Verfassungsschutzbericht 2021 Vorwort der Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser Auch im Jahr 2021 prägten die Folgen der Coronapandemie unser Land und unser gesellschaftliches Zusammenleben. Legitime Proteste gegen die Maßnahmen von Bund und Ländern zur Ein dämmung der Pandemie waren immer wieder Vereinnahmungs versuchen aus dem rechtsextremistischen Milieu, aber auch aus der Szene der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" ausgesetzt. Obwohl diese nur vereinzelt erfolgreich waren, zeigten sich besorgniserregende Tendenzen: Verschwörungsmythen und anti semitische Ressentiments werden in weiten Teilen der Protest szene inzwischen selbstverständlich verbreitet. Der Staat und seine Institutionen werden in ihrer Legitimität infrage gestellt, Widerstand gegen staatliche Maßnahmen und Entscheidungen propagiert, Politikerinnen und Politiker in ihrem privaten Wohn umfeld bedrängt. Zum Teil wird zu Gewalt und in Einzelfällen sogar zu Mord aufgerufen. Doch unsere Demokratie ist wachsam und wehrhaft. Unsere Sicherheitsbehörden stellen sich Angriffen auf Freiheit und Sicher heit entschieden entgegen. Dem Verfassungsschutz kommt dabei eine wichtige Rolle als Frühwarnsystem für unsere freiheitliche Gesellschaft zu. Insbesondere im Kampf gegen den Rechtsextremismus, der größten extremistischen Bedrohung für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung, setze ich als Bundesinnenminis terin einen Schwerpunkt meiner politischen Arbeit. Rechtsextre mistische Parteien und Einzelakteure haben versucht, nicht nur die Coronaproteste, sondern auch die Flutkatastrophe im Juli 2021 3 in NordrheinWestfalen und RheinlandPfalz für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Zwar ging die Gesamtzahl rechtsextremis tischer Straf und Gewalttaten um 9,6 % auf rund 20.200 zurück. Das Potenzial gewaltorientierter rechtsextremistischer Personen befindet sich mit 13.500 Personen demgegenüber jedoch auch 2021 auf unverändert hohem Niveau. Mit dem Aktionsplan gegen Rechtsextremismus habe ich im März 2022 kurzfristig wirksame repressive und präventive Maßnahmen vorgestellt. Mein Ziel ist es, Radikalisierung zu stoppen, rechtsextreme Netzwerke zu zerschla gen und Extremisten konsequent die Waffen zu entziehen. Um den Nährboden von Hass und Gewalt auszutrocknen, müssen zudem diejenigen, die im Netz Hass und Hetze verbreiten, identifiziert und zur Verantwortung gezogen werden. Aber auch das Gefahrenpotenzial im Linksextremismus ist unver ändert hoch. Bundesweit besteht im gewaltorientierten Links extremismus ein hohes Radikalisierungsniveau. 2021 ist die Zahl gewaltbereiter Linksextremisten nach den deutlichen Zuwächsen in den Vorjahren erneut angestiegen und liegt nun bei 10.300 Per sonen, von denen 8.000 als "Autonome" gelten. Die Zahl links extremistisch motivierter Straftaten hat sich mit über 6.100 Delik ten trotz eines Rückgangs um 7,4 % auf einem hohen Niveau verfestigt. Sie werden von konspirativ und professionell agieren den Kleingruppen planvoll und gezielt durchgeführt. Die Gefährdung durch den islamistischen Terrorismus in Deutschland sowie für deutsche Interessen und Einrichtungen weltweit besteht fort. Terroristische Organisationen, jihadistische Gruppierungen oder Einzeltäter - allen voran des "Islamischen Staates" (IS) - verfolgen unvermindert das Ziel, jede sich bie tende Gelegenheit für einen terroristischen Anschlag zu nutzen. Die salafistische und jihadistische Szene in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren - nicht zuletzt auch infolge staatli cher Maßnahmen - verändert: Sie ist heterogener und weniger sichtbar geworden, überregionale Strukturen waren teilweise rückläufig. Die geringere Sichtbarkeit und Dynamik der Szene verringern jedoch nicht ihr Gefährdungspotenzial. Es gilt wei terhin, dass aus dem Salafismus gewaltbereiter Jihadismus erwachsen kann. Unsere Sicherheitsbehörden bleiben daher sehr wachsam. Und der Staat greift durch, wo es nötig ist - was etwa an den 2021 erlassenen Verboten des Netzwerks rund um den Verein "Ansaar International e.V." oder mehrerer 4 "Hizb Allah"Spendensammelvereine deutlich wird. Ein weiteres Beispiel für entschlossenes Handeln ist die 2021 in Kraft getre tene Erweiterung der SSSS 86 und 86a Strafgesetzbuch, wonach nun das öffentliche Zeigen von Flaggen und anderen Symbolen von terroristischen Organisationen wie der HAMAS und ihres mili tärischen Flügels, der "IzzalDinalQassamBrigaden", unter Strafe steht. Die zunehmend komplexen geheimdienstlichen oder sicherheits gefährdenden Aktivitäten fremder Mächte sind eine ernsthafte Bedrohung Deutschlands und deutscher Interessen. Aufgrund der Wachsamkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz konn ten 2021 in mehreren Fällen Ermittlungsverfahren der General bundesanwaltschaft beim Bundesgerichtshof eingeleitet werden. Konkrete Beeinträchtigungen der Bundestagswahl sowie der fünf Landtagswahlen waren 2021 nicht festzustellen. Im Vorfeld der Bundestagswahl wurde allerdings deutlich, dass einige Staa ten - insbesondere die Russische Föderation - ihren Medien apparat einschließlich dessen Kanäle in sozialen Medien für eine tendenziöse und teils diskreditierende Darstellung bestimmter Parteien und Personen nutzten. 2021 waren in Deutschland auch intensive Angriffsaktivitäten gegen Personen im politischen Raum des Cyberakteurs Ghostwriter zu beobachten, der Cyberspionage angriffe mit Desinformations und EinflussnahmeOperationen verbindet. Die geopolitischen und sozioökonomischen Veränderungen wir ken auch auf die globale Wirtschaft. Angesichts der heute bereits absehbaren Wandlungsprozesse wie Systemwettbewerb, fort schreitende digitale Transformation und Energiewende werden unsere Angriffsflächen und Verwundbarkeiten zunehmen. Beson dere Gefährdungen bergen sogenannte staatsterroristische Aktivi täten, bei denen ausländische Nachrichtendienste zentrale Akteure sind. Dies zeigt etwa das am 15. Dezember 2021 ergangene Urteil im Prozess um den sogenannten Tiergartenmord. Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Bedro hungslage eine neue Dimension gewonnen. Deutschland muss sich speziell auch gegenüber Cyberangriffen verstärkt wappnen. Der vorliegende Bericht stellt erneut unter Beweis, welche Bedeu tung die Arbeit des Verfassungsschutzes für die Sicherheit der 5 Bürgerinnen und Bürger und für die Stabilität unserer freiheitli chen Demokratie hat. Ich danke allen Mitarbeiterinnen und Mitar beitern, die Tag für Tag mit großem Einsatz und hoher Sachkunde unsere Sicherheit und unsere Demokratie engagiert und mit Erfolg verteidigt haben. Nancy Faeser Bundesministerin des Innern und für Heimat 6 INHALTSVERZEICHNIS Inhaltsverzeichnis Verfassungsschutz - ein unverzichtbares Instrument der wehrhaften Demokratie I. "Frühwarnsystem" Verfassungsschutz 17 II. Kontrolle des Verfassungsschutzes 20 III. Verfassungsschutz durch Aufklärung 21 Politisch motivierte Kriminalität (PMK) I. Definitionssystem PMK 24 II. Gesamtüberblick PMK 25 III. Politisch motivierte Straftaten mit extremistischem Hintergrund in den einzelnen Phänomenbereichen 26 1. Rechtsextremistisch motivierte Straftaten 26 1.1 Zielrichtungen der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten 28 1.1.1 Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund 29 1.1.2 Rechtsextremistische Gewalttaten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten 30 1.2 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder 31 2. Extremistische Straftaten von "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" 32 3. Linksextremistisch motivierte Straftaten 34 3.1 Zielrichtungen der linksextremistisch motivierten Gewalttaten 35 3.1.1 Linksextremistisch motivierte Gewalttaten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten 36 3.1.2 Linksextremistisch motivierte Gewalttaten gegen die Polizei/ Sicherheitsbehörden 38 3.2 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder 39 4. Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - religiöse Ideologie" 40 4.1 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder 42 5. Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich der "Politisch motivierten Kriminalität - ausländische Ideologie" 43 5.1 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder 45 7 INHALTSVERZEICHNIS Rechtsextremismus/rechtsextremistischer Terrorismus I. Überblick 48 1. Entwicklungstendenzen 48 2. Personenpotenzial 52 II. Gewalt und rechtsterroristische Ansätze 53 1. Entwicklung der rechtsextremistischen Straf und Gewalttaten 53 2. Gefahr rechtsterroristischer Ansätze 54 3. Staatliche Maßnahmen 55 3.1. Entzug waffenrechtlicher Erlaubnisse 57 3.2 Aufklärung von Finanzierungsaktivitäten der rechtsextremistischen Szene 58 III. Aktuelle Entwicklungen im Rechtsextremismus 59 1. Instrumentalisierung der Coronakrise und der Flutkatastrophe durch Rechtsextremisten 59 2. Reaktionen von Rechtsextremisten auf mutmaßlich linksextremistische Angriffe 62 3. Auswirkungen der Coronapandemie auf rechtsextremistische Musikveranstaltungen 64 4. Rechtsextremistische Kampfsportszene 66 5. Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden 68 6. Antisemitismus im Rechtsextremismus 69 7. Vernetzung und Radikalisierung der rechtsextremistischen Szene im Internet: die SiegeIdeologie 70 IV. Rechtsextremistische Akteure der Neuen Rechten und Verdachtsfälle 72 1. "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) 73 2. "COMPACTMagazin GmbH" 75 3. Verdachtsfall "Ein Prozent e.V." 77 4. Verdachtsfall "Institut für Staatspolitik" (IfS) 78 5. Verdachtsfall "Verlag Antaios" 80 6. "PINEWS" 80 V. Rechtsextremistisches Parteienspektrum 82 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 82 2. "DIE RECHTE" 85 3. "Der III. Weg" 86 4. Anhänger des formal aufgelösten Personenzusammenschlusses "Der Flügel" innerhalb der Partei Alternative für Deutschland (AfD) - Verdachtsfall 89 5. Verdachtsfall "Junge Alternative für Deutschland" (JA) 89 VI. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 92 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 92 1.1 "Junge Nationalisten" (JN) 93 1.2 "Deutsche Stimme Verlagsgesellschaft mbH" (DS Verlag) 94 8 INHALTSVERZEICHNIS 2. "DIE RECHTE" 95 3. "Der III. Weg" 96 4. "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) 97 5. "COMPACTMagazin GmbH" 98 6. "PINEWS" 99 "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" I. Überblick 102 1. Entwicklungstendenzen 103 2. Erscheinungsformen 104 II. Gefährdungspotenzial 108 III. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 110 1. "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" 110 Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates I. Überblick 112 II. Aktuelle Entwicklungen 113 1. Bedeutsame Personen und Gruppierungen 113 2. Entwicklung und Radikalisierung der Protestformen 115 3. Verbindungen zu Rechtsextremisten und zu "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" 117 4. Radikalisierung in den sozialen Medien 118 III. Gefährdungspotenzial 119 Linksextremismus I. Überblick 122 1. Entwicklungstendenzen 122 2. Straf und Gewalttaten 123 3. Personenpotenzial 125 II. Aktuelle Entwicklungen im Linksextremismus 125 1. Radikalisierung im gewaltorientierten Linksextremismus 125 2. Militanter "Antifaschismus" 127 3. Polizei im Fokus linksextremistischer Gewalt 132 9 INHALTSVERZEICHNIS 4. Kampf für den Erhalt selbst ernannter "Freiräume" 135 5. Angriffe auf Wirtschaftsunternehmen 138 6. Bundestagswahl 2021 141 7. Versuchte Einflussnahme auf die Klimaproteste 143 8. Gefährdungspotenzial 146 III. Linksextremistische Strukturen 148 1. Kommunismus und Anarchismus als ideologische Basis 148 2. Gewaltorientierte Linksextremisten 150 2.1 Autonome 150 2.2 Anarchisten 152 2.3 Gewaltorientierte dogmatische Linksextremisten 152 3. Nicht gewaltorientierte dogmatische Linksextremisten 154 4. "Rote Hilfe e.V." 156 IV. Linksextremistische Vernetzungsbestrebungen 158 1. Vernetzungen innerhalb der linksextremistischen Szene 158 2. Beeinflussung demokratischer Diskurse 160 3. Vernetzungen mit Linksextremisten im Ausland 160 4. Vernetzungen zu Extremisten mit Auslandsbezug 161 V. Linksextremistische Internetplattform "de.indymedia" 162 VI. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 165 1. "Interventionistische Linke" (IL) 165 2. "...ums Ganze! - kommunistisches Bündnis" (uG) 167 3. "Perspektive Kommunismus" (PK) 168 4. "Freie Arbeiterinnen und ArbeiterUnion" (FAU) 169 5. "Rote Hilfe e.V." (RH) 170 6. "junge Welt" (jW) 171 7. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 172 8. "MarxistischLeninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 173 9. "Sozialistische Gleichheitspartei" (SGP), deutsche Sektion des "Internationalen Komitees der Vierten Internationale" (IKVI, Abspaltung der "Vierten Internationale") 174 Islamismus/islamistischer Terrorismus I. Überblick 176 1. Entwicklungstendenzen 177 2. Organisationen und Personenpotenzial 180 3. Finanzierung 182 10 INHALTSVERZEICHNIS II. Internationale Konflikte und ihre Bedeutung für die Sicherheitslage in Deutschland 182 1. Konfliktregion Syrien/Irak 183 2. Konfliktregion Afghanistan/Pakistan 183 3. Weitere Konfliktregionen 184 4. Reisebewegungen im Zusammenhang mit dem ehemaligen Hotspot Syrien/Irak 185 5. Gefährdungspotenzial 187 III. Salafistische Szene in Deutschland 188 IV. Jihadistische Propaganda im Internet 190 1. Die "Taleban" in Afghanistan 190 2. Arabischsprachige jihadistische Propaganda 191 2.1 "Islamischer Staat" (IS) 191 2.2 "AlQaida" 192 3. Deutschsprachige jihadistische Propaganda 193 V. Organisationsgebundener Islamismus und Terrorismus in Deutschland 195 1. Islamistische Strömungen in Deutschland 195 2. Legalistische Organisationen 197 3. Terroristische Organisationen 198 VI. Antisemitismus im Islamismus 199 VII. Staatliche Maßnahmen 202 1. Verbotsverfahren 202 2. Gerichtsurteile 203 VIII. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 206 1. "Islamischer Staat" (IS) 206 2. Kern"alQaida" 207 3. "AlQaida im islamischen Maghreb" (AQM) 208 4. "Jama'at Nasr alIslam wal Muslimin" (JNIM) 209 5. "AlQaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAH) 210 6. "AlShabab" 211 7. "Hai'at Tahrir alSham" (HTS) 212 8. "Tanzim Hurras alDin" (THD) 213 9. "Taleban" 214 10. "Hezbe Islamiye Afghanistan" (HIA) 215 11. "Hizb Allah" 216 12. HAMAS 218 13. "Türkische Hizbullah" (TH) 220 14. "Hizb utTahrir" (HuT) 221 15. "Muslimbruderschaft" (MB) 222 15.1 "Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V." (DMG) 223 16. "Tablighi Jama'at" (TJ) 224 11 INHALTSVERZEICHNIS 17. "Islamisches Zentrum Hamburg e.V." (IZH) und sonstiger schiitischer Extremismus 225 18. "Milli Görüs"Bewegung und ihr zugeordnete Vereinigungen 226 19. "Furkan Gemeinschaft" 229 20. "Kalifatsstaat" 230 Auslandsbezogener Extremismus I. Überblick 232 1. Entwicklungstendenzen 232 2. Straftaten mit auslandsbezogener extremistischer Motivation 233 3. Personenpotenzial 234 II. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 235 1. Organisationsstruktur 236 2. Versammlungsgeschehen 237 3. Rekrutierungsmaßnahmen 239 4. Finanzielle Situation 240 5. Medienwesen 240 6. Strafverfahren gegen Funktionäre 242 7. Gefährdungspotenzial 243 III. Türkischer Linksextremismus 244 1. Überblick über Organisationen in Deutschland 244 2. "Revolutionäre VolksbefreiungsparteiFront" (DHKPC) 245 IV. Türkischer Rechtsextremismus ("Ülkücü"-Bewegung) 248 1. "Föderation der TürkischDemokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) 250 2. "ATIB - Union der TürkischIslamischen Kulturvereine in Europa e.V." (ATÄdegB) 251 3. "Föderation der Weltordnung in Europa" (ANF) 252 4. Unorganisierte "Ülkücü"Bewegung 254 V. Antisemitismus im auslandsbezogenen Extremismus 255 VI. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 258 1. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 258 1.1 "Komalen Ciwan"/"Tevgera Ciwanen Soresger" (TCS) 260 1.2 "Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland e.V." (KONMED) 261 2. "Revolutionäre VolksbefreiungsparteiFront" (DHKPC) 262 3. "Türkische Kommunistische Partei/MarxistenLeninisten" (TKPML) 263 4. "Türkische Kommunistische Partei/MarxistenLeninisten" (TKP/ML) 264 5. "Marxistische Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) 265 12 INHALTSVERZEICHNIS 6. "Föderation der TürkischDemokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) 266 7. "ATIB - Union der TürkischIslamischen Kulturvereine in Europa e.V." (ATÄdegB) 267 8. "Föderation der Weltordnung in Europa" (ANF) 268 9. "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) 269 10. Extremistisches/terroristisches SikhSpektrum 270 Spionage, Cyberangriffe und sonstige sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Aktivitäten für eine fremde Macht I. Überblick und Entwicklungstendenzen 272 II. Nachrichtenund Sicherheitsdienste der Russischen Föderation 275 1. Zielbereiche und Schwerpunkte der Informationsbeschaffung 275 2. Methodik der Informationsgewinnung 276 3. Einflussnahme und Desinformation 277 4. Cyberangriffe 278 5. Gefährdungspotenzial 280 III. Nachrichtenund Sicherheitsdienste der Volksrepublik China 281 1. Zielbereiche und Schwerpunkte der Informationsbeschaffung 281 2. Methodik der Informationsgewinnung 282 3. Politische Einflussnahme 284 4. Cyberangriffe 285 5. Gefährdungspotenzial 286 IV. Nachrichtendienste der Islamischen Republik Iran 287 V. Nachrichtendienste der Republik Türkei 290 VI. Nachrichtendienste sonstiger Staaten 291 VII. Proliferation 293 VIII. Prävention in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung 298 IX. Ermittlungsverfahren, Festnahmen und Verurteilungen 300 X. Strukturen und Aufgaben ausländischer Nachrichtendienste 301 1. Russische Föderation 301 2. Volksrepublik China 302 3. Islamische Republik Iran 304 4. Republik Türkei 305 13 INHALTSVERZEICHNIS Geheimund Sabotageschutz 307 "Scientology-Organisation" (SO) 313 Anhang 319 Übersicht über Verbotsmaßnahmen des BMI gegen extremistische Bestrebungen im Zeitraum Januar 1990 bis Dezember 2021 320 Register 328 Registeranhang zum Verfassungsschutzbericht 2021 351 Bildnachweis 361 14 Verfassungsschutz - ein unverzichtbares Instrument der wehrhaften Demokratie Politisch motivierte Kriminalität 15 Verfassungsschutz - ein unverzichtbares Instrument der wehrhaften Demokratie Wehrhafte Eine der wesentlichen Aufgaben des demokratischen Staates ist Demokratie es, Sicherheit und Freiheit für seine Bürgerinnen und Bürger zu garantieren. Demokratie kann sich erst im politischen und gesell schaftlichen Diskurs auf Basis der grundsätzlichen Werte einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung entfalten. Für eine Demokratie ist es deswegen unverzichtbar, dass sie bereit und in der Lage ist, diese Werte zu verteidigen. Diese unentbehrlichen Werte werden in einer Reihe von Vorschrif ten des Grundgesetzes (GG) konkretisiert: " der Schutz der Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 GG, " die zentralen Grundprinzipien der staatlichen Ordnung (Demo kratie, Rechtsstaatlichkeit), Art. 20 GG. Im GG werden auch Schutzinstrumente für den demokratischen Rechtsstaat benannt: " Vereinigungen, deren Zweck oder Tätigkeiten den Strafgeset zen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind gemäß Art. 9 Abs. 2 GG verboten; " Parteien können nach Art. 21 Abs. 2 GG vom Bundesverfas sungsgericht für verfassungswidrig erklärt werden. Hierbei handelt es sich um die "schärfste und überdies zweischneidige Waffe des demokratischen Rechtsstaats gegen seine organi sierten Feinde", wie das Bundesverfassungsgericht in den Leit sätzen zum Urteil im Rahmen des NPDVerbotsverfahrens im Jahr 2017 feststellte. Eine Voraussetzung für die Abwehr von Gefahren, die von Fein den der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ausgehen, ist eine umfassende Information der staatlichen Organe und der Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen und Ent wicklungen. Zur Sammlung von Informationen und Erkenntnissen über derar tige Bestrebungen und sicherheitsgefährdende Tätigkeiten sind die 16 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder (Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b und Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG) eingerichtet worden; sie bilden einen unverzichtbaren Bestandteil der wehr haften Demokratie. Freiheit in stabiler Sicherheit ist keine Selbst verständlichkeit. Im Jahr 2021 hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz 4.234 Be Strukturdaten dienstete (2020: 4.113). Der Zuschuss aus dem Bundeshaushalt 2021 gemäß SS 16 Abs. 2 betrug 422.511.010 Euro (2020: 416.035.520 Euro). Bundesverfassungsschutzgesetz Das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) hatte 1.398 (2020: 1.326) Bedienstete und erhielt aus dem Bun deshaushalt einen Zuschuss von 137.721.520 Euro (2020: 121.921.881 Euro). Anfang 2022 waren von Bund und Ländern im Nachrichten dienstlichen Informationssystem (NADIS) 3.635.825 (Anfang 2021: 3.157.399) personenbezogene Eintragungen enthalten, davon 3.169.233 Eintragungen (87,2 %, Anfang 2021: 85,7 %) aufgrund von Sicherheitsüberprüfungen oder Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach den Bestimmungen des Luftsicherheits, Atom, Waffen, Jagd bzw. Sprengstoffgesetzes, der Hafensicherheitsgesetze der Länder sowie der Gewerbeordnung. I. "Frühwarnsystem" Verfassungsschutz Dem Verfassungsschutz kommt in der deutschen Sicherheitsarchi Aufgaben tektur die Aufgabe zu, Bedrohungen durch politischen Extremis mus, Terrorismus sowie Spionageaktivitäten weit im Vorfeld poli zeilicher Maßnahmen zu erkennen und einzuschätzen. Darüber hinaus wirkt der Verfassungsschutz im Bereich des Geheim und Sabotageschutzes mit (z.B. durch Sicherheitsüberprüfungen von Personen, die in sicherheitsempfindlichen Bereichen tätig sind). Sein wesentliches Betätigungsfeld - niedergelegt in SS 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundes amt für Verfassungsschutz (BVerfSchG) - besteht in der Sammlung und Auswertung von Informationen über: 17 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE " "Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beein trächtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bun des oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben" (SS 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG), " "sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten in Deutschland für eine fremde Macht" (SS 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG), " "Bestrebungen im Geltungsbereich [des BVerfSchG], die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungs handlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutsch land gefährden" (SS 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG), oder " "Bestrebungen in Deutschland, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (...), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (...) gerichtet sind" (SS 3 Abs. 1 Nr. 4 BVerfSchG). Die Aufgabe des Verfassungsschutzes erschöpft sich aber nicht in der Sammlung und Auswertung von Informationen gleichsam als Selbstzweck. Vielmehr umfasst die Aufgabe auch die Weitergabe der analytisch aufbereiteten Erkenntnisse. Im Sinne eines effekti ven "Frühwarnsystems" erstellt der Verfassungsschutz Lagebilder und Analysen, die es der Bundesregierung und den Landesregie rungen ermöglichen, rechtzeitig Maßnahmen zur Abwehr von Ge fahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung und die innere Sicherheit einzuleiten. Außerdem übermittelt der Verfas sungsschutz, dem selbst keinerlei polizeiliche Befugnisse zustehen, Erkenntnisse an Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften, um exekutive Maßnahmen zu unterstützen oder einzuleiten. Zusammenarbeit mit Mit dem neu geschaffenen Zentrum für Analyse und Forschung der Wissenschaft (ZAF) intensiviert das BfV die Zusammenarbeit mit der Wissen schaft und stärkt so die Analysekompetenz des Verfassungsschut zes. Das ZAF arbeitet interdisziplinär und phänomenübergreifend. Zentral ist dabei der Austausch mit Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen. Im Jahr 2021 veranstaltete das ZAF die erste Wissenschaftskonferenz zum Thema "Extremismus und So zialisation" und präsentierte sich damit erstmals einer breiteren Fachöffentlichkeit. Nationale Die Verfassungsschutzbehörden arbeiten mit anderen deut Zusammenarbeit schen Sicherheitsbehörden in Kompetenzzentren zusammen. 18 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE Diese gewährleisten die Bündelung von Fachwissen ebenso wie den schnellen Austausch von Informationen und Analysen. Bei den Informations und Kommunikationsplattformen - so das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ, seit Ende 2004) und das Gemeinsame Extremismus und Terrorismusabwehrzen trum zur Bekämpfung des Rechtsextremismus/terrorismus, des Linksextremismus/terrorismus, des Ausländerextremismus/ter rorismus und der Spionage einschließlich proliferationsrelevanter Aspekte (GETZ, seit Ende 2012) - handelt es sich nicht um eigen ständige Behörden. Einen wesentlichen Erkenntnisgewinn erzielt der Verfassungs Internationale schutz überdies durch die Zusammenarbeit mit ausländischen Zusammenarbeit Nachrichtendiensten und in internationalen Gremien. Diese Ko operation ist vor dem Hintergrund des internationalen Terroris mus und der Gefährdung durch Cyberattacken von überragender Bedeutung, was sich auch im stetigen Ausbau der Zusammenarbeit niederschlägt. Einen erheblichen Teil ihrer Informationen gewinnen die Ver Informationsfassungsschutzbehörden aus allgemein zugänglichen Quellen. gewinnung Fremde Nachrichtendienste, Extremisten und Terroristen arbeiten jedoch konspirativ und legen ihre Ziele nicht offen dar. Entspre chend ist der Verfassungsschutz befugt, im Rahmen gesetzlich festgelegter Grenzen und unter Wahrung des Grundsatzes der Ver hältnismäßigkeit auch nachrichtendienstliche Mittel zur Infor mationsbeschaffung einzusetzen, wie zum Beispiel Observationen und Telekommunikationsüberwachungen (TKÜ). Am 9. Juli 2021 sind Anpassungen im Verfassungsschutzrecht Anpassungen im zur Aufklärung schwerer Bedrohungen für den demokratischen VerfassungsRechtsstaat und die freiheitliche Grundordnung in Kraft getre schutzrecht ten. Hierzu zählt eine ausdrückliche Regelung zur Durchführung der QuellenTKÜ, mit der anstelle der klassischen Telefonie zu nehmend genutzte digitale Kommunikation (etwa über Mes sengerdienste) aufgeklärt werden kann, geregelt in SS 11 Abs. 1a G 10. Flankierend wurden Voraussetzungen für eine verbesser te und erweiterte Kontrolle von TKÜMaßnahmen durch die G 10Kommission geschaffen. Um Radikalisierungsverläufe von Einzelpersonen stärker in den Blick nehmen zu können, wurde der personenbezogene Aufklärungsansatz (SS 4 Abs. 1 BVerfSchG) gestärkt. Zudem wurde die Teilnahmemöglichkeit des BAMAD am 19 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE nachrichtendienstlichen Informationssystem NADIS eingeführt (SS 6 Abs. 2 BVerfSchG), um den Informationsverbund zwischen Verfassungsschutz und BAMAD zu verbessern. II. Kontrolle des Verfassungsschutzes Die Tätigkeit des BfV wird vielfältig kontrolliert. Hierzu gehört die Fachaufsicht durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI). Parlamentarisches Die Bundesregierung unterliegt - auch in Bezug auf die Arbeit des Kontrollgremium Verfassungsschutzes - der Kontrolle durch den Deutschen Bun destag. Zur Wahrnehmung der parlamentarischen Kontrolle ist beim Deutschen Bundestag ein Kontrollgremium eingerichtet, das von der Bundesregierung regelmäßig und umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Nachrichtendienste und über Vorgänge von besonderer Bedeutung unterrichtet wird. Auf Verlangen ist das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) auch über sonstige Vorgänge zu unterrichten. Einmal jährlich führt das PKGr auf Grundlage von SS 10 Abs. 3 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienst licher Tätigkeit des Bundes (PKGrG) eine öffentliche Anhörung der Präsidentin des BAMAD sowie der Präsidenten des BfV und des Bundesnachrichtendienstes (BND) durch. Sie beantworten bei dieser Anhörung insbesondere Fragen zur Umsetzung organisato rischer und befugnisrechtlicher Reformen und zur Aufklärung von Extremismus und Terrorismus. Ständiger Zur Optimierung der parlamentarischen Kontrolle unterstützt die Bevollmächtigter oder der Ständige Bevollmächtigte des Parlamentarischen Kon des PKGr trollgremiums das Kontrollgremium bei seiner Arbeit einschließ lich der Koordinierung mit der G 10Kommission und dem Ver trauensgremium. G 10-Kommission Beschränkungen des Brief, Post und Fernmeldegeheimnisses nach Maßgabe des Art. 10 GG werden durch die vom PKGr be stellte unabhängige G 10Kommission auf ihre Zulässigkeit und Notwendigkeit überprüft. Zudem legt das PKGr regelmäßig einen Bericht über Art und Umfang dieser Beschränkungen vor, der 20 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE auch öffentlich als Drucksache des Deutschen Bundestages zu gänglich ist. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informa Bundesbeauftragter tionsfreiheit (BfDI) unterzieht das BfV einer kontinuierlichen für den Datenschutz Überprüfung. Grundlage dafür sind die datenschutzrechtlichen und die InformatiBestimmungen im BVerfSchG und in den spezialgesetzlichen Re onsfreiheit (BfDI) gelungen, die den Aufgabenbereich des BfV berühren (z.B. das Aus länderzentralregister). Das BfV ist nach SS 15 Abs. 1 BVerfSchG gesetzlich verpflichtet, Betroffenen auf Antrag unentgeltlich Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten zu erteilen, soweit auf einen konkre ten Sachverhalt hingewiesen und ein besonderes Interesse an der Auskunft dargelegt wird. Die Auskunft unterbleibt nur dann, wenn einer der in SS 15 Abs. 2 BVerfSchG bezeichneten Verweigerungs gründe vorliegt. Maßnahmen des BfV, die nach Darstellung der Betroffenen diese Gerichtliche in ihren Rechten beeinträchtigen, unterliegen der gerichtlichen Überprüfung Nachprüfung. III. Verfassungsschutz durch Aufklärung Die Aufgabe, unsere Verfassung durch Aufklärung zu schützen, wird auf Bundesebene gemeinsam durch BMI und BfV wahrge nommen. Die freiheitliche demokratische Grundordnung kann nur dauer haft bewahrt werden, wenn sich die Gesellschaft inhaltlich mit den verschiedenen Ausprägungen des Extremismus auseinandersetzt. Eine wichtige Aufgabe des Verfassungsschutzes stellt daher die fundierte Aufklärung und Informationsvermittlung über Art und Umfang extremistischer Bedrohung dar. Die hierüber gewonne nen Erkenntnisse des Verfassungsschutzes sind ausdrücklich nicht exklusiv; erst eine informierte Öffentlichkeit kann eine sicher heitspolitische Debatte sachgerecht führen. Der jährliche Verfassungsschutzbericht dient dieser Aufklärung Verfassungsund beruht auf den Erkenntnissen, die das BfV im Rahmen seines schutzbericht 21 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE gesetzlichen Auftrags zusammen mit den Landesbehörden für Verfassungsschutz gewonnen hat. Er stellt keine abschließende Aufzählung aller verfassungsschutzrelevanten Personenzusam menschlüsse dar, sondern unterrichtet über die wesentlichen, während des Berichtsjahres zu verzeichnenden verfassungsschutz relevanten Entwicklungen und deren Bewertung. Informationen zu ideologischen Hintergründen, Strukturdaten, Aktivitäten und Publikationen der wichtigsten Beobachtungsobjekte des Verfas sungsschutzes befinden sich in entsprechenden Einzelübersichten im Anschluss an die jeweiligen Berichtsteile. Dieser Verfassungs schutzbericht bezieht sich auf das Berichtsjahr 2021. Sofern Sach verhalte und Ereignisse aus dem Jahr 2022 dargestellt werden, handelt es sich lediglich um unselbstständige Fortläufe aus Ent wicklungen des Berichtsjahres. Personenpotenzial Die Zahlenangaben zum Mitgliederpotenzial der im Bericht genannten Personenzusammenschlüsse beziehen sich auf die Bundesrepublik Deutschland und sind zum Teil geschätzt und gerundet. Es ist darauf hinzuweisen, dass den Verfassungsschutz behörden nicht zu allen Mitgliedern dieser Personenzusammen Gewaltorientierung schlüsse individuelle Erkenntnisse vorliegen. Im Rahmen dieser Zahlenangaben wird ebenfalls ausgewiesen, bei wie vielen dieser Personen von einer Gewaltorientierung auszugehen ist. Der Ober begriff "gewaltorientiert" wird dann verwendet, wenn Extremisten als gewalttätig, gewaltbereit, gewaltunterstützend oder gewaltbe fürwortend eingeordnet werden können. www.verfassungsDas BfV informiert im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit mit schutz.de einem umfangreichen Internetangebot sowie weiteren Publikatio nen über aktuelle Entwicklungen in den einzelnen Arbeitsfeldern. Nach umfassender Überarbeitung wurde das vielfältige Angebot der Homepage des BfV im Berichtsjahr noch weiter ausgebaut. Karriere im BfV Als Dienstleister der Demokratie ist der Verfassungsschutz einer der interessantesten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes. Die vielfältigen Karrierechancen im BfV werden unter anderem im Karrierebereich der Homepage sowie bei öffentlichen Informati onsveranstaltungen vorgestellt. Mit der zentralen Arbeitgeberbot schaft "Im Auftrag der Demokratie!" präsentiert sich das BfV als sinnstiftender und zukunftsorientierter Arbeitgeber für Berufs und Quereinsteigerinnen und einsteiger. 22 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE In allen Fragen zum Verfassungsschutz steht das Ansprechpartner Bundesamt für Verfassungsschutz Merianstr. 100 50765 Köln Telefon: 030-18/792-0 oder 0228-99/792-0 Telefax: 030-18/10-792-2915 oder 0228-99/10-792-2915 E-Mail: poststelle@bfv.bund.de Internet: www.verfassungsschutz.de als Ansprechpartner zur Verfügung. Die Kontaktaufnahme zum Verfassungsschutz ist jederzeit möglich: " Für Hinweise auf extremistische und terroristische Bestrebun gen aller Phänomenbereiche hat das BfV ein vertrauliches Hin weistelefon eingerichtet: Telefon: 030-18/792-6000 oder 0228-99/792-6000 E-Mail: hinweise@bfv.bund.de " Ausstiegswilligen sowohl aus dem Rechtsextremismus als auch aus dem Linksextremismus bietet das BfV spezielle Aussteiger programme. Expertinnen und Experten bieten Hilfesuchenden darin eine Vielzahl an unterstützenden Maßnahmen und Bera tung an: Telefon: 030-18/792-62 oder 0228-99/792-62 E-Mail: aussteiger@bfv.bund.de 23 Politisch motivierte Kriminalität (PMK) I. Definitionssystem PMK Als "Politisch motivierte Kriminalität" werden alle Straftaten be zeichnet und erfasst, die einen oder mehrere Straftatbestände der sogenannten klassischen Staatsschutzdelikte erfüllen, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann. Als solche Staatsschutzdelikte gelten die folgenden Straftatbestän de: SSSS 80a bis 83, 84 bis 91, 94 bis 100a, 102 bis 104a, 105 bis 108e, 109 bis 109h, 129a, 129b, 130, 234a oder 241a des Strafgesetzbuches (StGB). Auch Straftaten, die in der Allgemeinkriminalität begangen wer den können (wie z.B. Tötungs und Körperverletzungsdelikte, Brandstiftungen, Widerstandsdelikte, Sachbeschädigungen), fallen unter "Politisch motivierte Kriminalität", wenn in Würdigung der gesamten Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte für eine politische Motivation gegeben sind, weil sie " den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sol len, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten, " sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung be ziehungsweise eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitglie dern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben, " durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbe reitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, " sich gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Er scheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientie rung bzw. Identität oder ihres gesellschaftlichen Status richten (sogenannte Hasskriminalität); dazu zählen auch Taten, die 24 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT nicht unmittelbar gegen eine Person, sondern im oben genann ten Zusammenhang gegen eine Institution oder Sache verübt werden. Die im Verfassungsschutzbericht genannten Zahlen zu den poli tisch motivierten Straftaten mit extremistischem Hintergrund basieren auf Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA). Bei diesen Straftaten gab es Anhaltspunkte dafür, dass sie darauf abzielten, bestimmte Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Gel tung zu setzen, die für die freiheitliche demokratische Grundord nung prägend sind. II. Gesamtüberblick PMK Das BKA registrierte für das Jahr 2021 insgesamt 55.048 (2020: 44.692) politisch motivierte Straftaten. Davon sind 13.832 (25,1 %) Propagandadelikte (2020: 15.275 Delikte, 34,2 %). 3.889 Straftaten (7,1 %) sind der politisch motivierten Gewaltkriminalität zuzuord nen (2020: 3.365, 7,5 %). Nach Phänomenbereichen unterschieden wurden 21.964 (2020: Politisch motivierte 23.604) Straftaten dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - Straftaten nach rechts", 10.113 (2020: 10.971) dem Bereich "Politisch motivierte Kri Phänomenbereichen minalität - links", 479 Straftaten dem Bereich "religiöse Ideologie" (2020: 477) und 1.153 dem Bereich "ausländische Ideologie" (2020: 1.016) zugeordnet. Bei 21.339 (2020: 8.624) Straftaten konnte keine Zuordnung zu einem der oben genannten Phänomenbereiche ge troffen werden. Insgesamt wurden hiervon 33.476 Straftaten (60,8 %) mit extre Extremistisch mistischem Hintergrund ausgewiesen (2020: 32.924, 73,7 %). Von motivierte Straftaten diesen konnten 20.201 (2020: 22.357) der Kategorie "Politisch mo tivierte Kriminalität - rechts", 6.142 (2020: 6.632) der Kategorie "Politisch motivierte Kriminalität - links", 409 (2020: 409) dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - religiöse Ideologie" und 776 (2020: 661) dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - ausländische Ideologie" zugeordnet werden. 5.948 (2020: 2.865) Straftaten mit einem extremistischen Hintergrund wurden ohne Zuordnung zu einem bestimmten Phänomenbereich gemeldet. 25 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT III. Politisch motivierte Straftaten mit extremistischem Hintergrund in den einzelnen Phänomenbereichen Extremistisch motivierte Straftaten bilden eine Teilmenge der "Po litisch motivierten Kriminalität". Es handelt sich um diejenigen Straftaten, bei denen es Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie darauf abzielen, bestimmte Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen, die für die freiheitliche demokratische Grundordnung prägend sind1. Die Fallzahlen basieren auf den An gaben des BKA. 1. Rechtsextremistisch motivierte Straftaten Zahl rechtsextreIm Jahr 2021 wurden 20.201 (2020: 22.357) Straftaten mit rechts mistischer Strafextremistischem Hintergrund erfasst, darunter waren 945 (2020: und Gewalttaten 1.023) Gewalttaten. Neben 2 versuchten Tötungsdelikten zählt gesunken hierzu 1 vollendetes Tötungsdelikt. Als weitere Teilmenge der rechtsextremistischen Straftaten wurden zudem 11.866 rechts extremistisch motivierte Propagandadelikte nach SSSS 86, 86a StGB registriert (2020: 13.425). 1 Siehe hierzu BVerfG, Urteil vom 17.01.2017 - 2 BvB 1/13. 26 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT Straftaten mit rechtsextremistisch motiviertem Hintergrund2 Gewalttaten: 2020 2021 Vollendete Tötungsdelikte 1 1 Versuchte Tötungsdelikte 2 2 Körperverletzungen 842 783 Brandstiftungen 25 11 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 2 1 Landfriedensbruch 18 7 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 12 10 Freiheitsberaubung 1 1 Raub 7 3 Erpressung 12 7 Widerstandsdelikte 101 119 gesamt 1.023 945 Sonstige Straftaten: Sachbeschädigungen 880 923 Nötigung/Bedrohung 478 425 Propagandadelikte 13.425 11.866 Störung der Totenruhe 6 8 Andere Straftaten, insbesondere Volksverhetzung und Beleidigung 6.545 6.034 gesamt 21.334 19.256 Straftaten insgesamt 22.357 20.201 2 Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. Die Übersicht enthält - mit Ausnahme der Tötungsdelikte - vollendete und versuchte Straftaten. Jede Tat wurde nur einmal gezählt. Sind z.B. während eines Landfriedensbruchs zugleich Körperverletzungen begangen worden, so erscheint nur die Körperverletzung als das Delikt mit der hö heren Strafandrohung in der Statistik. Wurden mehrere Straftaten verübt, wurde ausschließlich der schwerer wiegende Straftatbestand gezählt. 27 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 1.1 Zielrichtungen der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten Im Jahr 2021 sank die Zahl rechtsextremistischer fremdenfeindli cher Straftaten um 10,2 % (7.389 Delikte, 2020: 8.230); die Zahl der Gewalttaten davon nahm um 8,0 % ab (686 Delikte, 2020: 746). Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Straftaten mit anti semitischem Hintergrund stieg um 12,2 % auf insgesamt 2.439 Taten (2020: 2.173); die Zahl der Gewaltdelikte mit antisemi tischem Hintergrund sank hingegen ( 27,1 %) auf insgesamt 35 Delikte (2020: 48). Darunter befindet sich jedoch insbesondere 1 vollendetes Tötungsdelikt mit 4 Todesopfern. Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - rechts" * Gesamt Fremdenfeindliche Gewalttaten Gewalttaten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten Gewalttaten gegen sonstige politische Gegner Antisemitische Gewalttaten 1.200 1.023 1.000 945 800 746 686 600 400 200 77 74 24 48 27 35 0 01.01.-31.12.2020 01.01.-31.12.2021 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. 28 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 1.1.1 Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund Im Jahr 2021 sank die Anzahl der rechtsextremistisch motivierten Körperverletzungen mit fremdenfeindlichem Hintergrund um 6,4 %. Die 2 versuchten Tötungsdelikte mit rechtsextremistischem Hintergrund wurden beide mit einer fremdenfeindlichen Moti vation begangen. Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Straftaten gegen Asylunterkünfte ging im Jahr 2021 erneut zurück (2021: 60, 2020: 78) und liegt damit nach dem dramatischen Anstieg in den Jahren 2015 (894 Straftaten) und 2016 (907 Straf taten) deutlich unter den Zahlen des Jahres 2014 (170 Strafta ten). Die Zahl der Gewalttaten gegen Asylbewerberunterkünfte nahm weiter ab (2021: 5, 2020: 7); hierzu gehörte im Berichtsjahr 1 Brandanschlag (2020: 2). Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund3 Gewalttaten: 2020 2021 Vollendete Tötungsdelikte 1 1 Versuchte Tötungsdelikte 2 2 Körperverletzungen 690 646 Brandstiftungen 13 6 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 0 0 Landfriedensbruch 3 1 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 8 3 Freiheitsberaubung 1 1 Raub 3 2 Erpressung 2 2 Widerstandsdelikte 23 22 gesamt 746 686 3 Siehe Fußnote 2. 29 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 1.1.2 Rechtsextremistische Gewalttaten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten Die Anzahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten ist um 3,9 % zurückgegangen. Körperverletzungen sind hier weiter hin die am häufigsten verübten Gewalttaten. Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten4 Gewalttaten: 2020 2021 Vollendete Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 0 0 Körperverletzungen 60 63 Brandstiftungen 7 4 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 2 0 Landfriedensbruch 2 0 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 0 1 Freiheitsberaubung 0 0 Raub 2 0 Erpressung 1 1 Widerstandsdelikte 3 5 gesamt 77 74 4 Siehe Fußnote 2. 30 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 1.2 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder Die - in absoluten Zahlen - meisten rechtsextremistisch motivier ten Gewalttaten wurden in Berlin verübt (151 registrierte Delikte). Danach folgen NordrheinWestfalen (120) und Brandenburg (107). Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - rechts" * 01.01.-31.12.2021 01.01.-31.12.2020 151 Berlin 168 120 Nordrhein-Westfalen 145 107 Brandenburg 69 Sachsen 81 73 Sachsen-Anhalt 80 83 Niedersachsen 59 55 Thüringen 55 62 Bayern 53 81 Mecklenburg49 Vorpommern 53 42 Hessen 42 41 Schleswig-Holstein 45 37 Rheinland-Pfalz 54 Hamburg 30 34 Baden-Württemberg 28 35 Saarland 11 13 Bremen 1 11 0 40 80 120 160 200 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. 31 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 2. Extremistische Straftaten von "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" Starker Anstieg "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" wurden im Berichtsjahr bei Strafund 1.330 (2020: 772) politisch motivierte Straftaten zugerechnet, von Gewalttaten von denen 1.011 (2020: 599) als extremistisch eingeordnet wurden. "Reichsbürgern" und Unter diesen extremistischen Straftaten waren insgesamt "Selbstverwaltern" 184 Gewalttaten (2020: 125). Hierzu zählten vor allem Erpres sungs (116) und Widerstandsdelikte (44). Bei den weiteren Straftatbeständen dominieren insbesondere Nötigungen und Bedrohungen (341). Von den "Reichsbürgern" und "Selbstverwal tern" zugeordneten Straftaten wurden 48 als antisemitisch einge ordnet, bei welchen es sich im Wesentlichen um Volksverhet zungsdelikte (42) handelte. Die - in absoluten Zahlen - meisten extremistischen Straftaten begingen "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" in Bayern (425, darunter 122 Gewalttaten und 178 Fälle von Nötigung bezie hungsweise Bedrohung). 32 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - 'Reichsbürger' und 'Selbstverwalter'" * 01.01.-31.12.2021 01.01.-31.12.2020 Bayern 122 72 Niedersachsen 15 7 Berlin 8 18 Sachsen 8 6 Nordrhein-Westfalen 8 5 Baden-Württemberg 7 6 Brandenburg 6 4 Rheinland-Pfalz 4 1 Mecklenburg- 3 Vorpommern 4 2 Sachsen-Anhalt 1 1 Saarland 0 0 Bremen 0 0 Hamburg 0 0 Hessen 0 0 Schleswig-Holstein 1 0 Thüringen 0 0 20 40 60 80 100 120 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. 33 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 3. Linksextremistisch motivierte Straftaten Rückgang Im Jahr 2021 wurden 6.142 (2020: 6.632) Straftaten mit linksextre linksextremistischer mistischem Hintergrund erfasst, darunter 987 (2020: 1.237) Gewalt Gewalttaten taten. Die Zahl der linksextremistisch motivierten Straftaten sank damit um 7,4 %, die Zahl der Gewalttaten um 20,2 %. Linksextremistisch motivierte Straftaten5 Gewalttaten: 2020 2021 Vollendete Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 5 1 Körperverletzungen 423 362 Brandstiftungen 173 159 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 2 7 Landfriedensbruch 321 147 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 84 47 Freiheitsberaubung 0 0 Raub 15 17 Erpressung 1 4 Widerstandsdelikte 213 243 gesamt 1.237 987 Sonstige Straftaten: Sachbeschädigungen 3.734 3.419 Nötigung/Bedrohung 143 145 Propagandadelikte 94 91 Störung der Totenruhe 5 2 Andere Straftaten, insbesondere Volksverhetzung und Beleidigung 1.419 1.498 gesamt 5.395 5.155 Straftaten insgesamt 6.632 6.142 5 Siehe Fußnote 2. 34 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 3.1 Zielrichtungen der linksextremistisch motivierten Gewalttaten Von den linksextremistisch motivierten Gewalttaten wurden 572 Fälle (2020: 776) in das Themenfeld "Gewalttaten gegen die Polizei/Sicherheitsbehörden" eingeordnet, was einem Rückgang um gut ein Viertel entspricht. Die Zahl der Gewalttaten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten hat sich auf insgesamt 264 Delikte vermindert (2020: 340, 22,4 %), wäh rend die Zahl der Gewalttaten gegen den Staat, seine Einrich tungen und Symbole um 30,8 % auf 471 zurückging (2020: 681). Angestiegen (+ 6,6 %) ist hingegen die Zahl der Gewalttaten im Themenfeld "Kampagnen gegen Umstrukturierung" (2021: 290, 2020: 272). Etwa 90 % dieser Gewalttaten (262) wurden in Berlin begangen. Im Berichtsjahr wurden 6 antisemitische Straftaten (2020: 10) als linksextremistisch motiviert eingestuft (vorwiegend Sachbeschädigungen, keine Gewalttaten). 35 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - links" * Gesamt Gewalttaten gegen die Polizei/Sicherheitsbehörden Gewalttaten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten Gewalttaten gegen den Staat, seine Einrichtungen und Symbole Gewalttaten im Handlungskontext "Kampagnen gegen Umstruktrurierung" 1.400 1.237 1.200 1.000 987 800 776 681 600 572 471 400 340 272 264 290 200 0 01.01.-31.12.2020 01.01.-31.12.2021 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. 3.1.1 Linksextremistisch motivierte Gewalttaten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten Im Vergleich zum Vorjahr ist eine Reduzierung der Zahl der links extremistisch motivierten Gewalttaten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten um 22,4 % zu verzeichnen. Mehr als 56 % dieser Gewalttaten sind Körperverletzungsdelikte, gefolgt von Landfriedensbruchdelikten. 36 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT Linksextremistisch motivierte Gewalttaten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten6 Gewalttaten: 2020 2021 Vollendete Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 2 0 Körperverletzungen 192 150 Brandstiftungen 27 25 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 0 4 Landfriedensbruch 57 26 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 14 8 Freiheitsberaubung 0 0 Raub 12 13 Erpressung 1 3 Widerstandsdelikte 35 35 gesamt 340 264 6 Siehe Fußnote 2. 37 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 3.1.2 Linksextremistisch motivierte Gewalttaten gegen die Polizei/Sicherheitsbehörden Die Zahl der linksextremistisch motivierten Gewalttaten gegen die Polizei und Sicherheitsbehörden ist gegenüber dem Vorjahr um 26,3 % zurückgegangen. Zu diesen Taten gehört im Berichtsjahr auch 1 versuchtes Tötungsdelikt gegen Angehörige der Polizei. Linksextremistisch motivierte Gewalttaten gegen die Polizei/ Sicherheitsbehörden7 Gewalttaten: 2020 2021 Vollendete Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 3 1 Körperverletzungen 198 185 Brandstiftungen 35 17 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 1 2 Landfriedensbruch 283 114 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 45 8 Freiheitsberaubung 0 0 Raub 0 2 Erpressung 0 0 Widerstandsdelikte 211 243 gesamt 776 572 7 Siehe Fußnote 2. 38 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 3.2 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder Die - in absoluten Zahlen - meisten linksextremistisch motivierten Gewalttaten wurden mit 351 registrierten Delikten in Berlin verübt. Danach folgen NordrheinWestfalen (141) und Sachsen (114). Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - links" * 01.01.-31.12.2021 01.01.-31.12.2020 351 Berlin 389 141 Nordrhein-Westfalen 135 114 Sachsen 230 65 Niedersachsen 41 62 Baden-Württemberg 59 50 Sachsen-Anhalt 30 47 Bayern 62 42 Hessen 34 30 Schleswig-Holstein 22 27 Thüringen 20 Hamburg 19 162 Brandenburg 18 12 Mecklenburg12 Vorpommern 17 7 Bremen 18 2 Rheinland-Pfalz 6 0 Saarland 0 0 40 80 120 160 200 240 280 320 360 400 440 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. 39 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 4. Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - religiöse Ideologie" Im Jahr 2021 wurden der "Politisch motivierten Kriminalität - religiöse Ideologie" 409 extremistische Straftaten zugerechnet (2020: 409). Der überwiegende Teil (372, 2020: 378) davon wies einen islamistischen Hintergrund auf. Zahl extremistischer Von den 409 Straftaten mit religiösideologischer extremistischer Gewalttaten mit Motivation sind insgesamt 49 Gewalttaten (2020: 33, + 48,5 %), zu religiös-ideologischer denen unter anderem 2 versuchte Tötungsdelikte, 39 Körperver Motivation letzungen und 1 Brandstiftungsdelikt gerechnet werden. angestiegen 49 extremistische Straftaten im Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - religiöse Ideologie" wurden als Vorbereitung oder Unterstützung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (SSSS 89ac, 91 StGB) eingestuft (2020: 56), 43 Fälle (2020: 34) als Mit gliedschaft beziehungsweise Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung (SS 129b StGB). Im Berichtsjahr wurden 54 antisemitische Straftaten mit einer extremistischen religiösideologischen Motivation festgestellt, zu denen 8 Gewalttaten und 23 Volksverhetzungsdelikte zählten. 40 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT Extremistische Straftaten aus dem Bereich "religiöse Ideologie"8 Gewalttaten: 2020 2021 Vollendete Tötungsdelikte 2 0 Versuchte Tötungsdelikte 2 2 Körperverletzungen 24 39 Andere Gewalttaten 5 8 gesamt 33 49 Sonstige Straftaten: Sachbeschädigung 35 13 Nötigung/Bedrohung 59 42 Volksverhetzung 23 37 Vorbereitung einer staatsgefährdenden Gewalttat 56 49 Mitgliedschaft bzw. Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung 34 43 Andere Straftaten 169 176 gesamt 376 360 Straftaten insgesamt 409 409 8 Siehe Fußnote 2. 41 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 4.1 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder Die - in absoluten Zahlen - meisten religiösideologisch motivier ten extremistischen Gewalttaten wurden mit 8 registrierten Delikten in Sachsen verübt. Danach folgen Berlin (6) und Nord rheinWestfalen (5). Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - religiöse Ideologie" * 01.01.-31.12.2021 01.01.-31.12.2020 8 Sachsen 5 6 Berlin 8 5 Nordrhein-Westfalen 1 4 Bayern 7 4 Rheinland-Pfalz 1 3 Baden-Württemberg 1 3 Brandenburg 2 3 Sachsen-Anhalt 0 3 Thüringen 1 Hamburg 2 2 Hessen 2 2 Niedersachsen 2 2 Schleswig-Holstein 2 0 Bremen 1 1 Saarland 1 0 Mecklenburg- 0 Vorpommern 0 0 5 10 15 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. 42 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 5. Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich der "Politisch motivierten Kriminalität - ausländische Ideologie" Im Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität - aus Anstieg der ländische Ideologie" wurden 776 extremistisch motivierte Straf extremistischen taten (2020: 661) erfasst, was einem Anstieg um 17,4 % entspricht. Gewalttaten Unter diesen Delikten waren hauptsächlich Verstöße gegen das Vereinsgesetz (21,1 %), Sachbeschädigungen (14,7 %), aber auch 116 Gewalttaten (14,9 %). Im Vergleich zu 2020 (79 Gewalttaten) ist die Zahl der Gewalttaten sehr deutlich gestiegen (+ 46,8 %). Ihr überwiegender Teil sind Körperverletzungen (49,1 %), wenngleich im Berichtsjahr auch 4 versuchte Tötungsdelikte gezählt wurden. Bei 122 dieser Straftaten mit ausländischideologischer extremis tischer Motivation konnte ein antisemitischer Hintergrund fest gestellt werden (2020: 36). Zu diesen Straftaten zählen 6 Gewaltta ten (2020: 3) und 58 Volksverhetzungsdelikte (2020: 10). Zudem wurden auch 28 Delikte erfasst (2020: 36), bei denen den Tatverdächtigen angelastet wurde, eine ausländische terroristi sche Vereinigung zu unterstützen oder ihr anzugehören (SS 129b StGB). Der Anstieg der Zahl von extremistischen Straf und Gewalttaten mit ausländischideologischer Motivation lässt sich vor allem auf die Zunahme des Veranstaltungsgeschehens zurückführen, nach dem im Vorjahr noch pandemiebedingt die meisten Großver anstaltungen, Kundgebungen und sonstigen teilnehmerstarken Aktionen abgesagt worden waren. 43 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT Extremistische Straftaten aus dem Bereich "ausländische Ideologie"9 Gewalttaten: 2020 2021 Vollendete Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 1 4 Körperverletzungen 59 57 Brandstiftungen 2 5 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 0 0 Landfriedensbruch 9 17 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 0 0 Freiheitsberaubung 0 1 Raub 0 7 Erpressung 3 0 Widerstandsdelikte 5 25 gesamt 79 116 Sonstige Straftaten: Sachbeschädigungen 154 114 Nötigung/Bedrohung 43 61 Volksverhetzung 16 83 Verstöße gegen das Versammlungsgesetz 21 29 Verstöße gegen das Vereinsgesetz 169 164 Mitgliedschaft bzw. Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung 36 28 Andere Straftaten 143 181 gesamt 582 660 Straftaten insgesamt 661 776 9 Siehe Fußnote 2. 44 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 5.1 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder Die - in absoluten Zahlen - meisten Gewalttaten mit extremis tischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kri minalität - ausländische Ideologie" wurden mit 32 registrierten Delikten in Berlin verübt. Danach folgen NordrheinWestfalen (27) und BadenWürttemberg (21). Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - ausländische Ideologie" * 01.01.-31.12.2021 01.01.-31.12.2020 32 Berlin 14 27 Nordrhein-Westfalen 16 21 Baden-Württemberg 11 13 Niedersachsen 10 6 Sachsen 8 5 Hessen 1 Mecklenburg- 5 Vorpommern 7 3 Hamburg 2 2 Bremen 0 1 Rheinland-Pfalz 1 1 Sachsen-Anhalt 1 0 Bayern 6 0 Brandenburg 0 0 Saarland 0 0 Schleswig-Holstein 2 0 Thüringen 0 0 10 20 30 40 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. 45 46 Rechtsextremismus/ rechtsextremistischer Terrorismus Rechtsextremismus/ rechtsextremistischer Terrorismus I. Überblick Im Rechtsextremismus entscheidet die Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Nation oder Rasse über den Wert eines Menschen. In einer solchen ethnischrassistisch definierten "Volksgemein schaft" werden die zentralen Werte der freiheitlichen demokrati schen Grundordnung missachtet. Nationalismus, gruppenbezo gene Menschenfeindlichkeit wie Rassismus und Antisemitismus, Geschichtsrevisionismus sowie Demokratiefeindlichkeit prägen die rechtsextremistische Agitation. 1. Entwicklungstendenzen Coronapandemie Anschlussfähigkeit an bürgerlichdemokratische Kreise bleibt das Ziel von Rechtsextremisten. Dazu instrumentalisieren sie die Pro teste gegen die staatlichen CoronaSchutzmaßnahmen. Über den gesamten Berichtszeitraum betrachtet waren ihre Bemühungen wenig erfolgreich. Erst mit dem erneut zunehmenden Demons trationsgeschehen im Spätherbst 2021 erlangten sie in einigen Regionen wahrnehmbaren Einfluss auf das Protestgeschehen. DemonstrationsDas rechtsextremistische Demonstrationsgeschehen stand dabei geschehen hinsichtlich der Mobilisierung auch im Jahr 2021 erheblich unter dem Einfluss der Coronapandemie und den Auswirkungen der staatlichen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung, die zu einem erheblichen Rückgang des Versammlungsaufkommens im Ver gleich zum Vorjahr führten: 48 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Rechtsextremistische Demonstrationen 2020 2021 NPD/JN 27 17 "DIE RECHTE" 17 20 "Der III. Weg" 9 13 Neonazis/sonstige Rechtsextremisten 180 38 Insgesamt 233 88 Gleichwohl belegen Demonstrationen wie der "Trauermarsch" für den verstorbenen Rechtsextremisten Siegfried Borchardt im Oktober 2021 in Dortmund (NordrheinWestfalen), an der etwa 500 Personen teilnahmen, dass die rechtsextremistische Szene im Einzelfall weiterhin zu einer signifikanten Mobilisierung in der Lage ist (vgl. Kap. V, Nr. 2). Rechtsextremistische Parteien, aber auch Gruppierungen aus dem Flutkatastrophe Bereich der Neuen Rechten bemühten sich, die Flutkatastrophe in NordrheinWestfalen und RheinlandPfalz im Juli 2021 durch Hilfsangebote an die Betroffenen für sich zu nutzen. Einzelne Hilfsaktionen wurden medial breit gestreut, fanden aber nur geringe Resonanz in der Bevölkerung (vgl. Kap. III, Nr. 1). Im Frühjahr ereignete sich eine Serie von zum Teil schweren Reaktionen auf Angriffen auf einzelne Rechtsextremisten sowie Sachbeschädi "Linksterrorismus" gungen und Brandanschlägen auf Szeneliegenschaften in meh reren östlichen Bundesländern. Neben reinen Solidaritätsbekun dungen für die Betroffenen der Anschläge, die durchaus auch organisations beziehungsweise partei und spektrenübergrei fend innerhalb der rechtsextremistischen Szene ausfielen, waren subtile Drohungen in Richtung des politischen Gegners und Bemühungen zur szeneinternen Identifizierung der Täter zu ver zeichnen. Zudem waren in der rechtsextremistischen Szene Ver netzungsabsichten über Partei und Organisationsgrenzen hinaus festzustellen. Exemplarisch kann hierzu auf ein Treffen von Ange hörigen der neonazistischen Szene und Angehörigen der NPD im Mai 2021 in Eisenach (Thüringen) verwiesen werden. Dies führte 49 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS zu einer anhaltenden szeneinternen Diskussion über Selbstschutz und Selbstjustiz gegen die als "Linksterrorismus" bezeichneten Angriffe (vgl. Kap. III, Nr. 2). Antisemitismus Antisemitismus und antisemitische Narrative wurden durch die Coronapandemie verstärkt. Insbesondere über soziale Medien werden antisemitisch konnotierte Verschwörungstheorien auch über die Grenzen des rechtsextremistischen Spektrums hinaus verbreitet (vgl. Kap. III, Nr. 6). MusikAufgrund der Coronapandemie blieb auch 2021 die Anzahl veranstaltungen von rechtsextremistischen Musikveranstaltungen und deren Besuchern auf einem deutlich niedrigeren Niveau als vor der Pandemie. Dessen ungeachtet stellt die rechtsextremistische Musikszene weiterhin einen wichtigen Bestandteil vor allem des subkulturellen Rechtsextremismus in Deutschland dar (vgl. Kap. III, Nr. 3). Kampfsportszene Kampfsport wirkt in der rechtsextremistischen Szene nach wie vor als organisationsübergreifendes und verbindendes Element. Trotz pandemiebedingter Einschränkungen wurden Kampfsport trainings in eigenen Szeneobjekten oder im Freien durchge führt. Allerdings fanden keine größeren Kampfsportwettbewerbe statt. Der Versuch, eine Ersatzveranstaltung für die rechtsextre mistische Kampfsportveranstaltung "Kampf der Nibelungen" im benachbarten Ausland durchzuführen, konnte von den Sicher heitsbehörden durch eine länderübergreifende Zusammenarbeit verhindert werden (vgl. Kap. III, Nr. 4). Rechtsextremisten in Im Berichtsjahr fielen Angehörige von Sicherheitsbehörden durch Sicherheitsbehörden rechtsextremistische Aktivitäten auf. Hierunter befanden sich auch Mitglieder von Spezialeinheiten. Der erstmals 2020 vorge stellte Lagebericht zu Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden wurde im Berichtszeitraum weiterentwickelt und fortgeschrieben. Hierbei lag der Fokus insbesondere auf etwaigen Netzwerken und Kennverhältnissen (vgl. Kap. III, Nr. 5). Siege-Ideologie Ausgehend von den USA verbreitet sich auch in Deutschland die sogenannte Siege10Ideologie. Sie propagiert Guerillaanschläge gegen Infrastruktur und politisch Verantwortliche, um 10 Siege (engl.): Belagerung. 50 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS angenommene Spannungen zwischen der "weißen" Mehrheits gesellschaft und ethnischen Minderheiten in den westlichen Län dern zu verschärfen und damit einen Umsturz herbeizuführen. Vor allem über Chatgruppen im Internet finden Jugendliche und junge Erwachsene Zugang zur SiegeIdeologie, deren gewalttäti ges Radikalisierungspotenzial auch in der Realität zutage treten kann (vgl. Kap. III, Nr. 7). Bei Wahlen spielen rechtsextremistische Parteien derzeit keine Rechtsextremistische Rolle. Ihre Funktion beschränkt sich auf eine Strukturierungs und Parteien Mobilisierungsfunktion für das rechtsextremistische Spektrum. Während die NPD und "DIE RECHTE" Erosionserscheinungen hinsichtlich ihrer Mitgliederzahlen und ihrer Organisationsstruk turen zeigen, setzte die Partei "Der III. Weg" ihren Strukturaus bau vor allem in den östlichen Bundesländern fort. Sie trat im Berichtsjahr erstmals bei einer Bundestagswahl an, erhielt jedoch nur knapp 8.000 Zweitstimmen (0,0 Prozent). Dabei setzte sie mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen ebenso auf Provokation wie kurz darauf bei sogenannten Grenzgängen an der deutschpolni schen Grenze im Zusammenhang mit der Migration aus Belarus (vgl. Kap. V). 51 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS 2. Personenpotenzial Rechtsextremismuspotenzial1 2019 2020 2021 In Parteien 13.330 13.250 11.800 "Nationaldemokratische Partei 3.600 3.500 3.150 Deutschlands" (NPD) "DIE RECHTE" 550 550 500 "Der III. Weg" 580 600 650 Sonstiges rechtsextremistisches 8.600 8.600 7.500 Personenpotenzial in Parteien2 In parteiunabhängigen bzw. 6.600 7.800 8.500 parteiungebundenen Strukturen3 Weitgehend unstrukturiertes rechts13.500 13.700 15.000 extremistisches Personenpotenzial4 Summe 33.430 34.750 35.300 Nach Abzug von 32.080 33.300 33.900 Mehrfachmitgliedschaften Davon gewaltorientierte 13.000 13.300 13.500 Rechtsextremisten 1 Die Zahlen sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2 Unter dem sonstigen rechtsextremistischen Personenpotenzial in Parteien werden die Mitglieder der Jugendorganisation "Junge Alternative" (JA) (Verdachtsfall) und die Anhänger des formal aufgelösten Personenzusammenschlusses "Der Flügel" (Verdachtsfall) gezählt. 3 Hierzu zählen im Berichtsjahr der Teil von insgesamt 1.150 rechtsextremistischen "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern", der in überregionalen Strukturen organisiert ist, sowie das Personenpotenzial der Beobachtungsobjekte "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD), "COMPACT-Magazin GmbH", "PI-NEWS", "Institut für Staatspolitik" (IfS) (Verdachtsfall), "Antaios-Verlag" (Verdachtsfall) und "Ein Prozent e.V." (Verdachtsfall). 4 Hierzu zählt im Berichtsjahr der Teil von insgesamt 1.150 rechtsextremistischen "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern", der keiner festen Struktur zuzurechnen ist. 52 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS II. Gewalt und rechtsterroristische Ansätze 1. Entwicklung der rechtsextremistischen Strafund Gewalttaten Rechtsextremistische Straf und Gewalttaten entwickelten sich im Jahr 2021 im Vergleich zum Vorjahr wie folgt: Die Gesamtzahl rechtsextremistischer Straf und Gewalt taten sank im Vergleich zum Vorjahr um 9,6 % (2020: 22.357; 2021: 20.201). Propagandadelikte (11.866) bildeten wiederum mit 58,7 % den Hauptanteil der rechtsextremistischen Straftaten. 4,7 % der rechtsextremistischen Straftaten waren Gewaltdelikte. Im Vergleich zum Vorjahr sanken im Berichtsjahr die rechts extremistischen Gewalttaten um 7,6 % (2020: 1.023; 2021: 945). Körperverletzungsdelikte (783 Körperverletzungen) bildeten mit 82,9 % an der Gesamtzahl der Gewaltdelikte den größten Anteil und bewegten sich somit auf dem gleichen Niveau des Vorjahres (2020: 82,3 %, 842). Bei den Brandstiftungsdelikten konnte ein deutlicher Rückgang zum Vorjahr verzeichnet werden. Bei den rechtsextremistisch motivierten Körperverletzungsdelikten mit fremdenfeindlichem Hintergrund ist ein Rückgang von 6,4 % zum Vorjahr zu beobachten (2020: 690; 2021: 646). Ebenso sank die Gesamtzahl der fremdenfeindlichen Gewaltdelikte (2020: 746; 2021: 686, 8,0 %). Die Zahl der rechtsextremistischen Nötigungen beziehungsweise Bedrohungen ging um 11 % zurück (2020: 478; 2021: 425), die der Sachbeschädigungen nahm um 4 % zu (2020: 880; 2021: 923). Im Jahr 2021 wurden zwei versuchte und ein vollendetes Tötungs delikt mit vier Todesopfern (2020: zwei versuchte und ein vollen detes Tötungsdelikt) gezählt. Bei dem vollendeten Tötungsdelikt handelte es sich um einen erweiterten Suizid in Königs Wuster hausen (Brandenburg), bei dem der Täter mit einer illegal erlang ten Schusswaffe im eigenen Wohnhaus seine Ehefrau, ihre drei Kinder und sich selbst erschoss. In einem Abschiedsbrief hatte der Mann antisemitische Verschwörungsideologien im Kontext der Coronapandemie geäußert. 53 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Wie in den vorigen Jahren war auch 2021 ein Anstieg rechtsextre mistischer Straftaten mit antisemitischer Motivation zu verzeich nen. Die Gesamtzahl (2021: 2.439) stieg um 12,2 % im Vergleich zum Vorjahr (2020: 2.173). Dagegen sank wiederum die Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten mit antisemitischer Motiva tion deutlich von 48 auf 35 im Jahr 2021 (27,1 %). 2. Gefahr rechtsterroristischer Ansätze Rechtsextremistisch motivierte gruppenbezogene Menschen feindlichkeit und eine in den letzten Jahren verstärkt im Internet stattfindende Radikalisierung bilden die Basis für möglichen zukünftigen rechtsextremistischen Terrorismus. Eine besondere Herausforderung für die Sicherheitsbehörden stellen selbstradikalisierte Täter dar, die ohne erkennbare Anbin dung an bereits bekannte rechtsextremistische Szenestrukturen agieren. Auch weitere einschlägige Merkmale wie die ideologische Verortung, die zumindest eine gewisse Konzentration auf ein potenzielles rechtsterroristisches Milieu möglich machte, sind in den letzten Jahren aufgeweicht. So zeigen die Lebensläufe eini ger rechtsextremistischer Gewalttäter der letzten Jahre rechtsex tremistische Motivationshintergründe allenfalls in Fragmenten. So lagen insbesondere bei den Tätern der Anschläge von Halle (SachsenAnhalt) im Jahr 2019 und Hanau (Hessen) im Jahr 2020 diverse Bezüge zu Verschwörungstheorien und Onlinesubkultu ren vor, die nicht zwangsläufig dem Rechtsextremismus zugeord net werden. Es wird daher eine enorme Herausforderung bleiben, solche potenziellen Täter im Vorfeld eines geplanten Anschlags zu identifizieren. Besonderes Augenmerk liegt hierbei vor allem auf Aktivitäten im Internet - insbesondere auf einschlägigen Chatgruppen in Mes sengerdiensten. Diese stellen auch eine Art "Katalysator" dar, der die Radikalisierung ihrer Teilnehmer deutlich verstärkt. So finden sich im Internet zahlreiche rechtsextremistische Chatgruppen mit teilweise mehreren Tausend Mitgliedern, in denen extreme Gewaltfantasien wie Folter und Mordaufrufe an der Tagesord nung sind. Hier rechtzeitig solche Personen zu identifizieren, die auch tatsächlich Anschläge und terroristische Taten planen und 54 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS dies nicht nur durch eine aggressive Rhetorik vorgeben, ist eine große Herausforderung für die Sicherheitsbehörden. 3. Staatliche Maßnahmen Am 28. Januar 2021 verurteilte das Oberlandesgericht (OLG) Lebenslange Frankfurt am Main (Hessen) den Mörder des Kasseler Regierungs Haftstrafe für den präsidenten Dr. Walter Lübcke zu lebenslanger Haft. Das Gericht Mord an Dr. Walter befand den 47jährigen hessischen Rechtsextremisten des Mordes Lübcke für schuldig. Das Gericht stellte das Vorliegen der Mordmerkmale "Heimtücke" und "niedrige Beweggründe" fest, darüber hinaus die besondere Schwere der Schuld. Ein Mitangeklagter wurde vom Vorwurf der Beihilfe zum Mord freigesprochen; er erhielt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten (ausgesetzt zur Bewährung) wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA), die beiden Nebenklägerparteien und die Verurteilten legten Revision ein, über die im Berichtszeitraum nicht entschieden wurde. Wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalt Haftstrafe wegen tat gemäß SS 89a Strafgesetzbuch (StGB), Bedrohung gemäß SS 241 AnschlagsAbsatz 1 StGB und weiterer Delikte verurteilte das OLG München vorbereitung (Bayern) am 30. Juli 2021 eine 56jährige bayerische Rechtsextre mistin zu einer sechsjährigen Freiheitsstrafe. Das Gericht folgte damit der Forderung der Bundesanwaltschaft und ordnete zudem Führungsaufsicht an. Das Gericht befand die Frau für schuldig, einen Anschlag auf Amtsträger und Menschen muslimischen Glaubens vorbereitet zu haben. Anleitung und Material zum Bau einer Benzinbombe hatte sie sich bereits beschafft. Zudem hatte die Frau zwischen Dezember 2019 und März 2020 insgesamt sechs Drohschreiben an Politiker, einen Moscheeverein sowie einen Flüchtlingshilfeverein verschickt. Das Urteil ist rechtskräftig. Mit zwei Urteilen des OLG Dresden (Sachsen) am 4. Februar Abschluss der 2021 und am 18. März 2021 endeten die seit 2015 geführten Strafverfahren Strafverfahren gegen Mitglieder der "Gruppe Freital", die unter gegen Mitglieder der anderem wegen Mitgliedschaft und Unterstützung einer ter "Gruppe Freital" roristischen Vereinigung gemäß SS 129a StGB vom Generalbun desanwalt geführt worden waren. Sieben Angeklagte wurden zu Freiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und zweieinhalb Jahren verurteilt, die teils zur Bewährung ausgesetzt wurden. Die Urteile 55 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS sind rechtskräftig. Die Mitglieder der "Gruppe Freital" hatten sich im Sommer 2015 zusammengefunden, radikalisiert und in unterschiedlicher Personenkonstellation mehrere Sprengstoffan schläge auf Asylbewerberunterkünfte sowie Wohnungen, Büros und Fahrzeuge der politischen Gegenseite verübt. Anklage wegen Am 28. Januar 2021 erhob die Generalstaatsanwaltschaft Mün Fortführung von chen (Bayern) vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts (LG) "Blood & Honour" München I Anklage gegen elf Personen wegen des Verstoßes gegen ein Vereinigungsverbot gemäß SS 85 StGB. Drei der Ange schuldigten sollen sich als Rädelsführer, sieben Personen als Mitglieder sowie eine Person als Unterstützer der im Jahr 2000 verbotenen Vereinigung "Blood & Honour Division Deutschland" (B&H) betätigt haben. In diesem Zusammenhang sollen sie soge nannte Sektionen von B&H in BadenWürttemberg, Bayern und Thüringen aufgebaut und die rechtsextremistische Ideologie der verbotenen Gruppierung durch den Vertrieb von MusikCDs und MerchandisingArtikeln verbreitet haben. Prozesseröffnung Am 13. April 2021 eröffnete das OLG Stuttgart (BadenWürttem gegen Angehörige der berg) den Prozess gegen zwölf Angeklagte einer in den Medien "Gruppe S." als "Gruppe S." bezeichneten Gruppierung wegen des Verdachts der Bildung beziehungsweise Unterstützung einer terroristischen Vereinigung gemäß SS 129a StGB. Der "Gruppe S." wird vorge worfen, die bestehende Staats und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland mittels Angriffen auf Moscheen und der Tötung oder Verletzung einer möglichst großen Anzahl von dort anwesenden muslimischen Gläubigen erschüttern und letzt endlich überwinden zu wollen. Hierzu habe sich die "Gruppe S." bereits um die Beschaffung von Schusswaffen bemüht. Anklage im Am 3. Mai 2021 wurde nach mehrjährigen Ermittlungen der Zusammenhang mit mutmaßliche Urheber einer Serie von überwiegend per EMail "NSU 2.0" versandten Drohschreiben mit dem Absender "NSU 2.0" in Berlin festgenommen. Er soll seit August 2018 Drohschreiben an Perso nen des öffentlichen Lebens, aus der Landes und Bundespolitik, der Presse und weiteren staatlichen Organen und Institutionen versandt haben. Insgesamt waren bis zum Tag der Festnahme über 100 elektronische Drohschreiben im Kontext "NSU 2.0" polizeilich bekannt geworden. Im Oktober 2021 erhob die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main (Hessen) Anklage gegen den Tatverdächti gen unter anderem wegen Beleidigung (SS 185 StGB), Bedrohung 56 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS (SS 241 StGB), Volksverhetzung (SS 130 StGB) und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (SS 86a StGB). Am 24. Juni 2021 verbot der Innenminister des Landes Mecklen Verbot der burgVorpommern die NeonaziVereinigung "Nationale Sozialis "Nationalen Sozialisten Rostock" (NSR) einschließlich ihrer Teilorganisation "Baltik ten Rostock" (NSR) Korps" gemäß Artikel 9 Absatz 2 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit SS 3 Vereinsgesetz. Die Gruppierung war - insbesondere im Internet - auch unter der Bezeichnung "Aktionsblog" in Erschei nung getreten. Der Verein richtete sich gegen die verfassungsmä ßige Ordnung, lief nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider und stand dem Gedanken der Völkerverständigung ent gegen. Bei den NSR beziehungsweise dem "Aktionsblog" handelte es sich um einen langjährigen neonazistischen Personenzusam menschluss, der sich selbst als elitäre und aktionistische Gruppie rung im NeonaziSpektrum inszeniert hatte. 3.1. Entzug waffenrechtlicher Erlaubnisse In der rechtsextremistischen Szene besteht grundsätzlich eine hohe Waffenaffinität. Sie umfasst sowohl erlaubnisfreie Gegen stände wie Hieb, Stich und Schreckschusswaffen als auch erlaubnispflichtige Schusswaffen. Mit dem Dritten Waffenrechts änderungsgesetz hat der Gesetzgeber im Jahr 2020 die "Regel anfrage" eingeführt. Danach fragt die örtliche Waffenbehörde im Rahmen der waffenrechtlichen Erlaubnisverfahren zwecks Zuverlässigkeitsüberprüfung nunmehr auch bei der zuständi gen Verfassungsschutzbehörde an, ob Tatsachen bekannt sind, die gegen das Bestehen der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit einer Person sprechen. Sofern im Verfassungsschutzverbund nach Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis Erkenntnisse zu (rechts)extremistischem Verhalten einer Person anfallen, werden diese der Waffenbehörde nachgemeldet ("Nachberichtspflicht"). Durch diese Instrumente soll verhindert werden, dass Extremis ten legal in den Besitz von erlaubnispflichtigen Waffen gelangen oder im Besitz bleiben. So verloren in einer vom BfV angeregten und eng begleiteten koordinierten Aktion der zuständigen Lan desbehörden im Sommer 2021 mehrere Mitglieder und Unter stützer eines rechtsextremistischen Personenzusammenschlusses den bis dahin legalen Zugriff auf eine niedrige dreistellige Zahl an Schusswaffen. Die Waffen wurden von der Polizei eingezogen. 57 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Weiterhin wurden im Dezember 2021 bei drei Mitgliedern einer durch das BfV als Verdachtsfall bearbeiteten Vereinigung in den Bundesländern BadenWürttemberg und Bayern im Rahmen einer koordinierten Aktion sämtliche legalen Waffen per Sofort entzug entzogen. Die Waffenentzüge beruhten neben Erkennt nissen zu rechtsextremistischen Betätigungen der Personen vor allem auf festgestellten beschleunigten Radikalisierungsverläufen im Zusammenhang mit Protestaktivitäten gegen die Corona Schutzmaßnahmen. Hierbei bestand die Gefahr von möglichen Übersprungshandlungen sowie eine akute Eigen beziehungs weise Fremdgefährdung. Neben dem legalen Waffenbesitz ist auch der illegale Waffenbesitz für die Szene von Bedeutung. Sofern die Verfassungsschutzbe hörden Erkenntnisse über illegalen Waffenbesitz bei Rechtsex tremisten gewinnen, werden andere Behörden zur Abwehr von Gefahren oder zur Strafverfolgung im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten einbezogen: Durch nachrichtendienstliches Infor mationsaufkommen des BfV wurde beispielsweise eine rechtsex tremistische WhatsAppGruppe bekannt, in der zwei Personen äußerten, Waffen zu besitzen, und dies zum Teil mit Bildern belegten. In enger Zusammenarbeit mit der Polizei wurden in der Folge zwei Durchsuchungsbeschlüsse erwirkt und an den Wohnanschriften der beiden Personen umgesetzt. Dabei konnten insgesamt drei illegal besessene erlaubnispflichtige Schusswaffen sichergestellt werden. Zudem konnten Gegenstände mit national sozialistischer Symbolik festgestellt werden. 3.2 Aufklärung von Finanzierungsaktivitäten der rechtsextremistischen Szene In seiner 113. Sitzung hat der Arbeitskreis IV "Verfassungsschutz" der Ständigen Konferenz der Innenminister und senatoren der Länder (IMK) am 26./27. Oktober 2021 das BfV beauftragt, federführend auf eine Verstetigung der Zusammenarbeit im Verfassungsschutzverbund im Bereich der Finanzermittlungen gegen rechtsextremistische Akteure hinzuwirken. Dieser Auftrag erging vor dem Hintergrund, dass die Handlungsmöglichkei ten rechtsextremistischer Organisationen und Akteure durch Finanzierungsaktivitäten in den letzten Jahren gestiegen sind. Dies umfasst überregionale (Finanzierungs)Strukturen, die über 58 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS eine Vielzahl von Geschäfts und Tätigkeitsfeldern hinweg auf gebaut wurden. Klassische Geschäftsbereiche wie die gewinnori entierte Durchführung von Musikveranstaltungen, der Verkauf von MerchandisingProdukten wie zum Beispiel Bekleidung, aber auch der Betrieb gastronomischer Einrichtungen sind weiter hin ein fester Bestandteil der Szene. Insbesondere ermöglichen die sozialen Medien den Geschäftstreibenden kostengünstige Werbe und Absatzkanäle für eine breitere Zielgruppe innerhalb und auch außerhalb der Szene. So bewerben etwa die Initiatoren der Kampfsportveranstaltung "Kampf der Nibelungen" regelmä ßig neue eigene Bekleidungsprodukte auf ihrem TelegramKanal. Ein weiterer Strategieansatz im Bereich der Finanzierung von Rechtsextremisten ist das zielgerichtete Aufgreifen tagesaktueller, gesellschaftlich kontroverser Themen bei der Produktgestaltung. So wurden zum Beispiel in der Coronapandemie TShirts, Aufkle ber und Gesichtsmasken mit provokativen Botschaften angebo ten. Der Vertrieb solcher Produkte kann nicht nur Finanzmittel generieren, sondern ermöglicht der Szene eine gezielte Beeinflus sung des gesellschaftlichen Diskurses und den Transport rechts extremistischer Positionen in breitere Bevölkerungsschichten. Dies gilt auch für den Bereich des sogenannten Crowdfunding, um öffentlichkeitswirksame Vorhaben finanzieren zu können. Ein Beispiel für ein solches spendenbasiertes Crowdfunding ist das Vorgehen des Vereins "Ein Prozent e.V." (Verdachtsfall; vgl. Kap. IV, Nr. 3). Der Verein sammelt systematisch Spenden, um Projekte wie beispielsweise die Entwicklung des Computerspiels "Heimat Defender: Rebellion" zu finanzieren. III. Aktuelle Entwicklungen im Rechtsextremismus 1. Instrumentalisierung der Coronakrise und der Flutkatastrophe durch Rechtsextremisten Seit Beginn der Coronapandemie sind Rechtsextremisten darum Coronapandemie bemüht, die Coronakrise zu nutzen, um Anschluss an regierungs kritische Bürgerinnen und Bürger herzustellen. Die Beteiligung von Rechtsextremisten am Protestgeschehen war im Verlauf des 59 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Jahres 2021 jedoch zunächst rückläufig. Der Schulterschluss mit bürgerlichdemokratischen Protestierenden misslang. Nur ver einzelt gelang es rechtsextremistischen Gruppierungen, Kundge bungen mit mehreren Hundert Teilnehmenden unter Beteiligung auch aus dem demokratischen Spektrum durchzuführen. So beteiligten sich am 20. März 2021 in AueBad Schlema (Sachsen) bis zu 1.000 Personen an einer Kundgebung, die von einem Funk tionär der rechtsextremistischen Regionalpartei "Freie Sachsen" angemeldet worden war. Die Kritik an den staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie geriet zeitweilig zum organisationsübergrei fenden Agitationsthema in der rechtsextremistischen Szene. So stellte die "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) im Februar 2021 die Website "Rechtsklick" ins Netz, die die Schutzmaßnah men als "Politik der Eliten" diffamierte und zum Widerstand gegen die "CoronaZwangsmaßnahmen" aufrief, jedoch kaum öffentliche Wirkung entfaltete. Andere rechtsextremistische Organisationen verteilten regelmäßig Flugblätter, in denen gegen eine Impfpflicht agitiert und diese als Instrument einer vermeint lich drohenden Diktatur dargestellt wurde. Vor allem rechtsextremistische Parteien wie "Der III. Weg" und "DIE RECHTE" bemühten sich darum, die Coronapandemie zu nutzen, um sich als "Kümmerer" und "Helfer" zu profilieren. "Der III. Weg" sammelte - wie auch in den Vorjahren - Kleider und Sachspenden im Rahmen der Kampagne "Deutsche Winterhilfe", die sich mit ihren Aktivitäten und ihrer Benennung an die NSStiftung "Winterhilfswerk des Deutschen Volkes" anlehnt. In Aufrufen zur Beteiligung an der Kampagne bezog sich die Par tei ausdrücklich auf die wirtschaftlichen Folgen der staatlichen Schutzmaßnahmen. Die Spenden wurden unter anderem in den "Bürgerbüros" der Partei in Plauen (Sachsen) und Siegen (Nord rheinWestfalen) verteilt. Ebenfalls stellte die Pandemie ein wichtiges Thema im Hin blick auf die Wahlen des Jahres 2021 dar. "Der III. Weg" hatte zu Jahresbeginn angekündigt, seinen Bundestagswahlkampf unter dem Motto "Freiheit statt CoronaDiktatur" führen zu wollen. Hierzu veröffentlichte die Partei ein "10PunkteProgramm zur Beendigung der CoronaKrise". Darin wurden unter anderem die Verstaatlichung des Gesundheitswesens, einheitliche Regeln 60 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS für Bund und Länder und die Abschaffung der Maskenpflicht gefordert. Ab Spätherbst 2021 nahmen mit der Debatte über die Einfüh rung einer Impfpflicht Demonstrationen gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie bundesweit wieder stark zu und verlagerten sich in Form dezentraler Kund gebungen auch in kleinere Städte. In Sachsen, wo das Protestge schehen besonders dynamisch war, entwickelte sich dabei die im Februar 2021 gegründete Regionalpartei "Freie Sachsen" zu einem wesentlichen Mobilisierungsakteur. Wenngleich die Partei selbst nur selten als Anmelder von Kundgebungen in Erscheinung trat, verbreitete sie über ihren reichweitenstarken TelegramKanal lokale Kundgebungstermine verschiedenster Organisatoren und rief dazu auf, sich den beworbenen Veranstaltungen anzuschlie ßen. Die "Freien Sachsen" versuchten, die heterogenen Protest akteure zusammenzubringen und sich als Stichwortgeber zu inszenieren. Unter dem Minimalkonsens des Widerstands gegen die staatli chen CoronaSchutzmaßnahmen vereinten sich so bei etlichen Demonstrationen Angehörige des bürgerlichdemokratischen Spektrums mit Anhängern rechtsextremistischer Gruppierungen sowie Akteuren des Phänomenbereichs "Verfassungsschutzrele vante Delegitimierung des Staates" (vgl. Berichtsteil Verfassungs schutzrelevante Delegitimierung des Staates, Kap. II, Nr. 3). Auch die Flutkatastrophe im Juli 2021 in NordrheinWestfalen Flutkatastrophe und RheinlandPfalz versuchten rechtsextremistische Parteien und Einzelakteure für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. In der Szene wurden zahlreiche Spenden und Hilfskampagnen gestartet. So riefen die NPDLandesverbände BadenWürttem berg, Hessen und Bayern beispielsweise eine "Nationale Hoch wasserhilfe" ins Leben, die nach eigenem Bekunden Container mit Trinkwasser in die Region um das besonders betroffene Ahr weiler (RheinlandPfalz) lieferte.11 Mehrere Aktivisten der NPD, ihrer Jugendorganisation "Junge Nationalisten" (JN), der Partei "Der III. Weg" und der Partei "DIE RECHTE" begaben sich in die Katastrophengebiete. Wie auch in anderen Fällen richteten sich die Hilfsangebote der rechtsextremistischen Parteien im 11 FacebookSeite NPD Hessen (23. Juli 2021). 