Verfassungsschutzbericht 2023 Vorwort der Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser In diesem Jahr wird Deutschlands wehrhafte Verfassung, das Grundgesetz, 75 Jahre alt. Sie hat sich bewährt angesichts der Herausforderungen, die unsere Republik seit ihrer Gründung 1949 durchlebt hat. Dass es aber auch gegenwärtig unerlässlich ist, unsere freiheitliche Demokratie vor ihren Feinden zu schützen, hat das vergangene Jahr nochmals drastisch gezeigt. Die ohnehin angespannte Sicherheitslage hat sich 2023 erneut verschärft: Zum völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sind die entsetzlichen Morde der Terrororganisation HAMAS mit ihren Folgen hinzugekommen. Beides wirkt sich auch auf unser Land aus. So hat die Bedrohung unserer Demokratie und ihrer Institutionen durch Spionage, Sabotage, Desinformation und Cyberangriffe eine neue Dimension erreicht. Fremde Mächte wie Russland, China und Iran setzen ihre Nachrichtendienste umfassend zur Spionage in und gegen Deutschland ein. Hinzu kommen Versuche, illegitim Einfluss auf unser Gemeinwesen auszuüben und hier lebende Oppositionelle zu überwachen beziehungsweise zu verfolgen. Zugleich stellen uns diese ausländischen Mächte vor wachsende hybride Bedrohungen, indem sie beispielsweise gezielt Desinformation verbreiten oder sogar Sabotagemöglichkeiten ausforschen. Seit Jahren steigt auch die Bedrohung durch Cyberangriffe staatlicher Akteure. Wie aktuell die Gefahren sind, zeigte Mitte April 2024 die Festnahme von gleich vier der Spionage für China Verdächtigen sowie zweier Deutschrussen. Letztere hatten nach Erkenntnissen des Generalbundesanwalts Sabotageaktionen in Deutschland geplant, um die militärische Unterstützung für die Ukraine zu 3 unterminieren. Anfang Mai 2024 ordnete die Bundesregierung zudem den Cyberangriff aus 2023, der unter anderem die SPD sowie Rüstungsund IT-Unternehmen betraf, öffentlich der Gruppierung APT 28 und damit dem Militärischen Auslandsnachrichtendienst Russlands (GRU) zu. Die Bundesrepublik sieht sich zudem einer wachsenden Gefahr gegenüber, dass antisemitische Hetze verstärkt das gesellschaftliche Klima vergiftet. Das von der HAMAS verübte, beispiellose Massaker an israelischen Männern, Frauen und Kindern und die israelische Reaktion darauf haben unterschiedliche extremistische Akteure zum Anlass genommen, zu Hass und Gewalt gegen Jüdinnen und Juden oder den Staat Israel aufzurufen und sein Existenzrecht zu verneinen. Dies zeigte sich primär im Versammlungsund Demonstrationsgeschehen, aber auch am Widerhall der Ereignisse in den sozialen Medien sowie dem Anstieg antisemitischer Vorfälle seit dem 7. Oktober 2023. Islamisten, säkular-palästinensische Extremisten, türkische Rechtsextremisten sowie deutsche und türkische Linksextremisten treten aus ganz unterschiedlicher Motivation als Mobilisierungstreiber in Erscheinung. Deutsche Rechtsextremisten nutzen die aktuelle Situation, um gegen Muslime und Migranten zu agitieren. Antisemitismus und Israelfeindlichkeit zeigen sich oft als verbindende Elemente zwischen diesen Akteuren. Die Sicherheitsbehörden reagieren mit zusätzlicher Wachsamkeit auf die jüngsten Entwicklungen und gehen aktiv gegen jede Art von antiisraelischer und antisemitischer Hetze vor. Die Beobachtungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz werden im Sonderkapitel "Auswirkungen des Nahostkonflikts und Antisemitismus" sowie im "Lagebild Antisemitismus" dargelegt. Durch die vom Bundesministerium des Innern und für Heimat sowie den jeweiligen Landesinnenbehörden ausgesprochenen Betätigungsund Vereinsverbote konnten extremistische und terroristische Strukturen zerschlagen werden. Das zeigen die zuletzt im November 2023 von mir erlassenen Betätigungsverbote der HAMAS und des internationalen Netzwerks "Samidoun - Palestinian Prisoner Solidarity Network". All diese Entwicklungen wirken mit den bereits längerfristig bekannten Phänomenen zusammen, die unsere Verfassung 4 bedrohen. Unser Rechtsstaat tritt ihnen entschieden und mit allen Mitteln entgegen, die ihm zur Verfügung stehen. Der Verfassungsschutz spielt dabei eine entscheidende Rolle - wie der Verfassungsschutzbericht 2023 einmal mehr eindrucksvoll zeigt. Rechtsextremismus ist nach wie vor die größte Gefahr für unsere freiheitliche Demokratie und die Menschen, die in ihr leben. Im Jahr 2023 ist die Zahl der Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund um fast ein Viertel auf rund 29.000 angestiegen. Die Zahl gewaltorientierter Rechtsextremisten verbleibt mit 14.500 Personen auch 2023 auf hohem Niveau. Am Beispiel des Terrorangriffs der HAMAS auf Israel wurde im Berichtsjahr ein weiteres Mal deutlich, wie Rechtsextremisten Krisen instrumentalisieren, um die eigenen Narrative zu verbreiten. Aber auch der Themenkomplex "Migration und Asyl" gewann für Rechtsextremisten wieder an Bedeutung, insbesondere vor dem Hintergrund steigender Zahlen von Schutzsuchenden. Zugleich führte die Berichterstattung über die Vernetzungsbestrebungen neurechter Akteure sowie deren rassistische Konzepte zur "Remigration" ganzer Bevölkerungsgruppen in der demokratischen Öffentlichkeit zu einer breiten Mobilisierung gegen dieses Spektrum. Um Rechtsextremismus in allen seinen Erscheinungsformen noch konsequenter entgegenzutreten, habe ich Anfang 2024 ein neues Maßnahmenpaket zum Schutz der Demokratie und zur Bekämpfung des Rechtsextremismus vorgestellt. Im Kern unserer Strategie stehen Prävention und Härte gleichermaßen. Wir nutzen alle Instrumente des Rechtsstaats, um unsere Demokratie zu schützen. Wir wollen rechtsextremistische Netzwerke zerschlagen, ihnen ihre Einnahmen entziehen und ihnen die Waffen wegnehmen. Auch die Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter war 2023 auf hohem Niveau aktiv. Ihr gehörten deutschlandweit etwa 25.000 Personen an. Harmlos ist an dieser Szene nichts: Rund zehn Prozent, also etwa 2.500, sind gewaltorientiert. Insgesamt ist die Szene durch eine hohe Waffenaffinität gekennzeichnet. Seit Ende April 2024 steht das bislang größte Terrornetzwerk von Reichsbürgern vor Gericht. Der Gruppierung um Heinrich XIII. P.R. wird vorgeworfen, die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland gewaltsam zu stürzen und durch eine eigene Herrschaftsstruktur zu ersetzen. Dass unsere Demokratie tatsächlich wehrhaft ist, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass die Pläne von unseren 5 Sicherheitsbehörden erfolgreich aufgedeckt wurden und sich die mutmaßlichen Drahtzieher nun gerichtlich verantworten müssen. Unvermindert im Fokus steht zudem der Kampf gegen Linksextremismus. Die Zahl linksextremistisch motivierter Straftaten nahm um 11,5 Prozent auf knapp 7.800 Straftaten zu. Das linksextremistische Personenpotenzial ist im Jahr 2023 um 500 auf nunmehr 37.000 Personen gewachsen, darunter 11.200 gewaltorientierte Linksextremisten. Für den gewaltorientierten Linksextremismus stellt die Polizei, stellvertretend für den demokratischen Staat als Ganzes, das zentrale Feindbild dar. Im Mai 2023 wurden vier linksextremistische Gewalttäter um die Hauptangeklagte Lina E. als Teil einer kriminellen Vereinigung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Die linksextremistische Szene reagierte bundesweit mit zahlreichen Strafund Gewalttaten, darunter zwei versuchte Tötungsdelikte gegen Polizeibeamte in Leipzig. Überdies versuchen auch Linksextremisten gezielt, demokratische Diskurse in ihrem Sinne zu verschieben. So setzten sie ihre Bemühungen fort, die Klimaprotestbewegung zu beeinflussen - mit dem Ziel, deren Protestund Aktionsformen zu radikalisieren - hin zur Sabotage von Infrastruktur. Das BfV bearbeitet das Bündnis "Ende Gelände" nunmehr als linksextremistischen Verdachtsfall. Seit dem terroristischen Angriff der HAMAS auf Israel am 7. Oktober 2023 hat sich nicht zuletzt die Gefährdung durch den islamistischen Terrorismus weiter erhöht. Aber auch schon davor war die Bedrohungslage hoch: Im April 2023 kam es in Deutschland zu einem gesichert islamistisch motivierten Anschlag in Duisburg. Dieser Anschlag sowie durch deutsche und europäische Sicherheitsbehörden vereitelte Anschlagspläne beweisen, dass Europa, und damit auch Deutschland, verstärkt im Fokus terroristischjihadistischer Organisationen steht, vor allem des sogenannten IS aber auch von "al-Qaida". Auch das islamistische Personenpotenzial bewegt sich mit 27.200 Personen weiter auf hohem Niveau. In diesem Bereich geht die größte Gefahr in Deutschland und Europa weiterhin vorwiegend von jihadistisch inspirierten oder angeleiteten Einzeltätern sowie Kleinstgruppen aus. Sie im Griff zu behalten ist besonders herausfordernd, da sie ihre Taten kurzfristig planen und wenig Organisations-, Netzwerkund Kommunikationsaufwand betreiben müssen, um sie zu begehen. Doch auch 6 koordinierte, komplexe, langfristig geplante Anschläge bleiben in Deutschland jederzeit denkbar. Der vorliegende Bericht beweist einmal mehr: Das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Verfassungsschutzbehörden der Länder leisten einen entscheidenden Beitrag zum Schutz unserer Demokratie und unserer Freiheit - und das auf vielen Gebieten zugleich. Den vielen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die jeden Tag zuverlässig, fachkundig und entschlossen ihren Beitrag zum Schutz des Grundgesetzes und der ihm zugrunde liegenden Werte leisten, gilt mein herzlicher Dank! Nancy Faeser Bundesministerin des Innern und für Heimat 7 8 INHALTSVERZEICHNIS Inhaltsverzeichnis Verfassungsschutz - ein unverzichtbares Instrument der wehrhaften Demokratie I. "Frühwarnsystem" Verfassungsschutz 19 II. Kontrolle des Verfassungsschutzes 21 III. Verfassungsschutz durch Aufklärung 23 Politisch motivierte Kriminalität I. Definitionssystem PMK 26 II. Gesamtüberblick PMK 27 III. Politisch motivierte Straftaten mit extremistischem Hintergrund in den einzelnen Phänomenbereichen 28 1. Rechtsextremistisch motivierte Straftaten 28 1.1 Zielrichtungen der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten 30 1.1.1 Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund 31 1.1.2 Rechtsextremistische Gewalttaten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten 32 1.2 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder 33 2. Extremistische Straftaten von "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" 34 3. Linksextremistisch motivierte Straftaten 36 3.1 Zielrichtungen der linksextremistisch motivierten Gewalttaten 37 3.1.1 Linksextremistisch motivierte Gewalttaten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten 39 3.1.2 Linksextremistisch motivierte Gewalttaten gegen die Polizei/ Sicherheitsbehörden 40 3.2 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder 41 4. Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - religiöse Ideologie" 42 4.1 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder 44 5. Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich der "Politisch motivierten Kriminalität - ausländische Ideologie" 45 5.1 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder 48 9 INHALTSVERZEICHNIS Auswirkungen des Nahostkonflikts und Antisemitismus I. Überblick 50 II. Islamismus 52 III. Auslandsbezogener Extremismus 55 IV. Rechtsextremismus, "Reichsbürger" und "Selbstverwalter", "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" 61 V. Linksextremismus 67 VI. Gefährdungspotenzial 71 Rechtsextremismus/rechtsextremistischer Terrorismus I. Überblick 74 1. Entwicklungstendenzen 74 2. Personenpotenzial 78 II. Gewalt und rechtsterroristische Ansätze sowie Umsetzung des "Aktionsplans Rechtsextremismus" 79 1. Entwicklung der rechtsextremistischen Strafund Gewalttaten 79 2. Gefahr rechtsterroristischer Ansätze 80 3. Staatliche Maßnahmen 81 3.1 Vereinsverbote 83 3.2 Verhinderung von Waffenbesitz bei Rechtsextremisten 85 3.3 Aufklärung von Finanzierungsaktivitäten der rechtsextremistischen Szene 86 3.4 Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden 87 III. Aktuelle Entwicklungen im Rechtsextremismus 88 1. Fortgesetzte Instrumentalisierung von Krisen durch Rechtsextremisten 88 2. Onlinevernetzung und Radikalisierung 89 3. Rechtsextremistische "Erlebniskultur": Musik, Kampfsport und Fußball 91 4. Immobiliennutzung und Siedlungsbestrebungen von Rechtsextremisten 94 5. Homophobie und Queerfeindlichkeit 95 6. Antisemitismus im Rechtsextremismus 96 IV. Rechtsextremistische Akteure der Neuen Rechten und Verdachtsfall "Verlag Antaios" 99 1. "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) 100 2. "COMPACT-Magazin GmbH" 102 3. "Ein Prozent e.V." 103 4. "Institut für Staatspolitik" (IfS) 104 5. Verdachtsfall "Verlag Antaios" 105 V. Rechtsextremistisches Parteienspektrum 106 1. "Die Heimat" (vormals "Nationaldemokratische Partei Deutschlands", NPD) 106 10 INHALTSVERZEICHNIS 2. "DIE RECHTE" 108 3. "Der III. Weg" 109 4. "Freie Sachsen" 112 5. Verdachtsfall "Alternative für Deutschland" (AfD) 113 6. "Junge Alternative für Deutschland" (JA) 117 VI. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 120 1. "Die Heimat" (vormals "Nationaldemokratische Partei Deutschlands", NPD) 120 1.1 "Junge Nationalisten" (JN) 121 1.2 "Deutsche Stimme Verlags GmbH" (DS Verlag) 122 2. "DIE RECHTE" 123 3. "Der III. Weg" 124 4. "Freie Sachsen" 125 5. "Junge Alternative" (JA) 126 6. "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) 127 7. "COMPACT-Magazin GmbH" 128 8. "Institut für Staatspolitik" (IfS) 129 9. "Ein Prozent e.V." 130 "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" I. Überblick 132 1. Entwicklungstendenzen 133 2. Erscheinungsformen 135 3. Staatliche Maßnahmen 137 II. Gefährdungspotenzial 140 III. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 142 1. "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" 142 Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates I. Überblick 144 1. Personen und Gruppierungen 144 2. Wandel der thematischen Agenda 145 3. Verbindungen zu Rechtsextremisten und zu "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" 146 II. Gefährdungspotenzial 147 11 INHALTSVERZEICHNIS Linksextremismus I. Überblick 150 1. Entwicklungstendenzen 150 2. Personenpotenzial 151 3. Strafund Gewalttaten 151 II. Aktuelle Entwicklungen im Linksextremismus 153 1. Militanter "Antifaschismus" 153 2. Polizei im Fokus linksextremistischer Gewalt 160 3. Einflussnahme auf die Klimaproteste 162 4. Angriffe auf Kritische Infrastruktur und Wirtschaftsunternehmen 168 5. Zunehmende Anwerbungsversuche bei Jugendlichen 173 6. Antisemitismus im Linksextremismus 175 7. Gefährdungspotenzial 177 III. Linksextremistische Strukturen 178 1. Gewaltorientierte Linksextremisten 179 1.1 Autonome 180 1.2 Anarchisten 181 1.3 Gewaltorientierte dogmatische Linksextremisten 183 2. Nicht gewaltorientierte dogmatische Linksextremisten 184 3. "Rote Hilfe e.V." 185 IV. Linksextremistische Vernetzungsbestrebungen 186 1. Vernetzungen innerhalb der linksextremistischen Szene 187 2. Beeinflussung demokratischer Diskurse 188 3. Vernetzungen mit Linksextremisten im Ausland 189 4. Vernetzungen zur PKK und türkischen Linksextremisten 190 V. Linksextremistische Internetnutzung 190 1. Linksextremistisch genutzte Internetplattformen 191 2. Soziale Medien und Podcasts 192 VI. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 194 1. "Interventionistische Linke" (IL) 194 2. "...ums Ganze! - kommunistisches Bündnis" (uG) 195 3. "Perspektive Kommunismus" (PK) 196 4. "Freie Arbeiter*innen-Union" (FAU) 197 5. "Rote Hilfe e.V." (RH) 198 6. "junge Welt" (jW) 199 7. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 200 8. "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 201 9. "Sozialistische Gleichheitspartei" (SGP), deutsche Sektion des "Internationalen Komitees der Vierten Internationale" (IKVI, Abspaltung der "Vierten Internationale") 203 12 INHALTSVERZEICHNIS Islamismus/islamistischer Terrorismus I. Überblick 206 1. Entwicklungstendenzen 207 2. Organisationen und Personenpotenzial 210 3. Finanzierung 211 II. Internationale Konflikte und ihre Bedeutung für die Sicherheitslage in Deutschland 212 1. Konfliktregion Nahost 213 2. Konfliktregion Afghanistan/Pakistan 214 3. Konfliktregion Syrien/Irak 215 4. Konfliktregionen auf dem afrikanischen Kontinent 216 5. Gefährdung durch den islamistischen Terrorismus 217 5.1 Gefährdung durch die "Islamistische Nordkaukasische Szene" (INS) 220 III. Salafistische Szene in Deutschland 222 IV. Jihadistische Propaganda im Internet 224 1. Fremdsprachige jihadistische Propaganda 224 1.1 "Islamischer Staat" (IS) 224 1.2 "Al-Qaida" 226 2. Deutschsprachige jihadistische Propaganda 226 V. Organisationsgebundener Islamismus und Terrorismus in Deutschland 228 1. Nach Einflussnahme im politischen Raum strebende Organisationen 228 2. Sich abgrenzende Organisationen 230 3. Terroristische Organisationen 231 VI. Antisemitismus im Islamismus 232 VII. Staatliche Maßnahmen 234 VIII. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 239 1. "Islamischer Staat" (IS) und Regionalorganisationen 239 2. "Al-Qaida" und Regionalorganisationen 241 3. "Hezb-e Islami-ye Afghanistan" (HIA) 244 4. "Hizb Allah" 245 5. HAMAS 247 6. "Türkische Hizbullah" (TH) 249 7. "Hizb ut-Tahrir" (HuT) 250 8. "Muslimbruderschaft" (MB) 252 8.1 "Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V." (DMG) 253 9. "Tablighi Jama'at" (TJ) 254 10. "Islamisches Zentrum Hamburg e.V." (IZH) und sonstiger schiitischer Extremismus 255 11. "Milli Görüs"-Bewegung und ihr zugeordnete Vereinigungen 256 12. "Furkan Gemeinschaft" 259 13. "Kalifatsstaat" 260 13 INHALTSVERZEICHNIS Auslandsbezogener Extremismus I. Überblick 262 1. Entwicklungstendenzen 262 2. Personenpotenzial 264 3. Straftaten mit auslandsbezogener extremistischer Motivation 264 4. Finanzierung 265 II. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 267 1. Organisationsstruktur 268 2. Versammlungsgeschehen 269 3. Rekrutierungsmaßnahmen 270 4. Medienwesen 271 5. Strafverfahren gegen Funktionäre 272 6. Gefährdungspotenzial 273 III. Türkischer Linksextremismus 274 1. Überblick über Organisationen in Deutschland 274 2. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 276 IV. Türkischer Rechtsextremismus ("Ülkücü"-Bewegung) 279 1. "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) 280 2. "ATIB - Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V." (ATÄdegB) 281 3. "Föderation der Weltordnung in Europa" (ANF) 282 4. Unorganisierte "Graue Wölfe" 283 V. Säkularer palästinensischer Extremismus 284 VI. Antisemitismus im auslandsbezogenen Extremismus 288 VII. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 293 1. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 293 1.1 "Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland e.V." (KON-MED) 295 2. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 296 3. "Türkische Kommunistische Partei-Marxisten-Leninisten" (TKP-ML) 297 4. "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) 298 5. "Marxistische Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) 299 6. "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) 300 7. "ATIB - Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V." (ATÄdegB) 301 8. "Föderation der Weltordnung in Europa" (ANF) 302 9. "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) 303 14 INHALTSVERZEICHNIS 10. "Samidoun - Palästinensisches Gefangenensolidaritätsnetzwerk" ("Samidoun") 304 11. Extremistisches/terroristisches Sikh-Spektrum 305 Spionage, Cyberangriffe und sonstige sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Aktivitäten für eine fremde Macht I. Überblick und Entwicklungstendenzen 308 II. Nachrichtenund Sicherheitsdienste der Russischen Föderation 310 1. Zielbereiche und Schwerpunkte der Informationsbeschaffung 311 2. Methodik der Informationsgewinnung 312 3. Einflussnahme und Desinformation 313 4. Cyberangriffe 314 5. Gefährdungspotenzial 317 III. Nachrichtenund Sicherheitsdienste der Volksrepublik China 318 1. Zielbereiche und Schwerpunkte der Informationsbeschaffung 319 2. Methodik der Informationsgewinnung 319 3. Einflussnahme und Desinformation 322 4. Cyberangriffe 323 5. Gefährdungspotenzial 326 IV. Nachrichtendienste der Islamischen Republik Iran 326 V. Nachrichtendienste der Republik Türkei 329 VI. Nachrichtendienste sonstiger Staaten 331 VII. Proliferation 333 VIII. Prävention in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung 336 IX. Ermittlungsverfahren, Festnahmen und Verurteilungen 337 X. Strukturen und Aufgaben ausländischer Nachrichtendienste 338 1. Russische Föderation 338 2. Volksrepublik China 339 3. Islamische Republik Iran 341 4. Republik Türkei 342 Geheimund Sabotageschutz 343 "Scientology-Organisation" (SO) 349 15 INHALTSVERZEICHNIS Anhang 355 Übersicht über Verbotsmaßnahmen des BMI gegen extremistische Bestrebungen im Zeitraum Januar 1990 bis Dezember 2023 356 Register 366 Registeranhang zum Verfassungsschutzbericht 2023 391 Bildnachweis 402 16 Verfassungsschutz - ein unverzichtbares Instrument der wehrhaften Demokratie Politisch motivierte Kriminalität 17 Verfassungsschutz - ein unverzichtbares Instrument der wehrhaften Demokratie Wehrhafte Eine der wesentlichen Aufgaben des demokratischen Staates ist Demokratie es, Sicherheit und Freiheit für seine Bürgerinnen und Bürger zu garantieren. Demokratie kann sich erst im politischen und gesellschaftlichen Diskurs auf Basis der grundsätzlichen Werte einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung entfalten. Für eine Demokratie ist es deswegen unverzichtbar, dass sie bereit und in der Lage ist, diese Werte zu verteidigen. Diese unentbehrlichen Werte werden in einer Reihe von Vorschriften des Grundgesetzes (GG) konkretisiert: " der Schutz der Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 GG, " die zentralen Grundprinzipien der staatlichen Ordnung (Demokratie, Rechtsstaatlichkeit), Art. 20 GG. Im GG werden auch Schutzinstrumente für den demokratischen Rechtsstaat benannt, darunter: " Vereinigungen, deren Zweck oder Tätigkeiten den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind gemäß Art. 9 Abs. 2 GG verboten. " Parteien können nach Art. 21 Abs. 2 GG vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt werden. Hierbei handelt es sich um die "schärfste und überdies zweischneidige Waffe des demokratischen Rechtsstaats gegen seine organisierten Feinde", wie das Bundesverfassungsgericht in den Leitsätzen zum Urteil im Rahmen des NPD-Verbotsverfahrens im Jahr 2017 feststellte. " Parteien können daneben nach Art. 21 Abs. 3 GG vom Bundesverfassungsgericht von der staatlichen Finanzierung (gem. SS 18 Parteiengesetz) ausgeschlossen werden. Eine Voraussetzung für die Abwehr von Gefahren, die von Feinden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ausgehen, ist eine umfassende Information der staatlichen Organe und der Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen und Entwicklungen. 18 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE Zur Sammlung von Informationen und Erkenntnissen über derartige Bestrebungen und sicherheitsgefährdende Tätigkeiten sind die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder (Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b und Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG) eingerichtet worden; sie bilden einen unverzichtbaren Bestandteil der wehrhaften Demokratie. Freiheit in stabiler Sicherheit ist keine Selbstverständlichkeit. Im Jahr 2023 hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz Strukturdaten 4.414 Bedienstete (2022: 4.286). Der Zuschuss aus dem Bundesgemäß SS 16 Abs. 2 haushalt 2023 betrug 468.737.148 Euro (2022: 440.323.972 Euro). Bundesverfassungsschutzgesetz Das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) hatte im Jahr 2023 1.572 (2022: 1.503) Bedienstete und erhielt aus dem Bundeshaushalt einen Zuschuss von 172.164.175 Euro (2022: 164.052.845 Euro). Anfang 2024 waren von Bund und Ländern im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) 4.086.988 (Anfang 2023: 3.921.887) personenbezogene Eintragungen enthalten, davon 3.602.361 Eintragungen (88,1 %, Anfang 2023: 87,9 %) aufgrund von Sicherheitsüberprüfungen oder Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach den Bestimmungen des Luftsicherheits-, Atom-, Waffen-, Jagdbzw. Sprengstoffgesetzes, der Hafensicherheitsgesetze der Länder sowie der Gewerbeordnung. I. "Frühwarnsystem" Verfassungsschutz Dem Verfassungsschutz kommt in der deutschen SicherheitsAufgaben architektur die Aufgabe zu, Bedrohungen durch politischen Extremismus, Terrorismus sowie Spionageaktivitäten weit im Vorfeld polizeilicher Maßnahmen zu erkennen und einzuschätzen. Darüber hinaus wirkt der Verfassungsschutz im Bereich des Geheimund Sabotageschutzes mit (z.B. durch Sicherheitsüberprüfungen von Personen, die in sicherheitsempfindlichen Bereichen tätig sind). Sein wesentliches Betätigungsfeld - niedergelegt in SS 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVerfSchG) - besteht in der Sammlung und Auswertung von Informationen über: 19 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE " "Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben" (SS 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG), " "sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich dieses Gesetzes für eine fremde Macht" (SS 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG), " "Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden" (SS 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG) und " "Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (...), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (...) gerichtet sind" (SS 3 Abs. 1 Nr. 4 BVerfSchG). Die Aufgabe des Verfassungsschutzes erschöpft sich nicht in der Sammlung und Auswertung von Informationen als Selbstzweck, sondern ist erst mit der Weitergabe der analytisch aufbereiteten Erkenntnisse erfüllt. Im Sinne eines effektiven "Frühwarnsystems" erstellt der Verfassungsschutz Lagebilder und Analysen, die es der Bundesregierung und den Landesregierungen ermöglichen, rechtzeitig Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung und die innere Sicherheit einzuleiten. Außerdem übermittelt der Verfassungsschutz, der selbst über keinerlei polizeiliche Befugnisse verfügt, Erkenntnisse an Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften, um exekutive Maßnahmen zu unterstützen oder einzuleiten. Zusammenarbeit mit Mit dem Zentrum für Analyse und Forschung (ZAF) intensiviert der Wissenschaft das BfV die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft und stärkt so die Analysekompetenz des Verfassungsschutzes. Das ZAF arbeitet interdisziplinär und phänomenübergreifend. Dazu wurden auch im Jahr 2023 die Aktivitäten zum Austausch mit Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen fortgesetzt, insbesondere im Rahmen der hybrid durchgeführten Wissenschaftskonferenz 2023 mit rund 220 Teilnehmenden. Nationale Die Verfassungsschutzbehörden arbeiten mit anderen deutZusammenarbeit schen Sicherheitsbehörden in Kompetenzzentren zusammen. 20 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE Diese gewährleisten die Bündelung von Fachwissen ebenso wie den schnellen Austausch von Informationen und Analysen. Bei den Informationsund Kommunikationsplattformen - dem Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ, seit Ende 2004), dem Gemeinsamen Internetzentrum (GIZ, seit 2007) und dem Gemeinsamen Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum zur Bekämpfung des Rechtsextremismus/-terrorismus, des Linksextremismus/-terrorismus, des auslandsbezogenen Extremismus und der Spionage einschließlich proliferationsrelevanter Aspekte (GETZ, seit Ende 2012) - handelt es sich nicht um eigenständige Behörden, sondern um Plattformen zur Kooperation und Kommunikation der beteiligten Behörden von Bund und Ländern. Einen wesentlichen Erkenntnisgewinn erzielt der VerfassungsInternationale schutz überdies durch die Zusammenarbeit mit ausländischen Zusammenarbeit Nachrichtendiensten und in internationalen Gremien. Diese Kooperation ist vor dem Hintergrund des internationalen Terrorismus und der Gefährdung durch Cyberangriffe von überragender Bedeutung, was sich auch im stetigen Ausbau der Zusammenarbeit niederschlägt. Einen erheblichen Teil ihrer Informationen gewinnen die VerInformationsfassungsschutzbehörden aus allgemein zugänglichen Quellen. gewinnung Fremde Nachrichtendienste, Extremisten und Terroristen arbeiten jedoch konspirativ und legen ihre Ziele nicht offen dar. Entsprechend ist der Verfassungsschutz befugt, im Rahmen gesetzlich festgelegter Grenzen und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auch nachrichtendienstliche Mittel zur Informationsbeschaffung, wie beispielsweise Observationen und Telekommunikationsüberwachungen, einzusetzen. II. Kontrolle des Verfassungsschutzes Die Tätigkeit des BfV wird vielfältig kontrolliert. Hierzu gehört die Fachund Dienstaufsicht durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI). Die Bundesregierung unterliegt - auch in Bezug auf die Arbeit Parlamentarisches des Verfassungsschutzes - der Kontrolle durch den Deutschen Kontrollgremium 21 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE Bundestag. Zur Wahrnehmung der parlamentarischen Kontrolle ist beim Deutschen Bundestag das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) eingerichtet, das von der Bundesregierung regelmäßig und umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Nachrichtendienste und über Vorgänge von besonderer Bedeutung unterrichtet wird. Auf Verlangen ist es auch über sonstige Vorgänge zu unterrichten. Einmal jährlich führt das PKGr auf Grundlage von SS 10 Abs. 3 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (PKGrG) eine öffentliche Anhörung der Präsidentinnen beziehungsweise Präsidenten von BAMAD, BfV und Bundesnachrichtendienst (BND) durch. Bei der Anhörung beantworten diese insbesondere Fragen zur Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben und Befugnisse und zur Fortentwicklung ihrer Behörden. Ständiger Zur Optimierung der parlamentarischen Kontrolle und zur Bevollmächtigter Unterstützung des Kontrollgremiums bei seiner Arbeit eindes PKGr schließlich der Koordinierung mit der G 10-Kommission und dem Vertrauensgremium ist der Ständige Bevollmächtigte des Parlamentarischen Kontrollgremiums eingesetzt. G 10-Kommission Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses nach Maßgabe des Art. 10 GG werden durch die vom PKGr bestellte unabhängige G 10-Kommission auf ihre Zulässigkeit und Notwendigkeit überprüft. Zudem legt das PKGr regelmäßig einen Bericht über Art und Umfang dieser Beschränkungen vor, der auch öffentlich als Drucksache des Deutschen Bundestages zugänglich ist. Bundesbeauftragter Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informafür den Datenschutz tionsfreiheit (BfDI) unterzieht das BfV einer kontinuierlichen und die InformationsÜberprüfung. Grundlage dafür sind die datenschutzrechtlichen freiheit (BfDI) Bestimmungen im BVerfSchG und in den spezialgesetzlichen Regelungen, die den Aufgabenbereich des BfV berühren (z.B. das Ausländerzentralregister). Das BfV ist nach SS 15 Abs. 1 BVerfSchG gesetzlich verpflichtet, Betroffenen auf Antrag unentgeltlich Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten zu erteilen, soweit auf einen konkreten Sachverhalt hingewiesen und ein besonderes Interesse an der Auskunft dargelegt wird. Die Auskunft unterbleibt nur dann, 22 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE wenn einer der in SS 15 Abs. 2 BVerfSchG bezeichneten Verweigerungsgründe vorliegt. Maßnahmen des BfV, die nach Darstellung der Betroffenen diese Gerichtliche in ihren Rechten beeinträchtigen, unterliegen der gerichtlichen Überprüfung Nachprüfung. III. Verfassungsschutz durch Aufklärung Die Aufgabe, unsere Verfassung durch Aufklärung zu schützen, wird auf Bundesebene gemeinsam durch BMI und BfV wahrgenommen. Die freiheitliche demokratische Grundordnung kann nur dauerhaft bewahrt werden, wenn sich die Gesellschaft inhaltlich mit den verschiedenen Ausprägungen des Extremismus auseinandersetzt. Eine wichtige Aufgabe des Verfassungsschutzes stellt daher die fundierte Aufklärung und Informationsvermittlung über Art und Umfang extremistischer Bedrohung dar. Die hierüber gewonnenen Erkenntnisse des Verfassungsschutzes sind ausdrücklich nicht exklusiv; erst eine informierte Öffentlichkeit kann eine sicherheitspolitische Debatte sachgerecht führen. Der jährliche Verfassungsschutzbericht dient dieser Aufklärung Verfassungsund beruht auf den Erkenntnissen, die das BfV im Rahmen seines schutzbericht gesetzlichen Auftrags zusammen mit den Landesbehörden für Verfassungsschutz gewonnen hat. Er stellt keine abschließende Aufzählung aller verfassungsschutzrelevanten Personenzusammenschlüsse dar, sondern unterrichtet über die wesentlichen, während des Berichtsjahres zu verzeichnenden verfassungsschutzrelevanten Entwicklungen und deren Bewertung. Hierzu zählt auch die offene Nennung verfassungsschutzrelevanter Organisationen im Verfassungsschutzbericht. Neben der Aufklärung der Öffentlichkeit erschwert dies den Organisationen ihre Lobbyund Propagandaarbeit und soll das Erlangen von Spenden oder sonstigen Förderungen möglichst weitgehend unterbinden. So führt die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht nach SS 51 Abs. 3 Satz 2 der Abgabenordnung grundsätzlich zunächst zur Versagung von Steuervergünstigungen. Informationen zu ideologischen Hintergründen, Strukturdaten, Aktivitäten und 23 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE Publikationen der wichtigsten Beobachtungsobjekte des Verfassungsschutzes befinden sich in entsprechenden Einzelübersichten im Anschluss an die jeweiligen Berichtsteile. Dieser Verfassungsschutzbericht bezieht sich auf das Berichtsjahr 2023. Sofern Sachverhalte und Ereignisse aus dem Jahr 2024 dargestellt werden, handelt es sich lediglich um unselbstständige Fortläufe aus Entwicklungen des Berichtsjahres. Personenpotenzial Die Zahlenangaben zum Mitgliederpotenzial der im Bericht genannten Personenzusammenschlüsse beziehen sich auf die Bundesrepublik Deutschland und sind zum Teil geschätzt und gerundet. Es ist darauf hinzuweisen, dass den Verfassungsschutzbehörden nicht für alle zur Mitgliederoder Anhängerschaft dieser Zusammenschlüsse gehörenden Personen individuelle Erkenntnisse vorliegen und dass für Zuordnungen zu diesen Personenzusammenschlüssen, die teils auch weniger strukturiert sind, nicht ausschließlich formelle Mitgliedschaften maßgeblich Gewaltorientierung sind. Als Teilmenge dieser Zahlenangaben wird ebenfalls die Anzahl der Personen ausgewiesen, bei denen von einer Gewaltorientierung auszugehen ist. Der Oberbegriff "gewaltorientiert" wird dann verwendet, wenn Extremisten als gewalttätig, gewaltbereit, gewaltunterstützend oder gewaltbefürwortend eingeordnet werden können. www.verfassungsDas BfV informiert im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit mit schutz.de einem umfangreichen Internetangebot sowie weiteren Publikationen über aktuelle Entwicklungen in den einzelnen Arbeitsfeldern. Das vielfältige Angebot der Homepage des BfV wird dabei stetig ergänzt und aufbereitet. Karriere im BfV Als Dienstleister der Demokratie ist der Verfassungsschutz einer der interessantesten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes. Die vielfältigen Karrierechancen im BfV werden unter anderem auf der Homepage des BfV, aber auch über Social-Media-Plattformen wie etwa Instagram oder LinkedIn sowie bei öffentlichen Informationsveranstaltungen vorgestellt. Mit der zentralen Arbeitgeberbotschaft "Im Auftrag der Demokratie!" präsentiert sich das BfV als sinnstiftender und zukunftsorientierter Arbeitgeber, auch für Berufsund Quereinsteigende. 24 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE In allen Fragen zum Verfassungsschutz steht das Kontakt und Erreichbarkeit Bundesamt für Verfassungsschutz Merianstr. 100 50765 Köln Telefon: 030-18/792-0 oder 0228-99/792-0 Telefax: 030-18/10-792-2915 oder 0228-99/10-792-2915 E-Mail: poststelle@bfv.bund.de Internet: www.verfassungsschutz.de zur Verfügung. Die Kontaktaufnahme zum Verfassungsschutz ist jederzeit möglich: " Für Hinweise auf extremistische und terroristische Bestrebungen aller Phänomenbereiche hat das BfV ein vertrauliches Hinweistelefon eingerichtet: Telefon: 030-18/792-6000 oder 0228-99/792-6000 E-Mail: hinweise@bfv.bund.de " Ausstiegswilligen sowohl aus dem Rechtsextremismus als auch aus dem Linksextremismus bietet das BfV spezielle Aussteigerprogramme. Expertinnen und Experten bieten Hilfesuchenden darin eine Vielzahl an unterstützenden Maßnahmen und Beratung an: Telefon: 030-18/792-62 oder 0228-99/792-62 E-Mail: aussteiger@bfv.bund.de Von dort wird ein Kontakt zu erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus den jeweiligen Fachabteilungen vermittelt. 25 Politisch motivierte Kriminalität (PMK) I. Definitionssystem PMK Als "Politisch motivierte Kriminalität" werden alle Straftaten bezeichnet und erfasst, die einen oder mehrere Straftatbestände der sogenannten klassischen Staatsschutzdelikte erfüllen, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann. Als solche Staatsschutzdelikte gelten die folgenden Straftatbestände: SSSS 80a bis 83, 84 bis 91, 94 bis 100a, 102 bis 104a, 105 bis 108e, 109 bis 109h, 129a, 129b, 130, 234a oder 241a des Strafgesetzbuches (StGB). Auch Straftaten, die ebenso in der Allgemeinkriminalität begangen werden können (wie z.B. Tötungsund Körperverletzungsdelikte, Brandstiftungen, Widerstandsdelikte, Sachbeschädigungen), fallen unter "Politisch motivierte Kriminalität", wenn in Würdigung der gesamten Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte für eine politische Motivation gegeben sind, weil sie " den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten, " sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung beziehungsweise eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben, " durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, " sich gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung bzw. Identität oder ihres gesellschaftlichen Status richten (sogenannte Hasskriminalität); dazu zählen auch Taten, die 26 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT nicht unmittelbar gegen eine Person, sondern im oben genannten Zusammenhang gegen eine Institution oder Sache verübt werden. Die im Verfassungsschutzbericht genannten Zahlen zu den politisch motivierten Straftaten mit extremistischem Hintergrund basieren auf Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA). II. Gesamtüberblick PMK Das BKA registrierte für das Jahr 2023 insgesamt 60.028 (2022: 58.916) politisch motivierte Straftaten. Davon sind 19.905 (33,2 %) Propagandadelikte (2022: 16.340, 27,7 %). 3.561 Straftaten (5,9 %) sind der politisch motivierten Gewaltkriminalität zuzuordnen (2022: 4.043, 6,9 %). Nach Phänomenbereichen unterschieden wurden 28.945 (2022: Politisch motivierte 23.493) Straftaten dem Bereich "Politisch motivierte KriminaliStraftaten nach tät - rechts", 7.777 (2022: 6.976) dem Bereich "Politisch motivierte Phänomenbereichen Kriminalität - links", 1.458 Straftaten dem Bereich "religiöse Ideologie" (2022: 481) und 5.170 dem Bereich "ausländische Ideologie" (2022: 3.886) zugeordnet. 16.678 (2022: 24.080) der Straftaten wurden im Phänomenbereich PMK - Sonstige Zuordnung erfasst. Insgesamt wurden 39.433 Straftaten (65,7 %) mit extremistischem Extremistisch Hintergrund ausgewiesen (2022: 35.452, 60,2 %). Darunter waren motivierte Straftaten 2.761 extremistische Gewaltdelikte (2022: 2.847). Von diesen extremistischen Straftaten konnten 25.660 (2022: 20.967) der Kategorie "Politisch motivierte Kriminalität - rechts", 4.248 (2022: 3.847) der Kategorie "Politisch motivierte Kriminalität - links", 1.250 (2022: 418) dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - religiöse Ideologie" und 3.092 (2022: 1.974) dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - ausländische Ideologie" zugeordnet werden. 5.183 (2022: 8.246) Straftaten mit einem extremistischen Hintergrund wurden ohne Zuordnung zu einem bestimmten Phänomenbereich gemeldet. 27 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT III. Politisch motivierte Straftaten mit extremistischem Hintergrund in den einzelnen Phänomenbereichen Extremistisch motivierte Straftaten bilden eine Teilmenge der "Politisch motivierten Kriminalität". Es handelt sich um diejenigen Straftaten, bei denen es Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie darauf abzielen, bestimmte Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen, die für die freiheitliche demokratische Grundordnung prägend sind1. Die Fallzahlen basieren auf den Angaben des BKA. 1. Rechtsextremistisch motivierte Straftaten Zahl rechtsIm Jahr 2023 wurden 25.660 (2022: 20.967) Straftaten mit rechtsextremistischer Strafextremistischem Hintergrund erfasst, darunter waren 1.148 (2022: und Gewalttaten 1.016) Gewalttaten. Dazu zählen insbesondere auch 4 versuchte gestiegen Tötungsdelikte. Als weitere Teilmenge der rechtsextremistischen Stratftaten wurden zudem 15.081 rechtsextremistisch motivierte Propagandadelikte nach SSSS 86, 86a StGB registriert (2022: 13.026). 1 Siehe hierzu BVerfG, Urteil vom 17.01.2017 - 2 BvB 1/13. 28 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT Straftaten mit rechtsextremistisch motiviertem Hintergrund2 Gewalttaten: 2022 2023 Vollendete Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 2 4 Körperverletzungen 879 1.016 Brandstiftungen 18 16 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 0 2 Landfriedensbruch 10 2 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 3 14 Freiheitsberaubung 0 0 Raub 7 9 Erpressung 6 4 Widerstandsdelikte 91 81 Gesamt 1.016 1.148 Sonstige Straftaten: Sachbeschädigungen 592 781 Nötigung/Bedrohung 417 518 Propagandadelikte 13.026 15.081 Störung der Totenruhe 9 14 Andere Straftaten, insbesondere Volksverhetzung und Beleidigung 5.907 8.118 Gesamt 19.951 24.512 Straftaten insgesamt 20.967 25.660 2 Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. Die Übersicht enthält - mit Ausnahme der Tötungsdelikte - vollendete und versuchte Straftaten. Jede Tat wurde nur einmal gezählt. Sind z.B. während eines Landfriedensbruchs zugleich Körperverletzungen begangen worden, so erscheint nur die Körperverletzung als das Delikt mit der höheren Strafandrohung in der Statistik. Wurden mehrere Straftaten verübt, wurde ausschließlich der schwerer wiegende Straftatbestand gezählt. 29 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 1.1 Zielrichtungen der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten Im Jahr 2023 nahm die Zahl rechtsextremistischer fremdenfeindlicher Straftaten um 39 % zu (10.402 Delikte, 2022: 7.484); die Zahl der Gewalttaten davon stieg um 17,2 % an (933 Delikte, 2022: 796). Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Straftaten mit antisemitischem Hintergrund stieg um 36,5 % auf insgesamt 2.762 Taten (2022: 2.023); die Zahl der Gewaltdelikte mit antisemitischem Hintergrund davon sank hingegen (-18,9 %) auf insgesamt 43 Delikte (2022: 53). Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - rechts" * Gesamt Fremdenfeindliche Gewalttaten Gewalttaten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten Gewalttaten gegen sonstige politische Gegner Antisemitische Gewalttaten 1.200 1.148 1.016 1.000 933 796 800 600 400 200 70 53 66 43 36 25 0 01.01.-31.12.2022 01.01.-31.12.2023 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. 30 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 1.1.1 Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund Im Jahr 2023 erhöhte sich die Anzahl der rechtsextremistisch motivierten Körperverletzungen mit fremdenfeindlichem Hintergrund um 16,4 %. Von den insgesamt 4 versuchten Tötungsdelikten mit rechtsextremistischem Hintergrund wurden 3 mit einer fremdenfeindlichen Motivation begangen. Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Straftaten gegen Asylunterkünfte stieg im Jahr 2023 deutlich (2023: 148, 2022: 71). In gleichem Maße hat sich die Zahl der Gewalttaten gegen Asylunterkünfte mehr als verdoppelt (2023: 15, 2022: 6); hierzu gehörten im Berichtsjahr 9 Brandanschläge (2022: 4). Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund3 Gewalttaten: 2022 2023 Vollendete Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 2 3 Körperverletzungen 751 874 Brandstiftungen 15 12 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 0 2 Landfriedensbruch 4 0 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 0 8 Freiheitsberaubung 0 0 Raub 2 5 Erpressung 0 3 Widerstandsdelikte 22 26 Gesamt 796 933 3 Siehe Fußnote 2. 31 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 1.1.2 Rechtsextremistische Gewalttaten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten Die Anzahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten ist um 5,7 % zurückgegangen. Körperverletzungen sind hier weiterhin die am häufigsten verübten Gewalttaten. Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten4 Gewalttaten: 2022 2023 Vollendete Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 0 0 Körperverletzungen 61 62 Brandstiftungen 1 1 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 0 0 Landfriedensbruch 2 0 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 0 0 Freiheitsberaubung 0 0 Raub 5 2 Erpressung 0 0 Widerstandsdelikte 1 1 Gesamt 70 66 4 Siehe Fußnote 2. 32 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 1.2 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder Die - in absoluten - Zahlen meisten rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten wurden in Berlin und Sachsen-Anhalt verübt (jeweils 121 registrierte Delikte). Danach folgen Brandenburg (117) und Nordrhein-Westfalen (116). Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - rechts" * 01.01.-31.12.2023 01.01.-31.12.2022 121 Berlin 136 121 Sachsen-Anhalt 104 117 Brandenburg 90 Nordrhein-Westfalen 116 117 Thüringen 90 89 Schleswig-Holstein 81 46 Mecklenburg79 Vorpommern 81 69 Sachsen 58 68 Rheinland-Pfalz 47 55 Hamburg 56 55 Niedersachsen 54 52 Bayern 23 Baden-Württemberg 50 34 Hessen 48 50 Saarland 18 18 Bremen 8 13 0 40 80 120 160 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. 33 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 2. Extremistische Straftaten von "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" Rückgang bei Straf"Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" wurden im Berichtsjahr und Gewalttaten von 1.292 (2022: 1.856) politisch motivierte Straftaten zugerechnet, "Reichsbürgern" und von denen 1.070 (2022: 1.358) als extremistisch eingeordnet wur"Selbstverwaltern" den. Unter diesen extremistischen Straftaten waren insgesamt 149 Gewalttaten (2022: 286). Hierzu zählte neben Erpressungs(85) und Widerstandsdelikten (49) insbesondere 1 versuchtes Tötungsdelikt. Bei den weiteren Straftatbeständen dominieren insbesondere Nötigungen und Bedrohungen (425). Von den "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" zugeordneten Straftaten wurden 65 als antisemitisch eingeordnet, bei welchen es sich im Wesentlichen um Volksverhetzungsdelikte (58) handelte. Die - in absoluten Zahlen - meisten extremistischen Straftaten begingen "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" in Bayern (305, darunter 73 Gewalttaten und 146 Fälle von Nötigung beziehungsweise Bedrohung). 34 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - 'Reichsbürger' und 'Selbstverwalter'" * 01.01.-31.12.2023 01.01.-31.12.2022 Bayern 73 197 Brandenburg 18 17 Niedersachsen 16 17 Baden-Württemberg 10 18 Mecklenburg- 6 Vorpommern 7 6 Schleswig-Holstein 3 5 Rheinland-Pfalz 5 5 Thüringen 1 4 Nordrhein-Westfalen 12 2 Berlin 4 2 Sachsen 4 1 Hamburg 1 1 Bremen 0 0 Sachsen-Anhalt 0 0 Saarland 0 0 Hessen 0 0 50 100 150 200 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. 35 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 3. Linksextremistisch motivierte Straftaten Anstieg linksIm Jahr 2023 wurden 4.248 (2022: 3.847) Straftaten mit linksextreextremistischer mistischem Hintergrund erfasst, darunter 727 (2022: 602) GewaltGewalttaten taten. Die Zahl der linksextremistisch motivierten Straftaten stieg damit um 10,4 %, die Zahl der Gewalttaten um 20,8 %. Linksextremistisch motivierte Straftaten5 Gewalttaten: 2022 2023 Vollendete Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 1 3 Körperverletzungen 301 317 Brandstiftungen 62 104 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 3 2 Landfriedensbruch 46 71 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 34 46 Freiheitsberaubung 1 0 Raub 6 4 Erpressung 1 0 Widerstandsdelikte 147 180 Gesamt 602 727 Sonstige Straftaten: Sachbeschädigungen 1.968 2.301 Nötigung/Bedrohung 124 130 Propagandadelikte 61 83 Störung der Totenruhe 2 2 Andere Straftaten, insbesondere Volksverhetzung und Beleidigung 1.090 1.005 Gesamt 3.245 3.521 Straftaten insgesamt 3.847 4.248 5 Siehe Fußnote 2. 36 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 3.1 Zielrichtungen der linksextremistisch motivierten Gewalttaten Von den linksextremistisch motivierten Gewalttaten wurden 481 Fälle in das Themenfeld "Gewalttaten gegen die Polizei/ Sicherheitsbehörden" eingeordnet, was einem Zuwachs um knapp zwei Drittel entspricht. Nach dem deutlichen Rückgang dieser Deliktzahlen im Vorjahreszeitraum (2022: 292; 2021: 572) haben sich die Gewalttaten gegen die Polizei/Sicherheitsbehörden damit wieder in Richtung des zuvor beobachteten Niveaus entwickelt. Insbesondere Gewalttaten im Zusammenhang mit der Räumung von Lützerath (Nordrhein-Westfalen) im Januar sowie im Rahmen der "Tag X"-Demonstrationen in Leipzig am 6. Juni 2023 haben zu diesem Anstieg beigetragen (vgl. Berichtsteil Linksextremismus, Kap. II, Nr. 2 und Nr. 3). Während die Zahl der Straftaten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten im Phänomenbereich anstieg (2023: 1.650, 2022: 1.576), hat sich die Zahl der Gewalttaten davon auf insgesamt 204 Delikte vermindert (2022: 229, -10,9 %). Ein deutlicher Anstieg um 423,2 % wurde bei den Zahlen der Gewalttaten im Kontext der Klimaprotestbewegung verzeichnet (2023: 293, 2022: 56). Dabei handelte es sich hauptsächlich um Körperverletzungen (126 Delikte, 43 %) sowie Widerstandsdelikte (74 Fälle, 25,3 %). Neben der Räumung von Lützerath haben in diesem Bereich auch vermehrt durch militante Kleingruppen und Kampagnen begangene Gewalttaten zu diesem Anstieg beigetragen. Im Berichtsjahr wurden 36 antisemitische Straftaten (2022: 5) als linksextremistisch motiviert eingestuft (darunter 1 Gewalttat). Dabei fielen die Taten sehr deutlich mehrheitlich (32 Straftaten, darunter auch die 1 linksextremistisch motivierte antisemitische Gewalttat) in den Zeitraum nach dem 7. Oktober 2023 und damit nach den Terrorangriffen der HAMAS auf Israel (vgl. Sonderkapitel "Auswirkungen des Nahostkonflikts und Antisemitismus"). 37 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - links" * Gesamt Gewalttaten gegen die Polizei/Sicherheitsbehörden Gewalttaten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten Gewalttaten gegen den Staat, seine Einrichtungen und Symbole Gewalttaten im Handlungskontext "Kampagnen gegen Umstrukturierung" 1.400 1.200 1.000 800 727 602 600 481 499 400 292 293 229 204 200 18 26 0 01.01.-31.12.2022 01.01.-31.12.2023 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. 38 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 3.1.1 Linksextremistisch motivierte Gewalttaten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten Im Vergleich zum Vorjahr ist ein Rückgang der Zahl der linksextremistisch motivierten Gewalttaten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten um 10,9 % zu verzeichnen. Mehr als die Hälfte dieser Gewalttaten sind Körperverletzungsdelikte, gefolgt von Widerstandsdelikten und Landfriedensbruch. Linksextremistisch motivierte Gewalttaten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten6 Gewalttaten: 2022 2023 Vollendete Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 1 3 Körperverletzungen 164 115 Brandstiftungen 7 19 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 2 1 Landfriedensbruch 11 26 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 7 2 Freiheitsberaubung 0 0 Raub 3 4 Erpressung 1 0 Widerstandsdelikte 33 34 Gesamt 229 204 6 Siehe Fußnote 2. 39 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 3.1.2 Linksextremistisch motivierte Gewalttaten gegen die Polizei/Sicherheitsbehörden Die Zahl der linksextremistisch motivierten Gewalttaten gegen die Polizei und Sicherheitsbehörden hat gegenüber dem Vorjahr um 64,7 % zugenommen. Auch zwei der drei versuchten Tötungsdelikte im Berichtsjahr richteten sich gegen Polizeibeamte. Beide Taten erfolgten während des sogenannten Tag X am 3. Juni 2023 bei Demonstrationen im Rahmen der Verurteilung von Lina E. (vgl. Berichtsteil Linksextremismus, Kap. II, Nr. 2). Linksextremistisch motivierte Gewalttaten gegen die Polizei/ Sicherheitsbehörden7 Gewalttaten: 2022 2023 Vollendete Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 0 2 Körperverletzungen 96 203 Brandstiftungen 13 28 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 0 0 Landfriedensbruch 31 60 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 6 12 Freiheitsberaubung 0 0 Raub 0 0 Erpressung 0 0 Widerstandsdelikte 146 176 Gesamt 292 481 7 Siehe Fußnote 2. 40 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 3.2 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder Die - in absoluten Zahlen - meisten linksextremistisch motivierten Gewalttaten wurden mit 274 registrierten Delikten in NordrheinWestfalen verübt. Danach folgen Sachsen (191) und Berlin (79). Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - links" * 01.01.-31.12.2023 01.01.-31.12.2022 274 Nordrhein-Westfalen 71 191 Sachsen 173 79 Berlin 82 49 Bayern 42 28 Baden-Württemberg 39 23 Hamburg 23 18 Thüringen 14 12 Schleswig-Holstein 21 11 Brandenburg 24 Niedersachsen 10 46 Hessen 9 9 Bremen 8 5 Mecklenburg- 7 Vorpommern 14 6 Sachsen-Anhalt 32 1 Rheinland-Pfalz 7 1 Saarland 0 0 40 80 120 160 200 240 280 320 360 400 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. 41 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 4. Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - religiöse Ideologie" Im Jahr 2023 wurden der "Politisch motivierten Kriminalität - religiöse Ideologie" 1.250 extremistische Straftaten zugerechnet (2022: 418). Der überwiegende Teil (878 Taten, 2022: 361) davon wies einen islamistischen Hintergrund auf. Zahl extremistischer Von den 1.250 Straftaten mit religiös-ideologischer extremistischer Gewalttaten mit Motivation sind insgesamt 72 Gewalttaten (2022: 43, +67,4 %), zu religiös-ideologischer denen unter anderem 3 versuchte sowie 2 vollendete TötungsdeMotivation stark likte und 42 Körperverletzungen gerechnet werden. gestiegen 46 extremistische Straftaten im Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - religiöse Ideologie" wurden als Vorbereitung oder Unterstützung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (SSSS 89a-c, 91 StGB) eingestuft (2022: 39), 40 Fälle (2022: 34) als Mitgliedschaft beziehungsweise Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung (SS 129b StGB). Im Berichtsjahr wurden 492 antisemitische Straftaten mit einer extremistischen religiös-ideologischen Motivation festgestellt, zu denen 22 Gewalttaten und 167 Volksverhetzungsdelikte zählten. Dieser deutliche Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (2022: 33 antisemitische Straftaten, davon 2 Gewalttaten und 17 Volksverhetzungsdelikte) beruht hauptsächlich auf Delikten, die seit den Terrorangriffen der HAMAS am 7. Oktober 2023 verzeichnet wurden (vgl. Sonderkapitel "Auswirkungen des Nahostkonflikts und Antisemitismus"). So fällt das Gros der Gesamtdelikte des Berichtsjahres mit 437 antisemitischen Straftaten mit extremistischer religiös-ideologischer Motivation, davon 19 Gewalttaten und 146 Volksverhetzungsdelikte, in diesen Teilzeitraum. 42 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT Extremistische Straftaten aus dem Bereich "religiöse Ideologie"8 Gewalttaten: 2022 2023 Vollendete Tötungsdelikte 0 2 Versuchte Tötungsdelikte 1 3 Körperverletzungen 39 42 Andere Gewalttaten 3 25 Gesamt 43 72 Sonstige Straftaten: Sachbeschädigung 10 130 Nötigung/Bedrohung 52 57 Volksverhetzung 33 241 Vorbereitung einer staatsgefährdenden Gewalttat 39 46 Mitgliedschaft bzw. Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung 34 40 Andere Straftaten 207 664 Gesamt 375 1.178 Straftaten insgesamt 418 1.250 8 Siehe Fußnote 2. 43 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 4.1 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder Die - in absoluten Zahlen - meisten religiös-ideologisch motivierten extremistischen Gewalttaten wurden mit 22 registrierten Delikten in Berlin verübt. Danach folgen Nordrhein-Westfalen (15) und Hamburg (6). Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - religiöse Ideologie" * 01.01.-31.12.2023 01.01.-31.12.2022 22 Berlin 5 15 Nordrhein-Westfalen 9 6 Hamburg 1 5 Bayern 6 4 Brandenburg 4 Niedersachsen 4 2 Hessen 4 1 Schleswig-Holstein 3 4 Thüringen 3 1 Sachsen 3 0 Rheinland-Pfalz 2 1 Bremen 1 1 Baden-Württemberg 0 3 Mecklenburg- 0 Vorpommern 3 Sachsen-Anhalt 0 2 Saarland 0 0 0 5 10 15 20 25 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. 44 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 5. Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich der "Politisch motivierten Kriminalität - ausländische Ideologie" Im Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität - auslänDeutlicher Anstieg dische Ideologie" wurden 3.092 extremistisch motivierte Straftader extremistischen ten (2022: 1.974) erfasst, was einem Anstieg um 56,6 % entspricht. Gewalttaten Unter diesen Delikten waren hauptsächlich Sachbeschädigungen (20,6 %), aber auch 329 Gewalttaten (10,6 %). Nach der ohnehin schon deutlichen Steigerung aus dem Vorjahreszeitraum hat sich die Zahl der Gewalttaten nun nochmals um 45,6 % erhöht. Ihr überwiegender Teil sind Körperverletzungen (66,6 %), weitere 17 % entfallen auf Widerstandsdelikte. Die Steigerung der extremistisch motivierten Straftaten in diesem Phänomenbereich ist insbesondere auf eine erhebliche Zunahme der Deliktzahlen im Kontext Israel/Palästina zurückzuführen. Es wurden daneben 24 Delikte erfasst (2022: 14), bei denen den Tatverdächtigen angelastet wurde, eine ausländische terroristische Vereinigung zu unterstützen oder ihr anzugehören (SS 129b StGB). Bei 1.044 der Straftaten mit ausländisch-ideologischer extremistischer Motivation konnte ein antisemitischer Hintergrund festgestellt werden (2022: 58). Zu diesen Straftaten zählen 65 Gewalttaten (2022: 12) und 441 Volksverhetzungsdelikte (2022: 24). Die Straftaten mit einem auslandsbezogenen extremistischen Auswirkung des Hintergrund haben erneut und erheblich zugenommen. Im Jahr Nahostkonflikts 2023 fiel der Anstieg bei den Delikten mit antisemitischem Hintegrund besonders drastisch aus und hat sich mit nun 1.044 Taten im Jahresvergleich verachtzehnfacht (2022: 58). Auch bei den Gewaltdelikten davon zeigt sich eine sprunghafte Vervielfachung um immer noch über 440 %. Den überdeutlich größten Anteil an der Gesamtzahl der Straftaten und an der Zunahme mit einem antisemitischen Hintergrund im Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität - ausländische Ideologie" für das Jahr 2023 in Deutschland haben auch hier solche Taten, die im Nachgang der Terroranschläge der HAMAS auf Israel am 7. Oktober 2023 erfasst worden sind (vgl. Sonderkapitel "Auswirkungen des Nahostkonflikts und Antisemitismus"). 45 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT Allein in diesen Teilzeitraum fallen 957 der insgesamt 1.044 Straftaten mit ausländisch-extremistischer Motivation und antisemitischen Hintergrund (91,7 %). Auch der überwiegende Teil der antisemitischen Gewalttaten in diesem Phänomenbereich wurde nach dem 7. Oktober verzeichnet (58 Delikte, 89,2 %). Die meisten Straftaten gab es in Nordrhein-Westfalen (820; 2022: 780), Berlin (726; 2022: 347) und Baden-Württemberg (608; 2022: 429). 46 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT Extremistische Straftaten aus dem Bereich "ausländische Ideologie"9 Gewalttaten: 2022 2023 Vollendete Tötungsdelikte 0 1 Versuchte Tötungsdelikte 0 2 Körperverletzungen 141 219 Brandstiftungen 9 10 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 0 1 Landfriedensbruch 16 23 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 4 4 Freiheitsberaubung 0 1 Raub 4 8 Erpressung 2 4 Widerstandsdelikte 50 56 Gesamt 226 329 Sonstige Straftaten: Sachbeschädigungen 382 638 Nötigung/Bedrohung 146 121 Volksverhetzung 112 665 Verstöße gegen das Versammlungsgesetz 59 35 Verstöße gegen das Vereinsgesetz 88 81 Mitgliedschaft bzw. Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung 14 24 Andere Straftaten 947 1.199 Gesamt 1.748 2.763 Straftaten insgesamt 1.974 3.092 9 Siehe Fußnote 2. 47 5.1 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder Die - in absoluten Zahlen - meisten Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - ausländische Ideologie" wurden mit 106 registrierten Delikten in Berlin verübt. Danach folgen Baden-Württemberg (98) und Nordrhein-Westfalen (57). Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - ausländische Ideologie" * 01.01.-31.12.2023 01.01.-31.12.2022 Berlin 106 62 Baden-Württemberg 98 25 Nordrhein-Westfalen 57 92 12 Bayern 3 10 Schleswig-Holstein 7 10 Brandenburg 2 8 Hessen 0 6 Sachsen 4 5 Niedersachsen 2 4 Rheinland-Pfalz 6 4 Hamburg 4 Mecklenburg- 3 Vorpommern 11 3 Bremen 1 2 Thüringen 0 1 Sachsen-Anhalt 7 0 Saarland 0 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. 48 Phänomenübergreifendes Sonderkapitel Auswirkungen des Nahostkonflikts und Antisemitismus 49 Auswirkungen des Nahostkonflikts und Antisemitismus10 I. Überblick Der Terrorangriff der HAMAS am 7. Oktober 2023 auf Israel sowie die darauffolgende israelische Militäroffensive gegen terroristische Strukturen sind eine grundsätzliche Zäsur für die Sicherheitsarchitektur des Nahen Ostens und hatten darüber hinaus unmittelbare Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Deutschland. Die Terroranschläge der HAMAS gegen Israel nahmen unterschiedliche extremistische Akteure in Deutschland zum Anlass, zu Hass und Gewalt gegen Jüdinnen und Juden oder den Staat Israel aufzurufen oder sein Existenzrecht zu verneinen. Dies zeigte sich primär am Versammlungsund Demonstrationsgeschehen, aber auch am Widerhall der Ereignisse in den sozialen Medien sowie dem Anstieg antisemitischer Vorfälle seit dem 7. Oktober 2023. VersammlungsIn mehreren deutschen Städten feierten propalästinensische geschehen Gruppierungen den Terrorangriff der HAMAS auf israelische Zivilistinnen und Zivilisten mit spontanen Kundgebungen und Demonstrationen. So fand am Abend des Angriffs eine Spontanveranstaltung in Berlin-Neukölln statt, auf der israelfeindliche11 und gewaltverherrlichende Parolen skandiert und sogar Süßgebäck zur "Feier des Sieges des Widerstands" von Anhängern des palästinensischen Netzwerks "Samidoun"12 verteilt wurden. 10 Zum komplexen und vielschichtigen Begriff des Antisemitismus existiert weder in der Wissenschaft noch im politischen Raum eine allgemein anerkannte Definition. Die Bundesregierung empfiehlt die Nutzung der nachfolgenden Definition: "Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nicht-jüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein." 11 Israelfeindlichkeit ist verfassungsschutzrelevant, wenn sie gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet oder Ausdruck von israelbezogenem Antisemitismus ist. Kritik an Israel, die nicht diese genannten Voraussetzungen erfüllt, ist hingegen nicht verfassungsschutzrelevant. 12 "Samidoun - Palestinian Prisoner Solidarity Network". 50 AUSWIRKUNGEN DES NAHOSTKONFLIKTS UND ANTISEMITISMUS Auf einer zuvor nicht angemeldeten Demonstration am 28. Oktober 2023 in Hamburg, an der in der Spitze bis zu 500 mehrheitlich aggressive männliche Personen teilnahmen, wurden neben Flaggen mit der Shahada13, blutbefleckten Kinderpuppen und Bildern getöteter Kinder auch Plakate mit der Aufschrift "Kolonialmacht hat kein Existenzrecht" oder "Israel ist der Terrorist" gezeigt. Am 3. November 2023 bezeichnete einer der Protagonisten von "Generation Islam" (GI) in seiner Rede auf einer Demonstration mit ca. 3.000 Teilnehmenden in Essen (Nordrhein-Westfalen) die militärische Reaktion Israels auf den Terroranschlag der HAMAS als "Völkermord" und "ethnische Säuberung". An zahlreichen Stellen seiner Rede negierte er darüber hinaus das Existenzrecht Israels, was als antisemitisch eingeordnet werden kann: "Die Ursünde im Nahen Osten, was Palästina und Israel anbelangt, war die Besetzung, die unrechtmäßige Besetzung und der Landraub von Palästina, und die Ausrufung des Staates 1948 und darauf baut alles auf." (Video der Rede eines GI-Protagonisten bei der Demonstration in Essen am 3. November 2023 auf der Internetplattform YouTube, 5. November 2023) In den folgenden Tagen nahm das Versammlungsgeschehen weiter zu. Bundesweit gab es sowohl proisraelische als auch propalästinensische Kundgebungen und Proteste. Die höchsten Teilnehmendenzahlen wurden am 4. November erreicht, wo unter anderem propalästinensische Versammlungen in Düsseldorf (NordrheinWestfalen, 17.000 Teilnehmende) und Berlin (9.000 Teilnehmende) stattfanden. An diesen wie auch bei zahlreichen anderen propalästinensischen Versammlungen nahmen extremistische Gruppierungen und Einzelpersonen aus ganz unterschiedlichen politischen Spektren teil. Islamisten, palästinensische Extremisten, türkische Rechtsextremisten, deutsche und türkische Linksextremisten treten aus ganz unterschiedlicher Motivation als Mobilisierungstreiber in Erscheinung, organisieren propalästinensische Versammlungen oder nehmen an diesen teil und verbreiten Hass, Hetze, Propaganda 13 Arabisch für: "Zeugnis, Bezeugung". Der Ausdruck bezeichnet das muslimische Glaubensbekenntnis. 51 AUSWIRKUNGEN DES NAHOSTKONFLIKTS UND ANTISEMITISMUS oder Falschinformationen in den sozialen Medien. Deutsche Rechtsextremisten nutzen die aktuelle Situation zur Agitation gegen Muslime und Migranten. Antisemitismus und Israelfeindlichkeit sind verbindende Elemente zwischen diesen Akteuren. Deren gemeinsames Feindbild Israel lässt alte Verbindungen zu Tage treten und bringt neue hervor, die künftig in Einzelfällen zu einer stärkeren Zusammenarbeit führen könnten. Die digitale Bilderflut in den sozialen Medien, oft gepaart mit Falschinformationen, trägt zur Emotionalisierung bei und kann als Radikalisierungsfaktor fungieren. Verschärft wird die Situation durch ausländische staatliche Akteure, die diese Stimmungslage für sich auszunutzen oder gar zu verstärken suchen. Die Sicherheitsbehörden gehen aktiv gegen jede Art von antiisraelischer und antisemitischer Hetze vor. Durch die vom Bundesministerium des Innern und für Heimat sowie die jeweiligen Landesinnenbehörden erlassenen Betätigungsund Vereinsverbote können extremistische und terroristische Strukturen zerschlagen werden. II. Islamismus Reaktionen Innerhalb der islamistischen Szene in Deutschland wurde die Eskalation der Lage im Nahen Osten emotional aufgegriffen und mit Solidaritätsbekundungen mit dem palästinensischen Volk und antiisraelischen Positionen begleitet. Während sich die Anhänger von HAMAS und "Hizb Allah" in der Öffentlichkeit zurückhaltend zeigten, instrumentalisierten sowohl andere islamistische als auch säkulare extremistische Gruppierungen die aktuelle Lage vor allem für die Organisation, Mobilisierung und Teilnahme an Versammlungen14 sowie für eine Agitation in den sozialen Medien. 14 Aus dem extremistischen Spektrum beteiligten sich an diesen vor allem Akteure des säkularen palästinensischen Extremismus und des Linksextremismus. 52 AUSWIRKUNGEN DES NAHOSTKONFLIKTS UND ANTISEMITISMUS Soziale Medien spielten hinsichtlich der Reaktionen sowie der Auswirkungen auf die Gefährdungslage in Deutschland eine zentrale Rolle, da die Entwicklungen in Nahost dort großen Widerhall fanden und für Mobilisierungen, Aufrufe zur Gewalt und die Verbreitung von Desinformationen genutzt wurden. In deutschen und internationalen jihadistischen Milieus waren ebenfalls erhöhte Aktivitäten in den sozialen Medien feststellbar. "Al-Qaida" und der "Islamische Staat" (IS) riefen ungeachtet ihrer "Al-Qaida" und IS sonstigen Haltung gegenüber der HAMAS zu weltweiten Anschlägen gegen jüdische Menschen und Einrichtungen sowie amerikanische Militärinfrastruktur auf. "Al-Qaida" positionierte sich trotz der dogmatischen Differenzen mit der HAMAS deutlich früher und eindeutiger zu den Ereignissen als der IS. Die zahlreichen Bekundungen zur Unterstützung der HAMAS und Aufrufe, den "Jihad" gegen Israel und Menschen jüdischen Glaubens zu unterstützen, wurden durch Regionalorganisationen, beispielsweise "alQaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAH), Medienstellen und Kanäle sowie Sympathisanten veröffentlicht. Nach anfänglichem Zögern riefen auch Kern-IS sowie Regionalorganisationen wie der "Islamische Staat Provinz Khorasan" (ISPK) zu Gewalt gegen Israel und Juden in aller Welt auf. Antisemitisches Gedankengut bildet einen wesentlichen gemeinAntisemitismus im samen Nenner in der Ideologie des islamistischen Spektrums. "Die Islamismus Juden" werden dabei als ein homogenes Kollektiv wahrgenommen, das im Verborgenen nach der Weltherrschaft strebe oder diese bereits ausübe und in diesem Rahmen angeblich Weltpolitik und -wirtschaft kontrolliere. Für die Mehrheit der islamistischen Organisationen stellt der Staat Israel ein etabliertes und populäres Feindbild dar, wobei kaum zwischen dem Staat Israel und Jüdinnen und Juden differenziert wird. Antisemitische Äußerungen werden von einigen islamistischen Organisationen mit Gewaltlegitimierungen oder konkreten Aufrufen zu Gewalt verknüpft. Sowohl die palästinensische HAMAS als auch die libanesische "Hizb Allah" bekämpfen Israel mit militärischen und terroristischen Mitteln und rufen im Rahmen ihrer Propagandaaktivitäten immer wieder zur vollständigen Vernichtung Israels auf. Jüdische Menschen und der Staat Israel zählen auch zu den etablierten Feindbildern jihadistischer Organisationen. Zentrale antisemitische Motive der Propaganda des IS und 53 AUSWIRKUNGEN DES NAHOSTKONFLIKTS UND ANTISEMITISMUS "al-Qaida" sind insbesondere die "Rückeroberung" Jerusalems und die "Befreiung" der al-Aqsa-Moschee. Propaganda fordert Islamistische Propaganda fördert nicht nur antisemitisches Gezu Gewalt auf dankengut, sie fordert auch oftmals direkt dazu auf, diesen Gedanken konkrete Taten folgen zu lassen. Im Zusammenhang mit der Eskalation des Nahostkonflikts im Oktober 2023 erfolgten mehrere Terroranschläge in verschiedenen europäischen Ländern. Der Umstand, dass sich die Täter dabei auf den Nahostkonflikt bezogen, lässt den Schluss zu, dass die gegenwärtige islamistische Propaganda eine signifikante Wirkung auf ihre Anhängerschaft entfaltet. Einen starken Widerhall der Eskalation in Nahost gab es in den sozialen Medien. Hierbei taten sich insbesondere islamistische Organisationen, die eine ideologische Nähe zur "Hizb ut-Tahrir" (HuT) aufweisen, hervor, die in einem identitätspolitischen Duktus die konstruierte Gesamtheit "der Muslime" bzw. "der Palästinenser" als Opfer "des Westens" darstellen und den Nahostkonflikt für die Festigung eines entsprechenden Opfernarrativs und eine deutliche Kritik am deutschen Staat instrumentalisieren. Als Ausweg und Lösung wird die Schaffung islamistischer Gesellschaftsformen in den Vordergrund gestellt. Szeneübergreifend war in den sozialen Medien eine Zunahme und Verallgemeinerung antisemitischer und antiisraelischer Aussagen zu finden. Kritik am staatlichen Handeln Israels wurde mit antisemitischen Stereotypen und Vorurteilen vermischt, um eine alleinige Schuldzuweisung an Israel im Konflikt zu adressieren. Das Mobilisierungspotenzial des Nahostkonflikts bildete sich im Herbst 2023 auch im diesbezüglichen Versammlungsgeschehen ab. Vor dem Hintergrund von "Pro-Palästina"-Versammlungen wurden zahlreiche Demonstrationen mit zum Teil beträchtlichen Teilnehmendenzahlen durchgeführt. Die Demonstrationen im Rahmen des gegenwärtigen Nahostkonflikts waren zwar nicht per se antisemitisch, jedoch konnten in Zusammenhang mit diesem Demonstrationsgeschehen vermehrt antisemitische Vorfälle beobachtet werden. Immer wieder kam es bei bundesweiten Demonstrationen zu antisemitischer Hetze und Sprechchören, wie beispielsweise "From 54 AUSWIRKUNGEN DES NAHOSTKONFLIKTS UND ANTISEMITISMUS the river to the sea - Palestine will be free"15, "Tod den Juden!" oder "Kindermörder Israel". Plakate und Schilder mit antisemitischen Parolen waren sichtbar. In den auf den Terrorangriff folgenden Tagen und Wochen wurden Antisemitische insbesondere in den deutschen Großstädten vermehrt antisemitiVorfälle und sche und antiisraelische Straftaten begangen. Neben zahlreichen Straftaten Zerstörungen und Diebstählen israelischer Flaggen - zum Beispiel an öffentlichen Gebäuden - kam es zu weiteren Gewaltdelikten wie Körperverletzungen und Sachbeschädigungen. Immer wieder wurden auf Flugblättern und in den sozialen Medien Inhalte festgestellt, in denen die israelische Politik mit der des Nationalsozialismus gleichgesetzt wird, indem Israel der Genozid am palästinensischen Volk vorgeworfen wird. III. Auslandsbezogener Extremismus Vor allem die Anhängerschaft extremistischer PalästinenserorReaktion auf HAMASganisationen in Deutschland wurden durch Terrorangriffe der Terror in Israel HAMAS auf Israel und die daraufhin erfolgenden Angriffe der israelischen Verteidigungskräfte auf terroristische Stellungen im Gazastreifen emotionalisiert. Personen aus diesem Spektrum nahmen am Versammlungsgeschehen im gesamten Bundesgebiet teil, mobilisierten zu Demonstrationen oder spontanen Protesten und organisierten eigene Versammlungen. Bereits kurz nach den Terrorangriffen der HAMAS fanden Versammlungen statt, in denen der Angriff auf Israel begrüßt und teils sogar durch das Verteilen von Süßigkeiten gefeiert wurde. So hieß es seitens des seit dem 2. November 2023 in Deutschland verbotenen palästinensischen Gefangenennetzwerks "Samidoun" unmittelbar nach den Terrorangriffen: 15 Die Formulierung bezieht sich auf den Fluss Jordan und das Mittelmeer und macht deutlich, dass für den Staat Israel kein Platz und somit kein Existenzrecht vorgesehen ist. Bei dieser Parole handelt es sich auch um ein verbotenes Kennzeichen der in Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegten Terrororganisation HAMAS bzw. der verbotenen Gruppierung "Samidoun". Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Parole im Kontext mit den verbotenen Vereinigungen verwendet wird. 55 AUSWIRKUNGEN DES NAHOSTKONFLIKTS UND ANTISEMITISMUS "Es lebe der Widerstand des palästinensischen Volkes. Verteilen von Süßigkeiten auf der Sonnenallee in Berlin zur Feier des Sieges des Widerstands" (Instagram-Account "samidoun_deutschland", 7. Oktober 2023) Neben den Anhängern und Sympathisanten säkularer extremistischer palästinensischer Organisationen waren in Deutschland auch türkeistämmige Linksund Rechtsextremisten für die Organisation, Mobilisierung und Teilnahme an Versammlungen mit Bezug zum Nahostkonflikt sowie die Agitation in den sozialen Medien relevant. Neben Israelhass und Antisemitismus wurde in diesem Spektrum auch deutliche Kritik am deutschen Staat, den Versammlungsbehörden und der Polizei geübt. Versammlungsverbote oder -auflagen wurden wiederholt missachtet. Auch wenn der größte Teil der Veranstaltungen insgesamt störungsfrei verlief, gab es immer wieder auch versammlungstypische Straftaten bis hin zu Angriffen auf die Polizei. Der Großteil der Veranstaltungen und Straftaten im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt fand in Berlin statt. Als relevante extremistische Akteure aus dem auslandsbezogenen Extremismus sind neben extremistischen palästinensischen Einzelpersonen Organisationen und Personen aus dem Umfeld der terroristischen "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) und insbesondere des am 2. November 2023 verbotenen Netzwerks "Samidoun" zu nennen. Verbot von Vor allem das extremistische Netzwerk "Samidoun" beziehungs"Samidoun" weise Angehörige oder Sympathisanten der Gruppierung waren seit Beginn der propalästinensischen Proteste als Veranstalter, Mobilisierungstreiber oder Teilnehmende in Erscheinung getreten. Die Bundesinnenministerin hat die Betätigung des internationalen "Samidoun"-Netzwerks in Deutschland am 2. November 2023 verboten. Die Teilorganisation "Samidoun Deutschland", auch agierend unter den Bezeichnungen "HIRAK - Palestinian Youth Mobilization Jugendbewegung (Germany)" und "Hirak e.V.", wurde verboten und aufgelöst. Des Weiteren beteiligten sich türkische Linksextremisten, unter anderem die "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) mit ihren Umfeldorganisationen und die Jugendorganisation der "Marxistischen Leninistischen Kommunistischen Partei" (MLKP) 56 AUSWIRKUNGEN DES NAHOSTKONFLIKTS UND ANTISEMITISMUS YS sowie türkische Rechtsextremisten vor allem aus dem unorganisierten "Ülkücü"-Spektrum am Demonstrationsgeschehen und der Agitation in den sozialen Medien. Die Mehrheit der Teilnehmenden an Versammlungen mit Bezug zum Nahostkonflikt setzte sich allerdings aus nicht extremistischen Personen zusammen. Häufig handelte es sich um vor Ort lebende Personen, die auf unterschiedliche Weise einen Bezug zum Thema hatten und daher für Aufrufe und Mobilisierungen empfänglich waren. Extremistische Akteure agierten in diesem Spektrum als ständige Mobilisierungstreiber. Auf diese Weise sowie durch Teilnahme an den Versammlungen wurde versucht, das Protestgeschehen zu steigern, die Teilnehmenden weiter zu emotionalisieren, zu radikalisieren und so die Versammlungen möglichst zu eskalieren. Auch in den sozialen Medien wurden die Entwicklungen im Nahen Agitation in den Osten von diversen extremistischen Akteuren aufgegriffen, ideolosozialen Medien gisch umgedeutet und propagandistisch genutzt. Bilder getöteter Zivilisten und Kinder sowie Angriffe auf zivile Infrastruktur wurden von Extremisten für Propaganda und für die (auch spontane) Mobilisierung zur Teilnahme an Veranstaltungen herangezogen. Die extremistische Agitation in den sozialen Medien richtete sich auch gegen deutsches Regierungshandeln zur Unterstützung Israels sowie die Verbote und Maßnahmen von Versammlungsbehörden und Polizei, welche als unzulässige Repression, Zensur und Unterdrückung legitimer Proteste bezeichnet wurden. "Alle die sich in diesen Tagen solidarisch mit dem Palästinensischen Freiheitskampf zeigen wollen und ihren Widerstand gegen die rassistischen Gesetze und Verordnungen in Berlin zeigen wollen, sollen sich in dieser Zeit auf der Sonnenallee bewegen. Es ist der Ort an dem der Widerstand lebendig ist und wo die Polizei keine Chance hat mit ihren Angriffen durchzukommen." (Instagram-Account "youngstruggle_berlin", 19. Oktober 2023) Neben Kritik an der proisraelischen Haltung des deutschen Staates und eines Großteils der deutschen Gesellschaft verbreiteten türkische Rechtsextremisten über die sozialen Medien auch Aufrufe für die Sammlung von Spendengeldern. Diese sollten einerseits der 57 AUSWIRKUNGEN DES NAHOSTKONFLIKTS UND ANTISEMITISMUS Organisation von Demonstrationen in Deutschland dienen, andererseits der Lieferung humanitärer Hilfsgüter nach Gaza. Zudem versuchten türkische Rechtsextremisten, das Narrativ eines angeblich in Deutschland herrschenden antimuslimischen Rassismus zu etablieren und auf diese Weise eine antideutsche Stimmung zu verbreiten. Insgesamt war bei türkischen Rechtsextremisten in dieser Zeit im Internet eine Verbreitung von antisemitischer Hasssprache zu beobachten, die auch die Mainstreambereiche des Internets erreichte. Hierbei besteht stets die Gefahr, dass sich auch in bislang eher moderaten Onlinemilieus ein höheres Radikalisierungspotenzial entwickelt. Säkularer Im säkularen palästinensischen Extremismus ist für die vielen unpalästinensischer terschiedlichen Organisationen, Netzwerke und Einzelpersonen Extremismus der Hauptanknüpfungspunkt antisemitischer Agitation der Territorialkonflikt mit Israel. Jüdinnen und Juden wird allenfalls die Möglichkeit einer Koexistenz in einem Staat "Palästina" zugestanden, dessen Grenzen vom Jordanfluss bis zum Mittelmeer auch das Staatsgebiet Israels mit umfassen sollen. Das Existenzrecht Israels wird damit verneint. Religiöse oder rassistische Minderwertigkeitszuschreibungen in Bezug auf Jüdinnen und Juden sind von untergeordneter Bedeutung. Dies unterscheidet die Akteure im säkularen palästinensischen Extremismus von denen im religiös islamistisch geprägten Spektrum. Im säkularen Spektrum werden insbesondere linksextremistische Auffassungen wie eine marxistisch-leninistische Ideologie vertreten. Hiervon ausgehend wird Israel vor allem aus antizionistischen oder antiimperialistischen Gründen abgelehnt. Entsprechend regelmäßig sind auf propalästinensischen Veranstaltungen antiisraelische Darstellungen oder Parolen feststellbar, nach denen Israel von der Landkarte getilgt werden und stattdessen ein palästinensischer Staat vom Jordanfluss bis zum Mittelmeer entstehen soll. In Deutschland ist neben der ohnehin nicht öffentlich unter ihrem Namen agierenden terroristischen PFLP besonders ihr hierzulande verbotenes Unterstützungsnetzwerk "Samidoun" relevant. Beide bestreiten das Existenzrecht Israels und propagieren mehr oder weniger offen den bewaffneten Kampf gegen Israel. Die Gründung eines Staates "Palästina" mit Jerusalem als Hauptstadt soll durch die Beseitigung der "zionistischen Besatzung" realisiert werden. Gemeinsam mit Anhängern und Sympathisanten der Bewegung "Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen" (BDS, 58 AUSWIRKUNGEN DES NAHOSTKONFLIKTS UND ANTISEMITISMUS Verdachtsfall) und unorganisierten extremistischen palästinensischen Einzelpersonen treten diese Akteure bei Veranstaltungen und Protestkundgebungen öffentlich in Erscheinung. Hier zeigt sich immer wieder das dieser Szene auch abseits fester Organisationszugehörigkeiten in Deutschland innewohnende Mobilisierungspotenzial. Auslöser für solche Versammlungen können wiederkehrende Anlässe wie der "al-Quds-Tag", der "Nakba-Tag" oder der "Tag der palästinensischen Gefangenen" am 17. April sein, aber auch eine spontane Emotionalisierung aufgrund aktueller politischer Ereignisse im Nahen Osten. Hierbei kommt es häufig zu Äußerungen oder Darstellungen mit antisemitischen beziehungsweise israelfeindlichen Inhalten. Darüber hinaus ist oft eine aggressive Grundstimmung unter den Teilnehmenden feststellbar, die zum Teil in körperlichen Auseinandersetzungen und Angriffen auf Journalistinnen und Journalisten oder die Polizei gipfelt. Vor allem bei den unorganisierten extremistischen palästinensischen Einzelpersonen ist eine erhöhte Gewaltbereitschaft erkennbar. Neben der Teilnahme an Versammlungen werden aus diesem Spektrum immer wieder Aufrufe zur Gewalt gegen Jüdinnen und Juden in den sozialen Medien verbreitet. Im Zuge des terroristischen Angriffs der HAMAS am 7. Oktober konnte 2023 beobachtet werden, wie sich extremistische Bewegungen und Gruppierungen verstärkt miteinander solidarisierten. Darüber hinaus ist festzustellen, dass Israelfeindschaft und Antisemitismus sogar tragfähige Brückennarrative, also ideologische Schnittmengen und Verbindungen zwischen unterschiedlichen und an sich unvereinbaren extremistischen Einstellungen, sein können. Anhängerinnen und Anhänger von "Samidoun" veranstalteten als Reaktion auf die Terroranschläge der HAMAS in Israel eine "Jubelfeier" auf der Sonnenallee in Berlin-Neukölln und verteilten Süßwaren an Passanten. Auch stellte sich der "DeutschlandKoordinator" der Bewegung öffentlich in die Tradition bekannter Funktionäre der HAMAS, rechtfertigte und befürwortete wiederholt den Terrorismus der islamistischen Organisation. Hier zeigte sich der Brückenschlag des säkularen Netzwerks "Samidoun" hin zur islamistischen HAMAS allein auf Grundlage des Antisemitismus unter Ausblendung ideologischer Gegensätze besonders deutlich. 59 AUSWIRKUNGEN DES NAHOSTKONFLIKTS UND ANTISEMITISMUS Türkischer Antisemitismus und Rassismus sind Kernelemente der rechtsextreRechtsextremismus mistischen türkischen "Ülkücü"-Ideologie. So sind die Feindschaft gegenüber Jüdinnen und Juden, die Negierung des Existenzrechts Israels, das Verbreiten antisemitischer Stereotype und Verschwörungserzählungen auch unter türkischen Rechtsextremisten in Deutschland verbreitet. Hinzu tritt ein Antizionismus, der sich als einseitige Parteinahme für die Belange der Palästinenser manifestiert. Auch wenn sie einer im Kern antisemitischen Ideologie anhängen, leben nicht alle der hierzulande etwa 12.500 "Ülkücü"Anhängerinnen und -Anhänger diesen Antisemitismus offen aus. Vor allem die "Ülkücü"-Dachverbände und ihre Anhängerschaft halten sich hier mit öffentlichen Aussagen weitgehend zurück. So wird Antisemitismus überwiegend von Personen aus der unorganisierten "Ülkücü"-Szene offen ausgelebt. Diese äußern sich vor allem in den sozialen Medien antisemitisch und israelfeindlich oder verbreiten solche Aussagen anderer weiter. Zudem beteiligen sich türkische Rechtsextremisten aus diesem Spektrum an israelfeindlichen Demonstrationen und Kundgebungen, häufig gemeinsam mit Personen aus dem Umfeld extremistischer palästinensischer Organisationen. Auf diesen Veranstaltungen kommt es immer wieder zu antisemitischen Äußerungen und zum Teil auch Ausschreitungen. Türkischer Die in Deutschland agierenden türkischen linksextremistischen Linksextremismus Organisationen beziehen im Israel-Palästina-Konflikt regelmäßig klar Position, solidarisieren sich mit den Palästinenserinnen und Palästinensern und explizit auch mit ihren extremistischen Strukturen. In diesen sehen sie Verbündete in ihrem "antiimperialistischen Kampf". Der Staat Israel wird als "imperialistisch" abgelehnt und sein Existenzrecht verneint. So steht auch hier auf der Grundlage linksextremistischer Ideologie der Staat Israel im Fokus der Agitation, nicht jedoch Jüdinnen und Juden. Antisemitismus spielt ideologisch im türkischen Linksextremismus grundsätzlich keine Rolle, vielmehr wird das eigene "antiimperialistische" und "antikapitalistische" Weltbild konsequent vertreten. Aufgrund dieses gemeinsamen ideologischen Fundaments gibt es verschiedenartige Vernetzungen zwischen türkischen Linksextremisten, deutschen Linksextremisten und säkularen palästinensischen Extremisten. Regelmäßig beteiligen sich auch türkische linksextremistische Organisationen wie die DHKP-C 60 AUSWIRKUNGEN DES NAHOSTKONFLIKTS UND ANTISEMITISMUS und YS, die Jugendorganisation der türkischen MLKP, an propalästinensischen beziehungsweise antiisraelischen Demonstrationen oder äußern ihre Solidarität mit extremistischen palästinensischen Gruppierungen. IV. Rechtsextremismus, "Reichsbürger" und "Selbstverwalter", "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" Rechtsextremisten thematisierten hinsichtlich der Terrorangrif"False-Flag-These" fe der HAMAS hauptsächlich die potenziellen innenpolitischen Auswirkungen in Deutschland im Zuge von Migrationsbewegungen und beschäftigten sich eher nachrangig mit den konkreten Entwicklungen im Nahen Osten. Neben vereinzelten klaren Solidaritätsbekundungen mit den Palästinensern, beispielsweise von der Partei "Der III. Weg" und einzelnen Mitgliedern der Partei "Die Heimat" (vormals NPD), äußerten sich Rechtsextremisten, darunter der Bundesverband von "Die Heimat", zum Konflikt im Nahen Osten zumeist indifferent und verbreiteten hauptsächlich migrationsfeindliche und verschwörungstheoretische Äußerungen wie eine "False-Flag-These". Nach dieser soll Israel die Terrorangriffe der HAMAS inszeniert oder zumindest absichtlich zugelassen haben, um eine militärische Intervention im Gazastreifen zu rechtfertigen. Von Akteuren der Neuen Rechten wie der "COMPACT-Magazin GmbH" und Vertretern der "Identitären Bewegung" wurde eine Einreiseverweigerung für Personen, die vor dem Konflikt fliehen, beziehungsweise die "Remigration" - also die Ausweisung jener Bevölkerungsteile aus Deutschland und Europa, die nicht den von neurechten Akteuren postulierten "ethnokulturellen" Kriterien entsprechen - gefordert. Weiterhin wurde betont, dass sich Deutschland nicht am Konflikt beteiligen solle. Insgesamt nahmen Rechtsextremisten das Wiederaufflammen der Auseinandersetzungen im Nahen Osten hauptsächlich zum Anlass, vor einem Import des Konflikts nach Deutschland durch unbeschränkte Zuwanderung vor allem von Migranten aus dem arabischen Raum zu warnen und diesen pauschal ein Aufenthaltsrecht in Deutschland abzusprechen. 61 AUSWIRKUNGEN DES NAHOSTKONFLIKTS UND ANTISEMITISMUS Im übrigen parteiungebundenen rechtsextremistischen Spektrum wurden die Ereignisse seit dem 7. Oktober des Berichtsjahrs wiederholt durch schwerpunktmäßig antisemitisch auftretende Akteure in bereits bestehende antisemitisch-verschwörungstheoretische Narrative eingeordnet. Dabei wurden etablierte Agitationsmuster verwendet, mit denen jedes global relevante politische und/oder gesellschaftliche Ereignis nahtlos in die eigene antisemitische Weltsicht integriert wird. Die erneute Eskalation des Nahostkonflikts wurde in diesem Rahmen prominent rezipiert, umgedeutet und instrumentalisiert. In der rechtsextremistischen Agitation insgesamt kam dieser jedoch keine herausragende Bedeutung zu. Entsprechend war bereits unmittelbar nach der ersten Berichterstattung zu den Angriffen der HAMAS im Oktober 2023 festzustellen, dass die Gesamtentwicklung im Nahen Osten sowie einzelne Teilereignisse in antisemitische Narrative im Sinne der "jüdischen Weltverschwörung" nach Vorbild der "Protokolle der Weisen von Zion"16 eingeordnet wurden. Demnach seien der Überfall beziehungsweise die HAMAS selbst Teil eines jüdischen Plans zur Erlangung der Weltherrschaft oder zur Vernichtung aller "Nicht-Juden". Videos von Opfern und Geiseln seien wahlweise gefälscht oder voller geheimer Symbole der "jüdischen Kabbala". Begleitet wurden diese Narrative von einer gängigen Täter-Opfer-Umkehr, nach welcher "die Juden" beziehungsweise Israel in letzter Instanz selbst für den Antisemitismus in der Welt und speziell im Nahen Osten verantwortlich seien. Einzelne Akteure - insbesondere aus dem neonationalsozialistischen Spektrum - zeichneten sich durch eine explizite Glorifizierung der terroristischen Angriffe der HAMAS aus. Ähnliches war bereits während der letzten Eskalation des Konflikts im Mai 2021 festzustellen gewesen. "Reichsbürger" und Auch unter "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" findet die zu"Selbstverwalter" vor genannte, im Kern antisemitisch konnotierte "False-Flag-These" 16 Bei den "Protokollen der Weisen von Zion" handelt es sich um eine antisemitische Propagandaschrift, in der angeblich die strategische Planung zur Erlangung der Weltherrschaft und der Unterdrückung aller nicht-jüdischen Völker durch die Juden dokumentiert ist. Tatsächlich handelt es sich bei dem erstmals Anfang des 20. Jahrhunderts in Russland aufgetauchten Text um eine Fälschung, die - dessen ungeachtet - weltweite Verbreitung in antisemitischen Kreisen erlangt hat. 62 AUSWIRKUNGEN DES NAHOSTKONFLIKTS UND ANTISEMITISMUS Verbreitung. Ebenfalls wird vor einer "unbeschränkten" Zuwanderung gewarnt. Während bei der Mehrheit der Szeneangehörigen rechtsextremistische Ideologieelemente nur in geringem Maße oder gar nicht auszumachen sind, ist ein Teil der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" eindeutig auch dem Rechtsextremismus zuzurechnen. Gerade in diesem rechtsextremistischen Teil der Szene sind antisemitische Ideologieelemente beziehungsweise Verschwörungsnarrative, welche von klassischen antisemitischen Narrativen über offen antisemitische Verschwörungstheorien bis hin zur Leugnung des Holocaust reichen, verbreitet. Im Spektrum der Verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung Verfassungsdes Staates hat sich noch keine einhellige beziehungsweise überschutzrelevante wiegende Positionierung zugunsten einer der beiden Parteien Delegitimierung des herausgebildet. Allerdings verbreitete sich in dieser Szene eine Staates antisemitische Verschwörungserzählung, die gleichzeitig einen Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine herstellt. Hierin wird unterstellt, dass eine Neugründung des Staates Israel auf dem südöstlichen Staatsgebiet der Ukraine an der derzeitigen Grenze beziehungsweise Kampflinie zu den russisch besetzten Gebieten kurz bevorstehe. Geplant sei die Umsiedlung von fünf Millionen Menschen aus Israel in die kriegsbedingt teilweise entvölkerten Gebiete der Ost-Ukraine. Diese Umsiedlungsaktion sei von einer kriminellen jüdischen Geheimgesellschaft - der sogenannten khasarischen Mafia - vorbereitet worden. Diese werde wiederum von der jüdischen Bankiersfamilie der Rothschilds - ebenfalls angebliche Nachfahren ostukrainischer Khasaren - kontrolliert und finanziert. Da der ukrainische Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj Jude ist, wird auch ihm unterstellt, in die Angelegenheit involviert zu sein. Die Kampfhandlungen zwischen Israel und der HAMAS seit Oktober 2023 gaben derartigen Verschwörungstheorien noch einmal zusätzlichen Auftrieb. Durch diese antisemitische Erzählung wird impliziert, dass "die Juden" nicht nur die Schuld beziehungsweise ein Interesse am russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine als Voraussetzung für die Schaffung neuer Siedlungsgebiete in der Ost-Ukraine hätten, sondern darüber hinaus auch den Angriff der HAMAS auf Israel bewusst geschehen lassen hätten, um so einen äußeren Anlass zur Umsiedlung zu schaffen. 