Verfassungsschutzbericht 2018 Vorwort des Bundesministers des Innern, für Bau und Heimat Horst Seehofer Die Bedrohungen für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung werden vielfältiger und komplexer. Das zeigte auch das Jahr 2018 wieder. Daher war, ist und bleibt die Arbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz von zentraler Bedeutung für den Schutz unserer offenen Gesellschaft. Als Frühwarnsystem ist der Verfassungsschutz auf enge Zusammenarbeit unseres föderalen Systems angewiesen. Dafür ist ein harmonisierter Rechtsrahmen erforderlich. Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass der Verfassungsschutz seine Aufgaben auch unter den Bedingungen der Digitalisierung erfüllen kann. Aus diesen Gründen ist mir die Novelle des Verfassungsschutzgesetzes ein besonderes Anliegen. Das Thema Ausländerfeindlichkeit besitzt bei Rechtsextremisten weiterhin ein hohes Mobilisierungspotenzial, wobei auch das Internet eine große Rolle spielt. Neben musikalischen Großveranstaltungen war auch der Kampfsport von besonderer Bedeutung für die rechtsextremistische Szene. Insgesamt ist die Zahl der Gewalttaten im Bereich der "Politisch motivierten Kriminalität (PMK) - rechts" im Berichtsjahr 2018 gestiegen. Auch die Szene der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" steht weiter im Fokus des Verfassungsschutzes. Erhebliche Waffenfunde im Zuge von Exekutivmaßnahmen belegten die anhaltend hohe Waffenaffinität zugehöriger Gruppierungen und Einzelpersonen. Wichtig ist mir, dass wir die Aufklärungsarbeit innerhalb dieses Phänomenbereichs deutlich intensivierten. Seit Beginn der 3 Beobachtung konnten hierdurch zahlreiche waffenrechtliche Erlaubnisse entzogen werden. Zwar war die Zahl der linksextremistischen Strafund Gewalttaten im Jahr 2018 insgesamt rückläufig, das linksextremistische Personenpotenzial erhöhte sich gegenüber dem Vorjahr aber weiter. Auch wenn es im Jahr 2018 mangels mobilisierungsträchtiger Großereignisse weniger konfrontative Gewalt gab, fanden verdeckt vorbereitete und verübte Gewaltaktionen der linksextremistischen Szene statt. Eines der Ziele des Verfassungsschutzes ist es, islamistische Anschlagspläne aufzudecken und Anschläge zu vereiteln. Zudem nimmt der Verfassungsschutz Rückkehrer, die in Syrien und im Irak den sogenannten Islamischen Staat unterstützten, in den Blick. Dies ist eine heterogene Personengruppe, die auch Minderjährige und Frauen umfasst. Repressive Maßnahmen allein reichen hier nicht aus. Unterschiedliche Behörden und Stellen müssen zusammenarbeiten. Es bedarf daher eines integrativen Ansatzes, wie die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) in ihrer Herbstsitzung 2018 bekräftigte. Der Verfassungsschutz ist und bleibt in einer solchen ganzheitlichen Bekämpfungsstrategie ein zentraler Akteur. Spionage, Einflussnahme und andere nachrichtendienstliche Aktivitäten nahmen im Jahr 2018 zu. Bestimmte Staaten setzen staatliche Stellen, staatsnahe Organisationen und Medien, aber auch ihre Nachrichtendienste aktiv ein - sowohl bei der geheimen und illegalen Informationsbeschaffung als auch bei Desinformationskampagnen und sonstigen Einflussnahmeversuchen. Für zahlreiche Nachrichtendienste entwickelt sich Spionage durch Cyberangriffe zu einem Standardwerkzeug mit hohem Gefährdungspotenzial. Insbesondere bei Cyberangriffen besteht zudem die Gefahr, dass sie zur Sabotage genutzt werden können. Angesichts wachsender Sicherheitsrisiken liegt ein funktionierender Wirtschaftsschutz in der gemeinsamen Verantwortung von Politik, Sicherheitsbehörden und Wirtschaft. Mit dem Dachbündnis "Initiative Wirtschaftsschutz" wehren wir Onlineund Offline-Angriffe ab. 4 Der Verfassungsschutzbericht 2018 belegt: Die Arbeit unseres Verfassungsschutzes ist unverzichtbar. Innerhalb der Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik stellt er sicher, dass unsere Gesellschaft in Freiheit und Sicherheit leben kann. Mein Dank gilt allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesamtes für Verfassungsschutz, die tagtäglich zur Bewältigung dieser verantwortungsvollen Aufgabe beitragen. Horst Seehofer Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat 5 INHALTSVERZEICHNIS Inhaltsverzeichnis Verfassungsschutz - ein unverzichtbares Instrument der wehrhaften Demokratie I. "Frühwarnsystem" Verfassungsschutz 15 II. Kontrolle des Verfassungsschutzes 17 III. Verfassungsschutz durch Aufklärung 19 Politisch motivierte Kriminalität (PMK) I. Definitionssystem PMK 22 II. Gesamtüberblick PMK 23 III. Politisch motivierte Straftaten mit extremistischem Hintergrund in den einzelnen Phänomenbereichen 24 1. Rechtsextremistisch motivierte Straftaten 24 1.1 Zielrichtungen der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten 26 1.1.1 Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund 27 1.1.2 Gewalttaten von Rechtsextremisten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten 28 1.2 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder 29 2. Extremistische Straftaten von "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" 30 3. Linksextremistisch motivierte Straftaten 32 3.1 Zielrichtungen der linksextremistisch motivierten Gewalttaten 33 3.1.1 Gewalttaten von Linksextremisten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten 35 3.1.2 Gewalttaten von Linksextremisten gegen die Polizei/Sicherheitsbehörden 36 3.2 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder 37 4. Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - religiöse Ideologie" 38 4.1 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder 40 5. Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich der "Politisch motivierten Kriminalität - ausländische Ideologie" 41 5.1 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder 43 6 INHALTSVERZEICHNIS Rechtsextremismus I. Überblick 46 1. Entwicklungstendenzen 46 2. Personenpotenzial 50 II. Gewalt und Militanz 51 1. Das Thema "Anti-Asyl" vor dem Hintergrund der Ereignisse in Chemnitz (Sachsen) und Köthen (Sachsen-Anhalt) 52 2. "Bürgerwehren" in der rechtsextremistischen Szene 56 3. Staatliche Maßnahmen 57 III. Aktuelle Entwicklungen im Rechtsextremismus 61 1. V-Logs als Agitationsund Propagandainstrument 61 2. Fortgesetzter Trend von Großveranstaltungen mit Musik und Redebeiträgen 63 3. Gewachsene Bedeutung der rechtsextremistischen Kampfsportszene 65 4. Überschneidungen des Rechtsextremismus mit der Hooliganund Rockerszene 67 5. Ideologisch strategische Diskurse in der rechtsextremistischen Szene 68 6. Auslandsbeziehungen deutscher Rechtsextremisten 71 7. Antisemitische Agitation in der rechtsextremistischen Szene 73 IV. Rechtsextremistisches Parteienspektrum 76 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 76 2. "DIE RECHTE" 78 3. "Der III. Weg" 80 V. Verdachtsfall "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) 82 VI. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 85 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) 85 1.1 "Junge Nationalisten" (JN) 87 1.2 "Ring Nationaler Frauen" (RNF) 88 1.3 "Kommunalpolitische Vereinigung der NPD" (KPV) 88 1.4 "Deutsche Stimme Verlagsgesellschaft mbH" (DS Verlag) 89 2. "DIE RECHTE" 90 3. "Der III. Weg" 91 7 INHALTSVERZEICHNIS "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" I. Überblick 94 1. Entwicklungstendenzen 95 2. Erscheinungsformen 97 II. Gewalt und Militanz 99 III. Gefährdungspotenzial 101 IV. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 103 1. "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" 103 Linksextremismus I. Überblick 106 1. Entwicklungstendenzen 106 2. Entwicklung des Personenpotenzials 109 3. Aktionsfelder 111 3.1 "Antifaschismus" 111 3.2 "Antirepression" 112 3.3 "Kurdistansolidarität" 115 3.4 "Antigentrifizierung" 116 II. Gewaltorientierter Linksextremismus 118 1. Autonome 120 2. Strategische Formen der Gewaltausübung 124 2.1 Konfrontative Gewalt 124 2.2 Klandestine Gewalt 125 3. Vertreter des Staates als Feindbild von Linksextremisten 126 III. Kampagnenfähigkeit der linksextremistischen Szene 128 1. Kampagne "United we stand!" der "Roten Hilfe e.V." 129 2. Kampagne "Ende Gelände" gegen den Braunkohleabbau 130 3. Kampagne "Das Rote Berlin" der IL Berlin 132 IV. Linksextremistisches Parteienspektrum 134 1. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 135 2. "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 136 3. "Sozialistische Gleichheitspartei" (SGP) 137 V. Rolle des Internets und der sozialen Medien 138 VI. Gefährdungspotenzial 140 VII. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 142 1. "Interventionistische Linke" (IL) 142 2. "...ums Ganze! - kommunistisches Bündnis" (uG) 143 3. "Perspektive Kommunismus" (PK) 145 8 INHALTSVERZEICHNIS 4. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) 146 4.1 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) 148 5. "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) 150 5.1 "REBELL" 151 6. "Sozialistische Gleichheitspartei" (SGP), deutsche Sektion des "Internationalen Komitees der Vierten Internationale" (IKVI) (Abspaltung der "Vierten Internationale") 152 7. "Rote Hilfe e.V." (RH) 153 8. "GegenStandpunkt" (GSP) 154 9. "Sozialistische Alternative" (SAV), deutsche Sektion des internationalen Dachverbandes "Committee for a Worker's International" (CWI) mit Sitz in London 155 10. "Gruppe ArbeiterInnenmacht" (GAM), deutsche Sektion der "Liga für die Fünfte Internationale" (L5I) mit Sitz in London 156 10.1 "REVOLUTION" (REVO), Jugendorganisation der "Gruppe ArbeiterInnenmacht" (GAM) 157 11. Extremistische Strukturen der Partei DIE LINKE 159 11.1 "Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE" (KPF) 159 11.2 "Sozialistische Linke" (SL) 160 11.3 "Arbeitsgemeinschaft Cuba Si" (AG Cuba Si) 161 11.4 "Antikapitalistische Linke" (AKL) 162 11.5 "Marxistisches Forum" (MF) 163 11.6 "Geraer/Sozialistischer Dialog" (GSoD) 164 11.7 "marx21" 165 12. "junge Welt" (jW) 167 Islamismus/islamistischer Terrorismus I. Überblick 170 1. Entwicklungstendenzen 171 2. Organisationen und Personenpotenzial 177 II. Internationale Konflikte und ihre Bedeutung für die Sicherheitslage in Deutschland 179 1. Jihad-Schauplatz Syrien/Irak 179 2. Jihad-Schauplatz Afghanistan/Pakistan 181 3. Weitere Jihad-Schauplätze 183 4. Internetpropaganda vom "Islamischen Staat" (IS) und von "al-Qaida" 184 5. Reisebewegungen 188 6. Gefährdungspotenzial 191 III. Salafistische Szene in Deutschland 193 IV. Antisemitismus im Islamismus 200 9 INHALTSVERZEICHNIS V. Entwicklungen im legalistischen Spektrum 202 VI. Staatliche Maßnahmen 204 VII. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 207 1. "Islamischer Staat" (IS) 207 2. Kern-"al-Qaida" 208 3. "Al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM) 209 4. "Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAH) 210 5. "Al-Shabab" 211 6. "Hai'at Tahrir al-Sham" (HTS) 212 7. "Hizb Allah" 213 8. HAMAS 215 9. "Türkische Hizbullah" (TH) 217 10. "Hizb ut-Tahrir" (HuT) 218 11. "Muslimbruderschaft" (MB) 219 11.1 "Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V." (DMG) 221 12. "Tablighi Jama'at" (TJ) 222 13. Einfluss regierungstreuer Iraner auf in Deutschland lebende Schiiten durch das "Islamische Zentrum Hamburg e.V." (IZH) 223 14. "Milli Görüs"-Bewegung 224 14.1 Der "Milli Görüs"-Bewegung zuzuordnende Vereinigungen 225 15. "Furkan Gemeinschaft" 227 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) I. Überblick 230 1. Entwicklungstendenzen 230 2. Organisationen und Personenpotenzial 234 II. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 235 1. Reaktionen der PKK in Deutschland auf die politischen Entwicklungen in der Türkei 235 2. Versammlungsgeschehen mit PKK-Bezug in Deutschland 237 3. Rekrutierungsmaßnahmen 241 4. Aktionsverhalten der PKK-Jugendorganisation 243 5. Hierarchische Organisationsstruktur und finanzielle Situation der PKK in Europa 246 6. Medienwesen der PKK 248 7. Internetaktivitäten 249 8. Strafverfahren gegen Funktionäre der PKK 250 9. Gefährdungspotenzial 250 10 INHALTSVERZEICHNIS III. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 252 IV. Türkischer Rechtsextremismus ("Ülkücü"-Bewegung) 259 V. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 265 1. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 265 1.1 "Komalen Ciwan"/"Tevgera Ciwanen Soresger" (TCS) 267 1.2 "Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e.V." (NAV-DEM) 268 1.3 "AZADI Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland e.V." (AZADI e.V.) 269 2. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 270 3. "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) 271 3.1 "Partizan"-Flügel 271 3.2 "Maoistische Kommunistische Partei" (MKP) 272 4. "Marxistische Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) 272 5. Türkische Rechtsextremisten ("Ülkücü"-Bewegung) 273 5.1 "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) 274 5.2 Weitere "Ülkücü"-Strukturen und unorganisierte Anhänger 275 6. Gruppierungen des extremistischen Sikh-Spektrums 276 6.1 "Babbar Khalsa International" (BKI) 276 6.2 "Babbar Khalsa Germany" (BKG) 277 6.3 "International Sikh Youth Federation" (ISYF) 278 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten I. Überblick und Entwicklungstendenzen 280 II. Bedrohung durch Cyberangriffe 283 1. Gefährdungsdimension 283 2. Erkannte Angreifer 284 III. Nachrichtenund Sicherheitsdienste der Russischen Föderation 285 1. Zielbereiche und Schwerpunkte der Informationsbeschaffung 286 2. Methodik der Informationsgewinnung 288 3. Cyberangriffe 289 4. Gefährdungspotenzial 295 IV. Nachrichtenund Sicherheitsdienste der Volksrepublik China 296 1. Zielbereiche und Schwerpunkte der Informationsbeschaffung 297 2. Methodik der Informationsgewinnung 298 3. Cyberangriffe 300 4. Gefährdungspotenzial 302 V. Nachrichtendienste der Islamischen Republik Iran 303 11 INHALTSVERZEICHNIS VI. Nachrichtendienst der Republik Türkei 307 VII. Nachrichtendienste sonstiger Staaten 311 VIII. Proliferation 312 IX. Wirtschaftsschutz 317 X. Ermittlungsverfahren und Festnahmen 318 XI. Methodische Vorgehensweisen ausländischer Nachrichtendienste 319 XII. Strukturen und Aufgaben ausländischer Nachrichtendienste 323 1. Strukturen und Aufgaben russischer Nachrichtendienste 323 2. Strukturen und Aufgaben chinesischer Nachrichtendienste 324 3. Strukturen und Aufgaben iranischer Nachrichtendienste 327 4. Strukturen und Aufgaben des türkischen Nachrichtendienstes 329 Geheimund Sabotageschutz 331 "Scientology-Organisation" (SO) 339 Anhang 345 Übersicht über Verbotsmaßnahmen des BMI gegen extremistische Bestrebungen im Zeitraum Januar 1990 bis Dezember 2018 346 Register 352 Registeranhang zum Verfassungsschutzbericht 2018 372 Bildnachweis 380 12 Verfassungsschutz - ein unverzichtbares Instrument der wehrhaften Demokratie Politisch motivierte Kriminalität 13 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE Verfassungsschutz - ein unverzichtbares Instrument der wehrhaften Demokratie Wehrhafte Eine der wesentlichen Aufgaben des demokratischen Staates ist es, Demokratie Sicherheit und Freiheit für seine Bürger zu garantieren. Demokratie kann sich erst im politischen und gesellschaftlichen Diskurs auf Basis der grundsätzlichen Werte einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung entfalten. Für eine Demokratie ist es deswegen unverzichtbar, dass sie bereit und in der Lage ist, diese Werte zu verteidigen. Diese unentbehrlichen Werte werden in einer Reihe von Vorschriften des Grundgesetzes (GG) konkretisiert: "" der Schutz der Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 GG " die zentralen Grundprinzipien der staatlichen Ordnung (Demokratie, Rechtsstaatlichkeit), Art. 20 GG Im GG werden auch Schutzinstrumente für den demokratischen Rechtsstaat benannt: "" Vereinigungen, deren Zweck oder Tätigkeiten den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind gemäß Art. 9 Abs. 2 GG verboten. "" Parteien können nach Art. 21 Abs. 2 GG vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt werden. Hierbei handelt es sich um die "schärfste und überdies zweischneidige Waffe des demokratischen Rechtsstaats gegen seine organisierten Feinde", wie das Bundesverfassungsgericht in den Leitsätzen zum Urteil im Rahmen des NPD-Verbotsverfahrens im Jahr 2017 feststellte. Eine Voraussetzung für die Abwehr von Gefahren, die von Feinden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ausgehen, ist eine umfassende Information der staatlichen Organe und der Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen und Entwicklungen. 14 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE Zur Sammlung von Informationen und Erkenntnissen über derartige Bestrebungen und sicherheitsgefährdende Tätigkeiten sind die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder (Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b und Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG) eingerichtet worden; sie bilden einen unverzichtbaren Bestandteil der wehrhaften Demokratie. Freiheit in stabiler Sicherheit ist keine Selbstverständlichkeit. Im Jahr 2018 hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) Strukturdaten 3.505 (2017: 3.207) Bedienstete. Der Zuschuss aus dem Bundesgemäß SS 16 Abs. 2 haushalt betrug 345.879.829 Euro (2017: 306.918.024 Euro). Bundesverfassungsschutzgesetz Das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst hatte 1.169 (2017: 1.113) Bedienstete und erhielt aus dem Bundeshaushalt einen Zuschuss von 95.627.497 Euro (2017: 79.096.540 Euro). Anfang 2019 waren von Bund und Ländern im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) 2.256.041 (Anfang 2018: 2.135.800) personenbezogene Eintragungen enthalten, davon 1.822.173 Eintragungen (80,8 %, Anfang 2018: 81,2 %) aufgrund von Sicherheitsüberprüfungen oder Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach den Bestimmungen des Luftsicherheitsgesetzes oder des Atomgesetzes. I. "Frühwarnsystem" Verfassungsschutz Dem Verfassungsschutz kommt in der deutschen SicherheitsarchiAufgaben tektur die Aufgabe zu, Bedrohungen durch politischen Extremismus, Terrorismus sowie Spionageaktivitäten weit im Vorfeld polizeilicher Maßnahmen zu erkennen und einzuschätzen. Darüber hinaus wirkt der Verfassungsschutz im Bereich des Geheimund Sabotageschutzes mit (z.B. durch Sicherheitsüberprüfungen von Personen, die in sicherheitsempfindlichen Bereichen tätig sind). Sein wesentliches Betätigungsfeld - niedergelegt in SS 3 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVerfSchG) - besteht in der Sammlung und Auswertung von Informationen über: 15 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE "" Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben "" sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten in Deutschland für eine fremde Macht "" Bestrebungen im Geltungsbereich des BVerfSchG, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden "" Bestrebungen in Deutschland, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind Im Sinne eines effektiven "Frühwarnsystems" erstellt der Verfassungsschutz Lagebilder und Analysen, die es der Bundesregierung und den Landesregierungen ermöglichen, rechtzeitig Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung und die innere Sicherheit einzuleiten. Außerdem übermittelt der Verfassungsschutz, dem selbst keinerlei polizeiliche Befugnisse zustehen, Erkenntnisse an Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften, um exekutive Maßnahmen zu unterstützen oder einzuleiten. Die Aufgabe erfüllt sich also nicht bereits in der Sammlung und Auswertung von Informationen gleichsam als Selbstzweck, sondern erst in der Weitergabe der Erkenntnisse, damit sie zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verwendet werden. Nationale Die Verfassungsschutzbehörden arbeiten mit anderen deutschen Zusammenarbeit Sicherheitsbehörden in Kompetenzzentren zusammen. Diese gewährleisten die Bündelung von Fachwissen ebenso wie den schnellen Austausch von Informationen und Analysen. Bei den Informationsund Kommunikationsplattformen - so das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ, seit Ende 2004) und das Gemeinsame Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum zur Bekämpfung des Rechtsextremismus/-terrorismus, des Linksextremismus/-terrorismus, des Ausländerextremismus/-terrorismus und der Spionage einschließlich proliferationsrelevanter Aspekte (GETZ, seit Ende 2012) - handelt es sich nicht um eigenständige Behörden. 16 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE Einen wesentlichen Erkenntnisgewinn erzielt der VerfassungsInternationale schutz des Weiteren durch die Zusammenarbeit mit ausländischen Zusammenarbeit Nachrichtendiensten und in internationalen Gremien. Diese Kooperation ist insbesondere vor dem Hintergrund des internationalen Terrorismus und der Gefährdung durch Cyberattacken von überragender Bedeutung. Sie muss weiter ausgebaut werden; im Informationsaustausch und bei der gemeinsamen Analyse muss sie außerdem die Potenziale zeitgemäßer IT nutzen. Einen erheblichen Teil ihrer Informationen gewinnen die VerInformationsfassungsschutzbehörden aus allgemein zugänglichen Quellen. gewinnung Fremde Nachrichtendienste, Extremisten und Terroristen arbeiten jedoch konspirativ und legen ihre Ziele nicht offen dar. Entsprechend ist der Verfassungsschutz befugt, im Rahmen gesetzlich festgelegter Grenzen und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auch nachrichtendienstliche Mittel zur Informationsbeschaffung einzusetzen, wie zum Beispiel Observationen und Telekommunikationsüberwachungen. II. Kontrolle des Verfassungsschutzes Die Tätigkeit des BfV wird vielfältig kontrolliert. Hierzu gehört die Fachaufsicht durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI). Die Bundesregierung unterliegt - auch in Bezug auf die Arbeit des Parlamentarisches Verfassungsschutzes - der Kontrolle durch den Deutschen BunKontrollgremium destag. Zur Wahrnehmung der parlamentarischen Kontrolle ist beim Deutschen Bundestag ein Kontrollgremium eingerichtet, das von der Bundesregierung regelmäßig und umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Nachrichtendienste und über Vorgänge von besonderer Bedeutung unterrichtet wird. Auf Verlangen ist das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) auch über sonstige Vorgänge zu unterrichten. Einmal jährlich führt das PKGr auf Grundlage von SS 10 Abs. 3 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (PKGrG) eine öffentliche Anhörung der Präsidenten des BAMAD, des BfV und des Bundesnachrichtendienstes (BND) durch. Bei dieser Anhörung werden insbesondere 17 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE Fragen zur Umsetzung organisatorischer und befugnisrechtlicher Reformen und zur Aufklärung von Extremismus und Terrorismus von den Präsidenten beantwortet. "Ständiger Zur Optimierung der parlamentarischen Kontrolle unterstützt ein Bevollmächtigter "Ständiger Bevollmächtigter des Parlamentarischen Kontrollgredes PKGr" miums" das Kontrollgremium bei seiner Arbeit, einschließlich der Koordinierung mit der G 10-Kommission und dem Vertrauensgremium. G 10-Kommission Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses nach Maßgabe des Art. 10 GG werden durch die vom PKGr bestellte unabhängige G 10-Kommission auf ihre Zulässigkeit und Notwendigkeit überprüft. Zudem legt das PKGr regelmäßig einen Bericht über Art und Umfang dieser Beschränkungen vor, der auch öffentlich als Drucksache des Deutschen Bundestages zugänglich ist. Bundesbeauftragter Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informafür den Datenschutz tionsfreiheit (BfDI) unterzieht das BfV einer kontinuierlichen und die InformationsÜberprüfung. Grundlage dafür sind die datenschutzrechtlichen freiheit (BfDI) Bestimmungen im BVerfSchG und in den spezialgesetzlichen Regelungen, die den Aufgabenbereich des BfV berühren (z.B. das Ausländerzentralregister). Das BfV ist nach SS 15 Abs. 1 BVerfSchG gesetzlich verpflichtet, Betroffenen auf Antrag unentgeltlich Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten zu erteilen, soweit auf einen konkreten Sachverhalt hingewiesen und ein besonderes Interesse an der Auskunft dargelegt wird. Die Auskunft unterbleibt nur dann, wenn einer der in SS 15 Abs. 2 BVerfSchG bezeichneten Verweigerungsgründe vorliegt. Gerichte Maßnahmen des BfV, die nach Darstellung der Betroffenen diese in ihren Rechten beeinträchtigen, unterliegen der gerichtlichen Nachprüfung. 18 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE III. Verfassungsschutz durch Aufklärung Die Aufgabe, unsere Verfassung durch Aufklärung zu schützen, wird auf Bundesebene gemeinsam durch BMI und BfV wahrgenommen. Die freiheitliche demokratische Grundordnung kann nur dauerhaft bewahrt werden, wenn sich die Gesellschaft inhaltlich mit den verschiedenen Ausprägungen des Extremismus auseinandersetzt. Eine wichtige Aufgabe des Verfassungsschutzes stellt daher die fundierte Aufklärung und Informationsvermittlung über Art und Umfang extremistischer Bedrohung dar. Die hierüber gewonnenen Erkenntnisse des Verfassungsschutzes sind ausdrücklich nicht exklusiv; erst eine informierte Öffentlichkeit kann eine sicherheitspolitische Debatte sachgerecht führen. Der jährliche Verfassungsschutzbericht dient dieser Aufklärung Verfassungsund beruht auf den Erkenntnissen, die das BfV im Rahmen seines schutzbericht gesetzlichen Auftrags zusammen mit den Landesbehörden für Verfassungsschutz gewonnen hat. Er stellt keine abschließende Aufzählung aller verfassungsschutzrelevanten Personenzusammenschlüsse dar, sondern unterrichtet über die wesentlichen, während des Berichtsjahres zu verzeichnenden verfassungsschutzrelevanten Entwicklungen und deren Bewertung. Informationen zu ideologischen Hintergründen, Strukturdaten, Aktivitäten und Publikationen der wichtigsten Beobachtungsobjekte des Verfassungsschutzes befinden sich in entsprechenden Einzelübersichten im Anschluss an die jeweiligen Berichtsteile. Die Zahlenangaben zum Mitgliederpotenzial der im Bericht Personenpotenzial genannten Personenzusammenschlüsse beziehen sich auf die Bundesrepublik Deutschland und sind zum Teil geschätzt und gerundet. Es ist darauf hinzuweisen, dass den Verfassungsschutzbehörden nicht zu allen Mitgliedern dieser Personenzusammenschlüsse individuelle Erkenntnisse vorliegen. Im Rahmen dieser Zahlenangaben wird ebenfalls ausgewiesen, bei wie vielen dieser Personen von einer Gewaltorientierung auszugehen ist. Der OberGewaltorientierung begriff "gewaltorientiert" wird dann verwendet, wenn Extremisten als gewalttätig, gewaltbereit, gewaltunterstützend oder gewaltbefürwortend eingeordnet werden können. 19 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE www.verfassungsDas BfV informiert im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit mit schutz.de einem umfangreichen Internetangebot sowie weiteren Publikationen über aktuelle Entwicklungen in den einzelnen Arbeitsfeldern. Newsletter Ein vierteljährlich erscheinender Newsletter enthält neben Beiträgen zu wichtigen Ereignissen in den einzelnen Bereichen des Extremismus auch phänomenübergreifende Artikel sowie Interviews der Amtsleitung und Hinweise auf neue BfV-Publikationen. Eine Anmeldung ist auf der BfV-Website (www.verfassungsschutz.de) möglich. Karriere im BfV Die vielfältigen Arbeitsund Karrierechancen im BfV werden auf der eigenen Karriereseite im Internet und auch bei öffentlichen Informationsveranstaltungen vorgestellt. Im Inlandsnachrichtendienst finden sich vielseitige Arbeitsfelder mit gesellschaftlichem Mehrwert für qualifiziertes Fachpersonal sowie Ausbildungsmöglichkeiten für Schülerinnen und Schüler. Ansprechpartner In allen Fragen zum Verfassungsschutz steht das Bundesamt für Verfassungsschutz Merianstr. 100 50765 Köln Telefon: 0221/792-0 oder 030/18-792-0 Telefax: 0221/792-2915 oder 030/18-10-792-2915 E-Mail: poststelle@bfv.bund.de als Ansprechpartner zur Verfügung. Die Kontaktaufnahme zum Verfassungsschutz ist jederzeit möglich: "" Für Hinweise auf Planungen und Tatvorbereitungen im Zusammenhang mit dem islamistischen Terrorismus hat das BfV ein vertrauliches Hinweistelefon eingerichtet: Telefon: 0221/792-3366 E-Mail: HiT@bfv.bund.de "" Für Ausstiegswillige aus dem Rechtsextremismus existiert ein Aussteigerprogramm, in dem Experten des Verfassungsschutzes Ausstiegswillige beraten und betreuen: 20 VERFASSUNGSSCHUTZ - EIN UNVERZICHTBARES INSTRUMENT DER WEHRHAFTEN DEMOKRATIE Telefon: 0221/792-62 E-Mail: aussteiger@bfv.bund.de "" Ebenso gibt es für Linksextremisten ein spezielles Aussteigerprogramm, das Hilfesuchenden eine Vielzahl an unterstützenden Maßnahmen anbietet: Telefon: 0221/792-6600 E-Mail: aussteiger@bfv.bund.de 21 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT Politisch motivierte Kriminalität (PMK) I. Definitionssystem PMK Als "Politisch motivierte Kriminalität" werden alle Straftaten bezeichnet und erfasst, die einen oder mehrere Straftatbestände der sogenannten klassischen Staatsschutzdelikte erfüllen, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann. Als solche klassischen Staatsschutzdelikte gelten die folgenden Straftatbestände: SSSS 80 bis 83, 84 bis 91, 94 bis 100a, 102 bis 104a, 105 bis 108e, 109 bis 109h, 129a, 129b, 130, 234a oder 241a des Strafgesetzbuches (StGB). Auch Straftaten, die in der Allgemeinkriminalität begangen werden können (wie z.B. Tötungsund Körperverletzungsdelikte, Brandstiftungen, Widerstandsdelikte, Sachbeschädigungen), fallen unter "Politisch motivierte Kriminalität", wenn in Würdigung der gesamten Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte für eine politische Motivation gegeben sind, weil sie "" den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten, "" sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung beziehungsweise eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben, "" durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, "" sich gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status richten (sogenannte Hasskriminalität); dazu zählen auch Taten, die nicht unmittelbar 22 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT gegen eine Person, sondern im oben genannten Zusammenhang gegen eine Institution oder Sache verübt werden. Die im Verfassungsschutzbericht genannten Zahlen zu den politisch motivierten Straftaten mit extremistischem Hintergrund basieren auf Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA). Seit Jahresbeginn 2017 hat das BKA seine Kategorisierung von Straftaten neu geordnet: Der bisherige Bereich "Politisch motivierte Ausländerkriminalität" wurde in die Phänomenbereiche "Politisch motivierte Kriminalität - religiöse Ideologie" und "Politisch motivierte Kriminalität - ausländische Ideologie" differenziert. Eine Vergleichbarkeit dieser Fallzahlen mit denjenigen vor 2017 ist damit nicht mehr gegeben. Seitdem werden auch Delikte ausgewiesen, die "Reichsbürgern" oder "Selbstverwaltern" zuzurechnen sind. II. Gesamtüberblick PMK Das BKA registrierte für das Jahr 2018 insgesamt 36.062 (2017: 39.505) politisch motivierte Straftaten. Davon sind 14.088 (39,1 %) Propagandadelikte (2017: 13.406 Delikte = 33,9 %). 3.366 Straftaten (9,3 %) sind der politisch motivierten Gewaltkriminalität zuzuordnen (2017: 3.754 = 9,5 %). Nach Phänomenbereichen unterschieden wurden 20.431 (2017: Politisch 20.520) Straftaten dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalimotivierte tät - rechts", 7.961 (2017: 9.752) dem Bereich "Politisch motivierte Straftaten nach Kriminalität - links", 586 Straftaten dem Bereich "religiöse IdeoloPhänomengie" (2017: 1.102) und 2.487 dem Bereich "ausländische Ideologie" bereichen (2017: 1.617) zugeordnet. Bei 4.597 (2017: 6.514) Straftaten konnte keine Zuordnung zu einem der oben genannten Phänomenbereiche getroffen werden. Insgesamt wurden 27.656 Straftaten (76,7 %) mit extremistiExtremistisch schem Hintergrund ausgewiesen (2017: 29.855 = 75,6 %). Bei diemotivierte Straftaten sen Straftaten gab es Anhaltspunkte dafür, dass sie darauf abzielten, bestimmte Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen, die für die freiheitliche demokratische Grundordnung prägend sind. Von diesen 27.656 Straftaten konnten 23 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 19.409 (2017: 19.467) dem Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität - rechts", 4.622 (2017: 6.393) dem Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität - links", 453 (2017: 907) dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - religiöse Ideologie" und 1.928 (2017: 1.187) dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - ausländische Ideologie" zugeordnet werden. 1.244 (2017: 1.901) Straftaten mit einem extremistischen Hintergrund wurden ohne Zuordnung zu einem bestimmten Phänomenbereich gemeldet. III. Politisch motivierte Straftaten mit extremistischem Hintergrund in den einzelnen Phänomenbereichen Extremistisch motivierte Straftaten bilden eine Teilmenge des Phänomenbereichs "Politisch motivierte Kriminalität". Es handelt sich um diejenigen Straftaten, bei denen es Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie darauf abzielen, bestimmte Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen, die für die freiheitliche demokratische Grundordnung prägend sind. 1. Rechtsextremistisch motivierte Straftaten Dem Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität - rechts" wurden 20.431 (2017: 20.520) Straftaten zugeordnet, hiervon 12.582 (2017: 12.032) Propagandadelikte nach SSSS 86, 86a StGB und 1.156 (2017: 1.130) Gewalttaten. Als Teilmenge dieses Phänomenbereichs wurden 19.409 (2017: 19.467) Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund erfasst, darunter waren 1.088 (2017: 1.054) Gewalttaten. Die Zahl der versuchten Tötungsdelikte stieg von 4 auf 6. 24 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT Straftaten mit rechtsextremistisch motiviertem Hintergrund1 Gewalttaten: 2017 2018 Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 4 6 Körperverletzungen 904 938 Brandstiftungen 42 11 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 5 0 Landfriedensbruch 10 14 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 13 12 Freiheitsberaubung 2 2 Raub 3 14 Erpressung 21 17 Widerstandsdelikte 50 74 Sexualdelikte 0 0 gesamt 1.054 1.088 Sachbeschädigungen 1.317 905 Nötigung/Bedrohung 336 352 Propagandadelikte 11.894 12.404 Störung der Totenruhe 5 8 Andere Straftaten, insbesondere Volksverhetzung 4.861 4.652 gesamt 18.413 18.321 Straftaten insgesamt 19.467 19.409 1 Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. Die Übersicht enthält - mit Ausnahme der Tötungsdelikte - vollendete und versuchte Straftaten. Jede Tat wurde nur ein Mal gezählt. Sind z.B. während eines Landfriedensbruchs zugleich Körperverletzungen begangen worden, so erscheint nur die Körperverletzung als das Delikt mit der höheren Strafandrohung in der Statistik. Wurden mehrere Straftaten verübt, wurde ausschließlich der schwerer wiegende Straftatbestand gezählt. 25 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 1.1 Zielrichtungen der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten Im Jahr 2018 erhöhte sich die Zahl rechtsextremistischer fremdenfeindlicher Gewalttaten um 6,1 % (821 Delikte, 2017: 774). Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Straftaten mit antisemitischem Hintergrund stieg um 13,7 % auf insgesamt 1.575 Taten (2017: 1.385); bei den Gewalttaten war ein sehr deutlicher Anstieg um 71,4 % zu verzeichnen auf insgesamt 48 (2017: 28). Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - rechts" * Gesamt Fremdenfeindliche Gewalttaten Gewalttaten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten Gewalttaten gegen sonstige politische Gegner Antisemitische Gewalttaten 1.600 1.400 1.200 1.088 1.054 1.000 821 800 774 600 400 200 98 113 24 28 33 48 0 01.01.-31.12.2017 01.01.-31.12.2018 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. Es sind nur die wichtigsten Zielrichtungen berücksichtigt. Da die erfassten Sachverhalte im Rahmen einer mehrdimensionalen Betrachtung unter verschiedenen Gesichtspunkten bewertet werden, können Gewalttaten unter mehreren Zielrichtungen subsumiert sein. 26 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 1.1.1 Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund Im Jahr 2018 stieg die Anzahl der rechtsextremistisch motivierten Körperverletzungen mit fremdenfeindlichem Hintergrund um annähernd 7 % an. Die versuchten Tötungsdelikte (6) mit rechtsextremistischem Hintergrund wurden ausnahmslos mit einer fremdenfeindlichen Motivation begangen. Rechtsextremistisch motivierte Straftaten gegen Asylunterkünfte gingen im Jahr 2018 erneut zurück und liegen damit nach dem dramatischen Anstieg in den Jahren 2015 und 2016 knapp unter den Zahlen des Jahres 2014 (2018: 164, 2017: 286, 2016: 907, 2015: 894, 2014: 170). Sehr deutlich sank auch der Anteil von Gewalttaten gegen Asylbewerberunterkünfte (2018: 14, 2017: 42); die Anzahl der Brandanschläge ging noch deutlicher auf 3 Delikte zurück (2017: 16) und liegt damit noch unter der Deliktsanzahl von 2014 (5). Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund2 Gewalttaten: 2017 2018 Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 4 6 Körperverletzungen 720 770 Brandstiftungen 23 5 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 4 0 Landfriedensbruch 2 5 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 10 3 Freiheitsberaubung 1 1 Raub 3 12 Erpressung 0 9 Widerstandsdelikte 7 10 Sexualdelikte 0 0 Fremdenfeindliche Gewalttaten insgesamt 774 821 2 Siehe Fußnote 1. 27 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 1.1.2 Gewalttaten von Rechtsextremisten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten Die Anzahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten hat sich erhöht (um 15,3 %). Körperverletzungen sind weiterhin die am häufigsten verübten Gewalttaten in diesem Deliktbereich. Gewalttaten von Rechtsextremisten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten3 Gewalttaten: 2017 2018 Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 0 0 Körperverletzungen 80 94 Brandstiftungen 8 3 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 0 0 Landfriedensbruch 6 9 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 2 2 Freiheitsberaubung 0 0 Raub 0 3 Erpressung 0 1 Widerstandsdelikte 2 1 gesamt 98 113 3 Siehe Fußnote 1. 28 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 1.2 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder Die - in absoluten Zahlen - meisten rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten ereigneten sich mit 216 registrierten Delikten in Nordrhein-Westfalen. Danach folgen Sachsen (138), Berlin (121) und Brandenburg (119). Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - rechts" * in den Ländern 01.01.-31.12.2018 01.01.-31.12.2017 216 Nordrhein-Westfalen 206 138 Sachsen 95 121 Berlin 100 119 Brandenburg 121 91 Sachsen-Anhalt 101 66 Thüringen 71 63 Bayern 68 51 Rheinland-Pfalz 30 48 Baden-Württemberg 39 47 Niedersachsen 42 Mecklenburg43 Vorpommern 84 29 Schleswig-Holstein 47 25 Hessen 16 18 Saarland 15 11 Hamburg 15 2 Bremen 4 0 40 80 120 160 200 240 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. 29 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 2. Extremistische Straftaten von "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" Mehr Gewalttaten von "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" wurden im Berichtsjahr "Reichsbürgern" und 864 (2017: 911) politisch motivierte Straftaten zugerechnet, von "Selbstverwaltern" denen 776 (2017: 783) als extremistisch eingeordnet wurden. Unter diesen extremistischen Straftaten waren insgesamt 160 Gewalttaten (2017: 130). Hierzu zählten vor allem Erpressungsdelikte (98) und Widerstandsdelikte (39). Bei den weiteren Straftatbeständen dominieren insbesondere Nötigungen und Bedrohungen (177). Außerdem wurden "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" 35 antisemitische Straftaten zugeordnet, bei denen es sich im Wesentlichen um Volksverhetzungsdelikte (29) handelte. Antisemitische Gewalttaten wurden nicht festgestellt. Die - in absoluten Zahlen - meisten extremistischen Straftaten begingen "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" in Bayern (324, davon 89 Gewalttaten und 84 Fälle von Nötigung bzw. Bedrohung). 30 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - 'Reichbürger und Selbstverwalter'" * in den Ländern 01.01.-31.12.2018 01.01.-31.12.2017 89 Bayern 64 12 Nordrhein-Westfalen 12 11 Berlin 10 8 Hessen 0 Mecklenburg- 7 Vorpommern 7 7 Niedersachsen 4 Brandenburg 6 10 6 Sachsen 3 5 Baden-Württemberg 11 3 Sachsen-Anhalt 1 2 Rheinland-Pfalz 0 2 Schleswig-Holstein 7 1 Saarland 1 1 Thüringen 0 0 Bremen 0 0 Hamburg 0 0 20 40 60 80 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. 31 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 3. Linksextremistisch motivierte Straftaten Rückgang linksDem Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität - links" extremistischer wurden 7.961 (2017: 9.752) Straftaten zugeordnet, hiervon 1.340 Strafund (2017: 1.967) Gewalttaten. In diesem Bereich wurden als TeilmenGewalttaten ge 4.622 (2017: 6.393) Straftaten mit linksextremistischem Hintergrund erfasst, darunter 1.010 (2017: 1.648) Gewalttaten. Die Zahl der linksextremistisch motivierten Straftaten ging damit um 27,7 % zurück, die der Gewalttaten sogar um 38,7 %. Dieser deutliche Rückgang ist auch auf die Tatsache zurückzuführen, dass im Berichtsjahr kaum demonstrative Großereignisse zu verzeichnen waren, wie beispielsweise der G20-Gipfel im Juli 2017 in Hamburg. Linksextremistisch motivierte Straftaten4 Gewalttaten: 2017 2018 Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 3 0 Körperverletzungen 499 363 Brandstiftungen 145 108 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 5 1 Landfriedensbruch 784 90 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 63 48 Freiheitsberaubung 0 1 Raub 12 19 Erpressung 2 4 Widerstandsdelikte 135 376 gesamt 1.648 1.010 Sachbeschädigungen 3.190 2.219 Nötigung/Bedrohung 80 71 Andere Straftaten 1.475 1.322 gesamt 4.745 3.612 Straftaten insgesamt 6.393 4.622 4 Siehe Fußnote 1. 32 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 3.1 Zielrichtungen der linksextremistisch motivierten Gewalttaten Von den linksextremistisch motivierten Gewalttaten wurden 625 Fälle (2017: 1.135) im Themenfeld "Gewalttaten gegen die Polizei/Sicherheitsbehörden" eingeordnet. Die "Gewalttaten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten" haben sich leicht erhöht auf insgesamt 289 Delikte (2017: 264), wohingegen die "Gewalttaten gegen den Staat, seine Einrichtungen und Symbole" erneut sanken auf 208 Straftaten (2017: 236). Nach dem massiven Rückgang der Gewalttaten im Themenfeld "Kampagne gegen Umstrukturierung" im vorherigen Berichtsjahr (von 188 im Jahr 2016 auf 49 im Jahr 2017) wurden hier für 2018 annähernd gleich viele Gewalttaten ausgewiesen (51). Mehr als die Hälfte dieser Straftaten (28) wurde erneut in Berlin begangen. Im Berichtsjahr wurden 13 linksextremistische Straftaten mit antisemitischer Motivation gezählt. Hierunter fielen 3 Gewalttaten (Körperverletzungen) und 7 Sachbeschädigungen. 33 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - links" * Gesamt Gewalttaten gegen die Polizei/Sicherheitsbehörden Gewalttaten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten Gewalttaten gegen den Staat, seine Einrichtungen und Symbole Kampagne gegen Umstrukturierung 1.648 1.600 1.400 1.200 1.135 1.010 1.000 800 625 600 400 264 236 289 208 200 49 51 0 01.01.-31.12.2017 01.01.-31.12.2018 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. Es sind nur die wichtigsten Zielrichtungen berücksichtigt. Da die erfassten Sachverhalte im Rahmen einer mehrdimensionalen Betrachtung unter verschiedenen Gesichtspunkten bewertet werden, können Gewalttaten unter mehreren Zielrichtungen subsumiert sein. 34 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 3.1.1 Gewalttaten von Linksextremisten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten Im Vergleich zum Vorjahr ist ein Anstieg der Gewalttaten von Linksextremisten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten um 9,5 % zu verzeichnen. Mehr als 60 % dieser Gewalttaten sind Körperverletzungsdelikte, gefolgt von Widerstandsdelikten. Gewalttaten von Linksextremisten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten5 Gewalttaten: 2017 2018 Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 2 0 Körperverletzungen 162 174 Brandstiftungen 23 17 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 1 0 Landfriedensbruch 20 24 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 9 12 Freiheitsberaubung 0 1 Raub 8 14 Erpressung 2 3 Widerstandsdelikte 37 44 gesamt 264 289 5 Siehe Fußnote 1. 35 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 3.1.2 Gewalttaten von Linksextremisten gegen die Polizei/ Sicherheitsbehörden Die Zahl der Gewalttaten von Linksextremisten gegen die Polizei und Sicherheitsbehörden ist gegenüber dem Vorjahr um 44,9 % zurückgegangen. Die deutlichen Wellenbewegungen bei der Anzahl von Gewalttaten gegen die Polizei zeigen, in welchen Berichtsjahren für die linksextremistische Szene relevante Großereignisse stattfanden (kein Großereignis im Jahr 2018, G20-Gipfel im Jahr 2017, kein Großereignis im Jahr 2016, Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank im Jahr 2015). Gewalttaten von Linksextremisten gegen die Polizei/Sicherheitsbehörden6 Gewalttaten: 2017 2018 Tötungsdelikte 0 0 Versuchte Tötungsdelikte 1 0 Körperverletzungen 301 146 Brandstiftungen 19 16 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 2 0 Landfriedensbruch 654 68 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 24 20 Freiheitsberaubung 0 0 Raub 0 1 Erpressung 0 0 Widerstandsdelikte 134 374 gesamt 1.135 625 6 Siehe Fußnote 1. 36 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 3.2 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder Die - in absoluten Zahlen - meisten linksextremistisch motivierten Gewalttaten ereigneten sich mit 446 registrierten Delikten in Nordrhein-Westfalen. Das bedeutet im Vergleich zum Vorjahr für dieses Bundesland mehr als eine Verdoppelung, für die unter anderem auch die Klimaproteste im Hambacher Forst ursächlich sind. Danach folgen Sachsen (115) und Berlin (96). Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - links" * in den Ländern 01.01.-31.12.2018 01.01.-31.12.2017 446 Nordrhein-Westfalen 191 115 Sachsen 101 96 Berlin 65 65 Niedersachsen 51 60 Baden-Württemberg 69 46 Bayern 54 39 Hamburg 1.001 28 Thüringen 16 Mecklenburg26 Vorpommern 11 26 Rheinland-Pfalz 2 21 Sachsen-Anhalt 29 17 Brandenburg 24 13 Hessen 5 7 Bremen 9 5 Schleswig-Holstein 19 0 Saarland 1 0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1.000 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. 37 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 4. Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - religiöse Ideologie" Im Jahr 2018 wurden dem Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität - religiöse Ideologie" 453 extremistische Straftaten zugerechnet (2017: 907). Der überwiegende Teil (414) davon wies einen islamistisch-fundamentalistischen Hintergrund auf. Rückgang bei Von den 453 Straftaten mit religiös-ideologischer Motivation sind Gewalttaten mit insgesamt 44 Gewalttaten, zu denen 2 Tötungsdelikte (1 vollendereligiös-ideologischer tes und 1 versuchtes) und 37 Körperverletzungen gerechnet werMotivation den. Bei dem vollendeten Tötungsdelikt handelt es sich um den Messerangriff eines pakistanischen Asylbewerbers auf seinen Mitbewohner am 9. Mai 2018, in dessen Folge das Opfer verstarb. Zuvor soll sich das Opfer abwertend über den Propheten Mohammed und den Koran geäußert haben. 63 extremistische Straftaten im Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - religiöse Ideologie" wurden als Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (SS 89a-c, SS 91 StGB) eingestuft (2017: 112) und 144 Fälle (2017: 310) von Mitgliedschaft beziehungsweise Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung (SS 129b StGB). Im Berichtsjahr wurden 32 antisemitische Straftaten mit einer religiös-ideologischen Motivation festgestellt, zu denen 4 Gewalttaten und 19 Volksverhetzungsdelikte zählten. 38 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT Extremistische Straftaten aus dem Bereich "religiöse Ideologie"7 Gewalttaten: 2017 2018 Tötungsdelikte 2 1 Versuchte Tötungsdelikte 1 1 Körperverletzungen 53 37 Andere Gewalttaten 9 5 gesamt 65 44 Sachbeschädigung 24 16 Nötigung/Bedrohung 70 49 Volksverhetzung 20 26 Vorbereitung einer staatsgefährenden Gewalttat 112 63 Mitgliedschaft bzw. Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung 310 144 Andere Straftaten 306 111 gesamt 907 453 7 Siehe Fußnote 1. 39 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 4.1 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - religiöse Ideologie" * in den Ländern 01.01.-31.12.2018 01.01.-31.12.2017 8 Nordrhein-Westfalen 12 7 Berlin 12 6 Schleswig-Holstein 2 4 Baden-Württemberg 4 4 Brandenburg 10 4 Sachsen 3 3 Bayern 8 Mecklenburg- 3 Vorpommern 2 2 Niedersachsen 4 1 Hamburg 2 1 Hessen 1 1 Rheinland-Pfalz 1 0 Bremen 3 0 Saarland 0 0 Sachsen-Anhalt 1 0 Thüringen 0 0 5 10 15 20 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. 40 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 5. Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich der "Politisch motivierten Kriminalität - ausländische Ideologie" Dem Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität - auslänNahezu Verdopplung dische Ideologie" wurden 2.487 Straftaten zugeordnet (2017: 1.617), der Gewalttaten hiervon 425 Gewalttaten (2017: 233). Einen extremistischen Hintergrund hatten 1.928 Straftaten (2017: 1.187), was einen sehr deutlichen Anstieg um 62,4 % bedeutet, der im Wesentlichen auf die bundesweiten Protestaktionen insbesondere von Anhängern der PKK gegen die türkische Militäroffensive im nordsyrischen Kanton Afrin zurückzuführen ist. Unter diesen Delikten waren hauptsächlich Verstöße gegen das Vereinsgesetz (43,6 %), Sachbeschädigungen (10,9 %), aber auch 355 Gewalttaten (18,4 %). Im Vergleich zu 2017 (182 Gewalttaten) haben sich die Gewalttaten beinahe verdoppelt. Ihr überwiegender Teil sind Körperverletzungen (60,3 %). Im Berichtsjahr befanden sich unter den Gewalttaten auch 5 Tötungsdelikte (4 versuchte und 1 vollendetes). Ebenfalls konnten 93 antisemitische Straftaten mit einer ausländisch-ideologischen Motivation festgestellt werden (2017: 36). Zu diesen Straftaten zählen 10 Gewalttaten (2017: 5) und 46 Volksverhetzungsdelikte (2017: 20). Zudem wurden auch 55 Delikte erfasst (2017: 71), bei denen den Tatverdächtigen angelastet wurde, eine ausländische terroristische Vereinigung zu unterstützen oder ihr anzugehören (SS 129b StGB). 41 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT Extremistische Straftaten aus dem Bereich "ausländische Ideologie"8 Gewalttaten: 2017 2018 Tötungsdelikte 0 1 Versuchte Tötungsdelikte 1 4 Körperverletzungen 150 214 Brandstiftungen 2 14 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion 0 0 Landfriedensbruch 12 47 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffsund Straßenverkehr 2 7 Freiheitsberaubung 0 1 Raub 2 5 Erpressung 3 3 Widerstandsdelikte 10 59 gesamt 182 355 Sachbeschädigungen 112 211 Nötigung/Bedrohung 41 50 Verstöße gegen das Versammlungsgesetz 115 134 Verstöße gegen das Vereinsgesetz 459 841 Mitgliedschaft bzw. Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung 71 55 Andere Straftaten 207 282 gesamt 1.005 1.573 Straftaten insgesamt 1.187 1.928 8 Siehe Fußnote 1. 42 POLITISCH MOTIVIERTE KRIMINALITÄT 5.1 Verteilung der Gewalttaten auf die Länder Die - in absoluten Zahlen - meisten Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte - ausländische Ideologie" ereigneten sich mit 118 registrierten Delikten in Nordrhein-Westfalen. Danach folgen Berlin (66) und BadenWürttemberg (51). Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - ausländische Ideologie" * in den Ländern 01.01.-31.12.2018 01.01.-31.12.2017 118 Nordrhein-Westfalen 121 66 Berlin 17 51 Baden-Württemberg 16 41 Niedersachsen 9 19 Hamburg 1 15 Sachsen 9 12 Hessen 1 11 Bayern 1 5 Bremen 1 4 Brandenburg 1 Mecklenburg- 4 Vorpommern 1 3 Sachsen-Anhalt 1 2 Rheinland-Pfalz 1 2 Saarland 0 2 Schleswig-Holstein 2 0 Thüringen 0 0 20 40 60 80 100 120 140 * Die Zahlen basieren auf Angaben des BKA. 43 44 Rechtsextremismus 45 Rechtsextremismus I. Überblick Das rechtsextremistische Weltbild wird von rassistischen und nationalistischen Anschauungen geprägt. Dabei herrscht die Auffassung vor, die Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Nation oder Rasse entscheide über den Wert eines Menschen. Diesem "völkischen" Kriterium sind der rechtsextremistischen Weltanschauung zufolge auch die Bürgerund Menschenrechte des Einzelnen untergeordnet. Rechtsextremistische Agitation ist geprägt von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus sowie einer grundsätzlichen Demokratiefeindschaft. Dieses rechtsextremistische Werteverständnis steht in einem fundamentalen Widerspruch zum Grundgesetz. 1. Entwicklungstendenzen Anti-Asyl-Agitation Nachdem die Anti-Asyl-Debatte in der rechtsextremistischen Szebirgt hohes Potenzial ne insbesondere im Jahr 2017 an Bedeutung verloren und die Befür Emotionalisierung teiligung an rechtsextremistischen Aufmärschen und Demonstraund Mobilisierung tionen im Anti-Asyl-Kontext weiter nachgelassen hatte, zeigten im Berichtsjahr die Ereignisse in Chemnitz (Sachsen) und Köthen (Sachsen-Anhalt), dass rechtsextremistische Anti-Asyl-Agitation nach wie vor ein hohes Mobilisierungspotenzial besitzt, das konkrete Gefährdungsmomente nach sich ziehen kann. Nach einem mutmaßlich von Asylbewerbern verübten Tötungsdelikt in Chemnitz am 26. August 2018 kam es dort und in mehreren anderen deutschen Städten zu massiven Protesten, zu denen auch Rechtsextremisten aufgerufen hatten. Ein von Asylbewerbern begangenes Körperverletzungsdelikt am 8. September 2018, infolgedessen ein Deutscher verstarb, war auch in Köthen Anlass für asylfeindliche Demonstrationen. Wenngleich der Teilnehmerkreis der meisten Kundgebungen in beiden Städten eher bürgerlich-demokratisch geprägt war, dominierten Rechtsextremisten die Redebeiträge. Die tödliche Auseinandersetzung in Chemnitz wurde von der rechtsextremistischen Szene als ein Beleg für das Scheitern der "Multikulti-Gesellschaft" und eine Folge des "Systems Merkel" angeführt. Der Vorfall wurde vor allem im Sinne der eigenen Ideologie instrumentalisiert und emotional aufgeladen. Durch diese 46 RECHTSEXTREMISMUS Gesamtsituation besteht auch die Gefahr, dass sich gewaltorientierte Rechtsextremisten durch die emotionalisierte Debatte radikalisieren und Gewalttaten begehen. Viele Beiträge in sozialen Netzwerken enthalten unterschwellige oder offene Aufforderungen zur "Gegenwehr", wie beispielsweise der Eintrag auf der Facebook-Seite eines nordrhein-westfälischen Neonazis: "Der politische Bodensatz bagatellisiert (...) die Mörder von Chemnitz. (...) Was in Chemnitz gerade passiert ist der Rassenkrieg, den die demokratischen Gruppierungen eingeschleppt haben. Wir wollen keine Gewalt, aber wir lassen uns nicht kampflos ausrotten! Um zu überleben werden wir das tun, was getan werden muß, um unser Recht auf Leben zu verteidigen! #antirassismustötet" (Facebook-Seite, 27. August 2018) Derartige Radikalisierungsverläufe können bis zur Bildung terroAnsätze für ristischer Gruppierungen führen. In diesem Zusammenhang wurRechtsterrorismus den Exekutivmaßnahmen gegen mutmaßliche Mitglieder einer "Bürgerwehr" in Chemnitz durchgeführt. Sie sind verdächtig, eine rechtsterroristische Gruppierung unter der Bezeichnung "Revolution Chemnitz" gegründet zu haben (vgl. Kap. II, Nr. 1). Auch Hooligan-Gruppierungen mobilisierten zu den flüchtlingsfeindlichen Demonstrationen in Chemnitz, was die Berührungspunkte zwischen der gewaltorientierten Hooligan-Szene und Rechtsextremisten beziehungsweise deren Themenfeldern aufzeigt. Aufgrund des stark ausgeprägten Organisationsgrades und der inhärenten Gewaltaffinität von Hooligans besteht hier ein besonders hohes Gefährdungspotenzial (vgl. Kap. III, Nr. 4). Für die Mobilisierung zu öffentlichen Kundgebungen sind soziale DemonstrationsMedien besonders geeignet und können eine herausragende Rolle geschehen spielen, wie die Demonstrationen in Chemnitz und Köthen sehr deutlich gezeigt haben. Während die Gesamtzahl rechtsextremistisch beeinflusster Kundgebungen nur leicht zugenommen hat,9 ist der drastische Anstieg der Gesamtteilnehmerzahl auf circa 57.950 hervorzuheben (2017: ca. 16.400). Ursächlich hierfür sind die Kundgebungen im Zusammenhang mit den Ereignissen von Chemnitz, die oft vierstellige Teilnehmerzahlen aufwiesen. Wenngleich ein 9 Gezählt werden Kundgebungen, die in ihrer gesamtheitlichen Betrachtung eindeutig dem rechtsextremistischen Spektrum zugerechnet werden können oder jedoch mindestens eine signifikante Steuerung durch Rechtsextremisten aufweisen. 47 RECHTSEXTREMISMUS nicht extremistisches Klientel bei den Teilnehmern in rein quantitativer Hinsicht überwog, haben Rechtsextremisten das Erscheinungsbild der Kundgebungen durch Verhalten und Parolen geprägt. Rechtsextremistische Demonstrationen 2017 2018 NPD/JN 27 28 "DIE RECHTE" 25 33 "Der III. Weg" 21 18 Neonazis/sonstige Rechtsextremisten 129 154 Insgesamt 202 233 Rechtsextremisten Eine Entwicklung, die die Gewaltorientierung eines Großteiles der und Kampfsport rechtsextremistischen Szene plastisch untermauert, ist das im Berichtszeitraum gestiegene Interesse von Rechtsextremisten an Kampfsport. Die sportliche Betätigung in verschiedenen Disziplinen des Kampfsportes wird ideologisch im Sinne einer Wehrhaftigkeit gegen "das System" aufgeladen und gezielt als Vorbereitung für den unausweichlichen "politischen Kampf" beworben (vgl. Kap. III, Nr. 3). Großveranstaltungen Musikalische Großveranstaltungen mit Musikund Redebeiträgen prägten auch das Jahr 2018 (vgl. Kap. III, Nr. 2). Urteil im Die rechtsextremistische Szene brachte dem Urteil des OberlanNSU-Prozess desgerichts (OLG) München (Bayern) gegen Beate Zschäpe und vier weitere Unterstützer des rechtsterroristischen "Nationalsozialistischen Untergrundes" (NSU) - wie auch schon dem gesamten Strafverfahren - weitgehend Desinteresse entgegen. Antisemitismus im Als konstantes Agitationsfeld und ideologisches IdentifikationsRechtsextremismus merkmal von Rechtsextremisten kommt dem Antisemitismus grundsätzlich weiterhin eine hohe Bedeutung zu. Allerdings folgt die antisemitische Agitation im rechtsextremistischen Spektrum seit Jahren einer Wellenbewegung in Abhängigkeit von tagespolitischen Ereignissen. Derzeit wird rechtsextremistische 48 RECHTSEXTREMISMUS Propaganda durch andere Feindbilder und Themenkomplexe dominiert, von denen sich rechtsextremistische Agitatoren aktuell mehr Anknüpfungspunkte an den öffentlichen Diskurs versprechen. Zu diesen Feindbildern gehören "Ausländer", insbesondere Asylsuchende und Muslime, aber auch politische Entscheidungsträger. Inhaltlich stehen die Themen "Überfremdung" und ein vermeintlich drohender Verlust der "nationalen Identität" im Fokus (vgl. Kap. III, Nr. 7). Ein hohes Gefährdungspotenzial geht auch von den staatsfeind"Reichsbürger" und lichen "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" aus, die allerdings "Selbstverwalter" nur geringfügige Überschneidungen mit dem rechtsextremistischen Spektrum aufweisen. Nur ein kleiner Teil (5 %) von ihnen ist rechtsextremistisch geprägt. Im Regelfall behaupten "Reichsbürger" den Fortbestand des "Deutschen Reiches", leugnen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und lehnen infolgedessen die Rechtsordnung und Gesetze der "BRD GmbH" ab. "Selbstverwalter" hingegen streiten die Gültigkeit der Gesetze der Bundesrepublik für sich ab und wollen sich und ihre Liegenschaften mitunter exterritorial stellen, begeben sich also in "Eigenverwaltung". Aufgrund einer hohen Waffenaffinität des Personenkreises der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" ist von einem erhöhten Gefährdungspotenzial auszugehen (vgl. Berichtsteil "Reichsbürger" und "Selbstverwalter"). 49 RECHTSEXTREMISMUS 2. Personenpotenzial Rechtsextremismuspotenzial1 2017 2018 In Parteien 6.050 5.510 "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" 4.500 4.000 (NPD) "DIE RECHTE" 650 600 "Der III. Weg" 500 530 Sonstiges rechtsextremistisches Personenpo400 380 tenzial in Parteien2 In parteiunabhängigen bzw. parteiungebun6.300 6.600 denen Strukturen3 Weitgehend unstrukturiertes rechtsextremis12.900 13.240 tisches Personenpotenzial4 Summe 25.250 25.350 Nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften 24.000 24.100 Davon gewaltorientierte Rechtsextremisten 12.700 12.700 1 Die Zahlen sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2 Unter dem sonstigen rechtsextremistischen Personenpotenzial in Parteien werden die Mitglieder von "Bürgerbewegung pro NRW" ("pro NRW") und zusätzlich im Jahr 2018 die "Freie Bürger Union (FBU) - Landesverband Saarland" gezählt. 3 Hierzu zählen ein Teil der insgesamt 950 rechtsextremistischen "Reichsbürger" und "Selbstverwalter", die in überregionalen Strukturen organisiert sind, sowie 600 Mitglieder der "Identitären Bewegung Deutschland" (IBD, Verdachtsfall, vgl. hierzu ausführlich S. 82 ff.). Zur IBD liegen tatsächliche Anhaltspunkte für eine rechtsextremistische Bestrebung vor, sodass die Gruppierung durch das BfV im Rahmen eines Verdachtsfalles bearbeitet wird. 4 Hierzu zählen ein Teil der insgesamt 950 rechtsextremistischen "Reichsbürger" und "Selbstverwalter", die keiner festen Struktur zuzurechnen sind. 50 RECHTSEXTREMISMUS II. Gewalt und Militanz Nach einem Anstieg der rechtsextremistischen Strafund GewaltLeichter taten in den Jahren 2015 und 2016 sowie einem deutlichen RückAnstieg rechtsgang im Jahr 2017 entwickelten sich die Fallzahlen im Jahr 2018 extremistischer wie folgt: Die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten sank um Gewalttaten 0,3 % im Vergleich zum Vorjahr auf 19.409 Delikte. Rechtsextremistische Gewalttaten stiegen dagegen um 3,2 % (2018: 1.088, 2017: 1.054); Körperverletzungsdelikte stiegen um 3,8 %. Der Rückgang bei Brandstiftungsdelikten lag bei 73,8 % (2018: 11, 2017: 42). Insgesamt wurden 6 versuchte Tötungsdelikte als mutmaßlich rechtsextremistisch kategorisiert (2017: 4). Bei diesen Taten gab es außerdem Hinweise auf einen fremdenfeindlichen Hintergrund. Auffällig ist im Berichtsjahr der Anstieg rechtsextremistischer Straftaten mit einem antisemitischen Motiv. Größtenteils handelt es sich hierbei um Volksverhetzungen und Propagandadelikte. Ein besonders deutlicher Anstieg um 71,4 % ist jedoch im Bereich der Gewalttaten zu verzeichnen (vgl. Berichtsteil Politisch motivierte Kriminalität, Kap. III, Nr. 1.1). Fremdenfeindlichkeit bleibt auch weiterhin das ausschlaggebende Gewalt Motiv für die Begehung rechtsextremistischer Gewalt. Trotz der zwischenzeitlich gesunkenen Asylbewerberzahlen ist die AntiAsyl-Agitation das beherrschende Themenfeld in der rechtsextremistischen Szene. In diesem Kontext kann es immer wieder zu rechtsextremistisch motivierten Strafund Gewalttaten kommen. Im Zusammenhang mit rechtsextremistischen Gewalttaten kann sogar konstatiert werden, dass der Anteil von Gewalttaten mit fremdenfeindlicher Motivation an der Gesamtzahl rechtsextremistischer Gewalttaten durch den größeren Flüchtlingszuzug der letzten Jahre gestiegen ist: Während ihr Anteil 2014 noch 51,7 % betrug, stieg er auf 65,2 % 2015 und 74,4 % 2016. Trotz des deutlichen Rückgangs der Asylbewerberzahlen in den Jahren 2017 und 2018 blieb der Anteil fremdenfeindlicher Gewalttaten aber konstant hoch (2017: 73,4 %, 2018: 75,5 %). Gefährdungspotenzial droht nicht nur aus Entwicklungen im gesellschaftlichen und politischen Raum, sondern konkret auch aus einem szeneinternen Radikalisierungseffekt, der in Gewaltorientierung ("Bürgerwehren") und rechtsterroristische Ansätze 51 RECHTSEXTREMISMUS münden kann. Diese entwickeln sich auch in Randbereichen des traditionellen Rechtsextremismus. Dabei handelt es sich oft um eine Mischung aus bislang nicht oder lediglich erst seit kurzer Zeit in der Szene aktiven Personen und langjährig aktiven, oftmals gewaltorientierten Rechtsextremisten. Besondere Aufmerksamkeit muss daher auch solchen Bereichen gewidmet werden, in denen sich lediglich Überschneidungen zu Rechtsextremisten ergeben. 1. Das Thema "Anti-Asyl" vor dem Hintergrund der Ereignisse in Chemnitz (Sachsen) und Köthen (Sachsen-Anhalt) Ob bei Debatten in sozialen Netzwerken, im Rahmen von Demonstrationen oder als Motiv für begangene Straftaten: Die Asylthematik ist für die rechtsextremistische Szene weiterhin von zentraler Bedeutung. Die Ereignisse von Chemnitz und Köthen zeigen, dass die Asylund Flüchtlingspolitik der Bundesregierung weiterhin ein erhebliches Mobilisierungspotenzial besitzt. Tötungsdelikt Nachdem mutmaßlich Asylsuchende in Chemnitz am 26. August in Chemnitz 2018 einen deutschen Staatsangehörigen mutmaßlich getötet haben, kam es zu massiven Protesten in Chemnitz und mehreren anderen deutschen Städten, zu denen auch Rechtsextremisten aufgerufen hatten. Ausgelöst durch die Gewalttat kam es am Nachmittag desselben Tages zu zwei Spontandemonstrationen in der Chemnitzer Innenstadt. Die erste hatte etwa 100 Teilnehmer und verlief ohne besondere Vorkommnisse. Parallel wurde am selben Tag unter anderem über die Facebook-Seite der rechtsextremistischen Hooligan-Gruppierung "Kaotic Chemnitz" in den sozialen Medien ein Aufruf für die zweite Demonstration verbreitet: "Unsere Stadt - Unsere Regeln. Wir fordern ALLE Chemnitz Fans und Sympathisanten auf sich mit uns heute den 26.08.2018 um 16:30 vorm Nischel10 zu treffen ! Lasst uns zusammen zeigen wer in der Stadt das sagen hat ! Ehre Treue Leidenschaft für Verein und HEIMATSTADT" (Facebook-Seite "Kaotic Chemnitz", 26. August 2018) 10 "Nischel" ist der Spitzname für das Karl-Marx-Monument in Chemnitz. 52 RECHTSEXTREMISMUS Dem Demonstrationsaufruf folgten etwa 800 bis 1.000 Personen. Nach Angaben der Polizei konnten unter den Demonstrationsteilnehmern rund 50 gewaltbereite Personen ausgemacht werden, die das Versammlungsgeschehen maßgeblich bestimmten und lenkten. Einzelne Mitglieder der neonazistischen Kleinpartei "Der III. Weg" nahmen in T-Shirts mit dem Parteilogo an der Demonstration teil. Der überwiegende Teil der Versammlungsteilnehmer dürfte jedoch dem nicht extremistischen Lager zuzuordnen gewesen sein. Aus dem Teilnehmerfeld heraus kam es zu einzelnen Übergriffen auf Passanten sowie vereinzelten Angriffen auf Polizeibeamte. Auch in der Folgezeit versammelten sich im Chemnitzer Stadtzentrum Tausende von Demonstranten zu örtlichen Kundgebungen. Die meisten Teilnehmer zog die Versammlung der lokalen, seit Ende 2018 als rechtsextremistisch eingestuften "Bürgerbewegung PRO CHEMNITZ" ("PRO CHEMNITZ") am 27. August 2018 an. An ihr nahmen in der Spitze bis zu 6.000 Personen teil. Neben Angehörigen der rechtsextremistischen Szene aus Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen gehörten auch Mitglieder rechtsextremistischer Parteien zu den Teilnehmern. Mittlere dreistellige Personenzahlen waren erkennbar der Fußballfanund der Hooligan-Szene zuzuordnen. Zu den Teilnehmern gehörte aber auch eine große Personenzahl aus dem bürgerlich-demokratischen Spektrum. "PRO CHEMNITZ" hat in diesem Zusammenhang bis weit in den Sommer 2019 sogenannte Freitags-Demonstrationen für die Chemnitzer Innenstadt angemeldet. Bis Ende 2018 nahmen allerdings die Gesamtteilnehmerzahl und die Beteiligung von Rechtsextremisten an diesen Demonstrationen wieder deutlich ab. Eine weitere von Asylbewerbern begangene Gewalttat am 8. SepDemonstrationen tember 2018, in deren Folge ein Deutscher verstarb, war auch in in Köthen Köthen Anlass für asylfeindliche Demonstrationen. Wenngleich der Teilnehmerkreis der Kundgebungen eher bürgerlich-demokratisch geprägt war, dominierten Rechtsextremisten mit ihren Redebeiträgen die Kundgebungen. Diese Ereignisse zeigen deutlich, dass Rechtsextremisten das Internet gezielt nutzen, um die öffentliche Stimmung anzuheizen. Gegen Migranten, den politischen Gegner und die freiheitliche demokratische Grundordnung wird in Gänze agitiert, um - aus einer 53 RECHTSEXTREMISMUS vermeintlichen "Notwehr" heraus - auch Strafund Gewalttaten zu rechtfertigen. Im Themenfeld "Anti-Asyl" ist anlassbezogen ein Anstieg beziehungsweise eine Verschärfung fremdenfeindlicher, rassistischer und islamfeindlicher Inhalte in sozialen Netzwerken immer wieder möglich. Hierfür reichen punktuelle Auslöser, wie etwa von Asylbewerbern begangene Gewalttaten, aus. Weiterhin ist damit zu rechnen, dass es zu verstärkten rechtsextremistischen Resonanzaktivitäten, von Demonstrationen und Propagandaaktionen im öffentlichen Raum bis hin zur Begehung von Strafund Gewalttaten gegen Muslime, Asylbewerber und andere Menschen mit Migrationshintergrund sowie gegen (vermeintlich) politisch Verantwortliche, kommt. Das gilt ebenfalls für Konflikte mit dem politischen Gegner im Zusammenhang mit Anti-Asyl-Aktionen, insbesondere mit der linksextremistischen Szene. Dabei sind neben dem planvollen Vorgehen von rechtsextremistischen Gruppierungen bei möglichen Strafund Gewalttaten auch Aktivitäten von Einzelpersonen möglich, insbesondere solche ohne vorherige organisatorische Anbindung an die rechtsextremistische Szene. Potenzial für Die Intensität und Effektivität der Mobilisierung in Chemnitz ist Mobilisierung auffällig. Sie erfolgte nicht wie in Kandel (Rheinland-Pfalz) oder und Radikalisierung Cottbus (Brandenburg) Anfang des Jahres 2018 zeitversetzt,11 sondern bereits am Tag des Tötungsdelikts. Durch soziale Netzwerke erfolgte eine virale Verbreitung von Demonstrationsaufrufen. Eine Mobilisierung durch Rechtsextremisten fand bundesweit in den sozialen Medien statt und blieb nicht auf einzelne Spektren des Rechtsextremismus begrenzt; vielmehr einte das Thema die gesamte Szene. Wie schnell und breit die lokale Mobilisierung in Chemnitz schon am Tag der Tat erfolgte, zeigt der Aufruf auf der Facebook-Seite der rechtsextremistischen Hooligan-Gruppierung 11 Nachdem in Kandel am 27. Dezember 2017 ein 15-jähriges Mädchen von einem afghanischen Flüchtling mit einem Messer tödlich verletzt worden war, fanden Anfang 2018 mehrere Demonstrationen statt mit zunächst dreistelliger, dann auch vierstelliger Teilnehmerzahl und weitgehend bürgerlich-demokratischer Prägung. Im Januar 2018 waren zwei Messerangriffe jugendlicher syrischer Asylbewerber auf deutsche Staatsangehörige in Cottbus Anlass für Demonstrationen, die ebenfalls bis zu vierstellige Teilnehmerzahlen erreichten und weitgehend bürgerlich-demokratisch geprägt waren. Während dieser Demonstrationen spielten Rechtsextremisten eine untergeordnete Rolle, auch wenn sie im Nachgang versuchten, die Ereignisse für sich zu instrumentalisieren. 54 RECHTSEXTREMISMUS "Kaotic Chemnitz", der bereits wenige Stunden nach der Gewalttat in sozialen Netzwerken kursierte. Die hohen, in der Regel vierstelligen Teilnehmerzahlen bei den Demonstrationen von "PRO CHEMNITZ" deuten darauf hin, dass das Mobilisierungspotenzial deutlich über die klassische rechtsextremistische Szene hinausgeht. Auffällig ist auch das Zusammenwirken aller rechtsextremistischen Spektren, also von Neonazis, rechtsextremistischen Hooligans und Mitgliedern rechtsextremistischer Parteien, die - zumindest in der ersten Zeit - aus verschiedenen Bundesländern anreisten. Dieses Zusammenwirken kann als Motor für die starke Mobilisierung betrachtet werden. Ob es sich hierbei um einen einmaligen, umfeldabhängigen Effekt oder um eine potenzielle, zukünftige Entwicklung bei der Mobilisierung zu rechten Demonstrationen handelt, bleibt abzuwarten. Die Ereignisse in Chemnitz (und auch Köthen) haben RechtsextreAnschlussmisten klar erkennbar Anschlussmöglichkeiten an ein nicht extrefähigkeit rechtsmistisches, demokratisches Spektrum geboten. Wenngleich der extremistischer nicht extremistische Personenkreis unter den Teilnehmern der Positionen Demonstrationen in rein quantitativer Hinsicht überwog, haben Rechtsextremisten das Erscheinungsbild der Kundgebungen doch durch ihr Auftreten, ihre Parolen und eine darüber hinausgehende Aggressivität geprägt. Feststellbar waren weiterhin Überschneidungen anderer Bereiche wie der Hooligan-Szene mit der rechtsextremistischen Szene. Am Nachmittag des 14. September 2018 fand in Chemnitz eine von "Revolution "PRO CHEMNITZ" angemeldete Demonstration mit bis zu Chemnitz" 3.500 Personen unter dem Motto "Sicherheit für Chemnitz" statt. An der Versammlung beteiligten sich neben Rechtsextremisten auch zahlreiche Personen aus dem nicht extremistischen Spektrum. Nach dieser Demonstration kam es am Rande der Chemnitzer Innenstadt zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen einer Gruppe von deutschen Staatsangehörigen, die sich selbst als "Revolution Chemnitz" bezeichnete, und einer Gruppe von Menschen mit Migrationshintergrund. Die Angehörigen der erstgenannten Gruppe sollen sich gegenüber Passanten als "Bürgerpatrouille" ausgegeben und auch Personenkontrollen durchgeführt haben. Einzelne Angehörige dieser Gruppe sollen schwarze T-Shirts mit der Aufschrift "Angriff" und "Kampf" getragen haben. 55 RECHTSEXTREMISMUS Dieser Personenkreis soll der Hooliganund Neonaziszene in Chemnitz angehören. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA) ermittelt derzeit wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung gemäß SS 129a Strafgesetzbuch (StGB) gegen die Gruppierung "Revolution Chemnitz". 