Lutz+ 176 Signale + 218 TDKP + 249. Skinheads + 38; 59; 79; 92; 108; 132; 139; Terrorismus 142; 144 Ausländische Extremisten + 182; 236; Sk 49; 53, 57,9; 126 240; 256; 269 Socialist Workers Party" (SWP) 232 Linksextremisten + 24; 151; 166; 175; Soligruppe Hamburg + 167; 192; 197 196 SOZ / Sozialistische Wochenzeitung + 226 Rechtsextremisten + 68; 94; 142; 147 Sozialismus von unten + 232 THKP/-C + 252; 254; 287 Sozialistische Alternative VORAN (SAV) Thule-Netz+ 44; 45 233 Thule-Seminar + 49; 54 Sozialistische Arbeitergruppe (SAG) * TIKKO "259 Siehe SAG TKP(ML) = DABK-Flügel + 260; 261 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend TKP/ML = Partizan-Flügel + 260 (SDA)) + Siche SDAJ TKP-ML + 252; 259 Sozialistische Partei Kurdistans (PSK) * Trotzkisten + 22; 25; 148; 230 240 Türken + 27,282 Sozialistische Reichspartei (SRP) + 29; Türkische Arbeiterund Bauernbefrei131 ungsarmee (TIKKO) + Siehe TIKKO Sozialrevolutionäre + 21; 195 Türkische Familien-Union + 238; 263 SpAD + 233 "Türkische Kommunistische ParSpartacist League (USA) + 233 tei/Marxisten-Leninisten (TKP-ML) + Spartakist (SpAD-Publikation) + 234 Siehe TKP-ML Spartakist Arbeiterpartei Deutschlands Türkische Revolutionäre Kommunistische (SpAD) + 233 Partei (TDKP) + Siehe TDKP Spartakist-Jugend + 233 Spenden ADÜTDF + 263 U ausländische Extremisten / allgemein ULS.A. + 270 235 Umbruch + 114 IGMG/EMUG + 264 Union der Aleviten aus Kurdistan (KAB) + iranische Opposition + 272 Siehe KAB 1ZH " 270 Union der freien Frauen aus Kurdistan Palästinenser (Hamburg) + 274 (YAJK) + Siehe YAJK PKK + 249 Union der Jugendlichen aus Kurdistan Spinnennetz + 198 (YCK) + Siehe YCK Staatsbriefe + 41,49, 51, 52,9 Stahlhelm e.V. +85 309 Union islamischer Studentenvereine in Volksfront von Rechts +93 'Europa (U.1.S.A.) + Siehe U.LS.A. Volksmodjahedin Iran + 271 UZ+215 Volkstreue Außerparlamentarische Opposition (VAPO)+ 139; 141 VORAN + 233 v VSP + 25; 158, 211; 219; 224; 226; 231; Verband der islamischen Vereine und 232 'Gemeinden e.V. (ICCB) + Siehe ICCB VVN-BäA + 154; 158; 219; 224; 226 Verband der Vereine aus Kurdistan (KOMKAR) + Siche KOMKAR w Verbeke, Siegfried + 140 Verbote rechtsextrem. Organis. 1992 - Weidner 39 1995 +73 Widerstand (Mailbox) + 45; 55; 122; 126 'Verein für Geschichte und Zeitgeschichte Widerstand gegenStadtteilentwicklung + der Arbeiterbewegung + 232 204 Verein Iranischer Demokratischer AkaWiking-Jugend (WI) + Siehe WI demiker(VIDA) +273 wildcat" 194; 195 Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) + Wir selbst + 49 Siche VSP WI+ 71,73; 128 Vereinigung der Neuen Weltsicht in EuWorch, Christian + 76; 82; 83; 89; 92; 93; ropa e.V. (AMGT) + Siche AMGT, 94; 144; 156 auch IGMG und EMUG Wulff, Thomas + 61; 83; 89; 90; 93; 94; Vereinigung der Verfolgten desNaziregi156 mes - Bund der Antifaschisten (VVNWunsiedel + 80; 142 BdA) + Siehe VVN-BdA Vereinigung für Sozialistische Politik (VSP) + Siehe VSP Y Vernetzung Yagan-Flügel + 254; 255; 257 im Linksextremismus + 156; 163; 188; YAJK + 246; 247,249 195; 198; 229 YCK + 241; 249 im Rechtsextremismus + 38; 39; 43; YEK-KOM + 248 46; 74; 75; 76; 79; 86; 98; 116; Yilmaz, Kani + 246; 247 132, 142 VIDA + 273 Vikingforce 136 zZ Viaams Blok + 121 Zeck + 192; 193 Voigt, Ekkehard +99 Zentrum für Forschung und Kultur des Volksbefreiungsarmee Kurdistans. Islame.V. + 266 (ARGK) + Siehe ARGK Zobel,Jan + 46; 81; 82; 97; 98; 114; 117; Volksbewegungfür Generalamnestie 118 (VOGA) + 106 Zündel, Emst + 45; 55; 56; 57; 140; 144 Volksfront + 158; 219; 222; 226 310