63 AUSWIRKUNGEN DES NAHOSTKONFLIKTS UND ANTISEMITISMUS Antisemitismus stellt seit jeher in seinen diversen Erscheinungsformen ein zentrales und konstantes Charakteristikum des Rechtsextremismus dar. So dienen Juden, als jüdisch angesehene Personen und alles "Jüdische" als fest etablierte Feindbilder, welche nicht zuletzt eine szeneübergreifende Verbindung und gemeinsame Identitätsstiftung innerhalb des Rechtsextremismus ermöglichen. Daher ist Antisemitismus in unterschiedlicher Intensität in allen Teilbereichen des Rechtsextremismus feststellbar. Antisemitismus Auch im rechtsextremistischen Parteienspektrum nimmt Antiserechtsextremistischer mitismus eine zentrale Rolle ein. In diesen Kreisen wird der AnParteien tisemitismus aus strategischen und wahltaktischen Überlegungen oftmals in codierter Form transportiert. "Die Heimat" Parteifunktionäre der Partei "Die Heimat" (vormals NPD) fallen (vormals NPD) immer wieder mit antisemitischen Ansichten auf. Der nordrheinwestfälische Landesvorsitzende etwa veröffentlichte im Nachgang zum HAMAS-Angriff auf Israel ein Video, in dem er sich gegen eine Solidarisierung mit Israel verwahrte und äußerte, sich zu weigern, "Freiheitskämpfer als Terroristen zu bezeichnen". Er schloss sein Statement mit der das Existenzrecht Israels negierenden Losung "From the river to the sea".17 "Der III. Weg" Auch die Partei "Der III. Weg" bezeichnet vor dem Hintergrund ihrer selbstpostulierten antiimperialistischen Einstellung Israel regelmäßig als "Terrorstaat", im Kontext der Angriffe des 7. Oktober 2023 auch als "imperialistische Landräuber Zions". Getrieben von einem "biblischen Auserwähltheitswahn" sorge Israel "für Unfrieden und Millionenfaches Leid in Nahost".18 Mit Blick auf die Solidarisierung der Bundesregierung mit Israel kolportiert die Partei zudem in antisemitischer Weise eine jüdische Fremdsteuerung. So hätten sich die "Herrschenden des BRD-Systems (...) nicht dem Wohle des deutschen Volkes verschworen, sondern ausschließlich ihrer 'auserwählten' jahwistischen Herren".19 Neue Rechte Im Bereich der Neuen Rechten zählt offener Antisemitismus nicht zu den ideologischen Grundmerkmalen. Im Vergleich zu anderen Teilen der rechtsextremistischen Szene führten daher die Terrorangriffe der HAMAS auf Israel und der in der Folge wieder 17 Vgl. Internetplattform Telegram (6. November 2023). 18 Vgl. Homepage "Der III. Weg" (30. Oktober 2023). 19 Vgl. Homepage "Der III. Weg" (16. Oktober 2023). 64 AUSWIRKUNGEN DES NAHOSTKONFLIKTS UND ANTISEMITISMUS aufgeflammte Nahostkonflikt nicht zu dezidiert antisemitischen Äußerungen. Allerdings finden sich bei einzelnen Akteuren Verschwörungstheorien, die auf Antisemitismus hindeuten oder zumindest für antisemitische Narrative anschlussfähig sind. So bemühte beispielsweise die "COMPACT-Magazin GmbH" in ihren Veröffentlichungen wiederholt die bereits angesprochene "FalseFlag-These". Ein weiteres Beispiel ist die Erzählung vom "Großen Austausch", womit ein angeblicher Plan gemeint ist, die "weißen" Mehrheitsbevölkerungen gegen muslimische und "nicht weiße" Einwanderer auszutauschen. Einige rechtsextremistische Akteure rekurrieren in diesem Zusammenhang auf eine antisemitisch grundierte Elitenfeindlichkeit oder das Narrativ einer von Juden mindestens beeinflussten "globalistischen" Weltverschwörung. So spricht eine Führungsfigur der deutschsprachigen "Identitären Bewegung" exemplarisch von "politischen Eliten"20 und "Globalisten"21, die der Bevölkerung eine "Ersetzungsmigration"22 aufzwingen würden, gegen die man sich zur Wehr setzen müsse. Da die Person zwar nicht explizit Juden als Verantwortliche ausmacht, die Ausführungen allerdings für das Narrativ einer "jüdischen Weltverschwörung" anschlussfähig sind, kann dieser Rekurs auf den "Großen Austausch" zumindest indirekt zu einer Festigung antisemitischer Einstellungen beitragen. Im Internet spielen neben etablierten Social-Media-Plattformen Verbreitung im wie Telegram, TikTok oder X (vormals Twitter) auch unkonventioInternet nellere Plattformen wie der Mikrobloggingdienst Gab, die Imageboards Kohlchan und 4chan oder das Videoportal BitChute eine bedeutende Rolle für die Verbreitung des rechtsextremistischen Antisemitismus. Auch auf Gaming-Plattformen wie Steam und Discord finden sich antisemitische Inhalte. Websites, Blogs und Videobeiträge rechtsextremistischer Influencer, Onlineshops und eine unüberschaubare Zahl an Social-Media-Kanälen und -Gruppen bieten den Nutzerinnen und Nutzern weitreichende Austauschmöglichkeiten für antisemitische Überzeugungen. Hierbei schaffen sowohl die Anonymität als auch die einfachen, schnellen und größtenteils ungefilterten beziehungsweise unregulierten Kommunikationsmöglichkeiten einen attraktiven und vor staatlichen Eingriffen weitgehend sicheren Raum für jede Form extremistischen Gedankenguts. 20 Vgl. Internetplattform Telegram (6. Februar 2023). 21 Vgl. Internetplattform Telegram (7. Dezember 2023). 22 Vgl. Internetplattform Telegram (9. Oktober 2023). 65 AUSWIRKUNGEN DES NAHOSTKONFLIKTS UND ANTISEMITISMUS Als Kommunikationsmittel werden unter anderem Memes eingesetzt. Dabei handelt es sich um im Internet geteilte Bilder, Slogans, animierte Grafiken (GIFs) oder Videos mit ironischem Inhalt, die in einfacher Bild-Text-Kombination komplexe Botschaften vermitteln können. In der rechtsextremistischen Onlineszene hat sich das Teilen von antisemitischen Memes fest etabliert. Eines von unzähligen vermeintlich humoristischen Beispielen ist der "Happy Merchant", eine antisemitische Karikatur, die häufig in Form von unterschiedlichen Memes verwendet wird. Es handelt sich dabei um die auf rassistischer Charakterisierung jüdischer Menschen basierende Karikatur eines "jüdischen Kaufmannes", wie sie oft in Verbindung mit antisemitischen Verschwörungserzählungen, Holocaustleugnung oder anti-jüdischer Propaganda geteilt wird. Musikszene Antisemitismus spielt auch innerhalb der rechtsextremistischen Musikszene eine wichtige Rolle. Sowohl offene als auch subtile Formen des Antisemitismus besitzen einen hohen Verbreitungsgrad. Unverhohlener Judenhass und insbesondere die Androhung von sowie Aufrufe zu Gewalt und Mord finden insbesondere in Texten von sogenannten Untergrundproduktionen statt. Diese werden oft von Musikern eingespielt, deren Identität unbekannt ist oder die sich ausschließlich für einen einzigen Tonträger beziehungsweise für ein zeitlich begrenztes Musikprojekt zusammenschließen. Solche meist strafrechtlich relevanten Produktionen werden häufig im Eigenvertrieb in kleiner Auflage hergestellt und danach "unter der Ladentheke" nur einer persönlich bekannten Kundschaft angeboten. Über die Verbreitung in Musik-Portalen, Foren und sozialen Netzwerken erreichen die antisemitischen Produktionen jedoch ein deutlich breiteres (subkulturelles) Publikum. Ein Beispiel für das codierte Verbreiten von Antisemitismus ist der Titel "A New Tomorrow" des schwedischen Bandprojekts "One Million Lies", an dem auch ein deutscher Rechtsextremist beteiligt ist. In dem Lied wird Adolf Hitler in chiffrierter Form für die Verfolgung der Juden zur Zeit des Nationalsozialismus gepriesen ("true genius he stood alone against an evil infection in his home"). Wie dieses Beispiel zeigt, besitzt der historische Nationalsozialismus nach wie vor Vorbildfunktion für Teile der rechtsextremistischen Szene, indem dort oft noch ein rassistischer Antisemitismus nationalsozialistischer Prägung propagiert wird. Anschlussfähigkeit Judenfeindliche Einstellungen und vor allem antisemitisch geprägte Verschwörungsnarrative bieten Rechtsextremisten einfache 66 AUSWIRKUNGEN DES NAHOSTKONFLIKTS UND ANTISEMITISMUS Erklärungsmuster für komplexe Sachverhalte sowie für abstrakte politische Entwicklungen. Verschiedene Erzählungen beinhalten darum in ihrem Kern oft die Vorstellung einer geheimen jüdischen Weltverschwörung. Verschwörungstheorien bieten darüber hinaus auch Anschluss an nicht extremistische Personenkreise, da antisemitische Narrative überwiegend codiert transportiert werden und damit ohne Vorwissen teils nur schwer als antisemitisch identifiziert werden können. So wird etwa George Soros, ein ungarnstämmiger amerikanisch-jüdischer Finanzinvestor und als Milliardär Geldgeber zahlreicher gemeinnütziger NGO und Stiftungen seit einigen Jahren als vermeintliche Personifizierung "des Juden" Ziel antisemitischer Projektionen; sein Name ist als Code mittlerweile mit dem der "Rothschilds", einem weiteren unter Antisemiten seit langem etablierten Code, vergleichbar. Diese Codes werden dann mitunter unkritisch aufgegriffen und weiterverbreitet. Antisemitische Ideologeme erfahren dadurch einen Verbreitungsgrad, der bis in die Mitte der Gesellschaft reicht. Dabei nimmt das Internet als Raum der schnellen, unkomplizierten und niedrigschwelligen Produktion, Rezeption und Verbreitung antisemitischer Inhalte eine zentrale Rolle ein. Die Bedeutung von Verschwörungstheorien sowie deren szeneübergreifender sowie bis in nicht extremistische Kreise reichender Verbreitungsgrad war bereits vor dem Hintergrund der Coronapandemie zu beobachten und ist auch weiterhin im Kontext des andauernden Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine sowie im Rahmen des erneut eskalierten Nahostkonflikts erkennbar. V. Linksextremismus Innerhalb des linksextremistischen Spektrums werden in Bezug auf den Nahostkonflikt sowohl proisraelische als auch propalästinensische Positionen vertreten. Die Szene zeigt sich insoweit gespalten. Beide Seiten mobilisierten in den Wochen nach dem 7. Oktober 2023 zur Teilnahme an Demonstrationen und Protesten. Die Anzahl rein linksextremistischer Veranstaltungen blieb aber gering. Stattdessen nahmen Linksextremisten an Versammlungen aus dem Bereich des auslandsbezogenen Extremismus oder auch des demokratischen Spektrums teil. 67 AUSWIRKUNGEN DES NAHOSTKONFLIKTS UND ANTISEMITISMUS Autonome Linksextremisten äußerten und betätigten sich überwiegend proisraelisch, während mit antiimperialistisch eingestellten gewaltorientierten Linksextremisten sowie dogmatischen Linksextremisten die Mehrheit der Szene fast ausschließlich propalästinensische Positionen vertraten. In einigen Fällen führte diese Spaltung der Szene zu gruppeninternen Streitigkeiten über die eigene Positionierung, zur Absage gemeinsamer Demonstrationen, um nicht mit dem jeweils anderen Lager öffentlich aufzutreten, sowie in einem Fall auch zur Sachbeschädigung an einem Szeneobjekt in Leipzig (Sachsen), da man "Antisemiten" keine Räume überlassen wolle. Die proisraelische Ausrichtung autonomer Linksextremisten lässt sich darauf zurückführen, dass diese der HAMAS primär antisemitische Beweggründe für die Terrorangriffe auf Israel unterstellen und lediglich nachrangig die Erreichung territorialer oder sonstiger Ziele. Dementsprechend plakatierte das autonome Hamburger Szeneobjekt "Rote Flora" seine Solidarität mit Jüdinnen und Juden sowie Israel an seine Hauswand: "KILLING JEWS IS NOT FIGHTING FOR FREEDOM! Wir sind solidarisch mit allen Menschen in Israel und allen Jüdinnen und Juden weltweit. YOU ARE NOT ALONE!" (Plakat an der "Roten Flora" in Hamburg, Oktober 2023) Dahingegen betrachten gewaltorientierte Antiimperialisten Israel als "kapitalistischen" und "imperialistischen" Staat, der "Palästina" "kolonialisieren" würde. Auch die Mehrheit der dogmatischen Linksextremisten ergreift Partei für die palästinensische Seite, trotz überwiegender Verurteilung des terroristischen Vorgehens der HAMAS. Das kann ebenso mit dem antiimperialistischen Weltbild der entsprechenden Akteure begründet werden. Demnach müssten sich die Palästinenserinnen und Palästinenser dem "Imperialismus" westlicher Staaten widersetzen, da sie unterdrückt und ihrer historischen, politischen und materiellen Rechte beraubt worden seien. Linksextremisten agitierten in Bezug auf den Nahostkonflikt auch gegen die Versammlungsbehörden und die Polizei und kritisierten deren Vorgehen - allen voran Auflagen und Verbote von Veranstaltungen - als unzulässige staatliche Repression und Diskriminierung gegenüber Palästinenserinnen und Palästinensern 68 AUSWIRKUNGEN DES NAHOSTKONFLIKTS UND ANTISEMITISMUS und Muslimen. Schon im Vorfeld wie auch nach dem Verbot des extremistischen Netzwerks "Samidoun" am 2. November 2023 kam es zu einer Vielzahl an Solidaritätsbekundungen und Forderungen nach der Abschaffung des Verbots durch linksextremistische Organisationen. Zwischen deutschen Linksextremisten aus der antiimperialistischen und dogmatischen Szene sowie türkischen Linksextremisten und extremistischen säkularen palästinensischen Strukturen bestehen diverse Vernetzungen. Diese äußern sich unter anderem in der regelmäßigen Versicherung der gegenseitigen Solidarität sowie der Verbreitung von Aufrufen zur Teilnahme an Veranstaltungen der anderen Gruppierungen und Organisationen. Zudem beteiligen sie sich gegenseitig an ihren Veranstaltungen und Demonstrationen. Einige dogmatische Linksextremisten verwenden dabei zum Teil auch Narrative, die so auch von Organisationen wie der HAMAS oder der PFLP vertreten werden. Beispielsweise werden Terrorangriffe auf Israel wie die vom 7. Oktober 2023 nicht als solche dargestellt, sondern als "legitimer Widerstand" gegen "Besatzung" und "Apartheid" bezeichnet. Damit erfahren Terrororganisationen in ihrem Anliegen öffentliche Unterstützung, während die Sicherheitsinteressen Israels als unberechtigt dargestellt oder ausgeblendet werden. Vertreter der linksextremistischen Szene bestärken damit Gruppierungen aus dem Islamismus sowie dem auslandsbezogenen Extremismus und leisten einen Beitrag dazu, deren israelbezogenen Antisemitismus weiter zu verbreiten. Zu den relevanten linksextremistischen Gruppierungen in Bezug auf den Nahostkonflikt gehört unter anderem die traditionskommunistische "Kommunistische Organisation" (KO) sowie ihr nahestehende und von ihr beeinflusste Gruppierungen. Diese äußern sich regelmäßig antiisraelisch und propalästinensisch, erklären sich solidarisch mit dem verbotenen Netzwerk "Samidoun" und organisieren und bewerben propalästinensische Veranstaltungen. "Das zionistische Kolonialund Apartheid-Regime namens ,Israel' hat kein Existenzrecht! Seine Abschaffung ist die Voraussetzung für die Befreiung Palästinas!" (Internetplattform "kommunistische-organisation.de", 10. Oktober 2023) 69 AUSWIRKUNGEN DES NAHOSTKONFLIKTS UND ANTISEMITISMUS Eine religiös oder ethnisch begründete Abneigung beziehungsweise Feindschaft gegenüber Jüdinnen und Juden ist kein Bestandteil linksextremistischer Ideologie. Auch andere antisemitische Positionen oder Stereotype sind innerhalb der deutschen linksextremistischen Szene in der Breite grundsätzlich nicht vermittelbar. Dementsprechend ist ein offen vorgetragener Antisemitismus weitgehend ausgeschlossen, da er dem politischen Selbstverständnis des Linksextremismus entgegensteht. Dennoch können bei einzelnen Linksextremisten individuelle antisemitische Einstellungen oder Rückgriffe auf antisemitische Stereotype nicht ausgeschlossen werden. Anders zeigt sich dies in Bezug auf die Einstellung gegenüber dem Staat Israel und seiner Regierung. Während weite Teile der autonomen Szene und des antideutschen Spektrums traditionell eine klar proisraelische Haltung vertreten, sind im größeren, vor allem dogmatischen Teil der linksextremistischen Szene seit langem antiisraelische beziehungsweise antizionistische Positionen prägend, die vor allem auf einem antiimperialistischen Weltbild basieren. Diese Spaltung in Bezug auf Israel zog sich auch schon vor dem 7. Oktober 2023 durch die linksextremistische Szene. Der ungelöste interne Konflikt wurde in den Wochen nach den Terrorangriffen aber wieder relevant, da sich die verschiedenen Spektren und Strukturen gezwungen sahen, Position zu beziehen. Von israelfeindlichen Antiimperialisten und Traditionskommunisten wird Israel dabei nicht primär als jüdischer, sondern als "imperialistischer" und "kapitalistischer" Staat angesehen. Auf dieser Grundlage gedeihen immer wieder antizionistische Positionen, die zu teilweise grundsätzlicher Kritik am Staat Israel bis hin zur Negierung von dessen Existenzrecht führen. Nicht selten wird die israelische Politik mit Begriffen wie "Apartheid", "Holocaust", "Pogrom" oder "Vernichtungskrieg" beschrieben, um sie mit den Massenverbrechen des Nationalsozialismus gegen die Menschlichkeit gleichzusetzen. Diese Positionen verbinden ideologisch dogmatische Linksextremisten mit türkischen Linksextremisten und palästinensischen Extremisten und münden in gemeinsamen Aktionen und Versammlungen gegen den Staat Israel. 70 AUSWIRKUNGEN DES NAHOSTKONFLIKTS UND ANTISEMITISMUS VI. Gefährdungspotenzial Die Eskalation in Nahost hat zu einer Erhöhung der Gefährdungslage in Europa und Deutschland, insbesondere mit Blick auf jüdische und israelische Ziele, geführt: Im gesamten Bundesgebiet war ein sprunghafter Anstieg an Straftaten im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt zu verzeichnen, vor allem auch ein massiver Anstieg antisemitischer Straftaten (von 208 im Oktober 2022 auf 1.342 im Oktober 2023, darunter sind 597 aus dem Bereich der ausländischen Ideologien, 406 Straftaten aus dem Bereich Rechtsextremismus, 266 aus dem Bereich religiöser Ideologien und 18 aus dem Linksextremismus sowie darüber hinaus 55 Straftaten sonstiger Zuordnung). Neben antisemitischen und israelfeindlichen Sachbeschädigungen wie insbesondere Farbschmierereien und Graffitis gab es auch einen versuchten Brandanschlag auf eine Synagoge in Berlin. Erneut zeigte sich, dass eine Eskalation des Nahostkonflikts sich auch in Deutschland unmittelbar auf die Entwicklung der politisch motivierten Straftaten wie auch des Versammlungsgeschehens auswirkt und sich hierbei diverse Anhänger und Sympathisanten extremistischer Organisationen beteiligen. Der Anstieg antisemitischer Vorfälle - sowohl mit direktem Organisationsbezug als auch von Einzelpersonen - im Jahr 2023 verdeutlicht, dass die Aufstachelung zu Hass und Gewalt durch antisemitisches Gedankengut zu verbalen und gewalttätigen Ausschreitungen führen kann. Sowohl die HAMAS als auch die libanesische "Hizb Allah" verfügen über eine größere Anhängerschaft im Ausland, die loyal zur jeweiligen Organisation in der Region steht und eine klare Position gegen Israel einnimmt. Im Falle einer Lageeskalation kann nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Personen, insbesondere durch eine Steuerung Irans oder durch die "Hizb Allah", für Aktivitäten gegen israelische und westliche Ziele eingesetzt werden könnten. Vor allem aber geht die Bedrohung in Deutschland von jihadistisch motivierten Einzeltätern mit einfach zu beschaffenden Tatmitteln aus, deren Angriffe sich vornehmlich gegen "weiche" Ziele richten. Aufgrund ihrer kurzen Planungsphase und geringem Organisationsaufwand sowie oftmals kaum vorhandenen relevanten Netzwerkund Kommunikationsstrukturen stellt die Verhinderung solcher Taten eine besondere Herausforderung dar. 71 AUSWIRKUNGEN DES NAHOSTKONFLIKTS UND ANTISEMITISMUS In mehreren europäischen Nachbarländern kam es im direkten zeitlichen Zusammenhang mit den Ereignissen in Nahost zu islamistisch motivierten Einzeltäteranschlägen. In Deutschland konnten mehrere mutmaßliche Anschlagsvorhaben rechtzeitig unterbunden werden. 72 Rechtsextremismus/ rechtsextremistischer Terrorismus 73 Rechtsextremismus/ rechtsextremistischer Terrorismus I. Überblick Im Rechtsextremismus wird der Wert eines Menschen an seiner Ethnie, Nationalität, geografischen Herkunft oder auch an seiner vermeintlichen "Rasse" gemessen. In einer auf Basis dieses Verständnisses konstruierten ethnisch-rassischen "Volksgemeinschaft" sind zentrale Werte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wie die Menschenwürde, das Rechtsstaatsoder das Demokratieprinzip verletzt und außer Kraft gesetzt. Die rechtsextremistische Agitation ist insbesondere geprägt von Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus sowie Demokratie-, Fremden-, Migrationsund Muslimfeindlichkeit. 1. Entwicklungstendenzen Fortgesetzte Am Beispiel des Terrorangriffs der HAMAS am 7. Oktober 2023 Instrumentalisierung auf den Staat Israel wurde im Berichtsjahr erneut deutlich, wie von Krisen Rechtsextremisten Krisen instrumentalisieren, um die eigenen Narrative zu verbreiten. So wurde von einigen Akteuren angesichts propalästinensischer Demonstrationen in Deutschland von einem "Import" des Konflikts gesprochen und Migration pauschal als Wurzel gesellschaftlicher und sozialer Probleme in Deutschland dargestellt (vgl. Sonderkapitel "Auswirkungen des Nahostkonflikts und Antisemitismus"). Aber auch vor dem Hintergrund steigender Zahlen von Flüchtlingen und in Ermangelung anderer Agitationsfelder gewann der Themenkomplex "Migration und Asyl" wieder an Bedeutung für Rechtsextremisten (vgl. Kap. III, Nr. 1). DemonstrationsDie Anzahl der von den Verfassungsschutzbehörden registrierten geschehen rechtsextremistischen Kundgebungen ist 2023 gegenüber dem Vorjahr deutlich angestiegen und erreichte somit sogar ein noch höheres Niveau von vor beziehungsweise zu Beginn der Coronapandemie. Das Agitationsfeld "Anti-Asyl und Migration" war im Berichtsjahr das zentrale Motto rechtsextremistischer Demonstrationen und verdrängte ehemals bedeutsame Themenfelder der vergangenen Jahre wie die Coronapandemie oder die Wirtschaftsund Energiepolitik nahezu vollständig. Besonders hervor stachen 74 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS in diesem Zusammenhang die "Freien Sachsen" (vgl. Kap. V, Nr. 4), welche das rechtsextremistische Demonstrationsgeschehen 2023 maßgeblich gestalteten und die größte Kundgebung des Jahres unter dem Slogan "Nein zum Heim - Ja zur Heimat!" mit 3.000 Teilnehmern organisierten. Andere rechtsextremistische Veranstalter wie die Partei "Die Heimat" (vormals NPD) und deren Jugendorganisation "Junge Nationalisten" (JN) oder "Der III. Weg" büßten dagegen teilweise deutlich an Mobilisierungspotenzial ein. Rechtsextremistische Demonstrationen 2022 2023 "Die Heimat" (vormals NPD)/"Junge 10 4 Nationalisten" (JN)23 "DIE RECHTE" 8 5 "Der III. Weg" 12 13 "Freie Sachsen" 82 198 "Neue Stärke Partei" 4 4 Neonazis/sonstige Rechtsextremisten 29 143 Insgesamt 145 367 Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine versuchten Rechtsextremisten sich wie im Vorjahr als "Friedensaktivisten" zu inszenieren und so Anschluss an Nichtextremisten zu gewinnen, um diese für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Weiterhin wurde im Berichtsjahr eine Narrativverschiebung von einer rechtsextremistischen Agitation gegen staatliche Auflagen während der Coronapandemie hin zu einer allgemeineren Agitation gegen das politische System der Bundesrepublik Deutschland deutlich, mit der die rechtsextremistische Szene versuchte, an das Mobilisierungspotenzial der Pandemiejahre anzuknüpfen. Bei der Ideologisierung und Radikalisierung von RechtsextreFortschreitende misten im virtuellen Raum spielen soziale Netzwerke, MessenOnlinevernetzung gerdienste, Imageboards und Internetplattformen wie Telegram und anhaltende Gefahr selbst23 Die JN sind die Jugendorganisation der Partei "Die Heimat" (vormals NPD). radikalisierter Täter 75 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS weiterhin die bedeutendste Rolle. Eine besondere Herausforderung für die Sicherheitsbehörden stellen selbstradikalisierte Täter dar, die ohne erkennbare Anbindung an bereits bekannte rechtsextremistische Szenestrukturen agieren. Dabei ist die Zunahme sowohl auffällig junger als auch besonders gewaltaffiner Akteure der sogenannten Attentäter-Fanszene, welche ebenfalls Bezüge zum rechtsextremistischen Akzelerationismus24 (Siege25-Szene) aufweisen, besonders besorgniserregend. Hierbei nehmen Chatgruppen in Messengerdiensten und Foren, innerhalb derer Gewaltund Anschlagsfantasien offen geteilt, befürwortet und potenziell gefördert werden, eine zentrale Rolle ein (vgl. Kap. III, Nr. 2). Eindämmung Rechtsextremistische Finanzierungsaktivitäten wurden auch im rechtsextremistischer Berichtsjahr durch Maßnahmen der Sicherheitsbehörden eingeFinanzierungsschränkt. So wurden beispielsweise Musikveranstaltungen der Szeaktivitäten ne nach Beginn aufgelöst oder bereits vorab unterbunden, was zu Einbußen beim Verkauf von Konzertkarten oder Merchandise geführt hat. Zudem wurden andere Finanzierungsstrategien, wie der Betrieb von Gaststätten oder die Durchführung von Kampfsportveranstaltungen, durch die Verfassungsschutzbehörden aufgeklärt (vgl. Kap. II, Nr. 3.3). 24 Die Theorie des Akzelerationismus stellt auf eine Überwindung des Kapitalismus durch eine Beschleunigung (Akzeleration) der dem kapitalistischen System angeblich inhärenten Widersprüche ab. Dabei stünden enormer technologischer Fortschritt und steigende Gewinne global operierender Unternehmen im Kontrast zu steigender sozialer Ungleichheit bzw. sozialen Konflikten und unfähigen nationalen Regierungen, die diese Probleme nicht lösen könnten. Die Verschärfung dieser Entwicklungen soll letztlich zum Sturz der bestehenden staatlichen bzw. politischen Ordnung führen. 25 Siege (engl.): "Belagerung". Die Siege-Ideologie propagiert Guerillaanschläge gegen Infrastruktur und politisch Verantwortliche, um angenommene Spannungen zwischen der "weißen" Mehrheitsgesellschaft und ethnischen Minderheiten in westlichen Ländern zu verschärfen und damit einen Umsturz herbeizuführen. 76 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Die Vernetzung von Akteuren im Bereich der Neuen Rechten Zunehmende nimmt weiterhin zu. Dabei ist eine arbeitsteilige Vorgehensweise Vernetzung der zu beobachten, die von logistischer und finanzieller Unterstützung Neuen Rechten für die Szene über ideologische Grundsatzund Strategiedebatten bis hin zum Aktionismus ein breites Aktivitätsspektrum abdeckt (vgl. Kap. IV). Während die Neue Rechte somit an Bedeutung für die Binnenstruktur der Szene gewinnt, sehen sich rechtsextremistische Parteien wie "Die Heimat" (vormals NPD) und "DIE RECHTE" (vgl. Kap. V, Nr. 1 und 2) existenziellen Herausforderungen gegenüber, die aus organisatorischen Defiziten, einem Rückgang ihrer Mitglieder und lediglich lokaler Aktionsfähigkeit resultieren. Im Bereich der rechtsextremistischen Parteien und diesbezügEntwicklung des licher Verdachtsfälle nimmt die "Alternative für Deutschland" Verdachtsfalls (AfD, Verdachtsfall) unter anderem hinsichtlich Umfragewerten, "Alternative für Mitgliederzahlen, medialer Aufmerksamkeit und gesamtgesellDeutschland" schaftlicher Bedeutung eine hervorgehobene Stellung ein. Die Ergebnisse der am 29. und 30. Juli sowie vom 4. bis 6. August 2023 in Magdeburg (Sachsen-Anhalt) abgehaltenen Europawahlversammlung der Partei und auch Äußerungen verschiedener Parteifunktionäre waren Ausweis eines wachsenden Einflusses rechtsextremistischer Akteure in der Partei (vgl. Kap. V, Nr. 5). 77 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS 2. Personenpotenzial Rechtsextremismuspotenzial1 2021 2022 2023 In Parteien 11.800 15.500 16.300 "Die Heimat" (vormals "Nationaldemokratische Partei Deutsch3.150 3.000 2.800 lands", NPD) "DIE RECHTE" 500 450 300 "Der III. Weg" 650 700 800 Verdachtsfall "Alternative für Deutschland" (AfD)2 - 10.200 11.300 Sonstiges rechtsextremistisches Personenpotenzial in Parteien3 7.500 1.150 1.100 In parteiunabhängigen bzw. parteiungebundenen Strukturen4 8.500 8.500 8.500 Weitgehend unstrukturiertes rechtsextremistisches Personen15.000 16.000 17.000 potenzial5 Summe 35.300 40.000 41.800 Nach Abzug von Mehrfachzuordnungen 33.900 38.800 40.600 Davon gewaltorientierte Rechtsextremisten 13.500 14.000 14.500 1 Die Zahlen sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2 Hierunter werden auch die Mitglieder der der AfD (Verdachtsfall) zugehörigen Teilorganisation "Junge Alternative" (JA) gezählt; die geschätzte Zahl der Doppelmitgliedschaften ist dabei berücksichtigt. 3 Unter dem sonstigen rechtsextremistischen Personenpotenzial in Parteien werden unter anderem die Mitglieder der "Freien Sachsen" und der "Neue Stärke Partei" (NSP) gezählt. Im Berichtsjahr 2021 wurden zudem die JA und der "Flügel", die damals als Verdachtsfall bearbeitet wurden, gezählt. 4 Hierunter wird unter anderem das Personenpotenzial der Beobachtungsobjekte "COMPACT-Magazin GmbH", "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD), "PI-NEWS", "Institut für Staatspolitik" (IfS), "Ein Prozent e.V." und "Antaios-Verlag" (Verdachtsfall) sowie der Teil von insgesamt 1.350 rechtsextremistischen "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" gezählt, der parteiunabhängigen bzw. parteiungebundenen Strukturen zuzurechnen ist. 5 Hierzu zählt im Berichtsjahr der Teil von insgesamt 1.350 rechtsextremistischen "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern", der keiner festen Struktur zuzurechnen ist. 78 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS II. Gewalt und rechtsterroristische Ansätze sowie Umsetzung des "Aktionsplans Rechtsextremismus" 1. Entwicklung der rechtsextremistischen Strafund Gewalttaten Rechtsextremistische Strafund Gewalttaten entwickelten sich im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr wie folgt: Die Gesamtzahl rechtsextremistischer Strafund Gewalttaten stieg im Vergleich zum Vorjahr deutlich um 22,4 % an (2022: 20.967; 2023: 25.660). Propagandadelikte (15.081) bildeten wiederum mit 58,8 % den Hauptanteil der rechtsextremistischen Straftaten. 4,5 % der rechtsextremistischen Straftaten waren Gewaltdelikte. Im Vergleich zum Vorjahr stieg im Berichtsjahr die Zahl der rechtsextremistischen Gewalttaten um 13 % (2022: 1.016; 2023: 1.148). Körperverletzungsdelikte (1.016) bildeten mit 88,5 % an der Gesamtzahl der Gewaltdelikte den größten Anteil und bewegten sich somit in etwa auf dem gleichen prozentualen Niveau des Vorjahrs (2022: 879, 86,5 %). Die Anzahl der Brandstiftungsdelikte blieb im Vergleich zum Vorjahr stabil (2022: 18; 2023: 16). Bei den rechtsextremistisch motivierten Körperverletzungsdelikten mit fremdenfeindlichem Hintergrund ist eine Steigerung von 16,4 % zu beobachten (2022: 751; 2023: 874). Ebenso stieg die Gesamtzahl der fremdenfeindlichen Gewaltdelikte (2022: 796; 2023: 933, +17,2 %). Die Zahl der rechtsextremistischen Nötigungen beziehungsweise Bedrohungen nahm deutlich um 24,2 % zu (2022: 417; 2023: 518), die der Sachbeschädigungen erhöhte sich ebenfalls stark um 31,9 % (2022: 592; 2023: 781). Besonders auffällig war zudem der Anstieg von Volksverhetzungsdelikten von 3.125 im Jahr 2022 auf 4.746 im Jahr 2023 (+51,9 %). Im Jahr 2023 wurden vier versuchte Tötungsdelikte (2022: zwei versuchte Tötungsdelikte) gezählt. Im Kontext rechtsextremistischer Strafund Gewalttaten gegen Asylunterkünfte spiegelte sich die gestiegene Bedeutung des Themenkomplexes "Migration und Asyl" innerhalb der rechtsextremistischen Szene wider. So erhöhte sich die Zahl der Straftaten 79 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS gegen Asylunterkünfte 2023 (148) erheblich um 108,5 % im Vergleich zum Vorjahr (71). Der Anstieg ist dabei hauptsächlich auf die Erhöhung der Anzahl der Sachbeschädigungen (2022: 10; 2023: 40), der Nötigungen beziehungsweise Bedrohungen (2022: 0; 2023: 10) sowie der Volksverhetzungsdelikte (2022: 12; 2023: 21) zurückzuführen. Auch die Zahl der Gewaltdelikte (2022: 6; 2023 15) stieg hierzu korrespondierend an. 2023 war im Gegensatz zum Vorjahr ein Anstieg rechtsextremistischer Straftaten mit antisemitischer Motivation zu verzeichnen. So stieg die Gesamtzahl (2023: 2.762) rapide um 36,5 % im Vergleich zum Vorjahr (2022: 2.023). Dabei stachen vor allem Volksverhetzungsdelikte hervor, die 68,8 % aller rechtsextremistischen, antisemitisch motivierten Straften ausmachten (2022: 1.328; 2023: 1.899). Dagegen sank die Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten mit antisemitischer Motivation von 53 auf 43 im Jahr 2023 (-18,9 %). 2. Gefahr rechtsterroristischer Ansätze Rechtsextremistisch motivierte gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und eine in den letzten Jahren verstärkt im Internet stattfindende Radikalisierung bilden die Basis für rechtsextremistischen Terrorismus. Dabei spielt vor allem eine fremdenfeindliche Motivation eine herausragende Rolle für rechtsextremistische Taten. Mit den seit 2021 wieder ansteigenden Zahlen irregulärer Migration nach Deutschland besitzt dieses Thema ein hohes, weiter wachsendes Mobilisierungspotenzial in der rechtsextremistischen Szene. Diese Entwicklung kann schließlich rechtsterroristische Taten nach sich ziehen. So drohen einige Rechtsextremisten sogar explizit damit, bei ausbleibenden Veränderungen in der Migrationspolitik selbst gegen die von ihnen behauptete "Überfremdung" vorzugehen. In der Folge schlägt sich die andauernde Agitation und Hetze von Rechtsextremisten gegen Migrantinnen und Migranten in einer Reihe von Fällen in Übergriffen auf Erstaufnahmeeinrichtungen und Körperverletzungsdelikte gegen als fremd wahrgenommene Personen nieder. Rechtsextremistische Gewaltverherrlichung kann in gewaltorientiertem Handeln oder sogar in Rechtsterrorismus münden. Die Beobachtung des gewaltorientierten Rechtsextremismus ist daher für die Verfassungsschutzbehörden von besonderer Bedeutung. 80 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS 3. Staatliche Maßnahmen Exemplarisch für staatliche Maßnahmen gegen Rechtsextremisten stehen folgende Sachverhalte: Am 30. November 2023 verurteilte das Oberlandesgericht (OLG) Verurteilung Stuttgart (Baden-Württemberg) sechs Mitglieder, drei Unterstützer mehrerer Mitglieder und einen Beihelfer der rechtsterroristischen Vereinigung "Grupder rechtsterrorispe S." zu mehrjährigen Haftstrafen. Der Hauptangeklagte wurde tischen "Gruppe S." wegen rädelsführerschaftlicher Gründung einer terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung und in weiterer Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe und Patronenmunition zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die neun weiteren Angeklagten im Verfahren wurden wegen verschiedener Straftaten mit Bezug zu der terroristischen Gruppierung zu Freiheitsstrafen zwischen einem Jahr und neun Monaten und fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Ein elfter Angeklagter wurde freigesprochen, da seine umfangreichen Angaben zu der "Gruppe S." laut Gericht die entscheidende Grundlage für die Festnahmen der übrigen Angeklagten gewesen seien.26 Die Verurteilten beabsichtigten aus migrantenund muslimfeindlichen Motiven heraus, mehrere kleine, nicht konkret genannte Moscheen anzugreifen, um einen Bürgerkrieg zu provozieren. Dadurch sollte die Ausbreitung des Islam in der Bundesrepublik Deutschland gestoppt werden. Am 8. Mai 2023 verurteilte der 5. Strafsenat des OLG Frankfurt am Verurteilung des Main (Hessen) einen im Tatzeitraum 19-Jährigen wegen der verGründers der suchten Gründung einer terroristischen Vereinigung als Rädels"Atomwaffen führer und der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Division Hessen" Gewalttat in Tateinheit mit vorsätzlichem Besitz unkonventioneller Sprengvorrichtungen und mit vorsätzlichem unerlaubtem Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und zehn Monaten. In seiner schriftlichen Begründung führte der Senat aus, dass der Verurteilte die Ideologie der rechtsextremistischen "Atomwaffen Division" (AWD) angenommen und spätestens Anfang Juli 2021 den Entschluss gefasst habe, nach ihrem ideologischen Vorbild eine unabhängige und regional auf Hessen beschränkte Gruppierung mit dem Namen "Atomwaffen 26 Mitglieder der "Gruppe S." legten Rechtsmittel ein. 81 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Division Hessen" zu gründen. Nach Ansicht des Gerichts war das Ziel der Gruppe, das herrschende System zu zerschlagen und eine "weiße Vorherrschaft" nach dem Vorbild des Nationalsozialismus zu etablieren. Zur Erreichung dieses Zieles und zur Rekrutierung weiterer Mitglieder habe der Verurteilte neben offensiver Propaganda unter anderem den Einsatz von Sprengsätzen und Schusswaffen geplant. Zudem sei er seit spätestens Anfang September 2021 fest entschlossen gewesen, einen tödlichen Anschlag zu begehen. Das Urteil ist rechtskräftig. Verurteilung des Am 13. Juli 2023 verurteilte das Amtsgericht (AG) Halle (Saale) Betreibers eines (Sachsen-Anhalt) einen Rechtsextremisten unter anderem wegen rechtsextremisVolksverhetzung und übler Nachrede zu einer Freiheitsstrafe von tischen Onlineshops einem Jahr und sechs Monaten ohne Bewährung. Des Weiteren musste der Verurteilte 1.000 beziehungsweise 500 Euro an zwei Nebenkläger als Entschädigung zahlen. Laut der Urteilsbegründung hatte der Verurteilte sich mit dem Verkauf von Baseballschlägern mit der Aufschrift "Abschiebehelfer" über seinen Onlineshop und durch verbale Angriffe auf eine Bürgerinitiative der Volksverhetzung schuldig gemacht, in weiteren elf Fällen der üblen Nachrede.27 Am 22. September 2023 verurteilte das AG Leipzig ihn zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten ohne Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung.28 Verurteilung des Am 3. Februar 2023 verurteilte das Landgericht (LG) Dortmund Herausgebers (Nordrhein-Westfalen) den Herausgeber des neonazistischen des Magazins Magazins "N.S. Heute" und Kreisvorsitzenden von "Heimat Dort"N.S. Heute" mund" (vormals NPD) zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten auf Bewährung sowie zu einer Geldstrafe. Das Gericht befand ihn für schuldig, in drei Beiträgen in verschiedenen Ausgaben des Magazins volksverhetzende Inhalte gemäß SS 130 Strafgesetzbuch (StGB) sowie gemäß SS 86 StGB Propagandamittel verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen, verbreitet zu haben. Das Urteil ist rechtskräftig. Exekutivmaßnahmen Im Berichtsjahr gab es mehrere Exekutivmaßnahmen gegen Mingegen Minderjährige derjährige mit Bezügen zum Rechtsextremismus. So wurden bei mit Bezügen zur 27 Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Verurteilte legten Berufung gegen das "AttentäterUrteil ein. Fanszene" 28 Gegen dieses Urteil legte der Verurteilte ebenfalls Rechtsmittel ein. 82 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS zwei strafunmündigen Minderjährigen bei Durchsuchungen aufgrund des Verdachts der Planung einer Amoktat am 12. und 16. Januar 2023 unter anderem Sprengstoff und Rohrbombenattrappen sichergestellt. Bei einem anderen strafunmündigen Minderjährigen wurden am 24. August 2023 Aufzeichnungen aufgefunden, die sich sowohl mit der Herstellung von Unkonventionellen Sprengund Brandvorrichtungen (USBV) als auch mit Planungen für mögliche Amokläufe beschäftigten. Die drei strafunmündigen Betroffenen verbreiteten im Internet Inhalte mit Bezügen zur "Attentäter-Fanszene" (vgl. Kap. III, Nr. 2) und teilten mitunter rassistische und antisemitische Beiträge. 3.1 Vereinsverbote Mit Wirkung vom 19. September 2023 hat die BundesinnenmiVerbot "Hammerskins nisterin die rechtsextremistische Vereinigung "Hammerskins Deutschland" Deutschland", einschließlich ihrer regionalen Chapter sowie ihre Teilorganisation "Crew 38", mit insgesamt etwa 130 Mitgliedern verboten.29 Die Vereinigung richtete sich durch eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie gegen den Gedanken der Völkerverständigung und lief den Strafgesetzen durch die Ermöglichung von Straftaten wie Volksverhetzung (SS 130 StGB) oder der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (SS 86a StGB) zuwider. Ideologische Schwerpunkte der "Hammerskins Deutschland" waren der Schutz der "weißen arischen Rasse" und der Kampf gegen eine propagierte "Umvolkung". Die "Hammerskin Nation" (HSN) wurde 1988 in den USA gegründet. Seit 1992 wurden insgesamt 13 Chapter in Deutschland etabliert. Da sich die "Hammerskins Deutschland" als Teil der übergeordneten Vereinigung HSN begreifen, müssen sie sich deren biologistisches Rasseund Volksverständnis und deren generelle Ablehnung von demokratischen Staatsund Gesellschaftssystemen zurechnen lassen. Durch das Verbot wurden wichtige Strukturen - insbesondere im Bereich der rechtsextremistischen Musikveranstaltungen - innerhalb der gewaltorientierten rechtsextremistischen Szene zerschlagen. 29 Gegen die Verbotsverfügung sind Klagen vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängig. Das Verbot ist noch nicht bestandskräftig. 83 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Verbot Mit Wirkung vom 27. September 2023 hat die Bundesinnenmi"Artgemeinschaft" nisterin die rechtsextremistische Organisation "Die Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V." (AG-GGG), deren Teilorganisation "Familienwerk e.V." sowie sämtliche Regionalgruppen mit einem Gesamtpersonenpotenzial im niedrigen dreistelligen Bereich verboten.30 Grundlage für das Verbot war die Ausrichtung der Gruppierung gegen die verfassungsmäßige Ordnung durch eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus sowie gegen den Gedanken der Völkerverständigung. In der Begründung der Verbotsverfügung wurde insbesondere das Konzept der biologistisch definierten "Volksgemeinschaft", die antisemitische Grundhaltung, die damit einhergehende Verächtlichmachung der bestehenden demokratischen Ordnung und die Verbreitung einschlägiger Literatur über den vereinseigenen "Buchdienst" angeführt. Ihre verfassungsfeindlichen Ziele verfolgte die AG-GGG nach Feststellung des BMI zudem in kämpferisch-aggressiver Weise in Form einer "fortwährenden Schaffung von Verfassungsfeinden" mittels weltanschaulicher Schulungen von Mitgliedern und Anhängerinnen und Anhängern, insbesondere durch die Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen. Ziel der 1951 gegründeten AG-GGG war die Erhaltung und Förderung der eigenen "Art", welche mit dem nationalsozialistischen Terminus der "Rasse" gleichzusetzen ist. Als ideologische Basis dienten den Mitgliedern ein in der Satzung des Vereins enthaltenes "Artbekenntnis" sowie ein "Sittengesetz", deren Postulate sich am historischen Nationalsozialismus orientierten. Durch das Vereinsverbot wurde eine Organisation zerschlagen, die als wichtige Schnittstelle und Vernetzungsplattform für unterschiedliche Spektren des deutschen Rechtsextremismus fungierte. Ankündigung Drei weitere rechtsextremistische Gruppierungen reagierten auf vermeintlicher die vorgenannten Verbote, indem sie öffentlich ihre SelbstauflöSelbstauflösungen sung bekannt gaben. Dabei handelte es sich um die neonazistische Gruppierung "Arische Bruderschaft" mit allen damit zusammenhängenden Gruppierungen, darunter unter anderem "Brigade 12" und "Kameradschaft Northeim", die rechtsextremistische Gruppierung "Brothers of Honour" sowie das rechtsextremistische 30 Gegen die Verbotsverfügung ist eine Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängig. Das Verbot ist noch nicht bestandskräftig. 84 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Netzwerk "Initiative Zusammenrücken" (IZ) (vgl. Kap. III, Nr. 4). Es bleibt jedoch zu prüfen, ob die Gruppierungen sich tatsächlich aufgelöst und die Aktivitäten eingestellt haben oder ob es sich bei den Verlautbarungen lediglich um ein taktisches Agieren zur Vermeidung staatlicher Maßnahmen handelt. 3.2 Verhinderung von Waffenbesitz bei Rechtsextremisten In der rechtsextremistischen Szene besteht grundsätzlich eine hohe Waffenaffinität. Diese umfasst sowohl teilweise erlaubnisfreie Gegenstände wie Hieb-, Stichund Schreckschusswaffen sowie Armbrüste als auch erlaubnispflichtige Schusswaffen. Bei einer Beantragung waffenrechtlicher Erlaubnisse fragt die örtliche Waffenbehörde im Rahmen der "Regelanfrage" (SS 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 Waffengesetz, WaffG) bei der zuständigen Verfassungsschutzbehörde an, ob Tatsachen bekannt sind, die gegen das Bestehen der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit einer Person sprechen. Dies gilt auch für die gesetzlich vorgesehene Überprüfung der Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse (SS 4 Abs. 3 WaffG). Die "Nachberichtspflicht" (SS 5 Abs. 5 Satz 3 WaffG) stellt sicher, dass der Verfassungsschutzverbund mitteilungsfähige Erkenntnisse zu (rechts-) extremistischem Verhalten einer Person auch nach der bereits erfolgten Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis an die Waffenbehörde nachmeldet. Durch diese Instrumente soll verhindert werden, dass Extremisten legal über waffenrechtliche Erlaubnisse verfügen. Um die verwaltungspraktischen Abläufe bei der Versagung bezieBund-Länder-Forum hungsweise Entziehung waffenrechtlicher Erlaubnisse stetig zu "Entwaffnung von verbessern, fand am 12. und 13. September 2023 eine weitere SitRechtsextremisten" zung des im Juli 2022 vom BMI ins Leben gerufenen Bund-LänderForums zum Themenkomplex "Entwaffnung von Rechtsextremisten" statt. In der Sitzung wurden unter anderem "Best Practices" diskutiert und Verfahrensweisen abgestimmt, um relevante Daten zur Entwaffnung und zum Entzug waffenrechtlicher Erlaubnisse mit noch besserer Validität ausweisen zu können. Auch illegaler Waffenbesitz ist in der Szene verbreitet. Sofern die Illegaler Verfassungsschutzbehörden Erkenntnisse über illegalen WaffenWaffenbesitz und besitz bei Extremisten gewinnen, werden andere Behörden zur 3D-Druck von Waffen Abwehr von Gefahren oder zur Strafverfolgung im Rahmen der 85 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS rechtlichen Möglichkeiten einbezogen. Mit der fortschreitenden Entwicklung der Technik, insbesondere moderner 3D-Druckverfahren, entstehen für Extremisten neue Möglichkeiten, sich zu bewaffnen. Zwar ist die Zahl der bekannt gewordenen Fälle, in denen tatsächlich Waffen mit einem solchen Verfahren hergestellt wurden, noch gering, jedoch zeigen im Internet abrufbare Videos, etwa zu deren Handhabung und Schussrate, deutlich das zerstörerische Potenzial solcher improvisierten Schusswaffen. 3.3 Aufklärung von Finanzierungsaktivitäten der rechtsextremistischen Szene Rechtsextremisten sind weiterhin in klassischen Geschäftsfeldern aktiv. Hierzu zählen insbesondere die Organisation von Musikveranstaltungen und der Vertrieb von rechtsextremistischen Szeneartikeln. Behördlicherseits wurden auch 2023 bereits begonnene rechtsextremistische Musikveranstaltungen aufgelöst und geplante verhindert, sodass die Szene keinen finanziellen Profit aus den betroffenen Veranstaltungen ziehen konnte. Ebenfalls für rechtsextremistische Finanzierungsaktivitäten relevant ist der Betrieb gastronomischer Einrichtungen. Hierbei findet häufig eine Vermischung der Geschäftsfelder statt. So werden gastronomische Einrichtungen auch für Musikund sonstige Veranstaltungen genutzt. Beispielhaft hierfür steht eine von einem Rechtsextremisten betriebene Gaststätte in Thüringen, die seit vielen Jahren als ein bundesweit bekannter Szenetreff fungiert, in welchem auch Musikveranstaltungen durchgeführt werden. Sie ist außerdem Sitz eines in der Szene populären Onlineshops, dessen breit gefächertes Angebot Merchandise wie Kleidungsstücke, Schmuck, Aufkleber, Tonträger und sogar Lebensmittel umfasst. Nachdem der rechtsextremistische Betreiber 2014 zunächst mit dem Eigentümer einen Kaufvertrag über die Immobilie abgeschlossen hatte, machte die Gemeinde, in der die Gaststätte liegt, 2015 ihr Vorkaufsrecht geltend, welches 2023 durch das Thüringer Oberverwaltungsgericht (OVG) bestätigt wurde. Perspektivisch kann die Gemeinde durch die Ausübung ihres Vorkaufsrechts das Objekt vom Eigentümer erwerben und den Nutzungsvertrag, den dieser mit dem rechtsextremistischen Betreiber der Gaststätte geschlossen hatte, auflösen. 86 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Spenden bilden einen weiteren relevanten Grundbaustein der Finanzierung der rechtsextremistischen Szene. Die Spendenmöglichkeiten sind dabei vielfältig und erstrecken sich neben geläufigen Zahlungsanbietern und klassischen Banküberweisungen auch auf verschiedene Arten von Kryptowährungen. Diese erlauben es dem Spender zum einen, seine Identität zu verschleiern. Zum anderen lassen sich darüber auch dann Geldtransfers abwickeln, wenn Spender und/oder Empfänger wegen rechtsextremistischer Aktivitäten keine Bank finden, bei der sie ein eigenes Konto führen können. Rechtsextremisten nutzen bisweilen auch illegale Methoden, um Gelder für den eigenen Lebensunterhalt oder die Szene zu erwirtschaften. So wurden im Berichtsjahr Mitglieder einer rechtsextremistischen Gruppierung vom Landgericht (LG) Erfurt (Thüringen) zu teils hohen Haftstrafen verurteilt. Schwerpunkt der Vorwürfe war der Handel mit Betäubungsmitteln. Den Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung (SS 129 StGB) sah das Gericht allerdings als nicht erwiesen an. 3.4 Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) widmet sich mit seiner Zentralstelle "Rechtsextremisten im öffentlichen Dienst" der Detektion rechtsextremistischer Vorfälle in Behörden, wobei der Aufklärung von rechtsextremistischen Netzwerken in Sicherheitsbehörden besondere Priorität zukommt. Bereits zum dritten Mal erscheint im Jahr 2024 zudem der Lagebericht "Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden", der auch Fälle aus der "Reichsbürger"und "Selbstverwalter"-Szene sowie erstmals auch solche aus dem Phänomenbereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" umfasst. 87 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS III. Aktuelle Entwicklungen im Rechtsextremismus 1. Fortgesetzte Instrumentalisierung von Krisen durch Rechtsextremisten Weite Teile der rechtsextremistischen Szene versuchen, komplexe Krisengeschehen und die damit einhergehende Unzufriedenheit in Teilen der Bevölkerung zu ihren Gunsten zu nutzen, um ihre ideologischen Narrative in der bürgerlichen Mitte zu verbreiten, wie in den vergangenen Jahren etwa im Zusammenhang mit der Coronapandemie. Diese spielte im Berichtsjahr jedoch nur noch eine nachgeordnete Rolle für die rechtsextremistische Agitation. Agitation im Zuge Seit dem Beginn des militärischen Angriffs Russlands auf die Ukrades russischen ine am 24. Februar 2022 griffen Rechtsextremisten die in der Folge Angriffskriegs gegen entstandenen wirtschaftlichen Verwerfungen, die in Deutschland die Ukraine zu steigenden Energieund Lebenshaltungskosten führten, in politischen Kampagnen und Mobilisierungsaufrufen auf. Vor dem Hintergrund wachsender Ängste und Unsicherheiten der Bundesbürgerinnen und -bürger propagierten rechtsextremistische Akteure ab dem Sommer 2022 einen bundesweiten "Heißen Herbst", der in einen bis Anfang des Berichtsjahrs andauernden "Wutwinter" übergehen sollte. Unter diesen Sammelbegriffen wurde in der rechtsextremistischen Szene die Mobilisierung zu Protestveranstaltungen gegen die Bundesregierung verstanden, die jedoch nur eine geringe Anziehungskraft entfalten konnten. Nachdem zu Beginn des Berichtsjahrs die Themen Energieund Wirtschaftskrise an Mobilisierungspotenzial eingebüßt hatten, versuchten sich Rechtsextremisten vor dem Hintergrund ihrer mehrheitlich prorussischen Einstellung und der damit verbundenen Ablehnung deutscher Waffenlieferungen an die Ukraine als Friedensaktivisten zu inszenieren. Der Schwerpunkt der Proteste lag dabei in den östlichen Bundesländern. Auch wenn das Teilnehmerfeld der Demonstrationen heterogen war, konnten wiederholt erfolgreiche Versuche von Rechtsextremisten festgestellt werden, das Protestgeschehen zu vereinnahmen. So organisierten Rechtsextremisten Demonstrationen, an denen auch nicht extremistische Personen teilnahmen, oder waren mit Ständen, Plakaten und Fahnen auf Protesten nicht extremistischer Initiatoren vertreten. Eine hinreichend klare Abgrenzung der nicht extremistischen Personen gegenüber anwesenden Rechtsextremisten fand dabei wiederholt 88 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS nicht statt. Insgesamt blieb über das Berichtsjahr hinweg das Ausmaß der Proteste jedoch weit hinter dem Demonstrationsgeschehen zu Hochzeiten der Coronapandemie und damit hinter den Erwartungen der rechtsextremistischen Szene zurück. Rechtsextremisten agitierten weiterhin gegen die MigrationspoErweiterung um litik der Bundesregierung und der EU. Seit dem Spätherbst 2022 migrationspolitische stellten rechtsextremistische Akteure wie die Regionalpartei "Freie Aspekte Sachsen" im Rahmen des bereits beschriebenen Protestgeschehens inhaltlich vermehrt wieder die Agitation gegen Flüchtlinge aus Afrika und dem Nahen Osten in den Vordergrund und riefen in den sozialen Medien wiederholt zum Protest gegen lokale Asylunterkünfte in mehreren Städten Sachsens auf. Über den Verlauf des Berichtsjahrs hinweg nahmen die Themen Migration und Asyl analog zu der wachsenden Zahl von Flüchtlingen und der darauf bezogenen gesamtgesellschaftlichen Debatte einen steigenden Stellenwert innerhalb der rechtsextremistischen Agitation ein. In diesem Zusammenhang konnte im Vergleich zum Vorjahr ebenfalls ein deutlicher Anstieg von rechtsextremistischen Gewalttaten gegen Asylunterkünfte beobachtet werden. Auch im Zusammenhang mit dem Angriff der HAMAS auf Israel Anfang Oktober 2023 und dem darauffolgenden Wiederaufflammen des Nahostkonflikts legte die rechtsextremistische Szene den Schwerpunkt ihrer Agitation auf dessen potenzielle innenpolitische Auswirkungen im Zuge von Migrationsbewegungen. Propalästinensische Demonstrationen wurden zum Anlass genommen, um fremdenfeindliche Argumentationsmuster zu bedienen und eine vermeintlich zunehmende öffentliche Dominanz von Musliminnen und Muslimen sowie eine angebliche Islamisierung der Gesellschaft anzuprangern (vgl. Sonderkapitel "Auswirkungen des Nahostkonflikts und Antisemitismus"). 2. Onlinevernetzung und Radikalisierung Im Rahmen der Bearbeitung des gewaltorientierten Rechtsextremismus werden vermehrt minderjährige Akteure bekannt, die zum Teil die Schwelle zur Strafmündigkeit noch nicht überschritten haben, sich aber zumindest verbal extremistisch und gewaltbereit äußern. Bei den durch das Internet begünstigten individuellen Radikalisierungsprozessen spielen verschiedene, mitunter sich 89 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS überlappende Onlinesubkulturen wie die Siege31-Szene eine hervorgehobene Rolle, die mit eigenen Chiffren und eigener Ästhetik besonders auf junge Nutzer anziehend wirken. Unabhängig von der Altersstruktur ist eine Anbindung von im Internet radikalisierten Akteuren an klassische rechtsextremistische Strukturen zumeist kaum oder gar nicht zu erkennen. Die oft nur mit großem Aufwand identifizierbaren Personen nutzen neben Telegram primär alternative Internetplattformen für den Austausch mit Gleichgesinnten. Eine hervorgehobene Bedeutung kommt dabei nicht regulierten Imageboards zu, in denen Gewaltdarstellungen und rechtsterroristische Manifeste kursieren. "AttentäterDeren Nutzerkreis betreibt zum Teil einen regelrechten Kult um Fanszene" einzeln agierende rechtsextremistische Terroristen oder Amoktäter. So werden diese entsprechend der Anzahl ihrer Todesopfer in Ranglisten bewertet oder bildlich als Heilige - in der Szene als "Saints" bezeichnet - dargestellt. Insbesondere der Attentäter von Oslo und Utoya (Norwegen), der 2011 bei zwei Anschlägen 77 Menschen ermordete, und der Attentäter von Christchurch (Neuseeland), der 2019 in zwei Moscheen 51 Menschen tötete, werden verehrt. Die Anhänger verbinden die Glorifizierung von Attentätern nicht selten mit Ankündigungen, selbst solche Taten in ihrem persönlichen Umfeld durchführen zu wollen. In einer Reihe solcher Fälle konnten Polizei und Verfassungsschutzbehörden jedoch Vorbereitungshandlungen auf Attentate frühzeitig erkennen und verhindern. Ein gefestigtes ideologisches Weltbild lässt sich in dieser Szene häufig nicht feststellen. So stehen in erster Linie die eigene gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit sowie Fantasien von der Ausübung brutaler Gewalt im Vordergrund. Trotzdem bieten die "Attentäter-Fanszene" sowie die Siege-Szene ihren Anhängern Anknüpfungspunkte zum Rechtsextremismus. Bereits einzelne rechtsextremistische Ideologiefragmente reichen zur Identifikation mit der Szene aus, auf die in der Regel eine rasante Radikalisierung innerhalb weniger Monate folgt. 31 Siege (engl.): Belagerung. Die Siege-Ideologie propagiert Guerillaanschläge gegen Infrastruktur und politisch Verantwortliche, um angenommene Spannungen zwischen der "weißen" Mehrheitsgesellschaft und ethnischen Minderheiten in westlichen Ländern zu verschärfen und damit einen Umsturz herbeizuführen. 90 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS In der "Attentäter-Fanszene" lassen sich unterschiedliche Akteure beobachten. Anonyme Internetnutzer verbreiten online, transnational und wenig zielgerichtet anstachelnde Memes und Texte, sogar bis hin zu Anleitungen zur Durchführung schwerster Gewalttaten. Unter den unzähligen Adressaten kann es Personen geben, die sich so zu terroristischen Gewalthandlungen anstacheln lassen. Dazu bedarf es keiner intensiven persönlichen Kennverhältnisse oder direkter Kontaktaufnahme. In der Wissenschaft wird dieses Phänomen mittels der Theorie des "Stochastischen Terrorismus" diskutiert. Diese besagt, dass Gewalthandlungen umso wahrscheinlicher werden, je zahlreicher und intensiver entsprechende Botschaften online im Internet verbreitet werden. 3. Rechtsextremistische "Erlebniskultur": Musik, Kampfsport und Fußball Auch im Berichtsjahr stellte die Teilnahme an rechtsextremistiMusik schen Musikveranstaltungen - insbesondere für aktionsorientierte Angehörige der subkulturellen rechtsextremistischen Szene - einen wichtigen Teil der rechtsextremistischen "Erlebniskultur" dar. Insgesamt erreichte die Zahl der rechtsextremistischen Musikveranstaltungen in Deutschland im Jahr 2023 einen Höchststand. Ausschlaggebend dafür waren überwiegend kleinere Veranstaltungen wie Liederabende und Szenefeiern mit Livemusik. Die Zahl der Konzerte blieb dagegen verhältnismäßig gering, die durchschnittliche Besucherzahl war stark rückläufig. Es fehlten auch weiterhin die besucherstarken und öffentlichkeitswirksamen Musikgroßveranstaltungen32, welche zuletzt im Jahr 2019 stattgefunden hatten. Hierzu haben die Maßnahmen der Sicherheitsbehörden beigetragen: Einerseits dürften insbesondere Auflagen zur Einhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dafür gesorgt haben, dass die Planung solcher Veranstaltungen aufgrund der Befürchtung finanzieller Verluste vielfach unattraktiv für die Veranstalter geworden ist. Andererseits konnten im Berichtszeitraum häufig rechtsextremistische Musikveranstaltungen verhindert beziehungsweise polizeilich aufgelöst werden. Solche Maßnahmen schwächen die rechtsextremistische Musikszene und schränken den Handlungsspielraum der Akteure ein. Durch die Verhinderung 32 Veranstaltungen mit mehr als 500 Teilnehmenden. 91 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS von Veranstaltungen werden zudem sowohl Vernetzungsbestrebungen als auch die Verbreitung der rechtsextremistischen Ideologie über die Liedtexte gestört. Darüber hinaus entstehen durch fehlende Konzerteinnahmen und den Verkauf von Fanartikeln finanzielle Verluste für die Musikgruppen und Konzertveranstalter. Rechtsextremistische Musikveranstaltungen 2022 2023 Konzerte 35 39 Liederabende 92 132 Sonstige33 130 151 Insgesamt 257 322 Kampfsport Kampfsport wird in der rechtsextremistischen Szene als Ausdruck von Wehrhaftigkeit vor dem Hintergrund eines elitären Selbstverständnisses propagiert. Ideologisch sind die dem Kampfsport innewohnende Ästhetik und Gewalt für den in der rechtsextremistischen Szene verbreiteten Körperkult anschlussfähig. Durch eine Abgrenzung von der angeblich dekadenten westlichen Gesellschaft wird versucht, Jugendliche und junge Männer für die Szene zu rekrutieren. Es gelang der rechtsextremistischen Kampfsportszene auch im Jahr 2023 nicht, in Deutschland eigene publikumswirksame Kampfsportveranstaltungen durchzuführen. Wohl auch aufgrund behördlicher Maßnahmen war vielmehr festzustellen, dass Rechtsextremisten vermehrt an nicht extremistischen Kampfsportveranstaltungen teilnahmen. Die unter der federführenden Organisation des rechtsextremistischen Kampfsportformats "Kampf der Nibelungen" (KdN) geplante "European Fight Night" (EFN) konnte jedoch mit einigen Einschränkungen unter vergleichsweise hoher Beteiligung deutscher Rechtsextremisten am 6. Mai 2023 in Ungarn mit rund 150 Besuchern durchgeführt werden. Der dortige Veranstalter, eine neonazistische Gruppierung aus Ungarn, war 33 Darunter fallen unter anderem Szenefeiern, Parteiveranstaltungen oder Rednerauftritte, die von musikalischen Darbietungen rechtsextremistischer Interpreten flankiert werden. 92 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS durch Intervention der ungarischen Behörden kurzfristig gezwungen, auf einen öffentlichen Fußballplatz etwa 80 Kilometer von Budapest entfernt auszuweichen. Im Vorfeld hatten deutsche Behörden zum Teil erfolgreich passbeschränkende oder -entziehende Maßnahmen gegen bekannte Organisatoren, Unterstützer, Kämpfer und Trainer des KdN-Netzwerks verhängt. Als Unterstützer der EFN-Veranstaltung traten Angehörige des KdN-Netzwerks aus der "Kampfgemeinschaft Cottbus" sowie dem Label "Black Legion", der Kampfsportgruppierung "Wardon" und "Barbaria Sportgemeinschaft e.V." in Erscheinung. Zwar dürften die Besucherzahlen hinter den Erwartungen des Veranstalters zurückgeblieben sein, jedoch wird durch veröffentlichtes Bildund Videomaterial auf einschlägigen Social-Media-Kanälen ein weitaus größeres Publikum erreicht und die Marke KdN als "Lifestyle" vermarktet. Auch für 2024 ist mit weiteren Versuchen des KdN-Hauptverantwortlichen zu rechnen, in Deutschland erneut drohende Verbote von KdN-Veranstaltungen mit Unterstützung befreundeter rechtsextremistischer Gruppen im Inund Ausland zu umgehen. Das in der Hooliganszene gepflegte Männlichkeitsbild, ein starkes Rechtsextremistische Gemeinschaftsgefühl und ein damit verbundenes Freund-FeindHooliganszene Denken sowie nicht zuletzt die hohe Gewaltaffinität bilden einen geeigneten Nährboden für die Anschlussfähigkeit an extremistische Milieus, insbesondere den Rechtsextremismus. Deshalb werden immer wieder Schnittmengen zwischen der Hooliganund der rechtsextremistischen Szene festgestellt. Aufgrund konsequenter Strafverfolgung und Präventionsarbeit der Fußballvereine verlagerten sich die Hooligan-Aktivitäten in den letzten Jahren von den Fußballstadien und den Spielorten weg. So wurden Strafund Gewalttaten mit Beteiligung von Rechtsextremisten vermehrt im Rahmen von Anund Abreisebewegungen oder bei sogenannten Drittortauseinandersetzungen34 registriert. Bei diesen Straftaten dürfte allerdings nicht immer eine rechtsextremistische Motivation zugrunde gelegen haben, sondern vielmehr der generelle Hang der Szeneangehörigen zur Gewaltausübung. Ebenso konnten in einigen Fällen Teilnahmen von Hooligans mit Bezügen zur rechtsextremistischen Szene an Demonstrationen, insbesondere bei Protesten gegen die staatlichen 34 Unter "Drittortauseinandersetzungen" versteht man von den Beteiligten vereinbarte gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Hooligan-Gruppen, die nicht zwangsläufig in zeitlicher oder räumlicher Nähe zu einem Fußballspiel stattfinden. 93 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Corona-Schutzmaßnahmen und solchen mit migrationsfeindlichem Inhalt, festgestellt werden. Viele rechtsextremistische Hooligans betreiben Kampfsport und nehmen aktiv als Kämpfer an entsprechenden Veranstaltungen teil. Hierdurch begründen sich Vernetzungen zwischen der Hooliganund der rechtsextremistischen Kampfsportszene. Dies führt zu einer Professionalisierung der Gewaltkompetenz rechtsextremistischer Hooligans. Sicherheitslage im Die rechtsextremistische Hooliganszene könnte der FußballZusammenhang mit Europameisterschaft UEFA EURO 2024 in Deutschland eine beder EURO 2024 sondere Bedeutung zumessen. So besteht die Möglichkeit, dass sich Hooligan-Gruppierungen, darunter auch rechtsextremistische beziehungsweise rechtsextremistisch beeinflusste, für dieses Großereignis zusammenschließen, um sich durch massive Präsenz gegenüber ausländischen Hooligan-Gruppen zu behaupten. In diesem Fall muss mit der Begehung von Strafund Gewalttaten durch Gruppen von Hooligans - auch auf Grundlage eines nationalistischen Weltbilds - gerechnet werden. 4. Immobiliennutzung und Siedlungsbestrebungen von Rechtsextremisten Für Rechtsextremisten dient der Erwerb von Grundstücken und Immobilien dazu, sich langfristig - teilweise über Generationen hinweg - in einer Region zu etablieren und Rückzugsräume für die Szene zu schaffen. Besonders in ländlichen Regionen im Norden und Osten Deutschlands suchen Rechtsextremisten gesellschaftliche Leerstellen im sozialen, kulturellen und infrastrukturellen Bereich, um diese mit eigenen Angeboten, Engagement in bereits vorhandenen Strukturen oder vermeintlicher "Nachbarschaftshilfe" zu füllen. Insbesondere bei rechtsextremistischen Siedlungsbestrebungen, die an die völkische "Blut und Boden"-Ideologie anknüpfen, zeigt sich deutlich die Vernetzung zwischen rechtsextremistischen Parteien und Organisationen, aber auch mit "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" sowie Personen aus dem Phänomenbereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates". Dabei können die Formen der Siedlungsbestrebungen sehr 94 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS unterschiedlich ausfallen. Das offiziell aufgelöste rechtsextremistische Netzwerk "Initiative Zusammenrücken" (IZ, vgl. Kap. II, Nr. 3.1) warb seit 2020 für einen Umzug von Rechtsextremisten aus westlichen Bundesländern in den Osten Deutschlands, um so das eigene Bestreben - eine gezielte Umsiedlung "autochthoner Deutscher"35 und den "Erhalt des Deutschen Volkes"36 - voranzutreiben. Während die IZ sich offen als Netzwerk an Szeneangehörige wandte und zum taktischen Zusammenzug zur Schaffung einer homogenen "Volksgemeinschaft" riet, setzten Rechtsextremisten im Umfeld der "Anastasia-Bewegung" (Verdachtsfall) auf eine Entgrenzung von extremistischem Gedankengut. So werden hinter einem auch an nicht extremistische Personengruppen anschlussfähigen Außenbild aus Esoterik und Ökologie antidemokratische, antisemitische sowie rassistische Ansichten verbreitet und Mitglieder aus dem nicht extremistischen Spektrum rekrutiert. 5. Homophobie und Queerfeindlichkeit Rechtsextremisten agitieren in den letzten Jahren immer offener und aggressiver gegen die Liberalisierung des öffentlichen Diskurses hinsichtlich unterschiedlicher sexueller Orientierungen sowie gleichgeschlechtlicher Partnerschaftsund Familienmodelle. Sie sehen Heterosexualität und die Vorstellung einer damit verbundenen "traditionellen Kernfamilie" als biologisch "natürlich" und somit alternativlos an. Schließlich könnten nur in dieser Konstellation Kinder geboren und damit letztlich der drohende "Volkstod" abgewendet werden. Jegliche Abweichung wird im Rahmen einer völkisch-biologistischen Ideologie als "Zersetzung des Volkskörpers" und als Anzeichen eines fortschreitenden kulturellen Verfalls gewertet. Durch Rekurs auf verschwörungstheoretische Narrative macht die rechtsextremistische Szene eine vermeintliche LGBTQPropaganda verächtlich, die angeblich insbesondere durch die Politik sowie öffentlich-rechtliche Medien Verbreitung finde. Die rechtsextremistische Szene agitierte im Berichtsjahr mit der Initiierung eines "Stolzmonats" als "patriotische Gegenbewegung" gegen den im Juni 2023 begangenen "Pride Month". Dieser durch verschiedene rechtsextremistische Akteure ausgerufenen 35 Homepage "Initiative Zusammenrücken" (28. September 2023). 36 Internetplattform Telegram (29. Oktober 2021). 95 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Gegenbewegung schlossen sich vor allem Akteure aus dem Umfeld der "Identitären Bewegung Deutschland" (IBD), aber auch andere Vertreter des rechtsextremistischen Spektrums an. So veröffentlichten zum Beispiel die "Jungen Nationalisten" (JN), die Jugendorganisation von "Die Heimat" (vormals NPD), einen Beitrag mit Bildern einer schwarz-rot-golden angesprühten Wand. Diese sei "passend zum #Stolzmonat aufgedeutscht" worden.37 Auch der Verein "Ein Prozent e.V." äußerte sich zum "Stolzmonat". Dieser sei die "patriotische Antwort auf den 'Pride Month', die alljährliche Ausgeburt des Mainstreams für angebliche Toleranz, 'Diversity' und, natürlich, Verkaufsinteressen".38 Ebenfalls nahmen Mitglieder der "Jungen Alternative" (JA), der Jugendorganisation der "Alternative für Deutschland" (AfD, Verdachtsfall), am "Stolzmonat" teil.39 6. Antisemitismus im Rechtsextremismus Für die rechtsextremistische Ideologie ist Antisemitismus seit jeher von zentraler Bedeutung. Zwar variieren Bedeutung und Erscheinungsform in den verschiedenen rechtsextremistischen Strömungen, doch stellt Antisemitismus ein ideologisches Grundmerkmal innerhalb des gesamten Phänomenbereichs dar. Die rechtsextremistische Szene ist durch verschiedene ideologische Strömungen, unterschiedliche Akteure und Organisationsformen und dementsprechend durch stark variierende Praktiken, Ausdrucksformen, Vorgehensweisen und Verbreitungswege gekennzeichnet. Dies betrifft ebenso auch den Antisemitismus im Rechtsextremismus, der für Rechtsextremisten in ihren jeweiligen (Unter-)Strömungen unterschiedliche Funktionen erfüllt: " Antisemitismus bewirkt Identitätsstiftung und fördert ein Gemeinschaftsbewusstsein. Die negative Abgrenzung von "den Juden" als äußerer und vor allem gemeinsamer Feind erzeugt und stärkt die eigene Gruppenidentität. " Antisemitismus bietet Erklärungsmuster für Ereignisse und Prozesse, die entweder nicht oder nur schwer zu durchschauen sind. Durch antisemitische Verschwörungstheorien werden komplexe Sachverhalte und anonym ablaufende Entwicklungen auf das angebliche Wirken "der Juden" zurückgeführt und 37 Internetplattform Telegram (24. Juni 2023). 38 Homepage "Ein Prozent e.V." (22. Juni 2023). 39 Onlineplattform Instagram (8. Juni 2023). 96 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS so greifbar gemacht. Dies dient der eigenen Orientierung in einer unübersichtlichen Welt und erzeugt dadurch auch ein Gefühl der Sicherheit und Bestätigung. " Antisemitismus erfüllt eine Legitimationsfunktion, indem er sich zur Agitation gegen das bestehende politische System richtet. In diesem Zuge wird sowohl die Rechtmäßigkeit der bestehenden, angeblich "jüdischen" Ordnung bestritten als auch die Position von Rechtsextremisten als vorgeblich einzig legitimem politischen Repräsentanten und Sprachrohr "des Volkes" untermauert. " Antisemitismus dient dazu, Zustimmung und Unterstützung von außerhalb der Szenen zu erzeugen. So wird versucht, latente judenfeindliche Einstellungen innerhalb der Bevölkerung anzusprechen und sie für die eigenen Zwecke zu nutzen. Die eindeutig höchste Sichtbarkeit und größte inhaltliche und formale Bandbreite des rechtsextremistischen Antisemitismus finden sich nach wie vor im digitalen Raum. Die wesentlichen Gestaltungsund Hilfsmittel, die hierfür genutzt werden, unterscheiden sich grundsätzlich nicht von den Mitteln, die auch in nicht extremistischen Zusammenhängen gängig sind und für völlig unverfängliche Zwecke eingesetzt werden, wie etwa Memes.40 Zu den jüngsten Entwicklungen, die in diesem Zusammenhang Antisemitische zu verzeichnen sind, gehören Bilder, die unter Einsatz von künstKI-generierte Bilder licher Intelligenz (KI) erstellt werden. Insbesondere seit Mitte 2023 tauchten KI-generierte antisemitische Bilder in großem Umfang auf allen szenerelevanten Plattformen auf. Da entsprechende kostenlose Bilderstellungstools immer zugänglicher für eine breite Nutzerschaft werden, können auch rechtsextremistische Nutzerinnen und Nutzer entsprechende Bilder generieren. Zuletzt wurde angesichts der Eskalation im Nahen Osten häufig israelbezogener Antisemitismus visualisiert und durch Rechtsextremisten verbreitet. So kursierten etwa KI-generierte antisemitische Filmplakate im Stil der Animationsfilme des Filmstudios Disney Pixar. Eine entsprechende Darstellung zeigt beispielsweise einen freudig die Betrachterinnen und Betrachter anschauenden Adolf Hitler vor dem Hintergrund toter und sterbender Menschen eines NSVernichtungslagers. 40 Bei Memes handelt es sich um im Internet geteilte Bilder, Slogans, animierte und bewegte Fotos oder Videos mit humorvollem Inhalt, die in einfacher Bild-Text-Kombination komplexe Botschaften vermitteln und darin verglichen werden können mit Karikaturen des analogen Zeitalters, wie sie etwa aus Zeitungen bekannt sind. 97 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Auswirkungen des In bekannten und weithin erwartbaren Bahnen bewegen sich auch HAMAS-Angriffs vom die rechtsextremistischen Parteien. Hier hat der Angriff der HAMAS 7. Oktober 2023 am 7. Oktober 2023 vergleichsweise großen Widerhall gefunden und politische Positionierungen nach sich gezogen, die zumeist an diejenigen aus dem Mai 2021 anschlossen, als die letzte große Eskalation im Nahostkonflikt zu verzeichnen war. Damals vertraten die NPD (seit Juni 2023: "Die Heimat") und ihre Jugendorganisation "Junge Nationalisten", "Die RECHTE" und "Der III. Weg" in Varianten grundsätzlich dieselbe Position: Israel sei ein "Terrorstaat" (vgl. Sonderkapitel "Auswirkungen des Nahostkonflikts und Antisemitismus"). Nur vier Tage nach dem Überfall der HAMAS am 7. Oktober 2023 brachte der Kreisverband Dortmund (Nordrhein-Westfalen) von "Die Heimat" am Szeneobjekt in der Dortmunder Thusneldastraße eine Palästinaflagge sowie ein Banner mit der Aufschrift "Der Staat Israel ist unser Unglück" an. Das Banner zielte unverkennbar darauf ab, Assoziationen mit der NS-Parole "Die Juden sind unser Unglück" zu wecken. Diese Parole, obgleich bereits im 19. Jahrhundert geprägt, wurde in der NS-Zeit insbesondere durch ihre allwöchentliche Verwendung auf der Titelseite des antisemitischen Propagandablatts "Der Stürmer" popularisiert. Straftaten mit Auch bei rechtsextremistisch motivierten Angriffen auf Politikeantisemitischem rinnen und Politiker sowie Parteieinrichtungen spielt AntisemiHintergrund tismus eine Rolle, wenngleich in aller Regel nicht näher bestimmt werden kann, ob ein antisemitisches Moment tatauslösend oder von entscheidender ideologischer Bedeutung war. Insbesondere seit dem Angriff der HAMAS am 7. Oktober 2023 sind Straftaten mit explizitem antisemitischem Hintergrund festzustellen. So wurde im Zeitraum zwischen dem 20. und 22. Oktober die Scheibe der Geschäftsstelle der Partei Bündnis 90/Die Grünen im niedersächsischen Wolfenbüttel mit dem Wort "Judensau" besprüht. In der Nacht vom 14. auf den 15. Dezember wurde in die Geschäftsstelle der Partei DIE LINKE. in Meiningen in Thüringen eingebrochen. Die Räume der Geschäftsstelle wurden mit rechtsextremistischen und auch antisemitischen Aufklebern versehen. Beide Angriffe verdeutlichen, dass sich Antisemitismus keineswegs stets nur auf jüdische und/oder israelische Einrichtungen richtet. Antisemitische Führende Amtsund Mandatspersonen sowie Parteien stehen Verschwörungsebenfalls regelmäßig im Fokus - werden sie doch im Rahmen theorien von Verschwörungstheorien als Teil einer Elite von sogenannten 98 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Globalisten oder als deren Handlanger dargestellt. Ziel der Urheber solcher Verschwörungstheorien ist dabei neben einer Herabwürdigung der Betroffenen bisweilen auch, die Hemmschwelle für Angriffe zu senken. Darüber hinaus ist bei einzelnen Kanälen im digitalen Raum, auf denen regelmäßig gegen Politikerinnen und Politiker sowie demokratische Institutionen und Parteien agitiert wird, ein hoher Anteil antisemitisch geprägter Inhalte feststellbar. Ein Beispiel dafür bieten die sogenannten Sonntagsgespräche der rechtsextremistischen Regionalpartei "Freie Sachsen" unter Moderation des stellvertretenden Parteivorsitzenden, der hier regelmäßig antisemitisch konnotierte Verschwörungstheorien platziert.41 Verschwörungstheorien sind allgemein für die niederschwellige Verbreitung antisemitischer Denkund Argumentationsweisen von zentraler und kaum zu überschätzender Bedeutung. Innerhalb und außerhalb (rechts-)extremistischer Kreise kommen die verschiedensten Verschwörungstheorien, die entweder im Kern antisemitisch oder aber entsprechend ausgestaltbar und anschlussfähig sind, stetig neu auf oder werden aus bereits bekannten heraus weiterentwickelt. Besonders gefährlich macht sie, dass sie - wie zuletzt im Zuge der Demonstrationen im Zusammenhang mit der Coronapandemie zu beobachten war - in die breitere Gesellschaft ausstrahlen und dort Wirkungen entfalten können, die von einer Entfremdung von der Demokratie bis hin zu unverhohlener Verfassungsfeindlichkeit und offenem Judenhass reichen können. IV. Rechtsextremistische Akteure der Neuen Rechten und Verdachtsfall "Verlag Antaios" Unter die Bezeichnung Neue Rechte wird ein informelles NetzIdeologie werk von Gruppierungen, Einzelpersonen und Organisationen gefasst, in dem nationalkonservative bis rechtsextremistische Kräfte zusammenwirken, um anhand unterschiedlicher Strategien teilweise antiliberale und antidemokratische Positionen in Gesellschaft und Politik durchzusetzen. Akteure der Neuen Rechten versuchen Einfluss auf den vorpolitischen Raum zu nehmen, um ihre antidemokratischen Positionen politisch zu verwirklichen. Innerhalb des Netzwerks füllen diese Akteure unterschiedliche und 41 Homepage "Freie Sachsen" (7. März 2024). 99 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS teils komplementäre Rollen aus. Gemeinsames Ziel ist eine "Kulturrevolution von rechts". Entwicklungen und Insbesondere bei den migrationskritischen Aktionen von GrupVernetzung pierungen der Neuen Rechten waren im Jahr 2023 Verstöße gegen die Menschenwürde und damit rechtsextremistische Bezüge festzustellen. Bei dem Verein "Ein Prozent e.V." und dem "Institut für Staatspolitik" (IfS) verdichteten sich die Anhaltspunkte für Rechtsextremismus zur Gewissheit, weshalb sie nunmehr als gesichert rechtsextremistische Bestrebungen bearbeitet werden. Weiterhin bauten Akteure der Neuen Rechten ihre Verbindungen in die europäischen Nachbarländer aus. Die Vernetzung der Akteure der Neuen Rechten spiegelt sich auch in ihrem jeweiligen Selbstbild als Strategen (IfS), Meinungsmacher ("COMPACT-Magazin GmbH"), Netzwerker ("Ein Prozent e.V."), Verleger ("Verlag Antaios", Verdachtsfall) oder Aktivisten (IBD) wider. Auch Verbindungen des IfS, von "Ein Prozent e.V." sowie der "COMPACT-Magazin GmbH" in das Parteienspektrum, insbesondere zur AfD (Verdachtsfall) und deren Jugendorganisation JA sind bekannt (vgl. Kap. V, Nr. 5 und 6). Auch bestehen Kooperationen der Neuen Rechten mit den "Freien Sachsen" (vgl. Kap. V, Nr. 4). 1. "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) Die "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) sieht sich selbst als "außerparlamentarische Oppositionsbewegung" und "patriotische Jugendbewegung"42 und ist mit regionalen Untergruppen bundesweit aktiv. Der IBD sind das Finanzdienstleistungsunternehmen "Schanze Eins" und die hinter dem IBD-Onlineshop "Phalanx Europa" stehende Unternehmergesellschaft "Kohorte" zuzurechnen. Die IBD nutzt intensiv soziale Medien und ist neben der Internetplattform Telegram unter Profilen, die vordergründig keinen Bezug zu ihr vermuten lassen, auf dem Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) und auf Instagram aktiv. Auch im Jahr 2023 blieb die Zahl der Mitglieder und Anhänger mit etwa 500 konstant. Ideologie Die IBD vertritt das Konzept des "Ethnopluralismus", das auf der Vorstellung einer staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung in 42 Homepage "Identitäre Bewegung Deutschland" (24. Januar 2024). 100 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS einem ethnisch und kulturell homogenen Staat basiert. Für die IBD ist allein die ethnische Herkunft maßgeblich für die Zugehörigkeit zum deutschen Volk. Ethnischen Minderheiten wird dadurch ein geringerer Wert zugestanden. Die inhaltlichen Positionen der IBD und ihre darauf aufbauende Agitation stellen eine Missachtung der im Grundgesetz garantierten Menschenrechte dar, insbesondere der Menschenwürde sowie des Diskriminierungsverbots. Auch die für die IBD charakteristischen Schlagworte "Remigration"43 und "Reconquista"44 sind ausländerund islamfeindlich.45 Im Berichtsjahr trat die IBD wieder vermehrt durch öffentlichAktionen keitswirksame Aktionen in Erscheinung, die sich inhaltlich ihrem ursprünglichen Kernthema des "Großen Austauschs"46 widmeten. Eine breite mediale Resonanz erzeugte eine migrationsfeindliche Aktion am 9. Februar 2023 in Peutenhausen (Bayern), bei der eine Asylunterkunft von IBD-Aktivisten durch ein großes Transparent als "Gefährderstandort" markiert wurde. Im Berichtsjahr traten Aktivisten bei öffentlichen Aktionen weiterhin überwiegend vermummt auf, um eine Identitätsfeststellung zu erschweren. Im Mai 2023 setzte die IBD zudem eine großflächige Plakatkampagne unter dem Motto "No Way - Do not come to Europe" in mehreren afrikanischen Staaten um. Diese "Aufklärungskampagne" habe laut eigener Angabe zum Ziel, die "Masseneinwanderung nach Europa" zu verhindern. Ein weiteres wichtiges Aktionsfeld der IBD im Berichtsjahr war die Agitation gegen die Inbetriebnahme von Asylunterkünften. In Dresden (Sachsen) kam es am 28. Oktober 2023 zu einer öffentlichkeitswirksamen Aktion, bei der "identitäre" Aktivisten kurzzeitig auf dem Hausdach einer geplanten Asylunterkunft verweilten und ein Banner mit der Aufschrift "Kein Raum für Überfremdung" entrollten. 43 Mit "Remigration" zielen Akteure der Neuen Rechten auf die Herstellung größtmöglicher "ethnokultureller" Homogenität und damit auf eine "Umkehr" der Migrationsströme ab. Konkret sollen jene Bevölkerungsteile Deutschland und Europa verlassen, die nicht den jeweiligen "ethnokulturellen" Kriterien entsprechen. 44 Mit "Reconquista" (historisch: Rückeroberung der südiberischen Gebiete zwischen dem 8. und 15. Jahrhundert und Zurückdrängung des muslimischen Einflussbereichs in Europa) ist die "Rückeroberung" des Denkund Sprachraums durch die Neue Rechte gemeint. 45 VG Köln, Urteil vom 13.10.2022 - 13 K 4222/18. 46 Vertreter des rechtsextremistischen Ideologems des "Großen Austauschs" sehen die "ethnokulturelle" Identität der europäischen Völker durch eine Masseneinwanderung kulturfremder Einwanderer bedroht. Durch politische, kulturelle und wirtschaftliche Eliten soll nach der Verschwörungstheorie dieser Zustrom gesteuert werden. Ziel sei es, die angestammten Völker und Kulturen Europas weitestgehend durch eine steuerbare Masse an Konsumenten zu ersetzen. 101 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Die Leitfigur der deutschsprachigen "Identitären Bewegung", der österreichische Staatsbürger Martin Sellner, nutzte seine Reichweite zur verstärkten Propagierung des von ihm maßgeblich entwickelten Konzepts der "Remigration". Am 25. November 2023 fand in Potsdam (Brandenburg) ein Treffen statt, an dem unter anderem auch Politikerinnen und Politiker der AfD (Verdachtsfall), Protagonisten der Neuen Rechten und Unternehmer teilgenommen haben. Inhalt der Veranstaltung war unter anderem das Sammeln von Spenden für Akteure der Neuen Rechten sowie die AfD. Im Rahmen der Veranstaltung stellte Sellner seine Überlegungen zur praktischen und systematischen Umsetzung des Konzepts der "Remigration" vor. Vernetzung Eine zunehmende Vernetzung konnte im Berichtsjahr zwischen der IBD und selbsternannten europäischen "patriotischen Bewegungen", die eine starke ideologische Nähe zur IBD aufweisen, festgestellt werden. Im Zuge dieser grenzüberschreitenden Ausrichtung reisten Angehörige der IBD im Juli 2023 nach Wien (Österreich), um gemeinsam mit Aktivisten aus Österreich und weiteren europäischen Ländern unter dem Motto "Remigration" zu demonstrieren. Zudem beteiligten sich bei der Protestaktion am 28. Oktober 2023 in Dresden einzelne Akteure "patriotischer Jugendbewegungen" aus der Schweiz und Belgien. Darüber hinaus wurde die Zusammenarbeit mit der Jugendorganisation der Partei AfD (Verdachtsfall), der JA, weiter vorangetrieben. 2. "COMPACT-Magazin GmbH" Die "COMPACT-Magazin GmbH" ist ein multimedial ausgerichtetes Unternehmen. Neben dem Hauptprodukt, der seit Dezember 2010 herausgegebenen Monatszeitschrift "COMPACTMagazin", zählen umfangreiche Onlineangebote wie eine eigene Website, ein Internet-Videokanal sowie Präsenzen in den sozialen Medien zu den Angeboten von "COMPACT". Auch im Berichtsjahr wurde das Online-TV-Format "COMPACT.DerTag" von Montag bis Freitag produziert und ausgestrahlt. Darüber hinaus beteiligte sich die "COMPACT-Magazin GmbH" an Demonstrationen und führte eigene Veranstaltungen und Kampagnen durch. Ideologie "COMPACT" verbreitet in seinen unterschiedlichen Publikationen regelmäßig antisemitische, minderheitenfeindliche, 102 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS geschichtsrevisionistische und verschwörungstheoretische Inhalte. Hauptmerkmal der verbreiteten Beiträge ist die Agitation gegen die parlamentarische Demokratie im Allgemeinen und gegen die Bundesregierung im Besonderen. Verschwörungstheoretische Erzählungen werden dabei von "COMPACT" politisch instrumentalisiert, um staatstragende Institutionen und das Konzept einer offenen, pluralistischen Gesellschaft zu diskreditieren. So äußerte der "COMPACT"-Chefredakteur Jürgen Elsässer beispielhaft: "Wir wollen dieses Regime stürzen. Wir machen keine Zeitung, indem wir uns hinter den warmen Ofen oder den Computer verziehen und irgendwelche Texte wie eine Laubsägenarbeit auf den Markt bringen. Sondern das Ziel ist der Sturz des Regimes." (Homepage "COMPACT-Magazin GmbH", 13. Juni 2023) Elsässer wirkt durch seine Tätigkeiten und Verbindungen als zenVernetzung traler Vernetzungsakteur zwischen der Neuen Rechten und dem rechtsextremistischen Parteienspektrum. Exemplarisch ist hier neben der Ausweitung der Zusammenarbeit mit der rechtsextremistischen Regionalpartei "Freie Sachsen" auch die Vernetzung mit der AfD (Verdachtsfall) zu nennen, die sich beispielsweise in Auftritten von AfD-Vertretern bei "COMPACT-TV" und wohlwollender Berichterstattung im "COMPACT-Magazin" im Vorfeld der Landtagswahl in Bayern ausdrückte. 3. "Ein Prozent e.V." Die Gruppierung "Ein Prozent" besteht seit Herbst 2015 und ist seit April 2016 ins Vereinsregister eingetragen. Der Verein hat seinen Sitz in Dresden (Sachsen)47 und entfaltet bundesweite Wirkkraft. Dabei treibt er in intensiver finanzieller und ideeller Form die Unterstützung, Bewerbung und Förderung verschiedener Organisationen, Gruppierungen und Einzelpersonen - insbesondere aus dem Spektrum der Neuen Rechten - voran und vernetzt sie miteinander. So spendete "Ein Prozent" zum Beispiel im September 2023 mithilfe ihres sogenannten Solifonds 3.000 Euro an Aktivisten der "Identitären Bewegung".48 47 Auf seiner Website gibt der Verein Dresden als Sitz an. Laut Vereinsregister befindet sich der offizielle Sitz des Vereins seit 2021 in Görlitz (Sachsen). 48 Homepage "Ein Prozent e.V." (6. September 2023). 103 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Ideologie "Ein Prozent" vertritt einen ethnisch-abstammungsmäßig definierten Volksbegriff, weist eine migrantenund muslimfeindliche sowie rassistische ideologische Ausrichtung auf, verbreitet antisemitische Narrative und propagiert das verschwörungstheoretische Konzept des "Großen Austauschs". So enthalten zahlreiche und über die Internetpräsenzen des Vereins veröffentlichte Beiträge Aussagen wie: "Die Masseneinbürgerungen sind Teil eines laufenden Austauschs des Staatsvolkes (...)." (Homepage "Ein Prozent e.V.", 24. August 2023) Seit dem Frühjahr 2023 wird der Verein vom BfV als gesichert rechtsextremistische Bestrebung bearbeitet. 4. "Institut für Staatspolitik" (IfS) Das "Institut für Staatspolitik" (IfS) wurde im Mai 2000 als eingetragener Verein ("Verein für Staatspolitik e.V.") gegründet. Mitgründer Götz Kubitschek ist der prominenteste Repräsentant des IfS. Sitz des Vereins ist der Ortsteil Schnellroda in der Gemeinde Steigra (Sachsen-Anhalt). Aktivitäten Das IfS sieht sich als prägender Ideenund Impulsgeber der Neuen Rechten. Es publiziert neben der Zeitschrift "Sezession" eigene Buchund Schriftenreihen und betreibt den reichweitenstarken Onlineblog "Sezession im Netz". Darüber hinaus organisiert das IfS regelmäßig Veranstaltungen und mehrtägige Kongresse, die als "Akademien" bezeichnet werden und an denen bis zu 150 Personen teilnehmen. Ideologie Das IfS hält an einem ethnisch-abstammungsmäßig definierten Volksbegriff fest. Es zeichnet sich durch migrantenund muslimfeindliche sowie mitunter rassistische Äußerungen aus, verbreitet geschichtsrevisionistische Positionen und vereinzelt auch antisemitische Narrative. So äußerte sich der österreichische Aktivist der "Identitären Bewegung" (IB) Martin Sellner, der Stammautor der "Sezession im Netz" ist, in einem Vortrag auf der "Winterakademie" des IfS im Januar 2023 wie folgt: 104 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS "Das ist der von der Presse als Verschwörungstheorie titulierte Bevölkerungsaustausch, der selbstverständlich stattfindet. Und die ethnische Wahl ist das Ergebnis des Bevölkerungsaustauschs, das eben absolut unleugbar eintritt, weil die eingewanderten Migrantengruppen sich nicht assimilieren und auch ein eigenes, spezifisches Wahlverhalten aufweisen. Ihre Biomasse wird zu einer demokratischen Biomacht." (Internetplattform Odysee, 22. Februar 2023) Die quantitative und qualitative Verdichtung der tatsächlichen Anhaltspunkte zu den rechtsextremistischen Ideologemen des IfS begründete im Frühjahr 2023 dessen Hochstufung zur gesichert rechtsextremistischen Bestrebung. 5. Verdachtsfall "Verlag Antaios" Der "Verlag Antaios" wurde im Jahr 2000 gegründet und zunächst bis 2012 unter dem Namen "Edition Antaios" geführt. Er hat seit 2003 seinen Sitz in Schnellroda (Sachsen-Anhalt), wo auch das IfS ansässig ist. Die Leitung lag im Berichtsjahr unverändert bei Götz Kubitschek, der nicht nur Verlagseigentümer, sondern gleichzeitig Co-Vorsitzender des IfS sowie Gründungsmitglied des Vereins "Ein Prozent e.V." ist. Aufgrund dieser Personalunion ist eine enge Verbindung zwischen Verlag und IfS gegeben, wie auch verschiedene Formate (z.B. Podcasts) und Veranstaltungen zeigen, bei denen der "Verlag Antaios" und das IfS als gemeinsame Organisatoren auftreten. Zur Autorenschaft zählen ehemalige und aktive Protagonisten der Autorenschaft "Identitären Bewegung" in Deutschland und Österreich. Darüber hinaus weisen verschiedene Personen eine Mehrfachautorenschaft beim "Verlag Antaios", der Zeitschrift "Sezession" des IfS und dem "COMPACT-Magazin" auf. Durch diese Kooperationen und Überschneidungen werden auch Positionen dieser Akteure über den "Verlag Antaios" transportiert. Im Verlagsprogramm fanden sich auch im Jahr 2023 Publikationen, Ideologie in denen das Ideologiemerkmal des "Ethnopluralismus" thematisiert und davon ausgehend ein ethnisch-abstammungsmäßiger Volksbegriff propagiert wurde. Darüber hinaus werden in aktuellen Erzeugnissen des Verlags migrantenund muslimfeindliche 105 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS sowie mitunter rassistische Positionen und weiterhin geschichtsrevisionistische Inhalte vertreten. So heißt es in einer Publikation des "Verlag Antaios" aus dem Jahr 2023: "Es sind nicht Hochqualifizierte, die nach Deutschland und Europa einwandern. Mit einem IQ von 80 oder 90 kann man keine qualifizierten Arbeiten ausführen; ein deutscher Handwerksberuf wie Elektriker, Zahntechniker, Mechatroniker erfordert eine höhere Intelligenz. Diese IQ-Unterschiede sind wenig problematisch, solange die Menschen in ihren natürlichen Heimatregionen leben; ein Afrikaner in Afrika, ein Syrer in Syrien, ein Afghane in Afghanistan kann in seiner Gesellschaft wertvolle Beiträge leisten. Aber in der hochkomplexen europäischen Gesellschaft und Arbeitswelt kann er das kaum. Da viele Eigenschaften, Intelligenz eingeschlossen, überwiegend vererbt werden, ist der Plan, durch Masseneinwanderung die nicht mehr geborenen autochthonen Fachkräfte zu ersetzen, zum Scheitern verurteilt." (Maximilian Krah, "Politik von rechts. Ein Manifest", Schnellroda 2023, S. 179) V. Rechtsextremistisches Parteienspektrum Während im Berichtsjahr die "Alternative für Deutschland" (AfD, Verdachtsfall) in Wahlumfragen weiter an Zustimmung gewann, spielte ein Großteil der rechtsextremistischen Parteien bei Wahlen keine Rolle. Nichtsdestoweniger leisteten ihre Organisationsstrukturen weiterhin einen wichtigen Beitrag für die interne Vernetzung und den inneren Zusammenhalt der rechtsextremistischen Szene. 1. "Die Heimat" (vormals "Nationaldemokratische Partei Deutschlands", NPD) Seit ihrem Bundesparteitag am 3. Juni 2023 in Riesa (Sachsen) trägt die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) mit "Die Heimat" einen neuen Namen. Nachdem die Umbenennung auf dem Parteitag 2022 noch die notwendige Mehrheit verfehlt hatte, konnte der Parteivorstand um den Bundesvorsitzenden Frank 106 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Franz nunmehr einen internen Erfolg erzielen und den seit Jahren angekündigten Reformprozess durch den symbolträchtigen Akt der Umbenennung untermauern. Programmatisch und ideologisch bleibt "Die Heimat" dagegen ihren Überzeugungen treu: Wie zahlreiche Funktionäre im Nachgang zur Umbenennung betonten, bedeute der Namenswechsel keineswegs eine Anpassung an das politische System oder eine inhaltliche Mäßigung. Das 2010 beschlossene Parteiprogramm bleibt demnach unangetastet. Festzustellen sind jedoch eine Modernisierung sowie eine VereinThemenheitlichung des Auftretens in der Öffentlichkeit und den sozialen schwerpunkte Medien. Auch die thematischen Schwerpunkte passte die Partei im Berichtsjahr zunehmend an die eigene Zielsetzung an, sich bürgernäher und pragmatischer zu präsentieren. So legte "Die Heimat" den Fokus auf Themen wie Sozialpolitik, die Energiewende und die Diskussion um das sogenannte Heizungsgesetz sowie die Migration nach Deutschland und versuchte so, an breite gesellschaftliche Debatten anzuknüpfen. Mit der im Spätsommer 2023 ins Leben gerufenen Kampagne "Werde Heimatschützer"49 bemühte sich die Partei schließlich, diese Themen auch wieder verstärkt auf die Straße zu tragen. So führte "Die Heimat" im Oktober 2023 eine Aktionswoche in mehreren Städten durch, bei der es zu unterschiedlichen Aktionen und kleineren Kundgebungen unter anderem in Berlin, Brandenburg und Niedersachsen kam. Dabei führte die Partei unter anderem Protestaktionen gegen Moscheebauprojekte und Asylbewerbereinrichtungen durch. Auch die Vernetzung mit anderen Akteuren des rechtsextremistiVernetzung schen Spektrums bleibt ein zentrales Ziel der Partei. Die Zusammenarbeit mit der rechtsextremistischen Regionalpartei "Freie Sachsen" intensivierte sich merklich. Die Aufnahme zahlreicher Neonazis aus der Partei "DIE RECHTE" und die Gründung eines neuen Kreisverbands "Heimat Dortmund" im Januar 2023 belegen zudem, dass auch weiterhin enge Kontakte ins neonazistische Spektrum bestehen und seitens von "Die Heimat" sogar gesucht werden. Die bereits 2022 eingeführte und als bundesweites Vernetzungstreffen konzipierte Veranstaltungsreihe "DS-Netzwerktag" des Parteiperiodikums "Deutsche Stimme" (DS) fand im Mai 2023 bereits zum dritten Mal statt. 