61 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Zusammenhang mit der Flutkatastrophe ausschließlich an nach ihrem Verständnis ethnisch Deutsche. Auch szeneprominente Akteure der Neuen Rechten waren im Hochwassergebiet aktiv. So berichtete die "COMPACTMaga zin GmbH" über eigene Hilfsaktivitäten im Raum Ahrweiler. Nachdem das "COMPACTMagazin" zu Spenden aufgerufen hatte, reiste dessen Chefredakteur mit weiteren Vertretern der "COMPACTMagazin GmbH" mit einem Lkw in den Ort Schuld (RheinlandPfalz). Dort wurden Hilfsgüter wie Schubkarren, Besen, Stromaggregate, Benzin und Ladegeräte für Mobiltelefone in einem Gesamtwert von angeblich 7.500 Euro verteilt. In der begleitenden Berichterstattung der "COMPACTMagazin GmbH" über die Flutkatastrophe wurde ein angebliches Versagen des Staates in den Vordergrund gestellt.12 Anders als die umfangreiche Medienberichterstattung vermuten lässt, hatten Rechtsextremisten keinen prägenden Einfluss auf die Geschehnisse vor Ort und konnten sich nicht nachhaltig als Flut helfer inszenieren oder Sympathisanten finden. 2. Reaktionen von Rechtsextremisten auf mutmaßlich linksextremistische Angriffe Angriffe auf Neben Migration und Coronapandemie waren im Berichtsjahr Rechtsextremisten mutmaßlich linksextremistisch motivierte Angriffe ein bestim mendes Thema innerhalb der rechtsextremistischen Szene in Deutschland. Thematisiert wurden dabei insbesondere die zwi schenzeitliche Häufung dieser Delikte im Frühjahr 2021 sowie die teils neue Qualität gezielter und planmäßiger Angriffe. Auch in der Vergangenheit kam es immer wieder zu gewalttätigen Ausein andersetzungen mit dem politischen Gegner. Neben einer hohen Anzahl von Sachbeschädigungen, zum Bei spiel durch Brandanschläge auf Szeneobjekte und von Rechtsex tremisten genutzte Fahrzeuge insbesondere in Thüringen, Sachsen und SachsenAnhalt, kam es zu gezielten gewalttäti gen Übergriffen auf einzelne Protagonisten: Am 11. März 2021 wurde der Vorsitzende der NPDJugendorganisation "Junge 12 Homepage "COMPACTOnline" (26. Juli 2021). 62 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Nationalisten" (JN) Paul Rzehaczek in seiner Wohnung in Sachsen von mehreren als Polizisten verkleideten Personen schwer ver letzt. Ein vergleichbarer Überfall ereignete sich am 28. Mai 2021 auf einen Neonazi und seine Lebensgefährtin in Thüringen (vgl. Berichtsteil Linksextremismus, Kap. II, Nr. 2). Diese Übergriffe führten dazu, dass sich Rechtsextremisten als Verstärkte Solidarität Opfer eines "linken Terrorismus" durch die "Antifa" inszenierten. und Vernetzung Die rechtsextremistische Szene überwand in dieser Situation vorübergehend interne Differenzen zugunsten der "nationalen Sache". Szeneprominente Rechtsextremisten trieben Vernetzungs bestrebungen voran, um dem politischen Gegner und den eige nen Szeneangehörigen Stärke und Handlungsfähigkeit zu de monstrieren. In Propagandavideos wurde verkündet, dass man sich von den Gewalttaten nicht einschüchtern lasse. Bestimmen der Tenor bei diesen Verlautbarungen von Rechtsextremisten war die zumindest öffentlich bekundete Verpflichtung auf die Einhal tung rechtsstaatlicher Regeln als Reaktion auf derartige Angriffe. In dieser Weise äußerte sich beispielsweise auch der stellvertre tende Bundesvorsitzende der NPD anlässlich eines Vernetzungs treffens von Führungsaktivisten der rechtsextremistischen Szene in der Landesgeschäftsstelle der NPD in Eisenach (Thüringen) am 8. Mai 2021: "Tja Antifa! Ihr denkt vielleicht, ihr habt in ein Wespennest gestochen. Das habt ihr nicht, ihr habt in ein Hornissennest gestochen! Und wir werden zurückstechen, und zwar mit allen uns vom Rechtsstaat gegebenen Möglichkeiten (...). Wir warten auf euch, wir sind bereit." (Internetplattform Telegram, 9. Mai 2021) Bundesweit und über Organisationsgrenzen hinweg kam es zu einer ungewöhnlichen Solidarisierung. Selbst Personen(grup pen) aus Spektren innerhalb der rechtsextremistischen Szene, die bislang in einem politischen, ideologischen oder geschäftli chen Konkurrenzverhältnis zueinander standen, näherten sich einander an. Gleichzeitig wurde beklagt, dass es in der Öffent lichkeit kaum Resonanz auf die Ereignisse gebe. Um das Nar rativ der "Opferrolle" zu etablieren, initiierte das "COMPACT Magazin" in diversen Formaten - etwa mit einer Beitragsserie in "COMPACTTV" und über ein eigenes "COMPACT Spezial"Heft - eine Berichtsserie über die linksextremistische "Antifa" und deren 63 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS vermeintlichen Unterstützerkreis. Verschiedene verschwörungs theoretische Konstrukte wurden bemüht, um der Politik, den "MainstreamMedien" und Bildungseinrichtungen eine Mitschuld an der andauernden Angriffsserie zuzuweisen. Objektund EigenNeben der Vernetzung mithilfe propagandistischer Aktivitäten schutzstrategien wurde auch ein Fokus auf gemeinsame Selbstverteidigungsstra tegien gelegt. Auf lokaler Ebene boten sich gewaltorientierte Rechtsextremisten an, um Szeneobjekte zu bewachen, und "bestreiften" diese zeitweilig. Schulungen zum Thema Selbst und Objektschutz thematisierten "legale Bewaffnung" und den Not wehrparagrafen des Strafgesetzbuchs. Gewaltpotenzial Trotz dieser Aktivitäten zeigte sich das rechtsextremistische durch RechtsSpektrum insgesamt verunsichert. Insbesondere befürchtet man, extremisten die linksextremistischen Übergriffe könnten dazu führen, dass die "nationale Bewegung" in die Defensive gedrängt werde und sich Szeneangehörige aus Sorge vor physischen Angriffen zurück ziehen könnten. Sowohl um staatliche Maßnahmen als auch um eine Gewaltspirale zwischen Rechts und Linksextremisten zu verhindern, versuchten Führungspersonen, mäßigend auf Sze nemitglieder einzuwirken. Trotz der starken kollektiven Emotio nalisierung, der mitunter geäußerten Vergeltungsfantasien sowie der hohen Gewaltbereitschaft rechtsextremistischer Akteure kam es im Berichtsjahr zu keinen weiteren Auseinandersetzungen mit Linksextremisten. 3. Auswirkungen der Coronapandemie auf rechtsextremistische Musikveranstaltungen Rückgang der MusikDie rechtsextremistische Musikszene ist ein wichtiger Bestandteil veranstaltungen des Rechtsextremismus in Deutschland, insbesondere wegen ihrer Rekrutierungs und Bindungsfunktion. Unterschwellig, aber auch ganz offen, werden in zahlreichen Liedtexten rechtsextremis tische Feindbilder und Ideologiefragmente verbreitet, entspre chende Denkmuster geformt und gefestigt. Vor allem durch das gemeinschaftliche Erlebnis von LiveMusikveranstaltungen wird ein Identitäts und Zusammengehörigkeitsgefühl geschaffen und verstärkt. 64 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Das Veranstaltungsgeschehen war im Berichtsjahr erneut deut lich durch die Coronapandemie und die damit einhergehen den behördlichen Veranstaltungsuntersagungen und auflagen beeinträchtigt. So fand im ersten Halbjahr nur ein Bruchteil der sonst üblichen Musikveranstaltungen statt - insbesondere nahezu keine Konzerte. Nach Lockerungen der Schutzmaßnahmen fan den zunächst wieder kleinere rechtsextremistische Musikveran staltungen statt, insbesondere Liederabende mit geringen Besu cherzahlen. In der zweiten Jahreshälfte näherte sich das Veranstaltungsge schehen dem Niveau vor der Pandemie an. Dies drückte sich auch durch die wieder vermehrt durchgeführten Konzerte aus. Aller dings fanden auch 2021 - wie bereits 2020 und anders als in den Vorjahren - keine MusikGroßveranstaltungen oder Festivals mit bis zu vierstelligen Besucherzahlen statt. Den kurzzeitig ansteigenden Trend beendeten die ab Ende Okto ber 2021 wieder stark gestiegenen Infektionszahlen. Für das Jahr 2021 ist im Vergleich zum Veranstaltungsgeschehen vor der Pandemie erneut ein deutlicher Rückgang der Veran staltungszahlen zu beobachten. Vergleicht man zudem das Jahr 2021 mit dem Jahr 2020, in dem sich die Pandemie erstmals auf das Veranstaltungsgeschehen ausgewirkt hatte, ist ein ähnliches Niveau zu konstatieren. In Anbetracht der andauernden Corona pandemie kann hieraus jedoch kein allgemeiner Trend abgleitet werden. Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen der Jahre 2020 und 2021 ist die rechtsextremistische Musikszene in Deutschland aber weiterhin agil und aktionsfähig. Das zeigt der sprunghafte Anstieg von Musikveranstaltungen ab Mitte 2021, nachdem Teile der CoronaSchutzmaßnahmen aufgehoben worden waren. Dar über hinaus ist auch die Zahl der aktiven rechtsextremistischen Musikgruppen und Liedermacher beziehungsweise Solointer preten nahezu unverändert geblieben, wobei sich die Aktivitäten weniger in LiveAuftritten als in der Produktion von Tonträgern widerspiegelten. So wurde im Berichtsjahr erneut wie schon im Vorjahr eine - im Vergleich zur VorCoronaZeit - überdurch schnittlich hohe Zahl neuer rechtsextremistischer Tonträger ver öffentlicht. Dies zeigt, dass rechtsextremistische Musikgruppen, 65 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Liedermacher und Solointerpreten vermutlich wegen der stark eingeschränkten Auftrittsmöglichkeiten im Berichtsjahr ihre Musikproduktionsaktivitäten intensiviert haben. Rechtsextremistische Musikveranstaltungen 2020 2021 Konzerte 27 18 Liederabende 55 59 Sonstige13 59 67 Insgesamt 141 144 4. Rechtsextremistische Kampfsportszene Gewaltorientierte Rechtsextremisten propagieren bereits seit einigen Jahren organisationsübergreifend die Ausübung von Kampfsportarten, die insbesondere für den Straßenkampf geeig net sind. Sie führen regelmäßige Trainings, "Seminare" oder grö ßere Wettkampfveranstaltungen durch. Dabei werden sie mit unter von Personen aus dem Rocker und Türstehermilieu sowie von Hooligans unterstützt. Die dadurch entstehende Mischszene ist regional unterschiedlich ausgeprägt; mitunter bestehen enge langjährige und freundschaftliche Kontakte. Die Ausübung von Kampfsport findet organisationsübergreifend innerhalb regiona ler neonazistischer Strukturen, der subkulturell geprägten rechts extremistischen Szene sowie vermehrt innerhalb des rechtsextre mistischen Parteienspektrums ("Der III. Weg", "DIE RECHTE", JN) statt und stellt damit eine verbindende Aktionsform dar. Die pandemiebedingte Schließung von Sportstätten im ersten Halbjahr 2021 erschwerte Rechtsextremisten das Kampfsporttrai ning. Allerdings bot sich einschlägigen Kampfsportgruppierungen mit eigenen Trainingsräumlichkeiten ein Alleinstellungsmerkmal, das sie zur Rekrutierung neuer Mitglieder zu nutzen versuchten. 13 Darunter fallen unter anderem Demonstrationen, Parteiveranstaltungen oder Red nerauftritte, die von musikalischen Darbietungen rechtsextremistischer Interpre ten flankiert werden. 66 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Rechtsextremistischen (Kampfsport)Gruppierungen gelang es in dieser Zeit, ihre Trainings im Freien oder in größeren Räum lichkeiten in eigenen Wohn und Szeneobjekten durchzuführen. Ab Juni verzeichneten die Verfassungsschutzbehörden zunächst einen sprunghaften Anstieg an regionalen rechtsextremistischen Kampfsport, Fußball und Ausdauertrainings sowie die Wieder aufnahme von Szenekontakten in das benachbarte europäische Ausland mit dem Ziel der Vernetzung. Die Serie von Überfällen und Brandstiftungen auf Angehörige der Szene und von ihr genutzte Immobilien, insbesondere in Sachsen und Thüringen im Frühjahr 2021 (vgl. Kap. III, Nr. 2), wurde zur Mobilisierung genutzt. Einmal mehr betonte man hierbei, dass die Fähigkeit, schnell zu reagieren, sich selbst zu verteidigen und dem Gegner körperlichen Schaden zuzufügen, notwendig sei. Protagonisten der rechtsextremistischen Kampfsportszene bemühten sich auch im Berichtsjahr um die konspirative Organi sation einer Ersatzveranstaltung für den seit 2013 jährlich durch geführten "Kampf der Nibelungen" (KdN). Dieses größte rechts extremistische Kampfsportturnier wurde im Jahr 2019 erstmals verboten. Aufgrund des Verbots im Jahr zuvor und der Auswir kungen der Coronapandemie war der KdN im Jahr 2020 von den Veranstaltern als Onlinestream geplant worden. Nach Hinweisen der Verfassungsschutzbehörden konnte die Polizei jedoch eingrei fen, sodass letztlich lediglich ein Teil der Kämpfe aufgezeichnet und ins Netz gestellt werden konnte. Im Berichtsjahr organisier ten kampfsporterfahrene Führungspersonen der deutschen neo nazistischen Szene gemeinsam mit einer rechtsextremistischen Gruppierung im benachbarten europäischen Ausland für den 25. September 2021 unter der Bezeichnung "National Fight Night" ein Kampfsportturnier, das als Ersatzveranstaltung für den KdN dienen sollte. Aufgrund einer engen Zusammenarbeit von Sicher heitsbehörden im In und Ausland konnte die Veranstaltung im Vorfeld erfolgreich verhindert werden. Die erneute Verhinderung einer rechtsextremistischen Kampfsportveranstaltung stellt einen weiteren Rückschlag für die rechtsextremistische Kampfsport szene dar. 67 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS 5. Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden Auch im Jahr 2021 gab es Vorfälle, bei denen Bedienstete von Sicherheitsbehörden mit rechtsextremistischen Aktivitäten in Erscheinung traten. Zu diesen Vorfällen zählten beispielsweise Chatgruppen, in denen rassistische, antisemitische und den Nati onalsozialismus verherrlichende Inhalte ausgetauscht wurden. Solche rechtsextremistischen Aktivitäten stehen im Widerspruch zum Grundwesen des öffentlichen Dienstes und untergraben das Vertrauen der Bevölkerung in dessen Bedienstete. Rechtsextre mistische Bestrebungen von Bediensteten in Sicherheitsbehörden stellen auch ein erhöhtes Gefährdungspotenzial dar, da diese über Zugänge zu sensiblen Informationen zur Struktur und Arbeits weise der Sicherheitsbehörden sowie zu vertraulichen Datenban ken verfügen. Zudem besitzen sie mitunter operative Kenntnisse oder haben Spezialausbildungen absolviert und können teils auf Waffen und Munition zugreifen. Im Oktober 2020 wurde erstmalig der Lagebericht des BfV "Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden" vorgestellt. Im Dezember 2020 beauftragte die IMK das BfV, den Bericht fortzu schreiben, weiterzuentwickeln und die Erhebungsmethoden län derübergreifend zu harmonisieren und zu schärfen.14 Infolgedessen veröffentlichte das BfV unter Federführung der "Zentralstelle Rechtsextremisten im öffentlichen Dienst" im Mai 2022 den Lagebericht "Rechtsextremisten, 'Reichsbürger' und 'Selbstverwalter' in Sicherheitsbehörden". Für den Erhebungs zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2021 wurden darin im Phänomenbereich Rechtsextremismus auf Bundesebene 110 und auf Landesebene 177 Personen erfasst, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demo kratische Grundordnung vorliegen. Besonders häufig fielen dabei Mitgliedschaften in rechtsextremistischen Chatgruppen, politisch motivierte Beleidigungen und Kontakte zu rechtsextremistischen Organisationen auf.15 14 Homepage der IMK (15. Dezember 2020), "Sammlung der zur Veröffentlichung frei gegebenen Beschlüsse der Beratung der Ständigen Konferenz der Innenminister und senatoren der Länder am 10. Dezember 2020", Top 5. 15 Der Lagebericht "Rechtsextremisten, 'Reichsbürger' und 'Selbstverwalter' in Sicher heitsbehörden" ist unter www.verfassungsschutz.de abrufbar. 68 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS 6. Antisemitismus im Rechtsextremismus In seinen verschiedenen Ausprägungen stellt Antisemitismus ein zentrales, verbindendes und konstantes Charakteristikum des Rechtsextremismus dar. Juden, von Antisemiten als jüdisch ange sehene Personen und allgemein alles "Jüdische" sind seit jeher wichtige und vor allem szeneübergreifend verbreitete Feindbilder. So ist Antisemitismus in allen Teilbereichen des Rechtsextremis mus feststellbar. Die Bandbreite reicht von offen geäußertem Antisemitismus bis hin zu einer subtilen Feindschaft, welche hin ter anderen Ideologemen - wie zum Beispiel der Islamfeindlich keit - zurücktreten kann. Im April 2022 hat das BfV das aktuelle Lagebild Antisemitismus16 veröffentlicht, das einen Gesamtüber blick über die verfassungsschutzrelevanten Ausprägungen des Antisemitismus in Deutschland gibt. Judenfeindliche Einstellungen und Verschwörungstheorien bie Verschwörungsten Rechtsextremisten vor dem Hintergrund eines klaren Feind theorien bilds ein Gemeinschaftsgefühl, eine gemeinsame Identität und einfache Erklärungsmuster für komplexe Sachverhalte. Das Kern narrativ dabei ist stets die Vorstellung einer geheimen jüdischen Weltverschwörung. Demnach sollen "die Juden" aus dem Hin tergrund heraus politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen, Entscheidungen und Ereignisse bestimmen, um, je nach Ausprägung, die Weltherrschaft in Form einer sogenann ten Neuen Weltordnung ("New World Order") zu übernehmen, die Weltbevölkerung zu versklaven oder die "weiße Rasse" - und vor allem das "deutsche Volk" - auszulöschen ("Umvolkung", "Bevöl kerungsaustausch"). Dazu sollen sie unter anderem ihre Kontrolle über "die Medien" und "die Politik", eine angeblich gezielt gesteu erte Einwanderung von Muslimen nach Europa oder auch die Coronapandemie benutzen. Die Coronapandemie stellt einen wesentlichen Faktor bei der Ver Faktor breitung von offenen oder chiffrierten antisemitischen Verschwö Coronapandemie rungstheorien dar. Beispielhaft sind hier unter anderem Narrative zu nennen, nach denen eine geheime Elite, welche in der Regel aus jüdischen oder als "jüdisch" klassifizierten Personenkreisen wie den Familien Rothschild und Rockefeller oder der "Hochfi nanz" bestehe, die Pandemie und die Impfungen zur Versklavung 16 Das Lagebild Antisemitismus ist unter www.verfassungsschutz.de abrufbar. 69 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS der Menschheit benutze. In Form des "Great Reset"17 hat sich mitt lerweile eine coronabezogene Verschwörungstheorie mit anti semitischen Versatzstücken etabliert, die in unterschiedlichen Spektren des Rechtsextremismus präsent ist. Zentrale Akteure seien neben dem Weltwirtschaftsforum auch der frühere US amerikanische Unternehmer Bill Gates und der jüdische Investor George Soros. Digitalisierung Der vergleichsweise anonyme Raum von SocialMediaPlattfor men, Foren und Messengerdiensten ermöglicht einen weitgehend unkontrollierten Austausch von antisemitischem und rechtsex tremistischem Gedankengut. Antisemitische Verschwörungsthe orien sind vor allem im Internet präsent und erfahren dort einen enormen, immer noch wachsenden Verbreitungsgrad. Durch ver schiedene Influencer in sozialen Medien werden zudem verstärkt antisemitische Inhalte - oftmals in codierter oder subtiler Form - auch bis in die Mitte der Gesellschaft getragen. Entsprechende Posts und Videos weisen Abrufzahlen von mehreren Hunderttau send auf und besitzen damit eine die rechtsextremistische Szene deutlich übersteigende Reichweite. Zudem wird Antisemitismus, gerade wenn er in verschwörungstheoretische Narrative eingebet tet ist, nicht nur von gefestigten Rechtsextremisten, sondern auch phänomenübergreifend und von nicht extremistischen Akteuren verbreitet. 7. Vernetzung und Radikalisierung der rechtsextremistischen Szene im Internet: die Siege18-Ideologie Die in den USA entstandene SiegeIdeologie gewinnt zunehmend auch in Deutschland an Bedeutung. Sie greift die ursprünglich 17 Das Narrativ des "Great Reset" behauptet, dass eine "globale Elite" in Politik und Wirtschaft eine globalisierte Diktatur anstrebe. Ursprünglich stammt die Formu lierung "Great Reset" von einer Initiative des Weltwirtschaftsforums, die insbeson dere auf ökonomische Reformen für mehr Nachhaltigkeit und soziale Partizipation setzt. 18 Siege (engl.): Belagerung. 70 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS antikapitalistische Theorie des Akzelerationismus19 auf und unterlegt sie mit rassistischen und nationalsozialistischen Ele menten. So soll in den Gesellschaften der westlichen Staaten durch gezielte terroristische Akte gegen Infrastruktur, Angehörige von Minderheiten und demokratische politische Führungsperso nen ein Bürgerkrieg ausgelöst werden, der zum Zusammenbruch des verhassten demokratischen Systems führen soll. Konfliktli nien bestehen aus der Sicht rechtsextremistischer Akzelerationis ten insbesondere zwischen der "weißen" Mehrheitsbevölkerung und ethnischen Minderheiten. Die Bezeichnung "Siege" geht zurück auf den gleichnamigen Titel einer Textsammlung des USamerikanischen Rechtsextremisten James Nolan Mason aus den 1980erJahren. Sie beinhaltet neben Masons ideologischen Grundlagen, wie Rassismus, Antisemitis mus oder der Theorie der vermeintlichen Überlegenheit der "wei ßen Rasse" ("White Supremacy"), auch detaillierte Beschreibun gen möglicher Anschlagsziele sowie Ausführungen zu operativen Vorbereitungen. Die Verbreitung von Masons Schrift wurde unter anderem maßgeblich von der ebenfalls in den USA im Jahr 2015 gegründeten "Atomwaffen Division" (AWD) vorangetrieben, die das SiegePhänomen zu einer Interneterscheinung entwickelte, die über diverse Chatgruppen mit Memes20, Videos und plakativen Symbolen auch optischen Wiedererkennungswert erlangte. Wenngleich die SiegeIdeologie ihren Schwerpunkt in den USA hat, gewinnt sie zunehmend auch in Deutschland zumeist junge radikalisierte Anhänger, die von Gruppierungen wie der AWD rekrutiert werden können. So werden auch in Deutschland immer wieder Einzelpersonen und Gruppierungen festgestellt, welche die SiegeIdeologie verbreiten. Zu nennen sind hier etwa Able ger internationaler Gruppierungen wie die "AWD Deutschland" (AWDD) und die "Feuerkrieg Division Deutschland" (FKDD). Dabei 19 Die Theorie des Akzelerationismus stellt auf eine Überwindung des Kapitalismus durch eine Beschleunigung (Akzeleration) der dem kapitalistischen System angeb lich inhärenten Widersprüche ab. Dabei stünden enormer technologischer Fort schritt und steigende Gewinne global operierender Unternehmen im Kontrast zu steigender sozialer Ungleichheit beziehungsweise sozialen Konflikten und unfähi gen nationalen Regierungen, die diese Probleme nicht lösen könnten. Die Verschär fung dieser Entwicklungen soll letztlich zum Sturz der bestehenden staatlichen beziehungsweise politischen Ordnung führen. 20 "Memes" sind oft eine Kombination aus Bild und Text, welche im Internet viral ver breitet werden. Meist beziehen sich "Memes" auf aktuelle Ereignisse oder bekannte Serien und Filme. 71 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS sorgt die zunächst verbale Radikalisierung im Internet durchaus auch für reales Gefährdungspotenzial. In Deutschland hat bereits mindestens ein Anhänger der FKDD konkrete Vorbereitungshandlungen für einen Anschlag getroffen: Der Mann wurde im Dezember 2020 wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach SS 89a StGB vor dem LG NürnbergFürth (Bayern) zu zwei Jahren Haft ohne Bewäh rung mit anschließender Führungsaufsicht verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig. Er hatte in einem FKDDForum Planungen zu einem Anschlag gepostet, mutmaßlich auf eine Synagoge oder eine Moschee. In seinem Urteil sah es das Gericht als erwiesen an, dass der Mann einen Anschlag bereits konkret geplant hatte. Der Fall des FKDDAnhängers zeigt zum einen, welche radikalisieren den Ausmaße ein andauernder Austausch über rechtsextremisti sche Gewaltfantasien im Internet annehmen kann. Zum anderen hebt er hervor, wie wichtig es ist, dass die Sicherheitsbehörden weiterhin intensiv die dynamischen Aktivitäten rechtsextremis tischer Akteure im virtuellen Raum beobachten, um ihnen entge genwirken zu können. Darüber hinaus ist die Verbreitung der SiegeIdeologie über Lan desgrenzen und Sprachräume hinaus beispielhaft für die dyna mische Internationalisierung rechtsterroristischer Inhalte und betont die Notwendigkeit einer internationalen Kooperation der Sicherheitsbehörden. IV. Rechtsextremistische Akteure der Neuen Rechten und Verdachtsfälle Das Netzwerk der Unter die Bezeichnung Neue Rechte wird ein informelles Netz Neuen Rechten werk von Gruppierungen, Einzelpersonen und Organisationen gefasst, in dem nationalkonservative bis rechtsextremistische Kräfte zusammenwirken, um anhand unterschiedlicher Stra tegien teilweise antiliberale und antidemokratische Positionen in Gesellschaft und Politik durchzusetzen. Hierfür werden par lamentarische und außerparlamentarische Bewegungen, meta politische Theoriebildung und Praxis - also die Einflussnahme auf den vorpolitischen Raum, die den Boden für die erfolgreiche politische Verwirklichung dieser antidemokratischen Positionen 72 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS bereiten soll - mit Protest und Demonstrationsinitiativen eng verzahnt. Die Akteure füllen innerhalb dieses Netzwerks unter schiedliche und teils komplementäre Funktionen und Rollen aus, die dem gemeinsamen Ziel einer "Kulturrevolution von rechts" dienen sollen und sich jeweils an unterschiedliche Zielgruppen richten. Rechtsextremistische Bezüge ergeben sich aus Verstö ßen gegen die Menschenwürde, das Rechtsstaats und/oder das Demokratieprinzip in unterschiedlicher Ausformung. Verschiedene Gruppierungen innerhalb der Neuen Rechten wer den als rechtsextremistische Verdachtsfälle beziehungsweise als gesichert rechtsextremistische Bestrebungen gegen die freiheitli che demokratische Grundordnung eingestuft. 1. "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) Die 2012 gegründete "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) sieht sich selbst als "außerparlamentarische patriotische Jugend bewegung" und ist mit regionalen Untergruppen bundesweit aktiv. Der IBD sind die Medienagentur "Okzident Media", das Finanzdienstleistungsunternehmen "Schanze Eins" sowie die hin ter dem IBDShop "Phalanx Europa" stehende Unternehmerge sellschaft "Kohorte" zuzurechnen. In der Vergangenheit nutzte die IBD intensiv soziale Medien zur Verbreitung von Berichten, Videos und Fotos ihrer Aktionen. Aufgrund von Verstößen gegen die Nutzungsrichtlinien erfolgten 2020 verstärkt Sperrungen ihrer Accounts durch die Anbieter großer, weltweit genutzter Social MediaPlattformen. Die IBD setzt nunmehr vor allem auf den Internetplattform Telegram, um die eigene Kommunikationsfä higkeit sicherzustellen. Mit etwa 500 Mitgliedern (2020: 575) ist die Mitgliederzahl 2021 weiterhin rückläufig. Die IBD bekennt sich zum Konzept des Ethnopluralismus, das auf Ideologie der Vorstellung einer staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung in einem ethnisch und kulturell homogenen Staat basiert. Diese ethnokulturelle Identität sieht die IBD durch den sogenannten Multikulturalismus bedroht, der durch eine behauptete unkon trollierte Massenzuwanderung zu einer Heterogenisierung der Gesellschaft führe. Ein zentrales Ideologieelement ist die auf Verschwörungstheorien basierende Idee des "Großen Austauschs", den die IBD als "schrittweisen Prozess, durch den die heimisch 73 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS angestammte Bevölkerung durch außereuropäische Einwanderer verdrängt und ausgetauscht wird"21, definiert. Die hinter dem Begriff des "Großen Austauschs" stehenden Konzepte und die damit verbundenen inhaltlichen Positionen der IBD sind nicht mit der in Artikel 1 Absatz 1 GG garantierten Menschenwürde vereinbar, da für die IBD allein die ethnische Herkunft maßgeb lich für die Zugehörigkeit zum deutschen Volk ist und den betrof fenen Minderheiten dadurch ein geringerer Wert zugestanden wird. Aktionen Der IBD gelang es im Berichtsjahr aufgrund der Coronapande mie sowie aufgrund ihrer abnehmenden Mitgliederzahlen nicht, öffentlichkeitswirksame Aktionen umzusetzen. In dem Bemü hen, ein breiteres, über das neurechte Spektrum hinausgehendes Publikum anzusprechen, setzte die IBD im Berichtsjahr verstärkt darauf, mit neuen und neutralen Symbolen ihre Urheberschaft nicht direkt zu offenbaren. So startete sie im Februar 2021 mit der Website "Rechtsklick", die optisch nicht sofort mit der IBD assozi iert werden kann und auf der zum Widerstand gegen die "Corona Zwangsmaßnahmen" aufgerufen wird, einen organisierten Ver such zur Instrumentalisierung der Coronapandemie. Im Kontext der Proteste gegen die CoronaSchutzmaßnahmen vertrat die IBD das verschwörungstheoretische Narrativ des "Great Reset"22. Im zweiten Halbjahr 2021 richtete die IBD den Fokus hingegen eher auf migrationsfeindliche Agitation. Angesichts der illegalen Migration über die belarussischpolnische Grenze berichtete die IBD seit Ende Oktober 2021 fortlaufend über eigene Aktionen im Grenzgebiet zu Polen und "Grenzgänge", die unter der Überschrift "Masseneinwanderung stoppen - Grenzen schützen" von Akti visten der IBD durchgeführt wurden. Zielsetzung der Aktivitäten sei unter anderem, "den medialen Fokus wieder auf den Großen Austausch zu lenken".23 Durch die "Grenzgänge" und deren medi ale Verbreitung bekräftigt die IBD die dem rechtsextremistischen Narrativ des "Großen Austauschs" zugrunde liegende Behauptung des Aussterbens der eigenen Kultur und benennt zugleich durch gängig ein Feindbild. Auf diese Weise forciert die IBD eine anhal tende Bedrohungsatmosphäre und geht damit über eine an sich zulässige Kritik an der Migrationspolitik der Bundesregierung hinaus. 21 Homepage IBD (17. November 2021). 22 Siehe Fußnote 17. 23 Videoportal YouTube (15. November 2021). 74 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Auch im Berichtsjahr gab es grenzüberschreitende Aktivitäten der IBD. So nahmen IBDAktivisten am 20. Februar 2021 in Paris an einer Demonstration gegen die drohende Auflösung der fran zösischen "Generation identitaire" teil. Die IBD unterhält zudem enge personelle und inhaltliche Beziehungen mit ihrem österrei chischen Pendant. Diese Verbindungen lassen sich exemplarisch anhand des im Juli 2021 vorgestellten "Hausprojekts"24 in Steyregg bei Linz (Österreich) aufzeigen, bei dem es sich um ein Projekt des IBDWirtschaftsunternehmens "Schanze Eins" handelt. Außer dem beteiligten sich am 31. Juli 2021 zahlreiche Aktivisten sowie auch Führungskader der IBD an einer Demonstration in Wien (Österreich), die sich gegen ein Verbot der öffentlichen Verwen dung und Verbreitung der Symbole der "Identitären Bewegung" wie das "Lambda"Zeichen in Österreich richtete. 2. "COMPACT-Magazin GmbH" Der mediale Gesamtauftritt der im Jahr 2010 gegründeten "COMPACTMagazin GmbH" (im Folgenden: "COMPACT") ist mittlerweile facettenreich. Hierzu zählen neben dem Haupt produkt, der seit Dezember 2010 herausgegebenen Monats zeitschrift "COMPACTMagazin"25, umfangreiche Onlineange bote wie die eigene Website, unter anderem der YouTubeKanal "COMPACTTV"26 sowie Präsenzen in den sozialen Medien. Mit der seit Anfang September 2021 von Montag bis Freitag ausgestrahlten Nachrichtensendung "COMPACT. Der Tag" erfolgte eine Ausweitung des Internetangebots. Darüber hi naus beteiligt sich "COMPACT" an Demonstrationen und führt eigene Aktionen und Kampagnen durch. So verfolgte die "COMPACTHerbstoffensive" im Vorfeld der Bundestagswahl das Ziel, politische Gegner zu diffamieren und Einfluss auf die Wahl entscheidung der Bürgerinnen und Bürger zu nehmen. Durch entsprechende Berichterstattung zum Bundestagswahlkampf, 24 Das "Hausprojekt" ähnelt dem 2017 gegründeten und 2019 wieder aufgelösten neu rechten Projekt "Flamberg" in Halle (SachsenAnhalt), das der IBD als Wohnraum und als Ort des politischen Austauschs, zum Knüpfen von Kontakten innerhalb der Neuen Rechten und zur Durchführung von Veranstaltungen diente. 25 Nach eigenen Angaben werden 40.000 Exemplare des "COMPACTMagazins" im Monat verkauft; zusätzlich werden zahlreiche Sonderhefte in mehreren Reihen zu bestimmten Themen veröffentlicht. 26 "COMPACTTV" hatte im Berichtsjahr circa 153.000 Abonnenten (Stand 26.12.2021). 75 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS aber auch mit Plakatierungsaktionen, wurden führende Politi kerinnen und Politiker Ziel von personifizierter Agitation und von Beleidigungen. Die Kampagne griff auch einen vermeintlich erneuten Lockdown zur Eindämmung der Coronapandemie auf, um durch eine Maßnahmenkritik eine grundsätzliche Ablehnung des demokratischen politischen Systems zum Ausdruck zu brin gen. Die Kosten der Kampagne sollen sich dabei auf einen hohen fünfstelligen Betrag belaufen haben. Nachdem im Jahr 2020 die Coronapandemie und die damit ver bundenen Schutzmaßnahmen die Berichterstattung dominiert hatten, publizierte "COMPACT" im Jahr 2021 wieder zu unter schiedlichen Themen. In der Gesamtsicht verbreitet "COMPACT" in seinen unterschiedlichen Publikationen regelmäßig antisemi tische, geschichtsrevisionistische und verschwörungstheoretische Inhalte. Ideologie Hauptmerkmal der verbreiteten Beiträge ist die Agitation gegen das politische System Deutschlands im Allgemeinen und gegen die Bundesregierung im Speziellen. "COMPACT" nutzt Verschwö rungstheorien wie den "Great Reset"27, um gegen staatstragende Institutionen und eine offene, pluralistische Gesellschaft zu agitieren. Dies geschieht unter Einsatz einer Widerstands und Revolutionsrhetorik, wenn beispielsweise "die Erstürmung eines Parlaments durch Demonstranten zur Initiierung einer Revo lution" als erstrebenswert propagiert wird.28 "COMPACT" trägt Positionen und Aussagen in die Öffentlichkeit, die als völkisch nationalistisch sowie minderheitenfeindlich zu bewerten sind. Zudem sind sie unverändert durch eine Verächtlichmachung und Verunglimpfung von politischen Parteien sowie von Repräsen tantinnen und Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland gekennzeichnet. Die Agitation gegen die Bundesregierung bringt dauerhaft eine grundsätzliche Ablehnung demokratischer bezie hungsweise demokratisch legitimierter Entscheidungsprozesse zum Ausdruck, sodass im Berichtsjahr die Hochstufung zur gesi chert rechtsextremistischen Bestrebung erfolgte. Verbindungen Die "COMPACTMagazin GmbH" ist mit rechtsextremisti schen Verdachtsfällen und mit gesichert rechtsextremistischen 27 Siehe Fußnote 17. 28 Homepage "COMPACTOnline" (8. Januar 2021). 76 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Bestrebungen gut vernetzt. Exemplarisch ist hier die enge Verbin dung zur IBD zu nennen. 3. Verdachtsfall "Ein Prozent e.V." Die Gruppierung "Ein Prozent" besteht seit Herbst 2015 und ist seit April 2016 ins Vereinsregister eingetragen. Der Verein hat seinen Sitz in Dresden (Sachsen)29 und ist lokal, überregional und bundesweit tätig. Dabei treibt er in intensiver finanzieller und ideeller Form die Unterstützung, Bewerbung und Förderung ver schiedener Organisationen, Gruppierungen und Einzelpersonen, insbesondere solcher der Neuen Rechten, voran und vernetzt sie miteinander, beispielsweise in Form von Spendenkampagnen und Videoformaten. Insgesamt wirkt der Verein als Dienstleister im vorpolitischen Raum. Das primäre Ziel von "Ein Prozent" ist die Erringung der kulturel len Hegemonie im vorpolitischen Raum und damit einhergehend die Schaffung einer entsprechenden "Gegenkultur". Darin ist die Implementierung einer szenetypischen Kultur zu verstehen, die der etablierten Kultur in Deutschland, insbesondere in Bezug auf vorherrschende Wertvorstellungen wie Pluralismus, diametral entgegengesetzt ist. Der Verein versucht, durch seine unterschied lichen Formate auf gesellschaftspolitische Auseinandersetzungen einzuwirken und aufgrund der Reichweite seines Onlineangebots und seiner Kampagnen Einfluss auf den öffentlichen Diskurs auszuüben. "Ein Prozent" verortet sich im sogenannten Widerstandsmilieu Ideologie und sieht sich als "organisatorischen Motor" in der Neuen Rech ten. Der Verein agiert entsprechend seinem Selbstverständnis als außerparlamentarischer Akteur, der zuerst den Diskurs in seinem Sinne umprägen will, um anschließend eine erhoffte politische Wende einleiten zu können. "Ein Prozent" hat eine migranten und muslimfeindliche ideolo gische Ausrichtung. So wird in den selbst produzierten Formaten, wie zum Beispiel Podcasts oder Kurzfilmen, etwa ein direkter 29 Auf seiner Website gibt der Verein Dresden als Sitz an. Laut Vereinsregister befindet sich der offizielle Sitz des Vereins seit dem Berichtsjahr aber in Görlitz (Sachsen). 77 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS kausaler Zusammenhang zwischen Zuwanderung und Kriminali tät hergestellt. Flüchtlingen aus arabischen Ländern wird grund sätzlich abgesprochen, legitime Gründe für ihre Flucht zu besit zen, und jegliche Migrationsbewegung als illegaler Akt dargestellt. Aktionen und "Ein Prozent" hat seit Ende 2015 seine Position innerhalb des Entwicklung Spektrums der Neuen Rechten gefestigt. Der Verein ist gut mit der IBD, der "COMPACTMagazin GmbH", dem "Institut für Staats politik" (Verdachtsfall) und dem "Verlag Antaios" (Verdachtsfall) vernetzt. Als Reaktion auf die Entfernung von "Ein Prozent" von kommerziellen Plattformen wurden verschiedene Formate auf der eigenen Onlinepräsenz sowie alternativen Videokanälen ver öffentlicht. Neu hinzukommende Videoformate30, Livestreams, die eigene Podcastreihe "Lagebesprechung", verschiedene Print produkte sowie die finanzielle Förderung und Bewerbung einer "identitären" Kunst und Musikszene wurden durch eigene pro minent beworbene Aktionen begleitet. So initiierte "Ein Prozent" im Zuge der Landtags und Bundestagswahlen 2021 "Wahlbeob achtungskampagnen", veröffentlichte eine Website zur Dokumen tation von "linker Kriminalität" und richtete einen "Solifonds" zur finanziellen Unterstützung von Einzelpersonen des neurech ten Spektrums ein. Das reichweitenstarke und etablierte Video format von "Ein Prozent", die Sendung "Laut gedacht", wurde im Berichtsjahr mit der Begründung eingestellt, dass sich die Mode ratoren vorrangig anderen Projekten widmen wollten. 4. Verdachtsfall "Institut für Staatspolitik" (IfS) Das "Institut für Staatspolitik" (IfS), das offiziell als "Verein für Staatspolitik e.V." organisiert ist, wurde im Jahr 2000 gegründet. Mitgründer Götz Kubitschek ist der prominenteste Repräsen tant des IfS. Sitz des Vereins ist der Ortsteil Schnellroda in der Gemeinde Steigra (SachsenAnhalt). Das IfS sieht sich als prägenden Ideen und Impulsgeber der Neuen Rechten und publiziert neben der Zeitschrift "Sezession" mehrere Buch und Schriftenreihen. Reichweite innerhalb der Neuen Rechten entfaltet insbesondere der Onlineblog "Sezession 30 Beispielsweise "Wir klären das!", "Kulturlabor" und "Wendezeiten". 78 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS im Netz". Darüber hinaus organisiert das IfS regelmäßig Veran staltungen, insbesondere auch mehrtägige "Akademien". Das IfS hält am Ethnopluralismus fest und untermauert seine Ideologie diesbezüglichen Positionierungen mitunter mit biologistischen Argumentationsmustern. Diese Ideologie negiert, dass gemäß Artikel 116 Absatz 1 GG ausschließlich die deutsche Staatsange hörigkeit und nicht eine ethnische Zuordnung das prinzipielle Anknüpfungsmerkmal für die Zugehörigkeit zum deutschen Volk darstellt. Durch eine Ausrichtung der Gesetze und Politik an ethnokulturellen Maßstäben würden auch Menschen mit Migra tionshintergrund zu Bürgerinnen und Bürgern zweiter Klasse degradiert, indem ihnen hierdurch bedeutet würde, eigentlich gehörten sie nicht zum deutschen Volk. Ein solches Konzept ist mit der Menschenwürde unvereinbar. Darüber hinaus finden sich beim IfS auch weiterhin geschichtsrevisionistische Positio nierungen, beispielsweise im Rahmen der vom IfS ausgetragenen Veranstaltungen. Vor dem Hintergrund der CoronaSchutzmaßnahmen musste Aktivitäten des IfS das IfS Veranstaltungen, die im Jahr 2020 noch unter Auflagen möglich waren, im Jahre 2021 zunächst absagen. Auch deswegen hat das IfS seine Aktivitäten durch PodcastFormate erweitert. Im Zuge der zeitweilig erfolgten Aufhebungen der Einschränkungen konnte das IfS im Sommer 2021 mit dem "Tag der offenen Tür" am 24. und 25. Juli 2021 in Kooperation mit dem "Verlag Antaios" (Verdachtsfall) sowie mit der Fortsetzung der eigenen Veranstal tungsreihe in Form einer "Sommerakademie" vom 17. bis 19. Sep tember 2021 zwei Veranstaltungen durchführen. Das IfS nimmt weiterhin eine zentrale Stellung und mittlerweile Verbindungen auch eine diskursbestimmende Rolle innerhalb der Neuen Rech ten ein. Dies zeigt sich insbesondere in der anhaltend hohen Popularität der Veranstaltungen des IfS, welche insbesondere von einer Teilnahme verschiedener Organisationen aus dem rechtsex tremistischen Spektrum und entsprechenden Vernetzungsaktivi täten geprägt sind. 79 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS 5. Verdachtsfall "Verlag Antaios" Der "Verlag Antaios" wurde im Jahr 2000 gegründet und bis zum Jahr 2012 unter dem Namen "Edition Antaios" geführt. Er hat seinen Sitz seit 2003 in Schnellroda (SachsenAnhalt), wo auch das IfS (Verdachtsfall) ansässig ist. Die Leitung liegt bei Kubitschek, der nicht nur Verlagsinhaber ist, sondern gleichzeitig Mitglied im Vorstand des IfS sowie Gründungsmitglied des Vereins "Ein Pro zent e.V." (Verdachtsfall). Die enge Verbindung zwischen dem "Ver lag Antaios" und dem IfS zeigen auch verschiedene Formate (z.B. Podcasts) und Veranstaltungen, bei denen beide als gemeinsame Organisatoren auftreten. Ideologie Zu den Autoren des Verlags zählen ehemalige und aktive Prota gonisten der "Identitären Bewegung" in Deutschland und Öster reich. Aufgrund dieser Verbindung fließen auch die verschiede nen ideologischen Positionen beziehungsweise Narrative dieser Akteure, zum Beispiel Ethnopluralismus, explizit oder implizit in die Veröffentlichungen des Verlags ein. Darüber hinaus enthalten Publikationen des Verlags geschichtsrevisionistische Inhalte, zum Beispiel verzerrt dargestellte Geschehnisse des Zweiten Weltkriegs bis hin zum Bestreiten der alleinigen deutschen Kriegsschuld. Bedeutung innerhalb Innerhalb der Neuen Rechten ist die Bedeutung des "Verlags der Neuen Rechten Antaios" in den letzten Jahren sukzessiv gestiegen. Er vernetzt und unterstützt rechtsextremistische Beobachtungsobjekte durch eine gezielte Veröffentlichung von Publikationen, deren Herausgeber und Autoren rechtsextremistische Akteure sind beziehungsweise Bezüge zum Rechtsextremismus aufweisen. 6. "PI-NEWS" Der im Jahr 2004 gegründete Weblog "PINEWS" ist eines der reichweitenstärksten rechtsextremistischen Onlinemedien in Deutschland. Zwar handelt es sich vor allem in ideologischer Hinsicht nicht um einen originären Vertreter der Neuen Rech ten, dennoch bietet "PINEWS" einer Vielzahl von Akteuren die ses Spektrums eine Plattform und verbreitet deren Inhalte. Die Abkürzung PI steht nach Angaben des Weblogs bewusst provo kativ für "Politically Incorrect". Vermutlich um die Verantwort lichkeit zu verschleiern, verzichtet "PINEWS" auf ein Impressum; 80 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS etwa die Hälfte der zum Teil aus bekannten Rechtsextremisten bestehenden Autorenschaft verwendet ein Pseudonym. Zudem verfügt "PINEWS" über einen Kommentarbereich, der den Ext remismusgehalt des eigentlichen Weblogs noch übersteigt. Seit Dezember 2020 ist "PINEWS" Beobachtungsobjekt des BfV. "PINEWS" ist geprägt von einer starken Islam und Muslimfeind Ideologie lichkeit und würdigt Menschen herab, die nach Auffassung der Autoren als "fremd" angesehen werden. Den Weblog kennzeich net ein ethnischhomogenes Volks und Gesellschaftsverständnis. Exemplarisch wurde dies in einem anlässlich der FußballEuropa meisterschaft 2021 veröffentlichten Beitrag deutlich: "Sieht man die Mannschaften der westeuropäischen Länder, einschließlich der deutschen Mannschaft, auf dem Platz einlaufen, wird man sofort an die Umvolkungspolitik in diesen Ländern erinnert. Man kann diesen Gedanken angesichts der zahllosen Araber, Türken und Schwarzafrikaner, die sich dort auf dem Rasen tummeln, gar nicht verdrängen. (...) [D]ie Umvolkung läuft sozusagen immer mit ins Stadion ein." (Homepage "PI-NEWS", 18. Juni 2021) Am 30. Januar 2021 wurde auf "PINEWS" anlässlich der Urteils Reaktion auf lebensverkündung gegen den Mörder des Kasseler Regierungspräsiden lange Haftstrafe ten Dr. Walter Lübcke vor dem OLG Frankfurt am Main (Hessen) für Mord an Walter ein Artikel eines langjährigen "PINEWS"Autoren veröffentlicht. Lübcke Der Verfasser gibt an, er werde nicht um Lübcke trauern und "empfinde keinerlei Mitgefühl". Zugleich stachelt er offen zum Hass auf das Mordopfer an: "Wir Einheimischen, denen das nicht passte, sollten gefälligst verschwinden und Hunderttausenden von undokumentierten Asylanten, Asylbetrügern und 'Flüchtlingen' Platz machen. Das ist ihm nicht rausgerutscht. Das war Lübckes Botschaft und sein Todesurteil. Wir treten nicht wie Bolschewisten und Kommunisten für Gewalt, Mord und Totschlag ein, aber wo steht, dass man Linke, auch wenn sie von der CDU sind, lieben, dass man für sie Gefühle entwickeln soll, dass man keinen hassen darf? (...) Seit wann ist Hass verboten und ein Verbrechen? Die Gedanken sind frei. Lebenslänglich." (Homepage "PI-NEWS", 30. Januar 2021) 81 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Coronapandemie Auch die Kritik an den staatlichen Infektionsschutzmaßnahmen gewann auf "PINEWS" im Verlauf der Coronapandemie zuneh mend an Bedeutung. Der Weblog griff dabei auch wiederkehrend die Verschwörungstheorie des "Great Reset"31 auf. Mit Warnungen vor einem "Impfterror", der Behauptung einer "CoronaDiktatur" oder der Bezeichnung staatlicher Maßnahmen als "Bürgerkriegs erklärung gegen Millionen Deutsche" nutzte "PINEWS" die Coro napandemie zur Delegitimierung des Staates. Vernetzung "PINEWS" unterhält zahlreiche Verbindungen zu rechtsextre mistischen Organisationen und Einzelpersonen, vor allem aus dem Kreis der Neuen Rechten, und wirkt wegen der beachtli chen Reichweite als Multiplikator. Der Weblog bewirbt unter anderem Videoformate der "COMPACTMagazin GmbH". Anfang Dezember 2021 beteiligten sich beide Organisationen an einem gemeinsamen Aufruf zu einer Demonstration, die sich gegen eine vermeintliche "ImpfDiktatur" im Kontext der Coronapandemie richtete. Darüber hinaus wirkt "PINEWS" ebenfalls seit Dezem ber 2021 zusammen mit anderen rechtsextremistischen Akteuren an einer multimedialen Kampagne gegen die CoronaSchutzimp fung mit. Bei Literaturempfehlungen verweist der Weblog regel mäßig auf den "Verlag Antaios" (Verdachtsfall) und unterhält eine eigene Rubrik zur "Identitären Bewegung", in der unter anderem Beiträge zu Aktivitäten der IBD veröffentlicht werden. Für den Verkauf von MerchandiseArtikeln kooperiert "PINEWS" mit dem IBDOnlineshop "Phalanx Europa" sowie mit dem Internet versandhandel "Politaufkleber", der von einem Rechtsextremisten aus Halle (SachsenAnhalt) betrieben wird. V. Rechtsextremistisches Parteienspektrum 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Auch im Jahr 2021 besaß die NPD trotz anhaltend rückläufiger Wählerstimmen immer noch Relevanz für die Binnenstruktur der rechtsextremistischen Szene. So rückte die Partei nach dem Angriff auf den Bundesvorsitzenden der "Jungen Nationalisten" 31 Siehe Fußnote 17. 82 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS (JN) Paul Rzehaczek im Frühjahr 2021 das Thema "Linksextremis mus" vermehrt in den Mittelpunkt ihrer Agitation. Die vonseiten des Parteipräsidiums als "AntifaTerrorwelle" bezeichnete Bedro hung durch mutmaßlich linksextremistische Übergriffe bewog die NPD unter anderem dazu, erneut den "Grundgedanken" ihrer bereits bekannten "Schutzzonen"Kampagne32 zu betonen, mit der Absicht, Parteimitglieder und andere potenzielle Opfer zu schützen: "Wenn der Staat nicht willens oder in der Lage ist, uns vor importierter oder linker Gewalt zu schützen, müssen wir dies eben selbst übernehmen!" (Homepage NPD, 3. Mai 2021) Eine von der Parteiführung erhoffte organisationsübergreifende Bündelung der Reaktionen der rechtsextremistischen Szene auf die Angriffe durch die Reaktivierung der "Schutzzonen"Kampa gne blieb allerdings aus, sodass man faktisch nicht über propagan distische Ansätze hinauskam. Die bereits seit längerer Zeit schwierige Lage der NPD hat sich 2021 weiter zugespitzt. Zum einen hatte sie mit einem deutlichen und kontinuierlichen Mitgliederschwund zu kämpfen. So sank die Mitgliederzahl auf etwa 3.150 (2020: 3.500). Zum anderen ist die NPD auch in der Wählergunst weiter zurückgefallen. Der bereits seit Jahren anhaltende Abwärtstrend bei Wahlen setzte sich auch im Jahr 2021 fort. Bei den Landtagswahlen in Baden Württemberg und RheinlandPfalz trat die NPD gar nicht erst an; in SachsenAnhalt erreichte sie nur noch 0,3 % (2016: 1,9 %). Die Wahlen der Landesparlamente in Berlin und MecklenburgVor pommern verliefen für die NPD ähnlich enttäuschend. In Meck lenburgVorpommern erreichte die Partei 0,8 % (2016: 3,0 %), die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus verlief mit nur 0,1 % der Zweitstimmen noch schlechter (2016: 0,6 %). Bei der zeitgleich stattfindenden Bundestagswahl erzielte sie ebenfalls ein Zweit stimmenergebnis von nur 0,1 % (2017: 0,4 %). 32 Bei der vom NPDBundesvorstand im Zuge der Bundestagswahl 2017 initiierten Kampagne "Schafft Schutzzonen!" wurden provokante Einzelaktionen durch geführt, bei denen die Partei Migrantinnen und Migranten als grundsätzlich ge fährliche Verbrecher diffamierte und punktuell durch die örtliche Präsenz ihrer Aktivisten vermeintlich verlorene Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger wie derherstellen wollte. 83 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Den Fokus ihrer Wahlkampfaktivitäten legte die NPD auf die Landtagswahlen in Berlin und MecklenburgVorpommern, wo sie sich die größten Chancen ausrechnete. So trat in Mecklen burgVorpommern der Parteivorsitzende Frank Franz selbst als Spitzenkandidat an. Dennoch verpasste die NPD auch hier die Hürde zur Teilhabe an der staatlichen Teilfinanzierung politischer Parteien33 deutlich. Die geringe Mobilisierungsfähigkeit der Anhänger, die kontinu ierlichen Wahlniederlagen und die anhaltend rückläufigen Mit gliederzahlen stellten die NPD bereits längere Zeit vor gravierende finanzielle Probleme, die sich 2021 noch verschärften. Durch die Wahlniederlagen verlor sie die Anspruchsgrundlage für die staat liche Teilfinanzierung der politischen Parteien. Bereits anteilig für das Jahr 2021 ausgezahlte Mittel muss die Partei zurückerstatten. Für die NPD bedeutet dies eine weitere Einengung ihrer Agita tionsmöglichkeiten. Außerdem sieht sich die Partei weiterhin mit dem durch die drei Verfassungsorgane Bundesrat, Bundestag und Bundesregierung eingereichten Antrag34 auf Ausschluss der NPD von der staatlichen Parteienfinanzierung konfrontiert. Das Verfahren ist weiterhin beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängig. Daneben wird die Partei durch den anhaltenden internen Konflikt um ihre Ausrichtung weiter geschwächt. Die 2019 vorgestellten Ideen für eine strategische Neuausrichtung der NPD wurden nur in Teilen umgesetzt. Obwohl die Partei gerade auch wegen der letzten Wahlniederlagen inneren Reformbedarf erkannt hat, erscheint eine zeitnahe Einigung auf einen gemeinsamen Kurs unwahrscheinlich, da die Konflikte innerhalb der Parteiführung zu groß sind. Ein Ende des personellen, finanziellen und struktu rellen Erosionsprozesses der NPD ist derzeit nicht erkennbar. 33 Diese Hürde liegt bei Landtagswahlen bei 1 % und bei Bundestagswahlen bei 0,5 % der Zweitstimmen. 34 Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 17. Januar 2017 im NPDVerbotsverfahren wurde von Bundestag und Bundesrat eine am 20. Juli 2017 in Kraft getretene Grundgesetzänderung verabschiedet, die nach Artikel 21 Absatz 3 GG in Verbindung mit SS 13 Nr. 2a sowie SSSS 43 ff. Bundesverfassungsgerichtsgesetz den Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der staatlichen Parteienfinan zierung ermöglicht. 84 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS 2. "DIE RECHTE" "DIE RECHTE" gliedert sich nach eigenen Angaben in neun Landesverbände.35 Die Organisationsstruktur der Partei in den einzelnen Bundesländern verändert sich allerdings häufig. Einige Kreis oder Landesverbände bestehen nur wenige Monate, werden inaktiv und gründen sich neu, ohne sich vorher formell aufgelöst zu haben. Einige Verbände bestehen zudem jahrelang nur nomi nell und entfalten nie Aktivitäten. Mittlerweile gehen nur noch von den Landesverbänden NordrheinWestfalen, Niedersach sen und Südwest, der die Länder RheinlandPfalz und Saarland umfasst, relevante Aktivitäten aus. Der Aktionsschwerpunkt der Partei liegt unverändert in NordrheinWestfalen. Am 22. August 2021 führte "DIE RECHTE" ihren 11. Bundespar Rückkehr Worch teitag durch. Der Parteigründer und vorherige Schatzmeister Christian Worch wurde von den Delegierten erneut zum Bun desvorsitzenden gewählt. Worch war im Oktober 2017 aufgrund interner Auseinandersetzungen überraschend vom Amt des Bun desvorsitzenden zurückgetreten, wurde dann aber ab 2019 als Schatzmeister wieder in die Bundesvorstandsarbeit einbezogen. Das bisherige Führungsduo aus NordrheinWestfalen trat nicht mehr an. Der Landesverband NordrheinWestfalen musste zudem meh rere Abgänge hochrangiger Parteifunktionäre verkraften. Unter anderem zogen zwei Dortmunder Führungsaktivisten 2021 nach Sachsen und haben sich aus der Parteiarbeit zurückgezogen. Die so entstandenen personellen Lücken innerhalb des Parteiapparats konnten bislang nicht geschlossen werden. Die schwierige Lage im wichtigsten Landesverband strahlt auch auf die Gesamtpartei aus. Größere Veranstaltungen konnten im Berichtsjahr nur sel ten durchgeführt werden. Die teilnehmerstärkste Demonstration fand am 9. Oktober 2021 in Dortmund (NordrheinWestfalen) statt: Es handelte sich um einen "Trauermarsch" für den verstor benen szeneprominenten Parteiaktivisten Siegfried Borchardt, an dem sich etwa 500 Szeneangehörige beteiligten. "DIE RECHTE" ist weiterhin bestrebt, die rechtlichen Anforde Landtagswahl 2022 in rungen an eine Partei zu erfüllen. Auch wenn die Aktivitäten Nordrhein-Westfalen 35 Homepage "DIE RECHTE" (30. Dezember 2021). 85 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS nachgelassen haben, unterhält sie nach wie vor eine partei typische Organisationsstruktur mit Bundesverband, Landesver bänden und Kreisverbänden. Zudem stellte der Landesverband NordrheinWestfalen im August 2021 für eine Teilnahme an der Landtagswahl am 15. Mai 2022 eine Kandidatenliste auf und traf eine Absprache mit dem nordrheinwestfälischen Landesverband der NPD, nach der diese nicht bei der Landtagswahl antreten würde. Kontakte ins Ausland "DIE RECHTE" unterhält auch Kontakte ins europäische Ausland. Bereits im April 2019 war in Sofia (Bulgarien) das rechtsextremis tische internationale Bündnis "Festung Europa" unter Beteiligung von Vertretern der Partei gegründet worden. Der internationalen Vernetzung dient auch die alljährliche Teilnahme von Partei mitgliedern an rechtsextremistischen Kundgebungen wie dem "LukovMarsch" in Sofia (Bulgarien) und dem "Tag der Ehre" in Budapest (Ungarn). Auch wenn die Coronapandemie eine Teil nahme im Berichtsjahr verhinderte, bestehen die Kontakte ins osteuropäische Ausland fort. So nahm eine "Delegation" der Partei unter Führung ihres "Auslandsbeauftragten" am 25. September 2021 an den Feierlichkeiten zum 20jährigen Bestehen des rechts extremistischen "Bulgarischen Nationalbunds"36 (BNS) teil. Eine "bulgarische Delegation" beteiligte sich wiederum am Trauer marsch für Borchardt und unterstrich damit die Verbundenheit der beiden Organisationen. 3. "Der III. Weg" Strukturausbau "Der III. Weg" setzte im Jahr 2021 seinen kontinuierlichen Struk turausbau vor allem in den östlichen Bundesländern fort. Die Par tei verfügt über etwa 20 regionale "Stützpunkte", die den Landes verbänden Bayern, Sachsen und West (Zusammenschluss für die Bundesländer Hessen, NordrheinWestfalen und RheinlandPfalz) sowie dem "Bereich Mitte" (bestehend aus Berlin, Brandenburg, SachsenAnhalt und Thüringen) zugeordnet sind. Im Berichts jahr gründete die Partei zwei neue "Stützpunkte" in Thüringen und SachsenAnhalt. Durch den strukturellen Auf und Ausbau ist auch im Jahr 2021 ein insgesamt geringfügiger Aufwärtstrend der Mitgliederzahlen zu verzeichnen. Auf dem Bundesparteitag 36 "Bulgarski Nationalen Sajuz". 86 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS am 13. November 2021 löste der bisherige stellvertretende Partei chef Matthias Fischer Klaus Armstroff als Parteivorsitzenden ab. Armstroff verbleibt als Stellvertreter in der Parteiführung. Die Partei dient nach wie vor als Auffangbecken für Personen, Dominierende die der neonazistischen Szene angehören und teilweise auch Themen Mitglieder verbotener Organisationen waren. "Der III. Weg" strebt eine Vorreiterrolle im neonationalsozialistischen Spektrum an und versucht gleichzeitig auch, durch öffentlichkeitswirksame Aktionen und soziale Aktivitäten Mitglieder und Akzeptanz in der gesellschaftlichen Mitte zu gewinnen. So führte die Partei im Berichtsjahr unter anderem ein Sommerferienprogramm für Kin der in ihrem "Partei und Bürgerbüro" in Plauen (Sachsen) durch. Auf diesem Weg will die Partei Kinder und Jugendliche in ihrem Sinne sozialisieren und gleichzeitig für Außenstehende das Bild einer "KümmererPartei" festigen.37 Anfang 2021 startete "Der III. Weg" die Kampagne "Freiheit statt CoronaImpfzwang".38 Damit knüpfte die Partei an die unter dem Motto "Das System ist gefährlicher als Corona!" geführten Pro testaktionen des Vorjahres an, verschob aber vordergründig den Fokus auf die Ablehnung eines vermeintlichen Impfzwangs. Die Partei erhoffte sich dadurch eine erhöhte Anschlussfähigkeit an die Proteste gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Coro napandemie. In der Öffentlichkeit erschöpfte sich die Kampagne anfangs weithin in Flugblattverteilungen. Abgesehen von einer einzigen eigenen Kundgebung unter dem Motto "Diese Politik ist gefährlicher als Corona! Zwangsmaßnahmen stoppen!" am 21. Februar 2021 in Plauen beteiligten sich Parteiangehörige vereinzelt noch an anderen Kundgebungen gegen die Pande miepolitik der Bundes und Landesregierungen, ohne diese aber nachhaltig beeinflussen oder Mobilisierungserfolge erzielen zu können. Erst im Dezember 2021 führte "Der III. Weg" wieder drei eigene Veranstaltungen in Wittstock/Dosse und Wittenberge (beide Brandenburg) durch und begann somit, sich selbst auch sichtbar - unter anderem durch die Nutzung offizieller Parteiklei dung und von Transparenten mit dem Parteilogo - an den Protes ten zu beteiligen. Eine dauerhafte erfolgreiche Beeinflussung des Protestgeschehens gelang der Partei dennoch nicht. 37 Homepage "Der III. Weg" (20. Juli 2021). 38 Homepage "Der III. Weg" (1. Januar 2021). 87 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Erstmals seit ihrer Gründung trat die Partei bei einer Bundes tagswahl an. Dies war notwendig geworden, um die rechtlichen Anforderungen des Parteiengesetzes (PartG) zu erfüllen und den Status als politische Partei zu sichern.39 Der Wahlantritt erfolgte mit Landeslisten in den Ländern Bayern und Sachsen sowie einem Direktkandidaten im sächsischen Vogtlandkreis. In beiden Ländern konnte die Partei ihre Ergebnisse zwar gegenüber der Europawahl von 2019 steigern, aber sie blieb mit einem Ergebnis von bundesweit 0,0 % ohne Bedeutung. Im Wahlkampf setzte "Der III. Weg" auf Provokation. So erreichte die Partei mit ihrer Plakatkampagne "Hängt die Grünen!" in Sachsen und Bayern - bei der sie sich vorgeblich auf die eige nen Parteifarben bezog, bewusst aber eine Assoziation zur Par tei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hervorrief - ein bundesweites Medienecho.40 Die Partei musste die Plakate letztlich auf gericht liche Anordnung hin entfernen.41 Mitte September 2021 veran staltete die Partei zudem in Würzburg (Bayern) eine Kundgebung nahe des Tatorts des tödlichen Messerangriffs eines somalischen Asylbewerbers am 25. Juni 2021. Dabei wurden drei mit Kunstblut befleckte Strohpuppen gezeigt, die die Opfer des Messerangriffs symbolisieren sollten. In direkter Nähe stellten die Veranstalter Porträts der Kandidierenden für das Kanzleramt von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit der Aufschrift "Schön bunt hier" auf. Dadurch versuchte die Partei, eine direkte Verantwor tung der sogenannten etablierten Parteien und ihrer Flüchtlings politik für die Tat zu suggerieren. Die Flutkatastrophe im Sommer 2021 wurde von der Partei genutzt, um die aus ihrer Sicht mangelhafte Hilfe des Staates zu kritisieren. So reisten Parteimitglieder ins Flutgebiet, um den Opfern Hilfe zu leisten. Die Hilfe im Flutgebiet wurde von der Partei dabei als "Dienst am Vaterland" bezeichnet und auf den parteieigenen Internetauftritten propagandistisch aufbereitet.42 39 Gemäß SS 2 Absatz 2 PartG verliert eine Vereinigung ihre Rechtsstellung als Partei, wenn sie sechs Jahre lang weder zu einer Bundes noch zu einer Landtagswahl an getreten ist. Zu einer solchen Wahl war "Der III. Weg" zuletzt bei der Landtagswahl 2016 in RheinlandPfalz angetreten. 40 Homepage "Der III. Weg" (11. September 2021). 41 Oberverwaltungsgericht (OVG) Bautzen, Beschluss vom 21.09.2021, 6 B 360/21. 42 Homepage "Der III. Weg" (6. August 2021). 88 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Im Oktober 2021 rief die Partei zu "Grenzgängen" an der deutsch polnischen Grenze auf, bei denen Parteimitglieder illegal einrei sende Migrantinnen und Migranten aufspüren wollten, um ein "zweites 2015" zu verhindern. Bei polizeilichen Kontrollen wur den dabei auch vereinzelt gefährliche Gegenstände sichergestellt. Erstmalig fand ein solcher "Grenzgang" in der Nacht vom 23. auf den 24. Oktober 2021 im Raum Guben (Brandenburg) statt. Dazu äußerte sich die Partei wie folgt: "Dieses Mal werden wir nicht tatenlos dabei zusehen, wie Millionen Fremde in unser Land strömen und in den Weiten der bereits stark überfremdeten Großstädte abtauchen." (Homepage "Der III. Weg", 20. Oktober 2021) 4. Anhänger des formal aufgelösten Personenzusammenschlusses "Der Flügel" innerhalb der Partei Alternative für Deutschland (AfD) - Verdachtsfall Hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte lassen auf Fortsetzungsaktivitäten von Anhängern des zum 30. April 2020 formal aufgelösten Personenzusammenschlusses "Der Flügel" auch im Jahre 2021 schließen. 5. Verdachtsfall "Junge Alternative für Deutschland" (JA) Die 2013 gegründete "Junge Alternative für Deutschland" (JA) ist die offizielle Jugendorganisation der AfD. Seit Januar 2019 ist die JA Beobachtungsobjekt (Verdachtsfall) des BfV. Nach der Neu gründung des niedersächsischen Landesverbands im April 2021 besteht sie aus 16 Landesverbänden und hat laut eigenen Angaben 1.600 Mitglieder. Die Verlautbarungen und die Programmatik der JA sind durch Ideologie einen ethnischkulturell geprägten Volksbegriff bestimmt. Sie verstoßen gegen die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes43 und stehen im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. 43 OVG BerlinBrandenburg, Beschluss vom 19.06.2020 - 1 S 55.20; VG Berlin, Be schluss vom 28.05.2020 - 1 L 95.20. 89 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS Daneben bestehen diffamierende Positionen gegen als "fremd" wahrgenommene Menschen, die offen artikuliert werden. Bei spielhaft dafür ist ein FacebookEintrag auf dem Profil des JABundesverbands, der auf die Vergewaltigung eines 15jährigen Mädchens in Hamburg Bezug nimmt: "[S]eit 2015 strömen tausende von integrationsunwilligen #Kulturfremden vor allem aus islamischen Kulturkreisen in unser Land. Sie bringen ihre frauenverachtenden Überzeugungen mit nach #Deutschland und schrecken vor Gewalt gegenüber #Frauen nicht zurück - wie sie es aus ihren Heimatländern gewohnt sind. Diese importierten Gewalttäter sind unkontrollierbar und tickende #Zeitbomben." (Facebook-Seite "Junge Alternative für Deutschland", 4. November 2021) Innerhalb der JA sind islamfeindliche Positionen verbreitet. So behauptete einer der stellvertretenden Bundesvorsitzenden in einem Tweet am 27. Juli 2021 die Existenz "kulturelle[r] Inkompa tibilitäten mit dem Islam". Die autochthone Bevölkerung müsse aus seiner Perspektive "Herr im Hause mit Mindesthomogenität bleiben".44 Im Kontext der anhaltenden Coronapandemie und der staatlichen Schutzmaßnahmen sind innerhalb der JA fortwährend Äußerun gen wie "CoronaTotalitarismus"45 und "Impftotalitarismus"46 zu finden, die das Demokratie und Rechtsstaatsprinzip verächtlich machen. Entwicklung Die Ergebnisse des JABundeskongresses im April 2021 in Volk marsen (Hessen) belegen den zunehmenden Einfluss des soge nannten solidarischpatriotischen Lagers.47 Zu einem von zwei Bundesvorsitzenden wurde ein Kandidat gewählt, der bereits durch seine stark ausgeprägte völkischnationalistische Haltung aufgefallen war. Die Neuwahl des Bundesvorstands wurde zwei Wochen nach dem Kongress durch Rücktrittsforderungen der 44 Kurznachrichtendienst Twitter, 27. Juli 2021. 45 Kurznachrichtendienst Twitter, 29. November 2021. 46 Kurznachrichtendienst Twitter, 2. Dezember 2021. 47 Mit "solidarischem Patriotismus" ist die Verknüpfung von sozialpolitischen mit na tionalistischen Positionen gemeint. Das entsprechende Lager innerhalb der JA steht für eine völkischnationalistische Ausrichtung und eine Vielzahl rechtsextremisti scher Bezüge. 90 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS AfDinternen "Arbeitsgruppe Verfassungsschutz" überschat tet. Aufgrund rassistischer Tweets, die laut der Arbeitsgruppe in mehrfacher Hinsicht gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verstoßen, forderte diese vom AfDBundesvor stand vor allem den Rücktritt des neu gewählten CoBundesvor sitzenden. Dieser verkündete schließlich am 3. Mai 2021 seinen Austritt aus der AfD. Im Zuge dessen gab er auch das Amt des CoBun desvorsitzenden in der JA auf. Auch nach seinem Rücktritt wird der Bundesvorstand weiterhin mehrheitlich vom sogenannten solidarischpatriotischen Lager dominiert. 91 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS VI. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Gründung: 1964 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: Frank Franz Mitglieder/Anhänger 3.150 (2020: 3.500) in Deutschland: Publikationen/Medien "Deutsche Stimme" (Magazin, (Auswahl): monatlich, Auflage: nicht bekannt) "DS-TV" (YouTube-Kanal), "Nationaldemokraten" (YouTube-Kanal) Bundesweit aktive 16 Landesverbände zzgl. Kreisund Gruppierungen Regionalverbände (Auswahl): "Junge Nationalisten" (JN; Jugendorganisation) "Deutsche Stimme Verlagsgesellschaft mbH" (DS Verlag) Die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) weist das ideologische Kernelement der Vorstellung einer ethnisch homogenen "Volksgemeinschaft" auf. Daraus folgt die Ablehnung von Menschen, die die Partei als fremd wahrnimmt. Sie werden pauschal mit Negativeigenschaften belegt und als Bedrohung diffamiert. Auch antisemitische Positionen sind in der Ideologie der NPD tief verwurzelt und gehen nicht selten mit der positiven Bezugnahme auf den Nationalsozialismus sowie geschichtsrevisionistischen Standpunkten einher. Die NPD agitiert außerdem gegen die bestehende politische Ordnung und strebt offen einen fundamentalen "Systemwechsel" in Deutschland an. 92 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS 1.1 "Junge Nationalisten" (JN) Gründung: 1969 Sitz: Riesa (Sachsen) Leitung/Vorsitz: Paul Rzehaczek Mitglieder/Anhänger 280 (2020: 280) in Deutschland: Die NPD-Jugendorganisation "Junge Nationalisten" (JN) gehört zu den größten rechtsextremistischen Jugendorganisationen in Deutschland. Sie organisiert sich über regionale "Stützpunkte" sowie über Landesund Gebietsverbände. Ein Schwerpunkt liegt dabei in Sachsen, Berlin und Brandenburg. Die JN verstehen sich als nationalistische, völkische und europaweit vernetzte Jugendbewegung. Die JN sind bemüht, Jugendliche und junge Erwachsene durch gemeinschaftsstiftende Aktivitäten und öffentliche Kampagnen anzusprechen und diese zu weltanschaulichen Vorkämpfern zu entwickeln. Dazu organisieren die JN regelmäßig Schulungen und Workshops. Ihren Wirkbereich sehen die JN dabei vor allem im vorpolitischen Raum, in dem sie eine rechtsextremistische Gegenkultur entwickeln wollen. Sie fungieren dadurch auch als Bindeglied zur nicht parteigebundenen rechtsextremistischen Szene. 93 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS 1.2 "Deutsche Stimme Verlagsgesellschaft mbH" (DS Verlag) Gründung: 1976 Sitz: Riesa (Sachsen) Leitung/Vorsitz: Peter Schreiber Publikationen/Medien u.a. "Deutsche Stimme" (Magazin, (Auswahl): monatlich, Auflage: nicht bekannt) Der DS Verlag bietet der NPD über einen eigenen Onlineshop die Möglichkeit, eigene Publikationen zu vertreiben. Als bedeutendstes Medium gilt das monatlich erscheinende Magazin "Deutsche Stimme". Dessen Autorenstamm setzt sich größtenteils aus Funktionären und Sympathisanten der NPD zusammen. Die veröffentlichten Artikel beschäftigen sich mit Aktionen der NPD. Zudem erscheinen dort regelmäßig Interviews mit Parteivertretern oder der NPD nahestehenden Personen. Seit April 2020 ist die ehemalige offizielle Parteizeitung frei im Handel erhältlich. Ziel der Reform ist es, einen breiteren Leserkreis zu erschließen und die politischen Standpunkte der NPD gesellschaftsfähig zu machen. 94 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS 2. "DIE RECHTE" Gründung: 2012 Sitz: Dortmund (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Sascha Krolzig und Sven Skoda (bis 22. August 2021) Christian Worch (seit 22. August 2021) Mitglieder/Anhänger 500 (2020: 550) in Deutschland: Teil-/Neben- 9 Landesverbände (Baden-Würtorganisationen: temberg, Bayern, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und "Südwest", der die Bundesländer RheinlandPfalz und Saarland umfasst). Die Partei "DIE RECHTE" propagiert ein rechtsextremistisches Weltbild, agitiert in rassistischer Weise gegen Zugewanderte und verbreitet geschichtsrevisionistische und antisemitische Positionen. Ein fundamentaler "Systemwechsel" in Deutschland ist ihr politisches Ziel, Parlamentarismus und Demokratie werden grundlegend abgelehnt. Zahlreiche Propagandaaktionen dienen offensichtlich nur der Provokation des politischen Gegners und der Polizei. Seit ihrer Gründung ist "DIE RECHTE" ein Auffangbecken für Neonazis, unter anderem aus zuvor verbotenen rechtsextremistischen Gruppierungen. Die Grenzen zwischen Parteianhängern und lokalen Neonazi-Strukturen verwischen regelmäßig. Der Parteistatus wird in erster Linie als Schutz gegen sicherheitsbehördliche und vereinsrechtliche Maßnahmen missbraucht. 95 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS 3. "Der III. Weg" Gründung: 2013 Sitz: Weidenthal (Rheinland-Pfalz) Leitung/Vorsitz: Klaus Armstroff (bis 13. November 2021) Matthias Fischer (seit 13. November 2021) Mitglieder/Anhänger 650 Vollund Fördermitglieder in Deutschland: (2020: 600) Teil-/Neben- 3 Landes(bzw. Gebiets-) und ca. organisationen: 20 Regionalverbände ("Stützpunkte") Die ideologischen Aussagen der Partei "Der III. Weg" sind nationalsozialistisch, antisemitisch und rassistisch geprägt. In ihrem "10-Punkte-Programm" propagiert die Partei unter anderem die Schaffung eines "Deutschen Sozialismus" sowie die Entwicklung und Erhaltung der "biologischen Substanz des Volkes". Die fundamental ablehnende Haltung der Partei gegenüber dem demokratischen Rechtsstaat kommt in ihrer politischen Agitation deutlich zum Ausdruck, insbesondere bei den mit aggressiver Rhetorik vorgetragenen Themen Asyl und Zuwanderung. "Der III. Weg" inszeniert sich als weltanschauliche Avantgarde und ist bemüht, das Ideal einer "Volksgemeinschaft" durch soziale Initiativen zu fundieren. 96 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS 4. "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) Gründung: 2012 Sitz: Paderborn (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Philip Thaler (Bundesleiter und Vorstand des e.V.) Mitglieder/Anhänger 500 (2020: 575) in Deutschland: Bundesweit aktive bundesweite Strukturen mit RegionalGruppierungen und Ortsgruppen (Auswahl): "Okzident Media UG" "Schanze Eins UG & Co. KG" "Kohorte UG" (Onlineshop "Phalanx Europa") Die "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) versteht sich selbst als Teil einer "europaweiten patriotischen Jugendbewegung, die mittels friedlichem Aktionismus, politischer Bildungsarbeit sowie gemeinschaftlicher und kultureller Aktivitäten für die Werte Heimat, Freiheit und Tradition einsteht". Die tatsächlichen inhaltlichen Positionen der IBD sind allerdings nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Die IBD zielt letztlich darauf ab, Menschen mit außereuropäischer Herkunft von demokratischer Teilhabe auszuschließen und sie in einer ihre Menschenwürde verletzenden Weise zu diskriminieren. Menschen ohne gleiche ethnische Voraussetzungen können aus Sicht der IBD niemals Teil einer gemeinsamen Kultur sein. Für die IBD existiert Kultur nur in einer dauerhaften Verknüpfung mit einer Ethnie (Ethnopluralismus). Dies zeigt sich unter anderem in Aktionen und Kampagnen gegen einen angeblichen "Großen Austausch". Die europaweite Vernetzung äußert sich durch grenzüberschreitende gemeinsame Aktionen. 97 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS 5. "COMPACT-Magazin GmbH" Gründung: 2010 Leitung/Vorsitz: Jürgen Elsässer Publikationen/Medien "COMPACT-Magazin" (Zeitschrift, (Auswahl): monatlich, verkaufte Auflage nach eigenen Angaben: ca. 40.000) https://www.compact-online.de https://tv.compact-online.de "COMPACTTV" (YouTube-Kanal, ca. 153.000 Abonnenten) Die "COMPACT-Magazin GmbH" tritt vielfältig auf: Sie veröffentlicht das "COMPACT-Magazin", organisiert Veranstaltungen und hat insbesondere umfangreiche Onlineangebote. "COMPACT" verortet sich selbst im sogenannten Widerstandsmilieu und wird auch von anderen Akteuren der Neuen Rechten als Teil dieses Spektrums wahrgenommen. In den verschiedenen Formaten nimmt die "COMPACT-Magazin GmbH" insbesondere bei den Themen Migration, Terrorismus, Parteiendemokratie und fortdauernd seit 2020 in Bezug auf die Coronapandemie verschiedene verschwörungsideologische Positionen ein. Dabei bedient sich die "COMPACT-Magazin GmbH" einer Widerstandsund Revolutionsrhetorik, etwa indem sie die Bundesregierung als zu stürzendes "Regime" darstellt. Menschen mit Migrationshintergrund und Personen muslimischen Glaubens werden diskriminiert. Geschichtsrevisionistische Inhalte und antisemitisch konnotierte Verschwörungstheorien ergänzen die Agenda der "COMPACT-Magazin GmbH". 98 RECHTSEXTREMISMUS/RECHTSEXTREMISTISCHER TERRORISMUS 6. "PI-NEWS" Gründung: 2004 Publikationen/Medien u.a. "PI-NEWS" (Weblog) (Auswahl): Der Weblog "PI-NEWS" wurde 2004 gegründet. "PI-NEWS" kennzeichnet neben einer starken Islamund Muslimfeindlichkeit die Herabwürdigung von Menschen, die als "fremd" wahrgenommen werden, sowie ein ethnisch-homogenes Volksund Gesellschaftsverständnis. Ideologischer Kern ist die Überzeugung von einer "Islamisierung" und "Umvolkung" Deutschlands. Zudem wird auf "PINEWS" mit seiner beträchtlichen Reichweite Werbung für andere extremistische Organisationen betrieben. Insbesondere Migrantinnen und Migranten muslimischen Glaubens werden von "PI-NEWS" als kriminell, aggressiv, triebgesteuert und gefährlich dargestellt. 99 100 "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" I. Überblick Definition "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" sind Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit un terschiedlichen Begründungen - unter anderem unter Berufung auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht - die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssys tem ablehnen, den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation absprechen oder sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend definieren und deshalb die Besorgnis be steht, dass sie Verstöße gegen die Rechtsordnung begehen. Charakteristisch für die Szene ist ihre personelle, organisatorische und ideologische Heterogenität. Ihre Angehörigen agieren - sofern es sich nicht um Einzelpersonen ohne strukturelle Einbindung handelt - in Kleinst und Kleingruppierungen, überregional täti gen Personenzusammenschlüssen und virtuellen Netzwerken. Zwischen "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" fällt eine trennscharfe Unterscheidung schwer. "Reichsbürger" lehnen die Bundesrepublik Deutschland unter Berufung auf ein wie auch immer geartetes "Deutsches Reich" ab. "Selbstverwalter" hingegen fühlen sich dem Staat gänzlich nicht zugehörig. Sie behaupten, sie könnten durch eine Erklärung aus dem Staat austreten und seien deshalb nicht an dessen Gesetze gebunden. Oftmals berufen sie sich auf eine UNResolution48, die es angeblich ermögliche, aus der Bundesrepublik Deutschland aus und in eine "Selbstverwal tung" einzutreten. Manche markieren ihr Wohnanwesen zum Bei spiel durch Grenzziehungen, Schilder und Wappen, um ihren an geblich souveränen Verwaltungsraum zu kennzeichnen. Mitunter wird dieser unter Berufung auf ein Widerstandsrecht gewaltsam verteidigt. In ihrer Gesamtheit ist die Szene der "Reichsbürger" und "Selbst verwalter" als staats und verfassungsfeindlich gegenüber (der 48 UNResolution A/RES/56/83. "Selbstverwalter" gehen irrig davon aus, dass diese die Möglichkeit eröffne, eigene "Territorien" zu errichten. Bei der Resolution handelt es sich jedoch nicht um bindendes Völkervertragsrecht, daher kann ein Recht auf "Selbstverwaltung" daraus nicht abgeleitet werden. 102 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" staatlichen Rechtsordnung) der Bundesrepublik Deutschland ein zustufen. Beim Thema Gebiets und Geschichtsrevisionismus, bei völkischem und teilweise nationalsozialistischem Gedankengut sowie beim Antisemitismus finden sich ideologische Überschnei dungen zur rechtsextremistischen Szene. Deutschlandweit waren der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" Personenpotenzial Szene im Jahr 2021 etwa 21.000 Personen (2020: 20.000) zuzurech nen. Der Anteil derer, die zugleich als Angehörige des rechtsex tremistischen Spektrums einzuordnen sind, beläuft sich dabei auf mehr als fünf Prozent (2021: 1.150; 2020: 1.000). Das gewaltorientierte Personenpotenzial der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" ist mit 2.100 (2020: 2.000) zu beziffern. Dazu zäh len gewalttätige Szeneangehörige sowie Personen, die beispiels weise durch Drohungen oder gewaltbefürwortende Äußerungen und entsprechende ideologische Bezüge auffallen. 