2. "Bürgerwehren" in der rechtsextremistischen Szene Rechtsextremisten haben in der Vergangenheit immer wieder auf die vermeintliche Notwendigkeit zur Bildung von "Bürgerwehren" hingewiesen oder entsprechende Gruppierungen gegründet. Sie versuchen mit dieser leicht zu realisierenden Aktionsform, eine Anschlussfähigkeit rechtsextremistischer Positionen an die bürgerlich-demokratische Mehrheitsgesellschaft herzustellen. Dies soll aus rechtsextremistischer Sicht nicht nur suggerieren, dass der Staat außerstande sei, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten und deshalb seine Legitimation verloren habe. Vielmehr sollen Fremde oder politische Gegner durch die Präsenz von rechtsextremistischen "Bürgerwehren" vor Ort gezielt eingeschüchtert werden. Gleichzeitig wird wiederholt deutlich, dass sich innerhalb dieser als "Bürgerwehren" auftretenden Gruppierungen auch Ansätze für rechtsterroristische Potenziale herausbilden können. Es scheint ein fließender Übergang vom Aufruf zur Bildung von "Bürgerwehren" hin zu einem eigenmächtigen Eintreten für Sicherheit und Ordnung abseits des staatlichen Gewaltmonopols oder gar hin zu gewalttätigem Handeln zu sein. In der Vergangenheit traten auch tatsächlich gewalttätige rechtsextremistische Gruppierungen als "Bürgerwehr" auf. Ein Beispiel hierfür ist die rechtsterroristische "Gruppe Freital". Einige ihrer Mitglieder waren zuvor unter der Bezeichnung "Bürgerwehr FTL/360" aktiv geworden. "Schutzzonen"Weitere Beispiele für die Bildung von "Bürgerwehren" sind die Kampagne "Schutzzonen"-Kampagne der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) und die sogenannten Nationalen Streifen der Partei "Der III. Weg". Die von der NPD anlässlich der Bundestagswahl im Jahr 2017 ins Leben gerufene und 2018 intensivierte "Schutzzonen"-Kampagne zur Bildung von "Bürgerwehren" findet in der rechtsextremistischen Szene bislang jedoch kaum Resonanz. Wenngleich die professionelle Aufmachung im Internet die 56 RECHTSEXTREMISMUS Parteianhänger zu eigenen Aktionen animieren soll, ist es bislang lediglich zu Einzelaktionen gekommen. Seit Herbst 2016 führen Angehörige der Partei "Der III. Weg" regelmäßig "Nationale Streifen" durch, um einer vermeintlich grassierenden Ausländergewalt Einhalt zu gebieten. Dabei handelt es sich meist um Spaziergänge, die fotografisch dokumentiert und auf der Website der Partei und in sozialen Medien mit rechtsextremistischer Agitation und Propaganda entsprechend kommentiert werden. 3. Staatliche Maßnahmen Das OLG München (Bayern) hat am 11. Juli 2018 die Urteile im ProUrteil im zess gegen Beate Zschäpe und vier Unterstützer des rechtsterrorisNSU-Prozess tischen NSU gesprochen und den mit Blick auf die 438 Verhandlungstage längsten Strafprozess in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland seit der Wiedervereinigung vorläufig abgeschlossen. Die Hauptangeklagte Zschäpe erhielt wegen zehnfachen Mordes, mehrfachen versuchten Mordes, mehrerer Raubüberfälle, eines versuchten Mordes durch eine schwere Brandstiftung sowie Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung eine lebenslange Haftstrafe. Zudem stellte das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest, verzichtete jedoch auf die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach Verbüßung der lebenslangen Haftstrafe. Der Angeklagte Ralf Wohlleben erhielt eine Haftstrafe von zehn Jahren wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er die Beschaffung der Tatwaffe in Auftrag gegeben hatte. Andre Eminger wurde der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung für schuldig befunden. Er erhielt eine Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Zwei weitere Angeklagte wurden wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen beziehungsweise wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zu drei Jahren Jugendstrafe beziehungsweise drei Jahren Haft verurteilt. 57 RECHTSEXTREMISMUS Resonanz in der In der rechtsextremistischen Szene hatte das Verfahren nur zu Prorechtsextremistischen zessbeginn für eine gewisse Resonanz gesorgt. Vereinzelt hatten Szene Rechtsextremisten dem Prozess als Zuschauer beigewohnt. Regelmäßige Solidaritätsbekundungen und -aktionen hatte es lediglich für den Angeklagten Wohlleben gegeben. Demgegenüber hatte die Szene an der Person Zschäpes kaum Interesse bekundet. Mit den ergangenen Urteilen ist die juristische Aufarbeitung des NSU-Komplexes noch nicht beendet. Zum einen haben die Anwälte der Angeklagten und die Bundesanwaltschaft Revision eingelegt. Zum anderen laufen gegen neun weitere mutmaßliche Helfer des NSU weiterhin Ermittlungsverfahren. "Altermedia Am 8. Februar 2018 verurteilte der 5. Strafsenat des OLG Stuttgart Deutschland" (Baden-Württemberg) vier Betreiber der rechtsextremistischen Internetplattform "Altermedia Deutschland". Während ein Angeklagter zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde, erhielten die anderen Angeklagten Freiheitsstrafen zwischen acht Monaten und zwei Jahren auf Bewährung. Auf der Website von "Altermedia Deutschland" waren bis zu ihrem Verbot durch den Bundesminister des Innern am 27. Januar 2016 unter anderem rassistische, ausländerfeindliche, antisemitische und islamfeindliche Inhalte verbreitet worden. Bis zur Abschaltung im Januar 2016 war "Altermedia Deutschland" innerhalb der rechtsextremistischen Szene eine der wichtigsten Internetplattformen. "Gruppe Freital" Am 7. März 2018 verkündete der 4. Strafsenat des OLG Dresden (Sachsen) nach einjährigem Prozess das Urteil im Strafverfahren gegen Mitglieder der "Gruppe Freital". Acht Angeklagte im Alter von 20 bis 40 Jahren wurden wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchtem Mord, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, versuchter gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung zu Haftstrafen zwischen vier und zehn Jahren verurteilt. Nachdem der GBA im Juni 2016 ein zweites Ermittlungsverfahren zunächst gegen neun mutmaßliche Unterstützer der "Gruppe Freital" eröffnete, dieses jedoch im Jahr 2017 an die Generalstaatsanwaltschaft Dresden abgegeben hatte, fanden am 28. März 2018 Exekutivmaßnahmen im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens gegen dann zehn mutmaßliche Unterstützer der rechtsterroristischen 58 RECHTSEXTREMISMUS "Gruppe Freital" statt. Die Polizei führte hierbei Durchsuchungen in Bayern, Niedersachsen und Sachsen durch. Es wurden Datenträger, Waffen und NS-Devotionalien sichergestellt. Alle Angeklagten hatten sich bei den Protesten gegen eine Asylbewerberunterkunft im Sommer 2015 in Freital (Sachsen) kennengelernt und innerhalb kürzester Zeit zur "Gruppe Freital" zusammengeschlossen, um schwere Strafund Gewalttaten zu verüben. Das Landgericht (LG) Neuruppin (Brandenburg) verurteilte am Urteil wegen 5. Juli 2018 einen Angeklagten wegen versuchter schwerer Brandversuchter stiftung zu einer Haftstrafe von vier Jahren und sechs Monaten schwerer sowie einen Mittäter zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren. Brandstiftung Der Hauptangeklagte hatte am 15. April 2017 zwei selbst hergestellte Brandsätze auf das Haus einer umzäunten Asylbewerberunterkunft in Kremmen (Brandenburg) geschleudert. Das Feuer war von einem Mitarbeiter eines dort eingesetzten Wachdienstunternehmens gelöscht worden, ohne Schaden am Gebäude anzurichten. Das Ermittlungsverfahren war ursprünglich wegen versuchten Mordes geführt worden. Das LG Dresden verurteilte am 31. August 2018 einen 31-Jährigen Haftstrafe nach wegen versuchten Mordes, versuchter besonders schwerer BrandRohrbombenanschlag stiftung und Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion zu einer Haftstrafe von neun Jahren und acht Monaten. Der Angeklagte hatte am 26. September 2016 in Dresden Rohrbomben an der Fatih-Camii-Moschee und im Außenbereich des Internationalen Congress Centers in Dresden gezündet. Es entstand ein Sachschaden an beiden Objekten. Personen waren nicht verletzt worden; jedoch befand sich der Imam der Moschee mit seiner Familie zum Tatzeitpunkt im Gebäude. Das Gericht sah in seinem Urteil das Tatmotiv im Hass gegen Ausländer sowie in einer rassistischen menschenverachtenden Einstellung begründet. Der Fall ist ein nicht untypisches Beispiel für Radikalisierungsprozesse von Einzelpersonen aus einem diffusen fremdenund asylfeindlichen Spektrum, die bis zur Begehung von schweren Strafund Gewalttaten reichen können. Er zeigt einmal mehr, dass derartige Radikalisierungsprozesse nicht zwangsläufig durch die Einbindung in die rechtsextremistische Szene ausgelöst werden und eine organisatorische Zugehörigkeit zu einer rechtsextremistischen Gruppierung hierfür nicht zwingend notwendig sein muss. 59 RECHTSEXTREMISMUS Gruppe Auch das Ermittlungsverfahren des GBA gemäß SS 129a StGB gegen "Nordadler" eine mutmaßlich rechtsterroristische, bislang überwiegend virtuell kommunizierende Gruppe mit der Bezeichnung "Nordadler" belegt die Annahme, dass sich rechtsterroristische Ansätze außerhalb etablierter rechtsextremistischer Organisationen und Strukturen bilden können. Am 17. April 2018 durchsuchte die Polizei in Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen die Wohnungen von vier Beschuldigten. Dabei wurden Schreckschuss-, Schlagund Stichwaffen, eine größere Zahl von Feuerwerkskörpern, Militaria und elektronische Speichermedien beschlagnahmt. Am 17. November 2018 erfolgten weitere Durchsuchungen, nachdem zuvor ein Gruppenmitglied mit echt aussehenden Schusswaffen im Internet posiert hatte, die während der Exekutivmaßnahmen allerdings als Soft-Air-Waffen identifiziert werden konnten. Im Internet sollen sich die Gruppenmitglieder über die Beschaffung von militärischen Ausrüstungsgegenständen und Waffen sowie über die Herstellung von Sprengkörpern ausgetauscht haben. Daneben werden die Beschuldigten verdächtigt, Personenlisten über politisch Verantwortliche sowie politische Gegner angelegt zu haben, um diese im Falle eines Staatszusammenbruchs zur Rechenschaft zu ziehen. "Kameradschaft Am 12. September 2018 durchsuchte die Polizei in Bayern und Aryans" Hessen die Wohnungen und Arbeitsstätten von sechs Beschuldigten, die der gewaltorientierten neonazistischen Gruppierung "Kameradschaft Aryans" zugerechnet werden. Bei der "Kameradschaft Aryans" handelt es sich um eine im Dezember 2016 gegründete rechtsextremistische Gruppierung mit ungefähr 15 Mitgliedern in den Bundesländern Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Sie wurde mit dem Ziel gegründet, den bewaffneten Kampf gegen die aus ihrer Sicht von der Politik betriebene Ausrottung des Deutschen Volkes zu betreiben. Die Durchsuchungen fanden aufgrund eines durch den GBA eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Gründung einer terroristischen Vereinigung gemäß SS 129a StGB statt. Neben diversen elektronischen Speichermedien wurden mehrere Hieb-, Stich und Schreckschusswaffen sowie Armbrüste und Pyrotechnik sichergestellt. 60 RECHTSEXTREMISMUS III. Aktuelle Entwicklungen im Rechtsextremismus 1. V-Logs als Agitationsund Propagandainstrument Angehörige und Sympathisanten der rechtsextremistischen Szene nutzen intensiv das Internet, um beispielsweise Kampagnen zu bewerben, für Veranstaltungen zu mobilisieren oder Aktionen zu planen. Eine zeitnahe und regelmäßige Berichterstattung und Dokumentation des gesamten Agitationsspektrums im Internet ist ein fester Bestandteil des Auftretens von Rechtsextremisten. Soziale Netzwerke, Kurznachrichtendienste oder Videoplattformen bilden dabei die zentralen Plattformen, auf denen sich die Szene bewegt, offen oder in geschlossenen Gruppen kommuniziert oder ihr rechtsextremistisches Gedankengut propagandistisch zu verbreiten versucht. Die Zahl der festgestellten Websites, Profile oder Portale unterliegt einem hohen Fluktuationsgrad. In Extremfällen reagieren die Administratoren von Profilen der rechtsextremistischen Szene auf Löschungen innerhalb von Stunden, indem sie beispielsweise an anderer Stelle oder unter einem ähnlichen Namen eine neue Internetpräsenz erstellen. Die Vermittlung rechtsextremistischer Inhalte erfolgt seit jeher durch eine gezielte Emotionalisierung von Sachverhalten und über das Schüren von Vorurteilen. Besonders leicht und mit Aussicht auf eine hohe Reichweite lassen sich rechtsextremistische Videoinhalte im Internet über Plattformen wie YouTube verbreiten. Ein beliebtes Format ist dabei das sogenannte Video-Weblog (V-Log), das auch Rechtsextremisten als geeignetes Mittel für sich entdeckt haben. Welche Möglichkeiten das Instrument V-Log im Internet bei der VerYouTube-Kanal breitung rechtsextremistischer Inhalte bietet und inwieweit es sich "Der Volkslehrer" von traditionellen Agitationsformen unterscheidet, zeigt aktuell der YouTube-Kanal "Der Volkslehrer" mit über 60.000 Abonnenten.12 Die Reichweite dieses Kanals ist damit mehr als zehnmal so hoch wie der Verbreitungsgrad von YouTube-Kanälen "klassischer" Rechtsextremisten, wie beispielsweise dem Kanal des NPD-Presseorgans "Deutsche Stimme" ("DS-TV"), der knapp über 5.800 Abonnenten besitzt. Einzelne Videos des "Volkslehrers" wurden über 100.000 Mal aufgerufen. 12 Stand: 24. Januar 2019. 61 RECHTSEXTREMISMUS Der Kanal "Der Volkslehrer" veröffentlicht verschwörungstheoretische beziehungsweise antisemitische Positionen und nutzt das im Rechtsextremismus verbreitete Narrativ einer vermeintlichen ("jüdischen") Clique, die im Verborgenen und allein zu ihrem Vorteil die Geschicke der Welt führe und dabei souveräne Völker unterdrücke und gegeneinander ausspiele. Es werden dabei Positionen vereint, die sowohl von Rechtsextremisten und Verschwörungstheoretikern als auch von Akteuren eines regierungsund asylkritischen Spektrums artikuliert werden. Hierzu zählt beispielsweise der Verweis auf das Widerstandsrecht aus Art. 20 Abs. 4 Grundgesetz (GG), auf das sich auch eine Vielzahl von Akteuren und Initiativen bei ihrem Protest gegen die Asylund Migrationspolitik der Bundesregierung berufen. Zu den weiteren wiederkehrenden Motiven in den Videos gehören die Warnung vor einer "Überfremdung" und dem schleichenden "Aussterben des deutschen Volkes" sowie die fundamentale Kritik an einem vermeintlich willkürlich handelnden politischen System, das sich explizit gegen "Patrioten" richte und dem sich auch die Medien unterworfen hätten. Erstmals im Februar 2018 bot der YouTube-Kanal "Der Volkslehrer" Neonazis bis hin zu bekennenden Holocaustleugnern die Gelegenheit, ihre rechtsextremistischen Positionen zu verbreiten. Der Betreiber des Kanals selbst nimmt außerdem an rechtsextremistischen Veranstaltungen teil, bewirbt sie im Vorfeld und berichtet anschließend wohlwollend in seinen Videos. Eine Interviewpartnerin des "Volkslehrers" war beispielsweise die mehrfach verurteilte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel. Außerdem thematisierte "Der Volkslehrer" den 90. Geburtstag dieser "große[n] Kämpferin für Meinungsund Redefreiheit" am 8. November 2018 und rief angesichts der Inhaftierung von Haverbeck-Wetzel zur Teilnahme an der Demonstration "Freiheit für Ursula Haverbeck" am 10. November 2018 vor dem Bahnhof in Bielefeld (NordrheinWestfalen) auf. Das Beispiel des "Volkslehrers" zeigt, wie sehr die Möglichkeiten sozialer Netzwerke und Plattformen zur Verbreitung von Agitation und Propaganda beitragen können. "Der Volkslehrer" kann seine Aussagen verbreiten, ohne dass Filterund Reflexionsfunktionen greifen, wie zum Beispiel Widerspruch oder kritische Nachfragen. Hinzu kommen die begünstigenden Algorithmen derartiger Plattformen, die deren Nutzer auf thematisch ähnliche Inhalte verweisen und umgekehrt Nutzer mit gleichen Interessen auf einem 62 RECHTSEXTREMISMUS Kanal - wie beispielsweise dem des "Volkslehrers" - bündeln. Auf diese Weise entstehen "Echokammern", die ein einseitiges - in diesem Fall rechtsextremistisch beeinflusstes - Meinungsbild befördern. 2. Fortgesetzter Trend von Großveranstaltungen mit Musik und Redebeiträgen Rechtsextremistische Musik, insbesondere Konzerte und andere Musikveranstaltungen, war auch 2018 ein wesentlicher Bestandteil der rechtsextremistischen Szene in Deutschland. Dabei kommt dieser Musik eine nicht zu unterschätzende Rekrutierungsund Bindungsfunktion zu. Sowohl offen als auch unterschwellig werden in zahlreichen Liedtexten rechtsextremistische Feindbilder und Ideologiefragmente verbreitet, entsprechende Denkmuster geformt und verfestigt sowie ein gemeinschaftliches Identitätsgefühl hervorgerufen. Auch im Jahr 2018 waren es insbesondere wieder GroßveranstalGroßveranstaltungen tungen mit vergleichsweise hohen Besucherzahlen, die eine entsprechende Öffentlichkeit in der Presse und im politischen Raum erzielten. Rechtsextremistische Musikveranstaltungen 2017 2018 Konzerte 68 60 Liederabende 88 95 Sonstige13 103 115 Insgesamt 259 270 Wie bereits in den letzten Jahren fanden die großen Musikund Rednerveranstaltungen im Bundesgebiet ausschließlich in Sachsen und Thüringen statt. 13 Darunter fallen u.a. Demonstrationen, Parteiveranstaltungen oder Rednerauftritte, die von musikalischen Darbietungen rechtsextremistischer Interpreten flankiert werden. 63 RECHTSEXTREMISMUS Bei diesen Großveranstaltungen stellt die Musik zwar den inhaltlichen und quantitativen Schwerpunkt dar, durch die Auftritte von rechtsextremistischen Rednern erhalten sie jedoch den Charakter einer politischen Versammlung. Zusammenkünfte, die auch der kollektiven Meinungsbildung und -kundgabe dienen, unterfallen dem Schutzbereich der grundgesetzlichen Versammlungsfreiheit, die nur unter hohen Voraussetzungen beschränkt werden kann. In Ostritz (Sachsen) fanden unter der Bezeichnung "Schild & Schwert"-Festival am 20. und 21. April 2018 sowie am 2. und 3. November 2018 jeweils größere Musikund Rednerveranstaltungen statt, bei denen es auch Kampfsportdarbietungen gab. Hierzu kamen im April bis zu 1.300 und im November bis zu 800 Teilnehmer aus ganz Deutschland sowie aus dem europäischen Ausland zusammen. Die "Schild & Schwert"-Festivals können - wenngleich nicht ausdrücklich im Namen der NPD angemeldet - als konkrete Projekte für die Umsetzung einer aktionsorientierteren Parteistrategie gedeutet werden. Sie verfolgen einen zwar maßgeblich von NPD-Aktivisten geprägten, jedoch über die Partei hinausweisenden Ansatz, der strömungsübergreifend sämtliche Spektren des "nationalen Widerstands" ansprechen soll. Wie im Vorjahr war erneut Themar (Thüringen) Veranstaltungsort der teilnehmerstärksten Veranstaltung. Unter dem szeneinternen Motto "Tage der nationalen Bewegung" versammelten sich am 8. und 9. Juni 2018 bis zu 2.250 Rechtsextremisten aus dem ganzen Bundesgebiet sowie aus einigen europäischen Nachbarstaaten, um den Auftritten rechtsextremistischer Redner, Musikgruppen und Einzelinterpreten beizuwohnen. Ein von der Versammlungsbehörde im Vorfeld erlassenes Veranstaltungsverbot aus Naturschutzgründen hatte vor Gericht keinen Bestand. Großveranstaltungen Hingegen verhinderten die Behörden in Thüringen 2018 zwei anverhindert gemeldete Großveranstaltungen: Die geplante Veranstaltung "Rock gegen Überfremdung III", an der im Vorjahr in Themar circa 6.000 Besucher teilgenommen hatten, konnte weder am 25. August 2018 in Mattstedt (Thüringen) noch am 5. und 6. Oktober 2018 in Magdala (Thüringen) durchgeführt werden. In beiden Fällen hatten die Ordnungsbehörden ein Betretungsund Nutzungsverbot des Veranstaltungsgeländes wegen ungeklärter Eigentumsverhältnisse beziehungsweise teilweise fehlender Nutzungserlaubnisse 64 RECHTSEXTREMISMUS der Grundstückseigentümer erlassen, welches gerichtlich bestätigt wurde. Daraufhin mussten die Veranstalter den als Ausweichort vorgesehenen Marktplatz in Apolda (Thüringen) nutzen. Die dort am 5. und 6. Oktober 2018 improvisiert abgehaltene Veranstaltung mit bis zu circa 800 Besuchern wurde am zweiten Veranstaltungstag kurz nach Beginn vom Veranstalter abgebrochen. Dieser kam damit einer polizeilichen Auflösung zuvor, da es bereits vor Veranstaltungsbeginn zu tätlichen Übergriffen von Teilnehmern auf eingesetzte Polizeikräfte, zu Flaschenwürfen und Durchbruchsversuchen an polizeilichen Eingangskontrollstellen kam. Die verhinderten beziehungsweise abgebrochenen Veranstaltungen führten zu finanziellem Schaden und Reputationsverlust für die Veranstalter, denen innerhalb der Szene teilweise vorgeworfen wurde, bei der Organisation versagt zu haben. Während rechtsextremistische Konzerte und Liederabende selten Spektrenübermehr als 200 Besucher anziehen, stellen die kombinierten Musikgreifende und Rednerveranstaltungen die teilnehmerstärksten VeranstalVernetzung tungen im deutschen Rechtsextremismus überhaupt dar. Hierbei kommt es zudem zu einem Zusammentreffen der verschiedenen rechtsextremistischen Teilbereiche, wobei Angehörige der subkulturell geprägten sowie der neonazistischen Szene überwiegen. Die Teilnahme an diesen Veranstaltungen stärkt das Gemeinschaftsgefühl und fördert die szeneinterne Vernetzung. Darüber hinaus können Teile der erwirtschafteten Gewinne zu einem verstärkten Ausbau rechtsextremistischer Aktivitäten und Strukturen führen. Insofern ist auch zukünftig mit weiteren derartigen Veranstaltungen zu rechnen. 3. Gewachsene Bedeutung der rechtsextremistischen Kampfsportszene Im rechtsextremistischen Spektrum war im Jahr 2018 ein Erstarken der rechtsextremistischen Kampfsportszene zu beobachten. Entsprechende Veranstaltungen waren gekennzeichnet von einer zunehmend professionellen Organisation und von dem Bemühen, sämtliche behördliche Auflagen einzuhalten. Konstant dreistellige Besucherzahlen dokumentieren dieses gestiegene Interesse von Rechtsextremisten. 65 RECHTSEXTREMISMUS "Kampf der Das größte und wichtigste Kampfsportturnier der Szene ist weiterNibelungen" (KdN) hin der seit 2013 jährlich stattfindende "Kampf der Nibelungen" (KdN). Nachdem die KdN-Veranstaltungen früher äußerst konspirativ organisiert wurden, meldete der Organisator das Turnier im Berichtsjahr erstmals bei der zuständigen Verwaltungsbehörde in Ostritz (Sachsen) an. An der Veranstaltung am 13. Oktober 2018 nahmen circa 850 Besucher aus dem gesamten Bundesgebiet sowie aus Frankreich, Italien, Österreich, der Schweiz, Tschechien und der Ukraine teil, womit das Kampfsportturnier einen neuen Besucherrekord erreichte (2017: 500 Zuschauer und Kämpfer). Ähnlich konspirativ wie frühere KdN-Turniere wurde erstmals am 9. Juni 2018 das rechtsextremistische Kampfsportturnier "TIWAZ14 - Kampf der freien Männer" in Grünhain-Beierfeld (Sachsen) mit etwa 450 Teilnehmern durchgeführt. Eine zweite Auflage dieses Turniers hatte der Veranstalter für den 8. Juni 2019 angekündigt. Eine Kampfsportkomponente hatten auch andere rechtsextremistische Veranstaltungen: Bei den beiden "Schild & Schwert"-Festivals erfolgten Kampfsportdarbietungen, die von den KdN-Organisatoren durchgeführt wurden. Auch Mitglieder der rechtsextremistischen Kleinpartei "Der III. Weg" zeigen ein wachsendes Interesse an der Ausübung von Kampfsport. Im Rahmen der eingerichteten Arbeitsgemeinschaft "Körper & Geist" fand bereits wenige Wochen nach "TIWAZ" eine Kampfsportvorführung bei der Parteiveranstaltung "Jugend im Sturm" am 7. Juli 2018 in Kirchheim (Thüringen) statt. Damit haben weitere rechtsextremistische Veranstalter in Deutschland Kampfsport zu einer Hauptoder Teilkomponente ihrer Veranstaltungen gemacht und entsprechende Sportereignisse ausgerichtet. Entgegen dieser eher unpolitischen Einbindung von Kampfsportveranstaltungen kommt eine politische Ausrichtung vielmehr von Kampfsportgruppierungen wie den Labels KdN, "Wardon", "Black Legion" und dem russischstämmigen Hooligan Denis Kapustin und seinem Label "White Rex". Diese stellen ihre eigenen Kampfsportler als Vorbilder in Sachen "Wille", "Fleiß" und "Disziplin" dar und wollen sie als Gegensatz zum "faulenden politischen System" der "Versager", "Heuchler", und "Schwächlinge" verstanden wissen. 14 Der Name "TIWAZ" bezieht sich auf "Tyr", den germanischen Gott des Kampfes. Ihm ist die "Tiwaz"-Rune des nordischen Runenalphabets zugeordnet. 66 RECHTSEXTREMISMUS 4. Überschneidungen des Rechtsextremismus mit der Hooliganund Rockerszene Sowohl die Hooliganund Ultraszene als auch die Rockerszene sind grundsätzlich unpolitisch. Nichtsdestoweniger weisen ihre Weltbilder gewisse Elemente auf, die von Extremisten als Anknüpfungspunkte für Kooperationen und Vernetzungen instrumentalisiert werden können, weshalb eine nicht unerhebliche Zahl ihrer Angehörigen immer wieder auch im Zusammenhang mit rechtsextremistischen Bestrebungen auffällt. Sie stellen daher ein wichtiges Aktivierungspotenzial für Rechtsextremisten dar. Die Hooliganund Ultraszene ist vorrangig an Fußball und ErlebHooligans und nis interessiert. Dass Hooligans gewalttätige AuseinandersetzunUltras gen mit den Hooligans anderer Fußballvereine suchen, korrespondiert mit der rechtsextremistischen Vorstellung vom "Kampf ums Dasein" und dem "Überleben des Stärkeren" als Teil der angeblich "natürlichen Ordnung". Ultras verbinden die besonders intensive Unterstützung des eigenen Vereins mit einer strikten Ablehnung von Fußballfunktionären, polizeilichen Kontrollen und der Kommerzialisierung des Fußballs. Diese Einstellung kann sie für eine rechtsextremistische, völkische Elitenfeindlichkeit anfällig machen. Dementsprechend gibt es schon seit den 1980er-Jahren eine nicht unerhebliche Zahl von Hooligan-Gruppierungen und mittlerweile auch Ultragruppierungen, die durch rechtsextremistische Mitglieder beeinflusst und geprägt werden. Solche Gruppierungen treten in letzter Zeit zwar nur noch selten als Gruppe im Stadion oder in der sonstigen Öffentlichkeit in Erscheinung. Dafür beteiligen sich ihre Mitglieder aber verstärkt an den Aktivitäten lokaler "Mischszenen" zusammen mit Rechtsextremisten, teilweise auch mit Rockern und mit bürgerlichem Publikum. Beispielhaft war insofern die Mobilisierung für die fremdenfeindliche Demonstration am 26. August 2018 in Chemnitz durch die Hooligangruppierung "Kaotic Chemnitz" (vgl. Kap. II, Nr. 1). Vergleichbare "Mischszene"-Aktivitäten hatten sich zuvor auch schon an anderen Orten feststellen lassen, etwa bei den "Kandel ist überall"Demonstrationen in Rheinland-Pfalz, bei asylkritischen Demonstrationen in Cottbus (Brandenburg) oder bei einer "Mütter gegen Gewalt"-Demonstration in Bottrop (Nordrhein-Westfalen). Darüber hinaus gibt es in der Hooligan-Szene auch weiterhin Bestrebungen zur Schaffung vereinsübergreifender, auf die Organisation von Demonstrationen ausgerichteter Strukturen nach dem 67 RECHTSEXTREMISMUS Vorbild der Gruppierung Hooligans gegen Salafisten (HoGeSa). So mobilisierte der Tod eines HoGeSa-Mitbegründers im September 2018 rund 250 Rechtsextremisten und Hooligans zu einem "Trauermarsch" in Mönchengladbach (Nordrhein-Westfalen). Daran anknüpfend will man sich nun um die erneute Vernetzung "aller patriotischen Kräfte" bemühen. Der Erfolg dieser Bemühungen bleibt abzuwarten. Rockerszene Rockergruppierungen streben nach lebenslangem, brüderlichem Zusammenhalt bei gleichzeitiger Abgrenzung von der Mehrheitsgesellschaft. Ihre Vorliebe für klare Hierarchien, strikte Ehrvorstellungen und ihr Hang zu einer auf die eigene Gruppe begrenzten Loyalität macht sie für rechtsextremistische Ideologien anfällig. Dementsprechend haben Rockergruppierungen auch eine nicht unerhebliche Zahl von Rechtsextremisten unter ihren Mitgliedern. Hier besteht insbesondere die Gefahr, dass diese Rechtsextremisten die internationalen Verbindungen ihrer Rockergruppierungen und deren mögliche Zugänge zu Waffen, einschließlich Schusswaffen, für rechtsextremistische Ziele nutzen. Daneben lässt sich in letzter Zeit auch verstärkt beobachten, dass manche Mitglieder und Unterstützer von Rockergruppierungen von sich aus einzelne rechtsextremistische Themen, wie den Schutz des eigenen "Territoriums" vor Fremden, aufnehmen und sich zu eigen machen. Sie geben insbesondere anlässlich von Straftaten einzelner Flüchtlinge massiv hetzerische Kommentare im Internet ab und beteiligen sich zusammen mit Hooligans und Ultras an flüchtlingsfeindlichen Demonstrationen lokaler "Mischszenen". 5. Ideologisch strategische Diskurse in der rechtsextremistischen Szene Die Versuche, szeneinterne Diskussionen zu initiieren sowie strategische und ideologische Impulse zu setzen, wurden auch im Berichtsjahr fortgesetzt. Allerdings entfalteten Publikationen, die im Jahr 2017 noch Relevanz hatten, im Berichtsjahr kaum mehr Wirkung (Internetblog "Rhein Rausch Randale") oder erschienen nicht mehr (Theoriezeitschrift "Gegenlicht"), andere dagegen etablierten sich ("N.S. Heute") oder erschienen völlig neu ("Werk-Kodex", "Feder und Schwert"). 68 RECHTSEXTREMISMUS Seit Anfang des Jahres 2018 erscheint in vierzehntägigem Abstand "Feder und die Kolumne "Feder und Schwert" auf der Homepage der Partei Schwert" "Der III. Weg" und ergänzt in einem in Inhalt, Darstellung und Reflexion gehobenen Stil die Berichterstattung über Aktivitäten der Partei mit einer politiktheoretischen Komponente. Nach eigener Aussage soll die Rubrik "sämtliche Bereiche des Lebens" abdecken. "Religiöse und philosophische Fragen" sollen ebenso zur Sprache kommen wie die "Abstrusitäten des linksliberal durchsetzten Alltags des heutigen Europas". Indem sie einen "Beitrag zu geistiger und seelischer Rüstung" zu geben beabsichtigt und Anstöße geben möchte, das "eigene Denken und Handeln zu überdenken", zielt die Kolumne auf eine weltanschauliche Lenkung der Anhänger des "III. Weges"15, strahlt aber in ihrer Argumentation auch auf andere Lager des Neonazi-Spektrums aus. Die bisherigen Beiträge behandelten unter anderem gesellschaftsphilosophische, geschichtliche, religionsgeschichtliche und evolutionsbiologische Themen. In einem der Beiträge kritisiert der Kolumnist die Reduzierung von Islamkritik auf lediglich religiöse oder kulturelle Aspekte. Der Kampf gegen den Islam sei jedoch in erster Linie ein Kampf gegen dessen "artfremde" Anhänger. Der Beitrag zeigt einmal mehr, dass Islamkritik im neonazistischen Spektrum nur als Vehikel für eine rassistische Grundhaltung dient.16 "Der III. Weg" stellt sich mit "Feder und Schwert" nicht zum ersten Mal durch publizistische Beiträge als neonationalsozialistische Kaderpartei mit einem ideologischen Führungsanspruch für das eigene Lager dar. Bereits die Ende 2017 herausgegebene Grundlagenbroschüre mit dem Titel "National - Revolutionär - Sozialistisch" besaß, gemessen an ihrem Inhalt, den Anspruch einer grundlegenden politiktheoretischen Abhandlung für die neonationalsozialistische Szene. Mitte März 2018 erschien das neue rechtsextremistische Magazin "Werk-Kodex" "Werk-Kodex". Die vom rechtsextremistischen "Nordland-Verlag" herausgegebene Erstausgabe ist visuell aufwendig gestaltet, hat einen Umfang von über hundert Seiten und wurde als ambitioniertes Medienprojekt bereits seit September 2017 auf einer eigenen Website und Facebook-Seite angekündigt. Ziel sei es, so die Projektbeschreibung, ein anspruchsvolles "patriotisches Magazin" zu etablieren, das in jeder Ausgabe ein bestimmtes Schlagwort ganzheitlich unter den Kategorien "Mensch", "Raum" und 15 Homepage "Der III. Weg" (14. Januar 2018). 16 Homepage "Der III. Weg" (1. April 2018). 69 RECHTSEXTREMISMUS "Kultur" beleuchte und zudem sechs feste Rubriken anbiete. Inhaltlich ist die Verortung des "Werk-Kodex" als neonationalsozialistisch ausgerichtete und völkisch-rassistische Schrift eindeutig. Ein zentraler und in nahezu allen Beiträgen - mehr oder minder offen - propagierter "Wert" ist die Idee von der unbedingt zu wahrenden völkischen Homogenität. Um diese Grundposition kreisen die Ausführungen der Autoren ständig und beinahe obsessiv. So heißt es in einem der Beiträge: "Die Hauptziele lauten in folgender Reihenfolge: 1. Sicherstellen des Überlebens der weißen Rasse 2. Biologische Bewahrung subrassischer Spezifika in charakteristischen Populationen (Nordwest, Nordost, Süd) 3. Erhalt der größeren Völker und Sprachen Europas durch sekundäre Siedlungsprojekte (...)" ("Werk-Kodex" Nr. 1, Frühling 2018, S. 82 f.) Im Hinblick auf Druckqualität, Layout, Grafik und Aufmachung haben die Initiatoren von "Werk-Kodex" ein im Vergleich zu anderen Publikationen des "nationalen Lagers" gehobenes Magazin veröffentlicht und versucht, neue Maßstäbe zu setzen. Ob dieses Projekt mit der angekündigten halboder gar vierteljährlichen Erscheinungsweise bestehen kann, ist fraglich, zumal der derzeitige Kaufpreis von 13 Euro für die Zielgruppe relativ hoch ausfällt. "N.S. Heute" Die Publikation "N.S. Heute" hat sich seit ihrer Erstausgabe im März 2017 in der Szene als "Zeitschrift von der Bewegung für die Bewegung" etabliert. Auch in den letzten Ausgaben findet sich unter den Kategorien "Weltanschauung", "Bewegung" und "Leben" eine Mischung unterschiedlicher Artikel. Die Publikation versteht sich als überparteiliches Medium mit dem Anspruch, ein "ganzheitliches nationales und sozialistisches Weltbild" an die Bewegung zu vermitteln und dabei sowohl Theoretiker als auch Aktivisten gleichermaßen zu bedienen. Die bereits im Magazintitel "N.S. Heute" anklingende Nähe zum historischen Nationalsozialismus ist in nahezu sämtlichen Beiträgen wahrnehmbar, wenngleich sich die zustimmende Haltung in unterschiedlicher Weise - unverhohlen bejahend, beiläufig oder "nur" implizit - äußert. So wird in einer Ausgabe formuliert: 70 RECHTSEXTREMISMUS "Die Gesellschaft, in der wir heutigen Nationalen Sozialisten leben, welche uns ,Neonazis' nennt, ist eine vollkommen andere als die, welche vor 100 Jahren unsere weltanschaulichen Vorgänger ,Nazis' nannte. Das ist natürlich kein Grund, auch nur 1 % unserer Weltanschauung aufzugeben, zu ändern oder zu verbiegen. Von unseren unerschütterlichen weltanschaulichen Standpunkten her bleiben wir immer das, was wir waren - damals wie heute. Lediglich die Art unserer Agitation und der äußere Rahmen sind anders geworden." ("N.S. Heute" Nr. 12, November/Dezember 2018, S. 34) Das Magazin erscheint in einer Auflage von 1.500 Exemplaren und sechs Ausgaben pro Jahr und soll mittlerweile 500 Abonnenten besitzen. Auf der zugehörigen Website können sowohl Abonnements abgeschlossen als auch Leseproben von Artikeln eingesehen werden. 6. Auslandsbeziehungen deutscher Rechtsextremisten Die seit Jahrzehnten bestehende enge Kooperation zwischen deutschen und ausländischen Rechtsextremisten setzte sich auch im Berichtsjahr unvermindert fort. Als wichtiges verbindendes Thema dient hier - trotz eines allgemeinen Rückgangs der Anti-AsylAktivitäten - nach wie vor die Agitation gegen Migranten und Asylbewerber. Europaweite Kampagnen prägten hierbei ein weithin sichtbares Bild der Vernetzung der Szene. Hierbei spielt auch die Nutzung sozialer Netzwerke eine herausragende Rolle. Neben institutionalisierten Kontakten sind die Auslandsbeziehungen insbesondere in der subkulturellen Szene vornehmlich von persönlichen Kennverhältnissen geprägt. Verbindungen zu Rechtsextremisten außerhalb Europas sind allerdings aufgrund der Entfernungen eher selten festzustellen. Insbesondere die rechtsextremistischen Parteien zeigen ein breites Internationale Spektrum an Aktivitäten und Kontakten im Ausland. Nationale und Beziehungen europäische Parteien und Parteizusammenschlüsse (z.B. "Goldene rechtsextremistischer Morgenröte"17, "Parti Nationaliste Francais", "Alliance for Peace Parteien and Freedom") sowie außerparlamentarische nationalistische 17 "Chrysi Avgi". 71 RECHTSEXTREMISMUS Oppositionsbewegungen (z.B. "Nordische Widerstandsbewegung"18) zählen ebenso zu den Partnern wie in der rechtsextremistischen Szene bekannte Einzelpersonen. Die jährlich stattfindenden zentralen "Gedenkveranstaltungen" der internationalen rechtsextremistischen Szene - beispielsweise der "Tag der Ehre" im Februar in Budapest (Ungarn) oder der "Lukov-Marsch" in Sofia (Bulgarien) - bilden hier regelmäßig einen Schwerpunkt. Die im Vergleich zu den Vorjahren gestiegene Teilnehmerzahl deutscher Rechtsextremisten belegt den hohen Stellenwert dieser Ereignisse, da sie - wie Parteiverantwortliche oder Parteimitglieder stets betonen - vor allem regelmäßig die Gelegenheit bieten, neue Kontakte zu knüpfen und bestehende internationale Vernetzungen zu stärken. Darüber hinaus lässt sich feststellen, dass die über Jahre gepflegte internationale Vernetzung nicht nur engere persönliche Kontakte fördert, sondern auch ein größeres Personenpotenzial zur Beteiligung an Veranstaltungen im Ausland zu animieren vermag. Anziehungskraft besitzen auch Veranstaltungen der Partei "DIE RECHTE" mit europäischem Themenbezug und die seit einigen Jahren etablierten "Europakongresse" der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationalisten" (JN). Die detailreichen Ankündigungen im Vorfeld der Veranstaltungen und die Nachberichterstattung im Internet sprechen für einen relativ hohen Aufmerksamkeitsgrad bei einem Großteil der europäischen rechtsextremistischen Szene. Am 14. April 2018 führte "DIE RECHTE" in Dortmund (NordrheinWestfalen) eine Demonstration unter dem Motto "Unser Europa ist nicht eure EU! Für Selbstbestimmung und souveräne Nationalstaaten!" durch, an der etwa 600 Rechtsextremisten teilnahmen. Die Beteiligung von Rechtsextremisten aus dem europäischen Ausland zeigt die internationale Vernetzung der Partei, die sie in den letzten Jahren auch durch eine regelmäßige Beteiligung ihrer Mitglieder an rechtsextremistischen Veranstaltungen im europäischen Ausland vorangetrieben hat. Die Anti-EU-Kundgebung in Dortmund markierte den Abschluss einer mehrmonatigen Kampagne der Partei mit dem Titel "Europa erwache". Ihren Auftakt bildete ein "Europakongress" unter dem Motto "Gemeinsam für Europa", den die Partei am 4. November 2017 in Schwerte (Nordrhein-Westfalen) mit rund 150 Rechtsextremisten und Rednern aus mehreren europäischen Ländern ausgerichtet hatte. 18 "Nordiska motstandsrörelsen". 72 RECHTSEXTREMISMUS Am 11. und 12. Mai 2018 führten die JN im sächsischen Riesa unter dem Motto "[RE]generation.Europa" einen sogenannten Europakongress durch. Die zweitägige Zusammenkunft fand auf dem Gelände des NPD-eigenen "Deutsche Stimme"-Verlags statt. An der Veranstaltung nahmen bis zu 350 Personen teil, unter ihnen waren auch Teilnehmer von verschiedenen europäischen rechtsextremistischen Organisationen. Bereits im Oktober 2017 hatten die JN mit der Mobilisierung für den "Europakongress" begonnen und zu diesem Zweck eine Sonderseite auf Facebook sowie eine Unterseite auf ihrer Website eingerichtet. Mit den professionell gestalteten und regelmäßig aktualisierten Seiten hatte die Jugendorganisation vorab ausführlich über Hintergründe, Ziele und Teilnehmer der Veranstaltung informiert. Die entsprechenden Artikel waren jeweils in deutscher und englischer Sprache verfasst. 7. Antisemitische Agitation in der rechtsextremistischen Szene19 In der Wissenschaft und Zivilgesellschaft existiert keine einheitliche, allgemeingültige Definition des Begriffs "Antisemitismus". Die Bundesregierung empfiehlt daher folgende Begriffsbestimmung: "Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen."20 Auch wenn Antisemitismus im deutschen Rechtsextremismus weiterhin eine hohe Bedeutung hat, ist er kein ideologisches Alleinstellungsmerkmal. In nahezu allen Teilbereichen des Rechtsextremismus sind judenfeindliche Einstellungsund Agitationsmuster in unterschiedlicher Intensität und Ausprägung feststellbar. Da in Politik, Medien und Mehrheitsgesellschaft ein klarer Konsens gegen Antisemitismus vorherrscht, stehen antisemitische Agitationsmuster oft nicht im Mittelpunkt rechtsextremistischer Agitation, sondern fließen in Nebensätze oder Randbemerkungen ein. 19 Unter www.verfassungsschutz.de sind weitere Broschüren zum Thema Antisemitismus abrufbar. 20 Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA). 73 RECHTSEXTREMISMUS Religiöser und Der religiös motivierte Antisemitismus wird in der deutschen rassistischer rechtsextremistischen Szene nur noch sehr selten propagiert und Antisemitismus ist eher als unterschwelliges, jedoch wirkmächtiges antisemitisches Stereotyp verbreitet. Der rassistische Antisemitismus, der einen angeblich genetisch bedingten Minderwert der Juden gegenüber der durchweg positiv beschriebenen "arischen", "weißen" oder "nordischen Rasse" behauptet, hat in den letzten Jahren an Bedeutung verloren. Er artikuliert sich in aller Deutlichkeit nur in Teilen des neonazistischen und subkulturell geprägten Rechtsextremismus. In der Außendarstellung spielen der religiös motivierte und der rassistische Antisemitismus eine immer geringere Rolle. Insbesondere Rechtsextremisten, die versuchen, stärker in die Mehrheitsgesellschaft zu wirken, bedienen sich anderer Varianten der antisemitischen Agitation, von der sie sich eine Anschlussfähigkeit erhoffen. Politischer Einen breiten Raum innerhalb der rechtsextremistisch-antisemitiAntisemitismus schen Agitation nehmen die vielfältigen Verschwörungstheorien im Sinne eines politischen Antisemitismus ein. Sie besitzen eine lange Tradition. Danach seien "die Juden" eine einflussreiche Macht, die mit politischen Absichten gemeinsam als Kollektiv die Herrschaft im jeweiligen Land oder gar die Weltherrschaft anstrebten. Sie steuerten angeblich die Regierung der USA, beherrschten Wirtschaft, Finanzwelt und Medien und sollten durch ihre Verschwörung politische Umbrüche oder Wirtschaftskrisen herbeiführen. Indem die Verschwörungstheorien komplexen Phänomenen scheinbare einfache eindimensionale Erklärungen gegenüberstellen und auf "die Juden" als Verantwortliche verweisen, bieten sie gerade in Krisenzeiten verunsicherten Personen vermeintliche Welterklärungsmodelle an. Im Zuge der Migrationsbewegung werden antisemitische Verschwörungstheorien artikuliert, nach denen es angebliche Pläne zur "Umvolkung" Deutschlands gebe, deren Urheber geheime "Untergrundmächte" oder "die Zionisten" seien. Zuwanderung wird als eine gezielte Maßnahme dargestellt, die von Juden initiiert worden sei, um die europäischen Völker zu schwächen und zu beherrschen. Sekundärer Der sekundäre Antisemitismus stützt sich in seiner meist gemäßigt Antisemitismus artikulierten Form auf den Vorwurf, Juden nutzten den Holocaust als Mittel, um finanzielle und politische Interessen gegenüber Deutschland durchzusetzen. Den Juden wird unterstellt, durch das 74 RECHTSEXTREMISMUS Erinnern an die NS-Verbrechen Deutschland finanziell zu erpressen und einer "normalen" politischen Identität der Deutschen im Wege zu stehen. Der Vorwurf, Juden benutzten die Erinnerung an den Holocaust für ihre Zwecke, wird häufig verbunden mit Ausführungen, die darauf abzielen, den Holocaust zu relativieren oder gänzlich abzustreiten. Von einer unverhohlenen Leugnung des Holocaust haben die meisten Rechtsextremisten aufgrund der Gesetzeslage Abstand genommen. Unter dem Deckmantel des vermeintlichen Kampfes um Meinungsfreiheit und für die Abschaffung des SS 130 StGB werden inhaftierte Holocaustleugner zu politischen Gefangenen stilisiert. Insbesondere zugunsten der zu einer Gefängnisstrafe verurteilten notorischen Holocaustleugnerin und Geschichtsrevisionistin Ursula Haverbeck-Wetzel wurden mehrfach szeneübergreifend Solidaritätsdemonstrationen veranstaltet. Anlässlich ihres 90. Geburtstages versammelten sich unter dem Motto "Mit 90 Jahren in Gesinnungshaft: Freiheit für Ursula Haverbeck!" im November 2018 über 400 Rechtsextremisten in Bielefeld (NordrheinWestfalen) und skandierten unter anderem "Nie wieder Israel" und "Wer Deutschland liebt, ist Antisemit". Aktuell nimmt der antizionistische Antisemitismus in der rechtsAntizionistischer extremistischen Agitation einen breiten Raum ein. Er negiert das Antisemitismus Existenzrecht Israels und diffamiert den jüdischen Staat, indem er ihm einen "Vernichtungskrieg" und eine Politik der "Ausrottung" gegenüber den Palästinensern vorwirft. Der Staat Israel wird zu einer Projektionsfläche für antisemitische Ressentiments. Nicht jede Kritik an der Politik Israels ist jedoch zugleich auch antisemitisch konnotiert. Unterscheidungskriterien zur Abgrenzung sind Dämonisierung, Delegitimierung und das Anlegen doppelter Standards. Eine starke Zunahme antisemitischer Äußerungen in den sozialen Medien, Blogs und Online-Kommentaren ist zu verzeichnen. Dabei werden häufig antisemitische Stereotype verwendet sowie der Judenhass in vermeintliche "Israelkritik" gekleidet. Die vordergründige Anonymität des Internets verleitet Antisemiten auch zur offenen Artikulation ihres Judenhasses. Die verbale antisemitische Hassrhetorik verlässt insbesondere dann den virtuellen Raum, wenn die Täter glauben, den "Volkswillen" zu artikulieren und im Konsens mit Teilen der Gesellschaft zu handeln. 75 RECHTSEXTREMISMUS IV. Rechtsextremistisches Parteienspektrum 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Die verminderte Bedeutung der NPD zeigt sich sowohl in einem fortschreitenden Rückgang der Mitgliederzahlen auf etwa 4.000 Personen im Jahr 2018 (2017: 4.500) als auch in den durchweg schlechten Wahlergebnissen der letzten Jahre. An den Landtagswahlen am 14. Oktober 2018 in Bayern nahm die Partei gar nicht erst teil; in Hessen am 28. Oktober 2018 erreichte sie nur marginale 0,2 %. Damit blieb das Wahlergebnis wie in den Vorjahren weit unter den eigenen Erwartungen zurück. Die Partei zeigte sich dennoch bemüht, ihre grundsätzliche Handlungsfähigkeit ungeachtet eingeschränkter Ressourcen durch eine angepasste Schwerpunktsetzung zu wahren. So wurde versucht, die bereits 2017 initiierte "Schutzzonen"-Kampagne21 auszubauen. Die Aktion wird seitens der NPD als Erfolg mit immer größerem Teilnehmerund Verbreitungskreis dargestellt; de facto finden meist lediglich vereinzelte Fototermine oder kurze Videodrehs und kaum "Streifen" statt. Parteimitglieder haben nur mäßiges Interesse an der Aktion. Die NPD ist bestrebt, eine bundesweite Resonanz herzustellen, bisher erzielte sie jedoch nur kurzzeitig öffentliches Interesse. "Schild & Der stellvertretende Bundesvorsitzende Thorsten Heise, ein expoSchwert"-Festival nierter Vertreter der neonationalsozialistischen Strömung in der NPD, bemühte sich besonders darum, Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. So organisierte er jeweils an einem Wochenende im April 2018 und im November 2018 das "Schild & Schwert"-Festival in Ostritz (Sachsen). Ziel seines Festivalkonzepts war es, die Komponenten Politik, Musik, Kampfsport und "rechter" Lifestyle zu kombinieren. Heise versucht durchaus auch im eigenen Interesse, auf diesem Weg eine strategische Neuausrichtung der NPD zu erreichen, um über die Kooperation mit parteiunabhängigen Kräften und Repräsentanten anderer rechtsextremistischer Parteien eine Führungsrolle der NPD im "nationalen Widerstand" wiederherzustellen. Ein von Heise im Berichtsjahr maßgeblich initiierter 21 Die "Schutzzonen"-Kampagne war vor der Bundestagswahl 2017 initiiert worden, da der Staat die Sicherheit der Bevölkerung angeblich nicht mehr garantieren könne. Eine "Bestreifung" von "Problemvierteln" und "Kriminalitätsschwerpunkten" sowie "Schulwegwachen" soll "Schutzzonen" schaffen (vgl. www.schutzzonen.de). 76 RECHTSEXTREMISMUS "Völkischer Flügel" innerhalb der NPD trat jedoch nicht weiter in Erscheinung, obwohl sich unter den Erstunterzeichnern seiner (Gründungs-)"Proklamation" führende Parteifunktionäre befinden. Die Sprachlosigkeit der sonstigen Führungsspitze der Partei, allen voran des Bundesvorsitzenden Frank Franz, zeigt, dass es sonst keine eigene strategische Alternative für eine perspektivische Neuausrichtung der Partei gibt. Auf dem Bundesparteitag am 17. November 2018 in Büdingen (Hessen) kam es bei der Nominierung für den ersten Listenplatz der Kandidaten für die Europawahl 2019 zu einer Kampfkandidatur zwischen dem amtierenden Europaabgeordneten Udo Voigt und dem ehemaligen Bundesvorsitzenden Günter Deckert. Voigt wurde mit deutlicher Mehrheit erneut als Spitzenkandidat gewählt. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. JaFinanzierungsnuar 2017 im NPD-Verbotsverfahren wurde von Bundestag und entzugsverfahren Bundesrat eine am 20. Juli 2017 in Kraft getretene Grundgesetzänderung verabschiedet, die nach Art. 21 Abs. 3 GG in Verbindung mit SS 13 Nr. 2a sowie SSSS 43 ff. des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) den Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der staatlichen Parteienfinanzierung ermöglicht, mithin also eine Sanktionsmöglichkeit unterhalb des Verbots vorsieht. Ein Verbot war im Fall der NPD im Jahr 2017 nicht am unzureichenden Nachweis ihrer verfassungsfeindlichen Ausrichtung gescheitert, sondern an der fehlenden Potenzialität, diese mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbaren verfassungsfeindlichen Ziele umsetzen zu können. Nach der Grundgesetzänderung haben die antragsberechtigten Verfassungsorgane Bundesrat, Bundesregierung und Bundestag 2018 jeweils den Beschluss gefasst, einen entsprechenden Antrag zum Ausschluss der NPD von der Parteienfinanzierung zu stellen. Am 13. Januar 2018 fand der ursprünglich für 2017 vorgesehene NPD-TeilBundeskongress der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldeorganisationen mokraten" (JN) statt, bei dem die Delegierten einen neuen Bundesvorstand wählten und die Umbenennung in "Junge Nationalisten" beschlossen. Am 11. und 12. Mai 2018 führten die JN im sächsischen Riesa unter dem Motto "[RE]generation.Europa" einen sogenannten Europakongress durch, an dem bis zu 350 Besucher und 14 rechtsextremistische Organisationen aus dem Ausland teilnahmen. Nach einer strukturellen und personellen Schwächephase 77 RECHTSEXTREMISMUS der Jugendorganisation war dies aus Sicht der JN durchaus ein Erfolg. Die JN verstehen sich als Bindeglied zwischen der Mutterpartei und "Freien Kräften" und verfügen über einen bundesweiten Mitgliederstand von circa 280 Personen (2017: 280). Weder der "Ring Nationaler Frauen" (RNF) noch die "Kommunalpolitische Vereinigung der NPD" (KPV) spielten im Jahr 2018 eine besondere Rolle. Die "Deutsche Stimme Verlagsgesellschaft mbH" (DS Verlag) veröffentlicht - mit einem gegenüber den Vorjahren deutlich verkleinerten Autorenstamm - weiterhin monatlich das Parteiorgan "Deutsche Stimme". Von unverändertem Nutzen ist die Einbindung der NPD in das rechtsextremistische europäische Parteienbündnis "Alliance for Peace and Freedom" (APF) und die APF-nahe Stiftung "Europa Terra Nostra" (ETN). Diese sind nicht nur wegen ihrer finanziellen Ausstattung, sondern auch wegen der Möglichkeit, internationale Veranstaltungen durchzuführen, von hohem Interesse für die NPD. Diesbezüglich sind der Jahreskongress der ETN in Mailand (Italien) am 18. Mai 2018 sowie die APF-Konferenz unter dem Motto "Winds of change" ebenfalls in Mailand am 19. Mai 2018 zu nennen. Auch fand eine Reise einer APF-Delegation nach Syrien und in den Libanon Anfang Juni 2018 statt. Am Bundesparteitag der NPD am 17. November 2018 nahmen Delegierte der APF aus verschiedenen europäischen Ländern teil. 2. "DIE RECHTE" Obwohl die Partei "DIE RECHTE" zu Beginn des Jahres 2018 angekündigt hatte, einen Ausbau von Organisationsstrukturen vor allem in Ostdeutschland anzustreben und einen neuen Mitgliederhöchststand sowie die Gründung neuer Gebietsverbände zu erreichen, gingen ihre Mitgliederzahlen leicht zurück (2018: 600, 2017: 650). Die Zahl der Landesverbände verringerte sich auf sieben (Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Niedersachsen, NordrheinWestfalen, Sachsen-Anhalt sowie der Landesverband Südwest, der Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland umfasst) mit insgesamt circa 20 Kreisverbänden. Das Zentrum der Parteiaktivitäten liegt nach wie vor im mitgliederstärksten Landesverband NordrheinWestfalen. 78 RECHTSEXTREMISMUS Demonstrationen, Informationsstände, Flugblattverteilungen sowie Internetveröffentlichungen bilden weiterhin die wesentlichen Aktivitäten der Partei "DIE RECHTE", um ihr rechtsextremistisches Weltbild, einhergehend mit fremdenfeindlicher und rassistischer Agitation, geschichtsrevisionistischen Thesen und antisemitischen Positionen zu verbreiten. Das politische Ziel der Partei ist ein fundamentaler Systemwechsel in Deutschland. Am 1. April 2018 wurden nach den innerparteilichen Konflikten im Neuer BundesJahr 2017 auf einem erneuten Bundesparteitag Sascha Krolzig, der vorstand Vorsitzende des Landesverbands Nordrhein-Westfalen und sein Stellvertreter Michael Brück zu zwei gleichberechtigten Bundesvorsitzenden gewählt. Beide besitzen einen eindeutig neonazistisch geprägten Vorlauf. Zudem beschlossen die Delegierten auf dem Parteitag, den Parteinamen "DIE RECHTE" um den Zusatz "Partei für Volksabstimmung, Souveränität und Heimatschutz" zu ergänzen. Weiterhin folgte der Parteitag einem Antrag des BundesvorKandidaten für die stands, zur Europawahl 2019 mit einer eigenen Kandidatenliste Europawahl 2019 anzutreten. Diese setzt sich überwiegend aus Neonazis zusammen. Zur Spitzenkandidatin wurde die mittlerweile inhaftierte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel gewählt, die als - so die Partei - "Deutschlands bekannteste Dissidentin" in ihrer Kandidatenrede ankündigte, für die Abschaffung des "Volksverhetzungs-Paragraphen" (SS 130 StGB) eintreten zu wollen, um "echte Meinungsfreiheit" durchzusetzen. Für Haverbeck-Wetzel engagierte sich die Partei bei zahlreichen Solidaritätsveranstaltungen, die Haverbeck-Wetzel als politisches Opfer oder als Kämpferin für eine wirkliche Meinungsfreiheit darzustellen versuchten. Mit dem Eintreten für die Person Haverbeck-Wetzel zeigt die Partei, dass sie deren ideologische Positionen teilt und den Straftatbestand der Volksverhetzung als unrechtmäßig ansieht. Der von der Partei vertretene Antisemitismus wurde im Jahr 2018 durch zahlreiche weitere Aktionen deutlich. So wurde anlässlich des 70. Jahrestages der Staatsgründung Israels eine Mahnwache in Dortmund (Nordrhein-Westfalen) durchgeführt, bei der ein großflächiges Banner mit der Aufschrift "Israel ist unser Unglück" verwendet wurde. Außerdem wurde unter anderem die Parole "Wer Deutschland liebt, ist Antisemit!" auf mehreren Demonstrationen skandiert. 79 RECHTSEXTREMISMUS Auch im Berichtsjahr hatte "DIE RECHTE" keinen Wahlerfolg. Die Partei trat bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern gar nicht erst an. Lediglich auf kommunaler Ebene erfolgten Wahlantritte bei Bürgermeisterwahlen in Baden-Württemberg, die eine kaum wahrnehmbare Resonanz hatten. Die Partei pflegte ihre internationalen Kontakte auch 2018 unter anderem durch die Teilnahme an der Gedenkfeier zum "Tag der Ehre" am 10. Februar 2018 in Budapest (Ungarn) oder durch die Teilnahme am "Lukov-Marsch" am 17. Februar 2018 in Sofia (Bulgarien). Die 2017 gestartete Anti-EU-Kampagne "Europa erwache!" wurde bis in das Jahr 2018 fortgeführt und am 14. April 2018 mit einer Demonstration in Dortmund, an der sich etwa 600 Personen aus dem Inund Ausland beteiligten, zum Abschluss gebracht. 3. "Der III. Weg" Die Mitgliederzahl der 2013 gegründeten rechtsextremistischen Kleinpartei "Der III. Weg", die als Auffangbecken für Angehörige der neonazistischen Szene fungiert, stieg im Berichtsjahr geringfügig (2018: 530, 2017: 500). Es gelang der Partei auch 2018 nicht, ihre Strukturen auszubauen. Sie verfügt derzeit über drei Gebietsverbände (Mitte, Süd und West), jedoch nur noch über 18 regionale "Stützpunkte" (2017: 20). Die Mehrzahl der "Stützpunkte" befindet sich im Einzugsbereich des Gebietsverbands "Mitte". Der "Stützpunkt Vogtland" verfügt in Plauen (Sachsen) über ein eigenes "Bürgerbüro", von dem regelmäßig öffentlichkeitswirksame Aktivitäten ausgehen. Hier scheint die Partei durch ihre Aktivitäten, wie den "Nationalen Streifen", der Kampagne "Deutsche Winterhilfe" und Freizeitangeboten für Kinder, auch Resonanz über ihre eigenen Parteimitglieder hinaus zu finden. So führte "Der III. Weg" am 1. September 2018 eine Demonstration "gegen Ausländergewalt" in Plauen durch, an der sich rund 1.000 Personen beteiligten, was die Zahl der in der Region vorhandenen Parteimitglieder deutlich überstieg. Die bundesweit feststellbaren regelmäßigen sozialen Aktivitäten, beispielsweise im Rahmen einer "Deutschen Winterhilfe", dienen der Partei "Der III. Weg" nicht nur dazu, sich in der Öffentlichkeit als "Kümmerer" zu inszenieren und durch die Betonung von vorgeblich sozialen Aktivitäten von ihrer neonationalsozialistischen 80 RECHTSEXTREMISMUS Grundhaltung abzulenken. Insbesondere hat die "Winterhilfe"Kampagne in Sachsen das Ziel, die Partei bei den Bürgern weiter bekannt zu machen, neue Parteimitglieder zu werben und mögliche Wählerstimmen für die Kommunalund Landtagswahl 2019 in Sachsen zu gewinnen, bei denen die Partei antreten will. Auf ihrem Gesamtparteitag am 7. April 2018 beschloss die Partei, unter dem Motto "EUROPA ERWACHE! Europäische Eidgenossenschaft statt EU-Diktatur!" zur Europawahl 2019 anzutreten. Die Partei organisiert regelmäßig Flugblattverteilungen zu den Themen "Asylproblematik" und "Flüchtlingskrise". Entsprechende Propaganda auf der Website der Partei wurde weiter verstärkt, indem die Inhalte beinahe täglich aktualisiert werden. Die publizierten Berichte befassen sich hauptsächlich mit tatsächlicher oder vermeintlicher Ausländerkriminalität, "Überfremdung" und der "Asylproblematik". Das Parteiprogramm des "III. Weges" lehnt sich begrifflich an VerVölkisches, treter des sogenannten linken nationalsozialistischen Parteiflügels antipluralistisches an und propagiert ein völkisch-antipluralistisches Menschenund Menschenbild Gesellschaftsbild. Es fordert die Erhaltung und Entwicklung der biologischen Substanz des Volkes und die Schaffung eines "Deutschen Sozialismus". "Der III. Weg" agitiert antisemitisch, ausländerfeindlich und revisionistisch. Die Partei versteht sich als "ganzheitliche Organisation" mit den drei Betätigungsfeldern "Politischer Kampf", "Kultureller Kampf" und "Kampf um die Gemeinschaft". Zum "politischen Kampf" gehören der Aufbau von Strukturen, Demonstrationen, Kundgebungen und Verteilaktionen sowie der "Antritt als wahlpolitische Initiative". Der "Kulturelle Kampf" bezieht sich auf die Brauchtumspflege. Der "Kampf um die Gemeinschaft" beinhaltet die Aspekte "gelebte Gemeinschaft", "Nachbarschaftshilfe", "gemeinsame Freizeitgestaltung" und "sportliche Zusammenkünfte", bei denen auch Kampfsport eine Rolle spielt. In einem im Februar 2018 auf der Website der Partei veröffentlichten Beitrag wird Kampfsport als unabdingbarer "Bestandteil rechter Metapolitik" bezeichnet, welcher durch "kampfsporterprobte Identitäre und Volkstreue" dazu in der Lage sei, "viele andere junge Deutsche anzuziehen". 81 RECHTSEXTREMISMUS V. Verdachtsfall "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) Im Oktober 2012 wurde die "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) zunächst als rein virtuelles Phänomen im Internet beziehungsweise auf Facebook bekannt. Mit verschiedenen Aktionsformen, wie etwa Flashmobs oder Transparent-Aktionen, hat die IBD mittlerweile den Sprung in die reale Welt vollzogen und ist mit regionalen Untergruppen bundesweit aktiv. Die IBD nutzt intensiv soziale Netzwerke wie Twitter oder Instagram, um Berichte und Bilder ihrer Aktionen zu verbreiten und Vernetzungsund Kommunikationsmittel für ihre Mitglieder zur Verfügung zu stellen. In einer konzertierten Aktion Ende Mai 2018 löschten sowohl Facebook als auch Instagram zahlreiche Profile der IBD und deren Aktivisten. Als Reaktion hierauf wurde die Entwicklung eines eigenen Informationsportals unter dem Namen "Okzident Media" ins Leben gerufen, welches neben einer Website auch eine App umfasst. Dem Zweck der Vernetzung und Kommunikation soll auch die noch in der Entwicklung befindliche App "Patriot Peer" dienen. Zurzeit verfügt die IBD in Deutschland über etwa 600 Mitglieder (2017: 500). Die Werte Heimat, Freiheit und Tradition spielen im Selbstverständnis der IBD als Teil einer europaweiten patriotischen Jugendbewegung eine große Rolle. Die IBD verfolgt das Ziel, mit gemeinschaftlichen Aktivitäten und kulturellen sowie politischen Bildungsangeboten für diese Werte einzutreten. Ideologie Die IBD bekennt sich zum Konzept des Ethnopluralismus, nach dem die Idealvorstellung einer staatlichen beziehungsweise gesellschaftlichen Ordnung in einem ethnisch und kulturell homogenen Staat besteht. Diese ethno-kulturelle Identität sieht die IBD durch den sogenannten Multikulturalismus bedroht, der durch eine - behauptete - unkontrollierte Massenzuwanderung zu einer Heterogenisierung der Gesellschaft führe. Daher fordert sie im Rahmen ihrer Kampagnen unter dem Schlagwort "Remigration" Maßnahmen zur Umkehrung der Flüchtlingsströme und die Rückführung von Migranten in deren Heimatländer. Sie kritisiert die aktuelle Asylpolitik in der Bundesrepublik als Förderung des "Großen Austauschs", der den Austausch der einheimischen Bevölkerung gegen Migranten zum Ziel habe, und warnt vor einer "Islamisierung" Deutschlands. 82 RECHTSEXTREMISMUS Die IBD nutzt vielfältige Aktionsformen, um Aufmerksamkeit zu Aktionen erlangen. Mit "Mission Alpes" fand die Kampagne "Defend Europe" im Frühjahr 2018 ihre Fortsetzung. Am Pass Col de l'Echelle im französisch-italienischen Grenzgebiet errichtete eine europäisch zusammengesetzte Gruppe von Aktivisten der "Identitären Bewegung" unter Beteiligung der IBD eine provisorische Grenze, um Migranten an der Reise nach Mitteleuropa zu hindern. Erstmals trat die IBD im Berichtsjahr mit einem Festival in Erscheinung: Am 25. August 2018 fand auf der Cockerwiese in Dresden (Sachsen) das "Europa Nostra"-Festival statt. Dieses diente als Ersatzveranstaltung für die in den Vorjahren organisierte und in diesem Jahr nicht durchgeführte Demonstration in Berlin und zog Identitäre aus mehreren europäischen Ländern an. Das Programm umfasste neben Reden und Vorstellungen verschiedener, der IBD nahestehender Organisationen auch Verkaufsund Ausstellungsstände sowie ein Konzert als Abschluss des Festivals. Der Schwerpunkt der Aktivitäten im zweiten Halbjahr lag auf Aktionen im Rahmen der im September 2018 initiierten Kampagne "Migrationspakt stoppen", deren Ziel die Verhinderung der Unterzeichnung des "Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration" im Dezember 2018 in Marokko war. So veranstaltete die IBD unter anderem eine Flashmob-Aktion in Berlin am 13. Oktober 2018, zeigte in Bautzen (Sachsen) am Abend des 3. November 2018 während einer öffentlichen Veranstaltung ein Transparent mit der Aufschrift "UN-MIGRATIONSPAKT STOPPEN" und führte am 18. November 2018 eine öffentliche Kundgebung in Bonn (Nordrhein-Westfalen) zu diesem Thema durch. Die IBD nimmt eine auf ethnischen, völkisch-abstammungsmäßiVerdachtsfall gen Kriterien fußende einwanderungskritische und islamfeindliche Haltung ein. Sie fordert eine "identitäre" - im Gegensatz zur bestehenden repräsentativen - Demokratie. Insbesondere die Fixierung der IBD auf eine ethnische Homogenität als zentralem Wert für Gesellschaft und Demokratie stellt einen deutlichen Anhaltspunkt dafür dar, dass die Ideologie der IBD die grundgesetzlich geschützte Menschenwürde und das Demokratieprinzip verletzen könnte. Vor diesem Hintergrund sowie angesichts der vorherigen Betätigung einiger Führungsaktivisten in rechtsextremistischen Organisationen liegen tatsächliche Anhaltspunkte für 83 RECHTSEXTREMISMUS eine rechtsextremistische Bestrebung vor, die eine Bearbeitung der IBD im Rahmen eines Verdachtsfalls durch das BfV begründen.22 22 Zur Frage der Rechtmäßigkeit der Beobachtung der IBD durch das BfV und der Darstellung im Verfassungsschutzbericht 2016 sind zurzeit Gerichtsverfahren vor dem VG Köln (Az: 13 K 4222/18) und dem VG Berlin (Az: VG 1 K 606.17; VG 1 K 180.18 und VG 1 L 605.17) rechtshängig. 84 RECHTSEXTREMISMUS VI. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 1. "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) Gründung: 1964 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: Frank Franz Mitglieder/Anhänger 4.000 (2017: 4.500) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Deutsche Stimme" (Zeitung, monatlich, Auflage: nicht bekannt) "DS-TV" (YouTube-Kanal) Teil-/Nebenorganisationen: 16 Landesverbände zzgl. Kreisund Regionalverbände "Junge Nationalisten" (JN; Jugendorganisation) "Ring Nationaler Frauen" (RNF) "Kommunalpolitische Vereinigung der NPD" (KPV) "Deutsche Stimme Verlagsgesellschaft mbH" (DS Verlag) 85 RECHTSEXTREMISMUS Die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) ist trotz anhaltendem Negativtrend im Hinblick auf die Mitgliederzahlen die stärkste rechtsextremistische Partei in Deutschland. Ideologisches Kernelement der NPD ist die Vorstellung einer ethnisch homogenen "Volksgemeinschaft". Das "Volksgemeinschafts"Dogma bestimmt die grundsätzliche Fremdenfeindlichkeit der Partei. Die fremdenfeindliche Agitation der Partei belegt Ausländer, Muslime und Asylbewerber pauschal mit Negativeigenschaften und diffamiert diese als Bedrohung für die einheimische Bevölkerung. Auch antisemitische Positionen sind in der Ideologie der NPD tief verwurzelt und gehen nicht selten mit der positiven Bezugnahme auf den historischen Nationalsozialismus und geschichtsrevisionistischen Standpunkten einher. Die NPD agitiert außerdem gegen die bestehende politische Ordnung und strebt offen einen fundamentalen "Systemwechsel" in Deutschland an. Die sogenannte Vier-Säulen-Strategie - "Kampf um die Köpfe", "Kampf um die Straße", "Kampf um die Parlamente" und "Kampf um den organisierten Willen" - verdeutlicht seit Jahren die Intention der NPD, den demokratischen Verfassungsstaat systematisch und umfassend zu bekämpfen. 86 RECHTSEXTREMISMUS 1.1 "Junge Nationalisten"23 (JN) Gründung: 1969 Sitz: Riesa (Sachsen) Leitung/Vorsitz: Christian Häger Mitglieder/Anhänger 280 (2017: 280) in Deutschland: Mit den "Jungen Nationalisten" (JN) verfügt die NPD über eine Jugendorganisation, die laut Satzung "integraler Bestandteil" der Gesamtpartei ist. Ziel der JN ist die Verbreitung nationalistischer und völkischer Positionen. Die JN sind bestrebt, eigene Akzente und Agitationsschwerpunkte zu setzen sowie entsprechende Kampagnen und öffentlichkeitswirksame Aktionen mit der Zielgruppe Jugendliche/Erstwähler zu initiieren. Während die Mutterpartei sich unter anderem als parlamentarischer Arm der "nationalen Opposition" versteht, wollen die JN ihrem eigenen Selbstverständnis und Anspruch nach eher im "vorpolitischen Raum" tätig werden, etwa durch ideologische Schulungen ihrer Mitglieder. 23 Bis zum 13.01.2018 unter der Bezeichnung "Junge Nationaldemokraten" aktiv. 87 RECHTSEXTREMISMUS 1.2 "Ring Nationaler Frauen" (RNF) Gründung: 2006 Sitz: Pirmasens (Rheinland-Pfalz) Leitung/Vorsitz: Antje Mentzel Mitglieder/Anhänger unter 100 (2017: unter 100) in Deutschland: Der "Ring Nationaler Frauen" (RNF) propagiert frauenund familienpolitische Themen im Sinne der NPD und sieht sich als "Sprachrohr und Ansprechpartner für nationale Frauen". Vertreterinnen des RNF unterstützen die NPD bei Wahlkämpfen, nehmen an Demonstrationen der Mutterpartei teil oder organisieren Informationsstände auf Veranstaltungen. 1.3 "Kommunalpolitische Vereinigung der NPD" (KPV) Gründung: 2003 Sitz: Dresden (Sachsen) Leitung/Vorsitz: Hartmut Krien Die in der Satzung der NPD verankerte "Kommunalpolitische Vereinigung der NPD" (KPV) versteht sich als bundesweite Interessenvertretung für kommunale Mandatsträger der Partei. Die KPV zielt darauf ab, die kommunalpolitischen Aktivitäten der NPD zu professionalisieren. In Schulungen für Mandatsträger werden Vernetzung und Erfahrungsaustausch gefördert. 88 RECHTSEXTREMISMUS 1.4 "Deutsche Stimme Verlagsgesellschaft mbH" (DS Verlag) Gründung: 1976 Sitz: Riesa (Sachsen) Leitung/Vorsitz: Peter Schreiber Publikationen/Medien: u.a. "Deutsche Stimme" (Zeitung, monatlich, Auflage: nicht bekannt) Der DS Verlag dient der NPD als Vertrieb für eigene Publikationen und verlegt als bedeutendste Schrift der NPD das monatliche Parteiorgan "Deutsche Stimme". Als Sprachrohr der Partei berichtet die "Deutsche Stimme" unter anderem über NPD-Aktionen, publiziert Stellungnahmen der Parteiführung oder liefert NPDideologisch ausgerichtete Reportagen. 89 RECHTSEXTREMISMUS 2. "DIE RECHTE" Gründung: 2012 Sitz: Dortmund (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Bis 1. April 2018: Christoph Drewer (kommissarischer Vorsitzender) Gleichberechtigte Vorsitzende seit 1. April 2018: Michael Brück und Sascha Krolzig Gleichberechtigte Vorsitzende seit 5. Januar 2019: Sascha Krolzig und Sven Skoda Mitglieder/Anhänger 600 (2017: 650) in Deutschland: Teil-/Nebenorganisationen: Sieben Landesverbände (wovon der Landesverband "Südwest" die Bundesländer Hessen, RheinlandPfalz und Saarland umfasst) und etwa 20 Kreisverbände und "Stützpunkte" Die ideologischen Schwerpunkte der Partei "DIE RECHTE" bilden Neonationalsozialismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. Zahlreiche Kundgebungen und Internetverlautbarungen richten sich gegen "staatliche Repression" und Zuwanderung. Bei ihren Propagandaaktionen setzen Parteimitglieder mitunter verstärkt auf Provokation des politischen Gegners und der Polizei. "DIE RECHTE" lehnt den Parlamentarismus grundsätzlich ab und betrachtet die Organisationsform einer politischen Partei lediglich als Mittel zum Zweck für ihren Kampf gegen "das System". Das politische Ziel der Partei ist ein fundamentaler Systemwechsel in Deutschland. Einige Unterorganisationen der Partei haben sich zu Auffangbecken für Neonazis entwickelt und Funktionen verbotener Neonazi-Gruppierungen übernommen. 90 RECHTSEXTREMISMUS 3. "Der III. Weg" Gründung: 2013 Sitz: Bad Dürkheim (Rheinland-Pfalz) Leitung/Vorsitz: Klaus Armstroff Mitglieder/Anhänger 530 Vollund Fördermitglieder in Deutschland: (2017: 500) Teil-/Nebenorganisationen: 3 Gebietsund 18 Regionalverbände ("Stützpunkte") Die ideologischen Aussagen der Partei "Der III. Weg" sind geprägt vom historischen Nationalsozialismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. In ihrem "Zehn-Punkte-Programm" propagiert die Partei unter anderem die Schaffung eines "Deutschen Sozialismus" sowie die Entwicklung und Erhaltung der "biologischen Substanz des Volkes". Die fundamental ablehnende Haltung der Partei gegenüber dem demokratischen Rechtsstaat kommt in ihrer politischen Agitation deutlich zum Ausdruck, insbesondere bei der mit einer aggressiven Rhetorik vorgetragenen Instrumentalisierung der Themen Asyl und Zuwanderung. 91 92 "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" 93 "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" I. Überblick Die Szene der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" ist personell, organisatorisch und ideologisch heterogen. Sie setzt sich aus Einzelpersonen ohne Organisationsanbindung, Kleinstund Kleingruppierungen, länderübergreifend aktiven Personenzusammenschlüssen und virtuellen Netzwerken zusammen. Verbindendes Element der Szeneangehörigen ist die fundamentale Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland sowie deren bestehender Rechtsordnung. "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" sind kein neues Phänomen, sondern in ständig neuen Ausprägungen schon seit Jahrzehnten aktiv. "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" lassen sich dabei kaum unterscheiden. Sie alle bedienen sich meist nahezu identischer Argumentationsmuster: Während "Reichsbürger" sich dabei auf die Fortexistenz eines wie auch immer gearteten "Deutschen Reiches" fokussieren und deswegen die Bundesrepublik Deutschland ablehnen, verstehen sich "Selbstverwalter" hingegen dem Staat als nicht zugehörig und erklären sich mitunter für unabhängig oder ausdrücklich ihren "Austritt" aus der Bundesrepublik Deutschland. Oftmals berufen sie sich auf eine UN-Resolution, die es angeblich ermöglichen soll, sich zum "Selbstverwalter" zu erklären. Gelegentlich markieren sie ihr Wohnanwesen durch "Grenzziehungen", "Schilder", "Wappen" oder andere Kennzeichen, aus denen die "Selbstverwaltung" hervorgehen soll. Mitunter wird der eigens erschaffene "Verwaltungsraum" auch gewalttätig verteidigt. Der Anteil von Rechtsextremisten an der "Reichsbürger"und "Selbstverwalter"-Szene ist gering, ein kleiner Teil jedoch zeigt sich offen rechtsextremistisch. Mitunter sind antisemitische Ideologieelemente und Argumentationsmuster zu beobachten, insbesondere im rechtsextremistischen Teil der Szene. Gerade im Zusammenhang mit Verschwörungstheorien - vor allem wenn es um angebliche Hintergründe der etablierten Politik geht -, agitieren "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" mitunter offen antisemitisch. Die Bandbreite reicht von Schuldzuweisungen Einzelner, die 94 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" "die Juden" für ihre Arbeitslosigkeit verantwortlich machen, über offen antisemitische Verschwörungstheorien, wonach beispielsweise der Erste Weltkrieg von "den Juden" geplant worden sei, bis hin zur Leugnung des Holocaust.24 In ihrer Gesamtheit ist die Szene der "Reichsbürger" und "SelbstPersonenpotenzial verwalter" als staatsfeindlich einzustufen. Deutschlandweit sind der Szene im Jahr 2018 etwa 19.000 Personen (2017: 16.500) zuzurechnen; bei circa 950 davon handelt es sich um Rechtsextremisten (2017: 900). 1. Entwicklungstendenzen Die Steigerung des Personenpotenzials gegenüber dem Vorjahr beruht auf dem verbesserten Informationsaufkommen der Verfassungsschutzbehörden. Das breite ideologische Angebot der "Reichsbürger"und "Selbstverwalter"-Szene begünstigt zudem ein hohes Personenpotenzial. Ein weiterer deutlicher Anstieg ist in den kommenden Jahren wenig wahrscheinlich. Ein Grund hierfür sind nicht zuletzt umfangreiche und konsequente Maßnahmen der Behörden. Ein deutlicher Rückgang des bestehenden Personenpotenzials ist jedoch nicht zu erwarten, da sich die ideologischen Überzeugungen bei "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" oft verfestigt haben. Das Durchschnittsalter der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" liegt zwischen 40 und 60 Jahren. Die Szene ist mit einem Anteil von ungefähr drei Vierteln männlich dominiert. Wenngleich der Frauenanteil von rund einem Viertel gering erscheinen mag, ist er im Vergleich zur rechtsextremistischen Szene höher. Außerdem sind Frauen teilweise in wichtigen Funktionen in der Szene aktiv. So betätigen sich Frauen in herausragender Funktion in den Gruppierungen "Deutsches Reich - Freistaat Preußen" oder bei den "Geeinten deutschen Völkern und Stämmen" (GdVuSt). Im Berichtsjahr entfaltete die Szene weiterhin sehr hohe Aktivitäten. Eine weitverbreitete Handlungsweise ist die "Vielschreiberei" und damit einhergehende Konfrontationen mit Behörden und Ämtern. 24 Unter www.verfassungsschutz.de sind weitere Broschüren zum Thema Antisemitismus abrufbar. 95 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" Ihr Ziel ist es, den behördlichen und rechtsstaatlichen Ablauf empfindlich zu stören. Darüber hinaus sollen behördliche Mitarbeiter eingeschüchtert und teilweise öffentlich bloßgestellt werden. Einige "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" veröffentlichen auch Datensammlungen über vermeintliche Gegner. So wurde 2018 unter anderem ein "Bundesstrafregister" bekannt, das in Form von Steckbriefen "im Namen der Reichsund Staatsangehörigen Deutscher Völker" Personen öffentlich bekannt macht, diesen verschiedene fiktive Delikte vorwirft und sie gleichzeitig schuldig spricht. Zweifellos soll damit ein Bedrohungspotenzial aufgebaut und die Adressaten eingeschüchtert werden. Strafrechtliche Zu den strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen von "ReichsVerhaltensweisen bürgern" und "Selbstverwaltern" zählen neben Beleidigungstatbeständen auch Bedrohungen, Urkundenfälschung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und illegaler Waffenbesitz. Unrechtmäßig sind auch die heimlichen Filmund Tonaufnahmen, die Szeneanhänger häufig bei der Konfrontation mit Behördenmitarbeitern oder vor Gericht fertigen und nicht selten im Internet veröffentlichen. Bemerkenswert sind darüber hinaus die Kontaktaufnahmen von "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" mit Polizeibehörden. Dabei wollen sie einerseits Einsatzkräfte von einem Einschreiten gegen Szeneangehörige abhalten und andererseits Angehörige der Exekutive überzeugen, sich der Szene anzuschließen. Mit einer eigens erstellten Broschüre unter dem Titel "Berliner Bürger sichern Polizeiarbeit" tritt die Gruppierung GdVuSt intensiv werbend gegenüber der Polizei auf. Unter einer der "Verfassunggebenden Versammlung" zuzurechnenden Website wurde ein angeblich von einem Polizisten stammender "Appell der Polizei an die Polizei" verbreitet. Darin werden Polizisten aufgerufen, sich auf ihren Eid zu besinnen, sich von der Bundesrepublik, die kein Staat im völkerrechtlichen Sinne sei, abzuwenden und sich zur "Verfassunggebenden Versammlung" und zur "echten Polizei" zu bekennen. Waffenaffinität "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" sind häufig waffenaffin. Mit Ablauf des Jahres 2018 besaßen rund 910 Szeneangehörige waffenrechtliche Erlaubnisse (2017: 1.100); dies entspricht etwa 5 % der Szene. Seit Beginn der Beobachtung im November 2016 wurden zahlreiche waffenrechtliche Erlaubnisse entzogen. Bislang sind 96 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" den Verfassungsschutzbehörden 570 Erlaubnisentzüge bekannt geworden. 