49 Homepage "Die Heimat" (2. November 2023). 107 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Wahlstrategie Entsprechend der Vorgabe, sich zunächst strategisch konsolidieren zu wollen, trat "Die Heimat" im Berichtsjahr bei keiner Wahl auf Landesebene an. Die Partei hatte vielmehr im Rahmen ihres Modernisierungsprozesses angekündigt, sich vorerst auf die kommunale Ebene zu konzentrieren und ihre politische Basis zu stärken. So trat der ehemalige Landesvorsitzende von Hessen bei der Landratswahl im Wetteraukreis (Hessen) an. Die Aufstellung einer Kandidatenliste für die Europawahl 2024 zeigt indes deutlich auf, dass die Partei auch zukünftig an Wahlen teilnehmen möchte. Als Spitzenkandidat wurde dabei der derzeitige stellvertretende Bundesvorsitzende Udo Voigt, welcher bereits von 2014 bis 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments gewesen war, gewählt. Abspaltungen Mit der Umbenennung in "Die Heimat" setzte ein Abspaltungsprozess einzelner Parteiverbände ein, welcher sich bereits durch die seit Jahren anhaltenden internen Konflikte abgezeichnet hatte. So verkündeten die Landesverbände Hamburg und Saarland im Juni 2023 ihr Ausscheiden aus der Partei "Die Heimat". Diese wollen nach eigener Aussage eine Grundlage schaffen, um "zukünftig als NPD auch bundesweit wieder eine entscheidende Rolle zu spielen".50 ParteienIn dem seit 2019 laufenden Verfahren zum Ausschluss der NPD, finanzierungsnunmehr Partei "Die Heimat", von der staatlichen Parteienfinanausschlussverfahren zierung51 fand am 4. Juli 2023 die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht statt.52 2. "DIE RECHTE" Der bereits in den Vorjahren deutlich wahrnehmbare Niedergang der Partei "DIE RECHTE" hat sich auch im Berichtsjahr weiter fortgesetzt. Der Bedeutungsverlust zeigt sich einerseits darin, dass kaum noch öffentlichkeitswirksame Aktionen stattfanden, zum 50 Facebook-Seite NPD Hamburg (21. Juni 2023). 51 Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2017 im NPD-Verbotsverfahren wurde von Bundestag und Bundesrat eine am 20. Juli 2017 in Kraft getretene Grundgesetzänderung verabschiedet, die nach Artikel 21 Absatz 3 Grundgesetz (GG) i.V.m. SS 13 Nr. 2a sowie SSSS 43 ff. Bundesverfassungsgerichtsgesetz den Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der staatlichen Parteienfinanzierung ermöglicht. 52 Mit Urteil vom 23. Januar 2024 ist die Partei von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen. Vgl. BVerfG, Urteil vom 23.01.2024 - 2 BvB 1/19. 108 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS anderen musste die Partei auch massive personelle Verluste und den Verlust von Organisationsstrukturen verkraften. Mit dem im Januar 2023 erfolgten Übertritt maßgeblicher Teile des wichtigsten Landesverbands Nordrhein-Westfalen in die Partei "Die Heimat" und der gleichzeitigen Auflösung des Landesverbands selbst verlor "DIE RECHTE" den Kern ihrer ohnehin schon schwindenden Strukturen. Der wichtigste Kreisverband Dortmund verließ personell nahezu geschlossen die Partei. Damit verbleiben der Partei nur noch die Landesverbände "Südwest" und Niedersachsen sowie die zwei nordrhein-westfälischen Kreisverbände in Duisburg und Gelsenkirchen/Recklinghausen. Die mangelnde Mobilisierungsfähigkeit und der anhaltende RückFolgen des gang von Führungsaktivisten in der Partei führten damit zu eiMitgliederrückgangs ner weiteren Verringerung des Aktionspotenzials. So fanden die einzig nennenswerten Demonstrationen von "DIE RECHTE" am 1. Mai 2023 in Ingelheim (Rheinland-Pfalz) und Braunschweig (Niedersachsen) mit jeweils etwa 25 Teilnehmern statt. Darüber hinaus beteiligte sich die Partei am gleichen Tag an einer "Nationalen Kundgebungstour" der Partei "Die Heimat" (vormals NPD) durch die nordrhein-westfälischen Städte Recklinghausen, Lünen sowie abschließend Dortmund. An dieser Tour beteiligten sich etwa 80 Personen, darunter vor allem Mitglieder und Aktivisten der beiden Parteien. Trotz der innerparteilichen Probleme bemühten sich verbliebenen Strukturen der Partei "DIE RECHTE" weiterhin um den formalen Erhalt des Parteienstatus. So führte die Partei auf Initiative ihres Parteigründers und Bundesvorsitzenden Christian Worch am 2. September 2023 einen Bundesparteitag durch, auf dem er im Amt bestätigt wurde. 3. "Der III. Weg" Im Jahr 2023 setzte die Partei "Der III. Weg" den vom Bundesvorsitzenden vorangetriebenen Strukturausbau fort. Mit den zwei neu gegründeten sogenannten Stützpunkten "Kurhessen" (Nordhessen) und "Nord/Ost" (Mecklenburg-Vorpommern) verfügt die Partei nun über insgesamt 24 dieser lokalen Untergliederungen. Zusätzlich zu den drei bestehenden Landesverbänden Bayern, Sachsen und West (Hessen, Nordrhein-Westfalen, RheinlandPfalz) wurde im Frühjahr des Berichtsjahrs der Landesverband Brandenburg gegründet, dessen Vorsitz der Bundesvorsitzende 109 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS in Personalunion übernahm. Damit wurde die formale Voraussetzung zur Teilnahme an der dortigen Landtagswahl und den Kommunalwahlen im Jahr 2024 geschaffen. Die Aufbauarbeit wurde auf dem Bundesparteitag am 2. September 2023 mit der Wiederwahl des Bundesvorstands bestätigt. Strategie Aufgrund einer bereits im Vorjahr offenbar gewordenen Mobilisierungsschwäche verzichtete "Der III. Weg" im Berichtszeitraum auf die Durchführung größerer öffentlicher Aktionen zugunsten kleinerer regionaler Veranstaltungen in den vier Parteiund Bürgerbüros in Hilchenbach (Nordrhein-Westfalen), Ohrdruf (Thüringen), Plauen (Sachsen) und Schweinfurt (Bayern). Im Übrigen beschränkte sich die Partei bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit auf die Verteilung von Flugblättern und einige wenige Infostände. Nachdem sich die Erwartungen hinsichtlich einer Protestwelle im Winter zu Beginn des Jahres 2023 wegen der Energieund Wirtschaftskrise nicht erfüllten, bezog sich "Der III. Weg" im weiteren Jahresverlauf intensiver auf sein Kernthema, die Agitation gegen Zuwanderung und Diversität. Im Zusammenhang damit versuchte die Partei, durch sogenannte Grenzgänger-Aktionen53 - öffentlichkeitswirksame Streifen im Grenzgebiet zur symbolischen Abwehr von Migrantinnen und Migranten - Aufmerksamkeit zu generieren und sich als Ordnungskraft zu inszenieren. NachwuchsIhren Fokus legte die Partei 2023 verstärkt auf die Nachwuchsgewinnung werbung. Dafür wurde die "Nationalrevolutionäre Jugend" (NRJ), die Jugendorganisation der Partei "Der III. Weg", strukturell weiter ausgebaut. Sie soll Jugendliche durch zielgruppenorientierte Aktionen und Veranstaltungen an die Partei und deren Ideologie heranführen und darüber hinaus auch zukünftige Kader heranziehen. Hierzu dienen Wanderungen oder Kampfsporttraining, aber auch Gemeinschaftsveranstaltungen und Ausflüge. Die Aktivitäten entsprechen jenen der Mutterpartei, greifen aber Elemente der Jugendkultur wie etwa das Sprühen von Graffiti auf. Die Kontaktanbahnung erfolgt dabei sowohl bei tatsächlichen Treffen als auch niederschwelliger über diverse soziale Medien. Insbesondere TikTok wird zunehmend für die Verbreitung von Propagandaclips der NRJ und von "Der III. Weg" genutzt. 53 Homepage "Der III. Weg" (2. November 2023). 110 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Der Werbung neuer Mitglieder dienen auch die AuslandskontakInternationale te zu ideologisch nahestehenden Vereinigungen, die nach BeenVernetzung digung der Einschränkungen durch die Coronapandemie wieder verstärkt aufgenommenen wurden. So reisten Mitglieder der NRJ wiederholt nach Spanien, um dort Aktivisten der rechtsextremistischen spanischen Organisation "Devenir Europeo" zu treffen. Auch Ungarn war mit dem "Tag der Ehre" und der Wanderung "Ausbruch 60"54 im Berichtsjahr wieder ein wichtiges Reiseziel von Angehörigen der Partei und der Jugendorganisation. Traditionell gute Beziehungen bestehen zu Neonazis in Österreich, wo Parteiangehörige an einer Reihe von Wanderungen und Veranstaltungen teilnahmen, und zur italienischen neofaschistischen Vereinigung "Casa Pound". Einen besonderen Stellenwert hatte im Berichtsjahr die UnterstütUnterstützung zung ukrainischer Nationalisten. Neben Materialspenden, die von ukrainischer Parteiangehörigen in die Ukraine gebracht wurden, gehörte dazu Nationalisten auch eine von der im Berichtsjahr gegründeten parteiinternen Arbeitsgemeinschaft "Klangkunst" erstellte "Solidaritäts-Sampler"CD, deren Verkaufserlös Familien ukrainischer Nationalisten zugutekommen soll. Ebenso unterstützt wurde das "Deutsche Freiwilligenkorps", in dem sich einzelne deutsche Kriegsfreiwillige aufseiten der Ukraine organisiert haben. "Der III. Weg" bildet mit der Parteinahme für die Ukraine eine Ausnahme innerhalb der rechtsextremistischen Szene, welche sich zu großen Teilen prorussisch positioniert. Begründet wird dies damit, dass sich der Befreiungskampf europäischer Nationalisten gegen jeden Imperialismus zu richten habe und die europäischen Nationen dabei zusammenstehen müssten. Im Berichtsjahr hat die parteiinterne Arbeitsgemeinschaft "Feder & Publikation von Schwert" die Reihe von propagandistischen Buchtiteln um zwei Ideologieschriften weitere Publikationen ergänzt. Mit dem Band "Nationalismus! Eine ganzheitliche Betrachtung" wurde eine Sammlung von Texten der befreundeten österreichischen Neonazi-Szene veröffentlicht. Das Buch "Nuovi Arditi. Handbuch der revolutionären Jugend" wendet sich insbesondere an die eigene Nachwuchsorganisation. Die 54 Der von ungarischen Rechtsextremisten organisierte "Tag der Ehre" sowie der "Ausbruch 60" sollen der Erinnerung an die Belagerung der Stadt Budapest durch die sowjetische Rote Armee zum Ende des Zweiten Weltkriegs dienen und an den Ausbruchsversuch von mehr als 40.000 ungarischen und deutschen Soldaten aus Budapest am 11. Februar 1945 erinnern. 111 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Veröffentlichungen zeigen, dass die Partei weiterhin bestrebt ist, auch in Bezug auf Theoriebildung und ideologische Indoktrination eine Vorreiterrolle im neonazistischen Spektrum einzunehmen und so über Parteigrenzen hinweg auf die gesamte rechtsextremistische Szene Einfluss zu nehmen. 4. "Freie Sachsen" Die Regionalpartei "Freie Sachsen" spielte auch im Berichtszeitraum eine signifikante Rolle im Demonstrationsgeschehen im Bundesland Sachsen. Dabei war eine deutliche Verlagerung der für die "Freien Sachsen" relevanten Agitationsthemen zu erkennen. Wohl auch veranlasst durch eine abnehmende Mobilisierungsfähigkeit und das Ausbleiben großer Massenproteste im Zusammenhang mit den Themen Energiekrise und Inflation, fokussierte die Partei sich im Verlauf des Berichtjahrs zunehmend und zum Jahresende fast ausschließlich auf den Themenkomplex "Migration und Asyl". Beispielhaft für diese Verschiebung stehen die regelmäßigen Demonstrationen der "Freien Sachsen" vor geplanten Asylunterkünften in Sachsen. Aktionen Die "Freien Sachsen" verstehen sich zudem darauf, durch gezielte Provokationen politische und mediale Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. So wurde etwa die symbolische "Schließung" der sächsisch-tschechischen Grenze bei Schmilka (Sachsen) im Oktober 2023 durch Anhänger der Partei überregional durch die Presse aufgegriffen. Für mediale Aufmerksamkeit sorgte auch eine Demonstration im selben Monat nahe dem privaten Wohnhaus des sächsischen Ministerpräsidenten. Die "Freien Sachsen" versuchten auf diese Weise, politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger einzuschüchtern. Für das Jahr 2024 plant die Partei, an den sächsischen Kommunalund möglicherweise auch den Landtagswahlen teilzunehmen und sich damit strategisch breiter aufzustellen. Wie schon 2022 zeigt sich, dass die "Freien Sachsen" die Teilnahme an Wahlen als eine Möglichkeit des "Widerstands" gegen das politische System sehen. Neben der Aussicht, den Wahlkampf als Bühne zu nutzen, sieht die Partei hier die Chance, die bislang noch eher unstrukturierte "Protestszene" politisch zu festigen und auf regionaler Ebene zu verankern. 112 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Die "Freien Sachsen" setzten im Berichtszeitraum außerdem weiIdeologie und ter auf ihre bekannte Vernetzungsstrategie. Die Partei toleriert und Vernetzung fördert Doppelmitgliedschaften, sodass sich Akteure anderer rechtsextremistischer Organisationen wie beispielsweise der rechtsextremistischen Vereinigung "Pro Chemnitz" oder der Partei "Die Heimat" (vormals NPD) häufig unter dem Banner der "Freien Sachsen" betätigten. So ist der Landesvorsitzende der Partei "Die Heimat" in Sachsen weiterhin auch im Vorstand der "Freien Sachsen" aktiv. Im Juni 2023 nahm der Parteivorsitzende an einer Vernetzungsveranstaltung der deutschen "Reichsbürger"-Szene in Thüringen teil. Im September 2023 war er zudem gemeinsam mit mehreren bekannten Aktivisten der "Reichsbürger"-Szene als Redner zum "Verfassungskongress Sachsen" geladen. Thema war unter anderem der sogenannte Säxit, also ein Austritt Sachsens aus der Bundesrepublik Deutschland. Sowohl der sogenannte Säxit als auch monarchistische Positionen gehören zu den wenigen ideologischen Grundpositionen der Partei. Die "Freien Sachsen" zeigen sich so nicht nur gegenüber dem klassischen Rechtsextremismus, sondern auch gegenüber "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" anschlussfähig. 5. Verdachtsfall "Alternative für Deutschland" (AfD) Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Köln aus dem März 202255, mit der die vom BfV im Februar 2021 vorgenommene Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall aufgrund des Vorliegens ausreichender tatsächlicher Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen bestätigt worden war, hat die AfD Berufung beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen eingelegt.56 Die AfD wurde im Jahr 2013 gegründet und gliedert sich in den Struktur und Bundesverband und 16 Landesverbände. Im Jahr 2023 wuchs die Allgemeines Partei nach eigener Aussage auf 40.131 Mitglieder.57 Es besteht weiterhin eine - wenn auch signifikant abnehmende - Heterogenität innerhalb der Partei, sodass nicht alle Parteimitglieder als Anhänger extremistischer Strömungen betrachtet werden können. 55 VG Köln, Urteil vom 08.03.2022 - 13 K 326/21. 56 Mit Urteil vom 13. Mai 2024 hat das OVG die Berufung zurückgewiesen (5 A 1218/22). Die Revision wurde nicht zugelassen; hiergegen kann Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt werden. 57 Tagesspiegel (2. Januar 2024). 113 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Der 14. Bundesparteitag der AfD am 28. Juli 2023 in Magdeburg (Sachsen-Anhalt) und die darauffolgende Europawahlversammlung bestätigten die bereits im Vorjahr festgestellte Stärkung der extremistischen Strömungen innerhalb der Partei. Entwicklung Ausgehend von den Abstimmungsergebnissen im Rahmen der am 29. und 30. Juli sowie vom 4. bis 6. August 2023 in Magdeburg (Sachsen-Anhalt) abgehaltenen Europawahlversammlung sowie aufgrund von Äußerungen von Parteifunktionären beträgt das extremistische Personenpotenzial innerhalb der AfD etwa 11.000 Personen. Ideologie In Verlautbarungen der AfD und ihrer Repräsentantinnen und Repräsentanten kommt vielfach ein völkisch-abstammungsmäßig geprägtes Volksverständnis zum Ausdruck, das im Widerspruch zum Volksverständnis des Grundgesetzes steht.58 So würdigte ein Bundestagsabgeordneter der AfD Deutsche mit Migrationshintergrund im Juli 2023 in einem Facebook-Beitrag beispielsweise als "Passdeutsche"59 herab. Seitens der AfD werden zudem rechtsextremistische und verschwörungstheoretische Narrative bedient, indem vor einem politisch forcierten Verdrängungsprozess zulasten ethnischer Deutscher gewarnt wird. Der AfD-Bundesverband veröffentlichte in einem Facebook-Eintrag vom Juni 2023 etwa eine "Karte des Schreckens", die anhand einer demografischen Übersicht zeigen sollte, wie "überfremdet (...) Deutschland bereits" sei. Im dazugehörigen Text unterstellte die Partei den Regierungsparteien "gegen Deutschland gerichtete Abschaffungspläne".60 Funktionäre der Partei sprechen zudem vom "Großen Austausch"61 oder einem "Bevölkerungsaustausch":62 "Das Ziel der Globalisten war und ist klar: der geplante Bevölkerungsaustausch soll so lange geleugnet und Mahner als Verschwörungstheoretiker gebrandmarkt werden, bis er irreversibel ist." (Telegram-Kanal einer AfD-Bundestagsabgeordneten, 3. Juni 2023) 58 VG Köln, Urteil vom 08.03.2022 - 13 K 326/21. 59 Facebook-Seite AfD München (17. Juli 2023). 60 Facebook-Seite AfD (8. Juni 2023). 61 Videoportal YouTube (29. Juli 2023). 62 Die Begriffe "Großer Austausch" und "Bevölkerungsaustausch" wurden in der Rechtsprechung für fremdenfeindlich befunden. Vgl. VG Berlin, Urteil vom 12.11.2020 - 1 K 606.17 sowie OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.06.2021 - OVG 1 N 96/20. 114 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Die Begriffe des "Großen Austauschs" und der "Umvolkung" suggerieren einen schrittweisen, geplanten Austausch beziehungsweise die schrittweise Verdrängung der angestammten Bevölkerung und beruhen somit ebenfalls auf Vorstellungen eines ethnisch homogenen deutschen Volkes.63 Darüber hinaus fanden sich auch im Berichtsjahr zahlreiche fremdenund muslimfeindliche Positionen in den Verlautbarungen der AfD. Insbesondere Asylsuchenden und Migrantinnen und Migranten aus islamisch geprägten Herkunftsländern wurden oftmals pauschal eine kulturelle Inkompatibilität und ein ausgeprägter Hang zur Kriminalität unterstellt. So warnte ein Bundesvorstandsmitglied der AfD im Juli 2023 vor Migration "aus einem kulturfremden Kontext, aus gewaltbereiten Kulturen" und erklärte: "Messerkriminalität zum Beispiel. Es ist uns in unserer Kultur völlig unbekannt. Das gab es nicht. Das Phänomen gibt es bei uns nicht. Das gibt es in den Kulturkreisen in Afrika und im Nahen Osten, um es mal ganz klar zu sagen. Und wenn sie diese Leute aus gewaltbereiten Gesellschaften in ihr Land lassen, (...) ja, dann kommt es zu einem Clash, Clash of Cultures." (Videoportal YouTube, 9. Juli 2023) Ein Landtagsabgeordneter der AfD äußerte im Juli 2023 anlässlich von Unruhen in Frankreich: "Frankreich brennt. Das ganze Wochenende und Tage darauf gab es schwerste Ausschreitungen von muslimischstämmigen Bevölkerungsgruppen, welche das Land in bürgerkriegsähnliche Zustände gestürzt haben. Für uns muss das ein Weckruf sein. Diese Menschen, diese Kulturkreise sind mit einer westlichen Demokratie nicht vereinbar und in unserer Gesellschaft auch nach Jahrzehnten nicht integrierbar. Deswegen Remigration jetzt!" (Onlineplattform Instagram, 5. Juli 2023) Auch durch die Verwendung von Begriffen wie "Messermigration"64 oder "Messer-Migranten"65 zeichnet die Partei das Bild von 63 VG Köln, Urteil vom 08.03.2022 - 13 K 326/21. 64 Facebook-Seite AfD-Bundesverband (5. Oktober 2023). 65 Internetplattform Telegram (10. März 2023). 115 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS pauschal gewaltbereiten und mithin gefährlichen Migrantinnen und Migranten.66 Überdies wurden dem Islam beziehungsweise muslimischen Migranten durch die Propagierung einer angeblich drohenden "Islamisierung"67 Deutschlands pauschal Eroberungstendenzen unterstellt. Eine Bundestagsabgeordnete der Partei forderte angesichts einer angeblichen "[m]assenhafte[n] Einbürgerung von muslimischen Migranten" beispielsweise: "Wir müssen diese fatale Entwicklung endlich stoppen und rückgängig machen, sonst leben wir bald nicht mehr in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in der Islamischen Republik Deutschland." (Facebook-Seite einer AfD-Bundestagsabgeordneten, 23. Januar 2023) Äußerungen einzelner Parteimitglieder enthielten zudem antisemitische Chiffren und Positionen. Insbesondere wurde das Narrativ einer global agierenden Finanzelite verbreitet, welche die politisch Verantwortlichen in ihrem Handeln lenke. Akteure wie der jüdische Finanzinvestor George Soros dienen regelmäßig als Projektionsfläche für antisemitische Stereotype. So erklärte ein Bundestagsabgeordneter der AfD im Juli 2023, die Partei kämpfe als einzige Partei "gegen die Globalisten, die uns zwangsimpfen wollten, die uns enteignen wollen, uns ja im Prinzip versklaven wollen", und habe als einzige Partei den Mut, "gegen die Schwabs, Gates und gegen die Soros dieser Welt anzukämpfen".68 Es waren zudem Diffamierungen und Verunglimpfungen sowohl politischer Gegner als auch des Staates und seiner Repräsentantinnen und Repräsentanten festzustellen, die auf eine generelle Herabwürdigung und Verächtlichmachung des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland abzielten. So wurde die Bundesrepublik Deutschland schlechthin wiederholt mit diktatorischen beziehungsweise totalitären Systemen gleichgesetzt, um deren Legitimität insgesamt zu diskreditieren. 66 Die Begriffe "Messermigration" bzw. "Messer-Migranten" wurden in der Rechtsprechung als fremdenfeindlich befunden. Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.06.2020 - OVG 1 S 55/20 und VG Köln, Urteil vom 08.03.2022 - 13 K 326/21. 67 Internetplattform Telegram (18. März 2023). 68 Videoportal YouTube (29. Juli 2023). 116 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Innerhalb der AfD waren auch im Jahr 2023 von zahlreichen AfDVernetzung mit der Funktionären und -Mandatsträgern gefestigte Verbindungen zu Neuen Rechten Akteuren und Organisationen des extremistischen Teils der Neuen Rechten feststellbar. Dabei handelt es sich nicht um zufällige, sondern um strukturelle Verbindungen innerhalb eines strategisch agierenden Netzwerks. In wesentlichen Teilen gründen sie in gemeinsamen oder jedenfalls ähnlichen politischen Überzeugungen. Charakteristisch für dieses Netzwerk sind gegenseitige Veranstaltungseinladungen, Interviews oder Gastbeiträge für Onlineformate. Insbesondere zu nennen sind in diesem Zusammenhang das "Institut für Staatspolitik" (IfS), "Ein Prozent e.V." sowie das "COMPACT-Magazin" (vgl. Kap. IV). 6. "Junge Alternative für Deutschland" (JA) Die 2013 gegründete "Junge Alternative für Deutschland" (JA) ist die offizielle Jugendorganisation der AfD (Verdachtsfall). Sie gliedert sich in 16 Landesverbände und hatte Ende 2023 laut eigenen Angaben rund 4.000 Mitglieder.69 Thematischer Schwerpunkt der JA im Berichtsjahr war unter anderem die Ablehnung einer strukturellen, finanziellen und materiellen Unterstützung für die Ukraine zur Verteidigung im Angriffskrieg Russlands. Sie orientierte sich damit an der Schwerpunktsetzung der Mutterpartei AfD (Verdachtsfall). Im Verlauf des Berichtsjahrs griff die JA außerdem verstärkt das Themenfeld Transidentität auf (vgl. Kap. III, Nr. 5). Die JA wurde seit Januar 2019 vom BfV zunächst als Verdachtsfall Verdachtsfallbearbeitet. Das VG Köln (Nordrhein-Westfalen) bestätigte diese einstufung und Einstufung im März 2022. Nach Feststellung des VG Köln liegen gerichtliche tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass eine zentrale politische Überprüfung Zielvorstellung der JA der Erhalt des deutschen Volkes in seinem ethnischen Bestand sei und ethnisch "Fremde" nach Möglichkeit ausgeschlossen bleiben sollten. Ein dergestalt völkisch-abstammungsmäßiger Volksbegriff verstoße gegen die Menschenwürde.70 Führende Funktionäre der JA vertreten auch nach der Entscheidung des VG entsprechende Positionen. Die JA und die AfD 69 Videoportal YouTube (18. Dezember 2023). 70 VG Köln, Urteil vom 08.03.2022 - 13 K 208/20. 117 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS (Verdachtsfall) haben gegen das Urteil Berufung beim OVG Nordrhein-Westfalen eingelegt.71 Im April 2023 stufte das BfV die JA als gesichert extremistische Bestrebung ein. Hiergegen erhob die JA am 12. Juni 2023 Klage und begehrte Eilrechtsschutz beim VG Köln. Mit Stillhaltezusage gegenüber dem VG vom 14. Juni 2023 hatte das BfV erklärt, die Einstufung der JA als gesichert extremistische Bestrebung bis zu einer Entscheidung der beschließenden Kammer im Eilverfahren vorläufig auszusetzen, die JA einstweilen lediglich als Verdachtsfall zu bearbeiten und sie bis zur Entscheidung nicht öffentlich als gesichert extremistische Bestrebung zu bezeichnen.72 Ideologie Die Ideologie der JA ist durch einen ethnisch-kulturell geprägten Volksbegriff bestimmt, der im Widerspruch zum Volksverständnis des Grundgesetzes steht. Der Erhalt des "autochthonen Staatsvolkes" wird von der JA zum obersten politischen Ziel erklärt. Entsprechend fordert die JA eine "Remigration". Damit ist im Verständnis der JA eine freiwillige oder erzwungene Rückwanderung von Menschen mit Migrationshintergrund gemeint, auch unabhängig von deren Staatsangehörigkeit. Die JA präsentierte etwa auf einer Demonstration am 28. Oktober 2023 in Erfurt ein Banner mit folgendem Aufdruck: "DEUTSCHE JUGEND FORDERT REMIGRATION!" (Onlineplattform Instagram, 28. Oktober 2023) Ein JA-Bundesvorstandsmitglied fügte dem Banner die Worte "Eine Jugend. Ein Schicksal. Letzte Chance" hinzu.73 Darüber hinaus wurden auch im Jahr 2023 in den sozialen Medien fremdenfeindliche Positionen offen kommuniziert. Beispielhaft dafür ist der Eintrag eines Mitglieds des JA-Bundesvorstands, der vor dem Hintergrund gewaltsamer Unruhen in Frankreich nach der Tötung 71 Mit Urteil vom 13. Mai 2024 hat das OVG die Berufung zurückgewiesen (5 A 1217/22). Die Revision wurde nicht zugelassen; hiergegen kann Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt werden. 72 Das VG Köln hat im Eilverfahren am 5. Februar 2024 beschlossen, dass die Einstufung der JA als gesichert extremistische Bestrebung durch das BfV nach summarischer Prüfung rechtmäßig ist. Daher wird die JA seit dem 5. Februar 2024 vom BfV wieder als gesichert extremistische Bestrebung bearbeitet. Gegen den Beschluss haben die JA und die AfD (Verdachtsfall) Beschwerde beim OVG Nordrhein-Westfalen eingereicht. Die Entscheidung in der Hauptsache steht noch aus, ebenso wie die Entscheidung des OVG über die Beschwerde. 73 Onlineplattform Instagram (28. Oktober 2023). 118 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS eines Jugendlichen multikulturell geprägte Gesellschaften pauschal mit Gewalt und Kriminalität zu assoziierte: "Die Lehren aus #Frankreich: - Multikulturalität führt zu Multikriminalität; - Multikultigesellschaften sind Mißtrauensgesellschaften, in denen friedliches Zusammenleben nicht möglich ist; - Lösungen: Wehrhaftigkeit des eigenen Volkes und Remigration des fremden. #FranceRiots" (Kurznachrichtendienst X, 30. Juni 2023) Die personellen und strukturellen Vernetzungen der JA zu OrganiVernetzung mit der sationen der Neuen Rechten nahmen im Berichtsjahr weiter zu. So Neuen Rechten äußerte sich ein Mitglied des JA-Bundesvorstands in einem Mobilisierungsvideo für die von der "Identitären Bewegung" organisierte "Remigrationsdemo" am 29. Juli 2023 in Wien wie folgt: "Wir als Junge Alternative stehen mit unserem Vorfeld Schulter an Schulter auf der Straße. Denn wir wissen: Nur eine Jugend gestärkt durch Idealismus und Tatendrang kann die parlamentarische Kraft ausbauen und Remigration möglich machen. Deshalb sind wir am 29. Juli in Wien auf der Straße." (Videoportal YouTube, 21. Juli 2023) An der Demonstration in Wien nahmen ein JA-Bundesvorstandsmitglied sowie weitere Mitglieder der JA teil. Im Berichtsjahr traten JA-Bundesvorstandsmitglieder außerdem in Sendungen und Beiträgen von "Ein Prozent e.V." und "COMPACT" auf und besuchten Veranstaltungen des "Instituts für Staatspolitik". Bei diesen Verbindungen handelt es sich nicht um einzelne sporadische und isoliert zu betrachtende bloße Kontakte, vielmehr sind diese Verbindungen Elemente und Teil einer bewussten Strategie, die sich als Teil eines sogenannten Mosaiks "patriotischer" Bewegungen versteht. 119 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS VI. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 1. "Die Heimat" (vormals "Nationaldemokratische Partei Deutschlands", NPD) Gründung: 1964 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: Frank Franz Mitglieder/Anhänger2.800 (2022: 3.000) schaft in Deutschland: Publikationen/Medien "Die Heimat" (YouTube-Kanal) (Auswahl): Bundesweit aktive 16 Landesverbände zzgl. Kreisund Gruppierungen Regionalverbände (Auswahl): "Junge Nationalisten" (JN, Jugendorganisation) "Deutsche Stimme Verlags GmbH" (DS Verlag) "Die Heimat", bis Juni 2023 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD), vertritt als ideologisches Kernelement die Vorstellung einer ethnisch homogenen "Volksgemeinschaft". Daraus folgt die Ablehnung von Menschen, die die Partei als fremd wahrnimmt. Diese werden pauschal mit Negativeigenschaften belegt und als Bedrohung diffamiert. Auch antisemitische Positionen sind in der Ideologie der Partei tief verwurzelt und gehen nicht selten mit der positiven Bezugnahme auf den Nationalsozialismus sowie mit geschichtsrevisionistischen Standpunkten einher. "Die Heimat" agitiert außerdem gegen die bestehende politische Ordnung und strebt offen einen fundamentalen "Systemwechsel" in Deutschland an. 120 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS 1.1 "Junge Nationalisten" (JN) Gründung: 1969 Sitz: Riesa (Sachsen) Leitung/Vorsitz: Sebastian Weigler Mitglieder/Anhänger230 (2022: 230) schaft in Deutschland: Publikationen/Medien: "Junge Nationalisten" (YouTube-Kanal) Die Jugendorganisation "Junge Nationalisten" (JN) der Partei "Die Heimat" (vormals NPD) organisiert sich über regionale "Stützpunkte" sowie über Landesund Gebietsverbände. Schwerpunkte liegen dabei in Berlin, Brandenburg und Sachsen. Die JN verstehen sich als nationalistische, völkische und europaweit vernetzte Jugendbewegung. Sie sind bemüht, Jugendliche und junge Erwachsene durch gemeinschaftsstiftende Aktivitäten und öffentliche Kampagnen anzusprechen und diese zu weltanschaulichen Vorkämpfern zu entwickeln. Dazu organisieren die JN regelmäßig Schulungen und Workshops. Ihren Wirkbereich sehen die JN dabei vor allem im vorpolitischen Raum, in dem sie eine rechtsextremistische "Gegenkultur" entwickeln wollen. Sie fungieren dadurch auch als Bindeglied zur nicht parteigebundenen rechtsextremistischen Szene. 121 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS 1.2 "Deutsche Stimme Verlags GmbH" (DS Verlag) Gründung: 1976 Sitz: Riesa (Sachsen) Leitung/Vorsitz: Peter Schreiber Publikationen/Medien "Deutsche Stimme" (Magazin, monat(Auswahl): lich, Auflage: nicht bekannt) "DS-TV" (YouTube-Kanal) Der DS Verlag bietet der Partei "Die Heimat" (vormals NPD) über seinen Onlineshop die Möglichkeit, eigene Publikationen zu vertreiben. Als bedeutendstes Medium gilt das monatlich erscheinende Magazin "Deutsche Stimme". Dessen Autorenstamm setzt sich größtenteils aus Funktionären und Sympathisanten der Partei zusammen. "Die Heimat" und ihre Aktivitäten sind entsprechend oft Gegenstand der Berichterstattung. Zudem erscheinen regelmäßig Interviews mit Parteivertretern oder mit Personen, die der Partei nahestehen. Seit April 2020 ist die ehemalige offizielle Parteizeitung frei im Handel erhältlich. Auf diesem Weg sollen ein breiterer Leserkreis erschlossen und die politischen Standpunkte von "Die Heimat" gesellschaftsfähig gemacht werden. 122 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS 2. "DIE RECHTE" Gründung: 2012 Sitz: Dortmund (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Christian Worch Mitglieder/Anhänger300 (2022: 450) schaft in Deutschland: Teil-/Neben- 2 Landesverbände (Niedersachsen und organisationen: "Südwest") Die Partei "DIE RECHTE" propagiert ein rechtsextremistisches Weltbild, agitiert rassistisch gegen Zugewanderte und verbreitet geschichtsrevisionistische und antisemitische Positionen. Ein fundamentaler "Systemwechsel" in Deutschland ist ihr politisches Ziel, Parlamentarismus und Demokratie werden grundlegend abgelehnt. Seit ihrer Gründung ist "DIE RECHTE" ein Auffangbecken für Neonazis, unter anderem aus zuvor verbotenen rechtsextremistischen Gruppierungen. Die Grenzen zwischen Parteianhängern und lokalen Neonazi-Strukturen verwischen regelmäßig. Der Parteistatus wird in erster Linie als Schutz gegen sicherheitsbehördliche und vereinsrechtliche Maßnahmen missbraucht. 123 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS 3. "Der III. Weg" Gründung: 2013 Sitz: Weidenthal (Rheinland-Pfalz) Leitung/Vorsitz: Matthias Fischer Mitglieder/Anhänger800 (2022: 700) schaftin Deutschland: Teil-/Neben- 4 Landes(bzw. Gebiets-) und organisationen: 24 Regionalverbände ("Stützpunkte") "Nationalrevolutionäre Jugend" (NRJ, Jugendorganisation) Die ideologischen Aussagen der Partei "Der III. Weg" sind nationalsozialistisch, antisemitisch und rassistisch geprägt. In ihrem "10-Punkte-Programm" propagiert die Partei unter anderem die Schaffung eines "Deutschen Sozialismus" sowie die Entwicklung und Erhaltung der "biologischen Substanz des Volkes". Die fundamental ablehnende Haltung der Partei gegenüber dem demokratischen Rechtsstaat kommt in ihrer politischen Agitation deutlich zum Ausdruck, insbesondere bei den mit aggressiver Rhetorik vorgetragenen Themen Asyl und Zuwanderung. "Der III. Weg" inszeniert sich als weltanschauliche Avantgarde und ist bemüht, das Ideal einer "Volksgemeinschaft" durch soziale Initiativen zu fundieren. 124 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS 4. "Freie Sachsen" Gründung: 2021 Sitz: Chemnitz (Sachsen) Leitung/Vorsitz: Martin Kohlmann Mitglieder/Anhänger1.000 (2022: 1.000) schaftin Deutschland: Publikationen/Medien "AUFGEWACHT" (Magazin, zweimo(Auswahl): natlich, Auflage: nicht bekannt) "Freie Sachsen" (Telegram-Kanal) "FREIE SACHSEN" (YouTube-Kanal) Teil-/Neben- 4 Kreisverbände (Erzgebirgskreis, organisationen: Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Mittelsachsen, Chemnitz) Die Partei "Freie Sachsen" versucht, durch eine hohe Anschlussfähigkeit und eine gezielte Vernetzung mit rechtsextremistischen Akteuren eigene ideologische Standpunkte für die gesellschaftliche Mitte zugänglicher zu machen. Dafür nutzt sie aktuelle Themen, wie zum Beispiel die Energieund Wirtschaftskrise, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine oder insbesondere die Migrationspolitik. Die Partei identifiziert einen vermeintlich übergriffigen Staat als Grundproblem und sieht sich selbst im "Widerstand". In diesem Zusammenhang delegitimiert die Partei systematisch demokratische Prozesse und Institutionen, fordert den Austritt aus der Bundesrepublik Deutschland ("Säxit") und vertritt darüber hinaus monarchistische Positionen. Über ihre Social-Media-Kanäle verbreitet die Partei zudem verschiedene Verschwörungstheorien sowie Inhalte anderer rechtsextremistischer Akteure. Die Führungsebene der Partei besteht nahezu ausschließlich aus bekannten Aktivisten der rechtsextremistischen Szene Sachsens, darunter mehrere aktive Funktionäre der Partei "Die Heimat" aus Sachsen und der rechtsextremistischen Vereinigung "Pro Chemnitz". 125 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS 5. "Junge Alternative" (JA) Gründung: 2013 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: Hannes Gnauck (MdB) Mitglieder/Anhänger4.000 (2022: 2.000) schaftin Deutschland: Publikationen/Medien "Patria" (Magazin, unregelmäßiges (Auswahl): Erscheinungsdatum, Auflage: nicht bekannt) "Junge Alternative Deutschland" (Telegram-Kanal) "Junge Alternative" (YouTube-Kanal) Teil-/Neben16 Landesverbände organisationen: Die "Junge Alternative für Deutschland" (JA) ist die offizielle Jugendorganisation der "Alternative für Deutschland" (AfD, Verdachtsfall). Inhaltlich orientiert sich die JA an der Schwerpunktsetzung der Mutterpartei und greift aktuelle Themen wie Migration auf, um ihre ideologischen Positionen auch für die Mitte der Gesellschaft anschlussfähig zu machen. Die Ideologie der JA ist durch einen ethnisch-kulturell geprägten Volksbegriff bestimmt, der im Widerspruch zum Volksverständnis des Grundgesetzes steht. Hinzu kommen fremdenfeindliche Äußerungen, die Vertreter der JA wiederholt über ihre Kanäle in den sozialen Medien verbreiten. Zudem ist die JA mit Organisationen der Neuen Rechten wie beispielsweise der "Identitären Bewegung Deutschland" (IBD) vernetzt. 126 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS 6. "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) Gründung: 2012 Sitz: Paderborn (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Philip Thaler (Bundesleiter und Vorstand des e.V.) Mitglieder/Anhänger500 (2022: 500) schaft in Deutschland: Bundesweit aktive Bundesweite Strukturen mit RegionalGruppierungen und Ortsgruppen (Auswahl): "Schanze Eins UG & Co. KG" "Kohorte UG" (Onlineshop "Phalanx Europa") Die "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) versteht sich selbst als eine "europaweite patriotische Jugendbewegung, die mittels friedlichen Aktionismus, politischer Bildungsarbeit sowie gemeinschaftlicher und kultureller Aktivitäten für die Werte Heimat, Freiheit und Tradition einsteht"74. Die IBD zielt letztlich darauf ab, Menschen mit außereuropäischer Herkunft von demokratischer Teilhabe auszuschließen und sie in einer ihre Menschenwürde verletzenden Weise zu diskriminieren. Menschen ohne gleiche ethnische Voraussetzungen können aus Sicht der IBD niemals Teil einer gemeinsamen Kultur sein. Für die IBD existiert Kultur nur in einer dauerhaften Verknüpfung mit einer Ethnie (Ethnopluralismus). Dies zeigt sich unter anderem in Aktionen und Kampagnen gegen einen angeblichen "Großen Austausch". 74 Homepage "Identitäre Bewegung Deutschland" (27.03.2024). 127 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS 7. "COMPACT-Magazin GmbH" Gründung: 2010 Leitung/Vorsitz: Jürgen Elsässer Publikationen/Medien "COMPACT-Magazin" (Zeitschrift, (Auswahl): monatlich, verkaufte Auflage laut Eigenangabe: ca. 40.000) Sonderformate wie "COMPACT Spezial" (viermal pro Jahr) oder "COMPACT Geschichte" (dreimal pro Jahr) https://www. compact-online.de https://tv. compact-online.de "COMPACTTV" (YouTube-Kanal, ca. 250.000 Abonnenten, Stand Dezember 2023) Die "COMPACT-Magazin GmbH" ist ein multimedial ausgerichtetes Medienunternehmen mit Sitz in Falkensee (Brandenburg), das neben der Zeitschrift "COMPACT-Magazin" auch durch Veranstaltungen und insbesondere über seine umfangreichen Onlineangebote agitiert. "COMPACT" verortet sich selbst im sogenannten Widerstandsmilieu und wird auch von anderen Akteuren der Neuen Rechten als Teil dieses Spektrums wahrgenommen. Hauptmerkmal vieler der verbreiteten Beiträge ist die Agitation gegen die Bundesregierung und allgemein gegen das politische System. Verschwörungsideologische Erzählungen werden dabei von "COMPACT" politisch instrumentalisiert, um gegen staatstragende Institutionen und eine offene, pluralistische Gesellschaft zu agitieren. Geschichtsrevisionistische Inhalte und antisemitische Narrative ergänzen die Agenda von "COMPACT". Darüber hinaus bestehen Verbindungen mit rechtsextremistischen Gruppierungen wie der "Identitären Bewegung Deutschland" (IBD) und der Regionalpartei "Freie Sachsen". 128 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS 8. "Institut für Staatspolitik" (IfS) Gründung: 2000 (Offizieller Träger des IfS: "Verein für Staatspolitik e.V.") Sitz: Steigra, Ortsteil Schnellroda (Sachsen-Anhalt) Leitung/Vorsitz: Vorsitzender: Dr. Erik Lehnert Mitgründer: Götz Kubitschek Publikationen/Medien https://staatspolitik . de (Auswahl): https://sezession . de "Kanal Schnellroda" (YouTubeund Podcastkanal) Das "Institut für Staatspolitik" (IfS) sieht sich als prägenden Ideenund Impulsgeber der Neuen Rechten. Strategie und Zielsetzungen des IfS sind darauf ausgerichtet, in den vorpolitischen Raum zu wirken, um damit die Verschiebung der Machtverhältnisse im eigenen Sinne zu ermöglichen und zu befördern. Das IfS publiziert neben der Zeitschrift "Sezession" eigene Buchund Schriftenreihen und betreibt den innerhalb der Neuen Rechten reichweitenstarken Weblog "Sezession im Netz". Darüber hinaus organisiert das IfS regelmäßig Veranstaltungen, insbesondere mehrtägige Kongresse, die als "Akademien" bezeichnet werden. Das IfS vertritt einen ethnisch-abstammungsmäßig definierten Volksbegriff, weist eine migrantenund muslimfeindliche sowie mitunter rassistische ideologische Ausrichtung auf und verbreitet geschichtsrevisionistische Positionen und vereinzelt antisemitische Narrative. 129 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS 9. "Ein Prozent e.V." Gründung: 2015 Sitz: Offizieller Sitz Görlitz (Sachsen) Inoffizieller Sitz Dresden (Sachsen) Leitung/Vorsitz: Philip Stein Publikationen/Medien https://www.einprozent.de (Auswahl): https://www.einprozent-versand.de https://podcast.einprozent.de https://www.solifonds.me https://www.wahlbeobachtung.de Teil-/NebenorganisatioArchetyp GmbH nen (Auswahl): Der Verein "Ein Prozent e.V." vertritt einen ethnisch-abstammungsmäßig definierten Volksbegriff, weist eine migrantenund muslimfeindliche sowie rassistische ideologische Ausrichtung auf, verbreitet antisemitische Narrative und propagiert das verschwörungstheoretische Konzept des "Großen Austauschs". Ziel des Vereins ist die metapolitische Erringung der kulturellen Hegemonie und damit die Etablierung einer entsprechenden "Gegenkultur". Dabei werden eigene Aktionen und Projekte umgesetzt sowie ideologisch gleichgesinnte Akteure und Organisationen gefördert und unterstützt. 130 "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" 131 "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" I. Überblick Definition "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" sind Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen - unter anderem unter Berufung auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht - die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen, den demokratisch gewählten Repräsentantinnen und Repräsentanten die Legitimation absprechen oder sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend definieren, weshalb die Besorgnis besteht, dass sie Verstöße gegen die Rechtsordnung begehen. Aus dieser ideologisch begründeten Ablehnung der Bundesrepublik Deutschland entstehen in einigen Fällen Systemüberwindungsfantasien, die sich auch in konkreten Umsturzplänen manifestieren können (vgl. Kap. I, Nr. 3). Eine trennscharfe Unterscheidung zwischen "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" ist mitunter schwer zu treffen. "Reichsbürger" lehnen die Bundesrepublik Deutschland unter Berufung auf ein wie auch immer geartetes "Deutsches Reich" ab. "Selbstverwalter" dagegen fühlen sich dem Staat gänzlich nicht zugehörig. Sie behaupten, sie könnten durch eine Erklärung aus dem Staat austreten und seien daher nicht an dessen Gesetze gebunden. Die Szene setzt sich aus Einzelpersonen ohne strukturelle Anbindung, Kleinund Kleinstgruppierungen, virtuellen Netzwerken und überregional agierenden Personenzusammenschlüssen zusammen. Antisemitisches und Ein Teil der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" ist eindeutig auch rechtsextremistisches dem Rechtsextremismus zuzurechnen. Ideologische ÜberschneiGedankengut dungen finden sich im Bereich des Gebietsund Geschichtsrevisionismus, bei völkischem und teilweise nationalsozialistischem Gedankengut sowie bei antisemitischen Denkmustern. Bei der Mehrheit der Szeneangehörigen sind rechtsextremistische Ideologieelemente jedoch nur in geringem Maße oder gar nicht auszumachen. Allerdings sind gerade in dem rechtsextremistischen 132 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" Teil der Szene antisemitische Ideologieelemente beziehungsweise Verschwörungsnarrative, welche von klassischen antisemitischen Narrativen über offen antisemitische Verschwörungstheorien bis hin zur Leugnung des Holocaust reichen, verbreitet (vgl. Sonderkapitel "Auswirkungen des Nahostkonflikts und Antisemitismus"), wodurch die Szene für Extremisten anderer Phänomenbereiche und radikalisierte Einzelpersonen aus dem Verschwörungsmilieu anschlussfähiger wird. Der "Reichsbürger"und "Selbstverwalter"-Szene gehörten im Personenpotenzial Jahr 2023 deutschlandweit etwa 25.000 Personen (2022: 23.000) an. Davon sind rund 1.350 Personen (2022: 1.250), also etwas mehr als fünf Prozent, zugleich dem rechtsextremistischen Spektrum zuzurechnen. Ein Anteil von rund zehn Prozent, also etwa 2.500 Personen (2022: 2.300), ist als gewaltorientiert einzustufen. Zu diesem Personenpotenzial zählen gewalttätige Szeneangehörige sowie Personen, die beispielsweise durch Drohungen oder gewaltbefürwortende Äußerungen auffallen. 1. Entwicklungstendenzen Ausschlaggebend für den Anstieg des Personenpotenzials sind vermehrte Vernetzungsund Vermischungstendenzen mit Angehörigen anderer Phänomenbereiche (Rechtsextremismus, "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates"). Verbindende Elemente sind eine mehr oder minder ausgeprägte staatsbeziehungsweise demokratiefeindliche Einstellung sowie eine deutliche Affinität oder Offenheit für Verschwörungstheorien. Vernetzungen ergeben sich etwa im Bereich extremistisch beeinflusster Protestveranstaltungen oder über gemeinsame Telegram-Gruppen. Aktuelle Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung terroristischer Vereinigungen zeigen, dass sich aus solchen phänomenübergreifenden Personenzusammenschlüssen besondere Gefährdungslagen entwickeln können (vgl. Kap. I, Nr. 3). Bei den neu erfassten extremistischen Akteuren innerhalb der Geschlechter"Reichsbürger"und "Selbstverwalter"-Szene war ein Anstieg des verteilung und prozentualen Anteils von Frauen von rund 23 % im Jahr 2017 Altersstruktur auf 43 % im Jahr 2023 festzustellen. Zudem zeichnet sich eine 133 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" Verjüngung der Szene ab. So ist die Zahl der neu erfassten 18bis 29-Jährigen unabhängig vom Geschlecht zwischen 2017 und 2022 um jeweils circa 3 Prozentpunkte gestiegen und die Zahl der über 60-Jährigen um 14 % (Männer) beziehungsweise 23 % (Frauen) gesunken. Prorussische Im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Grundhaltung Ukraine kommen überwiegend Narrative der russischen Staatspropaganda zum Tragen. Teile des Spektrums - sowohl Einzelpersonen als auch Organisationen - verfügen über eine ausgeprägte Affinität zur Russischen Föderation und nehmen regelmäßig eine dezidiert prorussische Position ein. Dies ist teilweise darauf zurückzuführen, dass sich einige "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" von dort Unterstützung für ihre Anliegen erhoffen. VerschwörungsIn der "Reichsbürger"und "Selbstverwalter"-Szene spielen Vertheorien schwörungstheorien weiterhin eine wichtige Rolle. Beispielsweise beziehen sich einige Szeneangehörige auf die "S.H.A.E.F."75Gesetzgebung und erklären diese für weiterhin gültig, wobei die Bedeutung dieser Erzählung innerhalb der Szene im Vergleich zum Narrativ von der angeblichen Fortgeltung der Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 abnahm. "Großes Treffen der Anhänger der letztgenannten Irrlehre versuchen, die ideologiBundesstaaten" sche Heterogenität der Szene zu überwinden und ein gemeinsames "Endziel" - die Verfassung von 1871 - in den Vordergrund zu rücken. So fand am 19. August 2023 in Magdeburg (SachsenAnhalt) ein als Vernetzungsveranstaltung geplantes "Großes Treffen der Bundesstaaten" statt. Zu der Versammlung erschienen etwa 350 Personen. Die Versammlung bestand aus Aufzügen von selbst ernannten Vertretern der vorgeblichen 25 "Bundesstaaten" beziehungsweise des angeblich 26. "Bundesstaats" ("Reichsland Elsass-Lothringen") sowie aus verschiedenen Redebeiträgen mehrerer "Reichsbürger". Ein weiteres "Großes Treffen der Bundesstaaten" fand in vergleichbarer Form am 28. Oktober 2023 in Dresden (Sachsen) mit mehr als doppelt so vielen Teilnehmern statt. 75 Die Anhängerschaft der Verschwörungstheorie bezieht sich auf Gesetze des Supreme Headquarters, Allied Expeditionary Force (S.H.A.E.F.), welches während des Zweiten Weltkriegs das Oberkommando über die alliierten westlichen Streitkräfte in Europa ausgeübt hatte und nach Kriegsende aufgelöst wurde, und behauptet, S.H.A.E.F. bestehe fort und sei die legitime Verwaltungsadministration Deutschlands. 134 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" Ein ähnliches Ziel wird mit den sogenannten Zukunftskongres"Zukunftskongresse" sen verfolgt. Beim "2. Zukunftskongress Deutschland" (ZKD) im Juni 2023 in Worbis (Thüringen) trafen sich sowohl "Reichsbürger" als auch Vertreter der Phänomenbereiche "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" und Rechtsextremismus zu einem Austausch. Der Kongress sollte sich nach Eigendarstellung mit der Ausgestaltung Deutschlands im Kontext einer Verfassung von 1871 befassen. Ein zentrales Element waren hierbei die sogenannten Wahlkommissionen, welche in einem ersten Schritt deutschlandweit koordinierte "Gemeindewahlen" organisieren sollten. Ein dritter ZKD fand vom 17. bis 19. November 2023 in Wemding (Bayern) statt, bei dem wiederum die regionale und überregionale Vernetzung von "Reichsbürgern" im Vordergrund stand und erneut ein Staatssystem auf Basis der Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 diskutiert wurde. 2. Erscheinungsformen Angehörige der "Reichsbürger"und "Selbstverwalter"-Szene stöAusgewählte ren zur Erreichung ihrer Ziele bewusst behördliche und rechtsAktivitäten staatliche Abläufe. Hierbei gehen sie in unmittelbare Konfrontation mit Beschäftigten in Behörden, oft bis hin zu aktivem physischem Widerstand gegen die Durchsetzung staatlicher Maßnahmen. Häufigste Vorgehensweise bleibt weiterhin die "Vielschreiberei". Dabei verfassen "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" ausufernde Schreiben an Behörden, die nur schwer nachvollziehbare Argumente und Behauptungen sowie abwegige Rechtsauffassungen beinhalten. Die Ausführungen reichen dabei von der einfachen Ablehnung behördlichen Handelns bis hin zu Beleidigungen, Nötigungen oder Erpressungen, teilweise mit Gewaltandrohungen. Von besonderer Bedeutung sind zudem Aktivitäten, mit denen Einnahmen "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" von anderen Szeneangehörigen teils erhebliche Einnahmen erzielen. Mehrere Gruppierungen und Einzelakteure verkaufen ihren Anhängern Fantasiedokumente wie etwa "Führerscheine" und "Kfz-Kennzeichen" oder Bücher und sonstiges Schriftgut. Häufig werden auch kostspielige Seminare, "Rechtsberatungen" und Vortragsveranstaltungen angeboten. Einige Akteure führen Vortragsreisen durch, mit denen sie in besonderem Maße zur Verbreitung der Ideologie und zur Vernetzung 135 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" beitragen und vor allem auch Gewinne erzielen. Den Anhängern bieten sie vermeintliche Argumentationsgrundlagen dafür, warum die Bundesrepublik Deutschland keine gültige Verfassung besitze und daher alle Gesetze, Gerichte und insbesondere auch Steuern unrechtmäßig seien. "Königreich So wirbt die "Reichsbürger"und "Selbstverwalter"-Gruppierung Deutschland" (KRD) "Königreich Deutschland" (KRD) weiter damit, ihre Anhänger müssten "im KRD" keine Steuern an die Bundesrepublik Deutschland zahlen. Gleichzeitig erlangt das KRD auf vielfältige Weise von seinen Anhängern ganz erhebliche Vermögenswerte. Nachdem das KRD bereits im Jahr 2022 größere Immobilien erworben hatte, belegt auch der Erwerb einer weiteren Immobilie in Halsbrücke (Sachsen) im Mai 2023 die vom KRD verfolgte Strategie, Liegenschaften für den Aufbau sogenannter Gemeinwohlstrukturen zu erwerben. Ziel ist die Erweiterung des vermeintlichen "Staatsgebiets" des KRD, damit sich dort "alle freiheitsliebenden Menschen (...) unabhängig von alten Systemstrukturen versorgen" könnten, womit "ein selbstbestimmtes Leben - ohne Impfpass, Maske und Zentralbankkonto" ermöglicht werden soll.76 Der Kauf von Liegenschaften erfolgt zur Verschleierung des Bezugs zum KRD in der Regel über weniger bekannte Anhänger. "Indigenes Volk Auch andere "Reichsbürger"-Gruppierungen erwarben im BeGermaniten" (IVG) richtsjahr Immobilien zur szeneinternen Nutzung. So kauften Anhänger der bundesweit aktiven Gruppierung "Indigenes Volk Germaniten" (IVG) ein ehemaliges Hotel in Seiffen (Sachsen). Die bereits 2010 gegründete Gruppierung verzeichnet seit der Coronapandemie einen verstärkten Zulauf und war 2023 mit Veranstaltungen und Vorträgen aktiv. In Schreiben an verschiedene deutsche Behörden verbreitet die Gruppierung neben "Reichsbürger"-typischen Autonomiebehauptungen auch verschwörungstheoretische Inhalte, Erklärungen zur eigenen "ethnokulturellen Identität" sowie antisemitische Chiffren. Anhänger des IVG glauben, sie könnten durch sogenannte Übertragungen ihres Eigentums an das IVG ihr Vermögen vor Pfändungen und Enteignungen schützen. Zugleich postulieren sie ein angebliches Recht ihrer Kinder auf "indigene, germanitische Bildung". In Einzelfällen sind bereits Abmeldungen von staatlichen Schulen bekannt geworden, sodass die 76 Vgl. Homepage "Königreich Deutschland" (7. Dezember 2023). 136 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" Gefahr besteht, dass die Kinder ihrer Schulpflicht entzogen und "Reichsbürger"-typisch indoktriniert werden. 3. Staatliche Maßnahmen Am 15. November 2023 verurteilte das Oberlandesgericht (OLG) Verurteilung eines Stuttgart (Baden-Württemberg) einen "Reichsbürger" wegen ver"Reichsbürgers" suchten Mordes in vier tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit nach Schusswaffengefährlicher Körperverletzung, wegen versuchten Mordes in sechs gebrauch gegen tateinheitlichen Fällen sowie Widerstands gegen und tätlichen AnPolizeibeamte griffs auf Vollstreckungsbeamte und Straftaten nach dem Kriegswaffenkontrollund Waffengesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren und 6 Monaten. Eine anschließende Sicherungsverwahrung blieb vorbehalten. Während einer Durchsuchungsmaßnahme im April 2022 in Boxberg (Baden-Württemberg) zur Sicherstellung von Waffen hatte der Mann auf die eingesetzten Kräfte des Spezialeinsatzkommandos (SEK) geschossen und dabei zwei SEK-Beamte verletzt.77 Das OLG Stuttgart verurteilte am 24. März 2023 einen "ReichsVerurteilung eines bürger" unter anderem wegen versuchten Mordes in Tateinheit "Reichsbürgers" nach mit gefährlicher Körperverletzung, gefährlichem Eingriff in den Überfahren eines Straßenverkehr und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu Polizisten einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren. Der Verurteilte hatte im Februar 2022 einen Polizeibeamten während einer Verkehrskontrolle in Efringen-Kirchen (Baden-Württemberg) absichtlich überfahren und schwer verletzt. Ihm wurde die Fahrerlaubnis entzogen; sein Kraftfahrzeug wurde eingezogen. Er wurde zudem zu einer Schmerzensgeldzahlung an den verletzten Polizeibeamten in Höhe von 30.000 Euro verurteilt.78 Das Urteil ist rechtskräftig.79 Das Amtsgericht Wittenberg (Sachsen-Anhalt) verurteilte die zenVerurteilung trale Führungsfigur der "Reichsbürger"und "Selbstverwalter"der zentralen Gruppierung "Königreich Deutschland" (KRD) am 13. Juli 2023 Führungsfigur des wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung zu eiKRD ner Haftstrafe von acht Monaten ohne Bewährung. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Verurteilte am 1. März 2022 im 77 OLG Stuttgart, Urteil vom 15. November 2023, 7 St - 2 StE 17/22. Gegen das Urteil haben sowohl die Bundesanwaltschaft als auch die Verteidigung Revision eingelegt. 78 OLG Stuttgart, Urteil vom 24. März 2023, 2 - 2 StE 15/22. 79 BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2023, 3 StR 326/23. 137 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" Dienstgebäude des Landkreises Wittenberg eine Mitarbeiterin im Zuge einer verbalen Auseinandersetzung gegen eine Tür gestoßen und getreten hatte.80 Exekutivmaßnahmen Am 23. Februar 2023 setzte die Bundesanstalt für Finanzdienstgegen das KRD leistungsaufsicht (BaFin) die bereits 2021 angeordnete Schließung der "Repräsentanzen" der "Gemeinwohlkasse" (GK) des KRD in Dresden (Sachsen), Lutherstadt Wittenberg (Sachsen-Anhalt) und Menden (Nordrhein-Westfalen) zwangsweise durch. Die vom KRD gegründete "Gemeinwohlkasse" suggeriert ihren Anhängern ein "neues, dauerhaft stabiles, unabhängiges und zinsfreies Geldund Finanzwesen zum Wohle der Menschen".81 Unter diesem Vorwand hatte das KRD erhebliche Gelder eingesammelt, ohne dass die für solche Geschäfte erforderliche Erlaubnis vorlag. Am 29. November 2023 erfolgten in mehreren Bundesländern Exekutivmaßnahmen der BaFin zur Durchsetzung eigener Untersagungsverfügungen und des Landeskriminalamts Sachsen zur Strafverfolgung unerlaubter Bankund Versicherungsgeschäfte gegen das KRD. Dabei wurden Beweismittel sichergestellt und Vermögenswerte - unter anderem zwei Immobilien - beschlagnahmt. Auch gegen weitere Aktivitäten des KRD gingen die zuständigen Behörden vor. So wurde eine für den 16. und 17. September 2023 geplante Veranstaltung des KRD "111 Jahre Königreich Deutschland"82 auf dessen Liegenschaft in Bärwalde durch die zuständige Gemeinde Boxberg (Sachsen) verboten. Exekutivmaßnahmen Wegen des Verdachts der Fortführung einer verbotenen Vereigegen die GdVuSt nigung wurden im Januar 2023 vier Durchsuchungsbeschlüsse bei Anhängern der im März 2020 verbotenen "Reichsbürger"Gruppierung "Geeinte deutsche Völker und Stämme" (GdVuSt) vollstreckt. Die zentrale Führungsfigur der Organisation war bereits im November 2022 zu einer dreieinhalbjährigen Haftstrafe wegen Verstoßes gegen das Vereinigungsverbot (SS 85 StGB) in Tateinheit mit der Verwendung und der Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen (SSSS 86, 86a StGB), 80 LG Dessau-Roßlau, Pressemitteilung vom 13. Juli 2023, 016/2023. Gegen das Urteil ist ein Berufungsverfahren anhängig. 81 Vgl. Homepage "Gemeinwohlkasse" (20. Dezember 2023). 82 Vgl. Homepage "Königreich Deutschland" (18. September 2023). 138 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" Volksverhetzung (SS 130 StGB) und Missbrauch von Berufsbezeichnungen (SS 132a StGB) verurteilt worden. Im März, Mai und Juni 2023 führte die Polizei im Rahmen des Ermittlungsverfahren Ermittlungsverfahrens des Generalbundesanwalts wegen der Bilu. a. wegen Bildung dung einer terroristischen Vereinigung und weiterer Straftaten einer terroristischen gegen die Gruppierung um Heinrich XIII. P. R. ExekutivmaßnahVereinigung men gegen mehrere Beschuldigte und Zeugen durch. Bei den Durchsuchungen am 22. März 2023 kam es in Reutlingen (BadenWürttemberg) durch eine bis dahin als Zeuge geführte Person zu einem Schusswaffengebrauch gegenüber eingesetzten Polizeibeamten. Durch die Schüsse wurden zwei Beamte verletzt, wobei ein Beamter dauerhafte gesundheitliche Beeinträchtigungen davontrug. Das Ermittlungsverfahren wurde auf diese Person erweitert und um den Tatvorwurf des versuchten Mordes gemäß SS 211 StGB ergänzt. Am 11. Dezember 2023 erhob die Bundesanwaltschaft vor den Staatsschutzsenaten der OLG Frankfurt am Main (Hessen), München (Bayern) und Stuttgart Anklage gegen insgesamt 27 Personen, unter anderem wegen Mitgliedschaft in oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens, wobei vor dem OLG Stuttgart ebenfalls der vorgenannte Tatvorwurf des versuchten Mordes verhandelt wird.83 Nach umfangreichen operativen Maßnahmen und Ermittlungen durch den Verfassungsschutzverbund sowie das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst, das Bundeskriminalamt und mehrere Landeskriminalämter waren bereits am 7. Dezember 2022 erste bundesweite Exekutivmaßnahmen erfolgt. In der Gruppierung flossen "Reichsbürger"-Ideologien, Verschwörungstheorien aus dem Phänomenbereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" sowie rechtsextremistische Narrative zusammen. Aus ihrer ideologisch begründeten Ablehnung der Bundesrepublik Deutschland heraus beabsichtigte die Gruppierung, das politische System in Deutschland mittels Waffengewalt zu beseitigen und durch eigene Herrschaftsstrukturen zu ersetzen. Die Zielsetzungen und Vorbereitungshandlungen des Personenzusammenschlusses unterstreichen das erhebliche Gefährdungspotenzial, das von derartigen phänomenübergreifenden Gruppierungen ausgeht. 83 Am 29. April 2024 wurde vor dem OLG Stuttgart der Prozess gegen neun Angeklagte eröffnet, die dem "militärischen Arm" der Gruppe angehört haben sollen. 139 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" II. Gefährdungspotenzial Im Zusammenhang mit der Vollstreckung eines Haftbefehls am 22. Juni 2023 in Weidhausen bei Coburg (Bayern) griff ein als "Reichsbürger" eingestufter Beschuldigter nach einer rund zehn Kilogramm schweren Eisenstange und versuchte, mit dieser gegen die Einsatzkräfte vorzugehen. Auch mit Schusswaffen setzen sich Szeneangehörige gegen staatliche Maßnahmen zur Wehr: So setzte etwa ein "Reichsbürger" im März 2023 in Reutlingen (vgl. Kap. I, Nr. 3) seine Schusswaffe ein. Regelmäßige Widerstandshandlungen gegen staatliche Maßnahmen zeigen deutlich das hohe Gewaltpotenzial in der "Reichsbürger"und "Selbstverwalter"-Szene. Waffenaffinität Das Gefährdungspotenzial durch die Waffenaffinität vieler Szeneangehöriger besteht fort. So werden bei staatlichen Maßnahmen gegen "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" immer wieder Waffen, aber auch Sprengmittel sichergestellt. Beispielsweise fand die Polizei bei Durchsuchungen am 8. Januar 2023 in Siebeldingen (Rheinland-Pfalz) einen als Flammenwerfer umgerüsteten Feuerlöscher bei einem als "Reichsbürger" eingestuften deutschen Staatsangehörigen. Weiterhin wurden insgesamt etwa 250 Liter brennbare Flüssigkeiten (Benzin-Öl-Gemisch), aufbewahrt in 27 Kanistern, aufgefunden. Bei einem "Reichsbürger" in Salzkotten (Nordrhein-Westfalen) wurde am 9. und 10. Februar 2023 bei Durchsuchungen eine beträchtliche Anzahl von Waffen beschlagnahmt, darunter 29 Maschinengewehre, 20 Maschinenpistolen, 78 Repetiergewehre, 7 halbautomatische Gewehre, große Mengen Munition, Pistolen sowie ein Luftabwehrgeschütz. Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen einen als "Reichsbürger" eingestuften Beschuldigten konnten am 2. März 2023 in München bei einer Wohnungsdurchsuchung unter anderem drei scharfe Handgranaten, eine scharfe halbautomatische Pistole, eine große Anzahl scharfer Munition und Bargeld in Höhe von etwa 100.000 Euro aufgefunden und sichergestellt werden. Gegen den Beschuldigten war bereits im Jahr 2021 ein Waffenverbot erlassen worden. 140 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" Wie zuvor dargestellt, birgt jedweder Waffenbesitz bei "ReichsbürWaffenentzug gern" und "Selbstverwaltern" das unkalkulierbare Risiko, dass sie diese Waffen einsetzen, um gegen sie gerichtete staatliche Maßnahmen abzuwehren. Szeneangehörige, die über waffenrechtliche Erlaubnisse verfügen, stellen daher eine besondere Risikogruppe dar. Da "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich nicht anerkennen, muss bei ihnen regelmäßig eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit angenommen werden.84 Im Jahr 2023 wurden rund 200 "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" waffenrechtliche Erlaubnisse entzogen oder durch diese Personen im Zusammenhang mit einer staatlichen Maßnahme, wie etwa einer vorangegangenen Anhörung durch die Waffenbehörde, freiwillig zurückgegeben. Ende 2023 verfügten noch etwa 400 "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" über mindestens eine waffenrechtliche Erlaubnis. Die Verfassungsschutzbehörden stellen den zuständigen Waffenbehörden fortlaufend alle erforderlichen Informationen zur Verfügung, um den Entzug waffenrechtlicher Erlaubnisse bei Szeneangehörigen zu ermöglichen. 84 Mit Entscheidung vom 28. Juli 2022 hat der Verwaltungsgerichtshof München (24 ZB 22.451) festgestellt, dass "einer Person, die sich die Ideologie der sog. ,Reichsbürgerbewegung' zu eigen gemacht hat anknüpfend an die Tatsache, dass sie die waffenrechtlichen Normen gerade nicht als für sich verbindlich ansieht, die nach SS 5 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit abgesprochen werden [muss]". 141 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" III. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 1. "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" Mitglieder/Anhänger 25.000 (2022: 23.000) in Deutschland: Publikationen/Medien Vielzahl von Internetpräsenzen mit (Auswahl): entsprechenden Veröffentlichungen, vor allem in den sozialen Medien Bundesweit aktive Rund 30 länderübergreifend aktive Gruppierungen Gruppierungen, unter anderem: (Auswahl): - "Bismarcks Erben" bzw. "Vaterländischer Hilfsdienst" - "Indigenes Volk Germaniten" - "Königreich Deutschland" - "Staatenbund Deutsches Reich" - "Verfassunggebende Versammlung" "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" sind Personen und Gruppierungen, die aus unterschiedlicher Motivation und mit verschiedenen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland verneinen und die gesamte Rechtsordnung ablehnen. Verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder auch ein selbst definiertes Naturrecht bilden häufig das ideologische Fundament dafür. "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" sprechen den demokratisch gewählten Repräsentantinnen und Repräsentanten ihre Berechtigung ab oder definieren sich selbst als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Szeneangehörige zeichnen sich zudem durch eine Affinität zu Waffen aus, was in Verbindung mit der verfassungsfeindlichen Ideologie ein erhebliches Gefährdungspotenzial birgt. Die Entwaffnung der Szeneangehörigen ist ein vordringliches Ziel der Sicherheitsbehörden. 142 Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates 143 Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates I. Überblick Die Akteure des Phänomenbereichs "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" zielen darauf ab, wesentliche Verfassungsgrundsätze außer Kraft zu setzen oder die Funktionsfähigkeit des Staates oder seiner Einrichtungen zu beeinträchtigen. Sie machen demokratische Entscheidungsprozesse und Institutionen verächtlich oder rufen dazu auf, behördliche oder gerichtliche Anordnungen und Entscheidungen zu ignorieren. Diese Form der Delegitimierung erfolgt oft nicht über eine offene Ablehnung der Demokratie als solche, sondern über eine ständige Verächtlichmachung von und Agitation gegen demokratisch legitimierte Repräsentantinnen und Repräsentanten sowie Institutionen des Staates. Dieses Vorgehen geht weit über eine rechtlich zulässige Kritik an Politik und Staat hinaus. Es untergräbt vielmehr die demokratische Ordnung, indem es das Vertrauen in das staatliche System insgesamt erschüttert und so dessen Funktionsfähigkeit gefährdet. Erst eine solch systematische, einer restriktiven Erheblichkeitsschwelle unterliegende Delegitimierung begründet eine Verfassungsschutzrelevanz. Eine derartige Agitation steht im Widerspruch zu elementaren Verfassungsgrundsätzen, insbesondere dem Demokratieund dem Rechtsstaatsprinzip. 1. Personen und Gruppierungen Personenpotenzial Im Berichtszeitraum waren dem Delegitimierungsspektrum bundesweit etwa 1.600 Personen (2022: 1.400) zuzurechnen, davon sind etwa 250 Personen (2022: 280) als gewaltorientiert einzustufen.85 Im Unterschied zu anderen Phänomenbereichen finden sich diese seltener in festen, dauerhaften Strukturen zusammen, sondern agieren oftmals nur in losen Personenzusammenschlüssen oder als Einzelpersonen. 85 Der Rückgang des gewaltorientierten Personenpotenzials im Vergleich zum Vorjahr bei gleichzeitigem Anstieg des gesamten Personenpotenzials steht mutmaßlich im Zusammenhang mit der Aufhebung der staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen und dem damit verbundenen Wegfall des zentralen Agitations-, Emotionalisierungsund Mobilisierungsthemas der Szene. 144 VERFASSUNGSSCHUTZRELEVANTE DELEGITIMIERUNG DES STAATES Die personelle Zusammensetzung des Delegitimierungsspektrums ist heterogen und wird teilweise durch regionale Besonderheiten geprägt. Verbindendes Element der unterschiedlichen Gruppen und Personen ist die kategorische Ablehnung der bestehenden staatlichen Ordnung. Ein systempolitischer Gegenentwurf, wie etwa das Modell des autokratischen Führungsprinzips im Rechtsextremismus, hinter dem sich die Szene vereinen könnte, besteht hingegen nicht. Vielmehr erschöpft sich der Konsens bereits in der fundamentalen Ablehnung des bestehenden Systems. Im Berichtszeitraum existierten in der Szene zwar vielfältig lokale, aber keine bundesweit relevanten Organisationen. Ungeachtet der derzeitigen organisatorischen Schwäche des Delegitimierungsspektrums und der im Vergleich zu den Vorjahren zurückgegangenen Proteste halten Akteure dieses Phänomenbereichs im Kern an ihren verfassungsfeindlichen Positionen fest und versuchen, diese weiter zu verbreiten. Zur Vernetzung werden insbesondere soziale Medien, Messengerdienste und Internetplattformen wie Telegram genutzt. 2. Wandel der thematischen Agenda Durch das Wegfallen der staatlichen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung im April 2023 entfiel die Coronapandemie nahezu vollständig als Mobilisierungsthema. Als Reaktion auf diese Entwicklung setzte daraufhin innerhalb des Delegitimierungsspektrums ein Diskurs über mögliche neue, mobilisierungsfähige Themen ein. In diesem Kontext wurden unter anderem die Agitation gegen staatliche Klimaschutzmaßnahmen oder die Debatte über die wirtschaftlichen und politischen Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine als mögliche neue Schwerpunktthemen diskutiert. Bei den Protesten gegen Inflation und Energiekrise infolge des Krieges erreichten die Akteure des Phänomenbereichs im weiteren Verlauf des Berichtszeitraums aber zu keinem Zeitpunkt eine vergleichbare Resonanz wie beim Demonstrationsgeschehen im Kontext der Coronapandemie. Gleiches gilt für Versuche, sich als Akteure einer "neuen FrieInszenierung als densbewegung" zu inszenieren. Das Demonstrationsgeschehen "Friedensaktivisten" verblieb meist auf sehr niedrigem Niveau. Lediglich bei zwei Veranstaltungen, in Dresden (Sachsen) am 17. Juni 2023 zum "Tag für 145 VERFASSUNGSSCHUTZRELEVANTE DELEGITIMIERUNG DES STAATES Frieden und Freiheit" mit in der Spitze bis zu 2.350 Teilnehmern und einer am 5. August 2023 in Berlin durchgeführten Demonstration unter dem Motto "WELTFRIEDEN: Tag der Aufarbeitung - für eine Zukunft in Frieden, Freiheit und Freude" mit rund 4.600 Teilnehmern kam es zu höheren Teilnehmerzahlen. Gekennzeichnet waren diese jedoch auch durch Beteiligung unter anderem rechtsextremistischer Akteure. Dessen ungeachtet bemühte sich die Delegitimierungsszene wiederholt um die Durchführung eigener Großdemonstrationen und Veranstaltungen und beteiligte sich vereinzelt an dezentralen Protestveranstaltungen wie sogenannten (Montags-)Spaziergängen. 3. Verbindungen zu Rechtsextremisten und zu "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" Die Akteure des Phänomenbereichs "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" zeichnen sich durch eine nachhaltige Agitation gegen demokratisch legitimierte Repräsentantinnen und Repräsentanten des Staates aus. Dadurch besteht eine wechselseitige Anschlussfähigkeit insbesondere an die Phänomenbereiche Rechtsextremismus sowie "Reichsbürger" und "Selbstverwalter". Immer wieder zeigt sich, dass einzelne Protagonisten aus dem Bereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" über Kontakte in andere extremistische Spektren hinein verfügen. Bisweilen kann bei einzelnen Personen auch eine schrittweise ideologische Annäherung an andere Phänomenbereiche (z.B. gefördert durch Verschwörungstheorien wie die des "Great Reset"86 als kleinster gemeinsamer Nenner) beobachtet werden. Die Übergänge zu anderen Phänomenbereichen, insbesondere zu Rechtsextremisten und "Reichsbürgern", sind teilweise fließend, was sich bisweilen in der Bildung phänomenübergreifender Gruppierungen wie den "Vereinten Patrioten" (vgl. Kap. II) oder dem Personenzusammenschluss um die Person Heinrich XIII. P. R. (vgl. Berichtsteil "Reichsbürger" und "Selbstverwalter", Kap. I, Nr. 3) niederschlägt. 86 "Great Reset" bezeichnet eigentlich die Vision des Ökonomen Klaus Schwab, Gründer des Weltwirtschaftsforums, die Coronapandemie als Ausgangspunkt für Reformen zur Erreichung einer nachhaltigeren Gesellschaftsund Wirtschaftsordnung zu nutzen. Sowohl Rechtsextremisten, "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" als auch "Delegitimierer" verzerren diese Intention bewusst und warnen vor einer ökokommunistischen, von jüdischen Interessen geleiteten Weltdiktatur, die mit dem "Great Reset" einherginge. 146 VERFASSUNGSSCHUTZRELEVANTE DELEGITIMIERUNG DES STAATES II. Gefährdungspotenzial Die Angehörigen des Phänomenbereichs versuchen, das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie und in staatliche Institutionen zu untergraben. Sie wollen Einfluss auf Teile der Bevölkerung gewinnen, um so weitere Unterstützer und Sympathisanten zu mobilisieren. Etwas mehr als 15 % der Angehörigen des Phänomenbereichs sind Gewaltorientierung als gewaltorientiert einzustufen. Dies bedeutet, dass diese Personen entweder die Anwendung von Gewalt durch Dritte im Rahmen ihrer Agitation befürworten oder unterstützen, gewaltbereit sind und/oder selbst Gewalt anwenden. Sie beschreiben die Bundesrepublik Deutschland als "repressive Diktatur" und leiten daraus ein vermeintlich legitimes Widerstandsrecht ab. Damit halten sie die Anwendung von Gewalt unter bestimmten Voraussetzungen, wie beispielsweise zur Abwehr von vermeintlich unrechtmäßigen Eingriffen des angeblich autoritären Staates, für gerechtfertigt. Den im Delegitimierungsspektrum verbreiteten RadikalisierungsRadikalisierungstendenzen - gerade von Einzelpersonen - leistet vor allem die tendenzen in sozialen Kommunikation in sozialen Medien Vorschub. Hier werden auf Medien unterschiedlichen Plattformen wie der Internetplattform Telegram Ideologeme ungefiltert verbreitet; stark menschenverachtende oder gewaltorientierte Äußerungen einzelner Mitglieder bleiben hier ebenfalls häufig unwidersprochen oder werden sogar aktiv unterstützt. Zudem wird für Demonstrationen und Aktionen mobilisiert. Die Gefahr einer Radikalisierung von Einzelpersonen oder Gruppen bleibt somit bestehen. Exemplarisch hierfür steht die Vereinigung "Vereinte Patrioten", Staatliche der sowohl Personen aus dem Delegitimierungsspektrum als auch Maßnahmen Rechtsextremisten und "Reichsbürger" angehörten. Dieser angegen Mitglieder fangs lose Personenzusammenschluss tauschte sich über die Inder Gruppierung ternetplattform Telegram zu möglichen Anschlagsabsichten aus, "Vereinte Patrioten" radikalisierte sich und etablierte feste Organisationsstrukturen. Die Gruppierung plante, bürgerkriegsähnliche Zustände durch Anschläge auf Kritische Infrastruktur in Deutschland herbeizuführen und das politische System durch eine "Reichsverfassung" auf Grundlage der Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 zu ersetzen. Dabei war auch die Entführung des Bundesministers für 147 VERFASSUNGSSCHUTZRELEVANTE DELEGITIMIERUNG DES STAATES Gesundheit Prof. Dr. Karl Lauterbach unter Inkaufnahme der Tötung seiner Personenschützer geplant. Gegen die fünf Hauptbeschuldigten erhob der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof am 11. Januar 2023 Anklage unter anderem wegen der Gründung beziehungsweise mitgliedschaftlichen Betätigung in einer terroristischen Vereinigung (SS 129a Strafgesetzbuch, StGB) sowie der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gegen den Bund (SS 83 Abs. 1 StGB). Der Prozess begann am 17. Mai 2023 vor dem Oberlandesgericht (OLG) Koblenz. Am 10. Oktober 2023 fanden weitere Exekutivmaßnahmen in sechs Bundesländern unter der Leitung des Landeskriminalamts Rheinland-Pfalz gegen weitere Beschuldigte im Sachverhaltskomplex "Vereinte Patrioten" statt.87 87 Am 29. Januar 2024 erhob die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz Anklage gegen zwei weitere Personen aus dem Umfeld der "Vereinten Patrioten". Den beiden Angeklagten wird die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung sowie die Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gegen den Bund bzw. die Beihilfe dazu vorgeworfen. Die Hauptverhandlung begann am 18. April 2024 vor dem OLG Koblenz. 148 Linksextremismus 149 Linksextremismus I. Überblick Linksextremisten wollen die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung und somit die freiheitliche demokratische Grundordnung (fdGo) beseitigen. An deren Stelle soll ein kommunistisches System beziehungsweise eine "herrschaftsfreie", anarchistische Gesellschaft treten - je nach ideologischer Ausrichtung mit dem Sozialismus als Übergangsphase. Themen wie "Antifaschismus", "Antirepression", "Antimilitarismus" oder "Antigentrifizierung" sind dabei anlassbezogen relevante, letztlich aber austauschbare Aktionsfelder, die immer nur der Umsetzung der eigenen ideologischen Vorstellungen dienen. Um diese zu erreichen, sind Linksextremisten grundsätzlich auch bereit, Gewalt einzusetzen. 1. Entwicklungstendenzen Straftaten und Das linksextremistische Personenpotenzial ist im Jahr 2023 um Personenpotenzial 500 auf nunmehr 37.000 Personen angewachsen, darunter 11.200 (2022: 10.800) gewaltorientierte Linksextremisten. Die Zahl linksextremistisch motivierter Straftaten stieg 2023 um 10,4 % auf 4.248 Delikte. Noch deutlicher ist der Anstieg bei den Gewalttaten um 20,8 % auf 727 Delikte. Insbesondere die Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte nahm deutlich zu. Radikalisierung Im Mai 2023 wurden vier linksextremistische Gewalttäter um die im "militanten Hauptangeklagte Lina E. als Teil einer kriminellen Vereinigung Antifaschismus" zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Die linksextremistische Szene reagierte bundesweit mit weiteren Strafund Gewalttaten, darunter ein nach derzeitigem Ermittlungsstand versuchter Mord an einem Polizeibeamten in Leipzig (Sachsen). Weiterhin verübten gewaltbereite Linksextremisten auch 2023 erhebliche Angriffe auf tatsächliche oder als solche ausgemachte Rechtsextremisten im Inund Ausland. Mehrere der mutmaßlichen Täter haben sich dem polizeilichen Zugriff entzogen und sind untergetaucht. Beeinflussung Der Versuch der Beeinflussung der Klimaprotestbewegung mit der Klimaprotestdem Ziel einer Radikalisierung der Protestund Aktionsformen bewegung hin zur Sabotage von Infrastruktur durch gewaltorientierte 150 LINKSEXTREMISMUS Linksextremisten wurde fortgesetzt. Das BfV bearbeitet das Bündnis "Ende Gelände" nunmehr als linksextremistischen Verdachtsfall. Nach den Terrorangriffen der HAMAS gegen Israel am 7. OktoSpaltung der Szene in ber 2023 haben sich auch Linksextremisten an zahlreichen VerBezug auf Israel nach sammlungen in Deutschland beteiligt. Die Szene zeigte sich dabei den Terrorangriffen gespalten. Während Autonome sich überwiegend proisraelisch der HAMAS positionierten, äußerte sich mit antiimperialistischen und dogmatischen Linksextremisten der größere Teil der Szene israelfeindlich und mobilisierte zur Teilnahme an propalästinensischen Demonstrationen. Hierbei zeigten sich diverse Verbindungen zu palästinensischen Extremisten sowie zu türkischen Linksextremisten. 2. Personenpotenzial Linksextremismuspotenzial1 2021 2022 2023 Gewaltorientierte 10.300 10.800 11.200 Linksextremisten davon Autonome 8.000 8.300 8.300 Nicht gewaltorientierte 25.500 27.600 27.800 dogmatische Linksextremisten und sonstige Linksextremisten Summe 35.800 38.400 39.000 Nach Abzug von 34.700 36.500 37.000 Mehrfachmitgliedschaften 1 Die Zahlen sind zum Teil geschätzt und gerundet. 3. Strafund Gewalttaten Die Zahl linksextremistisch motivierter Straftaten in Deutschland ist im Jahr 2023 um 10,4 % auf 4.248 Delikte (2022: 3.847) gestiegen. Noch deutlicher ist der Anstieg der Gewalttaten um 20,8 % auf 727 Delikte (2022: 602). Die meisten linksextremistischen Straftaten richteten sich gegen als solche ausgemachte Rechtsextremisten (1.650 Delikte, +4,7 %), gefolgt von Straftaten gegen die Polizei (1.135 Delikte, +18,2 %). 151 LINKSEXTREMISMUS Während Gewalttaten gegen als solche ausgemachte Rechtsextremisten leicht rückläufig waren (204 Delikte, -10,9 %), nahm die Gewalt von Linksextremisten gegen die Polizei erheblich zu (477 Delikte, +65,6 %). Unter anderem zwei versuchte Tötungsdelikte (2022: keines), 203 Körperverletzungen (+113,7 %) und 174 Widerstandsdelikte (+19,2 %) richteten sich 2023 gegen Polizeibeamtinnen und -beamte - insbesondere bei den Ausschreitungen gewaltbereiter Linksextremisten zum "Tag X" am 3. Juni 2023 in Leipzig, aber auch bei den teils gewaltsamen Protesten im Zusammenhang mit der Räumung der Ortschaft Lützerath (NordrheinWestfalen) im Januar 2023. Insgesamt drei versuchte Tötungsdelikte (2022: eins) und 317 Körperverletzungsdelikte (+5,3 %) zeigen die hohe Gewaltbereitschaft im Linksextremismus. Hinzu kommt eine wieder deutlich gestiegene Zahl an Brandstiftungen (104 Delikte, +67,7 %). Mit 2.301 Delikten (+16,9 %) ist die Sachbeschädigung weiterhin die häufigste von Linksextremisten begangene Straftat. Die hierbei hervorgerufenen Sachschäden summieren sich jedes Jahr in mehrstelliger Millionenhöhe. Die meisten linksextremistisch motivierten Straftaten wurden 2023 in Nordrhein-Westfalen (1.093; 2022: 812) und Sachsen (804; 2022: 742) verübt. Es folgen Brandenburg (517; 2022: 179), Berlin (387; 2022: 369), Bayern (378; 2022: 364) und Baden-Württemberg (319; 2022: 352). 152 LINKSEXTREMISMUS II. Aktuelle Entwicklungen im Linksextremismus 1. Militanter "Antifaschismus" Gewaltorientierte Linksextremisten verstehen Straftaten und Gewalt als Gewalt als legitimen Kernbestandteil ihres "antifaschistischen Bestandteil des Kampfes". Diesen betrachten sie als das einzig wirksame Mittel "antifaschistischen gegen von ihnen selbst definierte "Faschisten" und deren StruktuKampfes" ren. Ihr militantes Vorgehen reicht dabei von "Outings" über Bedrohungen, Beschädigung oder Zerstörung von Eigentum, Brandstiftungen an Fahrzeugen oder Trefforten bis hin zu körperlichen Angriffen auf als "faschistisch" ausgemachte Personen. Im Jahr 2023 richteten sich fast 40 % (1.650 Delikte) aller linksextremistischen Straftaten gegen tatsächliche oder als solche ausgemachte Rechtsextremisten, darunter ein versuchtes Tötungsdelikt und 115 Körperverletzungen (2022: ein versuchtes Tötungsdelikt; 164 Körperverletzungen). Die Ermittlungen zu dem versuchten Tötungsdelikt beziehen sich auf einen Brandanschlag am 30. September 2023 gegen das Gebäude einer Burschenschaft in Leipzig. Unbekannte Täter zerstörten die Glasscheiben der Hauseingangssowie der Kellerzugangstür. Wohl durch einen Brandsatz gerieten hinter der Kellertür befindliche Getränkekisten in Brand. Der Brand erlosch eigenständig. Zum Brandzeitpunkt befanden sich acht Mieter im Gebäude. Sowohl die Kellertür wie auch die darüber befindliche Treppe sind aus Holz gefertigt, wodurch eine besondere Gefährdung bestand. Die Täter sprühten an die Hausfassade "Nazis bekämpfen" und zerstörten die Heckscheibe des Pkw eines Mieters. Linksextremisten wollen damit nicht nur ihrem konkreten OpGezielte Verbreitung fer schaden, sondern durch regelmäßige Gewaltanwendung oder von Angst beim -androhung in der "rechten" und rechtsextremistischen Szene ein politischen Gegner stetes Gefühl von Unsicherheit und Angst erzeugen. Sie wollen ihre Gegner aus der Öffentlichkeit verdrängen und von der Bekundung ihnen unliebsamer Meinungen oder politischer Positionen abhalten. Ihr gewaltsames Vorgehen rechtfertigen sie mit einer angeblichen Untätigkeit staatlicher Organe bei der Bekämpfung von "Rassisten" und "Faschisten". Zugleich sprechen sie dem Staat die Legitimität zur Bekämpfung von "Faschismus" grundsätzlich ab, da dieser selbst "faschistisch durchsetzt" sei. 153 LINKSEXTREMISMUS Selbstdefiniertes Der "antifaschistische Kampf" von Linksextremisten richtet sich Verständnis von nicht nur gegen Rechtsextremisten, sondern gegen alle Personen "Faschismus" oder Institutionen, die der eigenen Weltsicht nach als "faschistisch" angesehen werden. "Faschismus" wird verstanden als reaktionärste, chauvinistischste und imperialistischste Form des "Kapitalismus". Mit "Kapitalismus" wiederum meinen Linksextremisten die untrennbare Einheit von demokratischem Rechtsstaat und marktwirtschaftlicher Eigentumsordnung, welche aus linksextremistischer Sicht ausschließlich der Manifestierung von Ausbeutungsund Unterdrückungsverhältnissen dient. "Faschismus ist als reaktionäres Krisen-Rettungsprogramm des Nationalstaates in einer kapitalistischen Gesellschaft grundsätzlich angelegt. Antifaschismus muss daher neben der Zerschlagung konkreter faschistischer Strukturen die Überwindung der bürgerlichen Gesellschaft zum Ziel haben." (Internetplattform "de.indymedia", 15. August 2023) Gezieltes, planvolles Für gewaltorientierte Linksextremisten gelten auch schwerste Anund brutales griffe auf Menschen im "antifaschistischen Kampf" als legitim und Vorgehen erforderlich. Es haben sich besonders gewaltbereite Gruppen herausgebildet, die in wechselnder Zusammensetzung gezielt selbst definierte "Faschisten" angreifen. Die sehr planvoll ausgeführten Attacken gleichen sich in Vorgehensweise und Ablauf: Die vermummten Angreifer agieren meist aus einer kleinen Gruppe heraus und überfallen ihre Opfer unvermittelt mit einer Überzahl. Zunächst bringen sie die angegriffene Person zu Boden, um sie dann in dieser hilflosen Position mit Tritten und Schlägen zu attackieren. Häufig setzen Linksextremisten Tatmittel wie Hämmer und andere Schlagwerkzeuge oder auch Reizgas ein. Dabei schlagen und treten sie auch gezielt gegen den Kopf. Die Angriffe finden meist in der Öffentlichkeit statt, im Umfeld von Demonstrationen, auf dem Nachhauseweg, aber auch innerhalb der privaten Wohnung, zu der man sich gewaltsam Zutritt verschafft. Die Opfer erleiden auf diese Weise erhebliche, teils lebensgefährliche Verletzungen. Der Gewalt sind kaum Grenzen gesetzt und es ist eher dem Zufall geschuldet, dass bisher noch kein Todesfall eingetreten ist. Beispiele aus dem Ein solcher Angriff ereignete sich am Morgen des 12. Januar 2023 Berichtsjahr in Erfurt (Thüringen). Zwei regional bekannte Rechtsextremisten wurden von mindestens sechs vermummten Tätern angegriffen, zu Boden gebracht und durch Schläge unter anderem mit einer Axt 154 LINKSEXTREMISMUS und einem Totschläger gegen den Kopf schwer verletzt. Eines der Opfer erlitt einen Schädelbruch. Im Zusammenhang mit der internationalen rechtsextremistischen Gedenkveranstaltung "Tag der Ehre", die vom 9. bis 11. Februar 2023 in Budapest (Ungarn) stattfand, führten gewaltbereite deutsche Linksextremisten und weitere aus anderen Ländern mehrere Angriffe auf tatsächliche oder vermeintliche Teilnehmende aus. Die jährlich von ungarischen Rechtsextremisten organisierte Veranstaltung soll der Erinnerung an die Belagerung der Stadt Budapest durch die sowjetische Rote Armee zum Ende des Zweiten Weltkriegs dienen und an den Ausbruchsversuch von ungarischen und deutschen Soldaten aus dieser am 11. Februar 1945 erinnern. Hierzu reisen regelmäßig auch deutsche Rechtsextremisten an. An den Veranstaltungstagen fanden insgesamt fünf gewaltsame Überfälle auf Personen statt, die offenbar durch die Täter für Angehörige der rechten Szene gehalten wurden. Diese erlitten teils erhebliche Verletzungen. Die Angriffe entsprachen dem zuvor beschriebenen üblichen Vorgehen gewaltbereiter Linksextremisten. Ein deutscher Linksextremist wurde unmittelbar nach den Angriffen von der ungarischen Polizei festgenommen. Mit europäischem Haftbefehl werden weitere mutmaßlich tatbeteiligte deutsche Linksextremisten gesucht, von denen einer am 11. Dezember 2023 in Berlin festgenommen werden konnte. Die Mehrheit der tatverdächtigen Linksextremisten aus anderen Ländern konnte bereits festgenommen werden. Am 31. Mai 2023 hat das Oberlandesgericht (OLG) Dresden (SachVerurteilung sen) vier gewalttätige Linksextremisten wegen drei gewaltsamen der kriminellen Angriffen auf politische Gegner, eines weiteren geplanten Angriffs Vereinigung um und anderer Straftaten aus den Jahren 2019 bis 2020 verurteilt, die Lina E. sie als Mitglieder beziehungsweise Unterstützer einer kriminellen Vereinigung begangen haben.88 Die Hauptangeklagte Lina E. erhielt eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 3 Monaten, die drei männlichen Mitangeklagten Freiheitsstrafen zwischen 3 Jahren und 3 Monaten und 2 Jahren und 5 Monaten. In wechselnder Zusammensetzung mit noch weiteren gewalttätigen autonomen Linksextremisten fügten sie ihren Opfern bei den Angriffen erhebliche Verletzungen zu, darunter Platzwunden am Kopf, eine mehrfache Gesichtsfraktur und einen Kniescheibenbruch. Die 88 OLG Dresden, Urteil vom 31.05.2023 - Az.: 4 St 2/21. 155 LINKSEXTREMISMUS Angeklagten haben gegen die Entscheidung des OLG Dresden Revision eingelegt. Netzwerk Die vier Verurteilten sind Teil eines größeren Netzwerks gewaltbe"Antifa-Ost" reiter Linksextremisten, dem zahlreiche Gewalttaten aus den letzten Jahren gegen als solche ausgemachte Rechtsextremisten zugerechnet werden. In der linksextremistischen Szene hat sich hierfür der Name "Antifa-Ost" durchgesetzt, in manchen Medien wird in Anlehnung an ein bevorzugtes Tatmittel auch die Bezeichnung "Hammerbande" verwendet. Das Netzwerk selbst tritt nicht unter diesen Namen in Erscheinung. Neben tonangebenden Akteuren gibt es verschiedenartige Vernetzungen und Kennverhältnisse. Die einzelnen Taten werden in wechselnder Zusammensetzung verübt. Bereits im Vorfeld der Angriffe trainieren die Täter verschiedene Szenarien, legen Tatmitteldepots an, kommunizieren äußerst vorsichtig (zum Beispiel über alte Wegwerfhandys mit SIM-Karten nicht existenter Personen), planen die Taten akribisch, gehen arbeitsteilig und damit in der Gesamtschau hochprofessionell vor. Unbeeindruckt von Festnahmen und Verfahren gegen Personen aus seinen Reihen hat das Netzwerk "Antifa-Ost" seine Aktivitäten im Berichtsjahr fortgesetzt. So sind Personen aus dem Netzwerk auch bezüglich der oben genannten Angriffe rund um den "Tag der Ehre" in Budapest dringend tatverdächtig. Noch im Jahr 2023 kommten zwei tatverdächtige Linksextremisten festgenommen werden. Eine weitere Festnahme folgte im Mai 2024. Im Übrigen hatten sich die mutmaßlichen Täter nach der Tat dem polizeilichen Zugriff entzogen, sind seitdem untergetaucht und werden mit europäischem Haftbefehl gesucht. Bis zu diesem Zeitpunkt war nur Johann G., der mutmaßlich ebenfalls in Budapest beteiligte Rädelsführer des Netzwerks, seit mehreren Jahren flüchtig. Nach ihm wird seit September 2023 auch öffentlich gefahndet. Eine Abkehr von der Gewalt ist bei diesem Personenkreis nicht zu erwarten, vielmehr ist mit zunehmender Zeitdauer eine weitere Radikalisierung zu befürchten. "Antifa Süd" Eine neue Entwicklung im gewaltsam geführten "antifaschistischen Kampf" von Linksextremisten zeigt sich mit der 2022 gegründeten "Antifaschistischen Aktion Süd" ("Antifa Süd"). Anders als beim losen Netzwerk "Antifa-Ost" gibt es hier fest geordnete Strukturen, die sich aus insgesamt acht regionalen Gruppierungen aus Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz zusammensetzen. Das zentrale Ziel der "Antifa Süd" besteht darin, "antifaschistische" Kräfte stärker zu bündeln, um gegen "Faschisten" 156 LINKSEXTREMISMUS auch "überregional schlagkräftig zu intervenieren". Durch die "direkte Konfrontation des Gegners" will die "Antifa Süd" "Rechte und Faschist:innen handlungsunfähig machen". Der "Kampf gegen Rechts" müsse sich "an unmittelbaren Notwendigkeiten orientieren - nicht an pazifistischen Idealen oder bürgerlichen Gesetzbüchern". Als Fernziel strebt die "Antifa Süd" eine bundesweite "Antifaschistische Aktion" an. Die "Antifa Süd" initiierte und koordinierte im Berichtszeitraum die Protestaktionen gegen den Landesparteitag der "Alternative für Deutschland" (AfD) am 4. März 2023 in Offenburg (Baden-Württemberg) über die eigens erstellte Kampagnenseite "#OG23" auf ihrer Internetplattform "antifa-info.net". Aus einem Demonstrationszug mit einem personenstarken "antifaschistischen" Block heraus kam es zu Ausschreitungen und Angriffen von Linksextremisten auf die Polizei mit im Ergebnis über 50 verletzten Polizistinnen und Polizisten. Der Rückhalt in der linksextremistischen Szene für "antifaschisGroße Solidarität mit tische" Gewalttäter und insbesondere für die 2023 verurteilten linksextremistischen oder untergetauchten Szeneakteure ist hoch. In Reaktion auf das Gewalttätern erwähnte Urteil des OLG Dresden vom 31. Mai 2023 fanden in mehreren Städten Demonstrationen und Protestaktionen statt, bei denen es zum "Tag X" zu Ausschreitungen und Angriffen auf die Polizei kam. Im Szeneschwerpunkt Leipzig (Sachsen) wurden in diesem Zusammenhang am 3. Juni 2023 mindestens 50 Polizeibedienstete verletzt und mehrere Polizeifahrzeuge beschädigt. Auch weitere hochpreisige Fahrzeuge wurden von Linksextremisten in Brand gesetzt. Im öffentlichen Raum kam es immer wieder zu solidarischen Graffiti, die teilweise zu weiteren Strafund Gewalttaten aufrufen. Neben dem in Anspielung auf die Hauptangeklagte häufigen "FREE LINA" lautete so beispielsweise ein Schriftzug "NAZIS UMHÄMMERN!" - in Anlehnung an die übliche Vorgehensweise der Gruppe. Zudem kursiert im Internet eine Vielzahl von Solidaritätsbekundungen. Noch während des laufenden Strafprozesses gegen die Angeklagten um Lina E. hatten "Autonome Gruppen" versucht, mit der Initiierung einer "militanten Begleitkampagne" ein Drohszenario aufzubauen. Sie hatten dazu aufgerufen, auf polizeiliche Maßnahmen und die Verurteilung von Linksextremisten mit der Begehung von Sachbeschädigungen in Millionenhöhe zu reagieren: "Für jede/n Genoss*in und Gefährt*in und für jeweils jedes Jahr Knast, gibt es ab sofort 1 Million Sachschaden bundesweit! 