1. Entwicklungstendenzen Das Personenpotenzial ist im Vergleich zum Vorjahr erneut an gestiegen. Dieser Anstieg ist vor allem auf die Proteste gegen die staatlichen CoronaSchutzmaßnahmen zurückzuführen, die eine erhöhte Dynamik und Aktivität in Teilen der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter"Szene zur Folge hatten. Die Pandemie wird fort während zur Verbreitung von Propaganda und Desinformation im Internet genutzt. Zudem beteiligen sich "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" an den Demonstrationen gegen die staatlichen CoronaSchutzmaßnahmen, ohne dabei prägend in Erscheinung zu treten. Eine besondere Ablehnung gilt den CoronaSchutzmaßnahmen "Reichsbürger"an Schulen, die seitens der Szeneangehörigen als körperliche oder Schulprojekte seelische "Misshandlung" von Kindern diffamiert werden. Mit ei ner Agitation zugunsten des vermeintlichen Kindeswohls gelang es mitunter, auch Personen außerhalb der Szene gegen die Schutz maßnahmen zu mobilisieren. Im Internet wurde dazu aufgerufen, konventionelle Schulen nach dem Ende der Sommerferien 2021 zu boykottieren. Alternativ planten Teile des "Reichsbürger" und "Selbstverwalter"Spektrums, wie die Gruppierungen "Bismarcks Erben" und "Verfassunggebende Versammlung", die Etablierung 103 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" eines selbst organisierten "Unterrichts", zum Beispiel anhand von Schulbüchern aus der Zeit des Deutschen Kaiserreichs sowie eines eigens ausgearbeiteten Lehrplans.49 Ende September 2021 schlos sen die Behörden im Landkreis Rosenheim (Bayern) eine nicht ge nehmigte, der "Reichsbürger"Szene zuzurechnende Schule. Antisemitismus Einige "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" sowie einzelne Grup pierungen vertreten antisemitische Ansichten. Aufgrund der Heterogenität der Szene ergibt sich allerdings kein einheitlicher Befund. So setzt etwa die zentrale Akteurin der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter"Vereinigung "Geeinte deutsche Völker und Stämme" (GdVuSt) auch nach deren Verbot im März 2020 ihre anti semitische Agitation fort. In einem von ihr zustimmend kommen tierten Beitrag unter der Überschrift "Kein Eigenthum für Juden!" werden Personen jüdischen und islamischen Glaubens die Grund rechtsfähigkeit als solche und das Recht auf Eigentum im Speziel len abgesprochen.50 Auch ein maßgeblicher Funktionär der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter"Gruppierung "staatenlos.info" vermutet eine jü dische Verschwörung. Bezüglich des israelischpalästinensischen Konflikts kommentiert er: "Wo kommen diese Kriegswaffen her, die dann eingesetzt werden, um die große Kriegsmaschinerie anzuwerfen, damit die armen Menschen, die Zivilisten, die Palästinenser und natürlich auch israelische Zivilisten [...] getötet werden und schwer verletzt werden und kaputt geschlagen werden und im Hintergrund sich wieder Rothschild in die Schenkel patscht [...]. Und alles, hinter allem steckt natürlich die Hochfinanz Rothschild [...]." (Sprachnachricht auf dem Internetplattform Telegram, 16. Mai 2021) 2. Erscheinungsformen Zur Erreichung ihrer Ziele gehen Szeneangehörige sehr unter schiedlich vor. Weit verbreitet ist die bewusste Provokation, um 49 Vgl. u. a. TelegramKanal "Eltern für ihre Kinder" (1. Juli 2021). 50 Vgl. Telegram (2. Oktober 2021). 104 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" behördliche und rechtsstaatliche Abläufe zu stören. Hierbei suchen sie die unmittelbare Konfrontation mit Beschäftigten in Behör den - bis hin zu aktivem physischem Widerstand gegen die Durch setzung staatlicher Maßnahmen. Verbreitete Strategie bleibt zudem weiterhin die "Vielschreiberei". Ausgewählte Dabei verfassen "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" oft aus Aktivitäten ufernde Schreiben an Behörden, die nur schwer nachvollziehbare Argumente und Behauptungen sowie abwegige Rechtsauffassun gen beinhalten. Die Ausführungen reichen dabei von der einfachen Ablehnung behördlichen Handelns bis hin zu Erpressungen, Belei digungen oder Nötigungen, teilweise mit Gewaltandrohungen. Das Internet - hier insbesondere soziale Netzwerke - wird weiter Aufbau eines hin intensiv genutzt. So verstärkt die "Reichsbürger"Gruppierung Nachrichtenformats "Bismarcks Erben" ihre Präsenz im virtuellen Raum. Hierzu gehört der Versuch, ein eigenes Nachrichtenformat zu etablieren. Im De zember 2020 verkündete der "Vaterländische Hilfsdienst" (VHD), eine Untergliederung von "Bismarcks Erben", den Start des als "In formationsjournal" bezeichneten Formats "VHD Aktuell" auf dem eigenen YouTubeKanal "VHD1" und veröffentlichte am 16. De zember 2020 die erste Ausgabe. Im Berichtsjahr erschienen acht weitere Ausgaben, die durch schnittlich etwa 2.000 Mal abgerufen wurden. Inhaltlich be fassen sie sich primär mit Meldungen über Aktivitäten des VHD. Eine Kommentierung tagespolitischer Ereignisse findet nicht statt. Das Format ist in seiner Aufmachung stark an her kömmliche Fernsehnachrichtenmagazine angelehnt und wirkt professionell produziert. Um im Falle einer Löschung durch YouTube weiterhin erreichbar zu sein, wurde durch den VHD eine eigene Website eingerichtet, auf der die Videos zusätzlich hochge laden werden. Etliche "Reichsbürger" sind der Ansicht, dass es sich bei der Bun Propagierung des desrepublik Deutschland nicht um einen legitimen und souverä Kaiserreichs nen Staat handelt. Teile des Spektrums behaupten, dass das Deut sche Kaiserreich fortbestehe und dessen Verfassung weiterhin Gültigkeit besitze. Mit Berufung auf diese Reichsverfassung for dern sie, den Ururenkel des 1918 abgedankten Kaisers Wilhelm II. als Deutschen Kaiser einzusetzen. Anlässlich seines 45. Geburts tages zogen im Juni 2021 rund 100 Personen aus dem Spektrum 105 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" der "Reichsbürger" unter anderem mit Reichsflaggen und Reichs kriegsflaggen bis vor den Eingang der Burg Hohenzollern in BadenWürttemberg, um dem "obersten Souverän" zu gratulieren. Einnahmen Von besonderer Bedeutung sind auch weiterhin Aktivitäten, mit denen "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" von anderen Szene angehörigen teils erhebliche Einnahmen erzielen. Die "Selbstverwalter"Gruppierung "Königreich Deutschland" (KRD) suggeriert ihrer Anhängerschaft, sie könnten sich durch ei nen mit Kosten verbundenen "Übertritt" zum KRD von der Steuer pflicht befreien. Mittels der sogenannten Gemeinwohlkasse (GK) nimmt das KRD erhebliche Geldsummen ein. Ihrer Website zufol ge steht sie für ein "neues, dauerhaft stabiles, unabhängiges und zinsfreies Geld und Finanzwesen zum Wohle der Menschen"51. Mithilfe einer "Rendite bringenden Beteiligung" würden Anlege rinnen und Anleger Projekte des KRD im Sinne des "Gemeinwohls" fördern. Den einzahlenden "Bankkundinnen und kunden" wird aber kein Rückzahlungsanspruch eingeräumt. Den Betreibenden der "Gemeinwohlkassen" in Ulm (BadenWürt temberg), Dresden (Sachsen), Wittenberg (SachsenAnhalt) und Menden (NordrheinWestfalen) untersagte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Jahr 2021 die Anbah nung, den Abschluss und die Abwicklung der unerlaubten Bank und Versicherungsgeschäfte. Aktivitäten Die GdVuSt setzt ihre Aktivitäten trotz des im März 2020 erfolgten der GdVuSt Verbots fort. So bietet die Hauptprotagonistin weiterhin kosten pflichtige Seminare an. Außerdem wurden zahlreiche Schreiben an Behörden bekannt, in denen sie im Namen der GdVuSt die "Er hebung naturstaatlicher Landschaften"52 proklamiert. Adressiert wurden die Schreiben unter anderem an das Bundesministerium des Innern und für Heimat, das Bundeskanzleramt und diverse Landesregierungen. Den Schreiben sind regelmäßig "Beglaubigungen" von fiktiven Anwaltskanzleien beigefügt, die angeblich durch das "Höchste Ge richt" der GdVuSt - eine Fantasiebehörde - "zugelassen" seien. Mit 51 Homepage Gemeinwohlkasse (8. Oktober 2021). 52 Gemeint ist hiermit die Deklarierung zu einem Gebiet, in dem die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht gültig sein soll. 106 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" diesem Vorgehen versucht die Gruppierung, den Eindruck einer legitimierten Verwaltung zu vermitteln. Die GdVuSt setzt bei der Verbreitung ihrer Ideologie überwiegend auf den Internetplattform Telegram und erreicht so einen größe ren Kreis von Empfängerinnen und Empfängern. In einzelnen Bei trägen wird der verbotsbegründende drastische Antisemitismus der GdVuSt weiterhin offen propagiert. Die Ideologie der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" ist unver "Reichsbürger" im einbar mit den arbeits und beamtenrechtlichen Pflichten öffent öffentlichen Dienst lich Bediensteter, für die freiheitliche demokratische Grundord nung einzutreten. Im Berichtsjahr wurden verschiedene dienst und arbeitsrechtli che Maßnahmen gegen Beamtinnen und Beamte des Bundes er griffen, die im Zusammenhang mit einer möglichen Zuordnung zur "Reichsbürger" und "Selbstverwalter"Szene stehen. So hat das Bundesverwaltungsgericht53 im Jahr 2021 geurteilt, dass ein Mitarbeiter einer Bundesbehörde durch sein Verhalten die im Bundesbeamtengesetz festgeschriebene Verfassungstreue in schwerwiegender Weise verletzte. Dies führte schließlich zu einer Entfernung des Beamten aus dem Dienstverhältnis. Hintergrund war, dass der Mitarbeiter einen Staatsangehörigkeitsausweis mit szenetypischer Begründung (Geburtsstaat "Königreich Bayern") und unter Bezugnahme auf das "Reichs und Staatsangehörigkeits gesetz" (RuStAG) von 1913 beantragt hatte. Auf Grundlage dieser Vorgehensweise eröffnete die Beschäftigungsbehörde ein Diszi plinarverfahren gegen den Mitarbeiter. Im Rahmen einer Durch suchungsmaßnahme konnte zudem festgestellt werden, dass der Mitarbeiter sich ausgiebig mit dem Urteil des Bundesverfassungs gerichts von 1973 zum Grundlagenvertrag zwischen der Bundesre publik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik befasst hat, welches in der Szene für die angebliche Nichtexistenz der Bundesrepublik fehlgedeutet wird. 53 BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 2021 - 2 A 7.21. 107 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" II. Gefährdungspotenzial Das in der Szene der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" beste hende hohe Gewaltpotenzial zeigt sich häufig im Rahmen des Wi derstands gegen staatliche Maßnahmen. So fand am 9. September 2021 bei einem "Reichsbürger" in Linden (Hessen) wegen Betrugs verdachts eine Hausdurchsuchung statt. Im Zuge der Durchsu chungsmaßnahme schoss der Tatverdächtige mit einer Armbrust auf die Polizeikräfte. Die Propagierung von Gewalt und Waffeneinsatz ist ein häufiges Phänomen innerhalb der Szene. Am 9. August 2021 wurde auf ei nem YouTubeKanal ein Gespräch mit der GdVuStHauptprotago nistin und dem Autor eines in der "Reichsbürger"Szene verbrei teten Buches veröffentlicht. Darin stimmen die Teilnehmenden überein, dass die Bundesrepublik Deutschland kein legitimer Staat und jede Tätigkeit des "BRDSystems" sofort einzustellen sei. In diesem Kontext rechtfertigt der Szeneautor die Tötung von Politi kern durch eine angebliche Pflicht zum Widerstand: "Wenn ich die Merkel morgen erschieße, es gibt kein Gericht (...), was mich dafür irgendwie belangen könnte (...). Als Staatsangehöriger habe ich jedes Recht und jede Pflicht, dem BRDSystem den maximal möglichen Widerstand entgegenzubringen, und das schließt natürlich auch sowas mit ein. Also die Drahtzieher des BRD-Systems im Zweifelsfall auch zu erschießen. Wo ist das Problem?" (Videoportal YouTube, 9. August 2021) VerschwörungsDie Anhängerschaft der Verschwörungstheorie S.H.A.E.F. bezieht ideologie S.H.A.E.F. sich auf Gesetze der sogenannten Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force54 (S.H.A.E.F.) und behauptet, S.H.A.E.F. sei die legitime Verwaltungsadministration Deutschlands. Dieses szene typische Narrativ wurde im Berichtsjahr zunehmend verbreitet. S.H.A.E.F. übte während des Zweiten Weltkriegs das Oberkom mando über die alliierten Streitkräfte in Europa aus und wurde nach Kriegsende aufgelöst. Im Kern behaupten Sympathisierende dieser Verschwörungsideologie, dass Deutschland immer noch ein besetzter Staat sei, der unter Militärverwaltung stehe. Daher erken nen sie weder die gültige Rechtsordnung noch die Regierung und 54 "Oberstes Hauptquartier der Alliierten Expeditionsstreitkräfte". 108 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland an. Hierzu heißt es beispielsweise in einer im Oktober 2021 im Internet veröffentlich ten Bekanntmachung: "KEIN sogenannter *Beamter* hat hier irgendwelche HOHEITSRECHTE und ist privat haftbar!" (Homepage S.H.A.E.F., 31. Oktober 2021). Im Rahmen eines bundesweiten Aktionstages zur Bekämpfung von Hasspostings am 1. Dezember 2021 wurde der mit einem Haft befehl gesuchte "Commander S.H.A.E.F." nach einem Hinweis des BfV verhaftet. In der fiktiven Funktion als "Oberkommandeur" des S.H.A.E.F. erteilte er "militärische Befehle" an das von der Bundes regierung angeblich unterdrückte deutsche Volk. Über verschiede ne TelegramKanäle sprach er zahlreiche "Todesurteile" gegen ver schiedene Personen, unter anderem Politikerinnen und Politiker sowie Medienvertreterinnen und vertreter, aus. Dritte verbreiten diese "Todesurteile" weiter. Das Gefährdungspotenzial durch die Waffenaffinität besteht fort. Waffenaffinität Bis Ende 2021 kam es zu Entziehungen waffenrechtlicher Erlaub nisse bei mindestens 1.050 "Reichsbürgern" und "Selbstverwal tern". Etwa 500 Personen verfügen nach wie vor über mindestens eine waffenrechtliche Erlaubnis. Am 4. November 2021 vollstreckte die Polizei in Duisburg (Nord rheinWestfalen) Durchsuchungsbeschlüsse zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung bei zwei Angehörigen der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter"Szene. Die beiden Beschuldigten hatten im Internet einen Einzelhändler aus Fulda (Hessen) mit dem Tode bedroht. Bei der Durchsuchung stellte die Polizei unter anderem 2.000 Schuss Munition, diverse zugriffsbereite legale Schusswaffen, eine unscharfe Handgranate sowie eine Vielzahl von Stichwaffen sicher. Einer der Beschuldigten war zum Zeitpunkt der Durchsu chungsmaßnahme im Besitz einer StandardWaffenbesitzkarte, einer Sportschützenwaffenbesitzkarte und eines Kleinen Waffen scheins. Die Sicherheitsbehörden stellen den zuständigen Landesbehörden die erforderlichen Informationen zur Verfügung, um den Entzug vorhandener waffenrechtlicher Erlaubnisse bei Szeneangehörigen zu ermöglichen. 109 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" III. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 1. "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" Mitglieder/Anhänger 21.000 (2020: 20.000) in Deutschland: Publikationen/Medien Vielzahl von Internetpräsenzen mit (Auswahl): entsprechenden Veröffentlichungen, vor allem in den sozialen Medien Bundesweit aktive Rund 30 länderübergreifend aktive Gruppierungen Gruppierungen, unter anderem: (Auswahl): - "Bismarcks Erben" bzw. "Vaterländischer Hilfsdienst" - "Königreich Deutschland" - "Verfassunggebende Versammlung" - "Staatenbund Deutsches Reich" "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" sind Personen und Gruppierungen, die aus unterschiedlicher Motivation und mit verschiedenen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland verneinen und die gesamte Rechtsordnung ablehnen. Verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder auch ein selbst definiertes Naturrecht bilden häufig das ideologische Fundament dafür. "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" sprechen den demokratisch gewählten Repräsentanten ihre Berechtigung ab oder definieren sich gar als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Das Gefährdungspotenzial unter anderem durch die Waffenaffinität der Szene besteht fort. 110 Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates 111 Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates I. Überblick Mit dem Beginn der Coronapandemie und der Durchsetzung staatlicher Beschränkungsmaßnahmen zur Bekämpfung der Lage kam es in Deutschland zu gesellschaftlichen Diskussionen und legitimen Protestaktionen gegen diese Maßnahmen. In einigen Fällen gingen die öffentlich geäußerten Meinungen oder Aktionen von Personenzusammenschlüssen und Einzelpersonen jedoch über einen solchen legitimen Protest hinaus und wiesen tatsäch liche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen auf. Die Zuordnung der in diesem Zusammenhang maßgeblichen Per sonenzusammenschlüsse oder Einzelpersonen zu einem der Phä nomenbereiche des Verfassungsschutzes ist in vielen Fällen nicht möglich. Das BfV hat daher im April 2021 den neuen Phänomen bereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" eingerichtet. Die Akteure dieses Phänomenbereichs zielen dabei darauf ab, we sentliche Verfassungsgrundsätze außer Geltung zu setzen oder die Funktionsfähigkeit des Staates oder seiner Einrichtungen er heblich zu beeinträchtigen. Sie machen demokratische Entschei dungsprozesse und Institutionen von Legislative, Exekutive und Judikative verächtlich, sprechen ihnen öffentlich die Legitimität ab und rufen zum Ignorieren behördlicher oder gerichtlicher An ordnungen und Entscheidungen auf. Diese Form der Delegitimie rung erfolgt meist nicht durch eine unmittelbare Infragestellung der Demokratie als solche, sondern über eine ständige Agitation gegen und Verächtlichmachung von demokratisch legitimierten Repräsentantinnen und Repräsentanten sowie Institutionen des Staates und ihrer Entscheidungen. Hierdurch kann das Vertrauen in das staatliche System insgesamt erschüttert und dessen Funkti onsfähigkeit beeinträchtigt werden. Eine derartige Agitation steht im Widerspruch zu elementaren Verfassungsgrundsätzen wie dem Demokratieprinzip oder dem Rechtsstaatsprinzip. Solche Bestrebungen werden vom Verfassungsschutz in den Blick genommen, unabhängig davon, ob die dahinterstehende ideo logische Ausrichtung einem bereits bekannten extremistischen 112 VERFASSUNGSSCHUTZRELEVANTE DELEGITIMIERUNG DES STAATES Phänomen eindeutig zuzuordnen ist. Dabei bestehen diverse Bezüge zu und ideologische Schnittmengen mit anderen Phäno menbereichen. So war das Protestspektrum immer wieder Verein nahmungsversuchen aus dem rechtsextremistischen Milieu und aus der Szene der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" ausgesetzt (vgl. Kap. II, Nr. 3). Obwohl diese nur zum Teil erfolgreich waren, zeigten sich mit fortdauernder Pandemielage und entsprechend fortlaufend angepassten staatlichen Gegenmaßnahmen zuneh mend besorgniserregende Tendenzen im Protestgeschehen. Ver schwörungsmythen, häufig mit Elementen antisemitischer Res sentiments, werden in weiten Teilen der Protestszene inzwischen selbstverständlich verbreitet. Der Staat und seine Institutionen werden in ihrer Legitimität grundsätzlich infrage gestellt. Maßnah men zur Bekämpfung der Coronapandemie werden als diktato risch bezeichnet. Auf diesem Narrativ aufbauend, wird Widerstand gegen staatliche Maßnahmen und Entscheidungen propagiert und zu Gewalt und in Einzelfällen sogar zu Mord aufgerufen. II. Aktuelle Entwicklungen 1. Bedeutsame Personen und Gruppierungen Die Protestszene gegen die staatlichen Maßnahmen zur Bekämp fung der Pandemie ist ideologisch und organisatorisch heterogen. Verbindendes Element der unterschiedlichen Gruppen und Per sonen ist die kategorische Ablehnung der von Bund und Ländern getroffenen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung. Hieraus ent wickelte sich bei einem Teil der Protestszene eine fundamentale Ablehnung der bestehenden staatlichen Ordnung und ihrer In stitutionen. Auch die sogenannte QuerdenkenBewegung mit ihren deutsch landweit präsenten lokalen Initiativen kann trotz verbindender Symbolik und Namensgebungen nicht als homogene Gruppie rung verstanden werden. Gleichwohl ist es ihren zentralen Füh rungspersonen und organisatorisch Verantwortlichen seit Beginn der Coronapandemie gelungen, sich bis Mitte 2021 als Schlüssel figuren des Demonstrationsgeschehens zu profilieren, bevor sich das Protestgeschehen dezentralisierte. Die Protagonistinnen und 113 VERFASSUNGSSCHUTZRELEVANTE DELEGITIMIERUNG DES STAATES Protagonisten leiten ihre vermeintliche Bedeutung und Legitima tion nicht zuletzt aus dem Umstand ab, dass sie über ihre Kanäle in sozialen Medien über eine große Reichweite verfügen. Zudem schreibt ihnen ihre Anhängerschaft ein hohes Maß an Glaubwür digkeit zu. Einzelne Protagonistinnen und Protagonisten der Querdenken Bewegung riefen im Zusammenhang mit Protestaktionen gegen CoronaSchutzmaßnahmen sowie über soziale Medien mittelbar zum Umsturz der bestehenden politischen Ordnung auf. In sol chen Aufrufen zur Beseitigung staatlicher Institutionen wandten sich Vertreterinnen und Vertreter der QuerdenkenBewegung im mer wieder auch an Angehörige der Polizei und der Bundeswehr: "Und ich vertraue auf die Polizei, dass auch bei denen sich intern etwas tut und dass es auch dort Wahrheitssuchende gibt, damit wir eine Chance haben, das zu beenden. Mittlerweile würde ich mir wünschen, irgendjemand würde mal zwischendurch die Regierungsgeschäfte übernehmen und da wär's mir egal, ob er Sterne auf der Schulter hat oder nicht. Aber es wird hoffentlich auch bei der Bundeswehr Menschen geben, die klug genug sind, über solche Sachen nachzudenken." (Video einer Rede eines Querdenken-Protagonisten auf Twitter, 15. Oktober 2021) "Liebe Bürger in Uniform, ihr habt auf das Grundgesetz geschworen. Ihr solltet euch umdrehen und die Politiker festnehmen. [...] Ihr könnt euch doch überhaupt nicht mehr im Spiegel angucken. Wie könnt ihr euren Kindern gegenübertreten als Diener eines totalitären Staates!" (Videoplattform Odysee, 29. März 2021) Immer wieder wurden bewusst Analogien zu diktatorischen Regi men hergestellt, um amtierenden Bundes und Landesregierungen sowie der repräsentativen parlamentarischen Demokratie in Gän ze die Legitimität abzusprechen: "Wer jetzt nicht sieht, dass wir inzwischen in einem faschistischen Land leben, dem kann nur entgegengehalten werden, dass er Teil dieses Systems ist. [...] Wehren [sic!] den Anfängen, haben wir lange genug gerufen. Die Anfänge sind vorbei. Der Faschismus - und als Mensch mit historischem Bewusstsein, 114 VERFASSUNGSSCHUTZRELEVANTE DELEGITIMIERUNG DES STAATES verwende ich diesen Begriff nicht leichtfertig - ist jetzt etabliert. Alle Elemente dafür sind eingeführt." (Eintrag eines Querdenken-Protagonisten auf Telegram, 27. April 2021) Auch andere Angehörige der verfassungsschutzrelevanten Protest szene nahmen wiederholt Gleichsetzungen mit den diktatorischen Regimen des Nationalsozialismus und der DDR vor. Hierdurch soll die Rechtmäßigkeit der CoronaSchutzmaßnahmen in Zweifel ge zogen und der Rechtsstaat im Allgemeinen diskreditiert werden. Die Relativierung nationalsozialistischer Verbrechen - beispiels weise bei der Gleichsetzung der staatlichen CoronaImpfkampa gne mit der Verfolgung von Angehörigen des jüdischen Glaubens im Dritten Reich - wird dabei als kalkulierter Tabubruch bewusst hingenommen. 2. Entwicklung und Radikalisierung der Protestformen Bei den Demonstrationen gegen die Pandemiepolitik im Jahr 2021 wurden regelmäßig CoronaSchutzmaßnahmen und Auflagen der Versammlungsbehörden bewusst ignoriert und seit Herbst 2021 eine konfrontative Haltung gegenüber den eingesetzten Ange hörigen von Polizei und Ordnungsbehörden eingenommen. Die hierdurch ausgelöste Eskalation der Proteste und das Umschlagen in eine gewalttätige Auseinandersetzung mit der Polizei sollten das Bild eines rigoros agierenden Unrechtsstaates vermitteln und So lidarisierungseffekte in der Mehrheitsbevölkerung auslösen. Dies wurde insbesondere durch eine verzerrende und einseitige Dar stellung bis hin zur bewussten Verbreitung von Falschmeldungen in sozialen Medien und im Internet verstärkt. So kam es im Zuge einer unerlaubten Großkundgebung gegen die CoronaSchutzmaßnahmen am 20. März 2021 in Kassel (Hessen) zu massiven Auseinandersetzungen zwischen Polizeikräften, De monstrierenden und Teilnehmenden einer Gegendemonstration. Vorausgegangen war eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung der Stadt Kassel, die die Kundgebung örtlich und zahlenmäßig - erlaubt war die Teilnahme von maximal 6.000 Personen - begrenz te. Trotz dieser Auflagen kam es im Verlauf des Tages zur Bildung mehrerer dezentraler illegaler Protestzüge mit bis zu 20.000 Teil nehmenden in der Summe, die sich durch Kassel bewegten und 115 VERFASSUNGSSCHUTZRELEVANTE DELEGITIMIERUNG DES STAATES später erst sukzessive und mit großen Anstrengungen von der Po lizei aufgelöst werden konnten. Anlässlich der Jahrestage bedeutender Veranstaltungen im Vorjah reszeitraum fanden am 1. August 2021 sowie am 28. und 29. Au gust 2021 in Berlin symbolisch bedeutsame Demonstrationen statt.55 Aufgrund der zu erwartenden Verstöße gegen die Corona Schutzmaßnahmen wurde bereits im Vorfeld eine Vielzahl der angemeldeten Versammlungen verboten. Trotzdem beteiligte sich jeweils eine hohe vierstellige bis niedrige fünfstellige Zahl von Per sonen an weitestgehend unkoordinierten Aufmärschen durch die Berliner Innenstadt. Auch dabei kam es zu Auseinandersetzungen mit den eingesetzten Polizeikräften. Von ähnlichem Symbolwert für die CoronaProtestszene war eine Kundgebung am 6. November 2021 in Leipzig (Sachsen). Hier zo gen die Organisatorinnen und Organisatoren wie im Vorjahr eine vermeintliche Traditionslinie zu den Protesten gegen die SED Diktatur im Jahr 1989. Obwohl ein ursprünglich geplanter Pro testzug behördlicherseits untersagt worden war, entwickelten sich mehrere spontan verlaufende und führungslose Aufzüge durch die Leipziger Innenstadt. In der Spitze konnte eine mittlere vierstel lige Teilnehmerzahl erreicht werden. Erneut wurden Polizeikräfte massiv attackiert, zudem wurden Absperrungen durchbrochen. Auffällig in diesem Zusammenhang ist die zunehmende Intensivie rung des "Feindbildes Polizei". Während am Anfang der Pandemie insbesondere politische Entscheidungsträgerinnen und träger sowie die Wissenschaft in den Fokus rückten, werden inzwischen auch die Einsatzkräfte zunehmend angefeindet und diffamiert. Herabsetzungen dieser Art dienen dazu, Gewalt gegen Polizei kräfte als Widerstandsakt zu legitimieren und die Hemmschwelle 55 Für den 1. August 2020 sowie den Zeitraum vom 28. bis 29. August 2020 hatte die QuerdenkenBewegung zu Großdemonstrationen in der Berliner Innenstadt auf gerufen, zu denen sich jeweils eine niedrige bis mittlere fünfstellige Zahl von Teil nehmenden eingefunden hatte. Bis heute stellen diese Kundgebungen die größten Veranstaltungen des CoronaProtestspektrums im deutschsprachigen Raum dar und sind entsprechend symbolisch bedeutsam. Überdies besetzte am 29. Au gust 2020 im Verlauf des Kundgebungsgeschehens eine größere Menschenmenge die Treppen des Reichstags. Diese zuvor nicht geplante Aktion fand ihren Anfang in einer kleineren Demonstration, deren Veranstalter und Redner ideologisch dem Spektrum der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" zuzuordnen sind. In der öffent lichen Debatte wurde die Erstürmung der Reichstagstreppe häufig mit der Groß kundgebung der QuerdenkenBewegung verknüpft. 116 VERFASSUNGSSCHUTZRELEVANTE DELEGITIMIERUNG DES STAATES hierfür sukzessive abzusenken. Einerseits geschieht dies durch plumpe Schmähungen, andererseits durch die Herabsetzung der Polizei als Vollzugsorgan einer vermeintlichen "CoronaDiktatur". Im Laufe des Berichtszeitraums wurde zudem mehrfach durch De monstrierende versucht, Politikerinnen und Politiker auf Bundes, Landes und kommunaler Ebene auch in deren privatem Umfeld zu konfrontieren. Nachdem am 11. Januar 2021 erstmals der säch sische Ministerpräsident Michael Kretschmer an seinem privaten Wohnsitz aufgesucht und in eine Diskussion verwickelt wurde, konnten im Verlauf des Berichtsjahres vermehrt ähnliche Vorha ben beobachtet werden. So suchten Anfang Dezember innerhalb weniger Tage teils größere Personengruppen die Privatanschriften der sächsischen Staatsministerin Petra Köpping, des Bundesminis ters Karl Lauterbach und der Ministerpräsidentin von Mecklen burgVorpommern Manuela Schwesig auf. Diesen Vorhaben liegt offenbar nicht allein der Wille zur Protestäußerung zugrunde; sie können vielmehr als gezielter Versuch der Einschüchterung ver standen werden. Das Auftreten der Demonstranten, insbesondere vor den Häusern der Staatsministerin Köpping und Ministerprä sidentin Schwesig, war dabei von einer größeren Aggressivität ge prägt, als dies noch bei der Konfrontation von Ministerpräsident Kretschmer der Fall war. Auch Lokalpolitikerinnen und politiker werden regelmäßig be leidigt, bedroht und ihre Privathäuser Ziel von Protesten, die Amts und Mandatsträgerinnen und träger gezielt einschüchtern sollen. Die gehäufte, teils martialisch vorgenommene Bedrängung von Politikerinnen und Politikern auf allen staatlichen Ebenen in ihrem privaten Wohnumfeld stellt insofern ein weiteres Beispiel für die dynamische und demokratiegefährdende Entwicklung im Phänomenbereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" dar. 3. Verbindungen zu Rechtsextremisten und zu "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" Der Phänomenbereich "Verfassungsschutzrelevante Delegi Anschlussfähigkeit an timierung des Staates" ist geprägt von einer Agitation gegen extremistische Kräfte demokratisch legitimierte Repräsentantinnen und Repräsen tanten des Staates und deren Entscheidungen. Hierdurch wird 117 VERFASSUNGSSCHUTZRELEVANTE DELEGITIMIERUNG DES STAATES eine wechselseitige Anschlussfähigkeit an andere extremistische Szenen erzeugt. Wiederholt wurden beispielsweise Kontakte zwischen Angehö rigen des Phänomenbereichs "Verfassungsschutzrelevante De legitimierung des Staates" und der rechtsextremistischen Szene sowie zu "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" bekannt. So gab der Mitbegründer der QuerdenkenBewegung dem Magazin "COMPACT" im März 2021 ein ausführliches Interview und nutz te das Medium als Bühne zur Selbstdarstellung und Einordnung der Bewegung aus seiner Sicht. Das Interview wurde sowohl in der PrintAusgabe als auch in Form eines einstündigen Videos auf dem YouTubeKanal "COMPACTTV" veröffentlicht und erreichte dort bislang über 25.000 Abrufe. Umgekehrt versuchten auch Angehörige der rechtsextremis tischen Szene, aktiv Einfluss auf den hier beschriebenen Phä nomenbereich und das Protestgeschehen gegen die staatlichen CoronaSchutzmaßnahmen zu nehmen, insbesondere die rechts extremistische Regionalpartei "Freie Sachsen" (vgl. Berichtsteil Rechtsextremismus/rechtsextremistischer Terrorismus, Kap. III, Nr. 1). 4. Radikalisierung in den sozialen Medien Im Rahmen des Protestgeschehens ist insbesondere auf der In ternetplattform Telegram ein dynamisches (virtuelles) Umfeld entstanden. Telegram stellt in diesem Umfeld nach wie vor die zentrale Kommunikationsplattform dar und wird vor allem zur ungefilterten Verbreitung ideologischer Inhalte sowie zur Mobi lisierung für Protestveranstaltungen genutzt. Etliche Telegram Gruppen erscheinen als informelles Sammelbecken eines diversen Nutzerkreises mit zum Teil überlappenden Partikularinteressen, in denen Mitglieder ihre Empörung zum Ausdruck bringen. Auch stark menschenverachtende oder gewaltorientierte Äußerungen einzelner Mitglieder bleiben in diesen "Echokammern" häufig un widersprochen oder werden unterstützt. Immer wieder konnte beobachtet werden, dass sich Nutzerinnen und Nutzer zustimmend zu Gewalt und sogar Mordszenarien an Amts und Mandatsträgerinnen und trägern oder exponierten 118 VERFASSUNGSSCHUTZRELEVANTE DELEGITIMIERUNG DES STAATES Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft und Wirtschaft äußern oder bereits entsprechende Planungsabsichten formulie ren. Regelmäßig begleitet und verstärkt werden solche Äußerun gen durch den Rekurs auf Verschwörungsideologien beziehungs weise durch die Verbreitung antisemitischer Narrative. Derartige Sachverhalte sind keine neue Erscheinung, allerdings stellt die Zahl dieser Bedrohungen, die sich nicht nur gegen Repräsentantinnen und Repräsentanten staatlicher Institutionen, sondern auch gegen Personen aus Wirtschaft und Wissenschaft richten, in der Gesamt schau ein Indiz für eine zunehmende Verrohung der Debatte dar und veranschaulichen das diffuse Feindbild, das hieraus entsteht. Zum Teil wird hierbei die Grenze zur Strafbarkeit überschritten. Insbesondere das sich daraus ergebende Gefährdungspotenzial dieses Phänomenbereichs macht eine aufmerksame Beobachtung durch das BfV erforderlich (vgl. Kap. III). III. Gefährdungspotenzial Die Angehörigen des Phänomenbereichs versuchen, das Vertrau en in die parlamentarische Demokratie, in staatliche Institutionen sowie in Wissenschaft und Medien zu untergraben. Sie zielen dabei auf die Radikalisierung und Mobilisierung von Teilen der Bevölke rung, um ihre eigene Agenda voranzubringen. Insgesamt blieb die Instrumentalisierung der mit der Coronapan demie einhergehenden Schutzmaßnahmen das vorherrschende Agitationsthema im Phänomenbereich "Verfassungsschutzrele vante Delegitimierung des Staates". Das Protestgeschehen hat sich im Laufe des Jahres ideologisch und regional weiter ausdifferen ziert, wobei zuletzt eine signifikant stärkere Einflussnahme von rechtsextremistischen Akteuren zu beobachten war. Gleichwohl ist es wahrscheinlich, dass bekannte Akteure bisheri ger Protestinitiativen neue Themen besetzen, um den demokrati schen Staat zu delegitimieren. Als Beispiel hierfür kann das Vor gehen einzelner bereits extremistisch in Erscheinung getretener Personen im Zusammenhang mit der Hochwasserkatastrophe in NordrheinWestfalen und RheinlandPfalz genannt werden. Über ein reines Hilfsangebot hinaus wurde versucht, die angespann te Versorgungssituation vor Ort im Sinne einer Delegitimierung 119 VERFASSUNGSSCHUTZRELEVANTE DELEGITIMIERUNG DES STAATES staatlicher Strukturen zu instrumentalisieren. Einerseits gerierte man sich hierbei als Kümmerer und sammelte beziehungsweise verteilte Geld und Sachspenden an die örtliche Bevölkerung. An dererseits erweckte man aktiv den Eindruck, dass staatliche Stellen bewusst nur unzureichend an der Verbesserung der Versorgungs lage arbeiten würden beziehungsweise mit der Bewältigung der Lage komplett überfordert gewesen seien. Hierbei trat maßgeblich ein ehemaliger hochrangiger Offizier der Bundeswehr in Erschei nung. Dieser begab sich zusammen mit weiteren Angehörigen des Phänomenbereichs in die Flutregion, um ohne Absprache mit staatlichen Stellen des Zivilschutzes Unterstützung vor Ort zu leis ten. Er trat dabei laut einem fiktiven "Befehl" als "Führer Komman dozentrale und Stabsgruppe" auf. Als logistische Basis diente eine Grundschule in Ahrweiler (RheinlandPfalz). Insoweit ist anzunehmen, dass über die Coronapandemie hinaus auch künftig andere gesellschaftliche Krisensituationen von An gehörigen des Phänomenbereichs dazu genutzt werden, um staat liche Stellen und politisch Verantwortliche herabzusetzen. Hier ist beispielsweise eine verstärkte Thematisierung der politischen Maßnahmen zur Bewältigung des Klimawandels durch Akteure des Phänomenbereichs in Betracht zu ziehen. Hierdurch wird ei nem Verlust des Vertrauens der Bevölkerung in die Funktionsfä higkeit des demokratischen Staates Vorschub geleistet. 120 Linksextremismus 121 Linksextremismus I. Überblick Linksextremisten wollen die bestehende Staats und Gesellschafts ordnung und damit die freiheitliche demokratische Grundordnung beseitigen. An deren Stelle soll ein kommunistisches System bezie hungsweise eine "herrschaftsfreie", anarchistische Gesellschaft tre ten - je nach ideologischer Ausrichtung mit dem Sozialismus als Übergangsphase. Themen wie "Antifaschismus", "Antirepression" oder "Antigentrifizierung" sind dabei anlassbezogen relevante, letztlich aber austauschbare Aktionsfelder, die immer nur der Um setzung der eigenen ideologischen Vorstellungen dienen. Zu deren Erreichung sind Linksextremisten grundsätzlich auch bereit, Ge walt einzusetzen. 1. Entwicklungstendenzen Zahlreiche Nachdem in den beiden Vorjahren jeweils ein neuer Höchststand Straftaten und mehr erreicht worden war, hat sich im Jahr 2021 die Anzahl linksextre Gewaltorientierte mistischer Straftaten auf hohem Niveau konsolidiert. Das Gefah renpotenzial im Linksextremismus bleibt weiterhin hoch. So stieg etwa die Zahl der gewaltorientierten Linksextremisten im Be richtszeitraum um rund 700 auf nunmehr 10.300 Personen. Hohes RadikaliBundesweit besteht im gewaltorientierten Linksextremismus ein sierungsniveau hohes Radikalisierungsniveau. Gewalttaten werden von konspi rativ und professionell agierenden Kleingruppen planvoll und ge zielt durchgeführt. Im Fokus der Gewalt stehen dabei vor allem die Polizei und als solche ausgemachte Rechtsextremisten, aber auch weiterhin Wirtschaftsunternehmen, vor allem aus der Immobili enbranche. Auswirkungen der Die linksextremistische Szene hat auch im zweiten Jahr der Pande Coronapandemie mie keine eigene Position zu Ursachen und Wirkung der Corona pandemie entwickelt. Versuche der Diskreditierung des aus ihrer Sicht "repressiven" Staates wegen der staatlichen Schutzmaßnah men, welche angeblich nur die sowieso schon benachteiligten Teile der Gesellschaft treffen und der Aufrechterhaltung des "Kapitalis mus" dienen würden, oder Kampagnen gegen das "kapitalistische" Wirtschaftssystem mit der vorgeblichen Forderung nach Freigabe 122 LINKSEXTREMISMUS von Impfpatenten verfingen nicht oder waren nur von sehr kurzer Dauer. Mit dem Rückgang des Protestgeschehens im Sommer 2021 nahmen auch die Straftaten gegen als "Faschisten" ausgemachte Teilnehmer der sogenannten Coronademonstrationen ab. Eigene traditionelle Veranstaltungen der Szene, wie zum Beispiel die "Re volutionäre 1. MaiDemo" in Berlin, fanden zumindest teilweise wieder statt. Der Verlust oder die Bedrohung selbst ernannter "Freiräume" wa Bedrohung oder ren unvermindert relevante Themen für die autonome Szene. In Verlust von Berlin kam es 2021 neben der Räumung der linksextremistisch "Freiräumen" beeinflussten Szenekneipe "Meuterei" und des von Linksextremis ten besetzten "KöpiWagenplatzes" zu einer Brandschutzbegehung und Durchsuchungen im Szeneobjekt "Rigaer94". Linksextremis ten reagierten darauf äußerst aggressiv und verübten eine Vielzahl an Straf und Gewalttaten. Der für Teile des Linksextremismus wichtige Versuch der Einfluss Versuchte nahme auf demokratische Diskurse fand auch 2021 vor allem im Einflussnahme auf Bereich der Klimaproteste statt. Als neues Aktionsziel stand neben die Klimaproteste dem Abbau von Braunkohle erstmals auch der fossile Brennstoff Erdgas im Fokus. Zudem mobilisierten linksextremistische Grup pierungen zum Thema "Mobilitätswende" gegen die Internationa le Automobilausstellung (IAA). 2. Strafund Gewalttaten Die Zahl linksextremistisch motivierter Straftaten hat sich mit 6.142 Delikten im Jahr 2021 trotz eines Rückgangs um 7,4 % auf einem hohen Niveau verfestigt (2020: 6.632). Die linksextremis tischen Gewalttaten gingen um 20,2 % auf 987 Delikte zurück (2020: 1.237), nachdem sie im Vorjahr noch um 34,3 % zugenom men hatten. 123 LINKSEXTREMISMUS Entwicklung linksextremistischer Strafund Gewalttaten 2001-2021 7.000 6.000 5.000 4.000 3.000 2.000 1.000 0 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Straftaten Gewalttaten Ein versuchtes Tötungsdelikt (2020: 5), 362 Körperverletzungs delikte (2020: 423, 14,4 %) und 243 Widerstandsdelikte (2020: 213, +14,1 %) verdeutlichen die nach wie vor hohe Gewaltbereitschaft im Linksextremismus. Mit 3.419 Delikten (2020: 3.734) ist die Sachbe schädigung weiterhin die häufigste von Linksextremisten begange ne Straftat. Auch hier zeigte sich - genau wie bei den 159 erfassten Brandstiftungsdelikten (2020: 173) - ein Rückgang um rund 8 %. Die meisten linksextremistischen Straftaten wurden in Nordrhein Westfalen (1.178; 2020: 1.391), Sachsen (1.003; 2020: 1.084) und Ber lin (927; 2020: 1.269) verübt. 124 LINKSEXTREMISMUS 3. Personenpotenzial Linksextremismuspotenzial1 2019 2020 2021 Gewaltorientierte 9.200 9.600 10.300 Linksextremisten davon Autonome 7.400 7.500 8.000 Nicht gewaltorientierte 25.300 25.800 25.500 dogmatische Linksextremisten und sonstige Linksextremisten Summe 34.500 35.400 35.800 Nach Abzug von 33.500 34.300 34.700 Mehrfachmitgliedschaften 1 Die Zahlen sind zum Teil geschätzt und gerundet. II. Aktuelle Entwicklungen im Linksextremismus 1. Radikalisierung im gewaltorientierten Linksextremismus Bundesweit besteht im gewaltorientierten Linksextremismus ein hohes Radikalisierungsniveau. Die Gewaltbereitschaft ist bei eini gen Szeneangehörigen derart ausgeprägt, dass sie sich vom Rest des gewaltorientierten Spektrums abgrenzen und in kleinen Gruppen eigene, akribisch geplante und häufig äußerst brutale Taten bege hen. Diese Entwicklungen zeigen sich insbesondere in den Schwer punktregionen Berlin, Hamburg und Leipzig. Aber auch in Baden Württemberg, Bayern, Bremen, Niedersachsen, SachsenAnhalt und Thüringen liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass sich ein klei ner Teil der gewaltorientierten Szene zunehmend radikalisiert. Linksextremistische Angriffe werden zielgerichteter und profes Gewalt wird sioneller, die Opfer sind zunehmend auch auf einer persönlichen planvoll, gezielt und Ebene betroffen. Sie werden in ihrem privaten oder beruflichen persönlich eingesetzt Umfeld mit hoher Aggressivität attackiert, ihre Wohnungen, Ge schäftsräume und Fahrzeuge gezielt beschädigt oder in Brand ge setzt. Daneben kommt es immer wieder zu direkten körperlichen Angriffen gegen politische Gegner oder Polizeibedienstete, wobei die Täter auch schwere körperliche Verletzungen verursachen. 125 LINKSEXTREMISMUS Einige Täter gehen bereits jetzt so brutal vor, dass sie auch den möglichen Tod der Opfer zumindest in Kauf nehmen. Vor allem bei Angriffen auf als Rechtsextremisten ausgemachte Personen ist das Vorgehen der Tätergruppen sehr professionell und zeugt im Auftreten von einer ausgeprägten Selbstsicherheit. So verkleideten sich Linksextremisten etwa zur Begehung schwe rer Gewalttaten gegen Rechtsextremisten als Polizisten, um Zu gang zu Wohngebäuden zu erlangen. Sie führten Werkzeuge mit, um damit Wohnungstüren gewaltsam zu öffnen, ihre Opfer gezielt anzugreifen und schwer zu verletzen. Diese Art der Tatbegehung erfordert eine intensive Vorbereitung. So werden im Vorfeld der Tagesablauf und die persönlichen Lebensumstände der poten ziellen Opfer detailliert ausgekundschaftet und die Taten dann arbeitsteilig ausgeführt. Isoliert agierende Mit der Erheblichkeit der Taten hat sich auch der dahinterstehende Kleingruppen Täterkreis verändert. In mehreren Bundesländern gibt es Hinweise darauf, dass sich innerhalb der gewaltorientierten linksextremis tischen Szene klandestin operierende Kleingruppen herausbilden. Diese begehen eigene Tatserien und schotten sich aufgrund ihrer gesteigerten Gewaltbereitschaft vom Rest der Szene ab. Bislang wesentliche Punkte wie die Vermittelbarkeit und Zielorientiertheit von Gewalt nur gegen Dinge und ohne Gefährdung Unbeteiligter spielen immer weniger eine Rolle. Widerspruch aus den übrigen Teilen der linksextremistischen Sze ne gegen die zunehmende Gewalt bleibt weitgehend aus. Stattdes sen wird Gewalt als vermeintlich legitime "Gegenwehr" gerecht fertigt. Szenemitgliedern, die wegen schwerer Körperverletzung verurteilt worden sind, wird unvermindert die volle Solidarität zu gesichert. Die Tonlage hat sich insgesamt verschärft. Weitreichen de Aussagen bis hin zur Androhung schwerer Gewalt oder in Ein zelfällen auch der Bedrohung mit dem Tod werden stillschweigend toleriert. So wurde auf einer Demonstration gegen eine vermeint liche "Kriminalisierung von Antifaschismus" am 18. September 2021 in Leipzig der Leiter der Soko LinX des Landeskriminalamts Sachsen öffentlich mit dem Tode bedroht. Eine Gruppe schwarz vermummter Teilnehmender zeigte ein Plakat, auf dem in Anspie lung auf die Ermordung Hanns Martin Schleyers durch die links terroristische "Rote Armee Fraktion" (RAF) unter Nennung seines vollen Namens zu lesen war: 126 LINKSEXTREMISMUS "(...) BALD IST ER AUS DEIN TRAUM, DANN LIEGST DU IM KOFFERRAUM." In Teilen der gewaltorientierten linksextremistischen Szene be Gesteigertes steht ein zunehmendes Interesse an Kampfsporttrainings oder Interesse an einer zumindest grundlegenden Befähigung zur effektiven Aus Kampfsport übung von körperlicher Gewalt. Dabei sollen die erlernten Tech niken vor allem dem "Schutz vor einer Bedrohung durch politi sche Gegner" dienen. Allerdings ist insbesondere beim Vorgehen gegen die Polizei und im gewaltsam geführten "antifaschistischen Kampf" eine zunehmend offensivere Ausrichtung feststellbar - wobei vereinzelt bereits Kampfsporttechniken auch aktiv ange wendet werden. Durch die Teilnahme an Kampfsportveranstaltun gen oder die Veranstaltung eigener Events haben Linksextremisten zusätzlich die Möglichkeit, sich neben dem sportlichen Wettkampf zu gemeinsamen Aktionen zu verabreden oder Vernetzungen in andere, zum Teil auch gewaltgeneigte Szenen auf und auszubau en. Neben lokalen Kampfsportsszenen können dies beispielsweise Hooligans oder linke UltraGruppen sein. 2. Militanter "Antifaschismus" Der "antifaschistische Kampf" von Linksextremisten richtet sich gegen Personen oder Institutionen, die der eigenen ideologischen Weltsicht nach als "faschistisch" angesehen werden. Eine definito rische Schärfe fehlt, sodass in der Szene häufig jede politische Geg nerschaft schnell auch als "faschistisch" diffamiert wird. Regelmä ßig werden tatsächliche oder von der Szene als solche ausgemachte Rechtsextremisten, aber immer auch der Staat und seine freiheit liche demokratische Grundordnung als "faschistisch" bezeichnet. Im Jahr 2021 richtete sich fast die Hälfte aller linksextremistischen Gewalt als Straftaten gegen tatsächliche oder als solche ausgemachte Rechts Bestandteil des extremisten, darunter 150 Körperverletzungen und 25 Brandstif "antifaschistischen tungen. Kampfes" Gewaltorientierte Linksextremisten verstehen Straftaten und Ge walt als Kernbestandteil ihres "antifaschistischen Kampfes". Die Bandbreite reicht hier von "Outings" im Internet über Bedrohun gen, Beschädigung oder Zerstörung von Eigentum, Brandstiftun gen an Fahrzeugen oder Trefforten bis hin zu brutalen körperlichen 127 LINKSEXTREMISMUS Angriffen auf als "faschistisch" ausgemachte Personen, häufig auch in deren privatem Umfeld. Neben Schmierereien an der Fassade oder dem Einwerfen von Fensterscheiben dringen die Täter bei diesen "Hausbesuchen" zum Teil auch in die Räumlichkeiten ein und verwüsten diese. Treffen sie ihre Opfer an, fügen sie ihnen er hebliche, teilweise gar lebensgefährliche Verletzungen zu. Einzelne gewaltbereite Gruppen führen solche Angriffe sehr gezielt durch, wobei das Vorgehen äußerst planvoll und professionell erfolgt. " Am Morgen des 11. März 2021 klingelten fünf als Polizisten ver kleidete Personen an der Tür des Mehrfamilienhauses, in dem der Bundesvorsitzende der NPDJugendorganisation "Junge Nationalisten" (JN) wohnt. Von ahnungslosen Nachbarn ins Haus gelassen begaben sie sich zur Wohnung des Bundesvorsit zenden, der sie nach eigenen Angaben ebenfalls für Polizisten hielt und ihnen die Tür öffnete. In der Wohnung fügten die Tä ter ihm durch mehrere Schläge mit einem Hammer eine Platz wunde am Kopf und starke Prellungen und Hämatome an den Fußgelenken zu, die stationär im Krankenhaus versorgt werden mussten. " In den frühen Morgenstunden des 28. Mai 2021 überfielen vier bis fünf ebenfalls als Polizisten verkleidete Personen einen be kannten Rechtsextremisten in seiner Wohnung, zu der sie sich mit einer Ramme gewaltsam Zutritt verschafften. In der Woh nung fesselten sie das Opfer und dessen ebenfalls anwesende Lebensgefährtin. Die Täter schlugen ihm gezielt auf Kopf und Beine und übergossen ihn und Teile der Wohnung danach mit einer ätzenden Flüssigkeit, mutmaßlich um Spuren zu vernich ten. Noch am Tattag wurde auf der linksextremistischen Inter netplattform "de.indymedia" ein Selbstbezichtigungsschrei ben veröffentlicht, das neben einem Tatbekenntnis auch ein "Outing" der angegriffenen Person enthält, die als "jahrelang aktiver und gewalttätiger Neonazi" beschrieben wird. Serie von Neben diesen körperlichen Angriffen kam es von März bis Mai 2021 Angriffen gegen zu einer Häufung von Sachbeschädigungen und Brandanschlägen rechtsextremistische gegen Objekte der rechtsextremistischen Szene in SachsenAnhalt Szeneobjekte und Thüringen. Unter anderem wurden in Thüringen am 12. April 2021 Brandanschläge in Ronneburg und Schmölln, am 18. April 2021 in Sonneberg und am 23. April 2021 in Guthmannshausen begangen. 128 LINKSEXTREMISMUS Bei der Tat am 18. April brannte das rechtsextremistische Veran staltungslokal "Waldhaus" vollständig aus. Der Brandanschlag am 23. April zerstörte ein ehemaliges "Rittergut" in Guthmannshau sen. Das Gebäude gehörte einem rechtsextremistischen Verein und war als Versammlungsstätte der Szene überregional bekannt. Am 28. Mai 2021 wurde zudem ein Brandanschlag auf eine Gaststät te in der thüringischen Gemeinde Kloster Veßra verübt, die von einem deutschlandweit bekannten Rechtsextremisten betrieben wird. Aufgrund der Auswahl der Ziele und der Vorgehensweise der Täter kann in allen Fällen von einer linksextremistischen Tatmoti vation ausgegangen werden. Mit ihren Angriffen wollen linksextremistische Gewalttäter nicht Gezielte Verbreitung nur ihrem konkreten Opfer schaden. Durch den andauernden, von Angst in der gewaltsam geführten "antifaschistischen Kampf" soll in der "rech rechtsextreten" und rechtsextremistischen Szene ein stetes Gefühl der Angst mistischen Szene erzeugt werden. Der politische Gegner soll um jeden Preis aus der Öffentlichkeit gedrängt und von der Bekundung unliebsamer Mei nungen abgehalten werden. Für Linksextremisten ist Gewalt im "Antifaschismus" ein legitimes und erforderliches Mittel. So heißt es beispielsweise in einem Beitrag auf "de.indymedia" nach der Verurteilung zweier Linksextremisten zu mehrjährigen Haftstra fen durch das Landgericht Stuttgart am 13. Oktober 2021: "Sie sollen das getan haben, was wir als Antifaschist:innen für richtig und wichtig halten. Faschos müssen Angst davor haben ihre Ideologie auf die Straße zu tragen. Dafür ist es auch wichtig, dass sie militant angegriffen werden, ihre körperliche Unversehrtheit genommen wird uns sie konkret in ihrem Handeln eingeschränkt werden. Wir haben kein Mitleid mit Nazis egal wie schlimm sie getroffen werden und stehen bedingungslos solidarisch hinter den beiden Verurteilten, egal ob sie schuldig sind oder nicht." (Internetplattform "de.indymedia", 15. Oktober 2021) Besonders die Alternative für Deutschland (AfD) steht im Fokus AfD als "Erstegewaltorientierter Linksextremisten, die sie als "ErsteKlasseGeg Klasse-Gegner" ner" bezeichnen. Linksextremisten verüben regelmäßig Straf und Gewalttaten auf Einrichtungen, Mitglieder oder Funktionsträge rinnen und Funktionsträger der Partei. Neben der Störung von Veranstaltungen oder Sachbeschädigungen kommt es dabei auch zu Brandstiftungen oder sogar körperlichen Angriffen. So wurde 129 LINKSEXTREMISMUS beispielsweise in der Nacht auf den 1. April 2021 das Fahrzeug eines Landtagsabgeordneten der AfD in Dresden angezündet, wozu sich unbekannte Verfasser im Nachgang auf "de.indymedia" bekannten. "Outings" und Zum Repertoire von Linksextremisten gehört auch das "Outing" Gewalt als Mittel zur als solcher ausgemachter Rechtsextremisten. Diese sollen durch Einschüchterung des Internetbeiträge, Plakate oder Briefkasteneinwürfe in ihrem Um politischen Gegners feld als "Nazis" sozial geächtet werden. Daneben wird anderen Linksextremisten die Möglichkeit eröffnet, selbst gegen diese Per son vorzugehen. So sind "Outings" häufig mit mehr oder minder verklausulierten Aufrufen zu Straf und Gewalttaten gegen die Betroffenen verbunden. Damit wird ein Bedrohungsszenario auf gebaut und die "geoutete" Person eingeschüchtert, da sie jederzeit mit einem Angriff auf sich oder ihr Eigentum rechnen muss. Dabei handelt es sich nicht nur um die Ausübung psychischen Drucks, sondern um eine durchaus reale Gefahr. Immer wieder kommt es im Nachgang von "Outings" zu Brandstiftungen an Fahrzeugen, Sachbeschädigungen oder gewaltsamen Überfällen auf die "geou tete" Person. In einigen Fällen verwüsteten Linksextremisten auch die Wohnungen ihrer Opfer. Auch andere "unliebsame Personen" wie Politikerinnen und Poli tiker, Polizeikräfte oder Mitarbeitende von Wirtschaftsunterneh men werden Opfer solcher "Outings" - wenn auch weniger häufig. Im Mai 2021 wurde auf "de.indymedia" eine Liste mit KfzKenn zeichen veröffentlicht, die laut der Darstellung zu Zivilfahrzeugen der Hamburger Polizei gehören sollen. Die Veröffentlichung könn te nicht nur die Warnung potenzieller Straftäter bezweckt haben, sondern auch Angriffe auf die Fahrzeuge ermöglichen. "AntifaAls Anknüpfungspunkt für militante Aktionen und Veröffentli Recherchegruppen" chungen dienen meist die Erkenntnisse von "AntifaRecherche und "Antifa"gruppen", deren Aktivitäten auf eine möglichst flächendeckende Netzwerke Aufklärung der Strukturen des politischen Gegners ausgerichtet sind. Offene Recherchetätigkeiten finden in der Regel bei De monstrationen oder rechtsextremistischen Veranstaltungen statt. Angehörige des linksextremistischen Spektrums fertigen dabei Fotos von Teilnehmenden, Ordnern und Rednern an und veröf fentlichen sie im Nachgang meist auf Rechercheplattformen im Internet. 130 LINKSEXTREMISMUS Einzelne Gruppen professionalisieren diese Informationsbeschaf fung und führen verdeckte Recherchen durch. Sie fertigen Bild material von rechtsextremistischen Veranstaltungen an, um diese mit früheren Aufnahmen abzugleichen und so Personen und Ver bindungen aufzuklären. Zu diesem Zweck sind Recherchegruppen überregional miteinander vernetzt. Vereinzelt bestehen auch Kon takte in Verwaltungsstrukturen, über die rechtswidrig Personen daten oder vertrauliche Informationen erlangt werden können. Neben dem Ziel der Veröffentlichung können solche Recherche berichte auch Anknüpfungspunkt für die Zielauswahl militanter Aktionen gewaltbereiter Kleingruppen sein. Personen, die auf die se Weise als relevante Akteure in den Strukturen des politischen Gegners identifiziert wurden, werden immer wieder zum Ziel von Straf und Gewalttaten. Zu diesem Zweck wird die Recherche im Vorfeld einer solchen Aktion häufig noch einmal intensiviert. Bei spielsweise werden Wohnhäuser beobachtet, Fluchtwege erkundet und Gewohnheiten des Opfers dokumentiert, um den richtigen Zeitpunkt abpassen zu können. Angriffe wie die eingangs erwähn ten vom 11. März 2021 oder 28. Mai 2021 wären ohne derartige Vorbereitungshandlungen nicht möglich. In ihrem "Kampf gegen Faschismus" gehen Linksextremisten von Gewalt wird als der grundsätzlichen Rechtmäßigkeit ihres Handelns aus. Sie recht gerechtfertigt fertigen ihr gewaltsames Vorgehen mit einer angeblichen Untä erachtet tigkeit staatlicher Organe bei der Bekämpfung von "Rassisten und Faschisten". Dies verdeutlicht beispielhaft ein Tatbekenntnis zu ei ner Brandstiftung zum Nachteil eines Schützenvereins in Hessen in der Nacht auf den 9. April 2021: "Drei rechte Mordanschläge in Hessen - Kassel, Wächtersbach, Hanau. Alle Täter waren Mitglied im örtlichen Schützenverein, trainierten dort für ihre Morde. Wenn niemand Verantwortung übernimmt, das Rassisten und Faschisten sich in diesem Land auf Attentate und Tag X vorbereiten, tun wir das. (...) Jedes abgebrannte Schützenheim in diesem Land bedeutet ein klein wenig mehr Schutz für Betroffene von Rassismus." (Internetplattform "de.indymedia", 12. April 2021) Nach Gewalttaten oder Ausschreitungen von Linksextremisten, "Antifaschistische aber auch bei Aufrufen oder Kundgebungen, die sich gegen so Aktion" ("Antifa") bezeichnete "Faschisten" richten, wird häufig von "der Antifa" 131 LINKSEXTREMISMUS gesprochen oder es tauchen Gruppierungen auf, die das Wort "An tifa" in ihrem Namen tragen. Auch ist das "Antifa"Symbol regel mäßig bei Demonstrationen, Veranstaltungen, auf Plakaten oder im Internet zu sehen. "Die Antifa" im Sinne einer bundesweit agie renden, klar umgrenzten und strukturell auf eine gewisse Dauer verfestigten Organisation dieses Namens existiert derzeit nicht. Bei den lokalen Gruppierungen und Initiativen, die sich unter den Begriffen "Antifa" oder "Antifaschistische Aktion" anlassbezogen zusammenfinden oder diese als Namensbestandteil tragen, handelt es sich zumeist um lockere, zeitlich begrenzte Verbindungen mit wechselnden Personen, die sich teilweise, aber häufig nicht aus schließlich im linksextremistischen Aktionsfeld "Antifaschismus" betätigen. Auch das heutige Symbol der "Antifa" steht nicht für eine einzel ne Organisation. Es beinhaltet vielmehr die Botschaft, dass es bei der "Antifaschistischen Aktion" nicht um zivildemokratisches Engagement gegen Rechtsextremismus geht, sondern gerade um die Abgrenzung vom "bürgerlichen" Kampf mit rechtsstaatlichen Mitteln. Dies wird durch die gegen rechts geneigten Doppelfahnen versinnbildlicht. Während die rote Fahne den Sozialismus symbo lisiert, steht die schwarze Fahne für den autonomen Anarchismus. Entsprechend dieser Bedeutung findet das "Antifa"Symbol im Linksextremismus breite Verwendung, insbesondere im gewalt orientierten Teil der Szene, für den das Symbol Zeichen für "mi litante Aktionsformen" und die Abgrenzung vom zivildemokrati schen Engagement gegen Rechtsextremismus ist. 3. Polizei im Fokus linksextremistischer Gewalt Im Kampf gegen den bei Linksextremisten verhassten Staat ist die Polizei das zentrale Feindbild gewaltorientierter Linksextremisten. Gegen ihre Einsatzkräfte, Fahrzeuge und Einrichtungen richten sich mit Abstand die meisten linksextremistischen Gewalttaten. Zu den im Berichtszeitraum 560 Gewaltdelikten, die Linksextremis ten gegen die Polizei verübten, zählen unter anderem 1 versuchtes Tötungsdelikt, 182 Körperverletzungen, 15 Brandstiftungen und 241 Widerstandsdelikte. Aus Sicht von Linksextremisten steht da bei jede verletzte Polizeikraft für eine Schwächung des "Repressi onsstaates" und gleichzeitig für eine Demonstration der eigenen 132 LINKSEXTREMISMUS Stärke. Diese Auffassung verletzt nicht zuletzt auch die Menschen würde der angegriffenen Personen. Für die meisten Linksextremisten stellt die Ablehnung des Staates Kompromisslose und seiner demokratisch legitimierten hoheitlichen Aufgaben und Staatsfeindlichkeit Rechte das zentrale Element ihres Denkens dar. Jede Form staat lichen Handelns verstehen sie als Angriff auf ihr "naturgegebenes Selbstbestimmungsrecht". Die im Alltag sichtbarste Verkörperung des staatlichen Gewalt monopols ist die Polizei. Linksextremisten bringen den von ihnen so bezeichneten "Handlangern des Staates" tiefe Verachtung und Hass entgegen. Aus ihrer Sicht steht die Polizei der Verwirklichung ihrer ideologischen Ziele im Weg und verhindert das von ihnen angestrebte "Leben ohne Unterdrückung". Vor allem gewaltorien tierte Linksextremisten sprechen Polizeibediensteten ihr Mensch sein konsequent ab und verunglimpfen sie als "Marionetten des Systems" und "Bullenschweine", die es allein schon aufgrund ihrer Berufswahl verdienten, physische Gewalt zu erfahren. Dieses ge meinsam hochstilisierte Feindbild bietet der Szene Orientierung und stärkt ihren Zusammenhalt sowie ihre Gewaltbereitschaft. Bei Demonstrationen, Zwangsräumungen, Abschiebungen oder Festnahmen stehen sich Linksextremisten und Polizei regelmäßig gegenüber. Dabei kommt es immer wieder zu gewaltsamen Aus schreitungen und gezielten Angriffen auf Polizeikräfte. Regelmä ßig werden diese durch den Bewurf mit Pyrotechnik, Flaschen und Pflastersteinen verletzt: " Am 1. Mai 2021 kam es in mehreren Städten zu Ausschrei tungen und Angriffen auf die Polizei; rund 100 Einsatzkräfte wurden verletzt. Bei der traditionellen "Revolutionären 1. Mai Demo" in Berlin wurden Polizeibeamte mit Flaschen, Steinen und Böllern beworfen und auch direkt körperlich angegriffen. In Frankfurt am Main (Hessen) kam es aus einer Demonstration heraus zu teils massiven Angriffen auf die Polizei. Unter ande rem wurden dabei Fahnenstangen gezielt unter das Helmvisier der Einsatzkräfte gestoßen, um diese schwer zu verletzen. " Im Zusammenhang mit der bevorstehenden Räumung des "KöpiWagenplatzes" (vgl. Kap. II, Nr. 4) setzten unbekannte Tä ter am 12. Oktober 2021 in Berlin einen Reifenstapel in der Nähe des Szeneobjekts "Rigaer94" in Brand. Zusätzlich blockierten sie 133 LINKSEXTREMISMUS eine Straße mit einem Transparent, auf dem unter anderem ein Anarchiezeichen und die Abkürzung "ACAT" (All Cops Are Targets) zu sehen waren. Eintreffende Einsatzkräfte der Polizei wurden aus den umliegenden Häusern heraus massiv mit Pflas tersteinen beworfen. Feuerwehrkräfte mussten von der Polizei vor Steinwürfen geschützt werden, um den Brand löschen zu können. Neben direkten Angriffen im Verlauf von Versammlungen kommt es auch immer wieder zu klandestinen Aktionen, die sich insbe sondere im Themenfeld "Antirepression" gegen die Polizei als Teil des "Repressionsapparats" richten. Vor allem Dienststellen und Fahrzeuge werden zum Ziel von Sachbeschädigungen oder Brand stiftungen: " In der Nacht auf den 6. Juni 2021 warfen mutmaßliche Links extremisten in Bremen mehrere Brandsätze auf das Gelände der Bereitschaftspolizei und setzten damit dort abgestellte Polizeifahrzeuge in Brand. Drei Gruppenwagen und ein Bus brannten völlig aus, vier weitere Streifenwagen wurden durch die entstandene Hitze beschädigt. In einem am nächsten Tag veröffentlichten Selbstbezichtigungsschreiben wird der Hass der Verfasser auf die Polizei deutlich: "Es traf die Ausrüstung jener Schweine, die zur Durchsetzung von Repression in die Stadt geschickt werden. In so vielen Momenten stehen wir den Bereitschaftsbullen mit Hass und Ohnmacht entgegen. Die Sabotage ist ein würdevoller Angriff gegen den übermächtigen Feind. (...) Die Bullen ernten unseren Hass, weil sie die Verhältnisse verkörpern." (Internetplattform "endofroad.blackblogs.org", 7. Juni 2021) Polizei ist themenAuch in anderen Aktionsfeldern wie etwa "Antigentrifizierung" übergreifend sind nicht nur Angriffe auf Immobilienunternehmen, sondern Ziel der Gewalt auch Gewalttaten gegen die Polizei als deren angebliche "Erfül lungsgehilfen" zu verzeichnen. Insbesondere bei Zwangsräumun gen, Begehungen oder polizeilichen Durchsuchungen linksextre mistischer Szeneobjekte wird die Polizei zum Ziel gewaltbereiter Linksextremisten. " Im Zusammenhang mit einer Brandschutzbegehung im Sze neobjekt "Rigaer94" im Juni 2021 wurden Einsatzkräfte der 134 LINKSEXTREMISMUS Polizei über zwei Tage hinweg massiv mit pyrotechnischen Gegenständen, Feuerlöschmitteln, Steinen, Flaschen und Far be angegriffen. Insgesamt wurden 85 Polizeikräfte verletzt. Die Staatsanwaltschaft leitete mehrere Ermittlungsverfahren unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung und in einem Fall wegen versuchten Totschlags ein. Die konsequente Fokussierung auf die Polizei als primäres Feind Angriffe auf die bild bietet linksextremistischen Gruppen zusätzliche Vernetzungs Polizei als zusätzliche optionen. Während konkrete inhaltliche Forderungen als Basis für Vernetzungsoption Aktionsbündnisse mit zivilgesellschaftlichen Akteuren dienen, schafft die polizeifeindliche Ausrichtung linksextremistischer Pro teste Vernetzungsoptionen hin zu ideologisch weniger gefestigten Gruppen. Vor allem subkulturelle und gewaltaffine Personen sol len durch eine gezielte Mobilisierung mit Gewaltaufrufen gegen die Polizei angesprochen werden. Auf diese Weise versucht die Sze ne, ihre "Schlagkraft" auf der Grundlage des gemeinsamen Hasses gegen die Polizei zu erhöhen. 4. Kampf für den Erhalt selbst ernannter "Freiräume" Die "Eroberung" und Verteidigung von "Freiräumen" hat für auto nome Linksextremisten eine besondere Bedeutung. Da Autonome die öffentliche Ordnung nicht anerkennen, ignorieren sie beste hende Eigentumsverhältnisse und errichten Orte, an denen sie selbst über die Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens be stimmen wollen. Dies können besetzte Häuser, kollektive "Wohn projekte" und selbstverwaltete Kulturzentren sein, die als Symbole des Widerstands frei von staatlicher Überwachung, Einflussnahme und "kapitalistischer Verwertungslogik" betrachtet werden. Jegli che staatlichen Eingriffe werden als Angriff auf die Selbstbestim mung verstanden. Dabei dienen "Freiräume" gewaltorientierten Linksextremisten auch als Ausgangspunkt und Rückzugsort bei Straftaten und "militanten Aktionen". Durch das Auslaufen von Nutzungs oder Mietverträgen, Eigentü "Freiräume" geraten merwechsel oder Umstrukturierungsvorhaben gerät die Szene in zunehmend unter ihren selbst ernannten "Freiräumen" immer weiter unter Druck. Druck Hinzu kommen staatliche Maßnahmen wie Durchsuchungen, Begehungen oder Räumungen. So wurden allein in Berlin in den letzten beiden Jahren vier Szeneobjekte geräumt. Jedes dieser 135 LINKSEXTREMISMUS Ereignisse stellt für die Szene einen spürbaren Rückschlag dar und wird als Beitrag zur Verdrängung "alternativer" Strukturen zugunsten einer strukturellen Aufwertung im Interesse der "Rei chen" verstanden. Szene reagiert Gewaltbereite Linksextremisten reagieren auf solche Maßnahmen mit Gewalt regelmäßig mit gewaltsamen Protesten, Sachbeschädigungen oder Brandanschlägen auf beteiligte Unternehmen, "Luxusimmobilien" oder die Polizei und versuchen damit auch, den drohenden Verlust weiterer "Freiräume" abzuwehren. Der "Preis" für entsprechende politische oder wirtschaftliche Entscheidungen soll auf diese Wei se "in die Höhe getrieben" und Entscheidungsbefugte beeinflusst werden. Hinzu kommen persönliche Drohungen gegen mutmaß lich Verantwortliche und Angriffe auf Polizeikräfte. Selbst bei Räu mungen von Objekten, die für die Szene von eher untergeordneter Relevanz waren, zeigte sich ein hohes Aggressionsniveau sowohl bei Straftaten gegen die Polizei als auch bei der Begehung von Re sonanz und Solidaritätsstraftaten. Räumung der Mit Unterstützung der Polizei wurde am 25. März 2021 das linksex "Meuterei" tremistisch beeinflusste Szeneobjekt "Meuterei" in Berlin geräumt und an den Eigentümer übergeben. Rund um dieses in der Szene als "Tag X" bezeichnete Ereignis kam es zu Protestkundgebungen und zahlreichen Straftaten, darunter Brandstiftungen insbesonde re an hochwertigen Fahrzeugen. Proteste und Am 15. Oktober 2021 wurde ein besetzter und von Linksextre Straftaten für misten als "Freiraum" betrachteter Wagenplatz in der Köpenicker den Erhalt des Straße in Berlin geräumt. Linksextremisten aus dem gesamten "Köpi-Wagenplatzes" Bundesgebiet solidarisierten sich mit dem "KöpiWagenplatz". Das mit einer Vielzahl von Bau und Wohnwagen, Unterständen sowie weiteren wohnwagenähnlichen Strukturen bestückte Grundstück befindet sich unmittelbar angrenzend an ein seit 1990 von Links extremisten besetztes Wohngebäude. Rund um die Räumung kam es vor allem in Berlin zu Straftaten und Solidaritätsaktionen. In der Nacht auf den 12. Oktober verüb ten mutmaßliche Linksextremisten einen Brandanschlag auf den Fuhrpark des Ordnungsamts im Berliner Bezirk Lichtenberg, bei dem mehrere Fahrzeuge zum Teil vollständig ausbrannten. 136 LINKSEXTREMISMUS Auf dem unübersichtlichen Gelände verschanzten sich anlässlich der Räumung Personen am Boden, in Unterständen, Bau und Wohnwagen sowie auf Bäumen und selbst errichteten Erhöhun gen. Die Polizei wurde im Verlauf der Räumung immer wieder vom Wagenplatz aus mit Steinen und Flaschen beworfen und mit Feuerlöschmittel besprüht. Am Abend wuchs ein Aufzug gegen die Räumung des "KöpiWagenplatzes" auf rund 7.000 Teilnehmer an. Im Verlauf eskalierte die von Beginn an aggressive Grundstim mung. Polizeikräfte wurden mit Flaschen und Steinen beworfen und mit Eisenstangen angegriffen. Darüber hinaus begingen Teil nehmer während des Aufzugs eine Vielzahl von Sachbeschädi gungen und Brandstiftungen. Die Ausschreitungen und Straftaten wurden auf "de.indymedia" als Erfolg gefeiert: "Die zumeist auswärtige Einheiten werden mit Entschlossenheit und Härte angegangen. Trupps, die als Seitenspalier vorgesehen waren, werden vom Platz der Auftaktkundgebung bis zum Kotti eigentlich nur gejagt. Es regnet Steine, Flaschen, Straßenmobiliar, Geschirr aus den Bars und mächtiges Feuerwerk. Die vor der Demo fahrenden Wannen kommen aus den Hinterhöfen des Kottbusser Damm ins Kreuzfeuer von Raketenbatterien (...). Nebenbei gehen einige hochpreisige Autos kaputt und auch die als Hauptgentrifizierer ausgemachten Läden und Co-Working-Spaces werden allesamt nicht verschont." (Internetplattform "de.indymedia", 16. Oktober 2021) Mit der "Rigaer94" gerät auch der derzeit bedeutendste "Freiraum" Gewalttätige der linksextremistischen Szene in Berlin immer stärker unter Ausschreitungen Druck. So wurde unter massiver linksextremistischer Gegenwehr rund um die am 17. Juni 2021 eine Brandschutzbegehung in der "Rigaer94" "Rigaer94" durchgeführt. Das Haus in der Rigaer Straße in BerlinFriedrichs hain ist seit den 1990erJahren teilbesetzt und hat bundesweit Be deutung für die linksextremistische Szene. Da sich die Bewohner geweigert hatten, dem Brandschutzsachverständigen unter Absi cherung durch die Polizei Zutritt zum Objekt zu gewähren, muss ten mehrere Türen gewaltsam geöffnet werden. Bei dem Versuch, das Gebäude zu betreten, wurden die Einsatzkräfte mit pyrotech nischen Gegenständen, Löschmittel aus Feuerlöschern, Steinen und Farbe angegriffen. Das gewaltbereite Umfeld der "Rigaer94" hatte zuvor mehrfach zur "Verteidigung" des Szeneobjekts aufge rufen. In der näheren Umgebung wurden bis in die Nacht hinein Brandstiftungen verübt. 137 LINKSEXTREMISMUS Bereits in den Tagen zuvor hatten Linksextremisten vermehrt Straftaten begangen, um ihre Solidarität mit dem Szeneobjekt zu bekunden. So wurde am 4. Juni 2021 eine mit Fahrgästen besetz te Straßenbahn an einer Haltestelle von mehreren vermummten Personen angegriffen. Die Täter beschädigten mehrere Fenster scheiben mit Nothämmern und besprühten die Bahn unter an derem mit einem Anarchiezeichen und dem Schriftzug "R94". Am 14. Juni 2021 wurden mehrere Fahrzeuge in Brand gesetzt, die auf dem Parkplatz eines ursprünglich für die Brandschutzbegehung vorgesehenen Unternehmens abgestellt waren. Am 16. Juni 2021 kam es im Nahbereich der "Rigaer94" zu erhebli chen Ausschreitungen. Linksextremisten errichteten Hindernisse aus Reifen, Baumaterialien, Müllcontainern sowie Stacheldraht und setzten diese teilweise in Brand. Polizeikräfte wurden unter anderem von umliegenden Dächern aus mit Steinen, Flaschen und pyrotechnischen Gegenständen angegriffen. Die brennen den Barrikaden mussten mit einem Räumpanzer durchbrochen und von Wasserwerfern gelöscht werden. Auf dem Twitteraccount "rigaer94" wurde in einem mittlerweile durch die Plattform ge löschten Beitrag verkündet: "Wir haben uns ins Haus zurück gezogen. Es wird weiter krachen, wir lassen uns nicht vertreiben ! Wer Wasserwerfer sät wird Steine ernten. Autonomes Naturgesetz!" (Twitteraccount von "rigaer94", 16. Juni 2021) Gewaltorientierte Linksextremisten werden ihre selbst ernannten "Freiräume" nicht kampflos aufgeben. Mit jeder Räumung oder anderweitigen Maßnahme wächst der Handlungsdruck auf die Szene. Mit weiteren Straf und Gewalttaten in diesem Zusammen hang ist daher zu rechnen. 5. Angriffe auf Wirtschaftsunternehmen Linksextremistisch motivierte Brandstiftungen oder Sachbe schädigungen an Fahrzeugen, Maschinen oder Infrastruktur von Wirtschaftsunternehmen verursachen in Deutschland jedes Jahr Sachschäden in Millionenhöhe. Neben konkreten Anlässen im Einzelfall soll damit das "kapitalistische System" als "Ursprung allen Übels" bekämpft werden. Viele Wirtschaftsunternehmen 138 LINKSEXTREMISMUS werden als "Erfüllungsgehilfen" des Staates angesehen und mit der gleichen Intensität bekämpft wie staatliche Ziele: "Der Unterschied zwischen staatlichen Behörden und privaten Unternehmen ist vor allem einer des bürgerlichen Rechts. Wir scheißen auf dieses Recht und greifen sie an. Wir bezeichnen sie als das was sie nun mal sind: Schweine." (Internetplattform "de.indymedia", 23. September 2021) In Selbstbezichtigungsschreiben werden vordergründig häufig konkrete Zusammenhänge wie "Antimilitarismus" (bei Rüstungs unternehmen), "Antirepression" (bei Unternehmen für Gefäng nislogistik oder Überwachungstechnik) oder das vermeintliche Engagement für den Klimaschutz (bei Unternehmen aus dem Rohstoff und Energiesektor oder der Automobilindustrie) als Be gründung für die Taten angeführt. " Am 26. Mai 2021 wurde etwa auf die im Bau befindliche "Tesla Gigafactory" in Grünheide (Brandenburg) ein Brandanschlag auf die Stromeinspeisung verübt. In dem am selben Tag ver öffentlichten Selbstbezichtigungsschreiben heißt es, die Pro duktion von Elektrofahrzeugen sei "nur ein neuer Beitrag zur weiteren Zerstörung des Planeten". " Am 9. September 2021 bekannten sich anonyme Autoren auf "de.indymedia" dazu, die Privatadresse des Vorstandsvorsitzen den der Volkswagen AG aufgesucht und das Wohnhaus mit Far be beschmiert zu haben. "Stellvertretend für das Autokapital" habe man "ihm einen Besuch abgestattet". Die Tat wurde in den Zusammenhang mit der Internationalen Automobilausstellung (IAA) gestellt, die vom 7. bis 12. September 2021 in München stattfand. Die IAA verkörpere "das Herzstück des deutschen Kapitalismus" und stehe "für eine beispiellose Verbindung von Nationalismus, Sexismus und Profitzwang". " Am 17. September 2021 wurden in ein Ingenieurbüro, das auf Sicherheitstechnik für Justizvollzugsanstalten spezialisiert ist, zwei Brandsätze geworfen und zudem hochpreisige Fahrzeuge in Brand gesetzt. In einem Selbstbezichtigungsschreiben wird der Angriff auf das Unternehmen mit dessen Beteiligung am Neubau der Justizvollzugsanstalt in Zwickau begründet. Teilweise ist auch Kritische Infrastruktur von den Anschlägen be troffen. So verübten mutmaßliche Linksextremisten in der Nacht 139 LINKSEXTREMISMUS auf den 21. Mai 2021 auf einer Baustelle in München (Bayern) einen Brandanschlag auf für Bauarbeiten freigelegte Stromlei tungen. Dadurch verursachten sie massive Schäden an der städti schen Stromversorgung. 20.000 Haushalte und Gewerbetreibende waren zeitweise ohne Strom, teilweise länger als 24 Stunden. Am Angriffe auf Kritische 23. Mai 2021 bekannten sich anonyme Autoren auf "de.indymedia" Infrastruktur zu der Tat. Als primäres Ziel benennen sie ein in München ansässi ges Elektronikunternehmen, das unter anderem Mess und Fern meldetechnik für die zivile und militärische Luftfahrt produziert. Fokussierung Vor allem Bau und Immobilienunternehmen stehen im Fokus auf Bauund von Linksextremisten, meist begründet mit der Verteidigung au Immobilientonomer "Freiräume" und dem Kampf gegen "antisoziale Stadt unternehmen strukturen". Bundesweit begehen Szeneangehörige teils erhebliche Straftaten oder drohen diese an, um politische Entscheidungsträ gerinnen und Entscheidungsträger oder beteiligte Wirtschaftsun ternehmen in ihrem Sinne zu beeinflussen: " Im Zusammenhang mit der Räumung des Szeneobjekts "Meu terei" wurden in Dresden am 26. und 27. März 2021 sieben Fahrzeuge eines Immobilienunternehmens durch Farbschmie rereien und zerstochene Reifen beschädigt. Im selben Kontext setzten mutmaßliche Linksextremisten in der Nacht auf den 27. März 2021 in Leipzig mehrere Fahrzeuge einer Wohnungs und Baugesellschaft in Brand. Auch ein Firmengebäude wurde durch den Brand beschädigt. " In der Nacht auf den 11. August 2021 setzten mutmaßliche Linksextremisten in einem Zeitraum von etwa 20 Minuten in fünf verschiedenen Berliner Stadtbezirken fünf Firmenfahr zeuge eines Immobilienunternehmens in Brand. Durch die Brandwirkung wurden neun weitere private Fahrzeuge, die in der Nähe geparkt waren, stark beschädigt und zum Teil voll ständig zerstört. Hohe Zahl an Allein in den letzten drei Jahren begingen Linksextremisten sta Brandanschlägen tistisch betrachtet nahezu jeden zweiten Tag eine Brandstiftung. gegen WirtschaftsWirtschaftsunternehmen waren dabei mit über 200 Taten zwi unternehmen schen 2019 und 2021 ein bevorzugtes Ziel linksextremistischer Brandanschläge, wobei allen voran die Immobilienwirtschaft be troffen ist. Systematisch und kontinuierlich sollen so Unterneh men eingeschüchtert und damit in ihren wirtschaftlichen Ent scheidungen beeinflusst werden. Die linksextremistische Szene 140 LINKSEXTREMISMUS nimmt ihr gewaltsames Vorgehen in diesem Bereich als erfolg versprechende Strategie wahr. Daher ist auch weiterhin mit einer Vielzahl linksextremistischer Brandanschläge gegen Wirtschafts unternehmen zu rechnen. 6. Bundestagswahl 2021 An der Wahl zum 20. Deutschen Bundestag am 26. September 2021 Teilnahme nahmen auch drei linksextremistische Parteien teil. Die "Deutsche linksextremistischer Kommunistische Partei" (DKP), die "MarxistischLeninistische Par Parteien tei Deutschlands" (MLPD) und die "Sozialistische Gleichheitspartei" (SGP) erhielten jeweils 0,0 % bei den Erst und Zweitstimmenan teilen. Die Ergebnisse belegen, dass es den linksextremistischen Parteien nicht gelungen ist, mit ihren Vorstellungen einer sozialis tischen beziehungsweise kommunistischen Gesellschaftsordnung eine größere Wählerschaft für sich zu gewinnen. Wahlergebnisse sind für die linksextremistischen Parteien allerdings nicht von al leiniger Bedeutung. Mit der Wahlteilnahme ist auch eine erweiterte Öffentlichkeitsarbeit verbunden. So eröffnet der Wahlkampf die Möglichkeit, einen größeren Kreis von Adressatinnen und Adres saten mit linksextremistischen Themen und Ideologiefragmenten direkt anzusprechen, neue Mitglieder anzuwerben und Spenden zu generieren. Linksextremistische Parteien werden daher auch zukünftig an Wahlen teilnehmen und versuchen, den Wahlkampf zur Verbreitung ihrer linksextremistischen Überzeugungen zu in strumentalisieren. Im Zusammenhang mit der Bundestagswahl sowie auch den Land Aktionen und tagswahlen im Jahr 2021 begingen Linksextremisten eine Vielzahl Straftaten im teils militanter Protestaktionen sowie 1.450 Straftaten - überwie Zusammenhang mit gend zum Nachteil der zur Wahl angetretenen Parteien. In den der Wahl meisten Fällen handelte es sich dabei um entwendete oder beschä digte Wahlplakate. Darüber hinaus kam es aber auch zu Störungen von Wahlkampfveranstaltungen und Blockaden von Informati onsständen sowie zu Sachbeschädigungen und Brandstiftungen an Parteieinrichtungen, "Outings" von als "faschistisch" ausge machten Politikerinnen und Politikern und in Einzelfällen zu kör perlichen Angriffen auf Wahlkämpfende. Ein gravierender Vorfall ereignete sich beispielsweise am 20. Februar 2021 in Schorndorf (BadenWürttemberg). Vermummte Personen griffen aus einer Gruppe heraus einen Landtagskandidaten der AfD im Rahmen 141 LINKSEXTREMISMUS einer Wahlkampfveranstaltung an und verletzten ihn mit Tritten und Schlägen. In einem noch am selben Tag auf "de.indymedia" veröffentlichten Selbstbezichtigungsschreiben wird der Angriff in den Zusammenhang mit einer bundesweiten "antifaschistischen" Kampagne zu den Bundes und Landtagswahlen gestellt, an der sich auch gewaltorientierte Linksextremisten beteiligten. Angriffe auf Parteien Politikerinnen und Politiker, politische Parteien und sie unterstüt und Politikerinnen zende Personen werden immer wieder zum Ziel linksextremisti und Politikern scher Störaktionen und Straftaten. Besonders im Fokus steht dabei die AfD, die von Linksextremisten als "ErsteKlasseGegner" ange sehen wird. Aber auch Mitglieder anderer im Bundestag vertrete ner Parteien werden - wenn auch weniger häufig - bis hinunter auf die kommunale Ebene von Linksextremisten attackiert. Anders als im Fall der AfD richten sich diese Angriffe aber nicht pauschal gegen eine Partei als solche. Diese Taten knüpfen zumeist an ein zelne Personen, Themen oder Positionen an, wobei häufig lokale Sachverhalte oder Ereignisse zur Tat motivieren. Dies können ein entschiedenes öffentliches Auftreten einzelner Politikerinnen und Politiker gegen den (gewaltorientierten) Linksextremismus, aber auch missliebige lokale wirtschafts, klima oder migrationspoliti sche Entscheidungen sein. Als Reaktion kommt es zu Sachbeschä digungen an Parteibüros, zur Störung von Parteiveranstaltungen und teilweise auch zu verbalen Anfeindungen gegen einzelne Per sonen auf einschlägigen Plattformen wie "de.indymedia". " In der Nacht vom 28. auf den 29. Mai 2021 beschädigten un bekannte Täter das Büro der SPD in Haltern (NordrheinWest falen). Sie zerstörten Scheiben und beschmierten die Fassade. Auf "de.indymedia" wurde am 29. Mai 2021 ein Selbstbezichti gungsschreiben mit dem Titel "TSG abschaffen - SPD Büro in Haltern angegriffen!" veröffentlicht. Die unbekannten Autoren führen darin aus, dass sie das SPDBüro angegriffen hätten, um ihre "Ohnmacht" und "Wut" darüber auszudrücken, dass sich die SPD "lieber für einen bald irrelevanten Koalitionsvertrag einsetzt, als trans* freundliche Politik zu machen". " In Leipzig wurde in der Nacht vom 6. auf den 7. Juli 2021 das Büro einer Leipziger Landtagsabgeordneten von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN angegriffen. Die unbekannten Täter schlugen Scheiben ein und beschmierten die Fassade mit den Schrift zügen "Free Lina" und "R94" (gemeint sind eine derzeit wegen mehrerer schwerer politisch motivierter Straftaten angeklagte 142 LINKSEXTREMISMUS und in Untersuchungshaft befindliche Linksextremistin sowie das Berliner Szeneobjekt "Rigaer94"). Am 8. Juli 2021 veröffent lichten anonyme Autoren auf "de.indymedia" ein Selbstbezich tigungsschreiben mit dem Titel "[LE] GrünenBüro mit Ham mer und Farbe besucht - Rigaer94 bleibt!". In diesem wird der Angriff als "Rache für die permanenten Angriffe auf Menschen mit einem revolutionären Denken" beschrieben. Den Grünen wird vorgeworfen, dass in Berlin unter ihrer Regierungsbeteili gung zahlreiche linksextremistische "Freiräume" geräumt wur den ("Liebig34", "Syndikat", "Meuterei"). " Am 2. Oktober 2021 verübten mutmaßliche Linksextremisten einen Brandanschlag auf das Fahrzeug eines AfDPolitikers aus Kassel. In einem Beitrag auf "de.indymedia" mit dem Titel "ks: brandanschlag auf afd vorsitzenden" bekennen sich anonyme Autoren zur Tat und bedauern, dass "das gelegte feuer nicht vollständig auf das auto des faschisten" übergegriffen habe. Direkte körperliche Angriffe auf Politikerinnen und Politiker an derer Parteien als der AfD sind bislang absolute Ausnahmefälle. Wahrscheinlicher sind Angriffe auf das Eigentum der angefeinde ten Personen in ihrem privaten Umfeld, die bis hin zu Brandstif tungen reichen können. 