2. Erscheinungsformen "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" sind Gruppierungen und Definition Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen - unter anderem unter Berufung auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht - die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Sie sprechen den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation ab oder definieren sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Deshalb besteht die Besorgnis, dass sie Verstöße gegen die Rechtsordnung begehen. "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" vertreten juristisch und historisch konstruierte und widersprüchliche Argumentationsmuster. Der folgende Fall macht dies exemplarisch deutlich: Die Gruppierung "Staatenbund Deutsches Reich" behauptet, die Bundesrepublik Deutschland und ihre Organe seien lediglich Teil einer von den Alliierten aufgezwungenen Nachkriegsordnung. Als Beleg für diese Behauptung instrumentalisiert die Gruppierung eine aus dem Zusammenhang gerissene Bemerkung der Bundeskanzlerin, die im Rahmen einer Pressekonferenz am 27. April 2018 im Weißen Haus in Washington (USA) feststellte: Die "Zeit der Nachkriegsordnung ist zu Ende". Der "Staatenbund Deutsches Reich" behauptet deswegen, die (von ihm ohnehin nicht anerkannte) Bundeskanzlerin habe die (ebenfalls nicht anerkannte) Rechtsordnung aufgelöst und stellt fest: "[Es gilt] der letzte völkerrechtskonforme Verfassungsstand auf den Gebieten der Glied-/Bundesstaaten des Deutschen Reichs, der Rechtsstand sowie der Gebietsstand vom 30. Juli 1914, zwei Tage vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs." (Homepage "Staatenbund Deutsches Reich", 29.11.2018) Neben falschen Deutungen und Behauptungen oder unzulässig verkürzt dargestellten Zitaten versenden "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" häufig in aggressiver Diktion verfasste Schreiben 97 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" an staatliche Stellen. Zudem nehmen sie mitunter rechtswidrig hoheitliche Aufgaben und Rechte für sich in Anspruch. Ausgewählte Dieses rechtswidrige Beanspruchen hoheitlicher Rechte und Aktivitäten Aufgaben, wie etwa die Produktion und der Vertrieb von Fantasieausweisen, die Weigerung, Steuern, Gebühren und Abgaben zu entrichten oder die Einrichtung verschiedener "Regierungen" und "Verwaltungen" - also der Aufbau staatsähnlicher Strukturen - sind weitere Vorgehensweisen, durch die "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" in Erscheinung treten. "Geeinte deutsche Die GdVuSt sind eine neuere Gruppierung innerhalb der Szene. Völker und Stämme" Dabei handelt es sich um eine Kleingruppe, die auf ihrer Website pseudo-staatstheoretisch drei "Staatsformen" einführt und bewertet. Dabei wird behauptet, dass die "Staatsform im höchsten Recht (...) der Naturstaat" sei, den die GdVuSt als eigenes "naturstaatliches" Rechtssystem etablieren will. Die Bundesrepublik Deutschland wird als minderwertigste "Staatsform" und "Handelskonstrukt" diskreditiert: "Die Staatenbildung die weit unter der oben genannten [dem Naturstaat] steht und auf dem Handel und den daraus sich ergebenden Abhängigkeiten und Zwängen aufbaut und dann auch von denen,die die Macht des Handels in der Hand haben regiert wird. Unser heutiger 'Staat' ist ein Handelskonstrukt (...)." (Homepage GdVuSt, 29.11.2018) Im Jahr 2018 fiel diese Gruppierung durch verbalaggressive Schreiben auf. Die teils drastischen Drohungen umfassten insbesondere eine "Inhaftierung" der Adressaten, "Strafgebühren" in hohen Summen und "Sippenhaft". Eine ebenfalls neuere Kleinstgruppe nennt sich "Stiftung 36 Grad". Mit für "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" typischen Schreiben wandte sich die Gruppierung an verschiedene Behörden. In diesen Schreiben werden erfundene "Pfändungsanordnungen" geltend gemacht. Auch andere Gruppierungen entfalten anhaltende Aktivitäten: So beabsichtigt der "Staatenbund Deutsches Reich", die Handlungsfähigkeit des "Deutschen Reiches" wiederherzustellen. Zur 98 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" Durchsetzung ihrer Auffassungen und Verbreitung der eigenen Ideologie veröffentlicht die Gruppierung monatlich "Amtsblätter" mit diversen Anordnungen. Umfangreiche Faxmitteilungen an verschiedenste Behörden sollen der Bekanntmachung dieser Anordnungen dienen. Die "Verfassunggebende Versammlung" hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine neue Verfassung für Deutschland zu erarbeiten und ruft alle Bürger auf, Vorschläge einzureichen. Die Gruppierung entfaltet besonders im Internet hohe Aktivitäten. Um ihre Ansichten zu verbreiten und ihren Bekanntheitsgrad zu erhöhen, nutzt sie verschiedenste Medien. So ist sie neben einem eigenen Internetauftritt mit Online-Radio in sämtlichen sozialen Netzwerken vertreten. Ähnlich dem "Staatenbund Deutsches Reich" veröffentlicht sie vorgeblich "Amtliche Bekanntmachungen". Die Gruppierung "Exil-Regierung Deutsches Reich" stellt für "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" typische Verkaufsangebote zur Verfügung. So bietet sie beispielsweise aufwendig erstellte Personenausweise und Staatsangehörigkeitsausweise gegen Gebühr an. Das "Amt für Menschenrecht" tritt insbesondere durch kostenpflichtige Seminare mit für "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" typischen Inhalten in Erscheinung. Dabei vertreten Angehörige der Gruppierung die Auffassung, dass das geltende deutsche Recht ungültig sei. Ihre Handlungsempfehlungen münden letztlich in eine Konfrontation mit den Behörden. II. Gewalt und Militanz Es ist besorgniserregend und bezeichnend, dass gerade die schweren Gewalttaten von 2016 in Reuden (Sachsen-Anhalt)25 und Geor25 Am 25. August 2016 hatte ein Angehöriger des "Reichsbürger"und "Selbstverwalter"Spektrums bei einer geplanten Exekutivmaßnahme auf die Einsatzkräfte geschossen und einen Polizisten leicht verletzt. Das Landgericht (LG) Halle (Sachsen-Anhalt) verurteilte ihn am 17. April 2019 u.a. wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren. 99 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" gensgmünd (Bayern)26 szeneintern als erfolgreicher "Widerstand" gegen den Staat gefeiert wurden. Staatliche Die anhaltende Waffenaffinität der "Reichsbürger" und "SelbstverMaßnahmen walter" wurde 2018 durch erhebliche Waffenfunde im Zuge von Exekutivmaßnahmen belegt. So fanden Polizeibeamte bei einem Szeneangehörigen am 7. Februar 2018 in Münster (NordrheinWestfalen) insgesamt 93 Waffen - darunter Messer, Pistolen und Gewehre - sowie rund 200 Kilogramm Munition. Bei einer anderen Durchsuchungsmaßnahme bei einem Szeneangehörigen am 28. Mai 2018 in Sondershausen (Thüringen) konnten ferner 50 Schusswaffen und eine große Menge an Munition im Wohnhaus des Betroffenen beschlagnahmt werden. Die Bundesanwaltschaft ermittelt darüber hinaus gegen mehrere Beschuldigte wegen des Verdachts der Gründung einer terroristischen Vereinigung gemäß SS 129a Strafgesetzbuch (StGB). In diesem Zusammenhang fanden am 8. April 2018 Durchsuchungsmaßnahmen in verschiedenen Bundesländern statt. Ziel der Beschuldigten soll es sein, die bundesrepublikanische Ordnung durch eine an das deutsche Kaiserreich (1871-1918) angelehnte Struktur zu ersetzen. Dabei sollen die Beschuldigten auch in Betracht gezogen haben, nötigenfalls zielgerichtet Menschen zu töten. Die Gewaltbereitschaft von "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" zeigt sich insbesondere bei der Gegenwehr gegen Exekutivmaßnahmen. So attackierten Szeneangehörige am 28. März 2018 drei Polizeibeamte in Aerzen (Niedersachsen), als diese einen Haftbefehl vollstreckten. Als die Polizisten eine festgenommene Szeneangehörige zur Dienststelle bringen wollten, blockierten weitere Szeneangehörige das Polizeifahrzeug mit einem Pkw, rissen die Fahrzeugtüren auf und sprühten Tierabwehrspray in den Innenraum des Dienstfahrzeugs. Dabei versuchte einer der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter", die Szeneangehörige aus 26 Am 19. Oktober 2016 wurden in Georgensgmünd - bei dem Versuch, mehrere Durchsuchungsund Beschlagnahmebeschlüsse durchzusetzen - vier Polizeibeamte bei einem Schusswechsel verletzt, von denen einer später im Krankenhaus seinen Verletzungen erlag. Am 23. Oktober 2017 verurteilte das LG Nürnberg-Fürth (Bayern) den Täter wegen Mordes an einem Polizisten zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Darüber hinaus befand das Gericht den Täter wegen versuchten Mordes in drei tateinheitlichen Fällen und wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen für schuldig. Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Angeklagten als unbegründet verworfen, sodass das Urteil rechtskräftig ist. 100 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" dem Wageninneren zu ziehen; der andere Angreifer versuchte, eine weitere Tür zu öffnen. Die Polizei konnte den Dienstwagen in Bewegung setzen, wurde jedoch von den "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" mit dem Auto verfolgt. Ein Wendemanöver der Polizei und alarmierte Unterstützungskräfte beendeten die Verfolgung. Gegen diese "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" wird wegen gefährlicher Körperverletzung, Gefangenenbefreiung und Nötigung ermittelt. III. Gefährdungspotenzial "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" sind von ihren Vorstellungen und Anschauungen grundlegend überzeugt. Ihre Ansichten verbreiten sie zumeist im Internet. Die mitunter aggressiven Verhaltensweisen der Szeneangehörigen richten sich vornehmlich gegen Mitarbeiter von Behörden und Ämtern. Oftmals erachten "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" ihre individuelle Situation als ausweglos und machen vielfach den Staat dafür verantwortlich. Ihre stark verfestigte Einstellung, verbunden mit ihren abwegigen Ansichten, ermöglicht es, ihre Staatsverdrossenheit bis hin zu einer ausgeprägten Staatsfeindlichkeit erwachsen zu lassen. Beachtliches Gefährdungspotenzial besteht in der Waffenaffinität der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter". Die Sicherheitsbehörden sind deshalb bestrebt, sämtliche waffenrechtliche Erlaubnisse entziehen zu lassen beziehungsweise die Ausstellung zu untersagen. Gleichwohl ist nach dem Entzug waffenrechtlicher Erlaubnisse mit illegalem Waffenbesitz zu rechnen. Vor dem Hintergrund der "Reichsbürger"-Gedankenwelt können die als unrechtmäßig empfundenen staatlichen Maßnahmen Aggressionen und Gefahrensituationen bis hin zu schweren Gewalttaten hervorrufen. Insofern geht von "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" - nicht zuletzt wegen der erheblichen Gewaltstraftaten im Jahr 2016 in Reuden (Sachsen-Anhalt) und Georgensgmünd (Bayern) - auch weiterhin ein hohes Gewaltpotenzial aus. 101 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" Exekutivmaßnahmen gegen Anhänger der Szene zeigen bislang nur bedingt Wirkung. So lässt sich zwar im Anschluss eine vorübergehende Zurückhaltung der Protagonisten feststellen, eine dauerhafte Loslösung aus der Szene findet aber zumeist nicht statt. Die anhaltend hohe verbale Aggression sowie das immanente Gefährdungspotenzial erfordern deshalb auch zukünftig eine intensive Beobachtung durch den Verfassungsschutz. 102 "REICHSBÜRGER" UND "SELBSTVERWALTER" IV. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 1. "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" Mitglieder/Anhänger 19.000 in Deutschland: Publikationen/Medien: Vielzahl von Internetpräsenzen mit entsprechenden Veröffentlichungen Bundesweit aktive Rund 20 länderübergreifend aktive Gruppierungen Gruppierungen, unter anderem: - "Staatenbund Deutsches Reich" mit "Gliedstaaten" - "Geeinte deutsche Völker und Stämme" - "Amt für Menschenrecht" Außerdem zahlreiche Kleinund Kleinstgruppierungen sowie Einzelpersonen Als "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" sind Personen und Gruppierungen zu bezeichnen, die aus unterschiedlicher Motivation und mit verschiedenen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland verneinen und die gesamte Rechtsordnung ablehnen. Dabei berufen sie sich hinsichtlich der Staatsund Herrschaftsform sowie der Grenzverläufe auf verschiedene Erscheinungsformen des "Deutschen Reiches". Zudem bilden verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder auch ein selbst definiertes Naturrecht das ideologische Fundament zur Leugnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland. Dabei sprechen "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" den demokratisch gewählten Repräsentanten ihre Berechtigung ab oder definieren sich gar ausnahmslos als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Deshalb besteht die Besorgnis, dass sie Verstöße gegen die Rechtsordnung begehen. "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" sind sehr aktiv: Sie behindern Behörden und Ämter in ihrer Arbeit und bedrohen mitunter deren Mitarbeiter. In Einzelfällen kommt es auch zu körperlichen Übergriffen. Insbesondere im Internet verbreiten sie intensiv ihr Gedankengut und ihre Argumentationsmuster. 103 104 Linksextremismus 105 Linksextremismus I. Überblick Linksextremisten verfolgen das Ziel, die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung und damit die freiheitliche Demokratie zu beseitigen und durch ein kommunistisches beziehungsweise anarchistisches, "herrschaftsfreies" System zu ersetzen. Die marktwirtschaftliche Eigentumsordnung und der demokratische Rechtsstaat werden dabei als untrennbare Einheit ("Kapitalismus") verstanden, die der Manifestierung von Ausbeutungsund Unterdrückungsverhältnissen dient, in denen sich wenige Privilegierte auf Kosten einer "Arbeiterklasse" bereichern. Diese Ordnung sei mit der Vorstellung einer Gesellschaft, die auf den Prinzipien von Freiheit und Gleichheit aller Menschen beruhe, unvereinbar. Bei der Begründung ihrer ideologischen Überlegungen berufen sich Linksextremisten - in unterschiedlichem Ausmaß und abweichender Interpretation - insbesondere auf die theoretischen Leitfiguren Karl Marx, Friedrich Engels und Wladimir Iljitsch Lenin. Auch sogenannte revolutionäre Gewalt zur Durchsetzung von linksextremistischen Vorstellungen gilt grundsätzlich als legitim. Vollständige Im Rahmen ihrer Agitationsund Aktionsfelder bringen sich LinksSystemüberwindung extremisten in Debatten und Proteste um politische Entwicklunstatt politischer gen und gesellschaftliche Missstände ein und versuchen, diese für Reformen ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Hierbei verzichten sie bewusst auf die Formulierung konstruktiver Kritik. Etwaige identifizierte Missstände sollen vielmehr dazu dienen, eine Fehlerhaftigkeit des "kapitalistischen Systems" aufzuzeigen und dieses als immanent ungerecht zu entlarven. Materielle Ungleichheit, Rassismus, Verdrängung, Krieg und Umweltzerstörung seien zwangsläufige Entwicklungen im "Kapitalismus". Politische Reformen könnten zwar Symptome bekämpfen, eine wirkliche Verbesserung der Lebensumstände der "Arbeiterklasse" könne jedoch nur durch eine vollständige Systemüberwindung erreicht werden. 1. Entwicklungstendenzen Auch im Jahr 2018 waren die Folgen der Proteste gegen das Treffen der Gruppe der 19 wichtigsten Industrieund Schwellenländer und der Europäischen Union (G20), das vom 7. bis 8. Juli 2017 in 106 LINKSEXTREMISMUS Hamburg stattfand, noch ein zentrales Thema für Linksextremisten in Deutschland. Ermittlungsund Gerichtsverfahren gegen Straftäter im Kontext des G20-Gipfels, das Verbot der linksextremistischen Internetplattform "linksunten.indymedia"27, welches in der Szene als unmittelbare behördliche Reaktion auf die Ausschreitungen in Hamburg gewertet wurde, und die Sorge vor der Schließung beziehungsweise Räumung von Szeneobjekten in ganz Deutschland rückten das Aktionsfeld "Antirepression" verstärkt in den Fokus autonomer Agitation. Militante Aktionen wurden oftmals mit Solidaritätsbekundungen gegenüber inhaftierten Straftätern verknüpft und ihre Freilassung auf Kundgebungen und Demonstrationen gefordert. Gleichzeitig waren linksextremistische Strukturen bemüht, die öffentliche Debatte um die gewaltsamen G20-Gipfelproteste zu ihren Gunsten zu verschieben. Mit der Verbreitung von Fotos und Berichten vermeintlich unverhältnismäßiger Polizeimaßnahmen während der Gipfelproteste sollte das Bild eines Staates skizziert werden, der legitimen Protest denunziert und mit Polizeigewalt niederschlagen lässt. Gegen einen solchen Staat sei "militanter Widerstand" nicht nur legitim, sondern auch notwendig. Auch im Nachgang der Proteste gegen den G20-Gipfel zeigte sich, Schwerpunkt dass die konsequente Fokussierung der Szene auf das Aktionsfeld "Antirepression" "Antirepression" den stärksten Mobilisierungsfaktor für den gewaltorientierten Linksextremismus darstellt. Dabei war eine deutliche Fokussierung autonomer Gewalt auf die Polizei als Feindbild feststellbar. Innerhalb der autonomen Szene wurde zudem vermehrt der Versuch unternommen, dem Aktionsfeld "Antirepression" eine eigenständige gesamtgesellschaftliche Relevanz zu verleihen. Der Begriff "Repression" wird dafür so erweitert, dass er technische Entwicklungen und digitale Vernetzung mit einschließt. Konzepte, die eine weitere Technisierung des alltäglichen gesellschaftlichen Zusammenlebens vorsehen, werden bereits als immanent "repressiv" betrachtet. So würden die "staatlichen Repressionsbehörden" von einschlägigen Unternehmen - beispielsweise durch 27 Der hinter der Internetplattform "linksunten.indymedia" stehende Verein wurde mit Wirkung zum 25. August 2017 vom Bundesminister des Innern verboten und aufgelöst. Gegen die Verbotsverfügung wurden Klagen vor dem Bundesverwaltungsgericht erhoben. Das Verbot ist daher bisher nicht bestandskräftig. 107 LINKSEXTREMISMUS den Erwerb technischer Gerätschaften unmittelbar und durch die Verwendung anfallender Daten mittelbar - bei der Strafverfolgung unterstützt. VernetzungsLinksextremisten knüpfen ihre Aktionen auch an tagespolitische bestrebungen Themen und versuchen, bestehende Protestbündnisse in ihrem Sinne zu instrumentalisieren. Ziel ist es dabei, ein maximales Mobilisierungsund Teilnehmerpotenzial zu generieren sowie militante und zivilgesellschaftliche Aktionsformen miteinander zu verbinden. Im Kontext der aktuellen klimapolitischen Diskussion hat die "Interventionistische Linke" (IL) mit dem von ihr beeinflussten Bündnis "Ende Gelände" bereits seit 2015 die Proteste gegen den Tagebau im Rheinischen Braunkohlerevier (Nordrhein-Westfalen) und seit 2016 im Lausitzer Braunkohlerevier (Brandenburg und Sachsen) in ihrem Sinne genutzt und - vor allem im Rheinland - in den letzten Jahren deutlich radikalisiert. Den vorläufigen Höhepunkt fand die Kampagne im Herbst 2018 im Rahmen von "Massenaktionen" unter dem Motto "System Change not Climate Change!" im Zusammenhang mit Räumungen von Baumhäusern im Hambacher Forst (Nordrhein-Westfalen). Die Proteste im Hambacher Forst verdeutlichen dabei nicht nur die Vernetzungsbemühungen von Linksextremisten in das zivildemokratische Spektrum, sondern auch die vielfältigen Verbindungen in das europäische Ausland. Wie bei den Protesten gegen die Eröffnung der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main im Jahre 2015 oder gegen den G20-Gipfel 2017 nahmen neben deutschen auch viele ausländische gewaltorientierte Linksextremisten teil, die zur Steigerung der Konfliktbereitschaft beitrugen, welche sich insbesondere gegen die eingesetzten Polizeikräfte richtete. Auch die türkische Militäroffensive im Norden Syriens und die öffentliche Diskussion um innenpolitische Entwicklungen in der Türkei wurden von linksextremistischen Strukturen genutzt, um ihre Vernetzungsbestrebungen mit dem ideologisch nahestehenden türkischen und kurdischen extremistischen Spektrum fortzusetzen. Dadurch konnten Linksextremisten ihr Mobilisierungspotenzial punktuell ausbauen und die - über einen langen Zeitraum fortbestehende - Relevanz dieser Themen nutzen, um ihre politischen Positionen kontinuierlich in den gesamtgesellschaftlichen 108 LINKSEXTREMISMUS Diskurs einzubringen: Neben gemeinsamen Demonstrationen gegen die türkische Militäroffensive im nordsyrischen Kanton Afrin Anfang 2018 waren die Proteste gegen den Staatsbesuch des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan vom 27. bis 29. September 2018 in Berlin und Köln sowie die Demonstration in Zusammenhang mit dem 25. Jahrestag des PKK-Verbots am 1. Dezember 2018 in Berlin die Höhepunkte gemeinsamer Aktionen. In der Überzeugung, der "strukturellen" und "repressiven Gewalt Hohes Gewaltdes kapitalistischen Systems" selbst eine "revolutionäre Gewalt" potenzial entgegenbringen zu müssen, begehen vor allem Angehörige des autonomen Spektrums eine große Zahl schwerer Gewalttaten. Dabei ist insbesondere in der direkten Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner und der Polizei bei autonomen Gewalttätern eine geringe Hemmschwelle festzustellen. Schwere Gesundheitsschädigungen und in Einzelfällen auch der mögliche Tod von Menschen werden billigend in Kauf genommen. Hinzu kommen Sachbeschädigungen, Brandstiftungen und Sprengstoffanschläge als szenetypische Straftaten. Im Jahr 2018 gab es keinen mit dem G20-Gipfel 2017 vergleichbaren Mobilisierungsanlass, der bundesweit als Kristallisationspunkt für das gewaltorientierte linksextremistische Spektrum hätte dienen können. Entsprechend bewegte sich die Zahl konfrontativer Gewalttaten auf einem quantitativ deutlich niedrigeren Niveau als im Vorjahr und konzentrierte sich primär auf lokale und regionale Demonstrationslagen. Dagegen waren klandestine Gewalttaten - insbesondere im Zusammenhang mit lokalpolitischen Themen oder aktuellen Ereignissen - im Berichtszeitraum nach wie vor feststellbar. 2. Entwicklung des Personenpotenzials Das linksextremistische Personenpotenzial ist im Jahr 2018 nach Anhaltender Anstieg Abzug von Mehrfachmitgliedschaften um knapp 8,5 % auf insgedes Personensamt 32.000 Personen gestiegen (2017: 29.500). potenzials Die Gesamtzahl gewaltorientierter Linksextremisten blieb unverändert bei 9.000 Personen. Mehr als jeder vierte Linksextremist ist somit als gewaltorientiert einzuschätzen. Das Personenpotenzial 109 LINKSEXTREMISMUS der Autonomen nahm um etwa 6 % auf nunmehr 7.400 (2017: 7.000) zu. Im Bereich der nicht gewaltorientierten dogmatischen Linksextremisten hat sich die Zahl der Mitglieder um circa 12 % auf 24.000 Personen erhöht (2017: 21.400). Linksextremismuspotenzial1 2016 2017 2018 Gewaltorientierte Linksextre8.500 9.000 9.000 misten2 davon: Autonome 6.800 7.000 7.400 Anarchisten 800 800 800 Dogmatische Linksextremisten - - 800 Nicht gewaltorientierte 20.900 21.400 24.000 dogmatische Linksextremisten und sonstige Linksextremisten Summe 29.400 30.400 33.000 Nach Abzug von Mehrfachmit28.500 29.500 32.000 gliedschaften 1 Die Zahlen sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2 Bis 2017 wurde bei der Darstellung des Personenpotenzials nur die Gesamtzahl der gewaltorientierten Linksextremisten aufgeführt. Zum besseren Verständnis wird ab 2018 das Potenzial der gewaltorientierten Linksextremisten nunmehr aufgeschlüsselt und die Zahl der gewaltorientierten dogmatischen Linksextremisten erstmals ausgewiesen. 110 LINKSEXTREMISMUS 3. Aktionsfelder Linksextremisten sind traditionell in verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Themenfeldern aktiv und versuchen, an zivilgesellschaftliche Proteste anzuknüpfen und sie für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Es geht ihnen dabei nicht um die tatsächliche Behebung von Missständen, sondern um die Überwindung des "kapitalistischen Systems", das als Ursache aller sozialen und gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten gesehen wird. Im Berichtszeitraum standen vor allem die linksextremistischen Aktionsfelder "Antifaschismus", "Antirepression", "Kurdistansolidarität" und "Antigentrifizierung" im Vordergrund. 3.1 "Antifaschismus" Der "antifaschistische Kampf" von Linksextremisten richtet sich nicht nur gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten, sondern gilt auch dem "Kapitalismus", da dieser von Linksextremisten als Ursache des "Faschismus" angesehen wird. Dieser Kampf gilt vor dem Hintergrund nur dann als ausreichend und zielführend, wenn er die vermeintlichen gesellschaftlichen Voraussetzungen mit in den Fokus rückt und angreift: "(...) der Kampf gegen den Faschismus ist erst gewonnen, wenn das kapitalistische System zerschlagen und eine klassenlose Gesellschaft erreicht ist." (Homepage "Antifaschistischer Aufbau München", 23. Februar 2018) Im Kampf gegen mutmaßliche oder tatsächliche Rechtsextremisten "Antifa-Recherche" ist die "Antifaschistische Recherchearbeit" weiterhin fester Bestandteil der Aktivitäten der linksextremistischen Szene. Insbesondere Angehörige des autonomen Spektrums sammeln Informationen über aus ihrer Sicht "faschistische" Personen und Strukturen und veröffentlichen diese im Rahmen sogenannter Outing-Aktionen vornehmlich im Internet oder in Szenepublikationen. Unter dem Motto "Antifa heißt Angriff!" soll letztlich zu - oftmals gewalttätig verlaufenden - "Gegenaktionen" animiert werden. Im Jahr 2018 standen neben Mitgliedern rechtsextremistischer Parteien weiterhin die von Linksextremisten pauschal als 111 LINKSEXTREMISMUS rechtsextremistisch deklarierte Alternative für Deutschland (AfD) sowie die "Identitäre Bewegung Deutschland" (Verdachtsfall, vgl. hierzu ausführlicher S. 82 ff.) im Blickpunkt linksextremistischer Agitation. Neben oder auch infolge der oben genannten Outing-Aktionen kam es insbesondere zu Sachbeschädigungen und vereinzelt zu Brandstiftungen. Selten kam es auch zu Körperverletzungsdelikten zum Nachteil von Personen, die den vorgenannten Kreisen von der linksextremistischen Szene zugerechnet werden. Der Schwerpunkt des "antifaschistischen Kampfes" lag aber - wie schon in den vergangenen Jahren - auf Gegenprotesten zu vermeintlichen oder tatsächlichen rechtsextremistischen Veranstaltungen, um diese zu stören oder zu sabotieren. "Antifaschistischer Widerstand ist und bleibt notwendig. Denn überall dort, wo die Rechten ungestört handeln können, erstarken sie. Es gilt sich ihnen überall dort in den Weg zu stellen, wo sie auftauchen und ihre Handlungsspielräume einzudämmen." (Internetplattform "de.indymedia", 15. Juli 2018) So nahmen am 27. August 2018 infolge eines am Vortag mutmaßlich durch einen ausländischen Täter in Chemnitz verübten Tötungsdelikts bis zu 1.500 Personen, davon etwa 500 Linksextremisten, an einer zum Teil gewalttätig verlaufenen Veranstaltung gegen die Kundgebung einer rechtspopulistischen Bürgerinitiative in Chemnitz teil. Vermummte Autonome griffen Kundgebungsteilnehmer mit Eisenstangen und Feuerwerkskörpern an; dabei wurden zwei Personen schwer verletzt. 3.2 "Antirepression" Das linksextremistische Aktionsfeld "Antirepression" hat weiterhin an Bedeutung gewonnen. Dies zeigte sich im Jahr 2018 vor allem in Form von Solidaritätskampagnen für linksextremistische Gewalttäter im Nachgang des G20-Gipfels oder für die Betroffenen des Vereinsverbots von "linksunten.indymedia" mit dem Ziel, rechtsstaatliche Maßnahmen zu diskreditieren. Rolle der Organisationen wie die "Rote Hilfe e.V." (RH) unterstützen linksex"Roten Hilfe e.V." tremistische Akteure im Aktionsfeld "Antirepression". Das zentrale 112 LINKSEXTREMISMUS Ziel besteht darin, sogenannte Verfolgte aus dem linken Spektrum zu unterstützen. Für den Fall eines Strafverfahrens oder eines Haftaufenthalts bietet die RH juristische, finanzielle und soziale Unterstützung. Durch diesen Rückhalt in der Szene könnten sich potenzielle Straftäter in ihrem Tatentschluss bestärkt fühlen. Voraussetzung für die Unterstützung ist dabei, dass die Beschuldigten konsequent jegliche "Zusammenarbeit" mit Polizei und Justiz verweigern. Zur Förderung der Verweigerungshaltung vertreibt die "Rote Hilfe e.V." zahlreiche Broschüren mit Titeln wie "Aussageverweigerung", "Was tun wenn's brennt? Rechtshilfetipps auf Demonstrationen, bei Übergriffen, bei Festnahmen, auf der Wache" oder Flyer wie "Anquatschversuch. Was tun? Information der Roten Hilfe zu Kontaktaufnahme von VS [Verfassungsschutz] und Staatsschutz". Teile des gewaltorientierten Spektrums erweitern das Aktionsfeld "Antirepression" auf Unternehmen, die ihrer Auffassung nach die "staatliche Repression" als eine Art "Repressionsinfrastruktur" unterstützen. Dabei gilt im Rahmen der Digitalisierung und Vernetzung der BeiDigitale Repression trag einzelner Unternehmen für die Entwicklung und Bereitstellung von Produkten für Behörden sowie das Sammeln personenbezogener Daten als Erweiterung dieser "Repressionsinfrastruktur" - welches man als digitale Repression bezeichnen kann -, weshalb diese Unternehmen aus Sicht von Linksextremisten als "Erfüllungsgehilfen" und "eigenständige Akteure der digitalen Repression" gelten. Ein Beispiel für die Argumentation mutmaßlich linksextremistischer Straftäter in diesem Kontext wurde in einem Selbstbezichtigungsschreiben zu einem Anschlag auf Netzkabelschächte unter der Mörschbrücke in Berlin-Charlottenburg am 26. März 2018 veröffentlicht. Infolge des Anschlags wurden 6.500 Haushalte und 400 Gewerbebetriebe teils mehrere Stunden nicht mit Strom versorgt. So heißt es in dem Selbstbezichtigungsschreiben einer "Vulkangruppe Netzherrschaft zerreißen": "Die Herrschaft über die Menschen organisiert sich neu: über die Netze, die Algorithmen und die Zugriffe des Staates und der Konzerne - auf unser Leben und im Alltag. (...) 113 LINKSEXTREMISMUS Wir haben heute ein paar wichtige Netzwerkverbindungen gekappt und dadurch den Zugriff auf unser Leben unterbrochen (...) Der hoffentlich hohe wirtschaftliche Schaden ist uns eine Freude! Herrschaftsnetze sind angreifbar." (Internetplattform "de.indymedia", 26. März 2018) Durch Anschläge auf die Netzinfrastruktur soll zunächst der Betreiber direkt getroffen werden. Der plötzliche Wegfall von gewohnter Infrastruktur und Versorgungsleistung soll darüber hinaus bei den mittelbar Betroffenen, wie beispielsweise Pendlern oder privaten Internetnutzern, einen "Denkprozess" anstoßen und ihnen verdeutlichen, dass sie von "Kontrollinstrumenten" entkoppelt beziehungsweise "befreit" worden sind. Mitte Juni 2018 begingen in Berlin unbekannte Täter insgesamt drei Brandstiftungen zulasten von Einrichtungen und Fahrzeugen von zwei Telekommunikationsunternehmen und der Deutschen Bahn AG. Mit einem am 20. Juni 2018 auf der von Linksextremisten genutzten Internetplattform "de.indymedia" veröffentlichten Selbstbezichtigungsschreiben stellten die mutmaßlichen Täter unter der Autorenbezeichnung "Netzbeschmutzer*Innen" ihre Tat in den Kontext der digitalen Repression. Die betroffenen Unternehmen werden von Linksextremisten exemplarisch ausgewählt, um deutlich zu machen, dass die Sammlung von personenbezogenen Daten "Repression" begünstige oder erst ermögliche. In diesem Zusammenhang können marktführende Telekommunikationsanbieter im Hinblick auf beispielsweise angebotene Überwachungstechnik im Aktionsfeld der digitalen Repression leicht verortet werden. Die Deutsche Bahn AG hingegen war in ihrer primären Funktion als Transportunternehmen auch für militärische Güter in der Vergangenheit vorrangig im Zusammenhang mit dem Aktionsfeld "Antimilitarismus" Ziel von Sabotageaktionen. Durch den Einsatz von moderner Überwachungsund Gesichtserkennungssoftware im Rahmen eines Pilotprojekts am Berliner Bahnhof Südkreuz und der engen Kooperation mit der Bundespolizei wird sie nun von Linksextremisten auch als Akteur im Aktionsfeld "Antirepression" beziehungsweise als Förderer digitaler Repression angesehen. 114 LINKSEXTREMISMUS Richteten sich Brandstiftungen und vergleichbare Sachbeschädigungen bisher vornehmlich gegen "klassische" Ziele wie Sicherheitsbehörden oder angebliche Profiteure der "Knastindustrie", werden nun im Kampf gegen die digitale Repression von gewaltorientierten Linksextremisten verstärkt auch "zeitgemäße Ziele" und damit verbunden die Akteure der digitalen Infrastruktur angegriffen. 3.3 "Kurdistansolidarität" Die Kurdistansolidarität als klassisches Agitationsfeld deutscher "Erdogan not Linksextremisten war auch im Jahr 2018 ein Vernetzungsund welcome"Mobilisierungsschwerpunkt. Dabei zeigten sich Verbindungen von Aktionen Linksextremisten zu Anhängern der verbotenen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) und zu linksextremistischen Türken. Diese Kontakte bestehen sowohl im dogmatischen als auch im gewaltorientierten linksextremistischen Spektrum. Die linksextremistische Szene unterstützte im Jahr 2018 vielfach Demonstrationen und Veranstaltungen von extremistischen Ausländerorganisationen. Besondere Bedeutung kam dabei den Protesten gegen den Staatsbesuch des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan vom 27. bis 29. September 2018 in Deutschland zu. Bereits im Vorfeld hatte sich gegen den Deutschlandbesuch und die Politik der türkischen Regierung unter Erdogan ein breites Protestspektrum gebildet, dem neben nicht extremistischen Organisationen auch zahlreiche Gruppierungen aus dem ausländerextremistischen und deutschen linksextremistischen Spektrum angehörten. Zu den Unterstützern aus der deutschen linksextremistischen Szene zählten beispielsweise die "Interventionistische Linke" (IL), die "Rote Hilfe e.V.", die "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) sowie die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD). Unter dem Motto "Erdogan Not Welcome" wurden in Berlin und Köln Großdemonstrationen durchgeführt. In Berlin kam es am 28. September 2018 in diesem Kontext abseits des Versammlungsgeschehens zu mehreren Brandstiftungen. Unbekannte Täter schoben Mülltonnen an den Fahrbahnrand und entzündeten diese. Zudem wurden mehrere Autoreifen auf Fahrbahnen und Brücken abgelegt und in Brand gesteckt. Auf 115 LINKSEXTREMISMUS "de.indymedia" wurde in einem Selbstbezichtigungsschreiben die Aktion wie folgt begründet: "Es gibt viele Gründe um sich Erdogans baldigen Tod zu wünschen (...). Wir kämpfen hier für Rojava, weil in Rojava für uns alle gekämpft wird. (...) Dabei sollten unsere Ziele konsequent formuliert sein, und sich nicht auf ein 'Staatsbesuche offen kritiesieren' oder auch auf einzelne Machthabende beschränken. Wir wollen nicht nur, dass Waffenlieferungen der BRD an die Türkei eingestellt werden - wir wollen die Überwindung aller Staaten." (Internetplattform "de.indymedia", 29. September 2018) Aus dem Spektrum der dogmatischen Linksextremisten engagiert sich vor allem die MLPD im Aktionsfeld "Kurdistansolidarität". So entsandte sie 2015 als Mitglied der internationalen Organisation "International Coordination of Revolutionary Parties and Organizations" (ICOR)28 sogenannte Brigadisten in die vorwiegend von Kurden bewohnten, "Rojava" genannten nordsyrischen Gebiete, um dort am Bau eines Gesundheitszentrums im syrischen Kobane mitzuwirken. Diesen Einsatz nutzt die MLPD nach wie vor aus, um sich als humanitär und pazifistisch arbeitende Partei in der Öffentlichkeit zu inszenieren. Die MLPD zeigte auch in diesem Jahr bei Demonstrationen und themenbezogenen Veranstaltungen ihre Solidarität mit dem kurdischen Befreiungskampf und mit PKK-nahen kurdischen Milizen. 3.4 "Antigentrifizierung" Erhalt von Linksextremisten nutzen das Aktionsfeld "Antigentrifizierung", "Freiräumen" um ihre eigenen Interessen - den Erhalt von "Freiräumen" - in weiterhin mit eine breite Gesellschaftsdebatte einfließen zu lassen. Als sogenannhohem te Freiräume gelten dabei besetzte Häuser, kollektive WohnprojekStellenwert te und selbstverwaltete Kulturzentren. Diese werden von der Szene als wesentliche Widerstandsstrukturen gegen "Überwachung, Herrschaft, Konformitätsund Konsumdruck" angesehen. 28 "Internationale Koordination revolutionärer Parteien und Organisationen". 116 LINKSEXTREMISMUS Linksextremisten sehen ihre "Freiräume" insbesondere dann als bedroht an, wenn entsprechende Nutzungsoder Mietverträge auslaufen, die Objekte den Besitzer wechseln oder die "eigenen", zumeist innerstädtischen Wohnviertel umstrukturiert werden. Auf den drohenden Verlust solcher "Freiräume" reagiert die Szene in der Regel äußerst aggressiv. Szeneobjekte, wie zum Beispiel die "Rote Flora" in Hamburg oder das autonome Wohnprojekt "Rigaer94" in Berlin, gelten als wichtige Widerstandsstrukturen mit entsprechendem Symbolcharakter. Diese sollen frei von "kapitalistischer Verwertungslogik" sein, vor allem jedoch frei von staatlicher Überwachung und Einflussnahme. In diesen Szeneobjekten wird von Linksextremisten versucht, das staatliche Gewaltmonopol außer Kraft zu setzen. Mancherorts bilden solche Objekte den Rahmen für eine subkulturelle "Gegenkultur", die auch nicht extremistische Personengruppen anspricht. Gegen "antisoziale Stadtumstrukturierungen" im Rahmen von "Gentrifizierung" wird nicht nur demonstriert; es kommt außerdem häufig zu Brandanschlägen auf Kraftfahrzeuge und Maschinen von Bauunternehmen, Sachbeschädigungen an sogenannten Luxusimmobilien und Büros von Immobiliengesellschaften bis hin zu Drohungen gegen mutmaßlich Verantwortliche. In Berlin wurde im Jahr 2018 unter dem Motto "#besetzen" eine Kampagne Kampagne im Aktionsfeld "Antigentrifizierung" durchgeführt: "#besetzen" Ging es in den vorherigen "Protestaktionen gegen Verdrängung" in Berlin noch vorrangig um den Erhalt bestehender Objekte mit Szenebezug und symbolhafter Bedeutung, so rückte mit der Neubesetzung von leer stehenden Objekten eine weitere Modifikation in den Vordergrund. Zum Pfingstwochenende 2018 wurden erstmals unter dem Motto "#besetzen" reale Besetzungen und Scheinbesetzungen durchgeführt. Unter dem gleichen Motto wurden am 6. Oktober 2018 erneut leer stehende Objekte besetzt. Bei der polizeilichen Räumung der betroffenen Objekte kam es zu Widerstandshandlungen von Teilnehmern der Aktionen, die zum Teil dem autonomen Spektrum in Berlin zugeordnet werden konnten. Durch die Besetzungen sollte leer stehender Wohnraum in Besitz genommen, dem Markt als Spekulationsobjekt entzogen und umgewidmet werden. Ziel der Initiatoren der Kampagne ist es nicht, dass im Sinne eines außerparlamentarischen Impulses ihre Ideen und Initiativen im politischen Raum aufgegriffen werden, sondern 117 LINKSEXTREMISMUS dass sie in den direkten Konflikt mit dem Staat eintreten, der letztlich Polizeikräfte einsetzt, um die "Interessen des Kapitals" bei Räumungen durchzusetzen. Dies wiederum bestätigt aus linksextremistischer Perspektive die Erforderlichkeit eines militanten Protests als Notwehrhandlung gegen den repressiv agierenden Staat. II. Gewaltorientierter Linksextremismus Neben den verschiedenen ideologischen Ausrichtungen bewirken insbesondere Differenzen über die Legitimität von Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele die Herausbildung unterschiedlicher Lager im Linksextremismus. Gewalt als Während sich linksextremistische Parteien an Parlamentswahlen "legitime beteiligen, lehnen andere kommunistische und anarchistische OrNotwehrganisationen eine Beteiligung an Wahlen ab, da sie die parlamentahandlung" rische Demokratie nicht als legitimes politisches System anerkennen. Sie versuchen stattdessen, über eine außerparlamentarische Betätigung Meinungsmehrheiten in der Bevölkerung zu generieren, um dadurch politische Veränderungen zu erzielen oder einen revolutionären Umsturz initiieren zu können. Für die meisten nicht formell organisierten Linksextremisten - darunter auch die Autonomen - ist Gewalt beziehungsweise Militanz das zentrale Werkzeug in der politischen Auseinandersetzung. Da diese Akteure das Gewaltmonopol des Staates nicht anerkennen, wird die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns in Abrede gestellt. Gewalt gegenüber Repräsentanten des Staates - etwa Polizisten - wird dadurch zur "legitimen Notwehrhandlung" verklärt. Dabei zielen auch diese Strukturen auf eine "Radikalisierung der Massen" ab. Mit der Teilnahme an Demonstrationen versuchen sie, die meist zivilgesellschaftlich geprägten Proteste um eine revolutionäre Komponente zu erweitern. Die Kritik der Bevölkerung an politischen Lösungskonzepten für Themen wie die europäische Finanzkrise, die Migrationsund Flüchtlingspolitik oder den Klimawandel und die damit auch einhergehenden innergesellschaftlichen Differenzen liefern dem linksextremistischen Spektrum regelmäßig inhaltliche Anknüpfungspunkte an diese nicht extremistisch motivierten Proteste. Aus Sicht von Linksextremisten wurde die gewünschte gesamtgesellschaftliche Vernetzung sowie ein Bedeutungsgewinn linksextremistischer Positionen bislang noch nicht in ausreichendem 118 LINKSEXTREMISMUS Maße erreicht. Teile des autonomen Spektrums - beispielsweise lokale Kleingruppen, die ihren Aktionsschwerpunkt im Bereich "Antifaschismus" setzen oder postautonome Zusammenschlüsse wie die IL - versuchen daher, ihre Isolation gegenüber der Zivilgesellschaft aufzubrechen. Dabei bleiben ihre grundsätzlichen politischen Ausrichtungen und Handlungsprämissen zwar weitgehend bestehen, strategische Fragen und die Gewichtung ideologischer Grundlagen werden aber neu überdacht. Mögliche Konsequenzen daraus sind die Entstehung neuer Organisationen oder die vertiefte Auseinandersetzung mit theoretischen Grundlagen. Im Berichtsjahr 2018 war die Zahl linksextremistischer Straftaten insgesamt rückläufig. Wurden im Vorjahr noch 6.393 Delikte erfasst, ging die Zahl in diesem Jahr auf 4.622 Delikte zurück. Die Zahl linksextremistischer Gewaltdelikte ist im vergangenen Jahr ebenfalls zurückgegangen. Nach 1.648 Gewaltdelikten im Vorjahr wurden 2018 1.010 Delikte erfasst. Der Rückgang linksextremistischer Strafund Gewalttaten ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass im Jahr 2018 kein szenerelevantes Großereignis stattgefunden hat, das mit dem G20-Gipfel 2017 in Hamburg oder der Eröffnung der neuen Zentrale der Europäischen Zentralbank 2015 in Frankfurt am Main vergleichbar gewesen wäre. Demzufolge gab es keinen Anlass, der das gesamte Gewaltpotenzial des Linksextremismus ähnlich hätte bündeln können. Gleichzeitig wurde im Jahr 2018 wiederholt deutlich, dass in Bundesländern mit auch für Linksextremisten überregional bedeutsamen Ereignissen, die Zahl linksextremistischer Gewalttaten oft signifikant ansteigt. Beispiel hierfür sind die Klimaproteste im Hambacher Forst, die im Herbst 2018 einen Höhepunkt erreichten und bei denen Linksextremisten auch abseits der zentralen Veranstaltungen Straftaten begingen. Entsprechend verzeichnete Nordrhein-Westfalen im Berichtsjahr 2018 einen Anstieg linksextremistischer Gewaltdelikte um 133,5 % im Vergleich zum Vorjahr (2018: 446, 2017: 191). Auch in den Bundesländern mit den linksextremistischen "Hotspots" Berlin und Leipzig stieg die Zahl linksextremistischer Gewaltdelikte weiter an (Berlin: +47,7 %, Sachsen: +13,9 %), während sie in Hamburg im Jahr nach dem G20-Gipfel erwartbar um 96,1 % zurückging. 119 LINKSEXTREMISMUS Linksextremistische Gewaltdelikte 2008-2018 1700 1500 1300 1100 900 700 500 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Trotz des Rückgangs der bundesweiten Zahlen im Berichtsjahr 2018 ist in den letzten zehn Jahren insgesamt ein Anstieg linksextremistischer Gewalttaten festzustellen. Die Zunahme erfolgt nicht linear, sondern verläuft vielmehr in einer Art Wellenbewegung, meist mit einem hohen Ausschlag in Jahren mit szenerelevanten Großereignissen. In den Zwischenjahren veränderte sich die konfrontative Gewalt oftmals in klandestine Gewaltaktionen. 1. Autonome Autonome bilden mit 7.400 (2017: 7.000) Personen die mit Abstand größte Gruppe im Bereich des gewaltorientierten Linksextremismus. Obwohl Autonome weder in Ideologie noch in Strategie und Organisationsgrad eine homogene Struktur darstellen, verfügen sie über eine einheitliche inhaltliche Basis: Das Individuum und seine Selbstverwirklichung stehen im Mittelpunkt des politischen Handelns, und jede Form der Fremdbestimmung wird abgelehnt. Insoweit soll auch die bestehende und als "autoritär" erachtete Staatsund Gesellschaftsform zugunsten einer herrschaftsfreien Ordnung überwunden werden, ohne - wie im Marxismus - eine "Diktatur des Proletariats" als Übergangsphase zu etablieren. 120 LINKSEXTREMISMUS Da sich eine "befreite Gesellschaft" nach autonomen Vorstellungen letztlich nach den individuellen Bedürfnissen des Einzelnen richten und auf freiwilligen Zusammenschlüssen basieren soll, bedarf es aus autonomer Sicht kaum der Formulierung konkreter Zielvorgaben. Vielmehr wird die konsequente Negierung des Bestehenden zum zentralen revolutionären Leitmotiv erhoben. Daher erschöpfen sich die inhaltlichen Ausführungen autonomer Zusammenhänge regelmäßig in der Formulierung von "Anti-Haltungen", die Missstände und Ungerechtigkeiten aufzeigen sollen, ihnen jedoch keine konstruktiven Konzepte entgegenstellen. Deren Beseitigung könne vielmehr nur mit der Beseitigung des Systems in Gänze einhergehen. Aus der Ablehnung jeder Form von Fremdbestimmung resultiert auch eine Aversion gegenüber festen Organisationsstrukturen. Die meisten Autonomen präferieren unverbindliche Strukturen und bilden auf persönlichen Beziehungen beruhende Kleingruppen ("Bezugsgruppen"), die ihrerseits in losen szenebasierten Verbindungen zu anderen Kleingruppen stehen und anlassbezogen miteinander kooperieren. Autonome Gruppierungen bilden sich primär in Großund Universitätsstädten. Meist verfügt die Szene über einen zentralen Anlaufpunkt ("Autonomes Zentrum"), um das sich ein Geflecht von Kleingruppen, Einzelpersonen und lokalen Ablegern überregionaler oder bundesweiter Organisationen und Strukturen formiert. Die größten Szenen befinden sich in Berlin, Hamburg und Leipzig. Sie verfügen dort nicht nur über ein überdurchschnittlich hohes Aktionsniveau und Mobilisierungspotenzial, sondern begehen auch zahlreiche Strafund Gewalttaten. Das gilt insbesondere für die alternativ geprägten Szeneviertel mit entsprechender Infrastruktur aus Läden, Zentren und teils in besetzten Häusern ansässigen autonomen Wohngemeinschaften sowie einem breiten Sympathisantenkreis und anlassbezogen mobilisierbaren Szeneumfeld. Autonome betrachten diese Szeneviertel als "Freiräume", in denen sie alternative Formen des Zusammenlebens erproben und praktizieren können. Manche Autonome schließen sich dennoch aus strategischen Überlegungen langfristig in festen Gruppen und Netzwerken zusammen (beispielsweise in "Antifaschistischen Selbstschutzgruppen"). Dadurch sollen die eigene politische Schlagkraft sowie die Verbindlichkeit autonomen Handelns erhöht und ein effektiver Schutz vor politischen Kontrahenten sichergestellt werden. 121 LINKSEXTREMISMUS Anlassbezogen kooperieren Angehörige des autonomen Spektrums auch mit zivilgesellschaftlichen Akteuren und beteiligen sich an Aktionsbündnissen. Deren Forderungen sollen so um extremistische Inhalte erweitert, autonome Positionen in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext eingebettet und Protestchoreografien um eine militante Komponente ergänzt werden. Postautonome Da Autonome grundsätzlich den langfristigen und verbindlichen ZusammenSchulterschluss mit zivilgesellschaftlichen Akteuren ablehnen, schlüsse bleibt ihr Wirkungskreis meist auf die eigenen "Freiräume" beschränkt. Um dieser Isolierung entgegenzuwirken, autonomes Selbstverständnis mit der Verbindlichkeit einer Organisation zu vereinen und die lokalen "Teilbereichskämpfe" bundesweit zu bündeln, tendieren "postautonome" Zusammenschlüsse dazu, einige Prämissen autonomer Politik neu zu überdenken. Ihre erfolgreichsten Vertreter sind die "Interventionistische Linke" (IL) und das Bündnis "...ums Ganze!" (uG). "Interventionistische Die rund 1.000 Mitglieder der IL versuchen, durch eine überregioLinke" nale Organisierung einen möglichst großen Teil des autonomen Linksextremismus zu bündeln und lokale Aktivitäten in einen bundesweiten Zusammenhang zu bringen. Die IL bekennt sich nicht eindeutig zu einer traditionellen kommunistischen Lehre, sondern verfolgt einen kampagnenorientierten Ansatz. Diese ideologische Unverbindlichkeit ermöglicht es der IL, sich weit bis in dogmatische, aber auch in gemäßigte und nicht extremistische Lager hinein zu vernetzen. Einer langfristigen und verbindlichen Zusammenarbeit stehen damit keine ideologischen Differenzen entgegen: "Es geht um die Schaffung der Voraussetzungen für ein gutes Leben für alle - nicht nur hier, nicht nur in Europa, sondern weltweit. Notwendiger Bestandteil einer solchen radikalen Transformation ist der revolutionäre Bruch (...)." (Homepage IL vom 20. September 2018) "Radikalisierung Hierbei zielt die IL auf eine "Radikalisierung der Massen" ab. Durch der Massen" die Darstellung von gesellschaftlichen Missständen soll die Notwendigkeit eines revolutionären Umsturzes begründet werden: 122 LINKSEXTREMISMUS "In diesen Zeiten, in denen die Widersprüche so klar und deutlich vor uns liegen wie selten, da sind es diese solidarischen Bewegungen, die uns Hoffnung geben. Dass wir ein konsequentes Nein zur Verrohung der Gesellschaft artikulieren und der Ruf nach solidarischen Städten immer lauter wird, ist das, worauf wir schon lange gewartet haben." (Homepage IL vom 18. September 2018) Die IL fungiert insofern als Bindeglied zwischen Autonomen, sonstigen Linksextremisten und dem nicht extremistischen Spektrum: Sie versucht, nicht nur eine große Menschenmenge, sondern gleichzeitig auch das eskalierende Moment auf die Straße zu bringen. Der für die Wahrnehmung einer solchen "Scharnierfunktion" strategisch notwendige Verzicht auf die Propagierung von Militanz bringt der IL jedoch auch Kritik seitens der übrigen Teile des autonomen Linksextremismus ein. Für diese ist Gewalt nicht bloß ein Instrument, sondern auch ein "Mittel zur subjektiven Befreiung" und damit ein unverzichtbares Element im Kampf gegen ein angebliches System von Zwang, Ausbeutung und Unterdrückung. Bei uG handelt es sich um einen Zusammenschluss eigenständiger, "...ums Ganze!" lokal verankerter Gruppen der autonomen Szene, die - ebenso wie die IL - ihre Kräfte bündeln, um überregional handlungsfähig zu sein. Lokal treten die Mitgliedsgruppen autark auf, während sie in Aktionsbündnissen und bei Großveranstaltungen unter dem Label "...ums Ganze!" fungieren. Das Bündnis umfasst etwa 330 Personen. Es bezeichnet sich selbst als "kommunistisches Bündnis" und beschreibt damit seinen ideologischen Hintergrund: Der "Kapitalismus" sei nicht reformierbar, bedingungslos zu bekämpfen und mitsamt seinem Staatssystem durch eine Revolution zu überwinden. Das für Autonome eher ungewöhnlich deutliche Bekenntnis zum Kommunismus belegt die Tendenzen in einigen Teilen des gewaltorientierten Linksextremismus - so beispielsweise bei der "Perspektive Kommunismus" (PK) oder der "Gruppe ArbeiterInnenmacht" (GAM) -, das eigene Handeln wieder stärker in einen theoretischen Zusammenhang zu stellen. 123 LINKSEXTREMISMUS 2. Strategische Formen der Gewaltausübung Im gewaltorientierten Linksextremismus gibt es ein nach wie vor hohes Aggressionsniveau in unterschiedlichen Erscheinungsformen. Zwei Arten von strategischer Gewaltausübung lassen sich unterscheiden: zum einen "konfrontative Gewalt", also Straßenkrawalle und Gewaltausübung vor, während oder nach Demonstrationen oder anderen Großveranstaltungen, zum anderen die verdeckt vorbereitete und verübte klandestine Gewalt. 2.1 Konfrontative Gewalt Eine typische Form autonomer Gewalt ist die sogenannte konfrontative Gewalt, also die direkte Konfrontation mit dem politischen Gegner. Sowohl Gegenstände als auch Menschen, insbesondere Polizisten oder Rechtsextremisten, stellen für gewaltorientierte Linksextremisten legitime Ziele dar. Dabei agieren sie zumeist in Kleingruppen oder formieren "Schwarze Blöcke" bei Demonstrationen. "Schwarzer Block" Innerhalb dieser "Schwarzen Blöcke" formieren sich vermummte Aktivisten in einheitlicher, uniformer "Kampfausrüstung", um das Gemeinschaftsgefühl zu festigen, Stärke zu vermitteln und die Identifizierung von Straftätern sowie die Strafverfolgung zu erschweren. Häufig versuchen sie, ein Einschreiten der Polizei in die Demonstration zu erzwingen und Situationen zu eskalieren, um die eigenen gewalttätigen Handlungen im Nachgang als "Notwehr" rechtfertigen zu können. Dabei gilt unter gewaltorientierten Linksextremisten bereits die Anwesenheit von Polizeikräften auf Demonstrationen oder die Erteilung von Auflagen durch Behörden als "Schikane" und "Provokation". Darüber hinaus erhitzt das provokative Auftreten solcher "Blöcke" üblicherweise die Stimmung unter den Teilnehmern. "KleingruppenAbseits eigener Demonstrationen - etwa bei Protesten gegen taktik" rechtsextremistische Kundgebungen - agieren Autonome häufig in Kleingruppen ("Bezugsgruppen"), die sich auf Grundlage persönlicher Beziehungen oder aus Szenekontakten zusammensetzen. Da sie nicht als eine einzige große Ansammlung auftreten (wie etwa im "Schwarzen Block"), sondern sich flexibel und unabhängig voneinander um das Versammlungsgeschehen bewegen, wird die 124 LINKSEXTREMISMUS Kontrolle ihrer Aktionen durch Polizeikräfte deutlich erschwert. Polizeiketten können so deutlich effektiver umgangen oder durchbrochen, Kundgebungen des politischen Gegners aus mehreren Richtungen militant flankiert oder dezentrale Aktionen wie Brandstiftungen, Sachbeschädigungen und Angriffe auf anoder abreisende Demonstrationsteilnehmer abseits der unmittelbaren polizeilichen Aufmerksamkeit durchgeführt werden. 2.2 Klandestine Gewalt Neben der konfrontativen Straßengewalt kommt es regelmäßig zu verdeckt (klandestin) vorbereiteten und verübten Anschlägen gewaltorientierter Linksextremisten. Diese Gewalttaten sind meist im Voraus geplant und zielen auf die Erlangung öffentlicher Aufmerksamkeit oder die unmittelbare Beseitigung eines als solchen ausgemachten Missstandes (Sabotage). Häufig begründen und rechtfertigen die Täter ihre Anschläge anonym in Taterklärungen, die sie im Internet verbreiten. Zum Schutz vor Strafverfolgung verwenden die Täter in ihren Erklärungen meist wechselnde Aktionsbezeichnungen oder verzichten gänzlich auf Namen ("No-Name"-Militanz). Ein Beispiel für ein Selbstbezichtigungsschreiben zu einer klandestinen Aktion stellt ein Beitrag auf "de.indymedia" vom 25. September 2018 zu einer Sachbeschädigung am Gebäude der Generalstaatsanwaltschaft in Hamburg dar. Demnach wurden die Fassade und Fensterscheiben mit Steinen und Farbflaschen zerstört sowie Autoreifen auf der Straße angezündet. Der Verfasser begründet dies mit der "Wut gegen die herrschende Ordnung in Deutschland". Als weitere Gründe wurden die "[e]uropaweiten Hetzjagden, Fahndungen und Hausdurchsuchungen gegen unsere Freund*innen nach den G20-Krawallen" sowie "[d]as Ausspionieren und Überwachen von linksradikalen Strukturen" aufgeführt. Der Beitrag endet mit den Worten: "Wir werden nie mit euch in Verhandlungen treten. Ein freies und selbstbestimmtes Leben kann es mit einem Staat und seinen Institutionen nicht geben. 125 LINKSEXTREMISMUS Deshalb wollen wir eure Welt der Autorität zerstören. Solidarität heißt für uns Angriff!" (Internetplattform "de.indymedia", 25. September 2018) 3. Vertreter des Staates als Feindbild von Linksextremisten Im Kampf gegen "Staat, Nation und Kapital" gehört es zur Strategie von Linksextremisten, Vertreter des "verhassten" Staates nicht nur einzuschüchtern oder in der öffentlichen Wahrnehmung gezielt zu diskreditieren, sondern sie auch physisch anzugreifen. Weil sie das Gewaltmonopol des demokratischen Rechtsstaats ablehnen, agieren gewaltorientierte Linksextremisten insbesondere gegen Polizeibeamte als Vertreter des "repressiven Staates". Die grundsätzlich feindselige Haltung gegenüber der Polizei wird dabei in Slogans wie "All Cops Are Bastards" (ACAB) deutlich. "Kriminell ist das Aus Sicht der Szene missbrauche gerade die Polizei als angeblicher System, nicht "Handlanger" des "kapitalistischen Systems" das staatliche Gewaltder Widerstand monopol. Ziel der "Herrschenden" sei es, durch polizeilich betriedagegen" bene "Repression" Kritiker zu kriminalisieren, das "Schweinesystem" zu schützen und eine "falsche" Gesellschaft zu verteidigen. Mit dem Ziel, von eigener Gewalt abzulenken und als "Opfer" zu gelten, verklären die Täter und ihre Unterstützer einschlägige Angriffe auf Polizisten oftmals als Selbstverteidigung oder "Gegengewalt". Das Motto gewaltorientierter Linksextremisten lautet hierbei: "Kriminell ist das System, nicht der Widerstand dagegen". Wie menschenverachtend gewaltorientierte Linksextremisten Polizeibeamten gegenübertreten, zeigten nicht zuletzt die Ereignisse um die Räumung des Hambacher Forstes im Rheinischen Braunkohlerevier. Bei den Polizeieinsätzen im Herbst 2018 wurden die Einsatzkräfte nicht nur massiv und mindestens unter Gefährdung ihrer körperlichen Unversehrtheit mit Steinen, Zwillen und Molotowcocktails angegriffen, sondern auch mit Fäkalien beworfen. Ansteigendes Mit dem Anstieg des Aggressionspotenzials gegen Polizeibeamte Aggressionsgeht auch ein immer stärkeres Absinken der Hemmschwelle einpotenzial her, Polizeibeamte körperlich zu schädigen. Nicht selten nehmen die Täter bei ihren Aktionen schwerste bis tödliche Verletzungen von Polizeibeamten billigend in Kauf. 126 LINKSEXTREMISMUS So warfen unbekannte Täter im April 2018 vom Dach der Rigaer Straße 94 im Berliner Stadtteil Friedrichshain Steine auf Einsatzfahrzeuge der Polizei. Statt diesen trafen die Steine im Umfeld befindliche Fahrzeuge. Auch wenn letztlich keine unbeteiligten Personen verletzt wurden, hielt die potenzielle Gefährdung anderer Menschen die Täter nicht von ihrem Handeln ab. Auch Brandstiftungen an Polizeifahrzeugen und -gebäuden gehören zum "Kampf" gewaltorientierter Linksextremisten. Neben den potenziell im Fahrzeug oder im Gebäude befindlichen Personen werden durch ein mögliches Übergreifen des Feuers stets Unbeteiligte in Gefahr gebracht. So betraten am 1. Januar 2018 unbekannte Täter ein Gelände der Polizei und Staatsanwaltschaft in Leipzig (Sachsen) und brachten eine brennbare Flüssigkeit in die im Erdgeschoss befindlichen Büros ein, woraufhin es in zwei Räumen zu Brandausbrüchen kam. In einem anschließend im Internet veröffentlichten Selbstbezichtigungsschreiben rechtfertigten die Täter ihre Aktion mit einer angeblichen "totalen Überwachung" in einem "drohenden Polizeistaat". Neben physischen Angriffen auf Polizeikräfte versuchen Linksex"Adbusting"tremisten gezielt, die Polizeibehörden allgemein in der ÖffentlichAktionen keit zu diskreditieren. Dazu bedienen sie sich neben den klassischen Verbreitungsformen wie Printmedien auch der Aktionsform des "Adbustings".29 Dabei verfremden Linksextremisten Werbeplakate der Polizei und anderer Sicherheitsbehörden im öffentlichen Raum, indem sie diese mit Parolen versehen, welche Polizeibeamte oder Angehörige der Sicherheitsbehörden als Verbrecher oder die Polizei als Instrument eines willkürlich agierenden Unrechtsregimes darstellen. So wurden im Vorfeld des am 6. und 7. Februar 2018 in Berlin veranstalteten Europäischen Polizeikongresses Werbeplakate der Berliner Polizei so verfremdet, dass damit der Polizei willkürliche Gewaltausübung, "institutioneller Rassismus" und die Absicherung bestehender "Ausbeutungsverhältnisse" unterstellt wurden. 29 "Adbusting" setzt sich zusammen aus den englischen Wörtern "ad" (auf Deutsch: Werbung) und "to bust" (auf Deutsch: zerschlagen). 127 LINKSEXTREMISMUS Outing-Aktionen Als weiteres Mittel zur Diskreditierung oder Einschüchterung gegen Vertreter von Vertretern des Staates wenden Linksextremisten - ähnlich des Staates wie im Kampf gegen "Rechts" - sogenannte Outing-Aktionen an. Hiervon betroffen sind beispielsweise politisch Verantwortliche, Polizeibeamte und Angehörige anderer Sicherheitsbehörden oder auch Justizvollzugsbeamte. Linksextremisten bringen dabei persönliche Daten dieser Personen wie Namen, Wohnanschrift, Telefonnummern oder Profile in sozialen Netzwerken in Erfahrung und veröffentlichen sie im Internet oder in Form von Flugblättern im Umfeld der Betroffenen. Verbunden werden diese "Outings" oftmals mit eindeutigen oder verklausulierten Aufrufen zu Straftaten, zu denen es im Anschluss häufig auch kommt. Diese Straftaten reichen von Sachbeschädigungen, zum Beispiel in Form von Farbschmierereien oder zerstörten Fensterscheiben, bis hin zu Brandstiftungen an Kraftfahrzeugen. Mit diesen Aktionen soll ein Bedrohungsszenario gegenüber Vertretern des Staates aufgebaut werden, um sie auf diese Weise zu zwingen, ihre Politik oder Entscheidungen an den Forderungen von Linksextremisten auszurichten. Durch deren öffentlichkeitswirksame Enttarnung auf von Linksextremisten genutzten Internetplattformen wie "de.indymedia" werden die Betroffenen der Gefahr potenzieller Racheaktionen aus der Szene ausgesetzt. III. Kampagnenfähigkeit der linksextremistischen Szene Linksextremisten beteiligen sich an gesellschaftlichen und politischen Debatten und Protestaktionen, um ihre Positionen gesellschaftsfähig zu machen, neue Mitglieder oder Sympathisanten zu gewinnen und diese im Sinne ihrer Ziele zu instrumentalisieren. Damit bezwecken sie die Vermittelbarkeit auch gewaltsamer Aktionsformen gegenüber weiten Teilen der Gesellschaft. Zur Umsetzung ihrer strategischen Ziele nutzen Linksextremisten sogenannte Aktionsbündnisse und Kampagnen. Dabei ist auch die internationale Vernetzung der Proteste ein wichtiger Baustein. 128 LINKSEXTREMISMUS 1. Kampagne "United we stand!" der "Roten Hilfe e.V." In engem Zusammenhang mit den Protesten gegen den G20-Gipfel 2017 in Hamburg startete die "Rote Hilfe e.V." (RH) am 9. Mai 2017 die Solidaritätskampagne "United we stand!", die sie auch im Jahr 2018 fortführte. Ziel der Kampagne war es, bereits vor dem G20-Gipfel die Angst vor "staatlicher Repression" zu schüren und im Nachgang die Deutungshoheit über die Sicht auf die Gewalteskalation beim G20-Gipfel zu erlangen. Daher wurden sowohl die den Gipfel vorbereitenden Maßnahmen von Polizei und Behörden als auch das konkrete Eingreifen der Polizei während der Gipfelproteste verurteilt und zu Spenden für weitere "Unterstützungsarbeit" aufgerufen. Auch veröffentlichte die RH Publikationen, in denen sie Handlungsempfehlungen für Betroffene von staatlichen Maßnahmen wie Durchsuchungen oder Festnahmen gab, und leistete darüber hinaus juristische Hilfe. Nach dem G20-Gipfel konzentrierte die Rote Hilfe ihre Kampagne auf die strafrechtliche Aufarbeitung der gewaltsam verlaufenen Proteste und solidarisierte sich mit den "Gefangenen von Hamburg". Im Internetblog von "United we stand!" wurden regelmäßig Briefe von "G20-Gefangenen", Erklärungen zu laufenden Strafprozessen sowie Aufrufe zu Protestaktionen gegen "staatliche Repression" veröffentlicht. Ebenso wurden regelmäßig "Prozesstermine" veröffentlicht und dazu aufgerufen, als Unterstützung zu erscheinen. Auch Kundgebungen vor Justizvollzugsanstalten fanden regelmäßig statt. Zum Beispiel rief "United we stand!" zu einer Kundgebung am 20. Oktober 2018 vor der Untersuchungshaftanstalt Hamburg auf: "Wir sind hier, weil 4 Genossen auf Grund ihres Widerstandes gegen den G20-Gipfel in diesem Knast eingesperrt sind. (...) Schreibt den Gefangenen, kommt zu Solidaritätskundgebung am Knast Billwerder, die jeden 1. Sonntag im Monat stattfindet und zur Holstenglacis am Samstag (...). Unsere Solidarität gegen ihren Knast! United We Stand!" (Blog von "United we stand", 15. Oktober 2018) Für die RH ist es dabei nebensächlich, in welchem konkreten Kontext Szeneangehörige von staatlichen Maßnahmen betroffen sind. Primär geht es ihr darum, durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung zu nehmen und den 129 LINKSEXTREMISMUS vermeintlich "repressiven Charakter" des demokratischen Rechtsstaates hervorzuheben. Beispielsweise stellt das Verbot des Vereins mit der linksextremistischen Internetplattform "linksunten.indymedia" im August 2017 (vgl. Kap. V) für die RH einen Beleg für die "staatliche Repression" und die "völlige[r] Ignoranz der Presse und Meinungsfreiheit" dar. Um gegen das vereinsrechtliche Verbot vorzugehen, unterstützt die RH die Kläger in dem vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängigen Verfahren unter anderem durch eine Spendenaktion und die Veröffentlichung einer Broschüre: "Die Auseinandersetzung führt unweigerlich zur grundsätzlichen Rolle des bürgerlichen Staats im Kapitalismus, die darin besteht, dessen Verwertungsbetrieb aufrecht zu halten und nicht-konforme politische Bewegungen zu bekämpfen. (...) Der repressive Charakter der bestehenden Verhältnisse wird am Beispiel linksunten auch für viele Menschen darüber hinaus sichtbar. (...) Von der leisen Kritik zum offensiven Widerstand. Solidarität wird zur Waffe, wenn sie um sich greift und zur wachsenden Bewegung wird." (Broschüre der RH "Verboten! Zur Kriminalisierung von Indymedia linksunten", Dezember 2018) 2. Kampagne "Ende Gelände" gegen den Braunkohleabbau Linksextremistisch Beim "Kampf für Klimaschutz" des linksextremistisch beeinflussbeeinflusste ten Aktionsbündnisses und der nach ihm benannten Kampagne "Klimaproteste" "Ende Gelände" nahmen Linksextremisten auch im Jahr 2018 eine tragende Rolle ein. Im Fokus der Proteste des Bündnisses stand insbesondere eine "Massenaktion zivilen Ungehorsams" vom 25. bis 29. Oktober 2018 im Rheinischen Braunkohlerevier zwischen Aachen und Köln (Nordrhein-Westfalen), die sich gegen den Abbau von Braunkohle und den Betreiberkonzern richtete. Die IL (vgl. Kap. II, Nr. 1) übernahm bei den Protesten gegen den Braunkohleabbau auch 2018 wieder eine strategisch führende Position und sieht sich als wichtiger Bestandteil und Akteur der Kampagne "Ende Gelände". Aufgrund des Stellenwertes des Themas "Klimaschutz" in der öffentlichen Wahrnehmung dient der IL das Aktionsbündnis "Ende Gelände" als Vehikel zur Umsetzung ihrer linksextremistischen Ziele: 130 LINKSEXTREMISMUS "Unsere letzten Jahre bei Ende Gelände waren von spektakulären Aktionen in Braunkohletagebauen und einer immer besser funktionierenden Kampagnenarbeit für Klimagerechtigkeit geprägt. Begeistert von der Dynamik und der Selbstermächtigung durch den massenhaften Zivilen Ungehorsam, wollen viele den widerständigen Geist an ihre Wohnorte bringen, und zwar das ganze Jahr über. (...) Wir sind stolz auf die Aktionen und die aktive Störung der fossilen kapitalistischen Infrastruktur." (Broschüre der IL "Solidarity will win") Die IL sieht zudem in der durch sie maßgeblich gestalteten Organisierung der Kampagne einen entscheidenden Faktor für deren Erfolg. Die "Massenaktion zivilen Ungehorsams" der Kampagne "Ende "Massenaktion der Gelände" - mit Schwerpunkt am 27. Oktober 2018 - richtete sich Kampagne Ende gegen die Verstromung von Braunkohle sowie die Rodung des Gelände" Hambacher Forstes. Die Proteststimmung war geprägt von den zwischen dem 13. September und dem 2. Oktober 2018 durchgeführten Räumungen von mehr als 80 Baumhäusern und Bodenstrukturen im Hambacher Forst. Der Wald gilt der Szene als "Symbol des Widerstands" gegen die aus ihrer Sicht ausschließlich auf Profitmaximierung ausgerichtete Kohleindustrie. Die Räumung war von zahlreichen - mutmaßlich linksextremistisch motivierten - Brandstiftungen und Sachbeschädigungen zum Nachteil der Betreibergesellschaft RWE Power AG und insbesondere deren Partnerunternehmen sowie von Angriffen auf eingesetzte Polizeikräfte begleitet worden. Im Rahmen der "Massenaktion" fanden am 27. Oktober 2018 zwei Großdemonstrationen statt. Daran beteiligten sich nach Polizeiangaben insgesamt etwa 5.500 Personen, darunter Angehörige des deutschen linksextremistischen Spektrums sowie Personen aus dem Ausland. Damit handelte es sich um die zahlmäßig größte Aktion der erstmals im Jahr 2014 in Erscheinung getretenen Kampagne "Ende Gelände". Im Verlauf des Protests kam es zur kurzzeitigen Blockade der nahe gelegenen Bundesautobahn. Zudem gelang es etwa 2.500 Personen, die Blockade der privaten Kohleförderbahn für etwa 24 Stunden aufrechtzuerhalten. Des Weiteren besetzte eine Gruppe von 33 Personen vorübergehend einen Kohlebagger. Neben Sitzblockaden kam es auch zu Ankettungsaktionen. 131 LINKSEXTREMISMUS Sowohl das Bündnis "Ende Gelände" als auch die IL werteten die Aktionstage als Erfolg. Sie beurteilten die Kampagne als die "größte Aktion zivilen Ungehorsams gegen Kohle". Instrumentalisierung Der Erfolg der Kampagne ist auch ein Beispiel der erfolgreichen des Begriffs "ziviler Instrumentalisierung des Begriffs des "zivilen Ungehorsams" Ungehorsam" durch Linksextremisten. Diese sehen ihre - zum Teil auf gewaltsame Aktionen gestützte - Vorgehensweise zur Erreichung ihrer politischen Ziele damit als legitim an. Der vorsätzlich ausgeübte Widerstand gegen das staatliche Gewaltmonopol wird durch die Nutzung des Begriffs des "zivilen Ungehorsams" jedoch unzutreffend in eine Reihe mit früheren Menschenund Bürgerrechtsbewegungen, unter anderem von Mahatma Gandhi und Martin Luther King, gestellt. Den Teilnehmern militanter Widerstandshandlungen wird dadurch suggeriert, dass ihre möglicherweise gewaltsamen Handlungen mit einem "natürlichen Recht auf Widerstand" zu rechtfertigen seien. Hierdurch finden gewaltsame Aktionen eine hohe Akzeptanz in breiten Schichten der Anhänger und Unterstützer von "Ende Gelände". "Wir sind uns sicher, dass Wachstum und Kapitalismus mit Klimaschutz, globaler Gerechtigkeit und einer lebenswerten Zukunft nicht zu vereinbaren sind, sondern im Gegenteil ein tiefgreifender Systemwandel dringend nötig ist, um eine Klimakatastrophe zu verhindern. Ziviler Ungehorsam ist dafür richtig und notwendig." (Homepage IL, 15. November 2018) 3. Kampagne "Das Rote Berlin" der IL Berlin Im Anschluss an verschiedene Podiumsdiskussionen über Wohnungspolitik im Zeitraum von November 2017 bis Januar 2018 veröffentlichte die IL Berlin das Strategiepapier "Das Rote Berlin - Strategien für eine sozialistische Stadt". Um Mietpreissteigerungen zu begegnen, wirbt die IL Berlin für die Enteignung von gewinnorientierten Immobilieneigentümern. Dies soll durch eine Vorgehensweise in drei Schritten erfolgen: In einem ersten Schritt soll durch gezielte Marktbehinderungen, Regulierungen und Steuern der private Wohnungsmarkt "zurückgedrängt" werden. Danach soll der Staat "den Ausbau öffentlichen 132 LINKSEXTREMISMUS Eigentums" durch Enteignungen und Aufkauf vorantreiben. Dieses öffentliche Eigentum soll dann in einem letzten Schritt in "die demokratische Selbstverwaltung von Wohnraum" überführt werden. Im Kern geht es der IL darum, bei der Bevölkerung Zweifel an der Marktwirtschaft und letztlich auch am politischen System hervorzurufen. Hinter den Problemen des Immobilienmarktes steht aus Sicht der IL der "kapitalistische Staat", der das Haupthindernis auf dem Weg in die befreite Gesellschaft darstelle. Im Rahmen dieser Bemühungen engagierte sich die IL am 14. April 2018 in Berlin bei einer Spektren übergreifenden Demonstration unter dem Motto "WIDERSETZEN - Gemeinsam gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn". Aufgrund der hohen Beteiligung mit bis zu 14.800 Teilnehmern wurde auch das Interesse der Medien auf die Mietproblematik gelenkt. In einem auf "de.indymedia" veröffentlichten Nachbericht zu der Demonstration wurde folgendes Fazit gezogen: "Die Spaltung in 'legitimen' bürgerlichen Protest für etwas niedrigere Mieten, besseren Bestandsschutz, oder mieter*innenfreundlichere Gesetze und 'radikale' Formen des Widerstands durch Besetzungen, Enteignungen und lokale Selbstverwaltung von Unten, hat nicht funktioniert. (...) Die Stadt von Unten kann nur direkt von uns, denen die dort wohnen und leben, erkämpft und gelebt werden. Selbstbestimmt, selbstorganisiert und im besten Sinne des Wortes, radikal anders." (Internetplattform "de.indymedia", 25. April 2018) Die IL selbst definiert sich zwar als eine "außerparlamentarische" und grundsätzlich "antagonistisch zum Staat" stehende Gruppierung, trotzdem spricht sie im Strategiepapier gezielt die Exekutive und Legislative an und stellt "Forderungen" auf, die sich an den legislativen Gegebenheiten in der Bundesrepublik orientieren. Weiterhin versucht sie, durch ein zukünftiges Volksbegehren über die Enteignung von Immobilienunternehmern gezielt ein Mittel des demokratischen Rechtsstaates für ihre letztlich extremistischen Ziele zu benutzen. 