157 LINKSEXTREMISMUS Für jede Hausdurchsuchung / Razzia gegen linke Strukturen, Genoss*innen und Gefährt*innen, gibt es ab sofort 1 Million Sachschaden bundesweit! (...) Let's make some trouble!" (Internetplattform "de.indymedia", 2. Februar 2023) In einer Taterklärung zu einem Brandanschlag in Leipzig gaben die mutmaßlich linksextremistischen Täter an, sich von dem Aufruf inspiriert gefühlt zu haben. Sie hatten in der Nacht auf den 24. März 2023 mehrere Fahrzeuge auf dem Gelände eines Autohauses in Brand gesetzt. Zwölf überwiegend neue Fahrzeuge brannten vollständig aus, sieben weitere wurden durch das Feuer teils schwer beschädigt. Der verursachte Schaden betrug schätzungsweise rund 700.000 Euro. In einer Solidaritätserklärung für "die untergetauchten Antifas" wird die grundsätzliche Staatsfeindlichkeit der Verfassenden deutlich: "Dass einige Antifaschist:innen sich in den vergangenen Jahren bewusst für ein Leben im Untergrund entschlossen haben und sich dem Zugriff der Repressionsorgane entziehen ist keineswegs Ausdruck von Defensive. Es geht um die Fortführung des Kampfes im Untergrund, der Schritt in die Illegalität ist konkreter Ausdruck des antagonistischen Verhältnisses zum Staat." (Internetplattform "knack.news", 29. September 2023) "Outings" als Mittel Als Vorstufe zur körperlichen Gewalt gehört auch das "Outing" von zur Einschüchterung als solchen ausgemachten Rechtsextremisten zum Repertoire der des politischen linksextremistischen Szene. Durch Internetbeiträge, Plakate oder Gegners Briefkasteneinwürfe in ihrem Umfeld sollen diese als "Nazis" bekannt gemacht und sozial geächtet werden. Daneben wird anderen Linksextremisten die Möglichkeit eröffnet, selbst gegen diese Personen vorzugehen. So sind "Outings" häufig mit mehr oder minder verklausulierten Aufrufen zu Strafund Gewalttaten gegen die Betroffenen verbunden. Auf diese Weise wird ein Bedrohungsszenario aufgebaut und die "geoutete" Person eingeschüchtert, da diese jederzeit mit einem Angriff auf sich oder ihr Eigentum rechnen muss. Immer wieder kommt es im Nachgang von "Outings" zu Brandstiftungen an Fahrzeugen, Sachbeschädigungen oder gewaltsamen Überfällen auf "geoutete" Personen. So waren die Namen, Adressen und weitere personenbezogene Daten der Opfer des bereits genannten Überfalls in Erfurt am 12. Januar 2023 bereits 158 LINKSEXTREMISMUS mehrfach verbunden mit Aufrufen zur Gewalt gegen "Nazis" auf der linksextremistischen Internetplattform "de.indymedia" veröffentlicht worden. Auch die als "faschistisch" angesehene AfD, ihre Einrichtungen, Strafund Unterstützer und Funktionsträger sind regelmäßig Ziel linksextreGewalttaten mistischer Strafund Gewalttaten. Häufig kommt es zur Störung gegen die AfD von Veranstaltungen, "Outings" oder Sachbeschädigungen bis hin zu Brandstiftungen sowie in Einzelfällen zu körperlichen Angriffen. Beispielsweise setzten am 22. Januar 2023 unbekannte Täter einen geparkten Pkw-Anhänger mit Wahlwerbung der AfD in Brand. In einer auf "de.indymedia" veröffentlichten Taterklärung wird die Brandstiftung als gerechtfertigter Kampf gegen "Faschist*innen" gewertet und ein Bezug zur anstehenden Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus hergestellt. Vor der Landtagswahl in Hessen im Oktober 2023 wurden auf einer eigens eingerichteten Website umfangreiche Informationen über Kandidatinnen und Kandidaten der hessischen AfD veröffentlicht. Neben Namen und Bildern wurde teils ausführlich zur aus Sicht der Verfassenden bestehenden rechtsextremistischen Gesinnung der Personen ausgeführt. Darüber hinaus enthielt das "Outing" die Wohnadressen, die zusätzlich auf einer Karte markiert waren, sowie vereinzelt weitergehende Informationen wie zum Beispiel die Kennzeichen von privaten Pkw. Auch Personen und Unternehmen, die nicht der AfD angehören, diese aber aus Sicht von Linksextremisten "unterstützen", werden zu Zielen linksextremistischer Angriffe und Outings. So wurde in der Nacht auf den 25. April und weiterhin auf den 26. September 2023 jeweils ein Bagger eines Bauunternehmens in Brand gesetzt, das schon mehrfach Ziel von Sachbeschädigungen und Brandstiftungen war. In einer der beiden veröffentlichten Taterklärungen wird ausgeführt, dass die Firma "auch deswegen in den Fokus gesetzt" worden sei, weil sich der Inhaber des Unternehmens "der faschistischen Partei AfD zugehörig" fühle. Des Weiteren wurde im Vorfeld der Landtagswahlen in Hessen in der Nacht auf den 14. September 2023 am Unternehmenssitz einer Druckerei eine linksextremistisch motivierte Sachbeschädigung verübt. Die unbekannten Täter beschmierten dabei die Hausfassade, Fenster, Rollläden und die Eingangstür großflächig mit schwarzer, 159 LINKSEXTREMISMUS teerhaltiger Farbe. In einer Taterklärung auf "de.indymedia" wurde zudem die Adresse der Druckerei veröffentlicht und diese als "verantwortlich für die Produktion und landesweite Verteilung von Wahlkampfmaterial der AfD" bezeichnet. 2. Polizei im Fokus linksextremistischer Gewalt Für gewaltorientierte Linksextremisten ist die Polizei im Kampf gegen den verhassten Staat das zentrale Feindbild. Sie stellt im Alltag die sichtbarste Verkörperung des nicht akzeptierten staatlichen Gewaltmonopols dar. Gegen ihre Einsatzkräfte, Fahrzeuge und Einrichtungen wenden sich die meisten linksextremistischen Gewalttaten. Zu den im Jahr 2023 von Linksextremisten gegen die Polizei verübten 477 Gewaltdelikten zählen unter anderem zwei versuchte Tötungsdelikte, 203 Körperverletzungen, 174 Widerstandsdelikte und 27 Brandstiftungen. Insgesamt nahm die linksextremistische Gewalt gegen die Polizei um rund 65 % zu. Entmenschlichung Vor allem gewaltorientierte Linksextremisten verunglimpfen Polider Polizei verletzt zeibedienstete als "Mörder in Uniform", "Robo-Cops" und "Bullendie Menschenwürde schweine", die es allein schon aufgrund ihrer Berufswahl verdient hätten, auch massive physische Gewalt zu erfahren. Die damit verbundene Entmenschlichung der Beamtinnen und Beamten verletzt nicht zuletzt auch deren Menschenwürde. Gemeinsames Das gemeinsame Feindbild bietet der Szene Orientierung und stärkt Feindbild sowohl ihren Zusammenhalt als auch ihre Gewaltbereitschaft. Bei Demonstrationen, Abschiebungen, der Räumung von Szeneobjekten, polizeilichen Durchsuchungen oder Festnahmen kommt es immer wieder zu gewaltsamen Ausschreitungen und gezielten Angriffen auf Einsatzkräfte. Regelmäßig werden diese durch Bewurf mit Pyrotechnik, Flaschen und Pflastersteinen verletzt. So wurde in Berlin am Abend des 4. August 2023 ein fahrendes Polizeifahrzeug mit Steinen beworfen. Dabei wurden mehrere Scheiben des Fahrzeugs zerstört und die im Inneren befindlichen Polizisten verletzt. Eine am darauffolgenden Tag veröffentlichte Taterklärung endet mit der wenig verklausulierten Drohung: "Die Polizei ist immer nur einen Steinwurf entfernt." (Internetplattform "de.indymedia", 5. August 2023) 160 LINKSEXTREMISMUS Bei Protesten gegen den AfD-Landesparteitag in Baden-WürttemMassive Angriffe berg am 4. März 2023 kam es aus einem Aufzug mit gewaltbereiten gegen die Polizei bei Linksextremisten heraus zu Ausschreitungen und Angriffen gegen Gegenprotest zum die Polizei. Teilnehmende schlugen und traten auf Polizistinnen AfD-Parteitag und Polizisten ein und besprühten diese gezielt mit Löschmittel aus einem Feuerlöscher. Zudem zündeten sie Pyrotechnik in deren unmittelbarer Nähe und setzten Vermummungsmaterial sowie weitere Kleidungsstücke in Brand. Mehr als 50 Polizeibedienstete wurden dabei verletzt. Im Rahmen des Geschehens entrissen die Angreifer den Polizeikräften zudem ein Magazin mit 13 Schuss Munition und einen Schlagstock. Die von den Teilnehmenden aus einem antifaschistischen Block ausgehende hohe Aggressivität stach hier besonders hervor. Gerade der "antifaschistische Kampf" gewaltbereiter Linksextremisten ist immer wieder von massiver Gewalt und Brutalität geprägt, die sich bei Protesten gegen als "faschistisch" ausgemachte Veranstaltungen regelmäßig gegen die Polizei entlädt. Auch bei einer Demonstration zum "Tag X" am 3. Juni 2023 in LeipZwei versuchte zig im Nachgang zu der Verurteilung von Mitgliedern und UnterTötungsdelikte gegen stützern der gewalttätigen linksextremistischen kriminellen VerPolizisten beim einigung um Lina E. vermummten sich viele Teilnehmende und "Tag X" in Leipzig griffen die Polizei mit Steinen und Pyrotechnik an. An zwei Orten warfen Demonstrationsteilnehmende im nahen zeitlichen Zusammenhang jeweils einen Brandsatz gezielt in Richtung der Polizei. Die Brandsätze entflammten sich, wobei in einem Fall zwei Polizeibeamte kurzzeitig bis hüfthoch in Flammen standen. Im anderen Fall entstand eine mindestens zwei Meter hohe Stichflamme. Die nach aktuellem Ermittlungsstand von der Staatsanwaltschaft als versuchte Tötungen gewerteten Angriffe belegen, dass gewaltbereite Linksextremisten auch vor schwerster Gewalt gegen Menschen nicht zurückschrecken und sogar den möglichen Tod ihrer Opfer in Kauf nehmen. Insgesamt verübten gewaltbereite Linksextremisten am "Tag X" in Leipzig über 100 Straftaten, darunter tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte, gefährliche Körperverletzungen und schwere Landfriedensbrüche. Über 50 Polizeiangehörige wurden verletzt sowie mehrere Einsatzfahrzeuge beschädigt. Hinzu kommen neben Sachbeschädigungen und Brandstiftungen Angriffe im an Einrichtungen und Fahrzeugen der Polizei auch Angriffe und privaten Umfeld der Straftaten, die sich gezielt gegen einzelne Beamtinnen und Beamte Beamtinnen und richten - auch in ihrem privaten Umfeld. So verübten in der Nacht Beamten 161 LINKSEXTREMISMUS auf den 12. Juli 2023 mutmaßliche Linksextremisten in Hamburg einen Brandanschlag auf den privaten Pkw eines Polizisten. In einer Taterklärung wird deutlich, dass die Täter den Polizisten in seinem privaten, vermeintlich sicheren Umfeld treffen wollten. Konkret heißt es: "Sie sollen Angst haben auf ihren Streifen durch die Viertel der Marginalisierten. Sie sollen Angst haben an ihren Schreibtischen wenn sie arrogant auf den menschlichen Schmutz vor ihrem Fenster blicken. Sie sollen Angst haben wenn sie des Nachts in ihren Bettchen liegen und vom Einsatz gegen das Böse träumen. (Internetplattform "de.indymedia", 15. Juli 2023) Solche Angriffe sollen bewirken, dass Polizeibedienstete sich auch im geschützten privaten Umfeld unmittelbar persönlich bedroht fühlen und mit der ständigen Angst leben müssen, Opfer linksextremistischer Gewalt zu werden. Ziel ist es, ein Gefühl der Schutzlosigkeit hervorzurufen, die Betroffenen einzuschüchtern und eigene Stärke zu demonstrieren. Hierdurch versuchen Linksextremisten, die Sicherheitsarchitektur des aus ihrer Sicht "repressiven", "kapitalistischen" und "faschistischen" Staates zu destabilisieren. 3. Einflussnahme auf die Klimaproteste Mit einem vorgeblichen Engagement für den Klimaschutz versuchen Linksextremisten, demokratische Diskurse zu verschieben, diese um ihre eigenen ideologischen Positionen zu ergänzen, gesellschaftlichen Protest zu radikalisieren sowie den Staat und seine Institutionen zu delegitimieren. Gewaltorientierte Linksextremisten wollen die Proteste mithilfe von militant ausgerichteten Aktionsbündnissen und Kampagnen beeinflussen. "Ziviler Ungehorsam" Zu den von Linksextremisten im Rahmen der Klimaproteste geund die Etablierung nutzten Aktionsformen zählen unter anderem Blockaden und radikalerer Besetzungen zum Nachteil von Einrichtungen und Unternehmen Protestformen der Energieinfrastruktur, die als "ziviler Ungehorsam" bezeichnet werden. Durch die Verwendung dieses Begriffs wird der vorsätzlich ausgeübte, teils auch gewaltsame Widerstand gegen das staatliche Gewaltmonopol eines demokratischen Rechtsstaats in eine Reihe mit Menschenund Bürgerrechtsbewegungen gestellt, die 162 LINKSEXTREMISMUS gewaltlos gegen Unrechtssysteme protestieren. Tatsächlich gibt es eine solche strafrechtliche Rechtfertigung unter Berufung auf einen "zivilen Ungehorsam" infolge eines Klimanotstandes nicht.89 In Ablehnung des staatlichen Gewaltmonopols und vor dem Hintergrund vermeintlich ausbleibender klimapolitischer Erfolge bei gleichzeitigem Festhalten an apokalyptischen Endzeitnarrativen werden dennoch auch weitergehende Begrifflichkeiten wie "ziviler Ungehorsam plus" und "friedliche Sabotage" diskutiert. Damit soll unter anderem die Sabotage Kritischer Infrastrukturen legitimiert und als Aktionsform etabliert werden. "(...) inzwischen haben sie schon alle möglichen Protestformen ausprobiert: Demonstrationen, Petitionen etc., aber die LNG-Pläne werden einfach durchgezogen. Daher wächst die Frustration und Desillusionierung. Vielen wird klar, dass mit vermeintlich demokratischen oder legalen Mitteln nicht immer etwas auszurichten ist." (ak - Zeitung für linke Debatte & Praxis, 17. Oktober 2023) Gewaltorientierte Linksextremisten versuchen immer wieder, Brandstiftungen und Sabotagehandlungen als militante Aktionsformen in der Klimaprotestbewegung zu etablieren. So verursachten klandestin operierende Kleingruppen im Berichtsjahr hohe Sachschäden auch an Kritischer Infrastruktur (vgl. Kap. II, Nr. 4) und begründeten diese mit ihrem vermeintlichen "Kampf für das Klima". Hierbei propagieren Linksextremisten, dass die Abwendung der Klimakatastrophe nur mit einem grundlegenden Systemumsturz weg von einer vermeintlichen "kapitalistischen Verwertungslogik" gelingen könne. Einen Bezugspunkt für die Klimaproteste bildete der Kampf gegen Gewaltsamer die Räumung und den Abriss der Ortschaft Lützerath (NordrheinWiderstand gegen Westfalen) zugunsten des Abbaus der darunterliegenden Braundie Räumung von kohle. Bereits mit Beginn der Räumungsarbeiten im Jahr 2020 Lützerath hatte sich in Anlehnung an den Protest im benachbarten Hambacher Forst ("Hambi bleibt!") Widerstand gegen den Abriss unter dem Motto "Lützi bleibt!" formiert. Dieser wurde überwiegend von Gruppen des demokratischen Spektrums getragen, aber auch in der linksextremistischen Szene stark thematisiert. Das Bündnis 89 Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 09.01.2023 - 5 B 14/23. 163 LINKSEXTREMISMUS "Ende Gelände" (Verdachtsfall) mobilisierte unter dem Motto "Ende Gelände goes Lützerath" bereits ab Sommer 2022 zur Teilnahme an Protesten zu einem "Tag X", also dem Beginn von Räumung und Abriss. Der Protest gegen die Räumung der Ortschaft Lützerath ist ein eindrückliches Beispiel für den Versuch von Linksextremisten, demokratischen Protest zu radikalisieren und als Bühne für ihre Gewalt zu nutzen. Vor Ort wie im gesamten Bundesgebiet wurden zahlreiche linksextremistisch motivierte Straftaten in Solidarität mit den Besetzern der Ortschaft verübt. Während der Räumung, die ab dem 11. Januar 2023 erfolgte, wurde die Polizei massiv angegriffen. Vermummte Personen warfen Steine und Molotowcocktails auf die Einsatzkräfte und schossen Pyrotechnik in ihre Richtung. Durch zahlreiche Barrikaden, die teils in Brand gesetzt wurden, sollte die Räumung der Ortschaft verhindert oder zumindest erschwert werden. Am 14. Januar 2023 fand nahe Lützerath eine zuvor auch in der linksextremistischen Szene stark beworbene Demonstration mit etwa 15.000 Teilnehmenden statt, darunter auch Linksextremisten. Etwa 5.000 teils vermummte Demonstrierende versuchten in Richtung der Abbruchkante des Tagebaus und des umzäunten Räumungsgebiets zu gelangen. Aus dem Demonstrationszug heraus wurden Steine in Richtung der Polizei geworfen und Pyrotechnik gezündet. Kleingruppen versuchten wiederholt, Polizeiketten zu durchbrechen. Etwa 1.000 Personen gelangten bis zur Umzäunung von Lützerath; einigen gelang es, in den Tagebau einzudringen. Verschiedene linksextremistische Akteure nutzten die breite öffentliche Aufmerksamkeit nicht nur dazu, die Proteste zu eskalieren, sondern auch, um die Diskussion bezüglich der Räumung mit dem Narrativ einer angeblichen "Polizeigewalt" ideologisch aufzuladen. So war etwa die postautonome "Interventionistische Linke" (IL) nach eigener Aussage aktiv an den Protesten gegen die Räumung beteiligt. Es gebe "in der Bewegung mehr (...) Entschlossenheit zu ungehorsamen Aktionen als je zuvor". Zu den Ausschreitungen im Rahmen der Demonstration heißt es: "Der Stopp der Kohleförderung und eine Abkehr vom fossilen Kapitalismus muss (...) mit widerständigen Aktionen wie Blockaden und Besetzungen von unten durchgesetzt werden. Eine 164 LINKSEXTREMISMUS reine Protestdemonstration ohne weitergehende Aktionen wäre heute nicht ausreichend gewesen." (Pressemitteilung IL, 14. Januar 2023) Das an den Protesten wesentlich beteiligte Bündnis "Ende Gelände" (Verdachtsfall) kündigte für die Zukunft eine Ausweitung seiner Aktionen an: "Mit Lützerath ist ein großer Zusammenhalt aller entstanden, die für Klimagerechtigkeit kämpfen. (...) Ab jetzt ist Lützerath überall! (...) Wir werden für ein widerständiges Jahr sorgen. Überall! (Pressemitteilung EG, 17. Januar 2023) Das Bündnis "Ende Gelände" wurde 2014 ursprünglich als ein ProVerdachtsfall jekt der IL gegründet. Es hat von der starken Dynamik der deut"Ende Gelände" schen Klimaprotestbewegung in den letzten Jahren profitiert und sich als Kooperationspartner für Angehörige des autonomen und des dogmatischen Linksextremismus etabliert. Mittlerweile hat "Ende Gelände" sowohl auf struktureller als auch auf strategischer und ideologischer Ebene den unmittelbaren Einflussbereich der IL verlassen. Dies wird zum einen durch eine eigene etablierte Organisationsstruktur deutlich, eine die IL deutlich übersteigende Anzahl von etwa 70 Ortsgruppen sowie ein höheres Mobilisierungspotenzial. Zum anderen ist eine zunehmende eigenständige Verschärfung von Aktionsformen bis hin zur Sabotage erkennbar. Grundsatzpapiere von "Ende Gelände" lassen darüber hinaus deutlich eine Radikalisierung im Hinblick auf die vorherrschenden ideologischen Positionen der Gruppierung erkennen. Das BfV bearbeitet "Ende Gelände" nunmehr als extremistischen Verdachtsfall. So veröffentlichte "Ende Gelände" mit dem im März 2022 erschienenen Buch "We shut shit down" sowie der Schrift "Überall Polizei, nirgendwo Sicherheit - Kritik der Polizei" im August 2022 erstmals zwei Texte, die grundsätzliche Diskussionsprozesse und Standpunkte abbilden. Ausgehend von einer antikapitalistischen Grundhaltung werden darin klare Aussagen zum Verhältnis von wirtschaftlicher und politischer Ordnung aus Sicht der Autoren getätigt: 165 LINKSEXTREMISMUS "[D]er "Kapitalismus" [ist] eben nicht nur ein Wirtschaftssystem (...), sondern auch eine Gesellschaftsordnung, die unsere gesamten Leben, Gesetze, Infrastrukturen, Institutionen und Denkmuster insbesondere im Globalen Norden prägt." ("Ende Gelände. We shut shit down", Hamburg 2022, S. 147) "(...) In einer kapitalistischen Gesellschaft (kann es) keine Klimagerechtigkeit geben. Daher ist neben dem Kampf für eine klimagerechte Gesellschaft der Kampf für einen Systemwandel erforderlich." (Ende Gelände, "We shut shit down", Hamburg 2022, S. 139 f.) Zusätzlich zur Überwindung der "kapitalistischen Gesellschaftsordnung" fordert "Ende Gelände" in "Kritik der Polizei" eine vollständige Abschaffung der Polizei: "Polizei muss Abgeschafft werden (...) Für Gerechtigkeit braucht es keine Polizei und keinen Staat. (...) Recht und Gerechtigkeit ohne Polizei neu zudenken erfordert ein neu denken der Systeme und Strukturen in denen wir leben (...)" ("Überall Polizei, Nirgendwo Sicherheit - Kritik der Polizei", S. 14) Darüber hinaus bezieht "Ende Gelände" auch weitere Exekutivorgane ("Behörden") und die Judikative ("Gerichte") mit ein: "Und auch wenn sich dieser Text primär auf die Polizei bezieht, so sind andere Repressionsorgane (Behörden, Gerichte etc.) da definitiv mitgemeint (...) Unsere Kritik der Polizei ist eingebettet in eine fundamentale Staatskritik." ("Überall Polizei, Nirgendwo Sicherheit - Kritik der Polizei", S. 3) "Ende Gelände" verfügt über umfängliche Kontakte und Kooperationen auf personeller und funktional-organisatorischer Ebene, darunter auch zu zahlreichen Akteuren aus dem linksextremistischen Spektrum. Auch wird das bisherige Themenspektrum durch andere für gewaltorientierte Linksextremisten relevante Themen erweitert. So forderte "Ende Gelände" die Freilassung der verurteilten linksextremistischen Gewalttäterin Lina E. und mobilisierte in diesem Zusammenhang zum "Tag X": 166 LINKSEXTREMISMUS "Im Antifa-Ost Verfahren zeichnet sich eine Urteilsverkündung am 3. Mai ab. Tag X am Samstag danach würde dann auf dem 6. Mai fallen. Haltet euch bereit! Freiheit für Lina! Freiheit für alle Antifas!" (X-Account "Ende Gelände", 30. März 2023) In Zusammenhang mit seinem bisherigen Themenschwerpunkt mobilisierte "Ende Gelände" für den Zeitraum vom 30. Juli bis 6. August 2023 zu einem "System Change Camp" in Hannover (Niedersachsen). Allerdings wurde im Kontext des diesjährigen Camps keine "Massenaktion zivilen Ungehorsams" durchgeführt. In einem "Aufruf zum System Change Camp 2023" kritisiert das Bündnis die angeblich unzureichenden klimapolitischen Maßnahmen der Bundesregierung und insbesondere den Bau von LNGTerminals (Liquified Natural Gas). Der Fokus der Veranstaltung lag auf "Vernetzungsarbeit und Bewegungsaufbau". Zudem hat "Ende Gelände" die Bildung von "Regionalvernetzungen" unter dem Slogan "Think globally, block locally!" vorangetrieben, die jeweils eigene Aktionen in ihren Regionen durchführen sollten, wie etwa die Proteste gegen den Bau von LNG-Infrastruktur auf Rügen. Diese Aktionen erfuhren jedoch deutlich weniger Aufmerksamkeit als die bisherigen Massenaktionen. Im Kontext der Klimaproteste formieren sich neben den etab"Guerilla Activists lierten Akteuren wie der IL oder "Ende Gelände" und über reine Fighting For Anarchy" Aktionsbezeichnungen hinaus immer wieder neue militante (GAFFA) Kleingruppen und Kampagnen. Seit Ende 2022 tritt eine neue linksextremistische Gruppierung unter der Bezeichnung "Guerilla Activists Fighting For Anarchy" (GAFFA) in Erscheinung. GAFFA kritisiert die von der demokratischen Klimaprotestbewegung propagierte Gewaltlosigkeit und fordert zu gewalttätigen Aktionen zwecks Überwindung des "kapitalistischen Gesellschaftssystems" auf: "Wir, eine gruppe Guerilla-Aktivisti, sind der überzeugung, dass es ein immanent pazifistischer akt tiefster Menschlichkeit ist, ein todbringendes system mit gewalt zu stoppen. Wir sind wütend, frustiert und voll tatendrang, denn Klimagerechtigkeit wird es in einem system wie diesem -einem hierarchischen, kapitalistischen, kolonialen systemnicht geben". (Internetplattform "de.indymedia", 7. Dezember 2022) 167 LINKSEXTREMISMUS GAFFA spricht den gewaltfreien Klimaprotesten ihre Effektivität ab und stellt den Einsatz von Gewalt als einzigen Ausweg dar. Auf diese Weise wird auch der Versuch unternommen, ohnehin an der Wirksamkeit zweifelnde Akteure der Klimaprotestbewegung von einer angeblichen Notwendigkeit der Gewaltanwendung zu überzeugen und zu radikalisieren. Konkret will die Gruppe dem Betreiber der Infrastruktur des Rheinischen Braunkohlereviers mit Sabotageaktionen einen hohen finanziellen sowie einen Imageschaden zufügen und damit letztlich die Förderung fossiler Energieträger stoppen. So bekannte sich GAFFA unter anderem zu mehreren Brandanschlägen mit zum Teil hohen Sachschäden. Im Tagebau Inden (Nordrhein-Westfalen) wurden in der Nacht vom 23. auf den 24. April 2023 sowie vom 3. auf den 4. September 2023 Kabelstränge in Brand gesetzt, wodurch kurzeitige Betriebsunterbrechungen und ein Sachschaden von über 100.000 Euro verursacht wurden. GAFFA kündigte weitere Sabotageaktionen an: "Es ist nur eine frage der zeit, bis wieder hier und da eine flamme des widerstandes mitten im herz der mörderischen kapitalmaschinerie loder." (Internetplattform "de.indymedia", 2. November 2023) 4. Angriffe auf Kritische Infrastruktur und Wirtschaftsunternehmen Gewaltorientierte Linksextremisten greifen immer wieder gezielt Kritische Infrastruktur in Deutschland an. Sie dient aus ihrer Sicht einzig den Interessen und der Funktionsfähigkeit eines vermeintlich skrupellosen Staates, der allein darauf aus sei, kapitalistische Profitorientiertheit zu befriedigen und seine Macht durch Repression zu sichern. Insbesondere die Bereiche "Energie", "Informationstechnik und Telekommunikation" sowie "Transport und Verkehr" sind in den verschiedensten Themenzusammenhängen Ziele linksextremistisch motivierter Sabotagehandlungen, Sachbeschädigungen und Brandstiftungen. Die Anschläge auf Kabelschächte, Mobilfunkmasten, Gasinfrastruktur oder Tagebaue treffen nicht nur die jeweiligen Unternehmen, die hierdurch wirtschaftlichen Schaden erleiden, sondern auch weite Teile der Bevölkerung. In einigen Fällen waren in den letzten Jahren ganze Stadtteile teils 168 LINKSEXTREMISMUS stundenlang ohne Strom, Internet oder Telefon. Im Verkehrssektor kommt es als Folge von Anschlägen rund um Bahnanlagen oder gegen die Deutsche Bahn AG immer wieder zu spürbaren Ausfällen und Verspätungen im Bahnverkehr. Das Unternehmen wird von der Szene als größtes Logistikunternehmen der "kapitalistischen Profitwirtschaft" angeprangert. Insbesondere Kabelstränge im Bereich der Gleisanlagen sind regelmäßig Angriffsziel für gewaltorientierte Linksextremisten. Im Berichtsjahr wurden viele linksextremistische Straftaten geAngriffe auf gen Kritische Infrastruktur in den Zusammenhang mit "Switch Infrastruktur im off - the system of destruction" (kurz: "Switch off") gestellt. Mit der Kontext "Switch off" Anfang 2023 neu initiierten Kampagne forcieren Linksextremisten eine Verbindung des klassischen linksextremistischen Aktionsfelds "Antikapitalismus" mit klimapolitischen Themen. Im Kampagnenaufruf wird jegliches staatliche Handeln zur Lösung der Klimakrise abgelehnt und gefordert, die Verantwortlichen für die "Zerstörung der Natur" und die "Infrastruktur des Kapitalismus" anzugreifen und die "bestehenden Verhältnisse" zu überwinden: "Was wir im Kampf gegen die Zerstörung der Natur und das resultierende soziale Elend brauchen, ist das gemeinsame Streben nach dem tatsächlichen revolutionären Bruch und der Freiheit aller. (...) Wir denken, dass militantes Handeln und direkter Angriff in allen möglichen Formen, dabei ein wichtiges Mittel - wenn auch bei Weitem nicht das einzige - ist." (Kampagnenwebsite "Switch off", 1. Januar 2023) Bei "Switch off" handelt es sich um eine sogenannte Mitmachkampagne mit dem Ziel, andere Personen zur Begehung von Straftaten im vorgegebenen Kontext zu animieren und damit ein Gefühl der Zusammengehörigkeit zu erzeugen. Darüber hinaus geht es darum, gewaltorientierten Linksextremisten eine Bühne zu bereiten und die Begehung von Straftaten im "Kampf für das Klima" als eine wirksame Strategie in der Klimaprotestbewegung zu etablieren. So findet sich auf der Kampagnen-Website eine Auflistung verschiedener Energieversorger und anderer Industrieunternehmen, die angeblich in besonderem Maße für die Klimakrise verantwortlich sein sollen. Die betroffenen Unternehmen werden hierdurch klar ersichtlich zu Zielen für Straftaten erklärt. 169 LINKSEXTREMISMUS Das Label "Switch off" wurde inzwischen in zahlreichen Selbstbezichtigungsschreiben zu Sachbeschädigungen und Brandstiftungen mit zum Teil erheblichen Schadenssummen verwendet. So gibt es auf der Website eine Auflistung von über 50 Straftaten allein in Deutschland, beginnend mit einem Brandanschlag auf 25 Amazon-Lieferwagen in Berlin am 16. Januar 2023, welche so in Zusammenhang mit "Switch off" gesetzt werden. Genannt wird des Weiteren ein Brandanschlag gegen die Deutsche Bahn AG. So setzten Linksextremisten in der Nacht auf den 8. September 2023 in Hamburg drei Kabelschächte an der Fernverkehrsstrecke zwischen Hamburg und Berlin in Brand. Die Folgen waren etliche Störungen und Zugausfälle. In einer Taterklärung mit dem Titel "Verkehrsadern der kapitalistischen Infrastruktur sabotiert" heißt es, dass "einige Liter Benzin in den Kabelschächten an den Schienen" zu "möglichst langfristigen Ausfällen oder Einschränkungen" führen sollten. Auch ein Brandanschlag auf Stromversorgungsleitungen für ein Heizkraftwerk in Berlin in der Nacht auf den 12. Juni 2023 wird auf der Website von "Switch off" unter "Aktionen/Sabotagen" gelistet. Der Brand beschädigte Kabel, umliegende Betonbauteile sowie abstützende Holzkonstruktionen. In einer Taterklärung bezeichneten die Verfasserinnen und Verfasser die Brandstiftung als "Notwehrmaßnahme" unter anderem gegen "neokoloniale Ausbeutung und die weltweite Zerstörung". Vor allem "Sabotage" sei aus ihrer Sicht ein effektives Mittel zur Störung des "kapitalistischen Profitkreislaufs": "Funkmasten, Telekommunikation, Kraftwerke, Warenverkehr, Transformatoren und Stromleitungen zielgerichtet und absichtsvoll auszuschalten, herunterzufahren, zu zerstören (...) kann in der Breite auch das Ende von zerstörerischen Projekten erzwingen." (Internetplattform "de.indymedia", 13. Juni 2023) Die letzte veröffentlichte Taterklärung im Berichtszeitraum bezog sich auf das Gelände eines Betonwerks in Berlin am 27. Dezember 2023, wo Betriebsanlagen und fünf Lkw in Brand gesetzt wurden. Neben der generellen Kritik am Baustoff Beton als "Meister unter den Klimakillern" wird insbesondere der Kauf eines israelischen Unternehmens zur Begründung herangezogen, wodurch der angegriffene Baustoffhersteller indirekt "am Bau von illegalen Siedlungen und Außenposten im Westjordanland" verdiene. Weitere auf der Website genannte Sachbeschädigungen 170 LINKSEXTREMISMUS und Brandstiftungen im Kontext "Switch off" richteten sich unter anderem gegen Geothermieleitungen, Funkund Sendemasten, Messstationen für einen Windpark, mehrere Baufahrzeuge, Autohäuser, Forstmaschinen, einen Golfclub, Ladesäulen für Elektroautos, diverse Kabelschächte sowie gegen zwei Parteibüros von Bündnis 90/Die Grünen. Die verursachten Sachschäden summieren sich auf Beträge in zweistelliger Millionenhöhe. In und um München (Bayern) gab es 2023 vermehrt BrandanschläAnschlagsserie ge auf Fahrzeuge, Baumaschinen und die öffentliche Infrastruktur in München und mit sehr hohen Sachschäden. Die dortige autonom-anarchistisch Umgebung geprägte Szene wendet sich seit Jahren offen gegen den Ausbau technischer Infrastruktur, die sie als Instrument der Kontrolle und Überwachung der Bevölkerung sowie als Werkzeug "staatlicher Repression" ansieht. So verursachte eine Brandstiftung an 26 für die Verlegung von Glasfaserkabeln vorgesehenen Kabeltrommeln in der Nacht auf den 26. Mai 2023 in München-Harlaching einen Sachschaden in Höhe von etwa 230.000 Euro. Am 9. Juni 2023 wurde ein 30 Meter hoher Mobilfunkmast im Münchner Stadtbezirk Trudering-Riem in Brand gesetzt und durch das Feuer zerstört. Am 8. Juli 2023 versuchten mutmaßliche Linksextremisten, zwei Raupenbagger auf einer Brücke in Unterföhring (bei München) in Brand zu setzen. Zusätzlich entzündeten sie unter der Brücke mehrere aufgestapelte Holzpaletten, um dort verlegte Leerrohre für Glasfaserkabel zu zerstören. Der Brand dehnte sich auf die gesamte Fahrbahn aus. Eine unter der Brücke verlegte Gas-Hochdruckleitung wurde durch das Feuer stark erhitzt. Der verursachte Sachschaden lag allein hier im fünfbis sechsstelligen Bereich. Am 15. und 18. Dezember 2023 wurden insgesamt vier Forstmaschinen unweit von München in Brand gesetzt. Dabei entstand ein Sachschaden von etwa einer Million Euro. Beide Taten wurden auf der Website von "Switch off" in der Rubrik "Aktionen/Sabotage" gelistet. Wirtschaftsunternehmen gelten Linksextremisten ganz allgeAngriffe auf mein als tragende Säulen des "ausbeuterischen kapitalistischen Unternehmen Systems". Allein aus diesem Grund ist nahezu jedes größere Unverursachen ternehmen abstrakt gefährdet, Ziel linksextremistischer Agitation Millionenschäden und von Straftaten zu werden. Neben Protesten und Blockaden verüben Linksextremisten regelmäßig Straftaten gegen technische Einrichtungen, Fahrzeuge, Maschinen oder Infrastruktur von Unternehmen. Die verursachten Sachschäden sind dabei kaum zu 171 LINKSEXTREMISMUS beziffern, erreichen jedes Jahr aber mehrstellige Millionenbeträge. Häufig zielen Linksextremisten auf bestimmte Wirtschaftsbereiche beziehungsweise Unternehmen wie die Deutsche Bahn AG, solche aus der Rüstungsindustrie, der Energie-, Bau-, Technologieoder Automobilbranche. Die Straftaten werden mit verschiedenen Themenzusammenhängen begründet. Neben "Antirepression", "Antimilitarismus" und "Antigentrifizierung" rechtfertigen Linksextremisten ihre Straftaten regelmäßig auch mit ihrem vermeintlichen Engagement für den Klimaschutz. Letztlich dient der jeweilige Kontext Linksextremisten lediglich dazu, ihren Kampf für einen Systemwechsel voranzutreiben und auszuweiten. " In der Nacht auf den 16. Januar 2023 setzten Linksextremisten auf einem Firmengelände von Amazon in Berlin 25 Fahrzeuge in Brand. Davon wurden 18 vollständig zerstört. Aufgrund der großflächigen Rauchentwicklung war eine vorübergehende Vollsperrung der angrenzenden Bundesautobahn 100 notwendig. Es entstand ein Sachschaden von etwa einer Million Euro. Laut der Taterklärung sei das angegriffene Unternehmen ein "Klimakiller und Krisenprofiteur". "Nur seine gänzliche Zerstörung" könne dem "ein Ende bereiten". " In Zusammenhang mit der "Internationalen Automobilausstellung" (IAA) in München verübten Linksextremisten bundesweit mehrere schwere Brandanschläge. Am 11. September wurden mehrere Fahrzeuge auf dem Gelände eines Autohauses in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) in Brand gesetzt. Zehn Neufahrzeuge wurden stark beschädigt und teilweise völlig zerstört. In der Nacht auf den 12. September gab es einen Brandanschlag auf ein Tesla-Servicezentrum in Frankfurt am Main (Hessen). Dort brannten bis zu 15 Fahrzeuge vollständig aus, weitere wurden beschädigt. In der Taterklärung mit dem Titel "Teslas flambiert" bezeichnen die Verfasser den Autohersteller als einen ihrer "prominentesten Feinde", da das Unternehmen wie kein anderes die vermeintliche "Ideologie eines grünen Kapitalismus" repräsentiere. Bekämpfung des Linksextremisten halten es für unabdingbar, gegen vermeintliche "kapitalistischen "Missstände" eigenmächtig vorzugehen, da der Staat aus seiner Systems" "kapitalistischen" Interessenlage heraus untätig bleibe. Generell werfen sie Wirtschaftsunternehmen skrupellose Profitorientiertheit einhergehend mit konsequentem "Greenwashing" im Klimaschutz vor. Linksextremisten beabsichtigen zudem, das Ansehen 172 LINKSEXTREMISMUS der Unternehmen durch die häufig nachgelagerte ausführliche Tatbegründung in Verbindung mit der durch die Tat hervorgerufenen öffentlichen Aufmerksamkeit dauerhaft zu schädigen. Mit den Tatbekenntnissen wollen sie außerdem Szeneangehörige ansprechen und zu weiteren Taten anstiften. Die Angriffe auf Kritische Infrastruktur schädigen ersichtlich die sie betreibenden Wirtschaftsunternehmen; sie verfolgen aber darüber hinaus die Absicht, das "kapitalistische System" zum Stillstand zu bringen und damit zu schwächen. Letztlich streben Linksextremisten auch dadurch die revolutionäre Überwindung der jetzigen Staatsund Gesellschaftsordnung an. 5. Zunehmende Anwerbungsversuche bei Jugendlichen Die Grundüberzeugung von der herausragenden Bedeutung der Jugend als zentrales revolutionäres Potenzial teilen viele dogmatische Linksextremisten. Die Jugend soll mit ihrer Kraft und ihrem Engagement das Fundament für die angestrebte "revolutionäre Massenbasis" stellen. Als Sozialisten und Kommunisten dürfen wir in solchen [Schüler-]Bewegungen nicht bloß mitmachen, sondern müssen unsere Inhalte und Positionen hineintragen und den Hauptschlag gegen die hier Herrschenden richten." (Homepage "unsere-zeit", 23. März 2022) Um Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene für sich zu gewinnen, betreiben linksextremistische Jugendorganisationen zunehmend intensive und aufdringliche ideologische Anwerbung vor Schulen, Betrieben und Universitäten. Dabei tragen die Akteure regelmäßig nicht den Namen der übergeordneten Organisation, um nicht sofort als Teilstruktur linksextremistischer Parteien und Organisationen erkannt zu werden. Gleichzeitig versuchen sie, demokratische Bewegungen wie gewerkschaftliche Demonstrationen und Bildungsproteste zu instrumentalisieren, um dort mit Werbung und Ansprache auf die Teilnehmenden Einfluss zu nehmen. Seit Oktober 2023 gerieten zudem auch propalästinensische Demonstrationen verstärkt in den Fokus und wurden von Linksextremisten für den Versuch der Anwerbung und Mobilisierung neuer, auch jüngerer Anhängerinnen und Anhänger genutzt. 173 LINKSEXTREMISMUS Besonders im Bereich der Schulen sind Linksextremisten aktiv. Der trotzkistische Jugendverband "REVOLUTION" (REVO) konnte 2023 sehr erfolgreich junge Mitglieder rekrutieren. Durch die intensive Nutzung sozialer Medien haben dogmatische Linksextremisten eine deutlich höhere Reichweite erlangt. Das erleichtert es ihnen zusätzlich, ihre Absichten an Schulen zu verwirklichen. Auch kurzfristig gelingt es ihnen so, beispielsweise für Kundgebungen Hunderte von Personen zu mobilisieren. Themen wie der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine oder die "Palästina-Solidarität" werden regelmäßig für den Versuch missbraucht, das bei Jugendlichen vorhandene humanitäre Engagement in einen kommunistisch interpretierten Widerstand gegen vermeintlichen "Militarismus", "Imperialismus", "Kolonialismus" und "Kapitalismus" umzuleiten. Bei Demonstrationen nutzen Linksextremisten die Gelegenheit, sich engagierten Jugendlichen anzunähern und ideologische Überzeugungsarbeit sowie Mitgliederwerbung zu betreiben. Trotzkisten knüpfen mit dieser Umwerbung Jugendlicher an die von ihnen zitierte Strategie Karl Liebknechts "Wer die Jugend hat, hat die Armee" an. Auch die "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ), die Jugendorganisation der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP), folgt dieser Strategie. Sie engagiert sich stark in der Werbung an Schulen, um den Jugendlichen "ein Angebot zu machen, sich zu organisieren". Dieser Strategie folgt ebenso die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD), die in der Jugend eine "praktische Avantgarde des sozialistischen Aufbaus" sieht. Entsprechend investiert die MLPD erheblich in die Jugendarbeit: Sie unterhält Kinderund Jugendverbände, veranstaltet jährliche Jugendfestivals und schickt gut ausgebildete Mitglieder zu Demonstrationen, um mit Überzeugungsarbeit und intensivem Werben die eigene Ideologie anzupreisen. Dabei werden unter anderem gezielt Kontaktdaten abgefragt. Auch der MLPD-Jugendverband "REBELL" wirbt häufig vor Schulen und Berufsschulen, verteilt dort Flyer und versucht, Schülerinnen und Schüler in den Schulpausen in politische Diskussionen zu verwickeln. Ein Anknüpfungspunkt dabei war vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine die mögliche Mitarbeit in einer von der MLPD geführten "neuen Friedensbewegung". 174 LINKSEXTREMISMUS 6. Antisemitismus im Linksextremismus Antisemitismus ist kein elementarer Bestandteil der linksextremistischen Ideologie. Gleichwohl werden im linksextremistischen Spektrum Positionen bezogen, die dem israelbezogenen Antisemitismus zuzuordnen sind. Zuweilen finden - etwa durch die Umdeutung von gegen Israel oder Jüdinnen und Juden gerichteten Terrorangriffen in "legitimen Widerstand" gegen "Apartheid" und "Besatzung" und die Verwendung ähnlicher Begrifflichkeiten - Narrative Anwendung, die von Organisationen wie beispielsweise der HAMAS stammen und die im Kern antisemitisch sind. Damit erfahren israelfeindliche terroristische Organisationen in ihrem Anliegen öffentliche Unterstützung, während die Sicherheitsinteressen Israels als unberechtigt dargestellt oder ausgeblendet werden. Einige Vertreterinnen und Vertreter der linksextremistischen Szene bestärken damit Gruppierungen aus dem Islamismus sowie dem auslandsbezogenen Extremismus und leisten einen Beitrag dazu, israelbezogenen Antisemitismus weiter zu verbreiten. Insbesondere die mit der antiimperialistischen Denkschule verAntizionistische bundene antizionistische Ausrichtung hat sich im LinksextremisAusrichtung im mus bis heute gehalten. Die Kritik am Staat Israel ist dabei oft mit Linksextremismus einer internationalistischen Kapitalismuskritik verbunden. Die Antiimperialisten gehen davon aus, dass "kapitalistische" Staaten in ihrem Streben nach Profitmaximierung stets auf der Suche nach neuen Rohstoffen, Absatzmärkten und billigen Arbeitskräften seien und sich diese notfalls auch gewaltsam aneigneten. Dieses Verhalten wiederum führe unweigerlich zu Kolonialismus und Kriegen. Die antiimperialistische Denkschule behauptet in diesem Zusammenhang die Existenz von "guten" - weil um "Befreiung" kämpfenden - und "bösen" - da "kriegstreibenden" und "kapitalistischen" - Völkern, sprich imperialistischen Staaten wie beispielsweise Israel. In ihrer praktischen Ausgestaltung richtet sich diese Unterteilung sowohl in geostrategischer als auch in ideologischer Hinsicht in erster Linie einseitig gegen "den Westen". Im Fokus standen im Systemkonflikt des Kalten Krieges insbesondere die USA als historische "Führungsnation" der "kapitalistischen" Staaten. Mit dem Sechstagekrieg zwischen Israel und den arabischen Staaten von 1967 wurde die antiimperialistische Kritik auch auf Israel ausgedehnt - trotz der ursprünglich in linken wie auch linksextremistischen Kreisen 175 LINKSEXTREMISMUS bestehenden Sympathie für Israel als ein anfangs sozialistisch orientierter Staat. Protagonistinnen und Protagonisten der antiimperialistischen Szene verurteilen Israel seither als den vermeintlich verlängerten Arm der "imperialistischen" USA. Dieser Vorwurf besitzt jedoch grundsätzlich noch keine antisemitische Dimension. Antiimperialistisch eingestellte Personen sehen Israel weniger als jüdischen denn als "imperialistischen" und "kapitalistischen" Staat. Zudem gilt ihnen Israel nicht etwa als "geheime Macht" hinter den USA, sondern umgekehrt wird Israel als Instrument der USA verstanden, was tradierten antisemitischen Auffassungen widerspricht. Israelbezogener Teilweise geht der Antiimperialismus jedoch auch mit einer AbAntisemitismus lehnung des Zionismus als jüdische Nationalbewegung und in der Folge mit dem daraus hervorgegangenen Staat Israel einher. Insbesondere die Negierung des Existenzrechts Israels kann in diesem Zusammenhang als israelbezogener Antisemitismus gewertet werden. Die linksextremistische Szene zeigt sich im Berichtszeitraum in Bezug auf Antisemitismus in unveränderter Weise gespalten. Bezugspunkt für den Phänomenbereich bleibt weiterhin die Positionierung der jeweiligen linksextremistischen Strömung gegenüber dem Staat Israel. So kann festgestellt werden, dass die Konfliktlinien zwischen dem propalästinensischen und dem proisraelischen Lager fortbestehen. Autonome Linksextremisten vertreten dabei ganz überwiegend proisraelische Positionen, antiimperialistische Linksextremisten dagegen propalästinensische. Auswirkungen des Eine etwaige Veränderung von bekannten Aktionsmustern, beiTerrorangriffs der spielsweise durch die Begehung von Straftaten gegen israelische HAMAS oder jüdische Einrichtungen in Deutschland, ist bislang nicht festgestellt worden. Allerdings kann seit dem Überfall der HAMAS auf Israel am 7. Oktober 2023 beobachtet werden, dass die aktuelle politische Situation im Nahen Osten zunehmend thematisiert wird und entsprechende Agitation und Mobilisierung zugenommen haben. In diesem Zusammenhang geäußerte israelbezogene antisemitische Positionierungen von Linksextremisten können dabei stets den antiimperialistischen Gruppierungen zugeordnet werden. Sowohl das proisraelische wie auch das propalästinensische Lager mobilisieren zur Teilnahme an Demonstrationen und Kundgebungen, insgesamt ist die Anzahl rein linksextremistischer Veranstaltungen jedoch gering. Stattdessen beteiligen sich Linksextremisten 176 LINKSEXTREMISMUS an propalästinensischen Veranstaltungen aus dem Bereich des auslandsbezogenen Extremismus oder auch an Veranstaltungen des demokratischen Spektrums. In diesem Zusammenhang zeigen sich diverse Vernetzungen zwischen deutschen Linksextremisten aus der antiimperialistischen und dogmatischen Szene sowie türkischen Linksextremisten und extremistischen säkularen palästinensischen Strukturen. 7. Gefährdungspotenzial Die vom Linksextremismus ausgehenden Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung sind weiterhin hoch. Besorgniserregend ist ein erkennbares, bislang nicht ausgeschöpftes Potenzial für eine weitere Radikalisierung einzelner Gewalttäter und Netzwerke sowie der Aktionsformen. Relevant sind hierbei vor allem folgende Faktoren: " Die Zahl der gewaltorientierten Linksextremisten ist erneut um 400 auf nunmehr 11.200 Personen gestiegen (+3,7 %). " In ihrem "antifaschistischen Kampf" verüben linksextremistische Gewalttäter weiterhin erhebliche körperliche Angriffe. Teils nur durch glückliche Zufälle ist bislang keines der Opfer zu Tode gekommen. " Autonome Kleingruppen professionalisieren ihre Vorgehensweise und agieren auch grenzüberschreitend vernetzt mit ausländischen Linksextremisten. Bestehende Netzwerkstrukturen verfestigen und radikalisieren sich, zudem erweitert sich das Personenpotenzial im "militanten Antifaschismus" durch die Entstehung neuer Strukturen. " Das Untertauchen einer zunehmenden Anzahl gewalttätiger Linksextremisten in den Untergrund erscheint zumindest in einzelnen Fällen als bewusste Strategie im "antifaschistischen Kampf", die als notwendig betrachtet wird, um auch weiterhin wirksam agieren zu können. Ein Ablassen von der Gewalt angesichts des hohen Strafverfolgungsdrucks ist nicht feststellbar. Es besteht die Gefahr der Entstehung einer aus dem Untergrund operierenden militanten Zelle, die sich noch weiter radikalisieren sowie weitere politisch motivierte Strafund Gewalttaten planen und durchführen könnte. " Einzelne Linksextremisten haben unter anderem in den kurdischen Kampfgebieten den Umgang mit Schusswaffen und 177 LINKSEXTREMISMUS Sprengstoffen erlernt (vgl. Kap. IV, Nr. 4). Sie stellen nach ihrer Rückkehr, gerade in einem zunehmend radikalisierten Umfeld, ein besonderes Sicherheitsrisiko dar. Es besteht zumindest die Möglichkeit, dass sie durch Gewalterfahrungen enthemmt sein und das Erlernte auch hierzulande einsetzen könnten. Zudem haben Exekutivmaßnahmen gezeigt, dass Linksextremisten bei Bedarf Zugang zu Schusswaffen erlangen können. " Auch wenn die Schwelle zum Terrorismus aktuell noch nicht überschritten ist, hat sich die Gefahr für schwere Gewalttaten gegen Personen nochmals erhöht. Bei ungehindertem Fortgang der Radikalisierung einzelner Personen oder Strukturen, insbesondere der im Untergrund befindlichen Gewalttäter, könnte in Deutschland ein neuer Linksterrorismus entstehen, der sich insbesondere gegen als solche ausgemachte "Faschisten" richten dürfte, aber auch zu weiterer Gewalt gegen Staat und Polizei führen könnte. " Trotz der Brutalität und der nahezu hemmungslosen Gewaltausübung ist die Solidarität der Szene mit linksextremistischen Gewalttätern ungebrochen. Neben verbaler Unterstützung kann diese auch praktisch werden, zum Beispiel als Hilfe bei der Vorbereitung von Straftaten oder dabei, sich der Strafverfolgung zu entziehen, sowie bei der Radikalisierung weiterer potenzieller Täter. " Linksextremisten verursachen jährlich Sachschäden in Millionenhöhe. Neben den zahlreichen Angriffen auf Unternehmen kann die gezielte Zerstörung Kritischer Infrastruktur auch weite Teile der Bevölkerung treffen, sei es durch Ausfälle von Strom, Internet, Telekommunikation oder durch Beeinträchtigungen des Bahnverkehrs. Diese Auswirkungen könnten bei einer Verschärfung der Aktionsformen hin zu mehr Sabotage noch zunehmen. III. Linksextremistische Strukturen Heterogenität Mit Kommunismus und Anarchismus gibt es im Linksextremismus der Szene zwei miteinander unvereinbare Ideologiefamilien. Auch sonst ist für die linksextremistische Szene ihre ausgeprägte Heterogenität charakteristisch, die sich im Hinblick auf die verschiedenen ideologischen Ausprägungen, den Organisationsgrad, die bevorzugten Aktionsformen sowie das Verhältnis zur Gewalt zeigt. Anhand 178 LINKSEXTREMISMUS der Einstellung zur Frage, ob Gewalt bereits in der Gegenwart legitimes Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele sei oder erst in einer noch fernen "revolutionären Situation", lässt sich die Szene in gewaltorientierte und nicht gewaltorientierte Linksextremisten unterteilen. Einig sind sich Linksextremisten in der Notwendigkeit, den "KapiÜberwindung des talismus" zu überwinden, von ihnen verstanden als untrennbare "Kapitalismus" Einheit von marktwirtschaftlicher Eigentumsordnung und demokratischem Rechtsstaat, welche allein der Erhaltung von Ausbeutungsund Unterdrückungsverhältnissen diene. So zielen Linksextremisten immer auch gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung (fdGo), wenn sie den "Kapitalismus" bekämpfen. Die Überwindung des "Kapitalismus" könne nicht durch politische Reformen, sondern nur durch einen Umsturz der bisherigen Staatsund Gesellschaftsordnung erfolgen. 1. Gewaltorientierte Linksextremisten Etwa 11.200 Linksextremisten in Deutschland sind als gewaltorientiert einzustufen (2022: 10.800). Zu dieser Gruppe zählen vor allem Autonome, Anarchisten sowie ein kleiner Teil des dogmatischen Spektrums. Für gewaltorientierte Linksextremisten stellt der demokratische Parlamentarismus keine effektiv wirksame Art der politischen Betätigung dar. Wahlen dienten lediglich dazu, den "Kapitalismus" durch den Schein eines Mitbestimmungsrechts zu erhalten und die angebliche strukturelle Gewalt des Staates zu legitimieren. Tatsächliche Veränderungen seien nur durch Gewalt und "Militanz" zu erreichen, nicht durch Wahlen. Vor allem autonome Linksextremisten sehen sich folglich dazu berechtigt, tatsächliche oder vermeintliche Missstände unmittelbar und selbst zu beseitigen. Durch kontinuierliche Angriffe auf den verhassten Staat soll dieser herausgefordert und auf lange Sicht geschwächt werden. Die häufig in Selbstbezichtigungsschreiben veröffentlichten Ansichten sollen ihren Taten Nachdruck verleihen und zur Nachahmung animieren. 179 LINKSEXTREMISMUS 1.1 Autonome Die etwa 8.300 Autonomen bilden die größte Gruppe im gewaltorientierten Linksextremismus. Trotz ihrer ideologischen, strategischen und organisatorischen Verschiedenheit teilen sie eine inhaltliche Grundannahme: Das Individuum und seine Selbstverwirklichung stehen im Mittelpunkt des politischen Handelns. Jede Form der Fremdbestimmung lehnen sie ab. Alle Staatsund Herrschaftsformen werden als autoritär erachtet und sollen zugunsten einer herrschaftsfreien Ordnung überwunden werden. Unverbindliche Den autonomen Linksextremismus prägt ein ambivalentes VerStrukturen und hältnis zu festen Gruppenstrukturen. Aus der Ablehnung jeder Kleingruppen Form von Fremdbestimmung resultiert eine Abneigung gegenüber Zusammenschlüssen und gefestigten Strukturen. Gleichzeitig können die eigene politische Schlagkraft und der effektive Schutz vor politischen Kontrahenten nur durch ein Mindestmaß an Koordinierung sichergestellt werden. Daher schließen sich autonome Linksextremisten aus pragmatischen Überlegungen heraus zu unterschiedlich großen Gruppen zusammen und gehen Bündnisse ein. Viele Autonome bevorzugen aber unverbindliche Strukturen und bilden deshalb auf persönlichen Beziehungen beruhende Kleingruppen. Autonome als Autonome Szenen bilden sich primär in Großund/oder Univerurbanes Phänomen sitätsstädten. Meist verfügen sie dort über einen zentralen Anlaufpunkt, um den herum sich Einzelpersonen, Kleingruppen und lokale Ableger überregionaler Strukturen formieren. Die größten Szenen befinden sich in Berlin, Hamburg und Leipzig (Sachsen). Dort besitzen sie ein überdurchschnittlich hohes Aktionsniveau sowie Mobilisierungspotenzial und begehen eine Vielzahl von Strafund Gewalttaten. Hinzu kommt an diesen Orten ein breites sympathisierendes und anlassbezogen mobilisierbares Szeneumfeld. Schaffung von In selbst geschaffenen "Freiräumen" versuchen Autonome, alter"Freiräumen" native Lebensentwürfe zu verwirklichen. Damit gehen aus ihrer Sicht zwingend die Ablehnung und das Fernhalten staatlicher Ordnungsmacht einher. Durch die "Eroberung" und Verteidigung von "Freiräumen" sollen Teile des gesellschaftlichen Zusammenlebens der "kapitalistischen Verwertungslogik" und staatlichen Einflüssen entzogen werden. Dafür besetzen Autonome leerstehende Häuser, 180 LINKSEXTREMISMUS gründen Wohngemeinschaften und genossenschaftliche Kleinbetriebe oder eröffnen autonome Zentren, Läden und Einrichtungen. Diese verteidigen sie auch aggressiv gegen "Angriffe" von außen. Postautonome rücken die Vernetzung mit nicht gewaltorientierPostautonome ten Linksextremisten sowie nicht extremistischen Akteuren ins Zusammenschlüsse Zentrum ihres politischen Handelns. Durch intensive Öffentlichkeitsarbeit und die Vermittlung theoretischer Grundlagen soll die Akzeptanz autonomer Ziele und Aktionen in der Gesellschaft verbessert werden. Vertreter dieser postautonomen Ausrichtung sind die "Interventionistische Linke" (IL) und das kommunistische Bündnis "...ums Ganze!" (uG). Einzelne autonome Gruppierungen berufen sich stärker auf ihre Rückbesinnung auf anarchistischen Wurzeln, ohne dass grundlegende autonome die anarchistischen Handlungsprämissen aufgegeben werden. Die Grenzen zwischen Wurzeln autonomen und anarchistischen Strömungen werden so zunehmend fließend. Die breitere ideologische Basis soll auch als Grundlage für langfristige Vernetzungen untereinander sowie mit anderen autonomen Gruppierungen im Inund Ausland dienen. Auf diese Weise werden die eigenen Einflussmöglichkeiten verbessert, das Mobilisierungspotenzial bei der Begehung von Straftaten vergrößert und das Gefährungspotenzial noch einmal gesteigert. Die Folge ist eine Vielzahl von Strafund Gewalttaten ("direkte Aktionen") vor allem gegen Personen und Einrichtungen, die den Staat repräsentieren. Ziel ist es, das von Linksextremisten bekämpfte System nicht erst in einer fernen, revolutionären Situation zu stürzen, sondern dieses unmittelbar "praktisch" anzugreifen und dadurch auch andere zu ähnlichen Taten zu mobilisieren ("Propaganda der Tat"). 1.2 Anarchisten Anarchisten lehnen die Herrschaft von Menschen über andere Menschen ab. Das beinhaltet die Freiheit von jeder Form staatlicher Hoheitsgewalt, auch derjenigen innerhalb freiheitlicher Demokratien. Im Anarchismus gibt es verschiedene Strömungen, die sich ideologisch oder durch ihren Organisationsgrad unterscheiden. Eher organisationsfeindliche, stark gewaltorientierte Anarchisten wollen den demokratischen Rechtsstaat unmittelbar 181 LINKSEXTREMISMUS angreifen und gewaltsam zerschlagen. Die Übergänge zum autonomen Spektrum sind hier fließend. OrganisationsEine stark organisationsgebundene Ausprägung des Anarchismus gebundene ist der Anarchosyndikalismus. Dessen Anhänger organisieren sich Anarchisten als Föderation von Branchenund Einzelgewerkschaften, die sich sowohl für Arbeitskämpfe engagieren als auch eine Begleitung ihrer Mitglieder in unterschiedlichen Lebensbereichen wie "Kulturund Bildungsarbeit" und "gegenseitige Hilfe im Alltag" anbieten. Damit werben sie Mitglieder mit dem Angebot der konkreten Verbesserung von Lebensund Arbeitsbedingungen an. Langfristig zielen syndikalistische Anarchisten auf die unmittelbare Abschaffung jeglicher Form von Herrschaft (auch des demokratischen Rechtsstaats und seiner Einrichtungen) durch eine Revolution. Diese soll durch die Ausbreitung und Vernetzung ihrer lokalen Netzwerke angestoßen werden. Der Strömung des Anarchosyndikalismus folgt mit der "Freien Arbeiter*innen-Union" (FAU) die mit mehr als 1.600 Mitgliedern (2022: 1.400) größte anarchistische Organisation in Deutschland. "Revolutionäre Als neuer strategischer Ansatz der FAU und anderer organisatiNachbarschaftsonsgebundener Anarchisten kam 2023 der Aufbau von "Nacharbeit" barschaftsräumen" hinzu. Ziel hierbei ist es, Begegnungsstätten in Wohnvierteln oder Stadtteilen zu schaffen. Die anarchistische Ideologie der Organisatoren soll dabei bewusst im Verborgenen bleiben. Primär sollen über Freizeitangebote und Nachbarschaftshilfe soziale Beziehungen im Wohnumfeld aufgebaut werden. Auf diese Weise sollen langfristig möglichst viele Menschen in ein revolutionäres Netzwerk eingebunden, indoktriniert und der Aufbau anarchistischer subkultureller Verbindungen erreicht werden: "revolutionäre Nachbarschaftsarbeit sollte das Ziel haben in der Zukunft Massen zu organisieren und im jetzt zumindest über den eigenen Szenekreis hinauszuwachsen. Wenn wir dieses Ziel anvisieren und versuchen uns danach zu richten, bedeutet dies auch einiges für unser Vorgehen, unsere Darstellung und die Strategien unserer Kämpfe." (Website "anarchismus.de", 1. Februar 2023) Diese Strategie soll ausdrücklich nicht nur das eigene politische Spektrum erreichen, sondern im Gegensatz zu bisherigen Angeboten "attraktiv für die Masse der Menschen" sein. In Dortmund 182 LINKSEXTREMISMUS (Nordrhein-Westfalen) wurde 2023 ein solcher "Nachbarschaftsraum" aufgebaut, gleichzeitig gibt es Hinweise auf ähnliche Projekte in Berlin und anderen Städten. 1.3 Gewaltorientierte dogmatische Linksextremisten Dogmatische Linksextremisten streben eine sozialistische Staatsund Gesellschaftsform an, aus der langfristig eine "klassenlose" kommunistische Ordnung entstehen soll. Dabei befürwortet ein Teil von ihnen bereits heute den Einsatz von Gewalt oder schließt ihn zumindest nicht explizit aus. So will beispielsweise die trotzkistische "Gruppe ArbeiterInnen"Gruppe macht" (GAM) ihrem Aktionsprogramm folgend mithilfe einer ArbeiterInnenmacht" "kampffähigen Partei" das bestehende Gesellschaftssystem "zerbrechen" und durch Arbeiterräte ersetzen. Zur Steigerung ihrer Einflussmöglichkeiten engagieren sich die GAM und die ihr nahestehende Jugendorganisation "REVOLUTION" (REVO) in gesellschaftlichen Bewegungen wie der Gewerkschaftsbewegung oder im Kontext der "Antigentrifizierung". Wie die GAM schließt auch REVO in ihrem Grundsatzprogramm Gewalt als mögliches strategisches Mittel nicht aus. Nach Auffassung von Antiimperialisten wollen die "kapitalistiAntiimperialisten schen" Staaten durch "imperialistische" Politik neue Märkte auch gewaltsam erschließen, um Profite zu maximieren. Daher stelle Gewalt eine notwendige Komponente für den Kampf gegen "Kapitalismus" und "Imperialismus" dar. Anders als bei Gruppierungen, die sich streng an ideologischen Vordenkern orientieren, basiert die Ausrichtung von Antiimperialisten auf einer selbstdefinierten Auswahl verschiedener kommunistischer Theorien. Einen zentralen antiimperialistischen Zusammenschluss bildet "Perspektive die "Perspektive Kommunismus" (PK). Die PK und ihre MitgliedsKommunismus" gruppen beteiligten sich in den Wochen nach den Terrorangriffen der HAMAS auf Israel am 7. Oktober 2023 an zahlreichen propalästinensischen Demonstrationen. Entsprechend ihrem Weltbild wird Israel als "imperialistischer" Staat abgelehnt. Die Massaker an der israelischen Zivilbevölkerung wurden zwar verurteilt, die Terrorakte selbst aber als "größte Militäroffensive seit Jahrzehnten" sowie als legitimer "Widerstand gegen die israelische Besatzung" 183 LINKSEXTREMISMUS relativiert. Zugleich wurde der "Kampf gegen vorgeblichen Antisemitismus" in Deutschland kritisiert. 2. Nicht gewaltorientierte dogmatische Linksextremisten Die Mehrheit der dogmatischen Linksextremisten ist als nicht gewaltorientiert einzustufen. Dennoch zielen auch sie darauf ab, durch ihr Handeln eine revolutionäre Situation herbeizuführen. Im dogmatischen Linksextremismus zeichnen sich mehrere grundlegende Strömungen ab. Marxisten-Leninisten Traditionelle Marxisten-Leninisten wollen auf der ideologischen Grundlage der Thesen von Karl Marx und Friedrich Engels eine auf Liniendisziplin ausgerichtete kommunistische Partei aufbauen. Vertreter dieser Strömung sind beispielsweise die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP), die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) oder die "Kommunistische Organisation", die sich 2018 aus einer Abspaltung von der DKP und ihrer Jugendorganisation gegründet hat. Marxisten-Leninisten sehen als unabdingbare Voraussetzung für den gesellschaftspolitischen Umsturz eine "revolutionäre Massenbasis". Daher konzentrieren sie sich vor allem auf ideologische Überzeugungsarbeit, eine "revolutionäre" Zuspitzung des politischen Diskurses sowie eine breite Vernetzung mit "linken" und linksextremistischen Gruppierungen. Dazu betreiben sie eine intensive Öffentlichkeitsarbeit und bringen sich in Bündnisse und Kampagnen ein, zum Beispiel im Kontext der gewerkschaftlichen Arbeitskämpfe. Sie spitzen den politischen Diskurs dabei zu, indem sie alle aktuellen Probleme auf den "Kapitalismus" als "Ursache allen Übels" zurückführen und als visionäre Lösung eine revolutionär zu etablierende sozialistische beziehungsweise kommunistische Gesellschaftsordnung anpreisen. Trotzkisten Trotzkisten verstehen den angestrebten revolutionären Prozess als permanente internationale Revolution unter Führung von Arbeiterräten. Ihnen fehlt die Liniendisziplin kommunistischer Parteien, weshalb sie besonders häufig von internen Spaltungen betroffen sind. Die organisatorische Schwäche gleichen Trotzkisten durch den Griff nach anderen Strukturen aus. Offen oder verdeckt versuchen sie, Aktionsbündnisse, Kampagnen und Organisationen mit eigenen Kadern zu infiltrieren. Diese Strukturen sollen unter ihre Kontrolle gebracht oder zumindest ein Kern an trotzkistischen 184 LINKSEXTREMISMUS Kadern darin verankert werden. Ziel jener als Entrismus bezeichneten Unterwanderungsstrategie ist es, die schon organisierten Bündnisse und Bewegungen für den Aufbau einer revolutionären Massenbewegung zu instrumentalisieren. So agieren trotzkistische Strukturen wie das Netzwerk "marx21" im Bereich der Partei DIE LINKE und ringen darum, Einfluss auf den politischen Diskurs zu nehmen. Daneben arbeiten Mitglieder weiterer trotzkistischer Organisationen - teilweise auch aus dem Bereich gewaltorientierter dogmatischer Linksextremisten - wie der "Gruppe ArbeiterInnenmacht" (GAM), der "REVOLUTION" (REVO), der "Sozialistischen Alternative" (SAV), der "Sozialistischen Organisation Solidarität" (Sol) sowie der "Internationalen Sozialistischen Organisation" (ISO) offen oder verdeckt in politischen Strukturen und zielen so darauf ab, ihre Einflussmöglichkeiten auf Entscheidungsprozesse auszuweiten sowie auf Gruppierungen und Themen von gesellschaftlicher Relevanz "revolutionsfördernd" einzuwirken. 3. "Rote Hilfe e.V." Die "Rote Hilfe e.V." (RH) ist mit rund 13.700 Mitgliedern und bundesweit rund 50 Ortsgruppen die größte und eine der wichtigsten Gruppierungen im deutschen Linksextremismus. Die Mitgliederzahl hat 2023 wie bereits in den Vorjahren weiter zugenommen (2022: 13.100, 2021: 12.100). Primäres Betätigungsfeld der RH ist die Unterstützung linksextremistischer Straftäter sowohl im Strafverfahren als auch während der Haftzeit. Sie bietet ihnen politischen und sozialen Rückhalt und leistet juristische sowie finanzielle Unterstützung mit dem Ziel, das strafrechtliche Abschreckungspotenzial zu mindern. Die RH sorgt für eine bundesweite Vernetzung, sichert innerhalb der Szene den übergreifenden Zusammenhalt der unterschiedlichen Strömungen und bietet einen Legitimationsrahmen für die Begehung von Strafund Gewalttaten. Bei der Auswahl und Begründung der Unterstützungsfälle lässt sie erkennen, dass sie die Anwendung von Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung nicht nur befürwortet, sondern auch unterstützt. Daneben versucht die RH, durch intensive Öffentlichkeitsarbeit und Agitation Einfluss auf die Meinungsbildung zu nehmen und 185 LINKSEXTREMISMUS den Rechtsstaat zu delegitimieren, indem sie ihm einen "repressiven Charakter" unterstellt und Gerichtsentscheidungen als politisch motivierte Klassenjustiz abwertet. Insbesondere Sicherheitsbehörden werden von der RH diskreditiert und der Eindruck eines "Polizeiund Willkürstaates" erweckt. So wird beispielsweise die Polizei stets als "gewalttätig" und "rassistisch" diffamiert. Die RH begleitete auch den Strafprozess vor dem OLG Dresden (Sachsen) gegen die kriminelle Vereinigung um Lina E., erklärte sich solidarisch mit den Angeklagten und versuchte, das große öffentliche und mediale Interesse für die Diskreditierung des Rechtsstaates zu nutzen. So bezeichnete die RH die Angeklagten unter anderem als "politische Gefangene" und den Strafprozess als "Justizfarce" voller "Mutmaßungen und Konstruktionen der Repressionsorgane", basierend auf "teils offensichtlichen Lügen" und "widersprüchlichen Angaben" eines Zeugen mit dem Ziel, "das politisch gewollte Urteil" herbeizuführen. Auch in Bezug auf die Angriffe beim "Tag der Ehre" in Budapest (Ungarn) ruft die RH zur Solidarität mit den linksextremistischen Gewalttätern auf, die sie als "Aktivist*innen" verharmlost. "Hans-LittenZur Struktur der RH gehört das "Hans-Litten-Archiv e.V." (HLA), Archiv e.V." das am 18. Februar 2005 in Göttingen (Niedersachsen) gegründet worden ist und sich in seiner Satzung selbst als "Rote-Hilfe-Archiv" bezeichnet. Beim HLA handelt es sich um eine extremistische Struktur, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Denn das HLA handelt für die RH, indem es sie nachdrücklich in ihren verfassungsfeindlichen Bestrebungen unterstützt. Die Bundesgeschäftsstelle der RH und der Sitz des Archivs befinden sich in demselben Haus in Göttingen. Das HLA erhält finanzielle Unterstützung von der RH. Regelmäßig erscheinen Artikel von Vorstandsmitgliedern des HLA in der RH-Zeitung "DIE ROTE HILFE" und die RH wirbt in ihrer Zeitung dafür, Fördermitglied im HLA zu werden. IV. Linksextremistische Vernetzungsbestrebungen Linksextremisten zeigen sich ständig darum bemüht, die eigenen Einflussmöglichkeiten auszuweiten. Auf zahlreichen Ebenen versuchen sie, durch Vernetzung ihre Wirkkraft zu erhöhen und ihre Positionen zu verbreiten. Die Voraussetzung hierfür bietet häufig 186 LINKSEXTREMISMUS ein gemeinsames ideologisches Grundgerüst, welches - trotz Unterschieden hinsichtlich konkreter Ziele oder Aktionsformen einschließlich der Gewaltfrage - spektrenübergreifend und auch über Ländergrenzen hinweg verbindet. 1. Vernetzungen innerhalb der linksextremistischen Szene Neben linksextremistischen Parteien haben sich auch in organisationskritischen Bereichen wie dem autonomen Linksextremismus langlebige Vernetzungsstrukturen etabliert. Wesentliche Akteure sind die "Interventionistische Linke" (IL) und das kommunistische Bündnis "... ums Ganze" (uG) mit seiner Kampagne "Nationalismus ist keine Alternative" (NIKA), die sich insbesondere gegen die "Alternative für Deutschland" (AfD) richtet. Diese strategischen Bündnisstrukturen spielen für die Überwindung der Organisationsdefizite, aber auch für die Kampagnenfähigkeit des Linksextremismus eine entscheidende Rolle. So will die postautonome IL als Bindeglied zwischen Autonomen, "Interventionistische dogmatischen und sonstigen Linksextremisten bis hin zu demoLinke" kratischen Protestinitiativen fungieren. Um eine Scharnierfunktion zwischen den verschiedenen Lagern wahrnehmen zu können, verzichtet die IL aus strategischen Gründen einerseits auf die Propagierung von Gewalt, ohne sich andererseits von gewaltsamen Aktionsformen oder einem militanten Auftreten zu distanzieren: "Wir wissen, Militanz war, ist und bleibt notwendig - gerade, wenn wir die Welt grundlegend verändern wollen, werden wir nicht um sie herumkommen. Wir sollten uns nicht der Illusion hingeben, dass es möglich wäre, einfach friedfertig und geordnet aufzutreten, (...)." (Debattenblog IL, Juni 2023) Neben deutlicher Grundsatzkritik, zum Teil auch aus den eigenen Reihen (die IL laufe "Gefahr, Geschichte geworden zu sein"), sah sich die IL zuletzt mit Vorwürfen antifeministischen und sexistischen Verhaltens konfrontiert. Vereinzelt führten die Vorwürfe zur Forderung eines Ausschlusses aus "allen feministischen und linksradikalen Strukturen". Darüber hinaus ist es der IL nicht gelungen, zu gesellschaftlich relevanten Themen wie zuletzt dem Nahost-Konflikt öffentlich wahrnehmbar Position zu beziehen. 187 LINKSEXTREMISMUS Offensichtlich beeinträchtigen die anhaltenden internen Diskussionsprozesse die Handlungsund Bündnisfähigkeit der IL. Im Jahr 2023 war sie nicht in der Lage, eine bundesweite Kampagne zu initiieren. "Anarchistische Weitere Vernetzungsmöglichkeiten bieten "Anarchistische BiblioBibliotheken" und theken" und Buchmessen, die in autonomen und anarchistischen Buchmessen Strömungen verwurzelten Linksextremisten sowohl in Deutschland als auch im europäischen Ausland als Treffmöglichkeit dienen. Es handelt sich dabei um Orte, an denen Kennverhältnisse und die internationale Vernetzung der Szene gefördert, autonome und anarchistische Literatur verbreitet und ideologische Vortragsveranstaltungen organisiert werden. So fand die "Balkan Anarchist Bookfair" vom 7. bis 9. Juli 2023 in Ljubljana (Slowenien) statt, zu der Anarchisten aus Deutschland ihre Teilnahme angekündigt und für ihren dortigen Stand geworben hatten. Als wesentliche Veranstaltung der weltweiten Vernetzung von Anarchisten ist außerdem der Kongress "Anarchy 2023" hervorzuheben, der anlässlich des 150. Jahrestages des ersten Anarchismus-Kongresses vom 19. bis 23. Juli in Saint-Imier (Schweiz) stattfand. Neben zahlreichen deutschen nahmen mehr als 4.000 Anarchisten aus der ganzen Welt daran teil. 2. Beeinflussung demokratischer Diskurse Linksextremisten greifen gezielt tagespolitisch bedeutsame Themen auf, um Einfluss auf gesellschaftliche Diskussionen und Prozesse zu nehmen. Linksextremistische Positionen sollen so in den gesamtgesellschaftlichen Kontext eingebettet und zivildemokratischer Protest um eine militante Komponente ergänzt werden. Im Kern geht es Linksextremisten dabei vor allem um die Delegitimierung des demokratischen Staates und seiner Institutionen. So wird der Staat fortwährend als "faschistisch" und "rassistisch", rechtmäßiges staatliches Handeln als "repressiv" oder "Polizeigewalt" diffamiert. Damit soll das Vertrauen in den Staat und seine Legitimation gezielt untergraben werden. So versuchen Linksextremisten beispielsweise das Thema Klimaschutz für ihre Anliegen zu instrumentalisieren (vgl. Kap. II, Nr. 3), ebenso wie Debatten über bezahlbaren Wohnraum (Antigentrifizierung), die militärisch angemessene Ausstattung der Bundeswehr und Waffenlieferungen 188 LINKSEXTREMISMUS an die Ukraine (Antimilitarismus), Rassismus in der Gesellschaft oder Migrationspolitik (Antirassismus). 3. Vernetzungen mit Linksextremisten im Ausland Die Vernetzung mit ideologisch Gleichgesinnten im Inund Ausland hat eine lange Tradition und ist immanentes Merkmal des Linksextremismus. Deutsche Linksextremisten haben sich auch 2023 um den Aufbau möglichst vielfältiger Kontakte bemüht, aus denen sich auf verschiedenen Ebenen auch strategische Ansätze der Zusammenarbeit entwickeln können. Auf diese Weise bilden sich vielschichtige Netzwerke von Einzelpersonen und Kleingruppen, die geprägt sind von jahrelangen persönlichen Bekanntschaften und Szenezugehörigkeiten sowie einem umfangreichen Kontaktspektrum - verbunden mit wechselseitigen Reisebewegungen und Teilnahmen an Veranstaltungen. Dies gilt sowohl für den anarchistischen als auch den autonomen Linksextremismus. Die grenzüberschreitende Vernetzung führt dazu, dass insbesondere auf staatliche Maßnahmen gegen Linksextremisten in anderen Staaten regelmäßig mit Solidaritätsbekundungen und -aktionen reagiert wird. So fanden auch 2023 zahlreiche solcher Solidaritätsaktionen und -straftaten statt, vor allem mit Bezugnahme auf einen in Italien wegen schwerer Straftaten inhaftierten Anarchisten, der in den Hungerstreik getreten war. Deutschlandweit wurden in diesem Zusammenhang mehrere Sachbeschädigungen und Brandstiftungen verübt, unter anderem gegen Bauunternehmen, die am Bau von Gefängnissen beteiligt sind. In einer Taterklärung zu einer Brandstiftung an mehreren Lastkraftwagen eines Bauunternehmens am 5. Januar 2023 in Hamburg heißt es dazu: "In Gedanken an den hungerstreikenden Anarchisten Alfredo Cospito haben wir in der Nacht auf den 5.1. LKW von Strabag in der Schanze in Brand gesetzt. (...) Freiheit für alle Gefangenen!" (Internetplattform "de.indymedia", 5. Januar 2023) Neben der anlassbezogenen Mobilisierung gegen internationale Großereignisse agieren Linksextremisten länderübergreifend zunehmend auch in klandestinen Aktionszellen mit dem Ziel, gemeinsam Strafund Gewalttaten innerhalb und außerhalb 189 LINKSEXTREMISMUS Deutschlands zu begehen. Zuletzt wurde dies bei den Angriffen zum "Tag der Ehre" in Budapest (Ungarn) deutlich, die mehrheitlich von deutschen Linksextremisten ausgingen. 4. Vernetzungen zur PKK und türkischen Linksextremisten Deutsche Linksextremisten arbeiten regelmäßig auch mit türkischen linksextremistischen Organisationen zusammen, zum Beispiel bei Demonstrationen oder gemeinsamen Veranstaltungen (siehe auch Kapitel "Auswirkungen des Nahostkonflikts und Antisemitismus"). Auch solidarisieren sie sich mit den kurdischen Autonomiebestrebungen und insbesondere mit der in Deutschland verbotenen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK). Dieses Engagement nutzt die PKK sowohl für Propaganda in Deutschland wie auch zur Rekrutierung für den Kampf in den kurdischen Siedlungsgebieten. Reisen in die Seit 2013 sind etwa 70 Personen aus dem deutschen linksextrekurdischen mistischen Spektrum in den Südosten der Türkei, nach NordsyriSiedlungsgebiete und en oder den Nordirak ausgereist, wovon sich die meisten der PKK bewaffneter Kampf oder ihr nahestehenden Gruppierungen angeschlossen haben. Ihre Betätigung vor Ort reichte von humanitären Hilfen über prokurdische Propaganda bis in einigen Fällen hin zur aktiven Beteiligung am Kampfgeschehen. Linksextremisten mit Kampferfahrung stellen aufgrund ihres Radikalisierungsniveaus nach der Rückkehr ein besonderes Sicherheitsrisiko dar, da sie die erlernten Fertigkeiten im Umgang mit Waffen oder Sprengstoffen auch in ihren Heimatländern zum Einsatz bringen könnten. V. Linksextremistische Internetnutzung Linksextremisten benötigen die öffentliche Aufmerksamkeit zur Verbreitung ihrer Ideologie. Gewaltorientierte Linksextremisten brauchen zudem Plattformen, um Strafund Gewalttaten öffentlich zu vermitteln und ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen - sei es durch Taterklärungen, technische Anleitungen zur Begehung weiterer Taten oder die Einschüchterung politischer Gegner durch "Outings". Über szenebekannte Internetportale und gängige Social-Media-Plattformen wird reichweitenstark zu Veranstaltungen mobilisiert und über Szeneereignisse berichtet, um 190 LINKSEXTREMISMUS so internetaffine Menschen für die eigenen Ideen, Ziele und Aktionsfelder zu begeistern und zu rekrutieren. 1. Linksextremistisch genutzte Internetplattformen Die linksextremistische Internetplattform "de.indymedia" ist das Linksextremistische wichtigste Informationsund Propagandamedium für die linksInternetplattform extremistische Szene im deutschsprachigen Raum. Ziel ist die "de.indymedia" Schaffung einer "Gegenöffentlichkeit", frei von vermeintlicher staatlicher Kontrolle. Die Plattform funktioniert nach dem Prinzip des "Open-Posting": Alle Nutzenden können anonym, in Echtzeit und ohne vorherige Kontrolle Inhalte veröffentlichen. Verwaltet werden die Beiträge nach Veröffentlichung von "Moderationskollektiven". Auf "de.indymedia" erscheint eine Vielzahl von Beiträgen, die einen Bezug zu linksextremistischen Strafund Gewalttaten haben oder selbst strafrechtlich relevant sind. So werden regelmäßig Selbstbezichtigungsschreiben und explizite Aufforderungen zu weiteren Straftaten veröffentlicht. Auch finden über "de.indymedia" immer wieder "Outings" statt. In vielen Beiträgen wird auch die Notwendigkeit eines gewaltsamen Vorgehens ausführlich dargestellt. Ein Beispiel ist ein am 15. August 2023 veröffentlichter linksextremistischer Text, der sich mit dem "Status quo und der Perspektive der antifaschistischen Bewegung" befasst: "Immer wieder wird betont, dass Gewalt auf das notwendige Maß zu beschränken sei. (...) Gewalt zu minimieren bedeutet aber auch, genug Gewalt anzuwenden, sodass die strategische Zielsetzung mit hoher Wahrscheinlichkeit erreicht wird. Dementsprechend stellen gezielte Angriffe auf einzelne Faschisten oftmals das erforderliche Mittel dar." (Internetplattform "de.indymedia", 15. August 2023) Wie die meisten Beiträge dieser Art wurde auch dieser nicht von den "Moderationskollektiven" entfernt. Gelöscht werden dagegen Spam-Beiträge oder Inhalte, die mutmaßlich "unter falscher Flagge" veröffentlicht werden - beispielsweise von Rechtsextremisten. Durch das Nichtentfernen linksextremistischer oder strafbarer Inhalte trotz existierender Moderation müssen sich die Betreibenden von "de.indymedia" diese Inhalte zurechnen lassen. 191 LINKSEXTREMISMUS Linksextremisten wird wissentlich und absichtlich eine Plattform geboten, die in hohem Maße einem verfassungsfeindlichen Zweck dient. Weitere von Neben "de.indymedia" nutzen Linksextremisten verschiedene Linksextremisten weitere Plattformen, die sich lokal auf bestimmte Städte oder Regenutzte Plattformen gionen beziehen. Zu diesen gehören "kontrapolis.info" (Berlin), "tumulte.org" (Bremen) oder "knack.news" (Leipzig, Sachsen). Neben Beiträgen, die sich ebenso auf "de.indymedia" finden, gibt es hier auch exklusive Inhalte mit vor allem regional bedeutsamem Bezug. Mit "barrikade.info" (Schweiz) und "emrawi.org" (Österreich) gibt es noch zwei weitere für Linksextremisten bedeutsame deutschsprachige Informationsportale. Links zu Beiträgen dieser und weiterer von Linksextremisten genutzten Plattformen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz werden auf "radikal. news - Nachrichten von Unten" gebündelt. Die Website versteht sich als "ein Netzwerk selbstorganisierter Infoseiten" für den deutschsprachigen Raum. Nutzung von In Teilen des gewaltorientierten Linksextremismus werden neue "Technikkollektiven" Technologien und das Internet als sicherheitsrelevante "Schwachstelle" in der Kommunikation wahrgenommen. Die Szene nutzt daher zum Schutz der eigenen Identität und vor Strafverfolgung verschiedene "Technikkollektive", die Internetinfrastruktur anbieten, beispielsweise für anonymes Hosting von Websites oder die Bereitstellung von E-Mail-Servern. 2. Soziale Medien und Podcasts Linksextremistische Organisationen und Einzelpersonen nutzen aktiv soziale Medien, um effektiv und spontan zu mobilisieren. Sie verbreiten dort ideologische Texte und "Stories" schnell und weiträumig und sprechen damit vor allem jüngere Nutzer gezielt an. Genutzt werden insbesondere die gängigen Plattformen wie Facebook, Instagram und der Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter), da auf diesen das größte Publikum erreicht werden kann. In ihrem Sinne dürfte auch sein, dass beispielsweise "Stories" bei Instagram nach 24 Stunden nicht mehr abrufbar sind und extremistische Inhalte damit einfach wieder verschwinden. 192 LINKSEXTREMISMUS Linksextremisten nutzen soziale Medien mittlerweile auch für Linksextremistische die Herausgabe von Podcasts, gestalten Youtube-Kanäle oder verPodcasts öffentlichen ihre Inhalte bei Audio-Streaming-Diensten. Beispiele solcher Formate mit linksextremistischen Inhalten sind "Ende Gelände - Der Podcast", die "Kommunisten Kneipe", "Die Lage der Klasse" der trotzkistischen "Gruppe ArbeiterInnenmacht" (GAM) oder "99 zu Eins" aus dem anarcho-kommunistischen Spektrum. Anders als die vorgenannten Podcasts ist beispielsweise der seit Januar 2021 angebotene Podcast "Übertage" nicht sofort als linksextremistisch erkennbar. Er behandelt in bisher über hundert Folgen Grundbegriffe des Anarchismus und aktuelle gesellschaftliche Themen aus anarchistischer Sicht. Die Ersteller der Podcasts bedienen sich dabei eines betont jugendlichen Auftritts und bringen dem Publikum komplexe anarchistische Konzepte einfach und praxisbezogen näher, vermischt mit Beiträgen zu popkulturellen Themen. Sie sind versiert in der Nutzung sozialer Medien und versuchen sich als anarchistische "Influencer". Hiermit beabsichtigen sie offensichtlich, die Sichtbarkeit anarchistischer Ideen in breiteren, nicht extremistischen Teilen der Gesellschaft zu fördern. Diese Reichweite über das eigene Spektrum hinaus und damit verbunden die Möglichkeit, die Anhängerschaft zu vergrößern, dürfte Linksextremisten motiviert haben, relativ junge und erfolgreiche Online-Formate wie Podcasts für ihre Zwecke zu nutzen. 193 LINKSEXTREMISMUS VI. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 1. "Interventionistische Linke" (IL) Gründung: Ende 2005 Anhängerschaft 1.000 (2022: 1.000) in Deutschland: in 28 Ortsgruppen Publikationen/Medien: "arranca!" (Zeitschrift, zuletzt Ende 2021 veröffentlicht, Auflage: 2.000) Ortsgruppen, die in "I Furiosi" ihrem Namen nicht (Düsseldorf, Nordrhein-Westfalen) sofort die Zugehörigkeit "see red!" zur IL erkennen lassen: (Düsseldorf, Nordrhein-Westfalen) "Basisdemokratische Linke" (Göttingen, Niedersachsen) "Sozialistische Perspektive" (Göttingen, Niedersachsen) "Aktion, Kritik und Theorie Heidelberg" (AKUT [+C]) (Baden-Württemberg) "Antifaschistische Initiative" (Heidelberg, Baden-Württemberg) "PRISMA - IL Leipzig" (Sachsen) "Gruppe d.i.s.s.i.d.e.n.t." (Marburg, Hessen) Gegründet als bundesweites Netzwerk mit dem Ziel einer verbindlichen "Organisierung" autonomer Gruppierungen und Personen ist die "Interventionistische Linke" (IL) heute eine bundesweit agierende Organisation mit Ortsgruppen in ganz Deutschland sowie mit der "IL Graz" auch in Österreich. Ihr Ziel ist die Überwindung des "Kapitalismus" einschließlich des demokratischen Rechtsstaats mittels eines revolutionären Umsturzes. Die Einstellung zur Gewalt ist dabei taktisch geprägt. Zugunsten einer erhöhten Handlungsfähigkeit bemüht sich die IL um eine Scharnierfunktion mit dem Ziel einer aktionsorientierten Zusammenführung militanter und nicht gewaltorientierter linksextremistischer Strukturen sowie nicht extremistischer Akteure. 194 LINKSEXTREMISMUS 2. "...ums Ganze! - kommunistisches Bündnis" (uG) Gründung: 2006 Anhängerschaft 260 (2022: 260) in Deutschland: in zehn Ortsgruppen Publikationen/Medien: "mole" (Englisch für: "Maulwurf"; Zeitung erscheint unregelmäßig) Mitgliedsgruppen: "antifa nt - Autonome Antifa München" (Bayern) "Theorie.Organisation.Praxis" (Berlin) "Basisgruppe Antifaschismus (BA)" (Bremen) "Kritik&Praxis" (Frankfurt am Main, Hessen) "Communist Action & Theory" (Marburg, Hessen) "Redical [M]" (Göttingen, Niedersachsen) "In/Progress" (Braunschweig, Niedersachsen) "Antifa AK Köln" (Köln, Nordrhein-Westfalen) "Eklat Münster" (Münster, Nordrhein-Westfalen) "Undogmatische Radikale Antifa (URA)" (Dresden, Sachsen) Das kommunistische Bündnis "...ums Ganze!" (uG) ist ein Zusammenschluss lokaler Gruppen der autonomen Szene. Als uG-Bündnis bündeln die ansonsten eigenständigen Gruppen anlassbezogen ihre Kräfte, um überregional wahrnehmbar und handlungsfähig zu sein - zum Beispiel in Aktionsbündnissen und bei Großveranstaltungen. Neben zehn Ortsgruppen in Deutschland gehört zu uG auch die "autonome antifa [w]" aus Österreich. Im Rahmen seines "antifaschistischen Kampfes" betreibt uG seit 2016 die Kampagne "Nationalismus ist keine Alternative" (NIKA). Zudem ist uG Teil des internationalen Netzwerks "BEYOND EUROPE - Antiauthoritarian Platform against Capitalism". 195 LINKSEXTREMISMUS 3. "Perspektive Kommunismus" (PK) Gründung: April 2014 Anhängerschaft 150 (2022: 100) in Deutschland: in sieben eigenständigen Organisationen Publikationen/Medien: "1. Mai Zeitung" (jährlich zum 1. Mai) Mitgliedsgruppen: "Antikapitalistische Linke München" (Bayern) "Linke Aktion Villingen-Schwenningen" (Baden-Württemberg) "Revolutionäre Aktion Stuttgart" (Baden-Württemberg) "Revolutionäre Aktion Karlsruhe" (Baden-Württemberg) "Roter Aufbau Hamburg" (Hamburg) "Kommunistische Linke Köln" (Nordrhein-Westfalen) "Revolutionäre Linke Duisburg" (Nordrhein-Westfalen) Die "Perspektive Kommunismus" (PK) ist ein antiimperialistischer Zusammenschluss von revolutionär-kommunistisch ausgerichteten Gruppen. Ihre ideologische Orientierung basiert auf einem marxistisch-leninistischen Weltbild. In ihrem Grundlagentext beschreibt sich die PK als eine Organisation, "die auf ideologischer, kultureller und politischer Ebene eine reale Gegenmacht zur Macht von Staat und Kapital aufbaut". Ihr Ziel ist die revolutionäre Überwindung des "kapitalistischen Systems". In diesem Zusammenhang verteidigt die PK die Anwendung von Gewalt als grundsätzlich legitim und notwendig. 196 LINKSEXTREMISMUS 4. "Freie Arbeiter*innen-Union" (FAU) Gründung: 1977 Sitz: Krefeld (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Geschäftskommission Mitglieder/Anhänger1.600 (2022: 1.400) schaft in Deutschland: Publikationen/Medien: "Direkte Aktion" (Onlinezeitung, unregelmäßig) Die anarchistische "Freie Arbeiter*innen-Union" (FAU) bezeichnet sich selbst als eine "klassenkämpferische Gewerkschaftsföderation". Sie setzt sich aus verschiedenen lokalen "Syndikaten" zusammen. Laut eigener Darstellung war die FAU im Jahr 2023 bundesweit in 40 Orten vertreten. Die FAU strebt die Überwindung des "Kapitalismus" mittels einer "sozialen Revolution" an. Dies will sie zunächst durch Betriebskämpfe erreichen. Im Gegensatz zu demokratisch orientierten Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmervertretungen vertritt die FAU die linksextremistische Ideologie, wonach bessere Arbeitsbedingungen langfristig nur in einer anarchistischen Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung gegeben sein können, welche sie nach der erfolgreichen "sozialen Revolution" errichten will. 197 LINKSEXTREMISMUS 5. "Rote Hilfe e.V." (RH) Gründung: 1975 Sitz: Göttingen (Niedersachsen) Bundesgeschäftsstelle Leitung/Vorsitz: Bundesvorstand Mitglieder in 13.700 (2022: 13.100) Deutschland: in rund 50 Ortsgruppen Publikationen/Medien: "DIE ROTE HILFE" (Zeitschrift, vierteljährlich und als Onlinemagazin) Die "Rote Hilfe e.V." (RH) definiert sich laut Satzung als eine "parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutzund Solidaritätsorganisation". Sie leistet Strafund Gewalttäterinnen und -tätern aus dem linksextremistischen Spektrum politische und finanzielle Unterstützung, beispielsweise bei anfallenden Anwaltsund Prozesskosten sowie bei Geldstrafen und Geldbußen. Ferner versucht die RH, durch meinungsbildende Öffentlichkeitsarbeit (Publikationen, Vorträge, Demonstrationen) die Sicherheitsund Justizbehörden sowie die rechtsstaatliche Demokratie zu diskreditieren. Dazu organisiert sie unter anderem Informationsund Diskussionsveranstaltungen zu Themenfeldern wie "staatliche Repression" und fordert dazu auf, grundsätzlich die Zusammenarbeit mit Sicherheitsund Strafverfolgungsbehörden bei der Aufklärung von Straftaten zu verweigern. Darüber hinaus betreut die RH rechtskräftig verurteilte Straftäterinnen und Straftäter während ihrer Haft, um diese weiter beziehungsweise stärker an die "Bewegung" zu binden. Beispielsweise hält sie persönlichen Kontakt zu Inhaftierten, um diese zum "Weiterkämpfen" zu motivieren. Zur Struktur der RH gehört das im Jahr 2005 in Göttingen (Niedersachsen) gegründete "Hans-Litten-Archiv e.V." (HLA), welches sich in seiner Satzung selbst als "Rote-Hilfe-Archiv" bezeichnet. Durch die nachdrückliche Unterstützung der linksextremistischen RH liegen beim HLA eigene extremistische Bestrebungen vor.90 90 Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.11.2020 - OVG 1 S 99.19. 198 LINKSEXTREMISMUS 6. "junge Welt" (jW) Gründung: 1947 Sitz: Berlin Verlag: "Verlag 8. Mai GmbH"; gehört zur "Linke Presse Verlags-, Förderungsund Beteiligungsgenossenschaft junge Welt e.G." (LPG) Chefredakteur: Stefan Huth Erscheinungsweise: täglich Die Tageszeitung "junge Welt" (jW) strebt die Errichtung einer sozialistisch-kommunistischen Gesellschaftsordnung nach klassischem marxistisch-leninistischem Verständnis an. Sie ist das bedeutendste und auflagenstärkste Medium im Linksextremismus mit einer Druckauflage von 20.400 Exemplaren (samstags 23.500 Exemplare). Die jW ist mehr als ein Informationsmedium. Sie wirkt als politischer Faktor und schafft Reichweite durch Aktivitäten wie zum Beispiel die Durchführung der alljährlichen Rosa-Luxemburg-Konferenz. Einzelne Redaktionsmitglieder und einige der Stammund Gastautorinnen und -autoren sind dem linksextremistischen Spektrum zuzurechnen. Die jW bekennt sich nicht ausdrücklich zur Gewaltfreiheit. Vielmehr bietet sie immer wieder eine öffentliche Plattform für Personen und Organisationen, die politisch motivierte Straftaten befürworten. 199 LINKSEXTREMISMUS 7. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Gründung: 1968 Sitz: Essen (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Patrik Köbele Mitglieder/Anhänger2.765 (2022: 2.850) schaft in Deutschland: Publikationen/Medien: "unsere zeit" (Zeitung, wöchentlich) "Marxistische Blätter" (Theoriemagazin, vierteljährlich) "POSITION" (Magazin der SDAJ, zweimonatlich) Jugendorganisation: "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) mit 670 Mitgliedern (2022: 670) Die marxistisch-leninistische "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) hat als Ziel in ihrem Parteiprogramm den "revolutionären Bruch mit den kapitalistischen Machtund Eigentumsverhältnissen" formuliert. Die von ihr angestrebte Staatsund Gesellschaftsordnung ist "der Sozialismus als erste Phase der kommunistischen Gesellschaftsformation". Die linksextremistische Partei versteht sich als politische Nachfolgerin der 1956 durch das Bundesverfassungsgericht verbotenen "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD). Sie betont zudem, "stets eng verbunden" mit der ehemaligen "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED) gewesen zu sein. Die DKP betätigt sich hauptsächlich in den Aktionsfeldern "Antifaschismus", "Antimilitarismus" und "Antikapitalismus". Bei der regelmäßigen Teilnahme an Wahlen verzeichnete die Partei bislang keine nennenswerten Erfolge. Die "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) ist laut ihrer Satzung "eine eigenständige Jugendorganisation", betrachtet sich aber als Nachwuchsorganisation der DKP. Gemeinsames Ziel ist die Abschaffung des "Kapitalismus" und die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung. Bei der Wahl ihrer Bündnispartnerinnen und -partner für den revolutionären Kampf schließt die SDAJ auch gewaltbereite Akteure aus dem linksextremistischen Spektrum nicht aus. 200 LINKSEXTREMISMUS 8. "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Gründung: 1982 Sitz: Gelsenkirchen (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Gabi Fechtner Mitglieder/Anhänger2.800 (2022: 2.800) schaft in Deutschland: in acht Landesverbänden Publikationen/Medien: "Rote Fahne" (Magazin, zweiwöchentlich) "REBELL" (Magazin, sechs Ausgaben pro Jahr) Jugendorganisation: "REBELL" mit 600 Mitgliedern (2022: 600) 201 LINKSEXTREMISMUS Die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) ist streng maoistisch-stalinistisch ausgerichtet und zielt auf die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung als Übergang zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft. Dafür sei "der Kampf für eine sozialistische Perspektive, die revolutionäre Überwindung von Kapitalismus und Imperialismus" notwendig. Die MLPD nimmt regelmäßig an Wahlen teil, häufig unter der Bezeichnung "Internationalistische Liste/MLPD", und ruft parteiintern zur Beteiligung an politischen Veranstaltungen und Demonstrationen auf. Über die Teilnahme an Wahlen, Veranstaltungen, Protesten oder Streiks will die Partei ihre Ideologie verbreiten und neue Mitglieder gewinnen. Bei Agitationsthemen wie dem Israel-Palästina-Konflikt oder dem Klimaprotest zeigt sich regelmäßig die besondere Bedeutung der Jugendarbeit für die MLPD. Ihre 1992 gegründete Jugendorganisation "REBELL" teilt nicht nur Ideologie und Ziele der MLPD. Wesentlich unterstützt sie auch die Indoktrinierung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen und zielt darauf, Nachwuchs für die linksextremistische Partei zu gewinnen. Neben Ansprachen am Rande von politischen Veranstaltungen organisiert "REBELL" unter anderem im jährlichen Wechsel das "internationale Pfingstjugendtreffen" sowie das "Rebellische Musikfestival", welche nach eigener Darstellung der Förderung des Erfahrungsaustauschs und der "organisierten Rebellion" dienen sollen. 202 LINKSEXTREMISMUS 9. "Sozialistische Gleichheitspartei" (SGP), deutsche Sektion des "Internationalen Komitees der Vierten Internationale" (IKVI, Abspaltung der "Vierten Internationale") Gründung: 2017 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: Christoph Vandreier Mitglieder/Anhänger276 (2022: 281) schaft in Deutschland: Publikationen/Medien: "World Socialist Website" (Onlinepublikation) Jugendorganisation "International Youth and Students for Social Equality" (IYSSE) Die "Sozialistische Gleichheitspartei" (SGP) geht von einem mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbarenden marxistischen Klassendenken sowie der Propagierung des Klassenkampfes aus. Sie fordert den Sturz des "Kapitalismus", verstanden als untrennbare Einheit von demokratischem Rechtsstaat und marktwirtschaftlicher Eigentumsordnung. Im Ergebnis zielt diese Forderung auch auf die Überwindung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die SGP erkennt die Autorität des trotzkistischen Dachverbands "Internationales Komitee der Vierten Internationale" (IKVI) an und folgt der trotzkistischen Theorie einer sozialistischen Revolution als Prozess unter Führung von Arbeiterräten ("Permanente Revolution"). Durch die Kandidatur bei Wahlen sowie durch Veröffentlichungen und Vortragsveranstaltungen versucht die Partei, für ihre politischen Vorstellungen öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen. Als Jugendorganisation teilt die "International Youth and Students for Social Equality" (IYSSE) die ideologische und strategische Ausrichtung der SGP. Sie ist an mehreren deutschen Universitäten unter anderem in Studierendenparlamenten vertreten. 