7. Versuchte Einflussnahme auf die Klimaproteste Mit ihrem vermeintlichen Engagement für den Klimaschutz ver suchen Linksextremisten aus verschiedenen Teilen der Szene, demokratische Diskurse zu verschieben, sie um ihre eigenen ideo logischen Positionen zu ergänzen, gesellschaftlichen Protest zu radikalisieren und den Staat und seine Institutionen zu delegiti mieren. Gewaltorientierte Linksextremisten versuchen mithilfe von Aktionsbündnissen, Einfluss auf die Proteste zu nehmen. Eine maßgebliche Rolle kommt dabei dem von der "Interventionisti schen Linken" (IL) beeinflussten Bündnis "Ende Gelände" (EG) zu. Neben dem Braunkohleabbau stand 2021 als weiteres Aktions "Massenaktion" thema erstmals auch der fossile Brennstoff Erdgas im Fokus. Vom von "Ende Gelände" 29. Juli bis 2. August 2021 mobilisierte EG zu einer "Massenaktion gegen die Nutzung zivilen Ungehorsams" nach Brunsbüttel (SchleswigHolstein). Die von Erdgas Forderungen von EG gingen dabei erneut über Proteste gegen die "fossile Industrie" hinaus: 143 LINKSEXTREMISMUS "Das Übel an der Wurzel packen: Kapitalismus abschaffen!" (Homepage "Ende Gelände", 28. Juli 2021) Etwa 2.000 Teilnehmende protestierten vor Ort gegen den geplan ten Bau von Flüssiggasterminals. An der "Massenaktion" hatte sich neben EG auch die IL beteiligt. Unter anderem wurde die Zufahrt eines Unternehmens blockiert, das in die Bauplanungen einge bunden ist. Zudem blockierten mehrere Personen mit Kanus den NordOstseeKanal als wichtige Wasserstraße für eine zukünftige Verschiffung von Flüssiggas. In zeitlichem Zusammenhang mit der "Massenaktion" wurden mehrere Sabotageaktionen gegen Einrichtungen für die Über wachung und den Betrieb von Gasleitungen in Brandenburg und MecklenburgVorpommern verübt. Am 2. August 2021 be zichtigten sich unbekannte Täter auf dem Twitteraccount "fri daysforsabotage" selbst einer Sabotagehandlung an einer "Gas DruckRegelMessanlage". Das Vorgehen richte sich gegen die Betreibergesellschaft der Erdgaspipeline, da diese zur eigenen Wohlstandsvermehrung Schaden an Mensch und Natur billigend in Kauf nehme. In erster Linie richte sich die Aktion aber gegen das "kapitalistische System". EG bedankte sich daraufhin öffentlich bei "fridaysforsabotage": "Danke an @fridaysforsabo2 für eure Aktion zivilen Ungehorsams! United we stand!" (Twitter, 6. August 2021) Im zeitlichen Zusammenhang mit der Bundestagswahl und damit besonders öffentlichkeitswirksam versuchten Linksextremisten auch das Thema "Mobilitätswende" als Ansatzpunkt zur Radikali sierung der Klimaproteste zu besetzen. Im Mittelpunkt stand die Internationale Automobilausstellung (IAA) vom 7. bis 12. Septem ber 2021 in München. Unter anderem hatten EG und das kommu nistische Bündnis "...ums Ganze!" (uG) zu Protesten aufgerufen. Der antiimperialistische Zusammenschluss "Perspektive Kommu nismus" (PK) initiierte die Kampagne "SMASH IAA - Autokonzer ne enteignen". Auf "de.indymedia" wurde schon vorab die Anwen dung von Gewalt bei den Protestaktionen angekündigt: "Wir kündigen hiermit jeglichen Aktionskonsens auf. Wir werden im September die IAA angreifen. (...) Wir werden Bullen 144 LINKSEXTREMISMUS angreifen, wir werden Infrastruktur zerstören, wir werden Gewalt gegen alle anwenden, die versuchen uns daran zu hindern. (...) Smash IAA! Kill all Cops!" (Internetplattform "de.indymedia", 31. August 2021) Am 7. September 2021 wurden verschiedene Autobahnen rund um München für mehrere Stunden durch Abseilaktionen an Auto bahnbrücken blockiert, an denen sich auch Linksextremisten be teiligten. Im Rahmen einer "Massenaktion zivilen Ungehorsams" kam es in der Innenstadt zu Störungen und Blockaden von IAA Ständen. Vermummte Personen warfen Steine auf Einsatzkräfte der Polizei und zündeten Rauchkörper. An einer Großdemonstra tion am 11. September 2021 beteiligten sich rund 4.500 Personen, darunter etwa 1.200 Linksextremisten. Die Teilnehmer brannten pyrotechnische Gegenstände ab und skandierten Parolen wie "BRD Bullenstaat, wir haben dich zum Kotzen satt". Vor dem Hintergrund vermeintlich ausbleibender konkreter kli Instrumentalisierung mapolitischer Erfolge versuchen Linksextremisten, ihre Aktions des Begriffs "Ziviler formen einschließlich der Begehung von Straf und Gewalttaten als Ungehorsam" legitimes Mittel im politischen Meinungskampf zu rechtfertigen, und deuten dazu den Begriff "ziviler Ungehorsam" um. Hierdurch wird vorsätzlich ausgeübter und mitunter gewaltsamer Wider stand gegen das demokratisch legitimierte staatliche Gewaltmo nopol in eine Reihe mit Menschen und Bürgerrechtsbewegungen gestellt, die gewaltlos gegen Unrechtssysteme protestieren: "Ziviler Ungehorsam ist das aktive Brechen von Gesetzen, die Ungerechtigkeiten hervorrufen. Was wir machen, wenn wir uns auf Bagger setzen, in Kohlegruben laufen oder Schienen blockieren ist, uns mit unseren Körpern der Zerstörung in den Weg zu stellen. (...) Mit unserem zivilen Ungehorsam zeigen wir, dass Eigentum nicht zur Klimazerstörung und zur Ausbeutung berechtigt." (Pressesprecherin "Ende Gelände", 2. Februar 2021) Auch Parteien und Organisationen des dogmatischen Linksext remismus wie die DKP und die MLPD versuchen, die "Klimapro teste" als Tribüne zur Verbreitung ihrer ideologischen Positionen zu nutzen. Sie sehen in einem ausschließlich auf Profitmaxi mierung ausgerichteten "Kapitalismus" die Ursache für den Kli mawandel. Vorrangiges Ziel ist es, ihre Forderung nach einer 145 LINKSEXTREMISMUS "Systemüberwindung" in die demokratischen Klimaproteste ein zubringen, junge Menschen anzusprechen und langfristig in die eigenen Strukturen einzubinden. Hierfür bedienen sie sich vor rangig ihrer Jugendorganisationen, der "Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend" (SDAJ) beziehungsweise "REBELL". 8. Gefährdungspotenzial Das vom Linksextremismus ausgehende Gefährdungspotenzial ist unverändert hoch. Zwar sind die linksextremistischen Straf und Gewalttaten zuletzt zurückgegangen, nach dem starken Anstieg in den Vorjahren ist dies jedoch als Konsolidierung auf hohem Niveau zu werten. Hinzu kommen ein weiterer Anstieg des ge waltorientierten Personenpotenzials und die fortschreitende Ra dikalisierung in Teilen der gewaltbereiten Szene. Dies zeigt sich in regelmäßigen Angriffen auf die körperliche Unversehrtheit von Menschen und in hohen Schadenssummen, die durch Linksextre mismus jedes Jahr verursacht werden. Durch Anschläge auf Kabel schächte, Telekommunikationseinrichtungen oder Bahnanlagen können auch weite Teile der Bevölkerung von linksextremisti schen Straf und Gewalttaten betroffen sein. Bereits mehrfach wa ren in den letzten Jahren ganze Stadtteile teils stundenlang ohne Strom, Internet oder Telekommunikation. Mit den in 2021 erst mals erfolgten Sabotageaktionen gegen Einrichtungen der Gasin frastruktur ist der Kreis der potenziellen Anschlagsziele in diesem Bereich noch angewachsen. Die gewalttätigen Angriffe von Linksextremisten auf Vertreterin nen und Vertreter des Staates und Unternehmen haben das Ziel, politische und wirtschaftliche Entscheidungen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Mit der ideologisch hergeleiteten Selbstermächti gung zum Widerstand gegen einen vermeintlich repressiven Staat sollen gesetzesfreie Räume geschaffen und verteidigt werden. Gleichzeitig sollen demokratische Protestformen instrumentali siert und radikalisiert werden, um Diskurse zu verschieben und die freiheitliche Gesellschaft zu polarisieren. Unvermindert Anlass zur Sorge gibt die Entwicklung in den Sze neschwerpunkten Berlin, Hamburg und Leipzig. Aber auch in an deren Bundesländern radikalisieren sich einzelne Kleingruppen, schotten sich vom Rest der Szene ab und begehen konspirativ, 146 LINKSEXTREMISMUS arbeitsteilig und planvoll zahlreiche Straf und Gewalttaten. Die Begehung einer Vielzahl von Taten, die teils hemmungslose Ge waltanwendung und die Abschottung nach außen können bei un gehindertem Fortgang in eine Radikalisierungsspirale führen, die im schlimmsten Fall auch eine Entwicklung hin zu terroristischen Strukturen als möglich erscheinen lässt. Vor diesem Hintergrund ist auch der Schritt zur Tötung eines po litischen Gegners nicht mehr völlig undenkbar. Der Einsatz von Schusswaffen oder Sprengsätzen mit der Absicht einer gezielten Tötung der Opfer ist allerdings noch nicht festzustellen. Aber auch ohne den Einsatz gezielter Tötungsmittel sind die Bru talität und Gewaltbereitschaft stark ausgeprägt. Gerade im "anti faschistischen Kampf" gewaltbereiter Linksextremisten gibt es erhebliche Angriffe, die von professionell organisierten Kleingrup pen ausgehen. Eine tatsächliche oder auch nur als solche emp fundene Zunahme von Rechtsextremismus oder Rassismus in der Gesellschaft könnte den bereits verspürten Handlungsdruck bei linksextremistischen Gewalttätern noch weiter steigern - einher gehend mit einem Anwachsen oder einer weiteren Radikalisierung des gewaltbereiten Spektrums. So ist die Gruppe potenzieller "Fa schisten" während der Coronapandemie und der Proteste gegen die staatlichen Schutzmaßnahmen aus Sicht von Linksextremisten noch einmal um Personen, die an diesen Protesten teilnehmen, angewachsen. Mit einer Abnahme "antifaschistisch" motivierter Gewalt von Linksextremisten ist insofern nicht zu rechnen. Gewalt ist für Linksextremisten seit jeher ein strategisches In strument. Die meisten Opfer werden stellvertretend angegriffen für eine Gruppe oder Institution, für die sie stehen und auf die durch die Tat Einfluss genommen werden soll. Linksextremisten entschei den selbst, wer als "Faschist" anzusehen und welche Meinung ak zeptabel oder zu unterbinden ist. Zentrale Elemente des demokrati schen Rechtsstaates wie demokratische Mehrheitsentscheidungen, das Recht auf körperliche Unversehrtheit und freie Meinungsäu ßerung oder die allgemeine Handlungsfreiheit gelten dabei für sie nicht. Das staatliche Gewaltmonopol und die geltende Rechtsord nung werden grundsätzlich abgelehnt. Mit der Öffnung von Teilen der linksextremistischen Szene gegenüber anderen gewaltaffinen Spektren, wie zum Beispiel lokalen Kampfsportszenen, geht eine weitere Professionalisierung der Gewaltanwendung einher. 147 LINKSEXTREMISMUS Neben der weiteren Entwicklung im Kampf für linksextremisti sche "Freiräume" und einer möglichen Zuspitzung gesellschaftli cher Proteste im Bereich der Klima oder Wohnungspolitik kön nen je nach Verlauf der Coronapandemie auch ein zunehmendes Veranstaltungsgeschehen oder Großereignisse mit Relevanz für die Szene Anlass für die Begehung linksextremistisch motivierter Straf und Gewalttaten sein. Einen Beitrag zu dieser Entwicklung leistet auch der nicht ge waltorientierte dogmatische Linksextremismus, sei es durch die Schaffung ideologischer Begründungszusammenhänge oder durch konkrete Unterstützungshandlungen im Umfeld. Dessen Strukturen sind durchaus in der Lage, alte und neue Anhänger mit linksextremistischen Themen und Ideologiefragmenten zu indoktrinieren und als geistige Wegbereiter daran mitzuwirken, den Linksextremismus mit all seinen Ausprägungen in die Gesell schaft zu tragen. Dabei stehen insbesondere junge Menschen im Fokus dogmatischer Linksextremisten, die sie auf verschiedene Weise - zum Beispiel durch persönliche Ansprache am Rande von Klimaprotesten (vgl. Kap. II, Nr. 7) oder FlyerVerteilaktionen vor Schulen - für sich zu gewinnen versuchen. III. Linksextremistische Strukturen Charakteristisch für die linksextremistische Szene ist ihre ausge prägte Heterogenität. Diese zeigt sich im Hinblick auf die verschie denen ideologischen Ausprägungen, den Organisationsgrad, die bevorzugten Aktionsformen sowie das Verhältnis zur Gewalt. An hand der Einstellung zur Frage, ob Gewalt bereits in der Gegenwart ein legitimes Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele sei oder erst in einer noch fernen "revolutionären Situation", lässt sich die Szene in gewaltorientierte und nicht gewaltorientierte Linksextremisten unterteilen. 1. Kommunismus und Anarchismus als ideologische Basis Im Linksextremismus gibt es mit dem Kommunismus und dem Anarchismus zwei miteinander unvereinbare Ideologiefamilien. Kommunisten gründen ihre ideologische Weltsicht auf den von 148 LINKSEXTREMISMUS Karl Marx im 19. Jahrhundert propagierten "Historischen Materi alismus". Demnach sei der Ablauf der Geschichte eine durch öko nomische Prozesse gesetzmäßig vorherbestimmte Entwicklung - von der Urgesellschaft über die Sklavenhaltergesellschaft und den Feudalismus, den "Kapitalismus" und den Sozialismus bis hin zum Kommunismus als idealer Gesellschaftsform. Im derzeit aus links extremistischer Sicht vorherrschenden "Kapitalismus" existiere ein "Klassenkampf" zwischen der lohnabhängigen Klasse ("Pro letariat") und der im Besitz der Produktionsmittel befindlichen, herrschenden Klasse ("Bourgeoisie"). Dieser "Klassenkampf" gipfe le in der Revolution des "Proletariats", die alle Klassenunterschiede aufheben werde. Marxisten streben vor dem Kommunismus den Sozialismus ("Dik Sozialismus als tatur des Proletariats") als Übergangsphase an. Darin soll der Staat Übergangsphase in Teilen bestehen bleiben und die Gesellschaft auf den Kommu nismus vorbereitet werden. Hierzu soll beispielsweise das Privat eigentum an Produktionsmitteln zugunsten einer Vergesellschaf tung abgeschafft werden. Im Gegensatz dazu setzen sich Anarchisten die Abschaffung jeder Abschaffung jeglicher Form menschlicher Herrschaft über andere Menschen zum Ziel. Form von Herrschaft Den Sozialismus lehnen sie dabei genauso ab wie den "Histori im Anarchismus schen Materialismus". Anarchisten sind konsequent staatsfeindlich und wollen den Parlamentarismus unmittelbar durch eine "basis demokratisch" organisierte Gesellschaft ersetzen. Einig sind sich Kommunisten und Anarchisten bei der Bekämp Kampf gegen den fung des "Kapitalismus" - verstanden als untrennbare Einheit von "Kapitalismus" marktwirtschaftlicher Eigentumsordnung und demokratischem Rechtsstaat, welche allein der Erhaltung von Ausbeutungs und Unterdrückungsverhältnissen diene. Wenn sie den "Kapitalismus" adressieren, meinen Linksextremisten damit immer auch die frei heitliche demokratische Grundordnung. Die als notwendig erach tete Überwindung des "Kapitalismus" könne nicht durch politi sche Reformen, sondern nur durch einen Umsturz der bisherigen Staats und Gesellschaftsordnung erfolgen. 149 LINKSEXTREMISMUS 2. Gewaltorientierte Linksextremisten Rund 30 Prozent der Linksextremisten in Deutschland sind als gewaltorientiert einzustufen. Zu dieser Gruppe zählen vor allem Autonome, Anarchisten sowie ein kleiner Teil des dogmatischen Spektrums. Funktion der Gewalt Für gewaltorientierte Linksextremisten ist "Militanz" die zentrale Handlungsform. Der demokratische Parlamentarismus stellt für sie keine legitime Art der politischen Betätigung dar. Wahlen dien ten lediglich dazu, den "Kapitalismus" durch den Schein eines Mit bestimmungsrechts zu erhalten und eine angebliche strukturelle Gewalt des Staates zu legitimieren. Tatsächliche Veränderungen seien hingegen durch Wahlen nicht zu erreichen. Vor allem autonome Linksextremisten sehen sich dazu berechtigt, tatsächliche oder vermeintliche Missstände unmittelbar zu beseiti gen. Durch jeden Angriff auf den bei Linksextremisten verhassten Staat soll dieser punktuell herausgefordert und durch die Konti nuität autonomer "Militanz" sukzessive "dekonstruiert" werden. Isoliert betrachtet haben die Taten kaum revolutionären Charak ter. Jedoch sollen sie ihre Wirkung in der Summe entfalten und zu Nachahmungstaten animieren. Die öffentliche Aufmerksamkeit kann dazu genutzt werden, den häufig in einem Selbstbezichti gungsschreiben formulierten Ansichten Nachdruck zu verleihen. Durch eine Vielzahl "militanter Aktionen" soll schließlich eine "Überreaktion des Staates" provoziert werden. In der Folge werde die "unverhältnismäßige Repression" den unterdrückerischen Cha rakter des Staates offenbaren und die Bereitschaft zu einem revolu tionären Umsturz steigern. 2.1 Autonome Die etwa 8.000 Autonomen bilden die mit Abstand größte Gruppe im gewaltorientierten Linksextremismus. Trotz ihrer ideologischen, strategischen und organisatorischen Verschiedenheit teilen sie eine inhaltliche Grundannahme: Das Individuum und seine Selbstver wirklichung stehen im Mittelpunkt politischen Handelns. Jede Form einer Fremdbestimmung wird abgelehnt. Alle Staats und Herr schaftsformen werden als autoritär erachtet und sollen zugunsten einer herrschaftsfreien Ordnung überwunden werden. 150 LINKSEXTREMISMUS Autonome Szenen bilden sich primär in Groß und/oder Univer Autonome als sitätsstädten. Meist verfügen sie dort über einen zentralen An urbanes Phänomen laufpunkt, um den sich ein Geflecht von Kleingruppen, Einzel personen und lokalen Ablegern überregionaler oder bundesweiter Organisationen und Strukturen formiert. Die größten Szenen be finden sich in Berlin, Hamburg und Leipzig. Dort besitzen sie ein überdurchschnittlich hohes Aktionsniveau sowie Mobilisierungs potenzial und begehen eine Vielzahl von Straf und Gewalttaten. Hinzu kommt an diesen Orten ein breites sympathisierendes und anlassbezogen mobilisierbares Szeneumfeld. In selbst geschaffenen "Freiräumen" versuchen Autonome, alter Schaffung von native Lebensentwürfe zu verwirklichen. Damit gehen zwingend "Freiräumen" die Ablehnung und das Fernhalten staatlicher Ordnungsmacht einher. Durch die ständige "Eroberung" und Verteidigung von "Freiräumen" sollen Teile des gesellschaftlichen Zusammenlebens der "kapitalistischen Verwertungslogik" und staatlichen Einflüssen entzogen werden. Dafür besetzen Autonome leer stehende Häuser, gründen Wohngemeinschaften und genossenschaftliche Kleinbe triebe oder eröffnen autonome Zentren, Läden und Einrichtungen. Dem "kapitalistischen Gesellschaftssystem" sollen so Strukturen entgegengestellt werden, die die Einwirkungsmöglichkeiten staat licher Institutionen punktuell außer Kraft setzen und so die Macht des Staates schrittweise bis zu seiner Auflösung reduzieren. Die meisten Autonomen bevorzugen unverbindliche Strukturen Organisationsformen und bilden auf persönlichen Beziehungen beruhende Kleingrup pen ("Bezugsgruppen"). Diese stehen ihrerseits in losen Verbin dungen zu anderen Kleingruppen und kooperieren anlassbezogen miteinander. Andere Autonome schließen sich aus strategischen Überlegungen langfristig in Gruppen und Netzwerken zusam men. Dadurch soll die eigene Schlagkraft erhöht und ein effekti ver Schutz vor politischen Kontrahenten sichergestellt werden. Anlassbezogen kooperieren Autonome auch mit nicht extremis tischen Agierenden und Aktionsbündnissen, deren Forderungen gezielt um extremistische Inhalte erweitert und um eine militante Komponente ergänzt werden sollen. Postautonome entwickeln diese strategischen Überlegungen wei Postautonome ter und rücken die Vernetzung mit nicht extremistischen Agieren Zusammenschlüsse den ins Zentrum ihres politischen Handelns. Durch intensive Öf fentlichkeitsarbeit und die Vermittlung theoretischer Grundlagen 151 LINKSEXTREMISMUS soll die Akzeptanz autonomer Ziele und Aktionen in der Gesell schaft verbessert werden. Vertreter dieser postautonomen Aus richtung sind die "Interventionistische Linke" (IL) und das kom munistische Bündnis "...ums Ganze!" (uG). Rückbesinnung auf Deutlich stärker als bislang berufen sich einzelne autonome Grup die anarchistischen pierungen auf ihre anarchistischen Wurzeln, ohne dass grundle Wurzeln gende autonome Handlungsprämissen aufgegeben werden. Die Grenzen zwischen autonomen und anarchistischen Strömungen werden dadurch zunehmend fließend. Die breitere ideologische Basis soll dabei auch als Grundlage für langfristige Vernetzungen untereinander sowie mit anderen autonomen Gruppierungen im In und Ausland dienen. Auf diese Weise werden die eigenen Ein flussmöglichkeiten verbessert, das Mobilisierungspotenzial bei der Begehung von Straftaten vergrößert und die eigene Gefährlichkeit noch einmal gesteigert. Die Folge ist eine Vielzahl von Straf und Gewalttaten ("direkte Aktionen") vor allem gegen Personen und Einrichtungen, die den Staat repräsentieren. Ziel ist es, das bei Linksextremisten verhasste System nicht erst in einer fernen, re volutionären Situation zu stürzen, sondern bereits jetzt unmittel bar "praktisch" anzugreifen und dadurch auch andere zu ähnlichen Taten zu mobilisieren ("Propaganda der Tat"). 2.2 Anarchisten Anarchisten lehnen die Herrschaft von Menschen über andere Menschen ab. Das beinhaltet jede Form staatlicher Hoheitsgewalt, auch die innerhalb freiheitlicher Demokratien. Im Anarchismus gibt es verschiedene Strömungen, die sich ideologisch oder durch ihren Organisationsgrad unterscheiden lassen. Eher organisati onsfeindliche, stark gewaltorientierte Anarchisten wollen den de mokratischen Rechtsstaat bereits jetzt unmittelbar angreifen und gewaltsam zerschlagen. Die Übergänge zum autonomen Spektrum sind hier fließend. 2.3 Gewaltorientierte dogmatische Linksextremisten Dogmatische Linksextremisten streben eine sozialistische Gesell schaftsordnung an, aus der langfristig eine "klassenlose" kommu nistische Gesellschaft entstehen soll. Dabei befürwortet ein Teil 152 LINKSEXTREMISMUS der dogmatischen Linksextremisten den Einsatz von Gewalt oder schließt ihn zumindest nicht explizit aus. So soll nach dem Aktionsprogramm der trotzkistischen "Gruppe ArbeiterInnenmacht" (GAM) mithilfe einer "kampffähigen Partei" das bestehende Gesellschaftssystem "zerbrochen" und durch Arbei terräte ersetzt werden. Zur Steigerung ihrer Einflussmöglichkeiten engagieren sich die GAM und die ihr nahestehende Jugendorga nisation "REVOLUTION" (REVO) in gesellschaftlichen Bewegun gen wie zum Beispiel der Klimaprotestbewegung oder im Kontext "Antigentrifizierung". Im Nachgang zu der von Ausschreitungen begleiteten Brandschutzbegehung in der "Rigaer94" im Juni 2021 vollzog die GAM den ideologischen Schulterschluss mit militanten Autonomen gegen das "paramilitärische Aufgebot der Polizei" und unterstützte deren Forderung nach einer "Entschädigungslose[n] Enteignung der BesitzerInnen der Rigaer94 und anderer von der Räumung bedrohter Häuser!". Wie die GAM schließt auch REVO in ihrem Grundsatzprogramm Gewalt als mögliches strategisches Mittel nicht aus. Neben GAM und REVO ist auch die "Sozialistische Deutsche Ar beiterjugend" (SDAJ) als gewaltorientiert einzustufen. Die formal eigenständige Nachwuchsorganisation der nicht gewaltorientier ten "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) distanziert sich nicht von der Anwendung von Gewalt und arbeitet im Rahmen ih rer Bündnispolitik mit anderen gewaltorientierten Gruppierungen zusammen. Eine stark organisationsgebundene Ausprägung des Anarchismus Organisationsist der Anarchosyndikalismus. Dahinter steht die Idee, mittels gebundene Branchengewerkschaften die "Produktionsmittel" zu überneh Anarchisten men. Syndikalistischen Anarchisten geht es um die unmittelbare Abschaffung jeglicher Form von Herrschaft und damit auch des demokratischen Rechtsstaats und seiner Einrichtungen durch eine Revolution. Auch die Ideologie des Anarchosyndikalismus schließt Gewalt mit Blick auf die angestrebte "soziale Revolution" nicht aus, obgleich sie derzeit eine eher theoretische Rolle spielt. Erst mit Eintritt der "revolutionären Situation" seien Zeitpunkt und Voraussetzungen dafür gegeben. Der Strömung des Anarchosyndi kalismus folgt mit der "Freien Arbeiterinnen und ArbeiterUnion" (FAU) auch die mit etwa 1.200 Mitgliedern größte anarchistische Organisation in Deutschland. 153 LINKSEXTREMISMUS Antiimperialisten Nach Auffassung von Antiimperialisten wollen die "kapitalisti schen" Staaten durch "imperialistische" Politik neue Märkte auch gewaltsam erschließen, um Profite zu maximieren. Um dem zu begegnen, stelle Gewalt eine notwendige Komponente für den Kampf gegen den "Kapitalismus" beziehungsweise den "Impe rialismus" dar. Anders als bei Gruppierungen, die sich streng an ideologischen Vordenkern orientieren, basiert die Ausrichtung von Antiimperialisten auf einer selbstdefinierten Auswahl aus ver schiedenen kommunistischen Theorien. "Perspektive Einer der zentralen antiimperialistischen Zusammenschlüsse ist Kommunismus" die "Perspektive Kommunismus" (PK). Im März 2021 veröffentlich te die PK die Broschüre "Repression gegen militanten Antifaschis mus". Darin versucht sie, "antifaschistisch" begründete Gewalt als Notwehr zu legitimieren und eine TäterOpferUmkehr vorzuneh men, wobei man selbst Opfer des "faschistischen" und "kapitalisti schen" Systems sei. Die Begehung von Straf und Gewalttaten sei eher eine taktische Frage, die von Legitimität und Legalität abge koppelt gehöre. 3. Nicht gewaltorientierte dogmatische Linksextremisten Die überwiegende Mehrheit der dogmatischen Linksextremisten ist als nicht gewaltorientiert einzustufen. Wie die meisten links extremistischen Strukturen streben sie danach, durch ihr Handeln eine revolutionäre Situation herbeizuführen. Dabei folgen sie dem Dogma der marxistischleninistischen Ideologie, das als unabding bare Voraussetzung für den gesellschaftspolitischen Umsturz eine "revolutionäre Massenbasis" verlangt. Bis zur Erreichung dieser "Massenbasis" konzentrieren sich dogmatische Linksextremisten vor allem auf ideologische Überzeugungsarbeit, Vernetzung mit anderen "linken" und linksextremistischen Gruppierungen sowie auf unterschiedliche Strategien, den politischen Diskurs in eine für sie passende Bahn zu lenken und revolutionär zuzuspitzen. Marxisten-Leninisten Im dogmatischen Linksextremismus zeichnen sich zwei grundle gende Strömungen ab. Eine davon bilden traditionelle Marxisten Leninisten, die auf der ideologischen Grundlage der Thesen von Marx und Friedrich Engels eine auf innerparteiliche Liniendiszi plin ausgerichtete kommunistische Partei aufbauen wollen. Im Namen dieser Partei wollen sie politisch handeln, beispielsweise 154 LINKSEXTREMISMUS durch die Teilnahme an Wahlen, bis es ihnen schließlich gelungen ist, die Partei als alleinig herrschende zu etablieren. Vertreter dieser Strömung sind die DKP und die MLPD sowie die von der Partei DIE LINKE als Bundesarbeitsgemeinschaft anerkannte "Kommunisti sche Plattform" (KPF). Die zweite Strömung im dogmatischen Linksextremismus ist Trotzkisten trotzkistisch geprägt. Trotzkisten beziehen sich ebenfalls auf Marx, Engels und Wladimir Iljitsch Lenin, leiten ihre Revolutionstheorie allerdings aus der Lehre Leo Trotzkis ab. Sie verstehen den ange strebten revolutionären Prozess als permanente, internationale Revolution unter Führung von Arbeiterräten. Trotzkisten fehlt die traditionelle Liniendisziplin kommunistischer Parteien, daher sind sie besonders häufig von internen Spaltungen betroffen. Die se organisatorische Schwäche gleichen Trotzkisten durch den Griff nach anderen Strukturen aus. Teils offen, teils verdeckt versuchen sie, Aktionsbündnisse, Kampagnen und Organisationen bis hin zu einzelnen Strukturen innerhalb der Partei DIE LINKE mit ih ren trotzkistischen Kadern zu infiltrieren. Diese Strukturen sollen unter ihre Kontrolle gebracht oder zumindest ein Kern an trotz kistischen Kadern darin verankert werden. Ziel dieser Entrismus Strategie ist, die schon organisierten Bündnisse und Bewegungen für den angestrebten Aufbau der revolutionären Massenbewegung zu instrumentalisieren. Trotz ideologischer Spaltungen basiert das Weltbild von Trotz Kampagnenund kisten und traditionellen MarxistenLeninisten auf den gleichen Öffentlichkeitsarbeit kommunistischen Glaubenssätzen. Daher identifizieren sie die selben gesellschaftlichen Aktionsthemen und Kampagnen als Basis für ihre politische und strategische Arbeit. Neben intensiver Öffentlichkeitsarbeit, mit der sie ihre Positionen und Analysen verbreiten, bringen dogmatische Linksextremisten sich in ihnen relevant erscheinende Bündnisse und Kampagnen ein, zum Bei spiel im Kontext Klima und Wohnungspolitik. Dabei spitzen sie den politischen Diskurs zu, indem sie alle aktuellen Probleme auf den "Kapitalismus" als "Ursache allen Übels" zurückführen und als visionäre Lösung eine revolutionär zu etablierende sozialistische beziehungsweise kommunistische Gesellschaftsordnung anprei sen. Solche Argumentationslinien, welche die demokratische Ord nung und ihre Institutionen diskreditieren, sollen marxistisch leninistische Analyseraster gesellschaftsfähig machen und mithin den politischen Diskurs in Richtung der eigenen extremistischen 155 LINKSEXTREMISMUS Positionen verschieben. Hierdurch sollen ein revolutionäres Be wusstsein, eine "Massenbasis" und schließlich eine revolutionäre Situation geschaffen werden. Versuchte Insbesondere Trotzkisten streben auch politischen Einfluss im Einflussnahme auf parlamentarischen Raum an. Dazu soll die Partei DIE LINKE zu die Partei DIE LINKE einer revolutionären Arbeiterpartei umgeformt werden. Trotzkis tische Strukturen wie das Netzwerk "marx21" oder Bundesarbeits gemeinschaften wie die "Antikapitalistische Linke" (AKL) agieren offen im Bereich der Partei. Die AKL nutzt dabei - genau wie die marxistischleninistische KPF - bewusst die finanziellen und strukturellen Vorteile, mit denen die Partei ihre Bundesarbeitsge meinschaften unterstützt. Daneben arbeiten Mitglieder weiterer trotzkistischer Organisationen wie GAM, REVO, "Sozialistische Alternative" (SAV), "Sozialistische Organisation Solidarität" (Sol) sowie der "Internationalen Sozialistischen Organisation" (ISO) of fen oder verdeckt in diesen und weiteren Strukturen der Partei. Sie besetzen Funktionen und Gremien mit dem Ziel, diese strukturel len Möglichkeiten der Einflussnahme auf Entscheidungsprozesse zu nutzen, um den politischen Kurs der Partei in ihrem Sinne von innen heraus zu beeinflussen. 4. "Rote Hilfe e.V." Die "Rote Hilfe e.V." (RH) ist mit rund 12.100 Mitgliedern und bun desweit etwa 50 Ortsgruppen die größte und eine der wichtigsten Gruppierungen im deutschen Linksextremismus. Innerhalb der letzten Jahre hat die RH einen starken Mitgliederzuwachs erfahren (2020: 11.000, 2019: 10.500, 2018: 9.200, 2017: 8.300). Ihr primäres Betätigungsfeld ist die Unterstützung von linksextremistischen Straftätern sowohl im Strafverfahren als auch während der Haft zeit. Sie bietet ihnen politischen und sozialen Rückhalt und leis tet juristische sowie finanzielle Unterstützung. Ihre Agitation zielt darauf ab, das strafrechtliche Abschreckungspotenzial zu mindern und die Legitimität des demokratischen Verfassungsstaates in frage zu stellen. Die RH sorgt für eine bundesweite Vernetzung, sichert innerhalb der Szene den übergreifenden Zusammenhalt der unterschiedlichen Strömungen und bietet einen Legitimati onsrahmen für die Begehung von Straf und Gewalttaten. Bei der Auswahl und Begründung der Unterstützungsfälle lässt sie erken nen, dass sie die Anwendung von Gewalt als Mittel der politischen 156 LINKSEXTREMISMUS Auseinandersetzung nicht nur befürwortet, sondern auch unter stützt. So forderte die RH die Freilassung von zwei angeklagten Linksex tremisten, die vom Oberlandesgericht Stuttgart in erster Instanz am 13. Oktober 2021 aufgrund eines gewalttätigen Übergriffs am Rande einer "Querdenker"Demonstration unter anderem we gen schwerer und gefährlicher Körperverletzung sowie schweren Landfriedensbruchs zu Haftstrafen in Höhe von viereinhalb und fünfeinhalb Jahren verurteilt wurden. Ein Mitglied des Bundesvor stands verharmloste die Tatvorwürfe in einer Stellungnahme: "Durch derartig hohe Haftstrafen, die rein politisch motiviert sind, soll die antifaschistische Bewegung eingeschüchtert und Aktivist*innen von ihrem Engagement gegen Nazis abgehalten werden." (Homepage der "Roten Hilfe e.V.", 13. Oktober 2021) Daneben versuchte die RH, durch intensive Öffentlichkeitsarbeit Einfluss auf die Meinungsbildung zu nehmen und den Rechtsstaat zu delegitimieren, indem sie ihm einen "repressiven Charakter" unterstellt und Gerichtsentscheidungen als politisch motivierte Klassenjustiz abqualifiziert. Zur Struktur der RH gehört das "HansLittenArchiv e.V." (HLA), "Hans-Littendas am 18. Februar 2005 in Göttingen (Niedersachsen) gegründet Archiv e.V." worden ist und sich nach seiner Satzung selbst als "RoteHilfe Archiv" bezeichnet. Beim HLA handelt es sich um eine extremis tische Struktur, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Denn das HLA handelt für die RH, indem es sie nachdrücklich in ihren verfassungsfeindlichen Bestrebungen unterstützt. Die Bundesge schäftsstelle der RH und der Sitz des Archivs befinden sich beide im selben Haus in Göttingen. Das HLA erhält finanzielle Unterstüt zung von der RH. Seine archivarische Tätigkeit diene dazu, "junge GenossInnen" für die Wurzeln der RH zu begeistern und die aufge arbeitete Historie "für die Kämpfe der Gegenwart zu nutzen". 157 LINKSEXTREMISMUS IV. Linksextremistische Vernetzungsbestrebungen Ein Wesensmerkmal linksextremistischer Agitation ist das ständi ge Bemühen um die Ausweitung der eigenen Einflussmöglichkei ten. Auf zahlreichen Ebenen versuchen Linksextremisten, durch Vernetzung ihre Wirkkraft zu erhöhen und ihre Positionen zu ver breiten. Die Voraussetzung hierfür bietet häufig ihr ideologisches Grundgerüst, welches trotz Unterschieden bei konkreten Zielen oder den teilweise gewaltsamen Aktionsformen spektrenübergrei fend und auch über Ländergrenzen hinweg wirkt. 1. Vernetzungen innerhalb der linksextremistischen Szene Neben linksextremistischen Parteien haben sich auch in organisa tionskritischen Bereichen wie dem autonomen Linksextremismus langlebige Vernetzungsstrukturen etabliert. Wesentliche Akteure sind die "Interventionistische Linke" (IL) und das kommunistische Bündnis "...ums Ganze!" (uG). Diese strategischen Bündnisstruktu ren spielen für die Überwindung der Organisationsdefizite, aber auch für die Kampagnenfähigkeit des Linksextremismus eine ent scheidende Rolle. "Interventionistische Die postautonome IL ist mit etwa 1.000 Mitgliedern in zahlreichen Linke" Arbeitsgruppen und regionalen Gliederungen erster Ansprechpart ner bei der überregionalen Organisierung. Sie bekennt sich nicht eindeutig zu einer traditionellen kommunistischen Lehre, sondern verfolgt einen kampagnenorientierten Ansatz. Diese ideologische Unverbindlichkeit ermöglicht eine längerfristige Zusammenarbeit über die ideologischen Grenzen hinweg. Mit ihrem offenen Ansatz fungiert die IL als Bindeglied zwischen Autonomen, dogmatischen und sonstigen Linksextremisten bis hin zu demokratischen Pro testinitiativen. Gleiches gilt für die Aktionsformen: Um eine Schar nierfunktion zwischen den verschiedenen Lagern wahrnehmen zu können, verzichtet die IL aus strategischen Gründen einerseits auf die Propagierung von Gewalt, ohne sich andererseits von gewaltsa men Aktionsformen zu distanzieren. Angesichts der CoronaSchutzmaßnahmen konnte die IL ihre auf eine breite Öffentlichkeit zielende Kampagnenarbeit 2021 nicht wie gewohnt umsetzen. Es gelang ihr weder, sich nachhaltig zum Umgang mit der Coronapandemie zu positionieren, noch eine 158 LINKSEXTREMISMUS klare Strategie zur Bundestagswahl zu entwickeln. Gleichzeitig ist die organisatorische und inhaltliche Entwicklung der IL insge samt ins Stocken geraten. Das bislang einzige Grundsatzpapier der IL, das "Zwischenstandspapier", stammt aus dem Jahr 2014. Diese Grundsatzpositionen wurden seither nicht weiterentwickelt. Ins besondere die Frage der Fortsetzung der Bündnispolitik und Kam pagnenarbeit in der bisherigen Form und damit verbunden mög licherweise die Verschärfung von Aktionsformen wie des "zivilen Ungehorsams" blieben bislang ungelöst. Auch uG hat die bundesweite Vernetzung als Ziel. Das kommunis "...ums Ganze!" tische Bündnis vereint "linksradikale und kommunistische Grup pen", um die Schlagkraft der etwa 280 Mitglieder zu erhöhen. uG folgt weniger dem kampagnenorientierten Ansatz. Stattdessen ist das Bündnis ein Zusammenschluss eigenständiger, lokal ver ankerter Gruppen der autonomen Szene. Es versucht dabei auch, autonome Ideologiedefizite zu überwinden. Neben der Theoriear beit agiert uG in der Praxis vor allem im Zusammenhang mit bun desweiten Großereignissen. Seit 2016 betreibt das Bündnis zudem die Kampagne "Nationalismus ist keine Alternative" (NIKA). Diese richtet sich insbesondere gegen die AfD. Die "Rote Hilfe e.V." hat sich zu einer bundesweit agierenden und "Rote Hilfe e.V." mit anderen Linksextremisten gut vernetzten Struktur entwickelt. Sie trägt insbesondere mit der finanziellen Unterstützung für po tenzielle Straf und Gewalttäter sowie ihrer Solidaritäts und Öf fentlichkeitsarbeit zum spektrenübergreifenden Zusammenhalt im Linksextremismus bei. Ihre Unterstützung gilt den potenziellen Tätern dabei unabhängig von ideologischen Standpunkten und auch bei gewaltsamen Aktionsformen. "Anarchistische Bibliotheken" in Deutschland sowie im euro "Anarchistische päischen Ausland dienen in autonomen und anarchistischen Bibliotheken" Strömungen verwurzelten Linksextremisten als Trefforte. Ein zelne autonome Gruppierungen beziehen sich seit einiger Zeit vermehrt auf ihre anarchistischen Wurzeln, ohne hierbei jedoch grundlegende autonome Handlungsprämissen aufzugeben. Die Grenzen zwischen diesen Strömungen werden dadurch zuneh mend fließend. Eine breitere ideologische Basis soll dabei auch als Grundlage für langfristige Vernetzung untereinander sowie mit anderen autonomen Gruppierungen im In und Ausland dienen. In den "anarchistischen Bibliotheken" werden Kennverhältnisse 159 LINKSEXTREMISMUS gefördert, autonome und anarchistische Literatur verbreitet und Vortragsveranstaltungen organisiert. So fand am 17. und 18. Juli 2021 die "Radical Bookfair" in Leipzig statt. Aussteller waren un ter anderem "anarchistische Bibliotheken" aus Berlin, Hamburg und München. Angeboten wurden beispielsweise Lesungen zu den Themen "Knast gehört dazu - Das Gefängnis als Schauplatz des sozialen Krieges und Teil anarchistischer Kämpfe" und "Teilnahme verboten. G20Protest und der Prozess von Fabio V.". 2. Beeinflussung demokratischer Diskurse Linksextremisten sind stets bemüht, ihre eigenen Einflussmöglich keiten auszuweiten und neue Anhänger zu gewinnen. Es gehört zum strategischen Vorgehen, tagespolitisch bedeutsame Themen gezielt aufzugreifen, um Einfluss auf gesellschaftliche Diskussi onen und Prozesse zu nehmen. Dabei wird versucht, linksextre mistische Positionen in den gesamtgesellschaftlichen Kontext einzubetten und zivildemokratischen Protest um eine militante Komponente zu ergänzen. Im Kern geht es Linksextremisten dabei vor allem um die Delegitimierung des Staates und seiner Institu tionen. Aktuelle Beispiele sind etwa Einflussnahmeversuche von Links extremisten auf die Klimaproteste oder die Mieten und Woh nungspolitik. So stellte die Kampagne "Deutsche Wohnen & Co. enteignen!" für die IL, aber auch für dogmatische Linksextremis ten, einen Anknüpfungspunkt dar, die Debatte um bezahlbaren Wohnraum in Berlin um ihre "antikapitalistischen" Positionen zu ergänzen. 3. Vernetzungen mit Linksextremisten im Ausland Auch im Jahr 2021 konnten Bestrebungen der linksextremisti schen Szene beobachtet werden, die eigene Reichweite durch internationale Vernetzung zu erhöhen. Dabei eint sie in ideolo gischer Hinsicht der Kampf gegen "Faschismus", "staatliche Re pression", "Kapitalismus" sowie für die Schaffung von autonomen "Freiräumen". Die Vernetzung findet nicht allein virtuell statt. Es sind auch zahlreiche Reisebewegungen von Linksextremisten ins europäische Ausland und umgekehrt zu beobachten. Neben losen 160 LINKSEXTREMISMUS Kennverhältnissen durch die gemeinsame politische Arbeit finden regelmäßig ein ideologischer Austausch, etwa in Form von anar chistischen Buchmessen, sowie ein taktischer Austausch, zum Bei spiel bei sogenannten SkillsharingCamps, statt. Zudem bieten Proteste bei internationalen Großereignissen oder das solidarische Vorgehen gegen staatliche Maßnahmen wie Räu mungen oder Gerichtsverfahren traditionell ein hohes Mobilisie rungs und Vernetzungspotenzial. So rief der drohende Verlust von Szeneobjekten in Berlin ("Rigaer94", "KöpiWagenplatz") in ternationale Solidaritätsbekundungen und zum Teil auch Anrei sen von Linksextremisten aus dem Ausland hervor. Neben dieser anlassbezogenen Mobilisierung agieren Linksextremisten grenz überschreitend auch in klandestinen Aktionszellen mit dem Ziel, Straf und Gewalttaten zu begehen. Ein anderer kooperativer Ansatz zielt darauf ab, grenzüberschrei tende Organisationsstrukturen zu etablieren oder Kampagnen zu initiieren. In Deutschland versucht insbesondere die IL mit dem linksextremistisch beeinflussten Bündnis EG, die Klimaproteste zu internationalisieren. Seit 2018 beteiligt sich EG unter dem La bel "Ende Gelände goes Europe" an Protesten im Ausland, in deren Rahmen oft Besetzungsaktionen von Kohlebaggern oder Ähnli chem stattfinden. Allerdings ist es Linksextremisten bislang kaum gelungen, schlagkräftige und auf Dauer angelegte Strukturen auf internationale Ebene zu entwickeln. 4. Vernetzungen zu Extremisten mit Auslandsbezug Deutsche Linksextremisten arbeiten immer wieder auch mit linksextremistischen Organisationen aus dem Bereich des nicht islamistischen auslandsbezogenen Extremismus zusammen. Im Rahmen der "Kurdistansolidarität" solidarisieren sie sich mit den kurdischen Autonomiebestrebungen und insbesondere mit der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK). Der konkrete Beitrag deutscher Linksextremisten reicht von prokurdischer Propaganda über Straf und Gewalttaten in Deutschland bis hin zu vereinzelten Reisen in die kurdischen Siedlungsgebiete im Osten der Türkei, in Nord syrien und im Nordirak. Dogmatische Linksextremisten arbeiten zudem oft mit türkischen Linksextremisten oder extremistischen Palästinensern zusammen. 161 LINKSEXTREMISMUS V. Linksextremistische Internetplattform "de.indymedia" Linksextremisten benötigen die öffentliche Aufmerksamkeit zur Verbreitung ihrer Ideologie. Gewaltorientierte Linksextremisten brauchen zudem eine Plattform, um Straf und Gewalttaten öf fentlich vermitteln und ihren Forderungen Nachdruck verleihen zu können. Nach dem Verbot von "linksunten.indymedia" im August 2017 hat sich die linksextremistische Internetplattform "de.indymedia" zum wichtigsten Informations und Propagandamedium für die linksextremistische Szene im deutschsprachigen Raum entwickelt. Ziel der seit März 2001 online geschalteten Plattform sei die Schaf fung einer "Gegenöffentlichkeit" frei von staatlicher Kontrolle. Die Plattform funktioniert nach dem Prinzip des "OpenPosting": Je der Nutzer hat die Möglichkeit, über ein Eingabeformular Beiträge anonym und ohne den Zwang zur Registrierung, in Echtzeit und ohne vorherige Kontrolle der Inhalte zu veröffentlichen. Verwaltet werden die Beiträge nach der Veröffentlichung von sogenannten Moderationskollektiven. Neben administrativen Aufgaben stellen diese nach eigener Darstellung sicher, dass "keine unerwünschten Inhalte" in Beiträgen zu finden sind. Die Überprüfung finde an hand von Moderationskriterien statt. Beiträge mit "sexistischem, rassistischem, antisemitischem u./o. faschistischen Inhalt" würden "versteckt", ebenso wie Persönlichkeitsrechte verletzende Beiträge. Beiträge oder Nicht gegen die Moderationskriterien verstößt augenscheinlich Aufrufe zu Strafeine Vielzahl an Beiträgen, die einen Bezug zu linksextremisti und Gewalttaten scher Gewalt und Straftaten haben oder selbst strafrechtlich re levant sind. So werden regelmäßig Selbstbezichtigungsschreiben veröffentlicht, wie sie in Auszügen hier bereits dargestellt wur den. Gleichzeitig wird dazu aufgerufen, weitere Taten zu begehen. Auch werden über "de.indymedia" immer wieder Bilder und per sonenbezogene Daten "unliebsamer Personen" im Rahmen von "Outings" veröffentlicht. Der weit überwiegende Teil dieser Beiträ ge wird von den "Moderationskollektiven" mindestens geduldet. Eine typische Veröffentlichung auf "de.indymedia" ist ein Beitrag, mit dem sich unbekannte Verfasser zu einem Brandanschlag in der Nacht auf den 17. September 2021 in Dresden bekennen: 162 LINKSEXTREMISMUS "Also widmeten wir uns in der Nacht vom 16. auf den 17. September mit einigen Litern Benzin dem Ingenieurbüro [Name genannt] in der Albertstadt. Wir schlugen zwei Scheiben ein und legten Brandsätze in den Räumen ab. Wir hoffen, dass durch den Brand der reibungslose Ablauf weiterer Knastplanungen gestört werden konnte und die Firma versteht: Wer am Bau von Knästen verdient, wird die Konsequenzen tragen müssen! Auf dem Gelände fanden wir zusätzlich noch einen Bonzenschlitten, wir setzten ihn kurzerhand in Brand. (...) Wir danken den Genoss*innen, die Faschisten verprügeln! (...) Freiheit für alle Gefangenen! Für die Anarchie!" (Internetplattform "de.indymedia", 18. September 2021) Wie die meisten Beiträge dieser Art wurde auch dieses Tatbekennt nis zu einer erheblichen linksextremistischen Straftat nicht entfernt. Gelöscht werden von den "Moderationskollektiven" dagegen SpamBeiträge oder Inhalte, die mutmaßlich "unter falscher Fah ne" veröffentlicht werden - beispielsweise von Rechtsextremisten. In Einzelfällen werden auch Beiträge mit linksextremistischem Hintergrund gelöscht, wenn diese eine erhebliche Gefährdung für Leib oder Leben von Menschen entfalten könnten. Zu nennen sind hier beispielsweise "Bastelanleitungen" für den Bau von unkon ventionellen Spreng oder Brandvorrichtungen. Umso mehr müssen sich die Betreiber von "de.indymedia" die Bei träge mit linksextremistischen oder strafbaren Inhalten zurechnen lassen, die nicht zeitnah gelöscht werden. Durch die bisherige Ver fahrensweise wird Linksextremisten wissentlich und offensicht lich auch willentlich eine Plattform geboten, die diese in hohem Maße für ihre Zwecke nutzen. In der Gesamtschau lassen die nicht entfernten Beiträge auf "de.indymedia" eindeutig eine verfas sungsfeindliche Linie erkennen. In den letzten beiden Jahren war "de.indymedia" immer wieder teils tage oder wochenlang nicht oder nur eingeschränkt abruf bar. Daher wurden seit 2020 mehrere "Spiegelplattformen" von "de.indymedia" eingerichtet, die auch 2021 fortgeführt worden sind. Weitere wurden im TorNetzwerk ("Darknet")56 angelegt. Über 56 Das "Darknet" ist ein auf NutzerzuNutzerVerbindungen basierendes Netzwerk, dessen weitverzweigte Struktur die Verschleierung des Datenaustauschs ermöglicht. 163 LINKSEXTREMISMUS gemeinsame Schnittstellen werden Beiträge von "de.indymedia" gespiegelt und die Plattformen untereinander synchronisiert. Durch diesen dezentralen Ansatz wird versucht, die Plattform und ihre Inhalte gegen Angriffe von außen oder technische Probleme zu sichern. 164 LINKSEXTREMISMUS VI. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 1. "Interventionistische Linke" (IL) Gründung: Ende 2005 Mitglieder/Anhänger 1.000 (2020: 1.000) in Deutschland: in rund 30 Ortsgruppen Publikationen/Medien: "Arranca!" (Zeitschrift, halbjährlich, Auflage: 1.500) Ortsgruppen, die in "I Furiosi" ihrem Namen nicht (Düsseldorf, Nordrhein-Westfalen) sofort die Zugehörigkeit "see red!" zur IL erkennen lassen: (Düsseldorf, Nordrhein-Westfalen) "Basisdemokratische Linke" (Göttingen, Niedersachsen) "Aktion, Kritik und Theorie Heidelberg" (AKUT [+C]) (Heidelberg, Baden-Württemberg) "Antifaschistische Initiative" (Heidelberg, Baden-Württemberg) "Organisierte Linke Heilbronn" (Heilbronn, Baden-Württemberg) "Gruppe D.O.R.N." (Kassel, Hessen) "K2" (Köln, Nordrhein-Westfalen) "PRISMA - IL Leipzig" (Leipzig, Sachsen) "Gruppe d.i.s.s.i.d.e.n.t." (Marburg, Hessen) 165 LINKSEXTREMISMUS Die "Interventionistische Linke" (IL) wurde 2005 als bundesweites Netzwerk mit dem Ziel einer verbindlichen "Organisierung" autonomer Gruppierungen und Aktivisten gegründet. Umgeformt zu einer bundesweiten Organisation verfügt die IL heute über rund 30 Ortsgruppen in ganz Deutschland. Diese haben sich überwiegend als IL-Ortsgruppen benannt, sodass auch lokales Handeln eindeutig als Handeln der IL wahrgenommen werden kann. Ortsgruppen, die aufgrund ihres Namens nicht sofort als zur IL gehörig zu erkennen sind, agieren anlassbezogen unter dem gemeinsamen IL-Label. Einzelne Ortsgruppen der IL sind international gut vernetzt, vor allem mit Linksextremisten aus den jeweils benachbarten Staaten. Mit der "IL Graz" gibt es auch eine Ortsgruppe in Österreich. Ziel der IL ist die Überwindung des "Kapitalismus" - verstanden als untrennbare Einheit von demokratischem Rechtsstaat und marktwirtschaftlicher Eigentumsordnung. Dies soll mittels eines revolutionären Umsturzes erreicht werden. Die IL bemüht sich in Bündnissen und Initiativen um eine aktionsorientierte Zusammenführung linksextremistischer Akteure unterschiedlicher ideologischer Prägung zugunsten einer erhöhten Handlungsfähigkeit sowohl in Deutschland als auch in internationalen Kampagnen und Netzwerken. Die IL fungiert dabei als Scharnier zwischen militanten Strukturen und nicht gewaltorientierten Linksextremisten sowie nicht extremistischen Gruppen und Initiativen. So beteiligt sich die IL beispielsweise maßgeblich mit dem von ihr beeinflussten Bündnis "Ende Gelände" an den Protesten gegen den Braunkohleabbau. Im Sinne ihres bündnispolitischen Ansatzes ist die Einstellung der IL zur Gewalt taktisch geprägt. 166 LINKSEXTREMISMUS 2. "...ums Ganze! - kommunistisches Bündnis" (uG) Gründung: 2006 Mitglieder/Anhänger 280 (2020: 300) in Deutschland: in acht Ortsgruppen Publikationen/Medien: "mole" (Englisch für: "Maulwurf"; Zeitung erscheint unregelmäßig) Mitgliedsgruppen: "antifa nt - Autonome Antifa München" (München, Bayern) "Theorie Organisation Praxis" (Berlin) "Basisgruppe Antifaschismus (BA)" (Bremen) "Kritik&Praxis" (Frankfurt am Main, Hessen) "Redical [M]" (Göttingen, Niedersachsen) "Antifa AK Köln" (Köln, Nordrhein-Westfalen) "Eklat Münster" (Münster, Nordrhein-Westfalen) "Critique'n'act" (Dresden, Sachsen) Das kommunistische Bündnis "...ums Ganze!" (uG) ist ein Zusammenschluss eigenständiger, lokal verankerter Gruppen der autonomen Szene. Als uG-Bündnis bündeln die ansonsten autonomen Gruppen anlassbezogen ihre Kräfte, um überregional wahrnehmbar und handlungsfähig zu sein - zum Beispiel in Aktionsbündnissen und bei Großveranstaltungen. Neben acht Ortsgruppen in Deutschland verfügt das Bündnis mit der "autonomen antifa [w]" auch über eine Mitgliedsgruppe in Österreich. Im Rahmen seines "antifaschistischen Kampfes" betreibt uG seit 2016 die Kampagne "Nationalismus ist keine Alternative" (NIKA). 167 LINKSEXTREMISMUS 3. "Perspektive Kommunismus" (PK) Gründung: April 2014 Mitglieder/Anhänger 120 (2020: 120) in Deutschland: in vier eigenständigen Organisationen Publikationen/Medien: "1. Mai Zeitung" (jährlich zum 1. Mai) Mitgliedsgruppen: "Antikapitalistische Linke München" (Bayern) "Linke Aktion Villingen-Schwenningen" (Baden-Württemberg) "Revolutionäre Aktion Stuttgart" (Baden-Württemberg) "Roter Aufbau Hamburg" Die "Perspektive Kommunismus" (PK) ist ein antiimperialistischer Zusammenschluss von revolutionär-kommunistisch ausgerichteten Gruppen mit einem marxistisch-leninistischen Weltbild. Ihr Ziel ist die revolutionäre Überwindung des "kapitalistischen Systems". Hierfür bemüht sich die PK um eine "bundesweite revolutionäre Organisation" als "reale Gegenmacht zur Macht von Staat und Kapital". 168 LINKSEXTREMISMUS 4. "Freie Arbeiterinnenund Arbeiter-Union" (FAU) Gründung: 1977 Sitz: Krefeld (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Geschäftskommission Mitglieder/Anhänger 1.200 (2020: 1.000) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Direkte Aktion" (Onlinezeitung, unregelmäßig) Die anarchistische "Freie Arbeiterinnenund Arbeiter-Union" (FAU) bezeichnet sich selbst als eine "klassenkämpferische Gewerkschaftsföderation". Sie setzt sich aus verschiedenen lokalen "Syndikaten" zusammen. Laut eigener Darstellung war die FAU im Jahr 2021 bundesweit in 37 Orten vertreten. Die FAU strebt die Überwindung des "Kapitalismus" mittels einer "sozialen Revolution" an. Dies will sie zunächst durch Betriebskämpfe erreichen. Im Gegensatz zu demokratisch orientierten Arbeitnehmervertretungen vertritt die FAU die linksextremistische Ideologie, dass bessere Arbeitsbedingungen langfristig nur in einer anarchistischen Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung gegeben sein können, welche sie nach der erfolgreichen "sozialen Revolution" errichten will. 169 LINKSEXTREMISMUS 5. "Rote Hilfe e.V." (RH) Gründung: 1975 Sitz: Göttingen (Niedersachsen) Bundesgeschäftsstelle Leitung/Vorsitz: Bundesvorstand Mitglieder/Anhänger 12.100 (2020: 11.000) in Deutschland: in 50 Ortsgruppen Publikationen/Medien: "DIE ROTE HILFE" (Zeitschrift, vierteljährlich und als Onlinemagazin) Die "Rote Hilfe e.V." (RH) definiert sich laut Satzung als eine "parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutzund Solidaritätsorganisation". Sie leistet Strafund Gewalttätern aus dem linksextremistischen Spektrum politische und finanzielle Unterstützung, beispielsweise bei anfallenden Anwaltsund Prozesskosten sowie bei Geldstrafen und Geldbußen. Ferner versucht die RH, durch meinungsbildende Öffentlichkeitsarbeit (Publikationen, Vorträge, Demonstrationen) die Sicherheitsund Justizbehörden sowie die rechtsstaatliche Demokratie zu diskreditieren. Dazu organisiert sie unter anderem Informationsund Diskussionsveranstaltungen zu Themenfeldern wie "staatliche Repression" und fordert dazu auf, grundsätzlich die Zusammenarbeit mit Sicherheitsund Strafverfolgungsbehörden bei der Aufklärung von Straftaten zu verweigern. Darüber hinaus betreut die RH rechtskräftig verurteilte Straftäter während ihrer Haft, um diese weiter beziehungsweise stärker an die "Bewegung" zu binden. Beispielsweise hält sie persönlichen Kontakt zu Inhaftierten, um sie zum "Weiterkämpfen" zu motivieren. Zur Struktur der RH gehört das im Jahr 2005 in Göttingen gegründete "Hans-Litten-Archiv e.V." (HLA), welches sich nach seiner Satzung selbst als "Rote-Hilfe-Archiv" bezeichnet. Durch die nachdrückliche Unterstützung der linksextremistischen RH liegen beim HLA eigene extremistische Bestrebungen vor.57 57 Vgl. OVG BerlinBrandenburg, Beschluss vom 04.11.2020 - OVG 1 S 99.19. 170 LINKSEXTREMISMUS 6. "junge Welt" (jW) Gründung: 1947 Sitz: Berlin Verlag: "Verlag 8. Mai GmbH"; gehört zur "Linke Presse Verlags-, Förderungsund Beteiligungsgenossenschaft junge Welt e.G." (LPG) Chefredakteur: Stefan Huth Erscheinungsweise: täglich Die marxistisch ausgerichtete Tageszeitung "junge Welt" (jW) tritt für die Errichtung einer sozialistischen/kommunistischen Gesellschaftsordnung ein. Sie ist das bedeutendste und auflagenstärkste Medium im Linksextremismus mit einer Druckauflage von 23.400 Exemplaren (samstags 27.000 Exemplare). Die jW ist mehr als ein Informationsmedium. Sie wirkt als politischer Faktor und schafft Reichweite durch Aktivitäten wie zum Beispiel die Durchführung der alljährlichen Rosa-Luxemburg-Konferenz. Einzelne Redaktionsmitglieder und einige der Stammund Gastautoren sind dem linksextremistischen Spektrum zuzurechnen. Die jW erklärt sich nicht ausdrücklich zur Gewaltfreiheit. Vielmehr bietet sie immer wieder eine öffentliche Plattform für Personen und Organisationen, die politisch motivierte Straftaten befürworten. 171 LINKSEXTREMISMUS 7. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Gründung: 1968 Sitz: Essen (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Patrik Köbele Mitglieder/Anhänger 2.850 (2020: 2.850) in Deutschland: Publikationen/Medien: "unsere zeit" (Zeitung, wöchentlich) "Marxistische Blätter" (Theoriemagazin, zweimonatlich) "POSITION" (Magazin der SDAJ, zweimonatlich) Jugendorganisation: "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) mit 670 Mitgliedern (2020: 670) Die marxistisch-leninistische "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) hat als Ziel in ihrem Parteiprogramm den "revolutionären Bruch mit den kapitalistischen Machtund Eigentumsverhältnissen" ausgegeben. Die von ihr angestrebte Gesellschaft ist "der Sozialismus als erste Phase der kommunistischen Gesellschaftsformation". Die linksextremistische Partei versteht sich als politische Nachfolgerin der 1956 durch das Bundesverfassungsgericht verbotenen "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD). Sie betont zudem, "stets eng verbunden" mit der ehemaligen "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED) gewesen zu sein. Die DKP betätigt sich hauptsächlich in den Aktionsfeldern "Antifaschismus", "Antimilitarismus" und "Antikapitalismus". Bei der regelmäßigen Teilnahme an Wahlen verzeichnete die Partei bislang keine nennenswerten Erfolge. Die "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) ist laut ihrer Satzung "eine eigenständige Jugendorganisation", betrachtet sich aber als Nachwuchsorganisation der DKP. Gemeinsame Ziele sind die Abschaffung des "Kapitalismus" und die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung. Bei der Wahl ihrer Bündnispartner für den revolutionären Kampf schließt die SDAJ gewaltbereite Linksextremisten nicht aus. 172 LINKSEXTREMISMUS 8. "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Gründung: 1982 Sitz: Gelsenkirchen (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Gabi Fechtner Mitglieder/Anhänger 2.800 (2020: 2.800) in Deutschland: in sieben Landesverbänden Publikationen/Medien: "Rote Fahne" (Magazin, zweiwöchentlich) Jugendorganisation: "REBELL" mit 150 Mitgliedern (2020: 150) Die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) hält an ihrer streng maoistisch-stalinistischen Ausrichtung fest. Als Ziel strebt die Partei die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung als Übergang zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft an. Dafür sei "die Vergesellschaftung aller wesentlichen Produktionsmittel, ihre Überführung in Gemeineigentum und ihre Unterstellung unter die Verwaltung durch die Arbeiterklasse und die werktätigen Massen" nötig. Die MLPD nimmt regelmäßig an Wahlen teil, häufig auch unter der Bezeichnung "Internationalistische Liste/MLPD". Vom Anteil der erzielten Stimmen her ist sie derzeit die erfolgreichste linksextremistische Partei in Deutschland, wobei ihre Wahlergebnisse dennoch nur im Promille-Bereich liegen. Wichtiger ist für die MLPD der Wahlkampf. Diesen nutzt sie regelmäßig, um ihre Positionen zu verbreiten und neue Mitglieder anzuwerben. Daneben zeigte die MLPD großes Engagement in der Klimaprotestbewegung, vor allem bei Demonstrationen. Die für die MLPD schon immer wichtige Jugendarbeit wurde hier verstärkt. Die Partei sieht in der Jugend eine "praktische Avantgarde im fortschrittlichen Stimmungsumschwung". Eine wichtige Rolle kommt dabei der 1992 gegründeten MLPD-Jugendorganisation "REBELL" zu. "REBELL" teilt nicht nur Ideologie und Ziele der MLPD. Die Jugendorganisation ist essenziell wichtig für die Indoktrinierung von Schülerinnen und Schülern und jungen Erwachsenen und damit für die Gewinnung von Nachwuchs für die linksextremistische Partei. 173 LINKSEXTREMISMUS 9. "Sozialistische Gleichheitspartei" (SGP), deutsche Sektion des "Internationalen Komitees der Vierten Internationale" (IKVI, Abspaltung der "Vierten Internationale") Gründung: 2017 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: Ulrich Rippert (bis 22. November 2021) Christoph Vandreier (seit 22. November 2021) Mitglieder/Anhänger 281 (2020: 274) in Deutschland: Publikationen/Medien: "World Socialist Web Site" (Onlinepublikation) Die "Sozialistische Gleichheitspartei" (SGP) ist eine Nachfolgepartei des im Jahr 1971 gegründeten "Bund Sozialistischer Arbeiter" (BSA). Aus dem BSA hatte sich zunächst von 1997 bis 2017 die "Partei für Soziale Gleichheit" (PSG) formiert, die sich 2017 in SGP umbenannte. Die SGP erkennt die Autorität des trotzkistischen Dachverbands "Internationales Komitee der Vierten Internationale" (IKVI) an und folgt der trotzkistischen Theorie einer sozialistischen Revolution als weltweitem ständigen Prozess unter Führung von Arbeiterräten ("Permanente Revolution"). Die SGP geht von einem mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbarenden marxistischen Klassendenken sowie einer Propagierung des Klassenkampfes aus. Sie fordert den Sturz des "Kapitalismus", verstanden als untrennbare Einheit von demokratischem Rechtsstaat und marktwirtschaftlicher Eigentumsordnung. Im Ergebnis zielt die Forderung auch auf die Überwindung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Durch die Kandidatur bei Wahlen sowie durch Vortragsveranstaltungen versucht die Partei, für ihre politischen Vorstellungen öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen. Das Verwaltungsgericht Berlin hat die von der SGP verfolgten linksextremistischen Bestrebungen als solche bestätigt und mithin die Rechtmäßigkeit der Nennung im Verfassungsschutzbericht bekräftigt.58 58 Vgl. VG Berlin, Urteil vom 18.11.2021 - VG 1 K 26.19. 174 Islamismus/ islamistischer Terrorismus 175 Islamismus/islamistischer Terrorismus I. Überblick Der Begriff "Islamismus" bezeichnet eine Form des politischen Ex tremismus. Unter Berufung auf den Islam zielt der Islamismus auf die teilweise oder vollständige Abschaffung der freiheitlichen de mokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland ab. Der Islamismus basiert auf der Überzeugung, dass der Islam nicht nur eine persönliche, private "Angelegenheit" ist, sondern auch das gesellschaftliche Leben und die politische Ordnung bestimmen oder zumindest teilweise regeln sollte. Der Islamismus postuliert die Existenz einer gottgewollten und daher "wahren" und absolu ten Ordnung, die über den von Menschen gemachten Ordnungen steht. Mit ihrer Auslegung des Islam stehen Islamisten insbesonde re im Widerspruch zu den im Grundgesetz verankerten Grundsät zen der Volkssouveränität, der Trennung von Staat und Religion, der freien Meinungsäußerung und der allgemeinen Gleichberech tigung. Ein wesentliches ideologisches Element des Islamismus ist außerdem der Antisemitismus. Der "Islamismus" umfasst verschiedene Strömungen, die sich hin sichtlich ihrer ideologischen Auslegungen, ihrer geografischen Orientierung sowie ihrer Strategien und Mittel unterscheiden. Legalistische Strömungen wie die "Milli Görüs"Bewegung versu chen, über politische und gesellschaftliche Einflussnahmen eine nach ihrer Interpretation islamkonforme Ordnung durchzuset zen. Die Anhänger islamistischterroristischer Gruppierungen wie HAMAS und "Hizb Allah", deren Ziel die Vernichtung des jü dischen Staates Israel ist, sind auf ihre Herkunftsregionen fokus siert und wenden schwerpunktmäßig dort terroristische Gewalt an. Jihadistische Gruppierungen wie der "Islamische Staat" (IS) und "alQaida" sehen in ihrem Kampf für einen "Gottesstaat" in terro ristischer Gewalt ein unverzichtbares Mittel gegen "Ungläubige" und sogenannte korrupte Regime. Ihre terroristische Agenda ist global und bedroht auf internationaler Ebene viele Staaten. Eine besonders radikale Strömung im Islamismus ist der Sala fismus. Salafisten geben vor, sich in ihrem Denken und Handeln ausschließlich an einem wortgetreuen Verständnis von Koran und Sunna (zur Nachahmung empfohlene Handlungsweisen und Aus sagen des islamischen Propheten Muhammad) sowie am Vorbild 176 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS der Gefährten des Propheten zu orientieren. Damit lehnen sie nicht nur die freiheitliche demokratische Grundordnung in Gänze ab, sondern negieren auch weitestgehend die Geschichte des Is lam und der Muslime. Salafisten vertreten einen Exklusivitätsan spruch; sie sehen sich als die einzigen "wahren" Muslime. 1. Entwicklungstendenzen Die Gefährdung durch den islamistischen Terrorismus in Deutsch Dynamische land sowie für deutsche Interessen und Einrichtungen weltweit Gefährdungslage besteht fort. Terroristische Organisationen, jihadistische Gruppie rungen oder Einzeltäter - allen voran des "Islamischen Staates" (IS) - verfolgen unvermindert das Ziel, jede sich bietende Gelegen heit für einen terroristischen Anschlag zu nutzen. Bei einigen An griffen ist unklar, ob die Täter aus einer islamistischen Motivation heraus oder aufgrund einer psychischen Erkrankung handelten. Am 6. November 2021 stach ein Mann in einem Zug in Bayern un vermittelt mit einem Messer auf drei Passagiere ein. Die Tat wurde von den Sicherheitsbehörden als islamistisch motivierter Angriff eingestuft. Die Bedrohung in Deutschland und Europa geht weiter vorwie Einzeltäter gend von jihadistisch inspirierten oder angeleiteten Einzeltätern sowie Kleinstgruppen mit einfachen und leicht zu beschaffenden Tatmitteln aus - darunter Hieb und Stichwaffen. In den vergan genen Jahren waren sie der dominierende Anschlagstyp und sind nach wie vor ein fester Bestandteil der terroristischen Gewaltstra tegie. Gleichzeitig sind koordinierte, komplexe, langfristig geplante Anschläge auch in Deutschland weiter jederzeit denkbar. Der IS ist weiterhin mit seiner Propaganda über soziale Medien Jihadistische aktiv und versucht, Unterstützer für sich zu gewinnen und sie zu Propaganda im Anschlägen in ihren Heimatregionen zu bewegen, also auch in Eu Internet ropa. Deutschland beziehungsweise der Westen zählen zum klassi schen Feindbild des IS. Der Konsum gewaltorientierter Propaganda trägt unverändert maßgeblich zu einer Radikalisierung der zumeist jungen, männ lichen Täter bei. Die jihadistische Propaganda des IS und von "alQaida" sowie ihrer Anhänger und Sympathisanten hat auch im 177 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Jahr 2021 sowohl qualitativ als auch quantitativ ein hohes Niveau gehalten. Immer wieder kam es zu Drohungen gegen Europa und Deutschland. Kaum noch Ausreisen Ausreisen beziehungsweise Ausreiseversuche in Richtung Syrien und Irak werden seit 2019 nur noch vereinzelt registriert. Ein neu er Hotspot für Ausreisen ist derzeit nicht erkennbar. Das bedeu tet, dass diese Personen in Deutschland verbleiben und hier ihre Aktivitäten entfalten. Das von bisher aus jihadistischen Kampf gebieten zurückgekehrten Personen ausgehende Gefährdungspo tenzial kann nur auf Basis von Einzelfallbetrachtungen bewertet werden. Durch ihre Ausbildung sind sie grundsätzlich dazu fähig, auch ohne weitere Unterstützung Gewalttaten zu begehen. Bisher konnten keine Hinweise auf konkrete Anschlagsplanungen von Jihadrückkehrenden durch die Sicherheitsbehörden in Deutsch land beobachtet werden. Machtübernahme Auch im Jahr 2021 lieferten die anhaltenden Krisenherde im Na der "Taleban" hen und Mittleren Osten sowie in Nordafrika den Nährboden für islamistische Mobilisierung. Hervorzuheben ist hier die Situation in Afghanistan, wo die "Taleban" im August 2021 nach dem Rück zug der internationalen Militärallianz die Macht übernahmen. Aus den Ereignissen in Afghanistan ergaben sich bislang keine direk ten Auswirkungen auf die islamistische und jihadistische Szene in Deutschland. Die Machtübernahme durch die "Taleban" findet jedoch Eingang in die Propaganda islamistischer wie jihadistischer Gruppierungen. Zahlreiche positive Reaktionen verschiedener islamistischer Strömungen nach der Machtübernahme der "Tale ban" weisen auf die für Islamisten motivierende Wirkung durch die Ereignisse hin. Sollten andere terroristische Gruppierungen - allen voran "alQaida" - die Möglichkeit erhalten, sich in Afghanis tan nunmehr zu reorganisieren und terroristische Aktivitäten ge gen westliche Staaten zu planen, würde dies mittel bis langfristig die Gefährdungssituation in Deutschland beeinflussen. Nahostkonflikt Ebenso wirkt sich der Nahostkonflikt auf die islamistische Szene in Deutschland aus: Im Mai 2021 eskalierten die latenten Spannun gen zwischen Israel und der HAMAS zu einer offenen militärischen Auseinandersetzung und erreichten das größte Ausmaß seit 2014. Die militärische Eskalation führte in Deutschland zu einer Vielzahl von propalästinensischen beziehungsweise antiisraelischen Kund gebungen und Demonstrationen. Fast durchgängig wurden im 178 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Rahmen und am Rande des Demonstrationsgeschehens antiisrae lische sowie in einigen Fällen auch antisemitische Parolen in Form von Sprechchören skandiert oder auf Plakaten abgebildet. Neben Äußerungen auf Demonstrationen und Kundgebungen nahmen antisemitische Bekundungen im Internet und den sozialen Medi en besonders stark zu. Antisemitismus stellt ein wesentliches Element in der Ideologie Antisemitismus des gesamten islamistischen Spektrums dar. Durch den Verfas im Islamismus sungsschutzverbund wurde eine Vielzahl antisemitischer Vorfälle festgestellt. Im Zusammenhang mit der militärischen Eskalation zwischen Israel und der HAMAS im Mai 2021 stieg die Zahl anti semitischer Ereignisse in Deutschland sprunghaft an. Den Großteil der im Verfassungsschutzverbund registrierten antisemitischen Ereignisse stellen Beiträge im Internet dar. Zudem wurden auch Körperverletzungsdelikte und Angriffe auf Synagogen registriert. Auch im Jahr 2021 beförderte die Coronapandemie im Phänomen Auswirkungen der bereich Islamismus/islamistischer Terrorismus die Verbreitung Coronapandemie von bekannten, teilweise antisemitisch konnotierten Verschwö rungstheorien durch einzelne Akteure und ihre Anhänger. Dabei wurden die Pandemie und ihre vielfältigen Folgen in das jeweilige ideologische Narrativ integriert. Nachdem zunächst die Idee vom Virus als "Strafe Gottes" und die Herausforderung für die westliche Welt im Vordergrund gestanden hatten, wurden durch einzelne Islamisten mit dem Voranschreiten der weltweit laufenden Impf kampagnen im Jahr 2021 auch Kritik an staatlichen Maßnahmen und Impfskepsis zum Ausdruck gebracht. Insgesamt spielte die Pandemie in der islamistischen Szene aber eher eine untergeord nete Rolle. Konkrete gefährdungsrelevante Aspekte im Zusam menhang mit der Pandemie ergaben sich im Berichtsjahr nicht. Die salafistische und jihadistische Szene in Deutschland hat sich Salafistische Szene in den vergangenen Jahren - nicht zuletzt auch infolge staatlicher in Deutschland Maßnahmen - verändert: Sie ist heterogener und weniger sicht bar geworden, überregionale Strukturen waren teilweise rückläu fig. Das ehemals dynamische Wachstum des Personenpotenzials hatte sich zuletzt auf hohem Niveau abgeflacht. Der Rückgang des salafistischen Personenpotenzials auf 11.900 Personen (2020: 12.150) lässt erkennen, dass die salafistische Szene offenbar nach außen an Strahlkraft verloren hat. Der Salafismus hat insbesonde re seit der militärischen Zerschlagung des IS sowie dem Rückgang 179 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS "klassischer" salafistischer Missionierungsaktivitäten wie Islamse minare oder Koranverteilungen an Attraktivität verloren. Die ge ringere Sichtbarkeit und Dynamik der Szene verringern aber nicht ihr Gefährdungspotenzial. Es gilt weiterhin, dass aus dem Salafis mus gewaltbereiter Jihadismus erwachsen kann. 2. Organisationen und Personenpotenzial Insgesamt ergibt sich für das Jahr 2021 aus den Zahlenangaben ein im Vergleich zum Vorjahr um rund 1,5 % verringertes Islamismus potenzial von 28.290 Personen (2020: 28.715). 180 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Personenpotenzial Islamismus/islamistischer Terrorismus1 Organisationen 2019 2020 2021 Salafistische Bestrebungen 12.150 12.150 11.900 "Islamischer Staat" (IS) Kern-"al-Qaida" "Al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM) "Jama'at Nasr al-Islam wal Muslimin" (JNIM) "Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAH) "Al-Shabab" "Hai'at Tahrir al-Sham" (HTS) keine keine keine "Tanzim Hurras al-Din" (THD) gesicherten gesicherten gesicherten "Taleban" Zahlen Zahlen Zahlen "Hezb-e Islami-ye Afghanistan" (HIA) 100 160 160 "Hizb Allah" 1.050 1.250 1.250 "Harakat al-Muqawama al-Islamiya" (HAMAS) 380 450 450 "Türkische Hizbullah" (TH) 400 400 400 "Hizb ut-Tahrir" (HuT) 430 600 700 "Muslimbruderschaft" (MB)/"Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V." (DMG) 1.350 1.450 1.450 "Tablighi Jama'at" (TJ) 650 650 550 "Islamisches Zentrum Hamburg e.V." (IZH) keine keine keine gesicherten gesicherten gesicherten Zahlen Zahlen Zahlen "Milli Görüs"-Bewegung und zugeordnete Vereinigungen 10.000 10.000 10.000 "Furkan Gemeinschaft" 350 400 400 "Kalifatsstaat"2 - - 700 Sonstige3 1.160 1.205 330 1 Die Zahlenangaben beziehen sich auf Deutschland und sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2 Die Anhängerzahlen wurden in den Vorjahren unter Sonstige erfasst. 3 Weitere Organisationen, deren Mitgliederund Anhängerzahlen im Islamismuspotenzial zu berücksichtigen sind. 181 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 3. Finanzierung Die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung ist wesentlicher Bestandteil der Gesamtstrategie der Sicherheitsbehörden zur Ter rorismus und Extremismusbekämpfung. Durch die Aufklärung und Verfolgung von Finanzaktivitäten extremistischer und ter roristischer Personen/Organisationen sowie die Identifizierung zugehöriger (Finanz)Netzwerke wird nicht nur die Finanzierung terroristischer Einzeltaten verhindert, sondern vielmehr, bereits weit im Vorfeld von Anschlägen, der Aktionsradius von extremis tischen und terroristischen Organisationsstrukturen empfindlich eingeschränkt, und damit werden unter anderem auch die im Zusammenhang stehenden Propaganda und Rekrutierungsbe mühungen empfindlich gestört. Bei der Aufklärung von Terroris musfinanzierungsaktivitäten stehen dabei sowohl etablierte alter native Finanztransfermethoden, wie das HawalaBanking, als auch der Bereich neuer Technologien in einem besonderen Fokus. So ist für den Phänomenbereich der Einsatz von Kryptowährungen für die Verschleierung von Finanztransfers, aber auch für die Generie rung von Finanzmitteln von zunehmender Relevanz. Im Rahmen der Terrorismusfinanzierungsbekämpfung steht den zuständigen (Sicherheits)Behörden ein breit gefächerter Maß nahmenkatalog zur Verfügung, unter anderem die offene Nen nung verfassungsschutzrechtlich relevanter Organisationen im Verfassungsschutzbericht, die Übermittlung von sicherheitsre levanten Erkenntnissen an die Vereinsregisterbehörden mit ent sprechend steuerrechtlichen Auswirkungen sowie auch die Mög lichkeit der Verfügung von Vereins oder Betätigungsverboten. Im Jahr 2021 wurden durch den Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat mehrere Vereine verboten. Diese sind unter Punkt VII. 1 "Verbotsverfahren" ausführlich dargestellt. II. Internationale Konflikte und ihre Bedeutung für die Sicherheitslage in Deutschland Auf die Sicherheitslage in Deutschland haben internationale Ent wicklungen und insbesondere Entwicklungen im transnationalen islamistischen Terrorismus erhebliche Auswirkungen. 182 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 1. Konfliktregion Syrien/Irak Der "Islamische Staat" (IS) profitiert von den Konflikten in der Re "Islamischer Staat" gion, dem syrischen Bürgerkrieg sowie den Spannungen zwischen der Türkei und den nordsyrischen Kurden. Insbesondere der teil weise Rückzug der USA aus Syrien und dem Irak führte zu einem Vakuum, das der IS für sich zu nutzen versteht. Es ist davon auszugehen, dass der IS weiterhin seine Schlagkraft durch Anschläge, auch in Europa, unter Beweis stellen möchte. Dabei geht neben ISgesteuerten Netzwerken eine nicht zu unter schätzende Gefahr von durch ISPropaganda inspirierten Einzeltä tern und Kleinstgruppen aus. Auch im Jahr 2021 kontrollierte die "Hai'at Tahrir alSham" (HTS) "Al-Qaida"-Lager im Nordwesten Syriens Teile der Region um Idlib und Aleppo. Die ursprünglich dem "alQaida"Lager unter dem Namen "Jabhat al Nusra" (JaN) zugeordnete Gruppierung verfolgt seit 2017 eine pri mär regionale Agenda. Dieser Trend setzte sich auch im Berichts zeitraum weiter fort. Die Anfang 2018 gegründete "Tanzim Hurras alDin" (THD) repräsentiert das "alQaida"treue Lager in Syrien. 2. Konfliktregion Afghanistan/Pakistan Seit dem Friedensabkommen mit den USA im Februar 2020 hatten die "Taleban" ihren Einfluss in Afghanistan zunehmend ausgebaut. Nach einer erfolgreichen Großoffensive verkündeten die "Taleban" am 15. August 2021 im Präsidentenpalast schließlich die Einnahme Kabuls und die Machtübernahme in Afghanistan. Die "Taleban" haben öffentlich verlautbart, dass sie von afghani Verhältnis der schem Gebiet ausgehende Anschlagsplanungen internationaler "Taleban" zum Terrororganisationen wie "alQaida" oder des regionalen IS internationalen Ablegers "Islamischer Staat - Provinz Khorasan" (ISPK) nicht islamistischen dulden werden. "AlQaida" dürfte daher in ihren Möglichkeiten Terrorismus eingeschränkt bleiben, aus ihrem Rückzugsraum in Afghanistan/ Pakistan heraus größere Anschläge zu planen oder durchzuführen. Zugleich beansprucht "alQaida" weiterhin die Führungsrolle in nerhalb des internationalen Jihad und ruft kontinuierlich zu An schlägen gegen westliche Ziele auf. 183 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Die Auseinandersetzungen zwischen den "Taleban" und dem ISKP hielten auch im Jahr 2021 an. Der ISKP stellte seine Schlagkraft durch zahlreiche Anschläge unter Beweis, wurde durch die "Tale ban" aber in weiten Teilen Afghanistans militärisch in die Defen sive gedrängt. 3. Weitere Konfliktregionen Obwohl das IS"Kalifat" territorial zerschlagen wurde und "alQaida" weiterhin als geschwächt gilt, ist der islamistische Ter ror in vielen Staaten und Regionen fortdauernd virulent. Beide Terrororganisationen sind mit ihren sogenannten Regionalor ganisationen in vielen Teilen der Welt vertreten; Regionalableger formierten sich unter anderem im Mittleren Osten, in Süd und Südostasien sowie in Afrika. Entstehung von Faktoren wie ein kaum ausgeprägtes Staatswesen, anhaltende neuen Krisenherden kriegerische Auseinandersetzungen oder ethnische Spannungen im Land können den Einfluss islamistischer Organisationen und Netzwerke vor Ort stärken. Mit einem Machtzuwachs islamisti scher Kräfte erhöht sich auch die Gefährdung westlicher Einrich tungen sowie westlicher Staatsangehöriger vor Ort. Afrika Insbesondere der IS beziehungsweise seine Regionalableger konn ten in den west, zentral und ostafrikanischen Regionen zuletzt kontinuierlich militärische Erfolge erzielen und ihre territorialen Einflussgebiete erweitern. Bedeutsame Regionen, in denen Regionalorganisationen des IS und/oder von "alQaida" im Berichtsjahr aktiv waren und zum Teil erheblichen Einfluss auf die regionale Sicherheit hatten, sind beispielhaft Mali und Mosambik. In beiden Staaten deuteten die Islamisten bestehende Konflikte ideologisch um und profitierten vom Machtvakuum aufgrund fehlender oder schwacher staatli cher Strukturen. Nahost Die latenten Spannungen zwischen Israel und der HAMAS führ ten im Mai 2021 wiederholt zu militärischen Auseinandersetzun gen. Die Geschehnisse in Nahost wirken sich insbesondere auch auf die muslimische Diaspora aus. In Deutschland kam es zu et lichen propalästinensischen beziehungsweise antiisraelischen 184 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Kundgebungen und Demonstrationen. An den über 140 bundes weiten Veranstaltungen beteiligten sich über 40.000 Menschen. Neben antiisraelischen und auch antisemitischen Äußerungen gab es offene Solidaritätsbekundungen mit der HAMAS. Außerhalb des Versammlungsgeschehens kam es zu etlichen Diebstählen und Zerstörungen israelischer Flaggen sowie zu weiteren antiisraeli schen beziehungsweise antijüdischen Aktionen; unter anderem zu Angriffen gegen Synagogen und Gedenkstätten. 4. Reisebewegungen im Zusammenhang mit dem ehemaligen Hotspot Syrien/Irak Die Ausreise nach Syrien und in den Irak stellte über einen langen Zeitraum eine zentrale Aktivität der islamistischjihadistischen Szene in Deutschland dar. Die Ausreisewelle, die in den Jahren 2013 und 2014 ihren Höhepunkt erreichte, ebbte seit dem Jahr 2015 merklich ab. In den Folgejahren gingen die Ausreisezahlen sukzes sive zurück. Neue Ausreisen werden nur noch selten registriert. Im Jahr 2021 wurden zehn Ausreisen beziehungsweise Ausreiseversu che registriert. Insgesamt liegen den Sicherheitsbehörden Erkenntnisse zu mehr als 1.150 Personen vor, die seit dem Jahr 2011 aus islamistischer Motivation heraus aus Deutschland in Richtung Syrien und Irak gereist sind und sich mit hoher Wahrscheinlichkeit dort aufhalten beziehungsweise aufgehalten haben. Zu etwa 65 % der gereisten Personen liegen konkrete Anhalts punkte vor, dass sie aufseiten des IS, von "alQaida" oder der ih nen nahestehenden Gruppierungen sowie anderer terroristischer Gruppierungen an Kampfhandlungen teilgenommen oder diese in sonstiger Weise unterstützen beziehungsweise unterstützt haben. Zu mehr als 270 der aus Deutschland ausgereisten Personen liegen Hinweise vor, dass sie in Syrien oder im Irak ums Leben gekommen sind. Es liegen Erkenntnisse zu Personen im unteren dreistelligen Be Rückkehrwillige aus reich vor, die sich aktuell in Syrien oder im Irak in Haft bezie Syrien und dem Irak hungsweise in Gewahrsam befinden, mehrheitlich in den syri schen Camps alHawl und Roj. Die Mehrzahl der im Ausland in 185 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Haft beziehungsweise in Gewahrsam befindlichen Personen beab sichtigt, nach Deutschland zurückzukehren. Erkenntnisse zu Mehr als ein Drittel aller bekannten in Richtung Syrien und Irak zurückgekehrten gereisten Personen befindet sich wieder in Deutschland. Den Si Personen cherheitsbehörden liegen Erkenntnisse zu über 140 zurückgekehr ten Personen vor, welche sich aktiv an Kämpfen in Syrien oder im Irak beteiligt oder dafür eine Ausbildung absolviert haben. Diese Personen stehen unverändert im Fokus polizeilicher und staatsan waltschaftlicher Ermittlungen. Nach ihrer Rückkehr mussten sich einige von ihnen bereits vor deutschen Gerichten für die in Syrien und im Irak verübten Straftaten verantworten. So kam es auch im Jahr 2021 in diesem Zusammenhang zu mehreren Verurteilungen (vgl. Kap. VII, Nr. 2). GefährdungsBezüglich der von Rückkehrern ausgehenden Gefährdung ergibt potenzial von sich ein heterogenes Bild. Die Spanne bei der Einschätzung dieser Rückkehrern Personen reicht von "Desillusionierten", deren szenetypische Ak tivitäten nach der Rückkehr deutlich abnehmen oder nicht mehr feststellbar sind, bis hin zu gewaltbereiten Personen mit Kampfer fahrung. Ein besonderes Sicherheitsrisiko stellen Personen dar, die während des Aufenthalts in Syrien und/oder im Irak ideologisch indoktriniert, militärisch im Umgang mit Waffen und Sprengstoff geschult wurden und/oder Kampferfahrungen sammeln konnten. Bei den zurückkehrenden Kindern und Jugendlichen muss ebenso wie bei ihren Eltern im Einzelfall mit einer Traumatisierung und zum Teil auch Radikalisierung gerechnet werden. Es ist zu vermu ten, dass auch Kinder und Jugendliche indoktrinierenden Einflüs sen ausgesetzt waren, zum Beispiel durch Propaganda des IS und Gewalterfahrungen im Alltag. Sie müssen somit vor allem als Opfer der Ideologie ihrer Eltern betrachtet werden und dürfen nicht pau schal stigmatisiert werden. Der Umgang mit den Betroffenen ist nicht primär eine Aufgabe der Sicherheitsbehörden, sondern eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Neben der strafrechtlichen Verfolgung von zurückgekehrten Per sonen sind Maßnahmen der Deradikalisierung und Reintegrati on - im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes in der Terrorismusbe kämpfung - stets ebenfalls zu berücksichtigen. 