133 LINKSEXTREMISMUS Die Kampagne rund um "Das Rote Berlin" ist ein aussagekräftiges Beispiel für die Strategie der IL, bürgerliche Proteste für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Die IL als linksextremistische Organisation bringt sich in einen populären Protest ein und arbeitet - bisher als einzige linksextremistische Gruppierung in diesem Umfang - diverse Strategien zum Wohnungsproblem in Berlin aus. Zusätzlich setzt sie sich von anderen linksextremistischen "Antigentrifizierungsbewegungen" ab, indem sie deren Verhaltensweisen kritisiert. So fordert sie, dass man über mehr als nur "den Laden an der Ecke oder (...) die herrschaftsfreie Gesellschaft" diskutieren müsse. In einem Interview geben Vertreter der IL an, dass man sich selbst nicht als "klandestine Gruppe, die vermummt durch die Stadt huscht" sehe, sondern konkrete Vorschläge zur Korrektur der Missstände in der Stadt habe. Die Kampagne und die scheinbar konstruktiven Vorschläge sind für die IL letztlich nur Mittel zur Erreichung ihres übergeordneten Ziels, ihre Akzeptanz außerhalb der linksextremistischen Szene noch weiter zu erhöhen. Gerade die angesprochene Wohnraumproblematik ist ein Thema mit einem potenziell großen Empfängerkreis, das der IL die Möglichkeit gibt, an nicht extremistische Proteste anzuknüpfen und diese zu instrumentalisieren, um die "Marginalisierung der (radikalen) Linken zu beenden". Zugute kommt ihr hierbei, dass im Zusammenhang mit den Sachverhalten auch das Interesse vieler Medien geweckt wurde. IV. Linksextremistisches Parteienspektrum Linksextremistische Parteien und parteiähnliche Organisationen gehören dem Spektrum der dogmatischen Linksextremisten an. Ihre Ideologie und politischen Inhalte werden im Wesentlichen auf die Theorien kommunistischer Vordenker wie Karl Marx, Friedrich Engels oder Wladimir Iljitsch Lenin zurückgeführt. Mithilfe rechtsstaatlicher Mittel, wie insbesondere der Teilnahme an Parlamentswahlen, zielen dogmatische Linksextremisten auf die Abschaffung des demokratischen Verfassungsstaates, die Errichtung einer sozialistischen und - von dieser ausgehend - einer "klassenlosen", kommunistischen Gesellschaftsordnung ab. Im Gegensatz zu militanten Linksextremisten halten dogmatische Linksextremisten die Anwendung von Gewalt grundsätzlich erst 134 LINKSEXTREMISMUS in einer von ihnen zu definierenden revolutionären Situation für legitim und unverzichtbar. Im Rahmen der Bündnispolitik wird allerdings eine Zusammenarbeit mit gewaltorientierten Gruppierungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Dogmatische Linksextremisten verfügen zwar derzeit nicht über wirkmächtige eigenständige Strukturen oder bundespolitische Relevanz, bieten aber mit ihren umfangreichen Analysen das Potenzial, um als "geistige Brandstifter" auch gewaltorientierte Gruppierungen ideologisch zu inspirieren. 1. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Die orthodox-kommunistische DKP mit ihren etwa 2.850 Mitgliedern hält unverändert an ihrem Ziel des Sozialismus und Kommunismus fest und beruft sich als Richtschnur für ihr Handeln auf die Theorien von Marx, Engels und Lenin. Nach wie vor befindet sich die DKP in einem innerparteilichen Richtungsstreit über die künftige ideologische Ausrichtung und Strategie der Partei, der seit 2017 zu zahlreichen Mitgliederaustritten geführt hat. Dabei dominiert seit 2013 die "Parteilinke", die für die unbedingte Rückkehr zur unverfälschten Lehre des MarxismusLeninismus votiert. Die innerparteiliche Opposition um das im Dezember 2015 gegründete "Netzwerk kommunistische Politik" hält demgegenüber an den "Politischen Thesen" aus dem Jahr 2010 fest. Diese relativieren die Bedeutung der Arbeiterklasse als revolutionäres Subjekt sowie die Avantgarderolle der Partei und plädieren dafür, dass die DKP in allen "fortschrittlichen Bewegungen" mitarbeitet. In diesem Zusammenhang beschlossen die Delegierten des 22. Parteitages, der vom 2. bis 4. März 2018 in Frankfurt am Main stattfand, einen Antrag des Parteivorstands zur Unvereinbarkeit der gleichzeitigen Mitgliedschaft in der DKP und im "Netzwerk kommunistische Politik". Allerdings hatte eine stellvertretende Parteivorsitzende bereits zuvor in ihrer Rede betont, dass ein möglicher Unvereinbarkeitsbeschluss eine politische Feststellung und kein Ausschluss von Mitgliedern sei und "nicht automatisch" Parteiordnungsverfahren nach sich ziehen würde. Die Funktionärin stellte in ihrer Rede ebenfalls fest, die Stärkung der DKP sei zu einer "Existenzfrage" der Partei geworden. Die DKP habe es - auch ohne die Austritte im Rahmen der innerparteilichen 135 LINKSEXTREMISMUS Auseinandersetzungen - nach wie vor mit sinkenden Mitgliederzahlen zu tun. Vom 7. bis 9. September 2018 fand in Dortmund das 20. Pressefest des Zentralorgans der DKP, der Wochenzeitung "unsere zeit" (UZ), statt. Im Hinblick auf die Veranstaltung hatte der Parteivorsitzende Patrik Köbele gegenüber der linksextremistischen Tageszeitung "junge Welt" (jW) die Geschichte der kommunistischen Parteien in Deutschland gelobt: "Vor 100 Jahren wurde die KPD gegründet, in deren Tradition wir stehen und die nicht nur von den Faschisten, sondern auch in der BRD im Jahr 1956 von Adenauer verboten wurde. Außerdem lässt sich auch feststellen, dass die Kommunisten die einzige Kraft sind, die in diesen hundert Jahren immer auf der richtigen Seite gestanden haben. Das gilt für die KPD, die SED, die SEW und die DKP." ("junge Welt" vom 11. August 2018) 2. "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Die streng maoistisch-stalinistisch ausgerichtete MLPD tritt dafür ein, "die kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung abzuschaffen", um eine sozialistische Gesellschaft als Übergangsform einer klassenlosen kommunistischen Gesellschaft zu etablieren. Dabei orientiert sie sich an klassisch marxistisch-leninistischen Schriften sowie an den Ideen Mao Zedongs. Die finanzielle Lage der MLPD ist seit Jahren auffallend gut. Die Partei verfügt über ein unverhältnismäßig hohes Spendenaufkommen, welches nach eigenen Angaben im hohen sechsstelligen Bereich lag. Betrachtet man die Summe der jährlichen Mitgliedsbeiträge, dürfte ihr Mitgliederpotenzial deutlich höher einzuschätzen sein als bisher angenommen und bei mindestens 2.800 Mitgliedern liegen. Ein Schwerpunkt in der Parteiarbeit war der Aufbau des neuen MLPD-Landesverbands in Thüringen im Frühjahr 2018 und die bevorstehende Kandidatur zu den Landtagswahlen im Herbst 2019. 136 LINKSEXTREMISMUS Die innerparteiliche Jugendarbeit stellt für die Partei einen elementaren Baustein zum Aufbau und Erhalt der MLPD dar. Durch gezielte Schulungen und Freizeitaktivitäten versucht die MLPD, Jugendliche an ihr Parteileben zu binden. In einem Interview betonte die Parteivorsitzende Gabi Fechtner die besondere Wichtigkeit der Jugendarbeit: "Auch und gerade in der Jugendarbeit ist die Kaderarbeit das A und O. (...) Diese Kaderarbeit ist auch der eigentliche Kern der marxistisch-leninistischen Jugendarbeit als Massentaktik des Parteiaufbaus. Diese Kaderarbeit zum selbstverständlichen Bestandteil jeder Tätigkeit jedes Parteimitglieds zu machen, ist eine Kernfrage dessen, WIE gearbeitet wird." ("Rote Fahne - Magazin der MLPD" Nr. 01/2018 vom 5. Januar 2018) In der linksextremistischen Szene ist die MLPD nach wie vor isoliert. Andere linksextremistische Parteien, wie zum Beispiel die DKP, betrachtet sie als "Hauptträger des modernen Revisionismus in Deutschland". Damit wird letztlich der Vorwurf einer Abkehr von der marxistischen Ideologie und der Verhinderung einer kommunistischen Gesellschaft an andere linksextremistische Gruppierungen formuliert. 3. "Sozialistische Gleichheitspartei" (SGP) Die trotzkistisch geprägte SGP bildet die deutsche Sektion des "Permanente trotzkistischen Dachverbands "Internationales Komitee der VierRevolution" ten Internationale" (IKVI). Die SGP sieht als Ziel die "Beseitigung der Klassengesellschaft und der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen mit dem Ziel der Schaffung einer 'neuen (kommunistischen) Gesellschaft auf unserem ganzen Planeten'" an. Die SGP folgt dabei grundsätzlich der trotzkistischen Theorie von einer sozialistischen Revolution als weltweitem ständigen Prozess unter Führung von Arbeiterräten ("Permanente Revolution"). Durch Kandidatur bei Wahlen sowie durch Vortragsveranstaltungen versucht die Partei ihre politischen Vorstellungen durchzusetzen. Auf einem außerordentlichen Parteitag am 20. und 21. Oktober 2018 beschloss die SGP ihre Teilnahme an der Europawahl 137 LINKSEXTREMISMUS am 26. Mai 2019 und wählte die Kandidaten für die bundesweite Wahlliste. V. Rolle des Internets und der sozialen Medien Neben der Verbreitung ihrer Ideologie ist es das Ziel von Linksextremisten, durch die Nutzung von sozialen Medien auch gewaltsame Aktionsformen gegenüber weiten Teilen der Gesellschaft zu vermitteln. Hierfür werden sowohl Medien mit ausschließlich linksextremistischer Zielrichtung als auch nicht extremistische Medien eingesetzt beziehungsweise instrumentalisiert. Linksextremisten nutzen zur öffentlichkeitswirksamen Verbreitung ihrer Botschaften verschiedene Formate, wie klassische Printmedien (beispielsweise Zeitungen und Zeitschriften) oder Onlinemedien (Internetplattformen, Blogs oder soziale Medien wie den Kurznachrichtendienst Twitter oder das Videoportal YouTube). Gerade das Internet spielt aufgrund seiner vermeintlichen Anonymität, der schnellen Verbreitungsmöglichkeiten von Botschaften und der breiten Nutzergemeinschaft eine wesentliche Rolle für die Einflussnahme auf die öffentliche Meinungsbildung. So versuchen insbesondere gewaltorientierte Linksextremisten im Nachgang staatlicher Maßnahmen - beispielsweise aufgrund gewaltsamer Ausschreitungen bei Demonstrationen - regelmäßig die Deutungshoheit über ein Ereignis zu erlangen: So werden zum Beispiel gewalttätige Demonstrationsteilnehmer und Straftäter zu Opfern "staatlicher Repression" stilisiert. Neben der Verbreitung über die linksextremistischen Medien soll diese "Opferrolle" auch in nicht extremistischen Medien öffentlichkeitswirksam platziert und ein vermeintlich unverhältnismäßiges Handeln staatlicher Organe thematisiert werden. Tatsächlich gelingt es Linksextremisten immer wieder, auf diese Weise auch über die Berichterstattung in konventionellen Medien wie Zeitungen und Fernsehen eine große Reichweite für linksextremistische Argumentationsmuster und Ideologien zu erzielen. Auswirkungen Zu den linksextremistischen Medien zählte bis zu ihrem Verbot im des Verbots von August 2017 die Internetplattform "linksunten.indymedia". Sie "linksunten. fungierte als das wichtigste Medium im gewaltorientierten Linksindymedia" extremismus in Deutschland. 138 LINKSEXTREMISMUS Das Verbot war das erste einer linksextremistischen Vereinigung seit Inkrafttreten des Vereinsgesetzes im Jahr 1964. Auf dem Portal erschienen regelmäßig Beiträge mit strafbaren und verfassungsfeindlichen Inhalten. Zudem lief fast die gesamte Mobilisierungskampagne gegen den G20-Gipfel in Hamburg über "linksunten.indymedia". Auf dem Portal hatten zahlreiche Texte dafür geworben, Straftaten im Kontext des Gipfels zu begehen, darunter Angriffe auf Beamte, Gebäude und Fahrzeuge der Polizei. Im Anschluss daran stieg die Zahl linksextremistischer Beiträge auf anderen Internetseiten merklich an. Beispielsweise erscheinen seitdem auf der von Linksextremisten genutzten Internetplattform "de.indymedia" regelmäßig Beiträge mit eindeutig linksextremistischem Inhalt, darunter Gewaltaufrufe und Selbstbezichtigungsschreiben zu linksextremistisch motivierten Straftaten. Seitens der Betreiber von "de.indymedia" wird es vielfach unterlassen, einschlägige Selbstbezichtigungsschreiben und damit oftmals verbundene weitere Gewaltaufrufe von der Internetplattform zu entfernen, obwohl grundsätzlich eine Moderation eingestellter Beiträge stattfindet. Ein markantes Beispiel für ein solches Unterlassen liefert ein in seiner Aggressivität nicht alltäglicher Beitrag, in dem zu Gewalttaten gegen zwei führende Persönlichkeiten zweier großer deutscher Medienunternehmen aufgerufen wird: "(...) Diese klägliche und korrupte noch nicht beendete Existenz ist ebenfalls so wertlos wie die der [Name genannt] (...) Zu Zeiten als in Berlin auf Benno Ohnesorg geschossen wurde, sind gestandene Menschen aufgestanden und haben nach dem Vorbild von Mao Tse Tung einen legitimen Widerstand geleistet. (...) Es gibt genug Möglichkeiten sich zu bewaffnen. So gibt es im Internet ausreichend Anleitungen zum Herstellen von Sprengmittel. (...) Damit können wir deren Personal (...) töten. Ihnen die Stromkästen detonieren lassen. Somit treffen wir sie. (...) Worauf wir verzichten sollten sind Bekennerschreiben. Das war eine Schwachstelle der Roten Armee Fraktion. Wir lernen aus deren Fehlern." (Internetplattform "de.indymedia", 1. Mai 2018) Die Formulierung "diese klägliche und korrupte noch nicht beendete Existenz" stammt fast wörtlich aus dem Tatbekenntnis der 139 LINKSEXTREMISMUS linksterroristischen Gruppierung "Rote Armee Fraktion" zur Tötung von Hanns Martin Schleyer im Jahr 1977. Darin hieß es: "Wir haben nach 43 Tagen Hanns Martin Schleyers klägliche und korrupte Existenz beendet." VI. Gefährdungspotenzial Auch das Jahr 2019 bietet nach jetzigem Stand keinen übergeordneten Protestanlass, der die langfristige Fokussierung des gewaltorientierten linksextremistischen Spektrums auf ein Großereignis ermöglichen würde. Daher dürfte sich die konfrontative Gewalt weiterhin primär auf regionale Demonstrationslagen konzentrieren. Gleiches kann für klandestine Aktionen angenommen werden. Diese sind insbesondere im Zusammenhang mit lokalpolitischen Themen oder - auch eingebettet in überregionale beziehungsweise bundesweite militante Kampagnen - mit tagesaktuellen Ereignissen zu erwarten. Im Aktionsfeld "Antifaschismus", das seinen unverändert hohen Stellenwert im autonomen Linksextremismus beibehält, wird auch das Agieren des politischen Gegners im Zusammenhang mit den anstehenden Europaund Landtagswahlen kurzfristige Mobilisierungen und entsprechende Resonanzstraftaten nach sich ziehen. Das Aktionsfeld "Antirepression" wird sich voraussichtlich auch im Jahr 2019 weiter als Schwerpunkt autonomer Militanz etablieren. Der Staat und seine Repräsentanten gelten insbesondere dem autonomen Spektrum als größte Bedrohung ihrer Freiräume und ihrer politischen Bestrebungen. Die Erweiterung des Repressionsbegriffs auf digitale Infrastrukturen bietet zudem neue Begründungszusammenhänge und ein größeres Zielspektrum. Militante Aktionen, die der unmittelbaren Abwehr hoheitlicher Eingriffe dienen oder der Öffentlichkeit ein als illegitim empfundenes Handeln des Staates aufzeigen sollen, können dadurch flexibler geplant und spontaner durchgeführt werden. Da die als negativ empfundenen Folgen der Digitalisierung außerdem gesamtgesellschaftliche Wirkung entfalten und sich nicht exklusiv und gezielt gegen Linksextremisten richten, eröffnet das 140 LINKSEXTREMISMUS erweiterte Verständnis des Aktionsfeldes "Antirepression" neue Möglichkeiten, sich auch mit dem zivilgesellschaftlichen Spektrum zu vernetzen. Auch das Aktionsfeld "Antigentrifizierung" gilt in Ballungsräumen als gesellschaftlich besonders anschlussfähig. Zwar ist auch hier bisher in 2019 kein größeres Ereignis ersichtlich, das in diesem Aktionsfeld eine langfristige bundesweite Mobilisierungskampagne anstoßen könnte. Allerdings könnten unter anderem die Räumung von Szeneobjekten oder Veröffentlichungen über Projekte von Immobilienunternehmen im Umfeld von Szenevierteln lokale, regionale und bundesweite Resonanzstraftaten nach sich ziehen. Grundsätzlich gilt, dass die linksextremistische Szene in Deutschland versucht, sich durch ihre intensiven Vernetzungsbestrebungen aktionsfähig und schlagkräftig zu präsentieren. Dies geschieht zum Beispiel bei Protestaktionen im Kontext der Klimapolitik, wo das Aktionsbündnis "Ende Gelände" auch 2019 seine Kampagne im Hambacher Forst fortsetzen wird. Zudem wird "Ende Gelände" versuchen, die Klimathematik auf andere Regionen, wie beispielsweise das Braunkohlerevier in der Niederlausitz, auszuweiten. Auch die Vernetzungen des linksextremistischen Spektrums ins Ausland erhöhen die Kampagnenfähigkeit der Szene. Intensive Kontakte in das ausländerextremistische Spektrum existieren vor allem im Kontext der Kurdistansolidarität, bei der sich auch die Vernetzung in den dogmatischen Linksextremismus manifestiert. Der dogmatische Linksextremismus und insbesondere die linksextremistischen Parteien sind trotz fehlender Relevanz im politischen Meinungsdiskurs durchaus in der Lage, alte und neue Anhänger mit linksextremistischen Themen und Ideologien zu indoktrinieren und als "geistige Brandstifter" einen Nährboden sowie eine Rechtfertigungsbasis für potenzielle Gewalttaten zu bereiten. 141 LINKSEXTREMISMUS VII. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 1. "Interventionistische Linke" (IL) Gründung: Ende 2005 Mitglieder/Anhänger in 1.000 (2017: 850) Deutschland: in 33 Ortsgruppen Publikationen/Medien: "Arranca!" (Zeitschrift, halbjährlich, Auflage: 1.500) sowie verschiedene, aktionsabhängig unregelmäßig erscheinende Publikationen Die "Interventionistische Linke" (IL) wurde 2005 als bundesweites Netzwerk mit dem Ziel einer verbindlichen "Organisierung" autonomer Gruppierungen und Aktivisten gegründet. Mit der Veröffentlichung des "Zwischenstandspapiers" im Oktober 2014 wurde diese Phase abgeschlossen und die IL zu einer bundesweiten Organisation umgeformt. Statt wie zuvor nur anlassbezogen unter einem gemeinsamen IL-Label zu agieren, kann mit Gründung von überwiegend einheitlich benannten Ortsgruppen deren lokales Handeln nun eindeutig als Handeln der IL wahrgenommen werden. Die IL bemüht sich in Bündnissen und Initiativen um eine kampagnenorientierte Zusammenführung linksextremistischer Akteure unterschiedlicher ideologischer Prägung zugunsten einer erhöhten Handlungsfähigkeit sowohl in Deutschland als auch in internationalen Kampagnen und Netzwerken. Die IL fungiert dabei als Scharnier zwischen militanten Gruppierungen und nicht gewaltorientierten Linksextremisten beziehungsweise nicht extremistischen Gruppen und Initiativen. Die Einstellung zur Gewalt ist taktisch geprägt; sie wird nicht grundsätzlich abgelehnt. Da die IL auf die Überwindung des "Kapitalismus" mittels eines revolutionären Umsturzes zielt, bildet der "Antikapitalismus" einen ideologischen Schwerpunkt. 142 LINKSEXTREMISMUS 2. "...ums Ganze! - kommunistisches Bündnis" (uG) Gründung: 2006 Mitglieder/Anhänger in 330 (2017: 250) Deutschland: in zwölf Ortsgruppen aus neun Bundesländern. Hinzu kommt eine Gruppe aus Österreich. Publikationen/Medien: "mole" (englisch: "Maulwurf"; Zeitung, erscheint unregelmäßig, zuletzt im April 2016) Mitgliedsgruppen: "Theorie Organisation Praxis" (Berlin) "AGB - Antifaschistische Gruppe Bremen" (Bremen) "Basisgruppe Antifaschismus (BA)" (Bremen) "critique'n'act" (Dresden, Sachsen) "Kritik&Praxis" (Frankfurt am Main, Hessen) "Redical [M]" (Göttingen, Niedersachsen) "Fast Forward" (Hannover, Niedersachsen) "Antifa AK Köln" (Köln, Nordrhein-Westfalen) "the future is unwritten" (Leipzig, Sachsen) "antifant - Autonome Antifa München" (München, Bayern) "...resist!" (Saarbrücken, Saarland) "LevelUP" (Tübingen, Baden-Württemberg) "autonome antifa [w]" (Wien, Österreich) 143 LINKSEXTREMISMUS Das 2006 gegründete Bündnis "...ums Ganze!" (uG) ist ein Zusammenschluss eigenständiger, lokal verankerter Gruppen der autonomen Szene, die ihre Kräfte bündeln, um überregional handlungsfähig zu sein. Das Bündnis bezeichnet sich als ein "kommunistisches Bündnis" und beschreibt damit seinen ideologischen Hintergrund. Wenig verklausuliert fordert es die "revolutionäre" Aufhebung des "Kapitalismus", das heißt die Zerschlagung von Rechtsstaat und Demokratie. Es sieht im "Kapitalismus" das nicht reformierbare Grundübel der Menschheit, das es bedingungslos zu bekämpfen und mitsamt seinem Staatssystem durch eine Revolution zu überwinden gelte. Erst dann sei die Errichtung einer kommunistischen Ordnung möglich. Das Bündnis betreibt die bundesweite Kampagne "Nationalismus ist keine Alternative" im Aktionsfeld "Antifaschismus". Zudem betätigt es sich in den Aktionsfeldern "Antirassismus" und "Antigentrifizierung". 144 LINKSEXTREMISMUS 3. "Perspektive Kommunismus" (PK) Gründung: April 2014 Mitglieder/Anhänger in 40 (in drei eigenständigen OrganisaDeutschland: tionen) Publikationen/Medien: Unregelmäßig erscheinende Schriften 2018: "1. Mai Zeitung - Für eine revolutionäre Perspektive" und Broschüre "Die Novemberrevolution in Deutschland 1918" Mitgliedsgruppen: "Antikapitalistische Linke München" "Revolutionäre Aktion Stuttgart" "Linke Aktion Villingen-Schwenningen" Die "Perspektive Kommunismus" (PK) wird von drei eigenständigen Organisationen (2017: fünf) aus dem Linksextremismus getragen, die sich selbst als lokal verortet bezeichnen. Die einzelnen aktiven Organisationen in Baden-Württemberg und Bayern orientieren sich ideologisch am Marxismus-Leninismus und einzelnen trotzkistischen Elementen. Der "Kapitalismus" müsse, so die ideologische Ausrichtung, "revolutionär überwunden und damit auch sein bürgerlicher Staat abgeschafft werden". Ziel sei der "Aufbau des Sozialismus hin zu einer befreiten, einer kommunistischen, klassenlosen Gesellschaft". Der Zusammenschluss strebt nach einer Vernetzung gleich gesinnter linksextremistischer Akteure zu einer "bundesweiten, aktionsorientierten und revolutionären, kommunistischen Organisation". Die organisatorische Entwicklung ist derzeit rückläufig. Im Jahr 2018 beteiligte sich der Zusammenschluss erneut an den jährlichen Protesten zum "Revolutionären 1. Mai", mobilisierte gegen die Münchener Sicherheitskonferenz und gegen den Bundesparteitag der Alternative für Deutschland in Augsburg (Bayern). 145 LINKSEXTREMISMUS 4. "Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) Gründung: 1968 Sitz: Essen (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Patrik Köbele Mitglieder/Anhänger 2.850 (2017: 3.000) in Deutschland: Publikationen/Medien: "unsere zeit" (Zeitung, wöchentlich) "Marxistische Blätter" (Theoriemagazin, zweimonatlich) Jugendorganisation: "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) 146 LINKSEXTREMISMUS Das zentrale Ziel der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) ist der "grundlegende Bruch mit den kapitalistischen Eigentumsund Machtverhältnissen" und die Errichtung einer sozialistischen/ kommunistischen Gesellschaft. Die DKP versteht sich als politische Nachfolgerin der 1956 durch das Bundesverfassungsgericht verbotenen "Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD). Sie betont zudem, dass sie stets eng verbunden war mit der damaligen "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED). Seit 2009 herrscht in der DKP ein innerparteilicher Richtungsstreit über die künftige ideologische Ausrichtung und Strategie der Partei, der seit 2017 zu zahlreichen Mitgliederaustritten führte. Die dominierende "Parteilinke" votiert für die unbedingte Rückkehr zur unverfälschten Lehre des Marxismus-Leninismus. Demgegenüber hält die innerparteiliche Opposition um das "Netzwerk kommunistische Politik" (hervorgegangen aus dem Verein "marxistische linke e.V.") an den sogenannten Politischen Thesen von 2010 fest. In diesen Thesen wurden die Bedeutung der Arbeiterklasse als revolutionäres Subjekt sowie die Avantgarderolle der Partei relativiert und dafür plädiert, in allen fortschrittlichen Bewegungen mitzuarbeiten. Die DKP bekennt sich ausdrücklich dazu, eine "marxistischleninistische Partei" zu sein. Bei Wahlen erzielt sie - sofern sie antritt - keine nennenswerten Erfolge. Die DKP betätigt sich hauptsächlich in den Aktionsfeldern "Antifaschismus", "Antimilitarismus" und "Antikapitalismus". 147 LINKSEXTREMISMUS 4.1 "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) Gründung: 1968 Sitz: Essen (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Lena Kreymann Mitglieder/Anhänger 670 (2017: 750) in Deutschland: Publikationen/Medien: "POSITION" (Magazin, zweimonatlich) 148 LINKSEXTREMISMUS Der marxistisch-leninistisch orientierte Jugendverband "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) ist formal unabhängig, betrachtet sich aber als Nachwuchsorganisation der DKP. Der in der DKP herrschende Richtungsstreit führte seit 2017 auch in der SDAJ zu zahlreichen Mitgliederaustritten. Ziel der SDAJ ist die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft. In der 2018 in Kraft getretenen Satzung der Organisation heißt es: "Die SDAJ kämpft für die Abschaffung des Kapitalismus und für eine sozialistische Gesellschaft. (...) Sie sieht die Kommunistinnen und Kommunisten als notwendige Kraft, um den gemeinsamen Kampf aller Werktätigen zu organisieren (...)." (Satzung der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend vom 24. April 2018) Die SDAJ sieht in der Bündnispolitik eine entscheidende Voraussetzung für den revolutionären Kampf. Bei der Wahl ihrer Bündnispartner schließt sie gewaltbereite Linksextremisten nicht aus. Die Akteure bemühen sich durch nachhaltige Agitation in Theorie (u.a. Aufrufe, Erklärungen, Solidaritätsbekundungen) und Praxis (u.a. Beteiligung an Demonstrationen, Veranstaltungen, Aktions-/Blockadetrainings) darum, ihre politischen Ansichten öffentlichkeitswirksam zu bewerben und die "revolutionären Kräfte" in Deutschland zu stärken, um auf diese Weise den Boden für eine künftige Systemänderung zu bereiten. Neben den Aktionsfeldern, in denen sich auch die DKP betätigt, liegt der Fokus der SDAJ auch auf der Schulund Jugendpolitik. Die SDAJ richtet traditionell im Zweijahresrhythmus stattfindende sogenannte Pfingstcamps aus. 149 LINKSEXTREMISMUS 5. "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Gründung: 1982 Sitz: Gelsenkirchen (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Gabi Fechtner (geb. Gärtner) Mitglieder/Anhänger 2.800 (2017: 1.800) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Rote Fahne" (Magazin, zweiwöchentlich) Jugendorganisation: "REBELL" Die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) hält streng an ihrer maoistisch-stalinistischen Ausrichtung fest und strebt eine kommunistische Gesellschaft an. Es bedürfe eines "revolutionären Sturzes der Diktatur des Monopolkapitals und der Errichtung der Diktatur des Proletariats, um den Sozialismus als Übergangsstadium zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft" aufzubauen. Die MLPD ist dogmatisch geprägt. Die im Vergleich zum Vorjahr höher angegebene Mitgliederzahl beruht auf einer Neubewertung unter Einbeziehung u.a. der Mitgliedsbeiträge, aufgrund deren Höhe das Mitgliederpotenzial deutlich höher sein dürfte, als es aufgrund der bisherigen Erkenntnisse angenommen wurde. Das Parteiorgan "Rote Fahne Magazin" berichtete in seiner Ausgabe vom 16. Februar 2018 über die Gründung eines neuen Landesverbands in Thüringen. Dieser hat bereits seine Kandidatur zu den Landtagswahlen 2019 in Thüringen gegenüber dem Landeswahlleiter angezeigt. Die MLPD sieht in der Jugendarbeit einen elementaren Baustein für die Zukunft der Partei. Laut eigenen Angaben sei die Jugend "das größte Reservoir neuer Kräfte für den Kampf gegen den Kapitalismus und für den Parteiaufbau". Mittels gezielter ideologischer Schulungen soll den Jugendlichen dabei die politische Arbeit einer streng maoistisch-stalinistisch orientierten Partei vermittelt werden. Die MLPD ist in der linksextremistischen Szene weitgehend isoliert und betrachtet unter anderem Parteien wie die DKP und DIE LINKE als "Hauptträger des modernen Revisionismus in Deutschland". 150 LINKSEXTREMISMUS 5.1 "REBELL" Gründung: 1992 Sitz: Gelsenkirchen (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Sprecherrat (bis Frühjahr 2018) Anna Vöhringer (seit Frühjahr 2018) Mitglieder/Anhänger 150 (2017: 100) in Deutschland: Publikationen/Medien: Magazin "REBELL" (Zeitschrift, zweimonatlich) Wie die Mutterpartei MLPD ist auch ihr Jugendverband "REBELL" maoistisch-stalinistisch ausgerichtet und streitet "für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung der werktätigen Massen". Unter ideologischer Anleitung und Führung der MLPD setzt sich "REBELL" für eine sozialistische Gesellschaft als Vorstufe einer klassenlosen, kommunistischen Gesellschaft ein. Im Frühjahr 2018 wählte der 13. Verbandsdelegiertentag Anna Vöhringer zur neuen Vorsitzenden von "REBELL"; sie löst damit den bisherigen Sprecherrat ab. Gemeinsam mit dem Verein "Rebellisches Musikfestival e.V." organisierte "REBELL" vom 18. bis 20. Mai 2018 ein Musikfestival in Truckenthal (Thüringen), an dem rund 1.100 Besucher teilnahmen. Auf der Veranstaltung trat unter anderem die türkische Musikgruppe "Grup Yorum" auf, die ein integraler Bestandteil der in Deutschland mit einem Organisationsverbot belegten und auf der EU-Terrorliste geführten türkischen "Revolutionären Volksbefreiungspartei - Front" (DHKP-C) ist. 151 LINKSEXTREMISMUS 6. "Sozialistische Gleichheitspartei" (SGP), deutsche Sektion des "Internationalen Komitees der Vierten Internationale" (IKVI) (Abspaltung der "Vierten Internationale") Gründung: 2017 (vormals PSG bzw. BSA) Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: Ulrich Rippert (Parteivorsitzender seit 1971) Mitglieder/Anhänger 271 (2017: 261) in Deutschland: Publikationen/Medien: "World Socialist Web Site" (Onlinepublikation) Die "Sozialistische Gleichheitspartei" (SGP) ist eine Nachfolgepartei des 1971 gegründeten "Bund Sozialistischer Arbeiter" (BSA). Aus dem BSA hatte sich zunächst von 1997 bis 2017 die "Partei für Soziale Gleichheit" (PSG) formiert, die sich während ihres Parteitages im Februar 2017 in Berlin in SGP umbenannte. Die SGP erkennt die politische Autorität des trotzkistischen Dachverbands "Internationales Komitee der Vierten Internationale" (IKVI) an und folgt damit grundsätzlich der traditionellen trotzkistischen Theorie von einer sozialistischen Revolution als weltweitem ständigen Prozess unter Führung von Arbeiterräten ("Permanente Revolution"). Die Agitation der SGP richtet sich schon in ihrer Programmatik gegen die bestehende, pauschal als "Kapitalismus" verunglimpfte staatliche und gesellschaftliche Ordnung, gegen die Europäische Union (EU), gegen vermeintlichen Nationalismus, Imperialismus und Militarismus sowie gegen die Sozialdemokratie, Gewerkschaften und auch gegen die Partei DIE LINKE. Durch die Kandidatur bei Wahlen sowie durch Vortragsveranstaltungen, versucht die Partei für ihre politischen Vorstellungen öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen. Auf ihrem Parteitag vom 20. bis 21. Oktober 2018 beschloss die SGP, an der Europawahl im Mai 2019 teilzunehmen und wählte die Kandidaten für die bundesweite Wahlliste. 152 LINKSEXTREMISMUS 7. "Rote Hilfe e.V." (RH) Gründung: 1975 Sitz: Göttingen (Niedersachsen) Bundesgeschäftsstelle Mitglieder/Anhänger 9.200 (2017: 8.300) in Deutschland: in 49 Ortsgruppen Publikationen/Medien: "DIE ROTE HILFE" (Zeitschrift, vierteljährlich und als Onlinemagazin) Die "Rote Hilfe e.V." (RH) definiert sich laut Satzung als eine "parteiunabhängige strömungsübergreifende linke Schutzund Solidaritätsorganisation". Sie leistet Strafund Gewalttätern aus dem linksextremistischen Spektrum politische und finanzielle Unterstützung, beispielsweise bei anfallenden Anwaltsund Prozesskosten sowie bei Geldstrafen und Geldbußen. Ferner versucht die RH, durch eine meinungsbildende Öffentlichkeitsarbeit (Publikationen, Vorträge, Demonstrationen) die Sicherheitsund Justizbehörden sowie die rechtsstaatliche Demokratie zu diskreditieren. Dazu organisiert sie unter anderem Informationsund Diskussionsveranstaltungen zu Themenfeldern wie "staatlicher Repression" und fordert dazu auf, grundsätzlich die Zusammenarbeit mit Sicherheitsund Strafverfolgungsbehörden bei der Aufklärung von Straftaten zu verweigern. Darüber hinaus betreut die RH rechtskräftig verurteilte Straftäter während ihrer Haft, um diese weiter beziehungsweise stärker an die "Bewegung" zu binden. Beispielsweise hält sie persönlichen Kontakt zu Inhaftierten, um sie zum "Weiterkämpfen" zu motivieren. Zur Struktur der RH gehört das "Hans-Litten-Archiv e.V.", das am 18. Februar 2005 in Göttingen gegründet worden ist und sich nach seiner Satzung selbst als "Rote-Hilfe-Archiv" bezeichnet. 153 LINKSEXTREMISMUS 8. "GegenStandpunkt" (GSP) Gründung: 1992 Sitz: München (Bayern) Leitung/Vorsitz: Zentralredaktion des Verlags Dr. Peter Decker (verantwortlicher Redakteur) Mitglieder/Anhänger 3.000 (2017: 3.000) in Deutschland: Publikationen/Medien: "GegenStandpunkt - Politische Vierteljahreszeitschrift" Die sektenartig organisierte Gruppe "GegenStandpunkt" (GSP) vertritt eine modifizierte Marxismus-Konzeption mit antiimperialistischen und antinationalen Elementen. Sie lehnt die parlamentarische Demokratie als "perfekte Form bürgerlicher Herrschaft" ab. Ihr Ziel ist die Errichtung einer sozialistischen beziehungsweise kommunistischen Gesellschaft durch die revolutionäre Überwindung der gegenwärtigen Staatsund Gesellschaftsordnung. Aufgrund ihres elitären Marxismus-Verständnisses ist die Gruppierung in der linksextremistischen Szene weitgehend isoliert. So findet beispielsweise keine Kampagnenarbeit mit anderen linksextremistischen Zusammenschlüssen statt. GSP betreibt ihre Mitgliedergewinnung überwiegend an Hochschulen. Ihre Aktivitäten bestehen vorrangig in der Erarbeitung und Vermittlung theoretischen Wissens. Außerdem organisiert GSP sowohl interne als auch öffentliche Vortragsund Diskussionsveranstaltungen zur Theorieschulung der Anhänger beziehungsweise zur Verbreitung ihrer spezifischen Ideologie. Das angeblich "systemtragende" falsche Bewusstsein in der Gesellschaft soll verändert und gleichzeitig Überzeugungsarbeit in Sachen Kommunismus geleistet werden. 154 LINKSEXTREMISMUS 9. "Sozialistische Alternative" (SAV), deutsche Sektion des internationalen Dachverbandes "Committee for a Worker's International" (CWI) mit Sitz in London Gründung: 1994 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: Eine aus fünf "gleichberechtigten BundessprecherInnen" bestehende Bundesleitung Mitglieder/Anhänger 300 (2017: 300) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Solidarität" (Zeitung, monatlich) "sozialismus.info" (Theoriemagazin, vierteljährlich) Die trotzkistische "Sozialistische Alternative" (SAV) verfolgt das Ziel, eine kommunistische Gesellschaft zu erschaffen. Sie versucht, dies über den Aufbau einer "revolutionär-sozialistischen Massenorganisation" zu erreichen und strebt die Einheit aller revolutionärmarxistischen Kräfte in einer "Internationale" an. Die SAV versteht sich als "revolutionäre, sozialistische Organisation in der Tradition von Marx, Engels, Lenin, Trotzki, Luxemburg und Liebknecht". Die SAV bedient sich der Strategie des Entrismus: Ihre Mitglieder agieren vorwiegend im extremistischen Zusammenschluss "Antikapitalistische Linke" (AKL) der Partei DIE LINKE, um Einfluss auf die Partei nehmen zu können. Die SAV beteiligte sich auch 2018 in den Aktionsfeldern "Antifaschismus", "Antirassismus" und "Antiglobalisierung" sowie an den jährlichen "Revolutionären 1. Mai"-Demonstrationen in Berlin. Die SAV richtet eigene Seminare und Diskussionsrunden aus, insbesondere die jährlich in Berlin stattfindenden "Sozialismustage" mit nach eigenen Angaben rund 500 Besuchern aus dem Inund Ausland. 155 LINKSEXTREMISMUS 10. "Gruppe ArbeiterInnenmacht" (GAM), deutsche Sektion der "Liga für die Fünfte Internationale" (L5I) mit Sitz in London Gründung: 1982 (seit 2003 Mitglied der L5I) Sitz: Berlin Mitglieder/Anhänger 50 (2017: 40) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Neue Internationale" (Zeitung, monatlich) "Revolutionärer Marxismus" (Theoriemagazin, jährlich, zuletzt erschienen 2017) Seit dem 1. Juli 2017 trägt die trotzkistische Gruppierung den Namen "Gruppe ArbeiterInnenmacht" (GAM), nachdem sie sich zuvor "Gruppe Arbeitermacht" (GAM) nannte. Sie gehört dem internationalen trotzkistischen Dachverband "Liga für die Fünfte Internationale" (L5I) an. Das Ziel der GAM ist die Schaffung einer kommunistischen Gesellschaft trotzkistischer Prägung. Die klassenlose Gesellschaft soll durch eine sozialistische Weltrevolution erreicht werden. Die GAM arbeitet schwerpunktmäßig im außerparlamentarischen Raum, insbesondere beschäftigt sie sich mit gewerkschaftlicher Arbeit in Betrieben. Sie rekrutiert Mitglieder meist über die ihr nahestehende Jugendorganisation "REVOLUTION" (REVO). Die GAM nimmt regelmäßig an bundesweiten Protestaktionen und Kampagnen teil, insbesondere im Kontext der Aktionsfelder "Antiglobalisierung" und "Antifaschismus" sowie der jährlichen "Revolutionären 1. Mai"-Demonstrationen in Berlin. Teilnahmen erfolgten unter anderem an den Demonstrationen gegen den Kohleabbau im Oktober 2018 in Buir (Nordrhein-Westfalen) und den Klimaschutz-Demonstrationen im Dezember 2018 in Berlin und Köln (Nordrhein-Westfalen). In diesem Zusammenhang beteiligt sie sich an lokalen Bündnissen. Die Gruppierung bietet bei diversen Veranstaltungen, wie Lesekreise und Vortragsreihen, die Möglichkeit zur Diskussion und Schulung. Für die Außendarstellung der Organisation ist das jährlich stattfindende "Sommercamp" von besonderer Bedeutung. 2018 stand es unter dem Motto "Revolutionärer Internationalismus" und wurde unter anderem gemeinsam mit REVO durchgeführt. Nach eigenen Angaben nahmen an der Veranstaltung in der Vergangenheit insgesamt rund 100 Personen teil. 156 LINKSEXTREMISMUS 10.1 "REVOLUTION" (REVO), Jugendorganisation der "Gruppe ArbeiterInnenmacht" (GAM) Gründung: 1999 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: Exekutivkomitee (gewählt aus den 16 Mitgliedern der Sektionskonferenz) Mitglieder/Anhänger 60 (2017: 60) in Deutschland: Publikationen/Medien: "REVOLUTION" (Zeitung, unregelmäßig, 2018 eine Ausgabe) 157 LINKSEXTREMISMUS Die Gruppierung "REVOLUTION" (REVO) steht in der Tradition eines "undogmatischen und offenen Marxismus" und verfolgt das Ziel der Schaffung einer kommunistischen Gesellschaft trotzkistischer Prägung. Sie steht der "Gruppe ArbeiterInnenmacht" (GAM) politisch nahe und gehört ebenfalls dem internationalen trotzkistischen Dachverband "Liga für die Fünfte Internationale" (L5I) an. Die Altershöchstgrenze ist auf 30 Jahre begrenzt mit dem Ziel, im Anschluss in die GAM zu wechseln. In ihrem 2013 überarbeiteten "Manifest" fordert REVO offen den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung eigener Ziele. "REVOLUTION kämpft dafür, die kapitalistischen Staaten durch die Masse der Arbeiterklasse und der Armen zu stürzen, Gewalt wird ein Mittel sein müssen, um Zentren der kapitalistischen Macht endgültig zu zerbrechen - die Armee, die Polizei und die Geheimdienste." (Homepage "REVOLUTION", 7. Dezember 2017) REVO beteiligte sich 2018 an diversen Demonstrationen, insbesondere in den Aktionsfeldern "Kurdistansolidarität", "Antifaschismus" und "Antiglobalisierung" sowie an den "Revolutionären 1. Mai"Demonstrationen in Berlin. Wie in den Vorjahren führte REVO ein "1. Mai-Demotraining" durch und wirkte, auch im Hinblick auf die Akquirierung neuer Mitglieder, regelmäßig an Demonstrationen zum Thema Schulpolitik oder den sogenannten Schulstreiks mit, so unter anderem in Berlin am 21. Juni 2018 und in Kassel am 11. Dezember 2018. In diesem Zusammenhang beteiligte sich REVO auch an lokalen Bündnissen. Die Jugendorganisation veranstaltet gemeinsam mit der GAM jährlich ein "Sommercamp", das 2018 unter dem Motto "Revolutionärer Internationalismus" stand. 158 LINKSEXTREMISMUS 11. Extremistische Strukturen der Partei DIE LINKE 11.1 "Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE" (KPF) Gründung: Dezember 1989 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: Bundessprecherrat (vier Mitglieder) Mitglieder/Anhänger 1.200 (2017: 1.200) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Mitteilungen der Kommunistischen Plattform" (Zeitschrift, monatlich) Die "Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE" (KPF) ist der mitgliederstärkste extremistische Zusammenschluss in der Partei DIE LINKE. Ziel der KPF ist die Überwindung des Kapitalismus als Gesellschaftsordnung und der Aufbau einer kommunistischen Gesellschaft. In der Partei DIE LINKE ist die KPF die Gruppierung, die sich am deutlichsten zum Kommunismus sowie zu marxistisch-leninistischen Traditionen bekennt. Sie setzt sich für die Überwindung des "Kapitalismus" und den Aufbau des Sozialismus als Übergangsstadium zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft ein. Die KPF verteidigt die Existenz der DDR und sieht diesen "sozialistischen Versuch" als "historisch legitim" an. Zudem setzt sie sich für eine Bewahrung der "antikapitalistischen Grundhaltung" der Partei DIE LINKE ein. Die KPF betätigt sich hauptsächlich in den Aktionsfeldern "Antifaschismus", "Antimilitarismus" und "Antirassismus". Sie beteiligt sich regelmäßig an dem Bundestagswahlkampf der Partei. Zur Verbreitung ihrer politischen und ideologischen Ansichten gibt die KPF monatlich die "Mitteilungen der Kommunistischen Plattform" heraus. Diese weisen nach eigenen Angaben die politischen Positionen der KPF aus. 159 LINKSEXTREMISMUS 11.2 "Sozialistische Linke" (SL) Gründung: August 2006 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: "BundessprecherInnenrat" (elf Mitglieder) Mitglieder/Anhänger 836 (2017: 826) in Deutschland: Publikationen/Medien: "realistisch und radikal" (Debattenmagazin, unregelmäßig) Der extremistische Zusammenschluss "Sozialistische Linke" (SL) in der Partei DIE LINKE knüpft an "linkssozialistische und reformkommunistische Traditionen" an und vertritt neomarxistische Positionen. Ziel ist die Überwindung des Kapitalismus. Die DDR war für die SL "ein legitimer Versuch, auf deutschem Boden eine Alternative zum Kapitalismus aufzubauen". Aktionsfelder der SL sind gewerkschaftliche Themen, Umwelt und politische Bildungsarbeit. Des Weiteren richtet sie jährlich die "Sommerakademie" aus - eine öffentliche Veranstaltung, bei der die "Grundlagen linker Politik im und gegen den Kapitalismus" besprochen werden. Mitglieder der SL streben Funktionen in der Partei DIE LINKE an und versuchen, den ideologischen Kurs der Partei zu beeinflussen. 160 LINKSEXTREMISMUS 11.3 "Arbeitsgemeinschaft Cuba Si" (AG Cuba Si) Gründung: 1991 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: Koordinierungsrat Mitglieder/Anhänger 536 (2017: 536) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Cuba Si revista" (Zeitschrift, halbjährlich) Der als Arbeitsgemeinschaft beim Parteivorstand der Partei DIE LINKE organisierte extremistische Zusammenschluss AG Cuba Si tritt für eine uneingeschränkte politische und materielle Solidarität mit dem kubanischen Regime ein. Die dortige kommunistische Gesellschaftsordnung wird glorifiziert; eine kritische Auseinandersetzung mit den Menschenrechtsverstößen der kubanischen Regierung findet in der Regel nicht statt. Die AG Cuba Si unterhält Kontakte zu zahlreichen kubanischen Organisationen und Einrichtungen, unter anderem zur "Kommunistischen Partei Kubas" sowie zum "Kommunistischen Jugendverband Kubas". Der Ideologie des sozialistischen Internationalismus folgend führt die AG Cuba Si auch Solidaritätsaktionen zugunsten Kubas - wie zum Beispiel die Spendenkampagne "Kuba muss überleben" - sowie zugunsten anderer sozialistischer Staaten wie beispielsweise Venezuela durch. 161 LINKSEXTREMISMUS 11.4 "Antikapitalistische Linke" (AKL) Gründung: 2006 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: "BundessprecherInnenrat" (acht Mitglieder) Mitglieder/Anhänger 1.011 (2017: 933) in Deutschland: Publikationen/Medien: "aufmüpfig konsequent links" (Bulletin, unregelmäßig) Die seit 2012 als Bundesarbeitsgemeinschaft in der Partei DIE LINKE organisierte "Antikapitalistische Linke" (AKL) fordert einen "grundsätzlichen Systemwechsel" sowie die Überwindung der bestehenden kapitalistischen Gesellschaftsordnung durch einen "Bruch mit den kapitalistischen Eigentumsstrukturen". Wesentliche Aktionsfelder sind "Antikapitalismus", "Antiimperialismus", "Antifaschismus" und "Antimilitarismus". Verstärkt engagieren sich weiterhin Mitglieder der trotzkistischen "Sozialistischen Alternative" (SAV) in der AKL. Mitglieder der AKL (darunter auch SAV-Mitglieder) streben Funktionen in der Partei DIE LINKE an und versuchen - auch über das Einreichen von Anträgen - den ideologischen Kurs der Partei zu beeinflussen. 162 LINKSEXTREMISMUS 11.5 "Marxistisches Forum" (MF) Gründung: 1995 Sitz: Berlin Mitglieder/Anhänger 400 (2017: 400) in Deutschland: Dem orthodox-kommunistisch ausgerichteten "Marxistischen Forum" (MF) fehlen für eine Anerkennung als bundesweiter Zusammenschluss in der Partei DIE LINKE nach wie vor die satzungsgemäßen Voraussetzungen. Gleichwohl trägt es zur Profilierung des linken Flügels der Partei bei. Unter Bezugnahme auf Marx, Engels und Lenin sieht das MF im Sozialismus die Vorstufe zum angestrebten Kommunismus. Das MF zeichnet ein besonders positives Bild der SED-Diktatur und glorifiziert den "strukturellen Antifaschismus" in der DDR. 163 LINKSEXTREMISMUS 11.6 "Geraer/Sozialistischer Dialog" (GSoD) Gründung: 2003 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: Sprecherrat (zwei Mitglieder) Koordinierungsrat (drei Mitglieder) Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Der bundesweite Zusammenschluss "Geraer/Sozialistischer Dialog" (GSoD) in der Partei DIE LINKE setzt sich für eine Stärkung und Verbreitung der marxistisch-sozialistischen Positionen in der Partei ein. Er fordert einen grundlegenden Richtungswechsel gesellschaftlicher Entwicklung hin zum Sozialismus. Er bezeichnet sich selbst als einen "nicht unwesentlichen Teil der marxistischkommunistisch-sozialistischen Strömungen und Plattformen" innerhalb der Partei. Die Hauptaktionsfelder des GSoD sind "Antifaschismus", "Antimilitarismus" und "Antikapitalismus". 164 LINKSEXTREMISMUS 11.7 "marx21" Gründung: September 2007 Sitz: Berlin Leitung/Vorsitz: marx21 - Koordinierungskreis (derzeit 21 Personen) Mitglieder/Anhänger 300 (2017: 300) in Deutschland: Publikationen/Medien: "marx21" (Zeitung, vier Ausgaben pro Jahr) "Theorie21" (Theoriemagazin, jährlich) 165 LINKSEXTREMISMUS Das trotzkistische Netzwerk "marx21" ist kein vom Parteivorstand der Partei DIE LINKE anerkannter Zusammenschluss innerhalb der Partei. Gleichwohl versucht das Netzwerk, mit der Strategie des Entrismus Einfluss auf die Partei zu gewinnen. Darüber hinaus agitiert "marx21" im extremistischen Zusammenschluss "Sozialistische Linke" (SL) der Partei DIE LINKE. "Der Kampf um DIE LINKE lohnt sich also. Gerade im Kleinen, manchmal auch im Großen lässt sich die Orientierung der Partei beeinflussen. (...) Aus unserer Sicht ist die Arbeit in der LINKEN momentan der erfolgversprechendste Weg, die fast ausgelöschte revolutionäre Tradition wieder in die Arbeiterbewegung zu verankern. Das setzt aber voraus, dass die revolutionären Sozialistinnen und Sozialisten in der LINKEN politisch und auch zahlenmäßig stärker werden." (Publikation "marx21 Pocket Edition", "Was Tun? Wie die Linkspartei die Republik aufmischen kann", Heft 53 aus Juni 2018) Ziel von "marx21" ist die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung. Das Netzwerk betätigt sich hauptsächlich in den Aktionsfeldern "Antiimperialismus", "Antimilitarismus" und "Antiglobalisierung". Dazu gehört auch die Teilnahme an Protestaktionen und Kampagnen. Außerdem richtet "marx21" eigene Konferenzen und Versammlungen aus, insbesondere den seit 2007 jährlich in Berlin stattfindenden Kongress "Marx Is Muss". Nach eigenen Angaben nahmen 2018 mehr als 800 Personen teil. 166 LINKSEXTREMISMUS 12. "junge Welt" (jW) Gründung: 1947 Sitz: Berlin Verlag: "Verlag 8. Mai GmbH"; gehört zur "Linke Presse Verlags-, Förderungsund Beteiligungsgenossenschaft junge Welt e.G." (LPG) Chefredakteur: Stefan Huth Erscheinungsweise: täglich Die kommunistisch ausgerichtete Tageszeitung "junge Welt" (jW) tritt für die Errichtung einer sozialistischen/kommunistischen Gesellschaft ein. Sie ist das bedeutendste und mit einer Auflage von 25.600 Exemplaren (Ausgabe zum 1. Mai nach Eigenangaben der Organisation 131.000 Exemplare) das auflagenstärkste Printmedium im Linksextremismus. Einzelne Redaktionsmitglieder und ein nicht unerheblicher Teil der Stammund Gastautoren sind dem linksextremistischen Spektrum zuzurechnen. Die jW bekennt sich nicht ausdrücklich zur Gewaltfreiheit. Vielmehr bietet sie immer wieder Personen, die politisch motivierte Straftaten gutheißen, eine öffentliche Plattform. Nach Eigenangaben von Redaktion, Verlag und Genossenschaft will die Zeitung nicht nur informieren, sondern auch für Aktionen mobilisieren und den Widerstand formieren: "Unsere Zeitung informiert über Aktionen und hilft bei der Mobilisierung. Sie befördert den Austausch über die Möglichkeiten, knechtende Verhältnisse umzustoßen. Und schließlich versucht das jW-Kollektiv, wo und wann auch immer möglich, vor Ort zu sein, mit Redakteuren und Autoren, aber auch mit Aktionsteams." ("junge Welt" vom 22./23.09.2018, S. 16) Die seit Jahren angespannte finanzielle Lage der jW hat sich nach eigenen Angaben zumindest für das Jahr 2018 stabilisiert. 167 168 Islamismus/ islamistischer Terrorismus 169 Islamismus/islamistischer Terrorismus I. Überblick Der Begriff "Islamismus" bezeichnet eine Form des politischen Extremismus. Unter Berufung auf den Islam zielt der Islamismus auf die teilweise oder vollständige Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland ab. Der Islamismus basiert auf der Überzeugung, dass der Islam nicht nur eine persönliche, private "Angelegenheit" ist, sondern auch das gesellschaftliche Leben und die politische Ordnung bestimmt oder zumindest teilweise regelt. Der Islamismus postuliert die Existenz einer gottgewollten und daher "wahren" und absoluten Ordnung, die über den von Menschen gemachten Ordnungen steht. Mit ihrer Auslegung des Islam stehen Islamisten insbesondere im Widerspruch zu den im Grundgesetz verankerten Grundsätzen der Volkssouveränität, der Trennung von Staat und Religion, der freien Meinungsäußerung und der allgemeinen Gleichberechtigung. Ein wesentliches ideologisches Element des Islamismus ist außerdem der Antisemitismus. Unter dem Oberbegriff "Islamismus" werden verschiedene Strömungen zusammengefasst, die sich hinsichtlich ihrer ideologischen Prämissen, ihrer geografischen Orientierung und ihrer Strategien und Mittel unterscheiden. Legalistische Strömungen, wie die "Milli Görüs"-Bewegung, versuchen, über politische und gesellschaftliche Einflussnahmen eine nach ihrer Interpretation islamkonforme Ordnung durchzusetzen. Die Anhänger islamistisch-terroristischer Gruppierungen wie HAMAS und "Hizb Allah", deren Ziel die Vernichtung des jüdischen Staates Israel ist, sind auf ihre Herkunftsregionen fokussiert und wenden schwerpunktmäßig dort terroristische Gewalt an. Jihadistische Gruppierungen, wie zum Beispiel der "Islamische Staat" (IS) und "al-Qaida", sehen in ihrem Kampf für einen "Gottesstaat" in terroristischer Gewalt ein unverzichtbares Mittel gegen "Ungläubige" und sogenannte korrupte Regime. Ihre terroristische Agenda ist global und bedroht auf internationaler Ebene alle Staaten. Eine seit Jahren wachsende Strömung im Islamismus ist der Salafismus. Salafisten geben vor, sich in ihrem Denken und Handeln ausschließlich an einem wortgetreuen Verständnis von Koran und Sunna (zur Nachahmung empfohlene Handlungsweisen und 170 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Aussagen des Propheten) sowie am Vorbild der Gefährten des Propheten zu orientieren. Damit lehnen sie nicht nur die freiheitliche demokratische Grundordnung in Gänze ab, sondern negieren auch weitestgehend die Geschichte des Islam und der Muslime. Salafisten vertreten einen Exklusivitätsanspruch; sie sehen sich als die einzigen "wahren" Muslime. 1. Entwicklungstendenzen Im Jahr 2018 fand in Deutschland kein islamistisch-terroristischer Gefährdungslage Anschlag statt. Jedoch zeigte eine Reihe von aufgedeckten Anschlagsplanungen in unterschiedlichen Vorbereitungsstadien, dass es keinen Grund zur Entwarnung gibt. Die Gefährdungslage in Deutschland ist weiterhin angespannt, sie hat sich auf hohem Niveau stabilisiert. Die militärischen Niederlagen des IS in Syrien und im Irak zeigen ebenso Wirkung wie die umfangreichen Maßnahmen der Sicherheitsbehörden. Islamistisch motivierte Anschläge sind weiterhin möglich. IslamistischDeutschland steht unverändert im Zielspektrum von jihadisterroristische tischen Organisationen, wie dem IS oder "al-Qaida". DementspreBedrohung bleibt chend besteht sowohl für das Bundesgebiet als auch für deutsche bestehen Interessen in verschiedenen Regionen der Welt eine anhaltend hohe Gefährdung, die sich jederzeit in Form von jihadistisch motivierten terroristischen Anschlägen konkretisieren kann. Oberste Priorität des BfV in Zusammenarbeit mit den deutschen Sicherheitsbehörden und ausländischen Partnern ist weiterhin die Verhinderung von Anschlägen. Ein Blick auf andere europäische Staaten zeigt eine ähnliche SiEuropäischer Kontext tuation. Zwar ist im Vergleich zu den Vorjahren ein Rückgang islamistisch-terroristischer Anschläge zu verzeichnen, allerdings zeigen die Anschläge, die in Belgien, in den Niederlanden und vor allem in Frankreich stattgefunden haben, dass die Bedrohungslage unverändert hoch ist. Zuletzt eröffnete im Dezember 2018 ein Franzose mit algerischem Migrationshintergrund auf dem Straßburger Weihnachtsmarkt das Feuer auf Passanten. Dabei tötete er fünf Menschen und verletzte mindestens elf weitere zum Teil schwer. Der IS reklamierte den Anschlag für sich. Dies fügt sich in den allgemeinen Trend, dass jihadistisch motivierte Attentate in 171 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS europäischen und anderen westlichen Staaten zunehmend mit leicht zu beschaffenden und einzusetzenden Tatmitteln ausgeführt werden und organisatorisch wenig komplex sind. Im Zielspektrum potenzieller islamistisch-terroristischer Attentäter stehen primär symbolhafte und/oder leicht zugängliche "weiche" Anschlagsziele. Anschläge durch Die Mehrzahl der Anschläge der vergangenen Jahre in Deutschland Einzeltäter und Europa wurde von "inspirierten" oder angeleiteten Einzeltätern beziehungsweise Kleinstgruppen begangen. Zugleich können weiterhin komplexe Anschläge, vergleichbar den Anschlägen in Paris am 13. November 2015, nicht ausgeschlossen werden. Ein Großteil der durch die jihadistische Ideologie inspirierten Einzeltäter rekrutierte sich aus der jihadistischen Sympathisantenund Unterstützerszene in den westlichen Ländern. Dieser Trend ist vor allem eine Folge des zwischenzeitlichen Erstarkens des IS und seiner Propaganda. Einzeltäter agieren jedoch nicht vollkommen isoliert. Fast immer erhalten sie bei der Planung und Vorbereitung ihrer Tat Beratung und Unterstützung durch Angehörige der Terrororganisation im Ausland. Erfolgreiche Die erfolgreiche bundesweite Aufklärungsarbeit der SicherheitsbeAufklärungsarbeit hörden trug dazu bei, dass im Jahr 2018 - auch unter Mitwirkung des BfV - eine Vielzahl islamistisch motivierter Anschlagsplanungen frühzeitig aufgedeckt beziehungsweise vereitelt werden konnte. Eine Festnahme im Juni 2018 in Köln (Nordrhein-Westfalen) offenbarte den ersten Fall der jihadistisch motivierten Herstellung von Biowaffen in Deutschland. Neben weiteren Festnahmen wurde im Jahr 2018 auch eine Reihe von Personen unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung rechtskräftig verurteilt. In mehreren Fällen kam es zu Abschiebungen von Islamisten unter anderem nach SS 58a Aufenthaltsgesetz. Jihadismus Weltweit ist der islamistische Terrorismus weiterhin präsent. weltweit präsent Nach der nahezu vollständigen militärischen Niederlage des IS in Syrien und im Irak hat sich die Organisation von einem quasistaatlichen Akteur wieder zu einer Terrorgruppe im Untergrund 172 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS restrukturiert. Der IS setzt weiterhin auf eine Strategie des Terrors, vor allem gegen "weiche" Ziele. Auch "al-Qaida" steht unter Druck, einerseits aufgrund des anhaltenden staatlichen Verfolgungsdrucks und andererseits infolge der fortdauernden Rivalität mit dem IS, aus der "al-Qaida" und die mit "al-Qaida" sympathisierenden Gruppen bislang keinen Vorteil ziehen konnten. Die beiden globalen jihadistischen Organisationen, die jeweils für Lokale Ableger von IS sich einen Alleingeltungsanspruch erheben, stützen sich nach wie und "al-Qaida" vor auf ein Netzwerk aus lokalen oder regionalen jihadistischen Gruppierungen. Diese Gruppierungen haben sich der "Marke" oft mehr als der Kernorganisation unterstellt und tragen die globaljihadistische Ideologie als Akteur in einen lokalen Konflikt hinein. Das wiederum erhöht die Reichweite der Kernorganisation und damit deren Einfluss und Attraktivität. Jihadistische Gruppierungen, die sich auf den IS oder "al-Qaida" beziehen, spielen bei einer ganzen Reihe von regionalen Konflikten beziehungsweise instabilen Regionen in Afrika und Asien eine Rolle. Auch die lokalen ISund "al-Qaida"-Organisationen stehen unter Druck, wie das Beispiel des IS-Ablegers auf der ägyptischen Halbinsel Sinai ("Provinz Sinai") belegt. Hier hatte eine am 9. Februar 2018 begonnene, groß angelegte Antiterroroperation der ägyptischen Militärund Sicherheitskräfte hohe Verluste für die Jihadisten zur Folge. Für deutsche und europäische Jihadisten hat der Bürgerkrieg in Syrien und im Irak über mehrere Jahre eine zentrale Rolle gespielt. Mehr als 1.050 Personen haben seit 2012 versucht, aus Deutschland in Richtung Syrien und Irak auszureisen. Mit den militärischen Niederlagen und den damit einhergehenden massiven Gebietsverlusten des IS in Syrien und im Irak hat die Utopie des "Kalifats" endgültig ihre Anziehungskraft verloren. Seit 2015 ebbte die Zahl der jihadistisch motivierten Ausreisen in Richtung Syrien und Irak merklich ab. Im Jahr 2018 konnten kaum noch Ausreisen verzeichnet werden. Auch für die Zukunft sind solche Ausreisen in nennenswerter Zahl nicht zu erwarten. Das in der 173 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS jihadistischen Szene über Jahre zentrale Aktionsfeld der Ausreise mit dem Ziel, unter einer vermeintlich "wirklichen" islamischen Herrschaft zu leben und für diese zu kämpfen, hat seine überragende Bedeutung verloren. Keine neuen JihadEin vergleichbar geeigneter Jihad-Schauplatz, der über ein staatSchauplätze in Sicht liches Machtvakuum sowie eine vermeintlich oder tatsächlich unterdrückte muslimische Bevölkerung und islamgeschichtliche Bedeutung verfügt, und auch noch relativ leicht erreichbar ist, ist derzeit nicht in Sicht. Zwar konnten einzelne Ausreisen oder Ausreiseversuche in andere Konfliktregionen registriert werden, jedoch deutet sich derzeit nirgendwo eine Ausreisedynamik an, die den Ausreisezielen Afghanistan und Pakistan (2009-2011), geschweige denn Syrien und Irak (2013-2016) gleichkäme. Einen Ausnahmefall stellt ein deutscher und marokkanischer Staatsangehöriger dar, der Ende Juli 2018 einen Selbstmordanschlag auf einen militärischen Checkpoint auf den Philippinen verübte. Dabei kamen 15 Personen ums Leben. Der IS reklamierte den Anschlag für sich. Sunnitisch-schiitisches Weiterhin sind viele Staaten des Nahen und Mittleren Ostens Spannungsverhältnis durch Instabilität und gewaltsame innere und äußere Konerhöht regionale flikte gekennzeichnet und bilden damit einen Nährboden für Instabilität islamistisch-terroristische Gruppierungen. Angesichts des anhaltenden Konflikts zwischen Saudi-Arabien und dem Iran um die regionale Vormachtstellung manifestieren sich lokale Konfliktlinien häufig entlang des Schemas des sunnitisch-schiitischen Spannungsverhältnisses. Dazu zählt der Libanon mit seinem fragilen Kräfteverhältnis unter den Volksgruppen und Konfessionen, wo die "Hizb Allah" durch den Iran unterstützt wird, ebenso wie Syrien und der Irak aufgrund des militärischen Eingreifens regionaler Mächte. Im Jemen weitet sich der sich seit 2015 zuspitzende Konflikt zwischen den schiitischen Huthi-Rebellen und dem von Saudi-Arabien protegierten sunnitischen Regime immer mehr zu einem Stellvertreterkrieg aus. Die Ablehnung des schiitischen Islam ist ein wesentliches ideologisches Merkmal, insbesondere des salafistischen/jihadistischen Islamismus. 174 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Folge der instabilen Lage in weiten Teilen des Nahen und MittleMigrationsren Ostens und Afrikas sind anhaltende Migrationsbewegungen in bewegungen Richtung Europa. Es ist weiterhin möglich, dass sich unter diesen Menschen auch Kämpfer befinden, die als Flüchtlinge getarnt nach Deutschland gelangen oder sich der Begehung von Kriegsverbrechen in den Konfliktgebieten schuldig gemacht haben. Eine weitere Gefahr besteht in der möglichen islamistischen Radikalisierung von Flüchtlingen, sei es durch Anschluss an hier bestehende islamistische Strukturen oder durch Selbstradikalisierung im Internet. Die Sicherheitsbehörden stehen hier in einem engen und konstruktiven Austausch mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Trotz des Zusammenbruchs des IS-"Kalifats" ist die Sympathisantenund Anhängerszene in Deutschland und anderen westlichen Staaten weiterhin existent. Derzeit ist offen, wie sie sich bezüglich Themen, Aktionsfeldern oder Jihad-Schauplätzen orientieren wird. Dies zeigt sich besonders deutlich im Internet. Die Ideologie des Jihadistische IS hat das Ende des IS-"Kalifats" überdauert und existiert insbeInternetpropaganda sondere in Form von jihadistischer Propaganda fort, die von einer großen Sympathisantenszene konsumiert und weiter verbreitet wird. Hier dominiert vor allem die dezentral kommunizierte, inoffizielle Propaganda durch IS-Sympathisanten. Nach einer Phase der Zurückhaltung zeigt die deutsche Szene wieder gesteigerte Aktivitäten, insbesondere im Messenger-Dienst Telegram. Das in der gesamten jihadistischen Internetpropaganda enthaltene Drohpotenzial ist unverändert hoch. Immer wieder wird zu Anschlägen, vor allem in westlichen Staaten, aufgerufen. Die islamistische Szene in Deutschland wird weiterhin stark durch Islamistische Szene das salafistische und jihadistische Personenpotenzial geprägt. in Deutschland Gleichwohl nehmen auch andere islamistische Richtungen mit teils großem Anhängerpotenzial einen breiten Raum ein. Dazu zählen sowohl gewaltbereite Gruppierungen, wie die libanesische "Hizb Allah" oder die palästinensische HAMAS, die Deutschland als Rückzugsraum nutzen, als auch legalistische Organisationen, wie die der "Muslimbruderschaft" (MB) nahestehende "Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V." (DMG), die eine langfristige Änderung der Gesellschaft verfolgen. Zum legalistischen islamistischen Spektrum zählt auch die "Furkan Gemeinschaft", die ihren Ursprung in 175 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS der Türkei hat und im Berichtszeitraum zum Beobachtungsobjekt des BfV erhoben wurde. Jihadismus/ Die salafistische und mehr noch die jihadistische Szene in DeutschSalafismus land geben gegenwärtig ein ambivalentes Bild ab, das zwischen dem Beharren auf der Ideologie und einer gewissen Orientierungslosigkeit schwankt. Derzeit mangelt es an wesentlichen Faktoren, die in vergangenen Jahren zum Teil erhebliche Dynamiken auslösen konnten, wie charismatischen Einflusspersonen, identifikationsstiftenden Themen und mobilisierenden Aktionsfeldern. Politische Salafisten und jihadistische Salafisten teilen dieselben ideologischen Grundlagen. Während jihadistische Salafisten ihre Ziele primär gewaltsam durchsetzen wollen, ist auch bei politischen Salafisten, deren Aktivitäten hauptsächlich in "Missionierung" und Propaganda bestehen, zumindest eine immanente Gewaltorientierung zu konstatieren. Die Zahl der Salafisten ist im Berichtszeitraum - wenn auch mit geringerer Dynamik - auf 11.300 Personen (2017: 10.800) weiter gewachsen. Der Trend innerhalb der Szene zum Rückzug in den privaten Raum hat sich fortgesetzt. Es gab kaum öffentlichkeitswirksame Aktivitäten, wie große Veranstaltungen oder "Straßenmissionierung". Viele Kämpfer und ihre Angehörigen haben die Kampfgebiete in Syrien und im Irak verlassen. Etwa ein Drittel der ehemals ausgereisten Personen befindet sich wieder in Deutschland. Dennoch ist bisher keine "Rückkehrerwelle" festzustellen. Einige Personen halten sich weiterhin in der Region auf, einige sind dort inhaftiert. Perspektivisch könnten Rückkehrer als "Veteranen des Kalifats" neue Dynamiken in der salafistischen Szene in Deutschland auslösen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auch auf den jihadistischen Familienverbünden, in denen Kinder und Jugendliche in das salafistische/jihadistische Weltbild quasi hineinwachsen (jihadistische Sozialisation). Radikalisierung in Islamistische Radikalisierung in Haftanstalten ist nicht nur für die Haftanstalten Justiz, sondern auch für die Sicherheitsbehörden ein relevantes Thema, insbesondere da aufgrund einer Vielzahl von Verfahren in jüngerer Zeit die Zahl der Inhaftierten und perspektivisch die Zahl 176 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS von Haftentlassenen zunehmen wird. Deshalb wurde die Zusammenarbeit zwischen der Justiz und dem Verfassungsschutz in diesem Themenfeld in den letzten Jahren intensiviert und teilweise bereits institutionalisiert. Die erfolgreiche Wiedereingliederung der Haftentlassenen in die Gesellschaft wird eine zentrale, ganzheitliche Aufgabe sein. Die Sicherheitsbehörden werden die Gefährdung, die von jeder der Personen nach Haftentlassung ausgehen kann, neu und aktuell bewerten. Dabei spielen die Entwicklung und Kontakte während der Haftzeit genauso eine Rolle wie die Wiederaufnahme von Kontakten zur ehemaligen islamistischen Szene oder zu anderen europäischen Kämpfern. 2. Organisationen und Personenpotenzial Innerhalb der islamistischen Szene ist in den letzten Jahren eine Kräfteverschiebung in den gewaltorientierten beziehungsweise jihadistischen Bereich zu verzeichnen. Diese Entwicklung verdeutlichen unter anderem die durchgeführten sowie die aufgedeckten und verhinderten terroristischen Anschläge in Deutschland in den Jahren 2016 bis 2018. 177 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Personenpotenzial Islamismus/islamistischer Terrorismus1 Organisationen 2016 2017 2018 Salafistische Bestrebungen 9.700 10.800 11.300 "Islamischer Staat" (IS) Kern-"al-Qaida" "al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM) "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAH) keine keine keine "al-Shabab" gesicherten gesicherten gesicherten "Hai'at Tahrir al-Sham" (HTS) Zahlen Zahlen Zahlen "Hizb Allah"2 950 950 1.050 "Harakat al-Muqawama al-Islamiya" (HAMAS)2 320 320 320 "Türkische Hizbullah" (TH) 400 400 400 "Hizb ut-Tahrir" (HuT) 320 350 350 "Muslimbruderschaft" (MB)/"Deutsche Muslimi1.040 1.040 1.040 sche Gemeinschaft e.V." (DMG)3 "Tablighi Jama'at" (TJ) 650 650 650 "Islamisches Zentrum Hamburg e.V." (IZH) keine keine keine gesicherten gesicherten gesicherten Zahlen Zahlen Zahlen "Milli Görüs"-Bewegung und zugeordnete 10.000 10.000 10.000 Vereinigungen "Furkan Gemeinschaft"4 - - 290 Sonstige5 1.045 1.300 1.160 1 Die Zahlenangaben beziehen sich auf Deutschland und sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2 "Hizb Allah" und HAMAS gelten international als terroristisch, nutzen Deutschland bislang jedoch lediglich als Rückzugsraum, d.h. sie entfalten hier keine terroristischen Aktivitäten. 3 Bis zur Umbenennung im September 2018 lautete der Vereinsname "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD). 4 Die "Furkan Gemeinschaft" wurde im Jahr 2018 zum Beobachtungsobjekt des BfV erhoben. 5 Weitere Organisationen, deren Mitgliederund Anhängerzahlen im Islamismuspotenzial zu berücksichtigen sind. 178 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Insgesamt ergibt sich für das Jahr 2018 allein aus den ausreichend gesicherten Zahlenangaben ein im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegenes Islamismuspotenzial von 26.560 Personen (2017: 25.810). II. Internationale Konflikte und ihre Bedeutung für die Sicherheitslage in Deutschland Internationale Entwicklungen haben erhebliche Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Deutschland. Dies gilt insbesondere für Entwicklungen, in die der transnationale islamistische Terrorismus involviert ist. Eine besondere Bedeutung hatte und hat immer noch der Krieg in Syrien und im Irak und die Eskalation des Terrors durch den IS. 1. Jihad-Schauplatz Syrien/Irak Der Krieg in Syrien und im Irak dauerte im Jahr 2018 an. Da eine einvernehmliche und friedliche Lösung für die Zukunft Syriens weiterhin nicht absehbar ist, kann davon ausgegangen werden, dass terroristische Gruppierungen auf absehbare Zeit im Land aktiv sein werden und ihre Ziele unter Umständen auch durch Aktivitäten in den Ländern zu erreichen trachten, die als Konfliktbeteiligte in Syrien und den Nachbarstaaten agieren. Der IS wurde in seinem syrisch-irakischen Kerngebiet militäIS militärisch nahezu risch nahezu vollständig besiegt. Damit einher ging eine Revollständig besiegt strukturierung der Organisation, welche sich von einem ehemals quasi-staatlichen Akteur wieder zu einer Terrorgruppierung im Untergrund wandelte. Diese Neukonsolidierung dürfte inzwischen weitgehend abgeschlossen sein. Dies führte zu einem kurzzeitigen Rückgang an terroristischen Aktivitäten der Gruppierung in Syrien und im Irak. Mittlerweile führt die Organisation wieder vermehrt terroristische Gewalttaten gegen die dortige Bevölkerung durch. Ein Anschlag im Juli 2018 in Suwayda (Syrien), bei dem über 250 Menschen getötet wurden, veranschaulichte diese Entwicklung auf drastische Weise. 179 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Bedrohung des Der IS bedroht weiterhin den Westen und damit auch DeutschWestens dauert an land, indem er seine Strategie des Terrors gegen "weiche" Ziele propagiert und in die Tat umsetzt beziehungsweise umsetzen lässt. Sowohl in Europa als auch in den USA kam es im Verlauf des Jahres 2018 zu Terrorakten. Der Verlust seines Herrschaftsgebiets und der dort vorhandenen Infrastruktur dürfte die Fähigkeit des IS zur Planung und Durchführung komplexer Anschlagsszenarien, die zentral durch die Organisation gesteuert werden, eingeschränkt haben. Dementsprechend wurde in der gegen den Westen gerichteten Propaganda zuletzt verstärkt zu Anschlägen durch Einzeltäter aufgerufen, die nur geringen Planungsaufwand erfordern. Krieg und Terror in Syrien und im Irak führten 2015 und 2016 zu großen Flüchtlingsströmen nach Europa. Der IS nutzte die Zuwanderungsbewegung gezielt, um Attentäter nach Europa zu schleusen oder Flüchtlinge in Deutschland für terroristische Anschläge zu rekrutieren. Im Jahr 2018 konnten Migrationsbewegungen in dieser Größenordnung nicht mehr festgestellt werden. "Al-Qaida"-Lager Im Nordwesten Syriens, in der Region um Idlib und Aleppo, befand sich das letzte größere Gebiet, das Ende 2018 noch überwiegend von regimefeindlichen Kräften kontrolliert wurde. Dort waren insbesondere Gruppierungen aktiv, die auch dem IS feindlich gegenüberstehen und eher dem Lager der Kern-"al-Qaida" zuzuordnen sind. Insbesondere die "Hai'at Tahrir al-Sham" (HTS) kontrollierte dort weite Gebiete. Die HTS, ehemals "Jabhat al-Nusra" (JaN), ist ein Zusammenschluss verschiedener jihadistischer Gruppierungen mit insgesamt mehreren Tausend Mitgliedern. Seit 2017 emanzipiert sie sich zunehmend von "al-Qaida" und verfolgt eine in erster Linie regionale Agenda. Der HTS haben sich bislang nur wenige deutsche Staatsangehörige angeschlossen. Gleichzeitig setzte sich die Fragmentierung der islamistischen Kräfte in Syrien fort. Auch im Jahr 2018 gründeten sich neue jihadistische Gruppierungen, oftmals durch Fusion bestehender Teilvereinigungen. Diese bekämpfen nicht nur das syrische Regime, sondern sich teilweise auch gegenseitig. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Anfang 2018 erfolgte Gründung der 180 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS "Tanzim Hurras al-Din"30 (THD): Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss verschiedener "al-Qaida"-naher Gruppierungen. Die THD stellt vor allem ein Auffangbecken für solche Gruppierungen und Personen dar, die weiterhin loyal zu "al-Qaida" stehen. Insoweit ist sie auch als Resultat des zunehmend von "alQaida" emanzipierten Kurses der HTS zu sehen. 2. Jihad-Schauplatz Afghanistan/Pakistan Aiman al-Zawahiri ist die einzige in der Region verbliebene FühKeine Restrukturungsfigur. Seit einigen Jahren tritt Hamza Bin Ladin, Sohn des rierung von Kern"al-Qaida"-Gründers Usama Bin Ladin, vermehrt in Erscheinung. "al-Qaida" Kern-"al-Qaida" begreift sich nach wie vor als eine global agierende Organisation. Trotz des Versuchs, sich angesichts der Niederlage des IS neu zu positionieren, gelang "al-Qaida" keine erkennbare, nachhaltige Restrukturierung. Sowohl al-Zawahiri als auch Hamza Bin Ladin riefen zu Anschlägen gegen westliche Einrichtungen auf. Das Auftreten von Usama Bin Ladins Sohn lässt sich als Versuch von "al-Qaida" interpretieren, das Vermächtnis von Bin Ladin und seiner ehemals zentralen Führungsfunktion quasi dynastisch fortzusetzen mit dem Ziel, der Organisation zu neuer Größe zu verhelfen. Eine darüber hinausgehende "Erneuerung" ist aber bisher nicht erkennbar. "Al-Qaida" ist es damit bislang nicht gelungen, die Schwäche des IS für sich selbst zu nutzen. Dies dürfte mehrere Ursachen haben: Zum einen sieht sich "al-Qaida" in ihrem Rückzugsgebiet in Afghanistan und in Pakistan weiter einem sehr hohen militärischen Verfolgungsdruck ausgesetzt. Darüber hinaus erreicht die Propaganda, im Gegensatz zu der des IS, das junge Publikum kaum. Zwar konnte "al-Qaida" im Laufe des Jahres 2018 wieder eine kontinuierliche Propagandaarbeit betreiben, jedoch besteht diese weiterhin vor allem aus Verlautbarungen und Vorträgen von bekannten Protagonisten. Die Durchführung von möglichst spektakulären Anschlägen, insbesondere in westlichen Ländern, ist weiterhin primäres Ziel der Kern-"al-Qaida". Die praktische Planung und Umsetzung solcher 30 Arabisch für "Organisation der Wächter der Religion". 181 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Vorhaben aus dem afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet heraus erweist sich als schwierig. Kern-"al-Qaida" versucht deshalb gezielt, Einzelpersonen zu Anschlägen zu motivieren. Agenda der "Taleban" Den "Taleban" gelang es im Jahr 2018, die Zahl ihrer Anschläge auf Einrichtungen und Vertreter der afghanischen Regierung, der Polizei und der Streitkräfte auf einem hohen Niveau zu halten. Im Februar 2018 wurde durch afghanische Einheiten ein aus Deutschland stammender "Taleban"-Kämpfer im Süden Afghanistans festgenommen. Dieser war im Jahr 2012 über die Türkei Richtung Afghanistan und Pakistan ausgereist mit dem Ziel, sich dem bewaffneten Jihad anzuschließen. Am 10. Dezember 2018 verurteilte das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf (NordrheinWestfalen) den zuvor nach Deutschland überstellten deutschen Staatsangehörigen unter anderem wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung, den "Taleban", zu sechs Jahren Freiheitsstrafe. Der Konflikt mit dem "Islamischen Staat - Khorasan Provinz" (ISKP) dauert an. Es kam zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den verfeindeten Organisationen. Die "Taleban" verfolgen unverändert eine regionale Agenda. "Haqqani-Netzwerk" Das "Haqqani-Netzwerk" war im Berichtszeitraum für Anschläge ursächlich für in Afghanistan sowohl auf afghanische als auch auf ausländische Anschläge Sicherheitsdienste verantwortlich. Bei dem "Haqqani-Netzwerk" handelt es sich um eine islamistische Terrororganisation mit Sitz in Pakistan an der Grenze zu Afghanistan. Das "Haqqani-Netzwerk" agiert trotz der Verbundenheit mit den "Taleban" und mit Kern"al-Qaida" eigenständig. Es unterhält eigene Ausbildungslager. Der Gründer und langjährige Anführer des Netzwerks Jalaluddin Haqqani verstarb am 3. September 2018. Im Jahr 2015 wurde das "Haqqani-Netzwerk" in Pakistan verboten; es agiert vor allem in Afghanistan. 