203 LINKSEXTREMISMUS 204 Islamismus/ islamistischer Terrorismus 205 Islamismus/islamistischer Terrorismus I. Überblick Der Begriff "Islamismus" bezeichnet eine Form des politischen Extremismus. Unter Berufung auf den Islam zielt der Islamismus auf die teilweise oder vollständige Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland ab. Der Islamismus basiert auf der Überzeugung, dass der Islam nicht nur eine persönliche, private "Angelegenheit" ist, sondern auch das gesellschaftliche Leben und die politische Ordnung bestimmen oder zumindest teilweise regeln sollte. Der Islamismus postuliert die Existenz einer gottgewollten und daher "wahren" und absoluten Ordnung, die über den von Menschen gemachten Ordnungen steht. Mit ihrer Auslegung des Islam stehen Islamisten insbesondere im Widerspruch zu den im Grundgesetz verankerten Grundsätzen der Volkssouveränität, der Trennung von Staat und Religion, der freien Meinungsäußerung und der allgemeinen Gleichberechtigung. Ein wesentliches ideologisches Element des Islamismus ist außerdem der Antisemitismus. Der "Islamismus" umfasst verschiedene Strömungen, die sich hinsichtlich ihrer ideologischen Auslegungen, ihrer geografischen Orientierung sowie ihrer Strategien und Mittel unterscheiden. Nach Einflussnahme im politischen Raum strebende islamistische Strömungen wie die "Milli Görüs"-Bewegung versuchen, über politische und gesellschaftliche Einflussnahmen eine nach ihrer Interpretation islamkonforme Ordnung durchzusetzen. Die Anhänger islamistisch-terroristischer Gruppierungen wie HAMAS und "Hizb Allah", zu deren Zielen die Vernichtung Israels zählt, sind auf ihre Herkunftsregionen fokussiert und wenden schwerpunktmäßig dort terroristische Gewalt an. Jihadistische Gruppierungen wie der "Islamische Staat" (IS) und "al-Qaida" sehen in ihrem Kampf für einen "Gottesstaat" in terroristischer Gewalt ein unverzichtbares Mittel gegen "Ungläubige" und sogenannte korrupte Regime. Ihre terroristische Agenda ist global und bedroht auf internationaler Ebene viele Staaten. Eine wichtige, radikale Strömung im Islamismus ist der Salafismus. Salafisten geben vor, sich in ihrem Denken und Handeln ausschließlich an einem wortgetreuen Verständnis von Koran und Sunna (zur Nachahmung empfohlene Handlungsweisen und 206 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Aussagen des islamischen Propheten Muhammad) sowie am Vorbild der Gefährten des Propheten zu orientieren. Damit lehnen sie nicht nur die freiheitliche demokratische Grundordnung ab, sondern negieren auch weitestgehend die Geschichte des Islam und der Muslime. Salafisten vertreten einen Exklusivitätsanspruch; sie sehen sich als die einzigen "wahren" Muslime. 1. Entwicklungstendenzen Die Gefährdung durch den islamistischen Terrorismus in DeutschGefährdungslage land sowie für deutsche Interessen und Einrichtungen weltweit besteht fort und hat sich seit dem terroristischen Angriff der HAMAS auf Israel am 7. Oktober 2023 und den darauffolgenden militärischen Auseinandersetzungen im Gazastreifen weiter erhöht. Die Bedrohung in Deutschland geht sowohl von jihadistisch motivierten Einzeltätern als auch von jihadistischen Gruppierungen aus. Neben den in den vergangenen Jahren dominierenden weniger komplexen Anschlägen auf vornehmlich "weiche" Ziele ist weiter auch mit komplexeren Anschlagsvorhaben zu rechnen. Im Jahr 2023 kam es in Deutschland zu einem gesichert islamisAnschläge in tisch motivierten Anschlag: ein und derselbe Täter griff am 9. und Deutschland und am 18. April 2023 in Duisburg (Nordrhein-Westfalen) Menschen Europa mit einem Messer an, ein Mensch wurde getötet, vier weitere teils lebensgefährlich verletzt. Der Täter reklamierte für sich, im Auftrag des "Islamischen Staates" (IS) gehandelt zu haben. Auch in anderen europäischen Staaten kam es zu Anschlägen, bei denen die Täter sich durch den IS beauftragt sahen: Am 13. Oktober 2023 wurde in Arras (Frankreich) ein Lehrer erstochen, am 16. Oktober 2023 wurden in Brüssel (Belgien) zwei schwedische Fußballfans erschossen sowie ein weiterer schwer verletzt und am 2. Dezember 2023 griff ein IS-Sympathisant in Paris (Frankreich) mehrere Personen mit einem Messer und einem Hammer an und tötete dabei einen deutschen Staatsangehörigen. Die beiden letztgenannten Anschläge, aber auch die Festnahme von zwei Jugendlichen am 28. November 2023, die als potenzielles Anschlagsziel einen Weihnachtsmarkt in Leverkusen (Nordrhein-Westfalen) in Betracht gezogen hatten, werden direkt mit erneuerten und expliziten Aufforderungen des IS in Verbindung gebracht, Anschläge im Westen zu verüben. 207 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Jihadistische Die Anschläge und auch die im Jahr 2023 durch deutsche und Terrororganisationen europäische Sicherheitsbehörden vereitelten Anschlagspläne verstärkt aktiv sind ein klarer Beleg dafür, dass die jihadistische Ideologie nach wie vor präsent ist. Europa, und damit auch Deutschland, stehen weiterhin und verstärkt im Fokus terroristisch-jihadistischer Organisationen, vor allem des IS, aber auch von "al-Qaida". Mit der Verbreitung von Terror, sowohl durch Anschläge von Einzeltätern als auch durch groß angelegte, koordinierte Terroranschläge wie in der Vergangenheit, zielen diese global agierenden terroristischen Netzwerke auf die Schwächung ihrer Gegner und die Durchsetzung ihres jihadistisch motivierten Herrschaftsanspruchs ab. Beide Organisationen haben den terroristischen Angriff der HAMAS auf Israel und die darauffolgenden militärischen Auseinandersetzungen im Gazastreifen zum Anlass genommen, das Feindbild "Israel" und "Juden" massiv zu propagieren und zum "Jihad" gegen sie und ihre Verbündeten im Westen aufzurufen. Der Nahostkonflikt wurde somit sowohl von jihadistischen als auch von anderen islamistischen Gruppierungen propagandistisch instrumentalisiert und für Rekrutierungen genutzt. Einendes Thema In Zusammenhang mit den militärischen Auseinandersetzungen im Gazastreifen treten unterschiedliche Akteure verschiedener islamistischer Gruppierungen und Strömungen, die bislang getrennt und unabhängig voneinander aktiv waren, erstmals zusammen auf und agieren gemeinsam. Beispielhaft genannt sei hier die "One Ummah Spendengala" am 28. Oktober 2023 in Hamburg, an der Salafisten, darunter ein bekannter Prediger, und Personen aus dem Umfeld der "Furkan Gemeinschaft" teilnahmen. Dieses geeinte Zusammenwirken ist eine neue Erscheinung in der islamistischen Szene in Deutschland. Jihadistische Zentrale Themen der jihadistischen Propaganda waren neben dem Propaganda wieder Nahostkonflikt Koranverbrennungen und die LGBTQ-Bewegung. aggressiver Der "Islamische Staat Provinz Khorasan" (ISPK), der Ableger des IS in Afghanistan, hat sein Hochglanz-Propagandamagazin "VOICE OF KHURASAN" sprachlich, regional und inhaltlich weiter diversifiziert. Anschlagsdrohungen gegen den Westen haben vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts deutlich zugenommen. Obwohl das salafistische Personenpotenzial in den letzten Jahren leicht zurückging, nahmen Aktivitäten der salafistischen Szene im Jahr 2023 wieder zu, auch im Internet. Bewährte Aktionsformen 208 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS wurden wieder aufgegriffen und neue initiiert. Während die KernSalafisten wieder ideologie ohne Veränderungen fortbesteht, vollzieht sich insbeaktiver sondere im Hinblick auf Social-Media-Kommunikation und die Mobilisierung durch populistische und identitätsbetonende Diskurse ein Wandel. Salafistische Influencer erzielen insbesondere auf TikTok hohe Reichweiten. Gruppierungen mit ideologischer Nähe zur "Hizb ut-Tahrir" (HuT), Opferrolle, wie "Realität Islam" (RI), "Generation Islam" (GI) oder "Muslim InAggression und teraktiv" (MI), haben ihre professionell orchestrierten und online Segregation verwerteten Auftritte nach dem Terrorangriff der HAMAS auf Israel am 7. Oktober 2023 noch einmal intensiviert und treten bei der Inszenierung ihrer Aktionen und in ihrer Wortwahl zunehmend aggressiv und extremistisch auf. Sie docken an identitätspolitische Diskurse an, etwa indem sie islamistisches Agieren mit "kolonialer Unterdrückung der islamischen Welt" rechtfertigen, behaupten eine staatlich gesteuerte Islamfeindlichkeit und diffamieren die deutsche Integrationspolitik als eine Art "Assimilationsterror", der die Muslime in ihrer Gesamtheit zu Opfern systematischer Diskriminierung durch Staat und Gesellschaft mache. Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt, wie sie in pluralistischen GeFeindbild LGBTQ sellschaften eingefordert und gelebt wird, insbesondere Homosexualität und Transidentität, wird von allen islamistischen Ideologien mehr oder weniger explizit abgelehnt. Vor allem salafistische Geistliche haben sich ausdrücklich gegen die als "Unzuchtsverbrechen" gebrandmarkte, ausgelebte Homosexualität positioniert. Für das Jahr 2023 hervorzuheben sind die massiven Anfeindungen, denen Muslime, die sich LGBTQ-offen zeigten, ausgesetzt waren. Antisemitisches Gedankengut bildet einen wesentlichen gemeinAntisemitismus samen Nenner in der Ideologie des gesamten islamistischen Spektrums und ist weit darüber hinaus anschlussfähig. Wie die Reaktionen auf die Lage im Nahen Osten seit dem terroristischen Angriff der HAMAS auf Israel im Oktober 2023 zeigen, gehen Feindschaft gegenüber jüdischen Menschen und Feindschaft gegenüber Israel inzwischen fast untrennbar Hand in Hand. Die islamistische Propaganda fördert nicht nur antisemitisches Gedankengut, sie fordert dazu auf, den Gedanken auch Taten folgen zu lassen. 209 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 2. Organisationen und Personenpotenzial Insgesamt ergibt sich für das Jahr 2023 aus den Zahlenangaben ein im Vergleich zum Vorjahr annähernd gleichbleibendes Islamismuspotenzial von 27.200 Personen (2022: 27.480). Personenpotenzial Islamismus/islamistischer Terrorismus1 Organisationen 2021 2022 2023 Salafistische Bestrebungen 11.900 11.000 10.500 "Islamischer Staat" (IS) und keine keine keine Regionalorganisationen gesicherten gesicherten gesicherten "Al-Qaida" und Regionalorganisationen Zahlen Zahlen Zahlen "Hezb-e Islami-ye Afghanistan" (HIA) 160 160 210 "Hizb Allah" 1.250 1.250 1.250 "Harakat al-Muqawama al-Islamiya" (HAMAS) 450 450 450 "Türkische Hizbullah" (TH) 400 400 400 "Hizb ut-Tahrir" (HuT) 700 750 800 "Muslimbruderschaft" (MB)/"Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V." (DMG) 1.450 1.450 1.450 "Tablighi Jama'at" (TJ) 550 550 550 "Islamisches Zentrum Hamburg e.V." (IZH) keine keine keine und sonstiger schiitischer Extremismus gesicherten gesicherten gesicherten Zahlen Zahlen Zahlen "Milli Görüs"-Bewegung und zugeordnete Vereinigungen 10.000 10.000 10.000 "Furkan Gemeinschaft" 400 400 500 "Kalifatsstaat" 700 700 700 Sonstige2 330 370 390 1 Die Zahlenangaben beziehen sich auf Deutschland und sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2 Weitere Organisationen, deren Mitgliederund Anhängerzahlen im Islamismuspotenzial zu berücksichtigen sind. 210 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 3. Finanzierung Die Identifizierung und Aufklärung von Finanzströmen ist essenzieller Bestandteil des ganzheitlichen Ansatzes der Sicherheitsbehörden zur Extremismusund Terrorismusbekämpfung im Phänomenbereich Islamismus/islamistischer Terrorismus. Durch die Aufklärung und Verfolgung von entsprechenden Finanzaktivitäten sowie die Identifizierung zugehöriger finanzieller Strukturen und Netzwerke wird nicht nur die Finanzierung terroristischer Taten verhindert. Vielmehr wird den betreffenden Akteuren bereits weit im Vorfeld von Anschlägen der finanzielle Nährboden und damit auch ihr Aktionsradius empfindlich eingeschränkt. Auch werden damit die im Zusammenhang stehenden Propagandaund Rekrutierungsbemühungen wirksam gestört. Im Blickpunkt der Aufklärungsbemühungen in Deutschland Finanzierungsstanden im Berichtszeitraum die etablierten, informellen Finanzaktivitäten in transfermethoden, wie das Hawala-Banking oder der Einsatz von Deutschland Bargeldkurieren, aber auch Spendenaufrufe über soziale Medien oder Crowdfunding-Plattformen. Verfolgt wurden unter anderem Finanzströme, die sich über internationale Strukturen und Firmengeflechte vollziehen. Speziell die Nutzung verschiedener und kombinierter Finanztransferwege, sogenannter Hybrid-Modelle, ist neu in den Fokus der behördlichen Aufklärung gerückt. Virtuelle Währungen und Werte, wie Kryptowährungen, Mobile Payment über Apps sowie Prepaidkarten, sind in die Prüfung zur Feststellung extremistischer sowie terroristischer Finanzierung einbezogen. Die Instrumentalisierung von Konflikten und Kriegen für Terrorismusund Extremismusfinanzierung unter dem Deckmantel der Wohltätigkeit ist gestiegen. So konnten im Zuge des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine, der Erdbeben in der Türkei und in Syrien sowie im Hinblick auf die Situation im Gazastreifen vermehrt Spendenaufrufe oder Finanztransfers, die mit islamistischen oder terroristischen Organisationen in Verbindung stehen, identifiziert werden. Die sich verändernden aktuellen Risikolagen und -aspekte sowie Maßnahmen die dynamischen Entwicklungen im Bereich der Finanzierungsaktivitäten erfordern kontinuierlichen und intensiven Informationsund Erfahrungsaustausch sowie eine entsprechende Koordinierung der Sicherheitsbehörden. Nationale und internationale 211 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Maßnahmen zur Bekämpfung von Terrorismusund Extremismusfinanzierung greifen dabei ineinander und bilden einen ganzheitlichen Ansatz. Am 31. Mai 2023 wurden in mehreren deutschen Bundesländern und in den Niederlanden zeitgleich insgesamt circa 100 Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckt und sieben Beschuldigte aufgrund von Haftbefehlen des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof (BGH) festgenommen.91 Die Maßnahmen standen im Zusammenhang mit Ermittlungen zu Onlinespendenprojekten für Frauen und Kinder von ehemaligen Kämpfern des "Islamischen Staates" (IS), die in syrisch-kurdischen Camps inhaftiert sind. Häufig wurde dabei über die sozialen Medien, insbesondere über Telegram, zu Spenden aufgerufen, die zum einen für den Lebensunterhalt oder zur Verbesserung der Lebenssituationen der Frauen und Kinder bestimmt waren, zum anderen auch zum Freikauf von inhaftierten IS-Anhängerinnen. Die hierbei gesammelten Gelder wurden sodann über "Finanzagenten" und Hawala-Banking weitergeleitet. II. Internationale Konflikte und ihre Bedeutung für die Sicherheitslage in Deutschland Auf die Sicherheitslage in Deutschland haben internationale Entwicklungen und insbesondere Entwicklungen im islamistischen Terrorismus erhebliche Auswirkungen. Jihadistische Gruppierungen, die entweder mit dem "Islamischen Staat" (IS) oder mit "alQaida" affiliiert sind, sind in vielen Teilen der Welt in auch mit terroristischen Mitteln geführte, gewaltsame Auseinandersetzungen involviert. Diese werden mit staatlichen Sicherheitsorganen, aber auch untereinander oder mit anderen, nicht islamistischen Rebellengruppen geführt. Neben den Schwerpunkten im Nahen und Mittleren Osten finden sich entsprechende Konfliktregionen in Afrika, aber auch in Kaschmir oder auf den Philippinen. 91 Gegen alle sieben Personen wurde Anklage erhoben. 212 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 1. Konfliktregion Nahost Am 7. Oktober 2023 überfiel die im Gazastreifen herrschende Terrorangriff HAMAS in einem koordinierten Terrorangriff Israel. Islamistische der HAMAS am Kämpfer beschossen Israel mit Raketen und drangen auf israeli7. Oktober sches Gebiet vor, wo sie in grenznahen Orten Massaker überwiegend an Zivilistinnen und Zivilisten - einschließlich Kinder und andere wehrlose Personen - verübten. Dabei wurden auf israelischer Seite über 1.200 Menschen getötet und über 200 Geiseln - darunter auch mehrere deutsche Staatsangehörige - in den Gazastreifen entführt. Israel reagierte auf diesen massiven Terrorangriff mit Luftschlägen und einem militärischen Vorgehen im Gazastreifen, mit dem Ziel, die HAMAS zu zerschlagen und die Geiseln zu befreien. Seit dem verheerenden Terrorangriff der HAMAS und den damit verbundenen Reaktionen des israelischen Militärs riefen internationale jihadistische Organisationen ungeachtet ihrer sonstigen Haltung gegenüber der HAMAS vermehrt zu weltweiten Anschlägen gegen jüdische Menschen und Einrichtungen sowie amerikanische Militärinfrastruktur auf. "Al-Qaida" positionierte sich trotz der ideologischen Differenzen mit der HAMAS deutlich früher und eindeutiger auf den etablierten Kommunikationswegen zu den Ereignissen als der "Islamische Staat" (IS). Vor diesem Hintergrund ist seit der Gewalteskalation in Nahost eine erhöhte Mobilisierung in deutschen und internationalen jihadistischen Milieus feststellbar. In mehreren europäischen Nachbarländern kam es im direkten zeitlichen Zusammenhang mit den Ereignissen in Nahost zu islamistisch motivierten Einzeltäteranschlägen. Durch den hohen Grad der Emotionalisierung, die mit der Gewalt im Nahen Osten in der jihadistischen Szene einhergeht, können sich kurzfristige Lageänderungen oder medial verbreitete Ereignisse unmittelbar auf die Sicherheitslage in Deutschland und Europa auswirken. 213 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 2. Konfliktregion Afghanistan/Pakistan De-facto-Regierung Seit der Machtübernahme durch die "Taleban" am 15. August 2021 der "Taleban" hat sich die wirtschaftliche Lage in Afghanistan kontinuierlich verschlechtert. Weiter verschärft wurde die Situation im Land noch durch Naturkatastrophen und die forcierte Abschiebung afghanischer Flüchtlinge aus Iran und aus Pakistan in ihre Heimat. Die De-facto-Regierung der "Taleban" hält währenddessen an ihrem rigiden islamistischen Kurs fest und schränkt die Rechte einzelner Bevölkerungsund Berufsgruppen (Frauen, Mädchen, Medienund Kulturschaffende) weiter ein. Die humanitäre Notlage und die gesellschaftliche Desillusionierung in Teilen der Bevölkerung führen unter anderem dazu, dass immer mehr Menschen versuchen, Afghanistan zu verlassen und nach Europa zu flüchten. Allein in Deutschland wurden im Jahr 2023 51.275 Erstanträge auf Asyl von Menschen mit afghanischer Staatsangehörigkeit verzeichnet, mehr als in den Jahren zuvor (2022: 36.358, 2021: 23.276). Mit der Zunahme an Schutzsuchenden aus Afghanistan steigt das abstrakte Risiko verdeckter, terroristisch motivierter Reisen in die Zielländer. Außerdem verschärft sich dadurch die politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung in Deutschland. "Islamischer Staat Der in Afghanistan ansässige und dort sowie in benachbarten LänProvinz Khorasan" dern aktive, regionale Ableger des IS, der "Islamische Staat Provinz Khorasan" (ISPK), kämpft mit Terror und Gewalt gegen das "Taleban"-Regime. Operationen der "Taleban"-Sicherheitskräfte haben maßgeblich dazu beigetragen, dass die Zahl der Anschläge des ISPK in Afghanistan deutlich zurückgegangen ist: von 314 zwischen August 2021 und Juli 2022 auf 69 in den darauffolgenden zwölf Monaten.92 Aufgrund des hohen Verfolgungsdrucks weicht der ISPK zunehmend auf die pakistanische Seite der Grenze aus und verübt dort auch Anschläge, zum Beispiel im Juli 2023 in Bajaur mit mehr als 60 Toten. Ungeachtet der militärischen Rückschläge in Afghanistan selbst hat der ISPK seine Propagandaaktivitäten ausgeweitet und sowohl sprachlich als auch inhaltlich diversifiziert. 92 Vgl. Aaron Y. Zelin, "ISKP goes global: External Operations from Afghanistan" vom 11.09.2023, in: https://www.washingtoninstitute.org; abgerufen am 21.11.2023. 214 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Um seine Bedeutung innerhalb des IS zu manifestieren, setzt der ISPK auch auf Anschläge gegen "Ungläubige" im Westen. Dass dabei unter anderem Deutschland im Zielspektrum des ISPK steht, zeigt der Fall der zwei Jugendlichen, die im Oktober 2023 durch das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) Hamburg zu mehrjährigen Jugendstrafen verurteilt wurden, und zeigen die Festnahmen von sieben Personen am 6. Juli 2023, denen unter anderem die Unterstützung des ISPK vorgeworfen wird. Seit der Tötung von Aiman al-Zawahiri am 31. Juli 2022 in Kabul ist Kern-"al-Qaida" "al-Qaida" offiziell ohne Anführer und in Afghanistan nicht mehr durch Aktivitäten in Erscheinung getreten. Nach Erkenntnissen der USA und der UN soll ein in Iran aufhältiger Ägypter neuer Anführer von "al-Qaida" sein oder werden. Auch wenn "al-Qaida" den Anspruch auf die Führungsrolle im internationalen Jihad immer noch beansprucht, dürften die Möglichkeiten der Organisation, aus Afghanistan heraus Anschläge im Westen zu planen oder gar durchzuführen, stark eingeschränkt sein. 3. Konfliktregion Syrien/Irak Seit 2018 kontrolliert der "Islamische Staat" (IS) kein zusammenhängendes Territorium mehr und agiert in Syrien und im Irak inzwischen regional und im Untergrund. Die Organisation ist insbesondere in Syrien einem hohen Verfolgungsdruck durch Sicherheitskräfte und militärische Akteure ausgesetzt. Zahlreiche ehemalige IS-Kämpfer befinden sich in Syrien oder im Haftanstalten Irak noch in Haft oder Gewahrsam, darunter auch aus Deutschland und Camps ausgereiste Personen. Frauen aus Deutschland, die bislang nicht zurückkehren wollen, befinden sich, teilweise mit ihren Kindern, sowohl in den kurdisch kontrollierten Camps al-Hawl und Roj im Nordosten Syriens als auch in der noch immer von islamistischen Gruppierungen kontrollierten Region Idlib im Nordwesten Syriens. Personen aus der salafistischen und jihadistischen Szene in Deutschland rufen in den sozialen Netzwerken regelmäßig und zahlreich zu Spenden für die "Schwestern" in den Camps auf. Dagegen richteten sich auch die bundesweiten Exekutivmaßnahmen in Zusammenhang mit Terrorismusfinanzierung vom Mai 2023 (vgl. Kap. I, Nr. 3). 215 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Während im Jahr 2023 eine knapp zweistellige Anzahl an Ausreiseversuchen in die Konfliktregion registriert wurde, erfolgten tatsächliche Ausreisen nur ganz vereinzelt. 4. Konfliktregionen auf dem afrikanischen Kontinent "Al-Qaida"-Ableger In den Ländern der zentralen Sahelzone93 konnten die Regionalableger von "al-Qaida", "Jama'at Nasr al-Islam wal Muslimin" (JNIM), und des "Islamischen Staates" (IS), "Islamischer Staat Sahel-Provinz", ihre Einflussgebiete ausbauen. Anhaltende politische Krisen sowie der Abzug internationaler Militärmissionen haben zu einer Verschlechterung der Sicherheitslage beigetragen. Insbesondere im Norden Malis konnten diese Gruppen das entstandene Machtvakuum füllen und sich Rückzugsräume erkämpfen. Des Weiteren expandieren Zellen jihadistischer Gruppen zunehmend aus dem Süden Burkina Fasos und Malis in die Küstenstaaten des Golfes von Guinea94. Ableger des IS Auch im Tschadbecken und im Norden der Demokratischen Republik Kongo haben sich mit den Gruppierungen "Islamischer Staat Provinz Westafrika" und "Islamischer Staat Provinz Zentralafrika" starke IS-Regionalableger etabliert. Darüber hinaus sind IS-Ableger in Mosambik und Somalia präsent. Im Süden Somalias kontrolliert die mit "al-Qaida" affiliierte "alShabab"-Miliz weiterhin größere Gebiete. Trotz militärischer Gegenoperationen konnte die Miliz ihren Einfluss beibehalten. Jihadistische Der anhaltende Machtzuwachs islamistischer Gruppen auf dem Gruppen in Mali afrikanischen Kontinent erhöht die Gefährdung westlicher Einrichtungen sowie westlicher Staatsangehöriger vor Ort. Insbesondere in Mali sind Angriffe jihadistischer Gruppen auf ehemalige Ortskräfte der UN-Mission MINUSMA95 nicht auszuschließen. Organisationen wie "al-Qaida" und die IS-Ableger können weiterhin ihre Rückzugsräume halten und in den von ihnen kontrollierten Gebieten Gelder generieren, beispielsweise durch die Einführung 93 Burkina Faso, Mali, Niger. 94 Benin, Elfenbeinküste, Ghana und Togo. 95 Multidimensionale Integrierte Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali; auf Französisch: Mission multidimensionnelle integree des Nations Unies pour la stabilisation au Mali (MINUSMA). 216 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS von Steuern für die dort lebende Bevölkerung. Die so gewonnenen Mittel werden zur Finanzierung anderer Regionalableger und der Kernorganisation verwendet. Die Bedrohung durch islamistische Gruppen ist mitursächlich für Fluchtund Migrationsbewegungen. Hierzu tragen auch die Vielzahl an politischen Konflikten, wie aktuell im Sudan, sowie ökonomische und ökologische Faktoren bei. Mit der Zunahme an Schutzsuchenden steigt das Risiko verdeckter terroristisch motivierter Reisen in die Zielländer. Obwohl der IS bereits im Juni 2022 Afrika zu einem "Gebiet der Auswanderung und des Jihad" proklamiert hatte, hat Afrika für die islamistische Szene in Deutschland bislang nur eine geringe Relevanz. Es sind weder nennenswerte Reisebewegungen von Islamisten oder Jihadisten aus Deutschland in die Staaten Subsahara-Afrikas noch Einreisen von Jihadisten von dort verzeichnet worden. 5. Gefährdung durch den islamistischen Terrorismus Die Gefährdungslage in Deutschland wurde direkt von der GewaltAuswirkungen des eskalation in Nahost und dessen Emotionalisierungspotenzial beKrieges im Nahen einflusst. Im Zuge dessen kam es zu einer Zunahme antisemitisch Osten und antiisraelisch motivierter Vorfälle. Damit ging eine besondere Gefährdung israelischer und jüdischer Einrichtungen in Deutschland einher. Internationale jihadistische Organisationen, wie "al-Qaida" und der "Islamische Staat" (IS), riefen ungeachtet ihrer sonstigen Haltung gegenüber der HAMAS vermehrt zu weltweiten Anschlägen gegen jüdische Menschen und Einrichtungen sowie amerikanische Militärinfrastruktur auf. Die durch den Nahostkonflikt ausgelöste Mobilisierung übertrug sich auf das jihadistische Milieu. Bekundete Anschlagsabsichten, aber auch Terroranschläge, deren Täter teils ausdrücklich Bezug auf den Konflikt im Nahen Osten nahmen, waren die Konsequenz. " Am Abend des 2. Dezember 2023 wurden in Paris (Frankreich), unweit des Eiffelturms, wahllos Passanten mit einem Messer und einem Hammer durch einen einzelnen Mann angegriffen. 217 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Drei Personen wurden verletzt, eine davon, ein deutscher Staatsangehöriger, tödlich. In seiner ersten Vernehmung nach der Festnahme gab der mutmaßliche Täter als Motiv für den Anschlag an, er sei wütend über das, was in Gaza passiere, und Frankreich habe sich an dem Vorgehen Israels mitschuldig gemacht. Daher habe er "Muslime rächen" wollen. " Ende Oktober 2023 wurde ein Mann in Duisburg (NordrheinWestfalen) verhaftet, der verdächtigt wird, einen islamistisch motivierten Anschlag auf eine proisraelische Veranstaltung geplant zu haben.96 Einzeltäter Wie die Vergangenheit und auch die aktuellen islamistischen Tathergänge zeigen, geht von Einzelpersonen eine besonders große und nicht kalkulierbare Gefährdung aus. Die Radikalisierung und der Entschluss zur Tat vollziehen sich meistens im Verborgenen. Die Angriffe richten sich oft gegen "weiche Ziele", wie beispielsweise Menschenansammlungen auf öffentlichen Plätzen, und werden größtenteils mit einfachen Mitteln, etwa einem Messer oder einem Fahrzeug, ausgeführt. " Im Jahr 2023 kam es in Deutschland zu einem islamistisch motivierten Anschlag im April in Duisburg (Nordrhein-Westfalen). Dabei stach ein und derselbe Täter zunächst am 9. April 2023 mehrfach auf eine zufällig ausgewählte Person mit einem Messer ein. Das Opfer verstarb noch am Tattag an den Folgen der Verletzungen. Am 18. April 2023 attackierte der Täter mit demselben Messer mehrere Personen in einem Fitnessstudio und verletzte sie zum Teil lebensbedrohlich. Der Täter wurde am 19. Dezember 2023 wegen Mordes in einem Fall sowie wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in vier weiteren Fällen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. " Bei einem islamistisch motivierten Anschlag am 16. Oktober 2023 in Brüssel (Belgien) wurden zwei Männer getötet. Der Täter wählte am Tag eines Fußballländerspiels durch ihre Fankleidung als Anhänger der schwedischen Mannschaft erkennbare Personen als Ziel und bekannte sich zum IS. Der IS reklamiert den Anschlag für sich. Das Tatmotiv steht mutmaßlich im Zusammenhang mit in Schweden erfolgten Koranverbrennungen im Jahr 2023. 96 Gegen den Angeschuldigten ist im März 2024 Anklage erhoben worden. 218 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Erklärtes Ziel jihadistischer Terrororganisationen, insbesondere Islamistischdes IS und von "al-Qaida" oder diesen nahestehenden Gruppierunterroristische gen, ist es, Anschläge im Westen, also auch in Europa und DeutschNetzwerke land, zu verüben oder hierzu anzuspornen. Vor dem Hintergrund des Verlusts von Führungspersonen in den Jahren 2022 und 2023 sowie der Konkurrenz der verschiedenen Gruppierungen untereinander stehen die Organisationen unter hohem Profilierungsdruck, was sich auch in den anhaltend hohen Propagandaaktivitäten zeigt. Fernziel des IS und von "al-Qaida" ist die Errichtung eines weltweiten "Kalifats". Der "Islamische Staat Provinz Khorasan" (ISPK) scheint derzeit der stärkste IS-Regionalableger zu sein. Nachdem der ISPK bisher vor allem die Durchführung von Anschlägen in Afghanistan forcierte, mehren sich die Anhaltspunkte dafür, dass nunmehr auch Deutschland und Europa als potenzielle Anschlagsziele in Betracht gezogen werden. Dies würde aus Sicht des ISPK dessen Ansehen unter seinen Anhängern erhöhen und zugleich die Ordnungsmacht der "Taleban" in Afghanistan infrage stellen und diese vermehrt unter internationalen Druck setzen. Dass dabei auch Deutschland im Zielspektrum des ISPK steht, zeigen die Exekutivmaßnahmen im Juli 2023. Von den mehr als 1.150 Personen, zu denen den SicherheitsbehörRückkehrer den Erkenntnisse vorliegen, dass sie seit dem Jahr 2011 aus islamistischer Motivation heraus aus Deutschland in Richtung Syrien und Irak gereist sind und sich dort mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgehalten haben oder aufhalten, befinden sich etwa 40 % wieder in Deutschland. Es liegen Erkenntnisse zu über 150 zurückgekehrten Personen vor, welche sich aktiv an Kämpfen in Syrien oder im Irak beteiligt oder dafür eine Ausbildung absolviert haben. Unter den Zurückgekehrten stellen solche militärisch im Umgang mit Waffen und Sprengstoff geschulten und ideologisch indoktrinierten Personen ein besonderes Sicherheitsrisiko dar. Wie in den Vorjahren ist es auch im zurückliegenden Jahr zu VerIslamisten in Haft urteilungen von Islamistinnen und Islamisten gekommen (vgl. Kap. VII). 219 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Im Umgang mit Inhaftierten besteht die Herausforderung für die Sicherheitsund Justizbehörden vor allem darin, Radikalisierungsprozesse und Vernetzungen während der Haft zu erkennen. In enger Abstimmung mit den beteiligten staatlichen und nicht staatlichen Akteuren, beispielsweise aus der Deradikalisierungsund Reintegrationsarbeit, gilt es Maßnahmen, die einer hiervon ausgehenden Gefahr entgegenwirken, einzuleiten und diese auch nach Haftentlassung zu koordinieren. Gefährdung Die Gefährdung durch den islamistischen Terrorismus besteht besteht fort auch in einer Phase fort, in der das auf einen bestimmten Jihadschauplatz gerichtete Interesse augenscheinlich nachgelassen hat. Derzeit zeichnet sich weltweit kein Jihadschauplatz ab, der für die islamistische Szene in Deutschland eine auch nur annähernd vergleichbare Relevanz entwickeln könnte, wie Mitte der 2010er-Jahre Syrien und der Irak. Anlässe wie die Koranverbrennungen in Schweden und vor allem die Eskalation im Nahostkonflikt werden zur Emotionalisierung und Rechtfertigung von Anschlägen herangezogen und eignen sich als Katalysator für Radikalisierung. Daneben liefern die Krisenherde im Mittleren Osten und in Afrika zusätzlichen Nährboden für islamistische Mobilisierung und Radikalisierung. 5.1 Gefährdung durch die "Islamistische Nordkaukasische Szene" (INS) Die "Islamistische Nordkaukasische Szene" (INS) umfasst die islamistischen Aktivitäten von Angehörigen nordkaukasischer Ethnien, wie zum Beispiel aus Dagestan, Inguschetien und Tschetschenien, in Deutschland. Angehörige dieser Ethnien leben in Berlin, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen, aber auch in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Die anfänglich primär von Tschetschenien ausgehende Widerstandsbewegung gegen die Herrschaft der Russischen Föderation im Nordkaukasus radikalisierte sich aufgrund des Einflusses externer jihadistischer Akteure und der Brutalität der russischen Kriegsführung in den Tschetschenienkriegen und resultierte in 220 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS der Ausrufung des "Kaukasischen Emirats" (KE) im Jahr 2007. Nach dem Niedergang des KE infolge massiver russischer Antiterroroperationen im Nordkaukasus orientierten sich lokale nordkaukasische Kommandeure und Kämpfer in Richtung Syrien und stiegen teilweise zu wichtigen militärischen Führungspersönlichkeiten im "Islamischen Staat" (IS) auf. Deutschland fungiert primär als Ruheund Rückzugsraum insbesondere für lebensältere Angehörige der INS, die sich hier mit ihren Familien niedergelassen haben, dabei jedoch oftmals weiterhin einer salafistisch bis jihadistisch geprägten Ideologie anhängen. Viele der lebensjüngeren INS-Angehörigen kamen folglich in relativ jungem Alter nach Deutschland, sind aber innerhalb ihrer ethnisch homogenen Diaspora sozialisiert worden. Den jungen Erwachsenen fehlt im Gegensatz zur "Elterngeneration" die starke Bindung an die Herkunftsregion. Relevante historische Narrative, die oftmals als Identitätsanker dienen, sind der islamische Widerstand gegen die Russische Föderation und die jihadistischen Kämpfer der terroristischen Gruppierungen KE und IS, die in den sozialen Medien häufig zu Ikonen stilisiert und gerade von jüngeren Mitgliedern der nordkaukasischen Diaspora als Vorbilder angesehen werden. Seit etwa Mitte des Jahres 2022 sind erhöhte Aktivitäten der INS festzustellen. Zurückzuführen ist diese Entwicklung auf das verstärkte Auftreten russischsprachiger zentralasiatischer Jihadisten mit Bezügen zum "Islamischen Staat Provinz Khorasan" (ISPK) in Europa und den Nahostkonflikt seit Oktober 2023. Die erhöhte Wahrscheinlichkeit einer jihadistischen Gewalttat durch junge nordkaukasische Einzeltäter ist deutlich geworden durch die Verhaftung eines jungen Tschetschenen in Deutschland im November 2023 wegen der Verwicklung in mögliche Anschlagsplanungen gegen Weihnachtsmärkte. Bereits im August 2023 wurden in Frankreich mehrere Jugendliche nordkaukasischer Ethnie verhaftet, die einen Angriff auf eine Synagoge und eine diplomatische Vertretung Israels geplant haben sollen. In beiden Fällen waren die Personen im Vorfeld aufgrund des Konsums und der Verbreitung von INS-spezifischer jihadistischer Propaganda aufgefallen. 221 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS III. Salafistische Szene in Deutschland Mit rund 10.500 Anhängern bleibt der Salafismus zahlenmäßig an der Spitze der islamistischen Strömungen in Deutschland. Der erhöhte Verfolgungsdruck der Sicherheitsbehörden und der Bedeutungsverlust Syriens als Schauplatz des Jihad wirken sich allerdings nachhaltig auf die Größe des Milieus aus: Das salafistische Personenpotenzial ist das dritte Jahr in Folge rückläufig. Nach Jahren des rasanten Wachstums und der Hochphase der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) mit seinem "Kalifat" verbleibt die Anhängerzahl des Salafismus dennoch auf einem hohen Niveau. Außerdem verstärkt die Szene seit 2022 die salafistische Missionierungsarbeit, die sie im Jahr 2023 weiter forcierte. Bislang schlagen sich diese Aktivitäten jedoch nicht in der Anhängerzahl nieder. Salastisches Personenpotenzial 2012-2023 14.000 12.150 12.150 11.300 11.900 12.000 10.800 11.000 9.700 10.500 10.000 8.350 6.680 8.000 5.740 6.000 4.500 4.000 2.000 0 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 Die salafistische Szene in Deutschland hat sich immer als sehr anpassungsfähig gezeigt und auf vielfältige Weise eine junge, identitätssuchende und zugleich leicht beeinflussbare Zielgruppe angesprochen. Dabei agiert die Szene taktisch zurückhaltend, reagiert flexibel auf Veränderungen und tritt an Interessierte mit einem nach außen manchmal kaum noch als salafistisch zu erkennendem Profil heran. Seit Jahren nutzt sie dafür auch das Internet und propagiert das salafistische Gedankengut über zeitgemäße Formate wie Podcasts, Videostreams oder Onlineseminare. 222 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Neben den langjährig bekannten Predigern konnten sich einige Salafistische neue, jüngere Akteure etablieren. Diese salafistischen Influencer Influencer ziehen sprechen mit ihren Social-Media-Aktivitäten insbesondere juauch "offline" gendliche Zielgruppen an, die ihnen auch "offline" folgen und deren Veranstaltungen sie besuchen. Hierbei gelingt es den jüngeren salafistischen Predigern, eine Vorbildrolle für ihre Anhänger einzunehmen. Einige dieser Onlineprediger zeigen sich mit Personen aus dem Umfeld der Organisierten Kriminalität, die ebenfalls über eine große Social-Media-Reichweite verfügen. Mit gemeinsamen Postings können die Prediger einen größeren Personenkreis erreichen und die salafistischen Botschaften im islamischen Mainstream verstärken. Weiterhin relevant bleiben klassische Formate der Missionierungsarbeit, wie Stände in belebten Innenstädten, Verteilund Plakataktionen oder Islamseminare. Außerdem entstehen im Rahmen der klassischen Salafismus-Propaganda zunehmend wirtschaftliche Strukturen, mit denen sich die Szene gleichzeitig Einkommensquellen erschließt. Hier ist beispielhaft das "Darulkitab Verlagshaus" des salafistischen Predigers Neil Bin Radhan mit Sitz in Heidelberg (Baden-Württemberg) zu nennen. Der Verlag publiziert sowohl von dem Prediger selbst verfasste Bücher als auch deutschsprachige Übersetzungen salafistischer Literatur. Das Ziel der Verlagsarbeit ist, eine salafistisch geprägte religiöse Deutungshoheit des Islam unter den deutschsprachigen Muslimen zu erreichen. Das zeigt sich an dem Verlagsangebot, das sich auf eine Literaturauswahl beschränkt, die eine salafistische Weltsicht propagiert und keine anderen Strömungen des Islam zulässt. Obwohl in den vergangenen Jahren das Personenpotenzial leicht Salafistisches zurückgegangen ist, bleibt die davon ausgehende Gefahr für die Gedankengut wirkt Gesellschaft bestehen. So wirkt das salafistische Gedankengut spalterisch spalterisch innerhalb der Muslime in Deutschland, weil Salafisten einzig ihre ultrakonservative Auslegung aus der Frühzeit des Islam als statthaft ansehen. Außerdem ist der Salafismus mit seiner Ablehnung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nicht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Deutschlands zu vereinbaren. Salafisten wollen die Gesellschaft in einem langfristigen Prozess nach salafistischen Normen verändern und distanzieren 223 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS sich dafür zwar von Terrorismus und Gewalt; zugleich belegen Einzelfälle, dass Anhänger des Salafismus jederzeit ein konkretes Gefährdungspotenzial entwickeln können. Der Grundsatz, dass der Salafismus den ideologischen Unterbau für den gewaltbereiten Jihadismus bilden kann, behält seine Gültigkeit. Es ist weiterhin möglich, dass sich einzelne Personen in konspirativen privaten Zirkeln und vor allem im Internet jihadistisch radikalisieren, ohne dass es von außen wahrnehmbar wäre. IV. Jihadistische Propaganda im Internet Täglich nutzen deutschund fremdsprachige Jihadisten digitale Medien, um ihre Propaganda zu verbreiten. Dabei dominieren die global ausgerichteten jihadistischen Gruppierungen "Islamischer Staat" (IS) und "al-Qaida" nach wie vor die islamistische Propaganda. Quantitativ war das Aufkommen im Berichtsjahr zwar zeitweilig rückläufig, hat sich jedoch seit dem Angriff der HAMAS auf Israel am 7. Oktober 2023 deutlich erhöht. Die Löschung extremistischer Kanäle und Gruppen in den sozialen Medien stellt auch weiterhin einen wichtigen Bestandteil in der Bekämpfung der Verbreitung jihadistischer Propaganda dar. Es fanden wiederholt koordinierte, von Europol durchgeführte Löschungen jihadistischer Kanäle und Gruppen, unter anderem auf der Social-Media-Plattform TikTok, statt. Diese Maßnahmen können die Verbreitung jihadistischer Inhalte zwar nicht verhindern, erschweren diese jedoch. 1. Fremdsprachige jihadistische Propaganda 1.1 "Islamischer Staat" (IS) Als wesentliche Plattformen der fremdund insbesondere arabischsprachigen Propaganda des "Islamischen Staates" (IS) haben sich der Messengerdienst Rocket.Chat sowie die Website "I'LAM FOUNDATION" etabliert. Vereinzelt wird die Propaganda auch über Telegram-Kanäle verbreitet, die aber wegen extremistischer Inhalte immer wieder von Telegram selbst gelöscht werden. 224 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Wesentlicher Bestandteil der offiziellen IS-Propaganda waren nach wie vor die regelmäßigen Meldungen zu militärischen Operationen, vor allem in Afrika sowie in Zentralund Ostasien. Diese wurden unter anderem über die IS-Nachrichtenagentur "Amaq" sowie das wöchentlich erscheinende Onlinemagazin "al-Naba" verbreitet. Daneben unterstützten zahlreiche IS-nahe Medienstellen die offizielle Propaganda. Dazu wurden vor allem Bildcollagen und themenbezogene, teilweise über mehrere Wochen laufende Kampagnen wie "Koranverbrennung und Moscheenbombardierung" oder "Anschlag_Brüssel" genutzt. Der in den Vordergrund getretene Regionalableger "Islamischer Staat Provinz Khorasan" (ISPK) nutzt als Sprachrohr die IS-nahe Medienstelle "AL AZAIM FOUNDATION". Hierüber wird das monatlich und in mehreren Sprachen erscheinende Onlinemagazin "VOICE OF KHURASAN" publiziert. Folgende Themen haben die IS-Propaganda dominiert: " wiederkehrende Verbrennungen von Koranexemplaren; " mehrfache Führungswechsel innerhalb des IS; " LGBTQ; " Eskalation im Nahen Osten nach dem Angriff der HAMAS auf Israel am 7. Oktober 2023. Nach einer Phase der Zurückhaltung häuften sich Anschlagsdrohungen gegen den Westen sowohl in der offiziellen als auch in der inoffiziellen Propaganda. Im Onlinemagazin "al-Naba" bezeichnete sich der IS als Gefahr und Schrecken für den Westen und rief zur Fortsetzung des Jihad auf. Zu beobachten war dabei, dass die Veröffentlichungen von Drohungen gegen den Westen meist im Zusammenhang mit stark emotionalisierenden Ereignissen, wie beispielsweise den mehrfachen Koranverbrennungen in Schweden oder dem Angriff der HAMAS auf Israel, stattfanden. Deutschland wird aufgrund der ökonomischen Stärke und hervorgehobenen Stellung innerhalb der EU als eine der führenden Nationen innerhalb der "kreuzzüglerischen Allianz" sowie als Vertreter westlicher Werte angesehen. 225 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 1.2 "Al-Qaida" Von den mit "al-Qaida" affiliierten Gruppierungen haben sich "al-Shabab" und "Jama'at Nasr al-Islam wal Muslimin" (JNIM) in Ostund Westafrika besonders rege hervorgetan. Tagesaktuelle Meldungen sowie Videos zu militärischen Operationen beider Gruppierungen werden hauptsächlich über den Messengerdienst Rocket.Chat oder die Plattform Chirpwire verbreitet. Auch eines der zentralen Produkte der offiziellen Propaganda, das Onlinemagazin "Ummah Wahida", wird in unregelmäßigen Abständen über Rocket.Chat veröffentlicht. Auch im Jahr 2023 erinnerte die Propaganda von "al-Qaida" und "al-Qaida"-nahen Medienstellen am 22. Jahrestag an die Anschläge vom 11. September 2001 und drohte mit einem weiteren, noch größeren Anschlag. In noch höherem Maße führte die Eskalation im Nahen Osten zu Anschlagsdrohungen gegen den Westen aus dem "al-Qaida"-nahen Spektrum. 2. Deutschsprachige jihadistische Propaganda Seit dem Angriff der HAMAS auf Israel am 7. Oktober 2023 nahm die Lage im Nahen Osten in der deutschsprachigen Szene einen großen Raum ein. Veröffentlicht wurden fast durchweg antisemitische Texte und Videos, die neben Solidaritätsbekundungen und Unterstützungsaufrufen auch Kommentare beinhalteten, die die vermeintliche "Rückeroberung Palästinas" begrüßten und das Töten von Juden glorifizierten. Einzelne Nutzer riefen zur Auswanderung beziehungsweise Beteiligung am Kampf beziehungsweise Jihad in "Palästina" auf. Das deutlich gestiegene Demonstrationsgeschehen in Deutschland wurde ebenso thematisiert. Dabei wurden die vermeintlich unverhältnismäßige Härte der polizeilichen Maßnahmen und vermeintliche Diskriminierung von Muslimen und Palästinensern beklagt. Ein weiterer Themenschwerpunkt in der deutschen Unterstützerszene waren die mehrfachen Verbrennungen von Koranexemplaren durch unterschiedliche Akteure in Nordeuropa. Die sich im Verlauf des Jahres wiederholenden Koranverbrennungen durch islamfeindliche Personen riefen zahlreiche Reaktionen islamistischer beziehungsweise jihadistischer Gruppierungen und ihrer 226 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Unterstützerszene hervor. Dabei reichten die Verlautbarungen von einer Verurteilung der Aktion bis hin zu Morddrohungen und dem Verkünden eines Religionskriegs. Am 31. Mai 2023 fanden in mehreren deutschen Bundesländern und in den Niederlanden zeitgleich Durchsuchungen im Zusammenhang mit Ermittlungen zu Onlinespendenaktionen für Frauen und Kinder von ehemaligen Kämpfern des "Islamischen Staates" (IS), die in syrisch-kurdischen Camps inhaftiert sind, statt (vgl. Kap. I Nr. 3). In diesem Zusammenhang erfolgten auf einschlägigen Social-Media-Kanälen Solidaritätsbekundungen für die betroffenen Personen. Die gleichzeitig geteilten Beiträge unter anderem zu Verhaltenstipps bei Festnahmen und weitere Unterstützungsangebote verdeutlichen, wie bedeutsam die Vernetzung über soziale Medien für die IS-Sympathisantenszene ist. Ähnlich zur internationalen Propaganda erinnert auch "al-Qaida"nahe deutschsprachige Propaganda an die Anschläge vom 11. September 2001 mit heroisierenden Beiträgen. Zahlreiche Postings mit Bildern, Videos, Nashids97 und glorifizierenden Kommentaren verdeutlichen die nach wie vor inspirierende Wirkung des damaligen Ereignisses auf jihadistische Kreise. Zunehmend war und ist weiterhin zu beobachten, dass Propagandainhalte insbesondere auf der Plattform TikTok durch die Verwendung von Stickern, Disclaimern oder durch die Einbettung in Memes als vermeintlich harmlos dargestellt werden. Dabei kann der eigentliche islamistische Inhalt in den Hintergrund treten und somit verschleiert werden. Mit diesem strategischen Verhalten gelingt es den Nutzern, jihadistische sowie gewaltbefürwortende Inhalte zu verbreiten und sich gleichzeitig vor einer plattformseitigen Löschung zu schützen. 97 Bei einem Nashid handelt es sich um einen religiösen Sprechgesang ohne Begleitung von Musikinstrumenten. Die Sprechgesänge werden oft genutzt, um ideologische Botschaften mit gewaltverherrlichenden Texten, in denen etwa zum bewaffneten Kampf aufgerufen oder das Märtyrertum glorifiziert wird, zu transportieren. 227 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS V. Organisationsgebundener Islamismus und Terrorismus in Deutschland In Deutschland gibt es, neben jihadistischen Akteuren und salafistischen Gruppierungen, weitere islamistische Bewegungen, die einen höheren Organisationsgrad und feste Strukturen aufweisen. Diese sind mitunter vereinsrechtlich durch regionale Anlaufstellen oder auch deutschlandweit zuständige Zentralen oder internationale Dachverbände organisiert. Die Organisationen lassen sich in drei Kategorien einteilen: solche, die nach Einflussnahme im politischen Raum streben, solche, die eine desintegrative Abgrenzung ihrer Mitglieder von der Gesellschaft anstreben, und solche, die die Unterstützung terroristischer Gruppierungen im Ausland betreiben. Vielfältige Angebote Über die Bereitstellung rein religiöser Dienste beziehungsweise islamistischer einer religiösen Infrastruktur hinaus sind alle islamistischen OrgaOrganisationen nisationen in Deutschland bestrebt, ihren Anhängern und Sympathisanten ein vielfältiges Spektrum an Angeboten zu unterbreiten. So wird oftmals die Identifikation mit der Organisation und der entsprechenden Ideologie auch durch den Vertrieb organisationseigener Printund Onlinepublikationen sowie Angebote in den sozialen Medien gefördert beziehungsweise gewährleistet. Auch wird häufig ein breit gefächertes internes Bildungsangebot bereitgestellt. Dieses umfasst in der Regel sowohl Angebote für Kinder und Jugendliche als auch für Erwachsene und dient somit der Gewinnung neuer Anhängerinnen und Anhänger und der ideologischen Festigung. 1. Nach Einflussnahme im politischen Raum strebende Organisationen Bestimmte Organisationen erheben den Anspruch, der zentrale Ansprechpartner für alle muslimischen Belange in Deutschland zu sein. Sie verfolgen langfristig das Ziel, gesellschaftlich und politisch Einfluss zu nehmen, um eine nach ihrer Interpretation islamkonforme Ordnung durchzusetzen. 228 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Die mit Abstand größte, nach Teilhabe strebende sunnitisch-is"Milli Görüs"lamistische Strömung ist die "Milli Görüs"-Bewegung (MGB). Sie Bewegung besteht aus mehreren Vereinigungen, die von einer gemeinsamen ideologisch-religiösen Ausrichtung und der ideellen Bindung an deren Gründer zusammengehalten werden. Obgleich alle Vereinigungen selbstständig und unabhängig voneinander agieren, ist die "Milli Görüs"-Ideologie - wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung - das verbindende Element. Innerhalb der MGB verfolgt die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) mit Sitz in Köln (Nordrhein-Westfalen) das Ziel, eine Dialogpartnerschaft mit staatlichen und nicht staatlichen Akteuren einzugehen und gesellschaftliche Teilhabe zu erwirken. Hierhinter steht der Versuch, den öffentlich-politischen Diskurs im eigenen Sinne mitzubestimmen. In Deutschland existieren eine Reihe islamischer Zentren und "Islamisches Zentrum Organisationen regierungstreuer Iraner, mit deren Hilfe die IslaHamburg e.V." mische Republik Iran versucht, Einfluss auf hier lebende Schiiten unterschiedlicher Nationalität zu nehmen. Das "Islamische Zentrum Hamburg e.V." (IZH), Trägerverein der "Imam-Ali-Moschee" in Hamburg, ist neben der Botschaft die wichtigste Vertretung der Islamischen Republik Iran in Deutschland und ein bedeutendes Propagandazentrum Irans in Europa. Hierfür organisiert das IZH unter anderem regelmäßige Gebetsund Vortragsveranstaltungen, religiöse Feierlichkeiten sowie Sprachunterricht und andere Lehrveranstaltungen. Das IZH hat ein bundesweites Kontaktnetz innerhalb der zahlreichen schiitisch-islamischen Moscheen und Vereine aufgebaut und übt auf diese großen Einfluss aus, bis hin zur vollständigen Kontrolle. Neben der finanziellen Unterstützung ist der schiitische Dachverband "Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands e.V." (IGS) ein wichtiges Element für die Steuerung der Interessen des IZH. Das IZH steht im Verdacht, sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung zu richten. Zur weiteren Aufklärung dieses Verdachts und zur Sicherung von Beweismitteln wurden am 16. November 2023 Durchsuchungsmaßnahmen in mehreren Bundesländern durchgeführt (vgl. Kap. VII). 229 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 2. Sich abgrenzende Organisationen Nicht nach Teilhabe strebende Organisationen grenzen sich bewusst von der deutschen nicht muslimischen Gesellschaft ab und wollen eine eigene Werteinstanz für eine breite Zielgruppe schaffen. Polarisierung und Diese islamistischen Gruppierungen greifen gezielt aktuelle geUmdeutung sellschaftliche und politische Themen auf und schaffen so einen Zugang zu islamistischen Narrativen. Damit soll Muslimen eine "Opferrolle" gegenüber einer angeblichen deutschen "Wertediktatur" zugeschrieben werden. Die ideologischen Übergänge zum Salafismus sind dabei fließend. Onlineund So sind beispielsweise die Gruppierungen "Realität Islam" (RI), "Gerealweltliche neration Islam" (GI) sowie "Muslim Interaktiv" (MI), die eine ideoAktivitäten logische Nähe zu der in Deutschland seit dem Jahr 2003 mit einem Betätigungsverbot belegten "Hizb ut-Tahrir" (HuT) aufweisen, propagandistisch außerordentlich aktiv. Insbesondere MI ist mit ihrer an der Popkultur orientierten Aufmachung und ihrem professionellen Social-Media-Auftritt vor allem für Jugendliche attraktiv. Nachdem MI in der Vergangenheit eher kleinere, flashmobartige Veranstaltungen durchgeführt hatte, gelang es ihnen, im Berichtsjahr bei mehreren Demonstrationen eine teilweise vierstellige Teilnehmerzahl zu mobilisieren. So kamen am 4. Februar 2023 in Hamburg etwa 3.500 Personen zu einer Demonstration zusammen. Anlass hierfür war die Koranverbrennung durch einen Rechtsextremisten in Schweden. Auch die Eskalation des Nahostkonflikts wurde durch HuT-nahe Gruppierungen genutzt, um öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen zu initiieren. Am 28. Oktober 2023 nahmen auf dem Hamburger Steindamm bis zu 500, teilweise aggressive Männer an einer zuvor nicht angemeldeten Demonstration teil, bei der es auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei kam. Die Mobilisierung für die Demonstration erfolgte erst kurz vor Veranstaltungsbeginn über Social-Media-Profile, die der HuT beziehungsweise MI nahestehen. An einer mutmaßlich von HuT-Anhängern am 3. November 2023 in Essen (Nordrhein-Westfalen) organisierten Demonstration nahmen etwa 3.000 Personen teil. Bei beiden Veranstaltungen wurde das Existenzrecht Israels negiert und offen für die Etablierung eines "Kalifats" geworben. 230 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Die Veranstaltungen dienen dabei vor allem dem Sammeln von Bildund Videomaterial, das für die eigenen Social-Media-Kanäle professionell zu eindrucksvollen Propagandavideos geschnitten wird. Diese sollen den Eindruck vermitteln, dass ein großer Teil der hier lebenden Muslime hinter der Agenda der HuT-nahen Gruppierungen stehe. Mit dieser Vorgehensweise gelingt es Gruppierungen wie GI, RI und MI eine große Zahl vorwiegend junger Muslime zu erreichen und subtil Propaganda der HuT zu verbreiten. 3. Terroristische Organisationen Für terroristische Organisationen wie die libanesische "Hizb Allah" und die palästinensische HAMAS ist der Kampf gegen Israel essenziell. Sie verfügen in Europa und auch in Deutschland über eine Anhängerschaft, deren Aktivitäten von Sympathiebekundungen und Propagandaaktivitäten bis hin zu Finanzierungsoder Spendensammelaktivitäten reichen, was zur Stärkung der Kernorganisationen im Ausland führen soll. In Deutschland ist die "Hizb Allah" in keinem bundesweiten Dach"Hizb Allah" verband oder einer ähnlichen überregionalen Struktur organisiert. Öffentlichkeitswirksame Aktivitäten der Anhängerschaft wie Demonstrationen oder Kundgebungen fanden kaum statt. Unter den circa 650 Teilnehmern der Demonstration anlässlich des "al-Quds"Tages98 am 15. April 2023 in Frankfurt am Main (Hessen) befanden sich allerdings auch zahlreiche "Hizb-Allah"-Sympathisanten. Die Veranstaltung verlief insgesamt störungsfrei. Auch wenn die Kundgebung offiziell unter dem Motto "Stoppt den Krieg" angemeldet worden war, wurde in den sozialen Medien unter dem Motto "Freiheit für Palästina und alle unterdrückten Völker" dafür geworben. Auch die Anhänger der HAMAS traten in Deutschland im Regelfall HAMAS nicht offen auf. Zum Erreichen ihrer vorrangigen Ziele - die Unterstützung der HAMAS durch die Initiierung von Spendensammlungen und die Beeinflussung des politischen und gesellschaftlichen 98 Der "al-Quds"-Tag soll an die von dem iranischen Ayatollah Ruhollah Khomeini im Jahre 1979 geforderte "Befreiung" Jerusalems erinnern. Seit mehreren Jahren finden anlässlich des "al-Quds"-Tages am auf den letzten Freitag des Ramadan folgenden Samstag Demonstrationen statt. 231 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Diskurses in Deutschland im propalästinensischen Sinne - nutzten sie stattdessen unterschiedliche Tarnorganisationen. Mit dem am 2. November 2023 durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) ausgesprochenen Betätigungsverbot sind fortan sämtliche Aktivitäten für die HAMAS in Deutschland verboten. In diesem Zusammenhang wurden am 23. November 2023 Durchsuchungsmaßnahmen in fünf Bundesländern (Berlin, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein) durchgeführt (vgl. Kap. VII). Am 14. Dezember 2023 wurden vier mutmaßliche HAMAS-Mitglieder in Berlin und den Niederlanden festgenommen. Diese sollen sich auch an Auslandsoperationen der HAMAS beteiligt und über eine enge Anbindung an die Führung der militärischen Unterorganisation der HAMAS, den "Izz-al-Din-al-QassamBrigaden"99, verfügt haben und in mögliche Anschlagspläne gegen jüdische Ziele in Europa verwickelt gewesen sein. VI. Antisemitismus im Islamismus100 Antisemitismus ist seit jeher Bestandteil islamistischer Ideologien: In nahezu allen islamistischen Strömungen und Organisationen lässt sich antisemitisches Gedankengut nachweisen. Lediglich die Art und Weise, wie einzelne Gruppierungen damit in der Öffentlichkeit auftreten und wie sie Antisemitismus in ihrem jeweiligen ideologischen Selbstverständnis einbetten, variiert. Agitationsthema Nichtsdestoweniger zeigt sich, dass islamistische Organisationen Nahostkonflikt und Gruppierungen den Nahostkonflikt im Rahmen ihrer Kommunikation zur Agitation und Mobilisierung instrumentalisieren. Zumeist geschieht dies durch antisemitische Deutungen der Geschehnisse, die mit islamistischen Ideologiefragmenten verknüpft werden. Für die Agitation der HAMAS ist der Nahostkonflikt das 99 Izz al-Din al-Qassam (1882-1935) war ein einflussreicher islamistischer Geistlicher und Gegner der zionistischen Bewegung. Nach ihm sind die "Izz-al-Din-al-QassamBrigaden" sowie die "Qassam-Raketen" der HAMAS benannt. Die "Izz-al-Din-alQassam-Brigaden" werden seit 2001 auf der sogenannten EU-Terrorliste geführt. 100 Ein Lagebild, das einen Gesamtüberblick über die verfassungsschutzrelevanten Ausprägungen des Antisemitismus in Deutschland gibt, ist unter www.verfassungsschutz.de abrufbar. 232 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS zentrale und fortwährende Thema. Aber auch Jihadisten und Salafisten, für die jüdische Menschen eines von vielen Feindbildern sind, greifen den Nahostkonflikt als Agitationsthema auf, und zwar immer dann, wenn eine allgemeine gesellschaftliche Relevanz des Themas vorliegt, das heißt viele Menschen potenziell für das Thema ansprechbar sind. Dieses Kalkül wird nur so lange verfolgt, bis andere Themen den öffentlichen Diskurs bestimmen und als Agitationsthemen entsprechend besser geeignet erscheinen. In der jüngeren Vergangenheit wurde einmal mehr deutlich, dass Antisemitismus (insbesondere in Verbindung mit dem seit Jahrzehnten anhaltenden Nahostkonflikt) auch in Deutschland ein besonders starkes Emotionalisierungsund Mobilisierungspotenzial aufweist, welches sich islamistische Akteure zunutze machen. In diesem Zusammenhang sind gezielte Ansprachen durch islamistische Organisationen von Bedeutung. Mit Blick auf das Demonstrationsgeschehen nach dem 7. Oktober 2023 könnten zum Beispiel Menschen für entsprechende Agitationsbemühungen empfänglich gewesen sein, die aufgrund eigener biografischer Hintergründe im Nahostkonflikt emotional involviert sind. Trotz der insgesamt eher distanzierten und von dogmatischen Terrorangriff der Differenzen geprägten Haltung gegenüber der HAMAS sind auch HAMAS im jihadistischen Spektrum wohlwollende Bezugnahmen auf deren terroristischen Angriff auf Israel zu beobachten: Sowohl der "Islamische Staat" (IS) als auch "al-Qaida" sowie zahlreiche weitere jihadistische Organisationen haben seit Anfang Oktober 2023 mehrfach explizit zum Jihad in und außerhalb Israels sowie insbesondere zu Anschlägen gegen Jüdinnen und Juden weltweit aufgerufen. Zahlreiche Bekundungen zur Unterstützung der HAMAS und Aufrufe, den Jihad gegen Israel und Menschen jüdischen Glaubens zu unterstützen, wurden auch durch verschiedene regionale Ableger von IS und "al-Qaida" sowie Sympathisanten veröffentlicht. Neben Aufrufen zur Tötung von jüdischen Menschen wurde aufBoykottaufrufe gefordert, "jüdische Produkte" zu boykottieren. Der Boykott von Produkten aus Israel ist zwar nicht per se antisemitisch, in der angeführten Aussage geht es jedoch nicht um den Boykott israelischer Produkte, sondern den "jüdischer Produkte". Mit dieser Aussage werden Jüdinnen und Juden weltweit für das Handeln der 233 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS israelischen Regierung verantwortlich gemacht - es handelt sich also um eine antisemitische Pauschalisierung. Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass antisemitische Ressentiments seit dem Angriff der HAMAS wesentlich expliziter ausgedrückt werden - auch von Islamistinnen und Islamisten. Dabei besteht die Gefahr, dass sich auch bisher eher moderate Onlinemilieus radikalisieren oder zumindest ein höheres Radikalisierungspotenzial entwickeln, wenn Islamistinnen und Islamisten ihre Botschaften abseits privater extremistischer Chats und Foren in die Breite des Internets tragen. Gewaltaffine Personen könnten so einen Motivationsschub erhalten, weil sie sich in ihrer Wahrnehmung bestätigt fühlen, im Namen einer vermeintlichen Mehrheit zu handeln. Lageverschärfend und in dieser Form neu war die Wirkung der Terrorakte der HAMAS und des darauffolgenden militärischen Vorgehens Israels im Gazastreifen auf (terroristische) Organisationen mit einer globalen Agenda. Trotz ideologischer Gegensätzlichkeit beispielsweise des IS und seiner Ableger gegenüber der aus der "Muslimbruderschaft" (MB) entstandenen HAMAS bildeten die Leugnung des Existenzrechts Israels und der Antisemitismus einen gemeinsamen Bezugsrahmen, der sich unmittelbar auch auf die Sicherheitslage in Europa und in Deutschland auswirkte. Sowohl der IS als auch "al-Qaida", deren Regionalableger sowie einzelne Anhänger verbreiteten Aufrufe zu Anschlägen in Israel, Europa und "im Westen". Auch in der deutschen jihadistischen Szene waren Aufrufe zu Gewalt zu verzeichnen. Das Gefahrenpotenzial für mögliche Terroranschläge durch jihadistische Organisationen oder durch sie angeleitete oder inspirierte Einzelpersonen gegen jüdische und israelische Personen und Einrichtungen sowie gegen "den Westen" insgesamt ist in der Folge deutlich angestiegen (vgl. Kap. II, Nr. 5). VII. Staatliche Maßnahmen Vereinsrechtliche Vereinsverbote sind ein wichtiges Instrumentarium, um die orgaMaßnahmen nisatorischen und finanziellen Möglichkeiten von Islamisten zu beschränken. Die im Berichtsjahr 2023 erfolgten Verbotsmaßnahmen 234 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS beziehungsweise vereinsrechtlichen Maßnahmen, die den Phänomenbereich Islamismus/islamistischer Terrorismus betrafen, werden hier aufgeführt: " Am 21. August 2023 stellte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) die Rechtmäßigkeit des Verbots von "Ansaar International e.V." fest.101 Der Verein war mitsamt acht Teilorganisationen vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) mit Verbotsverfügung vom 22. März 2021 verboten worden. Das Gericht sah alle Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 Grundgesetz - Zwecke oder Tätigkeiten einer Vereinigung, die den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten - als erfüllt an. So hat "Ansaar International e.V." nach Feststellung des Gerichts die terroristischen Vereinigungen "Jabhat al-Nusra" beziehungsweise "Hai'at Tahrir al-Sham" in Syrien, die HAMAS und "al-Shabab" in Somalia unterstützt und mit seinen Missionierungstätigkeiten extremistisch-islamistische Inhalte verbreitet. " Mit Verfügung vom 2. November 2023 hat das BMI die Betätigung der palästinensischen Terrororganisation HAMAS verboten. Die Tätigkeit der terroristischen HAMAS läuft den Strafgesetzen zuwider und richtet sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Zudem beeinträchtigt und gefährdet die Tätigkeit der HAMAS sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Mit dem Verbot sind sämtliche Aktivitäten für die terroristische HAMAS verboten. Dies beinhaltet neben dem Verbot des öffentlichen Verwendens von Kennzeichen der Organisation auch das Verbot entsprechender Unterstützungshandlungen, wie etwa Finanzierungsaktivitäten oder die Aufrechterhaltung oder Gründung von organisierten Strukturen der Organisation. In diesem Zusammenhang wurden am 23. November 2023 in mehreren Bundesländern Durchsuchungsmaßnahmen vollzogen. Betroffen waren Wohnungen von Privatpersonen sowie Vereinsund Firmenstandorte in Berlin, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Neben dem Vereinsobjekt der "Palästinensischen Gemeinschaft in Deutschland e.V." (PGD) waren 101 Das BVerwG war in diesem Verfahren erstund letztinstanzlich zuständig. Die Entscheidung ist nunmehr rechtskräftig. 235 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS insbesondere Funktionäre der PGD in Deutschland von den Maßnahmen betroffen. " Am 16. November 2023 fanden im Rahmen eines vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens des BMI bundesweite Durchsuchungsmaßnahmen gegen den Verein "Islamisches Zentrum Hamburg e.V." (IZH) sowie dessen mutmaßliche Teilorganisationen statt. Das IZH steht im Verdacht, gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Grundsatz der Völkerverständigung zu verstoßen sowie die verbotene terroristische Vereinigung "Hizb Allah" zu unterstützen. Exekutivmaßnahmen Im Berichtsjahr 2023 wurden zahlreiche Exekutivmaßnahmen durchgeführt, von denen einige, die den Phänomenbereich Islamismus/islamistischer Terrorismus betrafen, hier aufgeführt werden: " Am 10. Mai 2023 fanden bei einer Person mit libanesischer und deutscher Staatsangehörigkeit sowie einem libanesischen Staatsangehörigen Durchsuchungsmaßnahmen wegen des Verdachts der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland ("Hizb Allah") statt. Gegen beide Personen wurden zudem Haftbefehle vollstreckt und Untersuchungshaft angeordnet. Die Durchsuchungen erfolgten an insgesamt zwölf Objekten in Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Der Generalbundesanwalt (GBA) hat am 4. Dezember 2023 vor dem Staatsschutzsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts (OLG) Hamburg Anklage gegen die beiden Männer erhoben. " Am 6. Juli 2023 fanden an verschiedenen Orten in Niedersachsen, in Nordrhein-Westfalen und in den Niederlanden koordinierte Durchsuchungsmaßnahmen gegen mutmaßliche Mitglieder einer islamistischen terroristischen Vereinigung beziehungsweise mutmaßliche Unterstützer der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) beziehungsweise deren Regionalorganisation "Islamischer Staat Provinz Khorasan" (ISPK) statt. Dabei wurden sieben Beschuldigte festgenommen. In den Niederlanden kam es parallel zur Festnahme von zwei weiteren Personen. Bei den festgenommenen Tatverdächtigen handelt es sich um Staatsangehörige verschiedener zentralasiatischer Staaten, die im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Frühjahr 2022 fast zeitgleich aus der Ukraine nach Deutschland eingereist sind. Sie stehen im Verdacht, sich zu 236 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS einer terroristischen Vereinigung zusammengeschlossen zu haben mit dem Ziel, in Deutschland öffentlichkeitswirksame Anschläge durchzuführen. Zur Umsetzung ihres Vorhabens sollen die Beschuldigten bereits Anschlagsobjekte in Deutschland ins Auge gefasst, mögliche Tatorte ausgekundschaftet und Versuche unternommen haben, sich Waffen zu beschaffen.102 " Am 28. November 2023 fanden in Brandenburg und NordrheinWestfalen zeitgleich Durchsuchungsmaßnahmen gegen zwei Minderjährige - einen deutschen und afghanischen Staatsangehörigen sowie einen russischen Staatsangehörigen tschetschenischer Herkunft - statt. Gegen die Jugendlichen wurde ein Ermittlungsverfahren, unter anderem wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, eingeleitet. Als potenzielles Ziel für einen Anschlag wurde ein Weihnachtsmarkt in Leverkusen (Nordrhein-Westfalen) in Betracht gezogen.103 Aus einer Vielzahl verschiedener Verfahren, die den PhänomenbeStrafverfahren reich Islamismus/islamistischer Terrorismus betrafen, werden die folgenden exemplarisch aufgeführt: " Am 14. Februar 2023 verurteilte das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf eine Hauptverantwortliche des Spendenprojekts "Justice for Sisters" zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland sowie wegen Kriegsverbrechens gegen Eigentum und sonstige Rechte. Die deutsche Staatsangehörige hielt sich von 2013 bis 2022 in Syrien und im Irak auf. Laut Feststellung des Gerichts schloss sich die Verurteilte im Februar 2014 dem IS an und betätigte sich in vielfältiger Weise für die Terrororganisation. Im Frühjahr 2015 eignete sie sich als Mitglied der Vereinigung gemeinsam mit ihrem Ehemann in der irakischen Stadt Hit ein Haus an, das von vor dem IS geflüchteten Gegnern der Vereinigung zurückgelassen worden war, und manifestierte so den Herrschaftsanspruch des IS über die Stadt. Von dort aus verbreitete sie über die Onlinekanäle des Spendenprojekts IS-Propaganda und war in die Sammlung und Verteilung von Spenden für die inhaftierten Ehefrauen und 102 Der GBA hat am 28. März 2024 vor dem Staatsschutzsenat des OLG Düsseldorf Anklage gegen die sieben in Deutschland festgenommenen Personen erhoben. 103 Gegen die beiden Jugendlichen ist im April 2024 Anklage erhoben worden. 237 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Kinder von IS-Kämpfern in Syrien sowie deren Schleusung aus den Camps involviert. Das Urteil ist rechtskräftig. " Am 19. Juli 2023 verurteilte das OLG Hamburg einen deutschen Staatsangehörigen wegen Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung IS zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten nach Jugendstrafrecht. Der Verurteilte war im Juli 2013 als Elfjähriger gemeinsam mit seiner Mutter nach Syrien ausgereist, wo diese sich dem IS anschloss. In der Folgezeit erzog seine Mutter ihn im Sinne der Terrororganisation. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Verurteilte von Anfang 2016 bis Ende 2017 im Alter von 14 beziehungsweise 15 Jahren wiederholt an Kampfhandlungen für den IS beteiligt gewesen war. Nach etwa fünfjähriger Gefangenschaft in verschiedenen Einrichtungen und Internierungslagern kurdischer Kräfte in Syrien war der Verurteilte Anfang Oktober 2022 durch deutsche Behörden nach Deutschland zurückgeführt worden. Das Urteil ist rechtskräftig. " Am 29. August 2023 verurteilte der 9. Strafsenat des OLG München eine deutsche Staatsangehörige unter anderem wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Versklavung mit Todesfolge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren. Die Verurteilte war bereits am 25. Oktober 2021 wegen der dem Urteil zugrunde liegenden Taten zu insgesamt zehn Jahren Haft verurteilt worden, wobei in diesem ersten Urteil durch den 8. Strafsenat des OLG von einem minderschweren Fall des Verbrechens gegen die Menschlichkeit ausgegangen worden war. Zuvor war vom GBA Revision eingelegt worden. Gegenstand der erneuten Verhandlung waren Vorgänge aus August 2015, wonach die verurteilte IS-Angehörige ein gemeinsam mit seiner Mutter als Sklavin gehaltenes, fünf Jahre altes jesidisches Mädchen verdursten ließ. Zu Ungunsten der Angeklagten wertete das OLG bei der erneuten Entscheidung die menschenverachtende Handlungsmotivation sowie ihr Verhalten nach der Tat. Das Urteil ist rechtskräftig. 238 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS VIII. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 1. "Islamischer Staat" (IS) und Regionalorganisationen Gründung: Ende 2003 als "al-Qaida im Irak", seit Mitte 2014 "Islamischer Staat" Leitung: bis August 2023: Abu al-Husain al-Husaini al-Qurashi seit August 2023: Abu Hafs al-Hashimi al-Qurashi Mitglieder/Anhängerkeine gesicherten Zahlen schaft in Deutschland: Publikationen/Medien: "al-Naba" (arabischsprachiges Onlinemagazin, erscheint wöchentlich) "Amaq" (Nachrichtenagentur) "al-Furqan" (Hauptmedienstelle für Veröffentlichungen der IS-Führungsebene) Betätigungsverbot: Verbotsverfügung des Bundesministers des Innern vom 12. September 2014 239 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Der "Islamische Staat" (IS) nahm im Verlauf des Jahres 2013 eine zentrale Rolle im syrischen Bürgerkrieg ein und eroberte Anfang 2014 auch Gebiete im Nordirak. Am 29. Juni 2014 rief der damalige IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi das "Kalifat" aus. In der Folge entwickelte sich der IS zum quasistaatlichen Akteur. Nach der endgültigen militärischen Zerschlagung des "Kalifats" im Laufe des Jahres 2019 wurde die Neustrukturierung im Untergrund erfolgreich vollzogen. Der IS hat im Sommer 2023 den Tod seines seit November 2022 amtierenden Anführers bekannt gegeben und Abu Hafs al-Hashimi al-Qurashi zu dessen Nachfolger und fünften ISAnführer ernannt. Der IS beharrt weiter auf seinem globalen jihadistischen Führungsanspruch. Die Gefahr von Attentaten durch vom IS inspirierte Einzeltäter und Kleinstgruppen ist sowohl in islamischen Ländern als auch im Westen anhaltend hoch. Dies belegen zahlreiche Anschläge, die im Namen des IS begangen wurden. Der IS hat weltweit regionale Ableger, sogenannte Provinzen, aufgebaut. Hierzu gehören neben dem "Islamischen Staat Provinz Khorasan" (ISPK) unter anderem auch die afrikanischen Regionalableger "Islamischer Staat Sahel-Provinz" und "Islamischer Staat Provinz Zentralafrika". Strukturen der Gruppierung sind in Deutschland - abseits von lose vernetzten Personen - nicht bekannt. "Islamischer Staat Provinz Khorasan104" (ISPK) Unter den verschiedenen Ablegern scheint der im Jahr 2015 in Afghanistan gegründete "Islamische Staat Provinz Khorasan" (ISPK) derzeit der stärkste Regionalableger zu sein. Der ISPK befindet sich seit seinem Bestehen in einem bewaffneten Konflikt mit den "Taleban". Obwohl die "Taleban" seit ihrer Machtübernahme im Jahr 2021 ihren Verfolgungsdruck erhöht haben, verübt der ISPK regelmäßig Anschläge in Afghanistan, insbesondere gegen die schiitische Minderheit der Hazara, aber auch gegen Ausländer und von diesen genutzte Einrichtungen. Aufgrund des hohen Verfolgungsdrucks weicht der ISPK zunehmend auf die pakistanische Seite der Grenze aus und verübt dort auch Anschläge. Um seine Bedeutung innerhalb des IS zu manifestieren, setzt der ISPK auch auf Anschläge gegen "Ungläubige" im Westen. 104 Die historische Region Khorasan umfasst Gebiete der heutigen Staaten Afghanistan, Iran, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan. 240 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 2. "Al-Qaida" und Regionalorganisationen Gründung: Mitte der 1980er-Jahre Leitung: nicht offiziell bekannt105 Mitglieder/Anhängerkeine gesicherten Zahlen schaft in Deutschland: Publikationen/Medien: "as-Sahab" (Medienstelle) "Ummah Wahida" (Onlinemagazin) "Ibnat al-Islam" (Onlinemagazin) "Thabat" (Onlinemagazin) 105 Nach Erkenntnissen der USA und der UN soll ein in Iran aufhältiger Ägypter neuer Anführer von "al-Qaida" sein oder werden. 241 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Die von Usama Bin Ladin gegründete "al-Qaida" versteht sich als Avantgarde einer internationalen jihadistischen Bewegung. Sie strebt ein islamistisches Regime in mehrheitlich von Muslimen bewohnten Ländern und eine globale Ausdehnung an. Ihr Kampf gilt sowohl dem "äußeren Feind" (westliche Staaten, insbesondere die USA und Israel) als auch dem "inneren Feind" (die sogenannten unislamischen Regierungen im Nahen und Mittleren Osten sowie in Nordafrika). Weltweit bekannt wurde "al-Qaida" mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA. Erklärtes Ziel von "al-Qaida" sind nach wie vor komplexe, medienwirksame Anschläge. Daneben sind Einzeltäter oder Kleinstgruppen dazu aufgerufen, Anschläge ohne Absprache und formale Anbindung an die Organisation durchzuführen. Am 31. Juli 2022 wurde der Anführer Aiman al-Zawahiri durch einen US-geführten Drohnenangriff in Afghanistan getötet. Ein neuer Anführer wurde von der Terrororganisation bislang nicht offiziell benannt. "Al-Qaida" sowie der IS konkurrieren um Einfluss und Deutungshoheit bei Jihadisten weltweit und sind trotz einschneidender Verluste in ihrer Führungsriege noch lange nicht besiegt. Auch "al-Qaida" hat regionale Ableger wie beispielsweise "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAH), "al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM)106, "Jama'at Nasr al-Islam wal Muslimin" (JNIM) oder auch "al-Shabab" aufgebaut. Strukturen der Gruppierung in Deutschland sind - abseits von lose vernetzten Personen - nicht bekannt. "Jama'at Nasr al-Islam wal Muslimin" (JNIM)107 Die aus verschiedenen ethnischen Gruppen formierte Organisation wurde im März 2017 als Zusammenschluss von Strukturen von Anmerkung: ShahadaFlagge, wird oft von "al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM) mit Tuareg-Stämmen Gruppierungen verwendet, der Sahara und Sahel-Zone gegründet. die "al-Qaida" zugehörig Von der JNIM geht derzeit keine direkte Bedrohung für Europa sind. Die Shahada ist das islamische oder Deutschland aus, vielmehr richten sich ihre Angriffe gegen Glaubensbekenntnis. zivile Ziele in der Region und die staatlichen Sicherheitskräfte der Sahelstaaten. 106 AQM ist überregional in Algerien, Libyen, Mali, Marokko, Mauretanien, Niger und Tunesien aktiv. 107 Arabisch für "Gruppe für die Unterstützung des Islam und der Muslime". 242 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS "Al-Shabab"108 Die im Jahr 2006 in Somalia gegründete "al-Shabab" wurde im Jahr 2012 von Kern-"al-Qaida" als regionaler Ableger in Ostafrika anerkannt. Ihr Ziel ist die Errichtung eines islamistischen Staates. Die Jihadisten kontrollieren gegenwärtig weite Teile Südsomalias und sind auch in der Lage, Anschläge in benachbarten Ländern durchzuführen. Strukturen des "Islamischen Staates" (IS) in Somalia werden durch "al-Shabab" systematisch bekämpft. 108 Vollständige Bezeichnung "Harakat al-Shabab al-Mujahidin". Arabisch für "Bewegung der Mujahidin-Jugend". 243 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 3. "Hezb-e Islami-ye Afghanistan" (HIA)109 Gründung: Mitte der 1970er-Jahre im pakistanischen Exil Leitung: Gulbuddin Hekmatyar Mitglieder/Anhänger210 (2022: 160) schaft in Deutschland: Die sunnitische "Hezb-e Islami-ye Afghanistan" (HIA) ist eine der ältesten islamistischen Gruppierungen Afghanistans. Auch aufgrund von ideologischen Gemeinsamkeiten kam es in den vergangenen Jahren zu einer Annäherung zwischen der HIA und den "Taleban", die in Verhandlungen über die Zusammenarbeit in einer möglichen neuen afghanischen Regierung mündeten. Nach der Machtübernahme durch die "Taleban" besteht die HIA in Afghanistan formell weiter, ist aber nicht an der aktuellen De-facto-Regierung beteiligt. In Deutschland gibt es mehrere, überwiegend von HIA-Anhängerinnen und -Anhängern frequentierte Moscheegemeinden, insbesondere in Frankfurt am Main (Hessen) und Hamburg. Die Gemeinden und Führungspersonen der HIA in Deutschland haben enge Kontakte zur Führung der HIA in Afghanistan. 109 Dari für "Islamische Partei Afghanistans". 244 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 4. "Hizb Allah"110 Gründung: 1982 im Libanon Sitz: Beirut (Libanon) Leitung: Generalsekretär Hassan Nasrallah, Funktionärsgruppe Mitglieder/Anhänger1.250 (2022: 1.250) schaft in Deutschland: Publikationen/Medien: "al-Ahed al-Akhbari" (Onlinemagazin) "al-Manar TV" (TV-Sender) Betätigungsverbote: Verbotsverfügung des Bundesministers des Innern vom 29. Oktober 2008 gegen "al-Manar TV" Verbotsverfügung des Bundesministers des Innern, für Bau und Heimat vom 26. März 2020 gegen die "Hizb Allah" in Deutschland Vereinsverbote: Verbotsverfügung des Bundesministers des Innern vom 2. April 2014 gegen "Waisenkinderprojekt Libanon e.V." (WKP)111 Verbotsverfügung des Bundesministers des Innern, für Bau und Heimat vom 15. April 2021 gegen Ersatzorganisationen des WKP: "Deutsche Libanesische Familie e.V." (DLF), "Menschen für Menschen e.V." und "Gib Frieden e.V." 110 Arabisch für "Partei Gottes". 111 In der Mitgliederversammlung des WKP am 22. Februar 2014 wurde die Namensänderung in "Farben für Waisenkinder e.V." (FfW) beschlossen und am 6. Oktober 2014 an das zuständige Amtsgericht überstellt. Die Eintragung erfolgte am 16. Oktober 2014. 245 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Die schiitisch-islamistische "Hizb Allah" bestreitet das Existenzrecht Israels. Sie propagiert den bewaffneten, auch mit terroristischen Mitteln geführten Kampf gegen Israel als "unrechtmäßigen Besatzer palästinensischen Bodens", der als "legitimer Widerstand" bezeichnet wird. Es muss damit gerechnet werden, dass die "Hizb Allah" auch außerhalb des Nahen Ostens weiterhin terroristische Aktionen gegen Israel oder israelische Interessen plant. Die "Hizb Allah" verfolgt daneben ihre politische Agenda als Regierungspartei im Libanon. In Deutschland pflegen die Anhängerinnen und Anhänger der "Hizb Allah" den organisatorischen und ideologischen Zusammenhalt unter anderem in örtlichen Moscheevereinen, die sich in erster Linie durch Spenden finanzieren. Als Reaktion auf den Terrorangriff der HAMAS auf Israel am 7. Oktober 2023 beteiligte sich auch die "Hizb Allah" an Angriffen auf die israelische Nordgrenze. 246 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 5. HAMAS112 Gründung: Ende 1987 aus dem palästinensischen Zweig der "Muslimbruderschaft" (MB) Sitz: Palästinensische Autonomiegebiete, Gazastreifen Leitung: Isma'il Haniya Mitglieder/Anhänger450 (2022: 450) schaft in Deutschland: Publikationen/Medien: "al-Aqsa TV" (TV-Sender) Erweiterung der SSSS 86, Die Verwendung von Kennzeichen 86a Strafgesetzbuch der HAMAS ist nach der im Jahr 2021 (StGB): erfolgten Erweiterung der SSSS 86, 86a StGB strafbar. Betätigungsverbote: Verbotsverfügung der Bundesministerin des Innern und für Heimat vom 2. November 2023 Vereinsverbote: Verbotsverfügung des Bundesministers des Innern vom 31. Juli 2002 gegen "al-Aqsa e.V." Verbotsverfügung des Bundesministers des Innern vom 30. August 2005 gegen "YATIM-Kinderhilfe e.V." 112 Abkürzung für "Harakat al-Muqawama al-Islamiya" - "Islamische Widerstandsbewegung". Das arabische Wort Hamas bedeutet übersetzt "Begeisterung, Eifer". 247 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Ziel der palästinensischen HAMAS ist die Errichtung eines islamistischen Staates auf dem gesamten Gebiet "Palästinas" - auch durch bewaffneten Kampf. So heißt es in einem im Jahr 2017 verfassten Strategiepapier: "Der Widerstand gegen die Besatzung mit allen Mitteln und Wegen ist ein legitimes Recht, das durch göttliche Gesetze und internationale Normen und Gesetze garantiert wird. Im Kern davon liegt der bewaffnete Widerstand (...)." Unter "Palästina" versteht die HAMAS das Gebiet zwischen Mittelmeer und Jordan, was damit auch das Territorium des Staates Israel einschließt. In westlichen Staaten, so wie Deutschland, konzentrieren sich die Aktivitäten der HAMAS bislang auf das Sammeln von Spenden, die Rekrutierung neuer Anhängerinnen und Anhänger und die Verbreitung ihrer Propaganda. Seit dem Jahr 2001 werden die "Izz-al-Din-al-Qassam-Brigaden" als militärischer Flügel der HAMAS als Terrororganisation auf der sogenannten EU-Terrorliste geführt, seit dem Jahr 2003 die HAMAS insgesamt. Als Reaktion auf den Terrorangriff der HAMAS auf Israel am 7. Oktober 2023 sprach die Bundesministerin des Innern und für Heimat am 2. November 2023 ein Betätigungsverbot für die HAMAS in Deutschland aus. Dies beinhaltet neben dem Verbot des öffentlichen Verwendens von Kennzeichen der Organisation auch das Verbot entsprechender Unterstützungshandlungen, wie etwa Finanzierungsaktivitäten oder die Aufrechterhaltung oder Gründung von organisierten Strukturen der Organisation. 248 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 6. "Türkische Hizbullah" (TH) Gründung: 1979 in Batman (Türkei) Leitung: Edip Gümüs (Führer), Funktionärsgruppe (Schura) Mitglieder/Anhänger400 (2022: 400) schaft in Deutschland: Publikationen/Medien: "Hurseda" (Onlinemagazin) "Huseynisevda" (Onlinemagazin) "ILKHA" (Online-Nachrichtenportal) "INZAR" (Zeitung/Zeitschrift) "Dogru Haber" (Zeitung/Zeitschrift) Die "Türkische Hizbullah" (TH) entstand 1979 durch den Zusammenschluss kurdischer Gruppierungen im Raum Diyarbakir. Seit dem Jahr 2000 gilt die TH in der Türkei als terroristische Vereinigung. Hauptziel der sunnitischen, kurdisch dominierten TH ist die Errichtung eines islamistischen Staates auf dem Gebiet der Türkei und dessen kontinuierliche, letztlich globale Ausweitung. Zur Durchsetzung ihrer Ziele hält die TH die Anwendung von Gewalt für gerechtfertigt. Zu den weiteren Kernpunkten der TH-Ideologie gehören ein ausgeprägter Antisemitismus und Antizionismus. In Deutschland konzentriert sich die TH auf Spendensammlungen und die Durchführung religiöser Veranstaltungen. Die Anhängerinnen und Anhänger der TH in Deutschland organisieren sich in lokalen Vereinen und Moscheen. Ein direkter Bezug zur Organisation wird sowohl von den hiesigen Anhängerinnen und Anhängern als auch von TH-nahen Moscheen und Vereinen vermieden. Eine ideologische Nähe lässt sich allerdings durch entsprechende Veranstaltungen feststellen. So wird des Gründers der TH Hüseyin Velioglu (1952-2000) jährlich anlässlich seines Todestags mit Veranstaltungen gedacht. 249 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 7. "Hizb ut-Tahrir"113 (HuT) Gründung: 1953 in Jerusalem (Israel) Leitung: Ata Abu al-Rashta alias Abu Yasin Mitglieder/Anhänger800 (2022: 750) schaft in Deutschland: Publikationen/Medien: Zeitungen/Zeitschriften (monatlich): "Köklü Degisim" "al-Waie" Websites: "kalifat.com" "khilafah.com" "hizb.org.uk" "hizb-ut-tahrir.info" "al-Waqiyah TV" (Online-Fernsehsender) Betätigungsverbot: Verbotsverfügung des Bundesministers des Innern vom 10. Januar 2003 113 Arabisch für "Partei der Befreiung". 250 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Ziel der panislamisch ausgerichteten "Hizb ut-Tahrir" (HuT) ist die "Befreiung" aller Muslime von "Unterdrückung" und ihre Vereinigung in einem weltweiten "Kalifat". Aus Sicht der HuT haben "unterdrückte" Muslime das Recht auf "Selbstverteidigung" mit allen Mitteln. Als Konsequenz werden Gewalttaten anderer islamistischer Gruppierungen oftmals gebilligt. Ein weiteres Charakteristikum der HuT ist ein ausgeprägter Antisemitismus. In Deutschland agitiert die HuT wegen des Betätigungsverbots im Untergrund und rekrutiert dort neue Mitglieder. Insbesondere in den sozialen Netzwerken gibt es zahlreiche Gruppierungen mit ideologischer Nähe zur HuT, beispielsweise "Realität Islam", "Generation Islam" und "Muslim Interaktiv". Mit Videos und Textbeiträgen erreichen sie Zehntausende Interessierte und nutzen ihren Bekanntheitsgrad auch für Mobilisierungszwecke in der realen Welt. Die von ihnen besetzten Themen spielen im Rekrutierungsprozess islamistischer Organisationen eine wichtige Rolle und bereiten den Nährboden für eine Radikalisierung junger Muslime. 251 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 8. "Muslimbruderschaft"114 (MB) Gründung: 1928 in Ägypten Leitung/Vorsitz: Muhammad Badi Mitglieder/Anhänger1.450115 (2022: 1.450) schaft in Deutschland: Publikationen/Medien: "Risalat al-Ikhwan" (Zeitschrift) Die "Muslimbruderschaft" (MB) gilt als älteste und einflussreichste sunnitische, islamistische Bewegung. Sie ist eigenen Angaben zufolge in mehr als 70 Ländern in unterschiedlicher Ausprägung vertreten. Ziel der MB, die noch heute von der Ideologie ihres Gründers Hasan al-Banna geprägt wird, ist die Errichtung eines politischen und gesellschaftlichen Systems auf der Grundlage von Koran und Sunna. Zahlreiche islamistische, zum Teil auch terroristische Organisationen wie die palästinensische HAMAS oder die ägyptische "al-Gama'a al-Islamiya" sind aus der MB hervorgegangen. Die MB selbst postuliert seit den 1970er-Jahren zwar den Verzicht von Gewalt, davon ausgenommen ist jedoch der Widerstand gegen "Besatzer", worunter die MB vor allem Israel versteht. Im Zuge des sogenannten Arabischen Frühlings stellte die MB von 2012 bis 2013 in ihrem Gründungsland Ägypten die stärkste Fraktion im Parlament und mit Mohammed Mursi den Staatspräsidenten. In dieser Zeit zeigte sich, dass die MB demokratische Wahlen lediglich als Sprungbrett nutzen wollte, um ihre Vorstellung eines islamistisch geprägten politischen Systems durchzusetzen. Nach der Übernahme der Staatsgewalt durch das Militär unter dem jetzigen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi im Juli 2013 wurde die MB in Ägypten verboten und als Terrororganisation eingestuft. 114 Deutsch für "al-Ikhwan al-Muslimun". 115 Einschließlich 350 Mitglieder der "Deutschen Muslimischen Gemeinschaft e.V." (DMG; vgl. Nr. 8.1). 252 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 8.1 "Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V." (DMG) Gründung: 1958 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: Khallad Swaid Mitglieder in 350 (2022: 350) Deutschland: Die "Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V." (DMG), bis zu ihrer Umbenennung im September 2018 "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD), ist die wichtigste und zentrale Organisation von Anhängerinnen und Anhängern der "Muslimbruderschaft" (MB) in Deutschland. Ziel der DMG ist es unter anderem, gegenüber Politik, Behörden und zivilgesellschaftlichen Partnern als Ansprechpartnerin eines vorgeblich gemäßigten, weltoffenen Islam in Erscheinung zu treten. Sie verfolgt eine an der MB-Ideologie ausgerichtete Strategie der Einflussnahme im politischen und gesellschaftlichen Bereich. Bei öffentlichen Auftritten werden Bekenntnisse zur MB und verfassungsfeindliche Äußerungen vermieden. Zahlreiche Verbindungen zwischen hochrangigen DMG-Funktionären und namhaften ausländischen Muslimbrüdern verdeutlichen dennoch die Zugehörigkeit der Organisation zum weltweiten MB-Netzwerk. Die DMG unterhält eigene Moscheen und kooperiert darüber hinaus nach eigenen Angaben mit weiteren Gemeinden. 253 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 9. "Tablighi Jama'at"116 (TJ) Gründung: 1926 in Britisch-Indien Leitung: keine gesicherten Informationen Mitglieder/Anhänger550 (2022: 550) schaft in Deutschland: Die "Tablighi Jama'at" (TJ) orientiert sich eng an dem Islamverständnis der islamischen Frühzeit. Langfristiges Ziel ist es, der Scharia zu universeller Geltung zu verhelfen. Die Ablehnung säkularer Prinzipien und die Abgrenzung gegenüber Nichtmuslimen können die Bildung abgeschotteter Parallelgesellschaften zur Folge haben und individuelle Radikalisierungsprozesse zumindest begünstigen. Die Aktivitäten der TJ in Deutschland werden über informelle Kontakte in einem hierarchisch aufgebauten Netzwerk herausragender Akteure koordiniert. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Werbung neuer Anhängerinnen und Anhänger und der Durchführung von "Missionierungsreisen" im Inund Ausland. Im Jahr 2017 entbrannte in der Führungsriege auf dem indischen Subkontinent ein offener Streit um die Einführung von Reformen. Die in der Folge einsetzenden Spaltungstendenzen zwischen Gegnern und Befürwortern der Neuerungen haben sich weiter verfestigt und zum Teil zu schweren Konflikten innerhalb der internationalen TJ-Zentren geführt. 116 Urdu für "Gemeinschaft der Verkündigung und Mission". 254 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 10. "Islamisches Zentrum Hamburg e.V." (IZH) und sonstiger schiitischer Extremismus Gründung: 1962 Sitz: Hamburg Leitung/Vorsitz: Mohammad Hadi Mofatteh Mitglieder/Anhängerkeine gesicherten Zahlen schaft in Deutschland: Publikationen/Medien: "al-Fadschr" (Zeitschrift, vierteljährlich) "SALAM! Zeitschrift für junge Muslime" (Zeitschrift, vierteljährlich) Das "Islamische Zentrum Hamburg e.V." (IZH) ist neben der Botschaft die wichtigste Vertretung der Islamischen Republik Iran in Deutschland. Die Aktivitäten des IZH, welches Träger der "ImamAli-Moschee" mit Sitz in Hamburg ist, sind darauf ausgerichtet, die islamische Lehre schiitisch-iranischer Prägung in Deutschland und Europa zu verbreiten. Hierfür organisiert das IZH unter anderem regelmäßige Gebetsund Vortragsveranstaltungen, religiöse Feiern sowie Sprachunterricht und andere Lehrveranstaltungen. Das IZH hat ein bundesweites Kontaktnetz innerhalb der zahlreichen schiitisch-islamischen Moscheen und Vereine aufgebaut und übt auf diese großen Einfluss bis hin zur vollständigen Kontrolle aus. Als wichtiges Element für die Steuerung der Interessen des IZH dient der schiitische Dachverband "Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands e.V." (IGS). Innerhalb schiitisch-extremistischer Kreise ist häufig eine deutliche antisemitische und antiisraelische Grundeinstellung feststellbar, die auch in verschiedenen Medienkanälen propagiert wird. Im Rahmen eines vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens des Bundesministeriums des Innern und für Heimat gegen den Verein IZH sowie fünf weitere Vereinigungen fanden am 16. November 2023 Durchsuchungsmaßnahmen, unter anderem in den Räumlichkeiten der "Imam-Ali-Moschee" in Hamburg, statt. 255 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 11. "Milli Görüs"-Bewegung und ihr zugeordnete Vereinigungen Die "Milli Görüs"-Bewegung besteht aus mehreren Vereinigungen, die von einer gemeinsamen ideologisch-religiösen Ausrichtung und der ideellen Bindung an den türkischen Politiker Necmettin Erbakan zusammengehalten werden. Obgleich alle Vereinigungen selbstständig und unabhängig voneinander agieren, ist die "Milli Görüs"-Ideologie - wenn auch in unterschiedlich starker Ausprägung - das verbindende Element. Die von Erbakan geprägten Schlüsselbegriffe seines politischen Denkens sind "Milli Görüs" ("Nationale Sicht") und "Adil Düzen" ("Gerechte Ordnung"). "Gerecht" sind im Sinne Erbakans die Ordnungen, die auf "göttlicher Offenbarung" gegründet, "nichtig" jene, die von Menschen entworfen wurden. Gegenwärtig dominiere mit der westlichen Zivilisation eine "nichtige", auf Gewalt, Unrecht und Ausbeutung der Schwachen basierende Ordnung. Dieses "nichtige" System müsse durch eine "Gerechte Ordnung" ersetzt werden, die sich ausschließlich an islamischen Grundsätzen ausrichte. Alle Muslime sollen an der Verwirklichung der "Gerechten Ordnung" mitwirken. Hierzu müssen sie eine bestimmte Haltung einnehmen und einen bestimmten Blick ("Görüs") auf die Welt gewinnen, nämlich einen nationalen/ religiösen ("Milli") Blick, einen "Milli Görüs". 256 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS "Ismail Aga Cemaati" (IAC) Die "Ismail Aga Cemaati" (IAC) ist der weitverzweigten mystischen Bruderschaft der Naqshbandiya zuzuordnen. Die IAC gilt allgemein als einer der radikaleren Zweige der Bruderschaft. Die Gemeinschaft wird in der Türkei von Hasan Kilic angeführt. Bis zu seiner Abschiebung in die Türkei am 23. Oktober 2015 prägte der Prediger Nusret Cayir die IAC in Deutschland. Er ist nach wie vor deren Leitfigur. Seiner Auffassung zufolge gebe es niemanden außer der "Milli Görüs", der die Türkei "retten" könne. Seit Cayirs Ausreise in die Türkei werden seine Predigten via Internet live nach Deutschland übertragen. "SAADET Europa e.V." Die "Saadet Partisi" (SP), seit dem Jahr 2001 die politische Vertretung der "Milli Görüs"-Bewegung in der Türkei und seit den Wahlen im Mai 2023 im türkischen Parlament vertreten, hat im Jahr 2013 damit begonnen, auch außerhalb der Türkei Strukturen aufzubauen. Seit 2017 existiert unter der Bezeichnung "SAADET Europa e.V." ein in Köln (Nordrhein-Westfalen) angemeldeter Verein, der die Zentrale der in Deutschland und Europa bestehenden Regionalvertretungen der SP darstellt. Die Zentrale befindet sich in Duisburg (Nordrhein-Westfalen). Erklärtes Ziel sind die Verbreitung der "Milli Görüs"-Ideologie und die Unterstützung der Mutterpartei, zum Beispiel bei Wahlen in der Türkei. 