186 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 5. Gefährdungspotenzial Aus den Ereignissen in Afghanistan im Jahr 2021 ergaben sich bis Afghanistan - lang keine direkten Auswirkungen auf die islamistische und jiha bislang keine direkten distische Szene in Deutschland. Die Machtübernahme durch die Auswirkungen "Taleban" findet jedoch Eingang in die Propaganda islamistischer wie jihadistischer Gruppierungen. Ob dies im Einzelfall Auswir kungen auf die Gefährdungslage in Deutschland haben wird, bleibt weiter zu beobachten. Sollten terroristische Gruppierungen - allen voran "alQaida" - die Möglichkeit erhalten, sich in Afghanistan nunmehr zu reorganisieren und terroristische Aktivitäten gegen westliche Staaten zu planen, wird dies mittel bis langfristig auch die Gefährdungssituation in Deutschland beeinflussen. Trotz der Erfolge, wie Verbote islamistischer Vereinigungen, Verei Gefährdung telung von islamistisch motivierten Terroranschlägen in Deutsch besteht fort land sowie Verhinderung zahlreicher Ausreisen in Jihadgebiete, besteht die Gefährdung durch den islamistischen Terrorismus in Deutschland sowie für deutsche Interessen und Einrichtungen weltweit fort. Am 6. November 2021 stach ein Mann in einem Zug auf dem Stre ckenabschnitt zwischen Regensburg (Bayern) und Nürnberg (Bay ern) unvermittelt mit einem Messer auf drei Passagiere ein. Zwei Personen wurden schwer, eine weitere lebensgefährlich verletzt. Das Tatmotiv war zunächst unklar. Auch ein Psychiater wurde hinzugezogen. Die Tat wurde von den Sicherheitsbehörden als is lamistisch motivierter Angriff eingestuft. Bei einigen Angriffen im Berichtszeitraum wie auch in den voran gegangenen Jahren ist unklar, ob die Täter aus einer islamistischen Motivation heraus oder aufgrund einer psychischen Erkrankung handelten. Eine Zuordnung kann dementsprechend nur unter Vorbehalt beziehungsweise Würdigung psychologischer Gerichts gutachten erfolgen. Vor dem Hintergrund der unverändert hohen Bedrohungslage Maßnahmen durch den islamistischen Terrorismus ist eine enge nationale und internationale Kooperation für die Sicherheitsbehörden uner lässlich. 187 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Bereits beschlossene nationale Handlungs und Maßnahmen konzepte zur Bekämpfung des islamistischen Extremismus und Terrorismus - wie beispielsweise Handlungsempfehlungen zum Umgang mit verurteilten Islamisten nach deren Haftentlassung - werden regelmäßig auf ihre Wirksamkeit geprüft beziehungsweise fortgeschrieben. Das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) dient als ein Garant für die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern. Das GTAZ hat sich in seiner Aufstellung be währt. Es unterliegt ebenso einem kontinuierlichen Wandlungs prozess, wonach sich die Arbeitsplattform strukturell und inhalt lich fortlaufend den Entwicklungen im Phänomenbereich anpasst. Finanzermittlungen können wertvolle Erkenntnisse über Aktivi täten und Strukturen von Organisationen liefern und wirkungs voll zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung beitragen. Im Mittelpunkt stehen hier Organisationen oder Zusammenschlüsse, die gezielt in Deutschland Geld sammeln und es an terroristische Organisationen im Ausland transferieren. Im ganzheitlichen Ansatz der deutschen Terrorismusbekämpfung spielen auch Maßnahmen der Distanzierung und Deradikalisie rung von radikalisierten Personen eine wichtige Rolle. Bundesweit gibt es hierzu verschiedene Angebote. III. Salafistische Szene in Deutschland Der Salafismus bleibt mit 11.900 Personen weiterhin die zahlen mäßig bedeutendste islamistische Strömung in Deutschland. Im vergangenen Jahrzehnt war die salafistische Szene in Deutsch land stark gewachsen. Sie wird von Männern dominiert, der Anteil der Frauen liegt bei 15 %. Insbesondere während der Hochphase des IS"Kalifats" stieg die Zahl der Anhänger. In diese Zeit fielen viele öffentlichkeitswirksame Aktionen der salafistischen Szene in Deutschland - beispielsweise die öffentliche Koranverteilaktion "LIES!" der Vereinigung "Die Wahre Religion" (DWR).59 59 DWR wurde im Jahr 2016 durch den Bundesminister des Innern verboten. 188 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Salastisches Personenpotenzial 2012-2021 14.000 12.150 12.150 11.900 12.000 11.300 10.800 9.700 10.000 8.350 8.000 6.680 5.740 6.000 4.500 4.000 2.000 0 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Seit einigen Jahren scheint der Salafismus jedoch an Attraktivi tät zu verlieren. Nachdem die Anhängerzahl zuletzt stagnierte, ist für das Jahr 2021 erstmals ein Rückgang des salafistischen Perso nenpotenzials zu verzeichnen. Ursachen sind unter anderem die (sicherheits)behördlichen Maßnahmen der vergangenen Jahre - wie Vereinsverbote oder Haftstrafen gegen Szeneangehörige - so wie insbesondere der Niedergang des IS. Der Konflikt in Syrien und im Irak war lange ein verbindendes Thema der salafistischen Szene in Deutschland. Mit dem Bedeutungsverlust des IS hat die Szene einen gemeinsamen ideologischen Referenzrahmen eingebüßt. Des Weiteren sind die "klassischen" Rekrutierungsinstrumente wie Islamseminare und Koranverteilungen rückläufig. Die salafisti schen Missionierungsaktivitäten wurden durch die Coronapande mie gebremst und haben sich noch weiter in den privaten Bereich verlagert. Im Berichtsjahr 2021 gab es wie schon im Vorjahr keine nennens werten öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen oder Aktivitä ten der salafistischen Szene. Vielmehr erstreckten sich die Betä tigungen der Szene weiterhin vor allem auf kleine konspirative, private Treffen. Daneben wird salafistische Propaganda weiterhin im Internet verbreitet. Beispielsweise werden Onlineseminare von bekannten salafistischen Predigern angeboten. 189 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Ausblick Die rückläufige Anhängerzahl und die geringe öffentliche Prä senz der salafistischen Szene sind nicht mit einem abnehmenden Gefährdungspotenzial gleichzusetzen. Die engen Verbindungen zwischen salafistischen Akteuren und jihadistischen Netzwerken bestehen fort. Die Szene ist hochdynamisch und kann jederzeit auf aktuelle Entwicklungen und äußere Einflüsse reagieren. In den konspirativen, privaten Zirkeln und vor allem im Internet können sich Einzelne radikalisieren, ohne dass es von den Behör den oder einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen werden kann. Der Grundsatz, dass der Salafismus mehrheitlich den ideologi schen Unterbau für den gewaltbereiten Jihadismus bildet, behält weiterhin seine Gültigkeit. Die Entwicklungen der Szene wurden in den letzten Jahren stark durch den Konflikt in Syrien und im Irak geprägt. Sollte zukünftig ein neuer Jihadschauplatz entstehen, wird das auch Einfluss auf die deutsche Szene haben. Auch andere, zum Beispiel islamkritische Ereignisse können kurzfristig ein hohes Mobilisierungspotenzial entfalten. IV. Jihadistische Propaganda im Internet 1. Die "Taleban" in Afghanistan Beherrschendes Thema der jihadistischen Propaganda im Internet waren im Jahr 2021 die Entwicklungen in Afghanistan. Die Machtübernahme der "Taleban" in Afghanistan im August 2021 wurde von "alQaida" begrüßt. Der "Islamische Staat" (IS) betrachtet die "Taleban" hingegen als "Abtrünnige", "Ungläubige" und "verkappte Schiiten", welche sich der Vielgötterei schuldig ge macht hätten. Durch die Machtübernahme der "Taleban" haben sich Inhalte und Verbreitungswege der organisationseigenen Propaganda ent sprechend ihrer Rolle als amtierende Regierung angepasst. In ihr 190 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS kommt der Spagat der "Taleban" zwischen dem Streben nach welt weiter Anerkennung einerseits und der Umsetzung ihrer Interpre tation des Islam andererseits zum Ausdruck. 2. Arabischsprachige jihadistische Propaganda Die arabischsprachige jihadistische Propaganda wird nach wie vor vom IS und in geringerem Maße von "alQaida" dominiert. Obwohl der Fokus der jihadistischen Propaganda auf Regionen außerhalb Europas lag, gab es im Berichtszeitraum immer wieder vereinzelt Verlautbarungen, die Drohungen gegen europäische Länder, darunter auch Deutschland, enthielten. Die jihadistische Propaganda bewegte sich im Jahr 2021 in Quanti tät und Qualität auf unverändert hohem Niveau. In Bezug auf die Nutzung neuer Plattformen und die Anwendung von Verschlüsse lungstechniken wurde Anpassungsfähigkeit bewiesen. 2.1 "Islamischer Staat" (IS) Nach einer instabilen Phase, ausgelöst durch fortgesetzte behördli che Löschungen, konnte sich die arabischsprachige ISPropaganda im Laufe des Jahres 2021 auf Messengerdiensten wie rocket.chat, hoop.me, element.io als auch über die sozialen Medien aufs Neue konstituieren. Kernprodukte der offiziellen ISPropaganda wie das Onlinemaga zin "alNaba" sowie Meldungen der Nachrichtenagentur "Amaq" werden regelmäßig und in zahlreichen Übersetzungen unter an derem auf Englisch, Französisch, Italienisch und Indonesisch ver breitet. Etliche ISnahe Medienstellen unterstützen die offizielle Propa ganda mit eigenen Videos und Onlinemagazinen - wie die eng lischsprachige Internetpublikation der ISUnterstützerszene Süd asiens "Voice of Hind". Wiederkehrende Inhalte der Propaganda sind Anleitungen zur Herstellung von Sprengstoff oder Anschlags szenarien. 191 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Die Führungsriege des IS hielt sich 2021 hingegen bedeckt. ISAn führer Abu Ibrahim alHashimi alQurashi trat - wie schon in den beiden Jahren davor - auch im Jahr 2021 mit keiner persönlichen Botschaft in Erscheinung. ISSprecher Abu Hamza alQurashi äu ßerte sich im Jahr 2021 nur einmal offiziell. In der Verlautbarung kündigte er unter anderem eine Belohnung für das Töten von Richtern und Ermittlern in den ISProvinzen an.60 PropagandaTrotz der Zurückhaltung der ISFührung verbleiben die Propagan aktivitäten daaktivitäten des IS auf einem konstant hohen Niveau. Dadurch auf konstant besteht die abstrakte Gefahr für Anschläge von Einzeltätern, die hohem Niveau zwar ursprünglich im Westen sozialisiert wurden, sich aber über die im Netz eingestellte Propaganda des IS selbst radikalisiert ha ben, mit leicht zu beschaffenden Tatmitteln fort. 2.2 "Al-Qaida" Die Versuche, Anhänger zu Anschlägen zu inspirieren, ist ein wie derkehrendes Element in der Propaganda von "alQaida" und ih ren Regionalorganisationen. "AlQaida auf der Arabischen Halb insel" (AQAH) veröffentlichte im Juni 2021 nach mehr als vier Jahren wieder den "INSPIRE GUIDE". Hierin werden Anleitungen gegeben, wie potenzielle Attentäter Züge entgleisen lassen können, wie man einfache Bomben baut oder Anschläge bestmöglich auf sozialen Medien in Szene setzt.61 20. Jahrestag der Anlässlich des 20. Jahrestags der Anschläge vom 11. Septem Anschläge vom ber 2001 gab die "alQaida"nahe Medienstelle "Jaish alMalahim 11. September alIliktruni" eine Sonderausgabe des Onlinemagazins "Die Wölfe von Manhattan"62 heraus. Die Publikation mit dem Titel "11. Sep tember. Könnten wir es nicht wiederholen?" war im Vorfeld ange kündigt worden. Darin werden Muslime, insbesondere in westli chen Ländern und jenen Ländern, die diplomatische Beziehungen 60 Der ISAnführer alQurashi sowie der ISSprecher alQurashi kamen beide Anfang Februar 2022 bei einer Militäroperation ums Leben. Der IS hat am 10. März 2022 Abu Hassan alHashimi alQurashi zum neuen Anführer der Terrororganisation ausgerufen. 61 Der "INSPIRE GUIDE" ist eine Art elektronischer Flyer, der nicht den Umfang des "INSPIRE"Magazins, zuletzt erschienen im August 2017, erreicht. Es ist ein zusätz liches Format, das sich auf Einzeltäter fokussiert und anlassbezogen einzelne An schläge analysiert und propagandistisch nutzt. 62 Die erste Ausgabe von "Die Wölfe von Manhattan" erschien im November 2020. 192 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS mit Israel unterhalten, dazu aufgerufen, Flugzeuge zu entführen und in "geeignete Ziele" zu lenken. Außerdem werden Hinweise zur Planung und Durchführung von Anschlägen gegeben. Israel, das hier neben anderen Staaten genannt wird, ist in diesem Zusam menhang ein traditionelles Ziel der Propaganda von "alQaida". In seiner Videobotschaft zum 20. Jahrestag der Anschläge in den USA, versucht der Anführer von "alQaida" Aiman alZawahiri, sei ne Organisation als weltweit aktive Gruppierung darzustellen, die konsequent und erfolgreich für die Rückeroberung Palästinas be ziehungsweise Jerusalems kämpft. Auf die Anschläge selbst nimmt alZawahiri kaum Bezug. Ebenfalls zum 20. Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 wurde von einer "alQaida"nahen Medienstelle ein Video mit dem Titel "Entbrennen der Kriege" verbreitet. Hierin werden die Idee zu den Anschlägen, ihr Hergang sowie ihre Folgen für die westliche Welt beschrieben. Einen expliziten Aufruf zu Anschlägen im Wes ten enthält es nicht. 3. Deutschsprachige jihadistische Propaganda In der deutschsprachigen jihadistischen Propaganda bestehen je weils IS sowie "alQaida"nahe Strömungen fort, wobei die Gren zen oftmals fließend sind. Wie in den Jahren davor wurden auch 2021 etliche jihadistische Kanäle auf Plattformen wie Instagram, Telegram und YouTube durch die Betreiber der Plattformen gelöscht.63 In der Folge war ein kurzzeitiger Rückgang der Propagandaaktivitäten zu verzeichnen, der insbesondere durch das Ausweichen auf andere Plattformen teilweise kompensiert werden konnte. Die Zuspitzung des Nahostkonflikts im Mai 2021 führte zu zahlrei Szene reagiert auf chen Reaktionen. Neben Solidaritätsbekundungen wurden auch Ereignisse des Jahres die "Befreiung" Palästinas sowie der Boykott jüdischer Produkte thematisiert. 63 Löschungen durch die Plattformbetreiber basieren auf wiederholten behördlichen Löschaktionen, unter anderen durch Europol. 193 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Ein beherrschendes Thema in der deutschsprachigen jihadisti schen Propaganda waren der Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan und die anschließende Machtübernahme durch die "Taleban" im August 2021. Innerhalb der Szene waren diesbe züglich heterogene Positionen zu vernehmen: Einerseits wurde der "Sieg" der "Taleban" begrüßt und als Grundsteinlegung für ein an der Scharia ausgerichtetes islamisches Staatswesen gefeiert; anderseits gab es Aussagen, die die "Taleban" als "Ungläubige" ti tulierten, da diese "friedliche, freundschaftliche, partizipative und kooperative Beziehungen" zum Westen anstreben würden. Die Bundestagswahl im September 2021 war ebenso Gegenstand der Propaganda. Im Fokus standen Aufrufe an die Muslime, das Wahlrecht nicht in Anspruch zu nehmen, da demokratische Wah len nicht zu den Grundsätzen des Islam gehören würden. Die schwierigen humanitären Bedingungen in den Camps in Sy rien, in denen sich auch Familienangehörige von ISMitgliedern befinden, veranlassten die Nutzer auch 2021, wiederholt zu Spen den aufzurufen. Gleichzeitig thematisiert wurden die Rückholun gen dort lebender Frauen und ihrer Kinder nach Europa, so unter anderem im Oktober 2021, als mehrere Frauen mit ihren Kindern nach Deutschland zurückgebracht wurden. Nach wie vor führt das Thema Karikaturen über den Propheten Muhammad zu heftigen Reaktionen im "alQaida" sowie ISna hen Spektrum, so auch der Tod zweier bekannter MuhammadKa rikaturisten im Berichtsjahr. Vor allem der tödliche Verkehrsunfall eines schwedischen Künstlers im Oktober 2021 wurde in der Pro paganda vielfach behandelt, wobei Freude und Genugtuung zum Ausdruck gebracht wurden. Der Künstler hatte 2007 durch die Veröffentlichung von Karikaturen des Propheten Muhammad in Gestalt eines Hundes internationale Bekanntheit erlangt. Die Ver öffentlichung der Karikaturen wurde in der islamischen Welt als Blasphemie beziehungsweise Prophetenbeleidigung aufgenom men und führte zu starken Protesten bis hin zu Mordaufrufen. Zu konstatieren ist, dass sich trotz vielfältiger Themen die Quanti tät der deutschsprachigen jihadistischen Propaganda im Jahr 2021 im Vergleich zum Vorjahr nicht wesentlich verändert hat und da mit auf hohem Niveau verbleibt. Sensible Themen, wie Ereignisse im Zusammenhang mit den MuhammadKarikaturen, befeuern 194 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS die Aktivitäten der Propagandisten im Netz und werden schluss endlich auch vielfach von der Szene aufgegriffen. V. Organisationsgebundener Islamismus und Terrorismus in Deutschland 1. Islamistische Strömungen in Deutschland Neben der jihadistischen und salafistischen Szene gibt es weitere islamistische Bewegungen in Deutschland, die einen höheren Or ganisationsgrad und feste Strukturen aufweisen. Häufig sind die se vereinsrechtlich, mit regionalen Anlaufstellen, mitunter auch deutschlandweit zuständigen Zentralen oder internationalen Dachverbänden organisiert. Ihre jeweiligen Ziele versuchen sie auf unterschiedlichen Wegen und mit verschiedenen Mitteln zu er reichen. Wesentliche Unterschiede sind die Art und die Intensität der beabsichtigten Außenwirkung sowie das Verhältnis zur Gewalt. Darunter sind Gruppierungen, die sich in erster Linie dem Erhalt und der Pflege der bestehenden Strukturen sowie der internen Weitergabe ihrer extremistischen Ideologie widmen. Andere Or ganisationen setzen auf gesellschaftliche sowie politische Einfluss nahme auf allen Ebenen in Deutschland. Einige Gruppierungen wenden sich ausschließlich an die muslimische Bevölkerung, mit dem Ziel der Polarisierung zur Gewinnung von Anhängern. Deutlich zu unterscheiden von den zuvor beschriebenen Organi sationen und Gruppierungen sind die Anhänger und Unterstützer von terroristischen Vereinigungen, deren Aktivitäten klar auf ihre Herkunftsländer ausgerichtet sind. Diese reichen von Sympathie bekundungen über die Verbreitung von Propaganda bis hin zu un mittelbarer Unterstützung, beispielsweise durch das Sammeln von Spenden. Über die Bereitstellung rein religiöser Dienste beziehungswei Publikationen stärken se einer religiösen Infrastruktur hinaus sind alle islamistischen Identifikation Organisationen in Deutschland bestrebt, ihren Anhängern und Sympathisanten ein vielfältiges Spektrum an Angeboten zu un terbreiten. So wird oftmals die Identifikation mit der Organisa tion und der entsprechenden Ideologie auch durch den Vertrieb 195 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS organisationseigener Print und Onlinepublikationen sowie Ange bote in den sozialen Medien gefördert beziehungsweise gewähr leistet. Auch wird häufig ein breit gefächertes internes Bildungsan gebot bereitgestellt. Dieses umfasst in der Regel sowohl Angebote für Kinder und Jugendliche als auch für Erwachsene und dient somit der Gewinnung neuer Anhänger und der ideologischen Fes tigung. Polarisierung Darüber hinaus betreiben einige islamistische Gruppierungen ge und Umdeutung zielt Propaganda durch eine Umdeutung aktueller gesellschaftli cher Diskurse mittels islamistischer Narrative zur Polarisierung der muslimischen Bevölkerung. Damit soll eine "Opferrolle" ge genüber einer angeblichen deutschen "Wertediktatur" geschaffen werden. Zudem füllen sie bezüglich des Radikalisierungspotenzials eine Lücke, die salafistische Strömungen aufgrund ihres Rückzugs ins Private hinterlassen haben. Die ideologischen Übergänge zum Salafismus sind dabei fließend. Onlineaktivitäten So sind beispielsweise die Gruppierungen "Realität Islam", "Ge neration Islam" sowie "Muslim Interaktiv", die eine ideologische Nähe zu der in Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegten "Hizb utTahrir" (HuT) aufweisen, propagandistisch außerordent lich aktiv. In Veröffentlichungen in sozialen Netzwerken behaup ten sie eine staatlich gesteuerte Islamfeindlichkeit und sehen in der deutschen Integrationspolitik eine Art "Assimilationsterror". Eine Wahrung der islamischen Identität, so ihre im Internet verbreitete Schlussfolgerung, sei nur durch Abgrenzung von der westlichen Gesellschaft möglich. Seit einiger Zeit nutzen die Gruppierungen ihren Bekanntheitsgrad auch für Mobilisierungszwecke in der rea len Welt. So machte die Gruppierung "Muslim Interaktiv" mit einer antiisraelischen Demonstration und martialischem Auftreten am 28. Mai 2021 in Hamburg auf sich aufmerksam. Das zweite Jahr in Folge fanden die jährlichen Demonstrationszü ge anlässlich des "alQuds"Tages in Berlin und Frankfurt am Main (Hessen) pandemiebedingt nicht statt. Als Ersatz wurde der schi itische Gedenktag, der an die von Ayatollah Ruhollah Khomeini im Jahr 1979 geforderte "Befreiung Jerusalems" erinnern soll, wie bereits im Jahr 2020 online veranstaltet. 196 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 2. Legalistische Organisationen Wesentliche islamistische Akteure in Deutschland sind die lega listisch agierenden Organisationen. Sie erheben den Anspruch, der zentrale Ansprechpartner für alle muslimischen Belange in Deutschland zu sein. Auf diese Weise versuchen sie, langfristig das gesellschaftliche und politische System zugunsten einer islamischen Grund und Werteordnung mitzugestalten und ihre Agenda in Poli tik und Gesellschaft zu etablieren. Auch versuchen legalistische Or ganisationen durch die von ihnen dominierten muslimischen Dach verbände auf lokaler und nationaler Ebene Einfluss zu gewinnen. Die "Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V." (DMG) ist dem "Deutsche globalen Netzwerk der "Muslimbruderschaft" (MB) zuzurechnen. Muslimische Wesentliche Aktivitäten der DMG und ihr nahestehender Organi Gemeinschaft e.V." sationen sind die Missionierungs, Jugend und Bildungsarbeit, die sich an der Ideologie der MB orientieren. So werden zum Beispiel sogenannte Korancamps ausgerichtet. Darüber hinaus versucht sich die DMG durch ihre Öffentlichkeitsarbeit als zentraler An sprechpartner für muslimische Belange in Deutschland gegenüber Politik und Gesellschaft zu etablieren. Das "Islamische Zentrum Hamburg e.V." (IZH), Trägerverein der "Islamisches Zentrum "ImamAliMoschee" in Hamburg, ist neben der iranischen Bot Hamburg e.V." schaft die wichtigste Vertretung des Iran in Deutschland und ein bedeutendes Propagandazentrum des Iran in Europa. Mithilfe des IZH versucht der Iran, Schiiten verschiedener Nationalitäten an sich zu binden und die gesellschaftlichen, politischen und religiö sen Grundwerte des iranischen Staates in Europa zu verbreiten. Als wichtiges Element für die Steuerung der Interessen des IZH dient der schiitische Dachverband "Islamische Gemeinschaft der schiiti schen Gemeinden Deutschlands e.V." (IGS). Ein wesentliches außenpolitisches Ziel des Iran ist die Weiterfüh rung der iranischen Revolution in anderen Ländern. Zur Umset zung dieses Zieles entsendet "Revolutionsführer" Ayatollah Seyyed Ali Khamenei Beauftragte ins Ausland. In Deutschland wird diese Aufgabe unmittelbar durch das IZH und dessen Leiter Mohammad Hadi Mofatteh, als Vertreter des "Revolutionsführers", vollzogen. Die "Milli Görus"Bewegung besteht aus mehreren Vereinigungen, "Milli Görus"die von einer gemeinsamen ideologischreligiösen Ausrichtung Bewegung 197 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS und der ideellen Bindung an deren Gründer zusammengehalten werden. Hierzu zählen beispielsweise der "SAADET Europa e.V." oder die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG), beide mit Sitz in Köln (NordrheinWestfalen). Obgleich alle Vereinigun gen selbstständig und unabhängig voneinander agieren, ist die "Milli Görus"Ideologie - wenn auch in unterschiedlicher Ausprä gung - das verbindende Element. 3. Terroristische Organisationen In Deutschland ist auch eine Anhängerschaft terroristischer Orga nisationen wie etwa "Hizb Allah" und HAMAS zu verzeichnen, die beide, wenn auch mit unterschiedlichem Kontext, unter anderem den gewaltsamen Kampf gegen Israel propagieren. Ihre Zielset zung in Deutschland richtet sich primär an der jeweils internatio nalen Agenda der Organisationen aus. Dabei reichen ihre Aktivitä ten von Sympathiebekundungen, Propagandaverbreitung bis hin zu unmittelbaren Unterstützungsleistungen wie Finanzierungs und Spendensammelaktivitäten, wodurch die Kernorganisationen im Ausland gestärkt werden. Darüber hinaus wird die Haltung der deutschen Bundesregierung im Hinblick auf den Konflikt im Na hen Osten kritisiert und es werden teilweise antiisraelische und antisemitische Stellungnahmen beziehungsweise Äußerungen veröffentlicht. In Deutschland ist die "Hizb Allah" in keinem bundesweiten Dach verband oder einer ähnlichen überregionalen Struktur organisiert. Teile der Anhängerschaft pflegen den organisatorischen Zusam menhalt in örtlichen Vereinen und in der Durchführung von reli giösen Feierlichkeiten sowie in der Kinder und Jugendarbeit. Es wurden konkrete Unterstützungshandlungen zugunsten der "Hizb Allah" im Libanon durch Anhänger in Deutschland insbe sondere durch organisierte Spendensammlungen nachgewiesen. Bereits 2014 wurde der Spendensammelverein "Waisenkinder projekt Libanon e.V." (WKP) verboten, der über Jahre hohe Geld beträge an die der "Hizb Allah" zuzurechnende "ShahidStiftung" im Libanon transferierte. Im Mai 2021 wurden drei weitere Vereine verboten, die die verbotenen Tätigkeiten des WKP als Ersatzorgani sationen fortgeführt hatten (vgl. Kap. VII, Nr. 1). 198 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Die Mitglieder und Anhänger der HAMAS in Deutschland haben vorrangig zwei Ziele: Zum einen versuchen sie über Spenden sammlungen die HAMAS zu unterstützen. Zum anderen sind sie daran interessiert, den politischen und gesellschaftlichen Diskurs in Deutschland propalästinensisch im Sinne der HAMAS zu beein flussen. So verbreiteten HAMASnahe Kreise im Verlauf der militärischen Eskalation zwischen Israel und der HAMAS im Mai 2021 über sozi ale Medien den Aufruf, öffentliche Solidaritätserklärungen für die Palästinenser abzugeben. Dabei wurden typische Forderungen der HAMAS propagiert, wie beispielsweise das "Recht auf Rückkehr" oder die Ablehnung der Normalisierung der Beziehungen zur "Be satzermacht" (gemeint ist Israel). VI. Antisemitismus im Islamismus Antisemitismus stellt ein wesentliches Element in der Ideologie des islamistischen Spektrums dar. Antisemitisches Gedankengut ist unvereinbar mit der freiheitlichen demokratischen Grundord nung und einem friedlichen und toleranten Zusammenleben in Deutschland. In der islamistischen Propaganda verbinden sich oftmals religiö Erscheinungsbild se und politische Motive zu einem antisemitischen Weltbild. Das "Feindbild Judentum" ist ein zentraler Pfeiler in der Propagan da nahezu aller islamistischen Gruppierungen. So finden sich in sämtlichen islamistischen Ideologien die gleichen oder zumindest vergleichbare Ausführungen über Juden. Ähnlich wie im Rechtsex tremismus ist der Kerngedanke durchgängig der Ansatz, dass "die Juden", die als einheitliche Gruppe wahrgenommen werden, im Verborgenen nach der Weltherrschaft strebten beziehungsweise diese bereits ausübten und somit Weltpolitik und wirtschaft kon trollierten. Dabei beziehen sich Islamisten besonders häufig auf antisemitische Stereotype, wie zum Beispiel die Herrschaft "der Juden" über die Finanz und Wirtschaftssysteme, das Schüren von Kriegen und Konflikten durch "die Juden", "jüdisches Handeln" mithilfe von Geheimagenten und Geheimorganisationen oder den "ewigen Kampf" zwischen Muslimen und Juden. 199 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Hinzu kommt die Ablehnung des Staates Israel durch islamistische Organisationen. So gibt es innerhalb des islamistischen Spektrums Organisationen, für die der Kampf gegen die Existenz des Staates Israel das wesentliche Element darstellt. Dazu gehören etwa die palästinensische HAMAS und die libanesische "Hizb Allah". Beide Gruppierungen bekämpfen Israel mit militärischen und terroristi schen Mitteln und rufen im Rahmen ihrer Propagandaaktivitäten immer wieder zur vollständigen Vernichtung Israels auf. Für ande re islamistische Gruppen ist der Staat Israel zwar nicht der Haupt gegner, aber stets ein zentrales Feindbild. Der Nahostkonflikt wird von ihnen stärker als Teil einer grundsätzlichen globalen Ausein andersetzung zwischen "den Muslimen" und "dem Rest der Welt" ("Gläubige" - "Ungläubige") wahrgenommen. Nach den Feststellungen der Verfassungsschutzbehörden hegt die überwiegende Mehrheit der in Deutschland aktiven islamistischen Organisationen antisemitisches Gedankengut und verbreitet die ses auf unterschiedlichen Wegen. Antisemitische Auch im Jahr 2021 wurde eine Vielzahl antisemitischer Vorfälle - Vorfälle sowohl mit direktem Organisationsbezug als auch durch Einzel personen mit und ohne Organisationsanbindung - festgestellt. Das Spektrum der Ereignisse reicht von antisemitischen Reden und Predigten über judenfeindliche Veröffentlichungen in sozialen Medien bis hin zu öffentlich zur Schau gestelltem Antisemitismus anlässlich von Demonstrationen oder gar verbalen oder körperli chen Attacken gegen jüdische Personen. Im April 2022 veröffent lichte das BfV das aktuelle Lagebild Antisemitismus, welches einen Gesamtüberblick über die verfassungsschutzrelevanten Ausprä gungen des Antisemitismus in Deutschland gibt.64 Die Zuspitzung des Nahostkonflikts im Mai 2021 sorgte für einen sprunghaften Anstieg antiisraelischer und antisemitischer Äuße rungen in den sozialen Medien. Ein Nutzer verbreitete im Internet beispielsweise Bilder, auf denen zu sehen ist, wie Männer eine is raelische Flagge anzünden, sowie von Personen, die offenkundig dem jüdischen Glauben angehören und sich vor der Klagemauer in Jerusalem aufhalten. Hierzu schrieb der Nutzer: "Ach ach euch nicht anzuzünden ist eine Sünde!!!" 64 Das Lagebild Antisemitismus ist unter www.verfassungsschutz.de abrufbar. 200 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Der Konflikt im Mai 2021 forcierte vor allem den offensiv und öf fentlich zur Schau getragenen Antisemitismus. An den propalästi nensischen beziehungsweise antiisraelischen Kundgebungen und Demonstrationen in Deutschland beteiligten sich überwiegend Personen aus muslimischen Bevölkerungsgruppen ohne Organi sationsbezug. Fast durchgängig konnten bei den Veranstaltungen antiisraelische sowie vereinzelt antisemitische Parolen in Form von Sprechchören oder Plakaten festgestellt werden. Bei einer Demonstration propalästinensischer Gruppen am 15. Mai 2021 in BerlinNeukölln mit circa 3.500 Teilnehmenden wurden unter anderem Parolen wie zum Beispiel "Beschießt Tel Aviv!" skandiert. Außerhalb des Demonstrationsgeschehens kam es, neben etlichen Diebstählen und Zerstörungen der israelischen Flagge zum Bei spiel an öffentlichen Gebäuden, zu weiteren zahlreichen Gewalt delikten, darunter Körperverletzungen und Sachbeschädigungen an Synagogen und Gedenkstätten, die an zerstörte Synagogen er innern. Beispielsweise versammelte sich am 11. Mai 2021 vor der Synagoge in Bonn (NordrheinWestfalen) eine Personengruppe und verbrannte eine IsraelFlagge. Anschließend bewarfen die Tä ter die Synagoge mit Steinen und beschädigten Fensterscheiben im Eingangsbereich. Am 12. Mai 2021 bildete sich in Gelsenkirchen (NordrheinWestfalen) eine unangemeldete Versammlung und bewegte sich in Richtung der Synagoge. Es wurden verschiedene Sprechchöre angestimmt, unter anderem "Scheiß Juden, scheiß Ju den, scheiß Juden". Vor Erreichen der Synagoge stoppte die Polizei den Aufmarsch. Die antisemitischen Ereignisse des Jahres 2021 verdeutlichen er Ausblick neut, dass die ideologische Radikalisierung von Menschen und die Aufstachelung zu Hass und Gewalt durch antisemitisches Gedan kengut zu verbalen und gewalttätigen Ausschreitungen führen können - selbst wenn die Täter weder Mitglied noch Anhänger einer islamistischen Organisation sind oder islamistisches Gedan kengut verinnerlicht haben. Dies gilt nicht zuletzt für Personen, die zwar heute in Deutschland leben, jedoch im arabischen Raum in gesellschaftlichen Milieus sozialisiert wurden, in denen antisemi tische Einstellungen weit verbreitet sind.65 65 In den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens sowie im nördlichen Afrika sind antisemitische Einstellungen bei circa 75 % bis circa 90 % der Gesamtbevölkerung zu finden (vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 18/11970, Bericht des Unabhängi gen Expertenkreises Antisemitismus vom 7. April 2017, Berlin, 2017, S. 91 ff.). 201 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS VII. Staatliche Maßnahmen Im Berichtsjahr 2021 gab es verschiedene Gerichts und Verbots verfahren, die den Phänomenbereich Islamismus/islamistischer Terrorismus betrafen und hier exemplarisch aufgeführt werden. 1. Verbotsverfahren " Am 19. Mai 2021 hat das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) die Vereinigungen "Deutsche Libanesi sche Familie e.V." (DLF) in GauAlgesheim und Ingelheim am Rhein (beide RheinlandPfalz), "Gib Frieden e.V." in Delmen horst und "Menschen für Menschen e.V." in Stade (beide Nie dersachsen) nach dem Vereinsgesetz verboten. Die drei Verei ne gelten als Ersatzorganisationen des 2014 verbotenen "Hizb Allah"Spendensammelvereins "Farben für Waisenkinder e.V." (FfW) (zuvor: "Waisenkinderprojekt Libanon e.V." (WKP)). Nach den Feststellungen der Verbotsverfügung vom 15. April 2021 wurden sie in einem engen zeitlichen Verhältnis zum Verbot des FfW gegründet, wiesen personelle Verflechtungen mit dem FfW auf und führten nach der Art ihrer Betätigung und Zielset zung - der Spendensammlung zugunsten von "Waisenkindern" und "Märtyrerfamilien" - die verbotenen Tätigkeiten des FfW als Ersatzorganisationen fort. Im Rahmen der Verbotsumset zung wurden 20 Objekte in sieben Bundesländern durchsucht. Hierbei konnten größere Bargeldsummen, Symbole der mit einem Betätigungsverbot belegten Terrororganisation "Hizb Allah" sowie Spendensammelutensilien und Werbematerialien der drei Vereine sichergestellt werden. " Mit Verfügung vom 5. Mai 2021 hat das BMI nach dem Vereins gesetz den Verein "Ansaar International e.V." verboten - ein schließlich seiner Teilorganisationen "WorldWide Resistance Help e.V.", "Aktion Ansar Deutschland e.V.", "Somalisches Komitee Information und Beratung in Darmstadt und Umgebung e.V." (SKIB), "Frauenrechte ANS.Justice e.V.", "Änis BenHatira Help e.V."/"Änis BenHatira Foundation", "Ummashop", "Helpstore Secondhand UG" sowie "Better World Appeal e.V.". Im Rahmen des vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens hatten bereits im April 2019 umfangreiche Durchsuchungsmaßnahmen statt gefunden. Infolgedessen bestätigte sich der Verdacht, dass die Vereinigung einschließlich ihrer Teilorganisationen Zwecke und Tätigkeiten verfolgte, die den Strafgesetzen zuwiderliefen 202 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS und sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung sowie die verfassungsmäßige Ordnung richteten. "Ansaar Internatio nal e.V." nutzte ein Geflecht aus Vereinen sowie Einzelpersonen, um Spenden zu generieren. Entgegen eigener Angaben verwen dete sie diese nicht nur für humanitäre Zwecke, sondern insbe sondere zur Unterstützung terroristischer Organisationen wie "Jabhat alNusra" (JaN), HAMAS sowie "alShabab". " Am 24. Juni 2021 verabschiedete der Deutsche Bundestag eine Erweiterung der SSSS 86 und 86a Strafgesetzbuch, die ein Verbot von Propagandamitteln und Kennzeichen von auf der "EUTer rorliste" stehenden Organisationen zum Inhalt hat. Durch das Verbot soll zukünftig das öffentliche Zeigen von Flaggen und anderen Symbolen dieser Organisationen verhindert werden. Hierunter fallen unter anderem die HAMAS und ihr militäri scher Flügel, die "IzzalDinalQassamBrigaden". Zuvor war in Deutschland das Zeigen von Kennzeichen einer extremisti schen Personenvereinigung nur dann strafbar, wenn entweder die Symbole für sich genommen volksverhetzende Aussagen enthielten oder die Personenvereinigung rechtskräftig verbo ten beziehungsweise vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) für verfassungswidrig erklärt worden war. 2. Gerichtsurteile " Am 24. Februar 2021 verurteilte das Oberlandesgericht (OLG) Celle (Niedersachsen) mehrere Personen im "AbuWalaa Prozess" zu langjährigen Haftstrafen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Verurteilten den IS in einem überregio nalen salafistischjihadistischen Netzwerk unterstützt haben. Es handelte sich um das bislang umfangreichste Staatsschutz verfahren gegen die islamistische Szene in Deutschland. Der Hauptangeklagte "Abu Walaa" wurde zu zehn Jahren und sechs Monaten Haft wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland und der Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat sowie Terrorismusfinanzierung verurteilt. Drei Mitangeklagte erhielten Haftstrafen von bis zu acht Jahren. "Abu Walaa" hat te direkten Kontakt zu Entscheidungsträgern des IS in dessen Herrschaftsgebiet und konnte von Deutschland aus auf Ent scheidungsprozesse der Vereinigung Einfluss nehmen. " Am 21. Mai 2021 verurteilte das OLG Dresden (Sachsen) einen syrischen Staatsangehörigen wegen Mordes in Tateinheit mit 203 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS versuchtem Mord und mit gefährlicher Körperverletzung zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Verurteilte am 4. Oktober 2020 in der Dresdener Alt stadt zwei Männer, die er zuvor als homosexuell identifiziert hatte, heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen mit zwei Messern angegriffen und jeweils in den Rücken gestochen hat. Einer der Männer erlag kurze Zeit später seinen Verletzungen. Nach der Tat konnte der Verurteilte zunächst flüchten. Im Rah men der Tatortarbeit konnte am 20. Oktober 2020 anhand von DNASpuren die Identität des Täters festgestellt werden, was noch am selben Tag zu seiner Festnahme führte. " Am 4. Juni 2021 verurteilte das Kammergericht (KG) Berlin zwei irakische Staatsangehörige, Vater und Sohn, unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland und wegen Kriegsverbrechen gegen Personen in Tat einheit mit Mord beziehungsweise der Beihilfe zum Mord. Ge gen den Vater wurde eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt, sein Sohn wurde zu einer Jugendstrafe von insgesamt fünf Jah ren und zehn Monaten verurteilt. Das Gericht sah es als erwie sen an, dass beide im Oktober 2014 im Irak an der öffentlichen Hinrichtung eines Gefangenen im Namen des IS teilgenommen hatten. " Am 23. Juli 2021 verurteilte das OLG München (Bayern) einen deutschen Staatsangehörigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten. Das Gericht befand ihn des versuchten Mordes in 26 Fällen in Tateinheit mit gefährli cher Körperverletzung in vier Fällen, vorsätzlicher Brandstif tung, schwerer Brandstiftung sowie versuchter Brandstiftung mit Todesfolge in Tatmehrheit mit der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat sowie weiterer Delik te für schuldig. Der Verurteilte hatte Anschläge auf mehrere von türkeistämmigen Personen geführte Geschäfte sowie auf eine Moschee in Waldkraiburg (Bayern) verübt. Das Gericht verhängte die Unterbringung des Täters in der geschlossenen Psychiatrie. Nach den Feststellungen des Vorsitzenden Rich ters seien sowohl die Schizophrenie als auch die islamistisch jihadistische Ideologie des Verurteilten mitursächlich für die verübten Anschläge gewesen. " Am 25. Oktober 2021 verurteilte das OLG München (Bayern) eine deutsche Staatsangehörige unter anderem wegen Mit gliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland, wegen Beihilfe zum versuchten Mord durch Unterlassen und 204 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren. Nach Feststellung des Gerichts befanden sich seit Mitte 2015 eine jesidische Frau und ihre fünfjährige Tochter, die zuvor vom IS versklavt worden waren, im Haushalt der Angeklagten und ihres damaligen Ehe mannes nach islamischem Ritus im Irak. Die Verurteilte und ihr Ehemann hatten sich zuvor vor Ort der Terrororganisation IS angeschlossen. Im August 2015 wurde das Mädchen vom Ehemann zur Bestrafung für Bettnässen in der Mittagshitze an einem Außengitter des Innenhofs festgebunden, wo es in der Folge verdurstete. Nach Ansicht des Senats hat sich die Verur teilte nicht um die Rettung des Kindes bemüht, obwohl sie die lebensbedrohliche Situation erkannt haben musste. In einem getrennten Verfahren verurteilte am 30. November 2021 das OLG Frankfurt am Main (Hessen) den früheren Ehe mann unter anderem wegen Völkermords in Tateinheit mit einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit mit Todesfolge sowie einem Kriegsverbrechen gegen Personen mit Todes folge zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass das ehemalige ISMitglied mit irakischer Staatsangehörigkeit für den Tod des fünfjährigen Mädchens verantwortlich ist. Für die Entscheidung des Gerichts war es zentral, dass der Angeklagte mit der für den Straftatbestand des Völkermords vorausgesetzten Zerstörungsabsicht bezogen auf die religiöse Minderheit der Jesiden handelte. " Am 26. November 2021 verurteilte das OLG Düsseldorf (Nord rheinWestfalen) einen deutschen Staatsangehörigen zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er sich des Mordes in Tateinheit mit Kriegsverbrechen gegen Personen und mitgliedschaftlicher Beteiligung an der terroristischen Vereinigung IS schuldig gemacht hat. Der Verur teilte beteiligte sich nach Feststellung des Gerichts im Jahr 2014 als Wärter in einem Gefängnis des IS in Syrien an der Bestra fung eines Gefangenen, die tödlich endete. Der Islamist war be reits am 4. März 2016 wegen Mitgliedschaft in einer terroristi schen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Die bereits ver büßte Haftstrafe wurde auf die erneute Haftstrafe angerechnet. 205 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS VIII. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 1. "Islamischer Staat" (IS) Gründung: Ende 2003 als "al-Qaida im Irak", seit Mitte 2014 "Islamischer Staat" Leitung: Abu Ibrahim al-Hashimi al-Qurashi66 Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Publikationen/Medien: "al-Naba" (arabischsprachiges Onlinemagazin, erscheint wöchentlich) "Amaq" (Nachrichtenagentur) "al-Furqan" (Hauptmedienstelle für Veröffentlichungen der IS-Führungsebene) Betätigungsverbot: Verbotsverfügung des Bundesministers des Innern vom 12. September 2014 Im Verlauf des Jahres 2013 nahm der "Islamische Staat" (IS) eine zentrale Rolle im syrischen Bürgerkrieg ein und eroberte Anfang 2014 auch Gebiete im Nordirak. Am 29. Juni 2014 rief der damalige IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi das "Kalifat" aus. Seitdem wurden zahlreiche Anschläge im Namen des IS begangen, auch in Deutschland. Nach der militärischen Zerschlagung im Laufe des Jahres 2019 konnte sich der IS als ehemals quasistaatlicher Akteur in Syrien und im Irak im Untergrund konsolidieren. Regionalorganisationen des IS sind in vielen Teilen der Welt vertreten; sie formierten sich unter anderem im Mittleren Osten, in Südund Südostasien sowie vor allem in Afrika. Von durch den IS inspirierten Einzeltätern und Kleinstgruppen geht eine hohe terroristische Gefahr sowohl in islamischen Ländern als auch im Westen aus. Strukturen der Gruppierung in Deutschland sind - abseits von lose vernetzten Anhängern - nicht bekannt. 66 Abu Ibrahim alHashimi alQurashi wurde im Februar 2022 bei einem USMilitär einsatz getötet. Im März 2022 wurde Abu alHasan alHashimi alQurashi als Nach folger benannt. 206 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 2. Kern-"al-Qaida" Gründung: Mitte der 1980er-Jahre Leitung: Aiman al-Zawahiri Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Publikationen/Medien: "as-Sahab" (Medienstelle) "Thabat News Agency" (Medienstelle) "Ummah Wahida" (Onlinemagazin) "Ibnat al-Islam" (Onlinemagazin) "Thabat" (Onlinemagazin) Die von Usama Bin Ladin gegründete "al-Qaida" strebt ein islamistisches Regime zumindest in den mehrheitlich von Muslimen bewohnten Ländern und darauf aufbauend eine globale Ausdehnung an. Ihr Kampf gilt sowohl dem "äußeren Feind" (dem westlichen Einfluss, insbesondere den USA und Israel) als auch dem "inneren Feind" (den sogenannten unislamischen Regierungen im Nahen und Mittleren Osten sowie in Nordafrika). "Al-Qaida" versteht sich dabei als Avantgarde einer internationalen jihadistischen Bewegung. Erklärtes Ziel von "al-Qaida" sind nach wie vor komplexe, medienwirksame Anschläge. Daneben sind Einzeltäter oder Kleinstgruppen dazu aufgerufen, Anschläge ohne Absprache und formale Anbindung an die Organisation durchzuführen. "Al-Qaida" und der IS konkurrieren um Einfluss und Deutungshoheit bei Jihadisten weltweit. Strukturen der Gruppierung in Deutschland sind - abseits von lose vernetzten Anhängern - nicht bekannt. 207 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 3. "Al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM) Gründung: September 2006: Beitritt der algerischen "Salafistischen Gruppe für Predigt und Kampf" ("Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat" - GSPC) zu "al-Qaida", anschließende Umbenennung im Januar 2007 in "al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM) Leitung: Yazid Mebrak alias Youssef Abu Ubaydah al-Annabi Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Publikationen/Medien: "al-Andalus" (Medienstelle) "al-Zallaqa" (Medienstelle) Der vor 2007 als "Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf" (GSPC) bekannte "al-Qaida"-Ableger "al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM) ist eine überregional in Tunesien, Algerien, Marokko, Libyen, Mauretanien, Mali und Niger aktive Organisation mit zum Teil global-jihadistischen Ansprüchen. In Mali agiert sie gemeinsam mit weiteren kleinen, regional-ethnisch geprägten jihadistischen Gruppierungen und mit sympathisierenden Tuareg-Stämmen der Region, seit März 2017 unter der einheitlichen Bezeichnung "Jama'at Nasr al-Islam wal Muslimin" (JNIM; vgl. Nr. 4). Der Tod des Gründers und langjährigen Anführers Abdelmalik Droukdal im Juni 2020 wirkt bis heute nach. Derzeit gilt die Organisation als personell und organisatorisch stark geschwächt. Strukturen der Gruppierung in Deutschland sind nicht bekannt. 208 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 4. "Jama'at Nasr al-Islam wal Muslimin" (JNIM)67 Gründung: März 2017 als Zusammenschluss von AQM-Strukturen mit Tuareg-Stämmen der Sahara und Sahelzone Anmerkung: Shahada-Flagge, wird Leitung: Iyad Ag Ghaly oft von Gruppierungen verwendet, die "al-Qaida" Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen zugehörig sind. Die Shahada in Deutschland: ist das islamische Glaubensbekenntnis. Die aus verschiedenen kleineren Gruppierungen formierte Vereinigung unter Führung des Tuareg-Anführers Iyad Ag Ghaly unterstellte sich noch im Gründungsjahr formal der "al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM) und leistete gegenüber Kern-"al-Qaida" den Treueeid. Die Gruppierung unternimmt zunehmend komplexe Angriffe gegen die gemeinsamen Truppen der G5-Sahelstaaten68 sowie Angehörige der Friedensmission der Vereinten Nationen69. Die Bundeswehr beteiligt sich vorerst bis zum 31. Mai 2022 an dieser Mission, die die European Union Training Mission Mali (EUTM Mali) ergänzt. Strukturen der JNIM in Deutschland sind nicht bekannt. 67 Arabisch für "Gruppe für die Unterstützung des Islam und der Muslime". 68 G5Sahelstaaten: Mali, Niger, Burkina Faso, Mauretanien und Tschad. 69 Multidimensionale Integrierte Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali; auf Französisch: Mission multidimensionnelle integree des Nations Unies pour la stabilisation au Mali (MINUSMA). 209 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 5. "Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAH) Gründung: Januar 2009 Leitung/Vorsitz: Khalid al-Batarfi Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Publikationen/Medien: "al-Malahem Media" (Medienstelle) Anmerkung: Verschiedene jihadistische Organisationen Ziel der "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAH) ist die Erbenutzen häufig dasselbe Logo; vgl. Logo IS. richtung eines islamistischen Staates auf der Arabischen Halbinsel. AQAH hat seitdem ihre operative Handlungsfähigkeit durch Anschläge und Anschlagsversuche unter Beweis gestellt. Ziele waren unter anderem der internationale Luftverkehr und staatliche Einrichtungen auf der Arabischen Halbinsel. Der weiter andauernde Krieg im Jemen, an dem auch ausländische Militärkräfte beteiligt sind, verschafft der AQAH geeignete Voraussetzungen für ihre terroristischen Aktivitäten. Laut AQAH ist der kämpferische Jihad der einzig legitime und realistische Weg, die "Besatzungskräfte" zu vertreiben und die Rechte der Muslime wiederzuerlangen. Die AQAH hält somit an ihrer global-jihadistischen Orientierung fest. Strukturen der Gruppierung in Deutschland sind nicht bekannt. 210 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 6. "Al-Shabab"70 Gründung: 2006 in Somalia Leitung: Ahmad Umar alias Abu Ubaidah Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Publikationen/Medien: "al-Kataib" (Medienstelle) "Al-Shabab" bekämpfte zunächst die bis 2009 in Somalia stationierten äthiopischen Truppen sowie die damalige somalische Übergangsregierung. Im Anschluss richtete sie ihre terroristischen Aktivitäten auch gegen die im Jahr 2012 eingesetzte offizielle Regierung in Somalia. Im Jahr 2012 wurde "al-Shabab" von Kern-"al-Qaida" als regionaler Ableger in Ostafrika anerkannt. "Al-Shabab" verübt Überfälle und Anschläge auf polizeiliche, militärische und von westlichen Personen frequentierte Einrichtungen. Daneben werden staatliche und wirtschaftliche Akteure gewaltsam dazu gebracht, ihre Aktivitäten einzustellen oder aber "al-Shabab" zu unterstützen, zum Beispiel durch Zahlung von Schutzgeldern. Die Jihadisten kontrollieren derzeit weite Teile Südsomalias und verüben Anschläge auch in anderen Staaten Ostund Zentralafrikas. Strukturen des "Islamischen Staates" (IS) in Somalia werden durch "al-Shabab" systematisch bekämpft. Strukturen der Gruppierung in Deutschland sind nicht bekannt. 70 Vollständige Bezeichnung: "Harakat alShabab alMujahidin". Arabisch für "Bewe gung der MujahidinJugend". 211 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 7. "Hai'at Tahrir al-Sham" (HTS)71 Gründung: Ende 2011 als "Jabhat al-Nusra" (JaN)72, Ende Juli 2016 Umbenennung in "Jabhat Fath al-Sham" (JFS)73, Ende Januar 2017 aufgegangen in "Hai'at Tahrir al-Sham" (HTS) Leitung: Abu Muhammad al-Jaulani Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Publikationen/Medien: "IBAA" (Nachrichtenagentur seit Juni 2021 nicht mehr aktiv) "AMJAD" (Medienstelle, liefert seit Juni 2021 Berichte über Kampfhandlungen) Die ursprünglich "al-Qaida"-nahe Organisation "Hai'at Tahrir al-Sham" (HTS) strebt die Errichtung eines islamistischen Staatswesens in "Großsyrien" an. Der regionale Schwerpunkt der Gruppierung liegt momentan im nordwestlichen Teil Syriens in der Region um Aleppo und Idlib. Seit dem Jahr 2017 emanzipiert sich die HTS zunehmend von Kern-"al-Qaida". Sie strebt an, in Syrien als unabhängiger lokaler Akteur ohne erkennbaren Einfluss einer Terrororganisation wie "al-Qaida" zu gelten. So übt sie die Herrschaft in dem von ihr kontrollierten Gebiet durch nach außen formal unabhängige Strukturen aus, die faktisch der HTS unterstellt sind. Strukturen der Gruppierung in Deutschland sind nicht bekannt. 71 Arabisch für "Komitee zur Befreiung Großsyriens". 72 Arabisch für "Unterstützungsfront". 73 Arabisch für "Front zur Eroberung Großsyriens". 212 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 8. "Tanzim Hurras al-Din" (THD)74 Gründung: Anfang 2018 Leitung: Samir Hijazi alias Faruq al-Suri alias Abu Hammam al-Shami Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Publikationen/Medien: "Sham al-Ribat" (Medienstelle) "Tanzim Hurras al-Din" (THD) ist der Zusammenschluss mehrerer Kern-"al-Qaida" nahestehender Gruppierungen und Einzelpersonen in der nordsyrischen Provinz Idlib. Ziele sind die "Befreiung" Syriens von der Assad-Regierung und die Errichtung eines islamistischen Staatswesens. Die Organisation muss immer wieder den Verlust von Führungskräften hinnehmen, zuletzt im September 2021, als der militärische Befehlshaber der Gruppierung getötet wurde. Strukturen der Gruppierung in Deutschland sind nicht bekannt. 74 Arabisch für "Organisation der Wächter der Religion". 213 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 9. "Taleban" Gründung: Mitte der 1990er-Jahre Leitung: Haibatullah Akhundzadah Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Publikationen/Medien: "al-Somood" (Onlinemagazin) Die "Taleban" sind eine islamistische Kampftruppe und Terrororganisation. In der Zeit von 1996 bis Oktober 2001 übten sie die Kontrolle über weite Teile Afghanistans aus. Sie sicherten ihre Herrschaft auch durch eine extremistische Auslegung der Scharia. Nach den von "al-Qaida" aus Afghanistan heraus geplanten terroristischen Anschlägen in den USA am 11. September 2001 verloren die "Taleban" im Oktober 2001 durch eine US-geführte Militärintervention große Teile ihrer Machtstrukturen. Der Abzug der internationalen Streitkräfte aus Afghanistan mündete am 15. August 2021 in der Einnahme Kabuls und der Verkündung der Machtübernahme der "Taleban". Bislang verfolgen die "Taleban" eine auf Afghanistan begrenzte Agenda und haben angekündigt, Aktivitäten global-jihadistischer Organisationen wie "al-Qaida" oder des "Islamischen Staates" (IS) in Afghanistan nicht zu dulden. Die IS-Regionalorganisation "Islamischer Staat - Provinz Khorasan" (ISPK) führt terroristische Anschläge in Afghanistan durch und wird von den "Taleban" bekämpft. Strukturen der "Taleban" in Deutschland sind nicht bekannt. 214 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 10. "Hezb-e Islami-ye Afghanistan" (HIA)75 Gründung: Mitte der 1970er-Jahre im pakistanischen Exil Leitung: Gulbuddin Hekmatyar Mitglieder/Anhänger 160 (2020: 160) in Deutschland: Die sunnitische "Hezb-e Islami-ye Afghanistan" (HIA) ist eine der ältesten islamistischen Gruppierungen Afghanistans. Auch aufgrund von ideologischen Gemeinsamkeiten kam es in den vergangenen Jahren zu einer Annäherung zwischen der HIA und den "Taleban", die in Verhandlungen über die Zusammenarbeit in einer möglichen neuen afghanischen Regierung mündeten. Nach der Machtübernahme durch die "Taleban" besteht die HIA in Afghanistan formell weiter, ist aber nicht an der aktuellen Regierung beteiligt. In Deutschland gibt es mehrere, überwiegend von HIA-Anhängern frequentierte Moscheegemeinden, insbesondere in Frankfurt am Main (Hessen) und Hamburg. Die Gemeinden und Führungspersonen der HIA in Deutschland haben enge Kontakte zur Führung der HIA in Afghanistan. 75 Dari für "Islamische Partei Afghanistans". 215 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 11. "Hizb Allah"76 Gründung: 1982 im Libanon Sitz: Beirut (Libanon) Leitung: Generalsekretär Hassan Nasrallah, Funktionärsgruppe Mitglieder/Anhänger 1.250 (2020: 1.250) in Deutschland: Publikationen/Medien: "al-Ahed al-Akhbari" (Onlinemagazin) "al-Manar TV" (TV-Sender) Betätigungsverbot Verbotsverfügung des Bundesministers gegen "al-Manar TV": des Innern vom 29. Oktober 2008 Vereinsverbot gegen Verbotsverfügung des Bundesministers "Waisenkinderprojekt des Innern vom 2. April 2014 Libanon e.V." (WKP)77: Betätigungsverbot Verbotsverfügung des Bundesministers gegen die "Hizb Allah" des Innern, für Bau und Heimat vom in Deutschland: 26. März 2020 Vereinsverbote gegen Verbotsverfügung des Bundesministers Ersatzorganisationen des Innern, für Bau und Heimat vom des WKP: "Deutsche 15. April 202178 Libanesische Familie e.V." (DLF), "Menschen für Menschen e.V." und "Gib Frieden e.V.": 76 Arabisch für "Partei Gottes". 77 In der Mitgliederversammlung des WKP am 22. Februar 2014 wurde die Namensän derung in "Farben für Waisenkinder e.V." (FfW) beschlossen und am 6. Oktober 2014 an das zuständige Amtsgericht überstellt. Die Eintragung erfolgte am 16. Oktober 2014. 78 Gegen das Verbot als Ersatzorganisation des WKP hat der Verein "Deutsche Libane sische Familie e.V." (DLF) Klage beim BVerwG eingereicht. 216 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Die schiitisch-islamistische "Hizb Allah" bestreitet das Existenzrecht Israels. Sie propagiert den bewaffneten, auch mit terroristischen Mitteln geführten Kampf gegen Israel als "unrechtmäßigen Besatzer palästinensischen Bodens", der als "legitimer Widerstand" bezeichnet wird. Es muss damit gerechnet werden, dass die "Hizb Allah" auch außerhalb des Nahen Ostens weiterhin terroristische Aktionen gegen Israel oder israelische Interessen plant. Die "Hizb Allah" verfolgt daneben ihre politische Agenda als Regierungspartei im Libanon. In Deutschland pflegen die Anhänger der "Hizb Allah" den organisatorischen und ideologischen Zusammenhalt unter anderem in örtlichen Moscheevereinen, die sich in erster Linie durch Spenden finanzieren. Das BVerwG hat mit Urteil vom 16. November 2015 seine ständige Rechtsprechung zur HAMAS (vgl. Nr. 12) auf die "Hizb Allah" übertragen. Danach richtet sich diese insgesamt gegen den Gedanken der Völkerverständigung, unabhängig davon, ob sie im Einzelfall als politische, soziale oder terroristische Struktur in Erscheinung tritt. Die "Hizb Allah" stellt das Existenzrecht des Staates Israel offen infrage und ruft zu dessen gewaltsamer Beseitigung auf. Diese Einschätzung wurde in der Verbotsverfügung vom 26. März 2020 bestätigt. Zuletzt wurden am 15. April 2021 die Ersatzorganisationen des 2014 verbotenen Vereins "Waisenkinderprojekt Libanon e.V." (WKP) verboten. WKP hatte seinerzeit Spenden in Deutschland gesammelt und diese der "Shahid-Stiftung" im Libanon zukommen lassen, die der "Hizb Allah" zugehörig ist. 217 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 12. HAMAS79 Gründung: Ende 1987 aus dem palästinensischen Zweig der "Muslimbruderschaft" (MB) Sitz: Palästinensische Autonomiegebiete, Gazastreifen Leitung: Isma'il Haniya Mitglieder/Anhänger 450 (2020: 450) in Deutschland: Publikationen/Medien: "al-Aqsa TV" (TV-Sender) Vereinsverbot gegen Verbotsverfügung des Bundesministers "al-Aqsa e.V.": des Innern vom 31. Juli 2002 Vereinsverbot gegen Verbotsverfügung des Bundesministers "YATIM-Kinderhilfe e.V.": des Innern vom 30. August 2005 Erweiterung der SSSS 86, Die Verwendung von Kennzeichen 86a Strafgesetzbuch der HAMAS ist nach der im Jahr 2021 (StGB): erfolgten Erweiterung der SSSS 86, 86a StGB strafbar. 79 Abkürzung für "Harakat alMuqawama alIslamiya" - "Islamische Widerstandsbe wegung". Das arabische Wort HAMAS bedeutet übersetzt "Begeisterung, Eifer". 218 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Ziel der HAMAS ist die Errichtung eines islamistischen Staates auf dem gesamten Gebiet "Palästinas" - auch durch bewaffneten Kampf. So heißt es in einem im Jahr 2017 verfassten Strategiepapier: "Der Widerstand gegen die Besatzung mit allen Mitteln und Wegen ist ein legitimes Recht, das durch göttliche Gesetze und internationale Normen und Gesetze garantiert wird. Im Kern davon liegt der bewaffnete Widerstand (...)." Unter "Palästina" versteht die HAMAS das Gebiet zwischen Mittelmeer und Jordan, was damit auch das Territorium des Staates Israel einschließt. Westliche Staaten wie Deutschland werden von der HAMAS als Rückzugsraum betrachtet, in dem die Organisation sich darauf konzentriert, Spenden zu sammeln, neue Anhänger zu rekrutieren und ihre Propaganda zu verbreiten. Seit dem Jahr 2001 werden die "Izz-al-Din-al-Qassam-Brigaden" als militärischer Flügel der HAMAS als Terrororganisation auf der sogenannten EU-Terrorliste geführt, seit dem Jahr 2003 die HAMAS insgesamt. Das Bundesverwaltungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass die HAMAS sich insgesamt gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, unabhängig davon, ob sie im Einzelfall als politische, soziale oder terroristische Struktur in Erscheinung tritt. Am 24. Juni 2021 verabschiedete der Deutsche Bundestag eine Erweiterung der SSSS 86 und 86a Strafgesetzbuch ("Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen" und "Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen"), die ein Verbot von Propagandamitteln von auf der "EU-Terrorliste" stehenden Organisationen zum Inhalt hat. Durch dieses Verbot soll zukünftig das öffentliche Zeigen von Flaggen und anderen Symbolen dieser Organisationen verhindert werden. 219 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 13. "Türkische Hizbullah" (TH) Gründung: 1979 in Batman (Türkei) Leitung: Edip Gümüs (Führer), Funktionärsgruppe Mitglieder/Anhänger 400 (2020: 400) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Hurseda" (Onlinemagazin) "Huseynisevda" (Onlinemagazin) "INZAR" (Zeitung/Zeitschrift) "Dogru Haber" (Zeitung/Zeitschrift) Seit dem Jahr 2000 gilt die "Türkische Hizbullah" (TH) in der Türkei als terroristische Vereinigung. Hauptziel der sunnitischen, kurdisch dominierten TH ist die Errichtung eines islamistischen Staates auf dem Gebiet der Türkei und dessen kontinuierliche, letztlich globale Ausweitung. Zur Durchsetzung ihrer Ziele hält die TH die Anwendung von Gewalt für gerechtfertigt. Weitere Kernpunkte der Ideologie sind ein ausgeprägter Antisemitismus und Antizionismus, die sich auch in den der TH zuzurechnenden Publikationen widerspiegeln. Die Anhänger der TH in Deutschland organisieren sich in lokalen Vereinen und Moscheen. Ein offenes Bekenntnis zur TH wird vermieden. In Deutschland konzentriert sich die TH vorwiegend auf Spendensammelkampagnen und religiöse Veranstaltungen. 220 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 14. "Hizb ut-Tahrir"80 (HuT) Gründung: 1953 in Jerusalem (Israel) Leitung: Ata Abu al-Rashta alias Abu Yasin Mitglieder/Anhänger 700 (2020: 600) in Deutschland: Publikationen/Medien: Zeitungen/Zeitschriften: "al-Khilafa" "Hilafet" "Köklü Degisim" "al-Waie" "Expliciet" Betätigungsverbot: Verbotsverfügung des Bundesministers des Innern vom 10. Januar 2003 Ziel der panislamisch ausgerichteten "Hizb ut-Tahrir" (HuT) ist die "Befreiung" aller Muslime von "Unterdrückung" und ihre Vereinigung in einem weltweiten Kalifat. Aus Sicht der HuT haben "unterdrückte" Muslime das Recht auf "Selbstverteidigung" mit allen Mitteln. Als Konsequenz werden Gewalttaten anderer islamistischer Gruppierungen oftmals gebilligt. Ein weiteres Charakteristikum der HuT ist ein ausgeprägter Antisemitismus. In Deutschland agitiert die HuT wegen des Betätigungsverbots im Untergrund und rekrutiert dort neue Mitglieder. Insbesondere in den sozialen Netzwerken gibt es zahlreiche Gruppierungen mit ideologischer Nähe zur HuT, beispielsweise "Realität Islam", "Generation Islam" und "Muslim Interaktiv". Mit Videos und Textbeiträgen erreichen sie Zehntausende Interessenten und nutzen ihren Bekanntheitsgrad auch für Mobilisierungszwecke in der realen Welt. So machte "Muslim Interaktiv" mit einer antiisraelischen Demonstration am 28. Mai 2021 in Hamburg auf sich aufmerksam. Die von ihnen besetzten Themen spielen im Rekrutierungsprozess islamistischer Organisationen eine wichtige Rolle und bereiten den Nährboden für eine Radikalisierung junger Muslime. 80 Arabisch für "Partei der Befreiung". 221 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 15. "Muslimbruderschaft"81 (MB) Gründung: 1928 in Ägypten Leitung/Vorsitz: Muhammad Badi Mitglieder/Anhänger 1.45082 (2020: 1.450) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Risalat al-Ikhwan" (Zeitschrift) "Watan TV" (TV-Sender) Die "Muslimbruderschaft" (MB) gilt als älteste und einflussreichste sunnitische, islamistische Bewegung. Sie ist eigenen Angaben zufolge in mehr als 70 Ländern in unterschiedlicher Ausprägung vertreten. Ziel der MB, die noch heute von der Ideologie ihres Gründers Hasan al-Banna geprägt wird, ist die Errichtung eines politischen und gesellschaftlichen Systems auf der Grundlage von Koran und Sunna. Zahlreiche islamistische, zum Teil auch terroristische Organisationen wie die palästinensische HAMAS oder die ägyptische "al-Gama'a al-Islamiya" sind aus der MB hervorgegangen. Die MB selbst postuliert seit den 1970er-Jahren zwar den Verzicht von Gewalt, davon ausgenommen ist jedoch der Widerstand gegen "Besatzer", worunter die MB vor allem Israel versteht. Im Zuge des sogenannten Arabischen Frühlings stellte die MB von 2012 bis 2013 in ihrem Gründungsland Ägypten die stärkste Fraktion im Parlament und mit Mohammed Mursi den Staatspräsidenten. In dieser Zeit zeigte sich, dass die Muslimbrüder demokratische Wahlen lediglich als Sprungbrett nutzen wollten, um ihre Vorstellung eines islamistisch geprägten politischen Systems durchzusetzen. Nach der Übernahme der Staatsgewalt durch das Militär unter dem jetzigen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi im Juli 2013 wurde die MB in Ägypten verboten und als Terrororganisation eingestuft. 81 Deutsch für "alIkhwan alMuslimun". 82 Einschließlich 400 Mitglieder der "Deutschen Muslimischen Gemeinschaft e.V." (DMG; vgl. Nr. 15.1). 222 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 15.1 "Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V." (DMG) Gründung: 1958 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: Khallad Swaid Mitglieder in 400 (2020: 400) Deutschland: Die "Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V." (DMG), bis zu ihrer Umbenennung im September 2018 "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD), ist die wichtigste und zentrale Organisation von Anhängern der "Muslimbruderschaft" (MB) in Deutschland. Ziel der DMG ist es unter anderem, gegenüber Politik, Behörden und zivilgesellschaftlichen Partnern als Ansprechpartnerin eines vorgeblich gemäßigten, weltoffenen Islam in Erscheinung zu treten. Sie verfolgt eine an der MB-Ideologie ausgerichtete Strategie der Einflussnahme im politischen und gesellschaftlichen Bereich. Bei öffentlichen Auftritten werden Bekenntnisse zur MB und verfassungsfeindliche Äußerungen vermieden. Zahlreiche Verbindungen zwischen hochrangigen DMG-Funktionären und namhaften ausländischen Muslimbrüdern verdeutlichen jedoch die Zugehörigkeit der Organisation zum weltweiten MB-Netzwerk. Die DMG unterhält eigene Moscheen und Gemeindezentren und koordiniert darüber hinaus nach eigenen Angaben ihre Aktivitäten mit mehr als 100 weiteren islamischen Gemeinden in ganz Deutschland. 223 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 16. "Tablighi Jama'at"83 (TJ) Gründung: 1926 in Britisch-Indien Leitung: keine gesicherten Informationen (Umbruchphase) Mitglieder/Anhänger 550 (2020: 650) in Deutschland: Exakte Anhängerzahlen der transnationalen Missionierungsbewegung "Tablighi Jama'at" (TJ) sind nicht bekannt; vermutlich liegt die Zahl der TJ-Anhänger weltweit im mittleren zweistelligen Millionenbereich. Die TJ orientiert sich eng an dem Islamverständnis der islamischen Frühzeit. Langfristiges Ziel ist es, der Scharia zu universeller Geltung zu verhelfen. Die Ablehnung säkularer Prinzipien und die Abgrenzung gegenüber Nichtmuslimen können die Bildung abgeschotteter Parallelgesellschaften zur Folge haben und individuelle Radikalisierungsprozesse zumindest begünstigen. Die Aktivitäten der TJ in Deutschland werden über informelle Kontakte in einem hierarchisch aufgebauten Netzwerk herausragender Akteure koordiniert. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Werbung neuer Anhänger unter Muslimen und der Durchführung von "Missionierungsreisen" im Inund Ausland. Im Jahr 2017 entbrannte in der Führungsriege auf dem indischen Subkontinent ein offener Streit um die Einführung von Reformen. Die in der Folge einsetzenden Spaltungstendenzen zwischen Gegnern und Befürwortern der Neuerungen haben sich weiter verfestigt und zum Teil zu schweren Konflikten innerhalb der internationalen TJ-Zentren geführt. 83 Urdu für "Gemeinschaft der Verkündigung und Mission". 224 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 17. "Islamisches Zentrum Hamburg e.V." (IZH) und sonstiger schiitischer Extremismus Gründung: 1962 Sitz: Hamburg Leitung/Vorsitz: Mohammad Hadi Mofatteh Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Publikationen/Medien: "al-Fadschr" (Zeitschrift, vierteljährlich) "SALAM! Zeitschrift für junge Muslime" (Zeitschrift, vierteljährlich) Das "Islamische Zentrum Hamburg e.V." (IZH) ist neben der Botschaft die wichtigste Vertretung der Islamischen Republik Iran in Deutschland. Die Aktivitäten des IZH, das Träger der "Imam-AliMoschee" mit Sitz in Hamburg ist, sind darauf ausgerichtet, die islamische Lehre schiitisch-iranischer Prägung in Deutschland und Europa zu verbreiten. Hierfür organisiert das IZH unter anderem regelmäßige Gebetsund Vortragsveranstaltungen, religiöse Feiern sowie Sprachunterricht und andere Lehrveranstaltungen. Das IZH hat ein bundesweites Kontaktnetz innerhalb der zahlreichen schiitisch-islamischen Moscheen und Vereine aufgebaut und übt auf diese großen Einfluss bis hin zur vollständigen Kontrolle aus. Als wichtiges Element für die Steuerung der Interessen des IZH dient der schiitische Dachverband "Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands e.V." (IGS). Innerhalb schiitisch-extremistischer Kreise ist häufig eine deutliche antisemitische und antiisraelische Grundeinstellung feststellbar, die auch in verschiedenen Medienkanälen propagiert wird. 225 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 18. "Milli Görüs"-Bewegung und ihr zugeordnete Vereinigungen Die "Milli Görüs"-Bewegung besteht aus mehreren Vereinigungen, die von einer gemeinsamen ideologisch-religiösen Ausrichtung und der ideellen Bindung an den türkischen Politiker Necmettin Erbakan zusammengehalten werden. Obgleich alle Vereinigungen selbstständig und unabhängig voneinander agieren, ist die "Milli Görüs"-Ideologie - wenn auch in unterschiedlich starker Ausprägung - das verbindende Element. Die von Erbakan geprägten Schlüsselbegriffe seines politischen Denkens sind "Milli Görüs" ("Nationale Sicht") und "Adil Düzen" ("Gerechte Ordnung"). "Gerecht" sind im Sinne Erbakans die Ordnungen, die auf "göttlicher Offenbarung" gegründet, "nichtig" jene, die von Menschen entworfen wurden. Gegenwärtig dominiere mit der westlichen Zivilisation eine "nichtige", auf Gewalt, Unrecht und Ausbeutung der Schwachen basierende Ordnung. Dieses "nichtige" System müsse durch eine "Gerechte Ordnung" ersetzt werden, die sich ausschließlich an islamischen Grundsätzen ausrichte. Alle Muslime sollen an der Verwirklichung der "Gerechten Ordnung" mitwirken. Hierzu müssen sie eine bestimmte Haltung einnehmen und einen bestimmten Blick ("Görüs") auf die Welt gewinnen, nämlich einen nationalen/ religiösen ("Milli") Blick, einen "Milli Görüs". 226 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS "Ismail Aga Cemaati" (IAC) Die "Ismail Aga Cemaati" (IAC) ist der weitverzweigten mystischen Bruderschaft der Naqshbandiya zuzuordnen. Die IAC gilt allgemein als einer der radikaleren Zweige der Bruderschaft. Spirituelles Oberhaupt ist der in der Türkei lebende Scheich Mahmud Ustaosmanoglu, der seine Anhänger in der Vergangenheit immer wieder zur Unterstützung der "Milli Görüs"-Ideologie aufgefordert hat. Bis zu seiner Abschiebung in die Türkei am 23. Oktober 2015 prägte der Prediger Nusret Cayir die IAC in Deutschland. Seiner Auffassung zufolge gebe es niemanden außer der "Milli Görüs", der die Türkei "retten" könne. Seit Cayirs Ausreise in die Türkei werden seine Predigten für seine Anhänger via Internet live nach Deutschland übertragen. "SAADET Europa e.V." Die "Saadet Partisi" (SP), seit dem Jahr 2001 die politische Vertretung der "Milli Görüs"-Bewegung in der Türkei, hat im Jahr 2013 damit begonnen, auch außerhalb der Türkei Strukturen aufzubauen. Seit 2017 existiert unter der Bezeichnung "SAADET Europa e.V." ein in Köln angemeldeter Verein, der die Zentrale der in Deutschland und Europa bestehenden Regionalvertretungen der SP darstellt. Deren erklärte Ziele sind die Verbreitung der "Milli Görüs"Ideologie und die Unterstützung der Mutterpartei, zum Beispiel bei Wahlen in der Türkei. 227 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS "Europavertretung der Erbakan-Stiftung" Die "Erbakan-Stiftung" wurde 2013 in der Türkei gegründet. Der Vorsitzende ist der Sohn Necmettin Erbakans, Fatih Erbakan. Er erklärte, dass die Stiftung das Ziel habe, die Ideen seines Vaters wiederzubeleben. Ende 2013 wurde in Solingen (Nordrhein-Westfalen) unter Teilnahme von Fatih Erbakan die "Europavertretung der Erbakan-Stiftung" gegründet. Diese ist seitdem bemüht, lokale und regionale Strukturen auszubauen und junge Anhänger im Sinne der "Milli Görüs"-Ideologie zu prägen. "Milli Gazete" Als Sprachrohr der "Milli Görüs"-Bewegung bildet die formal unabhängige türkische Tageszeitung "Milli Gazete" ein wichtiges Bindeglied zwischen den einzelnen Komponenten der Bewegung und trägt zur Verfestigung der ideologischen Positionen bei. In Deutschland ist die Europa-Ausgabe der "Milli Gazete" erhältlich. "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) Die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) wurde im Jahr 1985 als "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V." gegründet. Extremismusbezüge der IGMG sind in den vergangenen Jahren schwächer geworden. Einer der Schwerpunkte der IGMGAktivitäten liegt im Bildungsbereich. Zwar versteht sich die IGMG vorrangig als religiöse Organisation, zugleich nimmt sie aber regelmäßig Stellung zu unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Themen. Die IGMG veröffentlicht neben einer Vielzahl von Broschüren unter anderem die Zeitschriften "Perspektif" (monatlich oder zweimonatlich) und "Camia" (zweiwöchentlich). 228 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 19. "Furkan Gemeinschaft" Gründung: 1994 in der Türkei Leitung: Alparslan Kuytul Mitglieder/Anhänger 400 (2020: 400) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Furkan Haber" (Nachrichtenportal) "TV Furkan" (Onlinefernsehsender) "Furkan Nesli Dergisi - Öncü Neslin Sesi" (Zeitschrift) Die "Furkan Stiftung für Bildung und Dienst"84 hat ihr Zentrum in der südtürkischen Stadt Adana. In Deutschland firmiert sie unter dem Namen "Furkan Gemeinschaft" und verfügt über Strukturen in Bayern, Berlin, Hamburg und Nordrhein-Westfalen. Die Organisation verfolgt das Ziel, eine "islamische Zivilisation" zu begründen, die durch das islamische Recht geprägt sein und sich ausschließlich an Koran und Sunna orientieren soll. Demokratie wird grundsätzlich abgelehnt. Dies findet seinen Ausdruck auch im Verbot der Teilnahme an Wahlen. Der Westen wird zum Feindbild erklärt und Israel das Existenzrecht abgesprochen. Ein Schwerpunkt der Aktivitäten der Organisation liegt in der Missionierungsarbeit unter Muslimen jedweder Herkunft. Zur Verbreitung ihrer Ideen nutzt die "Furkan Stiftung" verschiedene Websites, Profile und Kanäle in sozialen Netzwerken sowie eine eigene Onlinezeitschrift. Auch die Ableger der deutschen "Furkan Gemeinschaft" sind in sozialen Netzwerken vertreten. Neben der Gewinnung neuer Anhänger nutzt die "Furkan Gemeinschaft" das Internet, um Stellung zu politisch-gesellschaftlichen Themen zu beziehen. Dabei bedient sie sich häufig eines Opfernarrativs, demzufolge Staat und Sicherheitsbehörden die Religionsfreiheit beschneiden würden. 84 Deutsch für "Furkan Egitim ve Hizmet Vakfi". Dienst ist hier als "Dienst an der Reli gion" zu verstehen. 229 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 20. "Kalifatsstaat" Gründung: 1984 Leitung: zuletzt Metin Kaplan Mitglieder/Anhänger 700 in Deutschland: Publikationen/Medien: "Seriat.net" (Website) "Hakkhaber.com" (Website) "Hedschra-Kalender" ("Hicri Takvim Avrupa", jährlich publizierter Kalender in mehreren Sprachen) Vereinsverbote: Verbotsverfügungen des Bundesministeriums des Innern gegen den "Kalifatsstaat" und 36 Teilorganisationen in 2001 und 2002 Ideologisch versteht sich der "Kalifatsstaat" als Wiederbelebung des 1924 in der Türkei abgeschafften Kalifats. Übergeordnetes Ziel ist die Herrschaft des Islam unter der Führung eines Kalifen, unter dem Staat und Religion eine untrennbare Einheit bilden. Beginnend auf dem Gebiet der Türkei, soll dies später weltumspannend verwirklicht werden. Deutschland dient zunächst als "Ersatzland" für die "kemalistisch besetzte" Türkei. Die Abschiebung Kaplans im Jahr 2004 in die Türkei und das Verbot der Organisation in Deutschland 2001/2002 schwächten sie nachhaltig. Der Streit über die Nachfolge führte zu einer Spaltung in Fraktionen. Der zwischenzeitlich in der Türkei inhaftierte Kaplan wurde Ende 2016 vorzeitig aus der Haft entlassen. Seit der Haftentlassung ruft er seine Anhänger im Internet regelmäßig dazu auf, den Streit der Fraktionen beizulegen, um sich gestärkt dem Ziel eines schariakonformen "Kalifatsstaats" zu widmen. Die verbliebenen Anhänger in Deutschland sympathisieren vor allem in sozialen Netzwerken mit der Ideologie des "Kalifatsstaats", etwa auf der Plattform "Im Auftrag des Islam". Vor allem unter jüngeren Anhängern macht sich seit Jahren eine Öffnung hin zu salafistischen und jihadistischen Strömungen bemerkbar. 230 Auslandsbezogener Extremismus 231 Auslandsbezogener Extremismus I. Überblick Im nicht islamistischen auslandsbezogenen Extremismus finden sich Ideologieelemente aus dem Rechts und Linksextremismus sowie Organisationen, die separatistische Bestrebungen in ihren Heimatländern verfolgen. Überwiegend bestimmen die Situation in den jeweiligen Herkunftsregionen sowie die Vorgaben der dor tigen zentralen Organisationseinheiten Politik, Strategie und Ak tionen der Strukturen in Deutschland. In ihren Heimatländern wollen diese Organisationen meist drastische Veränderungen der politischen Verhältnisse herbeiführen, dort oftmals auch durch den Einsatz von Gewalt und Terror. Damit verstoßen die von Deutschland aus agierenden Strukturen extremistischer Auslandsorganisationen nicht nur gegen den Ge danken der Völkerverständigung. Sie können darüber hinaus auch hierzulande die innere Sicherheit gefährden, indem sie hier zum Beispiel die Konflikte aus der Bezugsregion untereinander fortfüh ren. Den meisten dieser Organisationen gilt Deutschland als siche rer Rückzugsraum. Von hier aus unterstützen sie ihre Heimatorga nisationen vor allem propagandistisch, häufig aber auch durch den Nachschub von Geld, Material oder neu rekrutierten Kämpfern. 1. Entwicklungstendenzen Agitation und Militanzniveau der auslandsbezogenen extremisti schen Organisationen sind überwiegend von der politischen Ent wicklung in den Heimatländern abhängig. In Deutschland lebende Anhängerinnen und Anhänger empfangen in der Regel politisch strategische Richtlinien der Organisationen in den jeweiligen Hei matländern; es herrscht die Bereitschaft vor, diese Vorgaben kon sequent in die Tat umzusetzen. Für die innere Sicherheit in Deutschland sind die "Arbeiter partei Kurdistans" (PKK), die "Revolutionäre Volksbefreiungs parteiFront" (DHKPC) sowie die rechtsextremistische türki sche "Ülkücü"Bewegung von herausgehobener Bedeutung: die PKK aufgrund gewalttätiger Aktionen in den kurdischen Sied lungsgebieten vor allem im Südosten der Türkei, in Nordsyrien 232 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS sowie im Nordirak, die linksextremistische DHKPC mit ihrem offenen Bekenntnis zum bewaffneten Kampf in der Türkei und die "Ülkücü"Bewegung wegen ihrer beharrlichen und zum Teil auch aggressiven Ablehnung des Gleichheitsgrundsatzes. Zudem zeigt sich im türkischen Rechtsextremismus sowie bei extremistischen Palästinensern ein offener Antisemitismus. Das für den auslandsbezogenen Extremismus so wichtige Veran Auswirkung der staltungsgeschehen wurde auch im Jahr 2021 durch die pandemie Coronapandemie bedingten Einschränkungen geprägt. So gab es eine deutlich gerin gere Anzahl von öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen und die Zahl der Teilnehmenden war niedriger als in den Jahren vor der Pandemie. Auch das Vereinsleben wurde stark eingeschränkt. Im Vergleich zum Vorjahr konnte aber insgesamt eine geringe Zunah me festgestellt werden. So kam es ab dem Frühjahr 2021 zu ersten kleineren Veranstaltungen und einer teilweisen Wiederaufnahme des lokalen Vereinslebens. Eine wesentliche Betätigung der verschiedenen Organisationen im Finanzierung der auslandsbezogenen Extremismus in Deutschland ist die Beschaf auslandsbezogenen fung von Geldmitteln. Diese dienen zunächst der Finanzierung Strukturen eigener Strukturen und Aktivitäten in Deutschland und Europa, fließen zum Teil aber auch den Mutterorganisationen in den Hei matländern zu. Neben Spendensammlungen oder kampagnen stammen diese Gelder in der Regel aus Mitgliedsbeiträgen, dem Verkauf beispielsweise von Schriften, Büchern oder Tonträgern sowie aus Einnahmen bei den diversen Veranstaltungen - wie zum Beispiel Eintrittskarten und "Solidaritätstickets" für Konzerte oder Festivals und Erlöse dortiger Verpflegungs und Verkaufsstände. 2. Straftaten mit auslandsbezogener extremistischer Motivation Nach dem Rückgang im Vorjahr haben Straf und Gewalttaten mit einem auslandsbezogenen extremistischen Hintergrund 2021 wie der zugenommen. Insgesamt wurden 776 Delikte erfasst, was ei nen Anstieg um 17,4 % bedeutet (2020: 661). Eine deutliche Zunah me um 46,8 % gab es bei den Gewaltdelikten (2021: 116, 2020: 79), darunter vier versuchte Tötungsdelikte (2020: 1), 57 Körperverlet zungen (2020: 59), 17 Fälle von Landfriedensbruch (2020: 9) und 25 Widerstandsdelikte (2020: 5). Die Zunahme der Straftaten dürfte 233 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS insbesondere auf ein im Vergleich zum Vorjahr wieder angestie genes Veranstaltungs und Protestgeschehen zurückzuführen sein. Neben versammlungstypischen Straftaten kommt es dabei immer wieder zu auch gewaltsamen Aufeinandertreffen von Anhängern verfeindeter politischer Lager. Die meisten Straf und Gewalttaten ereigneten sich in Nordrhein Westfalen (203; 2020: 130) und Berlin (162; 2020: 89). Mit 311 De likten stehen rund 40 % aller Straftaten im Zusammenhang mit der PKK, davon 160 Verstöße gegen das Vereinsgesetz, aber auch neun Körperverletzungen, neun Landfriedensbrüche und 49 Sach beschädigungen. Insgesamt zeigen 122 Straftaten (2020: 36) einen antisemitischen Bezug, darunter drei Körperverletzungen (2020: 3) und 58 Volks verhetzungen (2020: 10). 