182 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 3. Weitere Jihad-Schauplätze Obwohl das IS-"Kalifat" weitestgehend territorial zerschlagen wurde und zumindest Kern-"al-Qaida" weit von der früheren Stärke entfernt scheint, ist der jihadistische Terror in vielen Teilen der Welt virulent, nicht nur in Syrien und im Irak oder in Afghanistan und Pakistan. Beispiele für mehr oder weniger große regionale Netzwerke, die Dynamik von sich tatsächlich oder auch nur vorgeblich der global-jihadistischen "Nebenschauplätzen" Agenda verschrieben haben und unter Ausnutzung eines staatlichen Machtvakuums und regionaler Konflikte agieren, existieren an vielen Orten weltweit. Bislang handelt es sich um "Nebenschauplätze"; sie können aber künftig eine erhebliche Dynamik entfalten, die dazu führen kann, dass auch Interessen des Westens bedroht werden. Ein Beispiel dafür ist die Situation im Norden der ägyptischen Sinai-Halbinsel. Die Region ist seit vielen Jahren durch eine instabile Sicherheitslage geprägt. Auch infolge der teilweisen Abwesenheit staatlicher Strukturen und des gleichzeitig harten Vorgehens des ägyptischen Militärs gegen die Bevölkerung, insbesondere gegen die dort lebenden Beduinenstämme, bildete sich ein Nährboden für Sympathisanten des globalen Jihad und die Präsenz jihadistischer Gruppierungen, die sich schließlich als "Provinz Sinai" zum IS bekannten. In der Region dürften sich auch ausländische Kämpfer aufhalten. Zu den weiteren Regionen, in denen jihadistische Gruppierungen mit Bezug zum IS oder "al-Qaida" aktiv sind, gehören der Jemen, die Sahelzone (vornehmlich Mali), Libyen, Somalia und die Philippinen. Auf der philippinischen Insel Basilan verübte im Juli 2018 ein Attentäter mit deutscher und marokkanischer Staatsangehörigkeit einen Selbstmordanschlag. Der IS reklamierte den Anschlag für sich. Von diesem bislang einmaligen Ereignis abgesehen, spielen die Philippinen für aus Deutschland stammende Islamisten bislang keine erkennbare Rolle. Auch wenn diverse Jihad-Schauplätze in der Propaganda der vor Ort kämpfenden jihadistischen Gruppierungen thematisiert 183 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS werden, sind bisher nur vereinzelt Ausreisen westlicher Jihadisten in diese Regionen festzustellen. Obwohl die dortigen Auseinandersetzungen und ihre Folgen zahlreiche Menschenleben kosten und die betroffenen Regionen destabilisiert werden, sind die konkreten und unmittelbaren Auswirkungen auf den Westen bislang eher gering. 4. Internetpropaganda vom "Islamischen Staat" (IS) und von "al-Qaida" Die global ausgerichteten jihadistischen Gruppierungen IS und "al-Qaida" dominieren nach wie vor die islamistische Propaganda. Offizielle Propaganda Nachdem die offizielle Propaganda des IS, verbreitet durch autozurückgegangen risierte Onlinemagazine und -plattformen, bereits im Jahr 2017 in Umfang und Qualität zurückgegangen war, hat sie sich im Jahr 2018 im Vergleich zu früheren Jahren auf einem niedrigen Niveau stabilisiert. Da die Zahl beziehungsweise Aktivität der offiziellen Medienzentren des IS zurückgegangen ist, haben auch die von diesen Zentren produzierten Videos abgenommen. Im Zentrum der arabischsprachigen IS-Propaganda stehen nach wie vor das Onlinemagazin "al-Naba", die Nachrichtenagentur "Amaq" und eine Reihe von offiziellen Medienzentren. Hauptthemen der offiziellen Propaganda des IS sind seine militärischen Aktivitäten und theologische Fragen, wie etwa der Jihad von Frauen oder die Abgrenzung von anderen jihadistischen Gruppierungen. Auch Aufrufe zu Anschlägen weltweit gehören nach wie vor zum Kanon der Propaganda, wenn auch in geringerer Zahl. Seit Einstellung des mehrsprachigen IS-Magazins "RUMIYAH" im September 2017 existiert kein Propagandainstrument mehr, das sich gezielt an nicht arabischsprachige Sympathisanten und Unterstützer des IS in westlichen Staaten richtet. Die Propaganda von Kern-"al-Qaida" und ihren Regionalorganisationen fällt quantitativ und qualitativ hinter der Propaganda des IS zurück. 184 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Mit "al-Falah" verbreitet ein weiteres Onlinemagazin die Propaganda von "al-Qaida". In der ersten Ausgabe im Oktober 2018 wird unter anderem zum Jihad in Syrien aufgerufen. Nachdem das englischsprachige Magazin "INSPIRE", herausgegeben von "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAH), eingestellt wurde, hat AQAH im März 2018 begonnen, ein neues arabischsprachiges Magazin namens "Madad" im Internet zu veröffentlichen. Das Onlinemagazin richtet sich in seiner Berichterstattung vor allem gegen Saudi-Arabien. Die Verbreitung von Propaganda des IS und "al-Qaida" über OnInoffizielle linemagazine und -plattformen ist zurückgegangen. Im Gegenzug Propaganda setzt sich der Prozess der dezentralen Verbreitung jihadistischer weiterhin auf Propaganda über soziale Netzwerke und Messenger-Dienste auf Vormarsch hohem Niveau fort. Die dezentrale, nicht durch den IS autorisierte Propaganda wird momentan hauptsächlich über den Messenger-Dienst Telegram gesteuert. In zahlreichen IS-nahen Kanälen und Gruppen werden insbesondere Themen der offiziellen IS-Propaganda aufgegriffen, multipliziert, kommentiert und teilweise durch neue Themen ergänzt. Anschlagsdrohungen werden ebenso in hohem Maße über den Messenger-Dienst verbreitet. Onlineagitatoren nehmen eine Schlüsselrolle bei der Streuung und Weiterentwicklung des Materials ein. Mitunter betreiben Unterstützer auch eigene Websites und Onlinemagazine, die ebenfalls über Telegram verbreitet werden. So erscheint seit März 2018 regelmäßig das englischsprachige IS-nahe Onlinemagazin "From Dabiq to Rome". Zwar finden sich in jüngster Zeit von offizieller wie auch inoffizieller Seite des IS kritische Äußerungen zu Telegram, doch hatte dies bis dato keine Auswirkungen auf Anzahl und Vielfalt der IS-nahen Telegram-Kanäle und -Gruppen. Telegram etabliert sich kontinuierlich in der deutschsprachigen Szene. Entscheidenden Einfluss hat dabei die Internationalisierung der Szene: Offizielles und inoffizielles Propagandamaterial wird über Sprachgrenzen der Nutzer hinweg geteilt. Die 185 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS deutschsprachige Unterstützerszene bedient sich an diesem breit gefächerten Angebot. Deutschsprachige Nutzer können in drei Lager unterteilt werden: "" Sympathisanten der jihadistischen Ideologie, die keine bestimmte Gruppierung unterstützen "" Telegram-Kanäle und Gruppen, die sich dem IS verbunden fühlen "" Personen, die der Ideologie von "al-Qaida" folgen Deutschsprachige Die deutschsprachige IS-Unterstützerszene hat ihre PropagandaUnterstützerszene aktivität im zweiten Halbjahr 2018 deutlich gesteigert. Während steigert Aktivitäten die Szene zuvor bei der Verbreitung jihadistischer IS-Propaganda vorsichtig agiert und IS-Symbolik größtenteils vermieden hatte, bekunden deutschsprachige Nutzer nun offen ihre Unterstützung für den IS. Deutlich angestiegen ist die Zahl von Telegram-Kanälen und -Gruppen, die tagesaktuelle IS-Propaganda wie Meldungen über Anschläge und militärische Operationen mit deutschen Übersetzungen verbreiten. Neben der Glorifizierung des IS veröffentlichen Unterstützer Aufrufe zur Anwendung von Gewalt. Insbesondere englischsprachige Bildcollagen, die zu Anschlägen im Westen aufrufen, werden in deutschsprachigen Gruppen geteilt. Deutschsprachige Nutzer sind ebenso Mitglieder in Gruppen, die sich an (zukünftige) Einzeltäter richten und entsprechende (meist englischsprachige) Anschlagsanleitungen zur Verfügung stellen. Theologische IS-Propaganda findet sich beispielsweise in Broschüren, die islamische Glaubensgrundsätze nach der Interpretation des IS enthalten. Da diese Propaganda inhaltlich rein religiöse Themen behandelt, können IS-Unterstützer derartige Produkte leichter an nicht extremistische Rezipienten verbreiten, sobald die Referenz auf die IS-Urheberschaft (z.B. Logo der Medienstelle) entfernt wurde. Deutschsprachige Telegram-Kanäle, die mit der Ideologie von "alQaida" sympathisieren, betreiben vornehmlich Propaganda für "al-Qaida"-nahe jihadistische Gruppierungen in Syrien. Sie berichteten auch 2018 über militärische Operationen dieser Gruppierungen gegen das syrische Regime und seine Verbündeten sowie gegen IS-Kämpfer. 186 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Anders als deutschsprachige IS-Unterstützer produzieren "alQaida"-nahe Unterstützer eigenständig Propagandamaterial in deutscher Sprache wie Videos und Bildcollagen, um "deutsche Geschwister" zur Ausreise oder zur finanziellen Unterstützung zu motivieren. Qualitativ bewegen sich diese Veröffentlichungen allerdings auf eher niedrigem Niveau. Die Propaganda von "al-Qaida" und vor allem die des IS enthält jeDrohpotenzial weils ein unverändert hohes Drohpotenzial. unverändert hoch Stets werden Drohungen an die "Kreuzzügler", "Juden", den Westen, bestimmte Länder oder Personengruppen oder auch Einzelpersonen gerichtet. Eine besondere Drohkulisse stellen die Aufrufe zu autonom geplanten sowie durchgeführten Anschlägen vor allem in westlichen Staaten dar. Die Drohungen von "al-Qaida" bezogen sich im Berichtszeitraum zumeist pauschal auf den Jihad, insbesondere gegen den "Erzfeind" USA. Der IS wurde hingegen in seinen Aufrufen konkreter. So machte er wiederholt deutlich, dass er an der Strategie der Einzeltäteranschläge in westlichen Staaten festhalten will und diese weiter propagandistisch fördert. Dies wurde durch eine Reihe entsprechender Verlautbarungen im arabischsprachigen Onlinemagazin "al-Naba" untermauert. Am 22. August 2018 rief der IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi in einer kurzen, abschließenden Passage seiner Audiobotschaft wiederholt zu Anschlägen in westlichen Staaten auf. Erstmals wurde er konkreter und empfahl Anschläge in Form von Erschießen, Erstechen, Sprengen oder auch Überfahren - diese Arten von Anschlägen seien genauso wichtig wie tausend Operationen im Kernland des IS. Äußerungen des IS-Führungspersonals sind von besonderem Gewicht, da vergleichbare Aufrufe - insbesondere des früheren ISSprechers Abu Muhammad al-Adnani - in der Vergangenheit von Anhängern immer wieder aufgegriffen und als Begründung und Rechtfertigung für Anschläge angeführt wurden. 187 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Neu in der Häufigkeit und Qualität sind Drohungen mit biologischen und chemischen Waffen. Zwar hat es in den vergangenen Jahren immer wieder vereinzelt Drohungen dieser Art gegeben, doch ab Beginn des Jahres 2018 und zunehmend in der zweiten Jahreshälfte erschienen Ankündigungen eines "stillen biologischen Terrors" häufiger, wobei mitunter präzise Anleitungen zur Herstellung biologischer Gefahrenstoffe mitgeliefert wurden. Rizin wurde als besonders geeigneter Kampfstoff angepriesen. Dass Anschläge dieser Art tatsächlich geplant werden, hat der Fall in Köln (Nordrhein-Westfalen) im Jahr 2018 gezeigt. Der mutmaßliche Versuch, einen Giftanschlag mit selbst hergestelltem Rizin zu verüben, konnte jedoch rechtzeitig verhindert werden. Nach wie vor erweckt der IS in seiner Propaganda den Eindruck, Kinder/Jugendliche gezielt zu Jihadisten zu erziehen und auszubilden. Sie erhalten demnach eine ideologische und eine praktisch-militärische Ausbildung und fungieren sogar in Hinrichtungsszenen als Vollstrecker. In einem Video vom Mai 2018 bekannte sich ein Kind zusammen mit erwachsenen Personen zu einem Selbstmordanschlag in Tschetschenien im Namen des IS. 5. Reisebewegungen Seit Jahren lassen sich islamistisch-terroristisch motivierte Reisebewegungen von deutschen Islamisten respektive Islamisten aus Deutschland in Krisenregionen feststellen. Zum Ende des Jahres 2018 lagen den deutschen Sicherheitsbehörden Erkenntnisse zu mehr als 1.050 Personen vor, die in Richtung Syrien und Irak gereist sind. Zu etwa der Hälfte dieser Personen gibt es konkrete Anhaltspunkte, dass sie aufseiten des IS oder "alQaida" beziehungsweise ihnen nahestehender Gruppierungen sowie anderer terroristischer Organisationen an Kampfhandlungen teilnehmen beziehungsweise teilgenommen haben oder diese in sonstiger Weise unterstützen beziehungsweise unterstützt haben. Nicht in allen Fällen verfügen die Sicherheitsbehörden über Erkenntnisse, dass sich die ausgereisten Personen tatsächlich in Syrien und im Irak aufhalten oder aufgehalten haben. Dagegen liegen zu circa 200 Personen Hinweise vor, wonach sie in dieser Region ums Leben gekommen sind. 188 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Die Ausreisewelle nach Syrien und in den Irak, die in den JahAusreisen Richtung ren 2013 und 2014 ihren Höhepunkt erreichte, ebbte seit 2015 Syrien und Irak auf merklich ab. Mit dem fast vollständigen Verlust des Kerngebiets niedrigem Stand des IS hat die Utopie des "Kalifats" offenbar an Anziehungskraft eingebüßt. Im Jahr 2018 waren kaum Ausreisen zu verzeichnen. Auch in naher Zukunft wird sich die Zahl der Reisen nach Syrien und in den Irak nicht steigern, sondern auf dem niedrigen Niveau verbleiben. Entwicklung der islamistisch motivierten Ausreisen aus Deutschland in Richtung Syrien/Irak seit 2012 (inkl. Mehrfachreisen) 500 250 0 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Etwa ein Drittel aller in Richtung Syrien/Irak ausgereisten Personen befindet sich wieder in Deutschland. Zu über 110 zurückgekehrten Personen liegen den Sicherheitsbehörden Erkenntnisse vor, wonach sie sich aktiv an Kämpfen beteiligt oder hierfür eine Ausbildung absolviert haben. Diese Personen stehen unverändert im Fokus polizeilicher und justizieller Ermittlungen. Die Zahl bisheriger rechtskräftiger Verurteilungen zurückgekehrter Personen bewegt sich im mittleren zweistelligen Bereich. Diese Personen werden - je nach Strafmaß - nach Ableistung ihrer Haftstrafen innerhalb der nächsten Jahre wieder aus der Haft entlassen. Es bleibt abzuwarten, ob und inwiefern sich diese Personen nach ihrer Entlassung wieder aktiv in der Szene betätigen. Zumindest aber dürfte das Themenfeld "Haftentlassungen von verurteilten Rückkehrern" in naher Zukunft in den Fokus der Sicherheitsbehörden rücken. Bisher ist keine "Rückkehrerwelle" festzustellen. Gleichwohl ist in Bislang keine Zukunft mit verstärkten Rückkehrbewegungen zu rechnen. Der "Rückkehrerwelle" 189 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Gebietsverlust des IS in Syrien/Irak führt dazu, dass Kämpfer und ihre Angehörigen die Kampfgebiete verlassen. Es liegen Erkenntnisse zu Personen vor, die aktuell ausreisen möchten beziehungsweise sich aus der Haft in Syrien/Irak um eine Rückkehr bemühen. Bezüglich der von Rückkehrern ausgehenden Gefährdung ergibt sich ein heterogenes Bild. Die Spanne bei der Einschätzung dieser Personen reicht von "Desillusionierten", deren szenetypische Aktivitäten nach der Rückkehr deutlich abnehmen und/oder nicht mehr feststellbar sind, bis hin zu gewaltbereiten Personen mit Kampferfahrung. Grundsätzlich muss in den meisten Fällen von einer weiterhin bestehenden islamistischen Grundhaltung ausgegangen werden. Ihre Fähigkeit, sich unauffällig in westlichen Staaten zu bewegen, prädestiniert die Rückkehrer aus Sicht jihadistischer Gruppierungen dafür, Anschläge in ihren jeweiligen Heimatländern zu planen und durchzuführen. Ein besonderes Sicherheitsrisiko stellen Personen dar, die während ihres Aufenthalts in Syrien/Irak ideologisch indoktriniert, militärisch im Umgang mit Waffen und Sprengstoff geschult wurden oder Kampferfahrungen sammeln konnten. Durch ihre Ausbildung sind sie grundsätzlich dazu fähig, auch ohne weitere Unterstützung Gewalttaten zu begehen. Anhaltende Konflikte Die anhaltenden Konflikte im Nahen Osten, in Teilen Afrikas und befördern Migrationsin Südasien führen unverändert zu Migrationsbewegungen. Nach bewegung den Höchstwerten der Jahre 2015 und 2016 ist die Zahl der Asylerstanträge in der Europäischen Union zurückgegangen. Trotzdem ist der Migrationsdruck an den Grenzen Europas - in Spanien, Italien, Griechenland und den Balkanländern - unverändert gegeben. Auch im Jahr 2018 hat sich dieser Trend fortgesetzt. Die Migrationsbewegungen bergen nach wie vor Herausforderungen für die europäischen sowie deutschen Sicherheitsbehörden. Es besteht fortlaufend die Gefahr der Einreise von als Migranten getarnten Jihadisten mit Anschlagsauftrag. Hinweise auf solche Sachverhalte werden einer eingehenden Bewertung durch die Sicherheitsbehörden unterzogen. 190 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Es ist zu berücksichtigen, dass sich möglicherweise unter den Migranten auch Sympathisanten, Unterstützer und Mitglieder islamistischer/jihadistischer Gruppierungen ohne konkrete Anschlagsabsichten befinden, die ihre eigene Biografie verschleiern, um ihr Asyl nicht zu gefährden. Manche von ihnen haben unter Umständen selbst an Kampfhandlungen teilgenommen oder waren auf unterschiedliche Weise in Aktivitäten dieser Gruppen involviert. Einen weiteren Aufklärungsschwerpunkt bilden Migranten, die sich erst nach (längerem) Aufenthalt in Deutschland ohne erkennbaren Bezug zu einer ausländischen beziehungsweise hier aktiven extremistischen Gruppierung radikalisieren und sich im äußersten Fall zu einem Anschlag entschließen. Beobachtet werden zudem Bestrebungen von islamistischen Gruppierungen, deren Kontaktaufnahmen zu Migranten, die sich in Deutschland aufhalten, dem Zweck der Rekrutierung dienen. 6. Gefährdungspotenzial Deutschland wird von jihadistischen Gruppierungen als Feind und Terroristische Gegner wahrgenommen und steht damit unverändert in deren Gewalttat als Ziel Zielspektrum. Die Gruppierungen haben den Anspruch, jede sich bietende Gelegenheit für eine terroristische Gewalttat zu nutzen. Komplexe und multiple Anschläge, gesteuert durch terroristische Gruppen aus dem Ausland, haben in Deutschland bislang nicht stattgefunden, sind aber jederzeit denkbar. Einzeltäteranschläge sind mittlerweile ein fester Bestandteil der terroristischen Gewaltstrategie und der dominierende Anschlagstyp der letzten Jahre mit zum Teil hohem Wirkungsgrad. Anschläge dieser Art trafen Deutschland in den Jahren 2016 und 2017: Die Täter, zumeist jung und männlich, konsumierten im Vorfeld häufig gewaltorientierte Propaganda und durchliefen oft eine längere Radikalisierungsund Planungsphase. In vielen Fällen erhielten die Täter Beratung und Unterstützung durch Angehörige von Terrororganisationen im Ausland. Die Kommunikation verlief zumeist über Messenger-Dienste. Inhalte dieser Kommunikation umfassten die Radikalisierung, Inspiration und teilweise auch die Tatanleitung bis unmittelbar vor dem Anschlagsereignis. 191 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Inspirierte Einzeltäteranschläge sind Beispiele für eine erfolgreiche Umsetzung der Propagandastrategie von Terrororganisationen. Einzeltäter fühlen sich durch ihr Vorhaben in ihrem Selbstwert gestärkt. Insbesondere durch die Zuordnung zu einer Terrororganisation und ihre ideologische Überzeugung denken sie, auserwählt zu sein. Kein Anschlag in 2018 Im Jahr 2018 konnte kein Anschlagsvorhaben in Deutschland in die Tat umgesetzt werden. Ein Grund hierfür dürften auch die militärischen Niederlagen des IS sein, ebenso wie die umfangreichen Maßnahmen der deutschen Sicherheitsbehörden. Im Berichtszeitraum konnten durch rechtzeitige Intervention der Sicherheitsbehörden - auch unter Mitwirkung des BfV - Anschlagsvorhaben tatgeneigter Islamisten verhindert werden. Erfolgreiche Im März 2018 wurde in Baden-Württemberg ein 32-jähriger Mann Aufklärungsarbeit festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, in zehn Fällen den IS unterstützt und in vier Fällen für den IS um Mitglieder und Unterstützer geworben zu haben. Das Verfahren gegen den Mann beruht maßgeblich auf Erkenntnissen des BfV. Am 12. Juni 2018 wurde in Köln (Nordrhein-Westfalen) eine Person wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat festgenommen. Die Person wird verdächtigt, einen islamistischen Terroranschlag mittels biologischer Waffen auf der Basis von Rizin31 geplant zu haben. Neben selbst hergestelltem Rizin konnten im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung Materialien gefunden werden, die zur Herstellung von Unkonventionellen Sprengund Brandvorrichtungen (USBV) dienlich sind. Die Ehefrau des Beschuldigten wurde ebenfalls festgenommen, da sie ihn bei seinen Anschlagsplanungen unterstützt haben soll. Am 1. September 2018 wurde ein Jugendlicher in Hessen wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat verhaftet. Er soll aus islamistischen Motiven beabsichtigt haben, einen Anschlag auf eine schiitische Moschee in Frankfurt am Main (Hessen) zu begehen. Zuvor hatte er sich wesentliche 31 Rizin unterfällt als biologische Waffe dem Kriegswaffenkontrollgesetz. Seine Wirkung ist abhängig von der Menge des Gifts und der Art und Weise seiner Verabreichung. 192 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Bestandteile zum Bau einer Sprengvorrichtung beschafft. Bei der Wohnungsdurchsuchung wurden unter anderem geeignete Mittel für die Herstellung des Sprengstoffs Triacetontriperoxid (TATP) aufgefunden. Am 30. Januar 2019 wurden im Kreis Dithmarschen (SchleswigHolstein) drei Iraker festgenommen. Zwei von ihnen sollen sich Ende 2018 dazu entschlossen haben, in Deutschland einen islamistisch motivierten Anschlag zu verüben. Entsprechende Vorbereitungen sollen seit Anfang Dezember 2018 gelaufen sein. Den Ermittlungen zufolge soll einer der Beschuldigten sich über das Internet verschiedene Anleitungen für den Bau eines Sprengsatzes verschafft haben. Ferner habe er erfolglos versucht, über eine Kontaktperson in Großbritannien eine Zündvorrichtung zu erwerben. Ende Dezember 2018 sollen die beiden oben genannten Personen erste Sprengversuche mit Schwarzpulver aus Silvesterböllern unternommen haben. Darüber hinaus hätten die Beschuldigten auch erwogen, sowohl ein Kraftfahrzeug als auch eine Schusswaffe bei ihrem Anschlagsvorhaben einzusetzen. III. Salafistische Szene in Deutschland Salafistische Gruppierungen verzeichnen mit 11.300 Personen in Deutschland weiterhin steigende Anhängerzahlen (2017: 10.800, 2016: 9.700). Seit 2011 hat sich die Zahl der Salafisten in Deutschland damit annähernd verdreifacht. Salafistisches Personenpotenzial 2011-2018 12.000 11.300 10.000 10.800 9.700 8.000 8.350 6.000 6.680 5.740 4.000 4.500 3.800 2.000 0 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 193 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Extremistische Der Salafismus ist eine islamistische Ideologie und zugleich eine Gegenkultur extremistische Gegenkultur mit einem abgrenzenden Lebensstil durch markante Alleinstellungsmerkmale (Kleidung und Sprache). Der Salafismus will eine eingeschworene Gemeinschaft mit intensivem Zusammengehörigkeitsgefühl erzeugen. Dies zieht insbesondere Personen an, die sich von der Mehrheitsgesellschaft marginalisiert fühlen. Gerade ungefestigte Personen, die auf der Suche nach einem Lebenssinn, nach Orientierung und Sicherheit sind, werden durch das umfassende salafistische Regelwerk angesprochen, welches das tägliche Leben bis in seine Details hinein bestimmt. Der Einzelne wird durch salafistische Propaganda zu einem Teil einer Elite, zum Vorkämpfer des "wahren Islam", ausgezeichnet durch seine moralische Überlegenheit gegenüber einer "Welt des Verdorbenen". Ideologie Diese subkulturellen Elemente machen im Wesentlichen die Anziehungskraft der salafistischen Ideologie aus, die vom Wahhabismus, der "Staatsdoktrin" Saudi-Arabiens, geprägt ist und eine besonders strenge und radikale Strömung innerhalb des Islamismus darstellt. Salafisten sehen sich als Verfechter eines ursprünglichen, unverfälschten Islam. Sie geben vor, ihre religiöse Praxis und Lebensführung ausschließlich an den Prinzipien des Koran, dem Vorbild des Propheten Muhammad und der ersten drei muslimischen Generationen, den sogenannten rechtschaffenen Altvorderen (arab. al-Salaf al-Salih), auszurichten. In dieser Konsequenz versuchen Salafisten, einen "Gottesstaat" nach ihrer Auslegung der Regeln der Scharia zu errichten, in dem die freiheitliche demokratische Grundordnung keine Geltung mehr hätte. Immanente Politische und jihadistische Salafisten teilen dieselben ideoloGewaltorientierung gischen Grundlagen. Sie unterscheiden sich primär in der Wahl der Mittel, mit denen sie ihr Ziel, den "salafistischen Gottesstaat", verwirklichen wollen. Politische Salafisten versuchen, ihre islamistische Ideologie durch intensive Propagandaaktivitäten - die sie als "Missionierung" ("Dawa") bezeichnen - zu verbreiten und die Gesellschaft in einem langfristig angelegten Prozess nach salafistischen Normen zu verändern. In Teilbereichen positionieren sich die Anhänger des politischen Salafismus ausdrücklich gegen Terrorismus, heben den friedfertigen Charakter des Islam hervor und vermeiden offene Aufrufe zur Gewalt. Dennoch ist festzustellen, dass der politische Salafismus ein ambivalentes Verhältnis zur Gewalt als Mittel zur Durchsetzung seiner Ziele pflegt, da religiös 194 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS legitimierte Gewalt nicht prinzipiell ausgeschlossen wird. Salafisten beziehen sich in ihrer Islamauslegung selektiv auf klassische Werke der islamischen Rechtsliteratur, die im Umgang mit Nichtmuslimen eine starke Affinität zur Gewalt aufweisen. Nach salafistischer Islamauslegung muss der universelle Geltungsanspruch des Islam aufgrund seiner Überlegenheit und nach göttlichem Heilsplan der gesamten Menschheit zuteil und notfalls mit Gewalt durchgesetzt werden. Damit ist die grundsätzliche Bejahung von Gewalt ein immanenter Bestandteil salafistischer Ideologie. Die beiden salafistischen Strömungen haben unterschiedliche, aber leicht zu überbrückende Auffassungen darüber, unter welchen Voraussetzungen Gewalt angewendet werden darf. Das erklärt auch, weshalb der Übergang vom politischen zum jihadistischen Salafismus fließend ist. Der Salafismus hat zuletzt an Dynamik verloren. Die Rekrutierung Aktuelle Trends neuer Anhänger verläuft deutlich zurückhaltender als noch in den letzten Jahren. Eine öffentlich sichtbare "Straßenmissionierung" ("Street Dawa") findet nur noch selten statt. Bekannte Prediger treten seltener auf, zugleich hat ihre Bedeutung für die salafistische Szene abgenommen. Verantwortliche von salafistischen Moscheevereinen achten verstärkt auf die Vermeidung von verfassungsfeindlichen Aussagen in Predigtinhalten - dies ist mutmaßlich auch eine Folge der staatlichen Ermittlungserfolge. Indoktrinierung und Radikalisierung finden weniger in Moscheen oder in größeren überregionalen salafistischen Organisationen, sondern in kleinen konspirativen Zirkeln und vor allem im Internet statt. Zudem führt der militärische Niedergang des IS zu einer gewissen ideologischen Orientierungslosigkeit der Szene. Neue Entwicklungsschübe sind derzeit nicht abzusehen. Dennoch werden die Anhängerzahlen voraussichtlich auch mittelfristig nicht stagnieren oder gar zurückgehen. Hintergrund dafür ist die verstärkte Aufklärung der Szene durch die Sicherheitsbehörden und der damit verbundene Anstieg der in der Szene bekannten Akteure sowie die Vielzahl an Hinweisen auf die Radikalisierung einzelner Personen. Nach wie vor reisen auch salafistische Prediger aus dem Ausland - vor allem aus den Golfstaaten - nach Deutschland, um hier ihre Ideologie zu verbreiten. Die Sicherheitsbehörden sind bestrebt, einen derartigen "Salafismusimport" zu verhindern. 195 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Die vielfältigen Propagandaaktivitäten von Salafisten sind "erfolgreich" und werden von diesen verharmlosend als "Missionierung" oder "Einladung zum Islam" bezeichnet; tatsächlich handelt es sich um eine systematische Indoktrinierung und oftmals auch um den Anfang einer noch weitergehenden Radikalisierung. Die Propagandaaktivitäten zielen zwar verstärkt auf Jugendliche, allerdings ist der Salafismus in Deutschland kein reines Jugendphänomen. Circa 27 % der Anhänger sind bis 25 Jahre alt, 38 % zwischen 26 und 35 Jahre, 35 % sind 36 Jahre oder älter. Zugleich ist die Szene deutlich männlich dominiert. Lediglich circa 12 % der den Verfassungsschutzbehörden bekannten Anhänger sind Frauen. Der Salafismus in Deutschland ist vor allem durch Zuwanderer und deren Kinder geprägt. Circa 90 % der Anhänger haben einen Migrationshintergrund, die übrigen sind Konvertiten. Neue Anhänger geraten in eine Szene, die von einer "Wagenburgmentalität" gegenüber einer als "ungläubig" diffamierten Umwelt geprägt ist, zu der nicht nur Christen, Juden und Nichtgläubige zählen, sondern auch nicht salafistische Muslime. Damit soll jeglicher Einfluss von außen unterbunden werden. Kontakte zu Nichtsalafisten gelten lediglich dann als legitim, wenn sie der Verbreitung der eigenen Ideologie dienen. Die salafistische Szene stellt das wesentliche Rekrutierungsfeld für den Jihad dar. Fast ausnahmslos alle Personen mit Deutschlandbezug, die sich dem Jihad angeschlossen haben, standen zuvor mit der salafistischen Szene in Kontakt. GefährdungsDas Gefährdungspotenzial durch salafistische Gewalt bleibt unverpotenzial ändert hoch. Salafistische Gewalt könnte eine zusätzliche Dynamik durch Wechselwirkungen mit extremistischen Gruppen aus anderen, "verfeindeten" ideologischen Lagern bekommen. Jihad-Rückkehrer Eine besondere Rolle innerhalb der salafistischen Szene spielen und ihre Bedeutung Rückkehrer aus jihadistischen Kampfgebieten, die die Sicherheitsfür die Szene behörden vor besondere Herausforderungen, insbesondere bei Frauen und Minderjährigen, stellen. 196 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Der Begriff Minderjährige bezeichnet in diesem Kontext zum einen Heranwachsende, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und in diesem Zeitraum eine jihadistische Radikalisierung durchlaufen haben, aufgrund derer sie zum Beispiel eine Ausreise in das syrisch-irakische Konfliktgebiet unternommen haben, um sich (mutmaßlich) islamistisch-terroristischen Organisationen anzuschließen. Dieses Phänomen wurde vor allem zwischen 2014 und 2016 beobachtet. Die meisten dieser Personen haben inzwischen die Volljährigkeit erreicht, dürften jedoch im Konfliktgebiet eine entscheidende Prägung erfahren haben. Zum anderen sind damit minderjährige Kinder gemeint, deren radikalisierte Eltern/ Elternteile zum Zweck der Unterstützung einer islamistisch-terroristischen Vereinigung in die Nahostregion gereist sind. Von diesen überwiegend noch sehr jungen Minderjährigen ist anzunehmen, dass sie in ihren Familien eine jihadistische Sozialisation (siehe unten) erfahren haben. Im Folgenden geht es primär um dieses Phänomen. Zwar sind bislang deutlich weniger Frauen zurückgekehrt als Männer, es ist jedoch damit zu rechnen, dass künftig verstärkt Frauen gemeinsam mit ihrer Familie aus Syrien und dem Irak nach Deutschland zurückkommen werden. Auch von ihnen kann eine Gefährdung ausgehen. In der Propaganda des IS wurde die Pflicht zum Jihad auf diese Zielgruppe ausgeweitet. Die Rückkehrer(-innen) begeben sich in fast allen Fällen zurück in ihnen bekannte salafistische Kreise, in die sie auch ohne Probleme (wieder) aufgenommen werden. Da das Umfeld sehr oft das gleiche ist wie vor der Ausreise, ist fraglich, ob sich die Rückkehrer(-innen) wirklich von der Ideologie des IS gelöst haben. Weiter ist davon auszugehen, dass durch diese Rückkehrer(-innen) zumindest Teile der IS-Ideologie mittelbis langfristig verstärkt in deutsche Salafistenkreise Einzug halten. Direkt nach der Rückkehr werden diese Personen sich wahrscheinlich erst "neu sortieren" und "ankommen" müssen. Maßnahmen der Deradikalisierung und Reintegration sind mitzudenken und, wo möglich, anzuwenden. Dennoch könnten die Rückkehrer(-innen) mittelfristig formale und informale Schlüsselpositionen einnehmen und als Rollenvorbild andere beeinflussen und gegebenenfalls radikalisieren. Dem BfV liegen Erkenntnisse zu mehr als 300 Minderjährigen vor, die sich zumindest zeitweise in Syrien und im Irak aufgehalten 197 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS haben. Ein Teil der Minderjährigen ist mit den jeweiligen Eltern nach Syrien und in den Irak ausgereist, ein größerer Teil wurde vor Ort geboren. Derzeit ist noch eine dreistellige Zahl Minderjähriger in der Krisenregion oder in der Türkei aufhältig. Eine geringe Zahl von Minderjährigen ist - fast ausschließlich gemeinsam mit ihren Eltern beziehungsweise ihren Müttern - nach Deutschland zurückgekehrt. Bislang liegen keine konkreten Informationen darüber vor, ob sich diese an Kampfhandlungen in Syrien und im Irak beteiligt haben. Bei den Minderjährigen ist von einer Traumatisierung zumindest durch die Kriegserfahrung, aber auch von einer Prägung durch das Erziehungsund Bildungssystem des IS auszugehen. Sie dürften in Abhängigkeit von ihrem Alter, den Erfahrungen vor Ort sowie ihrer Aufenthaltsdauer zumindest Teile der IS-Ideologie mehr oder weniger verinnerlicht haben. Eine Teilhabe oder Mitwirkung an Gewalttaten in Syrien und im Irak ist ebenfalls nicht auszuschließen. Für die Minderjährigen wird die IS-Ideologie Normalität sein, und sie werden diese verinnerlicht haben. Somit dürfte diese Ideologie ihre Persönlichkeitsfindung sowie ihr gesamtes Denken, Fühlen, Erleben und Handeln mitformen. Zurzeit befindet sich das Gros der Minderjährigen in einem Alter, in dem sie nicht die Fähigkeiten besitzen, eine terroristische Tat zu planen und durchzuführen. Inwiefern die Minderjährigen zukünftig ihr Weltbild hinterfragen beziehungsweise reflektieren können, ist schwer abzuschätzen. Allerdings wird eine Auseinandersetzung mit dem eigenen jihadistisch geprägten Weltbild nicht ohne professionelle Unterstützung möglich sein. Etwaige Kontakte mit dem salafistischen Milieu in Deutschland dürften die möglichen negativen Entwicklungen noch verstärken. Dies bedeutet nicht, dass jeder zurückkehrende Minderjährige sich automatisch radikalisieren wird. Weitere individuelle Faktoren und Entwicklungen sowie die Verfügbarkeit professioneller Unterstützer im Integrationsprozess spielen hierbei eine Rolle. Dennoch stellen gerade die minderjährigen Rückkehrer eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar. Jihadistische Nicht nur bei den Rückkehrern, auch bei den in Deutschland in jiSozialisation hadistischen Familien aufwachsenden Minderjährigen besteht die Gefahr einer jihadistischen Sozialisation. 198 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS In Deutschland aktive jihadistische Familienverbünde sind zunehmend ein sicherheitsrelevantes Thema. Im Rahmen der jihadistischen Sozialisation wird Minderjährigen ein salafistisches/ jihadistisches Weltbild mitgegeben. Durch dieses Weltbild beziehungsweise diese Identität kann die Hemmschwelle für eine mögliche Radikalisierung herabgesetzt und befördert werden. Die familiär begründete und betriebene Beförderung eines jihadistischen Weltbilds kann durch die sekundäre Sozialisation, also die Sozialisation, die nicht durch den engsten Familienkreis erfolgt, weiter verstärkt werden. Insbesondere (einschlägige) Moscheen und Vereine fallen in diesem Bereich auf. Diese offerieren ein breites und auf unterschiedliche Altersgruppen abgestimmtes Angebot für die ganze Familie. Wie genau das Verhältnis zwischen jihadistischer Sozialisation und der "klassischen" Radikalisierung ist, kann zurzeit noch nicht abschließend beurteilt werden. Jihadistische Sozialisation und "klassische" Radikalisierung sind Wege, die von unterschiedlichen Personengruppen beschritten werden. Beide Wege können jedoch zur Legitimierung und Ausübung terroristischer Gewalt führen. Dazu folgende Beispiele: "" Im Jahr 2016 versuchte ein damals 12-Jähriger aus RheinlandPfalz, einen Sprengstoffanschlag auf den Ludwigshafener Weihnachtsmarkt zu verüben. Er baute dazu einen Bombengürtel, den er in einer Tasche auf dem Weihnachtsmarkt abstellte. Der Sprengsatz zündete jedoch nicht. Der Minderjährige soll zuvor durch IS-Sympathisanten zur Tat angeleitet worden sein. Da der Minderjährige zum Tatzeitpunkt noch nicht strafmündig war, leitete die Staatsanwaltschaft kein Verfahren gegen ihn ein. "" Im Jahr 2018 wurde ein Minderjähriger (zum damaligen Zeitpunkt knapp unter 14 Jahre alt) durch ein Landeskriminalamt offiziell als Gefährder eingestuft. Er war in der jihadistischen Szene seiner Heimatstadt verortet und lebte dort mit seinem Vater, der seit Jahren eine offenkundige Radikalisierung seiner eigenen Familie betrieb, in einem gemeinsamen Haushalt. Das Beispiel verdeutlicht die exponierte Situation von Minderjährigen in salafistischen und jihadistischen Familienverbünden. Angesichts der Zahl der Minderjährigen und jungen Erwachsenen, die in Deutschland in jihadistischen Familienverbünden leben 199 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS und aufwachsen, birgt die jihadistische Sozialisation ein nicht unerhebliches Gefährdungspotenzial. Ob und wie sich dieses Potenzial gegenüber der nicht jihadistischen Umwelt manifestiert, kann aufgrund des überwiegend noch sehr jungen Alters der betroffenen Minderjährigen derzeit noch nicht abgeschätzt werden. Festgestellt werden kann jedoch, dass dieses mittelbis langfristige Phänomen eine Sensibilisierung von Sicherheitsund anderen Behörden sowie zivilgesellschaftlichen Trägern notwendig macht. Dies gilt unter anderem für Schulen, Jugendämter oder Sportvereine. Bei einer hinreichenden Sensibilisierung des Umfelds steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Informationen über Auffälligkeiten frühzeitig an die zuständigen (Beratungs-)Stellen für den Bereich Deradikalisierung in den Ländern beziehungsweise die Beratungsstelle Radikalisierung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) weitergegeben werden können. IV. Antisemitismus im Islamismus32 Ideologie Antisemitismus ist nicht nur ein Agitationsthema von Rechtsund Linksextremisten, sondern stellt auch ein wesentliches Element in der Ideologie des gesamten islamistischen Spektrums dar. Unter Antisemitismus versteht man die politisch, sozial, rassistisch oder religiös fundierte Feindschaft gegenüber Juden. Antisemitisch sind jegliche Äußerung und jegliches Verhalten, das sich gegen einen Juden als Juden beziehungsweise gegen die jüdische Gemeinschaft richtet. Dabei ist es unerheblich, ob sich diese Gemeinschaft im Verband des Staates Israel organisiert oder außerhalb. Erscheinungsbild In der islamistischen Propaganda verbinden sich oftmals religiöse, territoriale und/oder national-politische Motive zu einem antisemitischen Weltbild. Das "Feindbild Judentum" bildet deshalb einen zentralen Pfeiler in der Propaganda aller islamistischen Gruppierungen. Dabei werden Stereotype und Vorurteile verwendet, die mit der judenfeindlichen Hetze in Europa vom Mittelalter bis zur nationalsozialistischen Rassenideologie im 20. Jahrhundert in Verbindung gebracht werden können. 32 Unter www.verfassungsschutz.de sind weitere Broschüren zum Thema Antisemitismus abrufbar. 200 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Einen besonderen Stellenwert nimmt im islamistischen Antisemitismus die "jüdische Weltverschwörung" ein. Ähnlich wie im Rechtsextremismus werden Juden als "Drahtzieher" einer weltweiten politischen Verschwörung gesehen und kollektiv für verschiedene nationale und internationale Übel und Missstände verantwortlich gemacht. Das BfV stellte auch im Jahr 2018 eine Vielzahl antisemitischer Antisemitische Vorfälle fest. Das Spektrum der Ereignisse reicht dabei von antiVorfälle semitischen Reden und Predigten über judenfeindliche Postings in sozialen Medien bis hin zu verbalen oder körperlichen Attacken gegen einzelne jüdische Personen. Im Folgenden zwei Beispiele: "" Eine der salafistischen Szene zuzurechnende Person veröffentlichte am 15. Mai 2018 auf ihrer Facebook-Seite die Aussage: "Wir haben doch Jerusalem nicht von den Kreuzrittern gesäubert, um es den Zionisten zu überlassen!" " Ein HAMAS-Sympathisant teilte ebenfalls am 15. Mai 2018 auf seiner Facebook-Seite ein Video über "Märtyrer" und kommentierte es wie folgt: "Oh Gott, räche uns an dem, der uns unterdrückt. Oh Gott, räche uns an allen arabischen Herrschern, ohne Ausnahme. Oh Gott, besiege die Juden und ihre Agenten und enttäusche sie!"33 Die Erkenntnisse des BfV zeigen, dass sämtliche in Deutschland Nährboden für aktive islamistische Organisationen antisemitisches GedankenEskalationen gut hegen und auf unterschiedlichsten Wegen verbreiten. Dieses Gedankengut stellt eine erhebliche Herausforderung für das friedliche und tolerante Zusammenleben in Deutschland dar. Zwar ist die Zahl der körperlichen Angriffe gegen jüdische Personen derzeit noch gering. Allerdings verdeutlichen schon diese Einzelfälle, dass die ideologische Radikalisierung von Menschen und die Aufstachelung zu Hass und Gewalt durch antisemitisches Gedankengut zu gewalttätigen antisemitischen Ausschreitungen führen können, selbst wenn die Täter weder Mitglied noch Anhänger einer islamistischen Organisation sind. Dies gilt nicht zuletzt für Personen, die im arabischen Raum in gesellschaftlichen Milieus sozialisiert 33 Dass beide Kommentare auf den 15. Mai fallen, ist kein Zufall: Am 15. Mai, dem Jahrestag der israelischen Staatsgründung 1948, begehen die Palästinenser den "NakbaTag" (das arabische Wort "Nakba" bedeutet "Katastrophe"), mit dem sie an die historischen Ereignisse aus ihrer Perspektive erinnern. 201 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS wurden, in denen antisemitische Einstellungen weit verbreitet sind.34 Beispielhaft hierfür steht ein aus Syrien stammender junger Mann, der im April 2018 einen Kippa tragenden Israeli in Berlin auf offener Straße mit einem Gürtel attackierte. V. Entwicklungen im legalistischen Spektrum "MuslimbruderWährend jihadistische Gruppierungen, wie der IS oder "al-Qaida", schaft" (MB) einen gewaltsamen Umsturz unter anderem mithilfe terroristischer Anschläge anstreben, agieren legalistische Gruppierungen wie die Anhänger der aus Ägypten stammenden "Muslimbruderschaft" (MB) auf der Grundlage der hiesigen Gesetze. Sie versuchen vor allem mithilfe von "Dawa" (Arabisch für "Missionierung"), eine Mehrheit der Gesellschaft für den Islam beziehungsweise ihre Auslegung des Islam zu gewinnen. Die Strategie der MB in Europa, die von Yusuf al-Qaradawi, ihrem derzeit wichtigsten Ideologen, als "friedliche Eroberung" bezeichnet wird, ist langfristig über mehrere Generationen angelegt. Als die wichtigste Organisation von MB-Anhängern in Deutschland gilt die "Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V." (DMG). Der Verein, der bis September 2018 den Namen "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD) trug, wurde bereits 1958 gegründet und hat sich im Laufe seiner Existenz mehrfach umbenannt. Nach eigenen Angaben koordiniert die DMG ihre Tätigkeit mit über 100 Moscheen und "Islamischen Zentren" deutschlandweit. "Furkan Die "Furkan Gemeinschaft", seit dem Jahr 2014 in Deutschland akGemeinschaft" tiv, wurde im Berichtszeitraum zum Beobachtungsobjekt des BfV erhoben. Die Anhänger der "Furkan Gemeinschaft" orientieren sich ideologisch an Alparslan Kuytul, dem Gründer der "Furkan-Stiftung für Bildung und Fürsorge" ("Furkan Egitim ve Hizmet Vakfi") in der Türkei und Anführer der "Furkan-Bewegung". Zur Legitimierung von Kuytuls ideologischer Führungsrolle trägt unter anderem sein 34 In den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens sowie im nördlichen Afrika sind antisemitische Einstellungen bei circa 75 % bis circa 90 % der Gesamtbevölkerung zu finden (vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 18/11970, Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus vom 7. April 2017, Berlin, 2017, S. 91 ff.). 202 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Studium des islamischen Rechts an der al-Azhar-Universität in Kairo (Ägypten) bei. Auf die Zeit in Ägypten dürfte zurückgehen, dass Kuytuls Denken unter anderem durch wichtige Referenzpersonen der ägyptischen MB - wie ihrem Gründer Hasan al-Banna (1906-1949) und ihrem Theoretiker Sayyid Qutb (1906-1966) - geprägt ist. Kuytul propagiert die Errichtung eines islamistischen Staates und fordert zur "Rettung der islamischen Zivilisation" die Rückkehr zu Koran und "Sunna des Propheten". Dieses Ziel soll durch Herausbildung einer "avantgardistischen Generation" verwirklicht werden, welche die Ideologie Kuytuls verinnerlicht habe und über die Eigenschaften von islamischen Gelehrten verfüge. Daher richtet die "Furkan Gemeinschaft" ihr Augenmerk insbesondere auf die Bildungsarbeit. Ein weiterer Schwerpunkt der Aktivitäten der Organisation liegt in der Missionierungsarbeit unter Muslimen jedweder Herkunft. In verschiedenen Videobotschaften stellt Kuytul den Westen als "Ursprung allen Übels" dar. Nach seiner Überzeugung ist der Islam mit Demokratie beziehungsweise Laizismus unvereinbar. Zudem spricht er Israel das Existenzrecht ab und inszeniert sich als Verfechter der palästinensischen Sache. Darüber hinaus polemisiert er gegen den türkischen Staat, aber auch gegen die dortigen Oppositionsparteien, andere islamische Gemeinschaften und andere Religionen. Zur Verbreitung ihrer Ideen nutzt die "Furkan Gemeinschaft" insbesondere das Internet. So betreiben ihre Anhänger Websites, Profile und Kanäle in sozialen Netzwerken, ein eigenes Nachrichtenportal ("Furkan Haber") und einen Online-Fernsehsender ("TV Furkan"); des Weiteren werden Online-Bildungskurse angeboten. Seit 2011 verfügt die Bewegung um Kuytul mit "Die Furkan-Generation - Die Stimme der avantgardistischen Generation" ("Furkan Nesli Dergisi - Öncü Neslin Sesi") auch über eine eigene Zeitschrift. Ende Januar 2018 wurden Kuytul sowie weitere Anhänger in der Türkei verhaftet. Ihnen wird von den türkischen Strafverfolgungsbehörden unter anderem vorgeworfen, gegen die verfassungsmäßige Ordnung agitiert und die öffentliche Sicherheit bedroht zu haben. Der Prozess gegen Kuytul begann Anfang November 2018. Im Nachgang zur Verhaftung wurde im Juli 2018 die "Furkan-Stiftung 203 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS für Bildung und Fürsorge" in der Türkei verboten und die ihr zuzuordnenden Filialen geschlossen. Kuytuls Anhängerschaft in Deutschland organisiert Unterstützungsaktionen für ihre Leitfigur. So wurden im Herbst 2018 in mehreren deutschen Städten Kundgebungen für die Freilassung Kuytuls veranstaltet. Es ist derzeit nicht abzusehen, wie Kuytuls Inhaftierung und seine dadurch bedingte Einschränkung, sich zu religiösen und politischen Themen über Videobotschaften äußern zu können, sich längerfristig auf die Anhängerschaft in Deutschland auswirkt. VI. Staatliche Maßnahmen Vereinsrechtliche Vereinsverbote sind ein geeignetes Mittel, um die organisatoriMaßnahmen schen und finanziellen Möglichkeiten von Islamisten zu beschränken. Wenngleich sich dadurch extremistische Gesinnungen nicht ändern, werden Strukturen und Kommunikationswege doch nachhaltig gestört. In den Vorjahren gab es eine Vielzahl von Verbotsmaßnahmen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) gegen islamistische beziehungsweise islamistisch-terroristische Bestrebungen (vgl. hierzu die entsprechende Übersicht über Verbotsmaßnahmen des BMI gegen extremistische Bestrebungen im Zeitraum Januar 1990 bis Dezember 2018 im Anhang). Strafverfahren Aus einer Vielzahl von Verfahren im Zusammenhang mit dem islamistischen Terrorismus werden die folgenden exemplarisch aufgeführt: "" Am 1. März 2018 verurteilte das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) Hamburg einen palästinensischen Volkszugehörigen wegen Mordes sowie sechsfachen versuchten Mordes und sechsfacher gefährlicher Körperverletzung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Die besondere Schwere der Schuld wurde festgestellt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte 204 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS am 28. Juli 2017 in einem Supermarkt in Hamburg mit einem Messer einen Menschen heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen getötet und sechs weitere Menschen bei dem Versuch, sie heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen zu töten, zum Teil lebensgefährlich verletzt hat. Nach Überzeugung des Gerichts kam es dem Angeklagten darauf an, möglichst viele deutsche Staatsangehörige christlichen Glaubens zu töten. Seine Taten wollte der Angeklagte im Kontext islamistischer Anschläge wahrgenommen und mithin als Beitrag zum weltweiten Jihad verstanden wissen. Belastbare Anhaltspunkte für eine Einbindung des Verurteilten in eine terroristische Vereinigung liegen nicht vor. "" Am 12. März 2018 verurteilte das OLG Hamburg drei syrische Staatsangehörige wegen der Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" (IS) zu Freiheitsstrafen von sechs Jahren und sechs Monaten beziehungsweise drei Jahren und sechs Monaten. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Ende 2015 in Deutschland als Flüchtlinge eingereisten Angeklagten vom IS als Attentäter entsandt wurden, um in Westeuropa Anschläge zu begehen. Das Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts wurde - auch aufgrund der seit Ende 2015 umfassend durch das BfV erhobenen Erkenntnisse - im Frühjahr 2016 eingeleitet und das Bundeskriminalamt mit den Ermittlungen beauftragt. In enger Zusammenarbeit der Bundessicherheitsbehörden verdichteten sich im weiteren Verlauf der Ermittlungen die Erkenntnisse, die auf die potenzielle Gefährdung durch die drei Beschuldigten hinwiesen. Diese wurden daraufhin am 13. September 2016 in ihren jeweiligen Flüchtlingsunterkünften in Schleswig-Holstein festgenommen. In der im Juni 2017 eröffneten Hauptverhandlung vor dem OLG Hamburg räumte einer der Angeklagten ein, als Kämpfer des IS nach Deutschland entsandt worden zu sein, um sich für einen Anschlag mit vielen Opfern bereitzuhalten. "" Am 13. Juni 2018 verurteilte das OLG Düsseldorf (NordrheinWestfalen) einen syrischen Staatsangehörigen unter anderem wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an terroristischen Vereinigungen in mehreren Fällen und wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren. Das Gericht stellte fest, dass der Angeklagte ab Herbst 2012 in Syrien Mitglied terroristischer Vereinigungen war und im Februar 2013 beim Angriff auf eine syrische Stadt einen Soldaten getötet hat, der zuvor den Bruder des Angeklagten erschossen hatte. Der anfängliche Verdacht, 205 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS der Angeklagte habe einen Anschlag in der Düsseldorfer Altstadt geplant, bestätigte sich für den Senat nicht. Das Urteil ist rechtskräftig. "" Das OLG Frankfurt am Main (Hessen) verurteilte am 24. September 2018 einen Mann mit deutscher und marokkanischer Staatsangehörigkeit wegen der Beihilfe zu einem Kriegsverbrechen gegen Personen in Tateinheit mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland. Der Angeklagte war bereits durch ein rechtskräftiges Urteil des OLG Frankfurt am Main aus dem Jahr 2016 wegen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, davon in einem Fall zudem in Tateinheit mit einem Kriegsverbrechen gegen Personen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Unter Einbeziehung dieser Strafe hat das OLG Frankfurt am Main ihn nunmehr wegen der weiteren, oben genannten Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sich der Angeklagte von September 2013 bis Februar 2014 in Syrien aufgehalten und dort im November 2013 als Mitglied des IS an der grausamen und unmenschlichen Behandlung einer nach dem humanitären Völkerrecht geschützten Person beteiligt hat. Das Gericht wertete das Verhalten des Angeklagten nicht als mittäterschaftliches Handeln, sondern als Beihilfe zu einem Kriegsverbrechen gegen Personen. 206 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS VII. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 1. "Islamischer Staat" (IS) Gründung: Ende 2003 als "al-Qaida im Irak", seit Mitte 2014 "Islamischer Staat" Leitung: Abu Bakr al-Baghdadi Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Publikationen/Medien: "al-Naba" (arabischsprachiges Onlinemagazin, erscheint wöchentlich) "Amaq" (Nachrichtenagentur) "al-Hayat Media Center" (Medienstelle) Betätigungsverbot: Verbotsverfügung des Bundesministers des Innern vom 12. September 2014 Im Verlauf des Jahres 2013 nahm der "Islamische Staat" (IS) eine zentrale Rolle im syrischen Bürgerkrieg ein und eroberte Anfang 2014 auch Gebiete im Nordirak. Am 29. Juni 2014 rief ISAnführer al-Baghdadi das "Kalifat" aus. Seit Beginn der US-geführten Luftangriffe gegen den IS im Jahr 2014 rief dieser zu Anschlägen im Westen auf. Zahlreiche Anschläge wurden im Namen des IS begangen, auch in Deutschland. Der IS wurde in seinem syrisch-irakischen Kerngebiet militärisch nahezu vollständig besiegt. Damit einher ging eine Restrukturierung der Organisation, welche sich von einem ehemals quasi-staatlichen Akteur wieder zu einer Terrorgruppierung im Untergrund wandelte. Auch vom IS im Untergrund, seinen regionalen Ablegern ("Provinzen") und vor allem von den durch den IS inspirierten Einzeltätern und Kleinstgruppen sowohl in islamischen Ländern als auch im Westen geht eine nicht zu unterschätzende terroristische Gefahr aus. Strukturen der Gruppierung in Deutschland sind nicht bekannt. 207 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 2. Kern-"al-Qaida" Gründung: Mitte der 1980er-Jahre Leitung: Aiman al-Zawahiri Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Publikationen/Medien: "Resurgence" (Onlinemagazin) "as-Sahab" (Medienstelle) Die von Usama Bin Ladin gegründete "al-Qaida" strebt ein islamistisches Regime zumindest in den mehrheitlich von Muslimen bewohnten Ländern und darauf aufbauend eine globale Ausdehnung an. Ihr Kampf gilt sowohl dem "äußeren Feind" (dem westlichen Einfluss, insbesondere den USA und Israel) als auch dem "inneren Feind" (den sogenannten unislamischen Regierungen im Nahen und Mittleren Osten sowie in Nordafrika). Ziel von "al-Qaida" sind weiterhin "große", medienwirksame Anschläge. Daneben werden Einzeltäter oder Kleinstgruppen dazu aufgerufen, Anschläge ohne Absprache und formale Anbindung an die Organisation durchzuführen. Trotz des Versuchs, sich angesichts der Niederlage des IS neu zu positionieren, gelang "al-Qaida" keine erkennbare, nachhaltige Restrukturierung. Strukturen der Gruppierung in Deutschland sind nicht bekannt. 208 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 3. "Al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM) Gründung: Ende der 1990er-Jahre in Algerien als "Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf" ("Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat" - GSPC) Leitung: Abdalmalik Droukdal alias Abu Mus'ab Abdalwadud Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Publikationen/Medien: "al-Andalus" (Medienstelle) Der Beitritt der "Salafistischen Gruppe für Predigt und Kampf" ("Groupe Salafiste pour la Predication et le Combat" - GSPC) zu "al-Qaida" wurde im September 2006 offiziell bekannt gegeben; im Januar 2007 erfolgte die Umbenennung in "al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQM). Die AQM gilt als die größte islamistisch-terroristische Gruppierung im Maghreb (im Sinne der AQM umfasst der Maghreb die Staaten Tunesien, Algerien, Marokko, Libyen, Mauretanien, Mali und Niger). Im Jahr 2017 schlossen sich die in Mali aktiven Gruppierungen der AQM zu der Gruppe "Jama'at Nusrat al-Islam wal-Muslimin" zusammen. Durch den Zusammenschluss wurde die Organisation gestärkt, um ihr Ziel, die Errichtung eines islamistischen Staates, voranzutreiben sowie dem IS nahestehenden Gruppierungen besser begegnen zu können. Strukturen der Gruppierung in Deutschland sind nicht bekannt. 209 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 4. "Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAH) Gründung: Januar 2009 Leitung/Vorsitz: Qasim al-Raimi Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Publikationen/Medien: "Madad" (Onlinemagazin) Anmerkung: "Sada al-Malahem" (Onlinemagazin) Verschiedene jihadis"al-Malahem Media" (Medienstelle) tische Organisationen benutzen häufig dasselIm Januar 2009 schlossen sich "al-Qaida im Jemen" (AQJ) und "albe Logo; vgl. Logo IS. Qaida"-Kräfte aus Saudi-Arabien zu "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAH) zusammen, wodurch die bis dahin ausschließlich im Jemen aktive AQJ ihren terroristischen Aktionsradius auf Saudi-Arabien erweiterte. Ziel ist die Errichtung eines islamistischen Staates auf der Arabischen Halbinsel. Seit ihrer Gründung hat AQAH ihre operative Handlungsfähigkeit durch Anschläge und Anschlagsversuche unter Beweis gestellt. Ziele waren unter anderem der internationale Luftverkehr sowie staatliche Institutionen und Einrichtungen insbesondere im Jemen und in Saudi-Arabien. Die andauernden kriegerischen Auseinandersetzungen im Jemen erleichtern es AQAH, sich vor allem im Süden und Osten des Landes als lokale Macht zu etablieren. AQAH ruft auch zu "einfachen" Anschlägen im Westen auf. Strukturen der Gruppierung in Deutschland sind nicht bekannt. 210 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 5. "Al-Shabab" Gründung: 2006 in Somalia Leitung: Ahmad Umar alias Abu Ubaidah Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Publikationen/Medien: "al-Kataib" (Medienstelle) Die Gruppierung "al-Shabab" hat sich im Jahr 2006 von der "Union islamischer Gerichtshöfe" abgespalten und sich im Wesentlichen aus deren jungen, radikalen Kämpfern formiert. Im Februar 2012 wurde "al-Shabab" durch Kern-"al-Qaida" offiziell als regionaler Arm des "al-Qaida"-Netzwerks anerkannt. Ziel von "al-Shabab" ist die Errichtung eines islamistischen Staates in "Groß-Somalia" unter Einbeziehung der äthiopischen Region Ogaden sowie Teilen Kenias und Dschibutis. Die terroristische Gruppierung betrachtet Selbstmordattentate und Anschläge auf Regierungsvertreter sowie diplomatische Einrichtungen - vor allem in der somalischen Hauptstadt Mogadischu - als probates Mittel zur Umsetzung ihrer Ziele. "Al-Shabab" bekämpft den IS-Regionalableger in Somalia und führt Angriffe gegen das Nachbarland Kenia durch. Strukturen der Gruppierung in Deutschland sind nicht bekannt. 211 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 6. "Hai'at Tahrir al-Sham" (HTS)35 Gründung: Ende 2011 als "Jabhat al-Nusra" (JaN)36, Ende Juli 2016 Umbenennung in "Jabhat Fath al-Sham" (JFS)37, Ende Januar 2017 aufgegangen in "Hai'at Tahrir al-Sham" (HTS) Leitung: Abu Muhammad al-Julani Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Publikationen/Medien: "IBAA" (Nachrichtenagentur) Die ursprünglich "al-Qaida"-nahe Organisation "Hai'at Tahrir alSham" (HTS) strebt die Errichtung eines islamistischen Staatswesens in "Großsyrien" an. Die regionalen Schwerpunkte der Gruppierung liegen im westlichen Teil Syriens, von Aleppo im Norden des Landes bis nach Daraa an der Grenze zu Jordanien im Süden. Mit ihren Umbenennungen versuchte die Gruppierung, möglichst viele regionale islamistisch-terroristische Gruppierungen in Syrien unter sich zu vereinigen. Die seit Herbst 2017 andauernden Spannungen mit Kern-"alQaida" führten dazu, dass zahlreiche Mitglieder die HTS verließen und sich anderen terroristischen Gruppierungen in Syrien anschlossen. Strukturen der Gruppierung in Deutschland sind nicht bekannt. 35 Arabisch für "Komitee zur Befreiung Großsyriens". 36 Arabisch für "Unterstützungsfront". 37 Arabisch für "Front zur Eroberung Syriens". 212 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 7. "Hizb Allah"38 Gründung: 1982 im Libanon Sitz: Beirut (Libanon) Leitung: Generalsekretär Hassan Nasrallah, Funktionärsgruppe Mitglieder/Anhänger 1.050 (2017: 950) in Deutschland: Publikationen/Medien: "al-Ahd - al-Intiqad" (Zeitschrift, (Auswahl) wöchentlich) "al-Manar" (TV-Sender) "Moqawama.org" (Website) Betätigungsverbot gegen Verbotsverfügung des Bundesminis"al-Manar TV": ters des Innern vom 29. Oktober 2008 Vereinsverbot gegen Verbotsverfügung des Bundesminis"Waisenkinderprojekt ters des Innern vom 2. April 201440 Libanon e.V." (WKP)39: 38 Arabisch für "Partei Gottes". 39 In der Mitgliederversammlung des WKP am 22. Februar 2014 wurde die Namensänderung in "Farben für Waisenkinder e.V." beschlossen und am 6. Oktober 2014 an das zuständige Amtsgericht überstellt. Die Eintragung erfolgte am 16. Oktober 2014. In einem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 8. Juli 2014 war zuvor die aufschiebende Wirkung der vom Verein eingelegten Klage gegen die Verbotsverfügung unter Auflagen wiederhergestellt worden. 40 Das BVerwG hat das Verbot am 16. November 2015 in seinem Urteil gegen den "Farben für Waisenkinder e.V." bestätigt. Die Klage des Vereins gegen das Verbot wurde als unbegründet abgewiesen. Damit ist das Vereinsverbot rechtskräftig. 213 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Die schiitisch-islamistische "Hizb Allah" bestreitet das Existenzrecht Israels. Sie propagiert den bewaffneten, mit terroristischen Mitteln geführten Kampf gegen Israel als "unrechtmäßigen Besatzer palästinensischen Bodens", der als "legitimer Widerstand" bezeichnet wird. Es muss damit gerechnet werden, dass die "Hizb Allah" auch außerhalb des Nahen Ostens weiterhin terroristische Aktionen gegen Israel oder israelische Interessen plant. In Deutschland pflegen die Anhänger der "Hizb Allah" den organisatorischen und ideologischen Zusammenhalt unter anderem in örtlichen Moscheevereinen, die sich in erster Linie durch Spendengelder finanzieren. Das BVerwG hat mit Urteil vom 16. November 2015 seine ständige Rechtsprechung zur HAMAS (vgl. Nr. 8) auf die "Hizb Allah" übertragen. Danach richtet sich die "Hizb Allah" insgesamt gegen den Gedanken der Völkerverständigung, unabhängig davon, ob sie im Einzelfall als politische, soziale oder terroristische Struktur in Erscheinung tritt. Sie stellt das Existenzrecht des Staates Israel offen infrage und ruft zu dessen gewaltsamer Beseitigung auf. 214 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 8. HAMAS41 Gründung: Ende 1987 Sitz: Palästinensische Autonomiegebiete, Gazastreifen Leitung: Isma'il Haniya Mitglieder/Anhänger 320 (2017: 320) in Deutschland: Vereinsverbot gegen Verbotsverfügung des Bundesminis"al-Aqsa e.V.": ters des Innern vom 31. Juli 2002 Vereinsverbot gegen Verbotsverfügung des Bundesminis"YATIM-Kinderhilfe e.V.": ters des Innern vom 30. August 2005 41 Abkürzung für "Harakat al-Muqawama al-Islamiya" - "Islamische Widerstandsbewegung". Das arabische Wort HAMAS bedeutet übersetzt "Begeisterung, Eifer". 215 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Ziel der HAMAS ist die Errichtung eines islamistischen Staates auf dem gesamten Gebiet "Palästinas" - auch durch bewaffneten Kampf. So heißt es in einem im Jahr 2017 verfassten Strategiepapier: "Der Widerstand gegen die Besatzung mit allen Mitteln und Wegen ist ein legitimes Recht, das durch göttliche Gesetze und internationale Normen und Gesetze garantiert wird. Im Kern davon liegt der bewaffnete Widerstand (...)." Unter "Palästina" versteht die HAMAS das Gebiet zwischen Mittelmeer und Jordan, was damit auch das Territorium des Staates Israel einschließt. Westliche Staaten wie Deutschland werden von der HAMAS als Rückzugsraum betrachtet, in dem die Organisation sich darauf konzentriert, Spendengelder zu sammeln, neue Anhänger zu rekrutieren und ihre Propaganda zu verbreiten. Seit dem Jahr 2001 werden die "Izz-al-Din al-Qassam-Brigaden" als militärischer Flügel der HAMAS als Terrororganisation auf der sogenannten EU-Terrorliste geführt, seit dem Jahr 2003 die HAMAS insgesamt. Das BVerwG hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteile zum Verbot des "al-Aqsa e.V." vom 3. Dezember 2004 und zum Verbot der "Internationalen Humanitären Hilfsorganisation e.V." vom 18. April 2012) festgestellt, dass die HAMAS sich insgesamt gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, unabhängig davon, ob sie im Einzelfall als politische, soziale oder terroristische Struktur in Erscheinung tritt. 216 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 9. "Türkische Hizbullah" (TH) Gründung: 1979 in Batman (Türkei) Leitung: Edip Gümüs (Führer), Funktionärsgruppe Mitglieder/Anhänger 400 (2017: 400) in Deutschland: Publikationen/Medien: Zeitungen/Zeitschriften: "INZAR" "Dogru Haber" "Kelhaamed" Onlinemagazine: "Hurseda" "Huseynisevda" Hauptziel der sunnitischen, kurdisch dominierten "Türkischen Hizbullah" (TH) ist die Errichtung eines islamistischen Staates auf dem Gebiet der Türkei und dessen kontinuierliche, letztlich globale Ausweitung. Zur Durchsetzung ihrer Ziele hält die TH die Anwendung von Gewalt für gerechtfertigt. Die TH nutzt Deutschland als Rückzugsraum zur Gewinnung neuer Mitglieder, Spendensammlung und Veranstaltung religiöser und kultureller Treffen. 217 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 10. "Hizb ut-Tahrir"42 (HuT) Gründung: 1953 in Jerusalem (Israel) Leitung: Ata Abu al-Rashta alias Abu Yasin Mitglieder/Anhänger 350 (2017: 350) in Deutschland: Publikationen/Medien: Zeitungen/Zeitschriften: "al-Khilafa" "Hilafet" "Köklü Degisim" "al-Waie" "Expliciet" "kalifat.com" (Website) Betätigungsverbot: Verbotsverfügung des Bundesministers des Innern vom 10. Januar 2003 Ziel der panislamisch ausgerichteten "Hizb ut-Tahrir" (HuT) ist die "Befreiung" aller Muslime von Unterdrückung und ihre Vereinigung in einem weltweiten Kalifat. Aus Sicht der HuT haben "unterdrückte" Muslime das Recht auf "Selbstverteidigung" mit allen Mitteln. Als Konsequenz werden Gewalttaten anderer islamistischer Gruppierungen oftmals gebilligt. Die HuT kann in Deutschland wegen des Betätigungsverbots keine öffentlichen Aktivitäten entfalten, setzt jedoch ihre Agitation und die Rekrutierung neuer Mitglieder im Untergrund fort. Insbesondere in sozialen Netzwerken lassen sich zahlreiche Gruppierungen feststellen, die eine ideologische Nähe zur HuT aufweisen. Dazu zählen die Initiativen "Realität Islam" und "Generation Islam". 42 Arabisch für "Partei der Befreiung". 218 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 11. "Muslimbruderschaft"43 (MB) Gründung: 1928 in Ägypten Leitung: Muhammad Badi Mitglieder/Anhänger 1.04044 (2017: 1.040) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Risalat al-Ikhwan" (Zeitschrift) 43 Arabisch für "al-Ikhwan al-Muslimun". 44 Einschließlich 400 Mitglieder der "Deutschen Muslimischen Gemeinschaft e.V." (DMG; vgl. Nr. 11.1). 219 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Die "Muslimbruderschaft" (MB) gilt als älteste und einflussreichste sunnitische islamistische Bewegung. Sie ist eigenen Angaben zufolge in mehr als 70 Ländern in unterschiedlicher Ausprägung vertreten. Ziel der MB, die auch heute noch in wesentlichen Elementen von der Ideologie ihres Gründers Hasan al-Banna geprägt wird, ist die Errichtung eines politischen und gesellschaftlichen Systems auf der Grundlage von Koran und Sunna. Das Credo der MB lautet unverändert: "Gott ist unser Ziel. Der Prophet ist unser Führer. Der Koran ist unsere Verfassung. Der Jihad ist unser Weg. Der Tod für Gott ist unser nobelster Wunsch." Diese Ideologie sowie die von der MB angestrebte islamistische Staatsform sind nicht mit demokratischen Grundprinzipien wie dem Recht auf freie Wahlen, dem Recht auf Gleichbehandlung sowie der Meinungsund Religionsfreiheit vereinbar. Zahlreiche islamistische, zum Teil terroristische Organisationen wie die palästinensische HAMAS oder die ägyptische "Gamaa Islamiya" sind aus der MB hervorgegangen. Die MB selbst postuliert seit den 1970er-Jahren zwar den Verzicht von Gewalt zur Umsetzung ihrer Ziele. Ausgenommen davon ist jedoch der Widerstand gegen "Besatzer", worunter die MB vor allem Israel versteht. Im Zuge des sogenannten Arabischen Frühlings stellte die MB von 2011 bis 2013 in Ägypten sowohl die stärkste Fraktion im Parlament als auch mit Mohammed Mursi von 2012 bis 2013 den Staatspräsidenten. In dieser Zeit zeigte sich, dass die Muslimbrüder nicht bestrebt waren, Teil eines demokratischen Systems zu sein, sondern dass sie demokratische Wahlen lediglich als Sprungbrett nutzen wollten, um ihre Vorstellung eines islamistisch geprägten politischen Systems durchzusetzen. So enthielt der erste Entwurf für eine neue Verfassung, der ausschließlich von Muslimbrüdern und salafistischen Gruppierungen erarbeitet wurde, eine massive Beschneidung der Rechte von Frauen und die Pflicht zur Überprüfung jedes neuen Gesetzes durch islamische Gelehrte auf seine Islamkonformität. Nach der Übernahme der Staatsgewalt durch das Militär unter dem jetzigen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi im Juli 2013 wurde die MB in Ägypten verboten und als Terrororganisation eingestuft. 220 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 11.1 "Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V." (DMG) Gründung: 1958 Sitz: Köln (Nordrhein-Westfalen), Berlin Leitung/Vorsitz: bis Dezember 2018: Samir Falah ab Dezember 2018: Khallad Swaid Mitglieder in Deutschland: 400 (2017: 340) Die "Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V." (DMG), bis zu ihrer Umbenennung im September 2018 "Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD), ist die wichtigste und zentrale Organisation von Anhängern der "Muslimbruderschaft" (MB) in Deutschland. Ziel der DMG ist es unter anderem, gegenüber Politik, Behörden und zivilgesellschaftlichen Partnern als Ansprechpartner eines gemäßigten, weltoffenen Islam in Erscheinung zu treten. Sie verfolgt eine an der MB-Ideologie ausgerichtete Strategie der Einflussnahme im politischen und gesellschaftlichen Bereich. Bei öffentlichen Auftritten werden Bekenntnisse zur MB und verfassungsfeindliche Äußerungen vermieden. Zahlreiche Verbindungen zwischen hochrangigen DMG-Funktionären und namhaften ausländischen Muslimbrüdern verdeutlichen jedoch die Zugehörigkeit der Organisation zum weltweiten MB-Netzwerk. Die DMG unterhält eigene Moscheen und Gemeindezentren und koordiniert darüber hinaus nach eigenen Angaben ihre Aktivitäten mit über 100 weiteren islamischen Gemeinden in ganz Deutschland. 221 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 12. "Tablighi Jama'at"45 (TJ) Gründung: 1926 in Indien Leitung: Führungszirkel (Schura), Vorsitzender: Maulana Ibrahim Saad Mitglieder/Anhänger 650 (2017: 650) in Deutschland: Die transnationale Massenbewegung "Tablighi Jama'at" (TJ) mit weltweit etwa 12 Millionen Anhängern wird von einem Führungszirkel (Schura) sowie den drei religiösen Zentren in Dhaka (Bangladesch), Neu-Delhi (Indien) und Raiwind (Pakistan) geleitet. Die TJ orientiert sich eng an dem Islamverständnis der islamischen Frühzeit. Langfristiges Ziel ist die Errichtung eines islamistischen Staates. Die Ablehnung säkularer Prinzipien und die Abgrenzung gegenüber Nichtmuslimen können die Bildung abgeschotteter Parallelgesellschaften zur Folge haben und individuelle Radikalisierungsprozesse zumindest passiv begünstigen. Die Aktivitäten der TJ in Deutschland werden über informelle Kontakte in einem hierarchisch aufgebauten Netzwerk herausragender Akteure koordiniert. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Werbung neuer Anhänger unter Muslimen und der Durchführung von sogenannten Jama'aten (Bildungsreisen). In den vergangenen Jahren konnte eine vermehrte Kontaktaufnahme von TJ-Anhängern zu Flüchtlingen festgestellt werden, in deren Rahmen Einladungen zu Gebeten, Moscheebesuchen oder anderen Veranstaltungen ausgesprochen wurden. Für die multiethnische und gegenüber allen Muslimen Offenheit demonstrierende TJ bilden insbesondere die muslimischen Flüchtlinge - gerade in ihrer ethnischen und ideologischen Heterogenität - eine naheliegende Zielgruppe für ihre Werbungsarbeit. 45 Urdu für "Gemeinschaft der Verkündigung und Mission". 222 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 13. Einfluss regierungstreuer Iraner auf in Deutschland lebende Schiiten durch das "Islamische Zentrum Hamburg e.V." (IZH) Gründung: 1962 Sitz: Hamburg Leitung/Vorsitz: bis August 2018: Reza Ramezani ab August 2018: Mohammad Hadi Mofatteh Mitglieder/Anhänger keine gesicherten Zahlen in Deutschland: Publikationen/Medien: "al-Fadschr" (Zeitschrift, vierteljährlich) "SALAM! Zeitschrift für junge Muslime" (vierteljährlich) In Deutschland existiert eine Reihe islamischer Zentren und Organisationen regierungstreuer Iraner, mit deren Hilfe der Iran versucht, Einfluss auf hier lebende Schiiten unterschiedlicher Nationalität zu nehmen. Das größte und einflussreichste Zentrum ist das "Islamische Zentrum Hamburg e.V." (IZH), das Träger der "Imam Ali Moschee" ist. Der Leiter des IZH gilt als Vertreter des "Revolutionsführers" der Islamischen Republik Iran - derzeit Ayatollah Seyyed Ali Khamenei - in Deutschland. Die Aktivitäten des IZH sind darauf ausgerichtet, die islamische Lehre schiitisch-iranischer Prägung auf unterschiedliche Art und Weise in Deutschland und Europa zu verbreiten. Hierfür organisiert das IZH unter anderem regelmäßige Gebetsund Vortragsveranstaltungen, religiöse Feierlichkeiten sowie Sprachunterricht und andere Lehrveranstaltungen. 223 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 14. "Milli Görüs"-Bewegung Die "Milli Görüs"-Bewegung besteht aus mehreren Vereinigungen, die von einer gemeinsamen ideologisch-religiösen Ausrichtung und der ideellen Bindung an den türkischen Politiker Necmettin Erbakan (1926-2011) zusammengehalten werden. Obgleich alle Vereinigungen selbstständig und unabhängig voneinander agieren, ist die "Milli Görüs"-Ideologie - wenn auch in unterschiedlich starker Ausprägung - das verbindende Element. Die von Erbakan geprägten Schlüsselbegriffe seines politischen Denkens sind "Milli Görüs" ("Nationale Sicht") und "Adil Düzen" ("Gerechte Ordnung"). "Gerecht" sind für Erbakan die Ordnungen, die auf "göttlicher Offenbarung" gegründet, "nichtig" jene, die von Menschen entworfen wurden. Gegenwärtig dominiere mit der westlichen Zivilisation eine "nichtige", auf Gewalt, Unrecht und Ausbeutung der Schwachen basierende Ordnung. Dieses "nichtige" System müsse durch eine "Gerechte Ordnung" ersetzt werden, die sich ausschließlich an islamischen Grundsätzen ausrichte, anstatt an von Menschen geschaffenen und damit "willkürlichen Regeln". Alle Muslime sollen an der Verwirklichung der "Gerechten Ordnung" mitwirken. Hierzu müssen sie eine bestimmte Haltung einnehmen und einen bestimmten Blick ("Görüs") auf die Welt gewinnen, nämlich einen nationalen/religiösen ("Milli") Blick, einen "Milli Görüs". 