257 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS "Europavertretung der Erbakan-Stiftung" Die "Erbakan-Stiftung" wurde 2013 in der Türkei gegründet. Der Vorsitzende ist der Sohn Necmettin Erbakans, Fatih Erbakan. Er erklärte, dass die Stiftung das Ziel habe, die Ideen seines Vaters wiederzubeleben. Ende 2013 wurde in Solingen (Nordrhein-Westfalen) unter Teilnahme von Fatih Erbakan die "Europavertretung der Erbakan-Stiftung" gegründet. Diese ist seitdem bemüht, lokale und regionale Strukturen auszubauen und junge Anhängerinnen und Anhänger im Sinne der "Milli Görüs"-Ideologie zu prägen. "Milli Gazete" Als Sprachrohr der "Milli Görüs"-Bewegung bildet die formal unabhängige türkische Tageszeitung "Milli Gazete" ein wichtiges Bindeglied zwischen den einzelnen Komponenten der Bewegung und trägt zur Verfestigung der ideologischen Positionen bei. In Deutschland ist die Europa-Ausgabe der "Milli Gazete" erhältlich. "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) Die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) wurde im Jahr 1985 als "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V." gegründet. Extremismusbezüge der IGMG sind in den vergangenen Jahren schwächer geworden. Einer der Schwerpunkte der IGMGAktivitäten liegt im Bildungsbereich. Zwar versteht sich die IGMG vorrangig als religiöse Organisation und Dienstleisterin für religiöse Belange, betont aber gleichermaßen, einen "politischen Anspruch" zu haben und sich für das Wohl der gesamten Menschheit zu engagieren. In diesem Sinne nimmt sie unter anderem auch regelmäßig Stellung zu unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Themen. Die IGMG veröffentlicht neben einer Vielzahl von Broschüren unter anderem die Zeitschriften "Perspektif" (monatlich oder zweimonatlich) und "Camia" (zweiwöchentlich). 258 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 12. "Furkan Gemeinschaft" Gründung: 1994 in der Türkei Leitung: Alparslan Kuytul Mitglieder/Anhänger500 (2022: 400) schaft in Deutschland: Publikationen/Medien: "Furkan Haber" (Nachrichtenportal) "TV Furkan" (Online-Fernsehsender) "Furkan Nesli Dergisi - Öncü Neslin Sesi" (Zeitschrift) Die "Furkan Stiftung für Bildung und Dienst"117 hat ihr Zentrum in der südtürkischen Stadt Adana. In Deutschland ist sie unter dem Namen "Furkan Gemeinschaft" bekannt und verfügt über Strukturen in Bayern, Berlin, Hamburg und Nordrhein-Westfalen. Die Organisation verfolgt das Ziel, eine "islamische Zivilisation" zu begründen, die durch das islamische Recht geprägt sein und sich ausschließlich an Koran und Sunna orientieren soll. Demokratie wird grundsätzlich abgelehnt. Dies findet seinen Ausdruck auch im Verbot der Teilnahme an Wahlen. Der Westen wird zum Feindbild erklärt und Israel das Existenzrecht abgesprochen. Ein Schwerpunkt der Aktivitäten der Organisation liegt in der Missionierungsarbeit unter Muslimen jedweder Herkunft. Zur Verbreitung ihrer Ideen nutzt die "Furkan Stiftung" verschiedene Websites, Profile und Kanäle in sozialen Netzwerken sowie eine eigene Onlinezeitschrift. Auch die Ableger der deutschen "Furkan Gemeinschaft" sind in sozialen Netzwerken vertreten. Neben der Gewinnung neuer Anhänger nutzt die "Furkan Gemeinschaft" das Internet, um Stellung zu politisch-gesellschaftlichen Themen zu beziehen. Dabei bedient sie sich häufig eines Opfernarrativs, demzufolge Staat und Sicherheitsbehörden die Religionsfreiheit beschneiden würden. 117 Deutsch für "Furkan Egitim ve Hizmet Vakfi". Dienst ist hier als "Dienst an der Religion" zu verstehen. 259 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 13. "Kalifatsstaat" Gründung: 1984 Leitung: zuletzt Metin Kaplan Mitglieder/Anhänger700 (2022: 700) schaft in Deutschland: Publikationen/Medien: "Hedschra-Kalender" ("Hicri Takvim Avrupa", jährlich publizierter Kalender in mehreren Sprachen) Vereinsverbote: Verbotsverfügungen des Bundesministeriums des Innern gegen den "Kalifatsstaat" und diverse Teilorganisationen in 2001 und 2002 Verbotsverfügung des Bayerischen Innenministeriums gegen einen Verein als Ersatzorganisation in 2013 Ideologisch versteht sich der "Kalifatsstaat" als Wiederbelebung des 1924 in der Türkei abgeschafften Kalifats. Übergeordnetes Ziel ist die Herrschaft des Islam unter der Führung eines Kalifen, unter dem Staat und Religion eine untrennbare Einheit bilden. Beginnend auf dem Gebiet der Türkei, soll dies später weltumspannend verwirklicht werden. Deutschland dient zunächst als "Ersatzland" für die "kemalistisch besetzte" Türkei. Die Abschiebung Kaplans im Jahr 2004 in die Türkei und das Verbot der Organisation in Deutschland 2001/2002 schwächten sie nachhaltig. Der Streit über die Nachfolge führte zu einer Spaltung in Fraktionen. Der zwischenzeitlich in der Türkei inhaftierte Kaplan wurde Ende 2016 vorzeitig aus der Haft entlassen und lebt nun in Istanbul (Türkei). Seit der Haftentlassung ruft er seine Anhängerinnen und Anhänger im Internet regelmäßig dazu auf, den Streit der Fraktionen beizulegen, um sich gestärkt dem Ziel eines schariakonformen "Kalifatsstaats" zu widmen. Die verbliebenen Anhängerinnen und Anhänger in Deutschland sympathisieren unter anderem in sozialen Netzwerken mit der Ideologie des "Kalifatsstaats", etwa auf der Plattform "Im Auftrag des Islam". Vor allem unter jüngeren davon machen sich seit Jahren Bezüge zu salafistischen und jihadistischen Strömungen bemerkbar. 260 Auslandsbezogener Extremismus 261 Auslandsbezogener Extremismus I. Überblick Im nicht islamistischen auslandsbezogenen Extremismus finden sich Organisationen mit Ideologieelementen aus dem Rechtsund Linksextremismus sowie Organisationen, die separatistische Bestrebungen in ihren Heimatländern verfolgen. Die Situation in den jeweiligen Bezugsregionen sowie die Vorgaben der dortigen zentralen Organisationseinheiten bestimmen überwiegend Politik, Strategie und Aktionen der Strukturen in Deutschland. In ihren Heimatländern wollen diese Organisationen meist drastische Veränderungen der politischen Verhältnisse herbeiführen, dort oftmals auch durch den Einsatz von Gewalt und Terror. Damit verstoßen die von Deutschland aus agierenden Strukturen extremistischer Auslandsorganisationen gegen den Gedanken der Völkerverständigung. In Deutschland sind diese Organisationen derzeit nicht terroristisch aktiv. Sie unterstützen aber von hier aus ihre Heimatorganisationen und deren gewaltsames Vorgehen vor allem propagandistisch, häufig auch durch den Nachschub von Geld, Material oder neu rekrutierten Kämpferinnen und Kämpfern. Hierdurch gefährden sie die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland. Vor allem beim gewaltsamen Aufeinandertreffen verfeindeter extremistischer Lager, durch Straftaten bei Versammlungen und durch Angriffe auf Einrichtungen des bekämpften (Heimat-)Staates ist auch die innere Sicherheit Deutschlands gefährdet. 1. Entwicklungstendenzen Agitation und Militanzniveau im auslandsbezogenen Extremismus sind überwiegend von der politischen Entwicklung und den strategischen Richtlinien der Organisationen in den jeweiligen Heimatländern abhängig. Erdbebenkatastrophe Nach der Erdbebenkatastrophe am 6. Februar 2023 im türkischim türkisch-syrischen syrischen Grenzgebiet initiierten verschiedene türkische und kurGrenzgebiet dische extremistische Organisationen sowie ihnen nahestehende Vereinigungen auch in Deutschland Spendenaufrufe und Sammelaktionen für die Opfer des Erdbebens. Neben einem tatsächlichen 262 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS Hilfsanliegen versuchten diese Organisationen auch, die Katastrophe für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, indem der Alleinvertretungsanspruch gegenüber der eigenen Anhängerschaft deutlich betont beziehungsweise versucht wurde, über diesen Personenkreis hinaus das eigene Ansehen zu verbessern, die eigene Ideologie weiter zu verbreiten und somit neue Anhängerinnen und Anhänger zu gewinnen. Die Parlamentsund Präsidentschaftswahlen am 14. Mai 2023 in Parlamentsund der Türkei sowie der vorgelagerte Wahlkampf führten in DeutschPräsidentschaftsland kaum zu wahrnehmbaren öffentlichen Aktionen, Kundgewahlen in der Türkei bungen oder Straftaten extremistischer Akteure. Der Wahlkampf fand innerhalb der jeweiligen Vereine statt. Am Abend der Stichwahl am 28. Mai 2023 kam es aber nach Bekanntgabe des Ergebnisses zu gewaltsamen Konfrontationen zwischen gegnerischen Lagern sowie Widerstandshandlungen gegen die Polizei. Beteiligt waren unter anderem der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) nahestehende Personen auf der einen und nationalistische beziehungsweise rechtsextremistische türkischstämmige Personen auf der anderen Seite. Die Schwerpunkte der Ausschreitungen lagen in Berlin, Mannheim und Stuttgart (beide Baden-Württemberg). Die Terrorangriffe der HAMAS gegen Israel am 7. Oktober 2023 Terrorangriffe der und das darauffolgende militärische Vorgehen Israels gegen terHAMAS gegen Israel roristische Strukturen im Gazastreifen wirkten sich auch auf die Sicherheitslage in Deutschland aus. Anhänger extremistischer palästinensischer Organisationen sowie türkische Linksund Rechtsextremisten organisierten oder beteiligten sich an propalästinensischen Versammlungen. Über die sozialen Medien mobilisierten sie zu Protesten und verbreiteten Propaganda. Dabei kam es immer wieder zu israelfeindlichen und zum Teil auch antisemitischen Aussagen und Darstellungen. Als Scharfmacher und Mobilisierungstreiber hielten sie so das Protestaufkommen hoch und emotionalisierten einen großen Personenkreis. 263 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS 2. Personenpotenzial Personenpotenzial im auslandsbezogenen Extremismus in Deutschland1 2021 2022 2023 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 14.500 14.500 15.000 Türkischer Rechtsextremismus 11.000 12.100 12.500 Türkischer Linksextremismus 2.550 2.550 2.500 Säkularer palästinensischer Extremismus 200 200 250 Sonstige 400 400 400 Summe 28.650 29.750 30.650 1 Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und gerundet. 3. Straftaten mit auslandsbezogener extremistischer Motivation Straftaten mit einem auslandsbezogenen extremistischen Hintergrund haben im Jahr 2023 erneut deutlich zugenommen. 3.092 Delikte in der Kategorie "Politisch motivierte Kriminalität - ausländische Ideologie" entsprechen einem Anstieg um 56,6 % (2022: 1.974). Die Zahl der Gewalttaten stieg um 45,6 % auf 329 Delikte (2022: 226). Der deutliche Anstieg ist vor allem mit Reaktionen auf die Terrorangriffe der HAMAS auf Israel am 7. Oktober 2023 und der daraufhin erfolgenden Gegenreaktion des israelischen Militärs im Gazastreifen zu erklären. An den in Deutschland in diesem Zusammenhang zahlreich stattfindenden Protesten und Straftaten beteiligten sich auch diverse Extremisten aus dem Bereich des auslandsbezogenen Extremismus. Bei mehr als der Hälfte der insgesamt von diesem Spektrum 2023 verübten Straftaten - rund 1.700 Delikte - ist eine israelfeindliche beziehungsweise propalästinensische Tatmotivation zu verzeichnen. Davon weisen 1.044 Delikte (2022: 58, +1.700 %) 264 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS einen antisemitischen Bezug auf. Vor diesem Hintergrund erkären sich die deutlichen Anstiege der Volksverhetzungsdelikte auf 665 (2022: 112, +493,8 %) sowie der Sachbeschädigungen auf 638 (2022: 382, +67,0 %). Bei diesem insgesamt deutlichen Anstieg handelt es sich demnach primär um einen Sondereffekt, der sich analog zur Lageentwicklung im Nahen Osten entwickelt. Dagegen sind 219 Körperverletzungsdelikte (2022: 141, +55,3 %) und 56 Widerstandsdelikte gegen Polizeibeamtinnen und -beamte (2022: 50, +12,0 %) nicht allein mit dem wieder aufgeflammten Nahostkonflikt zu erklären; insbesondere wiesen ein vollendetes und zwei versuchte Tötungsdelikte (2022: keine) keinen Bezug zum Nahostkonflikt auf. Vielmehr zeigt sich hier deutlich das generell im auslandsbezogenen Extremismus auch in Deutschland vorherrschende Gewaltpotenzial. Ohne die Auswirkungen des eskalierten Nahostkonflikts ist ein eher geringer Anstieg der Straftaten in den übrigen Beobachtungsfeldern festzustellen. Im Bereich der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) stiegen die extremistisch motivierten Straftaten um 9,2 % auf 286 Delikte (2022: 262), darunter 22 Gewaltdelikte (2022: 18) und 99 Propagandadelikte (2022: 55), die vor allem mit dem wiedererstarkten Versammlungsgeschehen einhergehen dürften. Die meisten Straftaten gab es in Nordrhein-Westfalen (820; 2022: 780), Berlin (726; 2022: 347) und Baden-Württemberg (608; 2022: 429). 4. Finanzierung Eine wesentliche Betätigung der Organisationen im auslandsbezogenen Extremismus in Deutschland ist die Beschaffung von Geldmitteln. Diese fließen neben den Strukturen und Aktivitäten in Deutschland und Europa zum Teil auch den Mutterorganisationen in den Heimatländern zu. Diese Finanzströme aufzuklären, strafrechtlich zu verfolgen und dadurch nachhaltig zu stören, ist wesentlicher Bestandteil des ganzheitlichen Ansatzes zur Terrorismusund Extremismusbekämpfung. Neben Spendensammlungen oder -kampagnen generieren die Organisationen ihre finanziellen Mittel in der Regel vor allem 265 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS aus Mitgliedsbeiträgen oder dem Verkauf von Publikationen wie Schriften, Büchern oder Tonträgern. Weitere Einnahmen werden erzielt bei Veranstaltungen wie Konzerten oder Festivals, beispielsweise durch den Verkauf von Eintrittskarten oder Erlöse aus dortigen Verpflegungsund Verkaufsständen. "JahresspendenDie PKK erzielte im Jahr 2023 bei ihrer "Jahresspendenkampagne" kampagne" der PKK ("kampanya") allein in Deutschland geschätzt zwischen 16 und 17 Millionen Euro und erreichte damit eine ähnlich hohe Summe wie im Vorjahr. Die "kampanya" ist in Deutschland die wesentliche Einnahmequelle der PKK. Sie verläuft äußerst konspirativ. Die Spendengelder werden im direkten Kontakt von der Organisation bei den Spendern persönlich und in bar eingesammelt. Die gesammelten Spenden sowie Einnahmen aus Veranstaltungen, Mitgliedsbeiträgen oder dem Verkauf von Publikationen werden vor allem für den Unterhalt der Organisation, aber auch für deren umfangreichen Propagandaapparat in Europa genutzt. Gesteuert und kontrolliert werden die finanziellen Aktivitäten der PKK in Deutschland und Europa von ihrer Kadereinheit "Wirtschaftsund Finanzbüro" (EMB)118. Finanzielle Die türkische linksextremistische "Revolutionäre VolksbefreiungsBedeutung der partei-Front" (DHKP-C) erzielte in den vergangenen Jahren durch "Grup Yorum" für die Konzerte der ihr zuzurechnenden Musikgruppe "Grup Yorum" ihre DHKP-C höchsten Einnahmen. Im Jahr 2023 gab es Konzerte mit Besucherzahlen im dreibis unteren vierstelligen Bereich. Finanzierung Im türkischen Rechtsextremismus stellt sich die Finanzierung in im türkischen den einzelnen Bereichen sehr unterschiedlich dar: Mangels dauRechtsextremismus erhafter Strukturen zeigen die nicht verbandlich organisierten "Grauen Wölfe" überwiegend keine relevanten Finanzierungsaktivitäten. Anders gestaltet sich die Situation bei den mitgliederstarken Dachverbänden, welche zum Teil über Immobilieneigentum sowie über regelmäßige Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge und Spenden verfügen. Werden Gebetsräume unterhalten, stellen angebotene Korankurse weitere Einnahmemöglichkeiten dar. Daneben gibt es auch Versuche, durch den Verkauf von Dienstleistungen wie Türkeireisen zusätzliche Einnahmen zu erschließen und neue Mitglieder zu werben. 118 "Ekonomi ve Maliye Bürosu". 266 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS II. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Die terroristische "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK)119 ist eine international agierende Kaderorganisation. Vorrangiges Ziel ist die kulturelle Autonomie und lokale Selbstverwaltung der Kurden in ihren Siedlungsgebieten in der Türkei sowie in den nördlichen Teilen des Iraks und Syriens. Hierzu bedient sich die PKK des bewaffneten und mittels ihrer Guerillaeinheiten - in der Türkei insbesondere die "Volksverteidigungskräfte" (HPG)120 und deren "Frauenverteidigungskräfte" (HPJ)121 - gewaltsam geführten Kampfes, zu dem ihr Gründer Abdullah Öcalan bereits 1984 aufgerufen hat. Trotz seiner seit 1999 fortbestehenden Inhaftierung in der Türkei ist Öcalan weiterhin die unumstrittene Führungsund Symbolfigur innerhalb der PKK. In Deutschland ist die PKK seit 1993 mit einem Betätigungsverbot belegt und von der EU seit 2002 als Terrororganisation gelistet. Wesentliche Aktionsfelder der PKK in Deutschland sind die logistische und finanzielle Unterstützung der Gesamtorganisation, die Rekrutierung neuer Anhängerinnen und Anhänger sowie die Durchführung zahlreicher progagandistischer Kundgebungen und Großveranstaltungen. Gegenüber Politik und Öffentlichkeit bekräftigt die PKK ihren Anspruch, die einzig legitime Vertreterin der Angelegenheiten des kurdischen Volkes zu sein. Ein wesentlicher Teil ihrer Lobbyarbeit in Deutschland zielt auf die Aufhebung ihres Betätigungsverbots. In Europa bemüht sich die PKK um ein weitgehend gewaltfreiFeuerpause nach der es Erscheinungsbild, wohingegen sie in der Türkei nach wie vor Erdbebenkatastrophe terroristische Anschläge verübt. Nach der Erdbebenkatastrophe vom 6. Februar 2023 im türkisch-syrischen Grenzgebiet hatte die PKK ihre Anhängerschaft zur Unterstützung der in der Erdbebenregion lebenden Kurden aufgefordert und seitens ihrer Guerilla eine Feuerpause in den Konfliktgebieten ausgerufen, die sie am 13. Juni 2023 für beendet erklärte. Bei einem Selbstmordanschlag vor dem türkischen InnenministeSelbstmordanschlag rium in Ankara sprengte sich am 1. Oktober 2023 ein Angreifer in in Ankara die Luft. Ein zweiter Angreifer wurde von der Polizei erschossen, 119 "Partiya Karkeren Kurdistan". 120 "Hezen Parastina Gel". 121 "Hezen Parastina Jin". 267 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS bevor er seine Sprengstoffweste zünden konnte. Noch am selben Tag bekannte sich die PKK zu dem Anschlag. Die türkische Armee startete als Reaktion in der Nacht zum 2. Oktober 2023 eine Luftoffensive gegen Stellungen und Infrastruktur der Organisation im Irak, die unter ihrer Anhängerschaft auch in Deutschland Proteste auslöste. 1. Organisationsstruktur Die PKK ist streng hierarchisch aufgebaut und auf ihre Führungsspitze hin ausgerichtet. Die Strukturen in Europa sind nahtlos in den PKK-Aufbau eingegliedert und setzen die von der PKK-Führungsspitze vorgegebenen Ziele ohne eigenverantwortlichen Entscheidungsspielraum um. Struktur in In Deutschland gliedert sich die PKK in vier Sektoren ("Saha"), Deutschland neun Regionen ("Eyalet")122 und 31 Gebiete ("Bölge"), an deren Spitze jeweils ein Führungsfunktionär steht. Die Funktionäre, deren Tätigkeit in aller Regel zeitlich begrenzt ist, agieren zumeist konspirativ und setzen organisationsinterne Anweisungen und Vorgaben um beziehungsweise leiten diese an nachgeordnete Ebenen weiter. Dafür nutzt die PKK überwiegend örtliche Vereine, die ihrer Anhängerschaft als Treffpunkt und Anlaufstelle dienen. An der Spitze des Geflechts aus PKK-nahen Vereinen steht organisatorisch der Dachverband "Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland e.V." (KON-MED)123. Die KON-MED und ihre Untergliederungen mobilisieren im Sinne der PKK zu Veranstaltungen und Kundgebungen und beteiligen sich an der Öffentlichkeitsund Kampagnenarbeit. Darüber hinaus versucht die PKK mithilfe sogenannter Massenorganisationen, ihre Anhängerschaft an sich zu binden, indem sie diese nach sozialen Kriterien oder Berufsund Interessengruppen organisiert. PKK-JugendInsbesondere die in der Jugendorganisation "Komalen Ciwan"/ organisation "Tevgera Ciwanen Soresger" (TCS)124 aktiven Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind ein großes Mobilisierungspotenzial für 122 Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein, Saarland/Rheinland-Pfalz und Westfalen. 123 "Konfederasyona Civaken Kurdistaniyen li Almanya". 124 "Gemeinschaft der Jugendlichen"/"Bewegung der revolutionären Jugend". 268 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS die zahlreichen Veranstaltungen der PKK. Zudem rekrutieren sie Nachwuchs für den bewaffneten Kampf in den kurdischen Siedlungsgebieten und begehen mitunter Straftaten gegen türkische (halb)staatliche Einrichtungen oder als solche ausgemachte türkische Rechtsextremisten und ihre Trefforte. 2. Versammlungsgeschehen Mittels zentral gesteuerter, öffentlichkeitswirksamer Propagandaaktionen wie Großveranstaltungen, Kampagnen, Hungerstreiks oder Mahnwachen versucht die PKK in Deutschland und im benachbarten Ausland, Aufmerksamkeit für ihre Anliegen zu erlangen. Die bei der Anhängerschaft der PKK beliebten GroßveranstaltunZentrale Großgen zum kurdischen Neujahrsfest Newroz und dem "Internationaveranstaltungen len Kurdischen Kulturfestival" wurden 2023 in Frankfurt am Main ausgerichtet und hinsichtlich der Teilnehmerzahlen von der Organisation als Erfolg verbucht: " Die zentrale Großkundgebung am 25. März 2023 zum NewrozFest erreichte in der Spitze bis zu 35.000 (2022: 17.000) Teilnehmende. Zuletzt nahm in 2017 ebenfalls in Frankfurt am Main mit bis zu 30.000 Personen eine annähernd vergleichbare Zahl teil. " Am 9. September 2023 wurde das 31. "Internationale Kurdische Kulturfestival" abgehalten. An der Veranstaltung beteiligten sich bis zu 12.000 Personen (2022: rund 10.000 Teilnehmende in Landgraaf, Niederlande). Im Verlauf des Festivals kam es mehrfach zu Angriffen und Widerstandshandlungen von Teilnehmenden gegen die Polizei. Einsatzkräfte wurden mit Flaschen, Holzlatten, Warnbaken und Straßenschildern beworfen; insgesamt wurden vier Beamte verletzt. Darüber hinaus organisierte die PKK wieder zahlreiche spontane, Anlassbezogene anlassbezogene Demonstrationen im Bundesgebiet. Hierbei ging Proteste es häufig um Forderungen nach Informationen zum Gesundheitszustand Öcalans oder um dessen Freilassung. Die Veranstaltungen verliefen überwiegend störungsfrei; zum Teil kam es zu versammlungstypischen Straftaten bis hin zu Angriffen auf die Polizei. 269 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS Auf die in der Folge des Attentats in Ankara vom 1. Oktober 2023 begonnene Luftoffensive der türkischen Armee gegen Stellungen und Infrastruktur der PKK reagierten PKK-Anhänger hierzulande mit zahlreichen Protestaktionen. Am 10. Oktober 2023 startete die PKK eine weltweite Kampagne unter dem Motto "Freiheit für Öcalan" mit Aktionen wie "Pressekonferenzen", Demonstrationen, Sitzstreiks vor öffentlichen Institutionen oder Infoständen in Innenstädten. Eine öffentliche Wahrnehmung dieser Aktivitäten konnte nicht erzielt werden, wohl auch aufgrund der die Berichterstattung seit dem 7. Oktober 2023 dominierenden Terrorangriffe der HAMAS gegen Israel. Hierzu enthielt sich die PKK in Deutschland einer eindeutigen Positionierung, vielmehr bedauerte sie vor allem den weiteren Rückgang des öffentlichen Interesses für die "kurdische Sache". Am 18. November 2023 führte die Organisation anlässlich des 30. Jahrestages des PKK-Betätigungsverbots in Berlin eine Kundgebung mit 4.000 Teilnehmenden durch, bei der sie die Aufhebung des Verbots forderte. Zudem erweiterte die PKK diesen Protest spontan um Kritik gegen den am Tag zuvor stattgefundenen Deutschlandbesuch des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. 3. Rekrutierungsmaßnahmen Vor dem Hintergrund der fortwährenden gewaltsamen Auseinandersetzungen mit türkischen Sicherheitskräften in den kurdischen Siedlungsgebieten setzt die PKK ihre Aktivitäten zur Rekrutierung vor allem jugendlicher Anhängerinnen und Anhänger aus Deutschland und Europa für den bewaffneten Kampf fort. Neben persönlicher Ansprache durch Funktionäre oder ihre Jugendorganisation wirbt die PKK auch in ihren oder ihr nahestehenden Medien. So ließ sich Murat Karayilan, Vorsitzender des Kommandorats der PKK-Guerilla HPG, in einem türkischsprachigen Beitrag sinngemäß zitieren: "Und ich rufe die jungen Männer und Frauen dazu auf, sowohl der Gesellschaft die Richtung zu weisen, als auch ihr Engagement zu verstärken und sich der Guerilla zuzuwenden. (...) Wir glauben, dass die kurdische Jugend dessen würdig ist. Vor ihnen fürchten sich die Feinde." (Hompage ANF, 2. Juni 2023) 270 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS Seit Beginn der statistischen Erfassung durch das BfV im Juni 2013 haben sich mehr als 300 Personen aus Deutschland in die kurdischen Siedlungsgebiete begeben und sich dort unter anderem Kampfeinheiten der PKK angeschlossen. Von den Ausgereisten sind mindestens 41 Personen dort ums Leben gekommen, etwa 160 Personen sind mittlerweile nach Deutschland zurückgekehrt. Im Jahr 2023 berichteten PKK-nahe Medien sowie das MedienzenGetötete trum der PKK-Guerilla HPG über mehrere Personen aus DeutschKämpferinnen land, die im Einsatz für die Kampfeinheiten der PKK ums Leben und Kämpfer aus gekommen sind. Ausdrücklich wurden zwei Frauen und zwei MänDeutschland ner im Alter zwischen 25 und 31 Jahren namentlich benannt, die unabhängig voneinander vor einigen Jahren aus Deutschland in die kurdischen Siedlungsgebiete ausgereist waren und bei bewaffneten Auseinandersetzungen mit dem türkischen Militär getötet wurden. Dies belegt, dass in Deutschland rekrutierte Personen, darunter auch deutsche Staatsangehörige, militärisch ausgebildet und in ausländischen Kampfgebieten eingesetzt werden. 4. Medienwesen Mittels ihres umfangreichen Medienapparats verbreitet die PKK ihre Ideologie und Propaganda, mit der sie die Gesamtheit der Kurdinnen und Kurden in ihrem Sinne zu beeinflussen und zu mobilisieren versucht. Von besonderer Bedeutung sind der in Norwegen beheimatete PKK-Fernsehsender "Sterk TV"125 und die in Neu-Isenburg (Hessen) herausgegebene PKK-Tageszeitung "Yeni Özgür Politika" (YÖP)126. Täglich berichtet auch die in den Niederlanden angesiedelte PKKnahe Nachrichtenagentur "Firat News Agency" (ANF)127 in mehreren Sprachen. Durch das seit August 2008 bestehende Portal "Gerila TV"128 wird mit speziellen Beiträgen der bewaffnete Kampf der Organisation verherrlicht. Mit der in den Niederlanden verlegten, monatlich erscheinenden PKK-Zeitung "Serxwebun"129 wird PKK125 "Stern TV". 126 "Neue Freie Politik". 127 "Ajansa Nuceyan a Firate". 128 "Guerilla TV". 129 "Unabhängigkeit". 271 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS Kadern die ideologische Ausrichtung vermittelt; zudem gibt es auch Jugendzeitschriften wie die "Sterka Ciwan"130. Über das Internet und die sozialen Medien zielt die PKK vor allem auf jüngere Personen ab. Mit Propagandavideos über die PKK-Guerillaeinheiten sollen neue Rekrutinnen und Rekruten für den bewaffneten Kampf in den kurdischen Siedlungsgebieten gewonnen werden. 5. Strafverfahren gegen Funktionäre Der Verfolgungsdruck auf PKK-Funktionäre in Deutschland ist weiterhin hoch. Auch 2023 wurden mehrere PKK-Führungskader wegen Unterstützung oder Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung PKK zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt: " Am 10. Februar 2023 verurteilte das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart einen Führungskader der PKK-Jugendorganisation TCS zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. In dieser Funktion war er von April 2019 bis Frühjahr 2020 zunächst im PKK-Gebiet Basel/Lörrach/Weil am Rhein, danach im PKK-Gebiet Wien (Österreich) und ab November 2020 bis zu seiner Festnahme am 20. September 2021 im PKK-Gebiet Berlin tätig.131 Das Urteil ist rechtskräftig. " Am 10. Mai 2023 verurteilte das OLG Koblenz einen Funktionär zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Der Angeklagte war seit Mai 2018 als hauptamtlicher Kader für die PKK tätig gewesen, zuletzt als Leiter des Gebiets Hamburg. Zuvor leitete er bereits die PKK-Region Saarland/Rheinland-Pfalz sowie den PKK-Sektor "Nord".132 Das Urteil ist rechtskräftig. " Am 11. Mai 2023 verurteilte das OLG Frankfurt am Main einen PKK-Funktionär zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und fünf Monaten. Der Angeklagte war seit August 2019 bis zu seiner Verhaftung am 11. Mai 2021 als Gebietsleiter unter anderem im Gebiet Stuttgart und als Regionsleiter in den Regionen Hessen und Saarland tätig.133 Das Urteil ist rechtskräftig. 130 "Stern der Jugend". 131 Vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 10.02.2023 - Az. 6-32 OJs 17/20. 132 Vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 10.05.2023 - Az. 1 StE 13/22. 133 Vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 11.05.2023 - Az. 5a-2 StE 13/21-6-1/21. 272 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS " Am 30. Mai 2023 verurteilte das OLG Stuttgart einen PKK-Funktionär zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Der Angeklagte leitete zwischen September 2011 und Oktober 2016 verschiedene PKK-Gebiete in Deutschland. Ab 2019 bis zu seiner Festnahme am 3. März 2022 war er als "Lagerhalter" für die PKK tätig.134 Das Urteil ist rechtskräftig. Der in Köln (Nordrhein-Westfalen) ansässige "AZADI RechtshilfePKK-Gefangenenhilfe fonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland e.V." (AZADI e.V.) unterstützt strafrechtlich verfolgte PKK-Funktionäre, indem er zum Beispiel Anwaltsund Prozesskosten für verurteilte Personen übernimmt und Inhaftierte finanziell unterstützt. Auf diese Weise sollen Betroffene weiterhin an die Organisation gebunden werden. Es bestehen enge Verbindungen zu PKK-nahen Organisationen und zur linksextremistischen "Roten Hilfe e.V.". 6. Gefährdungspotenzial Die PKK gilt weiterhin als mitgliederstärkste und schlagkräftigste Organisation im auslandsbezogenen Extremismus in Deutschland. Die von ihr durchgeführten öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen zeigen, dass sie nicht nur willens, sondern auch in der Lage ist, ihre Anhängerschaft umfangreich zu mobilisieren und darüber hinaus weitere Personen für ihre Anliegen anzusprechen. Zur Emotionalisierung ihrer Anhängerinnen und Anhänger fühGewalt bei ren vor allem die politischen und militärischen Entwicklungen Demonstrationen in der Türkei, im Nordirak und in Nordsyrien sowie das Schicksal Öcalans, wodurch auch die Sicherheitslage in Deutschland berührt wird. Permanentes Konfliktpotenzial bieten die zahlreichen im Bundesgebiet durchgeführten Protestaktionen der Organisation, bei denen es auch 2023 zu versammlungstypischen Straftaten, Angriffen auf die Polizei und zu Konfrontationen zwischen der PKKAnhängerschaft und türkischen Nationalisten beziehungsweise türkischen Rechtsextremisten kam. Daneben besteht in Deutschland nach wie vor die Gefahr miliBrandanschläge und tanter Aktionen gegen (halb)staatliche Einrichtungen der Türkei, Militanz der PKKwie Sachbeschädigungen oder Brandstiftungen gegen türkische Jugend 134 Vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 30.05.2023 - Az. 2 - 34 OJs 2/22. 273 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS Konsulate oder (vermeintlich) staatlich gelenkte türkische Vereine. So wurde am 2. November 2023 im Treppenhaus einer Gewerbeimmobilie in Offenbach am Main (Hessen), in der mehrere türkische Vereine ihre Geschäftsräume unterhalten, vorsätzlich ein Brand gelegt. Wenige Tage später wurden auf der Internetseite der PKK-Jugendorganisation ein Bekennerschreiben und ein Video veröffentlicht. Der Brandanschlag verdeutlicht das Gefährdungspotenzial, welches insbesondere von der PKK-Jugend ausgeht. Gewalt bleibt Auch wenn in Europa vordergründig friedliche Veranstaltungen strategische Option und Aktivitäten der PKK stattfinden, bleibt Gewalt auch hier eine strategische Option der PKK-Ideologie. Die Organisation ist in der Lage, zumindest punktuell auch in Deutschland Gewalt einzusetzen, sofern ihr dies geboten scheint. Darüber hinaus werden Strafund Gewalttaten ihrer jugendlichen Anhängerschaft zumindest geduldet. Die erfolgreichen Rekrutierungen von hier lebenden, vor allem jungen Personen für die Ausreise zum bewaffneten Kampf in den kurdischen Siedlungsgebieten zeigen zudem, dass die PKK auch von Deutschland aus Gewalt im Ausland unterstützt. III. Türkischer Linksextremismus Türkische Linksextremisten verfolgen das Ziel, die Staatsund Gesellschaftsordung in der Türkei gewaltsam zu überwinden und dafür eine kommunistische Gesellschaftsordnung zu errichten. Zu diesem Zweck befürworten sie offen Terroranschläge in der Türkei, die von ihren bewaffneten Einheiten oder Einzelpersonen verübt werden. Gemeinsame ideologische Grundlage ist der MarxismusLeninismus. 1. Überblick über Organisationen in Deutschland Zu den relevantesten in Deutschland aktiven türkischen linksextremistischen Organisationen gehören die "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C)135, die "Marxistische Le135 "Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi". 274 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS ninistische Kommunistische Partei" (MLKP)136, die "Türkische Kommunistische Partei-Marxisten Leninisten" (TKP-ML)137 und die "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML)138. Von Deutschland aus unterstützen sie ihre jeweilige Mutterorganisation in der Türkei propagandistisch, finanziell und logistisch sowie durch die Anwerbung neuer Mitglieder. Hierzulande agieren sie vor allem unter Tarnbezeichnungen oder mittels Umfeldund Jugendorganisationen, um ihre Zugehörigkeit zu den in der Türkei auch terroristisch agierenden Mutterorganisationen zu verschleiern. Neben öffentlichkeitswirksamen Kundgebungen und eigenen Propagandaveranstaltungen besteht in diesem Spektrum eine enge Zusammenarbeit mit deutschen Linksextremisten. Der europäische Dachverband der MLKP-Jugendorganisationen "Young Struggle" "Young Struggle" (YS) tritt in Deutschland unmittelbar als MLKPJugendorganisation auf und bemüht sich hierzulande vor allem um die Gewinnung neuer Mitglieder. Während andere türkische linksextremistische Jugendorganisationen fast ausschließlich aus türkeistämmigen Personen bestehen, ist es YS gelungen, auch deutsche Jugendliche ohne türkischen/kurdischen Hintergrund zu gewinnen. Hierfür besetzt YS regelmäßig auch Themen, die für die Mutterorganisation MLKP nur von geringem Interesse sind, aber allgemein eine hohe gesellschaftliche Relevanz oder Aktualität haben. Hierbei agiert YS regelmäßig gemeinsam mit deutschen Linksextremisten. Im Protestund Versammlungsgeschehen nach den Terrorangriffen der HAMAS gegen Israel am 7. Oktober 2023 und zum Krieg im Gazastreifen zeigte sich YS als einer der aktivsten extremistischen Akteure in Bezug auf Mobilisierung, Organisation und Teilnahme an propalästinensischen Versammlungen und spektrenübergreifenden Vernetzungstreffen. Im Zusammenhang mit dem Verbot von "Samidoun" (vgl. Kap. V) solidarisierten sich Ortsgruppen von YS wiederholt mit dem extremistischen palästinensischen Netzwerk. 136 "Marksist Leninist Komünist Parti". 137 "Türkiye Komünist Partisi-Marksist Leninist". 138 "Türkiye Komünist Partisi/Marksist-Leninist". 275 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS 2. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) Die marxistisch-leninistische Terrororganisation DHKP-C tritt für eine revolutionäre Zerschlagung der Staatsund Gesellschaftsordnung in der Türkei ein und zielt auf die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft. Sie propagiert einen permanenten bewaffneten Kampf unter Führung ihres militärisch-propagandistischen Armes "Revolutionäre Volksbefreiungsfront" (DHKC)139 und lehnt die Beteiligung an Wahlen ab. "Wir wollen keine Wahlen, wir wollen Revolution! (...) Wir wollen Krieg bis zur Unabhängigkeit gegen den Imperialismus und Befreiung gegen den Faschismus! Bis zum Schluss und unserem letzten Kämpfer sind wir marxistisch-leninistisch und errichten die Volksherrschaft, indem wir den Kampf gegen den Imperialismus und den kollaborierenden Faschismus ausweiten. ("Halk Okulu" Nr. 178, 9. April 2023, S. 9) Diese Zielsetzung bekräftigt die DHKP-C in ihrem alljährlich zur Parteigründung am 30. März veröffentlichten "Bulletin der DHKP"140: DER EINZIGE WEG IST DIE REVOLUTION, DIE EINZIGE RETTUNG IST DER SOZIALISMUS! KRIEG BIS ZUR BEFREIUNG!" ("DHKP-Bulletin" Nr. 56, 30. März 2023, Seite 6 ff.) Tötung mutmaßlicher Der DHKP-C gelang es aufgrund der verschärften SicherheitsmaßTerroristen in der nahmen in der Türkei in den letzten Jahren nicht mehr, dort an Türkei die Vielzahl der terroristischen Anschläge in den Jahren 2012-2016 anzuknüpfen. Entsprechende Versuche gibt es aber weiterhin. So wurden am 30. Oktober 2023 bei einem illegalen Übertritt an der griechisch-türkischen Grenze vier Mitglieder der DHKP-C bei einem Schusswechsel mit türkischen Sicherheitskräften getötet. Neben den eingesetzten Schusswaffen wurden bei ihnen auch Sprengstoffwesten und Sprengsätze gefunden, was auf einen in der Türkei geplanten Anschlag hindeutet. Die DHKP-C bezeichnete die Getöteten als "Märtyrer" und Kämpfer der DHKP-C und bestätigte 139 "Devrimci Halk Kurtulus Cephesi". 140 Die "Revolutionäre Volksbefreiungspartei" ("Devrimci Halk Kurtulus Partisi" - DHKP) ist der politische Arm der DHKP-C. 276 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS indirekt das Anschlagsvorhaben. Einer der Getöteten hielt sich über viele Jahre als Funktionär der DHKP-C in Deutschland auf und war hier wegen Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. In Deutschland unterliegt die DHKP-C seit 1998 einem OrganiVerbot und Auftreten sationsverbot. Von der EU ist sie seit 2002 und von den USA bein Deutschland reits seit 1997 als terroristische Organisation gelistet. Aus diesem Grund agiert die DHKP-C in Deutschland ausschließlich unter Tarnbezeichnungen (vgl. Kap. VI, Nr. 2). Diese ermöglichen es der DHKP-C, mittels vermeintlich legaler Strukturen öffentlich zu agieren und über die eigene Anhängerschaft hinaus Personen anzusprechen. Neben zahlreichen Büchern und Broschüren nutzt die DHKP-C ihre Website "Halkinsesi TV" sowie das Parteiorgan "Halk Okulu" zur Verbreitung von Ideologie und Propaganda. Nach den Festnahmen der Deutschlandverantwortlichen sowie Verunsicherung nach zweier ehemaliger Gebietsleiter der DHKP-C in Deutschland im Strafverfahren gegen Mai 2022 wurde am 14. Juni 2023 der Strafprozess vor dem OLG Führungskader Düsseldorf eröffnet. Zudem wurde am 9. Februar 2023 ein weiterer regionaler Funktionär der DHKP-C festgenommen, der sich seit dem 19. September 2023 vor dem OLG Stuttgart verantworten muss. Die Anklage lautet in beiden Fällen auf Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung DHKP-C gemäß SSSS 129a, b Strafgesetzbuch (StGB). Die daraus bereits im letzten Jahr resultierende Verunsicherung innerhalb der Anhängerschaft hat sich offenbar weiter verfestigt. So war die Beteiligung an Propagandaaktivitäten wie Kundgebungen oder internen Treffen weiter rückläufig. Dennoch versuchte die DHKPC auch 2023, ihre gewohnte Kampagnentätigkeit aufrechtzuerhalten, und begann eine Dauerkampagne für die Freilassung der inhaftierten Mitglieder und zur Abschaffung der SSSS 129a, b StGB. Drei Nachwuchsfunktionäre traten hierbei im Frühjahr 2023 in einen das Jahr andauernden unbefristeten Hungerstreik. Die jährliche Gedenkveranstaltung für die "revolutionären Märty"Märtyrer"-Gedenken rer" und zur Feier der Parteigründung am 15. April 2023 in Köln (Nordrhein-Westfalen) wurde nur unter Auflagen genehmigt. Aufgrund der Weigerung, die Auflagen zu erfüllen, wurde der Aufzug untersagt. An der ersatzweisen Standkundgebung nahmen rund 60 Personen teil (2022: 150). 277 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS Sommercamp Vom 23. Juli bis zum 6. August 2023 führten die DHKP-C und ihre Jugendorganisation "Dev Genc"141 ihr jährliches "Familien-, Jugendund Kinder-Sommercamp" in Südfrankreich durch. Die Zahl der Teilnehmenden war augenscheinlich im Vergleich zum Vorjahr nochmals zurückgegangen (2022: 80, 2021: 150; 2020/2019: 200). Zwar dürfte die Organisation das Ziel des Sommercamps, eine Anzahl ihrer Anhängerschaft zumindest zeitweilig in den eigenen Einflussbereich zu ziehen und politisch zu indoktrinieren, erreicht haben. Auch aufgrund des staatlichen Verfolgungsdrucks gelang dies zuletzt aber in immer geringerem Umfang. Beteiligung an Nach dem 7. Oktober 2023 beteiligte sich die DHKP-C mit ihren Protesten und Umfeldorganisationen zudem aktiv am Protestund VersammVersammlungen zu lungsgeschehen zum Terror der HAMAS und dem Krieg im Nahen Nahost Osten. Bei Kundgebungen und Veranstaltungen der DHKP-C kam es zu propalästinensischen Solidaritätsbekundungen sowie zu Teilnahmen und Reden von Angehörigen des verbotenen extremistischen Netzwerks "Samidoun". "Grup Yorum" Die türkische Musikgruppe "Grup Yorum" ist integraler Bestandteil der Propagandaaktivitäten der DHKP-C in Deutschland. Konzerte und sonstige Auftritte dienen der Verbreitung von Ideologie und Propagandathemen der DHKP-C weit über die eigene Anhängerschaft hinaus, was zur Rekrutierung neuer, vor allem jugendlicher Mitglieder genutzt wird. Im Jahr 2023 fanden mehrere Konzertveranstaltungen mit "Grup Yorum" in Deutschland statt, an denen teilweise bis zu 1.000 Personen teilnahmen. Für die Mehrzahl der Konzerte wurden durch die örtlichen Behörden beschränkende Auflagen hinsichtlich bestimmter Liedtitel mit gewaltverherrlichenden Inhalten, dem Zeigen von Symbolen der DHKP-C, dem Tragen uniformgleicher Kleidung oder der Verbreitung propagandistischer Materialien mit Werbung für die DHKP-C erlassen. Trotz der Auflagen und der im Vergleich zur Vergangenheit geringeren Besucherzahlen wurde die Durchführung der Konzerte von der DHKP-C als Erfolg gewertet. Tatsächlich handelt es sich bei "Grup Yorum" um eines der wichtigsten Propagandamittel der DHKP-C, auf deren Einnahmen und Reichweite sie stark angewiesen ist. GefährdungsDie DHKP-C unterliegt in der Türkei unverändert einem hopotenzial hen Verfolgungsdruck. Dort besteht weiterhin die Gefahr für 141 Abkürzung für "Devrimci Genclik" - "Revolutionäre Jugend". 278 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS terroristische Anschläge, wie zuletzt die Tötung der vier mutmaßlichen Terroristen durch türkische Sicherheitskräfte am 30. Oktober 2023 zeigte. Erneut wurde deutlich, dass für Anschläge in der Türkei auch zuvor in Deutschland lebende Personen infrage kommen. In Westeuropa und insbesondere in Deutschland gibt es weiterhin keine Anzeichen für eine Abkehr von dem im Februar 1999 erklärten Gewaltverzicht. IV. Türkischer Rechtsextremismus ("Ülkücü"-Bewegung) Die rechtsextremistische türkische "Ülkücü"-Bewegung ("Idealisten"-Bewegung) entstand Mitte des 20. Jahrhunderts. Sie beruft sich auf eine extrem nationalistische bis rechtsextremistische Ideologie, die von Elementen wie Rassismus, Antisemitismus und einer Überhöhung des Türkentums geprägt ist. Die behauptete kulturelle und religiöse Überlegenheit bewirkt die völkerverständigungswidrige Herabwürdigung anderer Volksgruppen und Religionen wie insbesondere Juden, Kurden und Armenier. Weitere Feindbilder sind der Kommunismus, der Kapitalismus und der "Imperialismus" sowie mit diesen Begriffen assoziierte Staaten. Das Ziel der Verteidigung und Stärkung des Türkentums, einhergehend mit dem Selbstverständnis, einem kriegerischen und wehrhaften Volk anzugehören, verstärkt den Abgrenzungswillen und die gesellschaftliche Desintegration. Idealvorstellung ist die Schaffung eines ethnisch homogenen Staates "Turan" unter Führung der Türken vom Balkan bis nach Westchina. Bekannteste Symbole und Erkennungszeichen der "Ülkücü"Bewegung sind der "Graue Wolf" ("Bozkurt") und der "Wolfsgruß", bei dem die Finger der rechten Hand am ausgestreckten Arm den Kopf eines Wolfes formen. Anhängerinnen und Anhänger der "Ülkücü"-Bewegung werden auch oft als "Graue Wölfe" ("Bozkurtlar") bezeichnet. Eine Organisation oder eine Zuordnung der gesamten "Ülkücü"-Anhängerschaft unter diesem Begriff gibt es aber in Deutschland nicht. Von den etwa 12.500 in Deutschland lebenden "Grauen Wölfen" Strukturen und sind etwa 10.500 in drei großen Dachverbänden organisiert, die in Entwicklungen in unterschiedlicher Ausprägung die "Ülkücü"-Ideologie vertreten. Deutschland 279 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS Teilweise handelt es sich um Auslandsorganisationen extrem nationalistischer türkischer Parteien. Die Verbände sind nach außen hin um ein gemäßigtes Auftreten bemüht. Ihre Mitglieder verzichten ganz überwiegend auf öffentliche Hassreden oder andere Strafund Gewalttaten und sind bemüht, sich vom politischen Gegner nicht provozieren lassen. Der Extremismus wird mehr innerhalb der Vereine ausgelebt und so eine Grundlage für die weitere Verbreitung der rechtsextremistischen Ideologie geschaffen. Unorganisierte "Graue Wölfe" leben ihre rassistischen oder antisemitischen Feindbilder dagegen häufig offen aus, etwa in den sozialen Medien, aber auch beim öffentlichen Aufeinandertreffen mit ihren politischen Gegnern, wo sich das hohe Gewaltpotenzial der Szene zeigt. 1. "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) Die "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF)142 ist der größte "Ülkücü"-Dachverband. Er vertritt hierzulande die Interessen der extrem nationalistischen türkischen "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP)143, die als Urorganisation der rechtsextremistischen "Ülkücü"-Bewegung gilt. Auch nach den Terrorangriffen der HAMAS gegen Israel behielt die ADÜTDF ihre öffentliche Zurückhaltung überwiegend bei und bezog nur vereinzelt Stellung. So repostete beispielsweise der Deutschlandvorsitzende der ADÜTDF Sentürk Dogruyol in den sozialen Medien eine Rede des MHP-Vorsitzenden, dessen Positionen sich der Verband regelmäßig zu eigen macht. Darin heißt es sinngemäß: "Man braucht kein Palästinenser zu sein, um den Massenmord und die nahezu genozidale Gewalt Israels in Gaza zu erkennen. (...) Gemeinschaftlich erdachte Pläne zwischen den USA und Israel dienen dazu, den Gazastreifen zu schlucken. 142 "Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu". 143 "Milliyetci Hareket Partisi". 280 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS (...) Ziel ist es, heute Palästina, morgen die gesamte Region und schließlich die Türkei zu belagern." (X-Account ADÜTDF-Vorsitzender, 24. Oktober 2023) 2. "ATIB - Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V." (ATIB) Die "ATIB - Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V." (ATIB)144 hat sich im Jahr 1987 von der heutigen ADÜTDF abgespalten, ohne sich dabei oder in der Folge ideologisch neu auszurichten. Sie steht für einen stärker islamisch orientierten Teil der "Ülkücü"-Bewegung. Die Zuordnung der ATIB zur rechtsextremistischen "Ülkücü"-Bewegung beruht vor allem auf ihrer organisatorischen Herkunft, ideologischen Gemeinsamkeiten, der Nutzung von "Ülkücü"-Symbolik und den Äußerungen sowie dem Verhalten ihrer Vertreter und einzelner Mitglieder. So bezeichnen die ATIB und ihre Vertreter sich selbst als "Ülkücü" und verweisen positiv auf die turanistische Idee sowie auf Vordenker der rechtsextremistischen "Ülkücü"-Ideologie. Organisatorisch ist die ATIB an keine Partei in der Türkei direkt angebunden. Stattdessen sucht sie die Nähe zu deutschen wie auch türkischen Verbänden und Einrichtungen. Dabei zeigt sich die ATÄdegB stark um gesellschaftliche Akzeptanz und Mitsprachemöglichkeiten bemüht und ist beispielsweise als Gründungsmitglied des Zentralrats der Muslime in Deutschland e.V. auch mit einem Mitglied in dessen Vorstand vertreten. Mit Urteil vom 7. September 2023 hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin bestätigt, dass hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Zuordnung der ATIB zur türkisch-rechtsextremistischen "Ülkücü"-Bewegung vorliegen, als deren Teil sie verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt. Die Klage des Verbands gegen seine Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten des Bundes 2019 und 2020 wurde abgewiesen.145 Die ATÄdegB hat in Bezug auf das Urteil einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. 144 "Avrupa Türk Islam Kültür Dernekleri Birligi". 145 Vgl. VG Berlin, Urteil vom 07.09.2023 - Az. VG 1 K 228/21. Das Gericht hat in seinem Urteil die Zulassung einer Berufung abgelehnt. Im November 2023 hat die ATÄdegB vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. 281 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS In Bezug auf die Terrorangriffe der HAMAS gegen Israel und den Krieg im Gazastreifen hielt sich auch die ATIB mit öffentlichen Äußerungen zurück. In den wenigen öffentlichen Postings einzelner Mitglieder in den sozialen Medien ist aber eine propalästinensische Positionierung der ATÄdegB zu erkennen. So postete ein ATÄdegBFunktionär sinngemäß: "Vergesst niemals, welche westlichen Politiker diesen Genozid unterstützt haben. Vergesst niemals, welche Hausmuslime in Deutschland diesen Genozid relativiert haben. Vergesst niemals, welche Vorzeigemuslime geschwiegen haben." (X-Account ATIB-Funktionär, 28. Oktober 2023) 3. "Föderation der Weltordnung in Europa" (ANF) Die "Föderation der Weltordnung in Europa" (ANF)146 ist die Europaorganisation der extrem nationalistischen türkischen "Partei der Großen Einheit" (BBP)147, einer noch stärker islamisch ausgerichteten Abspaltung der MHP. Ihre Ideologie eines extrem übersteigerten und islamisch geprägten Nationalismus mit rechtsextremistischen Ausprägungen richtet sich gleichermaßen gegen ethnische wie gegen religiöse Minderheiten. Primäres Identifikationsmerkmal und zugleich eine harte Abgrenzungslinie gegenüber Andersgläubigen ist für die ANF der Gedanke der "türkisch-islamischen Synthese". Ein Türkentum sei demnach nur in Verbindung mit dem Islam möglich. Das Streben nach der Vereinigung aller Turkvölker in einem homogenen Staat "Turan" gehört genauso zur politischen Agenda wie die Erschaffung einer neuen "Weltordnung" ("Nizam-i Alem") mit der Vision der Weltherrschaft des Islam unter türkischer Führung. Wie die anderen Dachverbände bezog auch die ANF trotz allgemeiner Zurückhaltung im Konflikt zwischen Israel und der HAMAS Stellung. Bereits am Tag der Terrorangriffe der HAMAS gegen Israel bekundete der ANF-Vorsitzende Erol Yazicioglu seine Solidarität mit der terroristischen HAMAS: 146 "Avrupa Nizam-i Alem Federasyonu". 147 "Büyük Birlik Partisi". 282 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS "Möge Gott meinen palästinensischen Brüdern, die gegen Israel unter der Bezeichnung 'Al-Aqsa-Sturm' eine Militäroperation begonnen haben, den Sieg schenken." (Facebook-Seite ANF, 7. Oktober 2023) 4. Unorganisierte "Graue Wölfe" Etwa 2.000 weitere "Graue Wölfe" werden dem unorganisierten Teil der "Ülkücü"-Bewegung zugerechnet. Dies sind neben Einzelpersonen auch Anhänger von "Ülkücü"-Kleinststrukturen, deren Existenz häufig nur von kurzer Dauer ist. Sie alle hängen der rechtsextremistischen "Ülkücü"-Ideologie in unterschiedlicher Ausprägung an und bringen dies überwiegend über die sozialen Medien zum Ausdruck, wo sie ihre meist rassistischen oder antisemitischen Feindbilder offen ausleben. Einige Personen erzielen dabei eine erhebliche Reichweite. Häufig sind auch Selbstinszenierungen mit Waffen oder andere Drohgebärden festzustellen, die Stärke, Überlegenheit und Wehrhaftigkeit ausdrücken sollen. Beim Aufeinandertreffen mit politischen Gegnern, etwa im Rahmen von Demonstrationen, zeigt sich das hohe Gewaltpotenzial der unorganisierten Szene. Immer wieder kommt es seitens türkischer Rechtsextremisten zu Versuchen, rockerähnliche Vereinigungen zu bilden. Bei diesen stehen meist allgemeinkriminelle Aktivitäten im Vordergrund; die "Ülkücü"-Ideologie ist hier lediglich ein Gemeinsamkeit stiftendes Merkmal. Anders war dies bei der rockerähnlichen Vereinigung "Turan e.V.", die bis zur ihrer Selbstauflösung im Jahr 2018 primär die rechtsextremistische "Ülkücü"-Ideologie propagiert und ausgelebt hatte. Hier kam es Ende 2023 zu einem Wiederaufleben von Aktivitäten unter Verwendung der Bezeichnung "Turan" und der Bezugnahme auf den früheren "Turan e.V.". Auf die Terrorangriffe der HAMAS gegen Israel am 7. Oktober 2023 reagierte die unorganisierte "Ülkücü"-Szene mit einer klar propalästinensischen Positionierung. Dabei wurde der Antisemitismus im türkischen Rechtsextremismus offenbart, der Terror der HAMAS gerechtfertigt und zugleich das Existenzrecht Israels bestritten. Neben Boykott-Aufrufen gegen israelische Unternehmen oder dort produzierte Waren und der Mobilisierung oder Teilnahme an propalästinensischen Kundgebungen sammelte die Szene 283 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS auch Spenden, sowohl für den Gazastreifen wie auch für die Organisation von Demonstrationen in Deutschland. V. Säkularer palästinensischer Extremismus Der säkulare palästinensische Extremismus stellt sich sehr heterogen dar. Einendes Element der verschiedenen Organisationen, Netzwerke, Bewegungen und Einzelpersonen ist die Feindschaft gegenüber Israel, dessen Existenzrecht sie nicht anerkennen und gegen das sie in völkerverständigungswidriger Weise agitieren. Auf dieser Grundlage bestehen zahlreiche Vernetzungen untereinander, so zum Beispiel zu islamistischen Palästinenserorganisationen, zu deutschen und türkischen Linksextremisten und zu türkischen Rechtsextremisten. Prägend für säkuläre palästinensische Extremisten ist der Territorialkonflikt mit Israel. Häufig wird der Staat Israel von ihnen mit "den Juden" gleichgesetzt. Die Agitation wird daher primär auf eine antizionistische und antiimperialistische Argumentation gestützt. Entsprechend regelmäßiger Parolen und Darstellungen soll Israel von der Landkarte getilgt werden und stattdessen ein palästinensischer Staat vom Jordanfluss bis zum Mittelmeer entstehen. "Volksfront für die Die "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP)148 wurde beBefreiung Palästinas" reits wenige Jahre nach ihrer Gründung im Jahr 1967 auch in (PFLP) Deutschland aktiv und setzte in den Anfängen auch hierzulande terroristische Mittel ein. Seit 2002 listet die EU sie als Terrororganisation. Die PFLP bestreitet das Existenzrecht Israels und propagiert offen den bewaffneten Kampf gegen Israel mit dem Ziel der Gründung eines palästinensischen Staates. Ideologisch gründet sich die PFLP auf den Grundsätzen des Marxismus-Leninismus, gleichzeitig prägt sie ein starker arabischer Nationalismus. So will sie nicht nur den Zionismus, sondern auch den westlichen Imperialismus zerschlagen. In Deutschland ist die PFLP vor allem propagandistisch aktiv. Sie tritt hier nicht offen unter ihrem Namen in Erscheinung, sondern organisiert beziehungsweise mobilisiert mittels ihrer Funktionäre oder Mitglieder zu Demonstrationen, Kundgebungen und Mahnwachen. Dies zeigte sich auch bei den Protesten im Nachgang zu den Terrorangriffen der HAMAS gegen 148 "Popular Front for the Liberation of Palestine". 284 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS Israel, wo Personen aus dem Umfeld der PFLP regelmäßig israelfeindliche Versammlungen organisierten. Das internationale palästinensische Gefangenensolidaritätsnetz"Samidoun - werk "Samidoun"149 wurde im Jahr 2011 von im Ausland ansässiPalästinensisches gen Mitgliedern der terroristischen PFLP gegründet. Zentrale ForGefangenenderung von "Samidoun" ist die Freilassung von Palästinenserinnen solidaritätsnetzwerk" und Palästinensern, die häufig aufgrund von Verbindungen zu Terrorismus oder zur terroristischen PFLP inhaftiert sind. Ideologisch entsprechen die Positionen denen der PFLP einschließlich der Ablehnung des Existenzrechts Israels. "Samidoun" befürwortet Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer Belange und ruft diese durch eigene Agitation hervor. So unterstützt das Netzwerk terroristische Vereinigungen wie die PFLP, die HAMAS oder die DHKP-C vor allem propagandistisch. In Deutschland tritt "Samidoun" seit 2019 öffentlich in Erscheinung. Seitdem sind die vor allem in Berlin sowie auch in Nordrhein-Westfalen sichtbaren Strukturen des Netzwerks immer wieder bei propalästinensischen Demonstrationen aufgefallen, wo es neben antisemitischen und israelfeindlichen Äußerungen und Darstellungen auch zu Ausschreitungen und gewalttätigen Angriffen auf die Polizei gekommen ist. "Samidoun" nutzt das hohe Vernetzungsund Mobilisierungspotenzial bei diesen Versammlungen sowie vor allem auch im Internet zur Mitgliederwerbung, Spendensammlung sowie zur Verbreitung von Propaganda und Falschinformationen. Über die sozialen Medien konnten Personen weit über die eigene Anhängerschaft hinaus erreicht und mobilisiert werden. Bereits wenige Stunden nach Bekanntwerden begrüßte "Samidoun" die Terrorangriffe der HAMAS, relativierte Terror gegen Zivilisten als "Widerstand" und feierte ihn durch das Verteilen von Süßigkeiten in Berlin. "Es lebe der Widerstand des palästinensischen Volkes. Verteilen von Süßigkeiten auf der Sonnenallee in Berlin zur Feier des Sieges des Widerstands". (Instagram-Account "samidoun_deutschland", 7. Oktober 2023) Am 2. November 2023 hat die Bundesinnenministerin die Betätigung des internationalen "Samidoun"-Netzwerks in Deutschland 149 "Samidoun - Palestinian Prisoner Solidarity Network". 285 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS verboten. Die Teilorganisation "Samidoun Deutschland", auch agierend unter den Bezeichnungen "HIRAK - Palestinian Youth Mobilization Jugendbewegung (Germany)" und "Hirak e.V.", wurde verboten und aufgelöst. Vom Verbot umfasst ist das öffentliche Auftreten unter der Bezeichnung oder die Betätigung für "Samidoun". Die für Propaganda und Mobilisierung wichtigen Social-MediaKanäle wurden abgeschaltet beziehungsweise sind in Deutschland gesperrt. Mit der Verfügung wurde zudem das Verwenden der Kennzeichen von "Samidoun" einschließlich der Parole "From the river to the sea, Palestine will be free" untersagt. Verschiedene Akteure aus dem deutschen und türkischen Linksextremismus erklärten sich in der Folge solidarisch mit "Samidoun". "Samidoun" selbst ist seit dem Verbot in Deutschland unter dieser Bezeichnung nicht mehr relevant öffentlich in Erscheinung getreten. Verdachtsfall Eine weitere Bewegung, die über israelfeindliche Positionen und "Boykott, entsprechende Aussagen der ihr zuzurechnenden Strukturen und Desinvestitionen und Anhängerschaft Bezüge zum säkularen palästinensischen ExtreSanktionen" (BDS) mismus aufweist, ist "Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen" (BDS)150. Das BfV bearbeitet BDS als extremistischen Verdachtsfall. Mit ihrer internationalen Kampagne fordert BDS einen totalen wirtschaftlichen Boykott, den Abzug von Investitionskapital sowie das Verhängen von Sanktionen gegen den Staat Israel. BDS ist keine homogene Vereinigung, Partei oder Organisation, sondern eine Bewegung, der sich unterschiedliche Gruppen und Personen zugehörig fühlen. Mit Gründung der BDS-Bewegung im Jahr 2005 unterstützten diese über 170 palästinensische Organisationen, darunter neben Nichtregierungsorganisationen auch palästinensische Terrororganisationen wie die HAMAS, der "Palästinensische Islamische Jihad" (PIJ) und die PLFP. Ideologische Grundlage ist der 2005 veröffentlichte gemeinsame Aufruf "Palestinian Civil Society Call for BDS" (BDS-Call). Im englischen Original wird als erste von drei zentralen Forderungen ein Ende der Besatzung "allen arabischen Landes" ("Ending its occupation and colonization of all Arab lands"151) verlangt, was hier als Forderung nach "ganz Palästina" im Sinne einer Beendigung der staatlichen Existenz Israels zu verstehen ist. Entsprechende Forderungen werden auch in Deutschland regelmäßig bei öffentlichen Versammlungen propagiert, an denen 150 "Boycott, Divestment and Sanctions". 151 Palestinian Civil Society Call for BDS, Website BDS Movement, 9. Juli 2005. 286 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS BDS-nahe Gruppierungen beteiligt sind. Es liegen hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass BDS damit unter anderem gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstößt. Der Deutsche Bundestag nahm am 17. Mai 2019 den Antrag "BDSBewegung entschlossen entgegentreten - Antisemitismus bekämpfen"152 an, demzufolge er jeder Form von Antisemitismus schon im Enstehen entschlossen entgegenwirkt und die BDSKampagne sowie den Aufruf zum Boykott verurteilt. Es dürften keine Organisationen finanziell gefördert werden, die das Existenzrecht Israels infrage stellen. Dies gelte auch für Projekte, die die BDS-Bewegung unterstützen und zum Boykott aufrufen. Danach war hierzulande ein deutlich vorsichtigeres Vorgehen führender BDS-Akteure hinsichtlich extremistischer Äußerungen feststellbar. Nach den Terrorangriffen der HAMAS auf Israel am 7. Oktober 2023 mobilisierten und beteiligten sich BDS-nahe Gruppierungen vielfach an israelfeindlichen Versammlungen und intensivierten ihre Forderungen nach dem Ende einer behaupteten "israelischen Apartheid" sowie die Aufrufe zum Boykott von Unternehmen und Waren mit Bezug zu Israel. Daneben gibt es in Deutschland Personen mit Bezügen zum paläsExtremistische tinensischen Extremismus, die sich antisemitisch oder israelfeindpalästinensische lich äußern oder betätigen, ohne dass eine Mitgliedschaft in der Einzelpersonen PFLP oder anderen extremistischen Palästinenserorganisationen festzustellen wäre. Aus diesem Spektrum werden immer wieder Aufrufe zur Gewalt gegen Jüdinnen und Juden in den sozialen Medien verbreitet. Das dieser Szene auch abseits fester Organisationszugehörigkeiten in Deutschland innewohnende Mobilisierungspotenzial wird immer wieder deutlich bei Protestkundgebungen zu jährlich wiederkehrenden Anlässen wie dem "al-Quds-Tag"153, dem "Nakba-Tag"154 oder dem "Tag der palästinensischen Gefangenen", aber auch bei spontanen Reaktionen auf aktuelle politische Ereignisse im Nahen Osten wie zuletzt den Terrorangriffen der HAMAS gegen Israel am 7. Oktober 2023. In der Folge versammelten 152 Bundestags-Drucksache (BT-Drucks.) 19/10191. 153 Al-Quds ist der arabische Name für Jerusalem. Der "al-Quds-Tag" fällt immer mit dem Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan zusammen. 154 Am 15. Mai findet seit 2004 jährlich der "Nakba-Tag" statt, an dem Palästinenser und ihre Unterstützer weltweit der Flucht und Vertreibung aus dem früheren britischen Mandatsgebiet Palästina in den Jahren 1948/1949 gedenken. Der arabische Begriff "Nakba" bedeutet übersetzt sinngemäß "Katastrophe". 287 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS sich bundesweit über mehrere Wochen tausende Personen, um sich mit dem palästinensischen Volk zu solidarisieren, aber auch, um ihren Hass auf Israel auszudrücken und den Terror unter anderem der HAMAS zu relativieren. Bei solchen Veranstaltungen gibt es immer wieder Äußerungen oder Darstellungen mit antisemitischen beziehungsweise antiisraelischen Inhalten sowie eine häufig aggressive Grundstimmung unter den Teilnehmenden, die wiederholt in körperlichen Auseinandersetzungen und Angriffen auf Journalisten oder die Polizei gipfelt. VI. Antisemitismus im auslandsbezogenen Extremismus Im Phänomenbereich "Auslandsbezogener Extremismus" sind Organisationen zusammengefasst, die rechtsoder linksextremistische Ideologien oder gewalttätige separatistische Bestrebungen in ihren Heimatländern verfolgen. Entsprechend unterschiedlich ist Antisemitismus in diesem Phänomenbereich ausgeprägt. Antisemitismus im Bei türkischen Rechtsextremisten, die sich als "Idealisten" vertürkischen Rechtsstehen (auf Türkisch: "Ülkücüler"; häufig auch als "Graue Wölfe" extremismus bezeichnet), ist Antisemitismus prägender Bestandteil ihrer Ideologie. Programmatisch für die Ideologie sind die rassistische Überhöhung des Türkentums sowie die Abwertung anderer Nationen, Ethnien und Religionen, verbunden mit dem Bestreben, in einem ersehnten Großreich "Turan" alle so verstandenen "Turkvölker" in einem Staat zu vereinen - wobei auf die derzeitigen Staatsgrenzen keine Rücksicht genommen wird. Damit einher geht ein antisemitisches Weltbild, das sich bereits bei Nihal Atsiz (1905-1975), einem der Vordenker der "Ülkücü"-Ideologie, finden lässt. Atsiz war areligiös eingestellt, seine ausgeprägte Judenfeindlichkeit manifestierte sich in unterschiedlichen Formen des Antisemitismus. So heißt es zum Beispiel in einer Veröffentlichung aus dem Jahr 1934: "Der zweite Feind ist der Jude. Sein Gott ist das Geld. Er ist ein ehrloser, habgieriger Mensch, der nicht davor zurückschreckt, die Fahne, in deren Schatten er lebt, zu verkaufen, um ein paar Münzen in seine Tasche zu stecken. In welchem Land auch immer er lebt, er ist dessen Feind. Aber diese Feindschaft lebt er nicht offen, sondern indem er (den Menschen) ins Gesicht lacht 288 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS und schmeichelt. Der Jude ist wie eine Flüssigkeit. Sie nimmt sofort die Form des Gefäßes an, in dem sie sich befindet. (...) Es gibt zwei Arten von Juden. Die einen sind ursprüngliche Juden, die an ihrer Sprache zu erkennen sind. Die anderen sind konvertierte Juden, die nicht an ihrer Sprache zu erkennen sind. Um sie zu erkennen, muss man ganz genau auf die entarteten jüdischen Linien in ihren Gesichtern achten."155 Darüber hinaus sind Verschwörungserzählungen, nach denen Juden die geheimen Machthaber und Strippenzieher auf der Welt seien, unter türkischen Rechtsextremisten verbreitet. Oft werden hierbei Betroffene als "Kryptojuden" diffamiert, also als Personen, die die ihnen zugeschriebene jüdische Herkunft verheimlichten, sich gar als Muslime tarnten, um so ihren obskuren Geschäften besser nachgehen zu können. Dieses Narrativ ist Ausdruck des politischen Antisemitismus. Mit Gründung Israels trat zusätzlich eine gegen den Staat Israel gerichtete Feindseligkeit hinzu, die mit der angeblichen Unterdrückung der muslimisch-arabischen Glaubensbrüder - insbesondere der Palästinenser - begründet wird. So wird von zeitgenössischen "Grauen Wölfen" bis hin zu türkischen Spitzenpolitikern immer wieder die "Befreiung" Jerusalems aus der Hand "der Juden" gefordert. Eindeutig antisemitisch wird es, wenn die Szeneangehörigen Israel zum Beispiel unterstellen, den halben Nahen Osten unter seine Herrschaft stellen zu wollen. Die "Ülkücü"-Bewegung ist somit im Kern antisemitisch. Auch der propalästinensische säkulare Extremismus benennt insAntisemitismus besondere den Kampf gegen den und letztlich die Vernichtung im säkularen des Staates Israel als handlungsleitendes Ziel. Propalästinensische palästinensischen säkulare Extremistinnen und Extremisten streiten regelmäßig das Extremismus Existenzrecht Israels sowie dessen sicherheitspolitisches Interesse auf Wahrung der Integrität des eigenen Staatsgebiets ab. Hauptanknüpfungspunkt der antisemitischen Agitation ist also die Existenz des Staates Israel, wobei dieser meistens mit "den Juden" gleichgesetzt wird.156 155 Nihal Atsiz, "Kommunist, Jude und Speichellecker", in: Orhun Nummer 5 vom 12.03.1934, veröffentlicht in: Nihal Atsiz, "Makaleler IV", Istanbul 2018 (4. Auflage), S. 139-142, hier S. 140-141. 156 Auch wenn Israel sich mit dem 2018 verabschiedeten Nationalstaatsgesetz selbst einen jüdischen Charakter zuschreibt, leben in Israel keineswegs nur Juden, sondern z.B. auch Christen, Muslime und Drusen, die ebenfalls über die israelische Staatsbürgerschaft verfügen. Eine Synonymsetzung von "Juden" und "Israel" ist folglich nicht zutreffend. 289 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS Charakteristisch für diese Form des Extremismus ist, dass die israelische Politik und das Handeln der israelischen Sicherheitskräfte gegenüber der palästinensischen Bevölkerung bei den (bisweilen persönlich oder familiär betroffenen) Anhängerinnen und Anhängern in Teilen starke negative Emotionen gegenüber Israel auslösen. Diese negativen Gefühle werden aufgrund der jüdischen Prägung Israels wiederum auf Jüdinnen und Juden insgesamt projiziert. Hinter vermeintlicher Kritik am israelischen Staat verbirgt sich nicht selten antisemitische Agitation, da nicht zwischen dem staatlichen Handeln und der jüdischen Religionsgemeinschaft differenziert wird und auch judenfeindliche Stereotype auf Israel übertragen werden. Diese Agitation schlägt sich insbesondere bei den neuerlichen Eskalationen im Nahostkonflikt in Demonstrationsund Gewaltaufrufen in Deutschland nieder, die dann gegebenenfalls in gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei münden. Antisemitismus Im türkischen Linksextremismus widerspricht Antisemitismus im türkischen zwar grundsätzlich der ideologisch angestrebten säkularen und Linksextremismus egalitären Staatsund Gesellschaftsordnung, dennoch sind immer wieder antisemitische Verlautbarungen aus der Szene zu beobachten. Diese richten sich jedoch nicht gegen Jüdinnen und Juden, sondern ideologisch begründet gegen den Staat Israel, dessen Existenzrecht verneint wird. Ähnlich den anderen Strukturen im türkischen Linksextremismus vertritt die türkische "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) als größte Organisation in diesem Spektrum die Haltung, dass der Staat Israel als "imperialistisches Projekt" abzulehnen sei. So forderte die Organisation im Jahr 2014: "Blutrünstiges zionistisches Israel, verschwinde aus dem Nahen Osten!" Nach dem Angriff der HAMAS auf Israel am 7. Oktober 2023, der bei allen extremistischen Gruppierungen mit Bezug zur Türkei zu zahlreichen Solidaritätsbekundungen mit "den Palästinensern" führte, bezog auch die DHKP-C klar Stellung zum Nahostkonflikt und solidarisierte sich mit den Palästinensern, in denen sie Verbündete im Kampf gegen "den Imperialismus" sieht. In Solidaritätsbekundungen hieß es unter anderem: 290 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS "Das palästinensische Volk nutzt heute sein Recht auf Widerstand. Das Recht auf Widerstand ist die Mutter aller Rechte. (...) Nieder mit dem Zionismus und dem Imperialismus, es lebe unser Kampf!"157 Ein ambivalentes Bild ergibt sich bei der "Arbeiterpartei KurdisAntisemitismus tans" (PKK). Deren ursprüngliche Zielsetzung war die Errichtung in der PKK eines unabhängigen, sozialistisch orientierten Kurdenstaats, mittlerweile wird die kulturelle Autonomie und lokale Selbstverwaltung für die Kurden innerhalb der Türkei angestrebt. Auch wenn jüdische Menschen und Israel keine zentralen Feindbilder der PKK sind, hat sich vor allem der Organisationsgründer Abdullah Öcalan immer wieder antisemitisch geäußert. Im Februar 2021 wird Öcalan zum Beispiel in der Zeitung "Serxwebun" mit der Aussage wiedergegeben, dass man den Anteil des jüdischen Kapitals und der jüdischen "Ideologen" am "Hitlerfaschismus" nicht vernachlässigen dürfe.158 Der Hinweis auf ein vermeintliches jüdisches Kapital suggeriert, dass Juden einen besonderen finanziellen Status besäßen, und bedient damit ein klassisches antisemitisches Stereotyp. Gleichzeitig schreibt Öcalan Juden damit eine eigene Mitschuld am Holocaust zu. Jenseits der spezifischen Besonderheiten hinsichtlich der jeweiliAntisemitismus als gen antisemitischen Ausprägungen in den ideologisch getrennten Brückennarrativ Bestrebungen des Phänomenbereichs konnte nach dem Angriff der HAMAS am 7. Oktober 2023 beobachtet werden, wie sich extremistische Bewegungen und Gruppierungen über Strömungen und Phänomenbereiche hinweg miteinander solidarisierten. Dies wirft ein Schlaglicht darauf, dass Israelfeindschaft und Antisemitismus Brückennarrative, also ideologische Schnittmengen zwischen unterschiedlichen extremistischen Einstellungen, sind. So kann hier exemplarisch für "Samidoun" festgehalten werden, dass dessen Anhängerinnen und Anhänger als Reaktion auf die Terroranschläge in Israel eine "Jubelfeier" auf der Sonnenallee in Berlin-Neukölln veranstalteten und Süßwaren an Passanten verteilten. Damit kam es zum Brückenschlag zwischen der säkularen 157 "Fasist 129 yasalari kaldiriliin Filistin Halkinin Direnisini Selamliyor" vom 10. Oktober 2023, in: www.halkinsesitv.info; abgerufen am 8. März 2024. 158 "Reber Apo'nun 'Kapitalist Uygarlik' adli savunmasindan alinmistir - Kapitalist modenite veulus-devlet", in: Serxwebun Nr. 470 vom Februar 2021, S. 16-19. Die "Serxwebun" (auf Deutsch: "Unabhängigkeit") ist eine monatlich erscheinende und in den Niederlanden verlegte PKK-Zeitung. 291 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS Organisation "Samidoun" und der islamistischen HAMAS, der auf dem beiderseitigen Antisemitismus fußte. Überdies stellte sich der "Deutschland-Koordinator" der Bewegung öffentlich in die Tradition bekannter Funktionäre der HAMAS und rechtfertigte und befürwortete wiederholt den Terrorismus der Organisation. Der Antisemitismus als Ideologieelement wird damit der Gesamtideologie übergeordnet. 292 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS VII. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 1. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Gründung: 1978 in der Türkei Leitung/Vorsitz: Abdullah Öcalan (Vorsitzender) Gruppe von Führungskadern Anhängerschaft 15.000 (2022: 14.500) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Serxwebun" (Zeitung, monatlich) "Yeni Özgür Politika" (Zeitung, täglich) "Sterk TV" (TV-Sender) Betätigungsverbot in Verbotsverfügung des Bundesministers Deutschland: des Innern vom 22. November 1993; das Verbot bezieht sich auch auf alle späteren Umbenennungen: "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" ("Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane" - KADEK) "Volkskongress Kurdistans" ("Kongra Gele Kurdistan" - KONGRA GEL) "Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan" ("Koma Komalen Kurdistan" - KKK) "Union der Gemeinschaften Kurdistans" ("Koma Civaken Kurdistan" - KCK) Jugendorganisation: "Komalen Ciwan"/"Tevgera Ciwanen Soresger" (TCS) 293 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS Die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) zielt auf eine politische und kulturelle Autonomie der Kurden in ihren Siedlungsgebieten unter Aufrechterhaltung nationaler Grenzen. Maßgeblich bleibt hierbei allein die von den Führungskadern vorgegebene Parteilinie. Die PKK-Guerilla verübt in der Türkei auch terroristische Anschläge. In Deutschland liegt der Schwerpunkt auf der logistischen und finanziellen Unterstützung der Gesamtorganisation, der Rekrutierung für den bewaffneten Kampf in der Heimatregion und der Aufhebung des Betätigungsverbots. Mithilfe sogenannter Massenorganisationen versucht die PKK ihre Anhängerschaft an sich zu binden, indem sie diese nach sozialen Kriterien oder Berufsund Interessengruppen organisiert. Hervorzuheben sind die PKK-Jugendorganisation und die PKK-Studierendenorganisation "Verband der Studierenden aus Kurdistan" (YXK)159 mit deren Frauenorganisation "Studierende Frauen Kurdistans" (JXK)160. Weitere Beispiele sind die "Kurdische Frauenbewegung in Europa" (AKKH/TJK-E)161 sowie Religionsgemeinschaften wie die "Islamische Gemeinde Kurdistans" (CIK), die "Föderation der demokratischen Aleviten e.V." (FEDA) und der "Zentralverband der Ezidischen Vereine e.V." (NAV-YEK). 159 "Yekitiya Xwendekaren Kurdistan". 160 "Jinen Xwendekar en Kurdistan". 161 Türkisch: "Avrupa Kürt Kadin Hareketi"/Kurdisch: "Tevgera Jinen Kurd li Ewropa". 294 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS 1.1 "Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland e.V." (KON-MED) Gründung: Mai 2019 Leitung/Vorsitz: bis Juni 2023: Zübeyde Zümrüt und Engin Sever ab Juni 2023: Emine Ruken Akca und Kerem Gök Regionale "Demokratisches Gesellschaftszentrum Untergliederungen: der KurdInnen in Norddeutschland e.V." (FED-DEM)162 "Freie Kurdistan Föderation Ostdeutschland" (FED-KURD)163 "Föderation der Freiheitlichen Gesellschaft Mesopotamiens in NRW e.V." (FED-MED)164 "Föderation der demokratischen Gesellschaften Kurdistans e.V." (FCDK-KAWA)165 "Föderation der Völker Kurdistans e.V." (FED-GEL)166 Die "Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland e.V." (KON-MED) ist die Dachorganisation der PKK-nahen Vereine in Deutschland. Ihr sind fünf regionale Föderationen nachgeordnet, welche den örtlichen Vereinen in Norddeutschland (FED-DEM), Ostdeutschland (FED-KURD), Nordrhein-Westfalen (FED-MED), Hessen und Saarland (FCDK-KAWA) sowie BadenWürttemberg und Bayern (FED-GEL) vorstehen. Im Sinne der PKK mobilisiert die KON-MED gemeinsam mit ihren Untergliederungen zu Veranstaltungen und Kundgebungen und beteiligt sich an der Öffentlichkeitsund Kampagnenarbeit. 162 "Federasyona Civaka Demokratik a Kurdistaniyen li Bakure Almanya". 163 "Federasyona Kurdistaniyen Azad li Rojhilate Almanya". 164 "Federasyona Civaken Azad yen Mezopotamya li NRW". 165 "Federasyona Civaka Demokratik a Kurdistaniyan". 166 "Federasyona Gelen Kurdistani". 295 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS 2. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) Gründung: 30. März 1994 in Damaskus (Syrien) Leitung/Vorsitz: Gruppe von Führungskadern Anhängerschaft 600 (2022: 650) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Halk Okulu" (wöchentlich) "Devrimci Sol" (jährlich) "Bizim Genclik" (unregelmäßig) "DHKC Milis" (unregelmäßig) Logo "Dev Genc" Organisationsverbot Verbotsverfügung des Bundesministers in Deutschland: des Innern vom 6. August 1998; Verbreitungsverbot für die ehemalige Wochenzeitschrift "Yürüyüs" Tarnbezeichnungen: "Anatolische Föderation"167 "Volksfront"168 "Volksrat"169 Jugendorganisation: "Devrimci Genclik" (kurz: "Dev Genc") Die "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) strebt auf Grundlage des Marxismus-Leninismus die Errichtung eines sozialistischen Systems durch gewaltsame Beseitigung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung in der Türkei an. Dazu hält sie an der Durchführung von Terroranschlägen in der Türkei fest. Einrichtungen des türkischen Staates bleiben weiterhin vorrangige Angriffsziele. In Deutschland leisten Anhängerinnen und Anhänger der DHKP-C logistische, finanzielle und propagandistische Unterstützung. Ein wichtiges Propagandainstrument ist die der DHKP-C zuzurechnende Musikgruppe "Grup Yorum", über deren Konzerte die Organisation ihre Ideologie verbreitet, Nachwuchs rekrutiert und Gelder generiert. 167 "Anadolu Federasyonu". 168 "Halk Cephesi". 169 "Halk Meclisi". 296 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS 3. "Türkische Kommunistische Partei-Marxisten-Leninisten" (TKP-ML)170 Gründung: 2019/2020 Leitung/Vorsitz: Gruppe von Führungskadern Anhängerschaft 650 (2022: 650) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Özgür Gelecek" (Zeitung/Zeitschrift, 14-täglich) Umfeldorganisationen: "Konföderation der ArbeiterInnen aus der Türkei in Europa" (ATIK)171 "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V." (ATIF)172 "Neue Frau" ("Yeni Kadin") Jugendorganisation: "Neue Demokratische Jugend" (YDG)173 Die maoistisch ausgerichtete "Türkische Kommunistische ParteiMarxisten Leninisten" (TKP-ML) will in der Türkei einen bewaffneten revolutionären Umsturz herbeiführen mit dem Ziel, dort ein totalitäres kommunistisches System zu errichten. In Deutschland leistet die Anhängerschaft der TKP-ML propagandistische, logistische und finanzielle Unterstützung. Ereignisse in der Türkei werden von der Organisation propagandistisch thematisiert und in ihrem Sinne umgedeutet. Anlassbezogen arbeitet die TKP-ML mit anderen türkischen, kurdischen und deutschen linksextremistischen Organisationen zusammen. 170 "Türkiye Komünist Partisi-Marksist Leninist". 171 "Avrupa Türkiyeli Isciler Konfederasyonu". 172 "Almanya Türkiyeli Isciler Federasyonu". 173 "Yeni Demokratik Genclik". 297 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS 4. "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML)174 Gründung: 2019/2020 Leitung/Vorsitz: Gruppe von Führungskadern Anhängerschaft 150 (2022: 150) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Yeni Demokrasi" (Zeitung/Zeitschrift, 14-täglich) Umfeldorganisationen: "Verband der Werktätigen MigrantInnen in Europa" (AGEB)175 "Lila-Rot-Kollektiv" (Frauenorganisation)176 Jugendorganisation: "Jugendinitiative Partizan/MarxistischLeninistisch-Maoistisch" (PGI/MLM)177 Die maoistisch ausgerichtete "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) strebt in der Türkei einen bewaffneten revolutionären Umsturz an mit dem Ziel, das bestehende Gesellschaftssystem zu zerschlagen und an dessen Stelle ein totalitäres kommunistisches System zu errichten. Die Umfeldorganisationen sowie die Anhängerinnen und Anhänger in Deutschland leisten hierzulande propagandistische, logistische und finanzielle Unterstützung. 174 "Türkiye Komünist Partisi/Marksist-Leninist". 175 "Avrupa Göcmen Emekciler Birligi". 176 "Mor-Kizil Kolektif". 177 "Partizan Genclik Inisiyatifi/Marksist-Leninist-Maoist". 298 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS 5. "Marxistische Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP)178 Gründung: 1994 in der Türkei Leitung/Vorsitz: Funktionärsgruppe Anhängerschaft 600 (2022: 600) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Atilim" (Zeitung, wöchentlich) Umfeldorganisationen: "Konföderation der unterdrückten Migranten in Europa" (AvEG-Kon)179 "Föderation der Arbeitsimmigrant/innen in Deutschland e.V." (AGIF)180 Jugendorganisation: "Young Struggle" (YS) Die "Marxistische Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) strebt in der Türkei die gewaltsame Zerschlagung der staatlichen Ordnung und die Errichtung eines kommunistischen Gesellschaftssystems an. Dabei versteht die MLKP sich als politische Vorhut des Proletariats der türkischen und kurdischen Nation sowie der nationalen Minderheiten. Zur Erreichung ihrer Ziele bedient sich die MLKP in der Türkei auch terroristischer Mittel. In Deutschland agiert die MLKP in der Regel nicht offen, sondern mittels ihrer Umfeldorganisationen. Die Hauptbetätigungsfelder hierzulande sind dabei die propagandistische Unterstützung des bewaffneten Kampfes im Heimatland, die Gewinnung neuer Mitglieder für die Umfeldorganisationen und das Sammeln von Spendengeldern. Mit Kampagnen und Kundgebungen gedenkt die Organisation regelmäßig ihrer für die Revolution gestorbenen "Märtyrer". Anstelle ihrer "Kommunistischen Jugendorganisation" (KGÖ)181 ist für die MLKP in Deutschland "Young Struggle" (YS) aktiv. Die Organisation wurde 2010 in Stuttgart (Baden-Württemberg) gegründet und fungiert als Dachverband für alle MLKP-Jugendorganisationen in Europa. 178 "Marksist Leninist Komünist Parti". 179 "Avrupa Ezilen Göcmenler Konfederasyonu". 180 "Almanya Göcmen Isciler Federasyonu". 181 "Komünist Genclik Örgütü". 299 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS 6. "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) Gründung: 1978 in Frankfurt am Main (Hessen) Sitz: Frankfurt am Main Leitung/Vorsitz: Sentürk Dogruyol Anhängerschaft 7.000 (2022: 7.000) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Bülten" (Zeitung/Zeitschrift, unregelmäßig) Die "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) vertritt in Deutschland die Interessen der extrem nationalistischen türkischen "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP) - der Hauptorganisation der rechtsextremistischen "Ülkücü"-Bewegung. Deren übersteigert nationalistische bis rechtsextremistische Ideologie wird auch von der ADÜTDF geteilt. Der streng hierarchisch organisierte Verband hat Deutschland organisatorisch in 15 "Bölge" ("Gebiete") eingeteilt, in denen er über 200 Vereine unterhält. 300 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS 7. "ATIB - Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V." (ATIB) Gründung: 1987 Sitz: Köln (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Ädegmam Cengiz Anhängerschaft 2.500 (2022: 2.500) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Referans" (Zeitschrift, zweimonatlich) "Divan" (Zeitung monatlich) Die "ATIB - Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V." (ATIB) hat sich 1987 von der heutigen ADÜTDF (vgl. Nr. 6) abgespalten, ohne sich in der Folge ideologisch neu auszurichten. Sie steht mit ihren 24 Ortsvereinen in Deutschland für einen stärker islamisch orientierten Teil der rechtsextremistischen "Ülkücü"Bewegung. 301 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS 8. "Föderation der Weltordnung in Europa" (ANF) Gründung: 1994 Sitz: Ludwigshafen am Rhein (Rheinland-Pfalz) Leitung/Vorsitz: Erol Yazicioglu Anhängerschaft 1.000 (2022: 1.000) in Deutschland: Bei der "Föderation der Weltordnung in Europa" (ANF) handelt es sich um die Europaorganisation der extrem nationalistischen türkischen "Partei der Großen Einheit" (BBP). Die BBP versteht sich selbst als Teil der "Ülkücü"-Bewegung, wobei sie stärker islamisch ausgerichtet ist. Wie ihre Mutterorganisation ist auch die ANF der rechtsextremistischen "Ülkücü"-Bewegung zuzurechnen. Ihre Anhängerschaft ist in Deutschland auf lokaler Ebene in etwa 15 Ortsvereinen organisiert. 302 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS 9. "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) Gründung: 1967 Sitz: Damaskus (Syrien) Leitung/Vorsitz: Generalsekretär Ahmad Sa'adat (in Israel inhaftiert); Vertreter: Jamil Mazhar Anhängerschaft 100 (2022: 100) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Al-Hadaf" (Onlinepublikation) Die marxistisch-leninistisch geprägte "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) ist eine stark nationalistisch ausgerichtete palästinensische Terrororganisation. Sie lehnt die Existenz des Staates Israel ab und verfolgt das Ziel eines palästinensischen Staates in den Grenzen eines historischen "Palästina" vor Gründung des modernen Staates Israel mit Jerusalem als Hauptstadt. Dazu propagiert die PFLP den bewaffneten Kampf und sucht den Schulterschluss mit Organisationen wie "Hizb Allah" und HAMAS (vgl. Berichtsteil Islamismus/islamistischer Terrorismus, Kap. VIII, Nr. 8 und 9). Anhängerinnen und Anhänger der PFLP begehen nach wie vor terroristische Anschläge, bei denen es auch Todesopfer zu beklagen gibt. Auch hierbei offenbart die PFLP - entgegen ihrem nach außen propagierten Selbstbild - ihren antisemitischen Charakter, indem sie Anschläge gezielt gegen jüdische Israelis richtet. In Deutschland ist die PFLP nicht terroristisch tätig. Die hier aktive Anhängerschaft verbreitet insbesondere israelfeindliche Propaganda und wirbt um politische Unterstützung und Spenden zur Unterstützung ihrer Strukturen und des bewaffneten Kampfes in Nahost. Ehemalige Terroristen der PFLP genießen bei deren Anhängerschaft große Anerkennung und werden gezielt zur Indoktrinierung nach Deutschland eingeladen. Die PFLP unterhält auch Kontakte zum deutschen Linksextremismus, vor allem zur "Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands" (MLPD, vgl. Berichtsteil Linksextremismus, Kap. VI, Nr. 8) sowie zum "antiimperialistischen" Spektrum (vgl. Berichtsteil Linksextremismus, Kap. III, Nr. 2.3). 303 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS 10. "Samidoun - Palästinensisches Gefangenensolidaritätsnetzwerk" ("Samidoun")182 Gründung: 2011 Sitz: USA Leitung/Vorsitz: Charlotte Kates Anhängerschaft 50 in Deutschland: Betätigungsund Verbotsverfügung der BundesministeOrganisationsverbot rin des Innern vom 2. November 2023; in Deutschland: Betätigungsverbot für das internationale "Samidoun - Palestinian Prisoner Solidarity Network"; Organisationsverbot für die Teilorganisation "Samidoun Deutschland", auch agierend unter den Bezeichnungen "HIRAK - Palestinian Youth Mobilization Jugendbewegung (Germany)" und "Hirak e.V." "Samidoun" wurde 2011 in den USA von Mitgliedern der terroristischen "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) gegründet und ist in Form sogenannter Chapter vor allem in Nordamerika und Europa aktiv. Primäre Forderung ist die Freilassung palästinensischer Gefangener aus israelischen Gefängnissen. "Samidoun" lehnt das Existenzrecht Israels ab und fordert die Errichtung eines eigenen Staates "Palästina" "vom Fluss bis zum Meer". In Israel ist "Samidoun" als Teil des Auslandsnetzwerkes der PFLP seit 2021 als Terrororganisation eingestuft. In den sozialen Medien und bei Versammlungen verbreiten Anhängerschaft und Sympathisantinnen und Sympathisanten von "Samidoun Deutschland" dessen antisemitische, israelfeindliche und damit völkerverständigungswidrige Positionen. Das Mobilisierungspotenzial reicht weit über die Anhängerschaft hinaus. Vielfach zeigen sich Verbindungen zu anderen extremistischen palästinensischen Akteuren sowie zu Strukturen aus dem deutschen und türkischen Linksextremismus. 182 "Samidoun - Palestinian Prisoner Solidarity Network". 304 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS 11. Extremistisches/terroristisches Sikh-Spektrum Anhängerschaft 400 (2022: 400) in Deutschland: Relevante Organisatio"Babbar Khalsa International" (BKI) nen in Deutschland: "Babbar Khalsa Germany" (BKG) Die in Pakistan ansässigen separatistisch-terroristischen SikhOrganisationen streben die Gründung eines eigenen Sikh-Staates "Khalistan" ("Land der Reinen") auf dem Gebiet des indischen Bundesstaats Punjab an. Dazu wenden diese Organisationen sowohl politische als auch terroristische Mittel an. Durch gezielte Anschläge auf indische Politikerinnen und Politiker, militärische Einrichtungen insbesondere im Punjab und auf Religionsführer aus der Glaubensgemeinschaft der Sikhs, die aus Sicht dieser Organisationen nicht den orthodoxen Glauben verbreiten, destabilisieren sie gezielt die Sicherheitslage in Indien und nehmen auch Opfer unter der Zivilbevölkerung in Kauf. Von den schätzungsweise etwa 25.000 in Deutschland lebenden Anhängerinnen und Anhängern der Religionsgemeinschaft der Sikhs werden bis zu 400 Personen dem extremistischen Sikh-Spektrum zugerechnet. Sie sind hierzulande nicht terroristisch aktiv, unterstützen aber den Separationskampf der Sikhs in Indien vor allem mit propagandistischen Mitteln. Auf internationaler politischer Ebene setzen sie sich für die in Indien inhaftierte Gefolgschaft der "Khalistan"-Idee ein. Mit regelmäßig stattfindenden Kundgebungen vor den diplomatischen Vertretungen der Republik Indien fordert die Anhängerschaft extremistischer Sikh-Organisationen einen eigenen, von Indien unabhängigen Staat. Diese Protestkundgebungen verliefen in Deutschland bislang gewaltfrei. Im Rahmen von Gedenkveranstaltungen in den über 40 Sikh-Tempeln in Deutschland ("Gurdwaras") werden die im Kampf für "Khalistan" gestorbenen Personen als "Märtyrer" verehrt. Mittels Spendengeldsammlungen erhalten die Hinterbliebenen auch finanzielle Unterstützung von den in Deutschland aktiven Sikh-Organisationen. 305 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS 306 Spionage, Cyberangriffe und sonstige sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Aktivitäten für eine fremde Macht 307 Spionage, Cyberangriffe und sonstige sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Aktivitäten für eine fremde Macht I. Überblick und Entwicklungstendenzen Bedrohung durch Deutschland ist auch aufgrund seiner Rolle in EU, NATO und umfassende Spionage weiteren internationalen Organisationen für andere Staaten von besonderem Interesse und weiterhin ein zentrales Ziel von politischer Spionage. Die weltpolitischen Verwerfungen, wirtschaftlichen Verschiebungen und Neuerungen sowie auch der Paradigmenwechsel in der Sicherheitsund Verteidigungspolitik, der in Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sowie im Lichte des deutlich offensiveren Auftretens Chinas zur Verwirklichung seiner Interessen eingesetzt hat, führten im Berichtsjahr zu einer stärkeren Fokussierung von Politik und Öffentlichkeit auf das Agieren fremder Nachrichtendienste. Fremde Mächte setzen ihre Nachrichtendienste umfassend ein, um so in und gegen Deutschland zu spionieren. Dazu kommen weitere illegitime oder auch illegale Methoden und Mittel, mit denen nicht nur Informationen erlangt, sondern auch Einfluss ausgeübt, von ihm als Gegner eingestufte und im Ausland lebende Personen überwacht oder verfolgt (Transnationale Repression)183 oder Sabotagemöglichkeiten erkundet werden sollen. Zu den im Rahmen jener Spionageaktivitäten eingesetzten Mitteln zählen menschliche Quellen genauso wie Cyberangriffe und andere technische Aufklärungsmittel, darunter die Überwachung drahtloser Kommunikation. Solche nachrichtendienstlichen Aktivitäten stellen eine ernsthafte Bedrohung für Deutschland und deutsche Interessen dar. Proliferation Die Aktivitäten fremder Mächte umfassen auch das Beschaffen von Produkten und Wissen zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen, deren Trägersystemen, anderen Rüstungsgütern oder Elementen neuartiger Waffensysteme. Zusätzlich bemühen sie sich 183 Transnationale Repression beschreibt die von Staaten außerhalb ihrer Landesgrenzen betriebenen Unterdrückungsmaßnahmen. Sie richten sich gegen im Ausland lebende Dissidentinnen und Dissidenten oder sonstige von der Regierung des Heimatlandes als Gegnerinnen und Gegenern eingestufte Personen. Gängige Formen Transnationaler Repression sind die Ausspähung dieser Personenkreise, die Bedrohung und Verfolgung oppositioneller Gruppierungen sowie im extremsten Fall Staatsterrorismus mit schwersten Gefahren für Leib und Leben. 