3. Personenpotenzial Personenpotenzial im auslandsbezogenen Extremismus in Deutschland1 2019 2020 2021 "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 14.500 14.500 14.500 Türkische Rechtsextremisten 11.000 11.000 11.000 Türkische Linksextremisten 2.550 2.550 2.550 Sonstige 770 600 600 Summe 28.820 28.650 28.650 1 Die Zahlenangaben sind zum Teil geschätzt und gerundet. 234 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS II. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK)85 wurde 1978 von Abdullah Öcalan in der Türkei gegründet. Sie strebt heute eine kulturelle Autonomie und lokale Selbstverwaltung für die Kurden in ihren Siedlungsgebieten in der Türkei, aber auch im Nordirak und im Norden Syriens an. Zur Durchsetzung ihrer Ziele rief Öcalan 1984 zum bewaffneten Kampf auf, der seitdem mittels Guerillaverbän den - in der Türkei insbesondere die "Volksverteidigungskräfte" (HPG)86 und deren "Frauenverteidigungskräfte" (HPJ)87 - gewalt sam geführt wird. Trotz seiner Verhaftung 1999 wird der seitdem in der Türkei inhaftierte Öcalan von PKKAnhängern unverändert als unumstrittene Führungs und Symbolfigur verehrt. Nach mehreren gewaltsamen Aktionswellen in Deutschland erließ der Bundesminister des Innern am 22. November 1993 für die PKK ein Betätigungsverbot im Bundesgebiet. Von der Europäischen Union ist die PKK seit dem Jahr 2002 als Terrororganisation gelistet. In Deutschland sind ihre wesentlichen Tätigkeitsfelder vor allem die logistische und finanzielle Unterstützung der Gesamtorganisa tion, die Rekrutierung neuer Anhängerinnen und Anhänger sowie die Durchführung zahlreicher Kundgebungen und Großveranstal tungen zur Propaganda in eigener Sache. Dabei propagiert die PKK gegenüber Politik und Öffentlichkeit ihren Anspruch, die einzige legitime Vertreterin der Angelegenheiten des kurdischen Volkes zu sein. Die Aufhebung des Betätigungsverbots steht dabei weiterhin im Vordergrund der Lobbyarbeit der PKK in Deutschland. In Europa bemüht sich die PKK seit Jahren um ein weitgehend ge waltfreies Erscheinungsbild. Die anhaltenden militärischen Aus einandersetzungen in der Heimatregion haben jedoch weiterhin eine hohe Emotionalisierung der Anhängerschaft auch in Deutsch land zur Folge. Bei Veranstaltungen und Kundgebungen kommt es daher immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei oder mit türkischen Nationalisten beziehungsweise türkischen Rechtsextremisten. Auslöser sind häufig das Verwen den verbotener Kennzeichen oder wechselseitige Provokationen mit dem politischen Gegner. 85 "Partiya Karkeren Kurdistan". 86 "Hezen Parastina Gel". 87 "Hezen Parastina Jin". 235 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS 1. Organisationsstruktur Bei den PKKStrukturen in Europa handelt es sich nach Recht sprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) weder um organisa torisch selbstständige (Teil)Vereinigungen noch sind sie in ihrer Willensbildung von der ausländischen Hauptorganisation PKK unabhängig.88 Sie sind nahtlos in den PKKAufbau eingegliedert. Die politischideologischen Zielsetzungen und die Art und Weise ihrer Umsetzung werden von der PKKFührungsspitze vorgegeben und ohne eigenverantwortlichen Entscheidungsspielraum von den nachgeordneten Führungskadern und Strukturen umgesetzt. Struktur in Die PKKStruktur in Deutschland gliedert sich in vier Sektoren Deutschland ("Saha"), neun Regionen ("Eyalet")89 und 31 Gebiete ("Bölge"), in de nen jeweils ein Führungsfunktionär an der Spitze verantwortlich ist. Die Funktionäre, deren Tätigkeit in aller Regel zeitlich begrenzt ist, agieren zumeist konspirativ und leiten organisationsinterne Anweisungen und Vorgaben an nachgeordnete Ebenen weiter. Für die Umsetzung der Vorgaben nutzt die PKK überwiegend örtliche Vereine, die der Anhängerschaft der Organisation als Treffpunkt und Anlaufstelle dienen. Den PKKnahen Vereinen in Deutschland ist die "Konföderation der Gemeinschaften Kur distans in Deutschland e.V." (KONMED)90 als Dachverband über geordnet. Ihr nachgeordnet sind fünf regionale Föderationen, die fast das gesamte Bundesgebiet abdecken und in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich wiederum den örtlichen Vereinen vorste hen. Die KONMED und ihre Untergliederungen mobilisieren im Sinne der PKK zur Teilnahme an verschiedenen Veranstaltungen und Kundgebungen und beteiligen sich an der Öffentlichkeits und Kampagnenarbeit. Darüber hinaus versucht die PKK mithilfe sogenannter Massen organisationen, der Anhängerschaft ihre Politik näherzubringen, indem sie diese nach sozialen Kriterien oder Berufs und Inte ressengruppen organisiert. Besonders hervorzuheben sind die PKKJugendorganisation und die PKKStudierendenorganisation. Weitere Beispiele sind die "Kurdische Frauenbewegung in Europa" 88 BGH, Urteil vom 28.10.2010 - 3 StR 179/10. 89 BadenWürttemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein, Saarland/RheinlandPfalz und Westfalen. 90 "Konfederasyona Civaken Kurdistaniyen li Almanya". 236 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS (AKKH/TJKE)91 sowie Religionsgemeinschaften wie die "Islami sche Gemeinde Kurdistans" (CIK), die "Föderation der demokra tischen Aleviten e.V." (FEDA) und der "Zentralverband der Ezidi schen Vereine e.V." (NAVYEK). Die PKKJugendorganisation "Komalen Ciwan"/"Tevgera Ciwanen PKK-JugendSoresger" (TCS)92 richtet sich vornehmlich an Jugendliche und junge organisation Erwachsene. Ihre Anhängerinnen und Anhänger bilden ein großes Mobilisierungspotenzial für die zahlreichen Veranstaltungen der PKK. Zudem rekrutieren sie Nachwuchs für den bewaffneten Kampf in den kurdischen Siedlungsgebieten und begehen in Deutschland mitunter Straftaten oder militante Aktionen gegen staatliche türki sche Einrichtungen oder türkische Rechtsextremisten. Ein weiterer für Mobilisierung und Vernetzung bedeutender Ver PKK-Studierendenband ist die im Jahr 1991 gegründete PKKStudierendenorganisa organisation tion "Verband der Studierenden aus Kurdistan" (YXK)93 sowie deren autonome Frauenorganisation "Studierende Frauen aus Kurdis tan" (JXK)94. Zu den regelmäßigen Aktivitäten von YXK und JXK gehören neben ideologischen Schulungen (Winter und Sommer akademien) und demonstrativen Aktionen im Sinne der PKK die Kampagnenarbeit zum Beispiel mit Infoständen sowie kulturelle Arbeit wie Konzerte, kurdische Sprachkurse, Filmvorführungen, Ausflüge und Delegationsreisen. Themen und anlassbezogen kommt es immer wieder auch zu gemeinsamen Aktionen mit deutschen Linksextremisten. 2. Versammlungsgeschehen Mittels zentral gesteuerter, öffentlichkeitswirksamer Propagan daaktionen versucht die PKK in Deutschland und im benach barten Ausland, Aufmerksamkeit für ihre Anliegen zu erlangen. Zu diesem Zweck richtet sie regelmäßig Kundgebungen, zen trale Großveranstaltungen, Podiumsdiskussionen, Kampagnen, Hungerstreiks oder Mahnwachen aus. Im Fokus stehen dabei vor allem das Schicksal des in der Türkei inhaftierten Organisations gründers Öcalan, die militärischen Auseinandersetzungen in den 91 Türkisch: "Avrupa Kürt Kadin Hareketi"/Kurdisch: "Tevgera Jinen Kurd li Ewropa". 92 "Gemeinschaft der Jugendlichen"/"Bewegung der revolutionären Jugend". 93 "Yekitiya Xwendekaren Kurdistan". 94 "Jinen Xwendekar en Kurdistan". 237 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS kurdischen Siedlungsgebieten sowie staatliche Maßnahmen gegen die Organisation und ihre Einrichtungen. Auswirkungen der Das Versammlungsgeschehen der PKK war insbesondere in der Coronapandemie ersten Jahreshälfte 2021 von den aus den CoronaSchutzmaßnah men resultierenden Beschränkungen geprägt. So haben Anhänge rinnen und Anhänger der PKK in der Zeit vom 19. bis 21. März 2021 aus Anlass des traditionellen kurdischen Neujahrsfests Newroz anstatt einer zentralen Großveranstaltung deutschlandweit zahl reiche dezentrale Kundgebungen ausgerichtet. Diese blieben mit Teilnehmendenzahlen im überwiegend dreistelligen, vereinzelt unteren vierstelligen Bereich deutlich hinter den VorPandemie zeiten zurück. Darüber hinaus führte die PKK im Jahr 2021 zahlreiche spontane, anlassbezogene Protestkundgebungen im Bundesgebiet durch. Auch diese fanden überwiegend dezentral und mit vergleichswei se geringen Teilnehmerzahlen statt. Als Mitte März 2021 innerhalb der PKKAnhängerschaft über soziale Medien letztlich unzutref fende Gerüchte über den Tod Öcalans verbreitet wurden, folgten bundesweit zahlreiche Protestkundgebungen. Diese verliefen weitgehend störungsfrei mit Teilnehmerzahlen im mittleren zwei stelligen bis unteren dreistelligen Bereich. Ausschreitungen Im September 2021 fand in NordrheinWestfalen an mehreren beim "Langen Tagen der alljährliche "Lange Marsch" der PKKJugendlichen Marsch" statt. Wie in fast jedem Jahr kam es dabei zu Ausschreitungen mit tätlichen Angriffen auf Polizeikräfte oder körperlichen Aus einandersetzungen mit Passanten, aber auch zu Behinderungen des Straßenverkehrs und Verstößen gegen das Vereinsgesetz. Den Ausschreitungen gingen teilweise Provokationen durch Außen stehende voraus. Der Verlauf des "Langen Marsches" 2021 ist nach ähnlichen Vorfällen in den letzten Jahren ein weiteres Beispiel für das hohe Aggressions und Gewaltpotenzial, das in Teilen der Ju gendorganisation zu finden ist. Anlässlich des 28. Jahrestags des PKKBetätigungsverbots führte die PKK Ende November 2021 eine bundesweite Aktionswoche durch. Zum Abschluss der Aktionswoche fand in Berlin erstmals wieder eine zentrale Kundgebung statt, in deren Rahmen die Auf hebung des Verbots gefordert wurde. 2019 und 2020 hatten keine oder nur dezentrale Aktionen zu diesem Anlass stattgefunden. 238 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS Die in der Spitze etwa 2.000 Teilnehmenden setzten sich aus ver schiedenen Gruppierungen zusammen, darunter solche aus dem Spektrum der PKK und aus dem deutschen Linksextremismus. Während der Demonstration kam es wiederholt zu Verstößen gegen die pandemiebedingten Abstandsregeln, dem Abbrennen von Pyrotechnik und dem Zeigen verbotener PKKSymbole. Nach einem tätlichen Übergriff aus den Reihen des Demonstrations aufzugs wurden Ermittlungsverfahren unter anderem wegen des Verdachts des besonders schweren Landfriedensbruchs, tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamtinnen und beamte, der versuch ten Gefangenenbefreiung und versuchter gefährlicher Körperver letzung eingeleitet. 3. Rekrutierungsmaßnahmen Die PKK bemüht sich auch in Deutschland intensiv um Rekru tierungen für ihre bewaffneten Einheiten in der Heimatregion. Verantwortlich für die Rekrutierungsaktivitäten in Deutschland und Europa ist vor allem die PKKJugendorganisation. Auf Ver anstaltungen oder in PKKMedien werden insbesondere Jugend liche aufgefordert, sich dem bewaffneten Kampf anzuschließen. So heißt es sinngemäß in einem türkischsprachigen Artikel in der monatlich erscheinenden Jugendzeitung "Sterka Ciwan" mit dem Titel "Die Freiheit des Führers APO95 ist unsere Freiheit!": "In diesem Bewusstsein ist es lebenswichtig, kurdische und internationalistische Jugendliche fortzubilden, auf der Linie der demokratischen Nation zu organisieren, in den Freiheitskampf zu entsenden und das Volk, das in allen Bereichen kämpft, zu organisieren." ("Sterka Ciwan" Nr. 213, Februar 2021) Über die türkischsprachige Seite der PKKnahen Nachrichten agentur "Firat News Agency" (ANF) wurde am 27. Juli 2021 eine Stellungnahme der Jugendorganisationen veröffentlicht, in der es sinngemäß heißt: 95 Apo ist die kurdische Bezeichnung für Onkel und ein gängiger Spitzname für "Abdullah". Sie wird von PKKAnhängern häufig als Synonym für Öcalan verwendet. 239 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS "Es ist die Zeit gekommen, in der die zur Selbstaufopferung bereite Jugend 'Kurdistans' die Besetzer vom Territorium 'Kurdistans' entfernt." (Homepage ANF, 27. Juli 2021) Seit Juni 2013 haben sich rund 295 Personen aus Deutschland in die kurdischen Siedlungsgebiete begeben und sich dort unter anderem Kampfeinheiten der PKK angeschlossen. Von den Aus gereisten sind mehr als 30 Personen dort ums Leben gekommen. Rund 150 Personen sind mittlerweile nach Deutschland zurück gekehrt. 4. Finanzielle Situation Erneutes RekordDie PKK erzielte im Jahr 2021 bei ihrer "Jahresspendenkampagne" ergebnis bei der ("kampanya") allein in Deutschland geschätzte 16,7 Millionen Euro "Jahresspendenund übertraf damit erneut das Ergebnis aus dem Vorjahr. Der Ge kampagne" samtspendenerlös in Europa wird auf über 30 Millionen Euro ge schätzt. Wie in den Vorjahren dürften sich insbesondere zwei Gründe för derlich auf die Spendenbereitschaft ausgewirkt haben: die nach wie vor militärisch geführten Konflikte in den kurdischen Siedlungs gebieten zwischen der Türkei und Guerillaeinheiten der PKK und die fortbestehende Sorge um die Haftsituation sowie den Gesund heitszustand des PKKGründers Öcalan. Gesteuert und kontrol liert werden die finanziellen Aktivitäten der PKK in Deutschland und Europa von der Kadereinheit "Wirtschafts und Finanzbüro" (EMB)96. Die gesammelten Gelder (unter anderem Einnahmen aus der Spendenkampagne und von Veranstaltungen, Mitgliedsbeiträ ge, Verkauf von Publikationen) werden vor allem für den Unterhalt der Organisation und des umfangreichen Propagandaapparats in Europa genutzt. 5. Medienwesen Zur Verbreitung ihrer Ideologie und Propaganda unterhält die PKK einen aufwendigen Medienapparat. Die Beschlüsse und Planungen 96 "Ekonomi ve Maliye Bürosu". 240 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS der Organisation enthalten regelmäßig konkrete Vorgaben für die Arbeit von Zeitung, Fernsehen und Presseagentur. So will die PKK die Gesamtheit der in Deutschland lebenden Kurden in ihrem Sin ne beeinflussen, mobilisieren und "informieren". Dieses Vorgehen ist ein weiterer Ausdruck des von der PKK propagierten Alleinver tretungsanspruchs für sämtliche Belange der Kurdinnen und Kur den. Von besonderer Bedeutung sind der in Norwegen beheimatete PKKFernsehsender "Sterk TV"97 und die in NeuIsenburg (Hessen) herausgegebene PKKTageszeitung "Yeni Özgür Politika" (YÖP)98. Die YÖP erscheint mit einer täglichen Auflage von etwa 10.000 Ex emplaren in türkischer und kurdischer Sprache. Sie verfügt aus weislich ihres Impressums über Vertretungen in mehreren deut schen Städten sowie in der Schweiz. Täglich berichtet auch die in den Niederlanden angesiedelte PKK nahe Nachrichtenagentur "Firat News Agency" (ANF)99 in mehre ren Sprachen. Anspruch der ANF ist es, die kurdische Presse durch ein Korrespondentennetz im Nahen Osten sowie in den europä ischen Staaten zu repräsentieren. Durch das seit August 2008 be stehende Portal "Gerila TV"100 wird zudem mit speziellen Beiträgen der bewaffnete Kampf der Organisation verherrlicht. Mit der in den Niederlanden verlegten, monatlich erscheinenden PKKZei tung "Serxwebun"101 wird PKKKadern kontinuierlich die ideolo gische Ausrichtung der PKK vermittelt. Über das Internet und die sozialen Medien zielt die PKK vor allem auf jüngere Anhängerinnen und Anhänger ab. Hier werden auch Propagandavideos über die PKKGuerillaeinheiten verbreitet, mit der Absicht, neue Rekruten für den bewaffneten Kampf in den kur dischen Siedlungsgebieten zu gewinnen. 97 "Stern TV". 98 "Neue Freie Politik". 99 "Ajansa Nuceyan a Firate". 100 "Guerilla TV". 101 "Unabhängigkeit". 241 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS 6. Strafverfahren gegen Funktionäre Auch 2021 wurden in Deutschland PKKFührungskader wegen Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung PKK verurteilt, so unter anderem: " Am 19. Februar 2021 verurteilte das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz (RheinlandPfalz) einen PKKFunktionär zu einer Frei heitsstrafe von drei Jahren und fünf Monaten. Laut Gericht hat der Angeklagte als hauptamtlicher Kader unter anderem die PKKGebiete Saarbrücken (Saarland) und Frankfurt am Main (Hessen) sowie die Region Hessen geleitet.102 " Am 26. Februar 2021 wurde ein weiterer PKKFunktionär eben falls durch das OLG Koblenz zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Das Gericht sah es als er wiesen an, dass der Angeklagte das PKKGebiet Mainz (Rhein landPfalz) geleitet hat.103 " Am 30. April 2021 verurteilte das OLG Stuttgart (BadenWürt temberg) mehrere Personen wegen ihrer Aktivitäten für die PKK zu Freiheitsstrafen zwischen einem Jahr und sechs Mona ten und vier Jahren und drei Monaten. Weitere Tatvorwürfe, wie gefährliche Körperverletzung und Freiheitsberaubung sowie zum Teil versuchte Nötigung und versuchte räuberische Er pressung sah das Gericht nach seinen Feststellungen ebenfalls als erwiesen an.104 " Am 19. Oktober 2021 verurteilte das OLG Stuttgart einen PKK Funktionär zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten. Laut Gericht war der Angeklagte als Gebietsleiter unter anderem für die PKKRegion Saarland verantwortlich.105 " Am 22. Dezember 2021 verurteilte das OLG München (Bayern) einen PKKFunktionär zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten. Laut Gericht war der Angeklagte unter an derem als Gebietsleiter für die PKKGebiete Ulm (BadenWürt temberg) und München (Bayern) verantwortlich.106 PKK-Gefangenenhilfe Unterstützung erhalten strafrechtlich verfolgte Funktionäre der PKK durch den "AZADI Rechtshilfefonds für Kurdinnen und 102 Vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 19.02.2021 - 2 StE 5/20. 103 Vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 26.02.2021 - 1 StE 6 OJs 28/18. 104 Vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 30.04.2021 - 32 StE 12/18. 105 Vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 19.10.2021 - 737 OJs 2/14. 106 Vgl. OLG München, Urteil vom 22.12.2021 - 7 St 4/21. 242 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS Kurden in Deutschland e.V." (AZADI e.V.). Der Verein mit Sitz in Köln (NordrheinWestfalen) übernimmt zum Beispiel ganz oder teilweise Anwalts und Prozesskosten für verurteilte Personen und unterstützt Inhaftierte finanziell. Auf diese Weise sollen die Betroffenen weiterhin an die Organisation gebunden werden. Es bestehen enge Verbindungen zu PKKnahen Organisationen und zur linksextremistischen "Roten Hilfe e.V.". 7. Gefährdungspotenzial Die PKK ist die mitgliederstärkste und schlagkräftigste Organisa tion im auslandsbezogenen Extremismus in Deutschland. Auch wenn die öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen aufgrund der Coronapandemie zuletzt nur in eingeschränktem Rahmen mög lich waren, ist die PKK weiterhin in der Lage, Personen weit über die eigene Anhängerschaft hinaus zu mobilisieren. Die Entwicklungen in der Türkei, im Nordirak und in Nordsyrien Gewalt bei in den letzten Jahren haben zu einer deutlichen Emotionalisierung Demonstrationen der PKKAnhängerschaft in Deutschland geführt, die sich auch weiterhin auf die Sicherheitslage in Deutschland auswirken kann. Permanentes Konfliktpotenzial bieten die zahlreichen im Bundes gebiet abgehaltenen Kundgebungen, bei denen es auch 2021 zu Angriffen auf die Polizei und zu Konfrontationen zwischen PKK Anhängern und türkischen Nationalisten oder türkischen Rechts extremisten kam - wenn auch in geringerem Ausmaß als in den Vorjahren. Bei solchen Auseinandersetzungen zeigt sich teilweise eine Gefährdungsdimension, in der auch Todesopfer nicht voll kommen auszuschließen sind. So kam es im Verlauf einer Kund gebung des PKKnahen Vereins "Birati e.V." am 17. Juni 2021 in Bremen zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen Ver sammlungsteilnehmenden und einem türkeistämmigen Passan ten, der durch Messerstiche verletzt wurde. Daneben besteht in Deutschland nach wie vor auch die Gefahr mi litanter Aktionen gegen (halb)staatliche Einrichtungen der Türkei. Am 12. Februar 2021 setzte sich ein mutmaßlicher PKKAnhänger Selbstverbrennung in unmittelbarer Nähe des Landtagsgebäudes in Dresden (Sachsen) selbst in Brand. Er verstarb infolge der Verletzungen noch am sel ben Tag im Krankenhaus. Die PKKnahe Nachrichtenagentur ANF 243 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS zitiert aus einem angeblichen Brief des Verstorbenen dessen Be weggründe: "Die Isolation gegen Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali. Seit Monaten dringt kein Lebenszeichen des Volksrepräsentanten an die Öffentlichkeit. (...) Zwar gibt es dagegen Reaktionen und Aktivitäten, aber das reicht nicht aus. (...) Dagegen rebelliere ich." (Homepage ANF, 16. Februar 2021) Zuletzt war es in den Jahren 2018 und 2019 zu Selbstverbrennun gen mutmaßlicher PKKAnhänger in Deutschland gekommen. PKKMedien zufolge sei diese Aktionsform von Öcalan und ver schiedenen PKKOrganisationen wiederholt kritisiert worden. Gleichwohl instrumentalisiert die Organisation die Taten, um auf ihre Belange aufmerksam zu machen. Wenngleich in Europa weiterhin friedliche Veranstaltungen und Aktivitäten im Vordergrund stehen, bleibt Gewalt eine strategi sche Option der PKKIdeologie. Die PKK ist in der Lage, zumindest punktuell Gewalt auch in Deutschland einzusetzen, sofern dies aus ihrer Sicht geboten scheint. Darüber hinaus werden Straf und Ge walttaten ihrer jugendlichen Anhängerschaft zumindest geduldet. III. Türkischer Linksextremismus Türkische Linksextremisten verfolgen das Ziel, die Staats und Ge sellschaftsordnung in der Türkei gewaltsam zu überwinden und eine kommunistische Gesellschaftsordnung zu errichten. Zu die sem Zweck befürworten sie offen Terroranschläge in der Türkei, die von ihren bewaffneten Kampfeinheiten oder einzelnen An hängern verübt werden. Gemeinsame ideologische Grundlage der verschiedenen Organisationen ist der MarxismusLeninismus. 1. Überblick über Organisationen in Deutschland Zu den relevantesten in Deutschland aktiven linksextremisti schen türkischen Organisationen gehören die "Revolutionäre 244 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS VolksbefreiungsparteiFront" (DHKPC)107, die "Marxistische Leni nistische Kommunistische Partei" (MLKP)108, die "Türkische Kom munistische ParteiMarxistenLeninisten" (TKPML)109 und die "Türkische Kommunistische Partei/MarxistenLeninisten" (TKP/ ML)110. Deutschland gilt diesen Organisationen als sicherer Rückzugs raum, von dem aus sie ihre jeweilige Mutterorganisation in der Türkei propagandistisch, vor allem aber auch finanziell und lo gistisch unterstützen. Dazu agieren sie hierzulande unter Tarn bezeichnungen oder mittels Umfeldorganisationen, welche den terroristischen Hintergrund verschleiern sollen. Neben öffent lichkeitswirksamen Kundgebungen und eigenen Propagandaver anstaltungen besteht in diesem Spektrum eine enge Zusammen arbeit mit deutschen Linksextremisten. 2. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) Die marxistischleninistisch ausgerichtete DHKPC tritt seit ihrer Gründung im Jahr 1994 für eine gewaltsame Zerschlagung der bestehenden Staats und Gesellschaftsordnung in der Türkei ein. Statt dieser soll eine sozialistische Gesellschaft auf der Grundlage des MarxismusLeninismus errichtet werden. Dies sei laut Partei programm ausschließlich durch den "bewaffneten Volkskampf" unter der Führung der DHKPC möglich. Organisatorisch untergliedert sich die DHKPC in einen politi schen Arm, die "Revolutionäre Volksbefreiungspartei" (DHKP)111, und in einen militärischpropagandistischen Arm, die "Revolu tionäre Volksbefreiungsfront" (DHKC)112. Als ihre Hauptfeinde be trachtet sie die als "faschistisch" und "oligarchisch" bezeichnete Türkei und den "USImperialismus", der die Türkei in politischer, wirtschaftlicher und militärischer Hinsicht dominiere. 107 "Devrimci Halk Kurtulus PartisiCephesi". 108 "Marksist Leninist Komünist Parti". 109 "Türkiye Komünist PartisiMarksistLeninist". 110 "Türkiye Komünist Partisi/MarksistLeninist". 111 "Devrimci Halk Kurtulus Partisi". 112 "Devrimci Halk Kurtulus Cephesi". 245 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS Zielsetzung und ideologische Grundlagen der DHKPC werden regelmäßig über die organisationseigene Website "Halkinsesi TV" sowie im Parteiorgan "Halk Okulu" verbreitet. Darin heißt es bei spielsweise sinngemäß: "Wir haben unseren Märtyrern und unseren Völkern das Versprechen auf die Revolution gegeben! Wie werden wir dieses Versprechen halten? Indem wir unser Volk organisieren. Indem wir unser Volk zum Krieg führen und den Krieg zur Sache des Volkes machen. Indem wir den Imperialismus und den Faschismus zur Rechenschaft ziehen. (...) Wir kämpfen für das Volk. Wir haben uns für eine unabhängige, demokratische und sozialistische Türkei auf den Weg gemacht." ("Halk Okulu" Nr. 60, 3. Januar 2021, S. 30) Bei "Halk Okulu" handelt es sich organisatorisch, funktional und inhaltlich um die Nachfolgepublikation des vormaligen Parteior gans "Yürüyüs", für das in Deutschland ein Verbreitungsverbot gilt. Aktivitäten In Deutschland unterliegt die DHKPC seit 1998 einem Organisa der DHKP-C in tionsverbot. Von der Europäischen Union ist sie seit 2002 und von Deutschland den USA bereits seit 1997 als terroristische Organisation gelistet. Aus diesem Grund tritt die DHKPC in Deutschland ausschließ lich unter Tarnbezeichnungen wie "Volksfront" ("Halk Cephesi") oder "Volksrat" ("Halk Meclisi") sowie über ihre Jugendorganisa tion "Revolutionäre Jugend" ("Dev Genc")113 in Erscheinung. Ört liche Strukturen verwenden unverfängliche Namen, wie "Halk Kültür Evi" ("Kulturhaus des Volkes"), "Yorum Kültür Evi" oder "Dayanisma Evi" ("Solidaritätshaus"). Die Kampagnentätigkeit der DHKPC in Deutschland wurde 2021 neben aktuellen Ereignissen im Heimatland vor allem von der internationalen Gefangenensolidarität geprägt. Trotz einer Viel zahl von demonstrativen Aktionen war festzustellen, dass es der Organisation zunehmend schwerer fällt, ihre Anhängerschaft in Deutschland für die Teilnahme an Aufmärschen, Standkundge bungen oder internen Veranstaltungen zu mobilisieren. Die im Jahr 2020 durch das "Todesfasten" von inhaftierten Anhängern in der Türkei deutlich verstärkte Teilnahme an der öffentlichen politischpropagandistischen Betätigung war nur vorübergehend. 113 Kurzform für "Devrimci Genclik". 246 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS Zuletzt versuchte die DHKPC vergeblich, über die Idealisierung der hierbei Verstorbenen an diese Kampagne anzuknüpfen. Den Namen des bereits seit April 2019 geschlossenen Duisburger Vereins "Hasan Ferit GedikZentrum" (HFG) nutzt die Organisation weiterhin als ein Label für Aktivitäten, die sich vorgeblich gegen Missbrauch von Alkohol und Drogen sowie Glücksspielsucht rich ten. So lebte die HFGKampagne seit Ende 2020 wieder deutlich auf. Die Verbreitung von Drogen und die Duldung des Glücksspiels werden von der DHKPC als eine vorsätzliche Strategie des "im perialistischen Staates" ausgelegt, um insbesondere die Jugend zu "degenerieren" und das Entstehen eines politischen Bewusstseins zu verhindern. Über die Kampagne sollen auch neue Anhängerin nen und Anhänger für die DHKPC gewonnen werden. Die alljährliche zentrale Gedenkveranstaltung für die "revolutio Auswirkungen der nären Märtyrer" fand am 18. April 2021 in Köln (NordrheinWest Coronapandemie falen) unter freiem Himmel statt - begleitet von einem Auftritt auf Aktivitäten der der Musikband "Grup Yorum". Trotz der pandemiebedingten Ein DHKP-C schränkungen versammelten sich rund 150 Personen, die meisten davon langjährige Aktivisten und Unterstützer. Mit insgesamt 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus ganz Europa war das traditionelle Sommer und Familiencamp der DHKPC im Jahr 2021 schwächer besucht als in den Vorjahren (2019 und 2020 jeweils rund 200 Personen). Die Veranstaltung, die vom 25. Juli bis zum 8. August 2021 in Südfrankreich stattfand, be inhaltete unter anderem tägliche Diskussions und Schulungsver anstaltungen, die vor allem der politischen Indoktrinierung dien ten. Der dabei praktizierte kollektive Charakter soll zudem den inneren Zusammenhalt der Organisation und ihren Nachwuchs sichern. Auch das alljährliche Wintercamp für Jugendliche konnte aufgrund der pandemiebedingten Einschränkungen nicht in der gewohnten Form zum Jahreswechsel durchgeführt werden. Stattdessen wurde ein wenig besuchtes Seminar von einem DHKPCnahen Verein abgehalten. Eines der wichtigsten Propagandainstrumente der DHKPC Auftritte von ist die ihr zuzurechnende Musikgruppe "Grup Yorum". Die von "Grup Yorum" in der DHKPC und ihren Unterstützern auch in Deutschland Deutschland 247 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS organisierten Konzertveranstaltungen dienen neben der Finanzie rung der Organisation vor allem der Verbreitung ihrer Ideologie. Die Popularität der Gruppe erschließt der DHKPC eine weit über die eigene Anhängerschaft hinausgehende Zielgruppe potenzieller Unterstützer. "Grup Yorum" versuchte, 2021 während der pande miebedingten Schutzmaßnahmen über Onlinekonzerte präsent zu bleiben. Eine bundesweite Reihe von im Rahmen von Kundgebun gen der DHKPC abgehaltenen Straßenkonzerten im Frühsommer stieß über die eigene Anhängerschaft hinaus auf keine weitere Re sonanz. GefährdungsTrotz des hohen Verfolgungsdrucks, dem die DHKPC in der Türkei potenzial unterliegt, gibt es derzeit keine Anzeichen, dass die Organisation von ihrem im Februar 1999 erklärten Gewaltverzicht für Westeu ropa und insbesondere für ihren wichtigen Ruhe und Rückzugs raum Deutschland abrücken wird. Die Gefahr für terroristische Anschläge in der Türkei besteht aber weiterhin fort. IV. Türkischer Rechtsextremismus ("Ülkücü"-Bewegung) Die rechtsextremistische türkische "Ülkücü"Bewegung ("Idea listen"Bewegung) entstand Mitte des 20. Jahrhunderts in der Türkei. Sie fußt auf einer nationalistischen, antisemitischen und rassistischen rechtsextremistischen Ideologie, deren Wurzeln im Panturkismus/Turanismus liegen. Die ideologische Bandbreite der Bewegung reicht von neuheidnischen Elementen über einen nationalistischen Kemalismus bis in den Randbereich des Islamis mus. Das Ziel der Bewegung ist die Verteidigung und Stärkung des Türkentums. Als Idealvorstellung gilt den "Ülkücü"Anhängern die Errichtung von "Turan" - einem ethnisch homogenen Staat aller Turkvölker unter Führung der Türken. Dafür sollen "Turan" die Siedlungsgebiete aller Turkvölker einverleibt werden. Je nach ideo logischer Lesart erstrecken sich diese vom Balkan bis nach West china oder Japan. Die "Ülkücü"Bewegung sieht die türkische Nation sowohl poli tischterritorial als auch ethnischkulturell als höchsten Wert an. Die so unterstellte kulturelle und religiöse Überlegenheit äußert 248 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS sich in der Überhöhung der eigenen türkischen Identität und re sultiert in einer - auch völkerverständigungswidrigen - Herabwür digung anderer Volksgruppen, die zu "Feinden des Türkentums" erklärt werden. Symbol und bekanntestes Erkennungszeichen der "Ülkücü"Bewegung sind der "Graue Wolf" ("Bozkurt") und der daraus abgeleitete sogenannte Wolfsgruß, bei dem die Finger der rechten Hand am ausgestreckten Arm den Kopf eines Wolfs for men. Oft werden Anhängerinnen und Anhänger der "Ülkücü"Be wegung daher auch als "Graue Wölfe" ("Bozkurtlar") bezeichnet. Von den etwa 11.000 in Deutschland lebenden Anhängern der "Ül Strukturen und kücü"Bewegung sind etwa 9.400 in drei großen Dachverbänden Entwicklungen in organisiert. Diese vertreten in unterschiedlicher Ausrichtung die Deutschland verschiedenen Ausprägungen der "Ülkücü"Ideologie. Teilweise handelt es sich bei den Verbänden um Auslandsorganisationen extrem nationalistischer türkischer Parteien. Die Verbände sind in der Außendarstellung um ein gemäßigtes Auftreten bemüht und pflegen ihre rechtsextremistische Ideologie eher nach innen, vor allem in den ihnen zugehörigen Vereinen. Dementsprechend zeigt sich auch die Anhängerschaft bei der Teilnahme an Demons trationen und Kundgebungen sowie beim Zurschaustellen von "Ülkücü"Symbolen in der Öffentlichkeit sehr zurückhaltend. Abgesehen vom Vertreten ihrer Ideologie soll sie sich im Rahmen der deutschen Gesetze bewegen und sich vom politischen Gegner nicht provozieren lassen. Die unorganisierten Anhänger der "Ülkücü"Bewegung leben ihre meist rassistischen oder antisemitischen Feindbilder unterschied lich aus, häufig in den sozialen Medien, aber auch beim öffentli chen Aufeinandertreffen mit ihren politischen Gegnern, vor allem den Kurden. Hierbei zeigt sich immer wieder das in der unorgani sierten Szene vorherrschende hohe Gewaltpotenzial. Ereignisse im Zusammenhang mit der Türkei bestimmten auch 2021 die Themen der Anhängerschaft in Deutschland. So wurde der Fund der Leichen 13 türkischer Soldaten und Polizisten im Nordirak, die angeblich von der PKK entführt und exekutiert wur den, insbesondere von der freien "Ülkücü"Szene teilweise sehr emotional diskutiert. Forderungen, wie einen PKKFunktionär "in tausend Stücke zu zerreißen", fanden breite Zustimmung. Auch das Schweigen der deutschen Öffentlichkeit zu den "Hinrichtungen" wurde kritisiert. 249 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS Auf die Lageeskalation im Nahen Osten im Frühjahr 2021 reagier ten "Ülkücü"Anhänger mit Sympathiekundgebungen für die Palästinenser. Auf vielen propalästinensischen Versammlungen waren auch türkische Fahnen sichtbar. Vorwiegend durch nicht organisierte "Ülkücü"Anhänger wurden in den sozialen Medien Anfeindungen gegen Israel verbreitet. Auch eine vermeintliche Doppelmoral von Presse und Gesellschaft in Deutschland in Bezug auf die Beurteilung der Raketenangriffe der HAMAS und der israe lischen Militäraktionen wurde angeprangert. 1. "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) Die "Föderation der TürkischDemokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF)114 ist hierzulande der größte "Ül kücü"Dachverband. Er vertritt die Interessen der extrem natio nalistischen türkischen "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP)115, die 1969 gegründet wurde und als Urorganisation der "Ülkücü"Bewegung gilt. Der ADÜTDF gehören in Deutschland rund 160 lokale Vereine an, in denen etwa 7.000 Mitglieder organisiert sind. In der öffentli chen Darstellung demonstriert der Verband ein gesetzeskonfor mes Verhalten und ist stark um ein gemäßigtes Auftreten bemüht. Tatsächlich ist die ADÜTDF Verfechterin einer nationalistisch rechtsextremistischen Ideologie im Sinne ihrer Mutterpartei MHP. Entgegen ihrem nach außen demonstrierten Integrationswillen und rechtskonformen Auftreten zeigt sie sich überzeugt von der Überlegenheit des Türkentums. Dieses Weltbild verstößt gegen den im Grundgesetz verankerten Gleichheitsgrundsatz und wirkt einer Integration türkeistämmiger Migrantinnen und Migranten in die deutsche Gesellschaft entgegen. Diese vor allem innerhalb des Verbands ausgelebte Ideologie dringt durch Äußerungen oder Aktionen einfacher Mitglieder oder lokaler Vereine auch nach au ßen. Nicht zuletzt aufgrund seiner Mitgliederstärke ist der Verband ein ernst zu nehmender Träger und Verbreiter rechtsextremisti schen Gedankenguts unter den in Deutschland lebenden Türkin nen und Türken und türkeistämmigen Deutschen. 114 "Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu". 115 "Milliyetci Hareket Partisi". 250 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS So verbreitet und propagiert die ADÜTDF die Schriften des ras sistischnationalistischen sowie antisemitischen Autors und His torikers Nihal Atsiz (1905-1975), einem der Vordenker der "Ülkü cü"Bewegung. Auch die türkische Unterweltgröße Abdullah Catli (1956-1996), der ein Verfechter der turanistischen Idee war, wird von der Anhängerschaft verehrt. Auf den FacebookSeiten zahlrei cher ADÜTDFVereine wird alljährlich der Todestage dieser Perso nen gedacht. Immer wieder werden einschlägige Symbole und Gesten in den sozialen Netzwerken gezeigt. Beispiele sind der "Wolfsgruß" oder das Verwenden der "Üc Hilal" ("drei Halbmonde"), die als Zeichen für das Osmanische Reich dienen und zugleich das Parteilogo der MHP darstellen. Zu den Feindbildern der ADÜTDF gehören neben der PKK und allgemein den Kurden unter anderem auch Juden und Armenier. Am 11. Mai 2021 postete ein hoher ADÜTDFFunktionär auf seiner FacebookSeite sinngemäß: "Möge Gottes Zorn über euch und eure Unterstützer sein, Israel" (Facebook-Seite eines ADÜTDF-Funktionärs, 11. Mai 2021) 2. "ATIB - Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V." (ATIB) Die "ATIB - Union der TürkischIslamischen Kulturvereine in Eu ropa e.V." (ATIB)116 hat sich im Jahr 1987 von der heutigen ADÜTDF abgespalten, ohne sich dabei oder in der Folge ideologisch neu aus zurichten. Im Vergleich zur ADÜTDF steht die ATIB mit ihren der zeit etwa 1.200 Mitgliedern für einen stärker islamisch orientierten Teil der rechtsextremistischen "Ülkücü"Bewegung. Organisatorisch ist die ATIB an keine Partei in der Türkei direkt an gebunden. Stattdessen sucht sie die Nähe zu deutschen wie auch türkischen Verbänden und Einrichtungen. Dabei zeigt sich die ATIB um gesellschaftliche Akzeptanz und die damit einhergehen den Mitsprachemöglichkeiten bemüht, nicht zuletzt um dadurch 116 "Avrupa Türk Islam Kültür Dernekleri Birligi". 251 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS Einfluss auf den politischen Diskurs nehmen zu können. So ist die ATIB beispielsweise Gründungsmitglied des Zentralrats der Musli me in Deutschland e.V. (ZMD). Durch die Verbreitung der "Ülkücü"Ideologie entfaltet die ATIB eine desintegrative Wirkung und fördert einen türkischen Na tionalismus mit rechtsextremistischen Einflüssen, der von einem extremen FreundFeindDenken geprägt ist. Dies führt zur Ab wertung anderer Volksgruppen oder Religionen, insbesondere der Kurden und des Judentums. Die Zuordnung der ATIB zur rechtsextremistischen "Ülkücü"Be wegung beruht vor allem auf ihrer organisatorischen Herkunft, ideologischen Gemeinsamkeiten, der Nutzung von "Ülkücü"Sym bolik und den Äußerungen und dem Verhalten ihrer Vertreterin nen und Vertreter und einzelner Mitglieder. So bezeichnen die ATIB und ihre Vertreterinnen und Vertreter sich selbst als "Ülkü cü". Positive Verweise auf die turanistische Idee durch die ATIB und einzelne Mitglieder belegen eine ideologische Ausrichtung, wie sie in der "Ülkücü"Bewegung üblich ist. Vordenker der rechtsextre mistischen "Ülkücü"Ideologie wie Nihal Atsiz, Alparslan Türkes (1917-1997) oder Muhsin Yazicioglu (1954-2009) und deren Leh ren werden in der ATÄdegB noch heute verehrt und zitiert. So schreibt etwa ein ATIBAnhänger zum Gedenken anlässlich des Todestags von Türkes sinngemäß: "Anlässlich des 24. Jahrestags seiner Vereinigung mit dem Gerechten gedenken wir des Basbug Alpaslan Türkes mit Segen und Dankbarkeit. Möge sein Platz im Paradies sein." (Facebook-Seite eines Mitglieds des ATÄdegB-Vereins in Bremen, 4. April 2021) 3. "Föderation der Weltordnung in Europa" (ANF) Als weiterer Dachverband ist die "Föderation der Weltordnung in Europa" (ANF)117 der "Ülkücü"Bewegung zuzurechnen. 117 "Avrupa Nizami Alem Federasyonu". 252 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS Die ANF ist die Europaorganisation der extrem nationalistischen türkischen "Partei der Großen Einheit" (BBP)118. Bei der BBP han delt es sich um eine stärker islamisch ausgerichtete Abspaltung der MHP. Sie wurde 1993 vom rechtsextremistischen Vordenker Muhsin Yazicioglu gegründet und versteht sich selbst als Teil der "Ülkücü"Bewegung. Ihre Gründung ist auch eine Folge der in den 1980erJahren in der Türkei begonnenen Refokussierung auf eine Einheit aus Nationalismus (Türkentum) und Religion (Islam). Die Ideologie eines extrem übersteigerten und gleichzeitig islamisch geprägten Nationalismus mit rechtsextremistischen Ausprägun gen richtet sich gleichermaßen gegen ethnische und gegen religiö se Minderheiten. Auch die ANF mit ihren insgesamt etwa 1.200 Mitgliedern ist um eine rechtskonforme positive Außendarstellung bemüht. In of fiziellen Verlautbarungen werden extremistische Äußerungen daher vermieden. Die ANF sieht sich als Interessenwalterin einer türkischmuslimischen Minderheit innerhalb einer deutschen Mehrheitsgesellschaft in nahezu sämtlichen Lebensbereichen. Tat sächlich ist der Verband in der rechtsextremistischen "Ülkücü"Be wegung zu verorten. Die ANF erweitert die klassische "Ülkücü"Ideologie um den Fak tor Religion im Sinne der sogenannten türkischislamischen Syn these. Diese ist nicht nur ein primäres Identifikationsmerkmal für die ANF, sondern stellt zugleich eine harte Abgrenzungslinie gegenüber Andersgläubigen dar. Ein Türkentum sei demnach nur in Verbindung mit dem Islam möglich. Das Streben nach einer Vereinigung aller Turkvölker in einem homogenen Staat "Turan" gehört daher genauso zur politischen Agenda wie die Erschaffung einer neuen "Weltordnung" ("Nizami Alem") mit der Vision der Weltherrschaft des Islam unter türkischer Führung: "Ich sehne mich nach einer geeinten türkischen Welt, die von der Adria bis zur chinesischen Mauer reicht." (Zitat von BBP-Gründer Muhsin Yazicioglu auf der FacebookSeite eines ANF-Funktionärs, 24. März 2021) 118 "Büyük Birlik Partisi". 253 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS Der Anspruch auf eine Neuordnung der Welt über den Siedlungs bereich der eigenen türkischen Ethnie hinaus verstößt gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Bestandteile der "Ülkücü"Ideologie wie Rassismus, Antisemitis mus und Christenfeindlichkeit bestimmen mindestens partiell auch die Ausrichtung der ANF - ergänzt um Versatzstücke aus dem Islamismus. Mit dieser Ideologie richtet sich der Verband gegen Kernelemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wie die Individualität und Identität sowie die Rechtsgleichheit eines jeden Menschen. 4. Unorganisierte "Ülkücü"-Bewegung Neben den verbandlich organisierten "Ülkücü"Anhängern wer den etwa 1.600 Personen weiteren "Ülkücü"Kleinststrukturen sowie der unorganisierten "Ülkücü"Bewegung zugerechnet. Die unorganisierte "Ülkücü"Bewegung besteht überwiegend aus jün geren Menschen, die vor allem über die sozialen Netzwerke mit einander in Kontakt stehen, sich mitunter aber auch persönlich begegnen. Dabei pflegen sie ihre Feindbilder und agitieren gegen ihre "Gegner". Vor allem Armenier, Griechen, Juden, Kurden und die USA werden von der "Ülkücü"Anhängerschaft herabgewür digt und zu "Feinden des Türkentums" erklärt. Emotionale Hauptbezugspunkte sind die Türkei sowie der Konflikt der Türkei mit der kurdischen PKK. In der weithin unstrukturier ten oder nur in kurzlebigen Organisationen bestehenden Szene ist eine fast durchgehend bedingungslose Loyalität zum türkischen Staat und seiner aktuellen Staatsführung festzustellen. Nicht im mer tritt dabei die extremistische Ideologie sofort deutlich zutage. Einzelne Protagonisten der Szene vertreten vordergründig einen moderaten, teils integrationsförderlichen Duktus, während sie auf anderen Onlinepräsenzen, teilweise unter falschem Namen, rechtsextremistische Positionen verbreiten. Mitunter schließen sich Teile der unorganisierten "Ülkücü"Be wegung in rockerähnlichen Vereinigungen oder anderen Kleinst strukturen zusammen. Diese Verbindungen sind jedoch oft nicht von langer Dauer. So spielen die eine Weile lang stärker hervor getretenen, (auch) politisch motivierten Rockergruppierungen 254 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS aktuell keine Rolle mehr. Teilweise treten ehemalige Rocker zu sammen mit anderen türkischen Rechtsextremisten als Führungs personen einer Gruppe informeller türkischer Sicherheitsleute auf, um bei Staatsbesuchen türkischer Politiker eine Kulisse zu bilden. Seit dem Besuch des türkischen Staatspräsidenten 2018 in Deutschland, bei dem diese Gruppe mit etwa 50 Personen medien wirksam in Erscheinung trat, erlebte sie jedoch einen kontinuier lichen Niedergang. V. Antisemitismus im auslandsbezogenen Extremismus Im Bereich des auslandsbezogenen Extremismus in Deutschland nimmt Antisemitismus vor allem im türkischen Rechtsextremis mus und bei extremistischen Palästinensern eine relevante Rolle ein. Bei anderen auslandsbezogenen extremistischen Phäno menen ist Antisemitismus dagegen kein ideologisches Kernele ment - häufig schon aufgrund fehlender regionaler, religiöser oder politischer Berührungspunkte. Allenfalls bei türkischen Linksex tremisten kommt es anlassbezogen zu israelfeindlichen Stellung nahmen, die jedoch nicht vorherrschend auf Religion und Ethnie, sondern auf den Territorialkonflikt mit den Palästinensern abstel len. Im April 2022 hat das BfV das aktuelle phänomenübergreifen de Lagebild Antisemitismus veröffentlicht, welches einen Gesamt überblick über die verfassungsschutzrelevanten Ausprägungen des Antisemitismus in Deutschland gibt.119 Eine Quantifizierung des antisemitisch eingestellten, auslandsbe zogenen extremistischen Personenpotenzials ist kaum möglich. Von den etwa 11.000 Anhängerinnen und Anhängern der rechts extremistischen türkischen "Ülkücü"Bewegung sind nicht alle verfestigt antisemitisch motiviert, auch wenn der Antisemitismus grundsätzlich ein Kernelement der "Ülkücü"Ideologie darstellt. Zu den Personen in Deutschland, die israelfeindlichen palästinen sischen Organisationen angehören, kam vor allem seit 2015 eine nicht näher bekannte Anzahl von Palästinensern infolge des sy rischen Bürgerkriegs hinzu. Bedingt durch ihre Sozialisation sind 119 Das Lagebild Antisemitismus ist unter www.verfassungsschutz.de abrufbar. 255 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS viele dieser Personen israelfeindlich eingestellt. Insbesondere im Internet wird antisemitische Propaganda häufig von Personen ver breitet, die keinen extremistischen Organisationen angehören. Säkulare Im Bereich der säkularen extremistischen Palästinenser ist der extremistische Hauptanknüpfungspunkt antisemitischer Agitation der Territo Palästinenser rialkonflikt mit Israel. Juden wird allenfalls die Möglichkeit einer Koexistenz in einem "Palästina" zugestanden. Rassistische Minder wertigkeitszuschreibungen sind von untergeordneter Bedeutung. "Volksfront für die Hauptakteur der in Deutschland aktiven säkularen Palästinen Befreiung Palästinas" serorganisationen ist die 1967 gegründete "Volksfront für die (PFLP) Befreiung Palästinas" (PFLP)120. Die marxistischleninistisch aus gerichtete Kaderorganisation ist ideologisch von einem starken Nationalismus geprägt. Die PFLP verfolgt das Ziel des Aufbaus eines palästinensischen Staates in den Grenzen des historischen Palästina vor Gründung des modernen Staates Israel mit Jerusalem als Hauptstadt. Dieses Ziel soll durch die Beseitigung der "zionisti schen Besatzung" realisiert werden. Die PFLP bestreitet das Existenzrecht Israels und propagiert offen den bewaffneten Kampf gegen Israel. Ihre antisemitische Agitation ist stark antizionistisch geprägt. In Deutschland leben etwa 100 organisierte Anhängerinnen und Anhänger der PFLP. Die Organisation sammelt Spendengelder zur Unterstützung ihrer Strukturen und des bewaffneten Kampfes in Nahost und versucht, neue, vermehrt junge Anhängerinnen und Anhänger unter den hier lebenden Palästinensern zu gewinnen. Ehemalige Terroristen der PFLP genießen bei der Anhängerschaft große Anerkennung und werden gezielt zur Indoktrinierung nach Deutschland eingeladen. Die PFLP pflegt Kontakte zur islamisti schen HAMAS und zur linksextremistischen "MarxistischLeninis tischen Partei Deutschlands" (MLPD). Extremistische In den letzten Jahren kam es zu einem verstärkten Zustrom säkular palästinensische eingestellter Palästinenser nach Deutschland, von denen sich eini Einzelpersonen ge vor dem Hintergrund des palästinensischisraelischen Konflikts israelfeindlich äußern. In diesen Äußerungen finden sich zum Teil auch Hinweise auf eine marxistische oder sozialrevolutionäre 120 "Popular Front for the Liberation of Palestine". 256 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS Einstellung, ohne dass eine Mitgliedschaft in der PFLP oder an deren politischen Palästinenserorganisationen festzustellen wäre. Aus diesem Milieu werden zahlreiche Aufrufe zur Gewalt gegen Juden in den sozialen Medien verbreitet. Das dieser Szene auch in Deutschland innewohnende Mobilisie rungspotenzial wurde bei den Reaktionen auf den in der ersten Jahreshälfte 2021 nach den Raketenangriffen der islamistischen HAMAS gegen Israel neu angefachten NahostKonflikt deutlich. Häufig spontane Kundgebungen erreichten schnell drei bis vier stellige Teilnehmendenzahlen. Bei diesen Protesten kam es auch zu antisemitischen und völkerverständigungswidrigen Bekun dungen. Auch in der "Ülkücü"Bewegung hat Judenfeindschaft einen be Türkischer sonderen Stellenwert. Juden werden hier wegen einer behaupte Rechtsextremismus ten biologischen Minderwertigkeit und eines vermeintlich welt ("Ülkücü"-Bewegung) umspannenden verschwörerischen Einflusses angefeindet. Hinzu tritt ein Antizionismus, der sich als einseitige Parteinahme für die Palästinenser manifestiert. Dieser Antisemitismus wird überwie gend von Personen aus der unorganisierten "Ülkücü"Szene in den sozialen Netzwerken verbreitet, die sich auf Grundlage ihrer Ideo logie offen antisemitisch äußern oder entsprechende Aussagen weiterverbreiten. 257 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS VI. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 1. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Gründung: 1978 in der Türkei Leitung/Vorsitz: Abdullah Öcalan (Vorsitzender) Gruppe von Führungskadern Anhänger in 14.500 (2020: 14.500) Deutschland: Publikationen/Medien: "Serxwebun" (Zeitung, monatlich) "Yeni Özgür Politika" (Zeitung, täglich) "Sterk TV" (TV-Sender) Betätigungsverbot in Verbotsverfügung des Bundesministers Deutschland: des Innern vom 22. November 1993; das Verbot bezieht sich auch auf alle späteren Umbenennungen: "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" ("Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane" - KADEK) "Volkskongress Kurdistans" ("Kongra Gele Kurdistan" - KONGRA GEL) "Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan" ("Koma Komalen Kurdistan" - KKK) "Union der Gemeinschaften Kurdistans" ("Koma Civaken Kurdistan" - KCK) Jugendorganisation: "Komalen Ciwan"/"Tevgera Ciwanen Soresger" (TCS) 258 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS Die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) ist die mitgliederstärkste und bedeutendste Kurdenorganisation. Als solche propagiert sie für sich einen Alleinvertretungsanspruch für die politischen und gesellschaftlichen Anliegen aller Kurdinnen und Kurden. Zentrale Forderungen der PKK sind die Anerkennung der kurdischen Identität sowie unter Aufrechterhaltung nationaler Grenzen eine politische und kulturelle Autonomie der Kurden in ihren Siedlungsgebieten, vor allem in der Türkei und verstärkt auch in Syrien. Daneben konzentrieren sich die politischen Forderungen der PKK auf die Freilassung ihres seit 1999 inhaftierten Gründers Abdullah Öcalan beziehungsweise auf die Verbesserung seiner Haftbedingungen. Ein wesentlicher Schwerpunkt der PKK-Aktivitäten in Deutschland ist die logistische und finanzielle Unterstützung der Gesamtorganisation. Diesem Zweck dienen Spendenkampagnen und Großveranstaltungen, die auch dazu genutzt werden, weitere Anhänger für die Parteiarbeit und für den aktiven Guerillakampf zu gewinnen. Eine wesentliche Forderung der PKK-Anhänger in Deutschland ist die Aufhebung des im Jahr 1993 gegen die Organisation verfügten Betätigungsverbots. 259 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS 1.1 "Komalen Ciwan"/"Tevgera Ciwanen Soresger" (TCS) Gründung: 2005/2013 Publikationen/Medien: "Sterka Ciwan" (Zeitschrift, monatlich) Die Jugendorganisation der PKK trägt nach mehreren Umbenennungen seit 2005 die Bezeichnung "Komalen Ciwan". Parallel dazu wurde im April 2013 die "Ciwanen Azad" gegründet, die seit Oktober 2018 unter dem Namen "Tevgera Ciwanen Soresger" (TCS) auftritt. Die TCS und die "Komalen Ciwan" bestehen parallel nebeneinander und umfassen denselben Personenkreis. Während TCS als offizielle Bezeichnung für die Jugend der PKK und als legaler europäischer Dachverband fungieren soll, wird die Bezeichnung "Komalen Ciwan" nur noch im Zusammenhang mit in der breiten Öffentlichkeit negativ aufgefassten Aktionen kurdischer Jugendlicher genutzt (z.B. Werbung für die PKK-Guerilla oder bei Straftaten). Der TCS sollen dagegen ausschließlich positive Schlagzeilen zugeschrieben werden (z.B. die Durchführung von friedlichen Demonstrationen). Schwerpunkt der Aktivitäten bilden Kundgebungen und Veranstaltungen mit Bezug zur PKK oder zur Lage in den kurdischen Siedlungsgebieten, welche die Jugendorganisation selbst durchführt oder zu denen sie ihre Anhänger mobilisiert. Darüber hinaus ist die PKK-Jugend verantwortlich für anlassbezogene Strafund Gewalttaten in Deutschland (z.B. Brandanschläge auf türkische Einrichtungen) sowie für die Rekrutierung von Personen für den bewaffneten Kampf der PKK-Guerilla. 260 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS 1.2 "Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland e.V." (KON-MED) Gründung: Mai 2019 Leitung/Vorsitz: bis Mai 2021: Leyla Acar und Tahir Köcer ab Juni 2021: Zübeyde Zümrüt und Engin Sever Regionale "Demokratisches Gesellschaftszentrum Untergliederungen: der KurdInnen in Norddeutschland e.V." (FED-DEM)121 "Freie Kurdistan Föderation Ostdeutschland" (FED-KURD)122 "Föderation der Freiheitlichen Gesellschaft Mesopotamiens in NRW e.V." (FED-MED)123 "Föderation der demokratischen Gesellschaften Kurdistans e.V." (FCDK-KAWA)124 "Föderation der Gesellschaften Kurdistans e.V." (FCK)125 Die "Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland e.V." (KON-MED) ist die Dachorganisation der PKK-nahen Vereine in Deutschland. Ihr sind fünf regionale Föderationen nachgeordnet, welche den örtlichen Vereinen in Norddeutschland (FED-DEM), Ostdeutschland (FED-KURD), Nordrhein-Westfalen (FED-MED), Hessen und Saarland (FCDK-KAWA) sowie Baden-Württemberg und Bayern (FCK) vorstehen. Im Sinne der PKK mobilisiert die KON-MED gemeinsam mit ihren Untergliederungen zu Veranstaltungen und Kundgebungen und beteiligt sich an der Öffentlichkeitsund Kampagnenarbeit. 121 "Federasyona Civaka Demokratik a Kurdistaniyen li Bakure Almanya". 122 "Federasyona Kurdistaniyen Azad li Rojhilate Almanya". 123 "Federasyona Civaken Azad yen Mezopotamya li NRW". 124 "Federasyona Civaka Demokratik a Kurdistaniyan". 125 "Federasyona Civaken Kurdistani". 261 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS 2. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) Gründung: 30. März 1994 in Damaskus (Syrien) Leitung/Vorsitz: Gruppe von Führungskadern Anhänger in 650 (2020: 650) Deutschland: Publikationen/Medien: "Halk Okulu" (wöchentlich) "Devrimci Sol" (jährlich) "Bizim Genclik" (unregelmäßig) "DHKC Milis" (unregelmäßig) Organisationsverbot in Verbotsverfügung des Bundesministers Logo "Dev Genc" Deutschland: des Innern vom 6. August 1998; hierunter fällt auch ein Verbreitungsverbot für die ehemalige Wochenzeitschrift "Yürüyüs" Tarnbezeichnungen: "Volksfront" ("Halk Cephesi") "Volksrat" ("Halk Meclisi") Jugendorganisation: "Devrimci Genclik" (kurz: "Dev Genc") Der ideologische Leitgedanke der "Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) ist die Errichtung eines sozialistischen Gesellschaftssystems durch gewaltsame Beseitigung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung der Türkei. Zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele hält die DHKP-C an der Durchführung von Terroranschlägen in der Türkei fest. Einrichtungen des türkischen Staates bleiben dabei vorrangige Angriffsziele. In Deutschland leisten Anhänger der DHKP-C als sogenannte Rückfront logistische, finanzielle und propagandistische Unterstützung. Ein wichtiges Propagandainstrument ist die der DHKP-C zuzurechnende Musikgruppe "Grup Yorum", über deren Konzerte die Organisation ihre Ideologie verbreitet und Gelder generiert. 262 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS 3. "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP-ML)126 Gründung: 2019/2020 Leitung/Vorsitz: Gruppe von Führungskadern Anhänger in 650 Deutschland: Publikationen/Medien: "Özgür Gelecek" (Zeitung/Zeitschrift, 14-täglich) Umfeldorganisationen: "Konföderation der ArbeiterInnen aus der Türkei in Europa" (ATIK)127 "Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V." (ATIF)128 "Neue Frau" ("Yeni Kadin") Jugendorganisation: "Neue Demokratische Jugend" (YDG)129 Die maoistisch ausgerichtete "Türkische Kommunistische ParteiMarxisten Leninisten" (TKP-ML) steht in der Nachfolge der im April 1972 von Ibrahim Kaypakkaya gegründeten "Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML). Sie strebt in der Türkei die gewaltsame Zerschlagung des bestehenden Gesellschaftssystems und die Errichtung einer kommunistischen Diktatur an. Interne Streitigkeiten führten zu einer Spaltung der TKP/ML, die in den Jahren 2019/2020 zwei eigenständige Organisationen mit nahezu gleichen Bezeichnungen hervorbrachte: die TKP-ML und die neue "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML; vgl. Nr. 4). Deutschland wird von der TKP-ML als Ruheund Rückzugsraum genutzt. Ihre Anhänger leisten hier propagandistische, logistische und finanzielle Unterstützung. Ereignisse in der Türkei werden von der Organisation in Deutschland propagandistisch aufgegriffen. Anlassbezogen arbeitet die TKP-ML mit anderen türkischen und deutschen linksextremistischen Organisationen zusammen. 126 "Türkiye Komünist Partisi - Marksist Leninist". 127 Avrupa Türkiyeli Isciler Konfederasyonu 128 Almanya Türkiyeli Isciler Federasyonu 129 Yeni Demokratik Genclik 263 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS 4. "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML)130 Gründung: 2019/2020 Leitung/Vorsitz: Gruppe von Führungskadern Mitglieder/Anhänger 150 in Deutschland: Publikationen/Medien: "Yeni Demokrasi" (Zeitung/Zeitschrift, 14-täglich) Umfeldorganisationen: "Verband der Werktätigen MigrantInnen in Europa" (AGEB)131 "Lila-Rot-Kollektiv" ("Mor-Kizil Kolektif", Frauenorganisation) Jugendorganisation: "Jugendinitiative Partizan/MarxistenLeninisten-Maoisten" (PGI/MLM)132 Die maoistisch ausgerichtete "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) steht wie die TKP-ML (vgl. Nr. 3) in der Nachfolge der 1972 gegründeten gemeinsamen Vorgängerorganisation "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML). Deren Spaltung führte in den Jahren 2019/2020 zum Entstehen der neuen TKP/ML und der TKP-ML. An der ideologischen Grundlage hat sich nichts geändert. Die neue TKP/ML ist weiterhin fest im ideologischen Fundament des gemeinsamen Vordenkers Ädegbrahim Kaypakkaya verankert. So strebt auch die TKP/ML in der Türkei die gewaltsame Zerschlagung des bestehenden Gesellschaftssystems und die Errichtung einer kommunistischen Diktatur an. Deutschland wird von der TKP/ML als Ruheund Rückzugsraum genutzt. Ihre Anhänger leisten hier propagandistische, logistische und finanzielle Unterstützung. 130 "Türkiye Komünist Partisi/MarksistLeninist". 131 "Avrupa Göcmen Emekciler Birligi". 132 "Partizan Genclik Inisiyatifi/MarksistLeninistMaoist". 264 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS 5. "Marxistische Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP)133 Gründung: 1994 in der Türkei Leitung/Vorsitz: Funktionärsgruppe Mitglieder/Anhänger 600 (2020: 600) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Atilim" (Zeitung, wöchentlich) Umfeldorganisationen: "Konföderation der unterdrückten Migranten in Europa" (AvEG-Kon)134 "Föderation der Arbeitsimmigrant/innen in Deutschland e.V." (AGIF)135 Jugendorganisation: "Young Struggle" (YS) Die "Marxistische Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) strebt in der Türkei die gewaltsame Zerschlagung der staatlichen Ordnung und die Errichtung eines kommunistischen Gesellschaftssystems an. Dabei versteht sie sich als politische Vorhut des Proletariats der türkischen und kurdischen Nation sowie der nationalen Minderheiten. Zur Erreichung ihrer Ziele bedient sich die MLKP in der Türkei auch terroristischer Mittel. In Deutschland agiert die MLKP nicht offen, sondern mittels ihrer Umfeldorganisationen. Mit Kampagnen und Kundgebungen gedenkt die Organisation ihrer für die Revolution gestorbenen "Märtyrer" und unterstützt propagandistisch den gewaltsamen Kampf in der Türkei. Weiteres Betätigungsfeld ist die Gewinnung neuer Mitglieder und das Sammeln von Geldern. Anstelle ihrer "Kommunistischen Jugendorganisation" (KGÖ)136 ist für die MLKP in Deutschland "Young Struggle" (YS) aktiv. Die Organisation wurde 2010 in Stuttgart (Baden-Württemberg) als Dachverband für alle MLKP-Jugendorganisationen in Europa gegründet. Über die Instrumentalisierung von Themen wie zum Beispiel Klimaund Umweltschutz bemüht sich YS um die Gewinnung neuer Mitglieder. 133 "Marksist Leninist Komünist Parti". 134 "Avrupa Ezilen Göcmenler Konfederasyonu". 135 "Almanya Göcmen Isciler Federasyonu". 136 "Komünist Genclik Örgütü". 265 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS 6. "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) Gründung: 1978 in Frankfurt am Main (Hessen) Sitz: Frankfurt am Main Leitung/Vorsitz: Sentürk Dogruyol Mitglieder/Anhänger 7.000 (2020: 7.000) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Bülten" (Zeitung/Zeitschrift, unregelmäßig) Die "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) vertritt in Deutschland die Interessen der extrem nationalistischen türkischen "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP) - der Hauptorganisation der rechtsextremistischen "Ülkücü"-Bewegung. Deren extrem nationalistische bis rechtsextremistische Ideologie wird auch von der ADÜTDF geteilt. Der streng hierarchisch organisierte Verband hat Deutschland organisatorisch in 13 "Bölge" ("Gebiete") eingeteilt, in denen er rund 160 Vereine unterhält. 266 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS 7. "ATIB - Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V." (ATIB) Gründung: 1987 Sitz: Köln (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Durmus Yildirim Mitglieder/Anhänger 1.200 (2020: 1.200) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Referans" (Zeitschrift, zweimonatlich) Die "ATIB - Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V." (ATIB) hat sich 1987 von der heutigen ADÜTDF (vgl. Nr. 6) abgespalten, ohne sich in der Folge ideologisch neu auszurichten. Sie steht mit ihren 25 Ortsvereinen in Deutschland für einen stärker islamisch orientierten Teil der rechtsextremistischen "Ülkücü"-Bewegung. 267 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS 8. "Föderation der Weltordnung in Europa" (ANF) Gründung: 1994 Sitz: Ludwigshafen am Rhein (Rheinland-Pfalz) Leitung/Vorsitz: Erol Yazicioglu Mitglieder/Anhänger 1.200 (2020: 1.200) in Deutschland: Bei der "Föderation der Weltordnung in Europa" (ANF) handelt es sich um die Europaorganisation der extrem nationalistischen türkischen "Partei der Großen Einheit" (BBP). Die BBP ist eine stärker islamisch ausgerichtete Abspaltung der MHP (vgl. Nr. 6) und versteht sich selbst als Teil der "Ülkücü"-Bewegung. Wie ihre Mutterorganisation ist auch die ANF der rechtsextremistischen "Ülkücü"Bewegung zuzurechnen. Innerhalb dieser vertritt sie die ideologische Strömung, die ihre nationalistischen Überlegenheitsvorstellungen am stärksten mit der Bedeutung des islamischen Glaubens verknüpft. Ihre Anhänger sind in Deutschland auf lokaler Ebene in etwa 15 Ortsvereinen organisiert. 268 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS 9. "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) Gründung: 1967 Sitz: Damaskus (Syrien) Leitung/Vorsitz: Generalsekretär Ahmad Sa'adat (in Israel inhaftiert); Vertreter: Abu Ahmad Fuad Mitglieder/Anhänger 100 (2020: 100) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Al-Hadaf" (früher als Zeitung, heute Onlinepublikation) Seit ihrer Gründung im Jahr 1967 zählt die marxistisch-leninistisch geprägte "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP) zum Spektrum der terroristischen palästinensischen Organisationen. Die PFLP lehnt die Existenz des Staates Israel ab. Sie verfolgt das Ziel eines palästinensischen Staates in den Grenzen des historischen Palästina vor Gründung des modernen Staates Israel mit einem ungeteilten Jerusalem als Hauptstadt. Dazu propagiert die PFLP den bewaffneten Kampf und sucht den Schulterschluss mit anderen Organisationen, die den Staat Israel bekämpfen, wie "Hizb Allah" und HAMAS (vgl. Berichtsteil Islamismus/islamistischer Terrorismus, Kap. VIII, Nr. 11 und 12). Anhänger der PFLP begehen nach wie vor terroristische Anschläge, bei denen es zum Teil auch Todesopfer gibt. Auch hierbei offenbart die PFLP - entgegen ihres nach außen propagierten Selbstbildes - ihren antisemitischen Charakter, indem sie Anschläge gezielt gegen jüdische Israelis richtet. In Deutschland ist die PFLP nicht terroristisch tätig. Die hier aktiven Anhänger verbreiten insbesondere israelfeindliche Propaganda und versuchen, politische Unterstützung zu generieren. Die PFLP unterhält auch Kontakte zum deutschen Linksextremismus, vor allem zur "Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands" (MLPD; vgl. Berichtsteil Linksextremismus, Kap. VI, Nr. 8) sowie zum "antiimperialistischen" Spektrum (vgl. Berichtsteil Linksextremismus, Kap. III, Nr. 2.3). 269 AUSLANDSBEZOGENER EXTREMISMUS 10. Extremistisches/terroristisches Sikh-Spektrum Mitglieder/Anhänger 400 (2020: 400) in Deutschland: Relevante Organisatio"Babbar Khalsa International" (BKI) nen in Deutschland: "Babbar Khalsa Germany" (BKG) Die in Pakistan ansässigen separatistisch-terroristischen Sikh-Organisationen streben die Gründung eines eigenen Sikh-Staates "Khalistan" ("Land der Reinen") auf dem Gebiet des indischen Bundesstaates Punjab an. Zur Erreichung dieses Zieles wenden diese Organisationen sowohl politische als auch terroristische Mittel an. Durch gezielte Anschläge auf indische Politiker, militärische Einrichtungen insbesondere im Punjab und Religionsführer aus der Glaubensgemeinschaft der Sikhs, die aus Sicht dieser Organisationen nicht den orthodoxen Glauben verbreiten, destabilisieren sie gezielt die Sicherheitslage in Indien. Terroranschläge werden häufig an schlecht oder gar nicht geschützten Orten wie öffentlichen Plätzen oder Einrichtungen durchgeführt, wobei auch Opfer unter der Zivilbevölkerung in Kauf genommen werden. Von den schätzungsweise etwa 10.000 bis 15.000 in Deutschland lebenden Sikhs werden etwa 400 Personen dem extremistischen Sikh-Spektrum zugerechnet. Sie sind hierzulande nicht terroristisch aktiv, unterstützen aber den Separationskampf der Sikhs in Indien vor allem mit propagandistischen Mitteln. Auf internationaler politischer Ebene setzen sie sich für in Indien inhaftierte "KhalistanAktivisten" ein. Mit regelmäßig stattfindenden Kundgebungen vor den diplomatischen Vertretungen der Republik Indien protestieren Anhänger extremistischer Sikh-Organisationen auch hierzulande gegen die Regierungspolitik Indiens gegenüber den Sikhs - bisher ausschließlich gewaltfrei. Im Kampf für "Khalistan" gestorbene Sikhs werden bei Gedenkveranstaltungen in den über 40 in Deutschland bestehenden SikhTempeln ("Gurdwaras") als "Märtyrer" verehrt. Deren Familien erfahren Unterstützung von den in Deutschland tätigen extremistischen Sikh-Organisationen. Diese führen in den Tempeln regelmäßig Spendengeldsammlungen durch und leiten Teile der gesammelten Gelder den Familien der "Märtyrer" zu. 270 Spionage, Cyberangriffe und sonstige sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Aktivitäten für eine fremde Macht 271 Spionage, Cyberangriffe und sonstige sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Aktivitäten für eine fremde Macht I. Überblick und Entwicklungstendenzen EntwicklungsDie zunehmend komplexeren Spionageaktivitäten fremder Mäch tendenzen in der te sind eine ernsthafte Bedrohung Deutschlands und deutscher Spionage Interessen. Fremde Mächte setzen gegenüber der Bundesrepublik Deutschland ihre Nachrichtendienste und weitere ihnen zur Ver fügung stehende Mittel ein, um so Informationen zu erlangen, Ein fluss auszuüben und ihre Interessen zu verfolgen. Hohe Gefährdung Mit seiner aktiven Rolle in EU, NATO und anderen internationa durch fremde len Organisationen ist Deutschland Ziel vielfältiger politischer Nachrichtendienste Spionage. Unternehmen und Forschungseinrichtungen stehen im Fokus von Wirtschafts und Wissenschaftsspionage fremder Nach richtendienste. Eine besonders ernst zu nehmende Gefährdung bergen sogenannte staatsterroristische Aktivitäten, bei denen aus ländische Nachrichtendienste oder von fremden Staaten gesteuer te andere Strukturen zentrale Akteure sind. Spionage, unzulässige ausländische Einflussnahme und Staatsterro rismus haben erhebliche negative Auswirkungen für Deutschland. Außenpolitische Verhandlungspositionen können geschwächt, freie Meinungs und Willensbildungsprozesse beeinflusst werden. Die Ausforschung und Unterwanderung oppositioneller Gruppen aus Drittstaaten durch ausländische Dienste in Deutschland ver ursacht nicht nur ein Klima der Angst; sie stellt auch eine Gefahr für Leib und Leben dar. Das rechtswidrige Agieren fremder Nach richtendienste beeinträchtigt zudem die nationale Souveränität Deutschlands, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und verur sacht erhebliche betriebs und volkswirtschaftliche Schäden. Proliferation Die Aktivitäten fremder Mächte umfassen auch das Beschaffen von Knowhow und Produkten zur Entwicklung und Herstellung von Massenvernichtungswaffen und Trägertechnologien. Regionale Konflikte und rüstungspolitische Ambitionen, auch im Weltraum, treiben verschleierte staatliche Beschaffungsaktivitäten voran. 272 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Die Hauptakteure der gegen Deutschland gerichteten Spionage, Vier Hauptakteure für nachrichtendienstlich gesteuerte Cyberangriffe, Proliferation und Einflussnahme sind mit jeweils unterschiedlichen Schwer punkten die Russische Föderation, die Volksrepublik China, die Islamische Republik Iran und die Republik Türkei. Nachrichtendienstlich gesteuerte Cyberangriffe gegen Stellen in Bundestagswahl 2021 Politik und Verwaltung im zeitlichen Umfeld von Wahlen können Vorbereitungshandlungen sein für Veröffentlichungen erbeuteter Informationen mit dem Ziel, damit auf die öffentliche Meinungs bildung Einfluss zu nehmen. Daher bestand 2021 für die Bundes tagswahl wie auch für die fünf Landtagswahlen grundsätzlich eine erhöhte abstrakte Gefährdungslage. Cyberaktivitäten sowie Des information galten als die wahrscheinlichsten Bedrohungsszena rien. Konkrete Beeinträchtigungen konnten jedoch nicht festge stellt werden. Im Vorfeld der Bundestagswahl wurde zudem deutlich, dass einige Staaten ihren Medienapparat einschließlich dessen Kanäle in so zialen Medien nutzten, um gegen bestimmte Parteien und Perso nen tendenziös und verschärft zu agieren. Bereits seit Beginn der Coronapandemie gaben solche Medienformate polemischer Re gierungskritik breiten Raum mit dem Ziel, populistische Narrative zu etablieren. 2021 waren intensive Angriffsaktivitäten des Cyberakteurs Ghost Cyberangriffswriter in Deutschland zu beobachten. Ghostwriter verbindet Cy kampagne berspionageangriffe mit Desinformations und Einflussnahme Ghostwriter operationen. Neben der im Ausland beobachteten Verbreitung von Falschinformationen griff der Akteur EMailKonten einzel ner Personen im politischen Raum an, um Zugriff auf persönliche Informationen oder Passwörter zu erhalten. Auch in Deutschland gelang es ihm, Zugangsdaten zu EMailKonten zu erbeuten. Der betroffene Personenkreis wurde gemeinsam durch das BfV und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sensibilisiert. Mit der Analyse von Cyberangriffen und durch fremde Staaten Zusammenarbeit im gesteuerten APT137Gruppierungen ist das BfV ein wichtiger be Cyber-AZ 137 APT steht für "Advanced Persistent Threat" (etwa "fortgeschrittene andauernde Be drohung") und bezeichnet einen komplexen, zielgerichteten und effektiven Angriff auf ITStrukturen durch einen gut ausgebildeten und ressourcenstarken Angreifer. 273 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN hördlicher Partner in der deutschen Cybersicherheitsarchitektur. Die Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Behör den ist ein wichtiger Bestandteil, um Cyberangriffe umfassend aufzuklären. Im Nationalen CyberAbwehrzentrum erfolgt ein stetiger Informationsaustausch zwischen den für Cybersicherheit zuständigen Behörden, um der hohen Bedrohungslage durch Cy berangriffe wirkungsvoll zu begegnen. Hybride Bedrohungen Im Rahmen von sogenannten hybriden Bedrohungen greifen Akteure zentral gesteuert und in der Regel unter gezielter Ver schleierung der Herkunft Institutionen demokratischer Staaten an, wirken auf deren Funktionsweisen ein und nutzen systemische Schwächen gezielt aus, um so Entscheidungsprozesse zu beein flussen oder zu stören. Dabei setzen fremde Staaten sämtliche Ka pazitäten ihrer Nachrichtendienste ein, nutzen aber auch andere staatliche Stellen oder staatlich beeinflusste Organisationen. Zur Einflussnahme auf die öffentliche Meinungs und Willensbildung kann es neben dem Einsatz von Medienapparaten auch zu soge nannten HackandLeakOperationen kommen, bei denen durch Cyberangriffe erbeutete Daten gezielt veröffentlicht werden, aber auch zum Einsatz von sogenannten Deepfakes138. Fernmeldeaufklärung Im Bereich der technischen Aufklärung nutzen ausländische Nachrichtendienste ihre jeweiligen Botschaftsgebäude im Zen trum Berlins auch zur Überwachung von Kommunikationsver bindungen (z.B. Gespräche mit Mobiltelefonen, WLAN und Blue toothVerbindungen). Insbesondere im Regierungsviertel muss mit derartigen Spionagemethoden gerechnet werden. 138 Mit dem Begriff Deepfakes bezeichnet man unter Zuhilfenahme von KI manipu lierte Medieninhalte. Die bearbeiteten Inhalte können von Bildern und Audioinhal ten bis hin zu Videos reichen. Deepfakes werden genutzt, um bestimmten Personen Aussagen und Handlungen zuzuschreiben, die sie so tatsächlich nicht getätigt ha ben. Dies kann dazu genutzt werden, um Desinformation zu verbreiten oder auch andererseits die betroffene Person selbst zu diskreditieren. Insofern stellt die Nut zung von Deepfakes eine neue Dimension der Verbreitung von Desinformation dar, die auch geeignet ist, von staatlichen Akteuren entsprechend eingesetzt zu werden. 274 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN II. Nachrichtenund Sicherheitsdienste der Russischen Föderation Die Nachrichtendienste der Russischen Föderation sind ein fester Bestandteil der staatlichen Sicherheitsarchitektur und mit um fangreichen Befugnissen ausgestattet. Ziel der politischen Spionageaktivitäten der Dienste ist es, ihrer Regierung Einblick in Positionen der deutschen Seite zu ermög lichen. Die nachrichtendienstliche Aufklärung zielt auf die Infor mationsgewinnung - auch mit Blick auf bestehende und etwaige künftige Sanktionen - und eine Stärkung des Einflusses Russlands in Europa ab. Zudem setzt der Kreml seine Einflussnahmeaktivi täten in Deutschland mittels verschiedener Vorgehensweisen fort. 1. Zielbereiche und Schwerpunkte der Informationsbeschaffung Die Aktivitäten russischer Nachrichtendienste in Deutschland be wegen sich seit vielen Jahren unverändert auf hohem Niveau. Die Spionageaktivitäten erstrecken sich mit unterschiedlicher Intensi tät auf die Zielbereiche Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Technik sowie Militär. Im Berichtszeitraum führten die Abwehrmaßnahmen der Spio nageabwehr des BfV in mehreren Fällen zu Ermittlungsverfah ren der Generalbundesanwaltschaft (GBA). So erfolgte im Juni 2021 in Augsburg (Bayern) die Festnahme eines wissenschaftli chen Mitarbeiters der dortigen Universität wegen mutmaßlicher geheimdienstlicher Agententätigkeit.139 Ein weiterer Fall war die Verhaftung eines Mitarbeiters der britischen Botschaft in Berlin im August 2021, der im Verdacht steht, Dokumente an einen russi schen Nachrichtendienst übergeben zu haben. Ende Oktober 2021 verurteilte das Kammergericht Berlin einen deutschen Staatsange hörigen wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu einer Frei heitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Nach Auffassung des Gerichts hatte er sensible Daten über Bundestagsgebäude an einen russischen Nachrichtendienst weitergegeben. 139 Am 13. April 2022 verurteilte das Oberlandesgericht (OLG) München (Bayern) den Beschuldigten wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung. 275 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Politische Spionage Im Blickpunkt der russischen Nachrichtendienste stehen sämtli che Politikfelder, die einen möglichen Bezug zu Russland haben. Insbesondere die Bündnispolitik, aber auch die Außen und Wirt schaftspolitik sind wesentliche Aufklärungsfelder. Mit Blick auf die deutsche Innenpolitik versuchen die russischen Dienste, Infor mationen zu parteipolitischen Strukturen und Entwicklungspro zessen, zu inhaltlichen Positionen einzelner Parteien sowie - im Wahljahr 2021 - zur Einschätzung von Wahlergebnissen und mög lichen Regierungskoalitionen zu erlangen. Bei der Aufklärung außenpolitischer Themenfelder sind - wie in den vergangenen Jahren - von vorrangigem Interesse die deutsche Rolle in EU und NATO sowie die (sicherheits)politischen Ziele die ser Bündnisse, insbesondere in Spannungsregionen und die diesbe zügliche Haltung gegenüber Russland. Die russischen Nachrichten dienste konzentrieren ihre Informationsbeschaffung speziell darauf, welche möglichen Verhandlungspositionen vom Westen einge nommen werden beziehungsweise mit welchen Gegenmaßnahmen in politischer oder wirtschaftlicher Hinsicht zu rechnen ist. EU-Sanktionen Besonders im Fokus steht die Gewinnung von Informationen zu europäischen Diskussionsprozessen und möglichen divergieren den Haltungen vor dem Hintergrund der fortbestehenden und verschärften EUSanktionen, nicht nur im Wirtschafts und Han delsbereich, gegen die Russische Föderation. Ein weiterer Schwerpunkt russischer Spionage bleibt die deutsche und europäische Energiepolitik. Fragen der Energieversorgung sind, gerade für Russland als Exporteur fossiler Brennstoffe, von besonderer Bedeutung. 2. Methodik der Informationsgewinnung Legalresidenturen Spionageaktivitäten russischer Nachrichtendienste gehen häu fig von sogenannten Legalresidenturen aus. Diese sind über das gesamte Bundesgebiet verteilt und in offiziellen diplomatischen und konsularischen Vertretungen untergebracht. Die russischen Nachrichtendienstangehörigen versuchen, unter Ausnutzung ihrer diplomatischen Abdeckung mit konspirativen Methoden, aber auch mittels harmlos wirkender Kontaktpflege - sogenann ter Gesprächsabschöpfung - Hintergrundwissen zu deutschen 276 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Positionen zu gewinnen, insbesondere im politischen, militäri schen und wirtschaftlichen Bereich. Zusätzlich spielen soziale Netzwerke eine zunehmende Rolle bei der Anbahnung von Kon takten oder einer offenen Abschöpfung. Neben der Informationsbeschaffung aus den Legalresidenturen Zentrale Steuerung führen die russischen Nachrichtendienste Operationen durch, die ausschließlich aus den Zentralen der Dienste in Moskau erfolgen oder unmittelbar von dort gesteuert werden. Hierzu zählt auch der Einsatz sogenannter Illegaler, mit falscher Identität eingeschleuste Personen, die für Nachrichtendienste aktiv sind. In Russland selbst nehmen die Nachrichtendienste gezielt deut Gefährdung im sche Staatsangehörige ins Visier, die sich für längere Zeit beruflich Ausland oder privat dort aufhalten oder regelmäßig dorthin reisen. Dazu zählen insbesondere Angehörige diplomatischer Vertretungen und anderer Behörden oder Firmen, aber auch Wissenschaftlerin nen und Wissenschaftler oder Studierende. Die russischen Nachrichtendienste nutzen hierzu die breite Palette der Überwachungsmöglichkeiten Russlands, von den Grenzkon trollen über die Beobachtung von Auslandsvertretungen bis hin zu den Kontrollmöglichkeiten im wirtschaftlichen und wissenschaft lichen Bereich. Sofern die gewonnenen Informationen die Ziel personen kompromittieren können, scheuen die Dienste auch vor aggressiven Anwerbungsversuchen nicht zurück. 3. Einflussnahme und Desinformation Zusätzlich zu seinen Spionageinteressen ist Russland weiterhin Vielfältige bestrebt, die politische und öffentliche Meinung in Deutschland Instrumente durch die Verbreitung von Propaganda, Desinformation und wei tere Einflussnahmeversuche zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Wichtige Werkzeuge sind dabei soziale Netzwerke, staatlich ge förderte und private Institute (z.B. Thinktanks), einzeln agierende Einflussakteure sowie russische Staatsmedien. Diese weltweit sendenden TV, Radio und Internetkanäle streuen gezielt Narrative im Sinne der russischen Führung und kaschieren ihre Aktivitäten durch ein Auftreten als "autonome, gemeinnützi ge Organisation" beziehungsweise als Medium mit einem "anderen 277 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Blick" und versuchen so, sich als "offen und fair" arbeitend darzu stellen. Einflussnahme Ziel der russischen Bemühungen ist die Schwächung der Bundes über den regierung, um russische geostrategische und politische Ziele durch Informationsraum zusetzen. Zu diesem Zweck werden bewusst kontroverse Themen mit Spaltungspotenzial aufgegriffen, um den politischen Diskurs zu polarisieren, die Bundesregierung zu diskreditieren und das Ver trauen der Bevölkerung in staatliche Stellen zu untergraben. Im Fo kus der Berichterstattung durch die russischen Staatsmedien stand 2021 erneut die Coronapandemie. Die tendenziöse Berichterstat tung verstärkte das Narrativ, die Bundesregierung nutze die Coro napandemie systematisch zur Einschränkung der Grundrechte und Errichtung eines Überwachungsstaates aus. Die russische Strategie zielt außerdem darauf, die Allianzen der westlichen Bündnispart ner, insbesondere EU und NATO, zu spalten. Darüber hinaus stell ten russische Akteure - wie in den vergangenen Jahren - die NATO und die USA als Bedrohung für Russland und den Weltfrieden dar. 4. Cyberangriffe Die russischen Nachrichtendienste nutzen in großem Umfang Cy berangriffe; dabei stellen die geopolitischen Interessen Russlands die treibende Kraft dar. Die beobachteten Angriffsoperationen sind in der Regel auf Informationsbeschaffung ausgerichtet. Solche Cy berspionageoperationen sollen vor allem der Stärkung der inneren und äußeren Sicherheit Russlands, der Sicherung strategischen Einflusses sowie der Förderung russischer Militär und Energie exporte und russischer Spitzentechnologie dienen. Derartige Ak tivitäten können sich konkret gegen einzelne Personen richten wie auch gegen ganze Staaten, um politische und gesellschaftliche Spannungen zu verstärken oder das Vertrauen in staatliche Stellen zu unterminieren. Darüber hinaus zeigen russische Nachrichten dienste bei einzelnen Cyberangriffsoperationen auch die Bereit schaft zur Sabotage. Vielfältige Ziele von Russische Cyberangriffe richten sich überwiegend gegen Regie Cyberangriffen rungsstellen, Parlamente und Personen in der Politik, gegen Streit kräfte, Medien, supranationale Organisationen, internationale Wirtschaftsunternehmen sowie Wissenschafts und Forschungs einrichtungen und politische Stiftungen. 