224 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 14.1 Der "Milli Görüs"-Bewegung zuzuordnende Vereinigungen "Ismail Aga Cemaati" (IAC) Die "Ismail Aga Cemaati" (IAC) ist der weitverzweigten mystischen Bruderschaft der Naqshbandiya zuzuordnen. Die IAC gilt allgemein als einer der radikaleren Zweige der Bruderschaft. Spirituelles Oberhaupt ist der in der Türkei lebende Scheich Mahmud Ustaosmanoglu, der seine Anhänger in der Vergangenheit immer wieder zur Unterstützung der "Milli Görüs"-Ideologie aufgefordert hat. Bis zu seiner Abschiebung in die Türkei am 23. Oktober 2015 prägte der Prediger Nusret Cayir die IAC in Deutschland. Seiner Auffassung zufolge gebe es niemanden außer der "Milli Görüs", der die Türkei "retten" könne. Seit Cayirs Ausreise in die Türkei werden seine Predigten für seine Anhänger - in der Regel via Skype - live nach Deutschland übertragen. "SAADET Europa e.V." Die "Saadet Partisi" (SP), seit dem Jahr 2001 die politische Vertretung der "Milli Görüs"-Bewegung in der Türkei, hatte im Jahr 2013 damit begonnen, auch außerhalb der Türkei Strukturen aufzubauen. Die offizielle Gründungsveranstaltung der Deutschlandvertretung der SP fand am 27. Dezember 2013 in Köln (NordrheinWestfalen) statt. Nachdem der Verein davor zunächst in München (Bayern) eine vereinsrechtliche Anmeldung eingereicht hatte, ist er inzwischen unter der Bezeichnung "SAADET Europa e.V." beim Vereinsregister in Köln eingetragen. In Köln befinden sich sowohl die Zentrale für Deutschland als auch für Europa. Erklärtes Ziel der Auslandsvertretungen ist zum einen die Verbreitung der "Milli Görüs"-Ideologie und zum anderen die Unterstützung der Mutterpartei, zum Beispiel bei Wahlen in der Türkei. "Europavertretung der Erbakan-Stiftung" Die "Erbakan-Stiftung" wurde im Juni 2013 in der Türkei gegründet. Fatih Erbakan, der Sohn Necmettin Erbakans und Vorsitzender der Stiftung, erklärte, dass die Stiftung das Ziel habe, eine Wiederbelebung der Ideen Necmettin Erbakans herbeizuführen und die gesamte "Milli Görüs"-Bewegung wieder stärker hierauf zu verpflichten. Am 24. November 2013 fand in Solingen (Nordrhein-Westfalen) unter Teilnahme von Fatih Erbakan die offizielle Gründungsveranstaltung der "Europavertretung der Erbakan-Stiftung" statt. 225 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS "Milli Gazete" Als Sprachrohr der "Milli Görüs"-Bewegung bildet die formal unabhängige türkische Tageszeitung "Milli Gazete" ein wichtiges Bindeglied zwischen den einzelnen Komponenten der Bewegung und trägt zur Verfestigung der ideologischen Positionen bei. In Deutschland ist die Europa-Ausgabe der "Milli Gazete" erhältlich (seit Mai 2011 lediglich im Abonnement). "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) Vorliegende Anhaltspunkte belegen die auch weiterhin bestehenden Verbindungen der "Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG), die im Jahr 1985 in Köln als "Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V." (AMGT) gegründet wurde, zu Teilbereichen der "Milli Görüs"-Bewegung. Insgesamt gesehen löst sich die IGMG zunehmend aus der Einflussnahme der "Milli Görüs"-Bewegung in der Türkei. Extremismusbezüge der IGMG sind in den letzten Jahren deutschlandweit - allerdings in regional unterschiedlicher Intensität - schwächer geworden. Der IGMG-Vorsitzende Kemal Ergün verfolgt das Ziel, der IGMG ein eigenständiges Profil zu geben. Der Schwerpunkt der Aktivitäten liegt inzwischen eindeutig im religiösen Bereich, zum Beispiel auf dem Ausbau entsprechender Bildungseinrichtungen. Die IGMG veröffentlicht neben einer Vielzahl von Broschüren unter anderem die Zeitschriften "Perspektif" (monatlich oder zweimonatlich) und "Camia" (zweiwöchentlich). 226 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS 15. "Furkan Gemeinschaft" Gründung: 1994 in der Türkei Leitung: Alparslan Kuytul Mitglieder/Anhänger 290 (neues Beobachtungsobjekt) in Deutschland: Die "Furkan Stiftung für Bildung und Fürsorge" ("Furkan Egitim ve Hizmet Vakfi") wurde 1994 von dem Bauingenieur Alparslan Kuytul mit dem Zentrum der Organisation in der südtürkischen Stadt Adana gegründet. Kuytul ist - ungeachtet seiner Inhaftierung in der Türkei seit dem 30. Januar 2018 wegen des Vorwurfs der Agitation gegen die verfassungsmäßige Ordnung und der Bedrohung der öffentlichen Ordnung - ihre Führungsfigur, auch für die Anhänger in Deutschland. In Deutschland bezeichnet sich die Bewegung um Kuytul als "Furkan Gemeinschaft" und verfügt mittlerweile über Strukturen in Bayern, Berlin, Hamburg und Nordrhein-Westfalen. Die Bewegung verfolgt das Ziel, eine "islamische Zivilisation" zu begründen, die durch das islamische Recht geprägt sein soll. Diese soll sich ausschließlich an Koran und Sunna orientieren. Die "Furkan Gemeinschaft" lehnt die Demokratie grundsätzlich ab. Dies findet seinen Ausdruck auch im Verbot der Teilnahme an Wahlen. Der Westen wird zum Feindbild erklärt, Israel sein Existenzrecht abgesprochen. Die "Furkan Gemeinschaft" betreibt zahlreiche Websites und Profile in sozialen Netzwerken. 227 228 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) 229 Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus) I. Überblick Im nicht islamistischen Ausländerextremismus finden sich Ideologieelemente aus dem Rechtsund Linksextremismus, einige Organisationen verfolgen auch separatistische Bestrebungen. Insoweit handelt es sich nicht um ein einheitliches, tendenziell bündnisfähiges Spektrum, sondern um ungleichartige Teile, die nur fallund anlassbezogen untereinander oder mit deutschen extremistischen Gruppierungen kooperieren. Politik, Strategie und Aktionen der nicht islamistischen extremistischen Ausländerorganisationen in Deutschland werden entscheidend von der Situation in den jeweiligen Herkunftsländern (und den dortigen zentralen Organisationseinheiten) bestimmt. Entsprechend zielen sie auf eine radikale Veränderung der politischen Verhältnisse im Heimatland - dort oftmals auch durch den Einsatz von Gewalt und Terror. Auch in der Bundesrepublik Deutschland können extremistische Ausländerorganisationen die innere Sicherheit gefährden. Darüber hinaus verstoßen sie zum Teil gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Den meisten von ihnen gilt Deutschland als sicherer Rückzugsraum. Von hier aus können sie die Heimatorganisationen propagandistisch, vor allem aber auch materiell und finanziell unterstützen. 1. Entwicklungstendenzen Agitation und Militanzniveau der ausländerextremistischen Organisationen sind weit überwiegend von der politischen Entwicklung in den Heimatländern abhängig. In Deutschland lebende Anhänger sind in der Regel die Empfänger politisch-strategischer Richtlinien der Organisationen in den jeweiligen Heimatländern; es herrscht die Bereitschaft vor, diese Vorgaben konsequent in die Tat umzusetzen. Für die innere Sicherheit in Deutschland bleiben - wie bereits in den Vorjahren - die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), die 230 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) sowie die "Ülkücü"-Bewegung von herausgehobener Bedeutung: die PKK wegen ihrer gewalttätigen Aktionen, die DHKP-C wegen ihres offenen Bekenntnisses zum bewaffneten Kampf in der Türkei und die "Ülkücü"-Bewegung wegen ihrer militanten Ablehnung des Gleichheitsgrundsatzes. Die Aktivitäten der PKK wurden im Jahr 2018 wesentlich von der PKK: bewaffneter türkischen Militäroffensive auf Afrin im nordsyrischen Kurdenund politischer gebiet ("Operation Olivenzweig") bestimmt. Als Reaktion darauf Kampf fanden bundesweit zahlreiche demonstrative - und auch gewalttätige - Aktionen statt. Die anhaltenden militärischen Auseinandersetzungen mit türkischen Sicherheitskräften bleiben weiterhin ein beherrschendes Thema innerhalb der Organisation. Darüber hinaus war das Versammlungsgeschehen im Berichtszeitraum von den vorgezogenen Präsidentschaftsund Parlamentswahlen in der Türkei, der durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) vorgenommenen Konkretisierung des PKK-Kennzeichenverbots sowie der zunehmenden Sorge um den Gesundheitszustand des inhaftierten Organisationsgründers Abdullah Öcalan bestimmt. Grundsätzlich gelingt es der PKK nach wie vor, ihre Anhängerschaft in einem hohen Maße zu den alljährlich stattfindenden Veranstaltungen sowie anlassbezogen zu Demonstrationen zu mobilisieren. Allerdings war im Berichtszeitraum selbst bei unter den Anhängern sonst sehr beliebten Veranstaltungen ein deutlicher Rückgang im Vergleich zu den Vorjahren zu verzeichnen. Schon zu Beginn des Berichtszeitraums wurden bei gemeinsamen Demonstrationen und Aktionen gegen die Offensive des türkischen Militärs auf Afrin die Verbindungen von Anhängern der PKK sowohl zum dogmatischen als auch zum gewaltorientierten deutschen linksextremistischen Spektrum deutlich. Diese an sich nicht neue phänomenübergreifende Zusammenarbeit zeigte sich über das ganze Jahr 2018 hinweg in besonderem Maße. Ein weiteres Beispiel sind die Proteste gegen den Staatsbesuch des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan vom 27. bis 29. September 2018 in Deutschland, wo sich bereits im Vorfeld ein breites Protestspektrum gebildet hatte, dem neben nicht extremistischen Organisationen auch zahlreiche PKK-Organisationen und 231 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Gruppierungen aus der deutschen linksextremistischen Szene angehörten. Trotz des so erweiterten Mobilisierungspotenzials blieb die Anzahl der Teilnehmer aber auch bei den in Berlin und Köln (Nordrhein-Westfalen) durchgeführten "Großdemonstrationen" deutlich hinter dem zurück, was die PKK in ähnlichen Zusammenhängen in der Vergangenheit noch hatte mobilisieren können. Deutschland als Die DHKP-C hält am bewaffneten Kampf zur Änderung der Ver"Rückfront" der hältnisse in der Türkei fest. Das Ausmaß ihrer militanten und terDHKP-C für den roristischen Aktionen in der Türkei war im Berichtszeitraum jebewaffneten Kampf doch gering. Hierfür ursächlich dürfte die seit dem gescheiterten in der Türkei Putsch von 2016 nach wie vor verschärfte Sicherheitslage in der Türkei und die damit verbundenen umfangreichen polizeilichen Maßnahmen sein, die durch Festnahmen und Durchsuchungen auch die DHKP-C unmittelbar betroffen haben. Umso mehr bleibt Deutschland für die DHKP-C als sogenannte Rückfront des bewaffneten Kampfes unverzichtbar. Insbesondere die Resonanz der hier lebenden Anhänger anlässlich der Gedenkveranstaltungen für in der Türkei ums Leben gekommene Attentäter, die die Organisation als sogenannte Märtyrer verehrt, machte deutlich, dass die Linie der Gesamtpartei - einschließlich ihrer terroristischen Option - mitgetragen wird. Wichtiger Bestandteil der DHKP-C-Propagandaaktivitäten in Deutschland ist die Unterstützung ihrer "revolutionären Gefangenen", zu denen derzeit auch in Deutschland angeklagte Funktionäre zählen. Weiterer Schwerpunkt der hiesigen Aktivitäten ist nach wie vor die Organisation von Auftritten der der DHKP-C zuzurechnenden Musikgruppe "Grup Yorum". Im Berichtszeitraum gelang es der Organisation zwar, mehrere kleinere Konzerte durchzuführen; ein Auftritt in größerem Rahmen in einer Veranstaltungshalle oder einem Stadion kam jedoch nicht zustande. "Ülkücü"-Bewegung: Die rechtsextremistische türkische "Ülkücü"-Ideologie wird in gemäßigte Agitation Deutschland im Wesentlichen durch den Dachverband "Föderation des organisierten der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland Kerns e.V." (ADÜTDF) vertreten. Daneben finden sich weitere Strukturen und unorganisierte Anhänger. Während sich der Dachverband nach außen hin um ein gesetzeskonformes Verhalten bemüht, demonstrieren unorganisierte Anhänger der "Ülkücü"-Bewegung 232 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) insbesondere im Internet ihre rassistischen Überlegenheitsvorstellungen. Bei den "Ülkücü"-Anhängern überwog mehrheitlich die Zufriedenheit mit dem Ausgang der Präsidentschaftsund Parlamentswahlen in der Türkei am 24. Juni 2018, bei denen der bisherige Amtsinhaber Erdogan als Staatspräsident wiedergewählt wurde. Zudem erreichte das Wahlbündnis aus dessen Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP)46 und der türkischen ADÜTDF-Mutterpartei "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP)47 die absolute Mehrheit im türkischen Parlament. Auch wenn viele "Ülkücü"-Anhänger dieses Wahlbündnis kritisch sahen, wurde die bereits im April 2017 beschlossene, aber erst mit dieser Wahl umgesetzte Zusammenlegung der Aufgaben des Staatsund Regierungschefs im Amt des Staatspräsidenten - einhergehend mit einer Vielzahl neuer Befugnisse - mehrheitlich begrüßt. Entsprechend der aus ihrer Sicht insgesamt positiven politischen Entwicklung in der Türkei haben die organisierten Angehörigen der "Ülkücü"-Bewegung von einer Beteiligung an Aktionen zur politischen Lage in der Türkei unter eigenem Namen abgesehen. Insbesondere soll vermieden werden, durch das Begehen von Gewalttaten einen negativen Eindruck zu erwecken. So haben "Ülkücü"-Anhänger vielmehr versucht, aus gewalttätigen Übergriffen des politischen Gegners, insbesondere der PKK und ihrer Anhänger in Deutschland, politisches Kapital zu schlagen. Das Aufeinandertreffen rivalisierender extremistischer GrupWechselwirkungen pierungen aus der Türkei - insbesondere im Rahmen von Demonszwischen den trationen - stellt eine Gefahr für die innere Sicherheit in DeutschExtremismen land dar. Nach wie vor kann es jederzeit zu spontanen und situativ bedingten gewalttätigen Auseinandersetzungen kommen. Dies gilt insbesondere für die Anhänger der PKK und nationalistische beziehungsweise rechtsextremistische türkischstämmige Personen, obwohl das Ausmaß an gewaltsamen Auseinandersetzungen dieser beiden Lager im Berichtszeitraum insgesamt weiter rückläufig war. Dieser Rückgang mag mit der gesteigerten Zufriedenheit der "Ülkücü"-Anhängerschaft mit der politischen Entwicklung im Heimatland oder auch mit einer ihnen durch ihre Verbände - mit 46 Adalet ve Kalkinma Partisi. 47 "Milliyetci Hareket Partisi". 233 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Blick auf die Außenwirkung - auferlegten Mäßigung zu begründen sein. 2. Organisationen und Personenpotenzial Das Personenpotenzial nicht islamistischer sicherheitsgefährdender beziehungsweise extremistischer Ausländerorganisationen verringerte sich im Jahr 2018 leicht auf insgesamt 30.350 Personen (2017: 30.550) aufgrund eines Rückgangs im Bereich der Separatisten. Unverändert entfiel der größte Anteil mit 18.050 Personen auf linksextremistische Ausländergruppierungen, 11.000 Personen gehörten rechtsextremistischen Ausländergruppierungen an. Separatistischen Ausländergruppierungen waren im Jahr 2018 noch 1.300 Personen zuzurechnen. 234 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Personenpotenzial extremistischer Ausländerorganisationen1,2 (ohne Islamismus) 2016 2017 2018 Linksextremisten 17.550 18.050 18.050 davon: "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 14.000 14.500 14.500 "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) 650 650 650 "Türkische Kommunistische Partei/ Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) 1.300 1.300 1.300 "Marxistische Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) 600 600 600 Sonstige 1.000 1.000 1.000 Separatisten 1.500 1.500 1.300 Rechtsextremisten 11.000 11.000 11.000 Summe 30.050 30.550 30.350 1 Die Zahlenangaben beziehen sich auf Deutschland und sind zum Teil geschätzt und gerundet. 2 Hier wird auch das Personenpotenzial der mit Verbot belegten Gruppen erfasst. II. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) 1. Reaktionen der PKK in Deutschland auf die politischen Entwicklungen in der Türkei Die Aktivitäten der etwa 14.500 Anhänger (2017: 14.500) der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK)48 wurden im Berichtsjahr 2018 wesentlich von folgenden Faktoren bestimmt: 48 "Partiya Karkeren Kurdistan". 235 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) "" den Auseinandersetzungen zwischen der PKK und dem türkischen Militär in der "Heimatregion", insbesondere der türkischen Militäroffensive im nordsyrischen Kanton Afrin49 "" den vorgezogenen Präsidentschaftsund Parlamentswahlen am 24. Juni 2018 in der Türkei "" der Sorge um die Haftsituation und den Gesundheitszustand des seit 1999 inhaftierten PKK-Führers Abdullah Öcalan Zu den Kernforderungen der PKK gehören nach wie vor die Anerkennung der kurdischen Identität sowie eine politische und kulturelle Autonomie der Kurden unter Aufrechterhaltung nationaler Grenzen in ihren türkischen, aber auch syrischen Siedlungsgebieten. Verschärfte Die Kampfhandlungen zwischen dem türkischen Militär und den Kampfhandlungen Guerillaeinheiten der PKK in den südostanatolischen und den nordsyrischen Gebieten mit überwiegend kurdischer Bevölkerungsmehrheit setzten sich im Berichtszeitraum fort und verschärften sich teils noch. Schon aus diesem Grund erscheint eine Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen zwischen der PKK und der türkischen Regierung gegenwärtig als unwahrscheinlich. Präsidentschaftsund In der Türkei war das Jahr 2018 maßgeblich von den vorgezoParlamentswahlen genen Präsidentschaftsund Parlamentswahlen am 24. Juni 2018 bestimmt. Am 18. April 2018 hatte der türkische Staatspräsident Erdogan bekannt gegeben, die für das Jahr 2019 geplanten Präsidentschaftsund Parlamentswahlen vorziehen zu wollen. In Deutschland konnten die hier lebenden rund 1,4 Millionen Wahlberechtigten - so viele wie in keinem anderen Land außerhalb der Türkei - ihre Stimme bereits im Zeitraum vom 7. bis 19. Juni 2018 abgeben. Der Wahlkampf nahm auch innerhalb der PKK einen hohen Stellenwert ein. So unterstützten PKK-Anhänger seit Anfang Mai 2018 aktiv den Wahlkampf der türkischen prokurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP)50. Diese konnte bei den Parlamentswahlen 11,7 % der Stimmen auf sich vereinigen, womit sie erneut die Sperrklausel von 10 % übersprang und als drittgrößte Fraktion ins türkische Parlament einzog. Größere Feierlichkeiten 49 Kurdische Bezeichnung: EfrA(r)n. 50 Halklarin Demokratik Partisi. 236 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) anlässlich des Wahlergebnisses der HDP blieben seitens der PKK-Anhängerschaft in Deutschland zwar aus, dennoch wurde der Wahlausgang begrüßt. 2. Versammlungsgeschehen mit PKK-Bezug in Deutschland Ein wichtiges Aktionsfeld der PKK in Deutschland ist die Durchführung zentral gesteuerter, öffentlichkeitswirksamer Propagandaaktionen, mit denen sie auf ihre Anliegen aufmerksam machen will. Im Mittelpunkt standen hierbei die militärischen Auseinandersetzungen in den kurdischen Siedlungsgebieten (insbesondere in Nordsyrien), das Schicksal des inhaftierten PKK-Führers Öcalan und das PKK-Betätigungsverbot in Deutschland. Die Organisation nutzt dafür ein breites Spektrum an Propagandaaktionen, wozu in erster Linie Demonstrationen und Kundgebungen zählen. Daneben initiiert sie auch regelmäßig Podiumsdiskussionen, Unterschriftenkampagnen, Hungerstreiks und Mahnwachen. Grundsätzlich gelingt es der PKK immer noch, ihre Anhängerschaft in einem hohen Maße zu mobilisieren. Dies zeigen insbesondere die nachfolgenden Beispiele: "" 17. Februar 2018, Straßburg (Frankreich): Großdemonstration zum 19. Jahrestag der Festnahme Öcalans (11.000 Teilnehmer, darunter ein Großteil aus Deutschland, 2017: 12.000 bis 15.000 Teilnehmer) "" 17. März 2018, Hannover (Niedersachsen): Zentrale Großkundgebung zum traditionellen kurdischen Neujahrsfest "Newroz" unter dem Motto "Newroz heißt Widerstand - der Widerstand heißt Afrin" (11.000 Teilnehmer, 2017: 30.000 Teilnehmer) "" 8. September 2018, Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen): Ersatzveranstaltung für das bauordnungsrechtlich untersagte "26. Internationale Kurdische Kulturfestival" unter dem Motto "Schluss mit dem Verbot kurdischer Kultur! Freiheit für Abdullah Öcalan!" (3.500 Teilnehmer, 2017: 14.000 Teilnehmer) Trotz dieser für sich genommen immer noch hohen TeilnehRückläufige merzahlen ist für den Berichtszeitraum ein deutlicher Rückgang Teilnehmerzahlen im Vergleich zu den Vorjahren zu verzeichnen. So blieb die Beund ein absoluter sucherzahl der Ersatzveranstaltung für das "Internationale KurNegativrekord dische Kulturfestival" mit lediglich 3.500 Teilnehmern deutlich 237 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) hinter den seitens der Organisatoren zum ursprünglichen Festival in Dinslaken (Nordrhein-Westfalen) erwarteten 25.000 Teilnehmern und auch hinter der für die Veranstaltung in Düsseldorf erwarteten Zahl von 10.000 Teilnehmern zurück. Bezogen auf die Teilnehmerzahlen der letzten zehn Jahre bedeutet dies nicht nur einen erneuten empfindlichen Rückgang, vielmehr stellt diese Teilnehmerzahl einen absoluten Negativrekord dar. Noch nie zuvor im genannten Zeitraum haben so wenige Anhänger der Organisation an der an sich sehr beliebten und für die PKK in ihrem Jahreskalender eminent wichtigen Großveranstaltung teilgenommen. Teilnehmerzahlen des "Internationalen Kurdischen Kulturfestivals" Reaktionen auf die Neben den jährlich stattfindenden zentralen Großveranstaltungen türkische Militärder PKK bestimmte Anfang des Jahres 2018 die türkische Milioffensive in Afrin täroffensive in Afrin ("Operation Olivenzweig") das Versammlungsgeschehen in Deutschland maßgeblich. Afrin ist neben Cizire und Kobane einer von drei Kantonen im nordsyrischen Kurdengebiet, die von der syrischen PKK-Schwesterorganisation "Partei der Demokratischen Union" (PYD)51 und deren bewaffneten Einheiten, den "Volksverteidigungseinheiten" (YPG)52 einschließlich der "Frauenverteidigungseinheiten" (YPJ)53, dominiert werden. Afrin ist als Teil von "Rojava"54 symbolträchtiges Aushängeschild für die Realisierung der von der PKK betriebenen kurdischen Autonomie in Nordsyrien. Deutschlandweit fanden bereits am Wochenende des 20. und 21. Januar 2018, dem Beginn der "Operation Olivenzweig", spontane 51 "Partiya Yekitiya Demokrat". 52 "Yekineyen Parastina Gel". 53 "Yekineyen Parastina Jin". 54 Mit "Rojava" sind die von Kurden besiedelten Gebiete in Nordsyrien gemeint. 238 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Kundgebungen gegen die türkische Offensive mit teilweise bis zu 2.000 Teilnehmern statt. Bei einer Spontandemonstration am 22. Januar 2018 in einem Terminal des Flughafens Hannover-Langenhagen (Niedersachsen) kam es vor dem Abfertigungsschalter einer türkischen Fluggesellschaft zu vereinzelten tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Fluggästen und etwa 70 Demonstrationsteilnehmern. In der Folgezeit gab es bundesweit zahlreiche weitere Veranstaltungen. Am 27. Januar 2018 führten Anhänger der PKK eine Großdemonstration in Köln (Nordrhein-Westfalen) mit etwa 13.000 Teilnehmern durch. Am 3. März 2018 fand in Berlin eine weitere Großdemonstration unter dem Motto "Gemeinsam gegen die türkischen Angriffe auf Afrin!" mit etwa 7.600 Teilnehmern statt. Neben Anhängern der PKK nahmen auch viele Akteure aus dem deutschen linksextremistischen Spektrum an der Demonstration teil. Im Verlauf der Kundgebung wurden zahlreiche Spruchbänder und Fahnen der YPG sowie Abbildungen von Öcalan gezeigt und einschlägige PKK-Parolen skandiert. Für den 24. März 2018 wurde im Internet der "World Afrin Day" ausgerufen. Das der PKK nahestehende "Civaka Azad - Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V." und der Dachverband der PKK-nahen Vereine in Deutschland "Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e.V." (NAV-DEM) mobilisierten im Vorfeld auf ihren Websites zu Aktionen zur Verteidigung von Afrin. So fanden am Wochenende des 24. und 25. März 2018 in mehreren deutschen Städten, beispielsweise in Bremen, Erfurt (Thüringen), Hannover, Köln, Leipzig (Sachsen) und Stuttgart (Baden-Württemberg), Protestkundgebungen mit bis zu 1.000 Teilnehmern im Kontext der türkischen Militäroffensive auf Afrin statt. Eine im unmittelbaren Zusammenhang mit dem internationalen Aktionstag in Köln beabsichtigte zentrale Großveranstaltung, zu der etwa 5.000 Teilnehmer erwartet wurden, hatte die Polizei im Vorfeld verboten. Am 26. Mai 2018 fanden im Rahmen eines "Internationalen Aktionstages gegen die türkische Invasion in Kurdistan" europaweit zahlreiche friedlich verlaufene Protestkundgebungen statt. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der thematische Schwerpunkt der öffentlichkeitswirksamen Aktionen der PKK aber bereits auf die 239 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) vorgezogenen Präsidentschaftsund Parlamentswahlen in der Türkei verlagert. Konkretisierung Das Versammlungsgeschehen in Deutschland war im Berichtsdes PKKzeitraum auch durch das vom BMI im Jahr 1993 ausgesprochene BetätigungsPKK-Betätigungsverbot geprägt, welches am 29. Januar 2018, im verbots Hinblick auf das davon umfasste öffentliche Zeigen von Symbolen der PKK sowie ihrer Teilund Unterorganisationen, weiter konkretisiert wurde. Demnach fallen unter das Verbot sowohl PKK-Symbole, die bereits zum Zeitpunkt der Bekanntgabe verwendet wurden, als auch solche, die erst später hinzugekommen sind. Konkret hat das BMI klargestellt, dass sämtliche Kennzeichen mit dem Abbild des PKK-Führers Öcalan dem Betätigungsverbot unterliegen. Eine Ausnahme besteht lediglich dann, wenn dessen Abbild eindeutig nicht in irgendeinem Zusammenhang mit der PKK verwendet wird, was aber lediglich auf eine geringe Zahl an Einzelfällen zutreffen dürfte. Denn aufgrund des durch die Darstellung Öcalans hervorgerufenen erheblichen Emotionalisierungseffekts bei Versammlungen sind Fahnen mit dessen Abbild in besonderer Weise dazu geeignet, den Zusammenhalt der PKK zu fördern und diesen nach außen hin unübersehbar zu demonstrieren. Der PKK-Bezug kann sich dabei auch erst aus dem tatsächlichen Verlauf einer stattfindenden Veranstaltung erschließen. Hatte die zuvor schon im Jahr 2017 vorgenommene Konkretisierung des PKK-Betätigungsverbots noch zahlreiche Protestaktionen hervorgerufen, so waren die Reaktionen auf die neuerliche Klarstellung Anfang 2018 vergleichsweise verhalten und traten hinter den Demonstrationen im Zusammenhang mit dem militärischen Konflikt in Afrin zurück. Nichtsdestoweniger wurde bei öffentlichen Veranstaltungen weiterhin regelmäßig eine Vielzahl verbotener Fahnen und Abbilder Öcalans gezeigt. Bei der Großdemonstration gegen die türkische Militäroffensive in Afrin am 27. Januar 2018 in Köln wurden bereits im Vorfeld zahlreiche verbotene Fahnen durch die Polizei beschlagnahmt. Dennoch wurden schon vor Beginn des Aufzugs weitere verbotene Fahnen gezeigt. Bereits nach wenigen Hundert Metern musste der Demonstrationszug von der Polizei angehalten werden, da Versammlungsteilnehmer ein 4 x 4 Meter großes Banner entfaltet hatten, auf dem ein Bildnis Öcalans dargestellt war. Nachdem im 240 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) weiteren Verlauf etwa 200 Personen wiederum verbotene Fahnen mit dem Abbild Öcalans gezeigt hatten, die Demonstrationsteilnehmer die Fahnen trotz polizeilicher Aufforderungen nicht entfernten und auch die Versammlungsleiterin dies nicht veranlassen konnte, löste die Polizei die Versammlung wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz und des Zeigens verbotener Symbole auf. Im Nachgang der Demonstration erklärte NAV-DEM: "(...) das Verbot für das Zeigen der Bilder von Abdullah Öcalan [genießt] innerhalb der kurdischen Bevölkerung keinerlei Legitimität. Folglich stellt das Zeigen der Fahnen mit Bild Öcalans einen Akt des zivilen Ungehorsams gegen ein illegitimes Verbot dar." (Homepage NAV-DEM, 28. Januar 2018) 3. Rekrutierungsmaßnahmen Die PKK ist weiterhin bestrebt, auch in Deutschland insbesondere jugendliche Anhänger für den bewaffneten Kampf in der Heimatregion zu rekrutieren. Hierfür nutzt die PKK unter anderem ihre organisationseigenen Medien. So zitiert die PKK-Tageszeitung "Yeni Özgür Politika"55 (YÖP) aus einem Interview des PKKFernsehsenders "Sterk TV" mit einem Mitglied der Hauptkommandantur der "Volksverteidigungskräfte" (HPG)56: "Die kurdischen Jugendlichen dürfen nicht nur zuschauen, wie die Guerilla gegen den türkischen Faschismus kämpft. Bisher waren die Jugendlichen immer an vorderer Front. Die kurdischen Jugendlichen waren immer schon eine wichtige Quelle der Kraft der Guerilla. Auch jetzt müssen die kurdischen Jugendlichen Verantwortung übernehmen." (YÖP, 5. November 2018, S. 1 und 10) Auf dem von der PKK-Jugendorganisation durchgeführten "21. Mazlum-Dogan-Jugend-Festival" am 14. Juli 2018 in Den Haag (Niederlande), an dem auch Jugendliche aus Deutschland 55 Sinngemäß: "Neue Freie Politik". 56 "Hezen Parastina Gel". Die HPG sind die bewaffneten Guerillaeinheiten der PKK in der Türkei und den Siedlungsgebieten im Nordirak. 241 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) teilnahmen, wurde ebenfalls für eine Ausreise in die sogenannten Freiheitsberge in der türkisch-irakischen Grenzregion geworben. Zusätzlich hatte die PKK Mitte 2018 die Aktion "Lebende Schutzschilde" initiiert, über die unter anderem auf mehreren Facebook-Seiten PKK-naher Gruppierungen berichtet wurde. Ziel war eine koordinierte Ausreise europäischer Jugendlicher in das Konfliktgebiet, um dort als "lebende Schutzschilde" der dortigen Bevölkerung zum Schutz vor türkischen Bombardements zu dienen. Der eigentliche Rekrutierungsprozess verläuft zumeist über ideologische Schulungen und eine Prüfung der Tauglichkeit für den bewaffneten Kampf durch PKK-Kader. Sodann werden die Rekruten in die Kampfgebiete geschickt. Im März 2018 ist erneut ein in Deutschland rekrutierter Jugendlicher in Afrin (Nordsyrien) im Kampf für die PKK ums Leben gekommen. Der aus Mecklenburg-Vorpommern stammende 26-jährige türkische Staatsangehörige hatte sich 2014 der Guerilla angeschlossen. Die Schwester des Getöteten berichtete in einem Interview in der YÖP am 19. September 2018, dass sie selbst nun die Waffe ihres Bruders übernommen habe, um in der Guerilla zu kämpfen. Dieses Beispiel ist ein weiterer Beleg dafür, dass in Deutschland rekrutierte Personen von der PKK tatsächlich militärisch ausgebildet und im Kampf eingesetzt werden. Bislang haben sich über 250 Personen aus Deutschland in die Kampfgebiete begeben, von denen die meisten durch die PKK rekrutiert wurden. In einigen Fällen bestanden im Vorfeld der Ausreise zunächst keine Bezüge zur PKK; erst in den Kampfgebieten wandten sich diese Personen dann als Freiwillige an die örtlichen Strukturen der Organisation. Gerade für eigenständige Ausreisen spielt das Internet eine zentrale Rolle. Hier können Personen, die sich zum Beispiel für den von der PKK so bezeichneten "Befreiungskampf des kurdischen Volkes" gegen den türkischen Staat interessieren, Informationen zu Reisemöglichkeiten finden und austauschen. Aufgrund der immer noch nicht im Sinne der PKK erreichten politischen Ziele in den kurdischen Siedlungsgebieten wird die 242 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) PKK in Europa weiterhin bestrebt sein, neue Rekruten für ihren bewaffneten Kampf zu gewinnen. Der Erfolg dieser Rekrutierungsbemühungen wird vor allem von weiteren möglichen militärischen Aktionen der türkischen Streitkräfte in den kurdischen Siedlungsgebieten beeinflusst. Solange die bewaffneten Konflikte in Syrien, dem Nordirak und der Türkei andauern, ist davon auszugehen, dass die Rekrutierungsaktivitäten der PKK in Deutschland und Europa auf hohem Niveau verbleiben. 4. Aktionsverhalten der PKK-Jugendorganisation Am 21. Oktober 2018 wurde im Rahmen eines zentralen Kongresses in Bergisch Gladbach (Nordrhein-Westfalen) der europaweite Dachverband jugendlicher PKK-Anhänger "Tevgera Ciwanen Soresger"57 (TCS) gegründet. Die letzte Gründung einer europäischen Jugend-Dachorganisation - der "Ciwanen Azad"58 - hatte die PKK-Jugendorganisation "Komalen Ciwan"59 am 27./28. April 2013 auf einer Europakonferenz in Troisdorf (Nordrhein-Westfalen) durchgeführt. Zwar wurden die "Ciwanen Azad" als europäischer Dachverband konstituiert, tatsächlich aber bestanden sie und die "Komalen Ciwan" parallel nebeneinander und umfassten denselben Personenkreis. Dieses Vorgehen ist für die PKK nicht ungewöhnlich, vielmehr benennt sie regelmäßig Teile ihrer Organisation um. Auch bei der nunmehr erfolgten Neugründung der TCS handelt es sich tatsächlich nur um eine Umbenennung der "Ciwanen Azad". Den Schwerpunkt der Aktivitäten der PKK-Jugendorganisation "Komalen Ciwan"/TCS bilden die Mobilisierung zu sowie die Durchführung von Demonstrationen mit thematischem Bezug zur PKK. Die Jugendorganisation ist darüber hinaus in Deutschland und Europa maßgeblich verantwortlich für die Rekrutierung jugendlicher Anhänger für den bewaffneten Kampf. Die Entwicklungen in Syrien, im Irak und in der Türkei haben sich auch auf die PKK-Jugendorganisation ausgewirkt. Insbesondere 57 Sinngemäß: "Bewegung der revolutionären Jugend". 58 Kurzform von "Tevgera Ciwanen Azad a Kurdistane" ("Bewegung der freien Jugend Kurdistans"). 59 Sinngemäß: "Gemeinschaft der Jugendlichen". 243 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) die Angriffe des türkischen Militärs auf Afrin im Januar 2018 haben in der Folge zu zahlreichen gewalttätigen Aktionen der Jugendlichen geführt. So wurde in Kassel (Hessen) in der Nacht vom 20. auf den 21. Januar 2018 ein Farbanschlag auf ein Gebäude verübt, in dem sich neben einer türkischen Moschee auch ein Verein befindet, welcher der rechtsextremistischen türkischen "Ülkücü"-Bewegung zugerechnet wird. Auf der Website der PKK-Jugendorganisation wurde ein Tatbekenntnis veröffentlicht. Im Nachgang einer Demonstration am 22. Januar 2018 in Minden (Nordrhein-Westfalen) griffen vermummte Personen das Vereinsgebäude des "DITIB Türkisch-Islamische Gemeinde zu Minden e.V." an. Die Täter sprühten den Slogan "AFRIN ICIN INTIKAM SERI HILDE"60 auf die Fassade, warfen Fensterscheiben mit Steinen ein oder beschmierten diese mit Farbe. Für die Tat verantwortlich erklärte sich ein "Rachekommando Sehid Delal Amed"61: "DITIB sind die direkten Vertreter des AKP-Regimes in Deutschland und damit unser Angriffsziel. (...) Wir rufen alle RevolutionärInnen und aufrechten InternationalistInnen dazu auf selbst Aktionen durchzuführen und die Institutionen des türkischen Faschismus und seiner deutschen Komplizen hier zum Ziel zu nehmen." (Internetplattform "de.indymedia", 22. Januar 2018) Auch im März 2018 kam es in Deutschland im Zusammenhang mit der türkischen Militäroffensive zu zahlreichen Gewaltaktionen der PKK-Jugendorganisation, zu denen diese im Vorfeld selbst aufgerufen hatte: "Die bisherigen Aktionen reichen nicht, hier und heute es ist an der Zeit den Krieg zurück nach Europa zu tragen. Unsere linken Freundinnen und Freunde haben für viele Länder und Städte Europas radikale Aktionen angekündigt (...). Als 60 Sinngemäß: "ERHEBT EUCH ALS RACHE FÜR AFRIN". 61 Der Name des "Rachekommandos" nimmt Bezug auf eine "Märtyrerin" der PKK. Die Guerillakommandantin war 2017 bei einem türkischen Luftangriff ums Leben gekommen. 244 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) apoistische62 Jugend schließen wir uns diesen Aktionen an: Ob türkische Botschaften, AKP-Vereine wie UETD, türkische Faschisten sowie ihre Läden und Cafes oder staatliche Institutionen (SPD/CDU-Büros, Polizei, Gerichte), wer den Krieg gegen unser Volk unterstützt und verteidigt wird dafür bezahlen müssen." (Internetplattform "de.indymedia", 10. März 2018) In der Woche vor dem "Internationalen Kurdischen Kulturfestival" "Langer Marsch" (vgl. Kap. II, Nr. 2) führen Anhänger der PKK-Jugendorganisation der Jugendlichen traditionell einen "Langen Marsch"63 durch. Ein solcher sollte auch im Jahr 2018 von Dortmund über mehrere Tage und Stationen in Nordrhein-Westfalen bis nach Düsseldorf führen. Das eigentliche Ende des "Langen Marsches" war dabei in den Vorjahren stets der feierliche Einzug der Teilnehmer auf das Veranstaltungsgelände des kurdischen Kulturfestivals. Der "Lange Marsch" begann zunächst wie geplant am 2. September 2018 mit etwa 130 Teilnehmern und verlief anfangs friedlich. Im Laufe des ersten Marschtages erfolgten als Reaktion auf die polizeiliche Ingewahrsamnahme einer Person, die sich geweigert hatte, ein gegen die Versammlungsauflagen verstoßendes Tattoo mit dem Bildnis Öcalans zu verdecken, Solidarisierungen der übrigen Versammlungsteilnehmer. Infolgedessen kam es zu massiven Widerstandshandlungen in Form von Flaschenwürfen und körperlichen Übergriffen auf die eingesetzten Polizeibeamten, woraufhin die Versammlung aufgelöst wurde. Es erging eine Auflösungsverfügung für alle angemeldeten Aktionstage. Als Reaktion auf die Auflösung des "Langen Marsches" wurde seitens der Veranstalter für die Folgetage zu Spontanversammlungen aufgerufen, so unter anderem am 3. September 2018 zu einer Demonstration "gegen Polizeiwillkür". Da Veranstaltungsbeginn und weitere Orte der Versammlung mit dem geplanten Ablauf der aufgelösten Versammlung identisch waren, wurden auch diese Veranstaltungen untersagt. Auch in den Vorjahren war es beim "Langen Marsch" regelmäßig zu Auseinandersetzungen entweder mit rechtsextremistischen Türken oder mit den Marsch begleitenden Polizeikräften gekommen. 62 Der Begriff "Apo" (kurdisch: Onkel) wird von den PKK-Anhängern für den Organisationsgründer Öcalan verwendet. 63 "Mesa Direj". 245 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 5. Hierarchische Organisationsstruktur und finanzielle Situation der PKK in Europa Die PKK in Europa hat über die Jahre mehrere Namensänderungen vorgenommen, um nach außen hin den Eindruck einer politischen und demokratischen Neuausrichtung zu erwecken und sich von dem Makel einer Terrororganisation zu befreien. Trotz mehrfacher Ankündigungen der Einführung interner demokratischer Strukturen hält die Organisation an ihrer autoritären Führung mit einem Kaderprinzip fest. Demokratisierungsansätze, wie etwa die Einbeziehung der Basis in Entscheidungsabläufe, wurden auch im Jahr 2018 weder auf struktureller noch auf personeller Ebene realisiert. Bei den PKK-Strukturen in Europa, mithin auch in Deutschland, handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) weder um organisatorisch selbstständige (Teil-)Vereinigungen noch sind sie in ihrem Willensbildungsprozess von der ausländischen Hauptorganisation PKK unabhängig. Zum einen sind sie nahtlos in den PKK-Aufbau eingegliedert, zum anderen werden auch die politisch-ideologischen Zielsetzungen sowie die Art und Weise ihrer Umsetzung von der PKK-Führungsspitze vorgegeben und sind für die Strukturen der Organisation im Ausland verbindlich. Deren eigenverantwortlicher Entscheidungsspielraum ist somit äußerst gering und bewegt sich ausschließlich im Rahmen der vorgegebenen Direktiven.64 Struktur in In Deutschland hat die PKK ihre zuletzt im Jahr 2016 geänderDeutschland te Struktur mit 9 Regionen und 31 Gebieten mit jeweils einem Führungsfunktionär an der Spitze beibehalten. Die verantwortlichen Führungsfunktionäre, deren Tätigkeit in aller Regel zeitlich begrenzt ist, agieren zumeist konspirativ und leiten organisationsinterne Anweisungen und Vorgaben zur Umsetzung an nachgeordnete Ebenen weiter. Für die Umsetzung von Vorgaben nutzt die PKK überwiegend die örtlichen kurdischen Vereine, die den Anhängern der Organisation als Treffpunkt und Anlaufstelle dienen. Als Dachverband der 64 BGH, Urteil vom 28.10.2010 - 3 StR 179/10. 246 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Vereine fungiert das "Demokratische Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e.V." (NAV-DEM)65. Die PKK versucht, ihre Politik mithilfe sogenannter Massenorganisationen zu popularisieren, in denen sie ihre Anhänger nach sozialen Kriterien oder nach Berufsund Interessengruppen organisiert. Besonders hervorzuheben sind die Jugendorganisation "Komalen Ciwan"/"Tevgera Ciwanen Soresger", die "Kurdische Frauenbewegung in Europa" (AKKH/TJK-E)66 sowie die Studentenorganisation "Verband der Studierenden aus Kurdistan" (YXK). Zu erwähnen sind auch Religionsgemeinschaften wie die "Islamische Gemeinde Kurdistans" (CIK), die "Föderation der demokratischen Aleviten e.V." (FEDA) und der "Zentralverband der Ezidischen Vereine e.V." (NAV-YEK). Die PKK steigerte im Jahr 2018 bei ihrer "Jahresspendenkampagne" Erneut heraus("kampanya") in Deutschland mit mehr als 15 Millionen Euro ragendes Ergebnis abermals das Ergebnis der Vorjahreskampagne (mehr als 14 Milder "Jahresspendenlionen Euro). In den zurückliegenden zehn Jahren konnte die PKK kampagne" ihre Einnahmen aus Spendengeldern nahezu verdreifachen. Der Gesamtspendenerlös in Europa wird demgegenüber konstant auf über 25 Millionen Euro geschätzt. Die hohe Spendenbereitschaft ist unter anderem auf das Vorgehen des türkischen Militärs in den kurdischen Siedlungsgebieten zurückzuführen. Insbesondere hat der Einmarsch türkischer Truppen in den Kanton Afrin innerhalb der kurdischen Gemeinschaft ein großes Solidaritätsgefühl erzeugt, sodass die PKK über ihren Anhängerkreis hinaus Spender erreichen konnte. Zudem dürfte die Sorge um die Haftsituation und den angeblich verschlechterten Gesundheitszustand Öcalans die Spendenbereitschaft noch weiter gesteigert haben. Die in Deutschland und Europa erzielten Einnahmen aus der Spendenkampagne, aus Mitgliedsbeiträgen, dem Verkauf von Publikationen und der Durchführung von Veranstaltungen werden vor allem für den Unterhalt der Organisation und des umfangreichen Propagandaapparats in Europa genutzt. 65 "Navenda Civaka Demokratik ya Kurden li Almanyaye". 66 AKKH ist die türkische Abkürzung, TJK-E die kurdische Abkürzung. 247 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Gesteuert und kontrolliert werden die finanziellen Aktivitäten der PKK in Deutschland und Europa von der Kadereinheit "Wirtschaftsund Finanzbüro" (EMB)67. 6. Medienwesen der PKK Die PKK unterhält zur Verbreitung ihrer Ideologie und Propaganda einen aufwendigen Medienapparat. Die Beschlüsse und Planungen der Organisation enthalten regelmäßig konkrete Vorgaben für die Arbeit von Zeitung, Fernsehen und Presseagentur. Mittels dieses Medienwesens beeinflusst und mobilisiert die PKK nicht nur ihre Anhänger und Sympathisanten, sondern versucht auch, die in Deutschland lebenden Kurden insgesamt in ihrem Sinne zu informieren und damit ihren Alleinvertretungsanspruch für "kurdische Politik" herauszustellen. Bei allen Medien erhalten hochrangige Funktionäre der Partei regelmäßig eine öffentliche Plattform zur Verbreitung ihrer Propaganda. Die in den Niederlanden angesiedelte PKK-nahe Nachrichtenagentur "Firat News Agency" (ANF)68 berichtet täglich unter anderem in türkischer, kurdischer, englischer, deutscher, spanischer, arabischer und persischer Sprache im Sinne der PKK. Anspruch der ANF ist es, die kurdische Presse durch ein Korrespondentennetz im Nahen Osten sowie in den europäischen Staaten zu repräsentieren. Durch das seit August 2008 bestehende Portal "Gerila TV"69 wird zudem mit speziellen Beiträgen der bewaffnete Kampf der Organisation verherrlicht. Neben dem in Norwegen beheimateten PKK-Fernsehsender "Sterk TV"70 ist die in Neu-Isenburg (Hessen) herausgegebene PKKTageszeitung "Yeni Özgür Politika" (YÖP) mit einer Auflage von etwa 10.000 Exemplaren von herausgehobener Bedeutung. Sie erscheint in türkischer und kurdischer Sprache. Außerdem verfügt sie aktuell ausweislich ihres Impressums über regionale Vertretungen in mehreren deutschen Städten sowie in den Niederlanden und der Schweiz. Regelmäßig werden in verschiedenen deutschen Städten sogenannte Solidaritätsveranstaltungen angeboten, die 67 "Ekonomi ve Maliye Bürosu". 68 "Ajansa Nuceyan a Firate". 69 Sinngemäß: "Guerilla TV". 70 Sinngemäß: "Stern TV". 248 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) von kulturellen Darbietungen mit Musik und Folklore begleitet werden, um die Anbindung ihrer Leser zu festigen und neue Leser zu gewinnen. Zudem wird mit der in den Niederlanden verlegten, monatlich erscheinenden PKK-Zeitung "Serxwebun"71 PKK-Kadern kontinuierlich die ideologische Ausrichtung der PKK vermittelt. Für die Verbreitung von PKK-Publikationen - insbesondere von Büchern des PKK-Gründers Öcalan - war bislang die "Mezopotamien Verlag und Vertrieb GmbH" mit Sitz in Neuss (NordrheinWestfalen) verantwortlich. An derselben Adresse war auch die für den Verkauf von einschlägigen Musikprodukten zuständige "MIR Multimedia GmbH" ansässig. Aufgrund des dringenden Verdachts, dass der Geschäftsbetrieb allein der Aufrechterhaltung des organisatorischen und finanziellen Zusammenhalts der PKK dient, wurde gegen beide Vereinigungen seitens des BMI Anfang Februar 2018 ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. In dem Zusammenhang wurden am 8. März 2018 in den Räumen in Neuss und weiteren firmenrelevanten Objekten Exekutivmaßnahmen durchgeführt. Hierbei konnte umfangreiches PKK-Propagandamaterial sichergestellt werden. Am 12. Februar 2019 wurden beide Vereinigungen vom Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat als Teilorganisationen der PKK verboten und aufgelöst sowie weitere Durchsuchungsund Beschlagnahmemaßnahmen vollzogen. Das Verbot ist noch nicht unanfechtbar geworden. 7. Internetaktivitäten Das Internet spielt als Kommunikationsmedium für die Anhängerschaft der PKK eine wichtige Rolle. Gerade die jüngere Anhängerschaft verwendet nicht nur klassische Websites zur Bekanntmachung ihrer Aktivitäten, sondern benutzt unter anderem auch den Kurznachrichtendienst Twitter oder Videoportale wie YouTube, wo beispielsweise Propagandavideos über die Guerillaeinheiten der Organisation verbreitet werden. Die Mobilisierung der Anhängerschaft zu spontanen beziehungsweise überregionalen Demonstrationen oder anderen Protestaktionen erfolgt hauptsächlich in sozialen Netzwerken, wobei Facebook hier immer noch die wichtigste Plattform darstellt. Daneben wird das Internet zur Emotionalisierung der eigenen Anhängerschaft 71 Sinngemäß: "Unabhängigkeit". 249 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) sowie zur Agitation gegen den politischen Gegner genutzt. Soziale Netzwerke waren zudem unerlässliches Mittel für die Gewinnung neuer Kämpferinnen und Kämpfer für den Einsatz in den kurdischen Siedlungsgebieten. 8. Strafverfahren gegen Funktionäre der PKK Auch im Jahr 2018 wurden Strafverfahren gegen PKK-Funktionäre geführt, zum Beispiel: "" Am 23. März 2018 verurteilte das Oberlandesgericht (OLG) Celle (Niedersachsen) einen PKK-Funktionär wegen Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung PKK zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte von August 2014 bis Oktober 2016 Mitglied der PKK gewesen war und sich in einer herausgehobenen Stellung als Leiter des Raumes Lohne und zeitweilig als Co-Gebietsleiter Oldenburg (beide Niedersachsen) an ihr beteiligt hatte. Das Urteil ist rechtskräftig. "" Am 2. Mai 2018 verurteilte das OLG Celle einen PKK-Funktionär wegen Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung PKK zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte von März 2014 bis Ende Juni 2015 als Gebietsleiter Salzgitter (Niedersachsen) für die PKK aktiv war. Das Urteil ist rechtskräftig. 9. Gefährdungspotenzial Die PKK ist in Deutschland weiterhin die mitgliederstärkste und schlagkräftigste ausländerextremistische Organisation. Die hohe Zahl an Protestveranstaltungen zu Beginn des Jahres 2018 verdeutlichte erneut das trotz rückläufiger Teilnehmerzahlen gegen Ende des Berichtszeitraums immer noch erhebliche Mobilisierungspotenzial der PKK. Die Organisation ist weiterhin in der Lage, Personen weit über den eigenen Kreis der Anhängerschaft hinaus zu mobilisieren. 250 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Insbesondere die anhaltenden Kampfhandlungen in den kurdischen Siedlungsgebieten in der Türkei, in Nordsyrien und im Nordirak haben zu einer deutlichen Emotionalisierung der PKK-Anhängerschaft in Deutschland geführt. Das Niveau der Gegnerschaft zwischen PKK-Anhängern und nationalistischen/rechtsextremistischen Türken in Deutschland ist auf beiden Seiten anhaltend hoch, auch wenn es im Jahr 2018 zu weniger gewaltsamen Aufeinandertreffen zwischen beiden Lagern kam. Aktuelle Ereignisse in den Heimatregionen sind immer wieder Anlass für entweder situativ bedingte oder auch geplante Zusammenstöße von Anhängern beider Lager in Deutschland. Ein permanentes Potenzial für gewalttätige Konfrontationen bieten stets die zahlreichen im Bundesgebiet abgehaltenen Kundgebungen. Solange in der Türkei beziehungsweise in Syrien keine Lageentspannung eintritt, wird sich die Situation weiterhin auf die Sicherheitslage in Deutschland auswirken. Im Verlauf einer Spontandemonstration gegen die türkische MiSelbstverbrennungen litäroffensive in Afrin am 11. März 2018 in Oldenburg (Niedersachsen) übergoss sich eine Person mit einer brennbaren Flüssigkeit und versuchte anschließend, sich mit einem Feuerzeug selbst zu entzünden. Hieran konnte die Person durch andere Demonstrationsteilnehmer gehindert werden. Am 27. September 2018 verbrannte sich ein PKK-Aktivist auf einem Feld in Kösching (Bayern) selbst. In einem zuvor aufgenommenen und im Internet verbreiteten Video nahm die Person explizit Bezug auf den Besuch des türkischen Staatspräsidenten Erdogan in Deutschland und stellte die Tat als politisch motiviert dar. Der PKK-nahen Nachrichtenagentur "Firat News Agency" (ANF) zufolge äußerte sich die PKK-Frauenorganisation "Kurdische Frauenbewegung in Europa" (AKKH/TJK-E) ablehnend zu dieser Form des politischen Kampfes: "Diese Form der Aktion hat unser Vorsitzender Abdullah Öcalan nicht für richtig befunden. Unsere Jugend sollte sich stärker am demokratischen Kampf beteiligen." (Homepage ANF, 28. September 2018) Im Juni 2018 ließ die Bundesanwaltschaft aufgrund von HaftbefehEntführung eines len des Ermittlungsrichters am BGH vier Personen festnehmen. PKK-Aussteigers Gegen sie besteht der dringende Tatverdacht der Mitgliedschaft 251 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) in beziehungsweise der Unterstützung der ausländischen terroristischen Vereinigung PKK, des erpresserischen Menschenraubes, der Freiheitsberaubung, des schweren Raubes, der gefährlichen Körperverletzung sowie der versuchten Nötigung. Die Personen, darunter ein mutmaßlich hauptamtlicher Kader der PKK, werden unter anderem beschuldigt, maskiert und mit Pistolen bewaffnet einen ehemaligen PKK-Funktionär entführt zu haben. Weiter sollen sie versucht haben, das Opfer unter Androhung seiner Tötung zu einer Weiterarbeit für die Organisation zu zwingen, wobei sie auch körperliche Gewalt anwendeten. Mitte November 2018 wurde ein weiterer Tatverdächtiger, der sich in Frankreich in Auslieferungshaft befunden hatte, ausgeliefert und in Deutschland in Untersuchungshaft genommen. Am 19. Dezember 2018 erhob der Generalbundesanwalt vor dem Oberlandesgericht Stuttgart (Baden-Württemberg) Anklage gegen die fünf Angeschuldigten. Wenngleich in Europa für die PKK weiterhin friedliche Veranstaltungen und Aktivitäten im Vordergrund stehen, bleibt Gewalt eine strategische Option ihrer Ideologie. Die PKK ist in der Lage, jedenfalls punktuell Gewalt auch in Deutschland einzusetzen, sofern dies aus ihrer Sicht notwendig erscheint. Darüber hinaus werden Gewalttaten ihrer jugendlichen Anhängerschaft zumindest geduldet. III. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) Die 1994 in Damaskus (Syrien) gegründete marxistisch-leninistische "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C)72 strebt die gewaltsame Zerschlagung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung in der Türkei an. Der Weg zu ihrem endgültigen Ziel, der Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft in der Türkei, führt laut dem Parteiprogramm ausschließlich über den "bewaffneten Volkskampf" unter der Führung der DHKP-C beziehungsweise ihres militärischen Arms, der DHKC. Politische 72 "Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi". Die Organisation untergliedert sich in einen politischen Arm, die "Revolutionäre Volksbefreiungspartei" (DHKP - "Devrimci Halk Kurtulus Partisi"), und einen ihr nachgeordneten militärisch-propagandistischen Arm, die "Revolutionäre Volksbefreiungsfront" (DHKC - "Devrimci Halk Kurtulus Cephesi"). 252 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Veränderungen über eine Beteiligung an Wahlen lehnt die DHKP-C kategorisch ab. In Deutschland unterliegt die DHKP-C seit 1998 einem Organisationsverbot. Die Europäische Union listet sie seit 2002, die USA bereits seit 1997 als terroristische Organisation. Neben der als "faschistisch" und "oligarchisch" bezeichneten Türkei betrachtet die DHKP-C vor allem den "US-Imperialismus" als ihren Hauptfeind. Aus ihrer Sicht wird die Türkei als "halbkoloniales" Land in politischer, wirtschaftlicher und vor allem militärischer Hinsicht durch die USA dominiert. Diese Grundhaltung wird beispielhaft in einer als "Bulletin der DHKP Nr. 51 vom 30. März 2018" bezeichneten Internetveröffentlichung zum Jahrestag der Parteigründung deutlich: "Was bedeutet Erlösung? (...) Es bedeutet, dass dafür die faschistische Regierung gestürzt und der Imperialismus verjagt werden müssen. Dies jedoch ist nicht möglich, ohne den bewaffneten Kampf zu führen und ohne dass die Völker eine bewaffnete Armee haben. Völker der Türkei und der Welt! Bewaffnen wir uns gegen Imperialismus und Faschismus! Schreiten wir voran auf dem Weg der Erlösung. Der bewaffnete Kampf ist unabdingbar. Er ist der einzige Weg zur Erlösung." (Internetplattform "halkinsesi", 30. März 2018) Der "bewaffnete Kampf" bleibt dabei fortgesetzt das Mittel der Wahl für die DHKP-C. So heißt es beispielsweise in der unregelmäßig erscheinenden Parteipublikation "Devrimci Sol": "Eine revolutionäre Bewegung, die es sich zum Ziel gesetzt hat, im Lande die Regierungsmacht zu übernehmen, kann auf die Führung eines bewaffneten Kampfes, welcher der einzige Weg zur Befreiung ist, nicht verzichten. Deshalb werden wir auf der Führung des bewaffneten Kampfes beharren, auch wenn wir die letzten sind, die diesen Weg gehen. WIR WERDEN NICHT DAS OPFER, SONDERN DER HENKER DES IMPERIALISMUS SEIN!" ("Devrimci Sol" Nr. 26, Juni 2018, S. 7) Zur Erreichung ihrer ideologischen Ziele wird der Kampf auch bis zum Tod beschworen. Dies verdeutlicht die DHKP-C regelmäßig 253 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) in ihrer wöchentlich erscheinenden und in Deutschland verbotenen, jedoch weiterhin illegal vertriebenen Parteipublikation "Yürüyüs": "Wir führen (...) einen Bürgerkrieg. (...) Wir werden niemals aufhören, unseren bewaffneten Kampf fortzusetzen! Wenn wir keine Waffen mehr haben, werden wir selber Waffen produzieren. (...) Wir werden uns niemals ergeben! Wir werden uns niemals mit dem Feind verständigen! (...) Wir werden sterben - aber nicht besiegt werden!" ("Yürüyüs" Nr. 49, 14. Januar 2018) Terroristische Der schon in den Vorjahren zu verzeichnende Rückgang militanter Aktivitäten und terroristischer Aktionen der DHKP-C in der Türkei setzte sich in der Türkei auch im Berichtszeitraum fort. Der Organisation gelang es nicht, ihre Agenda des bewaffneten Kampfes mit der Intensität der Jahre 2013 bis 2015 in die Tat umzusetzen. Aufsehenerregende Aktionen, wie die Geiselnahme eines Staatsanwalts im Jahr 2015, blieben im Berichtsjahr aus. Festzustellen waren militante Aktionen niedriger Intensität und begrenzte gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen türkischen Sicherheitskräften und den sogenannten Milizen der DHKP-C, die in einigen sozialen Brennpunkten, insbesondere in Istanbul (Türkei), über bewaffnete Kräfte verfügen. Festnahmen und Der Rückgang gewaltsamer Aktivitäten der Organisation in der Durchsuchungen Türkei dürfte in erster Linie der seit dem gescheiterten Putsch von in der Türkei 2016 verschärften Sicherheitslage in der Türkei und den damit verbundenen umfangreichen polizeilichen Maßnahmen geschuldet sein. Im Jahr 2018 kam es in der Türkei erneut zu mehreren Festnahmen von Angehörigen und zu Durchsuchungen von Privatwohnungen und Räumlichkeiten der DHKP-C. Im September 2018 wurde ein Mitglied der "Milizen" bei einer Wohnungsdurchsuchung getötet. Bereits am 28. November 2017 war den griechischen Sicherheitsbehörden die Festnahme von neun DHKP-C-Kadern in Athen (Griechenland) gelungen, wodurch potenzielle Anschlagsvorbereitungen vereitelt werden konnten. Unter den Festgenommenen befanden sich Führungskader aus Frankreich, den Niederlanden und aus Deutschland. 254 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Am 6. Februar 2019 hat der Staatsschutzsenat des Hanseatischen Strafrechtliche Oberlandesgerichts (OLG) Hamburg den Europaverantwortlichen und exekutive der DHKP-C wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terrorisMaßnahmen gegen tischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und DHKP-C-Aktivisten neun Monaten verurteilt. Als Führungsperson der Organisation in in Deutschland Westeuropa war er unter anderem mit dem Nachschub an Waffen für die Kampfeinheiten der DHKP-C in der Türkei befasst und fungierte als Bindeglied zwischen der Führung der Organisation und ihren Kadern in verschiedenen Ländern. Er war am 2. Dezember 2016 in Hamburg aufgrund eines seit Juni 2013 vorliegenden Haftbefehls festgenommen worden. Am 7. Juni 2018 begann vor dem OLG Hamburg ein Verfahren gegen einen weiteren mutmaßlichen Führungsfunktionär der DHKP-C. Der türkische Staatsangehörige war am 13. November 2017 aufgrund eines von der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg beantragten Haftbefehls in Belgien festgenommen und am 20. Dezember 2017 nach Deutschland überstellt worden. Ihm wird ebenfalls die Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung DHKP-C vorgeworfen. Unter anderem soll er von 2008 bis 2010 als Gebietsverantwortlicher in Hamburg und ab 2012 als Führungskader überwiegend in Berlin tätig gewesen sein. Die am 16. Februar 2017 wegen der Mitgliedschaft in der DHKP-C vom OLG Düsseldorf zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilte ehemalige Vorsitzende der "Anatolischen Föderation"73, einer Tarnorganisation der DHKP-C in Deutschland, hat im Juni 2018 - nach Ablehnung ihres Revisionsantrags - ihre Haftstrafe angetreten. Ihre politisch-propagandistischen Aktivitäten in Deutschland Aktivitäten in entfaltet die DHKP-C aufgrund des bestehenden OrganisationsDeutschland verbots unter Tarnbezeichnungen. So tritt sie beispielsweise als "Volksfront"74 auf oder unter dem Namen ihrer Jugendorganisation "Devrimci Genclik" ("Dev Genc")75. Die bisher als Tarnorganisation verwendete "Anatolische Föderation" wird zunehmend durch sogenannte Volksräte76 ersetzt. So bezeichnen sich mehrere örtliche DHKP-C-Vereine nunmehr neu als "Volksrat", wobei es sich 73 "Anadolu Federasyonu". 74 "Halk Cephesi". 75 "Revolutionäre Jugend". 76 "Halk Meclisleri". 255 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) lediglich um eine Umbenennung ohne formelle vereinsrechtliche Konsequenzen handelt. Mit den "Volksräten" versucht die DHKP-C erneut, sich einen legalen Anstrich zu verleihen. Gleichzeitig nutzt sie diese Tarnung, um insbesondere durch die Einflussnahme auf alevitische Vereine den Kreis ihrer Unterstützer und Anhänger zu vergrößern. Ob es sich beim "Volksrat Deutschland" um einen formellen Dachverband handelt, der die "Anatolische Föderation" zukünftig ersetzen wird, bleibt abzuwarten. Im Mai 2018 eröffnete die DHKP-C in Duisburg (Nordrhein-Westfalen) unter der Bezeichnung "Hasan Ferit Gedik-Zentrum" (HFG)77 eine von ihr als Beratungsstelle gegen Alkohol-, Spielund Drogensucht bezeichnete Einrichtung. Seitdem werden in deren Namen sowohl in den dortigen Räumlichkeiten als auch bundesweit im Rahmen einer Kampagne Werbeveranstaltungen und Flugblattverteilungen gegen Drogenmissbrauch und Spielsucht durchgeführt. Die Aktivitäten des HFG sind Gegenstand nahezu jeder Ausgabe der Parteipublikation "Yürüyüs". Entsprechend der für die DHKP-C typischen Ausdrucksweise wird das HFG dort regelmäßig als "Kampfzentrum" oder als "unsere Stellung in Europa" bezeichnet sowie als wichtiger Teil des "antiimperialistischen" Kampfes dargestellt: "Das HFG ist eine Festung unseres Widerstandes, den wir in Europa gegen jene Versuche leisten, durch die man uns degenerieren, von unserem Land abkoppeln und schließlich auslöschen will. (...) Angesichts der verachtenswerten Politik des Imperialismus vereinigen wir uns nicht auf der Basis der 'europäischen Realität', sondern in den HFG!" ("Yürüyüs" Nr. 69, 3. Juni 2018) Mit dem HFG ist in Duisburg in kurzer Zeit eine zentrale Einrichtung mit deutschlandund europaweitem Einzugsbereich etabliert worden. Über das Thema der Bekämpfung von Drogenund Spielsucht betreibt die Organisation unter anderem die Rekrutierung weiterer Unterstützerkreise. 77 Hasan Ferit Gedik war Mitglied der DHKP-C-Jugend in Istanbul. Er wurde im September 2013 von Mitgliedern einer Drogenbande erschossen. 256 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Daneben führte die DHKP-C wie in den Vorjahren ihre traditionellen Aktionen und Veranstaltungen durch. Anlässlich ihres jährlichen "Märtyrergedenkens", welches insbesondere an den Todestag des ideologischen Gründungsvaters Mahir Cayan anknüpft, sowie des Parteigründungstages (beide am 30. März) führten Anhänger der Organisation am 8. April 2018 in Dortmund (Nordrhein-Westfalen) einen Protestmarsch und eine Gedenkveranstaltung durch. Unter dem Motto "Revolutionsmärtyrer sind unsterblich. Nieder mit dem Faschismus, es lebe unser Kampf!" versammelten sich nach Eigenangaben 250 Teilnehmer zu einer Veranstaltung mit friedlichem Verlauf. Das Gedenken an die bei Anschlägen in der Türkei beteiligten und dabei getöteten Kämpfer, die von der DHKP-C als "Märtyrer" idealisiert werden, genießt weiterhin einen besonders hohen Stellenwert innerhalb der Propaganda der Organisation. Ende Juli bis Anfang August 2018 führte die DHKP-C ihr jährliches Sommerund Familiencamp mit etwa 100 Teilnehmern aus ganz Europa durch. Die Veranstaltung fand wie im Vorjahr in Frankreich statt. Als Organisator trat der "Volksrat Europa" ("Avrupa Halk Meclisi") auf. Laut eigener Darstellung stand vor allem das Thema "Degeneration" auf der Tagesordnung der politischen Schulung der Teilnehmer, also nach DHKP-C-Diktion der Kampf gegen "Drogen-, Spielund Alkoholsucht". Einen weiteren Schwerpunkt des Camps bildete die organisationseigene Musikband "Grup Yorum". Mehrere Musiker der Band waren vor Ort und musizierten mit den überwiegend jugendlichen Teilnehmern des Camps. Neben den schon genannten Aktivitäten macht die UnterstütSolidaritätsaktionen zung der "revolutionären Gefangenen" einen wesentlichen Teil der DHKP-C der Tätigkeit der DHKP-C in Deutschland aus. Abgesehen von den regelmäßigen Veranstaltungen für die vor deutschen Gerichten angeklagten und in Untersuchungshaft befindlichen Funktionäre führten Aktivisten auch eine Dauermahnwache für eine in Köln (Nordrhein-Westfalen) inhaftierte Aktivistin durch, die zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Mit diesen Aktionen signalisiert die Organisation gegenüber den Angeklagten und Inhaftierten ihre Solidarität und idealisiert diese gegenüber den übrigen Aktivisten, die wiederum aktiv in die jeweiligen Solidaritätsaktionen eingebunden sind. 257 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) "Grup Yorum"Ein wesentlicher Bestandteil der Propagandaaktivitäten der Konzerte in DHKP-C in Deutschland sind die Konzertauftritte der MusikDeutschland gruppe "Grup Yorum". Sie dienen der Verbreitung der Ideologie der DHKP-C und erschließen der Organisation einen neuen, über die eigene Anhängerschaft hinausgehenden Adressatenkreis. Darüber hinaus ist "Grup Yorum" als Teil der sogenannten Kunstfront ein Baustein der DHKC, also des militärisch-propagandistischen Arms der Organisation, welcher den revolutionären Kampf gegen die bestehenden Verhältnisse mit dem Ziel einer Revolution anführt. Die Konzerte der "Grup Yorum" werden von den Strukturen der DHKP-C in Deutschland vorbereitet, beworben und durchgeführt. Inhaltlich spiegeln die Lieder die Themen der DHKP-C. Die Musikgruppe bewirbt die terroristischen Aktivitäten der Organisation, indem sie Abbilder der "Märtyrer" sowie Symbole und Aktionen der DHKP-C nicht nur zeigt, sondern glorifiziert. Gleiches gilt für die Musikvideos der "Grup Yorum", in denen Aufmärsche der Partei, Anschläge der DHKP-C und Abbildungen der "Märtyrer", des ideologischen Vordenkers Mahir Cayan und des Parteigründers Dursun Karatas gezeigt werden. Nahezu in jeder Ausgabe der in Deutschland verbotenen Parteipublikation "Yürüyüs" wird zu "Grup Yorum", deren Liedern, Konzerten und den in der Türkei inhaftierten Bandmitgliedern berichtet. Seit dem Jahr 2012 fand neben kleineren Konzertauftritten jährlich das Europakonzert der "Grup Yorum" in Deutschland statt. Im Berichtszeitraum wurde nun erstmals auf eine zentrale Konzertveranstaltung verzichtet; stattdessen wurden Konzerte der Gruppe im Rahmen von zwei Events angemeldet: Am 29. September 2018 spielte "Grup Yorum" bei einem Festival in Frankfurt am Main (Hessen), am 14. Oktober 2018 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) im Rahmen einer von der linksextremistischen "Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands" (MLPD, vgl. Berichtsteil Linksextremismus, Kap. IV, Nr. 2) angemeldeten öffentlichen Versammlung unter dem Motto "Solidarität gegen Rassismus". Die Zuschauerresonanz bei beiden Konzerten war mit etwa 500 Teilnehmern in Frankfurt am Main und etwa 400 Teilnehmern in Düsseldorf deutlich geringer als in den Vorjahren. GefährdungsDie DHKP-C hatte seit ihrer Gründung mehrfach Phasen, in denen potenzial sie nur in geringem Umfang terroristisch aktiv war. Es ist damit zu rechnen, dass sie auch zukünftig jede sich bietende Gelegenheit 258 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) nutzen wird, um zu Anschlägen gegen türkische und US-amerikanische Einrichtungen in der Türkei zurückzukehren. Die sogenannte Rückfront, also die Strukturen in Westeuropa und insbesondere in Deutschland, sind als Rückzugsraum und logistische Versorgungsbasis für die DHKP-C nach wie vor unverzichtbar. Die positive Resonanz von Anhängern und jugendlichen Nachwuchsaktivisten auf die permanente Präsentation der "Revolutionsmärtyrer" - den Tätern verschiedener Anschläge - zeigt, dass die ideologische Grundhaltung der DHKP-C einschließlich der terroristischen Option unverändert mitgetragen wird. So bleiben Deutschland und Europa auch weiterhin eine Basis zur Rekrutierung potenzieller Attentäter für die DHKP-C. IV. Türkischer Rechtsextremismus ("Ülkücü"-Bewegung) Die rechtsextremistische türkische "Ülkücü"-Bewegung78 entstand Mitte des 20. Jahrhunderts in der Türkei. Sie fußt auf einer nationalistischen und rassistischen rechtsextremistischen Ideologie, deren Wurzeln im Panturkismus/Turanismus liegen. Die ideologische Bandbreite der Bewegung reicht von neuheidnischen Elementen über einen nationalistischen Kemalismus bis in den Randbereich des Islamismus. Das Ziel dieser Bewegung ist der Schutz des Türkentums sowie die Errichtung von "Turan", eines (fiktiven) ethnisch homogenen Staates unter Führung der Türken, der die Siedlungsgebiete der Turkvölker umfasst und - je nach ideologischer Lesart - vom Balkan bis nach Westchina oder Japan reicht. Die "Ülkücü"-Bewegung sieht die türkische Nation sowohl politisch-territorial als auch ethnisch-kulturell als höchsten Wert an. Die so unterstellte kulturelle und religiöse Überlegenheit äußert sich in der Überhöhung der eigenen türkischen Identität und resultiert in einer - auch völkerverständigungswidrigen - Herabwürdigung anderer Volksgruppen, die zu "Feinden des Türkentums" erklärt werden. 78 "Idealisten"-Bewegung. 259 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Symbol und bekanntestes Erkennungszeichen der "Ülkücü"-Bewegung ist der "Graue Wolf" ("Bozkurt") und der daraus abgeleitete sogenannte Wolfsgruß (Finger der rechten Hand am ausgestreckten Arm formen den Kopf eines Wolfs). Oft werden Anhänger der "Ülkücü"-Bewegung daher auch als "Graue Wölfe" ("Bozkurtlar") bezeichnet. ADÜTDF als Die "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine größter "Ülkücü"in Deutschland e.V." (ADÜTDF)79 ist der größte "Ülkücü"-DachverDachverband band in Deutschland. Er vertritt hierzulande die Interessen der extrem nationalistischen türkischen "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP)80. Dem Dachverband gehören rund 170 lokale Vereine an, in denen etwa 7.000 Mitglieder organisiert sind. In ihrer öffentlichen Darstellung demonstriert die ADÜTDF ein gesetzeskonformes Verhalten. Dennoch ist sie - nicht zuletzt aufgrund ihrer hohen Mitgliederzahl - ein ernst zu nehmender Träger und Verbreiter rechtsextremistischen Gedankenguts. Einer der Vordenker der "Ülkücü"-Bewegung ist der rassistisch-nationalistische sowie antisemitische Autor und Historiker Nihal Atsiz (1905-1975), dessen Schriften die ADÜTDF propagiert und verbreitet. Auch die türkische Unterweltgröße Abdullah Catli (1956-1996), dem unter anderem mehrere politische Morde zur Last gelegt werden und der ein Verfechter der "Turanistischen Idee" war, wird in etlichen ADÜTDF-Vereinen verehrt. Das Bekenntnis zur "turanistischen" Ideologie wird regelmäßig durch Äußerungen der Vereine oder einzelner Mitglieder sowie durch die Zurschaustellung einschlägiger nationalistischer beziehungsweise rechtsextremistischer Symbole und Gesten in den sozialen Netzwerken deutlich. Die ADÜTDF ist entgegen ihrem nach außen hin demonstrierten Integrationswillen und legalistischen Auftreten überzeugt von der Überlegenheit des Türkentums. Dieses Weltbild verstößt gegen den im Grundgesetz verankerten Gleichheitsgrundsatz und wirkt einer Integration türkischstämmiger Migranten in die deutsche Gesellschaft entgegen. 79 "Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu". 80 "Milliyetci Hareket Partisi". Die MHP gilt als Urorganisation der "Ülkücü"-Bewegung, ist im türkischen Parlament vertreten und unterstützte in den zurückliegenden Jahren die Politik von Staatspräsident Erdogan und seiner Partei AKP. 260 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Eines der Feindbilder der ADÜTDF sowie der gesamten "Ülkücü"-Bewegung stellen die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) sowie generell alle Kurden dar. Im Berichtszeitraum war das Ausmaß an gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern beider Lager und auch mit türkischen Linksextremisten dennoch weiter rückläufig. Dies mag an der von vielen "Ülkücü"-Anhängern als insgesamt positiv empfundenen politischen Entwicklung in der Türkei liegen. Möglicherweise wurde den organisierten Anhängern durch den streng hierarchisch strukturierten Dachverband auch eine Mäßigung auferlegt. Die Anhänger der "Ülkücü"-Bewegung zeigten sich mit dem AusReaktionen auf gang der Präsidentschaftsund Parlamentswahlen in der Türkei die türkischen am 24. Juni 2018 überwiegend zufrieden. Die Entscheidung der türPräsidentschaftsund kischen Bevölkerung für das Präsidialsystem wurde mehrheitlich Parlamentswahlen begrüßt - entspricht dieses doch dem Wunsch der "Ülkücü"-Anhänger nach einem starken politischen Führer und einer hierdurch vermeintlich starken türkischen Nation. Insbesondere die ADÜTDF feierte das aus ihrer Sicht gute Ergebnis der MHP, die 11,1 % der Stimmen bei der Parlamentswahl erhalten hatte (49 der 600 Sitze im türkischen Parlament). Die MHP, die ein Wahlbündnis mit der AKP eingegangen war, ist ein wichtiger Faktor in der türkischen Politik geworden. Traditionell eine Oppositionspartei, befindet sie sich nun de facto in einer Regierungskoalition mit der AKP von Staatspräsident Erdogan. Mit dieser Annäherung der MHP an die AKP scheinen die eigenen nationalistischen und kemalistischen Positionen der "Ülkücü"-Bewegung in der Türkei an Bedeutung zu verlieren. Anschlussfähig an das politische Programm der AKP wirkt dabei die Vorstellung einer homogenen, geeinten Türkei, sodass zumindest der nationalistisch-staatsloyale Teil der "Ülkücü"-Ideologie bedient wird. Die Zustimmung zu der engen Zusammenarbeit von MHP und AKP ist nicht einhellig; nicht wenige Anhänger der "Ülkücü"-Bewegung sehen diese kritisch. Schon 2017 wurden ob dieser Entwicklung etliche, auch hochrangige Politiker aus der MHP ausgeschlossen, von denen viele der neu gegründeten Iyi Parti81 beitraten. Das Anliegen der "Ülkücü"-Bewegung, sich nach außen stets als Einheit zu präsentieren, wird durch diese Neugründung erschwert. 81 Gute Partei. 261 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Unterstützung Die türkische Militäroperation "Olivenzweig" in den kurdischen der türkischen Siedlungsgebieten im Norden Syriens wurde von der "Ülkücü"-BeMilitäroperation wegung durchweg unterstützt. Es herrschte Zufriedenheit darüber "Olivenzweig" vor, dass die "Feinde der Türkei" aktiv bekämpft würden. Dennoch sahen die organisierten "Ülkücü"-Anhänger von einer Beteiligung an Aktionen zur politischen Lage in der Türkei unter eigenem Namen ab. Wie bereits in den Jahren zuvor möchte die ADÜTDF als größte "Ülkücü"-Organisation in Deutschland vermeiden, durch eventuelle Gewalttaten ihr vermeintlich seriöses, gesetzestreues Bild zu beschädigen. Vielmehr wurde auf Gewalttaten, die tatsächlich oder vermeintlich vom politischen Gegner, vor allem der PKK und ihren Anhängern in Deutschland, verübt wurden, verwiesen und versucht, politisches Kapital daraus zu schlagen. Als es als Reaktion auf die türkische Militäroffensive wiederholt zu Anschlägen auf türkische Vereine und Moscheen in Deutschland kam, wurde von verbandlicher Seite gemahnt, sich nicht von den vermeintlichen Provokationen zu gewaltsamen Reaktionen verleiten zu lassen. Das Spannungspotenzial zwischen türkischen Rechtsextremisten und Anhängern der PKK, das im Rahmen von Kundgebungen gegen die türkische Militäroffensive vor allem in der ersten Jahreshälfte bestand, schlug 2018 nur vereinzelt in Gewalt um. Mitunter wurden kurdische Protestkundgebungen durch türkische Nationalisten gestört. Zudem erfolgten Provokationen durch das Zeigen des "Wolfsgrußes". Dieser ist angesichts der politischen Gegnerschaft grundsätzlich jederzeit geeignet, Gewalt zu provozieren. Insbesondere nicht verbandlich organisierte, der "Ülkücü"-Bewegung zumindest nahestehende Personen verwenden diese Geste daher oftmals gezielt aus diesem Grund. Rolle des Internets Über die tatsächlichen realweltlichen Aktivitäten türkischer Rechtsextremisten in Deutschland hinaus besteht im Internet eine rege Agitation, die sich zumeist auf Facebook-Präsenzen manifestiert. Nicht immer tritt hierbei der rechtsextremistische Hintergrund einzelner Kommentatoren und Administratoren in Erscheinung. Diese verbreiten mitunter nicht nur eindeutig rechtsextremistische Propaganda bis hin zu Hasspostings, sondern administrieren auch Seiten und Gruppen, die mehr wie ein Sammelbecken integrationsunwilliger oder enttäuschter türkischstämmiger Bürger wirken, die sich von der Mehrheitsgesellschaft 262 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) nicht mehr verstanden fühlen. Der Administrator verfolgt dabei seine rechtsextremistische Agitation oftmals unterschwellig in vergleichsweise gemäßigtem Ton, sodass sie auf den ersten Blick nicht als solche erkennbar ist. Die antisemitischen Stereotypen der türkischen RechtsextreAntisemitismus im misten reichen von rassistischen Vorstellungen "minderwertitürkischen Rechtsger" Juden über Verschwörungstheorien - mit Juden als finsteren extremismus "Strippenziehern" eines internationalen Imperialismus - bis hin zu einer religiös-islamisch begründeten Ablehnung der Juden als Unbeziehungsweise Falschgläubige. Der ideologische Vordenker Atsiz hatte in seinem 1941 verfassten "Testament" eine Vielzahl von Völkern als Feinde bezeichnet. "Die Juden" nähmen eine Sonderstellung ein, denn sie seien "insgeheim die Feinde aller Völker". Atsiz' Texte und Publikationen werden von "Ülkücü"-Anhängern öffentlich verbreitet. Die "Ülkücü"-Bewegung sieht die Türken und die Türkei als andauernd bedroht an. Feinde seien ständig bemüht, gegen die Türkei zu konspirieren, sie zu bekämpfen und zu spalten. Gerade "den Juden" wird vorgeworfen, gemeinsame Sache mit politischen Feinden, wie zum Beispiel den Kurden oder türkischen "Linken", zu machen. Offener Antisemitismus bricht sich vor allem dann Bahn, wenn ein israelbezogenes Thema in besonderer Weise in der Öffentlichkeit diskutiert wird, wie beispielsweise die Entscheidung der US-Regierung zur Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels.82 Seit 2014 waren verstärkt türkisch-nationalistische und türkischRockerähnliche rechtsextremistische Vereinigungen wahrzunehmen, die nach Gruppierungen außen hin ein rockerähnliches Auftreten zeigten. Sofern realweltinnerhalb der lich entsprechende rockerähnliche Strukturen tatsächlich existiert "Ülkücü"-Bewegung haben, sind diese weit überwiegend aufgelöst oder allenfalls noch im allgemeinkriminellen Bereich aktiv. Im Berichtszeitraum waren bundesweit nur noch etwa 150 türkische Rechtsextremisten zu verzeichnen, die sich zeitweise in rockerähnlichen Strukturen zusammengefunden hatten. Diese Vereinigungen - wie zum Beispiel der im Jahr 2015 in 82 Unter www.verfassungsschutz.de sind weitere Broschüren zum Thema Antisemitismus abrufbar. 