308 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN um militärisch anwendbare Hochtechnologie, um ihre regionalen oder weltpolitischen Ambitionen mit militärischen Drohgebärden unterfüttern zu können. Spionage, Cyberangriffe, Desinformation sowie unzulässige ausHohe Gefährdung ländische Einflussnahme, Proliferation und Staatsterrorismus hadurch fremde ben erhebliche negative Auswirkungen für Deutschland. So beeinNachrichtendienste trächtigt das rechtswidrige Agieren fremder Nachrichtendienste grundsätzlich die nationale Souveränität Deutschlands. Seine außenpolitische Verhandlungsposition kann in der Folge geschwächt, der gesellschaftliche Zusammenhalt erschwert und die freie Meinungsund Willensbildung gestört werden. Die durch fremde Nachrichtendienste in Deutschland betriebene Ausforschung und Unterwanderung oppositioneller Gruppen aus Drittstaaten schaffen weitere Bedrohungen; nicht nur bei Staatsterrorismus stellen sie eine Gefahr für Leib und Leben für hier Schutzsuchende dar. Cyberangriffe und Spionage verursachen zudem jedes Jahr erhebliche betriebsund volkswirtschaftliche Schäden. Die Hauptakteure gegen Deutschland gerichteter Spionage, nachVier Hauptakteure richtendienstlich gesteuerter Cyberangriffe, von Proliferation und von unzulässiger Einflussnahme sind - mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten - die Russische Föderation, die Volksrepublik China, die Islamische Republik Iran und die Republik Türkei. Dabei prägte der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine unverändert die Arbeit der Cyberund Spionageabwehr. Weiterhin arbeitet Russland daran, die in den vergangenen zwei Jahren in mehreren Schritten erfolgte deutliche Reduzierung des nachrichtendienstlichen Personals an russischen diplomatischen Vertretungen in Deutschland zu kompensieren. Aber auch das umfassende und strategisch gesteuerte Vorgehen Chinas bei Spionage und anderen Formen unerwünschten Wissenstransfers fordert die Cyberund Spionageabwehr besonders heraus. Mit seiner Analyse nachrichtendienstlicher Cyberangriffe und Cyberabwehr und APT184-Gruppierungen ist das BfV ein wichtiger Pfeiler der deutschen Zusammenarbeit im Cybersicherheitsarchitektur. Die Zusammenarbeit im Nationalen Cyber-AZ Cyber-Abwehrzentrum sichert den stetigen Informationsaustausch 184 APT steht für "Advanced Persistent Threat" (etwa "fortgeschrittene, andauernde Bedrohung") und bezeichnet einen komplexen, zielgerichteten und effektiven Angriff auf IT-Strukturen durch einen gut ausgebildeten und ressourcenstarken Angreifenden. 309 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN zwischen den für Cybersicherheit zuständigen Behörden, um der hohen Bedrohungslage durch Cyberangriffe wirkungsvoll zu begegnen. GETZ Nationale Zusammenarbeit im Bereich der Cyberund Spionageabwehr pflegt das BfV auch im Gemeinsamen Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum (GETZ). Daneben ist auch die internationale Kooperation ein wichtiger Bestandteil der Arbeitsweise. Nationale Das BfV wirkt zudem in der ressortübergreifenden "ArbeitsgrupZusammenarbeit in pe zur Strategischen Koordination des Umgangs mit Hybriden der AG Hybrid Bedrohungen" (AG Hybrid) der Bundesregierung mit. Hybride Bedrohungen bezeichnen verschiedene Formen illegitimer Einflussnahme auf Staaten durch fremde Staaten. Dabei versuchen diese fremden Staaten, auch mittels nicht staatlicher Akteure, durch den koordinierten Einsatz verschiedener Instrumente ihre Ziele durchzusetzen. Sie beabsichtigen hierbei, auf politische Entscheidungsprozesse einzuwirken, das Vertrauen in demokratische Prozesse und rechtsstaatliche Institutionen zu schwächen sowie die staatliche Ordnung zu destabilisieren. Fremde Staaten nutzen dazu neben ihren Nachrichtendiensten auch andere staatliche Kapazitäten oder staatlich beeinflusste Organisationen. Zu den eingesetzten Instrumenten gehören beispielsweise Desinformation, Cyberangriffe auf staatliche Stellen und Unternehmen, Spionage, wirtschaftliche Einflussnahme, zum Beispiel durch gezielte Investition in Schlüsselindustrien, und Sabotageaktionen. Entsprechende illegitime Einflussnahmeaktivitäten erfolgen oft auch unter gezielter Verschleierung der Herkunft beziehungsweise Urheberschaft oder der Absichten. II. Nachrichtenund Sicherheitsdienste der Russischen Föderation Ausweisung Im Jahr 2023 reisten auf Veranlassung der Bundesregierung - als russischer Reaktion auf den völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg - Diplomaten weitere185 Diplomaten aus; außerdem mussten vier der fünf russischen Konsulate geschlossen werden. Infolge der zwischen dem 185 Bereits im April 2022 hatte Deutschland als Reaktion auf den Angriffskrieg Russlands 40 russische Diplomaten ausgewiesen, bei denen es sich um Nachrichtendienstangehörige gehandelt hatte. 310 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Auswärtigen Amt und dem russischen Außenministerium erzielten Einigung auf Obergrenzen des jeweiligen akkreditierten diplomatischen Personals in Deutschland und Russland verfügt Russland seit Beginn des Jahres 2024 über lediglich zwei diplomatische Vertretungen in Deutschland - die Botschaft in Berlin und das Generalkonsulat in Bonn (Nordrhein-Westfalen). Insgesamt wurden in Europa seit Beginn der Invasion über 600 Angehörige russischer diplomatischer Vertretungen ausgewiesen. Auch wenn die nachrichtendienstliche Arbeit der russischen Dienste dadurch zumindest vorübergehend eingeschränkt wird, bleiben die russischen Legalresidenturen186 im Fokus der Spionageabwehr des BfV. Die westlichen Sanktionen, insbesondere die Maßnahmen gegen die Legalresidenturen, führen zu Bestrebungen der russischen Dienste, mittelund langfristig andere Wege der nachrichtendienstlichen Informationsbeschaffung einzuschlagen. Dazu gehören reisende Führungsoffiziere, sogenannte Illegale - also mit falscher Identität eingeschleuste Personen, die für Nachrichtendienste aktiv sind - sowie die Nutzung von Personal, welches zum Schein einer regulären Beschäftigung außerhalb staatlicher Stellen nachgeht, tatsächlich aber für nachrichtendienstliche Zwecke vorgesehen ist. Auch internationale Organisationen können zunehmend als Abdeckungsmöglichkeiten für russische Nachrichtendienstoffiziere genutzt werden. 1. Zielbereiche und Schwerpunkte der Informationsbeschaffung Die Aktivitäten russischer Nachrichtendienste in Deutschland bewegten sich schon vor Kriegsausbruch seit vielen Jahren auf hohem Niveau. Die nachdrücklichen Spionageaktivitäten erstrecken sich mit unterschiedlicher Intensität auf die Zielbereiche Politik und Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft, Technik sowie Militär. Im Blickpunkt der russischen Nachrichtendienste stehen sämtliRussisches che Politikfelder, die einen möglichen Bezug zu Russland haben. Aufklärungsinteresse 186 Getarnte Stützpunkte eines ausländischen Nachrichtendienstes, die sich in einer offiziellen oder halboffiziellen Vertretung (z.B. Botschaft, Handelsvertretung, staatliche Fluggesellschaft) befinden. 311 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Im Zuge der westlichen Sanktionen wegen des Angriffskriegs Russlands stehen die Bündnispolitik im Rahmen der EU sowie der NATO, aber auch die Außenund Wirtschaftspolitik weiterhin stark im Fokus. Von besonderem Interesse sind die (sicherheits-)politischen Ziele Deutschlands sowie seiner Bündnisse im Hinblick auf das Kriegsgeschehen und die diesbezügliche Haltung sowohl gegenüber der Ukraine als auch gegenüber Russland. Mit Blick auf die deutsche Innenpolitik sowie die deutsche und europäische Energiepolitik versuchen die russischen Dienste, Informationen zu parteipolitischen Strukturen, Entwicklungsprozessen und zu inhaltlichen Positionen einzelner Parteien zu erlangen, um die Folgen bestimmter Wahlergebnisse einschätzen zu können. Anklage wegen Am 24. August 2023 erhob der Generalbundesanwalt (GBA) vor besonders schweren dem Staatsschutzsenat des Kammergerichts in Berlin Anklage Landesverrats wegen besonders schweren Landesverrats gegen zwei deutsche Staatsangehörige. Es soll zur Übergabe sensibler Informationen des Bundesnachrichtendienstes (Staatsgeheimnisse im Sinne des SS 93 Strafgesetzbuch, StGB) an den russischen Inlandsgeheimdienst FSB gekommen sein. Der Fall verdeutlicht das große russische Interesse an Informationen, die für den weiteren Kriegsverlauf in der Ukraine von Bedeutung sein könnten. Die mutmaßlich gezahlten Agentenlöhne von jeweils mindestens 400.000 Euro zeigen zudem, dass die russischen Dienste nach wie vor über enorme finanzielle Ressourcen verfügen, die sie zur Erreichung nachrichtendienstlicher Ziele einsetzen. 2. Methodik der Informationsgewinnung Legalresidenturen Die Spionageaktivitäten russischer Nachrichtendienste gingen bisher häufig von deren Legalresidenturen aus. Diese waren in der Vergangenheit über das gesamte Bundesgebiet verteilt und beispielsweise in offiziellen diplomatischen und konsularischen Vertretungen untergebracht. Die russischen Nachrichtendienstangehörigen versuchten unter Ausnutzung ihrer diplomatischen Abdeckung mit konspirativen Methoden, aber auch mittels harmlos wirkender Kontaktpflege, sogenannter Gesprächsabschöpfung, Hintergrundwissen zu deutschen Positionen zu gewinnen. Zusätzlich spielten soziale Netzwerke bei der Anbahnung von Kontakten oder einer offenen Abschöpfung eine zunehmende Rolle. 312 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Daneben führten die russischen Nachrichtendienste Operationen Zentrale Steuerung durch, die aus den Zentralen der Dienste in Moskau erfolgten oder unmittelbar von dort gesteuert wurden. Dieses Vorgehen setzen sie auch weiterhin fort. Hierzu zählt auch der Einsatz sogenannter Illegaler. In Russland selbst nehmen die Nachrichtendienste gezielt deutGefährdungen in sche Staatsangehörige ins Visier, die sich für längere Zeit beruflich Russland oder privat dort aufhalten oder regelmäßig dorthin reisen. Dazu zählen insbesondere Angehörige diplomatischer Vertretungen und anderer Behörden oder Firmen, aber auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler oder Studierende. Hierzu nutzt Russland vielfältige Überwachungsmöglichkeiten, von Grenzkontrollen über die Beobachtung von Auslandsvertretungen bis hin zu den Kontrollmöglichkeiten in Wirtschaft und Wissenschaft. Sofern die gewonnenen Informationen die Zielpersonen kompromittieren können, scheuen die Dienste auch vor aggressiven Anwerbungsversuchen nicht zurück. 3. Einflussnahme und Desinformation Über seine Spionageaktivitäten hinaus ist Russland weiterhin beZiele strebt, die öffentliche Meinung und den politischen Kurs in Deutschland im eigenen Sinne zu beeinflussen sowie die eigene Position im internationalen Machtgefüge zu stärken. Diese Aktivitäten zielen insbesondere darauf ab, im Verborgenen oder unter Vortäuschung falscher Tatsachen Einfluss auf politische Entscheidungsund Funktionsträgerinnen und -träger auszuüben, das Vertrauen der Bevölkerung in die Stabilität und Handlungsfähigkeit der demokratischen Institutionen und Mechanismen zu untergraben, die westliche Wertegemeinschaft zu diskreditieren und Bündnisse wie EU und NATO zu schwächen. Dafür greift Russland bedeutende aktuelle politische sowie gesellschaftliche Ereignisse und Entwicklungen auf und passt seine Einflussnahmestrategie daran an. Die schon vorher hochfrequente und umfassende Verbreitung Strategiewechsel staatlicher Propaganda und Desinformation hat seit Beginn des und Zunahme der russischen Angriffskriegs noch einmal deutlich an Intensität geDesinformation wonnen. Gerade Verbreitungskanäle im Bereich der sozialen Medien werden von staatlichen oder staatsnahen Akteuren verstärkt genutzt, um dort ihre Inhalte und Narrative an einen möglichst 313 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN großen Personenkreis zu verbreiten. Insbesondere konnte hier - auch verstärkt durch die europäischen Sanktionen und die damit verbundenen Einschränkungen für russische Staatsmedien in der EU - eine gesteigerte Nutzung der Plattform Telegram festgestellt werden, die sich als bedeutende Alternative zu anderen sozialen Netzwerken zum wichtigen Verbreitungsweg für Desinformation entwickelt hat. Neben staatlichen Akteuren spielten Influencerinnen und Influencer sowie Aktivistinnen und Aktivisten 2023 eine gesteigerte Rolle als Multiplikatoren von Propaganda und Desinformation für Russland. 4. Cyberangriffe Zwecke und Ziele von Russlands geopolitische Interessen sind handlungsleitend für die Cyberangriffen vielfältigen Aktivitäten seiner Nachrichtendienste im Cyberraum. Russische Cyberangriffe, ob gegen Einzelpersonen, Organisationen oder Regierungseinrichtungen gerichtet, zielen vorrangig auf eine kontinuierliche Informationsbeschaffung ab. Neben dieser Spionage können die Angriffe aber auch Sabotage zum Ziel haben oder dem Zweck der Einflussnahme oder Desinformation und Propaganda dienen. Dabei richten sich russische Cyberangriffe überwiegend gegen Regierungsstellen, Parlamente und Personen in der Politik, Parteien, Streitkräfte, Medien, supranationale Organisationen, politische Stiftungen und internationale Wirtschaftsunternehmen sowie Wissenschaftsund Forschungseinrichtungen. AngriffsBei ihren Operationen im Cyberraum greifen die russischen Nachgruppierungen richtendienste auf verschiedene Angriffsgruppierungen zurück, die sich in Teilen durch eine hohe technische Qualifikation auszeichnen. Dies spiegelt sich in ihrem breiten Portfolio an unterschiedlichen, teils schwierig aufzuklärenden Angriffsmethoden wider. Neben öffentlich bekannt gewordenen Cyberangriffen geht das BfV von einer hohen Dunkelziffer nicht erkannter, qualitativ hochwertiger Cyberangriffe aus. Ghostwriter Der Ghostwriter-Komplex verbindet Cyberspionageangriffe mit Desinformationsund Einflussnahmeoperationen und ist im Jahr 2023 weiterhin durch intensive Angriffsaktivitäten vor allem in Osteuropa aufgefallen. Ukrainische Stellen berichteten 314 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN regelmäßig über Schadsoftwareund Phishing187-Angriffe des Akteurs gegen dortige Ziele. Im Jahr 2023 sind zudem erneut auch E-Mail-Konten im politischen Raum in Deutschland betroffen gewesen. Ziel war es, Passwörter zu erbeuten, um dann Zugang zu persönlichen Informationen zu erlangen. Der betroffene Personenkreis wurde vom Verfassungsschutzverbund sensibilisiert. APT 28 (auch als Sofacy, Fancy Bear, Pawn Storm oder Sednit beAPT 28 kannt) ist eine russische Angriffsgruppierung, die seit mindestens 2004 weltweit aktiv ist. Zu ihrem Tätigkeitsprofil zählen neben Spionageangriffen auch Desinformationsund Propagandakampagnen im Cyberraum. APT 28 ist dem militärischen Nachrichtendienst GRU zuzuordnen und gehört zu den aktivsten Cyberakteuren weltweit. Im Jahr 2023 zeigte sich dies insbesondere durch eine weitreichende Angriffskampagne gegen Hochwertziele in Politik und Wirtschaft. Dabei nutzte APT 28 eine bis dahin unbekannte kritische Sicherheitslücke in Microsofts E-Mail-Dienst Outlook aus - eine sogenannte Zero-Day-Schwachstelle188. Es handelte sich bei diesen Angriffen um Zero-Click-Exploits. Das heißt, für den Erfolg des Angriffs ist keinerlei Tätigwerden des Opfers notwendig, nicht einmal das Öffnen der E-Mail. Bereits durch den erfolgreichen Versand einer speziell formatierten E-Mail an das Postfach des intendierten Opfers erlangt der Angreifende dessen Zugangsdaten. In der Folge kann der Angreifende die erbeuteten Daten nutzen, um sich Zugang zum E-Mail-Konto des Opfers oder weitreichenderen Systemzugang zu verschaffen. Microsoft selbst und verschiedene IT-Sicherheitsdienstleister benennen APT 28 als Urheber der Angriffskampagne. Zu den bekannten Opfern zählen europäische und westasiatische Regierungsstellen, Luftfahrtund Logistikunternehmen in Polen, Energieunternehmen, Regierungsstellen und IT-Dienstleister in der Ukraine sowie die Verteidigungsindustrie in der Türkei und in Italien. Auch Ziele in Deutschland waren von der 187 Beim Phishing werden E-Mails an das Opfer versendet, das dazu gebracht werden soll, einen maliziösen Link anzuklicken oder sensible Daten wie Passwörter oder Transaktionsnummern (TANs) preiszugeben. 188 Eine Zero-Day-Schwachstelle ist eine bislang dem Hersteller nicht bekannte Sicherheitslücke, für die kein Sicherheitsupdate existiert. Die Ausnutzung von Zero-DaySchwachstellen lässt zudem auf Angreifende schließen, denen große technische oder finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen. 315 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Angriffskampagne betroffen, darunter Stellen im Stiftungsund privatwirtschaftlichen Bereich. Auch gegen eine niedrige einstellige Zahl an E-Mail-Postfächern des Parteivorstands der SPD richtete sich die Kampagne erfolgreich, wie von der Partei im Juni 2023 öffentlich bekannt gemacht wurde. Das Computer Emergency Response Team der Ukraine (CERT-UA) schreibt eine weitere Phishing-E-Mail-Kampagne APT 28 zu, welche Kritische Infrastrukturen (KRITIS) sowie Verwaltungsund Regierungsinstitutionen in westlichen Ländern zum Ziel hatte und von der auch deutsche Stellen betroffen waren. APT 29 APT 29 (auch als Cozy Bear oder The Dukes bekannt) ist eine seit mindestens 2008 aktive Angriffsgruppierung, die auch bereits Ziele in Deutschland angegriffen hat. APT 29 ist weiterhin aktiv und geht hoch spezialisiert vor. Ein Fokus liegt insbesondere auf der Beschaffung von Informationen mit Bezug zum russischen Angriffskrieg. Bereits vor dem Krieg wurden vor allem westliche Außenministerien mit Phishing-E-Mails angegriffen; diese Angriffe hielten 2023 an. Snake Snake (auch als Uroburos oder Turla bekannt) ist eine technisch sehr versierte, äußerst klandestine Angriffsgruppierung mit einer langfristig orientierten Vorgehensweise. Ihre Stärke begründet sich unter anderem in den verwendeten Standards: die Nutzung gekaperter Server zu Kommunikationszwecken, die Eigenbeziehungsweise permanente Weiterentwicklung eingesetzter Schadsoftware sowie umfangreiche Verschleierungstaktiken. Die ihr seit mindestens 2005 zugeschriebenen Cyberangriffe richteten sich insbesondere gegen Regierungseinrichtungen (Außenministerien, diplomatische Vertretungen etc.) sowie supranationale Institutionen, aber auch gegen Stellen der Wirtschaft und Forschung. Im Verlauf des Angriffskriegs Russlands konnten darüber hinaus auch Zugriffe auf Rüstungsunternehmen in Europa beobachtet werden. Snake-Rootkit Mit ihrer namensgebenden Schadsoftware, dem Snake-Rootkit189, griff die APT-Gruppierung Snake über einen Zeitraum von 189 Als Rootkit wird eine Schadsoftware-Kompilation bezeichnet, die nach dem Eindringen auf dem kompromittierten IT-System installiert wird, um zukünftige Anmeldeprozesse sowie Handlungen des eindringenden Cyberakteurs zu verbergen. 316 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN 20 Jahren verschiedene IT-Systeme weltweit an.190 Diesbezüglich informierte das US-amerikanische Federal Bureau of Investigation (FBI) am 9. Mai 2023 im Rahmen eines gemeinsamen Sicherheitshinweises (Joint Cybersecurity Advisory) der Sicherheitsbehörden von Australien, Kanada, Neuseeland, den USA und dem Vereinigten Königreich öffentlich über ihre "Operation Medusa", ein koordiniertes Vorgehen gegen diese Schadsoftware. Der Sicherheitshinweis enthält darüber hinaus eine Attribution, in der sowohl die Schadsoftware als auch die dahinterstehende Gruppierung dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB zugeordnet werden. Durch die Veröffentlichung der Ergebnisse der "Operation Medusa" entfällt insofern für die Gruppierung Snake perspektivisch ein langjährig etablierter Angriffsvektor. Destruktive Cyberangriffe richteten sich immer wieder auch gegen Hacktivisten deutsche Websites, beispielsweise von Flughäfen, Banken und Behörden. Dazu nutzten russische und prorussische Hacktivisten DDoS-Angriffe. Folgewirkungen entfalteten die Überlastungsangriffe indes nicht. Ziel der hacktivistischen Akteure ist eher ein propagandistischer Erfolg als nachhaltige Sabotage. Mutmaßlich russische Cybercrime-Akteure setzen für ihre kriCybercrime minellen Handlungen vor allem Ransomware191-Angriffe gegen deutsche Stellen und Unternehmen ein. Auch wenn eine direkte Verbindung zu staatlichen Stellen Russlands in der Regel nicht klar belegbar ist, existieren Fälle, in denen die Opferauswahl im direkten Zusammenhang mit politischen Zielen Russlands zu stehen scheint. Insoweit kommt eine Steuerung durch russische Nachrichtendienste in Betracht. 5. Gefährdungspotenzial Das von den russischen Nachrichtendiensten ausgehende Gefährdungspotenzial muss als hoch eingeschätzt werden. Dies ergibt sich aus dem intensiven Aufklärungsinteresse russischer 190 Die Bezeichnung der hier genannten Schadsoftware wurde in IT-Sicherheitskreisen auf die dahinterstehende Angriffsgruppierung übertragen, ist aber nicht gleichbedeutend mit der APT-Gruppierung Snake. 191 Als Ransomware werden Schadprogramme bezeichnet, die den Zugriff auf Daten und Systeme einschränken oder verhindern und diese Ressourcen nur gegen Zahlung eines Lösegeldes (englisch: "ransom") wieder freigeben. 317 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Nachrichtendienste und den seit Beginn des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine noch offensiver gewordenen Desinformationsaktivitäten sowie durch Cyberangriffe auf deutsche Behördennetze, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Der Ausweisung russischer Diplomaten und der damit einhergehenden Schwächung nachrichtendienstlicher Kapazitäten folgte eine Anpassung der methodischen Ausrichtung der russischen Nachrichtendienste. In diesem Rahmen werden alternative Methoden zur Informationsbeschaffung aufbeziehungsweise weiter ausgebaut. Das umfasst unter anderem komplexe Spionageund Cyberoperationen zur Aufklärung von Politik und Militär, Wirtschaftsspionage und die Aufklärung von KRITIS. Trotz umfassender Sanktionsmaßnahmen ist weiterhin von der Fähigkeit und dem Willen russischer Nachrichtendienste zu komplexen Operationen in Europa auszugehen. Auch die Entwicklung des Angriffskriegs gegen die Ukraine und die entsprechend angepassten nachrichtendienstlichen Aktivitäten haben einen Einfluss auf die Gefährdungslage in und für Deutschland. Russland könnte je nach weiterem Kriegsverlauf mit physischen und cyberbasierten Sabotageaktivitäten reagieren, die auch in Deutschland - als unmittelbares Angriffsziel oder mittelbar durch Kollateralschäden oder Spillover-Effekte - eine negative Wirkung entfalten könnten. III. Nachrichtenund Sicherheitsdienste der Volksrepublik China Die Nachrichtendienste Chinas sind mit umfangreichen Befugnissen ausgestattet und dienen maßgeblich dem Machterhalt der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) und ihrer politischen Ziele. Dazu gehört die Absicht der Staatsund Parteiführung, bis 2049 zu einer Weltmacht mindestens auf Augenhöhe mit den USA zu werden und den globalen Führungsanspruch der Volksrepublik durchzusetzen ("Chinese Dream"). Sie sind ebenso beteiligt am Umbau der Volkswirtschaft zu einer führenden Industrienation sowie an der Umsetzung wirtschaftspolitischer Masterpläne - unter anderem des 14. Fünfjahresplans sowie der Initiativen "Made in China 2025" und "China Standards 2035" - zur Erlangung von Marktund Technologieführerschaft in strategischen Sektoren. 318 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Zudem sind die chinesischen Dienste in unzulässige Einflussnahmeaktivitäten involviert, mit denen die KPCh versucht, die Interessen der Staatsund Parteiführung im Ausland in unlauterer Weise durchzusetzen. 1. Zielbereiche und Schwerpunkte der Informationsbeschaffung Der Bedarf der Staatsund Parteiführung an Erkenntnissen über Aufklärungsziele supranationale Einrichtungen wie die EU und die Vereinten Nationen sowie die Bündnispolitik des Westens ist angesichts der geopolitischen Ambitionen Chinas gewachsen. In Deutschland stehen Ziele in Politik und Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Technik sowie Militär im Fokus chinesischer Dienste; außerdem werden oppositionelle Gruppen und Einzelpersonen überwacht. In Politik und Verwaltung werden Informationen zu politischen Positionen Deutschlands mit Bezug zur Volksrepublik gewonnen. Für die Realisierung seiner ambitionierten Industriepolitik nutzt China Spionage in Wirtschaft und Wissenschaft, versucht deutsche Unternehmen der Spitzentechnologie teilweise oder ganz zu kaufen, und wirbt gezielt Wissensträgerinnen und -träger an. Erkenntnisse zu Struktur, Bewaffnung und Ausbildung der Bundeswehr stehen ebenso im Interesse chinesischer Dienste wie die Beschaffung moderner Waffentechnik aus der deutschen Verteidigungsindustrie oder auch militärisch nutzbarer Hochtechnologie. 2. Methodik der Informationsgewinnung China verfügt über insgesamt fünf diplomatische Vertretungen Aktivitäten aus in Deutschland - die Botschaft in Berlin mit ihrer Außenstelle in Legalresidenturen Bonn sowie Generalkonsulate in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen), Frankfurt am Main (Hessen), Hamburg und München (Bayern). Aus den chinesischen Legalresidenturen an den diplomatischen Vertretungen in Deutschland erfolgt überwiegend eine offene Informationsbeschaffung einschließlich eines Monitorings von Medien und sonstigen offenen Publikationen. Daneben sammeln Angehörige der Legalresidenturen Informationen im Rahmen harmlos wirkender Kontaktpflege. Diese Gesprächsabschöpfung zielt insbesondere auf aktive und ehemalige Entscheidungsträgerinnen und -träger aus Politik und Wirtschaft. 319 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Zu den Aufgaben der Nachrichtendienste gehört die Kontrolle und Steuerung der in Deutschland ansässigen chinesischen Auslandsgemeinde. Durch eine enge institutionelle Anbindung chinesischer Unternehmen, Studierendenorganisationen sowie kultureller Vereine und Institute sollen linientreues Verhalten sichergestellt und die sogenannte Einheitsfront im Ausland gestärkt werden. Dazu werden auch Angehörige der Diaspora für Maßnahmen gegen chinesische Oppositionelle und zur propagandistischen Unterstützung der Politik der Staatsund Parteiführung instrumentalisiert. Angehörige Die Nachrichtendienste setzen zur Informationsgewinnung in chinesischer Medien Deutschland tätige chinesische Auslandskorrespondentinnen und -korrespondenten ein, die eng an die chinesische Botschaft in Berlin angebunden sind und in erster Linie offene Gesprächsabschöpfung betreiben. Zugleich nutzt China deren Kontaktnetzwerk sowie die Reichweite der von ihnen verfassten Beiträge, um in Deutschland die Narrative der KPCh für ein positives Chinabild zu verbreiten. Zentrale Steuerung Nachrichtendienstliche Operationen zur verdeckten Informatiund Anwerbung onsbeschaffung werden hauptsächlich unmittelbar aus den Büros menschlicher Quellen der Dienste in China gesteuert. Bei Aufenthalten in China werden Zielpersonen aus Deutschland, die entweder über hochwertige Zugänge verfügen oder eine aus Sicht der chinesischen Nachrichtendienste aussichtsreiche künftige Entwicklung versprechen, angesprochen und mit der Aussicht auf Entlohnung angeworben. Initiiert werden können solche Werbungsmaßnahmen beispielsweise bei Veranstaltungen im akademischen Umfeld. Die in der Folge stattfindenden Treffs werden überwiegend in Drittländern oder in China durchgeführt, um operative Risiken in Deutschland zu reduzieren. Die Steuerung erfolgt meist persönlich, teilweise aber auch über webbasierte verschlüsselte Kommunikation, insbesondere über den chinesischen Messengerdienst WeChat. Neben dem akademischen Umfeld bieten insbesondere die umfassenden Überwachungsmaßnahmen in China weitere Ansätze für nachrichtendienstliche Operationen. Die Angaben bei der Beantragung eines Visums für Chinareisen erleichtern es den chinesischen Nachrichtendiensten, für sie interessante Personen automatisiert herauszufiltern. Im Fokus stehen besonders Einreisen für Studienoder Forschungszwecke sowie aus geschäftlichen Gründen. 320 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN China betreibt seit Jahren ein umfassendes System des TechnoStaatlich gesteuerter logieund Know-how-Transfers, um seine wirtschaftliche und Know-howund militärische Entwicklung voranzutreiben und an die Spitze der InTechnologietransfer dustrienationen zu gelangen. Die Staatsund Parteiführung strebt nach China eine globale Technologieführerschaft an - spätestens zum 100. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik im Jahr 2049. Dieses Ziel wird durch ein strategisches und ganzheitliches Vorgehen, welches von gezielten Unternehmenserwerben über Joint Ventures bis hin zu Forschungskooperationen reicht, konsequent verfolgt. Dabei versucht China, sein Netzwerk beständig weiterzuentwickeln, Beschränkungen zu umgehen und neue Methoden des Know-howTransfers zu etablieren. Mit dem Ziel militärischer Überlegenheit in zukunftsrelevanten Technologien fokussiert China auch die Nutzbarmachung von zivilen Erkenntnissen im militärischen Segment. Kernziele des Know-how-Transfers sind Emerging Technologies (EMT) wie Quantentechnologie, Künstliche Intelligenz, Biotechnologie sowie Hyperschalltechnik und Überwachungstechnologie. Ein zentraler Aspekt im staatlich-chinesischen System des - nicht zwingend nachrichtendienstlich getragenen - Technologieund Know-how-Transfers sind auch wissenschaftliche Kooperationen mit deutschen Universitäten und Forschungseinrichtungen. Hierbei wird die Beschaffung von Technologie und Know-how über verschiedene, überwiegend legale Wege realisiert. Der chinesische Staat nutzt gezielt rechtliche Grauzonen, ein mangelndes Risikobewusstsein sowie die in Deutschland verfassungsrechtlich garantierte akademische Freiheit aus und instrumentalisiert chinesische Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sowie Studierende im Sinne seiner strategischen Ambitionen. Dazu gehören beispielsweise finanzielle Zuwendungen und akademische oder berufliche Aufstiegschancen in China, aber auch vertraglich festgelegte Verbindlichkeiten oder Druckmittel. Staatliche Stipendien, die hauptsächlich über das China ScholarStipendien als ship Council (CSC) vergeben werden, sind ein Element, um WisSteuerungsmittel sen aus der deutschen Forschungslandschaft abzuziehen. Für ein CSC-Stipendium müssen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre tadellose ideologische Treue zur KPCh nachweisen. Die Stipendien sind meist mit strengen Auflagen verbunden. Umfangreiche Verpflichtungen behindern die akademische Freiheit der über das CSC Geförderten und schränken sie in der Ausübung ihrer Grundund Freiheitsrechte in Deutschland ein. Gleichzeitig 321 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN eröffnet dieses Vorgehen China einen Zugang zu relevantem Know-how und Technologien. Die Detektion und Aufklärung von Netzwerken und Strukturen im staatlich gesteuerten Wissenstransfer durch China spielt daher eine wichtige Rolle im Hinblick auf den Schutz der deutschen Forschungslandschaft. Ausländische Im Jahr 2023 war Deutschland innerhalb Europas weiterhin eines Direktinvestitionen der wichtigsten Ziele chinesischer Investitionen. Ausländische Direktinvestitionen ermöglichen es China, auf legalem Weg Zugriff auf Technologien, Know-how oder geistiges Eigentum zu erlangen. Diese Direktinvestitionen bieten China zudem nicht nur die Möglichkeit, Innovationsrückstände auszugleichen und einen technologischen Vorsprung zu erzielen, sondern öffnen auch das Tor zu politischer Einflussnahme, Spionage und Sabotage. Ein sukzessiver Verkauf deutscher Unternehmen aus zukunftsträchtigen Branchen kann mittelbis langfristig die Wettbewerbsfähigkeit des Industrieund Technologiestandorts Deutschland beeinträchtigen. Dies kann zu einem Mangel an Innovationsanreizen und somit Wohlstandsverlusten und schließlich auch Destabilisierungstendenzen einschließlich erheblicher Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung führen. Zudem besteht das Risiko wachsender Abhängigkeiten, beispielsweise in der Halbleitertechnologie. 3. Einflussnahme und Desinformation Um die Ambitionen der KPCh erfolgreich umsetzen zu können, bedarf es eines für China wohlwollenden Umfeldes im Ausland. Erzeugt werden soll dies über (häufig illegitime) Einflussnahmeaktivitäten in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Vielfältiger Im politischen Bereich bemüht sich die chinesische Seite, gut verInstrumentenkasten netzte deutsche (aktive und ehemalige) Angehörige der Politik als "Lobbyisten" für chinesische Interessen zu gewinnen. Sofern sie die Politik der Volksrepublik kritisieren, werden deutsche Politikerinnen und Politiker aber auch unter Druck gesetzt. Im Bereich von Bildung und Forschung drohen Chinas Aktivitäten und Kooperationsformate, die akademische Freiheit zu unterminieren. Die chinesischen Konfuzius-Institute dienen innerhalb der Einflussnahmestrategie der KPCh auch dazu, ein makelloses 322 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Chinabild zu verbreiten und regimekritische Veranstaltungen oder Forschung zu verhindern. Auch auf einen Teil der Mitglieder der chinesischen Diaspora sowie regimetreue Studierende greift die KPCh zu. Diese werden insbesondere zur Unterdrückung von Kritik an der Politik der KPCh sowie zur Verbreitung der offiziellen Narrative der Partei im Ausland instrumentalisiert. Zudem versuchen staatliche chinesische Akteure, führende Persönlichkeiten aus der deutschen Wirtschaft unter Ausnutzung bestehender Abhängigkeiten einzelner deutscher Unternehmen vom chinesischen Markt für die Durchsetzung der Interessen der KPCh zu instrumentalisieren. Die Staatsund Parteiführung setzt außerdem bei "unerwünschtem" Verhalten ausländischer Unternehmen und Regierungen zum Zweck der Abschreckung auf öffentlichkeitswirksame Sanktionierung und staatlich gesteuerte Boykotte in China. Zudem verbreiten chinesische Stellen Desinformation, um die Politik der KPCh in ein positives Licht zu rücken und die vermeintliche Überlegenheit des chinesischen Ordnungsmodells hervorzuheben. 4. Cyberangriffe Im Jahr 2023 verübten mutmaßlich staatliche oder staatlich geWeiterentwicklung steuerte chinesische Cyberakteure gezielt Cyberangriffe auf Unterder Vorgehensweise nehmen, Behörden und Privatpersonen sowie auch gegen politische Institutionen. Damit sollen Informationen über politische Meinungsbildungsund Entscheidungsprozesse sowie Positionen der Bundesregierung zu Fragen der deutschen und europäischen Außenpolitik mit Auswirkungen auf den chinesischen Staat erlangt werden. Auch Unternehmen im Umfeld politischer Stellen - wie beispielsweise IT-Dienstleistungsunternehmen für Behörden - gerieten intensiv in den Fokus und wurden als Einfallstor für darauf aufbauende Angriffe genutzt. Die Vorgehensweise der Cyberspionageakteure erfuhr eine deutliche qualitative und quantitative Weiterentwicklung, wodurch eine bislang kaum dagewesene Reichweite und Effektivität erreicht werden konnten. 323 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Angriffe gegen Seit Jahresbeginn 2023 wurde eine Reihe von technisch hochverIT-Dienstleister sierten Cyberangriffen gegen verschiedene IT-Dienstleistungsunternehmen festgestellt, die schwerpunktmäßig in der Betreuung von Behördennetzwerken tätig sind. Zugriff auf deren interne Netzwerke erlangten die Angreifenden durch die Ausnutzung zuvor von ihnen entdeckter, aber zum Zeitpunkt des Angriffs nicht öffentlich bekannter Hardbeziehungsweise Softwareschwachstellen (Zero-Day-Exploits192). Durch das Einrichten administrativer Zugänge verschafften sie sich privilegierten Zugriff auf weitere Systeme in internen Kern-Netzwerken der Firmen. Es ist davon auszugehen, dass nicht die Dienstleister selbst im Fokus standen, sondern über deren Infrastruktur ein Vordringen in die Netzwerke von deren Kundschaft beabsichtigt war (Supply-Chain-Angriffe). Angetrieben durch das im Juli 2021 in Kraft getretene chinesische "Schwachstellengesetz"193 setzen chinesische Cyberakteure seit einigen Jahren auf solche Exploit-basierten Cyberangriffe. Einsatz von 2023 flankierten die Cyberakteure APT 15 und APT 31 ihre AufVerschleierungsklärungsund Angriffshandlungen mit dem Einsatz verschiedener netzwerken Verschleierungsnetzwerke. Zunehmend komplexere Techniken und ein hoher Ressourceneinsatz belegen die beachtliche Weiterentwicklung ihrer Angriffswerkzeuge. Zur weitestgehenden Abtarnung der Aktivitäten werden Endgeräte wie beispielsweise Heimrouter oder Smart-TVs, die für den Einsatz in kleinen Unternehmen oder von Privatpersonen konzipiert sind, in wachsender Anzahl durch Cyberangreifer infiltriert und in der Folge in Angriffskampagnen durch die APT-Gruppierungen gegen staatliche und politische Stellen sowie Wirtschaftsunternehmen missbraucht. Hierzu veröffentlichte das BfV im August 2023 den Cyber-Brief Nr. 02/2023, in dem auf die aktuelle Bedrohung deutscher kleiner und mittelständischer Unternehmen sowie Privathaushalte durch Cyberangriffe hingewiesen wird.194 Neben einer Beschreibung der 192 Eine Zero-Day-Schwachstelle ist eine bislang dem Hersteller nicht bekannte Sicherheitslücke, für die kein Sicherheitsupdate existiert. Die Ausnutzung von Zero-DaySchwachstellen lässt zudem auf Angreifende schließen, denen große technische oder finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen. 193 Nach diesem "Regulations on the Management of Network Product Security Vulnerabilities" benannten Gesetz müssen inund ausländische Unternehmen neu entdeckte Sicherheitslücken in IT-Systemen umgehend der chinesischen Regierung mitteilen. 194 Der Cyber-Brief 02/2023 "Gruppierungen APT 15 und APT 31 nutzen Heimnetzwerkgeräte für staatlich gesteuerte Cyberangriffskampagnen" vom 31. August 2023 ist abrufbar auf www.verfassungsschutz.de. 324 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Vorgehensweise der Cyberangreifer enthält der Cyber-Brief auch konkrete Handlungsempfehlungen. Die Kampagnen der seit mindestens 2010 aktiven CybergruppieAPT 15 rung APT 15 gelten als technisch versiert und werden mit hohem Aufwand und in großer Anzahl parallel ausgeführt. Nach Einschätzung des BfV erfolgen sie zur Einrichtung eines dauerhaften Zugriffs auf die angegriffenen Netzwerke. Im Fokus stehen europäische Regierungsinstitutionen; erfolgreich angegriffene Ziele wurden auch in Deutschland bekannt. APT 31 richtet seine seit mindestens 2014 zu verzeichnenden SpioAPT 31 nageaktivitäten seit Ende 2018 vor allem gegen Ministerien, Behörden, politische Organisationen und Botschaften westlicher Staaten. Auch im Berichtsjahr standen europäische Staaten - darunter Deutschland - im primären Aufklärungsinteresse. Dabei folgen die Angriffe dem bereits bekannten Schema, wonach mit technischen Scans die Schwachstellen von im Internet erreichbaren Systemen ihrer Opfer aufgedeckt und gefundene Schwachstellen für SupplyChain-Angriffe gegen weitere Ziele ausgenutzt werden. Insgesamt zielen die Angriffe darauf ab, einen langfristigen Zugang zu Informationen politischer Entscheidungsträgerinnen und -träger zu etablieren sowie die Positionierung der westlichen Politik zu aus chinesischer Sicht kritischen Fragen aufzuklären, beispielsweise in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen in China. Mustang Panda ist ein seit mindestens 2013 aktiver Cyberakteur, Mustang Panda dessen Aufklärungsinteresse sich vor allem gegen staatliche und politische Stellen richtet. Zu seiner charakteristischen Angriffsmethode zählte 2023 der wiederkehrende Versand von Phishing-Mails gegen europäische Auslandsvertretungen und Regierungsstellen - auch in Deutschland. Ziel war die Informationsbeschaffung über das Verhalten und den Umgang westlicher Staaten mit der Coronapandemie im Hinblick auf China. Mit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine erreichten die PhishingAngriffswellen einen neuen Höchststand. Die politischen und wirtschaftlichen Folgen dieses Krieges spielen für China in Bezug auf eigene Interessen und Weltmachtambitionen eine wichtige Rolle. Das Vorgehen der EU-Staaten in Bezug auf die Ukraine und Russland dürfte für China im Hinblick auf eigene politische und militärische Konflikte auch zukünftig von besonderem Interesse sein. 325 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN 5. Gefährdungspotenzial Außenpolitisch tritt China zur Verwirklichung seiner eigenen Interessen deutlich offensiver auf. China ist dabei bestrebt, die internationale Ordnung entlang der Interessen seines Einparteiensystems zu beeinflussen und dabei auch Grundfesten der regelbasierten Ordnung zu relativieren. Dies lässt eine weitere Intensivierung der staatlich betriebenen Spionageund Einflussnahmeaktivitäten erwarten. China handelt bei seiner strategischen Ausrichtung planvoll und langfristig - weit über die Dauer von Legislaturperioden in westlichen Demokratien hinaus. Ähnlich langfristig ist auch die offensive Cyberstrategie, die durch umfangreichen Wissenstransfer einen wichtigen Beitrag zu den industrieund geopolitischen Zielen des Landes leisten soll. Cyberaktionen dürften auch zukünftig hochprofessionell und mit enormem Ressourcenaufwand umgesetzt werden. Die langfristigen Ansätze chinesischer Cyberspionage bedrohen die digitale Souveränität Deutschlands und Europas. Sehen Staat und Partei zentrale Interessen verletzt, sind sie bereit, Politik, Wirtschaft und die öffentliche Meinung mit illegitimen Mitteln zu beeinflussen oder auch Druck auszuüben, um diese durchzusetzen. Dies betrifft in Deutschland auch chinesische Staatsangehörige und chinesisch-stämmige Deutsche mit dem Ziel, diese zu einem parteikonformen Verhalten zu bewegen. IV. Nachrichtendienste der Islamischen Republik Iran Die politische Lage im Nahen und Mittleren Osten sowie die Demonstrationsund Protestbewegung in der Islamischen Republik Iran prägen die nachrichtendienstlichen Aktivitäten der Theokratie. Iran versteht sich als Regionalmacht - mit einer ausgeprägten antiwestlichen sowie antiisraelischen Stoßrichtung. Vorgehen gegen Einen Schwerpunkt iranischer nachrichtendienstlicher AktiviOppositionelle und täten bildet die Bekämpfung oppositioneller Gruppierungen und Kritikerinnen/Kritiker Einzelpersonen im Inund Ausland. Diese Gruppierungen gelten aus Sicht der Machthaber Irans als Gefährdung für den Fortbestand des Regimes. Besonders deutlich zeigt sich das vor dem Hintergrund der gewaltsamen Unterdrückung der Proteste seit 326 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN September 2022. Der Ton des Machtapparates auch gegenüber Deutschland hat sich im Zuge der Proteste und internationaler Solidarisierung im Berichtszeitraum weiter verschärft. Neben den USA sieht Iran insbesondere den Staat Israel, dessen Repräsentantinnen und Repräsentanten sowie exponierte Unterstützerinnen und Unterstützer als Feinde an. Hierzu zählen auch führende Vertreterinnen und Vertreter jüdischer Organisationen in der Diaspora. Deshalb gehören auch Ausspähungsaktivitäten gegen (pro-)israelische sowie (pro-)jüdische Ziele in Deutschland zum Tätigkeitsfeld der Spionage Irans. Hauptsächlich gehen die gegen Deutschland gerichteten AktiviAkteure täten weiterhin vom Ministry of Intelligence (VAJA195, zumeist MOIS abgekürzt) aus. In seinem Fokus stehen insbesondere die in Deutschland aktiven iranischen Oppositionsgruppen. Neben dem MOIS ist zudem die ebenfalls geheimdienstlich agierende Quds Force der Iranischen Revolutionsgarden196 in Deutschland aktiv. Nachrichtendienste der Islamischen Republik Iran setzen auch Staatsterrorismus staatsterroristische Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele ein. Dabei handelt es sich maßgeblich um die Einschüchterung und Neutralisierung Oppositioneller, aber auch die Bestrafung von "Verrätern" oder "Überläufern". Ausspähungsaktivitäten iranischer Nachrichtendienste dienen häufig der Vorbereitung staatsterroristischer Aktivitäten, darunter Entführung oder sogar Tötung der Zielperson. In der Nacht zum 18. November 2022 wurde in Bochum eine in der Nachbarschaft der dortigen Synagoge befindliche Schule durch einen Brandsatz beschädigt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf verhängte am 19. Dezember 2023 gegen einen Angeklagten eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten wegen Verabredung einer schweren Brandstiftung und versuchter Brandstiftung.197 Das Gericht hat zum Hintergrund der Tat festgestellt, dass die Anschlagsplanung auf eine "staatliche iranische Stelle" zurückgeht. Das Urteil ist damit ein wichtiger Beleg für das aggressive Vorgehen iranischer Stellen gegen deutsche Sicherheitsinteressen. Es belegt zudem, dass die Aktivitäten Irans über die Ausspähung 195 In Farsi: Vezarat-e Ettela'at-e Jomhouri-ye Eslami-ye Iran - VAJA. 196 In Farsi: Sepah Pasdaran. 197 OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.12.2023 - 6 StS 1/23. 327 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN der oppositionellen iranischen Diaspora deutlich hinausgehen und auch (pro-)jüdische und (pro-)israelische Interessen und Einrichtungen in Deutschland im Fokus iranischer Aktivitäten stehen. Seit 2019 kam es im Rahmen aufwendiger Operationen der iranischen Nachrichtendienste wiederholt zu Entführungen von hochrangigen Zielpersonen aus dem oppositionellen Spektrum nach Iran. Auch in Deutschland lebende Personen können Opfer solcher Operationen iranischer Stellen werden, insbesondere bei Reisen in Anrainerstaaten Irans. Anbahnung/ Iranreisende müssen seit einiger Zeit verstärkt damit rechnen, dort Verhaftung bei Reisen willkürlich verhaftet und in diesem Fall auch angeklagt zu werden. nach Iran Ferner nutzten die iranischen Dienste auch 2023 offenbar bevorzugt gezielte nachrichtendienstliche Ansprachen mit dem Ziel einer Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit iranischen Nachrichtendiensten. Dies gilt insbesondere für Personen, die durch iranische Stellen mit einer oppositionellen Gruppierung in Verbindung gebracht werden oder bei denen Kontakte zu Personen aus der oppositionellen Szene vermutet werden. Den Betroffenen drohen mehrtägige Befragungen durch iranische Nachrichtendienste, bei denen erheblicher Druck auf sie ausgeübt wird. Zudem besteht die Gefahr, dass Mobilfunkgeräte und Informationsund Kommunikationshardware ausgelesen oder manipuliert werden. Ziel dieser oft unter Vorwand eingefädelten Verhöre ist es, die Personen zur Aufgabe ihrer oppositionellen Aktivitäten zu zwingen oder sie nachrichtendienstlich zu verpflichten. Iranreisende können sich diesem Druck im Land kaum entziehen. Gefährdung von Besonders gefährdet sind Personen mit deutscher und iranischer Doppelstaatern Staatsangehörigkeit. Diese werden grundsätzlich als iranische Staatsangehörige behandelt, da Doppelstaatsangehörigkeiten rechtlich nicht anerkannt werden. Gleichzeitig nutzt Iran jedoch die zweite Staatsbürgerschaft zur Ausübung politischen Drucks. Es ist davon auszugehen, dass Iran auch weiterhin gezielt westliche Staatsangehörige unter konstruierten Vorwänden festnehmen und als Druckmittel einsetzen wird. Dies dient der Durchsetzung seiner politischen Ziele, um beispielsweise den Austausch gegen im Ausland inhaftierte Personen zu erreichen. Cyberangriffe Staatlich gesteuerte iranische Cyberakteure nutzen seit mindestens 2013 Cyberangriffe zur Informationsgewinnung; dabei entwickeln 328 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN sie ihre Fähigkeiten stetig weiter. In Deutschland fokussiert sich die iranische Cyberspionage 2023 vorwiegend auf die hier beheimatete iranische Exil-Community. Hauptsächlich werden SpearPhishing-Angriffe198 durchgeführt oder aktuelle Sicherheitslücken ausgenutzt. Die Angriffe zeichnen sich durch ein hochwertiges Social Engineering199 sowie den Einsatz frei verfügbarer und zielgerichtet angepasster Schadsoftware aus. Iranische Akteure werden ihre Fähigkeiten im Bereich der CyberGefährdungsangriffsoperationen weiter professionalisieren. Wegen der umfaspotenzial senden Sanktionen wird Iran weiter versuchen, Know-how, Informationen und Produkte mithilfe von Cyberspionage zu beschaffen. Die iranische Opposition, aber auch (pro-)israelische beziehungsweise (pro-)jüdische Ziele werden in Deutschland weiterhin Ziel iranischer Nachrichtendienste sein. Das Gefährdungspotenzial ist in den letzten Jahren angestiegen und blieb auch 2023 auf einem hohen Niveau. Daher unterliegen insbesondere exponierte Einzelpersonen und Gruppierungen grundsätzlich einer höheren Gefährdung. Es ist davon auszugehen, dass die Nachrichtendienste Interessen des Landes auch weiterhin mit allen Mitteln - auch durch Gewalttaten und sogar Tötungen - verfolgen werden. V. Nachrichtendienste der Republik Türkei Die türkischen Nachrichtendienste sind zentrale Stellen im türkischen Staatsapparat. Sie dienen der türkischen Regierung, dem Staatspräsidenten und dessen Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) zur Durchsetzung der Regierungspolitik, der Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit und nicht zuletzt der Informationsbeschaffung. Türkische Nachrichtendienste spähen in Deutschland VereinigunUnterschiedliche gen und Einzelpersonen aus, die tatsächlich oder mutmaßlich in Zielbereiche 198 Besonders bei APTs verwendete Variante des Phishings. Dabei wird die PhishingMail für einen kleinen Empfängerkreis oder sogar nur eine Einzelperson maßgeschneidert. 199 Social Engineering ist eine manipulative Methode mit dem Ziel, Menschen zu einem bestimmten (sicherheitskritischen) Verhalten zu verleiten. Sie wird als Vorbereitung von weiterführenden Aktivitäten eingesetzt, wie z.B. Cyberangriffen oder Anwerbungsversuchen ausländischer Nachrichtendienste. 329 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Opposition zur türkischen Regierung stehen. Vorrangiges Aufklärungsziel sind Organisationen, die die Türkei als extremistisch oder terroristisch einstuft, wie die Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen. Dazu gehört aber vor allem die neben der Türkei auch in der Europäischen Union und den USA als Terrororganisation gelistete "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK). Methodik In Deutschland bestehen für türkische Nachrichtendienste wegen der großen türkeistämmigen Gemeinde und der Vielzahl türkischer Organisationen und Institutionen sowie der hohen Anzahl diplomatischer Vertretungen günstige Gelegenheiten zur verdeckten Informationsbeschaffung. In der Türkei richtet sich der Blick türkischer Stellen auch auf Angehörige deutscher diplomatischer Vertretungen. Darüber hinaus belegen zahlreiche Festnahmen und Inhaftierungen sowie Ausund Einreisesperren für Türkeireisende aus Deutschland das hohe Strafverfolgungsinteresse türkischer staatlicher Stellen. Im Fokus stehen dabei tatsächliche oder vermeintliche Aktivitäten dieser Personen für in der Türkei als terroristisch eingestufte Organisationen wie der PKK oder der Gülen-Bewegung. Dabei werden auch in Deutschland grundrechtlich geschützte Aktivitäten verfolgt. Auch Kontakte zu solchen Organisationen können dazu führen, dass Personen festgenommen, inhaftiert oder mit Reisesperren belegt werden. Staatliche Zusätzlich erfolgen Einflussnahmeaktivitäten von türkischen OrEinflussnahme ganisationen auf türkeistämmige Gemeinschaften in Deutschland, die Auswirkungen auf den politischen Willensbildungsprozess oder Entscheidungsfindungen in Deutschland haben können. UID Der größte staatsbeziehungsweise regierungsnahe Interessenverband für Einflussnahme ist die 2004 gegründete Union Internationaler Demokraten (UID) mit Sitz in Köln (Nordrhein-Westfalen). Sie verfügt in Deutschland über ein erhebliches Mobilisierungspotenzial, welches auch bei den türkischen Parlamentsund Präsidentschaftswahlen 2023 zum Tragen kam. Ihre Verbindungen zur Türkei stellt die UID durch regelmäßige Treffen mit AKP-Funktionären und türkischen Regierungsmitgliedern zur Schau. GefährdungsDeutschland bleibt für türkische Nachrichtendienste weiterhin potenzial eines der vorrangigen Aufklärungsziele. Dabei setzen sie ihre nachrichtendienstlichen Aktivitäten auf hohem Niveau fort. Ebenso ist zu erwarten, dass die Einflussnahmeaktivitäten türkischer 330 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN staatsoder regierungsnaher Organisationen in Deutschland fortgeführt werden. VI. Nachrichtendienste sonstiger Staaten Spionageaktivitäten ausländischer Nachrichtendienste in oder gegen Deutschland sind in keinem Fall zu tolerieren. Im Sinne einer "360deg-Bearbeitung" richten sich die Aufklärungsund Abwehraktivitäten der Cyberund Spionageabwehr gegen illegale nachrichtendienstliche Aktivitäten jeglicher Staaten, die für ihre Zwecke menschliche Quellen, Cyberangriffe und andere technische Aufklärungsmittel nutzen. Die vietnamesischen Nachrichtendienste und das Militär sind Vietnamesische fester Bestandteil des Sicherheitsund Repressionsapparats unter Nachrichtendienste der Führung der Kommunistischen Partei Vietnams. Vietnamesische Oppositionelle sowie Dissidentinnen und Dissidenten stehen auch in Deutschland im Fokus vietnamesischer Nachrichtendienste. Ein Beispiel für diese Gefährdung ist der Fall des im Jahr 2017 von Deutschland nach Vietnam entführten abtrünnigen vietnamesischen Ex-Politikers Trinh Xuan Thanh. Am 30. Januar 2023 verurteilte das Kammergericht Berlin einen vietnamesischen Staatsangehörigen, der an der Entführung beteiligt war, wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit und Beihilfe zur Freiheitsberaubung in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren.200 Nordkoreanische Nachrichtendienste sind auf deutschem Boden Nordkoreanische fast ausschließlich damit beschäftigt, hier lebende NordkoreaneNachrichtendienste rinnen und Nordkoreaner unter umfassender Kontrolle zu halten. So will das totalitäre Regime in Pjöngjang Flüchtlingsfälle wegen des damit verbundenen Prestigeund Talentverlustes unbedingt vermeiden. Der nordkoreanische Nachrichtendienst geht dabei mit großer Härte vor. Die Nachrichtendienste Nordkoreas nutzen weltweit offensive Cyberoperationen für die Informationsgewinnung über 200 KG Berlin, Urteil vom 30.01.2023, (8) 3 StE 10/22-2 (1/22). Die Revision gegen dieses Urteil wurde vom Bundesgerichtshof verworfen (BGH, Beschluss vom 20.02.2024 - 3 StR 277/23). 331 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN diplomatische und politische Prozesse, zur Wirtschaftsspionage sowie zur Devisenbeschaffung, insbesondere das Reconnaissance General Bureau (RGB), das wahrscheinlich für die Cyberangriffe des Akteurs Lazarus verantwortlich ist. Von Wirtschaftsspionage sind vornehmlich Unternehmen aus Bereichen betroffen, für die sich der nordkoreanische Staat das Ziel gesetzt hat, die Weiterentwicklung in besonderem Maße voranzutreiben. Dies gilt insbesondere für den Verteidigungssektor sowie die Luftund Raumfahrt. Im Jahr 2023 erfolgten weltweit Cyberspionageangriffe zur Erbeutung geschützten Know-hows aus Unternehmen der Luftund Raumfahrtsowie der Antriebstechnologie. Als Angriffsvektor wurde dabei mehrfach erfolgreich Social Engineering angewendet. Im Fokus der Cyberakteure stehen auch Personen, die sich mit der politischen und humanitären Lage auf der koreanischen Halbinsel befassen. Dies gilt auch für zwischenstaatliche Organisationen wie die Vereinten Nationen, die mit der Verhängung, Durchsetzung und Evaluation internationaler Sanktionen gegen Nordkorea betraut sind. Pakistanische Die pakistanischen Nachrichtendienste beobachten in DeutschNachrichtendienste land insbesondere Angehörige oppositioneller Gruppierungen, vor allem Angehörige des Volkes der Belutschen, die in Afghanistan, Iran und Pakistan leben. Gleichzeitig versuchen sie, Einfluss auf die hiesige pakistanische und afghanische Diaspora sowie die Wahrnehmung Pakistans in Deutschland zu nehmen. Hierzu organisieren die pakistanischen Nachrichtendienste Propaganda-Veranstaltungen und Demonstrationen. Nachrichtendienste Einen Schwerpunkt der "360deg-Bearbeitung" stellen die nachNordafrikas und des richtendienstlichen Aktivitäten der Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens Nahen und Mittleren Ostens in Deutschland dar, darunter durch Syrien, Ägypten und Marokko. Zum Aufklärungsspektrum der Nachrichtendienste der Staaten aus dieser Region gehören vor allem die in Deutschland ansässigen Auslandsgemeinden, beispielsweise die in Deutschland europaweit größte syrische Diaspora. Die Nachrichtendienste versuchen, Oppositionelle in Deutschland auszuspähen und als Extremisten zu diskreditieren. Die Methoden der Transnationalen Repression reichen bis hin zu einer physischen Bedrohung. 332 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Am 31. August 2023 verurteilte das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf einen marokkanischen Staatsangehörigen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten; die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.201 Er hatte im Auftrag marokkanischer Nachrichtendienste eine oppositionelle Gruppe um zwei in Deutschland lebende Personen mit deutscher und marokkanischer Staatsangehörigkeit in Deutschland ausgespäht. Darüber hinaus sind Nachrichtendienste aus Nordafrika und dem Nahen und Mittleren Osten bestrebt, Politik, Medien und Verwaltungshandeln in Deutschland durch klandestine Methoden im eigenen Sinne verdeckt zu beeinflussen. Nationale politische Interessen oder außereuropäische Regionalkonflikte werden so auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln in Deutschland ausgetragen. VII. Proliferation Das BfV nimmt Staaten in den Blick, von denen zu befürchten ist, dass sie CBRN-Waffen202 in einem bewaffneten Konflikt einsetzen oder ihren Einsatz zur Durchsetzung politischer Ziele androhen. Staaten, die nach solchen Massenvernichtungswaffen streben, sind bei der Entwicklung und Herstellung der Waffen und Trägersysteme auf den Weltmarkt und auch auf Deutschland angewiesen, auch wenn sie teilweise erhebliche eigene technologische Fortschritte verzeichnen. Allerdings verhindern die strengen deutschen und europäischen Exportkontrollbestimmungen solche Beschaffungsbemühungen auf dem regulären Markt. Daher beschaffen diese Staaten Produkte über Drittländer (soUmgehungsversuche genannte Umgehungsausfuhren), schalten Tarnfirmen ein oder machen bei genehmigungspflichtigen Ausfuhren von Dual-UseGütern203 falsche Angaben über den Verwendungszweck oder Endverwender. Die diese Geschäfte begleitenden Finanztransfers laufen über verzweigte Firmenund Bankennetzwerke, um so den Ursprung der Kaufenden zu verschleiern. 201 OLG Düsseldorf, Urteil vom 31.08.2023, 7 StS 2/23. 202 CBRN-Waffen bezeichnen chemische, biologische, radiologische und nukleare Waffen. Diese gelten als Massenvernichtungswaffen. 203 Dual-Use-Güter bezeichnen Produkte, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden können. 333 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Islamische Da Iran auch 2023 weiter gegen maßgebliche Verpflichtungen aus Republik Iran der Wiener Nuklearvereinbarung von 2015 (Joint Comprehensive Plan of Action, JCPoA) verstieß, besteht das Teilembargo der EU fort, welches die Weitergabe proliferationsrelevanter Güter an Iran verbietet sowie den Export von Waffen und Trägersystemen untersagt. Wegen des gewaltsamen Vorgehens der iranischen Sicherheitskräfte gegen die Protestbewegung nach dem Tod von Jina Mahsa Amini ab Herbst 2022 sowie der Unterstützung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat die EU 2023 weitere Sanktionen gegen Iran erlassen. Neben seinem Atomprogramm verfolgt Iran eines der umfangreichsten Raketenprogramme im Nahen und Mittleren Osten. Im Bereich der iranischen Trägertechnologie-/Raketenprogramme sind die Beschaffungsaktivitäten in Deutschland anhaltend hoch - mit steigender Tendenz. Russische Föderation Das BfV beobachtet trotz umfangreicher EU-Sanktionen weiterhin russische proliferationsrelevante Aktivitäten in Deutschland. Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg hat die EU seit Ende Februar 2022 13 Sanktionspakete gegen Russland erlassen, die umfangreiche Finanzsanktionen, Listungen von Einzelpersonen und Institutionen sowie Güterlistungen umfassen. Zentraler Bestandteil der Sanktionen ist das Verbot für die Lieferung von Dual-UseGütern (Anhang I der Dual-Use-Verordnung) sowie sämtlicher Güter und Technologien, die zur militärischen und technologischen Stärkung Russlands oder zur Entwicklung des Verteidigungsund Sicherheitssektors beitragen könnten (Anhang VII der RU-Embargo-Verordnung).204 Neben Dual-Use-Gütern für CBRN-Waffen und militärische Raumfahrtprogramme zielten russische Beschaffungsbemühungen vermehrt in Richtung Quantentechnologie und maritime Güter. Insgesamt hat das BfV im Jahr 2023 eine deutliche Zunahme von tatsächlichen Anhaltspunkten für proliferationsrelevante Beschaffungsversuche unter Einbindung russischer Nachrichtendienste mit konkretem Deutschlandbezug verifiziert. Intensive russische Beschaffungsbemühungen sind auch künftig zu erwarten. 204 Art. 2 und 2a der konsolidierten Fassung vom 24. Februar 2024 der EU-Verordnung Nr. 833/2014 vom 31. Juli 2014 sowie konsolidierte Fassung vom 12. März 2024 der EU-Verordnung Nr. 269/2014 vom 17. März 2014. 334 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN China arbeitet im Bereich der Emerging Technologies (EMT) mit Volksrepublik China Hochdruck an seinem "Sprung an die Weltspitze" - auch unter vielfältiger Nutzung des deutschen Marktes und der deutschen Wissenschaftslandschaft. Die dafür genutzten Transferkanäle sind ausgesprochen vielfältig: Hierzu zählen die (Forschungs-)Güterbeschaffung im Rahmen regulärer Geschäftsbeziehungen, ausländische Direktinvestitionen oder Wissenschaftskooperationen. Häufig sind solche Beschaffungsaktivitäten weder Gegenstand von Sanktionen oder internationalen Restriktionen noch von nationalen Exportbeschränkungen. Mit der Investitionsprüfung steht ein Instrument zur Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen zur Verfügung. Gleichwohl ergibt sich in anderen Bereichen eine Anfälligkeit Deutschlands für Abflüsse hiesiger Hochtechnologie. Das ist umso brisanter, als insbesondere EMT mit zivil-militärischem Dual-Use-Charakter das Potenzial haben, zukünftige militärische Auseinandersetzungen in einem Maße zu beeinflussen, das der Wirkung von Massenvernichtungswaffen nahekommt. Das BfV steuert dem durch nachrichtendienstliche Aufklärung und Analyse mit anschließender Sensibilisierung von Politik und Unternehmen entgegen. Pakistan gehört zu den weltweit vier Ländern, welche den AtomIslamische waffensperrvertrag und die dazugehörigen Sicherheitsabkommen Republik Pakistan nicht unterzeichnet haben. Der Staat betreibt ein umfassendes militärisches Nuklearund Trägertechnologieprogramm. Der Ausbau des eigenen Kernwaffenpotenzials durch die Entwicklung und Stationierung neuer nuklearfähiger Raketen sowie die Produktionssteigerung bei spaltbaren Materialien sind für Pakistan von großer Bedeutung. Auch im Jahr 2023 waren in Deutschland und in zahlreichen anderen westlichen Ländern proliferationsrelevante pakistanische Beschaffungsversuche festzustellen. Intensive verdeckte Bemühungen zur Fortentwicklung des pakistanischen Nuklearund Trägertechnologieprogramms sind auch zukünftig zu erwarten. Nordkorea verfügt über ein weit fortgeschrittenes, völkerrechtsDemokratische widriges Kernwaffenund Raketenprogramm. Der Besitz nuklear Volksrepublik Korea bestückter Raketen gilt dem Regime als herausragendes Element (Nordkorea) der Machterhaltung. Auch 2023 führte das Land erneut zahlreiche Raketentests durch. 335 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN In Anbetracht des anhaltenden nordkoreanischen Interesses an Dual-Use-Gütern ist mit vermehrten Beschaffungsversuchen in Deutschland zu rechnen. VIII. Prävention in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung Durch seine Präventionsarbeit trägt das BfV dazu bei, dass Wirtschaft, Wissenschaft sowie Politik und Verwaltung sich gegen Ausforschung, illegalen Wissensund Technologietransfer, Sabotage sowie Bedrohungen durch Extremismus und Terrorismus schützen können. Schwerpunkte 2023 war die Arbeit des Präventionsbereichs des BfV weiterhin weRusslands sentlich durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und Angriffskrieg und die daraus resultierenden Gefährdungen für Unternehmen und chinesische Spionage Forschungseinrichtungen sowie die feindseligen Ausforschungen und Restriktionen durch staatliche chinesische Stellen bestimmt. InformationsDie Publikationsformate "Sicherheitshinweis für die Wirtschaft" angebote für und "Sicherheitshinweis für Politik & Verwaltung" wurden auch Wirtschaft und 2023 lagebezogen an die jeweiligen Zielgruppen versendet und Wissenschaft sowie veröffentlicht. Darin informiert das BfV deutsche Unternehmen für Politik und und politische Entscheidungsträgerinnen und -träger über einzelVerwaltung ne Aspekte der aktuellen Bedrohungslage und spricht Handlungsempfehlungen aus, beispielsweise zum Schutz vor nachrichtendienstlicher Anbahnung oder zur Stärkung der IT-Sicherheit.205 Aktuelle Themen der IT-Sicherheit sind auch Inhalt des "BfV CyberBriefs". Hier werden Gefährdungslagen im Cyberraum thematisiert und effektive Schutzund Präventionsmaßnahmen gegeben. Die "Informationsblätter zum Wirtschaftsschutz" geben einen Überblick zu Sicherheitsthemen von dauernder Relevanz. Sie 205 Der "Sicherheitshinweis für die Wirtschaft" wird auch auf www.verfassungsschutz.de und www.wirtschaftsschutz.info zur Verfügung gestellt sowie über den BfV-Kanal beim Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) bekannt gemacht. 336 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN dienen als Handreichung zur Sensibilisierung von Beschäftigten und der Leitungsebenen.206 Der präventive Wirtschaftsschutz ist ein zentrales Anliegen des Prävention im gesamten Verfassungsschutzverbundes. Die VerfassungsschutzVerbund behörden von Bund und Ländern arbeiten dabei Hand in Hand zusammen. Darüber hinaus engagiert sich das BfV bei der Weiterentwicklung der durch das BMI koordinierten "Initiative Wirtschaftsschutz". IX. Ermittlungsverfahren, Festnahmen und Verurteilungen Im Jahr 2023 leitete der Generalbundesanwalt insgesamt dreizehn neue Ermittlungsverfahren im Bereich der Spionage ein (2022: 28 Verfahren). Davon betrafen zwölf Ermittlungsverfahren den Verdacht der geheimdienstlichen Agententätigkeit (SS 99 StGB) und ein Ermittlungsverfahren den Verdacht des Landesverrats (SS 94 StGB). Im Berichtszeitraum wurden drei Haftbefehle vollstreckt. Eine Person wurde wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit rechtskräftig verurteilt. 206 Die "Informationsblätter zum Wirtschaftsschutz" sind in deutscher und englischer Sprache erhältlich und werden auf www.verfassungsschutz.de und www.wirtschaftsschutz.info zur Verfügung gestellt. 337 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN X. Strukturen und Aufgaben ausländischer Nachrichtendienste 1. Russische Föderation SWR Ziviler Auslandsnachrichtendienst Slushba Wneschnej Raswedki Leitung: Sergej Narischkin Der SWR ist für Spionage in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie zuständig. Zu seinen Aufgaben zählen ferner die Ausforschung von Zielen und Arbeitsmethoden westlicher Nachrichtenund Sicherheitsdienste sowie die elektronische Fernmeldeaufklärung. Der SWR ist auch im Bereich von Cyberspionageoperationen aktiv, darunter gegen Hochwertziele westlicher Staaten, insbesondere in Hinblick auf das russische Erkenntnisinteresse für Außenund Sicherheitspolitik. Zudem wirkt der Dienst an der Bekämpfung von Proliferation und Terrorismus mit. GRU Militärischer Glawnoje RaswedywaAuslandsnachrichtendienst telnoje Uprawlenije Leitung: Admiral Igor Kostjukow Zu den Aufgaben der GRU gehört die Beschaffung von Informationen in den Bereichen Militär und Sicherheitspolitik. Zu den Zielobjekten zählen die Bundeswehr, die NATO und andere westliche Verteidigungsstrukturen sowie organisationsübergreifend militärisch nutzbare Technologien. Neben Cyberspionage führt die GRU auch Cybersabotageoperationen durch. Mit den SpetsNaz verfügt die GRU über eine erhebliche personelle Komponente an militärischen Spezialeinheiten. 338 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN FSB Inlandsnachrichtendienst Federalnaja Slushba Besopasnosti Leitung: Armeegeneral Alexander Bortnikow Zu den Aufgaben des FSB gehören die Spionageabwehr, die Beobachtung oppositioneller Gruppierungen sowie die Bekämpfung von Extremismus, Terrorismus und Organisierter Kriminalität. Zudem zählen der Schutz der russischen Industrie vor Wirtschaftsspionage, der Schutz ausländischer Investoren vor Wirtschaftskriminalität sowie die Sicherung der Staatsgrenzen zu seinen Aufgaben. Der FSB betreibt auch Gegenspionage im Ausland und ist in der Cyberspionage aktiv. Neben den nachrichtendienstlichen Aufgaben ist ein erheblicher Teil der Mitarbeitenden für den Grenzschutz zuständig. 2. Volksrepublik China MSS Ziviler Inund AuslandsMinistry of State nachrichtendienst Security Leitung: Minister Chen Yixin Das MSS ist sowohl mit Abwehraufgaben im Inland als auch mit offensiven Spionageaktivitäten im Ausland betraut. In Fragen der nationalen Sicherheit nimmt das MSS eine zentrale Rolle unter den chinesischen Diensten ein. Das Ministerium ist für die Bekämpfung von Gefahren für die staatliche Ordnung und Sicherheit zuständig und hierfür auch mit Polizeibefugnissen ausgestattet. In Deutschland bemüht es sich nachhaltig um Informationen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft und klärt oppositionelle chinesische Gruppierungen auf. Das MSS ist auch im Bereich von Cyberspionageoperationen aktiv. Zielfläche sind auch Hochwertziele westlicher Staaten, insbesondere zu Themen der Außenund Sicherheitspolitik. 339 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN MID Militärischer Inund AuslandsnachMilitary Intelligence richtendienst Directorate Das MID ist weltweit tätig. Es entsendet Militärattaches und unterhält Verbindungen zu ausländischen Streitkräften. Es ist für die Beschaffung von Informationen zuständig, die die äußere Sicherheit der Volksrepublik betreffen. Im Zuge der Militärreform ist das MID verpflichtet worden, sich auf militärisch-strategische Aufklärungsziele zu konzentrieren, wie Struktur, Stärke und Ausrüstung fremder Streitkräfte. Spionageziele sind aber auch Politik sowie Wissenschaft und Technik mit militärischem Bezug. NSD Technischer militärischer Network Systems Nachrichtendienst Department Das NSD ist der Teilstreitkraft PLA Strategic Support Force (SSF) unterstellt. Es betreibt weltweite Fernmeldeaufklärung und Cyberspionage und ist für Telekommunikationsüberwachung, IT-Sicherheit und Cyberabwehr im Militär zuständig. Zahlreiche gegen westliche Staaten aktive chinesische Cybergruppierungen werden mutmaßlich vom NSD gesteuert. MPS Ministerium für Öffentliche Sicherheit Ministry of Public Security Leitung: Minister Wang Xiaohong Das MPS ist zuständig für öffentliche Sicherheit und Ordnung und kann auf die Ordnungsund Kriminalpolizei zurückgreifen. Ferner verfügt das MPS über nachrichtendienstliche Einheiten, die auch verdeckt im Ausland tätig sind und deren Aufgaben sich teilweise mit dem MSS decken. Überdies kontrolliert und zensiert das MPS die Medien und den Internetverkehr. Mutmaßlich steuert das MPS chinesische Cyberspionageangriffe gegen im Ausland lebende chinesische Staatsangehörige und Dissidentinnen bzw. Dissidenten. 340 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN IDCPC Internationale Abteilung des ZK der International DepartKPCh ment of the Central Committee of the Communist Party of China Leitung: Minister Liu Jianchao Das IDCPC hat Ministeriumsrang und ist für den Dialog der KPCh mit ausländischen Parteien des gesamten politischen Spektrums zuständig. Darüber hinaus führt es verdeckte politische Einflussoperationen durch und nutzt auch nachrichtendienstliche Mittel zur Informationsbeschaffung. 3. Islamische Republik Iran VAJA/MOIS Ziviler Inund Ministry of Auslandsnachrichtendienst Intelligence207 Leitung: Minister Esmaeil Khatib VAJA/MOIS ist wegen seiner Größe und Bedeutung für den Machterhalt der Regierung eines der mächtigsten Ministerien. In seiner Funktion als Minister hat der Leiter des VAJA/MOIS einen Sitz im Kabinett. Kernaufgabe ist die Ausspähung und Bekämpfung oppositioneller Bewegungen im Inund Ausland, auch durch Staatsterrorismus. Darüber hinaus werden im westlichen Ausland Informationen aus den Bereichen Außenund Sicherheitspolitik, Wirtschaft und Wissenschaft beschafft. 207 In Farsi: Vezarat-e Ettela'at-e Jomhouri-ye Eslami-ye Iran - VAJA. 341 IRGC-IO Militärischer Inund AuslandsIslamic Revolutionary nachrichtendienst Guard Corps Intelligence Organization208 Leitung: Mohammad Kazemi Der Nachrichtendienst der Iranischen Revolutionsgarden ist sowohl für Spionage im Ausland als auch für Abwehraufgaben im Inland zuständig. Quds Force209 Militärische Spezialeinheit (auch: al-Quds-Einheit, Quds-Brigaden oder Sepah-Qods) Leitung: Brigadegeneral Ismail Ghaani Die Spezialeinheit der Revolutionsgarden ist auf extraterritoriale und verdeckte militärische und staatsterroristische Operationen sowie auf nachrichtendienstliche Ausspähungen spezialisiert. 4. Republik Türkei Türkische Nachrichtendienste Das Aufklärungsinteresse türkischer Nachrichtendienste in Deutschland gilt grundsätzlich allen Organisationen und Einzelpersonen, die in tatsächlicher oder mutmaßlicher Opposition zur gegenwärtigen türkischen Regierung stehen. Ihre vorrangigen Ziele sind die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) und die Gülen-Bewegung. Weitere Aufklärungsziele bilden wirtschaftliche, politische, militärische und technologische Themen innerhalb Deutschlands und dessen Rolle innerhalb von EU und NATO. 208 In Farsi: Sepah Pasdaran. 209 In Farsi: Niru-ye Quds (diese Bezeichnung der Einheit wird von dem arabischen Namen für Jerusalem "al-Quds" abgeleitet). 342 Geheimund Sabotageschutz 343 Geheimund Sabotageschutz Zielsetzung Der Geheimschutz dient dem Schutz von Informationen, die durch eine staatliche Stelle als Verschlusssache (VS)210 eingestuft worden sind. Der Sabotageschutz hat die Aufgabe, lebensund verteidigungswichtige Einrichtungen vor Sabotagehandlungen durch sogenannte Innentäter zu schützen. Solche Einrichtungen sind entweder für die Funktionsfähigkeit des Staates unverzichtbar oder können im Sabotagefall die Gesundheit oder das Leben großer Teile der Bevölkerung erheblich gefährden. Personeller GeheimWesentliches Element des personellen Geheimund Sabotageund Sabotageschutz schutzes sind Sicherheitsüberprüfungen nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG). Das SÜG bestimmt, wann eine Sicherheitsüberprüfung erforderlich ist. Im Bereich des personellen Geheimschutzes ist dies bei einem tatsächlichen oder potenziellen Zugang zu Verschlusssachen der Fall, die als VS-VERTRAULICH oder höher eingestuft sind. Beim vorbeugenden personellen Sabotageschutz ist die Tätigkeit an einer sicherheitsempfindlichen Stelle einer lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtung (festgeschrieben in der Sicherheitsüberprüfungsfeststellungsverordnung - SÜFV) maßgeblich. Darüber hinaus sind Sicherheitsüberprüfungen auch auf einer spezialgesetzlichen Grundlage vorgesehen.211 Überprüfungsarten Das SÜG sieht drei Überprüfungsarten vor: " einfache Sicherheitsüberprüfung (Ü1), " erweiterte Sicherheitsüberprüfung (Ü2), 210 Nach SS 4 Abs. 1 SÜG sind VS im öffentlichen Interesse, insbesondere zum Schutz des Wohles des Bundes oder eines Landes, geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse unabhängig von ihrer Darstellungsform. VS können auch Produkte und die dazu gehörenden Dokumente sowie Schlüsselmittel zur Entschlüsselung, Verschlüsselung oder Übertragung von Informationen sein (Kryptomittel). Geheimhaltungsbedürftig im öffentlichen Interesse können auch Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs-, Steueroder sonstige private Geheimnisse oder Umstände des persönlichen Lebensbereichs sein. 211 Zum Beispiel im Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel-10-Gesetz), im Satellitendatensicherheitsgesetz (SatDSiG), im Bundeskriminalamtgesetz (BKAG) sowie im Zollfahndungsdienstgesetz (ZFdG). 344 GEHEIMUND SABOTAGESCHUTZ " erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü3). Im Geheimschutz richtet sich die Art der Sicherheitsüberprüfung nach der Höhe des Geheimhaltungsgrades der Verschlusssachen, zu denen die betroffene Person Zugang erhalten soll. Im Rahmen der Ü2 und Ü3 werden Überprüfungsmaßnahmen auch bei der sogenannten mitbetroffenen Person212 durchgeführt. Für den Bereich des Sabotageschutzes erfolgt eine reduzierte Form der Ü2. Grundlage jeder Sicherheitsüberprüfung ist die Sicherheitserklärung der betroffenen Person, welche die im Gesetz bestimmten Angaben zu enthalten hat. Die Sicherheitsüberprüfung setzt die Zustimmung der betroffenen und gegebenenfalls der mitbetroffenen Person voraus. Zum Schutz der personenbezogenen Daten ist eine Sicherheitsüberprüfung nur zulässig, wenn die betroffene Person die vorgesehene sicherheitsempfindliche Tätigkeit in absehbarer Zeit aufnehmen oder weiterhin ausüben soll. Ziel der Sicherheitsüberprüfung ist festzustellen, ob eine Person Sicherheitsrisiko die für die jeweilige sicherheitsempfindliche Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit besitzt und damit ein Sicherheitsrisiko ausgeschlossen werden kann, welches einer Verwendung in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit entgegensteht. Dies ist dann der Fall, wenn tatsächliche Anhaltspunkte " Zweifel an der Zuverlässigkeit bei der Wahrnehmung der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit, " eine besondere Gefährdung bei möglichen Anbahnungsund Werbungsversuchen213 oder 212 Mitbetroffene, in die Überprüfung einzubeziehende Person ist: die volljährige Ehegattin oder der volljährige Ehegatte, die Lebenspartnerin oder der Lebenspartner oder die volljährige Partnerin oder der volljährige Partner, mit der oder dem die betroffene Person in einer auf Dauer angelegten Gemeinschaft lebt (Lebensgefährtin oder Lebensgefährte). 213 In Betracht kommen ausländische Nachrichtendienste, Vereinigungen im Sinne der SSSS 129 bis 129b Strafgesetzbuch sowie extremistische Organisationen, die Bestrebungen im Sinne des SS 3 Abs. 1 Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) verfolgen. 345 GEHEIMUND SABOTAGESCHUTZ " Zweifel am Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder am jederzeitigen Eintreten für deren Erhaltung begründen. Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos ist keine Sanktion. Bei Zweifeln an der Zuverlässigkeit und Verstößen gegen die Verfassungstreuepflicht muss die Prüfung eine Prognose über das künftige Verhalten der betroffenen Person umfassen. Zweifel an der Zweifel an der Zuverlässigkeit können sich zum Beispiel aus VerZuverlässigkeit stößen gegen Strafvorschriften oder Dienstpflichten, aufgrund übermäßigen Alkoholkonsums, Abhängigkeit oder Konsums von Betäubungsmitteln oder Medikamenten sowie anhand bestimmter psychischer Erkrankungen ergeben. NachrichtenEine nachrichtendienstliche Gefährdung kann sich zum Beispiel dienstliche aus verwandtschaftlichen Verbindungen in Staaten mit besondeGefährdung ren Sicherheitsrisiken, Verhaltensweisen, die eine Person unbedingt vor Dritten verborgen halten will und sie daher erpressbar erscheinen lassen, oder Überschuldung ergeben. Die Feststellung des Sicherheitsrisikos ist dann nicht als Verdacht zu verstehen, die betroffene Person würde gegen Pflichten verstoßen, sondern soll auch die Person selbst und Verwandte oder Freunde, die in Risikostaaten leben, vor Anbahnungsversuchen und Repressalien schützen. Zweifel an der Zweifel an der Verfassungstreue sind regelmäßig gerechtfertigt, Verfassungstreue wenn eine Person sich beispielsweise für eine extremistische Organisation aktiv einsetzt oder sie Dritten wegen ihres Geschlechts, ihrer Abstammung, ihrer Sprache, ihrer Herkunft oder ihrer religiösen oder politischen Anschauungen die Anerkennung ihrer Menschenwürde und Rechte abspricht. Die Maßstäbe bei der Beurteilung möglicher Sicherheitsrisiken werden im Kontext der gegenwärtigen und zunehmend angespannten weltweiten Sicherheitslage stetig neu bewertet und angepasst. Hierbei spielt insbesondere der fortdauernde Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, einhergehend mit intensivierten Spionageaktivitäten und teils aggressiven Anwerbungsversuchen der russischen Nachrichtendienste, eine Rolle. Zudem besteht die 346 GEHEIMUND SABOTAGESCHUTZ hohe Gefahr staatlich gesteuerter Sabotagehandlungen, insbesondere gegen Kritische Infrastrukturen wie der Informationsund Kommunikationstechnik sowie der Energieversorgung, weiter fort. Auch der terroristische Angriff der HAMAS auf Israel am 7. Oktober 2023 und die daraufhin auch in Deutschland beziehungsweise in den sozialen Medien verstärkt wahrzunehmende Verbreitung antisemitischer Ideologeme sowie die öffentliche Positivierung von Terrororganisationen bedürfen besonderer Berücksichtigung. Die Verbreitung etwa antisemitischer Stellungnahmen und auch bereits das Liken solcher Äußerungen können im Einzelfall ein hinreichender Anhaltspunkt dafür sein, dass ein Sicherheitsrisiko bei der betroffenen Person vorliegt. Schon unmittelbar nach dem 7. Oktober 2023 ergaben sich Fallgestaltungen dieser Art im Rahmen von Sicherheitsüberprüfungen. Die Entscheidung, ob für eine Person eine Sicherheitsüberprüfung Maßnahmen erforderlich ist und ob ein Sicherheitsrisiko vorliegt, trifft die Beder Sicherheitsschäftigungsbehörde oder - sofern die Person bei einem Unterüberprüfung nehmen beschäftigt ist - das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Um diese Feststellung zu ermöglichen, führt das BfV die für die jeweilige Überprüfungsart nach SS 12 SÜG vorgesehenen Maßnahmen durch und nimmt damit eine wichtige Serviceaufgabe für diese Bedarfsträger wahr. Zu den Maßnahmen zählen insbesondere die Berücksichtigung der Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder und der anderen Nachrichtendienste des Bundes sowie von Polizeiund Justizbehörden. Zudem können bei allen Überprüfungsarten öffentlich zugängliche Informationen zu der betroffenen Person im Internet recherchiert werden. Bei der Ü2 werden für die mitbetroffene Person die für die Ü1 und Ü2 vorgesehenen Maßnahmen (ohne Internetrecherche) ebenfalls durchgeführt. Bei der Ü3 werden - zusätzlich zu den Maßnahmen der Ü1 und Ü2 - die von der betroffenen Person angegebenen Referenzpersonen sowie weitere geeignete Auskunftspersonen befragt. Die im Rahmen des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens festgestellten Erkenntnisse werden vom BfV auf ihre Sicherheitserheblichkeit geprüft und bei der Erstellung eines abschließenden Votums berücksichtigt. Auf dessen Grundlage entscheidet die Beschäftigungsbehörde beziehungsweise das BMWK über den Einsatz der überprüften Person in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit. 347 GEHEIMUND SABOTAGESCHUTZ Entwicklungen Sicherheitsüberprüfungen sind ein geeignetes Mittel, um sensible Tätigkeiten nur an besonders zuverlässige Personen zu übertragen. In den letzten Jahren ist der Kreis der zu überprüfenden Personen ausgedehnt worden. Globalisierung und Migration führen dabei nicht selten zu einem erhöhten Überprüfungsaufwand. Das BfV wirkte im vergangenen Jahr an 80.431 Sicherheitsüberprüfungen im Geheimund Sabotageschutz mit. Das Überprüfungsaufkommen bleibt auf einem hohen Niveau. Das BfV trägt diesem Umstand mit der Konzeption, Pilotierung und Einführung weitgehend digitalisierter Arbeitsprozesse Rechnung. Die Anzahl der Sicherheitsüberprüfungen verteilt sich nahezu gleichmäßig auf Behördenmitarbeitende und Beschäftigte in Unternehmen. Im Jahr 2023 wurden im Geheimschutz 13.724 einfache Sicherheitsüberprüfungen, 37.196 erweiterte Sicherheitsüberprüfungen und 2.719 erweiterte Sicherheitsüberprüfungen mit Sicherheitsermittlungen durchgeführt. Hinzu kamen 9.125 Überprüfungen im Bereich des Sabotageschutzes sowie 17.667 Aktualisierungen. Schulung und Das BfV bietet den Geheimund Sabotageschutzbeauftragten in Sensibilisierung Behörden214 regelmäßig Schulungen an. Hierbei haben sich Videoseminare zu einem erfolgreichen und teilnahmestarken Format entwickelt. Im Rahmen der Schulungen werden Entwicklungen in den Beobachtungsfeldern der Verfassungsschutzbehörden sowie rechtliche Themen behandelt. Gleichzeitig wird ein praxisorientierter Austausch gefördert. Des Weiteren stellt das BfV Materialien zur Verfügung, um auch bei den Geheimnisträgerinnen und Geheimnisträgern selbst ein nachhaltiges Sicherheitsbewusstsein zu fördern. 214 Die Geheimbzw. Sabotageschutzbeauftragten in Behörden sind in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen für die Durchführung der Bestimmungen des SÜG und der dazu ergangenen Regelungen verantwortlich. Sie nehmen Aufgaben im Zusammenhang mit der Durchführung von Sicherheitsüberprüfungen wahr und sorgen dafür, dass sicherheitsempfindliche Tätigkeiten nur nach Maßgabe des Gesetzes übertragen werden. Ferner treffen sie die abschließende Entscheidung über die Zulässigkeit der Betrauung mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit. Sie sind Ansprechstellen für die Bediensteten in allen Fragen des personellen Geheimbzw. Sabotageschutzes. Geheimschutzbeauftragte sind darüber hinaus für die Durchführung der Maßnahmen des materiellen Geheimschutzes verantwortlich. 348 "Scientology-Organisation" (SO) 349 "Scientology-Organisation" (SO) Die "Scientology-Organisation" (SO) beabsichtigt, weltweit eine "scientologische Gesellschaft" zu errichten. Dabei beruft sie sich auf ein Gesellschaftsbild, welches auf den Schriften des Gründers und der Leitfigur Lafayette Ron Hubbard (1911-1986) basiert. In seinem erstmalig 1950 veröffentlichten Buch "Dianetik" entwickelte Hubbard eine Methode, die er als "Technologie", "Dianetik" oder "Scientology" bezeichnete. Diese soll dem Nutzer ermöglichen, sich von jeglichen psychischen und physischen Belastungen zu befreien und somit eine Wandlung zum perfekten Menschen ("Clear" oder "Nichtaberrierter"215 genannt) zu vollziehen. Menschen, die nicht zu den "Clears" beziehungsweise "Nichtaberrierten" gehören, sollen innerhalb dieser "scientologischen Gesellschaft" hingegen Grundrechte und die Menschenwürde abgesprochen werden. "Eines Tages wird es vielleicht ein viel vernunftgemäßeres Gesetz geben, das nur Nichtaberrierten erlaubt, zu heiraten und Kinder in die Welt zu setzen." (L. Ron Hubbard, "Dianetik - Der Leitfaden für den menschlichen Verstand", 3. überarbeitete Ausgabe, Kopenhagen, 2007, S. 373) Ideologie Laut Hubbard ist ein Staat nur dann zu "wahrer Demokratie" befähigt, wenn er sich ausschließlich aus "Nichtaberrierten" zusammensetzt. In diesem Kontext erachtet sich die SO selbst als Führungselite, die durch die Anwendung der Lehren Hubbards den Rest der Menschheit regieren sollte. Ein derartiges - die Demokratie ersetzendes - System einer exklusiv scientologischen Regierung ist mit dem Demokratieprinzip unvereinbar. Alle Staatsgewalt ginge in solch einem System weder vom Volke aus noch wäre sie durch eine ununterbrochene Legitimationskette an das Volk gebunden. Die heutige SO distanziert sich nicht von den verfassungsfeindlichen Aussagen Hubbards; vielmehr werden seine Werke weiterhin in den Niederlassungen der Organisation und in eigenen Onlineshops vertrieben. Die von Hubbard in den 1950er-Jahren verfassten "Kodizes" und "Glaubensbekenntnisse" der SO bilden bis heute die Richtlinien für die Kursund Seminargestaltung dieser Organisation. 215 Vgl. Hubbard, "Dianetik - Der Leitfaden für den menschlichen Verstand", 3. überarbeitete Ausgabe, Kopenhagen 2007, S. 537 ff. 350 "SCIENTOLOGY-ORGANISATION" (SO) Die SO besitzt in Deutschland neben drei repräsentativen Zentren, Struktur den sogenannten Idealen Orgs, zwölf weitere Niederlassungen, die je nach Größe und Ausstattung als "Orgs" beziehungsweise "Missionen" bezeichnet werden. Des Weiteren betreibt die Organisation zwei sogenannte Celebrity Centres. Celebrity Centres sind Scientology-Kirchen, die zwar der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich sind, aber für prominente Persönlichkeiten bestimmt sind. Die Mitgliederzahl der SO in Deutschland liegt seit dem Jahr 2021 unverändert bei rund 3.600 Personen. Die Organisation versucht, durch eine langfristig ausgerichtete Strategie Expansionsstrategie, eine Maximierung ihrer finanziellen Mittel sowie durch die Bekämpfung ihrer Kritiker, eine scientologische Gesellschaftsordnung im Sinne Hubbards zu errichten. Dabei bemüht sich die SO, in ihrer Außendarstellung als sozial engagierte Organisation und unpolitische Religionsgemeinschaft wahrgenommen zu werden, und arbeitet gezielt darauf hin, dass dieser Status offiziell anerkannt wird. Im gesamten Bundesgebiet ließen sich 2023 regelmäßig KundgeAktivitäten bungen, Informationsstände und Verteilaktionen der SO sowie ihrer Unterund Tarnorganisationen feststellen. Zudem werden die im Zuge der Coronapandemie etablierten Kursund Seminarangebote im virtuellen Raum mit Webinaren, Online-Briefings und weiteren Onlineveranstaltungen weiterhin angeboten.216 Diese nutzt die SO strategisch, um niedrigschwellig scientologische Inhalte einem erweiterten Empfängerkreis nahezubringen, neue Mitglieder zu werben, Finanzmittel zu generieren und die Expansion der SO zu unterstützen. Nach eigener Darstellung217 verfolgt die SO weiter ihre KampagKampagnen ne des sogenannten Golden Age of Admin218. Die Organisation begleitet diese im Rahmen umfangreicher Public-RelationsMaßnahmen, innerhalb derer durch den höchstrangigen USamerikanischen Scientology-Funktionär David Miscavige219 regelmäßig vermeintliche Fortschritte innerhalb des "wichtigsten 216 Homepage "Scientology Deutschland" (15. Dezember 2023). 217 Homepage "Scientology Deutschland" (18. März 2023). 218 "Goldenes Zeitalter der Administration". 219 Vorsitzender des "Religious Technology Center" (RTC), welches als Verwalter der Urheberund Markenrechte Hubbards dient und über die Anwendung scientologischer Techniken wacht. 351 "SCIENTOLOGY-ORGANISATION" (SO) Ausbildungsprogramms in der Geschichte der Scientology" präsentiert werden.220 Zudem zeigt die bereits im zweiten Quartal 2022 erfolgte Anmietung eines rund 9.000 Quadratmeter großen Gebäudekomplexes in Neu-Isenburg nahe Frankfurt am Main (Hessen), dass die Bemühungen der Organisation im Bereich der Anfang des 21. Jahrhunderts initiierten "Ideale-Org-Kampagne" andauern. Im Rahmen dieser Kampagne plant die Organisation, weltweit alle "Orgs" zu "Idealen Orgs" umzuwandeln. Die Kampagnen "Golden Age of Admin" und "Ideale Org" sind Elemente der Expansionsstrategie der SO. Adressierung Im Berichtsjahr verbreitete die SO-Tarnorganisation "The Way von Kindern to Happiness" bei bundesweiten Verteilaktionen ihre Broschüre "Der Weg zum Glücklichsein". Auch die speziell auf Kinder ausgerichtete Broschüre "Wie man gute Entscheidungen trifft"221 sowie der Podcast "Tierische Abenteuer von Amandas Bauernhof"222 erfuhren weiterhin Verbreitung. Zusätzlich konnte mit dem Buch "Fabelhafte Tiergeschichten"223 ein weiteres Produkt festgestellt werden, welches Inhalte der Broschüre "Der Weg zum Glücklichsein" adressatengerecht für Kinder ab einem Alter von zwei Jahren aufbereitet. 220 Homepage "Scientology Deutschland" (18. März 2023). 221 Homepage "Wie man gute Entscheidungen trifft" (15. Dezember 2023). 222 Audio-Streamingdienst Spotify (16. Januar 2024). 223 Elyse Aronson-Van Breemen (alias Mz GOOSE), "Fabelhafte Tiergeschichten" 2021, Orlando-Verlag (englischer Originaltitel: "The Happiness Fables" 2016). 352 "SCIENTOLOGY-ORGANISATION" (SO) "Scientology-Organisation" (SO) Gründung: 1954 in den USA 1970 erste Niederlassung in Deutschland Sitz: Los Angeles (USA) ("Church of Scientology International", CSI) München (Bayern) ("Scientology Kirche Deutschland e.V.", SKD) Leitung/Vorsitz: USA: David Miscavige Deutschland: Helmuth Blöbaum Mitglieder/Anhänger in 3.600 (2022: 3.600) Deutschland: Publikationen/Medien Streamingdienst: (Auswahl): "Scientology Network" Zeitungen/Zeitschriften: "Impact" "International Scientology News" "The Auditor" "Source" "Freewinds" Broschüren: "Der Weg zum Glücklichsein" "Wie man gute Entscheidungen trifft" Podcast: "Tierische Abenteuer von Amandas Bauernhof" Buch: "Fabelhafte Tiergeschichten"224 224 Elyse Aronson-Van Breemen (alias Mz GOOSE), "Fabelhafte Tiergeschichten" 2021, Orlando-Verlag (englischer Originaltitel: "The Happiness Fables" 2016). 353 "SCIENTOLOGY-ORGANISATION" (SO) Teil-/NebenorganisatioNeun "Kirchen" in Deutschland, nen (Auswahl): darunter zwei "Celebrity Centres" "World Institute of Scientology Enterprises" (WISE) "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte Deutschland e.V." (KVPM) "Sag NEIN zu Drogen - Sag JA zum Leben" "Youth for Human Rights" "NARCONON" "CRIMINON" "International Way to Happiness Foundation" Die "Scientology-Organisation" (SO) beabsichtigt, weltweit eine "scientologische Gesellschaft" zu etablieren. Dieses Ideal der SO basiert dogmatisch auf den Schriften des Gründers und der Leitfigur Lafayette Ron Hubbard (1911-1986), die nach wie vor maßgeblich sind. In ihnen wird deutlich, dass in einer Gesellschaft nach scientologischen Vorstellungen wesentliche Grundund Menschenrechte, wie beispielsweise die Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, ebenso wenig gewährleistet sind wie das Recht auf Gleichbehandlung. Zur Erreichung dieses Ziels verfolgt die SO eine langfristig angelegte Strategie. 354 Anhang 355 VERBOTSMASSNAHMEN Übersicht über Verbotsmaßnahmen des BMI gegen extremistische Bestrebungen im Zeitraum Januar 1990 bis Dezember 2023 (Soweit nicht anders gekennzeichnet, sind die Verbote unanfechtbar). Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Nationalistische Front" (NF) 26.11.1992 Vereinszweck gegen die verfassungsRE mäßige Ordnung gerichtet "Deutsche Alternative" (DA) 08.12.1992 Vereinszweck gegen die verfassungsRE mäßige Ordnung gerichtet "Nationale Offensive" (NO) 21.12.1992 Vereinszweck gegen die verfassungsRE mäßige Ordnung gerichtet "Arbeiterpartei Kurdistans" 22.11.1993 Strafgesetzwidrigkeit, AE (PKK)/"Nationale BefreiGefährdung der inneren Sicherheit ungsfront Kurdistans" (ERNK) und öffentlichen Ordnung und Teilorganisationen, sowie außenpolitischer Belange "Föderation der patriotischen Deutschlands Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V." (FEYKA-Kurdistan), "Kurdistan-Komitee e.V." "Wiking-Jugend e.V." (WJ) 10.11.1994 Vereinszweck gegen die verfassungsRE mäßige Ordnung gerichtet "Kurdistan Informations20.02.1995 Ersatzorganisation des rechtskräftig AE büro" (KIB) alias verbotenen "Kurdistan Komitee e.V." "Kurdistan Informationsbüro in Deutschland" "Freiheitliche Deutsche 22.02.1995 Vereinszweck gegen die verfassungsRE Arbeiterpartei" (FAP) mäßige Ordnung gerichtet RE = Rechtsextremismus RuS = Reichsbürger und Selbstverwalter LE = Linksextremismus AE = Auslandsbezogener Extremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 356 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Revolutionäre 06.08.1998 Strafgesetzwidrigkeit und GefährAE Volksbefreiungsparteidung der inneren Sicherheit Front" (DHKP-C) Ersatzorganisation der am 9. Februar 1983 rechtskräftig verbotenen "Revolutionären Linken" ("Devrimci Sol") "Türkische 06.08.1998 Strafgesetzwidrigkeit und GefährAE Volksbefreiungsparteidung der inneren Sicherheit Front" (THKP-C) "Blood & Honour" Division 12.09.2000 Vereinszweck gegen die verfassungsRE Deutschland (B&H) mit mäßige Ordnung gerichtet "White Youth" Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "Kalifatsstaat" 08.12.2001 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT und 35 Teilorganisationen 14.12.2001 mäßige Ordnung gerichtet 13.05.2002 16.09.2002 Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung Propagierung von Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele "al-Aqsa e.V." 31.07.2002 Verstoß gegen den Gedanken der ISiT Völkerverständigung (finanzielle Unterstützung der HAMAS und ihrer sogenannten Sozialvereine) RE = Rechtsextremismus RuS = Reichsbürger und Selbstverwalter LE = Linksextremismus AE = Auslandsbezogener Extremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 357 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Hizb ut-Tahrir" (HuT) 10.01.2003 Verstoß gegen den Gedanken der ISiT Völkerverständigung Befürwortung von Gewalt zur Durchsetzung politischer Belange "Yeni Akit GmbH" 22.02.2005 Leugnung und Verharmlosung des ISiT Verlegerin der EuropaHolocaust in volksverhetzender Ausgabe der türkischWeise sprachigen Tageszeitung "Anadolu'da Vakit" Verbreitung antisemitischer/ antiwestlicher Propaganda "Bremer Hilfswerk e.V."225 SelbstaufISiT lösung mit Wirkung vom 18.01.2005; Löschung im Vereinsregister am 29.06.2005 "YATIM-Kinderhilfe e.V." 30.08.2005 Nachfolgeorganisation des rechtsISiT kräftig verbotenen "al-Aqsa e.V." "Collegium Humanum" (CH) 18.04.2008 Vereinszweck gegen die verfassungsRE mit "Bauernhilfe e.V." mäßige Ordnung gerichtet Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze 225 Das BMI hatte am 3. Dezember 2004 ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren mit dem Ziel eines Verbots gegen das "Bremer Hilfswerk e.V." eingeleitet. Der Verein ist dem Verbot durch Selbstauflösung zuvorgekommen. RE = Rechtsextremismus RuS = Reichsbürger und Selbstverwalter LE = Linksextremismus AE = Auslandsbezogener Extremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 358 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Verein zur Rehabilitierung 18.04.2008 Vereinszweck gegen die verfassungsRE der wegen Bestreitens des mäßige Ordnung gerichtet Holocaust Verfolgten" (VRBHV) Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze "Mesopotamia Broadcast 13.06.2008 Verstoß gegen den Gedanken der AE A/S", "Roj TV A/S" Völkerverständigung "VIKO Fernseh Produktion 13.06.2008 Teilorganisation von "Roj TV A/S" GmbH" "al-Manar TV" 29.10.2008 Verstoß gegen den Gedanken der ISiT Völkerverständigung "Heimattreue Deutsche 09.03.2009 Vereinszweck gegen die verfassungsRE Jugend - Bund zum Schutz mäßige Ordnung gerichtet für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V." (HDJ) Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze Ideologische Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen mit nationalsozialistischem Gedankengut "Internationale Humanitäre 23.06.2010 Verstoß gegen den Gedanken der ISiT Hilfsorganisation e.V." (IHH) Völkerverständigung "Hilfsorganisation für natio30.08.2011 Vereinszweck gegen die verfassungsRE nale politische Gefangene mäßige Ordnung gerichtet und deren Angehörige e.V." (HNG) Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze RE = Rechtsextremismus RuS = Reichsbürger und Selbstverwalter LE = Linksextremismus AE = Auslandsbezogener Extremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 359 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Millatu Ibrahim" 29.05.2012 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT mäßige Ordnung gerichtet Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "Dawa FFM" einschließlich 25.02.2013 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT der Teilorganisation "Intermäßige Ordnung gerichtet nationaler Jugendverein - Dar al Schabab e.V." Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "an-Nussrah" 25.02.2013 Teilorganisation des rechtskräftig ISiT verbotenen Vereins "Millatu Ibrahim" "DawaTeam 25.02.2013 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT Islamische Audios" mäßige Ordnung gerichtet Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "Waisenkinderprojekt 02.04.2014 Verstoß gegen den Gedanken der ISiT Libanon e.V." (WKP) Völkerverständigung (Umbenennung in "Farben für Waisenkinder e.V." am 16.10.2014) "Islamischer Staat" (IS) alias 12.09.2014 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT "Islamischer Staat im Irak" mäßige Ordnung gerichtet alias "Islamischer Staat im Irak und in Groß-Syrien" Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung RE = Rechtsextremismus RuS = Reichsbürger und Selbstverwalter LE = Linksextremismus AE = Auslandsbezogener Extremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 360 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Tauhid Germany" (TG) 26.02.2015 Ersatzorganisation des rechtskräftig ISiT verbotenen Vereins "Millatu Ibrahim" "Altermedia Deutschland" 04.01.2016 Vereinszweck gegen die verfassungsRE mäßige Ordnung gerichtet "Weisse Wölfe Terrorcrew" 10.02.2016 Vereinszweck gegen die verfassungsRE (WWT) mäßige Ordnung gerichtet "Die Wahre Religion" (DWR) 25.10.2016 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT mäßige Ordnung gerichtet Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "linksunten.indymedia" 14.08.2017 Vereinszweck und -tätigkeit gegen LE die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze "Mezopotamien Verlag und 01.02.2019 Teilorganisation der mit Verfügung AE Vertrieb GmbH" des Bundesministeriums des Innern vom 22.11.1993 verbotenen PKK "MIR Multimedia GmbH" 01.02.2019 Teilorganisation der mit Verfügung AE des Bundesministeriums des Innern vom 22.11.1993 verbotenen PKK RE = Rechtsextremismus RuS = Reichsbürger und Selbstverwalter LE = Linksextremismus AE = Auslandsbezogener Extremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 361 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Combat 18 Deutschland" 06.12.2019 Vereinszweck und -tätigkeit gegen RE (C18 Deutschland) die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "Geeinte deutsche Völker 14.02.2020 Vereinszweck und -tätigkeit gegen RuS und Stämme" (GdVuSt) die verfassungsmäßige Ordnung einschließlich der Teilgerichtet organisation "Osnabrücker Landmark" Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "Hizb Allah" 26.03.2020 Verstoß gegen den Gedanken der ISiT Völkerverständigung Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze "Nordadler" 20.05.2020 Vereinszweck und -tätigkeit gegen RE die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung RE = Rechtsextremismus RuS = Reichsbürger und Selbstverwalter LE = Linksextremismus AE = Auslandsbezogener Extremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 362 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Sturm-/Wolfsbrigade 44" 27.10.2020 Vereinszweck und -tätigkeit gegen RE die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "Deutsche Libanesische 15.04.2021 Ersatzorganisationen des rechtskräfISiT Familie e.V.", "Menschen für tig verbotenen "Farben für WaisenMenschen e.V.", "Gib Frieden kinder e.V."/"Waisenkinderprojekt e.V." Libanon e.V." (WKP) "Ansaar International e.V." 05.05.2021 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT einschließlich Teilorganisamäßige Ordnung gerichtet tionen: "Aktion Ansar Deutschland Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze e.V.", "Somalisches Komitee Information und Beratung in Verstoß gegen den Gedanken der Darmstadt und Umgebung Völkerverständigung e.V. (SKIB)", "Frauenrechte ANS.Justice e.V.", "Änis Ben-Hatira Help e.V./Änis Ben-Hatira Foundation", "Ummashop", "Helpstore Secondhand UG", "Better World Appeal e.V." RE = Rechtsextremismus RuS = Reichsbürger und Selbstverwalter LE = Linksextremismus AE = Auslandsbezogener Extremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 363 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Hammerskins Deutsch19.09.2023 Vereinszweck gegen die verfassungsRE land"226 einschließlich mäßige Ordnung gerichtet seiner regionalen Chapter "Bayern", "Berlin", "BrandenZuwiderlaufen gegen Strafgesetze burg", "Bremen", "Franken", Verstoß gegen den Gedanken der "Mecklenburg", "Pommern", Völkerverständigung "Rheinland", "Sachsen", "Sarregau", "Westfalen", "Westwall", "Württemberg" und der Teilorganisation "Crew 38" "Die Artgemeinschaft - 27.09.2023 Vereinszweck und -tätigkeit gegen RE Germanische Glaubensdie verfassungsmäßige Ordnung Gemeinschaft wesensgemägerichtet ßer Lebensgestaltung e.V."227 einschließlich der TeilVerstoß gegen den Gedanken der organisation "Familienwerk Völkerverständigung e.V." sowie sämtlicher als "Gefährtschaften", "Gilden" und "Freundeskreise" organisierte Regionalgruppen 226 Die Vereinigung wurde mit Verbotsverfügung der Bundesministerin des Innern und für Heimat am 19. September 2023 verboten und aufgelöst. Gegen die Verbotsverfügung wurden vor dem Bundesverwaltungsgericht mehrere Klagen erhoben. Das Verbot ist daher nicht bestandskräftig. 227 Die Vereinigung wurde mit Verbotsverfügung der Bundesministerin des Innern und für Heimat am 27. September 2023 verboten und aufgelöst. Gegen die Verbotsverfügung wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht Klage erhoben. Das Verbot ist daher nicht bestandskräftig. RE = Rechtsextremismus RuS = Reichsbürger und Selbstverwalter LE = Linksextremismus AE = Auslandsbezogener Extremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 364 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Samidoun - Palestinian 02.11.2023 Verstoß gegen den Gedanken der AE Solidarity Network"228 Völkerverständigung einschließlich der Teilorganisation "Samidoun DeutschBeeinträchtigung und Gefährdung land", auch agierend ohne des friedlichen Zusammenlebens von den Zusatz "Deutschland" als Deutschen und Ausländern und von "Samidoun" sowie unter den verschiedenen Ausländergruppen Bezeichnungen "HIRAK - im Bundesgebiet, der öffentlichen Palestinian Youth MobiliOrdnung sowie sonstiger erhebzation Jugendbewegung licher Interessen der Bundesrepublik (Germany)" und "Hirak e.V." Deutschland "Harakat al-Muqawama al02.11.2023 Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze ISiT Islamiya" (HAMAS) Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung 228 Der Vereinigung wurde mit Verbotsverfügung der Bundesministerin des Innern und für Heimat vom 2. November 2023 jede Tätigkeit im Geltungsbereich des Vereinsgesetzes untersagt. Ihre Teilorganisation im Inland wurde verboten und aufgelöst. Gegen die Verbotsverfügung wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht Klage erhoben. Das Verbot ist daher nicht bestandskräftig. RE = Rechtsextremismus RuS = Reichsbürger und Selbstverwalter LE = Linksextremismus AE = Auslandsbezogener Extremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 365 REGISTER Register # al-Furqan (Medienstelle) ................................. 239 99 zu Eins (Podcast) ........................................... 193 al-Gama'a al-Islamiya ...................................... 252 Al-Hadaf (Publikation) .................................... 303 A al-Hashimi al-Qurashi, Abu Hafs ............239 f. Adil Düzen (Gerechte Ordnung) ................. 256 al-Husaini al-Qurashi, Abu al-Husain ...... 239 Agentenlöhne ...................................................... 312 al-Ikhwan al-Muslimun (MB - Agententätigkeit ........................................331, 337 Muslimbruderschaft) .......210, 234, 247, 252 f. AG Hybrid .............................................................. 310 al-Manar TV (TV-Sender) ......................245, 359 Ajansa Nuceyan a Firate (ANF - Firat News Agency) ............................ 271 Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu (ADÜTDF - Akca, Emine Ruken ........................................... 295 Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland Aktion, Kritik und Theorie Heidelberg e.V.) ........................................................... 280 f., 300 f. (AKUT [+C]) ........................................................... 194 Almanya Göcmen Isciler Federasyonu Aktionsbündnis ............................... 162, 184, 195 (AGIF - Föderation der Arbeitsimmigrant/ innen in Deutschland e.V.) ............................. 299 Aktionsfelder.........101, 150, 169, 191, 200, 267 Almanya Türkiyeli Isciler Federasyonu Akzelerationismus ................................................76 (ATIF - Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V.) ............................ 297 al-Ahed al-Akhbari (Onlinemagazin) ....... 245 al-Naba (Onlinemagazin) ......................225, 239 al-Aqsa e.V.....................................................247, 357 al-Qaida ........... 54, 206, 208, 210, 212 f., 215 ff., al-Aqsa TV (TV-Sender) ................................... 247 224, 226 f., 233 f., 239, 241 ff. AL AZAIM FOUNDATION (Medienstelle) ....................................................... 225 al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAH) ............................................................. 53, 242 al-Baghdadi, Abu Bakr ..................................... 240 al-Qaida im Irak.................................................. 239 al-Banna, Hasan .................................................. 252 al-Qaida im islamischen Maghreb al-Fadschr (Publikation).................................. 255 (AQM)....................................................................... 242 366 REGISTER al-Qassam, Izz al-Din ....................................... 232 Anklage ...... 139, 148, 212, 218, 236 f., 277, 312 al-Quds-Tag...........................................59, 231, 287 Ansaar International e.V. .......................235, 363 al-Rashta, Ata Abu (alias Abu Yasin)........... 250 Antifa ................................. 156 ff., 167, 194 f., 200 al-Shabab (Harakat al-Shabab Antifa AK Köln .................................................... 195 al-Mujahidin - Bewegung der MujahidinJugend) ....................................216, 226, 235, 242 f. antifa nt - Autonome Antifa München ... 195 Antifaschismus/antifaschistisch .. 150, 153 f., Alternative für Deutschland 177, 191, 194 f., 200 (AfD, Verdachtsfall).............77 f., 96, 100, 102 f., 106, 113 ff., 126, 157, 159 ff., 187 Antifaschistische Aktion..............................156 f. al-Waie (Publikation)........................................ 250 Antifaschistische Initiative, Heidelberg .. 194 al-Waqiyah TV (Onlinefernsehsender)..... 250 Antifa Süd ...........................................................156 f. al-Zawahiri, Aiman ...................................215, 242 Antiimperialismus/antiimperialistisch..... 58, 60, 64, 68 ff., 151, 175 ff., 183, 196, 284, 303 Amaq (Nachrichtenagentur) ................225, 239 Antiimperialisten ........................68, 70, 175, 183 Amtsgericht (AG) ................................82, 137, 245 Antikapitalismus/ Anadolu Federasyonu antikapitalistisch ...................... 60, 165, 169, 200 (Anatolische Föderation) ................................ 296 Antikapitalistische Linke München .......... 196 Anarchismus/anarchistisch .......105, 171, 178, 181 ff., 188, 193, 197 Antimilitarismus ................150, 172, 188 f., 200 Anarchisten.............150, 171, 179, 181 f., 188 f., Antirepression ............................................150, 172 193, 197 Antisemitismus/antisemitisch ........ 30, 34, 37, Anarchosyndikalismus.................................182 f. 42, 45 f., 50 ff., 58 ff., 74, 80, 83 f., 89, 95 ff., 104, 116, 120, 123 f., 128 ff., 132 f., 136, Anastasia-Bewegung (Verdachtsfall) ...........95 175 ff., 183 f., 190, 206, 209, 217, 226, 232 ff., 249, 251, 255, 263, 265, 279 f., Anatolische Föderation (Anadolu 283, 285 ff., 303 f., 347, 358 Federasyonu) ........................................................ 296 Antizionismus/antizionistisch ........ 58, 60, 70, Angriffskrieg ..................63, 67, 75, 88, 117, 125, 175, 249, 284 134, 145, 174, 211, 236 f., 310 ff., 316 ff., 325, 334, 336, 346 APT 15 ..................................................................324 f. 367 REGISTER APT 28 ..................................................................315 f. Ausweisung ..............................................310 f., 318 APT 29 ..................................................................... 316 Autonome...................68, 70, 151, 157, 165, 171, 176 f., 179 ff., 187 ff., 194 f. APT 31 ..................................................................324 f. Avantgarde ...................................................174, 242 APT-Gruppierung .................................316 f., 324 Avrupa Ezilen Göcmenler Konfederasyonu Arbeiterpartei Kurdistans (PKK - Partiya (AvEG-Kon - Konföderation der Karkeren Kurdistan) ................ 190, 263 ff., 291, unterdrückten Migranten in Europa) ...... 299 293 ff., 330, 342, 356, 361 Avrupa Göcmen Emekciler Birligi Archetyp GmbH ................................................. 130 (AGEB - Verband der Werktätigen MigrantInnen in Europa) ............................... 298 Arische Bruderschaft...........................................84 Avrupa Kürt Kadin Hareketi (AKKH/ arranca! (Publikation) ...................................... 194 Tevgera Jinen Kurd li Ewropa, TJK-E - Kurdische Frauenbewegung in Europa) .. 294 as-Sahab (Medienstelle)................................... 241 Avrupa Nizam-i Alem Federasyonu ATIB - Union der Türkisch-Islamischen (ANF - Föderation der Weltordnung in Kulturvereine in Europa e.V. Europa) .......................................................282 f., 302 (ATIB - Avrupa Türk Islam Kültür Dernekleri Birligi) .................................281 f., 301 Avrupa Türk Islam Kültür Dernekleri Birligi (ATIB - Union der Türkisch-Islamischen Atilim (Publikation) .......................................... 299 Kulturvereine in Europa e.V.) ..........281 f., 301 Atsiz, Nihal .........................................................288 f. Avrupa Türkiyeli Isciler Konfederasyonu (ATIK - Konföderation der ArbeiterInnen Atomwaffen Division Hessen ..................... 81 f. aus der Türkei in Europa) ............................... 297 Attentäter-Fanszene ...................... 76, 82 f., 90 f. AZADI Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland e.V. (AZADI e.V.) ...273 Aufgabe des Verfassungsschutzes ..........20, 23 Aufgewacht (Publikationsorgan der B Freien Sachsen) ................................................... 125 Babbar Khalsa Germany (BKG) .................... 305 Ausbruch 60 .......................................................... 111 Babbar Khalsa International (BKI) ............. 305 Auslandskorrespondentinnen und -korrespondenten.............................................. 320 Badi, Muhammad .............................................. 252 Aussteigerprogramm ..........................................25 Barbaria Sportgemeinschaft e.V. ....................93 368 REGISTER barrikade.info (Internetplattform) ............ 192 Bozkurt/Bozkurtlar (Grauer Wolf/ Graue Wölfe) ................. 266, 279 f., 283 f., 288 f. Basisdemokratische Linke, Göttingen ..... 194 Braunkohle...................................................163, 168 Basisgruppe Antifaschismus (BA), Bremen.................................................................... 195 Brigade 12 ............................................................. 84 f. Betätigungsverbot ................230, 232, 239, 245, Brothers of Honour (BoH) ............................ 84 f. 247 f., 250 f., 267, 270, 293 f., 304 Bülten (Publikation) ......................................... 300 Bevölkerungsaustausch ..................... 105, 114 f. Bundesanstalt für FinanzdienstleistungsBewegung der Mujahidin-Jugend aufsicht (BaFIN) .................................................. 138 (al-Shabab - Harakat al-Shabab al-Mujahidin) .......................216, 226, 235, 242 f. Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit ..........................22 Bewegung der revolutionären Jugend (TCS - Tevgera Ciwanen Soresger) ....268, 293 Bündnis .....151, 163 ff., 180 f., 184 f., 187 f., 195, BfV Cyber-Brief......................................324 f., 336 Büyük Birlik Partisi (BBP - Partei der Großen Einheit) .........................................282, 302 Bin Ladin, Usama ............................................... 242 Bin Radhan, Neil ................................................. 223 C Bismarcks Erben ................................................. 142 Camia (Publikation) .......................................... 258 Bizim Genclik (Publikation) .......................... 296 Casa Pound............................................................ 111 Black Legion ............................................................93 Cayir, Nusret ......................................................... 257 Blockade .............................................. 162, 164, 171 CBRN-Waffen (chemische, biologische, Blut und Boden-Ideologie ................................94 radiologische und nukleare Waffen) ......333 f. Bölge................................................................268, 300 Celebrity Centres .......................................351, 354 Boycott, Divestment and Sanctions Cengiz, Ädegmam ....................................................... 301 (BDS - Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen).............................................58 f., 286 f. Chatgruppen ...........................................................76 Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen China Scholarship Council (CSC) ............... 321 (BDS - Boycott, Divestment and Sanctions).................................................58 f., 286 f. China Standards 2035 ...................................... 318 369 REGISTER Church of Scientology International Delegitimierungsspektrum ..............144 f., 147 (CSI)........................................................................... 353 Demokratisches Gesellschaftszentrum Clear ......................................................................... 350 der KurdInnen in Norddeutschland e.V. (FED-DEM - Federasyona Civaka Communist Action & Theory, Marburg... 195 Demokratik a Kurdistaniyen li Bakure Almanya) ................................................................ 295 COMPACT.DerTag.............................................. 102 Demonstrationsgeschehen .... 50, 54, 57, 74 f., COMPACT Geschichte ..................................... 128 89, 112, 145, 226, 233 COMPACT-Magazin GmbH .....61, 65, 78, 100, Deradikalisierung .............................................. 220 102 f., 105, 117, 128 Der Flügel .................................................................78 COMPACT Spezial ............................................. 128 Der III. Weg ......... 61, 64, 75, 78, 98, 109 ff., 124 COMPACTTV ....................................................... 128 Der Stürmer .............................................................98 Coronapandemie ...........67, 74 f., 88 f., 99, 111, 136, 145 f., 325, 351 Desinformation...53, 309 f., 313 ff., 318, 322 f. Cozy Bear ............................................................... 316 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) ..................................................... 174, 184, 200 Crew 38 ............................................................ 83, 364 Deutsche Libanesische Familie e.V. CRIMINON ........................................................... 354 (DLF) ................................................................245, 363 Cyberangriffe ..............21, 307 ff., 314 ff., 323 f., Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V. 328 f., 331 f. (DMG).......................................................... 210, 252 f. Cyber-AZ Deutsches Reich.........................................132, 142 (Nationales Cyber-Abwehrzentrum) ........ 309 Deutsche Stimme (Publikation) .........107, 122 Cybercrime............................................................ 317 Deutsche Stimme Verlags GmbH D (DS Verlag) ....................................................120, 122 3D-Druck .............................................................. 85 f. Devenir Europeo ................................................ 111 Darulkitab Verlagshaus ................................... 223 Devrimci Genclik (Dev Genc) ..............278, 296 de.indymedia (Internetplattform) .............154, Devrimci Halk Kurtulus Cephesi (DHKC - 158 ff., 162, 167 f., 170, 189, 191 f. Revolutionäre Volksbefreiungsfront) ....... 276 370 REGISTER Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi Dogruyol, Sentürk ....................................280, 300 (DHKP-C - Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front ) .................56, 60, 266, 274, 276 ff., Drittortauseinandersetzungen .......................93 285, 290, 296, 357 DS-Netzwerktag ................................................. 107 Devrimci Halk Kurtulus Partisi (DHKP - DS-TV (YouTube-Kanal) .................................. 122 Revolutionäre Volksbefreiungspartei) ..... 276 Dual-Use-Güter .............................................333 ff. Devrimci Sol (Publikation) ............................ 296 DHKC Milis (Publikation)............................... 296 E Dianetik .................................................................. 350 Einflussnahme...........162, 206, 228, 253, 309 f., 313 f., 319, 322, 326, 330 Diaspora ....................... 221, 320, 323, 327 f., 332 Einflussnahmestrategie .........................313, 322 Die Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Ein Prozent e.V.............. 78, 96, 100, 103 ff., 117, e.V. (AG-GGG) ................................................ 84, 364 119, 130 Die Heimat (vormals NPD) ..... 61, 64, 75, 77 f., Einzeltäter ...71 f., 207 f., 213, 218, 221, 240, 242 96, 98, 106 ff., 113, 120 f., 125 Eklat Münster ...................................................... 195 Die Lage der Klasse (Podcast)........................ 193 Ekonomi ve Maliye Bürosu DIE RECHTE........................ 75, 77 f., 107 ff., 123 (EMB - Wirtschaftsund Finanzbüro) ..... 266 DIE ROTE HILFE (Publikation) ..........186, 198 Elsässer, Jürgen ...........................................103, 128 Die Wahre Religion (DWR) ............................ 361 Emerging Technologies (EMT)............321, 335 Direkte Aktion (Publikation) ........................ 197 emrawi.org (Internetplattform) .................. 192 Direktinvestitionen ..................................322, 335 Ende Gelände (Bündnis) .........151, 164 ff., 193 Distributed-Denial-of-Service-Angriffe Entführung .................................... 147, 327 f., 331 (DDoS-Angriffe) .................................................. 317 Entrismus............................................................... 185 Divan (Publikation) ........................................... 301 Erbakan, Fatih ...................................................... 258 Dogmatische Linksextremisten ..... 68 ff., 151, 165, 173 f., 177, 179, 183 f. Erbakan, Necmettin .................................256, 258 Dogru Haber (Publikation) ............................ 249 Erbakan-Stiftung................................................ 258 371 REGISTER Ethnopluralismus ........................... 100, 105, 127 Federasyona Civaken Azad yen Mezopotamya li NRW (FED-MED - EURO 2024 ...............................................................94 Föderation der Freiheitlichen Gesellschaft Mesopotamiens in NRW e.V.) ....................... 295 Europavertretung der Erbakan-Stiftung ... 258 Federasyona Gelen Kurdistani (FED-GEL - Europawahlversammlung ...................... 77, 114 Föderation der Völker Kurdistans e.V.)..... 295 European Fight Night .........................................92 Federasyona Kurdistaniyen Azad li Rojhilate Almanya (FED-KURD - Freie Existenzrecht......50 f., 55, 58, 60, 64, 69 f., 176, Kurdistan Föderation Ostdeutschland) ... 295 230, 234, 246, 259, 283 ff., 287, 289 f., 304 Fernmeldeaufklärung .............................338, 340 Eyalet ....................................................................... 268 Finanzierungsaktivitäten .......76, 86, 211, 235, 248, 266 F Firat News Agency (ANF - Ajansa Nuceyan a Firate) ............................................... 271 False-Flag-These .........................................61 f., 65 Fischer, Matthias ................................................ 124 Familienwerk e.V. ........................................ 84, 364 Föderation der Arbeiter aus der Türkei Fancy Bear ............................................................. 315 in Deutschland e.V. (ATIF - Almanya Türkiyeli Isciler Federasyonu) ...................... 297 Fantasiedokumente .......................................... 135 Föderation der Arbeitsimmigrant/innen Farben für Waisenkinder e.V. in Deutschland e.V. (AGIF - Almanya (FfW)...................................................... 245, 360, 363 Göcmen Isciler Federasyonu) ....................... 299 Fechtner, Gabi ...................................................... 201 Föderation der demokratischen Aleviten e.V. (FEDA).............................................................. 294 Federasyona Civaka Demokratik a Kurdistaniyan (FCDK-KAWA - Föderation Föderation der demokratischen der demokratischen Gesellschaften Gesellschaften Kurdistans e.V. (FCDKKurdistans e.V.) .................................................... 295 KAWA - Federasyona Civaka Demokratik a Kurdistaniyan) ................................................. 295 Federasyona Civaka Demokratik a Kurdistaniyen li Bakure Almanya Föderation der Freiheitlichen Gesellschaft (FED-DEM - Demokratisches Mesopotamiens in NRW e.V. (FED-MED - Gesellschaftszentrum der KurdInnen Federasyona Civaken Azad yen in Norddeutschland e.V.) ................................ 295 Mezopotamya li NRW) .................................... 295 372 REGISTER Föderation der Türkisch-Demokratischen From the river to the sea .................. 54, 64, 286 Idealistenvereine in Deutschland e.V. (ADÜTDF - Almanya Demokratik Ülkücü Frühwarnsystem ............................................... 19 f. Türk Dernekleri Federasyonu) ..................... 300 FSB (russischer Föderation der Völker Kurdistans e.V. Inlandsnachrichtendienst) ......... 312, 317, 339 (FED-GEL - Federasyona Gelen Kurdistani) ............................................................. 295 Furkan Gemeinschaft ................... 208, 210, 259 Föderation der Weltordnung in Europa Furkan Haber (Nachrichtenportal) ............ 259 (ANF - Avrupa Nizam-i Alem Furkan Nesli Dergisi - Öncü Neslin Sesi Federasyonu) ...........................................282 f., 302 (Zeitschrift) ............................................................ 259 Franz, Frank .................................................107, 120 Furkan Stiftung für Bildung und Dienst (Furkan Egitim ve Hizmet Vakfi) ................ 259 Frauenverteidigungskräfte (HPJ - Hezen Parastina Jin) ........................... 267 G Freewinds............................................................... 353 GAFFA...................................................................167 f. Freie Arbeiter*innen-Union (FAU) ...182, 197 Geeinte deutsche Völker und Stämme Freie Kurdistan Föderation Ostdeutschland (GdVuSt).........................................................138, 362 (FED-KURD - Federasyona Kurdistaniyen Azad li Rojhilate Almanya) ............................ 295 Gefährdungspotenzial .......71, 139 f., 142, 147, 177, 224, 273 f., 278, 317, 326, 329 f. Freie Sachsen............... 75, 89, 99, 103, 107, 112, 125 f., 128 Gegenkultur.................................................121, 130 freiheitliche demokratische Grundordnung Geheimschutz .........................................344 f., 348 (fdGO)..........................20, 23, 26, 28, 74, 150, 177, 179, 207, 322 Geheimschutzbeauftragte ............................. 348 Freiheitsund Demokratiekongress Gemeinsames Extremismusund Kurdistans (KADEK - Kongreya Azadi Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) . 21, 310 u Demokrasiya Kurdistane)........................... 293 Gemeinsames Internetzentrum (GIZ) .........21 Freiräume .............................................................. 180 Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum Fremdenfeindlichkeit/ (GTAZ).........................................................................21 fremdenfeindlich .............. 79 f., 89, 114 ff., 126 Gemeinschaft der Jugendlichen (Komalen Friedensaktivisten ............................... 75, 88, 145 Ciwan).............................................................268, 293 373 REGISTER Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan Grauer Wolf/Graue Wölfe (KKK - Koma Komalen Kurdistan) ............ 293 (Bozkurt/Bozkurtlar) ................. 279 f., 283, 288 Gemeinschaft der Verkündigung und Great Reset ............................................................ 146 Mission (TJ - Tablighi Jama'at) ........ 210, 254 f. Großer Austausch ................65, 101, 104, 114 f., Gemeinwohlkasse (GK) ................................... 138 127, 130 Gemeinwohlstrukturen .................................. 136 Großes Treffen der Bundesstaaten ............ 134 Generalbundesanwalt (GBA) .............. 139, 148, Gruppe ArbeiterInnenmacht (GAM)........ 183, 236, 312, 337 185, 193 Generalkonsulat ........................................311, 319 Gruppe d.i.s.s.i.d.e.n.t., Marburg .................. 194 Generation Islam (GI) ............. 51, 209, 230, 251 Gruppe für die Unterstützung des Islam und der Muslime (JNIM - Jama'at Nasr Gerechte Ordnung (Adil Düzen) ................. 256 al-Islam wal Muslimin) ................ 216, 226, 242 Gerila TV (Guerilla TV)..................................... 271 Gruppe S. ...................................................................81 Geschichtsrevisionismus/ Grup Yorum ....................................... 266, 278, 296 geschichtsrevisionistisch........... 74, 103 f., 106, 120, 123, 128 f., 132 GRU (russischer militärischer Auslandsnachrichtendienst) ................315, 338 Gesprächsabschöpfung ...................... 312, 319 f. Guerilla .................................................... 267, 270 ff. Gewalt...................... 20, 24, 26 ff., 36 f., 39 ff., 50, 53 ff., 59, 66, 71, 76, 79 ff., 89 ff., 119, 135, 140, Gülen-Bewegung ......................................330, 342 147, 150 ff., 156 ff., 166 ff., 177 ff., 183, 185 ff., Gümüs, Edip ......................................................... 249 189 ff., 194, 196, 198 f., 206, 213 f., 217, 221, 224, 234, 237, 249, 251 f., 256, 262, 264 f., Gurdwara ............................................................... 305 273 f., 279 f., 283, 285, 287, 290, 329, 357 f. Ghostwriter........................................................... 314 H Gib Frieden e.V............................................245, 363 Hacktivisten.......................................................... 317 Gnauck, Hannes.................................................. 126 Hai'at Tahrir al-Sham ....................................... 235 Gök, Kerem............................................................ 295 Halk Cephesi (Volksfront) .............................. 296 Golden Age of Admin....................................351 f. Halkinsesi TV ....................................................... 277 374 REGISTER Halk Meclisi (Volksrat) ..................................... 296 HIRAK - Palestinian Youth Mobilization Jugendbewegung (Germany) 56, 286, 304, 365 Halk Okulu (Publikation) ..................276 f., 296 Hizb Allah (Partei Gottes) .............52 f., 71, 206, HAMAS (Harakat al-Muqawama al-Islamiya - 210, 231, 236, 245 f., 303, 362 Islamische Widerstandsbewegung) ...... 37, 42, 45, 50 ff., 55, 59, 61 ff., 68 f., 98, 151, hizb.org.uk (Website) ........................................ 250 175 f., 206 ff., 213, 224 ff., 231 ff., 246 ff., 263 f., 278, 282 ff., 290 ff., 347, 357, 365 Hizb ut-Tahrir (HuT - Partei der Befreiung) ................... 54, 209 f., 230, 250 f., 358 Hammerbande .................................................... 156 hizb-ut-tahrir.info (Website) ........................ 250 Hammerskin Nation (HSN) ..............................83 Hochtechnologie ............................. 309, 319, 335 Hammerskins Deutschland ................... 83, 364 Holocaust ................... 63, 66, 70, 133, 291, 358 f. Haniya, Isma'il ..................................................... 247 Homophobie/homophob .................................95 Hans-Litten-Archiv e.V. (HLA) ............186, 198 Hooligan ................................................................ 93 f. Hedschra-Kalender Hubbard, Lafayette Ron .....................350 f., 354 (Hicri Takvim Avrupa)...................................... 260 Hungerstreik ..................................... 189, 269, 277 Heimat Dortmund...................................... 82, 107 Hurseda (Onlinemagazin) .............................. 249 Heinrich XIII. P. R. .....................................139, 146 Huseynisevda (Onlinemagazin) .................. 249 Heißer Herbst .........................................................88 Huth, Stefan .......................................................... 199 Hekmatyar, Gulbuddin ................................... 244 Hybride Bedrohungen ..................................... 310 Hezb-e Islami-ye Afghanistan (HIA - Islamische Partei Afghanistans) .........210, 244 I Hezen Parastina Gel (HPG - Volksverteidigungskräfte) ................. 267, 270 f. I Furiosi, Düsseldorf .......................................... 194 Hezen Parastina Jin (HPJ - Ibnat al-Islam (Onlinemagazin) .................. 241 Frauenverteidigungskräfte)........................... 267 Ideale Org............................................................... 352 Hinweistelefon .......................................................25 Idealisten-Bewegung (ÜlkücüHirak e.V. ...................................... 56, 286, 304, 365 Bewegung) ......................279 ff., 283, 289, 300 ff. 375 REGISTER Identitäre Bewegung Deutschland International Department of the Central (IBD)..........................................................78, 100, 127 Committee of the Communist Party of China (IDCPC)...................................................... 341 I'LAM FOUNDATION (Website).................. 224 Internationales Komitee der Vierten ILKHA (Online-Nachrichtenportal) .......... 249 Internationalen (IKVI) ..................................... 203 Illegale ............................................................311, 313 Internationales Kurdisches Kulturfestival ....................................................... 269 illegaler Wissensund Technologietransfer.......................................... 336 Internationale Sozialistische Organisation (ISO) .......................................................................... 185 Imageboard ................................................65, 75, 90 Internationalistische Liste/MLPD ............. 202 Imam-Ali-Moschee ..................................229, 255 International Scientology News ................. 353 Im Auftrag des Islam (Internetplattform)............................................ 260 International Way to Happiness Foundation............................................................ 354 Impact ..................................................................... 353 International Youth and Students for Imperialismus........ 68, 111, 174, 183, 202, 276, Social Equality (IYSSE) ..................................... 203 279, 284, 290 f. Interventionistische Linke (IL) .......... 164, 181, In/Progress, Braunschweig............................ 195 187, 194 Indigenes Volk Germaniten (IVG) .....136, 142 INZAR (Publikation) ......................................... 249 Informationsblätter zum islamfeindlich ................................... 101, 209, 226 Wirtschaftsschutz ...........................................336 f. Islamic Revolutionary Guard Corps Informationsgewinnung ........... 21, 312, 319 f., Intelligence Organization (IRGC-IO) ........ 342 328, 331 Islamische Gemeinde Kurdistans (CIK) ... 294 Initiative Wirtschaftsschutz.......................... 337 Islamische Gemeinschaft der schiitischen Initiative Zusammenrücken (IZ) .............85, 95 Gemeinden Deutschlands e.V. (IGS) ...229, 255 Institut für Staatspolitik (IfS) ....... 78, 100, 104, Islamische Gemeinschaft in Deutschland 117, 129 e.V. (IGD) ................................................................. 253 instrumentalisieren .............. 54, 74 f., 173, 185, Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. 188, 232, 263, 323 (IGMG) ............................................................229, 258 376 REGISTER Islamische Partei Afghanistans (HIA - Jama'at Nasr al-Islam wal Muslimin (JNIM - Hezb-e Islami-ye Afghanistan) ...........210, 244 Gruppe für die Unterstützung des Islam und der Muslime) ............................ 216, 226, 242 Islamischer Staat (IS) ...........210, 222, 224, 236, 239, 360 Jihad............ 53, 206, 208, 215 ff., 220 ff., 224 ff., 233, 242 f., 286 Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK).... 53, 208, 214 f., 219, 221, 225, 236, 240 Jihadisten/jihadistisch ................. 53, 71, 206 ff., 212 f., 215 ff., 219 ff., 224, 226 ff., Islamischer Staat Provinz Westafrika ....... 216 233 f., 240, 242 f., 260 Islamischer Staat Provinz Zentralafrika................................................216, 240 jihadistische Gruppierungen ...............206, 212 Islamischer Staat Sahel-Provinz ........216, 240 Jinen Xwendekar en Kurdistan (JXK - Studierende Frauen Kurdistans) ... 294 Islamisches Zentrum Hamburg e.V. (IZH)..............................................210, 229, 236, 255 Joint Comprehensive Plan of Action (JCPoA) .................................................................... 334 Islamische Widerstandsbewegung (HAMAS - Harakat al-Muqawama Jugendinitiative Partizan/Marxistenal-Islamiya) ..37, 42, 45, 50 ff., 55, 59, 61 ff., 68 f., Leninisten-Maoisten (PGI/MLM - Partizan 71, 89, 98, 151, 175 f., 183, 206 ff., 213, 217, Genclik Inisiyatifi/Marksist-Leninist224 ff., 231 ff., 246 ff., 252, 263 f., 270, 275, Maoist)..................................................................... 298 278, 280, 282 ff., 290 ff., 303, 347, 357, 365 Junge Alternative für Deutschland Islamistische Nordkaukasische Szene (JA) ....................................................................117, 126 (INS) .......................................................................220 f. Junge Nationalisten (JN) .........75, 96, 98, 120 f. islamistischer Terrorismus ....... 205 ff., 210 ff., 217, 220, 228, 235 ff., 252, 303 junge Welt (jW, Tageszeitung)....................... 199 Ismail Aga Cemaati (IAC) ................................ 257 Justice for Sisters ................................................ 237 Israelfeindlichkeit/israelfeindlich ........ 50, 52, 59 f., 70 f., 151, 175, 263 f., 285 ff., 303 f. K Izz-al-Din-al-Qassam-Brigaden ........232, 248 Kalifat .......................219, 222, 230, 240, 251, 260 J kalifat.com (Website) ........................................ 250 Jabhat al-Nusra (JaN) ........................................ 235 Kalifatsstaat ....................................... 210, 260, 357 Jahresspendenkampagne (kampanya) ..... 266 Kameradschaft Northeim .................................84 377 REGISTER Kampagnenfähigkeit ........................................ 187 Klimaschutz ..............................145, 162, 172, 188 Kampf der Nibelungen (KdN) .........................92 knack.news (Internetplattform).........158, 192 Kampfgemeinschaft Cottbus ..........................93 Köbele, Patrik ....................................................... 200 Kampfsport ........................................76, 91 ff., 110 Kohlmann, Martin ............................................. 125 Kampfsportgruppierung ...................................93 Kohorte UG (Onlineshop Phalanx Kampfsportveranstaltung ..................... 76, 92 f. Europa) .................................................................... 127 Kanal Schnellroda.............................................. 129 Köklü Degisim (Publikation) ........................ 250 Kapitalismus .....................76, 154, 169, 175, 179, Koma Civaken Kurdistan (KCK - Union 183 f., 194, 279 der Gemeinschaften Kurdistans) ................ 293 Kaplan, Metin ....................................................... 260 Koma Komalen Kurdistan (KKK - Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan) ........ 293 Karayilan, Murat ................................................. 270 Komalen Ciwan (Gemeinschaft der Kates, Charlotte ................................................... 304 Jugendlichen) ..............................................268, 293 Kaukasisches Emirat (KE) ............................... 221 Kommission für Verstöße der Psychiatrie Kern-al-Qaida .............................................215, 243 gegen Menschenrechte Deutschland e.V. (KVPM) .................................................................... 354 Khalistan ................................................................ 305 Kommunismus .......................178, 183, 196, 279 khilafah.com (Website) .................................... 250 Kommunisten Kneipe (Podcast) ................. 193 Khomeini, Ruhollah ......................................... 231 Kommunistische Jugendorganisation Kilic, Hasan ........................................................... 257 (KGÖ - Komünist Genclik Örgütü)............ 299 Klassenkampf .............................................197, 203 Kommunistische Linke Köln ........................ 196 Kleingruppen ...... 37, 163 f., 167, 177, 180, 189 Kommunistische Organisation (KO) .. 69, 184 Kleinstgruppen ..........................................240, 242 Kommunistische Partei Chinas Klimaprotestbewegung .............. 37, 150 f., 163, (KPCh)....................................................... 318 ff., 341 165, 167 ff. Komünist Genclik Örgütü (KGÖ - Klimaproteste ....................................162 ff., 167 f. Kommunistische Jugendorganisation) .... 299 378 REGISTER Konfederasyona Civaken Kurdistaniyen kulturelle Autonomie ................... 267, 291, 294 li Almanya (KON-MED - Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Kulturrevolution ................................................ 100 Deutschland e.V.) .......................................268, 295 Künstliche Intelligenz (KI) ...................... 97, 321 Konföderation der ArbeiterInnen aus der Kurdische Frauenbewegung in Europa Türkei in Europa (ATIK - Avrupa Türkiyeli (AKKH/TJK-E -Türkisch: "Avrupa Kürt Isciler Konfederasyonu) .................................. 297 Kadin Hareketi"/Kurdisch: "Tevgera Jinen Konföderation der Gemeinschaften Kurd li Ewropa") ................................................. 294 Kurdistans in Deutschland e.V. Kuytul, Alparslan ................................................ 259 (KON-MED - Konfederasyona Civaken Kurdistaniyen li Almanya) ....................268, 295 L Konföderation der unterdrückten Migranten in Europa (AvEG-Kon - Avrupa Landgericht (LG) .............................................82, 87 Ezilen Göcmenler Konfederasyonu) ......... 299 Landtagswahl ...........................103, 110, 112, 159 Konfuzius-Institute........................................322 f. Lazarus .................................................................... 332 Kongra Gele Kurdistan (KONGRA GEL - Volkskongress Kurdistans) ............................. 293 Legalresidenturen .................................311 f., 319 Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane Lehnert, Dr. Erik ................................................. 129 (KADEK - Freiheitsund DemokratieLila-Rot-Kollektiv (Mor-Kizil Kolektif, kongress Kurdistans) ........................................ 293 Frauenorganisation) ......................................... 298 Königreich Deutschland (KRD) .... 136 ff., 142 Linke Aktion Villingen-Schwenningen ... 196 Konsulat ....................................................310 f., 319 Linke Presse VerlagsFörderungsund Beteiligungsgenossenschaft junge Welt kontrapolis.info (Internetplattform) ........ 192 eG (LPG) .................................................................. 199 Kontrolle ............................................................. 21 ff. Lützerath .......................................... 37, 152, 163 ff. Kriminelle Vereinigung . 87, 150, 155, 161, 186 M Kritik&Praxis, Frankfurt am Main ............. 195 1. Mai Zeitung (Publikation) ......................... 196 Kritische Infrastruktur (KRITIS) ....... 147, 163, 168 f., 173, 178, 316, 318, 347 Made in China 2025 .......................................... 318 Kubitschek, Götz ...................................104 f., 129 maoistisch-stalinistisch .................................. 202 379 REGISTER Marksist Leninist Komünist Parti Milli Görüs-Bewegung (MGB) ............ 206, 210, (MLKP - Marxistische Leninistische 229, 256 ff. Kommunistische Partei) ......56, 61, 274 f., 299 Milli Görüs (Nationale Sicht) ........................ 256 Märtyrer .................................227, 276 f., 299, 305 Milliyetci Hareket Partisi (MHP - Partei der marx21 (trotzkistisches Netzwerk) ............ 185 Nationalistischen Bewegung).... 280, 282, 300 Marxisten-Leninisten ...................................... 184 Ministry of Intelligence (VAJA, zumeist abgekürzt MOIS, iranischer ziviler Inund Marxistische Blätter (Publikation) ............. 200 Auslandsnachrichtendienst) ................327, 341 Marxistische Leninistische KommunisMinistry of Public Security tische Partei (MLKP - Marksist Leninist (MPS, chinesisches Ministerium für Komünist Parti) ........................56, 61, 274 f., 299 Öffentliche Sicherheit) .................................... 340 Marxistisch-Leninistische Partei DeutschMinistry of State Security lands (MLPD) ........................174, 184, 201 f., 303 (MSS, chinesischer ziviler Inund Auslandsnachrichtendienst) ......................339 f. Massenvernichtungswaffen ........... 308, 333 ff. Miscavige, David ........................................351, 353 Mazhar, Jamil ....................................................... 303 Missionen .............................................................. 351 Medienstelle ........................... 53, 225 f., 239, 241 Mofatteh, Mohammad Hadi ......................... 255 Memes ................................................ 66, 91, 97, 227 Mor-Kizil Kolektif (Lila-Rot-Kollektiv, Frauenorganisation) ......................................... 298 Menschenfeindlichkeit................................80, 90 Moschee......................... 54, 81, 90, 229, 244, 246, Menschen für Menschen e.V. ...............245, 363 249, 253, 255 Militanz...................................179, 187, 262, 273 f. Mursi, Mohammed ............................................ 252 militärische Raumfahrtprogramme ......... 334 Musik ......................................... 66, 76, 83, 86, 91 f., Militäroffensive............................................ 50, 183 Musikveranstaltung ....................76, 83, 86, 91 f. Military Intelligence Directorate Muslimbruderschaft (MB - al-Ikhwan (MID, chinesischer militärischer Inund al-Muslimun) .......................210, 234, 247, 252 f. Auslandsnachrichtendienst) ......................... 340 muslimfeindlich/Muslimfeindlichkeit...... 74, Milli Gazete (Publikation) .............................. 258 81, 104 f., 115, 129 f. 380 REGISTER Muslim Interaktiv (MI) ............. 209, 230 f., 251 Network Systems Department (NSD, chinesischer militärischer technischer Mustang Panda.................................................... 325 Nachrichtendienst)............................................ 340 Neue Demokratische Jugend N (YDG - Yeni Demokratik Genclik).............. 297 Nachberichtspflicht .............................................85 Neue Frau (Yeni Kadin) .................................... 297 Nachrichtendienstliches InformationsNeue Rechte..................................... 64, 77, 99, 101 system (NADIS) ......................................................19 Neue Stärke Partei .........................................75, 78 Nahostkonflikt ......50 ff., 89, 98, 190, 208, 217, 220 f., 230, 232 f., 265, 290 Newroz .................................................................... 269 Nakba-Tag ....................................................... 59, 287 Nichtaberrierte.................................................... 350 NARCONON ......................................................... 354 N.S. Heute .................................................................82 Nasrallah, Hassan ............................................... 245 O Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) ...............61, 64, 75, 77 f., 82, 96, 98, Oberlandesgericht (OLG) ......81, 137, 139, 148, 106 ff., 113, 120 f. 155 ff., 186, 215, 236 ff., 272 f., 277, 333 Oberverwaltungsgericht (OVG) ...86, 113 ff., 118 Nationale Sicht (Milli Görüs) ........................ 256 Öcalan, Abdulllah..... 267, 269 f., 273, 291, 293 Nationalismus ist keine Alternative (NIKA) .............................................................187, 195 Öffentlichkeitsarbeit .24, 110, 181, 184 f., 198 Nationalrevolutionäre Jugend One Ummah Spendengala............................. 208 (NRJ) ............................................................110 f., 124 Onlineblog............................................................. 104 Nationalsozialismus/ nationalsozialistisch ......... 55, 62, 66, 70, 82 ff., Onlinesubkulturen...............................................90 120, 124, 132, 359 Operation Medusa ............................................. 317 NATO .......................................308, 312 f., 338, 342 Org ...............................................................351 f., 352 Naturrecht ....................................................132, 142 Outings..........................................153, 158 f., 190 f. Neonazi/neonazistisch .................75, 82, 84, 92, 107, 111 f., 123 Özgür Gelecek (Publikation) ......................... 297 381 REGISTER P Phalanx Europa..........................................100, 127 Palästinensische Gemeinschaft in Phishing........................................... 315 f., 325, 329 Deutschland e.V. (PGD) .................................235 f. PI-NEWS ...................................................................78 Parlamentarisches Kontrollgremium ..... 21 f. Podcast .......................105, 129, 192 f., 222, 352 f. Partei der Befreiung (HuT - Hizb ut-Tahrir) ..................... 54, 209 f., 230, 250 f., 358 Polizei ......... 37 ff., 56 f., 68, 137 ff., 150 ff., 157, 160 ff., 164 ff., 186, 269, 285, Partei der großen Einheit (BBP - Büyük Birlik Partisi)......................................................... 282 Popular Front for the Liberation of Palestine (PFLP - Volksfront für die Befreiung Partei der Nationalistischen Bewegung Palästinas) ...............56, 58, 69, 284 f., 287, 303 f. (MHP - Milliyetci Hareket Partisi)................................................... 280, 282, 300 POSITION (Publikation) ................................. 200 parteiunabhängige bzw. parteiungebundene Strukturen .....................78 Postautonome ..................................................... 181 Partiya Karkeren Kurdistan (PKK - Prävention ...................................................93, 336 f. Arbeiterpartei Kurdistans) .... 190, 263 ff., 291, 293 ff., 330, 342, 356 PRISMA - IL Leipzig .......................................... 194 Partizan Genclik Inisiyatifi/MarksistPro Chemnitz ..............................................113, 125 Leninist-Maoist (PGI/MLM - Jugendinitiative Partizan/MarxistischProliferation .................................. 308 f., 333, 338 Leninistisch-Maoistisch) ................................ 298 Propaganda ... 51, 53 f., 57, 66, 82, 95, 181, 190, Patria (Magazin) .................................................. 126 208 f., 211, 221, 223 ff., 231, 237, 248, 263, 271, 277 f., 285 f., 303, 313 f., 332, 358 Pawn Storm .......................................................... 315 Punjab...................................................................... 305 Permanente Revolution.................................. 203 personeller Geheimschutz....................344, 348 Q Personenpotenzial ........... 24, 78, 114, 133, 144, 150 f., 208, 210, 222 f., 264 Quds Force (iranische militärische und nachrichtendienstliche Perspektif (Publikation) .................................. 258 Spezialeinheit) ............................................327, 342 Perspektive Kommunismus (PK) .......183, 196 Quellen.......................................... 21, 308, 320, 331 382 REGISTER R Repression ..................57, 68, 158, 166, 168, 171, 186, 198, 308, 331 f. Radikalisierung .....52, 58, 75, 80, 89 f., 147, 150, 156, 165, 177 f., 190, 218, 220, 234, 251, 254 Revolution .... 182, 184, 197, 203, 266, 276, 299 radikal.news - Nachrichten von unten Revolutionäre Aktion Karlsruhe................. 196 (Internetplattform)............................................ 192 Revolutionäre Aktion Stuttgart................... 196 Ransomware ......................................................... 317 Revolutionäre Linke Duisburg .................... 196 Rassismus/rassistisch ......57, 60, 66, 74, 83, 95, 104, 106, 123 f., 129 f., 186, 188 f., 279, 283, 288 Revolutionäre Volksbefreiungsfront (DHKC - Devrimci Halk Kurtulus Realität Islam (RI) ............................ 209, 230, 251 Cephesi) .................................................................. 276 REBELL (Jugendverband) .................. 174, 201 f. Revolutionäre Volksbefreiungspartei (DHKP - Rechtsextremisten in Devrimci Halk Kurtulus Partisi) ................. 276 Sicherheitsbehörden ...........................................87 Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front rechtsterroristisch ................................... 79 ff., 90 (DHKP-C - Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi) ......56, 266, 274, 276, 290, 296 Reconnaissance General Bureau (RGB) ... 332 REVOLUTION (REVO) .................. 174, 183, 185 Reconquista .......................................................... 101 Risalat al-Ikhwan (Publikation)................... 252 Redical [M], Göttingen ..................................... 195 Rote Fahne (Publikation) ................................ 201 Referans (Publikation) ..................................... 301 Rote-Hilfe-Archiv .....................................186, 198 Regelanfrage ............................................................85 Rote Hilfe e.V. (RH) ...................................185, 198 Reichsbürger ........... 34 f., 61 ff., 78, 87, 94, 113, 131 ff., 146 f. Roter Aufbau Hamburg (RAH)..................... 196 Reisende Führungsoffiziere .......................... 311 Rückkehrer ............................................................ 219 Rekrutierung ....................82, 190, 208, 211, 248, 251, 267, 270, 274, 278, 294 Russischer Angriffskrieg ..............63, 67, 75, 88, 117, 125, 134, 145, 174, 211, 236, 308 ff., Religious Technology Center (RTC)........... 351 312 f., 316, 318, 325, 334, 336, 346 Remigration .........................61, 101 f., 115, 118 f. Russland ....67, 88, 117, 309 ff., 317 f., 325, 334 383 REGISTER S Samidoun - Palästinensisches Gefangenensolidaritätsnetzwerk ("Samidoun")... 50, 55 f., Sa'adat, Ahmad .................................................... 303 58 f., 69, 275, 278, 285 f., 291 f., 304 f., 365 SAADET Europa e.V........................................... 257 Samidoun - Palestinian Prisoner Solidarity Network ("Samidoun") ....................50, 285, 304 Saadet Partisi (SP) ............................................... 257 Sanktionen .................... 58, 286, 311 f., 314, 329, 332, 334 f. Sabotage ............. 150, 163, 165, 170 f., 178, 314, 317 f., 322, 336 Schadsoftware ...................................... 315 ff., 329 Sabotageaktionen .....................................168, 310 Schanze Eins UG & Co. KG ....................100, 127 Sabotagemöglichkeiten................................... 308 Scharia ..................................................................... 254 Sabotageschutz.............................. 19, 343 ff., 348 Scharnierfunktion ....................................187, 194 Sabotageschutzbeauftragte ........................... 348 Schiiten/schiitisch ....... 210, 229, 240, 246, 255 Schreiber, Peter ................................................... 122 Sag NEIN zu Drogen - Sag JA zum Leben........................................................................ 354 Scientology Kirche Deutschland e.V. ........ 353 Saha .......................................................................... 268 Scientology Network ........................................ 353 Sahelstaaten.......................................................... 242 Scientology-Organisation (SO) ....350 ff., 353 f. säkulare extremistische palästinensische Sednit ....................................................................... 315 Organisationen ......................................................56 see red!, Düsseldorf ........................................... 194 säkularer palästinensischer Extremismus .......52, 58, 60, 264, 284, 286, 289 Selbstbezichtigungsschreiben... 170, 179, 191 Selbstverwalter....... 34 f., 61 ff., 78, 87, 94, 113, Salafismus......................................206, 222 ff., 230 132 ff., 142, 146, 362 Salafisten/salafistisch.........206 ff., 215, 221 ff., Sellner, Martin ............................................102, 104 228, 233, 260 Serxwebun (Publikation) ............. 271, 291, 293 SALAM! Zeitschrift für junge Muslime (Publikation) ......................................................... 255 Sever, Engin .......................................................... 295 Samidoun Deutschland .... 56, 285 f., 304, 365 Sezession (Zeitschrift) .........................104 f., 129 384 REGISTER S.H.A.E.F.................................................................. 134 Sozialistische Organisation Solidarität (Sol) ........................................................................... 185 sicherheitsempfindliche Tätigkeit ....345, 348 Sozialistische Perspektive, Göttingen....... 194 Sicherheitshinweis für die Wirtschaft...... 336 Spear-Phishing-Angriff ................................... 329 Sicherheitshinweis für Politik & Verwaltung ............................................................ 336 Spendensammlungen ..........231, 249, 265, 285 Sicherheitsrisiko ............................................345 ff. Staatenbund Deutsches Reich ..................... 142 Sicherheitsüberprüfung......................19, 344 ff. Staatsterrorismus ........................ 308 f., 327, 341 Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG) ..... 344 Stein, Philip ........................................................... 130 Siedlungsbestrebungen ......................................94 Sterka Ciwan (Publikation)............................ 272 Sterk TV (TV-Sender) ...............................271, 293 Siege .....................................................................76, 90 Stochastischer Terrorismus ..............................91 Sikh/Sikhs.............................................................. 305 Stolzmonat ........................................................... 95 f. Snake .....................................................................316 f. Strukturdaten .................19, 120 ff., 142, 194 ff., Social Engineering....................................329, 332 239 ff., 293 ff. Social Media........... 65, 93, 125, 190, 209, 223 f., Studierende Frauen Kurdistans (JXK - 227, 230 f., 286 Jinen Xwendekar en Kurdistan)................... 294 Sofacy....................................................................... 315 Stützpunkte ....................................... 109, 121, 124 Source ...................................................................... 353 subkulturell............................................. 66, 91, 182 Soziale Netzwerke .........66, 75, 215, 251, 259 f., Swaid, Khallad ..................................................... 253 312, 314 Switch off ..........................................................169 ff. Sozialismus ..................................................150, 200 SWR (russischer ziviler AuslandsSozialistische Deutsche Arbeiterjugend nachrichtendienst) ............................................ 338 (SDAJ) ..............................................................174, 200 Syndikat.................................................................. 197 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) ......................................................................... 200 Szeneobjekt ............................................. 68, 98, 160 Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) ...... 203 Szeneschwerpunkt ............................................ 157 385 REGISTER T The Dukes .............................................................. 316 Tablighi Jama'at (TJ - Gemeinschaft der Theorie.Organisation.Praxis, Berlin .......... 195 Verkündigung und Mission) ................210, 254 The Way to Happiness (Leitfaden) ............. 352 Tag der Ehre ..........................111, 155 f., 186, 190 Transnationale Repression ...................308, 332 Tag der palästinensischen Gefangenen .................................................... 59, 287 trotzkistisch ........................ 174, 183 ff., 193, 203 Taleban ........................................214, 219, 240, 244 Tuareg-Stämme .................................................. 242 Tarnfirmen ............................................................ 333 tumulte.org (Internetplattform) ................. 192 Technologie.....192, 318, 321 f., 334 ff., 338, 350 Turan ................................................279, 281 ff., 288 Technologietransfer, Know-how-Transfer, Wissenstransfer ..................309, 321 f., 326, 336 Türkische Hizbullah (TH)......................210, 249 Telegram..............64 f., 75, 90, 95 f., 100, 114 ff., Türkische Kommunistische Partei125 f., 133, 145, 147, 212, 224, 314 Marxisten-Leninisten (TKP-ML - Türkiye Komünist Partisi-Marksist Leninist) ...275, 297 Terrorangriff/Terroranschläge ........ 37, 42, 45, 50 f., 54 f., 59, 61, 64, 68 ff., 74, 151, 175 f., Türkische Kommunistische Partei/ 183, 208 f., 213, 217, 233 f., 242, 246, 248, Marxisten-Leninisten (TKP/ML - Türkiye 263 f., 270, 274 f., 280, 282 ff., 287, 291, 296 Komünist Partisi/Marksist-Leninist) ..275, 298 Terrorismusfinanzierung ............................... 215 Türkische Nachrichtendienste .......329 f., 342 Tevgera Ciwanen Soresger (TCS - Bewegung Türkiye Komünist Partisi-Marksist Leninist der revolutionären Jugend) ..................268, 293 (TKP-ML - Türkische Kommunistische Partei-Marxisten-Leninisten)..............275, 297 Tevgera Jinen Kurd li Ewropa (TJK-E/ Avrupa Kürt Kadin Hareketi, AKKH - Türkiye Komünist Partisi/Marksist-Leninist Kurdische Frauenbewegung in Europa) ....294 (TKP/ML - Türkische Kommunistische Thabat (Onlinemagazin) ................................. 241 Partei/Marxisten-Leninisten) .............275, 298 Thaler, Philip ........................................................ 127 Turla ......................................................................... 316 The Auditor ........................................................... 353 TV Furkan (Online-Fernsehsender)........... 259 386 REGISTER U V Übertage (Podcast) ............................................. 193 Vandreier, Christoph ........................................ 203 Ukraine ..........63, 67, 75, 88, 111, 117, 125, 134, Vaterländischer Hilfsdienst (VHD) ............ 142 145, 174, 189, 211, 236, 308 f., 312, 315 f., 318, 325, 334, 336, 346 Velioglu, Hüseyin ............................................... 249 Ülkücü ..................................60, 279, 281, 283, 288 Verband der Studierenden aus Kurdistan (YXK - Yekitiya Xwendekaren Kurdistan) .294 Ülkücü-Bewegung (IdealistenBewegung) ......................279 ff., 283, 288, 300 ff. Verband der Werktätigen MigrantInnen in Europa (AGEB - Avrupa Göcmen Umgehungsausfuhren ..................................... 333 Emekciler Birligi)................................................ 298 Ummah Wahida (Onlinemagazin) ....226, 241 Verbot/verboten .......... 18, 55 ff., 68 f., 83 f., 93, ...ums Ganze! - kommunistisches 108, 123, 138, 190, 200, 232, 234 ff., 239, 245, Bündnis................................................ 181, 187, 195 247 f., 250, 252, 259 f., 267, 270, 275, 277 f., 286, 293 f., 296, 304, 334, 356 ff., 360 f., 363 ff. Umvolkung .................................................... 83, 115 Verdachtsfall..............59, 77 f., 95 f., 99 f., 102 f., Undogmatische Radikale Antifa (URA), 105 f., 113, 117 f., 126, 151, 164 f., 286 Dresden ................................................................... 195 Verdeckte Union der Gemeinschaften Kurdistans Informationsbeschaffung .....................320, 330 (KCK - Koma Civaken Kurdistan) .............. 293 Vereinigung der neuen Weltsicht in Union Internationaler Demokraten Europa e.V. ............................................................. 258 (UID) ......................................................................... 330 Vereinte Patrioten...........................................147 f. unsere zeit (Publikation) ........................173, 200 Verfassunggebende Versammlung (VV) .. 142 unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial ................................................78 Verfassungsschutzverbund ... 85, 139, 315, 337 untergetaucht ....................................... 150, 156 ff. Verhaftung ......................................... 221, 272, 328 Uroburos ................................................................ 316 Verhinderung von Waffenbesitz bei Urteil .........18, 28, 81 f., 101, 108, 113 ff., 137 f., Rechtsextremisten ................................................85 155, 157, 167, 186, 219, 237 f., 272 f., 281, 327, 331, 333 Verlag 8. Mai GmbH .......................................... 199 387 REGISTER Verlag Antaios (Verdachtsfall) ..99, 100, 105 f. Volksverteidigungskräfte (HPG - Hezen Parastina Gel) ....................................................... 267 Vernetzung/Vernetzungsbestrebungen .... 60, 69, 77, 92, 94, 100, 102 f., 106 f., 111, 113, vorpolitischer Raum .........................99, 121, 129 117, 119, 125, 133 ff., 145, 156, 167, 177, 181 f., 184 ff., 220, 227, 275, 284 f. W Verschlusssache (VS) ......................................344 f. Waffenaffinität ............................................. 85, 140 Verschwörungserzählung ......... 60, 63, 66, 289 Waffenbehörde ............................................ 85, 141 Verschwörungstheorien/verschwörungswaffenrechtliche Erlaubnisse ................ 85, 141 theoretisch ........61 ff., 65, 67, 95 f., 98 f., 103 f., 114, 125, 130, 132 ff., 136, 139, 146 Waisenkinderprojekt Libanon e.V. (WKP) .................................................... 245, 360, 363 Vielschreiberei ..................................................... 135 Wardon ......................................................................93 VOICE OF KHURASAN (Onlinemagazin) ........................................208, 225 WeChat.................................................................... 320 Voigt, Udo .............................................................. 108 Weigler, Sebastian .............................................. 121 Völkermord ..............................................................51 Widerstand...... 50, 56 f., 69, 112, 125, 135, 137, 162 f., 174 f., 183, 221, 248, 252, 285, 291 völkisch-abstammungsmäßig ............114, 117 Wirtschaftsschutz ...........................................336 f. völkisch-biologistisch .........................................95 Wirtschaftsund Finanzbüro (EMB - Ekonomi ve Maliye Bürosu) .......................... 266 Volksbegriff................... 104 f., 117 f., 126, 129 f. Wirtschaftsunternehmen ...............168, 171 ff., Volksfront für die Befreiung Palästinas 314, 324 (PFLP - Popular Front for the Liberation of Palestine)..................................56, 284 ff., 303 f. Wolfsgruß .............................................................. 279 Volksfront (Halk Cephesi)... 56, 284, 296, 303 f. Worch, Christian .......................................109, 123 Volksgemeinschaft ..............74, 84, 95, 120, 124 World Institute of Scientology Enterprises (WISE) ............................................. 354 Volkskongress Kurdistans (Kongra Gele Kurdistan - KONGRA GEL) ........................... 293 World Socialist Website (Publikation)...... 203 Volksrat (Halk Meclisi) ..................................... 296 Wutwinter ................................................................88 388 REGISTER Y Z YATIM-Kinderhilfe e.V............................247, 358 Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V. (ZMD) ............................................................... 281 Yazicioglu, Erol ...........................................282, 302 Zentralverband der Ezidischen Vereine Yekitiya Xwendekaren Kurdistan e.V. (NAV-YEK) ..................................................... 294 (YXK - Verband der Studierenden aus Kurdistan) .............................................................. 294 Zentrum für Analyse und Forschung (ZAF) ............................................................................20 Yeni Demokrasi (Publikation) ...................... 298 Zero-Day-Exploits ............................................. 324 Yeni Demokratik Genclik (YDG - Neue Demokratische Jugend)................................... 297 Zero-Day-Schwachstelle........................315, 324 Yeni Kadin (Neue Frau) .................................... 297 Ziviler Ungehorsam .......................................162 f. Yeni Özgür Politika Zümrüt, Zübeyde................................................ 295 (YÖP, Tageszeitung) ..................................271, 293 Zunkunftskongress Deutschland (ZKD) ....135 Young Struggle (YS) ..................................275, 299 Youth for Human Rights ................................ 354 389 REGISTER 390 REGISTERANHANG Registeranhang zum Verfassungsschutzbericht 2023 In diesem Registeranhang sind die im vorliegenden Verfassungsschutzbericht genannten Gruppierungen aufgeführt, bei denen die vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte in ihrer Gesamtschau zu der Bewertung geführt haben, dass die Gruppierung verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, es sich mithin um eine extremistische Gruppierung handelt. Gruppierungen Seitenzahl A Aktion, Kritik und Theorie Heidelberg (AKUT [+C]) 194 al-Aqsa e.V. 247, 357 al-Gama'a al-Islamiya 252 al-Ikhwan al-Muslimun (MB - Muslimbruderschaft) 210, 234, 247, 252 f. Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyo280 f., 300 f. nu (ADÜTDF - Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V. ) Almanya Göcmen Isciler Federasyonu (AGIF - Föderation der 299 Arbeitsimmigrant/innen in Deutschland e.V.) Almanya Türkiyeli Isciler Federasyonu (ATIF - Föderation der 297 Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V.) al-Qaida 54, 206, 208, 210, 212 f., 215 ff., 224, 226 f., 233 f., 239, 241 ff. al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAH) 53, 242 al-Qaida im Irak 239 al-Qaida im islamischen Maghreb (AQM) 242 al-Shabab (Harakat al-Shabab al-Mujahidin - Bewegung der 216, 226, 235, 242 f. Mujahidin-Jugend) Anadolu Federasyonu (Anatolische Föderation) 296 Anatolische Föderation (Anadolu Federasyonu) 296 Ansaar International e.V. 235, 363 Antifa AK Köln 195 antifa nt - Autonome Antifa München 195 Antifa Süd 156 f. Antifaschistische Initiative, Heidelberg 194 Antikapitalistische Linke München 196 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK - Partiya Karkeren Kurdistan), 190, 263 ff., 291, 293 ff., alias KADEK, alias KONGRA GEL, alias KKK, alias KCK 330, 342, 356, 361 Archetyp GmbH 130 391 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl Arische Bruderschaft 84 ATIB - Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa 281 f., 301 e.V. (ATIB - Avrupa Türk Islam Kültür Dernekleri Birligi) Atomwaffen Division Hessen 81 f. Avrupa Ezilen Göcmenler Konfederasyonu (AvEG-Kon - 299 Konföderation der unterdrückten Migranten in Europa) Avrupa Göcmen Emekciler Birligi (AGEB - Verband der 298 Werktätigen MigrantInnen in Europa) Avrupa Kürt Kadin Hareketi (AKKH/Tevgera Jinen Kurd li 294 Ewropa, TJK-E - Kurdische Frauenbewegung in Europa) Avrupa Nizam-i Alem Federasyonu (ANF - Föderation der 282 f., 302 Weltordnung in Europa) Avrupa Türk Islam Kültür Dernekleri Birligi (ATIB - Union der 281 f., 301 Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V.) Avrupa Türkiyeli Isciler Konfederasyonu (ATIK - Konföderation 297 der ArbeiterInnen aus der Türkei in Europa) AZADI Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in 273 Deutschland e.V. (AZADI e.V.) B Babbar Khalsa Germany (BKG) 305 Babbar Khalsa International (BKI) 305 Barbaria Sportgemeinschaft e.V. 93 Basisdemokratische Linke, Göttingen 194 Basisgruppe Antifaschismus (BA), Bremen 195 Bewegung der Mujahidin-Jugend (al-Shabab - Harakat 216, 226, 235, 242 f. al-Shabab al-Mujahidin) Bewegung der revolutionären Jugend (TCS - Tevgera Ciwanen 268, 293 Soresger) Bismarcks Erben 142 Black Legion 93 Brigade 12 84 f. Brothers of Honour 84 f. C Communist Action & Theory, Marburg 195 COMPACT-Magazin GmbH 61, 65, 78, 100, 102 f., 105, 117, 128 COMPACTTV 128 392 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl Crew 38 83, 364 CRIMINON 354 D Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in 295 Norddeutschland e.V. (FED-DEM - Federasyona Civaka Demokratik a Kurdistaniyen li Bakure Almanya) Der III. Weg 61, 64, 75, 78, 98, 109 ff., 124 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 174, 184, 200 Deutsche Libanesische Familie e.V. (DLF) 245, 363 Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V. (DMG) 210, 252 f. Deutsche Stimme Verlags GmbH (DS Verlag) 120, 122 Devrimci Genclik (Dev Genc - Revolutionäre Jugend) 278, 296 Devrimci Halk Kurtulus Cephesi (DHKC - Revolutionäre 276 Volksbefreiungsfront) Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi (DHKP-C - 56, 60, 266, 274, 276 ff., Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) 285, 290, 296, 357 Devrimci Halk Kurtulus Partisi (DHKP - Revolutionäre 276 Volksbefreiungspartei) Die Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft 84, 364 wesensgemäßer e.V. (AG-GGG) Die Heimat (vormals NPD) 61, 64, 75, 77 f., 96, 98, 106 ff., 113, 120 f., 125 DIE RECHTE 75, 77 f., 107 ff., 123 Die Wahre Religion (DWR) 361 E Ein Prozent e.V. 78, 96, 100, 103 ff., 117, 119, 130 Eklat Münster 195 Ekonomi ve Maliye Bürosu (EMB - Wirtschaftsund Finanzbüro) 266 Erbakan-Stiftung 258 Europavertretung der Erbakan-Stiftung 258 F Familienwerk e.V. 84, 364 Farben für Waisenkinder e.V. (FfW) 245, 360, 363 Federasyona Civaka Demokratik a Kurdistaniyan (FCDK-KAWA - 295 Föderation der demokratischen Gesellschaften Kurdistans e.V.) 393 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl Federasyona Civaka Demokratik a Kurdistaniyen li Bakure 295 Almanya (FED-DEM - Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Norddeutschland e.V.) Federasyona Civaken Azad yen Mezopotamya li NRW 295 (FED-MED - Föderation der Freiheitlichen Gesellschaft Mesopotamiens in NRW e.V.) Federasyona Gelen Kurdistani (FED-GEL - Föderation der Völker 295 Kurdistans e.V.) Federasyona Kurdistaniyen Azad li Rojhilate Almanya 295 (FED-KURD - Freie Kurdistan Föderation Ostdeutschland) Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. 297 (ATIF - Almanya Türkiyeli Isciler Federasyonu) Föderation der Arbeitsimmigrant/innen in Deutschland e.V. 299 (AGIF - Almanya Göcmen Isciler Federasyonu) Föderation der demokratischen Aleviten e.V. (FEDA) 294 Föderation der demokratischen Gesellschaften Kurdistans e.V. 295 (FCDK-KAWA - Federasyona Civaka Demokratik a Kurdistaniyan) Föderation der Freiheitlichen Gesellschaft Mesopotamiens 295 in NRW e.V. (FED-MED - Federasyona Civaken Azad yen Mezopotamya li NRW) Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in 300 Deutschland e.V. (ADÜTDF - Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu) Föderation der Völker Kurdistans e.V. (FED-GEL - Federasyona 295 Gelen Kurdistani) Föderation der Weltordnung in Europa (ANF - Avrupa Nizam-i 282 f., 302 Alem Federasyonu) Frauenverteidigungskräfte (HPJ - Hezen Parastina Jin) 267 Freie Arbeiter*Innen-Union (FAU) 182, 197 Freie Kurdistan Föderation Ostdeutschland (FED-KURD - 295 Federasyona Kurdistaniyen Azad li Rojhilate Almanya) Freie Sachsen 75, 89, 99, 103, 107, 112, 125 f., 128 Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans (KADEK - 293 Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane), siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Furkan Gemeinschaft 208, 210, 259 Furkan Stiftung für Bildung und Dienst (Furkan Egitim ve 259 Hizmet Vakfi) 394 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl G Geeinte deutsche Völker und Stämme (GdVuSt) 138, 362 Gemeinschaft der Jugendlichen (Komalen Ciwan) 268, 293 Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan (KKK - Koma 293 Komalen Kurdistan), siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Generation Islam (GI) 51, 209, 230, 251 Gib Frieden e.V. 245, 363 Grup Yorum 266, 278, 296 Gruppe ArbeiterInnenmacht (GAM) 183, 185, 193 Gruppe d.i.s.s.i.d.e.n.t., Marburg 194 Gruppe für die Unterstützung des Islam und der Muslime 216, 226, 242 (JNIM - Jama'at Nasr al-Islam wal Muslimin) Gruppe S. 81 H Hai'at Tahrir al-Sham 235 Halk Cephesi (Volksfront) 296 Halk Meclisi (Volksrat) 296 HAMAS (Harakat al-Muqawama al-Islamiya - Islamische 37, 42, 45, 50 ff., 55, 59, Widerstandsbewegung) 61 ff., 68 f., 98, 151, 175 f., 206 ff., 213, 224 ff., 231 ff., 246 ff., 263 f., 278, 282 ff., 290 ff., 347, 357, 365 Hammerskins Deutschland 83, 364 Hans-Litten-Archiv e.V. (HLA) 186, 198 Heimat Dortmund 82, 107 Hezb-e Islami-ye Afghanistan (HIA - Islamische Partei 210, 244 Afghanistans) Hezen Parastina Gel (HPG - Volksverteidigungskräfte) 267, 270 f. Hezen Parastina Jin (HPJ - Frauenverteidigungskräfte) 267 Hirak e.V. 56, 286, 304, 365 HIRAK - Palestinian Youth Mobilization Jugendbewegung 56, 286, 304, 365 (Germany) Hizb Allah (Partei Gottes) 52 f., 71, 206, 210, 231, 236, 245 f., 303, 362 Hizb ut-Tahrir (HuT - Partei der Befreiung) 54, 209 f., 230, 250 f., 358 395 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl I I Furiosi, Düsseldorf 194 Identitäre Bewegung Deutschland (IBD) 78, 100, 127 In/Progress, Braunschweig 195 Indigenes Volk Germaniten (IVG) 136, 142 Initiative Zusammenrücken (IZ) 85, 95 Institut für Staatspolitik (IfS) 78, 100, 104, 117, 129 International Way to Happiness Foundation 354 International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) 203 Internationale Sozialistische Organisation (ISO) 185 Interventionistische Linke (IL) 164, 181, 187, 194 Islamische Gemeinde Kurdistans (CIK) 294 Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden 229, 255 Deutschlands e.V. (IGS) Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) 253 Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. (IGMG) 229, 258 Islamische Partei Afghanistans (HIA - Hezb-e Islami-ye 210, 244 Afghanistan) Islamischer Staat (IS) 210, 222, 224, 236, 239, 360 53, 208, 214 f., 219, 221, Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK) 225, 236, 240 Islamischer Staat Provinz Westafrika 216 Islamischer Staat Provinz Zentralafrika 216, 240 Islamischer Staat Sahel-Provinz 216, 240 Islamisches Zentrum Hamburg e.V. (IZH) 210, 229, 236, 255 Islamistische Nordkaukasische Szene (INS) 220 f. Ismail Aga Cemaati (IAC) 257 Izz-al-Din-al-Qassam-Brigaden 232, 248 J Jabhat al-Nusra (JaN) 235 Jama'at Nasr al-Islam wal Muslimin (JNIM - Gruppe für die 216, 226, 242 Unterstützung des Islam und der Muslime) Jinen Xwendekar en Kurdistan (JXK - Studierende Frauen 294 Kurdistans) Jugendinitiative Partizan/Marxisten-Leninisten-Maoisten (PGÄdeg/ 298 MLM - Partizan Genclik Inisiyatifi/Marksist-Leninist-Maoist) 396 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl Junge Alternative für Deutschland (JA) 117, 126 Junge Nationalisten (JN) 75, 96, 98, 120 f. junge Welt (jW) 199 K Kalifatsstaat 210, 260, 357 Kameradschaft Northeim 84 Kampfgemeinschaft Cottbus 93 Kaukasisches Emirat (KE) 221 Kohorte UG (Onlineshop Phalanx Europa) 127 Koma Civaken Kurdistan (KCK - Union der Gemeinschaften 293 Kurdistans), siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Koma Komalen Kurdistan (KKK - Gemeinschaft der Kommunen 293 in Kurdistan), siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Komalen Ciwan (Gemeinschaft der Jugendlichen) 268, 293 Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen 354 Menschenrechte e.V. (KVPM) Kommunistische Jugendorganisation (KGÖ - Komünist Genclik 299 Örgütü) Kommunistische Linke Köln 196 Komünist Genclik Örgütü (KGÖ - Kommunistische 299 Jugendorganisation) Konfederasyona Civaken Kurdistaniyen li Almanya (KON-MED - 268, 295 Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland e.V.) Konföderation der ArbeiterInnen aus der Türkei in Europa 297 (ATIK - Avrupa Türkiyeli Isciler Konfederasyonu) Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland 268, 295 e.V. (KON-MED - Konfederasyona Civaken Kurdistaniyen li Almanya) Konföderation der unterdrückten Migranten in Europa 299 (AvEG-Kon - Avrupa Ezilen Göcmenler Konfederasyonu) Kongra Gele Kurdistan (KONGRA GEL - Volkskongress 293 Kurdistans), siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane (KADEK - Freiheits293 und Demokratiekongress Kurdistans), siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Königreich Deutschland (KRD) 136 ff., 142 Kritik&Praxis, Frankfurt am Main 195 Kurdische Frauenbewegung in Europa (AKKH/TJK-E - Avrupa 294 Kürt Kadin Hareketi/ Tevgera Jinen Kurd li Ewropa) 397 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl L Lila-Rot-Kollektiv (Mor-Kizil Kolektif, Frauenorganisation) 298 Linke Aktion Villingen-Schwenningen 196 Linke Presse Verlags-, Förderungsund Beteiligungsgenossen199 schaft junge Welt e.G. (LPG) M Marksist Leninist Komünist Parti (MLKP - Marxistische 56, 61, 274 f., 299 Leninistische Kommunistische Partei) marx21 185 Marxistische Leninistische Kommunistische Partei 56, 61, 274 f., 299 (MLKP - Marksist Leninist Komünist Parti) Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 174, 184, 201 f., 303 Menschen für Menschen e.V. 245, 363 Milli Görüs-Bewegung (MGB) 206, 210, 229, 256 ff. Mor-Kizil Kolektif (Lila-Rot-Kollektiv, Frauenorganisation) 298 Muslim Interaktiv (MI) 209, 230 f., 251 Muslimbruderschaft (MB - al-Ikhwan al-Muslimun) 210, 234, 247, 252 f. N NARCONON 354 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 61, 64, 75, 77 f., 82, 96, 98, 106 ff., 113, 120 f. Neue Demokratische Jugend (YDG - Yeni Demokratik Genclik) 297 Neue Frau (Yeni Kadin) 297 Neue Stärke Partei (NSP) 75, 78 P Palästinensischen Gemeinschaft in Deutschland e.V. (PGD) 235 f. Palästinensischer Islamischer Jihad (PIJ) 286 Partiya Karkeren Kurdistan (PKK - Arbeiterpartei Kurdistans), 190, 263 ff., 291, 293 ff., alias KADEK, alias KONGRA GEL, alias KKK, alias KCK 330, 342, 356 Partizan Genclik Inisiyatifi/Marksist-Leninist-Maoist (PGI/MLM - 298 Jugendinitiative Partizan/Marxisten-Leninisten-Maoisten) Perspektive Kommunismus (PK) 183, 196 Phalanx Europa 100, 127 PI NEWS 78 398 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl Popular Front for the Liberation of Palestine (PFLP - Volksfront 56, 58, 69, 284 f., 287, 303 f. für die Befreiung Palästinas) PRISMA - IL Leipzig 194 Pro Chemnitz 113, 125 R Realität Islam (RI) 209, 230, 251 REBELL 174, 201 f. Redical [M], Göttingen 195 REVOLUTION (REVO) 174, 183, 185 Revolutionäre Aktion Karlsruhe 196 Revolutionäre Aktion Stuttgart 196 Revolutionäre Linke Duisburg 196 Revolutionäre Volksbefreiungsfront (DHKC - Devrimci Halk 276 Kurtulus Cephesi) Revolutionäre Volksbefreiungspartei (DHKP - Devrimci Halk 276 Kurtulus Partisi) Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C - Devrimci 56, 266, 274, 276, 290, 296 Halk Kurtulus Partisi-Cephesi) Rote Hilfe e.V. (RH) 185, 198 Roter Aufbau Hamburg (RAH) 196 S SAADET Europa e.V. 257 Sag NEIN zu Drogen - Sag JA zum Leben 354 Samidoun Deutschland 56, 285 f., 304, 365 Samidoun - Palästinensisches Gefangenensolidaritätsnetzwerk 50, 55 f., 58 f., 69, 275, 278, 285 f., 291 f., 304 f., 365 Samidoun - Palestinian Prisoner Solidarity Network 50, 285, 304 Schanze Eins UG & Co. KG 100, 127 Scientology Kirche Deutschland e.V. 353 Scientology Network 353 Scientology-Organisation (SO) 350 ff., 353 f. see red!, Düsseldorf 194 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 174, 200 Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) 203 Sozialistische Organisation Solidarität (Sol) 185 Sozialistische Perspektive, Göttingen 194 399 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl Staatenbund Deutsches Reich 142 Studierende Frauen Kurdistans (JXK - Jinen Xwendekar en 294 Kurdistan) T Tablighi Jama'at (TJ - Gemeinschaft der Verkündigung und 210, 254 Mission) Taleban 214, 219, 240, 244 Tevgera Ciwanen Soresger (TCS - Bewegung der revolutionären 268, 293 Jugend) Tevgera Jinen Kurd li Ewropa (TJK-E / Avrupa Kürt Kadin 294 Hareketi, AKKH - Kurdische Frauenbewegung in Europa) Theorie.Organisation.Praxis, Berlin 195 Türkische Hizbullah (TH) 210, 249 Türkische Kommunistische Partei-Marxisten-Leninisten 275, 297 (TKP-ML - Türkiye Komünist Partisi-Marksist Leninist) Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten 275, 297 (TKP/ML - Türkiye Komünist Partisi/Marksist-Leninist) Türkiye Komünist Partisi/Marksist-Leninist (TKP/ML - Türkische 275, 297 Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten) Türkiye Komünist Partisi-Marksist Leninist (TKP-ML - Türkische 275, 298 Kommunistische Partei-Marxisten-Leninisten) U ...ums Ganze! - kommunistisches Bündnis (uG) 181, 187, 195 Undogmatische Radikale Antifa (URA), Dresden 195 Union der Gemeinschaften Kurdistans (KCK - Koma Civaken 293 Kurdistan), siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) V Vaterländischer Hilfsdienst (VHD) 142 Verband der Studierenden aus Kurdistan (YXK - Yekitiya 294 Xwendekaren Kurdistan) Verband der Werktätigen MigrantInnen in Europa 298 (AGEB - Avrupa Göcmen Emekciler Birligi) Verfassunggebende Versammlung (VV) 142 Verlag 8. Mai GmbH 199 Volksfront (Halk Cephesi) 56, 284, 296, 303 f. Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP - Popular Front 56, 284 ff., 303 f. for the Liberation of Palestine) 400 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL - Kongra Gele 293 Kurdistan), siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Volksrat (Halk Meclisi) 296 Volksverteidigungskräfte (HPG - Hezen Parastina Gel) 267 W Waisenkinderprojekt Libanon e.V. (WKP) 245, 360, 363 Wardon 93 Wirtschaftsund Finanzbüro (EMB - Ekonomi ve Maliye Bürosu) 266 World Institute of Scientology Enterprises (WISE) 354 Y YATIM-Kinderhilfe e.V. 247, 358 Yekitiya Xwendekaren Kurdistan (YXK - Verband der 294 Studierenden aus Kurdistan) Yeni Demokratik Genclik (YDG - Neue Demokratische Jugend) 297 Yeni Kadin (Neue Frau) 297 Young Struggle (YS) 275, 299 Youth for Human Rights 354 Z Zentralverband der Ezidischen Vereine e.V. (NAV-YEK) 294 401 BILDNACHWEIS Bildnachweis 3 BMI/Henning Schacht 66 https://twitter.com 90 https:// steamcommunity .com/profiles/76561199127530340 92 t.me/ kdn2013 95 https://www . materialvertrieb .de/produkt/homopropaganda-stoppen/ 110 https:// der-dritte-weg . info/2023/09/kein-zweites-2015-werde-grenzgaengerschuetze-deine-heimat/ 112 t.me/freiesachsen, Beitrag vom 07.10.2023 136 http:// koenigreichdeutschland . org/de 138 https:// gemeinwohlkasse . org 138 https://www. bige.bayern .de/infos_zu_extremismus/reichsbuerger_und_selbstverwalter/organisationen_und_szene/organisationen/index.html 153 dpa 154 dpa 155 dpa 157 dpa 157 dpa 159 dpa 160 dpa 161 dpa 161 dpa 163 dpa 164 dpa 164 dpa 164 dpa 165 dpa 165 https// edition-nautilus .de 167 https://twitter.com 172 dpa 174 https:// onesolutionrevolution .de 177 dpa 402 BILDNACHWEIS 180 dpa 181 dpa 184 dpa 185 https:// rote - hilfe .de 186 https://twitter.com 189 dpa 191 https:// de.indymedia .org 211 t.me/ZY_Hilfe_fur_Idlib 226 dpa 235 dpa 237 Instagram 263 dpa 267 dpa 268 dpa 269 www. frankfurter-info .org 269 www. frankfurter-info .org 270 dpa 275 Instagram.com 279 https:// aze .media 279 dpa 284 dpa 285 dpa 286 dpa 287 dpa 308 dpa 309 Cyberabwehrzentrum 312 dpa 314 dpa 314 dpa 318 dpa 322 dpa 333 dpa 336 BfV 403 BILDNACHWEIS 337 BfV 345 iStock 345 iStock 347 iStock 348 iStock 352 https:// good - choices .net/ 404 NOTIZEN 405 NOTIZEN 406 Impressum Herausgeber Bundesministerium des Innern und für Heimat, 11014 Berlin Internet: www.bmi.bund.de Stand Juni 2024 Druck Kern GmbH, 66450 Bexbach Gestaltung Satzweiss.com Print Web Software GmbH, 66121 Saarbrücken Bildnachweis Henning Schacht / BMI / S. 3 Artikelnummer: BMI24018 Bestellung über das Gebärdentelefon: gebaerdentelefon@sip.bundesregierung.de Online-Bestellung: www.bundesregierung.de/publikationen Weitere Publikationen der Bundesregierung zum Herunterladen und zum Bestellen finden Sie ebenfalls unter: www.bundesregierung.de/publikationen Diese Publikation wird von der Bundesregierung im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit herausgegeben. 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