278 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Sowohl der Inlandsnachrichtendienst FSB, der militärische Aus landsnachrichtendienst GRU als auch der zivile Auslandsnachrich tendienst SWR (vgl. Kapitel X. Nr. 1) führen mithilfe verschiedener Hackergruppierungen Cyberoperationen durch, welche sich in Teilen durch eine hohe technische Qualifikation auszeichnen. Die Aktivitäten einzelner Gruppen lassen sich mitunter über eine Zeit spanne von mehr als fünfzehn Jahren zurückverfolgen. Russische APTGruppierungen beherrschen eine große Bandbreite Komplexe unterschiedlicher, teils schwierig aufzuklärender Angriffsmetho Angriffsmethoden den. Insgesamt geht das BfV von einer hohen Dunkelziffer nicht erkannter, qualitativ sehr hochwertiger Cyberangriffe aus. APT 28 (auch als Sofacy, Fancy Bear, Pawn Storm oder Sednit be APT 28 kannt) ist eine russische Angriffsgruppierung, die seit mindestens 2004 weltweit aktiv ist. Zu ihrem Tätigkeitsprofil zählen neben Spionageangriffen auch Desinformations und Propagandakam pagnen im Cyberraum. APT 28 war auch 2021 weltweit aktiv; primär gegen politische Organisationen. So wurden wiederholt Cyberangriffe gegen politische Stiftungen in Deutschland festge stellt. APT 28 zählt weiterhin zu den aktivsten und gefährlichsten Cyberakteuren weltweit. Eine weitreichende Cyberangriffskampa gne, unter anderem gegen Ziele in Deutschland, wurde Anfang Juli 2021 öffentlich APT 28 zugeschrieben. Bei der APTGruppierung Snake (auch als Uroburos oder Turla Snake bekannt) handelt es sich um eine äußerst klandestin vorgehende, technisch sehr versierte Gruppierung mit internationaler Zielaus wahl, die mindestens seit dem Jahr 2005 aktiv ist. Die ausgewähl ten Ziele stehen regelmäßig im staatlichen Aufklärungsinteresse Russlands. Angriffe erfolgen sehr zielgerichtet und passgenau; bei hochwertigen Zielen geht die Gruppierung besonders ausdauernd und vorsichtig vor. Infektionen werden oftmals über lange Zeit räume aufrechterhalten, bis eine weitere Ausbreitung im Netzwerk des Opfers und eine Datenausleitung erfolgen. Der vornehmliche Fokus liegt auf Außenministerien und diplomatischen Vertretun gen, sonstigen Regierungseinrichtungen sowie supranationalen Organisationen. Weitere zuletzt bekannt gewordene Aufklärungs ziele waren weltweit unter anderem militärische Ziele, Polizei und Grenzschutzbehörden, Organisationen der Entwicklungszusam menarbeit sowie mehrere Technologieunternehmen. 279 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN APT 29 APT 29 (auch als Cozy Bear oder The Dukes bekannt) ist eine An greifergruppierung, die seit mindestens 2008 agiert und bereits Ziele in Deutschland angegriffen hat. Ende Dezember 2020 wurde öffentlich bekannt, dass die Gruppierung ein SoftwareUpdate des USamerikanischen Unternehmens SolarWinds mit Schadcode in fiziert hatte. Nach Auslieferung des Updates erhielt sie umfassende Zugriffsmöglichkeiten auf die Netzwerkumgebungen der Kund schaft des Unternehmens. So konnte sie weitere Schadsoftware nachladen und in der Folge Spionage und Sabotagehandlungen auf diesen Systemen durchführen. Zu den öffentlich bekannt ge wordenen Opfern des Angriffs zählen neben USamerikanischen Bundesbehörden auch internationale ITSicherheitsdienstleister, deren Knowhow für APT 29 von besonderem Interesse für zu künftige Angriffsoperationen gewesen sein dürfte. 5. Gefährdungspotenzial Durch russische Spionageaktivitäten entstehen der Bundesrepu blik Deutschland erhebliche außen und sicherheitspolitische sowie wirtschaftliche Schäden. Durch die intensiven Spionageak tivitäten sowie durch Cyberangriffe auf deutsche Behördennetze, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ergibt sich eine anhaltend hohe Gefährdung. Auf absehbare Zeit ist nicht mit einem Nachlassen russischer Spio nageaktivitäten zu rechnen. Vielmehr ist vor dem Hintergrund der bestehenden Wirtschafts und Handelssanktionen der EU gegenüber der Russischen Föderation und der Konflikte im Os ten Europas eine Intensivierung der Aktivitäten russischer Nach richtendienste anzunehmen. Die erheblichen politischen und wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie könnten russische Spionageaktivitäten ebenfalls weiter befördern, insbesondere um Defizite in Wirtschaft und Wissenschaft in Russland abzumildern. Darüber hinaus zeigt das am 15. Dezember 2021 ergangene Urteil im Prozess um den sogenannten Tiergartenmord das Gefähr dungspotenzial durch russische Nachrichtendienste. Das Kam mergericht Berlin sah es als erwiesen an, dass der unter einer Aliaspersonalie agierende Täter den georgischen Staatsbürger tschetschenischer Abstammung Tornike Kawtarashwili im Auf trag staatlicher russischer Stellen getötet hatte. Der 56jährige 280 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN russische Staatsbürger Vadim K. alias Vadim S. war vom 2. Staats schutzsenat des Kammergerichts wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden, zudem wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Das Urteil ist rechtskräftig. III. Nachrichtenund Sicherheitsdienste der Volksrepublik China Die Nachrichtendienste Chinas sind mit umfangreichen Befug nissen ausgestattet und dienen maßgeblich dem Machterhalt der "Kommunistischen Partei Chinas" (KPCh). Die ehrgeizigen Ziele der Staats und Parteiführung sind der Ausbau von Macht und Ein fluss, der Umbau der Volkswirtschaft zu einer führenden Indus trienation mit mehr Unabhängigkeit von der Weltwirtschaft sowie die Markt und Technologieführerschaft in strategischen Sektoren. Dabei kommt den Nachrichtendiensten eine wesentliche Rolle zu. Ebenso sind sie beteiligt bei Einflussnahmeaktivitäten, mit denen versucht wird, ein positiveres Bild chinesischer Politik zu erzeugen. 1. Zielbereiche und Schwerpunkte der Informationsbeschaffung Der Bedarf der Staats und Parteiführung an Erkenntnissen über Politische Spionage supranationale Einrichtungen wie die EU, die Bündnispolitik des Westens sowie internationale Großereignisse und internationa le Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wächst mit der Bedeutung Chinas als Global Player. In Deutsch land stehen die Ziele Politik und Verwaltung, Wirtschaft, Wissen schaft und Technik sowie Militär im Fokus der chinesischen Diens te, außerdem werden oppositionelle Gruppen bekämpft. In Politik und Verwaltung werden Informationen zu politischen wie wirt schaftspolitischen Positionen Deutschlands mit Bezug zur Volks republik gewonnen. Für die Realisierung seiner ambitionierten Industriepolitik nutzt China Spionage in Wirtschaft und Wissen schaft, kauft ganz oder teilweise deutsche Unternehmen der Spit zentechnologie und wirbt gezielt Wissensträgerinnen und träger an. Erkenntnisse zu Struktur, Bewaffnung und Ausbildung der Bundeswehr stehen auf der Agenda chinesischer Dienste, ebenso wie die Beschaffung moderner Waffentechnik aus der deutschen 281 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Sicherheits und Verteidigungsindustrie. Zu den von den chine sischen Behörden als "Fünf Gifte" bekämpften oppositionellen Gruppen zählen die nach mehr Unabhängigkeit strebenden ethni schen Minderheiten der Uiguren und Tibeter, die regimekritische FalunGongBewegung, die Demokratiebewegung und die Befür worter einer Eigenstaatlichkeit der Insel Taiwan; darüber hinaus steht die Hongkonger Demokratiebewegung im Fokus. 2. Methodik der Informationsgewinnung Aktivitäten aus Aus den chinesischen Legalresidenturen in Deutschland erfolgt Legalresidenturen überwiegend eine offene Informationsbeschaffung einschließlich eines Monitorings von Medien und sonstigen Publikationen sowie von offenen, webbasierten Quellen. Daneben sammeln Angehö rige der Legalresidenturen Informationen im Rahmen harmlos wirkender Kontaktpflege. Diese Gesprächsabschöpfung zielt ins besondere auf aktive und ehemalige Entscheidungsträgerinnen und träger aus Politik und Wirtschaft. Zu den Aufgaben der Nachrichtendienste gehört ferner die Kon trolle und Steuerung der in Deutschland ansässigen chinesischen Auslandsgemeinde. Durch die enge institutionelle Anbindung von chinesischen Unternehmen, Studierendenorganisationen sowie kulturellen Vereinen und Instituten soll linientreues Verhalten sichergestellt und die sogenannte Einheitsfront im Ausland ge stärkt werden, dazu zählt auch das Instrumentalisieren von Ange hörigen der Diaspora für Maßnahmen gegen Oppositionelle. Chinesische Die Nachrichtendienste setzen zur Informationsgewinnung in Journalistinnen und Deutschland tätige chinesische Auslandskorrespondentinnen Journalisten und korrespondenten ein, die eng an die chinesische Botschaft in Berlin angebunden sind und in erster Linie offene Gesprächs abschöpfung betreiben. Zugleich nutzt China deren Kontaktnetz werk sowie die Reichweite der von ihnen verfassten Beiträge, um in Deutschland die Narrative der KPCh für ein positives ChinaBild zu verbreiten. Zentrale Steuerung Nachrichtendienstliche Operationen zur verdeckten Informa und Werbung tionsbeschaffung werden hauptsächlich unmittelbar aus den zen tralen beziehungsweise regionalen Büros der Dienste in China ge steuert. Eingeschränkt durch die Umstände der Coronapandemie 282 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN werden Zielpersonen aus Deutschland mit hochwertigen Zugän gen bei Aufenthalten in China angesprochen und mit der Aussicht auf Entlohnung angeworben. Anknüpfungspunkt für solche Wer bungsmaßnahmen sind beispielsweise Veranstaltungen im akade mischen Umfeld in China. Die in der Folge stattfindenden Treffs werden überwiegend in Drittländern oder in China durchgeführt, um operative Risiken in Deutschland zu reduzieren. Die Steuerung erfolgt meist persönlich, aber auch über webbasierte verschlüsselte Kommunikation, insbesondere über den chinesischen Messenger dienst WeChat. Ein Beispiel für dieses Vorgehen ist der Fall eines Ehepaares, das einen Thinktank für Sicherheits und Politikberatung mit Schwer punkt Asien leitete. Es hatte seit 2010 einem chinesischen Nach richtendienstoffizier Hintergrundberichte zu politischen Themen mit Bezug zur Volksrepublik übermittelt. Der erste Kontakt zum chinesischen Nachrichtendienst soll im Rahmen einer Vortrags reise an einer chinesischen Universität zustande gekommen sein. Das OLG München (Bayern) verurteilte die Eheleute Mitte Dezem ber 2021 wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu Freiheits strafen von zwei Jahren beziehungsweise einem Jahr und sechs Monaten, die jeweils zur Bewährung ausgesetzt wurden. Darüber hinaus wurde die Einziehung des Agentenlohns angeordnet. Das Urteil ist rechtskräftig. Neben dem akademischen Umfeld bieten insbesondere die umfas senden Überwachungsmaßnahmen in China weitere Ansätze für nachrichtendienstliche Operationen. Die Angaben bei der Bean tragung eines Visums für Chinareisen erleichtern es den chinesi schen Nachrichtendiensten, für sie interessante Personen automa tisiert herauszufiltern. Im Fokus stehen besonders Personen, die zwecks Studium oder Forschung, aus geschäftlichen oder touristi schen Gründen einreisen sowie die dort lebenden Angehörigen der deutschen diplomatischen Vertretungen. In Deutschland tätige chinesische Fachleute werden von chinesi schen Nachrichtendiensten über freundschaftliche Beziehungen und informelle Kontakte zur Zusammenarbeit geworben. Chinesische Nachrichtendienste nutzen soziale Netzwerke für Soziale Netzwerke Anbahnungsoperationen üblicherweise, indem vermeintliche Wissenschaftler, Jobvermittler und Headhunter Kontakte mit 283 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Personen aus Deutschland knüpfen, die über ein vielversprechen des Personenprofil verfügen. Sie werden mit verlockenden An geboten angesprochen und es wird eine spätere Einladung nach China in Aussicht gestellt. Dort erfolgt die nachrichtendienstliche Anbahnung. China verfolgt auch weiterhin ein ambitioniertes und langfristiges Programm, um in zukunftsweisenden Bereichen der Hochtechno logie Anschluss an die führenden Industrienationen zu erlangen. Die Staats und Parteiführung strebt dabei, neben dem Ausbau von Macht und Einfluss und dem Umbau der eigenen Volkswirtschaft hin zu mehr Unabhängigkeit, auch eine globale Technologiefüh rerschaft an. Dieses Ziel soll spätestens im Jahr 2049 zum 100. Jah restag der Gründung der Volksrepublik erreicht werden. Staatlich gesteuerter Im Jahr 2021 war Deutschland innerhalb der EU wieder das wich Technologietransfer tigste Ziel chinesischer Investitionen, welche eine Möglichkeit nach China bieten, Knowhow auf legalem Weg zu erwerben. Die Staats und Parteiführung bedient sich insgesamt eines breiten Portfolios an Instrumenten und verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz. Dies hat China zur größten Herausforderung in Bezug auf Wirt schaftsspionage und ausländische Direktinvestitionen in Deutsch land gemacht. 3. Politische Einflussnahme Für die erfolgreiche Umsetzung der ehrgeizigen Ziele der KPCh bedarf es eines für China wohlwollenden Umfeldes im Ausland; dem dienen Einflussnahmeaktivitäten in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Im politischen Bereich bemüht sich die chinesische Seite einer seits, gut vernetzte deutsche (aktive und ehemalige) Angehörige der Politik als "Lobbyisten" für chinesische Interessen zu gewin nen. Andererseits setzt sie deutsche Politikerinnen und Politiker direkt unter Druck, sofern sie die Politik der Volksrepublik kritisie ren. Von Sanktionen waren im März 2021 auch mehrere deutsche Abgeordnete des Europäischen Parlamentes und der Thinktank MERICS mit Sitz in Berlin betroffen. 284 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Im Bereich von Bildung und Forschung drohen Chinas Aktivitäten und Kooperationsformate die akademische Freiheit zu untermi nieren. Die chinesischen KonfuziusInstitute dienen innerhalb der Einflussnahmestrategie der KPCh insbesondere dazu, ein makel loses Chinabild zu verbreiten. Auch auf die chinesische Diaspora sowie regimetreue Studierende greift die KPCh zu, um diese zu in strumentalisieren und dadurch Einfluss auszuüben. 4. Cyberangriffe Seit 2018 kann neben den wirtschaftlichen Zielen chinesischer Verstärkte politische Cyberangriffe mit dem Fokus auf Unternehmen in der Technolo Cyberspionage gie, Chemie, Schifffahrts oder Rüstungsbranche zusätzlich ein verstärktes Interesse chinesischer Cyberspionage an politischen Zielen in Europa - insbesondere auch in Deutschland - und wei teren westlichen Staaten beobachtet werden. Ziele politisch moti vierter Cyberangriffe sind supranationale Institutionen, mit denen China politisch und geostrategisch kooperiert, konkurriert oder anderweitig in Beziehung steht (wie die Vereinten Nationen, EU und NATO) sowie Nachbarstaaten Chinas, die im Konflikt mit Chi na um regionale territoriale Ansprüche stehen, etwa um Gebiete im Südchinesischen Meer. Auch Regierungsinstitutionen anderer Staaten, die mit China wirtschaftliche oder politische Koopera tionsverhandlungen führen (z.B. im Rahmen des 5GAusbaus), be finden sich im Fokus chinesischer Cyberspionage. Eines der wich tigsten Betätigungsfelder international bleibt die Bekämpfung oppositioneller Gruppen. In den vergangenen zwei Jahren erfolgten verstärkt Angriffs und Aufklärungskampagnen gegen europäische Regierungsnetzwerke, Institutionen und diplomatische Vertretungen. Auch politisch re levante Einzelpersonen sowie der privatwirtschaftliche Sektor (zu meist Unternehmen mit Regierungsaufträgen) konnten als Ziele bestätigt werden, wobei zunehmend Ziele in Deutschland an Be deutung gewannen. Das Interesse chinesischer Cyberakteure an Wirtschaftsspionage Wirtschaft als Ziel und der Erlangung von Geschäftsgeheimnissen besteht weiter hin. Die Akteure fokussieren sich insbesondere auf Hochtech nologieunternehmen und auf dem Weltmarkt führende Indus trieunternehmen. So erfolgen Angriffe auf Unternehmen häufig 285 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN mit weitverbreiteten und teils auch kommerziell erhältlichen Angriffstools. Cyberspionage gegen Seit einigen Jahren versuchen chinesische Cyberakteure vermehrt, personenbezogene personenbezogene Daten und Verhaltensdaten, beispielsweise von Daten Telekommunikationsunternehmen, Versicherungen, Reiseunter nehmen, OnlineDiensten oder Behörden zu erlangen. Diese Da ten ermöglichen es chinesischen Nachrichtendiensten, insbeson dere Oppositionelle und Personen, die den chinesischen Staat oder die KPCh kritisieren, zu überwachen und zu verfolgen. Doch auch Personen aus Politik und Wirtschaft oder private Einzelpersonen in Deutschland können so in den Fokus chinesischer Nachrichten dienste geraten. Hafnium/ Im März 2021 veröffentlichte das Unternehmen Microsoft ins MS Exchange gesamt vier Schwachstellen in der weitverbreiteten Software Mi crosoft Exchange Server. Diese nutzten mutmaßlich chinesische Cyberakteure für Angriffe auf circa 50.000 Organisationen welt weit. Alleine in Deutschland konnten rund 500 angegriffene In stitutionen festgestellt werden. Die Angriffe sollen bereits vor Ver öffentlichung der Schwachstellen und des Sicherheitsupdates von Microsoft durch die mutmaßlich staatlich gesteuerte chinesische Cyberangriffsgruppierung Hafnium begonnen haben. Nach dem Bekanntwerden konnten Angriffe weiterer Akteure mit verschie dener Herkunft und Motivation registriert werden. Attribution Die weltweit zunehmenden Angriffskampagnen durch chinesi chinesischer sche Cyberangriffsgruppierungen - insbesondere gegen westliche Cyberangriffsund europäische Staaten - führten 2021 zu einer öffentlichen poli gruppierungen tischen Reaktion durch die EU. So wurden Angriffe von APT 31, APT 40 und Hafnium, gemeinsam mit den USA und der NATO, offiziell verurteilt. 5. Gefährdungspotenzial Die globalen Ambitionen Chinas lassen eine weitere Intensivierung der Spionageaktivitäten wie auch der Einflussnahmeaktivitäten erwarten. Sieht die Staats und Parteiführung wesentliche Interes sen verletzt, ist sie bereit, in eigener Sache die öffentliche Meinung illegitim zu beeinflussen oder auch Druck auszuüben, um ihre Interessen durchzusetzen. Auch auf chinesische Staatsangehörige 286 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN und chinesischstämmige Deutsche wird Druck ausgeübt, sich parteikonform zu verhalten. IV. Nachrichtendienste der Islamischen Republik Iran Die Lage im Nahen und Mittleren Osten prägt die iranischen nachrichtendienstlichen Aktivitäten. Der Iran versteht sich als Re gionalmacht - mit einer ausgeprägten antiwestlichen sowie anti israelischen Stoßrichtung. Damit einhergehend ist das iranische Regime an Informationen über die künftige Politik des Westens interessiert - beispielsweise über die deutsche Außen und Sicher heitspolitik. Neben den USA hat Iran den Staat Israel, sowie Personen, die Is rael repräsentieren oder unterstützen, zu seinen Feinden erklärt. Hierzu können auch führende Vertreterinnen und Vertreter jüdi scher Organisationen in der Diaspora gehören. Deshalb gehören auch Ausspähungsaktivitäten gegen (pro)israelische sowie (pro) jüdische Ziele in Deutschland unverändert zum Tätigkeitsfeld der Spionage Irans. Hauptakteur der gegen Deutschland gerichteten Aktivitäten ist Zielbereiche weiterhin das Ministry of Intelligence (VAJA140, zumeist MOIS ab des MOIS gekürzt). In seinem Fokus stehen insbesondere die in Deutschland aktiven iranischen Oppositionsgruppen. Daneben belegen nach richtendienstliche Aktivitäten im In und Ausland ein anhaltendes Aufklärungsinteresse des MOIS in den Bereichen Außen und Si cherheitspolitik. Das MOIS beschafft Informationen durch nachrichtendienstliche Methodik Operationen, die unter Einbeziehung der Legalresidenturen vor Ort oder zentral in Teheran (Iran) und dort insbesondere durch das Hauptquartier des MOIS gesteuert werden. Zur Anbahnung im Heimatland nutzt der Dienst insbesondere beruflich oder familiär bedingte Reisen seiner Zielpersonen nach Iran. Dort können sie sich dem Zugriff des MOIS kaum entziehen, was eine ideale Vo raussetzung für nachrichtendienstliche Ansprachen darstellt. Bei Anbahnungen im Iran wird im Einzelfall auch erheblicher Druck 140 In Farsi: Vezarate Ettela'ate Jomhouriye Eslamiye Iran - VAJA. 287 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN auf Betroffene und teilweise auf die im Iran lebenden Familien angehörigen ausgeübt. Ziel ist es, die Betroffenen zu einer nach richtendienstlichen Zusammenarbeit oder zur Aufgabe einer op positionellen Tätigkeit zu bewegen. Hochrangige Zielpersonen - insbesondere Personen des opposi tionellen Spektrums - müssen aber auch bei Reisen in Nachbar länder Irans mit einem Zugriff durch iranische Stellen rechnen. Dies gilt insbesondere auch für Doppelstaater mit deutscher und iranischer Staatsangehörigkeit. Staatsterrorismus Nachrichtendienste der Islamischen Republik Iran nutzen auch das Mittel des Staatsterrorismus zur Durchsetzung ihrer Ziele. Maßgebliche staatsterroristische Ziele sind die Einschüchterung und Neutralisierung von Oppositionellen, aber auch die Bestra fungen von "Verrätern" oder "Überläufern". Urteil wegen Seit November 2020 fand in Antwerpen (Belgien) der Prozess gegen Anschlagsplanung einen früheren iranischen Diplomaten und Angehörigen des MOIS sowie drei Unterstützer statt. Die Staatsanwaltschaft warf den vier Angeklagten die Planung eines terroristischen Anschlags auf eine Veranstaltung der iranischen Oppositionsorganisation "Volks modjahedin IranOrganisation" (MEK) im Juni 2018 in Villepinte (Frankreich) vor. Am 4. Februar 2021 verurteilte das belgische Ge richt den Hauptangeklagten zur Höchststrafe von 20 Jahren Haft sowie die drei Mitangeklagten zu Freiheitsstrafen zwischen 15 und 18 Jahren. Das Urteil gegen den Hauptangeklagten ist rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft sprach von einem "historischen Urteil". Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Hauptangeklagte von der iranischen Führung unterstützt worden sei. Es ist das erste Mal seit der Islamischen Revolution in Iran im Jahr 1979, dass ein Regie rungsmitarbeiter Irans in der EU wegen Planungen eines staats terroristischen Anschlags vor Gericht stand und verurteilt wurde. Quds Force Neben dem MOIS ist die auch geheimdienstlich agierende Quds Force der Iranischen Revolutionsgarden141 in Deutschland aktiv. Ihre umfangreichen Ausspähungsaktivitäten richten sich insbeson dere gegen (pro)israelische beziehungsweise (pro)jüdische Ziele. Derzeit lässt sich keine konkrete Gefährdung von Leib und Leben von Personen oder der Sicherheit von Einrichtungen feststellen. 141 In Farsi: Sepah Pasdaran. 288 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Staatlich gesteuerte iranische Cyberakteure nutzen seit mindes Cyberangriffe tens 2013 Cyberangriffe zur Informationsgewinnung, dabei ent wickeln sie ihre Fähigkeiten stetig weiter. Die Angriffe richten sich unter anderem gegen Israel, Saudi Ara bien und die USA. In Deutschland fokussiert sich iranische Cyber spionage vorwiegend auf Institutionen im Bereich von Bildung und Forschung. Die in Deutschland beheimatete europaweit größ te iranische Community ist ebenfalls iranischen Cyberangriffen ausgesetzt. Hierbei werden hauptsächlich SpearPhishingAngriffe durch geführt oder aktuelle Sicherheitslücken ausgenutzt. Die Angriffe zeichnen sich durch ein hochwertiges Social Engineering sowie den Einsatz von frei verfügbarer und zielgerichtet angepasster Schadsoftware aus. Darüber hinaus werden zunehmend selbst entwickelte Schadsoftware und Angriffswerkzeuge sowie teilweise auch Ransomware142 eingesetzt, um den Verdacht auf Cyberkrimi nelle zu lenken. Die iranischen Nachrichtendienste sind ein zentrales Instrument Gefährdungsder politischen Führung zur Sicherung ihres Herrschaftsan potenzial spruchs. Demzufolge wird die iranische Opposition weiter im Fo kus der Aktivitäten des MOIS sowie des Nachrichtendienstes der Revolutionsgarden und den Quds Forces stehen. In den letzten Jahren ist es zu mehreren Fällen von nachrichten dienstlich gesteuerten Verschleppungen von Zielpersonen aus dem oppositionellen Spektrum nach Iran gekommen. Auch bei Reisen von in Deutschland ansässigen Personen nach Iran kann es dort, wie in der Vergangenheit, zu willkürlichen Inhaftierungen kommen, wenn diese sich - häufig unwissentlich - im Fokus der dortigen Nachrichtendienste befinden. Davon sind auch Staatsan gehörige mit doppelter Staatsangehörigkeit betroffen. Iranische Akteure werden ihre Fähigkeiten im Bereich der Cyber angriffsoperationen weiter professionalisieren. Das Knowhow beziehungsweise Informationen zu Produkten und Prozessen 142 Als Ransomware werden Schadprogramme bezeichnet, die den Zugriff auf Daten und System einschränken oder verhindern und diese Ressourcen nur gegen Zah lung eines Lösegeldes (englisch "ransom") wieder freigeben. 289 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN werden mithilfe von Cyberangriffen beschafft, da die Sanktionen gegen Iran andere Beschaffungswege verschließen. V. Nachrichtendienste der Republik Türkei MIT Die türkischen Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden, wie beispielsweise der MIT, sind ein zentrales Element der türkischen Sicherheitsarchitektur. Sie dienen der türkischen Regierung, dem Staatspräsidenten und dessen Partei für Gerechtigkeit und Auf schwung (AKP) zur Durchsetzung der Regierungspolitik, zur Auf rechterhaltung der inneren Sicherheit und nicht zuletzt zur Infor mationsbeschaffung, die politische Entscheidungen vorbereitet. Viele Zielbereiche Im Fokus der türkischen Nachrichtendienste und Sicherheitsbe hörden stehen alle Vereinigungen und Einzelpersonen, die in tatsächlicher oder mutmaßlicher Opposition zur türkischen Re gierung stehen. Vorrangiges Ziel der Aufklärung sind aber Organi sationen, die die Türkei als extremistisch oder terroristisch einstuft. Dazu gehören die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) (vgl. Berichts teil Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern, Kap. II, Ausführungen zur PKK) und die Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen. Methodik In Deutschland besteht für türkische Nachrichtendienste und Si cherheitsbehörden wegen der großen türkeistämmigen Gemein de und der Vielzahl türkischer Organisationen und Institutionen sowie der großen Zahl diplomatischer Vertretungen eine günsti ge Beschaffungslage. In der Türkei richtet sich der Blick entspre chender türkischer Stellen auch auf Angehörige deutscher diplo matischer Vertretungen. Darüber belegen zahlreiche Haftfälle sowie Aus und Einreisesperren für Türkeireisende aus Deutsch land - mit ausschließlich deutscher, türkischer oder beiden Staats bürgerschaften - das hohe Strafverfolgungsinteresse türkischer staatlicher Stellen. Verfolgt werden dabei auch in Deutschland grundrechtlich geschützte Aktivitäten. Staatliche Flankiert werden die Aktivitäten türkischer Nachrichten Einflussnahme dienste und Sicherheitsbehörden durch Einflussnahmeversu che auf türkeistämmige Gemeinschaften in Deutschland, die auch Auswirkungen auf den politischen Willensbildungs und 290 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Entscheidungsfindungsprozess in der deutschen Gesellschaft ins gesamt haben können. Regierungsnahe Organisationen werben in Deutschland und anderen europäischen Staaten für die gegenwär tige türkische Politik. Der größte staats beziehungsweise regierungsnahe Interessenver UID band ist die "Union Internationaler Demokraten" (UID). Der Dach verband mit Sitz in Köln wurde 2004 als Lobbyorganisation der AKP gegründet. Mittlerweile verfügt die UID bundesweit über 15 Regionalverbände, die sich wiederum in eine Vielzahl von Orts vereinen mit Mitgliedsstatus auffächern. Inzwischen stellt sie die Verbindungen zur Türkei durch vermehrt stattfindende Treffen mit AKPFunktionären und türkischen Regierungsmitgliedern öf fentlich zur Schau. Deutschland bleibt für türkische Nachrichtendienste und Sicher Gefährdungsheitsbehörden weiterhin eines der vorrangigen Ausforschungs potenzial ziele. Die nachrichtendienstlichen Aktivitäten werden auf hohem Niveau fortgesetzt und richten sich auch weiterhin hauptsächlich gegen vermeintliche oder tatsächliche Kritiker und Opponen ten der Regierung. Auch die Einflussnahmeaktivitäten türkischer staats oder regierungsnaher Organisationen werden nahezu si cher fortgeführt. VI. Nachrichtendienste sonstiger Staaten Die Aufklärungs und Abwehraktivitäten der Spionageabwehr richten sich gegen sämtliche illegalen nachrichtendienstlichen Aktivitäten. Im Rahmen dieser "360degBearbeitung" können beim Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für unzulässige nachrich tendienstliche Aktivitäten in Deutschland auch solche Nachrich tendienste in den Fokus geraten, mit denen das BfV in anderen Zu sammenhängen partnerschaftlich zusammenarbeitet. Denn es ist auch in solchen Fällen nicht zu tolerieren, dass ausländische Nach richtendienste in oder gegen Deutschland Spionage betreiben. Nordkoreanische Nachrichtendienste nutzen weltweit offensive Nachrichtendienste Cyberoperationen für die Informationsgewinnung über diploma aus Nordkorea tische und politische Prozesse, zur Wirtschaftsspionage sowie zur Devisenbeschaffung. 291 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Im Fokus der Cyberangriffe stehen somit neben Finanzinstitutio nen zudem diplomatische Vertretungen, Nichtregierungsorgani sationen, journalistisch Tätige und Mitglieder akademischer Insti tutionen, die sich mit der politischen und humanitären Lage auf der koreanischen Halbinsel oder mit Proliferation befassen. Auch internationale Organisationen, die mit der Verhängung, Durchset zung und Evaluation internationaler Sanktionen gegen Nordkorea betraut sind, sind von Cyberspionage betroffen. 2021 erfolgten in westlichen Staaten Cyberspionageaktivitäten Nordkoreas zur Erbeutung geschützten Knowhows aus Unter nehmen der Sicherheits und Verteidigungswirtschaft, Luft und Raumfahrttechnologie sowie der Finanzindustrie, insbesondere mit Bezug zu BlockchainTechnologie. Syrische Der Aufgabenschwerpunkt syrischer Nachrichtendienste im Aus Nachrichtendienste land ist die Ausforschung der Gegner des syrischen Regimes, zu denen sowohl islamistische und islamistischterroristische Grup pierungen als auch Menschenrechtsaktivisten und die breit ge fächerte säkulare und kurdische Opposition zählen. Deutschland steht als Hauptaufnahmeland syrischer Flüchtlinge in Europa wei terhin im Fokus dieser Nachrichtendienste. Im Vergleich zu den Vorjahren ist auch 2021 die Zahl der Hinwei se auf entsprechende Aufklärungsbemühungen - nicht nur im Flüchtlingsumfeld - gestiegen. Neben klassischer nachrichten dienstlicher Ausforschung konnten darüber hinaus auch Bestre bungen festgestellt werden, die öffentliche Meinung in Deutsch land im Sinne des syrischen Regimes zu beeinflussen. So sind vor allem die westlichen Sanktionen gegen Syrien Gegenstand regime freundlicher Agitation. Ägyptische Die Nachrichtendienste sind ein zentrales Instrument zur Macht Nachrichtendienste sicherung der ägyptischen Regierung. In Deutschland richten sich ihre Aktivitäten insbesondere gegen die "Muslimbruderschaft" (MB). Aus ägyptischer Sicht handelt es sich bei der MB um eine terroristische Vereinigung. Auch ägyptische Oppositionelle, die sich kritisch gegenüber der gegenwärtigen Regierung äußern, und Angehörige der christlichen koptischen Gemeinden in Deutsch land können in den Fokus der Nachrichtendienste geraten. Dane ben beobachtet die Spionageabwehr auch operatives Interesse an 292 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN deutschen Zielobjekten, insbesondere im Bereich der Innen und Außenpolitik. Auch Indien setzt seine Nachrichtendienste zur Informationsbe Indische schaffung in Deutschland ein. In Deutschland lebende Angehörige Nachrichtendienste der oppositionellen SikhGemeinde sowie der KashmirBewegung stehen insbesondere im Fokus indischer Nachrichtendienste. Die pakistanischen Nachrichtendienste sind auch in Deutschland Pakistanische aktiv und beobachten hier lebende Angehörige oppositioneller Nachrichtendienste Gruppierungen. Gleichzeitig versuchen sie, Einfluss auf die hiesi ge Diaspora sowie die Wahrnehmung Pakistans in Deutschland zu nehmen. VII. Proliferation Trotz eines teilweise erheblichen eigenen technologischen Fort schritts bleiben Staaten, die nach Massenvernichtungswaffen streben143 bei der Entwicklung und Herstellung solcher Waffen und Trägersysteme auf den Weltmarkt angewiesen. So versuchen sie, notwendige Güter oder Wissen auch in Deutschland zu be schaffen. Die bestehenden strengen deutschen und europäischen Exportkontrollbestimmungen verhindern entsprechende Waren einkäufe auf dem regulären Markt. Proliferationsrelevante Staaten versuchen daher, die Bestimmungen zu umgehen. Dazu beschaffen sie die Produkte über Drittländer (sog. Umge Umgehungsversuche hungsausfuhren), schalten Tarnfirmen ein oder machen bei "Dual Use"Gütern - dies sind Produkte, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden können - falsche Angaben über den Verwendungszweck. Der Finanztransfer bei derartigen Geschäften läuft über Firmen und Bankennetzwerke, um auch hier den Ursprung des Käufers zu verschleiern. Für Studierende und Personen aus Forschung und Wissenschaft proliferationsrelevanter Länder kommen zudem deutsche Uni versitäten, Fachhochschulen, wissenschaftliche Institute und 143 Es handelt sich um Länder, von denen zu befürchten ist, dass von dort aus ABC Waffen in einem bewaffneten Konflikt eingesetzt werden oder ihr Einsatz zur Durchsetzung politischer Ziele angedroht wird. 293 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Forschungsgesellschaften sowie Forschungsabteilungen in der In dustrie als mögliche Quellen zur Beschaffung von proliferations bezogenem Wissen in Betracht. Islamische Neben seinem Atomprogramm verfolgt Iran eines der umfang Republik Iran reichsten Raketenprogramme im Nahen und Mittleren Osten. So wird Iran vorgeworfen, Raketen und Drohnentechnologie unter anderem an die HuthiRebellen im Jemen zu liefern, die diese wie derum gegen die Vereinigten Arabischen Emirate und seine Ver bündeten einsetzen. Das ambitionierte iranische Trägertechnolo gie/Raketenprogramm wird nicht von den Regelungen des Joint Comprehensive Plan of Action (JCPoA), auch bezeichnet als Atom abkommen mit Iran, umfasst. Hierfür sind die Beschaffungsakti vitäten in Deutschland anhaltend hoch - mit steigender Tendenz. Zudem konnten die Verfassungsschutzbehörden 2021 einen deut lichen Anstieg der Anhaltspunkte für proliferationsrelevante Be schaffungsversuche des Iran für sein Nuklearprogramm feststel len. Beim Verdacht auf mögliche Verstöße gegen den JCPoA hat das BfV entsprechende Informationen an die zuständigen Behörden weitergegeben. Exekutivmaßnahmen Im September 2021 hat das Zollkriminalamt (ZKA) im Auftrag der wegen Verstoßes Bundesanwaltschaft Exekutivmaßnahmen gegen einen in Norder gegen AWG stedt (SchleswigHolstein) wohnhaften deutschen Staatsangehöri gen iranischer Herkunft durchgeführt. Er ist dringend verdächtig, in drei Fällen gewerbsmäßig gegen das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) verstoßen zu haben. Er soll in die Beschaffung von Labor ausrüstung und Spektrometern für das iranische Nuklear und Ra ketenprogramm eingebunden gewesen sein.144 Russische Föderation Dem BfV liegen Hinweise auf russische proliferationsrelevante Aktivitäten unter Einsatz staatlicher und halbstaatlicher Akteure sowie unter Umgehung von Sanktionen und Verschleierung tat sächlicher Endverwender vor. Seit 2014 gelten für Russland ein Waffenembargo sowie Handelsbeschränkungen für "Dual Use" Güter und Ausrüstung für den Energiebereich.145 Mit ergänzenden Verordnungen wurden zudem Bereitstellungsverbote gegen 144 Mit einer Anklageerhebung ist im Jahr 2022 zu rechnen. 145 Beschluss 2014/512/GASP. 294 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN gelistete russische Staatsbanken und Unternehmen des Rüstungs und Ölsektors erlassen.146 Auch 2021 konnte das BfV vermehrt tatsächliche Anhaltspunkte für proliferationsrelevante Beschaffungsversuche unter Einbin dung russischer Nachrichtendienste mit konkretem Deutschland bezug verifizieren. Bei den beschafften Produkten handelt es sich vorwiegend um "Dual Use"Güter, die einer militärischen bezie hungsweise proliferationsrelevanten Endverwendung zugeführt werden sollen. Trotz unklarer Angaben zu Einsatzzweck und End verwendung gelang der Spionageabwehr des BfV in einigen Fällen die konkrete Zuordnung zu einem bestimmten Bereich des russi schen Waffenprogramms. Intensive russische Beschaffungsbemü hungen sind auch künftig zu erwarten. Deren Aufklärung und Ver hinderung zählt zu den Schwerpunkten der Proliferationsabwehr des BfV. Am 4. März 2021 verurteilte der Staatsschutzsenat des Hanseati Verurteilung wegen schen OLG Hamburg zwei deutsche Staatsangehörige wegen Ver Verstoßes gegen brechen beziehungsweise Beihilfe zu Verbrechen nach dem AWG. AWG Der Hauptangeklagte veräußerte mit Unterstützung des zweiten Verurteilten in sieben Fällen gewerbsmäßig und für den Geheim dienst einer fremden Macht Werkzeugmaschinen im Wert von rund acht Millionen Euro an einen staatlichen russischen Rüs tungskonzern. Die Anlagen dienten der Herstellung von zum Teil nuklearfähigen Raketensystemen für die russischen Streitkräfte. Der Hauptangeklagte wurde zu einer Freiheitsstrafe von drei Jah ren und neun Monaten verurteilt. Die Schadenssumme in Höhe von knapp acht Millionen Euro wurde eingezogen. Der Mitange klagte wurde zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Urteile sind rechtskräftig. Pakistan gehört zu den weltweit vier Ländern, welche den Atom Islamische waffensperrvertrag und die dazugehörigen Sicherheitsabkommen Republik Pakistan nicht unterzeichnet haben. Der Staat betreibt neben einem zivilen auch ein umfassendes militärisches Nuklear und Trägertechnolo gieprogramm. Der Ausbau des eigenen Kernwaffenpotenzials so wie die Produktionssteigerung bei spaltbaren Materialien sind für Pakistan von großer Bedeutung. 146 EUVerordnung Nr. 269/2014 vom 17.03.2014 sowie 826/2014 vom 30.07.2014. 295 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Auch 2021 waren in Deutschland und zahlreichen anderen west lichen Ländern Anhaltspunkte für proliferationsrelevante pakis tanische Beschaffungsversuche festzustellen, wenngleich diese durch die Pandemie und die damit verbundenen wirtschaftlichen Auswirkungen und Erschwernisse im Warenverkehr beeinträch tigt waren. Intensive und verdeckte Bemühungen zur Fortent wicklung des pakistanischen Nuklear und Trägertechnologiepro gramms sind auch zukünftig zu erwarten. Demokratische Nordkorea verfügt über ein weit fortgeschrittenes Kernwaffen Volksrepublik Korea und Raketenprogramm. Anfang 2021 kündigte Staatsführer Kim (Nordkorea) Jong Un auf dem 8. Parteitag der nordkoreanischen Arbeiterpartei an, das Nuklearwaffenarsenal seines Landes weiter auszubauen, um die Abschreckungskapazitäten zu erweitern. Der Besitz nuklearer Waffen gilt für das herrschende Regime weiterhin als essenzielles Element der Machterhaltung und Legitimation. Das Regime führt weiterhin umfangreiche Raketentests durch und arbeitet mittler weile auch an der Entwicklung von Hyperschallgleitflugkörpern, die - sofern technisch erfolgreich - von Raketenabwehrsystemen nur schwer abzufangen sind. Die Schließung der Grenzen und die völlige Abschottung wegen der Coronapandemie setzte Nordkorea 2021 nahezu unverändert fort. Jegliche Gütereinfuhr aus dem Ausland wird zwar als poten zielle Gefahrenquelle für den Import des Virus angesehen, da das Regime seit Anfang 2022 dennoch wieder priorisierte Waren aus dem Ausland einführt, ist die Gefahr einer proliferationsrelevan ten Güterbeschaffung aus Deutschland nach wie vor gegeben. Auf grund der zuvor beobachteten Interessensbekundungen an "Dual Use"Gütern in Deutschland verzögern die weiterhin bestehenden restriktiven Maßnahmen Nordkoreas proliferationsrelevante Be schaffungsbemühungen jedoch wohl lediglich vorübergehend. Die Aufrechterhaltung der Kontakte zu deutschen Geschäftspartnern lassen ein Wiederaufleben dieser Bestrebungen nach einer Grenz öffnung Nordkoreas erwarten. Arabische Der Rat der EU hat die umfassenden restriktiven Maßnahmen Republik Syrien gegen das syrische Regime 2021 erneut um ein Jahr verlängert. Dennoch sind Beschaffungsaktivitäten Syriens auch künftig an zunehmen. Das als Hauptträger der syrischen Programme zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen geltende Scientific Studies and Research Center (SSRC) spielt dabei eine maßgebliche 296 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Rolle und bedient sich nach wie vor eines Netzwerks verschiedener Tarnfirmen und Zwischenhändler. Es ist davon auszugehen, dass das syrische Regime nach wie vor den weiteren Aufbau der For schung, Entwicklung und Produktion der militärischen Program me in Syrien anstrebt. Auf Deutschland bezogen bewegen sich die Beschaffungsbemühungen 2021 auf einem sehr niedrigen Niveau. Der mögliche Einsatz weltraumgestützter Technik und Systeme Militärische im Rahmen von Konflikten hat für viele Staaten an Bedeutung ge Raumfahrtwonnen. Daher ist nicht auszuschließen, dass auch Deutschland programme und seine Verbündeten Opfer eines solchen Einsatzes sein könnten. Im Zusammenhang mit solchen Konflikten könnten sich bei spielsweise folgende Szenarien ergeben: " Verschaffen eines strategischen Vorteils durch gezielte Störung oder Zerstörung von Kommunikations und Aufklärungssatel liten, " Einsetzen beziehungsweise Umfunktionieren militärischer Sa telliten als Waffen, " Cyberattacken durch und gegen Satelliten und zugehörige Bo deninfrastrukturen, " Einsatz von militärischen beziehungsweise nachrichtendienst lichen Beobachtungs und Überwachungssatelliten. " Einsatz von großen, multifunktionalen Satellitenkonstellatio nen für eine globale 24/7Echtzeitüberwachung in den Berei chen Kommunikation, bildgebender Aufklärung sowie Bewe gungen im Luft und Seeverkehr. Die deutsche Raumfahrtindustrie bündelt Hochtechnologiefel der in Elektronik, Robotik, Mess, Steuer und Regeltechnik sowie neuen Werkstoffen. Daher ist sie Ziel illegaler Beschaffungsakti vitäten von Staaten, die ihre eigenen Weltraumprogramme auch für militärische und nachrichtendienstliche Zwecke zum Nachteil deutscher oder europäischer Interessen einsetzen könnten. Insbe sondere Russland und China nutzen Beschaffungswege und me thoden wie im Rahmen der "klassischen" Proliferation. 297 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN VIII. Prävention in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung Fremde Staaten und ihre Nachrichtendienste versuchen auf viel fältige Weise, Informationen und Knowhow der deutschen Wirt schaft abzuschöpfen oder absichtlich wirtschaftliche Abläufe zu stören, um der eigenen Volkswirtschaft Vorteile zu verschaffen. Auch Forschungseinrichtungen und Behörden werden Ziel von Spionage und Sabotageaktivitäten fremder Staaten. Im Rahmen der Prävention trägt das BfV dazu bei, dass Wirtschaft, Wissenschaft sowie Politik und Verwaltung sich eigenverantwort lich gegen Ausforschung, illegalen Wissens und Technologie transfer, Sabotage sowie Bedrohungen durch Extremismus und Terrorismus schützen können. 2021 führte das BfV unter Berück sichtigung der jeweiligen CoronaSchutzmaßnahmen wieder ver stärkt Sensibilisierungsgespräche durch und machte mit gezielten Sicherheitshinweisen an potenziell gefährdete Unternehmen und Einrichtungen diese auf Spionage und Sabotageaktivitäten frem der Staaten aufmerksam. "BfV Cyber-Brief" Die vom BfV gewonnenen Erkenntnisse zu Cyberangriffen wurden im Rahmen von Sensibilisierungsveranstaltungen oder in anlass bezogenen Publikationen wie dem "BfV CyberBrief"147 veröffent licht. Kritische Infrastrukturen, Politik und Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft wie auch Einzelpersonen sollen so in die Lage versetzt werden, ihre individuelle Resilienz gegenüber Cyberan griffen fremder Nachrichtendienste zu stärken. ImpfstoffEin besonderer Schwerpunkt der Prävention lag - wie im ersten entwicklung im Jahr der Coronapandemie - auf Unternehmen, Forschungseinrich Fokus fremder tungen und Behörden, deren Aktivitäten sich auf die Bekämpfung Nachrichtendienste der Pandemie ausrichten. Der Wettlauf um die Entwicklung von Impfstoffen, Medikamenten, Antikörpertests und weiteren In novationen, die insbesondere mit der Gewinnung neuer wissen schaftlicher Erkenntnisse einhergehen, lassen diese Branchen zu attraktiven Zielen nachrichtendienstlicher Aktivitäten fremder Staaten werden. 147 Der "BfV CyberBrief" ist abrufbar unter www.verfassungsschutz.de. 298 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Im September 2021 erschien erstmalig die neue Publikation "SPOC "SPOC-Magazin" Wirtschaft und Wissenschaft schützen"148 des Bereichs Prävention, in welcher auf aktuelle Entwicklungen hingewiesen wird. Die erste Ausgabe des einmal jährlich erscheinenden Magazins widmet sich dem Thema Social Engineering. In verschiedenen Beiträgen wer den hier Einblicke in die moderne Wirtschaftsspionage geboten und Möglichkeiten aufgezeigt, dieser zu begegnen. Der präventive Wirtschaftsschutz ist ein zentrales Anliegen des Prävention im gesamten Verfassungsschutzverbundes. Zum Schutz von Unter Verbund nehmen und Wissenschaftseinrichtungen tauschen sich die Ver fassungsschutzbehörden eng über relevante Informationen und Erkenntnisse aus, führen Einzelsensibilisierungen durch und bie ten Veranstaltungen für die Zielgruppen an. Das BfV erstellte ge meinsam mit BKA und zwei Konzernsicherheiten die durch die Initiative Wirtschaftsschutz im Oktober 2021 veröffentlichte Bro schüre "Informationsabfluss aus Unternehmen - Innentäterschaft als unterschätztes Massenphänomen - Prävention, Detektion und Reaktion"149. Die in der Öffentlichkeit oft wahrgenommenen spek takulären Schadensereignisse bei großen Konzernen stellen le diglich Einzelfälle eines Massenphänomens dar. Denn kleine und mittelgroße Unternehmen können gleichermaßen Ziel oder Opfer eines bewusst oder unbewusst verursachten Informationsabflus ses werden. Die Broschüre bietet Hinweise und konkrete Tipps, wie sensible Unternehmensinformationen am besten vor unerlaubten Zugriffen geschützt werden können. Darüber hinaus engagiert sich das BfV bei der Weiterentwicklung der durch das BMI koordinierten "Initiative Wirtschaftsschutz". Diese bündelt die Expertise von Sicherheitsbehörden (BfV, BKA, BND und BSI) sowie Wirtschafts und Sicherheitsverbänden (BDI, DIHK, ASW und BDSW), um die Resilienz des Wirtschafts und Wissenschaftsstandorts Deutschlands akut, präventiv und stra tegisch gegenüber digitalen und physischen Sicherheitsrisiken zu stärken. Gemeinsam werden auf der Basis belastbarer Gefähr dungslagebilder ganzheitliche und nachhaltige Lösungsansätze als Hilfe zur Selbsthilfe entwickelt. 148 Das Magazin "SPOC Wirtschaft und Wissenschaft schützen" ist abrufbar unter www.verfassungsschutz.de. 149 Die Broschüre "Informationsabfluss aus Unternehmen - Innentäterschaft als un terschätztes Massenphänomen - Prävention, Detektion und Reaktion" ist abrufbar unter www.wirtschaftsschutz.info. 299 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN IX. Ermittlungsverfahren, Festnahmen und Verurteilungen Im Jahr 2021 leitete der Generalbundesanwalt insgesamt 25 neue Ermittlungsverfahren im Bereich der Spionage ein (2020: 15 Ver fahren). Davon betrafen 24 Ermittlungsverfahren den Verdacht der geheimdienstlichen Agententätigkeit (SS 99 StGB) und ein Er mittlungsverfahren den Verdacht der Preisgabe von Staatsgeheim nissen (SS 97 StGB). Im Berichtszeitraum wurden drei Haftbefehle wegen Spionagestraftaten vollstreckt. Vier Personen wurden we gen geheimdienstlicher Agententätigkeit rechtskräftig verurteilt. 300 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN X. Strukturen und Aufgaben ausländischer Nachrichtendienste 1. Russische Föderation SWR Ziviler Auslandsnachrichtendienst Slushba Wneschnej Raswedki Leitung: Sergej Narischkin Beschäftigte: mindestens 15.000 Der SWR ist für Spionage in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie zuständig. Zu seinen Aufgaben zählen ferner die Ausforschung von Zielen und Arbeitsmethoden westlicher Nachrichtenund Sicherheitsdienste sowie die elektronische Fernmeldeaufklärung. Der Dienst wirkt zudem an der Bekämpfung von Proliferation und Terrorismus mit. GRU Militärischer AuslandsnachrichtenGlawnoje Raswedywadienst telnoje Uprawlenije Leitung: Admiral Igor Kostjukow Beschäftigte: ca. 37.000 (inkl. ca. 25.000 SpetsNaz150) Zu den Aufgaben der GRU gehört die Beschaffung von Informationen in den Bereichen Militär und Sicherheitspolitik. Zu den Zielobjekten zählen die Bundeswehr, die NATO und andere westliche Verteidigungsstrukturen sowie organisationsübergreifend militärisch nutzbare Technologien. 150 Militärische Spezialeinheit der GRU. 301 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN FSB Inlandsnachrichtendienst Federalnaja Slushba Besopasnosti Leitung: Armeegeneral Alexander Bortnikow Beschäftigte: ca. 350.000, davon mehr als 200.000 im Grenzschutzdienst Zu den Aufgaben des FSB gehören die Spionageabwehr, die Beobachtung oppositioneller Gruppierungen sowie die Bekämpfung von Extremismus, Terrorismus und Organisierter Kriminalität. Zudem zählen der Schutz der russischen Industrie vor Wirtschaftsspionage, der Schutz ausländischer Investoren vor Wirtschaftskriminalität sowie die Sicherung der Staatsgrenzen zu seinen Aufgaben. In Einzelfällen betreibt der FSB Cyberspionage sowie Gegenspionage auch im Ausland. 2. Volksrepublik China MSS Ziviler Inund AuslandsMinistry of State nachrichtendienst Security Leitung: Minister Chen Wenqing Das MSS ist sowohl mit Abwehrals auch mit offensiven Spionageaktivitäten im Ausland betraut. In Fragen der nationalen Sicherheit nimmt das MSS eine zentrale Rolle unter den chinesischen Diensten ein. Das Ministerium ist für die Bekämpfung von Gefahren für die staatliche Ordnung und Sicherheit zuständig und hierfür auch mit Polizeibefugnissen ausgestattet. In Deutschland bemüht es sich nachhaltig um Informationen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft und klärt oppositionelle chinesische Gruppierungen auf. 302 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN MID Militärischer Inund AuslandsnachMilitary Intelligence richtendienst Directorate Das MID ist weltweit, auch offensiv, tätig. Es entsendet Militärattaches und unterhält Verbindungen zu ausländischen Streitkräften. Es ist für die Beschaffung von Informationen zuständig, die die äußere Sicherheit der Volksrepublik betreffen. Im Zuge der Militärreform ist das MID verpflichtet worden, sich auf militärisch-strategische Aufklärungsziele zu konzentrieren, wie Struktur, Stärke und Ausrüstung fremder Streitkräfte. Spionageziele sind aber auch Politik, Wissenschaft und Technik mit militärischem Bezug. NSD Technischer militärischer NachrichtenNetwork Systems dienst Department Leitung: unbekannt Das NSD ist der Teilstreitkraft PLA Strategic Support Force (SSF) unterstellt. Es betreibt weltweite Fernmeldeaufklärung und Cyberspionage und ist für Telekommunikationsüberwachung, IT-Sicherheit und Cyberabwehr im Militär zuständig. MPS Ministerium für Öffentliche Sicherheit Ministry of Public Security Leitung: Minister Zhao Kezhi Das MPS ist zuständig für öffentliche Sicherheit und Ordnung und kann auf die Ordnungsund Kriminalpolizei zurückgreifen. Ferner verfügt das MPS über nachrichtendienstliche Einheiten, die auch verdeckt im Ausland tätig sind und deren Aufgaben sich teilweise mit dem MSS decken. Überdies kontrolliert und zensiert das MPS die Medien und den Internetverkehr. 303 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN 3. Islamische Republik Iran VAJA/MOIS Ziviler Inund AuslandsMinistry of nachrichtendienst Intelligence151 Leitung: Minister Esmaeil Khatib VAJA/MOIS ist wegen seiner Größe und Bedeutung für den Machterhalt der Regierung eines der mächtigsten Ministerien. In seiner Funktion als Minister hat der Leiter des VAJA/MOIS einen Sitz im Kabinett. Kernaufgabe ist die Ausspähung und Bekämpfung oppositioneller Bewegungen im Inund Ausland, auch durch Staatsterrorismus. Darüber hinaus werden im westlichen Ausland Informationen aus den Bereichen Außenund Sicherheitspolitik, Wirtschaft und Wissenschaft beschafft. IRGC-IO Militärischer Inund AuslandsIslamic Revolutionary nachrichtendienst Guard Corps Intelligence Organization152 Leitung: Hossein Taeb Der Nachrichtendienst der Iranischen Revolutionsgarden ist sowohl für Spionage im Ausland als auch für Abwehraufgaben im Inland zuständig. 151 In Farsi: Vezarat e Ettela'ate Jomhouriye Eslamiye Iran - VAJA. 152 In Farsi: Sepah Pasdaran. 304 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Quds Force153 Militärische Spezialeinheit (auch: al-Quds-Einheit, Quds-Brigaden oder Sepah-Qods) Leitung: Brigadegeneral Ismail Ghaani Die Spezialeinheit der Revolutionsgarden ist auf extraterritoriale und verdeckte militärische Operationen (z.B. in Afghanistan, Irak, Libanon, Syrien) sowie auf nachrichtendienstliche Ausspähungen spezialisiert. 4. Republik Türkei Türkische Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden Das Aufklärungsinteresse türkischer Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden in Deutschland gilt grundsätzlich allen Organisationen und Einzelpersonen, die in tatsächlicher oder mutmaßlicher Opposition zur gegenwärtigen türkischen Regierung stehen. Ihre vorrangigen Ziele sind die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) und die Gülen-Bewegung. Weitere Aufklärungsziele bilden wirtschaftliche, politische, militärische und technologische Themen innerhalb Deutschlands und dessen Rolle innerhalb von EU und NATO. 153 In Farsi: Niruye Quds (diese Bezeichnung der Einheit wird von dem arabischen Na men für Jerusalem "alQuds" abgeleitet). 305 306 Geheimund Sabotageschutz 307 Geheimund Sabotageschutz Zielsetzung Der Geheimschutz dient dem Schutz von Informationen, die durch eine staatliche Stelle als Verschlusssache (VS)154 eingestuft worden sind. Der Sabotageschutz hat die Aufgabe, lebens und verteidi gungswichtige Einrichtungen vor Sabotagehandlungen durch so genannte Innentäter zu schützen. Solche Einrichtungen sind ent weder für die Funktionsfähigkeit des Staates unverzichtbar oder können im Sabotagefall die Gesundheit oder das Leben großer Tei le der Bevölkerung erheblich gefährden. Diese beiden Ziele werden durch Maßnahmen des personellen und materiellen Geheim und Sabotageschutzes erreicht. Materieller Materieller Schutz von VS umfasst organisatorische und techni Geheimschutz sche Vorkehrungen, um ihre Vertraulichkeit dauerhaft zu wahren. Wer berechtigt Zugang zu einer VS erlangt, ist zur Verschwiegen heit verpflichtet und hat dafür Sorge zu tragen, dass keine unbe fugte Person Kenntnis von der VS erlangt. Personeller GeheimWesentliches Element des personellen Geheim und Sabotage und Sabotageschutz schutzes sind Sicherheitsüberprüfungen nach dem Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprü fungen des Bundes und den Schutz von Verschlusssachen (Sicher heitsüberprüfungsgesetz - SÜG). Durch sie wird festgestellt, ob eine Person die erforderliche Zuverlässigkeit für eine sicherheits empfindliche Tätigkeit besitzt. Das SÜG bestimmt, wann eine Sicherheitsüberprüfung erforder lich ist. Im Bereich des personellen Geheimschutzes ist demnach der (tatsächliche oder potenzielle) Zugang zu Verschlusssachen, die VSVERTRAULICH oder höher eingestuft sind, Voraussetzung. Beim personellen Sabotageschutz ist die Tätigkeit an einer sicher heitsempfindlichen Stelle einer - in der sogenannten Sicherheits überprüfungsfeststellungsverordnung bestimmten - lebens oder verteidigungswichtigen Einrichtung maßgeblich. Darüber hinaus 154 Nach SS 4 Abs. 1 SÜG sind VS im öffentlichen Interesse, insbesondere zum Schutz des Wohles des Bundes oder eines Landes, geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse unabhängig von ihrer Darstellungsform. VS kön nen auch Produkte und die dazu gehörenden Dokumente sowie Schlüsselmittel zur Entschlüsselung, Verschlüsselung oder Übertragung von Informationen sein (Kryptomittel). Geheimhaltungsbedürftig im öffentlichen Interesse können auch Geschäfts, Betriebs, Erfindungs, Steuer oder sonstige private Geheimnisse oder Umstände des persönlichen Lebensbereichs sein. 308 GEHEIMUND SABOTAGESCHUTZ sind Sicherheitsüberprüfungen in bestimmten Fällen auf einer spezialgesetzlichen Grundlage vorgesehen.155 Das BfV wirkt wesentlich bei der Überprüfung von Personen, die in Bundesbehörden sowie sonstigen öffentlichen Stellen des Bundes oder in Wirtschaftsunternehmen tätig sind oder werden sollen, mit. Die Entscheidung, ob für eine Person eine Sicherheitsüberprüfung erforderlich ist, trifft die zuständige Beschäftigungsbehörde oder - sofern die Person bei einem Unternehmen beschäftigt ist - das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Die Durchführung der Maßnahmen obliegt der Verantwortung des BfV. Grundlage einer Sicherheitsüberprüfung ist die Sicherheitser Verfahren klärung der zu überprüfenden Person. Hierin sind die für die Durchführung der Sicherheitsüberprüfung und für die Bewertung möglicher Sicherheitsrisiken erforderlichen Daten anzugeben. Die Sicherheitsüberprüfung setzt die Zustimmung der betroffenen und mitbetroffenen Personen156 voraus. Es besteht keine Pflicht, sich einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen und die erfor derlichen Angaben zu machen. Allerdings ist ohne die Sicherheits überprüfung eine Betrauung mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit nicht möglich. Die geforderten Angaben und der Umfang der durchzuführenden Überprüfungsmaßnahmen orientieren sich an der jeweiligen Sicherheitsüberprüfungsart. Im Bereich des personellen Geheimschutzes gibt es drei Arten von Sicherheits überprüfungen, die sich jeweils an der Höhe des Geheimhaltungs grades der Verschlusssachen orientieren, zu denen die betroffene Person Zugang erhalten soll. Das SÜG sieht drei Überprüfungsarten vor: " einfache Sicherheitsüberprüfung (Ü1), " erweiterte Sicherheitsüberprüfung (Ü2), " erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlun gen (Ü3). 155 Zum Beispiel im Gesetz zur Beschränkung des Brief, Post und Fernmeldegeheim nisses (Artikel10Gesetz) oder im Bundeskriminalamtgesetz (BKAG). 156 Als mitbetroffene, in die Überprüfung einzubeziehende Person ist zu verstehen: die volljährige Ehegattin oder der volljährige Ehegatte, die Lebenspartnerin oder der Lebenspartner oder die volljährige Partnerin oder der volljährige Partner, mit der oder dem die betroffene Person in einer auf Dauer angelegten Gemeinschaft lebt (Lebensgefährtin oder Lebensgefährte). 309 GEHEIMUND SABOTAGESCHUTZ In die Ü2 und Ü3 wird - deren Zustimmung vorausgesetzt - auch die mitbetroffene Person einbezogen. Für den Bereich des Sabota geschutzes findet eine reduzierte Form der Ü2 Anwendung. Sicherheitsrisiko Ziel der Sicherheitsüberprüfung ist die Feststellung beziehungs weise der Ausschluss eines Sicherheitsrisikos, welches der Ver wendung einer Person in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit entgegensteht. Ein Sicherheitsrisiko liegt vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte " Zweifel an der Zuverlässigkeit bei der Wahrnehmung der si cherheitsempfindlichen Tätigkeit (dies können zum Beispiel Verstöße gegen Strafvorschriften, übermäßiger Alkoholkon sum, Abhängigkeit oder Konsum von Betäubungsmitteln oder Medikamenten sowie bestimmte psychische Erkrankungen sein), " eine besondere Gefährdung bei möglichen Anbahnungs und Werbungsversuchen157 (dies können zum Beispiel verwandt schaftliche Verbindungen in Staaten mit besonderen Sicher heitsrisiken, Verhaltensweisen, die eine Person unbedingt vor Dritten verborgen halten will und sie daher erpressbar erschei nen lassen, oder Überschuldung sein) oder " Zweifel am Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes oder am jederzei tigen Eintreten für deren Erhalt (dies kann zum Beispiel die Be tätigung in einem extremistischen Personenzusammenschluss sein) begründen. Auch tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen entsprechen der Sicherheitsrisiken bei der mitbetroffenen Person können sich auf das Gesamtergebnis der Überprüfung auswirken. Maßnahmen der SÜ Um der zuständigen Stelle die Feststellung eines etwaigen Sicher heitsrisikos zu ermöglichen, führt das BfV die für die jeweilige Überprüfungsart vorgesehenen Maßnahmen nach SS 12 SÜG durch. Hierzu zählen in jedem Fall die Berücksichtigung der Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, die Einholung von Auskünften aus dem Bundeszentralregister und dem Zentralen Staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister sowie 157 Als Akteure kommen hier ausländische Nachrichtendienste, Vereinigungen im Sin ne der SSSS 129 bis 129b des Strafgesetzbuches oder extremistische Organisationen infrage, die Bestrebungen im Sinne des SS 3 Abs. 1 BVerfSchG verfolgen. 310 GEHEIMUND SABOTAGESCHUTZ Anfragen an das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei, den Bun desnachrichtendienst und das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst. Zudem können seit 2017 bei allen Überprüfungsarten im erfor derlichen Maße öffentlich zugängliche Informationen zur betrof fenen Person aus dem Internet eingesehen werden. Ausländische Sicherheitsbehörden können ebenfalls angefragt werden, wenn in den vergangenen fünf Jahren Auslandsaufenthalte von mehr als sechs Monaten Dauer zu bewerten sind. Dies geschieht jedoch nur mit gesonderter Zustimmung der betroffenen beziehungsweise mitbetroffenen Person. Bei der Ü2 werden zusätzlich auch die Polizeibehörden derjeni gen Bundesländer angefragt, in denen in den letzten fünf Jahren Wohnsitze zu verzeichnen waren. Zudem wird eine Identitätsprü fung zur betroffenen Person vorgenommen. Für die mitbetroffene Person werden die für die Ü1 und Ü2 vorgesehenen Maßnahmen ebenfalls durchgeführt. Im Rahmen der Ü3 werden - zusätzlich zu den Maßnahmen der Ü1 und Ü2 - die von der betroffenen Person angegebenen Refe renzpersonen sowie weitere geeignete Auskunftspersonen befragt. Alle Gespräche beruhen auf Freiwilligkeit und dienen dazu, die in der Sicherheitserklärung angegebenen Daten zu überprüfen und ein Gesamtbild der Lebensumstände der betroffenen und gegebe nenfalls mitbetroffenen Person zu erhalten. Die Lebensumstände werden dabei aber nur insoweit betrachtet, als es für die Beurtei lung, ob Sicherheitsrisiken vorliegen, erforderlich ist. Sonstige Auskunftsersuchen an Behörden und Befragungen von Personen sind zulässig, soweit diese zur Klärung der Frage, ob ein Sicherheitsrisiko vorliegt, erforderlich sind. Maßnahmen der ver deckten Informationserhebung - also nachrichtendienstliche Mit tel - kommen bei der Sicherheitsüberprüfung nicht zum Einsatz. Die im Rahmen des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens festge stellten Erkenntnisse werden vom BfV auf ihre Sicherheitserheb lichkeit geprüft und bei der Erstellung des abschließenden Votums berücksichtigt. Auf dessen Grundlage wiederum entscheidet die Beschäftigungsbehörde beziehungsweise das BMWK über den Einsatz der überprüften Person. 311 GEHEIMUND SABOTAGESCHUTZ Entwicklungen Das BfV wirkte im vergangenen Jahr an über 75.000 Sicherheits überprüfungen im Geheim und Sabotageschutz mit. Das Überprü fungsaufkommen steigt kontinuierlich an. Das BfV trägt diesem Umstand mit der Konzeption, Pilotierung und anschließenden Einführung weitgehend digitalisierter Arbeitsprozesse Rechnung. Konkret wurden im Jahr 2021 im Geheimschutz 13.780 einfache Sicherheitsüberprüfungen, 36.530 erweiterte Sicherheitsüber prüfungen und 2.780 erweiterte Sicherheitsüberprüfungen mit Sicherheitsermittlungen durchgeführt. Hinzu kamen 7.590 Über prüfungen im Bereich des Sabotageschutzes sowie 14.460 Aktua lisierungen. Schulung und Ergänzend zu den Maßnahmen des personellen und materiellen Sensibilisierung Geheim und Sabotageschutzes bietet das BfV den Geheim und Sabotageschutzbeauftragten in Behörden158 regelmäßig Schulun gen an. Hierbei haben sich Videoseminare zu einem erfolgreichen und teilnahmestarken Format entwickelt. Im Rahmen der Schu lungen werden Entwicklungen in den Beobachtungsfeldern der Verfassungsschutzbehörden sowie rechtliche Themen behandelt. Gleichzeitig wird ein praxisorientierter Austausch gefördert. Des Weiteren stellt das BfV Materialien zur Verfügung, um auch bei den Geheimnisträgerinnen und Geheimnisträgern selbst ein nach haltiges Sicherheitsbewusstsein zu fördern. 158 Die Geheim beziehungsweise Sabotageschutzbeauftragten in Behörden sind in ih ren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen für die Durchführung der Bestimmungen des SÜG und der dazu ergangenen Regelungen verantwortlich. Sie nehmen Auf gaben im Zusammenhang mit der Durchführung von Sicherheitsüberprüfungen wahr und sorgen dafür, dass sicherheitsempfindliche Tätigkeiten nur nach Maßga be des Gesetzes übertragen werden. Ferner treffen sie die abschließende Entschei dung über die Zulässigkeit der Betrauung mit einer sicherheitsempfindlichen Tätig keit. Sie sind Ansprechstellen für die Bediensteten in allen Fragen des personellen Geheim beziehungsweise Sabotageschutzes. Geheimschutzbeauftragte sind darü ber hinaus für die Durchführung der Maßnahmen des materiellen Geheimschutzes verantwortlich. 312 "Scientology-Organisation" (SO) 313 "Scientology-Organisation" (SO) Die "ScientologyOrganisation" (SO) beabsichtigt, weltweit eine "scientologische Gesellschaft" zu etablieren. Dieses Ideal der SO ba siert dogmatisch auf den Schriften des Gründers und der Leitfigur Lafayette Ron Hubbard (1911-1986). Bereits 1950 veröffentlichte Hubbard das Buch "Dianetik". Darin entwickelte er eine Methode, die er als "Technologie", "Dianetik" beziehungsweise "Scientology" bezeichnete, mit der sich die Anwendenden selbst von jeglichen psychischen und physischen Belastungen befreien können. Ziel die ser Methode ist die Erschaffung des perfekten Menschen, der "Clear" oder synonym "Nichtaberrierter"159 genannt wird. Menschen, die nicht zu den "Clears" bzw. "Nichtaberrierten" gehören, sollen Grund rechte und die Menschenwürde abgesprochen werden. "Vielleicht werden in ferner Zukunft nur dem Nichtaberrierten die Bürgerrechte verliehen." (L. Ron Hubbard, "Dianetik - Der Leitfaden für den menschlichen Verstand", 3. überarbeitete Ausgabe, Kopenhagen, 2007, S. 483) Ideologie Laut Hubbard ist eine Nation nur zur "wahren Demokratie" befä higt, wenn sie ausschließlich aus "Nichtaberrierten" besteht. Die SO sieht sich selbst als Führungselite, die durch die Anwendung der Lehren Hubbards als einzige Gruppe den Rest der Menschheit regieren sollte. Das - die Demokratie ersetzende - System einer solchen alleinherrschenden scientologischen Regierung ist nicht mit dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes vereinbar. Alle Staatsgewalt ginge in solch einem System weder vom Volke aus, noch wäre sie durch eine ununterbrochene Legitimationskette an das Volk gebunden. Anlässlich von Informationsveranstaltungen, aber auch über offi zielle Repräsentanzen der SO im virtuellen Raum werden Bücher und Vorträge von Hubbard uneingeschränkt beworben und ver trieben. Auf der Homepage der SO wird die Person Hubbards in einer eigenen Rubrik glorifizierend dargestellt. Eine Distanzierung von seinen verfassungsfeindlichen Aussagen findet ausdrücklich nicht statt. 159 Vgl. Hubbard, "Dianetik - Der Leitfaden für den menschlichen Verstand", 3. überar beitete Ausgabe, Kopenhagen, 2007, S. 537 ff. 314 "SCIENTOLOGY-ORGANISATION" (SO) Die SO besitzt in Deutschland neben drei repräsentativen Zentren, Struktur sogenannten Idealen Orgs, zwölf weitere Niederlassungen, die je nach Größe und Ausstattung "Missionen" beziehungsweise "Orgs" genannt werden. Darüber hinaus besitzt die SO zwei sogenannte Celebrity Centres. Bei diesen Einrichtungen handelt es sich um besonders serviceorientierte Niederlassungen, die prominenten Persönlichkeiten der Öffentlichkeit vorbehalten sind. Die Mitglie derzahl der SO in Deutschland liegt bei rund 3.600 Personen, somit ist im Vergleich zum Vorjahr (3.500 Mitglieder) ein leichter Anstieg zu verzeichnen. Die angestrebte scientologische Gesellschaftsordnung soll im Sin Strategie ne Hubbards durch eine langfristig ausgerichtete Expansionsstra tegie, eine Maximierung der finanziellen Einnahmen sowie durch die Bekämpfung ihrer Kritikerinnen und Kritiker erreicht werden. Nach außen stellt sich die SO als unpolitische Religionsgemein schaft dar. Aufgrund der durch die Coronapandemie eingeschränkten Kon Zusätzliches taktmöglichkeiten erweiterte die SO im Berichtsjahr ihre Kurs Onlineangebot und Seminarangebote im virtuellen Raum mit Webinaren, Online Briefings und weiteren Onlineveranstaltungen umfassend.160 Über unterschiedliche Kanäle wurden sowohl aufgezeichnete Webinare über Facebook161 und Instagram162 angeboten als auch live als Vi deokonferenz abgehalten. Dafür wurden zum Teil Beiträge in orga nisationseigenen Film und Tonstudios produziert. Insofern nutzte die SO die durch die Pandemie bestehenden Zugangsbeschrän kungen zu ihren "Orgs" strategisch, um niedrigschwellig scientolo gische Inhalte einem erweiterten Kreis von Empfängerinnen und Empfängern nahezubringen. Gleichwohl sind die Produkte auf Dauer angelegt und sollen auch nach Ende der Pandemie dazu die nen, neue Mitglieder zu werben, Finanzmittel zu generieren und die Expansion der SO zu unterstützen. Aber auch realweltliche Aktivitäten, beispielsweise die für die SO Kampagnen üblichen Informationsstände, wurden trotz bestehender Corona Beschränkungen in verschiedenen Orten Deutschlands betrie ben. Weiterhin wurden im Berichtsjahr die "Volunteer Ministers" 160 Homepage Sei mehr, verlinkt u.a. über die Homepage der Scientology NRW (17. November 2021). 161 FacebookPräsenz SeiMehrWebinare (17. November 2021). 162 InstagramKanal sei_mehr_webinare (17. November 2021). 315 "SCIENTOLOGY-ORGANISATION" (SO) ("Ehrenamtliche Geistliche"), welche im Auftrag der SO unter an derem im Bereich der humanitären Hilfe tätig sind, bei Hilfs und Aufräumaktionen in den von der Flutkatastrophe betroffenen Gebieten im Westen und Süden Deutschlands aktiv163. Ziel solcher Aktionen ist einerseits der Aufbau von Kontakten zu staatlichen sowie privatwirtschaftlichen Organisationen auf kommunaler und regionaler Ebene, andererseits die Verbreitung scientologischer In halte. Zudem ist die positive Darstellung der Organisation in der Öffentlichkeit Teil der PRStrategie der SO. Broschüren Im Vergleich zum Vorjahr ließ sich ein Anstieg der bundesweiten für Kinder Verteilaktionen der Broschüre "Der Weg zum Glücklichsein" durch die SOTarnorganisation "The Way to Happiness" feststellen. In Er gänzung hierzu wurden erstmals speziell auf Kinder ausgerichtete Formate verbreitet. Die Broschüre "Wie man gute Entscheidungen trifft"164 als kindgerechtes Äquivalent zur Broschüre "Der Weg zum Glücklichsein" sowie der Podcast "Tierische Abenteuer von Aman das Bauernhof"165 illustrieren die verstärkten Bemühungen der SO, auf Kinder Einfluss zu nehmen. Auch im Jahr 2021 verfolgte die SO erneut das Ziel, politischen Einfluss auszuüben. So versandte die SONebenorganisation "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte Deutschland e.V." (KVPM) Schreiben an das bayerische Staatsmi nisterium für Wissenschaft und Kunst sowie an das nordrhein westfälische Ministerium für Gesundheit und Soziales. In diesen forderte die KVPM die Ministerien auf, sich für die Abschaffung vermeintlicher Zwangspraktiken in der Psychiatrie in Deutschland einzusetzen. Zudem wandte sich die SO an die UNMenschenrechtskommis sion wegen angeblicher Verstöße der deutschen Behörden gegen die Menschenrechte. Durch Aktionen dieser Art versucht die SO, auch im politischen Raum Relevanz und Akzeptanz zu erzeugen, um hierdurch die eigene Expansion voranzutreiben. 163 Homepage Pressetext (17. November 2021). 164 Homepage Good Choices (17. November 2021). 165 AudioStreamingDienst Spotify (17. November 2021). 316 "SCIENTOLOGY-ORGANISATION" (SO) "Scientology-Organisation" (SO) Gründung: 1954 in den USA 1970 erste Niederlassung in Deutschland Sitz: Los Angeles (USA) ("Church of Scientology International", CSI), München (Bayern) ("Scientology Kirche Deutschland e.V.", SKD) Leitung/Vorsitz: USA: David Miscavige Deutschland: Helmuth Blöbaum Mitglieder/Anhänger 3.600 (2020: 3.500) in Deutschland: Publikationen/Medien: Streamingdienst: (Auswahl) "Scientology Network" Zeitungen/Zeitschriften: "Impact" "International Scientology News" "The Auditor" "Source" "Freewinds" Broschüre: "Der Weg zum Glücklichsein" Podcast: "Tierische Abenteuer von Amandas Bauernhof" 317 "SCIENTOLOGY-ORGANISATION" (SO) Teil-/NebenorganisatioNeun "Kirchen" in Deutschland, nen: (Auswahl) darunter zwei "Celebrity Centres" "World Institute of Scientology Enterprises" (WISE) "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte Deutschland e.V." (KVPM) "Sag NEIN zu Drogen - Sag JA zum Leben" "Youth for Human Rights" "NARCONON" "CRIMINON" "International Way to Happiness Foundation" Die "Scientology-Organisation" (SO) beabsichtigt, weltweit eine "scientologische Gesellschaft" zu etablieren. Dieses Ideal der SO basiert dogmatisch auf den Schriften des Gründers und der Leitfigur Lafayette Ron Hubbard (1911-1986), die nach wie vor maßgeblich sind. In ihnen wird deutlich, dass in einer Gesellschaft nach scientologischen Vorstellungen wesentliche Grundund Menschenrechte, wie beispielsweise die Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, ebenso wenig gewährleistet sind wie das Recht auf Gleichbehandlung. Zur Erreichung dieses Ziels verfolgt die SO eine langfristig angelegte Strategie. 318 Anhang 319 VERBOTSMASSNAHMEN Übersicht über Verbotsmaßnahmen des BMI gegen extremistische Bestrebungen im Zeitraum Januar 1990 bis Dezember 2021 (Soweit nicht anders gekennzeichnet, sind die Verbote unanfechtbar) Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Nationalistische Front" (NF) 26.11.1992 Vereinszweck gegen die verfassungsRE mäßige Ordnung gerichtet "Deutsche Alternative" (DA) 08.12.1992 Vereinszweck gegen die verfassungsRE mäßige Ordnung gerichtet "Nationale Offensive" (NO) 21.12.1992 Vereinszweck gegen die verfassungsRE mäßige Ordnung gerichtet "Arbeiterpartei Kurdistans" 22.11.1993 Strafgesetzwidrigkeit, AE (PKK)/"Nationale BefreiGefährdung der inneren Sicherheit ungsfront Kurdistans" (ERNK) und öffentlichen Ordnung und Teilorganisationen, sowie außenpolitischer Belange "Föderation der patriotischen Deutschlands Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V." (FEYKA-Kurdistan), "Kurdistan-Komitee e.V." "Wiking-Jugend e.V." (WJ) 10.11.1994 Vereinszweck gegen die verfassungsRE mäßige Ordnung gerichtet "Kurdistan Informations20.02.1995 Ersatzorganisation des rechtskräftig AE büro" (KIB) alias verbotenen "Kurdistan Komitee e.V." "Kurdistan Informationsbüro in Deutschland" "Freiheitliche Deutsche 22.02.1995 Vereinszweck gegen die verfassungsRE Arbeiterpartei" (FAP) mäßige Ordnung gerichtet RE = Rechtsextremismus RuS = Reichsbürger und Selbstverwalter LE = Linksextremismus AE = Auslandsbezogener Extremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 320 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Revolutionäre 06.08.1998 Strafgesetzwidrigkeit und GefährAE Volksbefreiungsparteidung der inneren Sicherheit Front" (DHKP-C) Ersatzorganisation der am 9. Februar 1983 rechtskräftig verbotenen "Revolutionären Linken" ("Devrimci Sol") "Türkische 06.08.1998 Strafgesetzwidrigkeit und GefährAE Volksbefreiungsparteidung der inneren Sicherheit Front" (THKP-C) "Blood & Honour" (B&H) mit 12.09.2000 Vereinszweck gegen die verfassungsRE "White Youth" mäßige Ordnung gerichtet Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "Kalifatsstaat" 08.12.2001 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT und 35 Teilorganisationen 14.12.2001 mäßige Ordnung gerichtet 13.05.2002 16.09.2002 Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung Propagierung von Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele "al-Aqsa e.V." 31.07.2002 Verstoß gegen den Gedanken der ISiT Völkerverständigung (finanzielle Unterstützung der HAMAS und ihrer sogenannten Sozialvereine) RE = Rechtsextremismus RuS = Reichsbürger und Selbstverwalter LE = Linksextremismus AE = Auslandsbezogener Extremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 321 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Hizb ut-Tahrir" (HuT) 10.01.2003 Verstoß gegen den Gedanken der ISiT Völkerverständigung Befürwortung von Gewalt zur Durchsetzung politischer Belange "Yeni Akit GmbH" 22.02.2005 Leugnung und Verharmlosung des ISiT Verlegerin der EuropaHolocaust in volksverhetzender Ausgabe der türkischWeise sprachigen Tageszeitung "Anadolu'da Vakit" Verbreitung antisemitischer/ antiwestlicher Propaganda "Bremer Hilfswerk e.V."166 SelbstaufISiT lösung mit Wirkung vom 18.01.2005; Löschung im Vereinsregister am 29.06.2005 "YATIM-Kinderhilfe e.V." 30.08.2005 Nachfolgeorganisation des rechtsISiT kräftig verbotenen "al-Aqsa e.V." "Collegium Humanum" (CH) 18.04.2008 Vereinszweck gegen die verfassungsRE mit "Bauernhilfe e.V." mäßige Ordnung gerichtet Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze 166 Das BMI hatte am 3. Dezember 2004 ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren mit dem Ziel eines Verbots gegen das "Bremer Hilfswerk e.V." eingeleitet. Der Verein ist dem Verbot durch Selbstauflösung zuvorgekommen. RE = Rechtsextremismus RuS = Reichsbürger und Selbstverwalter LE = Linksextremismus AE = Auslandsbezogener Extremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 322 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Verein zur Rehabilitierung 18.04.2008 Vereinszweck gegen die verfassungsRE der wegen Bestreitens des mäßige Ordnung gerichtet Holocaust Verfolgten" (VRBHV) Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze "Mesopotamia Broadcast 13.06.2008 Verstoß gegen den Gedanken der AE A/S", "Roj TV A/S" Völkerverständigung "VIKO Fernseh Produktion 13.06.2008 Teilorganisation von "Roj TV A/S" GmbH" "al-Manar TV" 29.10.2008 Verstoß gegen den Gedanken der ISiT Völkerverständigung "Heimattreue Deutsche 09.03.2009 Vereinszweck gegen die verfassungsRE Jugend - Bund zum Schutz mäßige Ordnung gerichtet für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V." (HDJ) Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze Ideologische Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen mit nationalsozialistischem Gedankengut "Internationale Humanitäre 23.06.2010 Verstoß gegen den Gedanken der ISiT Hilfsorganisation e.V." (IHH) Völkerverständigung "Hilfsorganisation für natio30.08.2011 Vereinszweck gegen die verfassungsRE nale politische Gefangene mäßige Ordnung gerichtet und deren Angehörige e.V." (HNG) Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze RE = Rechtsextremismus RuS = Reichsbürger und Selbstverwalter LE = Linksextremismus AE = Auslandsbezogener Extremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 323 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Millatu Ibrahim" 29.05.2012 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT mäßige Ordnung gerichtet Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "Dawa FFM" einschließlich 25.02.2013 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT der Teilorganisation "Intermäßige Ordnung gerichtet nationaler Jugendverein - Dar al Schabab e.V." Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "an-Nussrah" 25.02.2013 Teilorganisation des rechtskräftig ISiT verbotenen Vereins "Millatu Ibrahim" "DawaTeam 25.02.2013 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT Islamische Audios" mäßige Ordnung gerichtet Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "Waisenkinderprojekt 02.04.2014 Verstoß gegen den Gedanken der ISiT Libanon e.V." (WKP) Völkerverständigung (Umbenennung in "Farben für Waisenkinder e.V." am 16.10.2014) "Islamischer Staat" (IS) alias 12.09.2014 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT "Islamischer Staat im Irak" mäßige Ordnung gerichtet alias "Islamischer Staat im Irak und in Groß-Syrien" Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung RE = Rechtsextremismus RuS = Reichsbürger und Selbstverwalter LE = Linksextremismus AE = Auslandsbezogener Extremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 324 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Tauhid Germany" (TG) 26.02.2015 Ersatzorganisation des rechtskräftig ISiT verbotenen Vereins "Millatu Ibrahim" "Altermedia Deutschland" 04.01.2016 Vereinszweck gegen die verfassungsRE mäßige Ordnung gerichtet "Weisse Wölfe Terrorcrew" 10.02.2016 Vereinszweck gegen die verfassungsRE (WWT) mäßige Ordnung gerichtet "Die Wahre Religion" (DWR) 25.10.2016 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT mäßige Ordnung gerichtet Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "linksunten.indymedia" 14.08.2017 Vereinszweck und -tätigkeit gegen LE die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze "Mezopotamien Verlag und 01.02.2019 Teilorganisation der mit Verfügung AE Vertrieb GmbH" des Bundesministeriums des Innern vom 22.11.1993 verbotenen PKK "MIR Multimedia GmbH" 01.02.2019 Teilorganisation der mit Verfügung AE des Bundesministeriums des Innern vom 22.11.1993 verbotenen PKK RE = Rechtsextremismus RuS = Reichsbürger und Selbstverwalter LE = Linksextremismus AE = Auslandsbezogener Extremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 325 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Combat 18 Deutschland" 06.12.2019 Vereinszweck und -tätigkeit gegen RE (C18 Deutschland) die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "Geeinte deutsche Völker 14.02.2020 Vereinszweck und -tätigkeit gegen RuS und Stämme" (GdVuSt) die verfassungsmäßige Ordnung einschließlich der Teilgerichtet organisation "Osnabrücker Landmark" Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "Hizb Allah" 26.03.2020 Verstoß gegen den Gedanken der ISiT Völkerverständigung Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze "Nordadler"167 20.05.2020 Vereinszweck und -tätigkeit gegen RE die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung 167 Die Vereinigung wurde mit Wirkung zum 23. Juni 2020 vom Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat verbo ten und aufgelöst. Gegen die Verbotsverfügung wurde Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht erhoben. Das Verbot ist daher bisher nicht bestandskräftig. RE = Rechtsextremismus RuS = Reichsbürger und Selbstverwalter LE = Linksextremismus AE = Auslandsbezogener Extremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 326 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Sturm-/Wolfsbrigade 44" 27.10.2020 Vereinszweck und -tätigkeit gegen RE die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "Deutsche Libanesische 15.04.2021 Ersatzorganisationen des rechtskräfISiT Familie e.V.", "Menschen für tig verbotenen "Farben für WaisenMenschen e.V.", "Gib Frieden kinder e.V."