263 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Nordrhein-Westfalen entstandene "Turan e.V." - erwiesen sich letztlich als nur kurzlebig. So verkündete "Turan e.V." bereits im Februar 2018 in einer öffentlichen Stellungnahme im Internet die Aufgabe seiner hierarchischen Struktur und entließ die wenigen verbliebenen örtlichen "Chapter" in die Selbstständigkeit. Vorausgegangen waren interne personelle Streitigkeiten, die Aufgabe einzelner Standorte und wiederholte polizeiliche Ermittlungen bis hin zur Verhaftung von Führungsmitgliedern im Zusammenhang mit allgemeinkriminellen Delikten. Auch der ebenfalls der "Ülkücü"-Bewegung zuzuordnende "Turkos MC", der seinen organisatorischen Schwerpunkt in Süddeutschland hatte und teilweise noch in Hamburg vertreten ist, entfaltete im Jahr 2018 keine nennenswerten Aktivitäten mehr. Die Vereinigung ist heute auf wenige Einzelpersonen zusammengeschrumpft. Die seltenen politischen Verlautbarungen beschränkten sich vornehmlich auf die sozialen Medien. So verbreitete der "Turkos MC Hamburg" im Mai 2018 ein israelfeindliches Posting, in dem der Staat Israel als "Terrorist" bezeichnet wurde. 264 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) V. Überblick mit Strukturdaten zu Beobachtungsobjekten 1. "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) Gründung: 1978 in der Türkei Leitung/Vorsitz: Abdullah Öcalan Mitglieder/Anhänger 14.500 (2017: 14.500) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Serxwebun" (Zeitung, monatlich) "Yeni Özgür Politika" (Zeitung, täglich) "Sterk TV" (TV-Sender) Betätigungsverbot in Verbotsverfügung des Bundesministers Deutschland: des Innern vom 22. November 1993; das Verbot bezieht sich auch auf alle späteren Umbenennungen: "Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans" ("Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane" - KADEK) "Volkskongress Kurdistans" ("Kongra Gele Kurdistan" - KONGRA GEL) "Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan" ("Koma Komalen Kurdistan" - KKK) "Union der Gemeinschaften Kurdistans" ("Koma Civaken Kurdistan" - KCK) Jugendorganisation: "Komalen Ciwan"/"Tevgera Ciwanen Soresger" (TCS) 265 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Die im Jahr 1978 in der Türkei gegründete "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) ist die mitgliederstärkste und bedeutendste Kurdenorganisation. Zentrale Forderungen der PKK sind die Anerkennung der kurdischen Identität sowie unter Aufrechterhaltung nationaler Grenzen eine politische und kulturelle Autonomie der Kurden in ihren Siedlungsgebieten, vor allem in der Türkei und verstärkt auch in Syrien. Daneben konzentrieren sich die politischen Forderungen der PKK auf die Freilassung ihres seit 1999 inhaftierten Führers Abdullah Öcalan beziehungsweise auf die Verbesserung seiner Haftbedingungen. Ein wesentlicher Schwerpunkt der PKK-Aktivitäten in Deutschland ist die logistische und finanzielle Unterstützung der Gesamtorganisation. Diesem Zweck dienen Spendenkampagnen und Großveranstaltungen, die auch dazu genutzt werden, weitere Anhänger für die Parteiarbeit und für den aktiven Guerillakampf zu gewinnen. Die Anhänger der PKK in Deutschland fordern die Aufhebung des im Jahr 1993 gegen die Organisation verfügten Betätigungsverbots. 266 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 1.1 "Komalen Ciwan"/"Tevgera Ciwanen Soresger" (TCS) Gründung: 2005/2013 Publikationen/Medien: "Sterka Ciwan" (Zeitschrift, monatlich) Die Jugendorganisation der PKK firmiert nach mehreren Umbenennungen seit 2005 unter der Bezeichnung "Komalen Ciwan". Parallel dazu wurde die im April 2013 gegründete "Ciwanen Azad" auf einem europaweiten Gründungskongress am 21. Oktober 2018 in Bergisch Gladbach (Nordrhein-Westfalen) in "Tevgera Ciwanen Soresger" (TCS) umbenannt. Die TCS wurde zwar als europäischer Dachverband der PKK-Jugendorganisation gegründet, tatsächlich bestehen die TCS und die "Komalen Ciwan" aber parallel nebeneinander und umfassen denselben Personenkreis. Während TCS als offizielle Bezeichnung für die Jugend der PKK und als legaler Verband fungieren soll, wird die Bezeichnung "Komalen Ciwan" nur noch im Zusammenhang mit in der Öffentlichkeit negativ konnotierten Aktionen kurdischer Jugendlicher genutzt (z.B. bei Aufrufen zum Beitritt zur PKK-Guerilla). Der TCS sollen dagegen ausschließlich positive Schlagzeilen zugeschrieben werden (z.B. im Zusammenhang mit der Durchführung von friedlichen Demonstrationen). Schwerpunkt der Aktivitäten bildet die Mobilisierung zu sowie die Durchführung von Kundgebungen und Demonstrationen mit thematischem Bezug zur PKK beziehungsweise zur Lage in den kurdischen Siedlungsgebieten. Darüber hinaus ist die Jugendorganisation verantwortlich für anlassbezogene "Hit and Run"-Aktionen (bspw. Brandanschläge auf türkische Einrichtungen) und für die Rekrutierung von Personen für den bewaffneten Kampf der PKK (Aufrufe, Camps). 267 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 1.2 "Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e.V." (NAV-DEM) Gründung: 27. März 1994 als "Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V." (YEK-KOM)83 Gleichberechtigte Ayten Kaplan und Tahir Köcer Vorstandsvorsitzende: Für die Umsetzung von Vorgaben der in Deutschland verbotenen europäischen Führungsspitze der PKK - insbesondere in Bezug auf die Durchführung von Großveranstaltungen - und für den Informationsfluss zur Basis bedient sich die PKK überwiegend der örtlichen kurdischen Vereine in Deutschland, die den Anhängern der Organisation als Treffpunkte und Anlaufstellen dienen. Als Dachverband dieser Vereine fungiert das "Demokratische Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e.V." (NAV-DEM). Der Dachverband ist damit ein Beispiel für eine der vom Bundesgerichtshof im Urteil vom 28. Oktober 2010 beschriebenen unselbstständigen (Teil-)Vereinigungen der PKK, deren eigenverantwortlicher Entscheidungsspielraum sich ausschließlich im Rahmen der von der PKK-Führung vorgegebenen Direktiven bewegt. 83 "Yekitiya Komalen Kurd li Elmanya". 268 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 1.3 "AZADI Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland e.V." (AZADI e.V.) Gründung: 1996 Publikationen/Medien: "AZADI infodienst" (Zeitschrift, monatlich) Bei dem "AZADI Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland e.V." (AZADI e.V.) mit Sitz in Köln (Nordrhein-Westfalen) handelt es sich um einen Verein, dessen Hauptzweck in der finanziellen beziehungsweise materiellen Unterstützung von Personen liegt, die aufgrund ihrer Tätigkeit für die PKK in Deutschland strafrechtlich verfolgt werden. Der Rechtshilfefonds übernimmt zum Beispiel ganz oder teilweise Anwaltsund Prozesskosten oder finanziert Abonnements PKK-naher Zeitschriften für verurteilte Personen. Auf diese Weise sollen die Betroffenen auch weiterhin an die Organisation gebunden werden. Es bestehen enge Verbindungen zu PKK-nahen Organisationen und zur linksextremistischen Gefangenenhilfsorganisation "Rote Hilfe e.V.". 269 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 2. "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) Gründung: 30. März 1994 in Damaskus (Syrien) Leitung/Vorsitz: Gruppe von Führungskadern Mitglieder/Anhänger 650 (2017: 650) in Deutschland: Publikationen/Medien: Zeitungen/Zeitschriften: "Yürüyüs" (wöchentlich) "Gündogdu" (unregelmäßig) "Devrimci Sol" (unregelmäßig) "Tavir" (monatlich/zweimonatlich) "Bizim Genclik" (unregelmäßig) "DHKC Gerilla" (unregelmäßig) Organisationsverbot: Verbotsverfügung des Bundesministers des Innern vom 6. August 1998; hierunter fällt auch ein Verbreitungsverbot der Wochenzeitschrift "Yürüyüs" Tarnorganisationen: "Anatolische Föderation" ("Anadolu Federasyonu") "Volksfront" ("Halk Cephesi") "Volksräte" ("Halk Meclisleri") Jugendorganisation: "Devrimci Genclik" (kurz: "Dev Genc") Die marxistisch-leninistische "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) ist aus der 1978 in der Türkei gegründeten Organisation "Devrimci Sol", einer politisch-militärischen Organisation, hervorgegangen. Der ideologische Leitgedanke der DHKP-C ist die Errichtung eines sozialistischen Gesellschaftssystems durch gewaltsame Beseitigung der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung der Türkei. Zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele verübt die DHKP-C Terroranschläge in der Türkei. Angriffsziele sind vorrangig Einrichtungen des türkischen Staates. In Deutschland leisten Anhänger der DHKP-C als sogenannte Rückfront logistische, finanzielle und propagandistische Unterstützung. 270 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 3. "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten"84 (TKP/ML) Gründung: 1972 in der Türkei Mitglieder/Anhänger 1.300 (2017: 1.300) in Deutschland: Die "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) gründete sich 1972 in der Türkei und ist seit 1994 in die beiden Flügel "Partizan" und "Maoistische Kommunistische Partei" (MKP) gespalten. Beide Fraktionen sind fest in dem ideologischen Fundament des Marxismus-Leninismus verankert, folgen dabei aber einer maoistischen Linie. Gemeinsames Ziel ist die gewaltsame Zerschlagung des türkischen Staates und die Errichtung eines kommunistischen Regimes. Guerillaeinheiten beider Fraktionen verüben in der Türkei terroristische Anschläge. Anhänger beider Flügel greifen die propagierten Themen in Deutschland auf und leisten Unterstützung bei der Veranstaltung von Demonstrationen und Kundgebungen. 3.1 "Partizan"-Flügel Leitung/Vorsitz: Funktionärsgruppe Mitglieder/Anhänger 800 (2017: 800) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Özgür Gelecek" (Zeitung/Zeitschrift, 14-täglich) 84 "Türkiye Komünist Partisi/Marksist-Leninist". 271 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 3.2 "Maoistische Kommunistische Partei"85 (MKP) Leitung/Vorsitz: Funktionärsgruppe Mitglieder/Anhänger 500 (2017: 500) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Halk Icin Devrimci Demokrasi" (Zeitung/Zeitschrift, 14-täglich) 4. "Marxistische Leninistische Kommunistische Partei"86 (MLKP) Gründung: 1994 in der Türkei Zusammenschluss der "TKP/ ML-Hareketi" und der "Türkischen Kommunistischen Arbeiterbewegung" (TKIH) Leitung/Vorsitz: Funktionärsgruppe Mitglieder/Anhänger 600 (2017: 600) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Atilim" (Zeitung, wöchentlich) Die "Marxistische Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) bekennt sich ideologisch zum revolutionären Marxismus-Leninismus. Sie strebt in der Türkei die gewaltsame Zerschlagung der staatlichen Ordnung und die Errichtung eines kommunistischen Gesellschaftssystems an. Nach eigenen Angaben versteht sich die MLKP als politische Vorhut des Proletariats der türkischen und kurdischen Nation sowie der nationalen Minderheiten. Mit Kampagnen und Demonstrationen für die "Märtyrer" im Kampf für die Revolution und den Sozialismus reagieren die Anhänger der Organisation in Deutschland auf politische und gesellschaftliche Ereignisse in der Türkei. 85 "Maoist Komünist Partisi". 86 "Marksist Leninist Komünist Parti". 272 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 5. Türkische Rechtsextremisten ("Ülkücü"-Bewegung) Mitglieder/Anhänger 11.000 (2017: 11.000) in Deutschland: Teil-/Nebenorganisation: "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) Die "Ülkücü"-Bewegung ist eine heterogene türkisch-rechtsextremistische Bewegung, deren Ursprünge in der nationalistisch-rassistischen panturkistischen Ideologie des frühen 20. Jahrhunderts liegen. Die unterschiedlichen Ausprägungen reichen von klassischem Rassismus bis in den Randbereich des Islamismus. Die türkische Nation wird von allen "Ülkücü"-Anhängern politisch-territorial und ethnisch-kulturell als höchster Wert erachtet. Die geschichtliche Größe beziehungsweise die politischen Errungenschaften des Osmanischen Reiches werden zu einem hegemonialen Nationalismus und Nachweis angeblicher türkischer Überlegenheit verklärt. Die sich so zugeschriebene Sonderstellung äußert sich in der Idealisierung der türkischen Identität bei gleichzeitiger Herabwürdigung anderer Volksgruppen und politischer Gegner. Die Überhöhung der eigenen türkischen Ethnie und Kultur stellt ein signifikantes Hindernis bei der Integration in die deutsche Gesellschaft dar. Neben der in Verbänden organisierten "Ülkücü"-Bewegung gibt es auch zahlreiche unorganisierte Anhänger der "Ülkücü"-Ideologie. Diese äußern sich vor allem im Internet mitunter unverhohlen rassistisch und antisemitisch - im Gegensatz zu den organisierten Teilen der Bewegung, die gerade einen offenen Antisemitismus vermeiden. Langfristiges Ziel und geografischer "Sehnsuchtsort" der "Ülkücü"Anhänger ist ein fiktiver, ethnisch und kulturell homogener Staat Turan als Heimat aller Turkvölker. 273 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 5.1 "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) Gründung: 1978 in Frankfurt am Main (Hessen) Sitz: Frankfurt am Main Leitung/Vorsitz: Sentürk Dogruyol Mitglieder/Anhänger 7.000 (2017: 7.000) in Deutschland: Publikationen/Medien: "Bülten" (Zeitung/Zeitschrift, unregelmäßig) Die türkische "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP) ist die Hauptorganisation der "Ülkücü"-Bewegung. Die MHP wurde 1969 von Alparslan Türkes (1917-1997) gegründet, der bis heute als "ewiger Führer" ("Basbug") verehrt wird. Derzeitiger Vorsitzender der Partei ist Devlet Bahceli. Die MHP ist im türkischen Parlament vertreten. In Deutschland wird die MHP durch die "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF) vertreten, dem mit 7.000 Mitgliedern größten "Ülkücü"Dachverband im Bundesgebiet. Die hierarchisch aufgebaute ADÜTDF teilt Deutschland organisatorisch in 13 "Bölge" (Gebiete) ein, in denen sie rund 170 Vereine unterhält. In der Außendarstellung versucht die ADÜTDF, einen positiven und legalistischen Eindruck zu vermitteln. Tatsächlich bekennt sich der Dachverband zu einer extrem nationalistischen, rechtsextremistischen Ideologie, die über die Mitgliedsvereine, das Internet und bei Kulturveranstaltungen verbreitet wird. Dies fördert die Bildung einer Parallelgesellschaft von türkischen Nationalisten in Deutschland. 274 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 5.2 Weitere "Ülkücü"-Strukturen und unorganisierte Anhänger Mitglieder/Anhänger 4.000 (2017: 4.000) in Deutschland: Neben den verbandlich organisierten Anhängern werden 4.000 Personen weiteren "Ülkücü"-Strukturen sowie der unorganisierten "Ülkücü"-Bewegung zugerechnet, mit der sie insbesondere ideologisch verbunden sind. Die unorganisierte "Ülkücü"-Bewegung besteht überwiegend (aber nicht nur) aus jüngeren Menschen. Sie stehen zum Teil über soziale Netzwerke miteinander in Kontakt. Dort pflegen sie ihre Feindbilder und agitieren gegen ihre "Gegner". Mitunter schließen sich Teile der unorganisierten "Ülkücü"-Bewegung in rockerähnlichen Vereinigungen zusammen, die jedoch oft nur kurzlebig sind. Vor allem Juden, Griechen, die USA, Kurden und Armenier sind Volksbeziehungsweise Religionsgemeinschaften, die - auch in völkerverständigungswidriger Hinsicht - herabgewürdigt und zu Feinden des Türkentums erklärt werden. Emotionaler Hauptbezugspunkt der unorganisierten "Ülkücü"-Bewegung sind die Türkei und die dortigen Geschehnisse. 275 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 6. Gruppierungen des extremistischen Sikh-Spektrums 6.1 "Babbar Khalsa International" (BKI) Gründung: 1978 in Indien Sitz: Düren (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Vereinsvorstand Mitglieder/Anhänger 100 (2017: 100) in Deutschland: Bei der "Babbar Khalsa International" (BKI) handelt es sich um die in der Diaspora bestehenden Gruppierungen der 1978 in Indien gegründeten "Babbar Khalsa" (BK). Politisches Ziel der BK ist die Gründung eines eigenen, von Indien unabhängigen Staates "Khalistan" ("Land der Reinen") auf dem Gebiet des indischen Bundesstaates Punjab. Zur Erreichung dieses Zieles operiert die Organisation in Indien auch mit terroristischen Mitteln und versucht, die politische Lage - insbesondere in Punjab - durch Anschläge auf indische Politiker, Angehörige der Sicherheitsbehörden, militärische Einrichtungen und unliebsame Religionsführer aus Religionsgemeinschaften der Sikhs und Hindus gezielt zu destabilisieren. Der in Deutschland ansässige Zweig der BKI ist nicht terroristisch aktiv, sondern unterstützt die Separationsbestrebungen vor allem der BK in Indien propagandistisch. Dazu werden Spendengelder für inhaftierte BK-Aktivisten und deren Angehörige sowie für im Kampf für "Khalistan" getötete Sikh-Aktivisten gesammelt. Diese werden regelmäßig im Rahmen sogenannter Märtyrergedenkveranstaltungen in deutschen "Sikh-Tempeln" verehrt. 276 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 6.2 "Babbar Khalsa Germany" (BKG) Gründung: 2008 in Deutschland Sitz: Düren (Nordrhein-Westfalen) Leitung/Vorsitz: Vereinsvorstand Mitglieder/Anhänger 100 (2017: 100) in Deutschland: Im Jahr 2008 hat sich eine Gruppe von Funktionären von der BKI (vgl. Nr. 6.1) abgespalten und eine neue Organisation gegründet, die unter der Bezeichnung "Babbar Khalsa Germany" (BKG) firmiert. Die BKG unterstützt die Separationsbestrebungen der Sikhs in Indien ebenfalls propagandistisch und führt gemeinsam mit den weiteren in Deutschland existierenden Sikh-Organisationen regelmäßig Protestveranstaltungen vor indischen diplomatischen Vertretungen in Deutschland durch. Dabei fordern sie nachdrücklich einen freien Staat "Khalistan" und prangern die Politik Indiens gegenüber der Glaubensgemeinschaft der Sikhs an. 277 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) 6.3 "International Sikh Youth Federation" (ISYF) Gründung: 1984 in Großbritannien Leitung/Vorsitz: In Deutschland gespalten in zwei Organisationen: "Sikh Federation Germany" (SFG) und "Sikh Federation International Germany" (SFIG) mit jeweils eigenem Bundesvorstand Mitglieder/Anhänger 300 (2017: 300) in Deutschland: Die "Sikh Federation Germany" (SFG) und die "Sikh Federation International Germany" (SFIG) sind aus der "International Sikh Youth Federation" (ISYF) hervorgegangen. Auch sie fordern die Schaffung eines von Indien unabhängigen Staates "Khalistan", beteiligen sich an den regelmäßig durchgeführten Protestveranstaltungen vor indischen diplomatischen Vertretungen gegen die Regierungspolitik Indiens und verlangen mehr Rechte für die Sikhs. 278 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten 279 Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten I. Überblick und Entwicklungstendenzen Steigende Die Bedrohungslage für Deutschland durch Spionage, EinflussnahBedrohungslage me und andere nachrichtendienstliche Aktivitäten hat sich 2018 tendenziell verschärft. Zunehmend prägt der Wettkampf um eine geostrategische Vorherrschaft die internationalen Beziehungen. Hierzu setzen bestimmte Staaten ihre Nachrichtendienste mit dem Ziel ein, in politischen, militärischen, wirtschaftlichen und technologischen Zusammenhängen einen Wissensvorsprung zu erzielen. Zudem unterstrichen im Jahr 2018 in einigen europäischen Ländern vereitelte Anschläge beziehungsweise bekannt gewordene gezielte Tötungen mit mutmaßlicher Steuerung durch ausländische Dienste, dass die betreffenden Staaten ihre Nachrichtendienste neben klassischen Spionageund Aufklärungsoperationen auch für Maßnahmen gegen Leib und Leben im Fokus stehender Zielpersonen nutzen. Verdachtsfälle von Staatsterrorismus, bei denen ausländische Nachrichtendienste zentrale Akteure sind, weisen insofern eine weitere besonders ernstzunehmende Gefährdungsdimension auf. Hybride Doch nicht nur bei der geheimen und illegalen InformationsbeBedrohungen schaffung, sondern auch bei Desinformationskampagnen und Einflussnahmeaktivitäten setzen bestimmte Staaten - neben sonstigen staatlichen Stellen und staatsnahen Organisationen und Medien - auch ihre Nachrichtendienste aktiv ein. Bei hybriden Bedrohungen, bei denen Angreifer koordiniert und zumeist ohne offenes Visier die Funktionsweisen demokratischer Staaten, deren Institutionen oder deren systemische Schwächen gezielt attackieren, um so auf Entscheidungsprozesse einzuwirken oder diese zu stören, spielen daher auch Nachrichtendienste eine Rolle. Deutschland als Deutschland steht als relevanter politischer Akteur mit seinen Spionageziel Bündnismitgliedschaften in NATO und EU sowie wegen seiner Wirtschaftskraft und innovativen Forschung im Fokus fremder Nachrichtendienste. Folgen des verdeckten Agierens fremder Dienste sind geschmälerte diplomatische Verhandlungspositionen Deutschlands, betriebsund volkswirtschaftliche Schäden bis hin 280 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN zur Beeinträchtigung der nationalen Souveränität und demokratischer Willensbildungsprozesse. Auch die Ausforschung und Unterwanderung oppositioneller Gruppen durch ausländische Dienste in Deutschland stellt eine Beeinträchtigung der nationalen Souveränität dar. Die Aktivitäten fremder Staaten und ihrer Dienste umfassten auch Proliferation 2018 die Beschaffung von Produkten oder Informationen aus proliferationsrelevanten Bereichen, also von Gütern und Know-how zur Entwicklung beziehungsweise Herstellung von Massenvernichtungswaffen. Rüstungspolitische Ambitionen verschiedener Staaten im Zusammenhang mit regionalen Konflikten sind hierbei ein besonders starkes Antriebsmoment. Die Russische Föderation, die Volksrepublik China, die Islamische Hauptakteure Republik Iran und die Republik Türkei sind derzeit die Hauptund Ziele akteure der gegen Deutschland gerichteten Spionageaktivitäten. Dabei bestimmen die innenwie außenpolitischen sowie wirtschaftspolitischen Zielsetzungen der jeweiligen Regierungen die Schwerpunkte der Aufklärungsaktivitäten ihrer jeweiligen Dienste: "" Russlands Beziehungen zur EU und NATO wurden zusätzlich zum Ukraine-Konflikt durch den Anschlag auf den ehemaligen russischen Geheimdienstangehörigen und Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter mittels einer Chemiewaffe aus der Stoffgruppe der Nowitschoks im März 2018 in Großbritannien belastet. Die von der EU verhängten politischen und wirtschaftlichen Sanktionen bleiben weiter in Kraft. Im Blickpunkt der nachrichtendienstlichen Aufklärung durch Russland stehen daher alle deutschen Politikfelder mit möglichen Auswirkungen auf Russland. Insbesondere die Bündnispolitik, aber auch die Außenund Wirtschaftspolitik stellen vorrangige Aufklärungsfelder der russischen Dienste dar. "" Der Ausbau weltpolitischer und militärischer Machtpositionen, der Umbau der Volkswirtschaft zu einer entwickelten Industriegesellschaft sowie die Technologieführerschaft in Zukunftsbranchen sind ehrgeizige Ziele der Volksrepublik China. Dabei kommt den Nachrichtendiensten eine hervorgehobene Rolle zu. Sie dienen nicht nur diesen staatlichen Zielen, sondern auch der Absicherung der Vorherrschaft der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh). Vorrang haben die Aufklärung politischer 281 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Entscheidungsprozesse und auch die Technologieund Wirtschaftsspionage. Aber auch die Verfolgung Oppositioneller steht weiter auf der Agenda chinesischer Dienste. "" Die zentrale Aufgabe der iranischen Nachrichtendienste ist die Ausspähung und Bekämpfung oppositioneller Bewegungen. In diesem Zusammenhang häuften sich 2018 Hinweise auf staatsterroristische Aktivitäten iranischen Ursprungs in Europa. Darüber hinaus beschaffen die Dienste im westlichen Ausland Informationen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Zudem ist die Konfrontation mit Israel für iranische Aktivitäten prägend. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund sind in Deutschland weiterhin nachrichtendienstliche Ausspähungen von (pro-)jüdischen beziehungsweise (pro-)israelischen Zielpersonen und Einrichtungen zu verzeichnen. "" Vorrangiges Ziel des türkischen Nachrichtendienstes ist die Aufklärung und Bekämpfung der Gülen-Bewegung, die durch türkische Stellen für den gescheiterten Putschversuch im Jahr 2016 verantwortlich gemacht wird. Darüber hinaus stehen solche Organisationen im Fokus, die die Türkei als extremistisch oder terroristisch einstuft oder andere Strukturen und Personen, die tatsächlich oder mutmaßlich in Gegnerschaft zur türkischen Regierung stehen. Regierungsnahe Vorfeldorganisationen versuchen, Einfluss auf die politische Willensbildung und Entscheidungsfindung in Deutschland sowie die hier lebende türkeistämmige Gemeinschaft auszuüben. Methodik Für die nachrichtendienstliche Informationsgewinnung ist der Einsatz menschlicher Quellen (Human Intelligence) ebenso wie derjenige von Cyberangriffen (Cyber Intelligence) sowie von sonstigen technischen Aufklärungsmitteln (Signal Intelligence) von erheblicher Bedeutung. Cyberangriffe können neben der Spionage auch zu Sabotagezwecken genutzt werden: Diese Gefahr gewann 2018 insbesondere in Bereichen der Kritischen Infrastrukturen87 zunehmend an Bedeutung. Dennoch dient der ganz überwiegende Teil derartiger Operationen mutmaßlich der Nachrichtengewinnung. 87 Kritische Infrastrukturen sind Organisationen und Einrichtungen von besonderer Bedeutung für das Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere z.T. dramatische Folgen eintreten können. Dies gilt z.B. für Energieund Telekommunikationsunternehmen oder Kraftwerkssteuerungen. 282 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Die hohe Wirkungskraft von Spionage auf technischen Wegen geht allerdings nicht mit einem Bedeutungsverlust menschlicher Quellen einher, deren Brisanz nur selten erkannt wird. Vielmehr erhöht die Verschränkung aller zur Verfügung stehenden Mittel für die Informationsgewinnung durch angreifende Nachrichtendienste das Gefährdungspotenzial erheblich. Mögliche Spionageziele in Politik und Verwaltung, Wirtschaft und Prävention Wissenschaft sollten ihre Schutzgüter daher nicht nur vor Ausspähungsversuchen von außen, sondern auch gegenüber Innenquellen schützen, die von ausländischen Nachrichtendiensten für diese Zwecke angeworben, erpresst oder gezielt eingeschleust werden. Entsprechende Schutzvorkehrungen unterstützt das BfV im Rahmen seiner Präventionsaktivitäten. II. Bedrohung durch Cyberangriffe 1. Gefährdungsdimension Für zahlreiche Nachrichtendienste hat sich die Spionage durch Cyberangriffe zu einem Standardwerkzeug mit hohem Gefährdungspotenzial für deren mögliche und tatsächliche Opfer entwickelt. Cyberangriffe eröffnen diesen Diensten effektive Optionen, sich auf digitalem Weg wertvolle Informationen mit einem vergleichsweise geringen Risiko zu beschaffen. Die Umsetzung und laufende Aktualisierung sowie die Überprüfung der organisatorischen, technischen und rechtlichen Maßnahmen zur Stärkung der Cyberabwehr bei allen damit befassten oder potenziell betroffenen Einrichtungen ist notwendig, um dieser Bedrohungslage mit einer schnellen und schlagkräftigen Abwehr und Aufklärung von möglichen und tatsächlichen Cyberangriffen nachhaltig zu begegnen. Um potenziell Betroffene in die Lage zu versetzen, sich gegen SpioBfV Cyber-Brief nagerisiken durch Cyberangriffe zu wappnen, vermittelt das BfV aus seinem Erkenntnisaufkommen stammende Hinweise auf 283 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN bestimmte IT-Infrastrukturen, die für Angriffe genutzt werden (sogenannte Indicators of Compromise, IOC). Mit diesen Informationen versetzt das BfV gefährdete Stellen in die Lage, eine eigene Betroffenheit festzustellen, potenzielle Zugriffe von diesen Infrastrukturen auf ihr IT-Netzwerk im Vorfeld zu sperren und so den Schutz gegen Cyberangriffe zu erhöhen. Auf diese Weise trägt das BfV zur Erhöhung der Cybersicherheit bei. Mit dem sogenannten Cyber-Brief veröffentlichte das BfV dazu auch im Jahr 2018 gezielte Warnmeldungen und Berichte, die sich an Behörden, Wirtschaft und Wissenschaft richteten. Zusammenarbeit Um den Gefahren von Cyberangriffen zu begegnen, arbeiten auf im Cyber-AZ nationaler und internationaler Ebene zahlreiche Behörden zusammen. In Deutschland wurde zur besseren Zusammenarbeit der zuständigen Behörden das Nationale Cyber-Abwehrzentrum (Cyber-AZ) eingerichtet, an dem sich auch das BfV maßgeblich beteiligt. Ziel des Cyber-AZ ist die Optimierung der operativen Zusammenarbeit staatlicher Stellen sowie die bessere Koordinierung von Schutzund Abwehrmaßnahmen gegen potenzielle IT-Vorfälle. 2. Erkannte Angreifer Angreifer: Insbesondere die Nachrichtenund Sicherheitsdienste der Rusüberwiegend sischen Föderation und der Volksrepublik China entfalten weiterRussland und hin in großem Umfang Spionageaktivitäten durch Cyberangriffe China gegen Deutschland. Aber auch Nachrichtendienste anderer Staaten - wie etwa die des Iran - verfügen über die erforderlichen Ressourcen, um derartige technische Informationsgewinnungsmaßnahmen gegen deutsche Ziele ausführen zu können. Die Nachhaltigkeit und Zielauswahl der Angriffe zeigen deutlich den Versuch, Politik und Bundesverwaltung strategisch auszuspionieren. Die nachrichtendienstlich initiierten und gesteuerten Kampagnen zur Informationsgewinnung gefährden aber auch in hohem Maß den Erfolg und die Entwicklungsmöglichkeiten deutscher Unternehmen. Ein effektiver Schutz vor Cyberangriffen bedarf daher - über die erforderlichen Anstrengungen der Spionageabwehr hinaus - auch der Mitwirkung potenzieller und tatsächlicher Betroffener in 284 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Politik, Behörden, Wirtschaft und Wissenschaft. Diese müssen sich jederzeit der bestehenden Gefahren bewusst sein, eigene Sicherheitsund Abwehrsysteme etablieren und pflegen sowie von der Notwendigkeit einer Zusammenarbeit mit den deutschen Sicherheitsbehörden überzeugt sein. III. Nachrichtenund Sicherheitsdienste der Russischen Föderation Die Nachrichtendienste der Russischen Föderation sind ein fester Bestandteil der russischen Sicherheitsstruktur und Ausführungsorgane der staatlichen Aufklärung im Inund Ausland. Sie gelten als verlässliche Garanten der inneren Sicherheit und der staatlichen Souveränität. Daher genießen sie unvermindert ein hohes Ansehen und Rückhalt bei der politischen Führung ihres Landes. Anlässlich des 100. Gründungstages des ersten sowjetischen Geheimdienstes sagte Präsident Putin bei einem Festakt in Moskau am 20. Dezember 2017, die Dienste sollten äußere Einmischungen in das gesellschaftliche und politische Leben Russlands abwehren. Auch bei der Feier zum hundertjährigen Bestehen des militärischen Nachrichtendienstes Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije (GRU) äußerte Putin die Überzeugung, dass jeder GRU-Agent "alles für Russland und unser Volk tue" und unterstrich, dass er ihre Fähigkeiten - auch bei Spezialeinsätzen - kenne. Mit ihren vielfältigen Aktivitäten und ausgestattet mit umfangreichen Befugnissen sind die russischen Nachrichtendienste sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene im Vorfeld an der Vorbereitung politischer Entscheidungen der russischen Staatsführung beteiligt. Darüber hinaus tragen sie maßgeblich dazu bei, im Sicherheitsbereich die Erfüllung politischer Vorgaben zu gewährleisten sowie ökonomische, außenund machtpolitische Interessen Russlands im Inund Ausland im Sinne von "Sharp Power"88 zu fördern. 88 Eine "Sharp-Power-Politik" setzt insbesondere auf die Nutzung der Medien um Gesellschaften zu beeinflussen. Hierbei spielen Desinformationskampagnen eine besondere Rolle. 285 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN 1. Zielbereiche und Schwerpunkte der Informationsbeschaffung Mit der Abkühlung der politischen Beziehungen Russlands zu vielen westlichen Staaten hat die nachrichtendienstliche Informationsbeschaffung an Bedeutung gewonnen. Im Fokus Russlands stehen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Technik sowie das Militär. Das Informationsbedürfnis ist dabei breit gefächert und konzentriert sich je nach politischer Lage auf aktuelle Ereignisse und Entwicklungen, vor allem aber auf solche Ziele, die russische Interessen tangieren. Auch in Deutschland sind russische Nachrichtendienste mit hohem organisatorischem, personellem und finanziellem Aufwand aktiv. Von besonderem Interesse sind mögliche Verhandlungspositionen Deutschlands und des Westens oder die Frage, mit welchen Gegenmaßnahmen in politischer oder wirtschaftlicher Hinsicht zu rechnen ist. Schwerpunkte der Ausspähungsversuche sind das deutsch-russische Verhältnis sowie die deutsche Bündnispolitik innerhalb von NATO und EU - nicht zuletzt aufgrund der Entwicklungen in der Ukraine und im Syrienkonflikt. Insbesondere die Frage nach einer Aufhebung der im Jahr 2014 von der EU (als Reaktion auf die Annexion der Krim und die von Separatisten besetzten Gebiete im Osten der Ukraine) gegen Russland verhängten Sanktionen ist für die Russische Föderation von hohem Interesse.89 Mit Blick auf die deutsche Innenpolitik versuchen die russischen Dienste, Informationen zu parteipolitischen Strukturen und Entwicklungsprozessen, zu inhaltlichen Positionen einzelner Parteien sowie zu möglichen Konsequenzen von Wahlentscheidungen auf Landesund Bundesebene auszuspähen. Versuche politischer Jenseits seiner Spionageinteressen ist Russland bestrebt, die poliEinflussnahme tische und öffentliche Meinung in Deutschland zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Bei deutschen Gesprächspartnern vertreten Angehörige der russischen Dienste offensiv Positionen des Kremls, werben um Verständnis für die russische Politik und versuchen, ihr Gegenüber als Multiplikator zur Verbreitung russlandfreundlicher Sichtweisen und Narrative zu gewinnen. 89 Die im Dezember 2018 abermals um sechs Monate verlängerten politischen und wirtschaftlichen Sanktionen der EU werden vom Europäischen Rat alle sechs Monate überprüft. 286 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Daneben verbreiten Akteure der Russischen Föderation wie auch Propaganda und in den vergangenen Jahren auf vielfältigen Wegen pro-russische Desinformation Propaganda und Desinformation. Wichtige Werkzeuge sind dabei - oft unter Nutzung von Social Bots und Fake-Profilen - soziale Netzwerke, staatlich geförderte und private Institute (z.B. Think Tanks), einzelne eigenständig agierende Einflussakteure und russische Staatsmedien. Weltweit sendende TV-, Radiound Internetkanäle betreiben gezielt Propaganda und Desinformation. Dabei kann nicht ausgeschlossen werden, dass derartige "Meinungsäußerungen" durch staatliche russische Stellen initiiert werden. Sie suggerieren zum Beispiel einen politischen oder gesellschaftlichen Niedergang Deutschlands durch die große Zahl von Flüchtlingen. Die Verhältnisse in Russland werden dagegen geschönt dargestellt und die Ursachen für wirtschaftliche und soziale Einschnitte in Russland allein den westlichen Regierungen angelastet. Gleichzeitig wird das Narrativ verbreitet, dass von den USA sowie der NATO eine Bedrohung des vermeintlich friedfertigen Russlands ausgehe. Derartige Desinformationsund Propaganda-Kampagnen zielen nicht zuletzt auf die Schwächung der Position der Bundesregierung und ihrer Rolle als Befürworterin einer Verlängerung der EU-Sanktionen gegen Russland. Auch das russische Medienangebot in Deutschland wird durch den russischen Staat gefördert und ausgebaut. Staatliche Unternehmen werden als scheinbar unabhängige Medien getarnt, um die Zugehörigkeit zum russischen Staat zu verschleiern und die Öffentlichkeit auf subtile Weise zu beeinflussen. Die wichtigsten Akteure sind dabei der Internet-Sender RT Deutsch sowie die Nachrichtenagentur Sputnik. Nachdem die britischen Behörden zwei russische Staatsbürger verdächtigten, den am 4. März 2018 in Salisbury (Großbritannien) verübten Giftanschlag mit einer Chemiewaffe aus der Stoffgruppe der Nowitschoks auf den ehemaligen russischen Geheimdienstangehörigen Sergej Skripal und dessen Tochter im Regierungsauftrag verübt zu haben, beteiligten sich RT Deutsch und Sputnik an einer internationalen russischen Kampagne, mit der vom Verdacht abgelenkt beziehungsweise Zweifel gesät werden sollten. 287 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN 2. Methodik der Informationsgewinnung Aktivitäten aus Spionageaktivitäten russischer Nachrichtendienste gehen in erster Legalresidenturen Linie von sogenannten Legalresidenturen aus, die innerhalb der offiziellen diplomatischen und konsularischen Vertretungen untergebracht sind (vgl. Kap. XI). Offene und Die Dienste gewinnen ihre Informationen sowohl aus offenen, allkonspirative gemein zugänglichen Quellen (z.B. Internet, PresseberichterstatInformationstung und öffentliche Veranstaltungen) als auch durch konspirative beschaffung nachrichtendienstliche Verbindungen. Ihre Mitarbeiter aus den Legalresidenturen knüpfen Kontakte zu Gesprächspartnern in Institutionen im sicherheitspolitischen Bereich (z.B. in politiknahen Stiftungen und Vereinen) oder wirtschaftsnahen Verbänden. "Abgeschöpfte" deutsche Kontaktpersonen wissen oftmals nicht, dass es sich bei diesen angeblichen "Diplomaten" in Wahrheit um Angehörige eines Nachrichtendienstes handelt und verhalten sich entsprechend arglos. Im Zuge des Anschlags auf den früheren GRU-Offizier und Doppelagenten Skripal und dessen Tochter hat die Bundesregierung im Rahmen einer international abgestimmten Reaktion am 26. März 2018 vier an der Botschaft der Russischen Föderation in Berlin akkreditierte Diplomaten zu "personae non gratae" erklärt. Im Gegenzug verwies Russland Ende März 2018 vier deutsche Diplomaten des Landes, die an der Deutschen Botschaft in Moskau akkreditiert waren. Im Rahmen der auf EU-Ebene sowie mit weiteren westlichen Partnerstaaten abgestimmten Reaktion, bei der weltweit rund 150 russische Diplomaten bzw. als Diplomaten getarnte Nachrichtendienstangehörige aus den jeweiligen Ländern ausgewiesen wurden, sollte ein nachdrückliches und solidarisches Zeichen gegen die Aktivitäten der russischen Seite gesetzt werden. Die britischen Behörden veröffentlichten am 5. September 2018 die Alias-Identitäten von zwei dringend der Tat verdächtigen Personen, die beide dem militärischen Nachrichtendienst Russlands GRU zugerechnet werden. Zentrale Neben der Informationsbeschaffung aus den Legalresidenturen Steuerung reisen Nachrichtendienstoffiziere aus den Zentralen zu Erkundungsreisen oder operativen Maßnahmen in andere Staaten. Auch Treffen zwischen Führungsoffizieren und ihren deutschen Quellen 288 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN finden zuweilen im Ausland statt ("Drittlandtreff"). Dabei nutzen die Nachrichtendienstangehörigen bewusst die weitgehende Reisefreiheit innerhalb des europäischen Schengenraums und profitieren auch von der Befreiung von der Visumpflicht für Inhaber eines russischen Diplomatenpasses für Reisen in die EU. Auch die aufwendigen und kostenintensiven "Illegalenoperationen" werden zentral gesteuert. Hierbei werden Nachrichtendienstoffiziere mit einer falschen Identität ausgestattet und für eine langfristige Agententätigkeit in das Einsatzland eingeschleust - meist über ein Drittland. In Russland selbst richten die Nachrichtendienste ihren Blick Gefährdung in überwiegend auf Personen, die sich beruflich oder privat für länRussland gere Zeit dort aufhalten. Dazu zählen insbesondere Angehörige diplomatischer Vertretungen und Behördenvertreter, Firmenrepräsentanten, Wissenschaftler oder Studierende. Persönliche Daten in Visaanträgen, Grenzkontrollen sowie die Telefonund Internetüberwachung bieten den Diensten im eigenen Land zahlreiche Möglichkeiten, geeignete Zielpersonen für eine Ansprache zu ermitteln. Sofern die gewonnenen Informationen die Zielpersonen kompromittieren können, gehen die Dienste auch offensiv vor. 3. Cyberangriffe Die Nachrichtendienste der Russischen Föderation nutzen in großem Umfang Cyberangriffe zur Informationsbeschaffung, aber auch in einzelnen Fällen zur Desinformation und Propaganda. Die Cyberspionageoperationen sollen vor allem der Stärkung der äußeren und inneren Sicherheit Russlands, der Sicherung strategischen Einflusses sowie der Förderung russischer Militärund Energieexporte und russischer Spitzentechnologie dienen. Russische Angriffskampagnen richten sich unter anderem gegen supranationale Organisationen, Regierungsstellen, Streitkräfte, Parlamente und Politiker, internationale Wirtschaftsunternehmen sowie Wissenschaftsund Forschungseinrichtungen. Sie zielen auf die Ausforschung von Spitzentechnologien mit einem Schwerpunkt in den Bereichen Energie-, Militär-, Röntgenund Nukleartechnik sowie Luftund Raumfahrt. Zudem stehen Regierungskritiker, Journalisten und Nichtregierungsorganisationen (NGO) 289 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN sowie internationale Großbanken und Medienunternehmen im Fokus. Sowohl der russische Inlandsnachrichtendienst FSB als auch der militärische Auslandsnachrichtendienst GRU führen Cyberoperationen durch; dazu sind verschiedene einzelne Hackergruppierungen im Einsatz. Einige dieser beobachteten APT-Gruppierungen90 sind sehr aktiv und lassen sich über eine Zeitspanne von nahezu 15 Jahren zurückverfolgen. Sie zeichnen sich durch eine hohe technische Qualifikation aus, verfügen über starke finanzielle Ressourcen und lassen in Art und globalem Umfang der Operationen außergewöhnliche Operativund Auswertefähigkeiten erkennen. So kommen unterschiedliche, teils schwierig aufzuklärende Angriffsmethoden zum Einsatz. Diese umfassen E-Mails mit Schadanhang oder Links zu Websites mit Schadcode, gefakte Login-Seiten oder Watering-Hole-Angriffe91, also infizierte legitime Websites. Spear-Phishing-Angriffe92 zeichnen sich durch auf das Opfer zugeschnittene E-Mails aus - basierend auf einem guten Social Engineering93. Es handelt sich dabei regelmäßig um glaubwürdig erscheinende E-Mails mit für das Opfer relevanten Inhalten und ihm vermeintlich bekannten Absendern. APT 28 APT 28 (auch Sofacy, Fancy Bear, Pawn Storm oder Sednit genannt) ist eine seit mindestens 2004 international aktive russische Angreifergruppierung mit Opfern weltweit. Neben Spionageangriffen führt sie Maßnahmen zur gezielten Desinformation und Propaganda sowie Cyberangriffe unter dem Deckmantel vermeintlicher "Hacktivistengruppen" durch, sogenannte Operationen unter 90 APT steht für "Advanced Persistent Threat" (etwa "fortgeschrittene, andauernde Bedrohung") und bezeichnet einen komplexen, zielgerichteten und effektiven Angriff auf IT-Strukturen durch einen gut ausgebildeten und ressourcenstarken Angreifer. 91 Bei einem Angriff mit sogenannten Watering Holes identifiziert der Angreifer Websites, die für das Opfer potenziell interessant sind und leitet dieses mithilfe einer hinterlegten Liste (sogenannte White List) auf den infizierten Webserver um. Hierüber erfolgt die Installation der Schadsoftware bei dem Opfer des Cyberangriffs. 92 Spear-Phishing ist eine Spezialform des Phishing-Angriffs, bei dem nicht breitflächig, sondern nur ein kleiner Empfängerkreis attackiert wird. Voraussetzung für einen erfolgreichen Angriff ist eine gute Vorbereitung und die Einbettung des Angriffs in einen für das Opfer glaubwürdigen Kontext im Rahmen des sogenannten Social Engineerings. 93 Ausspionieren über das persönliche Umfeld, durch zwischenmenschliche Beeinflussung bzw. durch geschickte Fragestellung, meist unter Verschleierung der eigenen Identität (Verwenden einer Legende). Social Engineering hat das Ziel, unberechtigt an Daten, geheime Informationen, Dienstleistungen oder Gegenstände zu gelangen. 290 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN falscher Flagge ("False Flag"). Solche Angriffe dienen unter anderem der Machtdemonstration; nicht entdeckt zu werden steht dabei nicht im Vordergrund. Seit etwa 2017 ist - mutmaßlich zur Erhöhung der operativen Sicherheit - eine stetige Weiterentwicklung der APT 28 zugeschriebenen Schadprogramme zu beobachten. Teilweise wurden neue Angriffstechniken festgestellt. Die vorliegenden, insbesondere nachrichtendienstlichen ErkenntSteuerung durch nisse deuten auf eine Steuerung durch den militärischen Nachrussische Dienste richtendienst GRU hin. Dazu gehören insbesondere die Opferauswahl beziehungsweise das dahinterstehende Aufklärungsinteresse. Neben Strukturen der NATO, der OSZE sowie westlichen Verteidigungsund Außenministerien waren auch kaukasische Behörden und russische Oppositionelle Opfer der Gruppierung. Die Cyberabwehr des BfV teilt die Anfang Oktober 2018 von britischen und niederländischen Regierungsstellen öffentlich gemachte Einschätzung, wonach die GRU für eine Welle von Cyberangriffen verantwortlich ist, die APT 28 zugeschrieben werden. Das britische Zentrum für Cybersicherheit NCSC publizierte am 4. Oktober 2018 eine entsprechende Meldung; so konnten mehrere Mitarbeiter des russischen militärischen Nachrichtendienstes identifiziert werden, die unter anderem die APT 28-Attacken auf die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) 2016 und die US-amerikanische Präsidentschaftswahl 2016 verübt hatten. Am selben Tag gaben zudem niederländische Sicherheitsbehörden Einzelheiten bekannt zu einer durch den niederländischen Dienst Militaire Inlichtingenen Veiligheidsdienst (MIVD) vereitelten Spionageaktion des russischen militärischen Nachrichtendienstes gegen die in Den Haag ansässige Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW). Danach waren bereits im April 2018 vier GRU-Offiziere bei dem Versuch festgenommen worden, über ein WLAN-Netz aus einem Fahrzeug heraus die Zentrale der OVCW elektronisch anzugreifen. Seit 2015 ist zu beobachten, dass sich die ATP 28-Gruppierung vor Angriffsziele allem auf Opfer im politischen Raum konzentriert. Eine weitere Einengung des Zielspektrums auf politische Parteien und Stiftungen in Deutschland erfolgt seit 2016. Seit Mitte 2017 sind auch vermehrt Organisationen im Bereich der internationalen 291 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Zusammenarbeit, der Korruptionsbekämpfung sowie der Politikberatung (z.B. Think Tanks) im Fokus von APT 28. Auch die Angriffe gegen internationale Sportorganisationen beziehungsweise Antidopingagenturen hielten im Berichtszeitraum an. Zu den Opfern zählten unter anderem der Weltfußballverband und der Weltleichtathletikverband; auch in diesen Fällen wurden später unter der False-Flag-Bezeichnung "Fancy Bears' Hack Team" medizinische Daten prominenter Sportler veröffentlicht. Zumindest Angriffsvorbereitungen gab es darüber hinaus gegen die Internationale Eishockey-Föderation und den Internationalen Rennrodelverband; hier wurden - ähnlich wie zuvor im Fall WADA - jeweils Domains aufgeklärt, die die offiziellen Internetauftritte der Organisationen imitieren und vermutlich zur Vorbereitung von Spear-Phishing-Angriffen zur Erlangung von Zugangsdaten (Credentials) eingerichtet worden waren. Die Cyberangriffe gegen Sportorganisationen können als Reaktion Russlands auf den empfundenen Prestigeverlust durch die öffentliche Diskussion um das staatlich organisierte Dopingsystem und den daraufhin erfolgten teilweise kompletten Ausschluss russischer Mannschaften von internationalen Sportveranstaltungen verstanden werden. Russische Sportfunktionäre, Politiker und die Staatsmedien leugnen die klare Beweislage und werfen dem Westen Doppelmoral und ungleiche Standards vor. Ferner waren weitere Angriffe auf internationale Stellen durch APT 28 zu verzeichnen. Die Zielauswahl entsprach hierbei wiederum russischen Interessengebieten. Betroffen waren vor allem Regierungsnetze von nun eigenständigen ehemaligen sowjetischen Teilrepubliken, insbesondere in der Kaukasusregion. Sandworm Die APT-Gruppierung Sandworm (auch Quedagh und Black Energy genannt) ist mindestens seit dem Jahr 2013 aktiv. Zu Beginn der Aktivitäten führte Sandworm laut öffentlichen IT-Sicherheitsreports unter anderem Cyberspionageoperationen gegen die NATO, westliche Regierungsstellen, Telekommunikationsunternehmen sowie akademische Einrichtungen durch. Auch Sabotageangriffe gegen ukrainische Industriesteuerungsanlagen seit Ende 2015 werden Sandworm zugerechnet. Im Februar 2018 wurde dem BfV eine mutmaßliche Infektion des Netzwerks eines deutschen Medienunternehmens durch Sandworm 292 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN bekannt. Die Infektion erfolgte mittels eines Spear-Phishing-AnAngriff gegen griffs. Die betroffenen IT-Systeme waren nicht für kritische Funkdeutsches tionen zuständig und enthielten auch keine besonders sensiblen MedienunterDaten. Der Angriff konnte detektiert und abgewehrt werden. Darünehmen ber hinaus gab es Hinweise, dass sich die Angriffe auch gegen eine Organisation im Bereich der Chemiewaffenforschung gerichtet hatten. Ein IT-Sicherheitsunternehmen beschrieb zudem technische Überschneidungen mit der Kampagne "Olympic Destroyer", die für Cybersabotageangriffe gegen die Olympischen Winterspiele in Südkorea im Februar 2018 verantwortlich gemacht wurde. Aufgrund der auch für Deutschland bestehenden hohen GefährCyber-Brief dungslage hat das BfV am 12. Juli 2018 einen Cyber-Brief zu diesen des BfV Spear-Phishing-Angriffen veröffentlicht, um deutsche Unternehmen für Angriffe durch Sandworm zu sensibilisieren. Das BfV veröffentlichte den Cyber-Brief auf seiner Webseite und versandte ihn zudem gezielt an bestehende Kontakte der Cyberabwehr. Bei der APT-Gruppe Snake (auch Uroburos oder [Epic] Turla geSnake nannt) handelt es sich um einen äußerst klandestin vorgehenden Angreifer mit internationaler Zielauswahl; entsprechende Aktivitäten können bis ins Jahr 2005 zurückverfolgt werden. Das BfV beobachtet Snake unter dem Gesichtspunkt der Steuerung durch einen russischen Nachrichtendienst. Die ausgewählten Ziele stehen regelmäßig im staatlichen Aufklärungsinteresse. Es handelt sich vornehmlich um Regierungseinrichtungen, Außenministerien und diplomatische Vertretungen sowie supranationale Organisationen. Die Zielauswahl zeigt allerdings auch ein Interesse an Entwicklungen in Wirtschaft und Forschung, unter anderem im Bereich der Luftund Raumfahrt sowie der Rüstung. In technischer Hinsicht zeichnet sich die APT-Gruppe Snake durch die geschickte Verschleierung des Weges zwischen Täter und Opfer aus. Zu diesem Zweck werden gekaperte Satellitenverbindungen sowie Ketten von Proxy-Servern eingesetzt, die die Rückverfolgung des Angreifers erheblich erschweren. Gleiches gilt für den Missbrauch fremder IT-Infrastrukturen, wie die Kompromittierung von Webservern, die vom Angreifer als "Command & Control"-Server zur Kommunikation mit der Schadsoftware genutzt werden. 293 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Die festgestellten Angriffe erfolgen extrem zielgerichtet und passgenau. Bei der APT-Gruppierung Snake handelt sich um eine weiterhin fortdauernde Angriffsoperation, von der nach wie vor eine hohe Gefahr für deutsche Opfer in Regierung und Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung ausgeht. Aktuelle Der vornehmliche Fokus des Angreifers liegt weiterhin auf AußenAngriffsziele ministerien und diplomatischen Vertretungen, sonstigen Regierungseinrichtungen sowie supranationalen Organisationen. Weitere zuletzt bekannt gewordene Aufklärungsziele von Snake waren weltweit unter anderem Polizeiund Grenzschutzbehörden, Militär, Entwicklungshilfeorganisationen sowie mehrere Technologieunternehmen, wie beispielsweise im Bereich der Raumfahrt. Ein wachsendes Interesse gilt zudem Militärund Marinethemen. Geografisch verteilen sich die Aufklärungsziele auf Europa, Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion, Nordund Südamerika, den Nahen Osten, Asien und den Pazifikraum. Angriff auf das Ende 2017 erhielt das BfV den Hinweis, dass die IT-Infrastruktur Auswärtige Amt deutscher Bundesbehörden durch die APT-Gruppe Snake kompround die HS Bund mittiert sei. Tatsächlich betroffen waren einzelne Rechner des Auswärtigen Amtes und der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung beziehungsweise der Hochschule des Bundes. Das BfV unterstützte die Aufklärung des Cyberangriffs durch eigene operative Maßnahmen. Die gewonnenen Erkenntnisse flossen in die Abwehrmaßnahmen zum Schutze des Regierungsnetzes ein und unterstützten eine Zuordnung des Angriffs zur APT-Gruppe Snake. Mutmaßliche Im Frühjahr 2018 lagen dem BfV Erkenntnisse vor, dass KonfiguraAngriffskampagne tionsdaten Tausender Router offenbar infolge manipulativer Eingegen Internetgriffe zu einem bestimmten Server ausgeleitet wurden. Die verInfrastrukturen mutlich kompromittierten Router waren weltweit verteilt. Der mögliche Zugriff auf Router als zentrale Netzwerk-Infrastrukturkomponenten ist als sehr kritisch einzustufen. Denn auf diese Weise kann sich der Angreifer einen Überblick über das jeweils angebundene Netzwerk verschaffen, Datenströme im Netzwerk abhören, umleiten oder auch manipulieren. Am 16. April 2018 veröffentlichten britische und US-amerikanische Behörden einen gemeinsamen Analysebericht, wonach russischen staatlichen Stellen zuzuordnende Cyberangriffe auf relevante Netzwerkinfrastrukturen weltweit beobachtet wurden. 294 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Aufgrund eigener Erkenntnisse teilt das BfV diese Einschätzung. Der Bericht beschreibt detailliert das Vorgehen russischer Cyberakteure, die in großem Umfang und über einen längeren Zeitraum weltweit Netzwerk-Infrastrukturen wie beispielsweise Router, Switches oder Firewalls infiltriert und entsprechende Konfigurationsdaten ausgeleitet haben sollen. Mit den Attacken wollten sich die Angreifer offenbar einen dauerhaften Zugang zu den Opfer-Netzwerken verschaffen. Von den Angriffen betroffen waren dem Bericht zufolge vorwiegend Kritische Infrastrukturen (z.B. Energieversorgung, Wasserversorgung/-entsorgung, Informationstechnik, Telekommunikation). Die von den Angreifern ausgenutzten Schwachstellen, insbesondere die der Router, sind zum Teil seit Jahren bekannt, sodass die Attacken vornehmlich bei schlecht gewarteten Systemen erfolgreich waren. Cyberspionageangriffe durch russische Nachrichtendienste auf Ausblick Behördennetze, Wirtschaft und Wissenschaft stellen weiterhin eine große Gefahr für die deutsche Sicherheit und eine ständige Herausforderung für die Spionageabwehr dar. Diese Art der Informationsbeschaffung hat für die Dienste der Russischen Föderation eine zunehmende Bedeutung. Neben der "klassischen" Spear-Phishing-E-Mail kommen inzwischen vermehrt weit schwieriger aufzuklärende Angriffsmethoden wie Watering-Hole-Attacken zum Einsatz, die kaum zu detektieren sind. Somit ist von einer hohen Dunkelziffer nicht erkannter, qualitativ sehr hochwertiger Cyberangriffe auszugehen, mit denen russische Dienste äußerst zielgerichtet bestimmte Opfer angreifen. 4. Gefährdungspotenzial Nach wie vor stellen die russischen Nachrichtendienste aufgrund ihrer hohen Präsenz und regen Aktivität im Bundesgebiet eine besondere Gefährdung für schutzwürdige Institutionen und Informationen der Bundesrepublik Deutschland dar. Mittels politischer Spionage versuchen die Dienste, ihrer eigenen Regierung Einblicke in Positionen der deutschen Seite zu ermöglichen und ihr damit bei wichtigen politischen Ereignissen einen Wissensvorsprung zu verschaffen. Ein solcher Informationsvorsprung kann die nationale Sicherheit beziehungsweise die 295 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Verteidigungsfähigkeit Deutschlands oder des NATO-Bündnisses beeinträchtigen. Durch geheimdienstliche Aktivitäten in und gegen Deutschland ist eine permanente Bedrohungslage gegeben. Der Anschlag auf Skripal verdeutlicht auf erschreckende Weise das breite Repertoire nachrichtendienstlicher Handlungsoptionen, das Russland einsetzt. Allerdings gelingt es der deutschen Spionageabwehr immer wieder, konkrete oder sich abzeichnende Gefährdungen zu beenden oder abzuwenden. IV. Nachrichtenund Sicherheitsdienste der Volksrepublik China Seit dem Machtantritt des Staatsund Parteichefs Xi Jinping im November 2012 hat im autoritären und repressiven politischen System Chinas die Bedeutung der Nachrichtendienste stetig zugenommen. Der 13. Nationale Volkskongress im März 2018 hat eine weitere Neuordnung im Staatsapparat beschlossen und dabei auch eine "Nationale Aufsichtskommission" (NAK) eingesetzt, die als Einrichtung im Kampf gegen Korruption Staatsbedienstete unter Aufsicht einer von der KPCh geleiteten Einrichtung stellt. Mit ihren umfangreichen Befugnissen dienen auch die Nachrichtendienste maßgeblich dem Machterhalt der KPCh. Im Juli 2017 verabschiedete der chinesische Volkskongress das neue Nationale Geheimdienstgesetz (NGG). Dadurch haben die Sicherheitsbehörden nun zahlreiche förmlich kodifizierte Sonderrechte, um nahezu ohne Einschränkungen im Inund Ausland nachrichtendienstlich tätig zu sein. Das NGG sieht unter anderem auch vor, Einzelpersonen, Firmen, staatliche Strukturen und sonstige Organisationen im Inund Ausland zur Mitarbeit zu verpflichten. Auch die lokalen und regionalen Pilotprojekte zur Einführung eines Sozialkredit-Systems in China schritten 2018 voran. Ziel ist eine Zusammenführung und Bewertung aller staatlichen, kommunalen und privatwirtschaftlichen Daten zu jeder einzelnen Person in der Volksrepublik. Grundsätzlich ist auch das Sammeln von in Deutschland generierten Daten für das Sozialkredit-System schon jetzt möglich: Chinesische, aber auch deutsche Staatsangehörige können Bezahlsysteme von chinesischen Unternehmen wie 296 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Tencent (WeChat Pay) und Alibaba (Alipay) sowie andere Apps und Webdienste, deren Datenserver in China stehen und auf die chinesischen Stellen daher zugreifen können, in Deutschland nutzen. 1. Zielbereiche und Schwerpunkte der Informationsbeschaffung Schwerpunkte der Tätigkeit chinesischer Nachrichtendienste verPolitische schieben sich in Richtung politischer Spionage. Das Bestreben, ErSpionage kenntnisse über supranationale Einrichtungen wie die EU sowie über internationale Konferenzen (z.B. G20-Gipfel) zu gewinnen, nimmt an Bedeutung zu. Auch politische Positionen, die China betreffen (wie die Anerkennung als Marktwirtschaft, die Territorialstreitigkeiten im Südchinesischen Meer oder der Handelskonflikt mit den USA), sind für das Land von größtem Interesse und für strategische Entscheidungen unentbehrlich. In Deutschland stehen darüber hinaus auch folgende Aufklärungsziele im Fokus der Dienste: "" Wirtschaft, Wissenschaft und Technik: China ist verstärkt dazu übergegangen, durch den Aufkauf deutscher mittelständischer Unternehmen aus dem Spitzentechnologiesektor technologische Lücken zu schließen, um das ambitionierte Hightech-Programm "Made in China 2025" realisieren zu können. Ziel des Programms ist die Entwicklung des Landes zu einer global führenden Industrienation. Zu diesem Zweck werden bestimmte Branchen und Zukunftstechnologien gezielt gefördert (u.a. neue Energien und Antriebe, Medizintechnik, Industrierobotik, Informationstechnologien, Luftund Raumfahrttechnologie). Der Abfluss von Know-how kann der deutschen Wirtschaft langfristig schaden. Ferner ist nicht auszuschließen, dass China durch den Erwerb von sicherheitsrelevanten Unternehmen sensible Daten und damit Wissen erlangt, das auch deutsche Sicherheitsinteressen beeinträchtigt. "" Militär: Struktur sowie Bewaffnung und Ausbildung der Bundeswehr sind von besonderem Interesse wie auch moderne Waffentechnik aus der deutschen Sicherheitsund Verteidigungsindustrie - trotz bestehender Exportbeschränkungen. Bekämpfung der Bestrebungen, die - nach chinesischem Verständnis - das Machtmonopol der Partei infrage stellen und die nationale Einheit bedrohen: Zu den von den chinesischen 297 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Behörden als "Fünf Gifte" bezeichneten Bewegungen zählen die nach Unabhängigkeit strebenden ethnischen Minderheiten der Uiguren und Tibeter, die regimekritische Falun-Gong-Bewegung, die Demokratiebewegung und die Befürworter einer Eigenstaatlichkeit der Insel Taiwan. 2. Methodik der Informationsgewinnung Die offene Informationsbeschaffung (z.B. Gesprächsabschöpfung im Rahmen einer harmlos wirkenden Kontaktpflege) erfolgt überwiegend aus den chinesischen Legalresidenturen in Deutschland (vgl. Kap. XI). Diese dient häufig auch dazu, Ansätze verdeckter, nachrichtendienstlicher Informationsbeschaffung aus China heraus vorzubereiten. Die Legalresidenturen unterliegen durch Weisungen und Berichtspflichten einer zentralisierten Kontrolle. Aktivitäten aus Die Nachrichtendienstmitarbeiter in den Legalresidenturen unterLegalresidenturen halten eine Vielzahl von Kontakten und Beziehungsnetzwerken ("guanxi") zu Gesprächspartnern, die aus Sicht der chinesischen Dienste über interessante Zugänge oder Informationen verfügen. Durch eine langfristig angelegte "Kultivierung" sollen die Kontaktpersonen in Politik und Wirtschaft dazu verleitet werden, dem vorgeblichen "Freund" auch vertrauliche Informationen preiszugeben und so zum Informanten oder gar Agenten für einen chinesischen Dienst zu werden. Soziale Netzwerke Chinesische Nachrichtendienste nutzen soziale Netzwerke wie LinkedIn für Anbahnungsoperationen. Der Modus Operandi ist fast immer der Gleiche: Vermeintliche Wissenschaftler, Jobvermittler und Headhunter knüpfen Kontakte mit Personen, die über ein aussagekräftiges Personenprofil verfügen. Sie werden mit verlockenden Angeboten geködert und schließlich nach China eingeladen; dort erfolgt die nachrichtendienstliche Anbahnung. Wirtschafts-, Die Nachrichtendienste eruieren intensiv Arbeitsbereiche und WissenschaftsWissenspotenziale chinesischer Wissenschaftler, die in Deutschund Technikland arbeiten. Über freundschaftliche Beziehungen und informelle spionage Kontakte versuchen sie, ausgewählte Personen aus diesem Kreis für eine Zusammenarbeit zu gewinnen ("Non-Professionals"). Wegen der engen Verflechtung von Staat und Wirtschaft in China ist es im Einzelfall kaum möglich, zwischen staatlich betriebener 298 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Wirtschaftsspionage und Ausspähung durch konkurrierende Unternehmen zu unterscheiden. Dies zeigt etwa der Fall im deutschen Spezialchemie-Konzern Lanxess, über den im November 2018 in den Medien berichtet wurde: Mehrere chinesischstämmige Mitarbeiter des Unternehmens hatten in der Zeit von 2010 bis 2016 Firmenwissen zu einer patentierten Chemikalie entwendet, zur Verwertung nach China weitergegeben und ein Unternehmen zum Handel mit dem Produkt gegründet. Trotz diverser Hinweise auf eine Involvierung staatlicher chinesischer Stellen konnte die Staatsanwaltschaft Köln Anklage lediglich aufgrund des Verrats von Geschäftsund Betriebsgeheimnissen nach SS 17 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb erheben. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf verurteilte in diesem Zusammenhang einen leitenden technischen Angestellten des Konzerns am 12. Juni 2018 zu einer Schadensersatzleistung von rund 167.000 Euro. Nach wie vor ist die Einbindung politischer oder wissenschaftThink Tanks licher Think Tanks in die nachrichtendienstlichen Strategien Chinas von Bedeutung. Diese fördern das Ansehen des Staates, helfen bei der Verbreitung chinesischer Werte und dienen so der Umsetzung einer "Soft-Power-Politik"94. Es bestehen offizielle Kooperationen mit politischen Stiftungen in Deutschland. Die Nachrichtendienste nutzen diese Institutionen aber auch als Tarnung für Reisen nach Deutschland und - meist in China - für die Kontaktaufnahme zu jungen Studenten, Diplomaten und Geschäftsleuten. So dienen die chinesischen Think Tanks auch dazu, sensible Informationen zu sammeln (nicht zuletzt zur Vorbereitung von Cyberangriffen) sowie geeignete Zielpersonen auszuwählen und nachrichtendienstliche Aktivitäten zu tarnen. Die engen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland Aktivitäten in und China eröffnen vielfältige Möglichkeiten zur Wirtschaftsund China Technologiespionage, beispielsweise über deutsche Firmenniederlassungen in China (u.a. Joint Ventures). Die Nachrichtendienste werden dabei von staatlichen und privaten Unternehmen unterstützt. 94 Politische Machtausübung mittels kultureller, ideologischer und anderer nicht materieller Werte, auch mithilfe internationaler Institutionen. Im Kontext dieses politikwissenschaftlichen Begriffes spielen ökonomische und militärische Machtausübung keine Rolle. 299 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Die umfassend praktizierten Überwachungsmaßnahmen in China, die neben der einheimischen Bevölkerung auch den dort lebenden ausländischen Diplomaten, Studenten, Wissenschaftlern, Geschäftsleuten und selbst Touristen gelten, bieten dabei konkrete Anknüpfungspunkte für nachrichtendienstliche Operationen. Politische Daneben versuchen chinesische Akteure verstärkt, politischen Einflussnahme Einfluss im Ausland zu gewinnen. Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping hatte Ende 2017 den Beginn einer "Neuen Ära" angekündigt, in der China in das Zentrum der internationalen Ordnung aufrücken und seinen globalen Führungsanspruch durchsetzen wolle. Dieser "Chinesische Traum" soll unter anderem mithilfe strategischer Masterpläne, wie "Made in China 2025" und der "Neuen Seidenstraßen Initiative", verwirklicht werden. Die auch "Belt and Road Initiative" (BRI) genannte "Neue Seidenstraße" wurde von der Staatsund Parteiführung erstmals im Herbst 2013 vorgestellt. Die Konzeption verfolgt das Ziel, Landund Seewege zwischen China, Afrika und Europa zu erschließen und erfuhr zuletzt eine Ausweitung auf die Arktis und Lateinamerika. Sie bekam im Lauf der Jahre auch eine sicherheitspolitische Dimension.95 Entscheidend für den Erfolg dieser Strategien ist es, hierfür ein wohlwollendes politisches Umfeld zu schaffen. Dies geschieht durch umfassende Versuche, die Einflusssphäre Pekings weltweit in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft auszudehnen. Dafür spannen chinesische staatliche, halbstaatliche und private Akteure gut vernetzte deutsche Entscheidungsträger und Multiplikatoren als "Lobbyisten" für chinesische Interessen ein. Zudem erzeugen chinesische Investitionen in Deutschland wirtschaftliche Abhängigkeiten, die China bei Bedarf als Hebel für politische Zugeständnisse einsetzen kann. 3. Cyberangriffe Das 2017 festgestellte vermehrte Wiederauftreten chinesischer Cyberangriffe hat sich im Jahr 2018 fortgesetzt. Nachdem im Zuge des "No Spy Agreement" zwischen China und den USA im Jahr 2016 95 Bislang sollen laut dem Mercator-Institut für Chinastudien über 25 Milliarden US-Dollar in bereits abgeschlossene Infrastrukturprojekte geflossen sein. Wegen der teilweise drückenden Kreditlasten wird BRI seit 2018 von einigen Staaten, insbesondere aus Asien, kritischer betrachtet. 300 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN geringere Angriffszahlen registriert wurden, hat sich jedoch die Qualität der Angriffe und Angriffsvektoren gesteigert, die Detektierbarkeit der Angriffe also verringert. Diese Weiterentwicklung der angewandten Vorgehensweisen und Techniken chinesischer APT-Cyberangriffsgruppen bedeutet in Kombination mit einer hohen Ressourcenausstattung chinesischer Akteure aktuell eine sowohl steigende als auch schwieriger sichtund messbare Bedrohungslage. Die angesprochene Weiterentwicklung zeigt sich am Beispiel der APT 10 mutmaßlich chinesischen Gruppierung APT 10 (auch Stone Panda, Potassium oder MenuPass genannt) besonders deutlich. Sie gilt, gemessen an ihren sichtbaren Aktivitäten, als derzeit aktivste Gruppe und fokussiert momentan Ziele in Japan und den USA, hier vor allem im Bereich der Telekommunikation. Bei APT 10 scheint sich die bereits 2017 beobachtete Diversifizierung der eingesetzten Angriffswerkzeuge fortzusetzen, was für eine hohe personelle und monetäre Ressourcenausstattung und damit für einen staatlichen Hintergrund spricht. Angriffe erfolgen oft in drei Stufen: Den schwer detektierbaren Erstangriffen folgt die taktische Aufklärung auf infizierten Systemen. Das Nachladen dauerhaft einsetzbarer Schadsoftware kann dann zu beliebigen Zeitpunkten erfolgen, teils Monate nach der Erstinfektion. Methodik und Software werden individuell auf das Zielspektrum angepasst oder gänzlich neu entwickelt. Als besonders effektiver und anspruchsvoller Angriffsvektor gelSupply-Chainten dabei sogenannte Supply-Chainoder Managed-Service-ProAngriffe vider-Angriffe. Dabei wird nicht der - meist gut gesicherte - Zielrechner selbst angegriffen, sondern ein Umweg über im Zielsystem installierte Drittsoftware sowie Schnittstellen von Serviceanbietern (z.B. zur Fernwartung) gesucht. Auf diese Weise kann über die Infektion vermeintlich vertrauenswürdiger Programme und Kommunikationskanäle Schadsoftware in gezielt ausgesuchte Opfersysteme geschleust und zu einem späteren Zeitpunkt Spionagesoftware nachgeladen werden. Die bekannteste Attacke dieser Art erfolgte im August 2017, als mithilfe der Kompromittierung einer Version des beliebten Systemoptimierungsbeziehungsweise Reinigungsprogrammes CCleaner Nutzer großer Telekommunikationsprovider, vorwiegend in Japan und Russland, angegriffen wurden. Im Jahr 2018 setzte sich der Trend zur Verwendung dieser Angriffsform fort und es konnten insbesondere mehrere Angriffe auf Telekommunikationsunternehmen - mit dem Ziel der 301 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Kompromittierung der Kunden - in Japan und den USA beobachtet werden. Strategisch Chinesische Cyberangriffe erfolgen größtenteils im Kontext der motivierte politischen und wirtschaftlichen Weltmachtambitionen und des Cyberspionage geltenden "Made in China 2025"-Plans. Ziele sind hauptsächlich Unternehmen aus dem Bereich der Hochtechnologie (z.B. Rüstung, Avionik, Schiffbau, Energie, Medizin, Informationstechnologie). Damit steht Deutschland als eine der führenden Wirtschaftsund Technologienationen weiterhin im Zielspektrum chinesischer Cyberspionageaktivitäten. 4. Gefährdungspotenzial Die aktuelle weltpolitische Situation und die damit im Zusammenhang stehenden politischen wie wirtschaftlichen Ambitionen Chinas lassen eine weitere Intensivierung der Spionageaktivitäten wie auch der Einflussnahmeversuche erwarten. Nach wie vor setzt das Regime auf eine umfassende Kontrolle der eigenen Bevölkerung durch die Partei. Mit neuen, strikteren Sicherheitsgesetzen stärkt der chinesische Staatspräsident die Macht des Sicherheitsapparats und dessen Einfluss auf die Wirtschaft und alle gesellschaftlichen Bereiche. Hatten sich die chinesischen Nachrichtendienste in Deutschland zuvor auf die Bekämpfung der Exilopposition konzentriert, sind in den letzten Jahren vor allem in der klassischen Spionage (Politik und Militär, Wirtschaft und Technologie) wesentliche Akzentverschiebungen deutlich geworden: Während in der Vergangenheit vorrangig chinesischstämmige Personen als Agenten rekrutiert worden waren, versuchen die Dienste mittlerweile verstärkt, Personen aus westlichen Ländern in ihrer Heimat, vor Ort in China oder über soziale Netzwerke als Informanten oder Agenten zu werben. 302 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN V. Nachrichtendienste der Islamischen Republik Iran Die Ausspähung und Bekämpfung oppositioneller Bewegungen im Inund Ausland stellt nach wie vor den Schwerpunkt der Arbeit der iranischen Nachrichtendienste dar. Darüber hinaus beschaffen die Dienste im westlichen Ausland Informationen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Der Iran versteht sich als Regionalmacht mit einem Gestaltungswillen über die eigenen Grenzen hinaus - einschließlich einer ausgeprägten antiwestlichen sowie antiisraelischen Stoßrichtung. Damit einhergehend ist das iranische Regime an Informationen über die künftige Politik des Westens interessiert - beispielsweise über die deutsche Außenund Sicherheitspolitik. Der Staat Israel, seine Repräsentanten und exponierte Unterstützer, zählen zu den erklärten Feinden des Iran. Hierzu können auch führende Vertreter jüdischer Organisationen in der Diaspora gehören. An dieser Haltung hat auch die zwischen dem Iran und dem Westen getroffene Vereinbarung zur Beilegung des Nuklearkonflikts nichts geändert. Ausspähungsaktivitäten gegen (pro-) israelische sowie (pro-)jüdische Ziele in Deutschland gehören daher weiterhin zum Aufgabenfeld nachrichtendienstlich agierender Einrichtungen des Iran. Hauptakteur der gegen Deutschland gerichteten Aktivitäten ist Zielbereiche weiterhin das Ministry of Intelligence (VAJA96, zumeist MOIS abdes MOIS gekürzt). In seinem Fokus stehen insbesondere die in Deutschland aktiven iranischen Oppositionsgruppen. Daneben belegen nachrichtendienstliche Aktivitäten im Inund Ausland ein anhaltendes Aufklärungsinteresse des MOIS in den Bereichen Außenund Sicherheitspolitik. Das MOIS beschafft Informationen durch nachrichtendienstliche Methodik Operationen, die unter Einbeziehung der Legalresidenturen vor Ort oder zentral in Teheran (Iran) und dort insbesondere durch das Hauptquartier des MOIS gesteuert werden. Zur Anbahnung im Heimatland nutzt der Dienst insbesondere beruflich oder familiär bedingte Reisen seiner Zielpersonen in den Iran. Dort können sie 96 In Farsi: Vezarat-e Ettela'at-e Jomhouri-ye Eslami-ye Iran - VAJA. 303 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN sich dem Zugriff des MOIS kaum entziehen, was eine ideale Voraussetzung für nachrichtendienstliche Ansprachen darstellt. In Deutschland hat die Legalresidentur des MOIS an der Iranischen Botschaft in Berlin eine wichtige Funktion bei der nachrichtendienstlichen Ausspähung. Zu ihren Aufgaben zählt neben der Durchführung eigenständiger nachrichtendienstlicher Operationen auch die Unterstützung von zentral gesteuerten Aktivitäten der MOIS-Zentrale. Diese richten sich hauptsächlich gegen Ziele in Deutschland, vereinzelt aber auch gegen Personen oder Einrichtungen im europäischen Ausland. Quds Force Neben dem MOIS ist die auch geheimdienstlich agierende Quds Force der Iranischen Revolutionsgarden97 in Deutschland aktiv. Ihre umfangreichen Ausspähungsaktivitäten richten sich insbesondere gegen (pro-)israelische beziehungsweise (pro-)jüdische Ziele. Auch wenn eine konkrete Gefährdung von Leib und Leben von Personen oder Objekten sich bislang nicht feststellen ließ, ist anzunehmen, dass diese Ausspähungen zum Zwecke der Vorbereitung von späteren Anschlägen auf die ausgespähten Zielpersonen bzw. Einrichtungen erfolgen. Verurteilung durch Am 1. März 2018 verurteilte das Landgericht (LG) Frankfurt am das LG Frankfurt Main einen iranischen Staatsangehörigen wegen gewerbsmäßiger am Main Geldfälschung sowie mehrerer Verstöße gegen Iran-Sanktionen der Europäischen Union zu sieben Jahren Haft. Der Iraner habe versucht, für die Quds Force Spezialdruckmaschinen zur Herstellung von Geldmitteln zu beschaffen. Hiermit wäre der Iran in die Lage versetzt worden, fremde Währungen in großem Umfang zu produzieren. Zur Umsetzung des Projekts wurden mehrere Tarnfirmen im Iran gegründet und der tatsächliche Einsatz der Druckmaschinen gegenüber dem deutschen Verkäufer verschleiert. Ferner hatte der Verurteilte über seine in Deutschland ansässige Firma bereits Rohstoffe zur Fertigung von Banknoten (Farben und Spezialpapier) aus Europa in den Iran geliefert. 