/"Waisenkinderprojekt e.V." Libanon e.V." (WKP) "Ansaar International e.V." 05.05.2021 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT einschließlich Teilorganisamäßige Ordnung gerichtet tionen: "WorldWide ResistanceZuwiderlaufen gegen Strafgesetze Help e.V.", "Aktion Ansar Deutschland e.V.", "SomaliVerstoß gegen den Gedanken der sches Komitee Information Völkerverständigung und Beratung in Darmstadt und Umgebung e.V. (SKIB)", "Frauenrechte ANS.Justice e.V.", "Änis Ben-Hatira Help e.V./Änis Ben-Hatira Foundation", "Ummashop", "Helpstore Secondhand UG", "Better World Appeal e.V." RE = Rechtsextremismus RuS = Reichsbürger und Selbstverwalter LE = Linksextremismus AE = Auslandsbezogener Extremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 327 REGISTER Register A alGama'a alIslamiya ...................................... 222 Acar, Leyla ............................................................. 261 AlHadaf (Publikation) .................................... 269 Adil Düzen (Gerechte Ordnung) ................. 226 alHashimi alQurashi, Abu Ibrahim ....... 192, 206 Agententätigkeit .............................. 275, 283, 300 alIkhwan alMuslimun (MB - Muslim Ajansa Nuceyan a Firate (ANF - Firat News bruderschaft) .............. 181, 197, 218, 222 f., 292 Agency) ..................................... 239 ff., 252 ff., 268 alJaulani, Abu Muhammad .......................... 212 Akhundzadah, Haibatullah .......................... 214 alKataib (Medienstelle) .................................. 211 Aktion Ansar Deutschland e.V. ...........202, 327 alKhilafa (Publikation) ................................... 221 Aktion, Kritik und Theorie Heidelberg (AKUT [+C]) ........................................................... 165 alMalahem Media (Medienstelle).............. 210 Aktionsblog..............................................................57 alManar TV (Fernsehsender) ..............216, 323 Aktionsbündnis ............ 135, 143, 151, 155, 167 Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu Aktionsfelder..................................... 122, 134, 172 (ADÜTDF - Föderation der Türkisch Demokratischen Idealistenvereine Akzelerationismus/Akzelerationisten ........71 in Deutschland e.V.).......................... 250 f., 266 f. alAhed alAkhbari (Onlinemagazin) ....... 216 Almanya Göcmen Isciler Federasyonu (AGIF - Föderation der Arbeitsimmigrant/ alAndalus (Medienstelle)............................... 208 innen in Deutschland e.V.) ............................. 265 alAqsa e.V................................................. 218, 321 f. Almanya Türkiyeli Isciler Federasyonu alAqsa TV (Fernsehsender) ........................... 218 (ATIF - Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V.) ............................ 263 alBaghdadi, Abu Bakr .................................... 206 alNaba (Onlinemagazin) ......................191, 206 alBanna, Hasan .................................................. 222 alQaida .......176 ff., 181 ff., 187, 190 ff., 207 ff. alBatarfi, Khalid ................................................ 210 alQaida auf der Arabischen Halbinsel alFadschr (Publikation).................................. 225 (AQAH) ................................................. 181, 192, 210 alFurqan (Medienstelle) ................................. 206 alQaida im Irak.................................................. 206 328 REGISTER alQaida im islamischen Maghreb Ansaar International e.V. ...................202 f., 327 (AQM).................................................... 181, 208, 209 Anschlagsplanung .......................... 178, 183, 288 alQudsTag........................................................... 196 Anschlussfähigkeit ..........................48, 87, 117 f. alQurashi, Abu Hamza .................................. 192 Antifa .................................63, 83, 130 ff., 165, 167 alQurashi, Abu Ibrahim alHashimi ...................................................192, 206 Antifa AK Köln .................................................... 167 alRashta, Ata Abu (alias Abu Yasin)........... 221 antifa nt - Autonome Antifa München ... 167 Antifaschismus........................... 122, 126 ff., 142, alShabab (Harakat alShabab 147, 154, 165, 167, 172 alMujahidin - Bewegung der MujahidinJugend) ......................... 181, 203, 211 Antifaschistische Aktion..............................131 f. alSomood (Onlinemagazin)......................... 214 Antifaschistische Initiative, Heidelberg .. 165 Alternative für Deutschland (AfD) ..........89 ff., Antiimperialisten ............................................... 154 129 f., 141 ff., 159 Antikapitalismus ................................................ 172 alWaie (Publikation)........................................ 221 Antikapitalistische Linke (AKL)................... 156 alZallaqa (Medienstelle) ................................. 208 Antikapitalistische Linke München .......... 168 alZawahiri, Aiman ...................................193, 207 Antimilitarismus .......................................139, 172 Amaq (Nachrichtenagentur) ................191, 206 Antirepression .................................. 122, 134, 139 AMJAD (Medienstelle)...................................... 212 Antisemitismus ...........28, 32, 35, 40, 43, 48, 50, Anarchismus ..............................132, 148 f., 152 f. 53 f., 69 ff., 76, 92, 95 f., 98, 103 f., 107, 113, 119, 176, 179, 185, 198 ff., Anarchisten/ 220 f., 225, 233 f., 248 ff., 254 ff., 269 anarchistisch ...............149 f., 152 f., 159 ff., 169 Antisoziale Stadtstrukturen .......................... 140 Anarchosyndikalismus...........................153, 169 APT 28 ..................................................................... 279 Änis BenHatira Foundation ...............202, 327 APT 29 ..................................................................... 280 Änis BenHatira Help e.V.......................202, 327 APT 31 ..................................................................... 286 Anpassungen im Verfassungsschutzrecht .....................................19 APT 40 ..................................................................... 286 329 REGISTER APTGruppierung .............................................. 279 Avrupa Göcmen Emekciler Birligi (AGEB - Verband der Werktätigen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK - Partiya MigrantInnen in Europa) ............................. 264 Karkeren Kurdistan) ................161, 232, 234 ff., 249, 251, 254, 258 ff., 290, 305, 320 Avrupa Kürt Kadin Hareketi (AKKH/ Tevgera Jinen Kurd li Ewropa, TJKE - Argumentationsmuster ..................79, 102, 110 Kurdische Frauenbewegung in Europa) .................................................................236 f. Armstroff, Klaus..............................................87, 96 Avrupa Nizami Alem Federasyonu Arranca! (Publikation) ..................................... 165 (ANF - Föderation der Weltordnung in Europa) ............................................... 252 ff., 268 asSahab (Medienstelle)................................... 207 Avrupa Türk Islam Kültür Dernekleri Birligi Asylbewerber .........................................................88 (ATIB - Union der TürkischIslamischen Kulturvereine in Europa e.V.) ..........251 f., 267 ATIB - Union der TürkischIslamischen Kulturvereine in Europa e.V. Avrupa Türkiyeli Isciler Konfederasyonu (ATIB - Avrupa Türk Islam Kültür (ATIK - Konföderation der ArbeiterInnen Dernekleri Birligi) .................................251 f., 267 aus der Türkei in Europa) ............................... 263 Atilim (Publikation) .......................................... 265 AZADI Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland e.V. Atomwaffen Division (AWD) ...........................71 (AZADI e.V.) ........................................................242 f. Atomwaffen Division Deutschland B (AWDD) ......................................................................71 Babbar Khalsa Germany (BKG) .................... 270 Atsiz, Nihal .........................................................251 f. Babbar Khalsa International (BKI) ............. 270 Auslandskorrespondentinnen und korrespondenten.............................................. 282 Badi, Muhammad .............................................. 222 außerparlamentarisch .............................72 f., 77 Baltik Korps .............................................................57 Autonome....123, 125, 135, 150 ff., 158 ff., 167 Basisdemokratische Linke, Göttingen ..... 165 Avantgarde ............................................96, 173, 207 Basisgruppe Antifaschismus (BA), Bremen.................................................................... 167 Avrupa Ezilen Göcmenler Konfederasyonu (AvEGKon - Konföderation der unter Betätigungsverbot ...... 182, 196, 202, 206, 216, drückten Migranten in Europa) .................. 265 221, 235, 238, 258 f. 330 REGISTER Better World Appeal e.V. ........................202, 327 Bundestagswahl.................... 51, 60, 75, 78, 83 f., 88, 141 f., 144, 159, 194, 273 Bevölkerungsaustausch .....................................69 Bundesverfassungsgericht Bewegung der MujahidinJugend (BVerfG).................................. 16, 84, 107, 172, 203 (alShabab - Harakat alShabab alMujahidin) .................................... 181, 203, 211 Bündnis ....86, 143, 152 f., 155, 158 f., 161, 166 f. Bewegung der revolutionären Jugend Bund Sozialistischer Arbeiter (BSA) .......... 174 (TCS - Tevgera Ciwanen Soresger) .....237, 258 Bürgerbüro ........................................................60, 87 Bezugsgruppen ................................................... 151 Büyük Birlik Partisi BfV CyberBrief................................................... 298 (BBP - Partei der großen Einheit) .............. 253 Bin Ladin, Usama ............................................... 207 C Bismarcks Erben .............................. 103, 105, 110 Camia (Publikation) .......................................... 228 Bizim Genclik (Publikation) .......................... 262 Catli, Abdullah ..................................................... 251 Blockade ........................................................141, 145 Cayir, Nusret ......................................................... 227 Blood & Honour (B&H) ............................. 56, 321 Celebrity Centres .......................................315, 318 Bölge................................................................236, 266 Chatgruppen ..................................51, 54 f., 68, 71 Borchardt, Siegfried .................................. 49, 85 f. Clears ....................................................................... 314 Bozkurt/Bozkurtlar COMPACTMagazin (Grauer Wolf/Graue Wölfe) ........................... 249 GmbH ................................ 52, 62, 63, 75 ff., 82, 98 Braunkohleabbau......................................143, 166 COMPACTTV .................................. 63, 75, 98, 118 Bulgarischer Nationalbund (BNS) .................86 Corona/Coronapandemie/ Coronavirus ................. 48, 64 f., 66 f., 74, 82, 87, Bülten (Publikation) ......................................... 266 90, 98, 103, 112 ff., 122 f., 147 f., 158, 179, 233, 238, 247, 273, 278, 315 Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ....................273, 299 CoronaDiktatur................................... 60, 82, 117 Bundesbeauftragter für den Datenschutz CoronaSchutzmaßnahmen ............. 48, 58, 61, und die Informationsfreiheit ..........................21 74, 103, 114 ff., 238 331 REGISTER CoronaZwangsmaßnahmen ...................60, 74 Der III. Weg ................. 49, 51, 52, 60 f., 86 ff., 96 Cozy Bear ............................................................... 280 Desinformation............... 103, 273 f., 277 f., 279 CRIMINON ........................................................... 318 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) .................................. 141, 145, 153, 155, 172 Critique'n'act, Dresden.................................... 167 Deutsche Libanesische Familie e.V. Cyberangriffe ....................................173 f., 178 ff., (DLF) ...................................................... 202, 216, 327 285, 289 f., 292, 298 Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V. CyberAZ (DMG).................................................... 181, 197, 222 (Nationales CyberAbwehrzentrum) ........ 273 Deutsches Reich.................................................. 102 D Deutsche Stimme (Publikation) ..............92, 94 Darknet ................................................................... 163 Deutsche Stimme Verlagsgesellschaft mbH (DS Verlag) .............................................92, 94 Dayanisma Evi ..................................................... 246 Deutsche Winterhilfe ..........................................60 Deepfakes............................................................... 274 Devrimci Genclik (Dev Genc) ..............246, 262 de.indymedia (Internetplattform) ....... 128 ff., 137, 139 f., 142 ff., 162 ff. Devrimci Halk Kurtulus Partisi (DHKP - Revolutionäre Delegitimierung .....................61, 82, 112 f., 160 Volksbefreiungspartei) ...........................245, 321 Demokratiefeindlichkeit ..................................48 Devrimci Halk Kurtulus Cephesi (DHKC - Revolutionäre Volksbefreiungsfront) ....... 245 Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Norddeutschland e.V. (FED Devrimci Halk Kurtulus PartisiCephesi DEM - Federasyona Civaka Demokratik a (DHKPC - Revolutionäre Volksbefreiungs Kurdistaniyen li Bakure Almanya)............. 261 parteiFront) ................... 232 f., 244 ff., 262, 321 Demonstrationsgeschehen ................48 f., 113, Devrimci Halk Kurtulus Partisi (DHKP - 179, 201 Revolutionäre Volksbefreiungspartei) ..... 245 Deradikalisierung .....................................186, 188 Devrimci Sol (Publikation) ............................ 262 Der Flügel - Anhänger des formal DHKC Milis (Publikation)............................... 262 aufgelösten Personenzusammen schlusses (Verdachtsfall) .............................52, 89 Dianetik .................................................................. 314 332 REGISTER Diaspora ........................... 184, 282, 285, 287, 293 Ekonomi ve Maliye Bürosu (EMB - Wirtschafts und Finanzbüro) ..... 240 DIE RECHTE..............49, 51, 52, 60, 61, 85 f., 95 Elsässer, Jürgen .......................................................98 DIE ROTE HILFE (Publikation) ................... 170 Ende Gelände (Kampagne) ....143 ff., 161, 166 Die Wahre Religion (DWR) ...................188, 325 EntrismusStrategie .......................................... 155 Die Wölfe von Manhattan (Onlinemagazin) ..............................................192 f. Entzug waffenrechtlicher Erlaubnisse.... 57 f. Direkte Aktion (Publikation) ........................ 169 Erbakan, Fatih ...................................................... 228 Direktinvestitionen ........................................... 284 Erbakan, Necmettin ................................226, 228 Dogmatische ErbakanStiftung................................................ 228 Linksextremisten ............. 125, 152 ff., 160, 161 Ethnopluralismus ...................................73, 79, 97 Dogru Haber (Publikation) ............................ 220 Europavertretung der Dogruyol, Sentürk ............................................. 266 ErbakanStiftung................................................ 228 Drittes Waffenrechtsänderungsgesetz ........57 Expansionsstrategie .......................................... 315 Droukdal, Abdelmalik ...................................... 208 Expliciet (Publikation) ..................................... 221 DSTV (YouTubeKanal) .....................................92 Eyalet ....................................................................... 236 Dual UseGüter ..............................................293 ff. F E Fancy Bear ............................................................. 279 Ehrenamtliche Geistliche............................... 316 Farben für Waisenkinder e.V. Einflussnahme....... 72, 119, 123, 143, 156, 160, (FfW).............................................202, 216, 324, 327 176, 195, 272 ff., 277 f., 281, 284 f., 286, 290 f. Fechtner, Gabi ...................................................... 173 Ein Prozent e.V. (Verdachtsfall) ..... 52, 59, 77 f. Federasyona Civaka DemokratA(r)k a Einzeltäter .............................177, 183, 192, 206 f. Kurdistaniyan (FCDKKAWA - Föderation der demokratischen Gesellschaften Eklat Münster ...................................................... 167 Kurdistans e.V.) .................................................... 261 333 REGISTER Federasyona Civaka Demokratik a Föderation der demokratischen Aleviten Kurdistaniyen li Bakure Almanya e.V. (FEDA).............................................................. 237 (FEDDEM - Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen Föderation der demokratischen in Norddeutschland e.V.) ................................ 261 Gesellschaften Kurdistans e.V. (FCDK KAWA - Federasyona Civaka Demokratik Federasyona Civaken Azad yen a Kurdistaniyan) ................................................. 261 Mezopotamya li NRW (FEDMED - Föderation der Freiheitlichen Gesellschaft Föderation der Freiheitlichen Gesellschaft Mesopotamiens in NRW e.V.) ....................... 261 Mesopotamiens in NRW e.V. (FEDMED - Federasyona Civaken Azad yen Federasyona Civaken Kurdistani Mezopotamya li NRW) .................................... 261 (FCK - Föderation der Gesellschaften Föderation der Gesellschaften Kurdistans Kurdistans e.V.) .................................................... 261 e.V. (FCK - Federasyona Civaken KurdistanA(r)) ............................................................. 261 Federasyona Kurdistaniyen Azad li Rojhilate Almanya (FEDKURD - Freie Föderation der TürkischDemokratischen Kurdistan Föderation Ostdeutschland) ... 261 Idealistenvereine in Deutschland e.V. (ADÜTDF - Almanya Demokratik Ülkücü Fernmeldeaufklärung ................... 274, 301, 303 Türk Dernekleri Federasyonu) ........250 f., 266 Festung Europa ......................................................86 Föderation der Weltordnung in Europa (ANF - Avrupa Nizami Alem Feuerkrieg Division Deutschland Federasyonu) ......................................... 252 ff., 268 (FKDD) .................................................................... 71 f. Franz, Frank ......................................................84, 92 Finanzierungsaktivitäten .................... 58 f., 182 Frauenrechte ANS.Justice e.V...........202 f., 327 Fischer, Matthias ............................................87, 96 Frauenverteidigungskräfte (HPJ - Hezen Parastina Jin) .......................................... 235 Flüchtlingspolitik ................................................88 Freewinds............................................................... 317 Flutkatastrophe.......................... 49, 61 f., 88, 316 Freie Arbeiterinnen und Arbeiter Föderation der Arbeiter aus der Türkei Union (FAU) .................................................153, 169 in Deutschland e.V. (ATIF - Almanya Türkiyeli Isciler Federasyonu) ...................... 263 Freie Kurdistan Föderation Ostdeutschland (FEDKURD - Federasyona Kurdistaniyen Föderation der Arbeitsimmigrant/innen Azad li Rojhilate Almanya) ............................ 261 in Deutschland e.V. (AGIF - Almanya Göcmen Isciler Federasyonu) ....................... 265 Freie Sachsen............................................. 60 f., 118 334 REGISTER freiheitliche demokratische Grund Gefährdungspotenzial ................. 68, 72, 107 ff., ordnung (fdGO) ................. 16, 18 f., 21, 24 f., 26, 119 f., 146 ff., 178, 180, 186 ff., 48, 68, 73, 89, 91, 107, 122, 190, 243 f., 248, 280, 286 f., 289 f., 291 127, 149, 174, 176 f., 199, 254, 310 Gegenkultur......................................................77, 93 Freiheits und Demokratiekongress Kurdistans (KADEK - Kongreya Azadi u Geheimschutz .................................................308 ff. Demokrasiya Kurdistane)............................... 258 Geheimschutzbeauftragte ............................. 312 Freiräume ..................................... 123, 135 ff., 140, 143, 148, 151, 160 Gemeinsames Extremismus und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) ...........19 Fremdenfeindlichkeit/ fremdenfeindlich .......................................28 f., 53 Gemeinsames Terrorismus abwehrzentrum (GTAZ) ........................... 19, 188 Front zur Eroberung Großsyriens (JFS - Jabhat Fath alSham) ........................... 212 Gemeinschaft der Jugendlichen (Komalen Ciwan) ............................. 237, 258, 260 Frühwarnsystem ............................................. 17 ff. Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan FSB (russischer (KKK - Koma Komalen Kurdistan) ............ 258 Inlandsnachrichtendienst) ...................279, 302 Gemeinschaft der Verkündigung und Fuad, Abu Ahmad............................................... 269 Mission (TJ - Tablighi Jama'at) ............181, 224 Fünf Gifte ............................................................... 282 Gemeinwohlkasse (GK) ................................... 106 Furkan Gemeinschaft .............................181, 229 Generalbundesanwalt (GBA) ........55, 275, 300 Furkan Haber (Nachrichtenportal) ............ 229 Generation identitaire ........................................75 Furkan Nesli Dergisi - Öncü Neslin Generation Islam.......................................196, 221 Sesi (Publikation)................................................ 229 Furkan Stiftung für Bildung und Dienst Gerechte Ordnung (Adil Düzen) ................. 226 (Furkan Egitim ve Hizmet Vakfi) ................ 229 GerA(r)la TV................................................................. 241 G Geschichtsrevisionismus/geschichts revisionistisch ............ 48, 76, 79, 80, 92, 95, 103 G20Proteste......................................................... 160 Gesprächsabschöpfung ..........................276, 282 Geeinte deutsche Völker und Stämme (GdVuSt)..................................104, 106 f., 108, 326 Ghaly, Iyad Ag ...................................................... 209 335 REGISTER Ghostwriter........................................................... 273 H Gib Frieden e.V.................................. 202, 216, 327 Hafnium ................................................................. 286 Grauer Wolf/Graue Wölfe Hai'at Tahrir alSham (HTS - Komitee (Bozkurt/Bozkurtlar) ........................................ 249 zur Befreiung Großsyriens) ....... 181, 183, 212 Great Reset ..........................................70, 74, 76, 82 Hakkhaber.com (Website) .............................. 230 Halk Cephesi (Volksfront) .....................246, 262 Großer Austausch ......................................73 f., 97 Halkinsesi TV ....................................................... 246 Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat (GSPC - Salafistische Gruppe Halk Kültür Evi ................................................... 246 für Predigt und Kampf) ................................... 208 Halk Meclisi (Volksrat) ............................246, 262 Gruppe ArbeiterInnenmacht (GAM)......... 153 Halk Okulu (Publikation) ......................246, 262 Gruppe d.i.s.s.i.d.e.n.t., Marburg .................. 165 Haniya, Isma'il .................................................... 218 Gruppe D.O.R.N., Kassel .................................. 165 HansLittenArchiv e.V. ..........................157, 170 Gruppe Freital..................................................... 55 f. Harakat alMuqawama alIslamiya Gruppe für die Unterstützung des Islam (HAMAS - Islamische Widerstands und der Muslime (Jama'at Nasr alIslam bewegung) ...........176, 178 f., 181, 184 f., 198 f., wal Muslimin - JNIM) ......................... 181, 208 f. 200, 203, 217 ff., 222, 250, 256 f., 269, 321 Gruppe S. ...................................................................56 Hasan Ferit GedikZentrum (HFG) ............ 247 Hausprojekt .............................................................75 Grup Yorum .............................................247 f., 262 HedschraKalender GRU (russischer militärischer Auslands ("Hicri Takvim Avrupa") .................................. 230 nachrichtendienst) ...................................279, 301 Heimat Defender: Rebellion ............................59 Guerilla ............................50, 235, 240 f., 259, 260 Hekmatyar, Gulbuddin ................................... 215 GülenBewegung ............................................... 305 Helpstore Secondhand UG ...............202 f., 327 Gümüs, Edip ......................................................... 220 Hezbe Islamiye Afghanistan (HIA - Gurdwara ............................................................... 270 Islamische Partei Afghanistans) .........181, 215 336 REGISTER Hezen Parastina Gel Identitäre Bewegung Deutschland (HPG - Volksverteidigungskräfte) .............. 235 (IBD) ..................... 52, 60, 73 ff., 77, 78, 80, 82, 97 Hezen Parastina Jin (HPJ - Frauen I Furiosi, Düsseldorf .......................................... 165 verteidigungskräfte).......................................... 235 Illegale ..................................................................... 277 Hijazi, Samir (alias Faruq alSuri alias Abu Hammam alShami) ............................... 213 illegaler Wissens und Technologietransfer.......................................... 298 Hilafet (Publikation) ......................................... 221 Imam Ali Moschee ....................................197, 225 Hinweistelefon .......................................................23 Im Auftrag des Islam Historischer Materialismus........................... 149 (Internetplattform)............................................ 230 Hizb Allah (Partei Gottes) ............176, 181, 198, Impact ..................................................................... 317 200, 202, 216 f., 269, 326 Imperialismus......................................... 154, 245 f. Hizb utTahrir (HuT - Partei der Befreiung) ..................................181, 196, 221, 322 ImpfDiktatur .........................................................82 Impftotalitarismus ...............................................90 Hubbard, Lafayette Ron .....................314 f., 318 Informationsabfluss aus Unterneh Hungerstreik ........................................................ 237 men - Innentäterschaft als unterschätztes Hurseda (Onlinemagazin) .............................. 220 Massenphänomen - Prävention, Detektion und Reaktion ................................. 299 Huseynisevda (Onlinemagazin) .................. 220 Informationsgewinnung .....................19, 275 f., Huth, Stefan .......................................................... 171 282, 289, 291 hybride Bedrohungen...................................... 274 Initiative Wirtschaftsschutz.......................... 299 Innenministerkonferenz (IMK) ...............58, 68 I INSPIRE GUIDE .................................................. 192 IBAA (Nachrichtenagentur)........................... 212 Institut für Staatspolitik (IfS) Ibnat alIslam (Onlinemagazin) .................. 207 (Verdachtsfall) ............................................ 52, 78 ff. Ideale Org............................................................... 315 Instrumentalisierung ................59, 74, 119, 265 IdealistenBewegung (Ülkücü Internationale Automobilausstellung Bewegung) .................. 232 f., 248 ff., 257, 266 ff. (IAA)....................................................123, 139, 144 f. 337 REGISTER Internationales Komitee der Vierten islamistischer Terrorismus ......... 179, 202, 269 Internationalen (IKVI) ..................................... 174 Ismail Aga Cemaati (IAC) ................................ 227 Internationalistische Liste/MLPD ............. 173 International Scientology News ................. 317 J International Way to Happiness Jabhat alNusra Foundation............................................................ 318 (JaN - Unterstützungsfront) ...... 183, 203, 212 Interventionistische Linke (IL) ....................152, Jabhat Fath alSham (JFS - Front zur 158 f., 165 f. Eroberung Großsyriens) ................................. 212 INZAR (Publikation) ......................................... 220 Jahresspendenkampagne (kampanya) ..... 240 Islamic Revolutionary Guard Corps Jaish alMalahim alIliktruni Intelligence Organization (IRGCIO) ........ 304 (Medienstelle) ....................................................... 192 Islamische Gemeinde Kurdistans (CIK) ... 237 Jama'at Nasr alIslam walMuslimin Islamische Gemeinschaft der schiitischen (JNIM - Gruppe für die Unterstützung Gemeinden Deutschlands e.V. (IGS) ...197, 225 des Islam und der Muslime) ............. 181, 208 f. Islamische Gemeinschaft in Deutschland Jihad....................................................... 183, 190, 210 e.V. (IGD) ................................................................. 223 Jihadisten/jihadistisch ............ 176 ff., 185, 187, Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. 190 f., 193 ff., 203 f., 207 f., 210, 214, 230 (IGMG) ............................................................198, 228 jihadistische Gruppierungen .....................176 f. Islamische Partei Afghanistans (HIA - Hezbe Islamiye Afghanistan) ...........181, 215 Jinen Xwendekar en Kurdistan (JXK - Studierende Frauen Kurdistans) ................. 237 Islamischer Staat (IS) ................. 181, 191 f., 206 Islamischer Staat - Provinz Khorasan Joint Comprehensive Plan of Action (ISPK)...........................................................183 f., 214 (JCPoA) .................................................................... 294 Islamisches Zentrum Hamburg e.V. Jugendinitiative Partizan/Marxisten (IZH)....................................................... 181, 197, 225 LeninistenMaoisten (PGI/MLM - Partizan Genclik Inisiyatifi/MarksistLeninist Islamische Widerstandsbewegung Maoist)..................................................................... 264 (HAMAS - Harakat alMuqawama alIslamiya)...................................181, 198 ff., 203, Junge Alternative für Deutschland (JA) 217 ff., 222, 250, 256 f., 269 (Verdachtsfall) ..................................................... 89 f. 338 REGISTER Junge Nationalisten Kleingruppen ............. 122, 126, 131, 146 f., 151 (JN) ..................................... 61, 63, 66, 83, 92 f., 128 Kleinstgruppen .............................177, 183, 206 f. junge Welt (jW, Tageszeitung)....................... 171 Klimaprotestbewegung ..........................153, 173 K Klimaproteste .................123, 143 ff., 148, 160 f. K2, Köln................................................................... 165 Klimaschutz ....................................... 139, 143, 309 Kalifat ......................181, 184, 188, 206, 221, 230 Köbele, Patrik ....................................................... 172 Kalifatsstaat .................................................181, 230 Köcer, Tahir ........................................................... 261 Kampagnenfähigkeit ........................................ 158 Kohorte UG Kampf der Nibelungen (KdN) ...........50, 59, 67 (OnlineShop Phalanx Europa) ......................97 Kampfsport ........................................ 50, 66 f., 127 Köklü Degisim (Publikation) ........................ 221 Kampfsportgruppierungen ..............................66 Koma Civaken Kurdistan (KCK - Union der Gemeinschaften Kurdistans) ................ 258 Kampfsportszene ............................. 50, 66 f., 147 Koma Komalen Kurdistan (KKK - Gemein Kampfsportturnier ...............................................67 schaft der Kommunen in Kurdistan) ........ 258 Kampfsportveranstaltung ........ 50, 59, 67, 127 Komalen Ciwan (Gemeinschaft der Jugendlichen) .................................... 237, 258, 260 Kapitalismus ...........................71, 122, 139, 144 f., 149 f., 154 f., 160, 166, 169 Komitee zur Befreiung Großsyriens (HTS - Hai'at Tahrir alSham)...... 181, 183, 212 Kaplan, Metin ....................................................... 230 Kommission für Verstöße der Psychiatrie Kaypakkaya, Ädegbrahim ....................................263 f. gegen Menschenrechte Deutschland e.V. (KVPM) ...........................................................316, 318 KernalQaida .................... 181, 207, 209, 211 ff. Khalistan ................................................................ 270 Kommunismus ...................144, 148 f., 154, 168 Khamenei, Ayatollah Seyyed Ali ................. 197 Kommunistische Jugendorganisation (KGÖ - Komünist Genclik Örgütü) ............ 265 klandestin ..................................126, 134, 161, 279 Kommunistische Partei Chinas Klassenkampf .............................................149, 174 (KPCh)....................................................281 f., 284 ff. 339 REGISTER Kommunistische Partei Deutschlands Kulturlabor ..............................................................78 (KPD) ........................................................................ 172 Kulturrevolution ...................................................73 Kommunistische Plattform (KPF) ...........155 f. KümmererPartei ..................................................87 Komünist Genclik Örgütü (KGÖ - Kommunistische Jugendorganisation)......265 Kurdische Frauenbewegung in Europa (AKKH/TJKE) ...................................................236 f. Konföderation der ArbeiterInnen aus der Kurdistansolidarität .......................................... 161 Türkei in Europa (ATIK - Avrupa Türkiyeli Isciler Konfederasyonu) .................................. 263 Kuytul, Alparslan ............................................... 229 Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland e.V. (KONMED - L Konfederasyona Civaken Kurdistaniyen li Almanya) ...................................................236, 261 Lagebild .................................................69, 200, 255 Konföderation der unterdrückten LambdaZeichen ...................................................75 Migranten in Europa (AvEGKon - Avrupa Ezilen Göcmenler Konfederasyonu) ......... 265 Landgericht (LG) .......................................... 56, 129 Landtagswahl ...................... 83 ff., 88, 141 f., 273 KonfuziusInstitute........................................... 285 Laut gedacht ............................................................78 Kongra Gele Kurdistan (KONGRA GEL - Volkskongress Kurdistans) ............................. 258 Legalresidenturen ....................... 276 f., 282, 287 Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane Liebig34................................................................... 143 (KADEK - Freiheits und Demokratiekon gress Kurdistans)................................................. 258 LilaRotKollektiv (MorKizil Kolektif, Frauenorganisation) ......................................... 264 Königreich Deutschland (KRD) ..........106, 110 Linke Aktion VillingenSchwenningen ... 168 konspirativ .... 19, 67, 122, 146, 189 f., 236, 276 Linke Presse Verlags Förderungs und Kontrolle ............................................................... 19 f. Beteiligungsgenossenschaft junge Welt eG (LPG) ......................................................................... 171 KöpiWagenplatz................123, 133, 136 f., 161 Linksterrorismus ............................................... 49 f. Kritik&Praxis, Frankfurt am Main ............. 167 linksunten.indymedia Kubitschek, Götz ............................................78, 80 (Internetplattform)...................................162, 325 kulturelle Autonomie .............................235, 259 Livestream ................................................................78 340 REGISTER Lübcke, Walter .................................................55, 81 Messerangriff ..........................................................88 LukovMarsch.........................................................86 metapolitisch ..........................................................72 Meuterei .....................................123, 136, 140, 143 M Militanz..........................................................150, 232 1. Mai Zeitung (Publikation) ......................... 168 militärische Raumfahrtprogramme ......... 297 maoistischstalinistisch .................................. 173 Military Intelligence Directorate Märtyrer .................................202, 246 f., 265, 270 (MID, chinesischer militärischer In und Auslandsnachrichtendienst)........ 303 marx21 (trotzkistisches Netzwerk) ............ 156 MillA(r) Gazete (Publikation) .............................. 228 Marxisten ............................................................... 149 Milli Görüs Marxistische Blätter (Publikation) ............. 172 Bewegung .........................176, 181, 197 f., 226 ff. Marxistische Leninistische Kommunistische Milli Görüs (Nationale Sicht) ........................ 226 Partei (MLKP - Marksist Leninist Komünist Parti) ..........................................245, 265 Milliyetci Hareket Partisi (MHP - Partei der Nationalistischen MarxistischLeninistische Partei Deutsch Bewegung) .............................250 f., 253, 266, 268 lands (MLPD) .........141, 145, 155, 173, 256, 269 Ministry of Intelligence (VAJA, zumeist Mason, James Nolan ............................................71 abgekürzt MOIS, vormals VEVAK, iranischer ziviler In und Auslands Massenvernichtungswaffen ....... 272, 293, 296 nachrichtendienst) ............................. 287 ff., 304 materieller Geheimschutz ....................308, 312 Ministry of Public Security (MPS, Mebrak, Yazid (alias Youssef Abu chinesisches Polizeiministerium)............... 303 Ubaydah alAnnabi) .......................................... 208 Ministry of State Security (MSS, Medienstelle ......................191 ff., 206 ff., 210 ff. chinesischer ziviler In und Auslands nachrichtendienst) .........................................302 f. Memes ........................................................................71 Mischszene ...............................................................66 Menschenfeindlichkeit................................48, 54 Missionen .............................................................. 315 Menschen für Menschen e.V. ..... 202, 216, 327 MIT (türkischer ziviler In und Messenger ......19, 54, 70, 73, 107, 118, 191, 283 Auslandsnachrichtendienst) ......................290 f. 341 REGISTER Mobilisierung.....48 f., 51, 61, 67, 84, 87, 118 f., National Fight Night............................................67 135, 151 f., 161, 178, 190, 196, 221, 237, 257 Nationalismus ist keine Alternative Mofatteh, Mohammad Hadi ...............197, 225 (NIKA) .............................................................159, 167 mole (englisch: Maulwurf; Publikation) ...167 Nationalsozialismus/ nationalsozialistisch ......................58, 68, 71, 87, MorKizil Kolektif (LilaRotKollektiv, 92, 96, 103, 115, 323 Frauenorganisation) ......................................... 264 NATO ....................272, 276, 278, 285 f., 301, 305 Moschee...................................... 55 f., 72, 197, 204, 215, 217, 220, 223, 225 Naturrecht ....................................................102, 110 MS Exchange ........................................................ 286 Neonazis/ Mursi, Mohammed............................................ 222 neonazistisch ......... 49, 57, 63, 66 f., 87, 95, 128 Musikveranstaltungen.................... 50, 59, 64 ff. Network Systems Department (NSD, chinesischer militärischer technischer Muslimbruderschaft (MB - alIkhwan Nachrichtendienst)............................................ 303 alMuslimun) ............. 181, 197, 218, 222 f., 292 Netzwerke ............... 50, 72 f., 130, 151, 156, 166, Muslim Interaktiv .....................................196, 221 182 ff., 190, 197, 203, 223 f., 297 Neue Demokratische Jugend N (YDG - Yeni Demokratik Genclik).............. 263 Nachberichtspflicht .............................................57 Neue Frau (Yeni Kadin) .................................... 263 Nachrichtendienstliches Informations Neue Rechte.............................................................72 system (NADIS) ...............................................17, 20 NARCONON ......................................................... 318 Newroz .................................................................... 238 Nasrallah, Hassan ............................................... 216 Nichtaberrierte.................................................... 314 Nationaldemokratische Partei NSU 2.0.......................................................................56 Deutschlands (NPD) ..............16, 49, 51 f., 61 ff., 82 ff., 86, 92 ff., 128 O Nationale Hochwasserhilfe ..............................61 Oberlandesgericht Nationale Sicht (Milli Görüs) ........................ 226 (OLG) .....................................55, 157, 203, 242, 275 Nationale Sozialisten Rostock (NSR) ...........57 Öcalan, Abdulllah..........235, 237 ff., 244, 258 f. 342 REGISTER Öffentlicher Dienst ............................. 22, 68, 107 parteiunabhängige bzw. parteiunge bundene Strukturen ............................................52 Öffentlichkeitsarbeit ..............22, 141, 151, 155, 157, 159, 170, 197 Partiya Karkeren Kurdistan (PKK - Arbeiterpartei Kurdistans) ....161, 232, 234 ff., Okzident Media UG ......................................73, 97 249, 241, 254, 258 ff., 290, 305, 320, 325 Onlineangebot................................ 75, 77, 98, 315 Partizan Genclik Inisiyatifi/Marksist LeninistMaoist (PGI/MLM - Jugend Onlineblog................................................................78 initiative Partizan/MarxistenLeninisten Maoisten) ............................................................... 264 Onlinestream ..........................................................67 Pawn Storm .......................................................... 279 Onlinesubkulturen...............................................54 Permanente Revolution.................................. 174 Organisation der Wächter der Religion personeller Geheimschutz................308 f., 312 (THD - Tanzim Hurras alDin)................................................... 181, 183, 213 Personenpotenzial .....................22, 52, 103, 125, 146, 179 ff., 189, 234, 255 Organisierte Linke Heilbronn ...................... 165 Perspektif (Publikation) .................................. 229 Outings........................................127, 130, 141, 162 Perspektive Kommunismus Özgür Gelecek (Publikation) ......................... 263 (PK) ......................................................... 144, 154, 168 Phalanx Europa........................................73, 82, 97 P PINEWS ............................................... 52, 80 ff., 99 Parlamentarisches Kontrollgremium (PKGr)..........................................................................20 Podcast .................................................... 77 ff., 316 f. Politaufkleber (Internetversandhandel) ....82 Partei der Befreiung (HuT - Hizb utTahrir) ..........181, 196, 221, 322 Polizei ............................................35 f., 38, 57 f., 95, 114 ff., 122, 127, 130, 132 ff. Partei der großen Einheit (BBP - Büyük Birlik Partisi)................................................253, 268 Popular Front for the Liberation of Palestine (PFLP - Volksfront für die Partei der Nationalistischen Bewegung Befreiung Palästinas) ...............................256, 269 (MHP - Milliyetci Hareket Partisi)......................................250 f., 253, 266, 268 POSITION (Publikation) ................................. 172 Partei für Soziale Gleichheit (PSG)............. 174 Postautonome ........................................151 f., 158 343 REGISTER Prävention ..........................................................298 f. Rechtsextremistische Musik veranstaltungen ........................................ 50, 64 ff. PRISMA - IL Leipzig ......................................... 165 Rechtsklick ........................................................60, 74 Proliferation ............272 f., 292 f., 295, 297, 301 rechtsterroristisch .....................................53 f., 72 Propaganda ................25 ff., 161 f., 177 f., 182 f., 186 f., 189 ff., 235, 240 f., 277 Redical [M], Göttingen ..................................... 167 Protestformen ............................................115, 146 Referans (Publikation) ..................................... 267 Protest/Protestgeschehen.........58 ff., 73 f., 87, Regelanfrage ............................................................57 112 ff., 123, 135 f., 143 f., 146 ff., 160 f., 238 Reichsbürger..... 32 f., 52, 68, 101 ff., 113, 116 ff. Punjab...................................................................... 270 Rekrutierung ................................64, 66, 182, 189, 221, 235, 239, 260 Q Repression ....................... 134, 150, 154, 160, 170 Quds Force (iranische militärische und nachrichtendienstliche Revolution ........................... 76, 98, 149, 153, 155, Spezialeinheit) ........................................288 f., 305 168 f., 197, 246, 265, 288 f. QuerdenkenBewegung........... 113 f., 116, 118 Revolutionäre Aktion Stuttgart................... 168 Revolutionäre Volksbefreiungsfront R (DHKC - Devrimci Halk Kurtulus Cephesi) .................................................................. 245 Radikalisierung .....................70, 115, 118 f., 122, 125, 146 f., 186, 201 Revolutionäre Volksbefreiungspartei (DHKP - Devrimci Halk Kurtulus Ransomware ......................................................... 289 Partisi)...................................................................... 245 Rassismus/rassistisch .......68, 71, 91, 95 f., 131, Revolutionäre Volksbefreiungspartei 147, 162, 248 f., 251, 254 Front (DHKPC - Devrimci Halk Kurtulus PartisiCephesi) .......................232 f., 244 ff., 262 Realität Islam ..............................................196, 221 Revolution des Proletariats ........................... 149 REBELL (Jugendverband) ......................146, 173 REVOLUTION (REVO) ..................................... 153 Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden ....................................50, 68 Revolutionsrhetorik .....................................76, 98 Rechtsextremistische Musikszene ..... 50, 64 f. Rigaer94 ...........123, 133 f., 137 f., 143, 153, 161 344 REGISTER Rippert, Ulrich ..................................................... 174 Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf (GSPC - Groupe Salafiste pour la Risalat alIkhwan (Publikation)................... 222 Predication et le Combat)............................... 208 rockerähnliche Vereinigungen .................... 254 SALAM! Zeitschrift für junge Muslime (Publikation) ......................................................... 225 Rote Armee Fraktion (RAF) ........................... 126 Sanktionen .........................................275, 276, 280, Rote Fahne (Publikation) ................................ 173 284, 290, 292, 294 f. RoteHilfeArchiv .....................................157, 170 Schadsoftware ............................................280, 289 Rote Hilfe e.V. (RH) ..................... 156 f., 159, 170 Schanze Eins UG & Co. KG ..................73, 75, 97 Roter Aufbau Hamburg (RAH)..................... 168 Scharia .................................................. 194, 214, 224 Rückkehrer ............................................................ 186 Scharnierfunktion ............................................. 158 Rzehaczek, Paul........................................63, 83, 93 Schiiten/schiitisch .............190, 196 f., 217, 225 Schreiber, Peter ......................................................94 S SchutzzonenKampagne ...................................83 Sa'adat, Ahmad .................................................... 269 Scientific Studies and Research Center SAADET Europa e.V..................................198, 227 (SSRC)....................................................................... 296 Saadet Partisi (SP) ............................................... 227 scientologische "Technologie" ..................... 314 Sabotage ........134, 144, 146, 278, 280, 298, 308 Scientology Network ........................................ 317 Sabotageschutz........................................17, 308 ff. ScientologyOrganisation (SO) ....313 ff., 317 f. Sabotageschutzbeauftragte ........................... 312 Sednit ....................................................................... 279 Sag NEIN zu Drogen - see red!, Düsseldorf ........................................... 165 Sag JA zum Leben ............................................... 318 Selbstbezichtigungsschreiben............ 128, 134, Saha .......................................................................... 236 139, 142 f., 150, 162 Salafismus.....................176 f., 179 f., 188 ff., 196 Selbstverbrennung .........................................243 f. Salafisten/salafistisch............176 f., 179 f., 181, Selbstverwalter.................................... 32 f., 52, 68, 188 ff., 195 f., 203, 208, 230 101 ff., 113, 116 ff. 345 REGISTER Seriat.net (Website)............................................ 230 Somalisches Komitee Information und Beratung in Darmstadt und Serxwebun (Publikation) .......................241, 258 Umgebung e.V. (SKIB)..............................202, 327 Sever, Engin .......................................................... 261 Soziale Netzwerke ........................... 105, 277, 283 Sezession (Zeitschrift) ..................................... 78 f. Sozialismus ...............................122, 132, 149, 172 S.H.A.E.F.Ideologie ........................................108 f. Sozialistische Alternative (SAV)................... 156 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend ShahidStiftung..........................................198, 217 (SDAJ) .................................................... 146, 153, 172 Sham alRibat (Medienstelle) ....................... 213 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) ..................................116, 172 Sicherheitsbehörden ......18, 35 f., 38, 50, 54 f., 67 f., 72, 109, 177 f., 182, Sozialistische Gleichheitspartei 185 ff., 229, 290 f., 299, 305, 311 (SGP) ................................................................141, 174 sicherheitsempfindliche Tätigkeit ....308, 312 Sozialistische Organisation Solidarität (Sol) ........................................................................... 156 Sicherheitsrisiko .................................... 186, 310 f. SpearPhishingAngriff ................................... 289 Sicherheitsüberprüfung......................17, 308 ff. Spendenkampagne.........77, 220, 233, 240, 259 Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG) ......................................................... 308 ff., 312 Spiegelplattformen ........................................... 163 SiegeIdeologie .......................................50 f., 70 ff. SPOC Wirtschaft und Wissenschaft schützen ................................................................. 299 Sikh/Sikhs.....................................................270, 293 Staatenbund Deutsches Reich ..................... 110 SkillsharingCamps........................................... 161 staatenlos.info ..................................................... 104 Snake ........................................................................ 279 staatliche Parteienfinanzierung .....................84 Social Engineering....................................289, 299 Staatsmedien .....................................................277 f. SocialMediaPlattformen .........................70, 73 Staatsterrorismus ............................ 272, 288, 304 Sofacy....................................................................... 279 Sterka Ciwan (Publikation)...................239, 260 SolarWinds ............................................................ 280 Sterk TV (Fernsehsender).......................241, 258 346 REGISTER Strukturdaten ..................................................17, 22 Tevgera Ciwanen Soresger (TCS - Bewegung der revolutionären Studierende Frauen Kurdistans Jugend) ................................................. 237, 258, 260 (JXK - Jinen Xwendekar en Kurdistan)..... 237 Tevgera Jinen Kurd li Ewropa Stützpunkte ...............................................86, 93, 96 (TJKE/Avrupa Kürt Kadin Hareketi, AKKH - Kurdische Frauenbewegung Subkultur/subkulturell ..................... 50, 66, 135 in Europa) ...........................................................236 f. Swaid, Khallad .................................................... 223 Thabat News Agency (Medienstelle) ......... 207 SWR (russischer ziviler Auslands Thabat nachrichtendienst) ...................................279, 301 (Medienstelle und Onlinemagazin) ........... 207 Synagoge ...................................... 72, 179, 185, 201 Thaler, Philip ...........................................................97 Syndikat.........................................................143, 169 The Auditor ........................................................... 317 The Dukes .............................................................. 280 Szeneobjekt ...............................50, 62, 64, 67, 123, 128, 133 ff., 140, 143, 161 Theorie Organisation Praxis ......................... 167 Szeneschwerpunkte .......................................... 146 The Way to Happiness (Leitfaden) ............. 316 Thinktanks ............................................... 277, 283 f. T Tiergartenmord ...............................................280 f. Tablighi Jama'at (TJ - Gemeinschaft der Verkündigung und Mission) ................181, 224 TorNetzwerk ....................................................... 163 Tag der Ehre .............................................................86 Tötungsdelikte..................... 26 ff., 29 f., 34, 37 f., 40 f., 43 f., 53, 124, 132, 233 Taleban .............................................178, 181, 183 f., 187, 190 f., 194, 214 f. trotzkistisch ................................... 153, 155 f., 174 Tanzim Hurras alDin (THD - Organisation Turan ...............................................................248, 253 der Wächter der Religion) ........... 181, 183, 213 Türkische Hizbullah (TH) ......................181, 220 Tarnfirmen ...................................................293, 297 Türkische Kommunistische Partei/ Telegram................59, 61, 73, 107, 109, 118, 193 MarxistenLeninisten (TKP/ML - Türkiye Komünist Partisi/ Terrorismusfinanzierung ............ 182, 188, 203 MarksistLeninist)................................. 245, 263 f. 347 REGISTER Türkische Nachrichtendienste und Uroburos ................................................................ 279 Sicherheitsbehörden ...........................290 f., 305 Ustaosmanoglu, Mahmud ............................. 227 Türkiye Komünist Partisi/MarksistLeninist (TKP/ML - Türkische Kommunistische V Partei/MarxistenLeninisten) ......... 245, 263 f. Vandreier, Christoph ........................................ 174 Turla ......................................................................... 279 Vaterländischer Hilfsdienst (VHD) .....105, 110 TV Furkan (Onlinefernsehsender) ............. 229 Verband der Studierenden aus Kurdistan (YXK - Yekitiya Xwendekaren U Kurdistan) .............................................................. 237 ÜlkücüBewegung (Idealisten Verband der Werktätigen MigrantIn Bewegung) ............................232 f., 248 ff., 266 ff. nen in Europa (AGEB - Avrupa Göcmen Emekciler Birligi)................................................ 264 Umar, Ahmad (alias Abu Ubaidah) ............. 211 Verbotsverfahren .......................16, 84, 182, 202 Umgehungsausfuhren ..................................... 293 Verdachtsfall ..................... 52, 58 f., 77 ff., 82, 89 Ummah Wahida (Onlinemagazin) ............. 207 Verdeckte Ummashop ..................................................202, 327 Informationsbeschaffung .................282 f., 311 ...ums Ganze! - kommunistisches Vereinigung der neuen Weltsicht in Bündnis............................. 144, 152, 158, 159, 167 Europa e.V. ............................................................. 228 Umvolkung ................................................69, 81, 99 Verfassunggebende Versammlung (VV) ..................................................................103, 110 Union der Gemeinschaften Kurdistans (KCK - Koma Civaken Kurdistan)............... 258 verfassungsmäßige Ordnung ...................16, 57 203, 320 ff. Union Internationaler Demokraten (UID) ......................................................................... 291 Verfassungsschutzverbund ....57, 58, 179, 299 unsere zeit (uz, Publikation) .......................... 172 Verlag 8. Mai GmbH .......................................... 171 unstrukturiertes rechtsextremistisches Verlag Antaios (Verdachtsfall) ..... 52, 78 ff., 82 Personenpotenzial ................................................52 Vernetzung/Vernetzungsbestrebung ......... 49, Unterstützungsfront 63 f., 67, 70, 79, 82, 86, 97, (JaN - Jabhat alNusra).................. 183, 203, 212 127, 135, 151 f., 154, 156, 158 ff., 237 348 REGISTER Verschlusssache (VS) ......................................308 f. W Verschwörungsideologien ......53, 98, 108, 119 Waffenaffinität ....................................57, 109, 110 Verschwörungsmythen ................................... 113 Waffenbehörde ......................................................57 Verschwörungsnarrative ............................70, 74 waffenrechtliche Erlaubnisse ............ 57 f., 109 Verschwörungstheorien/verschwörungs Waisenkinderprojekt Libanon e.V. theoretisch .......................50, 54, 64, 69 f., 73, 76, (WKP) ............................. 198, 202, 216 f., 324, 327 82, 98, 102, 108, 110, 179 Watan TV (Fernsehsender) ............................. 222 VHD Aktuell ......................................................... 105 WeChat.................................................................... 283 Vielschreiberei ..................................................... 105 Weltgesundheitsorganisation (WHO) ...... 281 virtuelle Netzwerke ........................................... 102 Wendezeiten............................................................78 Voice of Hind (Onlinemagazin) ................... 191 White Supremacy .................................................71 völkischnationalistisch .............................76, 90 Widerstand............ 24, 27, 29 f., 32, 34, 37 f., 44, 60 f., 74, 76 f., 98, 102, 105, 108, 113, Volksbegriff .............................................................89 116, 124, 132, 135, 145 f., 217 ff., 222, 233 Volksfront für die Befreiung Palästinas Wir klären das! .......................................................78 (PFLP - Popular Front for the Liberation of Palestine)..................................................256, 269 Wirtschaftsschutz .............................................. 299 Volksfront (Halk Cephesi) .....................246, 262 Wirtschafts und Finanzbüro (EMB - Ekonomi ve Maliye Bürosu).......... 240 Volksgemeinschaft .................................48, 92, 96 Wirtschaftsunternehmen ............. 75, 122, 130, Volkskongress Kurdistans (Kongra Gele 138 ff., 278, 309 Kurdistan - KONGRA GEL) ........................... 258 Wolfsgruß .....................................................249, 251 Volksmodjahedin IranOrganisation (MEK) ....................................................................... 288 Worch, Christian ............................................85, 95 Volksrat (Halk Meclisi) ............................246, 262 World Institute of Scientology Enterprises (WISE) ...................................................................... 318 Volksverteidigungskräfte (HPG - Hezen Parastina Gel) ........................ 235 World Socialist Web Site (Publikation) .... 174 vorpolitischer Raum ..............................72, 77, 93 WorldWide ResistanceHelp e.V. .......202, 327 349 REGISTER Y Yorum Kültür Evi ............................................... 246 YATIMKinderhilfe e.V............................218, 322 Young Struggle (YS) ........................................... 265 Yazicioglu, Erol .................................................... 268 Youth for Human Rights ................................ 318 Yazicioglu, Muhsin .........................................252 f. Yürüyüs (Publikation) .............................246, 262 Yekitiya Xwendekaren Kurdistan (YXK - Verband der Studierenden aus Z Kurdistan) .............................................................. 237 Zentralrat der Muslime in Deutschland Yeni Demokrasi (Publikation) ...................... 264 e.V. (ZMD) ............................................................... 252 Yeni Demokratik Genclik (YDG - Neue Zentralverband der Ezidischen Vereine Demokratische Jugend)................................... 263 e.V. (NAVYEK) ..................................................... 237 Yeni Kadin (Neue Frau) .................................... 263 Zentrum für Analyse und Forschung (ZAF) ............................................................................18 Yeni Özgür Politika (YÖP, Tageszeitung) ..................................241, 258 Ziviler Ungehorsam .......................................... 145 Yildirim, Durmus ............................................... 267 Zümrüt, Zübeyde................................................ 261 350 REGISTERANHANG Registeranhang zum Verfassungsschutzbericht 2021 In diesem Registeranhang sind die im vorliegenden Verfassungsschutzbericht genannten Gruppierungen aufgeführt, bei denen die vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte in ihrer Gesamtschau zu der Bewertung geführt haben, dass die Gruppierung verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, es sich mithin um eine extremistische Gruppierung handelt. Gruppierungen Seitenzahl A Aktion Ansar Deutschland e.V. 202, 327 Aktion, Kritik und Theorie Heidelberg (AKUT [+C]) 165 Aktionsblog 57 al-Aqsa e.V. 218, 321 f. al-Gama'a al-Islamiya 222 al-Ikhwan al-Muslimun (MB - Muslimbruderschaft) 181, 197, 218, 222 f., 292 Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu 250 f., 266 f. (ADÜTDF - Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V. ) Almanya Göcmen Isciler Federasyonu (AGIF - Föderation der 265 Arbeitsimmigrant/innen in Deutschland e.V.) Almanya Türkiyeli Isciler Federasyonu (ATIF - Föderation der 263 Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V.) al-Qaida 176 ff., 181 ff., 187, 190 ff., 207 ff. al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAH) 181, 192, 210 al-Qaida im Irak 206 al-Qaida im islamischen Maghreb (AQM) 181, 208, 209 al-Shabab (Harakat al-Shabab al-Mujahidin - Bewegung der 181, 203, 211 Mujahidin-Jugend) Änis Ben-Hatira Foundation 202, 327 Änis Ben-Hatira Help e.V. 202, 327 Ansaar International e.V. 202 f., 327 Antifa AK Köln 167 antifa nt - Autonome Antifa München 167 Antifaschistische Initiative, Heidelberg 165 Antikapitalistische Linke (AKL) 156 Antikapitalistische Linke München 168 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK - Partiya Karkeren Kurdistan), 161, 232, 234 ff., 249, 251, alias KADEK, alias KONGRA GEL, alias KKK, alias KCK 254, 258 ff., 290, 305, 320 351 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl ATIB - Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa 251 f., 267 e.V. (ATIB - Avrupa Türk Islam Kültür Dernekleri Birligi) Atomwaffen Division (AWD) 71 Atomwaffen Division Deutschland (AWDD) 71 Avrupa Ezilen Göcmenler Konfederasyonu (AvEG-Kon - 265 Konföderation der unterdrückten Migranten in Europa) Avrupa Göcmen Emekciler Birligi 264 (AGEB - Verband der Werktätigen MigrantInnen in Europa) Avrupa Kürt Kadin Hareketi (AKKH/Tevgera Jinen Kurd li 236 f. Ewropa, TJK-E - Kurdische Frauenbewegung in Europa) Avrupa Nizam-i Alem Federasyonu 252 ff., 268 (ANF - Föderation der Weltordnung in Europa) Avrupa Türk Islam Kültür Dernekleri Birligi (ATIB - Union der 251 f., 267 Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V.) Avrupa Türkiyeli Isciler Konfederasyonu (ATIK - Konföderation 263 der ArbeiterInnen aus der Türkei in Europa) AZADI Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in 242 f. Deutschland e.V. (AZADI e.V.) B Babbar Khalsa Germany (BKG) 270 Babbar Khalsa International (BKI) 270 Baltik Korps 57 Basisdemokratische Linke, Göttingen 165 Basisgruppe Antifaschismus (BA), Bremen 167 Better World Appeal e.V. 202, 327 Bewegung der Mujahidin-Jugend 181, 203, 211 (al-Shabab - Harakat al-Shabab al-Mujahidin) Bewegung der revolutionären Jugend 237, 258 (TCS - Tevgera Ciwanen Soresger) Bismarcks Erben 103, 105, 110 Blood & Honour Division Deutschland (B&H) 56, 321 Bulgarischer Nationalbund (BNS) 86 C COMPACT-Magazin GmbH 52, 62, 63, 75 ff., 82, 98 COMPACTTV 63, 75, 98, 118 CRIMINON 318 Critique'n'act, Dresden 167 352 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl D Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in 261 Norddeutschland e.V. (FED-DEM - Federasyona Civaka Demokratik a Kurdistaniyen li Bakure Almanya) Der III. Weg 49, 51, 52, 60 f., 86 ff., 96 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 141, 145, 153, 155, 172 Deutsche Libanesische Familie e.V. (DLF) 202, 216, 327 Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V. (DMG) 181, 197, 222 Deutsche Stimme Verlagsgesellschaft mbH (DS Verlag) 92, 94 Devrimci Genclik (Dev Genc - Revolutionäre Jugend) 246, 262 Devrimci Halk Kurtulus Cephesi (DHKC - Revolutionäre 245 Volksbefreiungsfront) Devrimci Halk Kurtulus Partisi 245, 321 (DHKP - Revolutionäre Volksbefreiungspartei) Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi 232 f., 244 ff., 262, 321 (DHKP-C - Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) DIE RECHTE 49, 51, 52, 60, 61, 85 f., 95 Die Wahre Religion (DWR) 188, 325 E Eklat Münster 167 Ekonomi ve Maliye Bürosu (EMB - Wirtschaftsund Finanzbüro) 240 Erbakan-Stiftung 228 Europavertretung der Erbakan-Stiftung 228 F Farben für Waisenkinder e.V. (FfW) 202, 216, 324, 327 Federasyona Civaka Demokratik a Kurdistaniyan (FCDK-KAWA - 261 Föderation der demokratischen Gesellschaften Kurdistans e.V.) Federasyona Civaka Demokratik a Kurdistaniyen li Bakure 261 Almanya (FED-DEM - Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Norddeutschland e.V.) Federasyona Civaken Azad yen Mezopotamya li NRW 261 (FED-MED - Föderation der Freiheitlichen Gesellschaft Mesopotamiens in NRW e.V.) Federasyona Civaken Kurdistani 261 (FCK - Föderation der Gesellschaften Kurdistans e.V.) Federasyona Kurdistaniyen Azad li Rojhilate Almanya 261 (FED-KURD - Freie Kurdistan Föderation Ostdeutschland) 353 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl Feuerkrieg Division Deutschland (FKDD) 71 f. Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland e.V. 263 (ATIF - Almanya Türkiyeli Isciler Federasyonu) Föderation der Arbeitsimmigrant/innen in Deutschland e.V. 265 (AGIF - Almanya Göcmen Isciler Federasyonu) Föderation der demokratischen Aleviten e.V. (FEDA) 237 Föderation der demokratischen Gesellschaften Kurdistans e.V. 261 (FCDK-KAWA - Federasyona Civaka Demokratik a Kurdistaniyan) Föderation der Freiheitlichen Gesellschaft Mesopotamiens 261 in NRW e.V. (FED-MED - Federasyona Civaken Azad yen Mezopotamya li NRW) Föderation der Gesellschaften Kurdistans e.V. 261 (FCK - Federasyona Civaken Kurdistani) Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in 250 f., 266 Deutschland e.V. (ADÜTDF - Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu) Föderation der Weltordnung in Europa 252 ff., 268 (ANF - Avrupa Nizam-i Alem Federasyonu) Frauenrechte ANS.Justice e.V. 202 f., 327 Frauenverteidigungskräfte (HPJ - Hezen Parastina Jin) 235 Freie Arbeiterinnenund Arbeiter-Union (FAU) 153, 169 Freie Kurdistan Föderation Ostdeutschland (FED-KURD - 261 Federasyona Kurdistaniyen Azad li Rojhilate Almanya) Freie Sachsen 60 f., 118 Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans 258 (KADEK - Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane), siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Furkan Gemeinschaft 181, 229 Furkan Stiftung für Bildung und Dienst 229 (Furkan Egitim ve Hizmet Vakfi) G Geeinte deutsche Völker und Stämme (GdVuSt) 104, 106 f., 108, 326 Gemeinschaft der Jugendlichen (Komalen Ciwan) 237, 258, 260 Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan (KKK - Koma Ko258 malen Kurdistan), siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Generation identitaire 75 Generation Islam 196, 221 Gib Frieden e.V. 202, 216, 327 Grup Yorum 247 f., 262 354 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl Gruppe ArbeiterInnenmacht (GAM) 153 Gruppe d.i.s.s.i.d.e.n.t., Marburg 165 Gruppe D.O.R.N., Kassel 165 Gruppe Freital 55 f. Gruppe für die Unterstützung des Islam und der Muslime 181, 208 f. (Jama'at Nasr al-Islam wal Muslimin - JNIM) Gruppe S. 56 H Hai'at Tahrir al-Sham 181, 183, 212 (HTS - Komitee zur Befreiung Großsyriens) Halk Cephesi (Volksfront) 246, 262 Halk Meclisi (Volksrat) 246, 262 Hans-Litten-Archiv - Verein zur Errichtung und Förderung 157, 170 eines Archivs der Solidaritätsorganisationen der Arbeiterund Arbeiterinnenbewegung und der sozialen Bewegungen (Rote-Hilfe-Archiv) e.V. (HLA) (nicht selbst als extremistische Gruppierung, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, aufgeführt, sondern als Unterstützer einer solchen Gruppierung) Harakat al-Muqawama al-Islamiya 176, 178 f., 181, 184 f., (HAMAS - Islamische Widerstandsbewegung) 198 f., 200, 203, 217 ff., 222, 250, 256 f., 269, 321 Hasan Ferit Gedik-Zentrum (HFG) 247 Helpstore Secondhand UG 202 f., 327 Hezb-e Islami-ye Afghanistan 181, 215 (HIA - Islamische Partei Afghanistans) Hezen Parastina Gel (HPG - Volksverteidigungskräfte) 235 Hezen Parastina Jin (HPJ - Frauenverteidigungskräfte) 235 Hizb Allah (Partei Gottes) 176, 181, 198, 200, 202, 216 f., 269, 326 Hizb ut-Tahrir (HuT - Partei der Befreiung) 181, 196, 221, 322 I I Furiosi, Düsseldorf 165 Identitäre Bewegung Deutschland (IBD) 52, 60, 73 ff., 77, 78, 80, 82, 97 International Way to Happiness Foundation 318 Interventionistische Linke (IL) 152, 158 f., 165 f. Islamische Gemeinde Kurdistans (CIK) 237 355 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden 197, 225 Deutschlands e.V. (IGS) Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) 223 Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. (IGMG) 198, 228 Islamische Partei Afghanistans 181, 215 (HIA - Hezb-e Islami-ye Afghanistan) Islamischer Staat - Provinz Khorasan (ISPK) 183 f., 214 Islamischer Staat (IS) 181, 191 f., 206 Islamisches Zentrum Hamburg e.V. (IZH) 181, 197, 225 Ismail Aga Cemaati (IAC) 227 J Jama'at Nasr al-Islam wal Muslimin (JNIM - Gruppe für die 181, 208 f. Unterstützung des Islam und der Muslime) Jinen Xwendekar en Kurdistan 237 (JXK - Studierende Frauen Kurdistans) Jugendinitiative Partizan/Marxisten-Leninisten-Maoisten (PGÄdeg/ 264 MLM - Partizan Genclik Inisiyatifi/Marksist-Leninist-Maoist) Junge Nationalisten (JN) 61, 63, 66, 83, 92 f., 128 junge Welt (jW) 171 K K2, Köln 165 Kalifatsstaat 181, 230 Kohorte UG (Online-Shop Phalanx Europa) 97 Koma Civaken Kurdistan (KCK - Union der Gemeinschaften 258 Kurdistans), siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Koma Komalen Kurdistan (KKK - Gemeinschaft der Kommunen 258 in Kurdistan), siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Komalen Ciwan (Gemeinschaft der Jugendlichen) 237, 258, 260 Komitee zur Befreiung Großsyriens 181, 183, 212 (HTS - Hai'at Tahrir al-Sham) Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen 316, 318 Menschenrechte e.V. (KVPM) Kommunistische Plattform (KPF) 155 f. Konfederasyona Civaken Kurdistaniyen li Almanya 236, 261 (KON-MED - Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland e.V.) Konföderation der ArbeiterInnen aus der Türkei in Europa 263 (ATIK - Avrupa Türkiyeli Isciler Konfederasyonu) 356 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland 236, 261 e.V. (KON-MED - Konfederasyona Civaken Kurdistaniyen li Almanya) Konföderation der unterdrückten Migranten in Europa 265 (AvEG-Kon - Avrupa Ezilen Göcmenler Konfederasyonu) Kongra Gele Kurdistan (KONGRA GEL - Volkskongress 258 Kurdistans), siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane 258 (KADEK - Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans), siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Königreich Deutschland (KRD) 106, 110 Kritik&Praxis, Frankfurt am Main 167 Kurdische Frauenbewegung in Europa (AKKH/TJK-E - Avrupa 236 f. Kürt Kadin Hareketi/Tevgera Jinen Kurd li Ewropa L Lila-Rot-Kollektiv (Mor-Kizil Kolek-tif, Frauenorganisation) 264 Linke Aktion Villingen-Schwenningen 168 Linke Presse Verlags-, Förderungsund Beteiligungs171 genossenschaft junge Welt eG (LPG) M marx21 156 Marxistische Leninistische Kommunistische Partei 245, 265 (MLKP - Marksist Leninist Komünist Parti) Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 141, 145, 155, 173, 256, 269 Menschen für Menschen e.V. 202, 216, 327 Milli Görüs-Bewegung 176, 181, 197 f., 226 ff. Mor-Kizil Kolek-tif (Lila-Rot-Kollektiv, Frauenorganisation) 264 Muslim Interaktiv 196, 221 Muslimbruderschaft (MB - al-Ikhwan al-Muslimun) 181, 197, 218, 222 f., 292 N NARCONON 318 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 16, 49, 51 f., 61 ff., 82 ff., 86, 92 ff., 128 Nationale Sozialisten Rostock (NSR) 57 Neue Demokratische Jugend (YDG - Yeni Demokratik Genclik) 263 Neue Frau (Yeni Kadin) 263 357 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl O Okzident Media UG 73, 97 Organisation der Wächter der Religion 181, 183, 213 (THD - Tanzim Hurras al-Din) Organisierte Linke Heilbronn 165 P Partiya Karkeren Kurdistan (PKK - Arbeiterpartei Kurdistans), 161, 232, 234 ff., 249, 241, alias KADEK, alias KONGRA GEL, alias KKK, alias KCK 254, 258 ff., 290, 305, 320, 325 Partizan Genclik Inisiyatifi/Marksist-Leninist-Maoist (PGI/MLM - 264 Jugendinitiative Partizan/Marxisten-Leninisten-Maoisten) Perspektive Kommunismus (PK) 144, 154, 168 Phalanx Europa 73, 82, 97 PI NEWS 52, 80 ff., 99 Politaufkleber (Internetversandhandel) 82 Popular Front for the Liberation of Palestine 256, 269 (PFLP - Volksfront für die Befreiung Palästinas) PRISMA - IL Leipzig 165 R Realität Islam 196, 221 REBELL 146, 173 Redical [M], Göttingen 167 REVOLUTION (REVO) 153 Revolutionäre Aktion Stuttgart 168 Revolutionäre Volksbefreiungsfront 245 (DHKC - Devrimci Halk Kurtulus Cephesi) Revolutionäre Volksbefreiungspartei 245 (DHKP - Devrimci Halk Kurtulus Partisi) Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front 232 f., 244 ff., 262 (DHKP-C - Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi) Rote Hilfe e.V. (RH) 156 f., 159, 170 Roter Aufbau Hamburg 168 S SAADET Europa e.V. 198, 227 Sag NEIN zu Drogen - Sag JA zum Leben 318 358 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl Schanze Eins UG & Co. KG 73, 75, 97 Scientology Network 317 Scientology-Organisation (SO) 313 ff., 317 f. see red!, Düsseldorf 165 Shahid-Stiftung 198, 217 Somalisches Komitee Information und Beratung in Darmstadt 202, 327 und Umgebung e.V. (SKIB) Sozialistische Alternative (SAV) 156 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 146, 153, 172 Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) 141, 174 Sozialistische Organisation Solidarität (Sol) 156 Staatenbund Deutsches Reich 110 staatenlos.info 104 Studierende Frauen Kurdistans 237 (JXK - Jinen Xwendekar en Kurdistan) T Tablighi Jama'at 181, 224 (TJ - Gemeinschaft der Verkündigung und Mission) Taleban 178, 181, 183 f., 187, 190 f., 194, 214 f. Tanzim Hurras al-Din 181, 183, 213 (THD - Organisation der Wächter der Religion) Tevgera Ciwanen Soresger 237, 258, 260 (TCS - Bewegung der revolutionären Jugend) Tevgera Jinen Kurd li Ewropa (TJK-E/Avrupa Kürt Kadin 236 f. Hareketi, AKKH - Kurdische Frauenbewegung in Europa) Theorie Organisation Praxis, Berlin 167 Türkische Hizbullah (TH) 181, 220 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten 245, 263 f. (TKP/ML - Türkiye Komünist Partisi/Marksist-Leninist) Türkiye Komünist Partisi/Marksist-Leninist (TKP/ML - 245, 263 f. Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten) U ...ums Ganze! - kommunistisches Bündnis (uG) 144, 152, 158, 159, 167 Ummashop 202, 327 Union der Gemeinschaften Kurdistans (KCK - Koma Civaken 258 Kurdistan), siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 359 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl V Vaterländischer Hilfdienst (VHD) 105, 110 Verband der Studierenden aus Kurdistan 237 (YXK - Yekitiya Xwendekaren Kurdistan) Verband der Werktätigen MigrantInnen in Europa 264 (AGEB - Avrupa Göcmen Emekciler Birligi) Verfassunggebende Versammlung (VV) 103, 110 Verlag 8. Mai GmbH 171 Volksfront (Halk Cephesi) 246, 262 Volksfront für die Befreiung Palästinas 256, 269 (PFLP - Popular Front for the Liberation of Palestine) Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL - Kongra Gele 258 Kurdistan), siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Volksrat (Halk Meclisi) 246, 262 Volksverteidigungskräfte (HPG - Hezen Parastina Gel) 235 W Waisenkinderprojekt Libanon e.V. (WKP) 198, 202, 216 f., 324, 327 Wirtschaftsund Finanzbüro (EMB - Ekonomi ve Maliye Bürosu) 240 World Institute of Scientology Enterprises (WISE) 318 WorldWide Resistance-Help e.V. 202, 327 Y YATIM-Kinderhilfe e.V. 218, 322 Yekitiya Xwendekaren Kurdistan 237 (YXK - Verband der Studierenden aus Kurdistan) Yeni Demokratik Genclik (YDG - Neue Demokratische Jugend) 263 Yeni Kadin (Neue Frau ) 263 Young Struggle (YS) 265 Youth for Human Rights 318 Z Zentralverband der Ezidischen Vereine e.V. (NAV-YEK) 237 360 BILDNACHWEIS Bildnachweis 57 dpa 61 dpa 61 www. derdritteweg.info 61 w ww. facebook.com 62 https:// www.materialvertrieb.de 63 https:// politaufkleber.de 66 www. derdritteweg.info 67 www. facebook.com 70 https:// politaufkleber.de 74 https:// rechtsklick.info 75 www. compactonline.de 76 www. compactshop.de 77 www. einprozent.de 78 www. facebook.com 80 www. facebook.com 80 www. pinews.net 83 https:// npd.de 83 https:// npdmaterialdienst.de 85 https:// dierechte.net 87 https:// derdritteweg.info 88 www. twitter.com 89 https:// derdritteweg.info 89 https:// netzseite.jungealternative.online 105 https:// podtail.com 106 https:// gemeinwohlkasse.org 108 https:// shaef.de 125 dpa 127 dpa 132 dpa 133 dpa 134 dpa 361 BILDNACHWEIS 135 dpa 135 dpa 137 dpa 138 dpa 138 dpa 140 dpa 140 dpa 141 www. twitter.com 141 www. gleichheit.de 141 www. interliste.de 144 www. endegelaende.org 144 dpa 146 dpa 148 dpa 150 dpa 151 dpa 152 dpa 154 https:// de.indymedia.org 156 https:// wirsindalleantifa.rotehilfe.de 158 dpa 160 dpa 162 https:// de.indymedia.org 235 dpa 238 https:// anfdeutsch.com 238 https:// anfdeutsch.com 241 www. facebook.com 248 https:// www.labournet.de 248 https:// aze.media 249 dpa 255 dpa 255 dpa 272 dpa 273 dpa 362 BILDNACHWEIS 274 Cyberabwehrzentrum 276 dpa 277 BMI 279 BfV 281 dpa 284 dpa 284 dpa 291 https:// uid.org 293 BfV 293 dpa 298 BfV 299 BfV 299 BMI 299 BfV 308 iStock 309 iStock 310 iStock 310 iStock 311 iStock 312 iStock 316 https:// goodchoices.net/ 316 www. facebook.com 363 NOTIZEN 364 NOTIZEN 365 NOTIZEN 366 Impressum Herausgeber: Bundesministerium des Innern und für Heimat AltMoabit 140 10557 Berlin Redaktion: Bundesamt für Verfassungsschutz Satz & Layout: Satzweiss.com Print Web Software GmbH, Saarbrücken Druck: Kern GmbH, Bexbach Der Verfassungsschutzbericht 2021 ist auch über das Internet abrufbar, unter: www.bmi.bund.de www.verfassungsschutz.de ISSN: 01770357 Diese Broschüre ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung. Sie wird kosten los abgegeben und ist nicht zum Verkauf bestimmt. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern und Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwandt werden. Artikelnummer: BMI22003 www.bmi.bund.de