97 In Farsi: Sepah Pasdaran. 304 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Im Verlauf des Verfahrens wurde auch eine vollendete Geldfälschung jemenitischer Zahlungsmittel durch den Iraner aufgedeckt. Hierbei soll es sich um circa 50 Millionen gefälschter jemenitischer Banknoten handeln, welche von der Firma des Beschuldigten produziert wurden. Am 16. Januar 2018 führte das Bundeskriminalamt (BKA) mit UnErmittlungsterstützung der jeweiligen Länderpolizeien in sieben Bundeslänverfahren des GBA dern Exekutivmaßnahmen gegen zehn mutmaßliche Agenten der Quds Force durch. Grundlage dieser Maßnahmen sind mehrere Ermittlungsverfahren, die der Generalbundesanwalt (GBA) im September/Oktober 2017 gegen die Personen wegen des Verdachts einer geheimdienstlichen Agententätigkeit eingeleitet hatte. Die Beschuldigten stehen im Verdacht, in Deutschland im Auftrag der Quds Force (pro-)israelische beziehungsweise (pro-)jüdische Ziele ausgeforscht zu haben. Den Ermittlungsverfahren waren nachrichtendienstliche Aufklärungsmaßnahmen des BfV vorausgegangen, deren Ergebnisse den Ausgangspunkt für das Verfahren des GBA bildeten. Die Ermittlungen dauern an. Am 1. Juli 2018 wurde ein an der Iranischen Botschaft in Wien akkreditierter Diplomat aufgrund eines europäischen Haftbefehls der belgischen Strafverfolgungsbehörden in Deutschland festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, als hauptamtlicher Mitarbeiter des MOIS Drahtzieher eines geplanten Sprengstoffanschlags auf das Jahrestreffen der "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK) in Villepinte bei Paris (Frankreich) am 30. Juni 2018 zu sein. In diesem Zusammenhang habe der iranische Diplomat ein belgisches Ehepaar iranischer Abstammung als Agenten geführt und mit der Tatausführung beauftragt. Anfang Oktober 2018 wurde der Beschuldigte nach Belgien ausgeliefert. Das in Deutschland durch den GBA gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren wird fortgeführt. Die Ermittlungen in Deutschland und Belgien dauern an. Seit 2014 beobachtet das BfV Cyberangriffe mutmaßlich iranischer Cyberangriffe Urheberschaft, so auch im Jahr 2018. Das Erkenntnisaufkommen sowie öffentlich verfügbare Informationen über iranische Cyberkampagnen offenbaren globale Aufklärungsinteressen. Angegriffen werden vor allem Ziele in Verwaltung und Regierung, Wissenschaft und Forschung, Dissidenten und Oppositionelle, 305 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Menschenrechtsorganisationen sowie die Wirtschaft mit den Schwerpunkten Luftund Raumfahrt, Rüstung und Petrochemie. Hauptangriffsziele sind die traditionellen politischen Gegenspieler des Iran (Israel, Golf-Staaten und USA). In den letzten Jahren deuten vielfältige Hinweise jedoch ebenso auf Cyberangriffe gegen deutsche Forschungsinstitutionen und Wirtschaftsunternehmen hin. Angriffsziele Iranische Cyberakteure offenbarten im Jahr 2018 ein gesteigertes Universitäten und Interesse an deutschen Universitäten und Forschungsinstitutionen. ForschungsDie Cyberangriffe wurden durch die iranische Legendenfirma institutionen "Mabna Institute" durchgeführt, deren Aktivitäten die US-amerikanische Regierung im März 2018 öffentlich machte. Dieser zufolge hatte das "Mabna Institute" weltweit mehr als 300 Universitäten und Forschungseinrichtungen angegriffen. Nach Erkenntnissen des BfV befanden sich darunter auch diverse deutsche Hochschulen. Laut US-Regierung erbeutete das "Mabna Institute" im Auftrag der Revolutionsgarden bei diesen Angriffen Daten und Computerzugangsinformationen. Modus Operandi Iranische Cyberakteure versuchen, einen dauerhaften Zugang zu schützenswerten Informationen zu erhalten. Für die Cyberattacken werden häufig öffentlich verfügbare Tools und gelegentlich auch eigene Malware verwendet. Besonders charakteristisch ist das durchweg hochwertige Social Engineering. Ferner kommt auch Webhacking (z.B. Durchführung von SQL-Injections98) zur Anwendung. Es ist wahrscheinlich, dass die iranischen Cyberaktivitäten in Zukunft weiter fortgesetzt und vor dem Hintergrund der erneuten Konfrontation mit den USA noch zunehmen werden. GefährdungsDie iranischen Nachrichtendienste sind ein zentrales Instrument potenzial der politischen Führung zur Sicherung ihres Herrschaftsanspruchs. Demzufolge wird die iranische Opposition weiter im Blickpunkt des MOIS stehen. 98 Das Ausnutzen einer Sicherheitslücke im Zusammenhang mit Datenbanken, die auf der Datenbanksprache "Structured Query Language" (SQL) beruhen. Durch die Einschleusung eigener Datenbankbefehle beabsichtigt der Angreifer, Daten auszuspähen. 306 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Die Gefährdungslage für iranische Oppositionelle in Deutschland hat sich verschärft. Neben der ohnehin existenten nachrichtendienstlichen Ausspähung in Deutschland sind mehrere Sachverhalte bekannt geworden, denen zufolge das MOIS auch Anschläge auf Oppositionelle in Europa geplant hat (so unter anderem den oben genannten geplanten Sprengstoffanschlag auf das Jahrestreffen der MEK in Frankreich im Juni 2018). General Yahya Rahim Safavi, der militärische Berater des iranischen Revolutionsführers Ayatollah Ali Khamenei, erklärte, die Islamische Republik habe die Autorität, jede Gruppe zu vernichten, die vorhabe, das Land in die Luft zu sprengen, nicht nur an der Grenze, sondern auch jenseits der Grenzen. Als Konsequenz wäre von einer Eskalation der Lage und nachhaltigen Schädigung der deutsch-iranischen Beziehungen auszugehen. VI. Nachrichtendienst der Republik Türkei Der türkische Inund Auslandsnachrichtendienst Milli Istihbarat MIT Teskilati (MIT) ist ein zentrales Element der türkischen Sicherheitsarchitektur. Er dient der türkischen Regierung unter Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und dessen Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) zur Durchsetzung der Regierungspolitik, der Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit und nicht zuletzt der Informationsbeschaffung, die politische Entscheidungen vorbereitet. Seit August 2017 ist der Dienst dem Staatspräsidenten direkt unterstellt. Der MIT verfügt über 8.000 bis 9.000 hauptamtliche Mitarbeiter und wird seit 2010 von Direktor Hakan Fidan geleitet. Er ist mit umfangreichen Befugnissen ausgestattet, welche durch eine Gesetzesänderung im Jahr 2014 sowie zwei Präsidialdekrete im Jahr 2017 nochmals erheblich erweitert wurden. Im Fokus des MIT sind vor allem solche Organisationen, die die Zielbereiche Türkei als extremistisch oder terroristisch einstuft. Darüber hinaus besteht ein erhebliches Aufklärungsinteresse an Vereinigungen und Einzelpersonen, die in tatsächlicher oder mutmaßlicher Opposition zur gegenwärtigen türkischen Regierung stehen. 307 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN In den vergangenen Jahren standen verstärkt die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), die "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) und die "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) im Blickpunkt. Gegenwärtig vorrangig für den MIT ist die Aufklärung der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, die seitens türkischer staatlicher Stellen für den gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 verantwortlich gemacht wird. Das hohe Interesse des MIT an der Rückholung dieses Personenkreises in die Türkei zeigten die zumeist in Kooperation mit den zuständigen staatlichen Stellen des jeweiligen Gastlandes durchgeführten Rückführungen. In einzelnen Fällen dürfte es sich jedoch auch um eigenmächtige Aktionen des MIT ohne Wissen des Gastlandes handeln, also um regelrechte Entführungen vermeintlicher Gülen-Angehöriger aus dem Ausland in die Türkei. Für ein besonderes Medienecho sorgte insbesondere eine Operation des MIT in Kooperation mit kosovarischen Sicherheitsbehörden, bei der im März 2018 sechs mutmaßliche Angehörige der Gülen-Bewegung aus dem Kosovo in die Türkei rückgeführt worden waren. In den Medien zitierten Angaben des türkischen Innenministers zufolge sollen weltweit über 100 mutmaßliche Gülen-Anhänger aus rund 20 Ländern auf diese Weise in die Türkei verbracht worden sein. Darüber hinaus zielen die Aktivitäten des MIT auch auf die Bereiche Politik, Wirtschaft, Militär sowie Wissenschaft und Hochtechnologie. Methodik Der Dienst gewinnt seine Informationen sowohl aus offenen und allgemein zugänglichen Quellen als auch durch den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel auf verdeckte Weise. Die Spionageaktivitäten gehen meist von den Legalresidenturen in den unterschiedlichen offiziellen Repräsentanzen der Türkei in Deutschland aus. Aufgrund der großen türkeistämmigen Gemeinde und der Vielzahl türkischer Organisationen und Institutionen sowie der großen Zahl diplomatischer Vertretungen besteht für den MIT eine günstige Beschaffungslage in Deutschland. In der Türkei richtet sich der Blick des MIT auch auf Angehörige deutscher diplomatischer Vertretungen. Besonders heikel ist die Situation für Türkeireisende, die neben der deutschen auch die 308 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN türkische Staatsbürgerschaft besitzen, wie zahlreiche Haftfälle und Einreisesperren in der jüngeren Vergangenheit belegen. Flankiert werden die Aktivitäten des MIT durch EinflussnahmeStaatliche versuche auf türkeistämmige Gemeinschaften in Deutschland und Einflussnahme den politischen Willensbildungsund Entscheidungsfindungsprozess in der deutschen Gesellschaft insgesamt. Regierungsnahe Organisationen mit unterschiedlich starker struktureller Anbindung an Ankara werben in Deutschland und anderen europäischen Staaten für die gegenwärtige türkische Politik und nehmen sie gegenüber Kritik in Schutz. Diese Bemühungen entsprechen den gegenwärtigen außenpolitischen Leitlinien der Türkei und waren insbesondere im Rahmen von Kundgebungen und Presseveröffentlichungen vor dem Hintergrund der ab Anfang 2018 im nordsyrischen Raum erfolgten türkischen Militäroffensive "Operation Olivenzweig" zu beobachten: Die Veranstaltungen und Veröffentlichungen dienten dem Zweck, die offiziellen Verlautbarungen der türkischen Regierung dahingehend zu wiederholen, dass insbesondere auf die Legitimität und Rechtmäßigkeit des Militäreinsatzes hingewiesen wurde. Ein wesentlicher Teil dieser Einflussnahmestrategie ist es, die Öffentlichkeit in unverfänglicher Weise auf vermeintliche und tatsächliche Fälle von Rassismus, Islamophobie und Türkei-Feindlichkeit oder auch überspitzt auf anscheinende Fehlentwicklungen in Deutschland sowie Europa hinzuweisen, um auf diesem Weg kritischen Tönen gegenüber der politischen Entwicklung in der Türkei zu begegnen. Die beiden größten türkisch dominierten, staatsbeziehungsweise regierungsnahen Interessenverbände in Deutschland sind die "Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion e.V." (DITIB) und die "Union Europäisch-Türkischer Demokraten e.V." (UETD), die sich auf ihrer 6. ordentlichen Generalversammlung am 20. Mai 2018 in Sarajevo (Bosnien-Herzegowina) in "Union of International Democrats" (UID) umbenannt hat. Die strategische Umbenennung von UETD in UID wurde durch den Vereinsvorstand in einer Pressemitteilung damit erklärt, dass "angesichts der Herausforderungen der Türkischstämmigen in aller Welt" die Notwendigkeit bestehe, die Aktivitäten der UID auf die ganze Welt auszudehnen, 309 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN um damit als "Brücke zwischen der Türkei und Auslandstürken in aller Welt" wirken zu können. DITIB und UID sind Dachorganisationen, die eine Vielzahl von örtlichen und regionalen (Zweig-)Vereinen mit Mitgliedsstatus umfassen. Sie geben sich gegenüber der Öffentlichkeit betont gemäßigt und sind bemüht, den eigenständigen und unabhängigen Charakter ihrer Organisationen hervorzuheben und die Verbindungen und Abhängigkeitsverhältnisse zur Türkei herunterzuspielen. Im Vergleich zu den zahlreichen öffentlichen Aktionen der UID im Kontext der türkischen Intervention in Syrien verhielt sich die Lobbyorganisation der AKP nach Bekanntwerden des Vorziehens der türkischen Parlamentsund Präsidentschaftswahlen eher zurückhaltend. In einer Pressemitteilung kritisierte die UID - vor dem Hintergrund des Auftrittsverbots zu Wahlkampfzwecken für ausländische Politiker in Deutschland in den letzten drei Monaten vor den Wahlen -, dass dieses Verbot offensichtlich nur für Mitglieder der AKP und nicht für Politiker der türkischen Oppositionsparteien gelte. Bereits in der Vergangenheit hatte die UID in Pressemitteilungen - beispielsweise zur Bundestagswahl im September 2017 und zur Entscheidung des US-amerikanischen Präsidenten, die amerikanische Botschaft nach Jerusalem zu verlegen - die offizielle AKP-Linie und damit die Sichtweise Erdogans in Deutschland vertreten. Dieses Vorgehen einer aktiven Einflussnahme erklärt sich unter anderem durch die Bedeutung der in Deutschland befindlichen türkischen Gemeinden für die politischen Strukturen und Prozesse in der Türkei. Zum Zeitpunkt der Präsidentschaftsund Parlamentswahlen 2018 lebten circa 1,4 Millionen Wahlberechtigte türkischer Staatsangehörigkeit in Deutschland, was in etwa zwei Prozent der Gesamtwählerschaft entspricht. Auslandstürken dürfen seit einer Wahlgesetzänderung 2008 an Wahlen und Referenden in der Türkei teilnehmen. 2018 nahmen über 600.000 in Deutschland lebende türkische Bürger (47,5 % der Berechtigten) an den Wahlen zum Präsidentenamt und dem Parlament teil. GefährdungsDeutschland bleibt für den MIT weiterhin eines der vorrangigen potenzial Ausforschungsziele außerhalb der Türkei. Unabhängig von der gegenwärtigen politischen Entwicklung hin zu einem Präsidialsystem 310 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN und der wirtschaftlich schwierigen Lage des Landes wird die Intensität türkischer nachrichtendienstlicher Aktivitäten auf dem festgestellten konstant hohen Niveau bleiben. Die im Rahmen einer "Soft-Power-Politik" betriebene Einflussnahme auf die türkeistämmige Gemeinschaft in Deutschland wird ebenso fortgesetzt werden. VII. Nachrichtendienste sonstiger Staaten Die Aufklärungsund Abwehraktivitäten der deutschen Spionageabwehr richten sich gegen alle illegalen nachrichtendienstlichen Aktivitäten ohne Festlegung auf einzelne oder einen Kreis ausgewählter Staaten. Seit dem Jahr 2014 hat das BfV die Ressourcen der Spionageabwehr im Bereich der sonstigen Staaten kontinuierlich verstärkt und neue Methoden zur Gewährleistung eines Rundumblicks entwickelt. Im Rahmen dieser "360deg-Bearbeitung" können beim Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für nachrichtendienstliche Aktivitäten in Deutschland praktisch alle ausländischen Nachrichtendienste in den Fokus des BfV geraten; im Einzelfall also auch solche, mit denen das BfV in anderen Zusammenhängen vertrauensvoll und partnerschaftlich zusammenarbeitet. Denn es ist auch in solchen Fällen nicht zu tolerieren, dass ausländische Nachrichtendienste durch Überwachung von Telekommunikation oder mittels menschlicher Quellen in beziehungsweise gegen Deutschland Spionage betreiben. 2018 gelang es dem syrischen Präsidenten Bashar al-Assad, seine Syrische Machtposition zu festigen und weite Teile Syriens wieder unter Nachrichtendienste Kontrolle des syrischen Regimes zu bringen. Damit einher ging auch die weitere Konsolidierung der nachrichtendienstlichen Strukturen. Der Aufgabenschwerpunkt syrischer Nachrichtendienste im Ausland ist die Ausforschung der Gegner des syrischen Regimes, zu denen sowohl islamistische und islamistisch-terroristische Gruppierungen als auch Menschenrechtsaktivisten und die breit gefächerte säkulare und kurdische Opposition zählen. Deutschland steht als Hauptaufnahmeland syrischer Flüchtlinge in Europa weiterhin im Fokus der syrischen Nachrichtendienste. 311 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Die syrischen Dienste scheinen den Zustrom syrischer Flüchtlinge nach Deutschland ab 2015 genutzt zu haben, um hier neue Strukturen und Agentennetze zu etablieren. Im Vergleich zu den Vorjahren ist 2018 die Zahl der Hinweise auf entsprechende Aufklärungsbemühungen im Umfeld Geflüchteter und darüber hinaus erneut gestiegen. Im Oktober 2018 bot das syrische Regime Deserteuren und Militärdienstverweigerern eine Amnestie an. Solche ins Ausland geflohenen Personen hätten sechs Monate Zeit, nach Syrien zu reisen und sich den Behörden zu stellen. Auch andere geflüchtete Syrer sollten in die nunmehr als befriedet geltenden Teile Syriens zurückkehren. Rückkehrwillige, die im Fokus der dortigen Nachrichtendienste stehen, könnten jedoch Gefahr laufen, dass die Dienste sie für ihre Zwecke ausnutzen. Vietnamesische Am 23. Juli 2017 wurde ein ehemals hochrangiger vietnamesischer NachrichtenPolitfunktionär zusammen mit seiner Begleitperson auf offener dienste Straße in Berlin entführt und gewaltsam nach Vietnam verbracht. Die anschließenden Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden führten am 12. August 2017 zur Festnahme eines Tatverdächtigen sowie zur Ausstellung weiterer Haftbefehle. Außerdem erhärteten sie den bereits kurz nach der Tat aufgekommenen Verdacht, dass die vietnamesische Botschaft in Berlin sowie andere staatliche, offenkundig nachrichtendienstliche Stellen Vietnams in die Tatvorbereitung und -durchführung eingebunden waren. Am 25. Juli 2018 hat das Kammergericht Berlin einen der Tatverdächtigen wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit und Beihilfe zur Freiheitsberaubung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. VIII. Proliferation Die Weiterverbreitung atomarer, biologischer oder chemischer Massenvernichtungswaffen (ABC-Waffen) beziehungsweise der zu ihrer Herstellung verwendeten Produkte sowie entsprechender Waffenträgersysteme wie Raketen und Drohnen einschließlich des dafür erforderlichen Know-hows wird als Proliferation bezeichnet. 312 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Die Herstellung von Massenvernichtungswaffen und deren Verbreitung stellen eine ernsthafte Bedrohung des Friedens und der internationalen Sicherheit dar. Sie können ferner zu einer erheblichen Destabilisierung ganzer Regionen beitragen. Es ist zu befürchten, dass proliferationsrelevante Staaten99 Massenvernichtungswaffen im Fall eines bewaffneten Konflikts einsetzen oder dies zur Durchsetzung politischer Ziele androhen. Dies birgt auch die Gefahr eines militärischen Wettrüstens in den betroffenen Regionen. Trotz eines teilweise erheblichen technologischen Fortschritts bleiben die proliferationsrelevanten Staaten bei der Forschung und Herstellung solcher Waffen und Trägersysteme auf den Weltmarkt angewiesen. Unter anderem versuchen sie, notwendige Produkte unter Umgehung von Genehmigungspflichten und Ausfuhrverboten auch in Deutschland zu beschaffen. Die direkte Beschaffung solcher Güter bildet inzwischen eher die Ausnahme. Die bestehenden strengen deutschen und europäischen Exportkontrollbestimmungen zur Verhinderung entsprechender Käufe haben zu einer Veränderung des Einkaufsund Beschaffungsverhaltens proliferationsrelevanter Staaten geführt. Zur Umgehung eines Ausfuhrverbots durch die Genehmigungsbehörden beschaffen sie die Produkte über Drittländer (sog. Umgehungsausfuhren), schalten Tarnfirmen ein oder machen bei "Dual Use"-Produkten - dies sind Güter, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden können und daher ebenfalls Exportkontrollen unterliegen - falsche Angaben über deren Verwendungszweck. Auch die direkte Finanzierung derartiger Geschäfte und Produkte aus den relevanten Staaten ist eher die Ausnahme. Diese läuft vielmehr über Firmenund Bankennetzwerke, um auch hier den Ursprung von Käufern zu verschleiern. Die Aufdeckung derartiger Netzwerke, einschließlich des eigentlichen Empfängers, ist daher ein wichtiger Baustein bei der Aufklärung und Verhinderung von Proliferation. Für Studenten und Wissenschaftler proliferationsrelevanter Länder kommen deutsche Universitäten, Fachhochschulen, wissenschaftliche Institute und Forschungsgesellschaften sowie 99 Hierbei handelt es sich um Länder, von denen zu befürchten ist, dass von dort aus ABC-Waffen in einem bewaffneten Konflikt eingesetzt werden oder ihr Einsatz zur Durchsetzung politischer Ziele angedroht wird. 313 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Forschungsabteilungen in der Industrie als mögliche Quellen zur Beschaffung von Wissen in Betracht. Islamische Pakistan hat den Kernwaffen-Nichtverbreitungsvertrag nicht unRepublik terzeichnet und verfügt neben einem zivilen auch über ein umPakistan fangreiches militärisches Nuklearund Trägertechnologieprogramm, welches hauptsächlich gegen den "Erzfeind" Indien gerichtet ist. Das Land baut sein Kernwaffenpotenzial stetig aus - zum einen durch die Entwicklung und Stationierung neuer nuklearfähiger Raketen, zum anderen durch die Produktionssteigerung spaltbarer Materialien. Es soll aktuell über etwa 140 bis 150 nukleare Gefechtsköpfe verfügen. Pakistan verfolgt das Ziel, möglichen äußeren Bedrohungen mit Kernwaffen begegnen zu können. Dazu werden aus pakistanischer Sicht sowohl strategische nukleare Waffen mit größerer Reichweite als auch taktische Kernwaffen zum Einsatz auf dem Gefechtsfeld benötigt. Die Entwicklung betrifft die Kernwaffen aller Teilstreitkräfte. Das Vorhandensein taktischer Kernwaffen senkt die nukleare Einsatzschwelle. Ein Einsatz dieser Waffen gilt bei einem großangelegten gegnerischen konventionellen Angriff auf eigenem Territorium als wahrscheinlich. In Deutschland und in zahlreichen anderen westlichen Ländern war 2018 eine hohe Zahl pakistanischer Beschaffungsversuche festzustellen. Im Fokus stehen vor allem Güter mit einer Verwendungsmöglichkeit im Bereich der Nukleartechnik. Entsprechend intensive Bemühungen sind auch zukünftig zu erwarten, insbesondere der Einsatz verdeckter pakistanischer Beschaffungsstrukturen. Islamische Nach den Berichten der Internationalen Atomenergie-OrganisaRepublik Iran tion (IAEO) hält sich der Iran an die im Juli 2015 im Joint Comprehensive Plan of Action (JCPoA) vereinbarten Beschränkungen seines Nuklearprogramms. Im Gegenzug wurden im Januar 2016 mit dem "Implementation Day" die Sanktionen gegen den Iran spürbar gelockert. Diese Lockerungen betreffen insbesondere Güter, deren Listung nicht unter dem Gesichtspunkt der Proliferationsbekämpfung, sondern zur wirtschaftlichen Schwächung des Iran erfolgte (z.B. im Bereich der Ölund Gasindustrie). Eine komplette Aufhebung der nuklearbezogenen Sanktionen soll erst am "Transition Day" (sofern sich der Iran an die Vereinbarung hält, spätestens am 18. Oktober 2023) erfolgen. 314 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Das BfV konnte 2018 - gegenüber dem Vorjahr - nur noch vereinzelte Anhaltspunkte für proliferationsrelevante Beschaffungsversuche des Iran für sein Nuklearprogramm feststellen. Solche Anhaltspunkte ergeben sich, wenn das methodische Vorgehen zur Beschaffung von Gütern, deren Einsatzmöglichkeit auch in einem Nuklearprogramm und/oder vorliegende Erkenntnisse zum Endempfänger beziehungsweise zur anfragenden Stelle auf einen potenziellen proliferationsrelevanten Beschaffungshintergrund hindeuten. Soweit eine Verifizierung dieser Anhaltspunkte möglich war, erbrachte diese keinen Beweis für einen Verstoß gegen den JCPoA. Das BfV beobachtet weiterhin, ob sich dieser Trend fortsetzt und der Iran die im Juli 2015 geschlossene Vereinbarung - trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Landes und des Ausstiegs der USA aus dem Atomabkommen - konsequent einhält. Im Bereich Trägertechnologie/Raketenprogramm, der nicht von den Regelungen des JCPoA umfasst wird, konnte im Jahr 2018 ein deutlicher Anstieg der Anhaltspunkte für proliferationsrelevante Beschaffungsversuche festgestellt werden. Ob es sich hierbei um einen generellen Trend handelt, wird vom BfV weiter beobachtet. Nordkorea verfügt über ein weit fortgeschrittenes KernwaffenDemokratische und Raketenprogramm, entwickelt aber auch B- und C-Waffen. Im Volksrepublik Korea Jahr 2017 verhängten die Vereinten Nationen sowie die Europä(Nordkorea) ische Union erneut weitgehende Sanktionen als Reaktion auf die zahlreichen Raketentests (zuletzt am 29. November 2017), die sich auch auf den Finanzund Energiesektor erstrecken. Das Jahr 2018 begann zunächst mit einer von Gesten der Diplomatie geprägten Politik seitens des Machthabers Kim Jong-un gegenüber der internationalen Gemeinschaft, insbesondere gegenüber Südkorea und den USA. Im April 2018 kündigte Nordkorea sodann den Stopp seiner Kernwaffenund Interkontinentalraketentests an. Besonders erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang das persönliche Treffen zwischen US-Präsident Trump und Kim Jong-un im Juni 2018. Die nicht konkretisierten Vereinbarungen beinhalteten auf nordkoreanischer Seite die politische Verpflichtung, auf eine nicht näher spezifizierte Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel hinarbeiten zu wollen sowie die gemeinsame Absichtserklärung der USA und Nordkoreas, Beziehungen aufbauen und ein stabiles Friedensregime etablieren zu wollen. Eine direkte proliferationsrelevante Güterbeschaffung durch Nordkorea ist in 315 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Deutschland zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht festzustellen, wenngleich von nordkoreanischer Seite vereinzelte Interessensbekundungen an "Dual Use"-Produkten zu beobachten waren. Die Aktivitäten konzentrieren sich weiterhin auf die Beschaffung von Devisen für das Regime. Da das Land der Entwicklung seines Atomwaffenprogramms absolute Priorität einräumt, ist die staatlich gesteuerte Volkswirtschaft in jeder Hinsicht mit dessen Finanzierung verbunden. Somit geht jegliche Devisenbeschaffung Nordkoreas mit einer mittelbaren Proliferationsfinanzierung einher. Legale Geschäfte kann Nordkorea wegen der internationalen und europäischen Sanktionen in Deutschland kaum noch durchführen. Ein Ausweichen auf Alternativen zur Devisenbeschaffung ist daher sehr wahrscheinlich. Arabische Syrien ist 2013 dem Chemiewaffen-Übereinkommen (CWÜ) beiRepublik Syrien getreten und als Vertragsstaat in die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) aufgenommen worden. Anschließend wurden große Mengen an C-Waffen und Kampfstoffen unter internationaler Aufsicht vernichtet. Es bestehen aber nach wie vor nicht aufgeklärte Lücken und Widersprüche bezüglich der syrischen Erstdeklaration seiner Chemiewaffenbestände. Trotzdem kam es auch 2018 erneut zum Einsatz von Giftgas gegen die syrische Bevölkerung. Die am Bürgerkrieg in Syrien beteiligten Parteien beschuldigen sich gegenseitig, die Angriffe durchgeführt zu haben, beziehungsweise stellen diese als Inszenierung der Gegenseite dar. Die Beschaffungsaktivitäten des als Hauptträger der syrischen Massenvernichtungswaffenprogramme geltenden Scientific Studies and Research Centers (SSRC) in Deutschland, die über Zwischenhändler abgewickelt werden, bewegen sich in den letzten Jahren auf einem gleichbleibend niedrigen Niveau. Gleichwohl deuten diese auf fortgesetzte Aktivitäten des SSRC hin. Die sich derzeit abzeichnende weitere Stabilisierung des syrischen Regimes und der damit einhergehende Wiederaufbau des Landes dürften sich auch auf die Forschung, Entwicklung und Produktion der militärischen Programme auswirken. Inwieweit sich dies auch auf Beschaffungsbemühungen bei deutschen Unternehmen 316 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN erstreckt, ist derzeit offen; die Versuche in den letzten Jahren lassen jedoch annehmen, dass das syrische Regime diese Bemühungen fortsetzen wird. IX. Wirtschaftsschutz Deutsche Unternehmen sind aufgrund ihrer Innovationsstärke und Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten facettenreichen Bedrohungen ausgesetzt. Fremde Staaten und ihre Nachrichtendienste versuchen auf vielfältige Weise, Informationen und Knowhow abzuschöpfen oder absichtlich wirtschaftliche Abläufe zu stören, um der eigenen Volkswirtschaft Vorteile zu verschaffen. Unternehmen sind aber auch Ziel von Extremisten und Terroristen. Der Schutz deutscher Unternehmen vor derartigen Gefährdungsszenarien ist eine gemeinsame Aufgabe von Staat und Wirtschaft. Das BfV engagiert sich deshalb in der vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) koordinierten "Initiative Wirtschaftsschutz", einer Kooperation von Sicherheitsbehörden und Wirtschaft. Zur Abwehr digitaler und nicht-digitaler Angriffe auf die Wirtschaft ist dieses Dachbündnis im kontinuierlichen Dialog mit Sicherheitsbehörden, Verbänden und ihren Mitgliedsunternehmen. Für Unternehmen sicherheitsrelevante Informationen aller Partner sind über das Dialogund Informationsportal der "Initiative Wirtschaftsschutz" auf der Internetseite www.wirtschaftsschutz. info abrufbar. So zum Beispiel auch das als Gemeinschaftsprojekt von BfV, AlliHandbuch anz für Sicherheit in der Wirtschaft e.V. (ASW Bundesverband) und WirtschaftsBundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hergrundschutz ausgegebene Handbuch Wirtschaftsgrundschutz. Schließlich hält das Portal ein umfangreiches Sensibilisierungsund Präventionsangebot bereit und benennt die Ansprechpartner der zuständigen Bundesund Landesbehörden. 317 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Kooperationen Unter dem Motto "Sicherheitsrisiken für die deutsche Wirtschaft und Öffentlichim europäischen Kontext" standen auf der 12. Sicherheitstagung keitsarbeit von BfV und ASW Bundesverband am 11. April 2018 gemeinsame europäische Anstrengungen zur Verbesserung der Sicherheit im europäischen Wirtschaftsraum im Mittelpunkt. Die Kooperation des BfV mit dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) wurde 2018 durch den fachlichen Austausch der Partner vertieft. "Stark im Verbund!" Der präventive Wirtschaftsschutz ist ein zentrales Anliegen des geWirtschaftsschutz in samten Verfassungsschutzverbundes. Daher wurden auch 2018 wieBund und Ländern der mehrere Veranstaltungen, beispielsweise während der internationalen Fachmesse "Security 2019" (25. bis 28.09.2018) in Essen, in verschiedenen Bundesländern gemeinsam geplant und organisiert. Durch die Zusammenarbeit von BfV und den jeweiligen Landesbehörden für Verfassungsschutz (LfV) ergänzen sich Erfahrungen und Kompetenzen. Gewonnene und für die Sicherheit der Wirtschaft relevante Informationen werden untereinander ausgetauscht und können somit flächendeckend zum Schutz von Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen zur Verfügung gestellt werden. X. Ermittlungsverfahren und Festnahmen Im Jahr 2018 leitete der Generalbundesanwalt insgesamt 19 neue Ermittlungsverfahren im Bereich der Spionage ein (2017: 35 Verfahren). Davon wurden 18 Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit (SS 99 StGB) und ein Ermittlungsverfahren wegen des Offenbarens von Staatsgeheimnissen (SS 95 StGB) geführt. Im Berichtszeitraum wurden drei Haftbefehle vollstreckt. Am 7. August 2018 wurde ein 33-jähriger deutscher Staatsangehöriger festgenommen. Die Anklage der Bundesanwaltschaft lautete auf geheimdienstliche Agententätigkeit für einen jordanischen Nachrichtendienst. Mindestens zwischen März 2016 und Mai 2018 soll er Informationen über einen Moscheeverein in Hildesheim (Niedersachsen) und über mehrere in Deutschland lebende Personen, vorwiegend deutsche Staatsangehörige, per Mobiltelefon an den jordanischen Nachrichtendienst geliefert haben. 318 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Das Oberlandesgericht Thüringen lehnte jedoch im November 2018 die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Es vertrat dabei die Rechtsauffassung, dass die Tätigkeit des Angeschuldigten nicht "gegen die Bundesrepublik Deutschland" gerichtet war, wie es der Tatbestand des SS 99 StGB verlangt. Da die ausgespähten Personen dem gewaltbereiten salafistischen Spektrum zuzurechnen seien, das eine Bedrohung für die innere Sicherheit Deutschlands darstelle, sei der "Spitzeltätigkeit des Angeschuldigten ein positiver Fördereffekt für die innere Sicherheit im Inland nicht abzusprechen, weshalb aus dieser Warte die Interessen der Bundesrepublik nicht verletzt, sondern gefördert wurden." Gegen diesen Beschluss hat der Generalbundesanwalt erfolgreich das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde eingelegt. Das Oberlandesgericht Thüringen wird daher nunmehr das Hauptverfahren eröffnen. Zur Begründung führte der dritte Strafsenat des Bundesgerichtshofes aus, dass die staatlichen Interessen der Bundesrepublik Deutschland schon alleine deshalb betroffen seien, weil sich die Ausspähung gegen deutsche Staatsbürger richtete, denen gegenüber der deutsche Staat besondere Schutzpflichten habe. XI. Methodische Vorgehensweisen ausländischer Nachrichtendienste Spionage gegen Deutschland wird sowohl mit technischen Mitteln als auch mit menschlichen Quellen durchgeführt, die offen oder konspirativ agieren. Im Zuge der Digitalisierung verschränken fremde Nachrichtendienste beide Methoden der Spionage miteinander. Sogenannte Legalresidenturen stellen eine Ausgangsbasis für SpioNutzung von nageaktivitäten ausländischer Nachrichtendienste dar. Dazu gehöLegalresidenturen ren insbesondere Botschaften und Generalkonsulate. Ein etwaiger Diplomatenstatus schützt die so getarnten Nachrichtendienstangehörigen vor Strafverfolgung. Nachrichtendienste gewinnen ihre Informationen aus offenen, allOffene und gemein zugänglichen Quellen (z.B. Fachmessen, Kongresse und verdeckte Tagungen), aber auch aus konspirativen, mit einer Legende aufgeInformationsbauten Verbindungen. Meist arglose Zielpersonen wählen fremde beschaffung 319 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Dienste dabei perspektivisch im Hinblick auf deren aktuelle und langfristige Zugangsmöglichkeiten aus. Mit geschickter Gesprächsführung gelingt es oftmals, sensible Informationen zu erlangen oder auch Hinweise auf weitere potenzielle Quellen zu gewinnen. Zielpersonen derartiger Ausspähungsbemühungen sind Behördenvertreter, Bundeswehrangehörige, Vertreter politischer Institutionen (z.B. Parteien und Stiftungen), Wissenschaftler sowie Mitarbeiter von Wirtschaftsunternehmen und Banken. Operationen Nachrichtendienstliche Operationen gegen deutsche Interessen aus den werden auch unmittelbar aus den jeweiligen Zentralen der Dienste Dienstzentralen in den Heimatländern initiiert und gesteuert. Außerdem nehmen ausländische Nachrichtendienste gezielt deutsche Bürger ins Visier, wenn diese sich für längere Zeit im jeweiligen Land aufhalten oder regelmäßig dorthin reisen (etwa Angehörige diplomatischer Vertretungen und Behördenvertreter, Firmenrepräsentanten, Studenten). Dabei nutzen die Dienste heimische Überwachungsund Kontrollmöglichkeiten. Reisende Nachrichtendienstoffiziere aus den Dienstzentralen sind im ZuFührungsoffiziere sammenhang mit Erkundungsund Treffreisen auch in anderen und Quellen Ländern operativ tätig. So werden deutsche Quellen von ihren Führungsoffizieren auch im Ausland getroffen ("Drittlandtreff"). Die Nachrichtendienstangehörigen nutzen dabei die Reisefreiheit innerhalb des Schengenraums. Andernfalls verlagern sie ihre Aktivitäten in Länder außerhalb Europas, in denen sie sich vor einer Entdeckung sicher fühlen. Soziale Netzwerke Nachrichtendienste nutzen für Anbahnungsoperationen mittlerweile auch soziale Netzwerke wie Facebook oder die Karriereplattform LinkedIn. Der Modus Operandi ist dabei fast immer gleich: Vermeintliche Wissenschaftler, Jobvermittler und Headhunter knüpfen Kontakte zu Personen, die über ein aussagekräftiges Personenprofil verfügen. Sie werden aufgefordert, aus ihrem Arbeitsbereich zu berichten oder in das jeweils agierende Land eingeladen. Dort erfolgt dann die nachrichtendienstliche Anbahnung. "Illegale" Der Einsatz von Nachrichtendienstangehörigen, die mit einer falschen Identität und langfristigen Perspektive im Ausland eingesetzt werden, erfordert einen besonders hohen Aufwand. Andererseits sind diese "Illegalen" wegen ihrer sorgfältigen Abdeckung entsprechend schwer zu enttarnen. 320 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Fremde staatliche - nicht zwingend nachrichtendienstliche - StelStaatliche len versuchen, politische Entscheidungsprozesse zu beeinflussen Einflussnahme und die Deutungshoheit über tagespolitische Ereignisse zu gewinnen. Propaganda und Desinformationen werden zum Beispiel über Auslandsmedien, Think Tanks sowie über soziale Netzwerke verbreitet. Die weiter voranschreitende Digitalisierung eröffnet der nachrichSpionage mit tendienstlichen Informationsbeschaffung neue Möglichkeiten. Intechnischen formationen, die früher nur durch Agenten zu erlangen waren, Mitteln sind heutzutage verhältnismäßig leicht und ohne größere Risiken auf technischem Weg zu beschaffen. Dazu gehört das Abhören inländischer Kommunikation und der internationalen Kommunikationsverbindungen über Server oder Internetknoten im Ausland. Fernmeldeaufklärungsmaßnahmen ausländischer NachrichtenFernmeldedienste in Deutschland in Bezug auf relevante Informationen der aufklärungsBundesregierung werden wegen ihrer günstigen Lage und Extermaßnahmen ritorialität besonders von den jeweiligen Botschaftsgebäuden im Zentrum Berlins aus durchgeführt. Insbesondere im Regierungsviertel muss daher bei allen über Funk geführten Kommunikationsverbindungen (z.B. Gespräche mit Mobiltelefonen, WLANund Bluetooth-Verbindungen) mit einer Überwachung gerechnet werden. Auch in WLAN-Netzen eingebundene mobile Endgeräte und die darauf gespeicherten Daten sind so unberechtigtem Zugriff ausgesetzt. Cyberangriffe mit und gegen IT-Infrastrukturen haben sich in den Cyberangriffe letzten Jahren als wichtige Methode ausländischer Nachrichtendienste etabliert. Sie umfassen das Ausspähen, Kopieren oder Verändern von Daten, die Übernahme einer fremden elektronischen Identität, den Missbrauch oder die Sabotage fremder IT-Infrastrukturen sowie die Übernahme computergesteuerter und netzgebundener Produktionsund Steuereinrichtungen. Solche Cyberangriffe können von außen über Computernetzwerke wie das Internet oder durch einen direkten, nicht netzgebundenen Zugriff auf einen Rechner erfolgen (z.B. über manipulierte Hardwarekomponenten wie USB-Sticks). Seit 2005 werden in Deutschland zielgerichtete nachrichtendienstStaat und liche Cyberangriffe auf breiter Basis gegen Bundesbehörden, PoliWirtschaft tik und Wirtschaftsunternehmen festgestellt. Von besonderem im Fokus 321 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Interesse für ausländische Nachrichtendienste sind dabei vor allem die Bereiche Außenund Sicherheitspolitik, Wirtschaft und Finanzen sowie Militär und Rüstung. Die Dauer einzelner Angriffsoperationen und die globale Ausrichtung bei der Auswahl von Themen und Opfern weisen deutlich auf ein strategisches Vorgehen hin. Komplexität und Da die Angreifer die eingesetzten Schadprogramme permanent Dunkelfeld weiterentwickeln, steigt die Effektivität derartiger Angriffe. So werden die Methoden zunehmend komplexer, zudem ist die Dunkelziffer nicht erkannter Cyberangriffe als hoch einzuschätzen. Insbesondere die Anonymität des Internets erschwert Identifizierung und Verfolgung der Täter. Oft ist aber aufgrund bestimmter Merkmale und Indizien eine Zuordnung des Angriffs zu einem bestimmten nachrichtendienstlichen Verursacher möglich. Ausländische Ein unerwünschter Informationsabfluss kann auch im Zuge eines Direktinvestitionen Unternehmensaufkaufs erfolgen. Deutschland ist ein gegenüber ausländischen Direktinvestitionen offenes Land. Immer wieder erfolgen solche jedoch im Bereich von Hochtechnologien und Kritischer Infrastrukturen (beispielsweise Transport, Energie, Sicherheitstechnik, Telekommunikation). Es ist nicht immer eindeutig, ob hinter Investitionen in diesen Bereichen lediglich ein rein wirtschaftliches Interesse steht. Beteiligungen an deutschen Unternehmen können zu ungewolltem Know-how-Abfluss führen sowie dazu dienen, sensible Informationen zu erlangen. Letztgenanntes kann etwa der Fall sein, wenn ein Unternehmen aufgrund von Geschäftsbeziehungen mit öffentlichen Stellen Zugang zu sicherheitsrelevanten Informationen hat. Hinter den ausländischen Direktinvestitionen können staatliche - nicht zwingend nachrichtendienstliche - Stellen stehen, die versuchen, wirtschaftliche und politische Machtverhältnisse zugunsten ihrer Länder zu beeinflussen. 322 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN XII. Strukturen und Aufgaben ausländischer Nachrichtendienste 1. Strukturen und Aufgaben russischer Nachrichtendienste SWR Ziviler Auslandsnachrichtendienst Slushba Wneschnej Raswedki Leitung: Sergey Naryshkin Mitarbeiterzahl: mindestens 15.000 Der SWR ist für Spionage in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie zuständig. Zu seinen Aufgaben zählen ferner die Ausforschung von Zielen und Arbeitsmethoden westlicher Nachrichtenund Sicherheitsdienste sowie die elektronische Fernmeldeaufklärung. Der Dienst wirkt zudem an der Bekämpfung von Proliferation und Terrorismus mit. GRU Militärischer AuslandsnachrichGlawnoje Raswedywatelnoje tendienst Uprawlenije Leitung: Vize-Admiral Igor Kostyukov Mitarbeiterzahl: ca. 37.000 (inkl. ca. 25.000 SpetsNaz100) Aufgabenschwerpunkt der GRU ist die Beschaffung von Informationen in den Bereichen Militär und Sicherheitspolitik. Zu den Zielobjekten zählen die Bundeswehr, die NATO und andere westliche Verteidigungsstrukturen sowie organisationsübergreifend militärisch nutzbare Technologien. 100 Militärische Spezialeinheit der GRU. 323 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN FSB Inlandsnachrichtendienst Federalnaja Slushba Besopasnosti Leitung: Armeegeneral Alexander Bortnikow Mitarbeiterzahl: ca. 350.000, davon mehr als 200.000 im Grenzschutzdienst Zu den Kernaufgaben des FSB gehören die Spionageabwehr, die Beobachtung oppositioneller Gruppierungen sowie die Bekämpfung von Extremismus, Terrorismus und Organisierter Kriminalität (OK). Zudem zählen der Schutz der russischen Industrie vor Wirtschaftsspionage und OK, der Schutz ausländischer Investoren vor Wirtschaftskriminalität sowie die Sicherung der Staatsgrenzen zu seinen Aufgaben. In Einzelfällen betreibt der FSB Gegenspionage auch im Ausland. 2. Strukturen und Aufgaben chinesischer Nachrichtendienste MSS Ziviler Inund AuslandsnachrichtenMinistry of State Security dienst Leitung: Minister Chen Wenqing Das MSS ist sowohl mit Abwehrals auch mit offensiven Spionageaktivitäten im Ausland betraut. In Fragen der nationalen Sicherheit nimmt das MSS eine zentrale Rolle unter den chinesischen Diensten ein. Es ist für die Bekämpfung von Gefahren für die öffentliche Ordnung zuständig und in diesem Bereich auch mit Polizeibefugnissen ausgestattet. In Deutschland bemüht es sich nachhaltig um Informationen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft und späht aktive oppositionelle chinesische Gruppierungen aus. 324 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN MID (vormals 2PLA101) Militärischer Inund AuslandsMilitary Intelligence Direcnachrichtendienst torate Leitung: Direktor Chen Guangjun Der Dienst MID ist dem Joint Staff Department Intelligence Bureau (JSD-IB) der Zentralen Militärkommission unterstellt und weltweit offensiv tätig. Er entsendet Militärattaches und unterhält Verbindungen zu ausländischen Streitkräften. Er ist für die Beschaffung von Informationen zuständig, die die äußere Sicherheit der Volksrepublik betreffen. Hierzu gehören unter anderem Struktur, Stärke und Ausrüstung fremder Streitkräfte. Spionageziele sind aber auch Politik, Wissenschaft und Technik anderer Staaten. Im Zuge der Militärreform ist das MID verpflichtet worden, sich auf militärisch-strategische Aufklärungsziele zu konzentrieren. NSD (vormals 3PLA) Technischer militärischer Network Systems Department Nachrichtendienst Leitung: Kommandeur Zheng Junjie Das NSD ist der Ende 2015 gegründeten Teilstreitkraft PLA Strategic Support Force (SSF) unterstellt. Es betreibt weltweite Fernmeldeaufklärung, technische Spionage und Cyberspionage. Darüber hinaus ist der Dienst für Telekommunikationsüberwachung, IT-Sicherheit und Cyberabwehr im Militärbereich zuständig. 101 People's Liberation Army ("Volksbefreiungsarmee"). 325 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN MPS Polizeiministerium Ministry of Public Security Leitung: Minister Zhao Kezhi Das MPS ist für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zuständig und kann hierzu auf die Ordnungsund Kriminalpolizei zurückgreifen. Ferner verfügt das MPS über nachrichtendienstliche Spezialeinheiten mit einem ähnlichen Aufgabenspektrum wie das MSS. Es sammelt auch im Ausland Informationen über Bevölkerungsgruppen, die aus Sicht der KPCh als staatsgefährdend eingestuft werden. Überdies kontrolliert und zensiert das MPS die Medien und den Internetverkehr. Büro 610 Institution der KPCh Leitung: Huang Ming Das Büro 610 untersteht dem Zentralkomitee der KPCh und ist im Inund Ausland aktiv. Hauptaufgabe ist die Beobachtung und Verfolgung der regimekritischen Meditationsbewegung Falun Gong. Obwohl der Dienst ein Parteiorgan ist, arbeiten ihm die Verwaltungs-, Justizund Polizeibehörden des Staates zu. 326 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN 3. Strukturen und Aufgaben iranischer Nachrichtendienste VAJA/MOIS Ziviler Inund AuslandsnachrichMinistry of Intelligence102 tendienst Leitung: Minister Mahmud Alawi Der Dienst VAJA (vormals VEVAK103, auch MOIS abgekürzt) wurde 1984 als Nachfolger verschiedener im Nachgang der sogenannten islamischen Revolution im Iran entstandener Nachrichtendienstorganisationen gegründet. VAJA/MOIS ist wegen seiner Größe und Bedeutung für den Machterhalt der Regierung eines der mächtigsten Ministerien. In seiner Funktion als Minister hat der Leiter des VAJA/MOIS einen Sitz im Kabinett. Kernaufgabe ist die Ausspähung und Bekämpfung oppositioneller Bewegungen im Inund Ausland. Darüber hinaus werden im westlichen Ausland Informationen aus den Bereichen Außenund Sicherheitspolitik, Wirtschaft und Wissenschaft beschafft. RGID Militärischer Inund AusRevolutionary Guards Intellilandsnachrichtendienst gence Department104 Der Nachrichtendienst der Iranischen Revolutionsgarden ist sowohl für Spionage im Ausland als auch für Abwehraufgaben im Inland zuständig. 102 In Farsi: Vezarat e Ettela'at-e Jomhouri-ye Eslami-ye Iran - VAJA. 103 In Farsi: Vezarat e Ettela'at Va Amniat e Keshsvar - VEVAK ("Ministerium für Information und Sicherheit"). 104 In Farsi: Sepah Pasdaran. 327 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Quds Force105 Militärische Spezialeinheit (auch: al-Quds-Einheit, Quds-Brigaden oder SepahQods) Leitung: Generalmajor Qassem Soleimani Die Spezialeinheit der Revolutionsgarden wurde Anfang der 1990er-Jahre gegründet. Sie ist auf extraterritoriale und verdeckte militärische Operationen (z.B. in Afghanistan, Irak, Libanon, Syrien) sowie auf nachrichtendienstliche Ausspähungen spezialisiert. 105 In Farsi: Niru-ye Quds (diese Bezeichnung der Einheit wird von dem arabischen Namen für Jerusalem "al-Quds" abgeleitet). 328 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN 4. Strukturen und Aufgaben des türkischen Nachrichtendienstes MIT Ziviler Inund AuslandsnachrichtenMilli Istihbarat Teskilati dienst Leitung: Direktor Hakan Fidan Mitarbeiterzahl: 8.000 bis 9.000 Der MIT wurde 1926 unter der Bezeichnung MillA(r) Emniyet Hizmeti Riyaseti gegründet. Der mit Exekutivbefugnissen ausgestattete Dienst ist wesentlicher Bestandteil der türkischen Sicherheitsarchitektur. Seine Befugnisse wurden im Rahmen einer Reform 2014 erheblich ausgeweitet. Im August 2017 erhielt er durch zwei neue Dekrete mit Gesetzeskraft weitere Kompetenzen. Es erfolgte auch eine Neuordnung des Unterstellungsverhältnisses: Der bisher dem türkischen Ministerpräsidenten unterstellte Dienst ist nun direkt dem Staatspräsidenten verantwortlich. Das Aufklärungsinteresse des MIT in Deutschland gilt grundsätzlich allen Organisationen und Einzelpersonen, die in tatsächlicher oder mutmaßlicher Opposition zur gegenwärtigen türkischen Regierung stehen. Die vorrangigen Ziele seiner nachrichtendienstlichen Tätigkeiten sind derzeit die Gülen-Bewegung, welcher die Verantwortung für den gescheiterten Putsch 2016 zugeschrieben wird, die "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), die "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP) sowie die "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C). Weitere Aufklärungsziele bilden wirtschaftliche, politische, militärische und technologische Themen innerhalb Deutschlands und dessen Rolle innerhalb der Europäischen Union und des westlichen Verteidigungsbündnisses. 329 330 Geheimund Sabotageschutz 331 Geheimund Sabotageschutz Zielsetzung Das Geheimschutzrecht schafft die personellen und materiellen Voraussetzungen dafür, dass Unbefugte keine Kenntnis von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen (sog. Verschlusssachen) erhalten. Mit dem Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes und den Schutz von Verschlusssachen (Sicherheitsüberprüfungsgesetz - SÜG) wird sichergestellt, dass Personen nur dann Kenntnis von Verschlusssachen (VS) erhalten, wenn sie zuverlässig und verfassungstreu sind (personeller Geheimschutz). Daneben trifft das SÜG grundlegende Aussagen zu technisch-organisatorischen Vorkehrungen zum Schutz von VS (materieller Geheimschutz). Zudem dürfen Personen, bei denen Sicherheitsrisiken vorliegen, nicht an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sein. Dies sicherzustellen, ist Ziel des vorbeugenden personellen Sabotageschutzes. Mitwirkungsaufgabe Nach SS 3 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 BVerfSchG in Verbindung mit SS 3 Abs. 2 SÜG hat das BfV die gesetzliche Aufgabe, auf Bundesebene an Sicherheitsüberprüfungen von Personen mitzuwirken. Dies bedeutet, dass das BfV die bei Sicherheitsüberprüfungen erforderlichen Maßnahmen im Auftrag sogenannter zuständiger Stellen durchführt. Zuständige Stellen sind Behörden oder sonstige öffentliche Stellen des Bundes oder politische Parteien nach Artikel 21 GG, für welche die zu überprüfenden Personen tätig werden sollen. Überprüfungen, die sicherheitsempfindliche Tätigkeiten in nicht öffentlichen Stellen betreffen, fallen grundsätzlich in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Auch an diesen wirkt das BfV mit. Sonstige gesetzliche Bestimmungen im Sinne des SS 3 Abs. 2 Satz 1 Nummer 4 BVerfSchG, nach denen eine Sicherheitsüberprüfung nach den Vorgaben des SÜG durchzuführen ist, an denen das BfV mitwirkt, sind das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (Artikel-10-Gesetz - G 10), das Gesetz zum Schutz vor Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch das Verbreiten von hochwertigen Erdfernerkundungsdaten (Satellitendatensicherheitsgesetz - SatDSiG) und das Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (Bundeskriminalamtgesetz - BKAG). 332 GEHEIMUND SABOTAGESCHUTZ Überprüft werden Personen, die eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit im Sinne des SÜG ausüben sollen. Eine solche liegt vor, wenn der Stelleninhaber Zugang zu VS106 ab dem Geheimhaltungsgrad VS-VERTRAULICH erhalten soll, sich diesen Zugang bei der Ausübung seiner Tätigkeit verschaffen kann oder in einem Sicherheitsbereich einer Behörde oder sonstigen öffentlichen Stelle des Bundes tätig werden soll (personeller Geheimschutz). Eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit übt auch aus, wer an einer sicherheitsempfindlichen Stelle innerhalb einer lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtung107 beschäftigt ist (vorbeugender personeller Sabotageschutz). Informationen, deren Bekanntwerden den Bestand, die Sicherheit Personeller oder die Interessen des Bundes oder eines Landes gefährden oder Geheimschutz schädigen können, müssen geheim gehalten und vor unbefugter Kenntnisnahme geschützt werden. Je nach Schutzbedürftigkeit erfolgt eine Einstufung der VS in einen der vier Geheimhaltungsgrade: VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH, VS-VERTRAULICH, GEHEIM, STRENG GEHEIM. Der personelle Geheimschutz dient der Kontrolle, wer mit diesen geschützten Informationen umgehen darf. Es gilt zu verhindern, dass VS in die Hände von Personen oder Institutionen fallen, für die sie nicht bestimmt sind - sei es aus Nachlässigkeit oder durch eine bewusste Weitergabe. Deshalb wird beim personellen Geheimschutz sowohl die allgemeine Zuverlässigkeit einer Person als auch ihr Einstehen für die freiheitliche demokratische Grundordnung bewertet. Zudem wird geklärt, ob die Gefahr besteht, dass die zu überprüfende Person aus einer Zwangssituation oder persönlichen Motiven heraus VS an 106 VS sind im öffentlichen Interesse, insbesondere zum Schutz des Wohles des Bundes oder eines Landes geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse unabhängig von ihrer Darstellungsform. VS können auch Produkte und die dazu gehörenden Dokumente sowie Schlüsselmittel zur Entschlüsselung, Verschlüsselung oder Übertragung von Informationen sein (Kryptomittel). Geheimhaltungsbedürftig im öffentlichen Interesse können auch Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs-, Steueroder sonstige private Geheimnisse oder Umstände des persönlichen Lebensbereichs sein. 107 Lebenswichtig sind Einrichtungen, wenn deren Beeinträchtigung aufgrund der diesen anhaftenden Eigengefahr (Explosions-, Brand-, Verseuchungsgefahr etc.) die Gesundheit oder das Leben großer Teile der Bevölkerung erheblich gefährden kann oder die für das Funktionieren des Gemeinwesens unverzichtbar sind (z.B. die Versorgung der Bevölkerung mit Postund Telekommunikationsleistungen). Verteidigungswichtig sind neben dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auch solche Einrichtungen, die der Herstellung oder Erhaltung der Verteidigungsbereitschaft dienen und deren Beeinträchtigung die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr sowie der zivilen Verteidigung erheblich gefährden kann. 333 GEHEIMUND SABOTAGESCHUTZ ausländische Nachrichtendienste, kriminelle, extremistische oder terroristische Organisationen weitergeben könnte. Vorbeugender Mit den Mitteln des vorbeugenden personellen Sabotageschutzes personeller soll insbesondere unterbunden werden, dass potenzielle terroristiSabotageschutz sche Saboteure an besonders sensible Stellen lebensoder verteidigungswichtiger Anlagen gelangen können. Verfahren Den Ausgangspunkt einer Sicherheitsüberprüfung, die nur mit ausdrücklicher Zustimmung der zu überprüfenden Person erfolgen darf, bildet eine von der betroffenen Person auszufüllende Sicherheitserklärung, die an das BfV übermittelt wird. Die geforderten Angaben und der Umfang der durchzuführenden Überprüfungsmaßnahmen orientieren sich an der Sicherheitsüberprüfungsart. Im Bereich des personellen Geheimschutzes werden drei Arten von Sicherheitsüberprüfungen unterschieden, die sich jeweils an der Höhe des Geheimhaltungsgrades orientieren, zu dem die betroffene Person Zugang erhalten soll: die einfache Sicherheitsüberprüfung (Ü1), die erweiterte Sicherheitsüberprüfung (Ü2) und die erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü3). In die Überprüfungen der beiden höchsten Sicherheitsstufen werden auch die Partnerin oder der Partner (mitbetroffene Person)108 der von der Sicherheitsüberprüfung betroffenen Person einbezogen. Im Bereich des Sabotageschutzes ist eine einheitliche Überprüfungsart vorgegeben, deren Maßnahmen auf die diesbezügliche spezifische Zielsetzung (Verhinderung von Sabotagehandlungen durch Innentäter) ausgerichtet sind. Maßnahmen Je nach vorgegebener Überprüfungsart hat das BfV im Rahmen der der SÜ Mitwirkung an Sicherheitsüberprüfungen bestimmte Maßnahmen durchzuführen. Die im Rahmen einer Ü1 durchzuführenden Maßnahmen sind gleichzeitig Standardmaßnahmen der Ü2 und Ü3. Bei allen Überprüfungsarten erfolgt eine sicherheitsmäßige Bewertung der Angaben in der Sicherheitserklärung unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden des 108 Unter Partnerin/Partner ist zu verstehen: die volljährige Ehegattin oder der volljährige Ehegatte der betroffenen Person, die Lebenspartnerin oder der Lebenspartner der betroffenen Person oder die volljährige Partnerin oder der volljährige Partner, mit der oder dem die betroffene Person in einer auf Dauer angelegten Gemeinschaft lebt (Lebensgefährtin oder Lebensgefährte). 334 GEHEIMUND SABOTAGESCHUTZ Bundes und der Länder. Zudem gehören die Einholung einer unbeschränkten Auskunft aus dem Bundeszentralregister (BZR), ein Ersuchen um eine Datenübermittlung aus dem Zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister (ZStV), Anfragen an das Bundeskriminalamt (BKA), die Bundespolizei (BPol) und die Nachrichtendienste des Bundes (Bundesnachrichtendienst/BND und Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst/BAMAD) zu den (Standard-)Maßnahmen der Ü1. Auch die Beteiligung ausländischer Sicherheitsbehörden ist bei Auslandsaufenthalten von ununterbrochen längerer Dauer als sechs Monaten in den vergangenen fünf Jahren möglich. Hierfür ist eine gesondert erteilte Zustimmung der betroffenen bzw. mitbetroffenen Person in der Sicherheitserklärung erforderlich. Die Beteiligung ausländischer Sicherheitsbehörden ist ausgeschlossen, wenn auswärtige Belange oder Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland oder schutzwürdige Interessen der betroffenen oder der mitbetroffenen Person entgegenstehen. In diesem Fall kommen Ersatzmaßnahmen in Betracht. Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, kann zusätzlich bei ausländischen Staatsangehörigen (eine Ausnahme bilden freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger) auch ein Ersuchen an das Ausländerzentralregister (AZR) erfolgen. Zusätzlich werden bei der Ü2 die Polizeibehörden der innegehabten Wohnsitze im Inland, in der Regel beschränkt auf die letzten fünf Jahre, angefragt, und es wird eine Identitätsprüfung zur betroffenen Person vorgenommen. Für die mitbetroffene Person werden die für die Ü1 und Ü2 vorgesehenen Maßnahmen ebenfalls durchgeführt. Abweichend hiervon erfolgt eine Ü2 im Bereich des vorbeugenden personellen Sabotageschutzes ohne Einbeziehung der Partnerin/des Partners. Im Rahmen der Ü3 werden über die Maßnahmen der Ü1 und Ü2 hinaus von der betroffenen Person angegebene Referenzpersonen und weitere geeignete Auskunftspersonen befragt. Bei allen Überprüfungsarten kann zudem zu der betroffenen Person in erforderlichem Maße Einsicht in öffentlich zugängliche Internetseiten genommen werden mit Ausnahme des öffentlich sichtbaren Teils sozialer Netzwerke. In diese darf grundsätzlich 335 GEHEIMUND SABOTAGESCHUTZ nur bei den beiden höchsten Überprüfungsarten (Ü2, Ü3) Einsicht genommen werden. Zudem können die betroffene und die mitbetroffene Person selbst befragt werden, soweit es eine sicherheitserhebliche Erkenntnis erfordert. Reicht diese Befragung nicht aus, stehen ihr schutzwürdige Interessen entgegen oder erfordert es die Prüfung der Identität, können auch weitere geeignete Auskunftspersonen oder andere geeignete Stellen befragt oder Einzelmaßnahmen der nächsthöheren Art der Sicherheitsüberprüfung durchgeführt werden. Ferner kann die betroffene Person aufgefordert werden, für die Abklärung der sicherheitserheblichen Erkenntnis geeignete Unterlagen beizubringen. Zusätzlich können von öffentlichen Stellen Akten beigezogen werden, von Gerichten, Staatsanwaltschaften oder Finanzbehörden auch über Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat im Sinne des SS 369 der Abgabenordnung. Höheres Die Novelle des SÜG im Jahr 2017 hat bewirkt, dass das Niveau der Sicherheitsniveau Sicherheitsüberprüfungen auf Bundesebene angehoben wurde. Dem BfV steht nunmehr bei seiner Mitwirkung an Sicherheitsüberprüfungen durch die Ausweitung der Überprüfungsmaßnahmen eine wesentlich breitere Datenbasis zur Verfügung. Durch die neu aufgenommene Beteiligung des ZStV werden nun auch anhängige Strafverfahren im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung bekannt. Dies war bis zur Novelle des SÜG nicht sichergestellt. Zusammen mit der ebenfalls neu in das SÜG aufgenommenen Möglichkeit der Beteiligung des AZR hat sich die Vergleichbarkeit des SÜG des Bundes mit den SÜG der Länder und anderen gesetzlichen Überprüfungssystemen nach den Bestimmungen des Luftsicherheitsund Atomgesetzes verbessert. Nicht zuletzt trägt auch die nun in das SÜG aufgenommene Möglichkeit der Internetrecherche zu einem höheren Sicherheitsniveau bei. Aber auch zwei weitere wesentliche Erweiterungen des bisherigen Verfahrens im Zusammenhang mit der Aktualisierung und Wiederholungsüberprüfung sind in diesem Zusammenhang zu nennen: Zum einen werden im Rahmen des in der Regel nach fünf Jahren durchzuführenden Aktualisierungsverfahrens der Sicherheitsüberprüfungsunterlagen nunmehr bestimmte Überprüfungsmaßnahmen (Ü1) in erforderlichem Umfang zu der betroffenen und der mitbetroffenen Person erneut durchgeführt; bisher waren Überprüfungsmaßnahmen in diesem Zusammenhang allein für sicherheitsempfindliche Tätigkeiten in nicht öffentlichen Stellen vorgesehen und grundsätzlich nicht auf die mitbetroffene Person zu beziehen. Zum anderen 336 GEHEIMUND SABOTAGESCHUTZ werden nun alle durchgeführten Sicherheitsüberprüfungen in der Regel nach zehn Jahren erneut durchgeführt; zuvor war dies nur bei der höchsten Art der Sicherheitsüberprüfung (Ü3) der Fall. Im Rahmen des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens festgestellte Sicherheitsrisiken Erkenntnisse werden durch das BfV dahin gehend bewertet, ob sie sicherheitserheblich sind. Ein Sicherheitsrisiko liegt vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte "" Zweifel an der Zuverlässigkeit der betroffenen Person bei der Wahrnehmung der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit, "" eine besondere Gefährdung der betroffenen Person, insbesondere die Besorgnis der Erpressbarkeit, bei möglichen Anbahnungsund Werbungsversuchen109 oder "" Zweifel am Bekenntnis der betroffenen Person zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes oder am jederzeitigen Eintreten für deren Erhaltung begründen. Auch tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen entsprechender Sicherheitsrisiken bei der Partnerin oder dem Partner können sich negativ auf das Gesamtergebnis der Überprüfung auswirken. Das Ergebnis der durchgeführten Maßnahmen wird der jeweils zuständigen Stelle in Form eines Votums mitgeteilt, auf dessen Grundlage sie eigenverantwortlich über den Einsatz der überprüften Person in der vorgesehenen sicherheitsempfindlichen Tätigkeit entscheidet. Um ein angemessenes Schutzniveau für VS zu gewährleisten, wurMaterieller den mit der Gesetzesnovelle erstmals auch allgemeine Grundsätze Geheimschutz zum Schutz von VS in das SÜG aufgenommen. So sind zum Beispiel Bundesbehörden und sonstige öffentliche Stellen des Bundes verpflichtet, VS durch Maßnahmen des materiellen Geheimschutzes (Schaffung der organisatorischen und technischen Vorkehrungen zum Schutz von VS) so zu schützen, dass ihre Vertraulichkeit dauerhaft gewahrt bleibt. Wer berechtigt Zugang zu einer VS erlangt, 109 Als Akteure kommen hier ausländische Nachrichtendienste, Vereinigungen im Sinne der SSSS 129 bis 129b des Strafgesetzbuches oder extremistische Organisationen infrage, die Bestrebungen im Sinne des SS 3 Abs. 1 BVerfSchG verfolgen. 337 GEHEIMUND SABOTAGESCHUTZ ist zur Verschwiegenheit verpflichtet und hat dafür Sorge zu tragen, dass keine unbefugte Person Kenntnis von der VS erlangt. Entwicklungen Im Durchschnitt hat das BfV in den vergangenen zehn Jahren jährlich rund 33.000 Sicherheitsüberprüfungen im Geheimund Sabotageschutz durchgeführt. Im Jahr 2018 wurden im Geheimschutz 5.056 einfache Sicherheitsüberprüfungen, 23.753 erweiterte Sicherheitsüberprüfungen und 2.435 erweiterte Sicherheitsüberprüfungen mit Sicherheitsermittlungen durchgeführt. Hinzu kamen 7.106 Überprüfungen im Bereich des Sabotageschutzes sowie 6.283 Aktualisierungen. Schulung und Das BfV trägt durch die Schulung von Geheimund SabotageSensibilisierung schutzbeauftragten von Behörden dazu bei, dass sich dort eine möglichst gleichwertige Sicherheitsstruktur etabliert. Darüber hinaus stellt es geeignete Materialien zur Verfügung, um auch bei den Geheimnisträgern selbst ein nachhaltiges Sicherheitsbewusstsein zu fördern. 338 "Scientology-Organisation" (SO) 339 "Scientology-Organisation" (SO) Die "Scientology-Organisation" (SO) ist auch im Jahr 2018 ihrem Ziel nicht näher gekommen, in Deutschland eine "scientologische Gesellschaft" zu etablieren. Die Mitgliederzahl in Deutschland war im Berichtsjahr leicht rückläufig und liegt bei rund 3.400 Personen. Die Zahl der öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten ist weiterhin gering. Beständigkeit zeigt die SO allerdings in der Ausrichtung von Informationsständen in verschiedenen Städten der Bundesrepublik. Ideologie "Wahre Demokratie" ist nach dem Organisationsgründer und der ideologischen Leitfigur L. Ron Hubbard (1911-1986) nur möglich in einer Nation von "Clears" - den mittels scientologischer "Techniken" geformten Menschen. Alle anderen Personen werden nicht als gleichwertig betrachtet. Hubbard hat die von ihm angestrebte Gesellschaftsform unter anderem als "Rechtsordnung" beschrieben, in der die Existenz des Einzelnen vom willkürlichen Ermessen der SO abhängt. Grundrechte stehen demzufolge nur denjenigen zu, die aus Sicht der Organisation zu den "Ehrlichen"/"Clears" gehören. Die SO strebt weiterhin eine Gesellschaft ohne allgemeine und gleiche Wahlen an und lehnt das demokratische Rechtssystem ab. Dieses soll langfristig durch einen eigenen Gesetzeskodex abgelöst werden. Nach außen hin versucht die SO hingegen, sich als unpolitische und demokratiekonforme Religionsgemeinschaft zu präsentieren. Aus den maßgeblichen und nach wie vor für die SO gültigen Schriften Hubbards ergibt sich, dass die perspektivisch beabsichtigte Gesellschaft nach scientologischen Vorstellungen durch eine langfristig ausgerichtete Expansionsstrategie, durch eine Erhöhung der finanziellen Einnahmen der Organisation sowie durch die Bekämpfung ihrer Kritiker erreicht werden soll. Der totalitäre Charakter der SO dokumentiert sich unter anderem in ihrem Anspruch, eine weitgehende Kontrolle über alle Mitglieder auszuüben. So werden diese etwa dazu aufgefordert, "Wissensberichte" über alle "unterdrückerischen Handlungen gegen Scientology oder Scientologen" sowie das "Fehlverhalten" von Gruppenmitgliedern zu verfassen.110 110 Homepage "Religious Technology Center" (8. November 2018). 340 "SCIENTOLOGY-ORGANISATION" (SO) Die SO versucht weiterhin, Unternehmen zu unterwandern, um ihre Einflussmöglichkeiten zu vergrößern. Hierzu dient die SOTeilorganisation "World Institute of Scientology Enterprises" (WISE) - ein Zusammenschluss unternehmerisch tätiger Scientologen. Die SO betreibt diverse Kampagnen für angebliche SozialprogramKampagnen und me und vermeintliche Hilfsorganisationen, um sich den Anschein Teilorganisationen einer wohltätigen Religionsgemeinschaft zu geben und ihre gesellschaftliche Anschlussfähigkeit zu erweitern. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass in den meisten Fällen die SO nicht als verantwortliche Organisation zu erkennen ist. Die scheinbar sozialen Programme und Institute wecken in ihrer Darstellung vielmehr Interesse und Sympathie, die sich dann später auf den eigentlichen Initiator, die SO, übertragen sollen. Beispiele: Der Verein "Sag NEIN zu Drogen - Sag JA zum Leben" soll insbesondere Jugendliche über Drogenmissbrauch und -prävention aufklären. "" "NARCONON" dient als Anlaufstelle für Drogenabhängige. "" "CRIMINON" bietet Hilfeleistungen für Straftäter an. "" "Applied Scholastics" stellt ein Lernprogramm für Schüler und Studierende dar. "" Mit dem Leitfaden "Der Weg zum Glücklichsein" gibt die SO eine Handreichung für alltägliche Lebensfragen heraus. Die "International Way to Happiness Foundation" führt entsprechende Schulungen durch. "" Die "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte Deutschland e.V." (KVPM) will angebliche Missbräuche und Menschenrechtsverletzungen in der Psychiatrie aufdecken und bekämpfen. Im Berichtsjahr präsentierte die KVPM die bereits seit Längerem existente internationale Wanderausstellung "Psychiatrie: Tod statt Hilfe" in München (Bayern) vom 5. bis 18. April 2018 und Frankfurt am Main (Hessen) vom 19. bis 25. Juni 2018. "" Als Ziel der Initiative "Jugend für Menschenrechte" ("Youth for Human Rights") wird angegeben, "Jugendliche auf der ganzen Welt über Menschenrechte aufzuklären".111 111 Homepage "Jugend für Menschenrechte" (8. November 2018). 341 "SCIENTOLOGY-ORGANISATION" (SO) Die SO nutzt das Internet als zentrale Propagandaund Werbeplattform. Mittels sozialer Netzwerke betreibt sie Imagepflege und Mitgliederwerbung. Mit zahlreichen multimedialen Angeboten zielt die SO besonders auf Jugendliche ab. Nach wie vor werden verstärkt kostenlose "Online-Kurse aus dem Scientology Handbuch" angeboten, um Interessenten auf diese Weise an das kostenintensive SO-Angebot heranzuführen. Bei den meisten Websites wird der Bezug zur SO bewusst verschleiert. Versuche, junge Nachwuchssportler mit Sprachstipendien an die "Clearwater Academy International" nach Florida zu locken, sind im Jahr 2018 nicht mehr bekannt geworden. Am 9. September 2018 hat die SO in Stuttgart (Baden-Württemberg) nach langjährigen Vorbereitungen ein neues, repräsentatives Zentrum ("Ideale Org") in Deutschland eröffnet. Für dieses Projekt hatte die SO im Vorfeld in einer jahrelangen, massiven Spendenkampagne von ihren Mitgliedern teils erhebliche Gelder eingesammelt. Es ist bemerkenswert, dass die Eröffnung dieser "Idealen Org" in Stuttgart nicht die Folge einer Steigerung des SO-Mitgliederpotenzials in diesem Bundesland ist, sondern sogar vor dem Hintergrund kontinuierlich sinkender Mitgliederzahlen erfolgte. Auch mit dieser "Idealen Org" scheint die SO ihre bisherige Linie weiterzuverfolgen, in politisch und wirtschaftlich bedeutsamen Städten aus strategischen Gründen Repräsentanzen zu schaffen, die dort Einfluss gewinnen sollen. Mit der Eröffnung in Stuttgart verfügt die SO in Deutschland über drei "Ideale Orgs". Bereits 2007 wurde eine solche in Berlin eröffnet, der 2012 die Hamburger Niederlassung folgte. 342 "SCIENTOLOGY-ORGANISATION" (SO) "Scientology-Organisation" (SO) Gründung: 1954 in den USA 1970 erste Niederlassung in Deutschland Sitz: Los Angeles (USA) ("Church of Scientology International", CSI), München (Bayern) ("Scientology Kirche Deutschland e.V.", SKD) Leitung/Vorsitz: USA: David Miscavige Deutschland: Helmuth Blöbaum Mitglieder/Anhänger 3.400 (2017: 3.500) in Deutschland: Publikationen/Medien: Zeitungen/Zeitschriften: (Auswahl) "Impact" "International Scientology News" "The Auditor" "Source" "Freewinds" 343 "SCIENTOLOGY-ORGANISATION" (SO) Teil-/Nebenorganisationen: neun "Kirchen" in Deutschland, (Auswahl) darunter zwei "Celebrity Centres" "Office of Special Affairs" (OSA) "International Association of Scientologists" (IAS) "World Institute of Scientology Enterprises" (WISE) "Association for Better Living & Education" (ABLE) "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte Deutschland e.V." (KVPM) "Sag NEIN zu Drogen - Sag JA zum Leben" "Jugend für Menschenrechte" "NARCONON" "CRIMINON" "International Way to Happiness Foundation" Nach wie vor sind die Schriften des Organisationsgründers L. Ron Hubbard (1911-1986) richtungsweisend. In ihnen wird deutlich, dass in einer Gesellschaft nach scientologischen Vorstellungen wesentliche Grundund Menschenrechte, wie beispielsweise die Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, ebenso wenig gewährleistet sind wie das Recht auf Gleichbehandlung. 344 Anhang 345 VERBOTSMASSNAHMEN Übersicht über Verbotsmaßnahmen des BMI gegen extremistische Bestrebungen im Zeitraum Januar 1990 bis Dezember 2018 (Soweit nicht anders gekennzeichnet, sind die Verbote unanfechtbar) Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Nationalistische Front" (NF) 26.11.1992 Vereinszweck gegen die verfassungsRE mäßige Ordnung gerichtet "Deutsche Alternative" (DA) 08.12.1992 Vereinszweck gegen die verfassungsRE mäßige Ordnung gerichtet "Nationale Offensive" (NO) 21.12.1992 Vereinszweck gegen die verfassungsRE mäßige Ordnung gerichtet "Arbeiterpartei Kurdistans" 22.11.1993 Strafgesetzwidrigkeit, AE (PKK)/"Nationale BefreiGefährdung der inneren Sicherheit ungsfront Kurdistans" (ERNK) und öffentlichen Ordnung und Teilorganisationen, sowie außenpolitischer Belange "Förderation der patriotiDeutschlands schen Arbeiterund Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik Deutschland e.V." (FEYKA-Kurdistan), "Kurdistan-Komitee e.V." "Wiking-Jugend e.V." (WJ) 10.11.1994 Vereinszweck gegen die verfassungsRE mäßige Ordnung gerichtet "Kurdistan Informations20.02.1995 Ersatzorganisation des rechtskräftig AE büro" (KIB) alias verbotenen "Kurdistan Komitee e.V." "Kurdistan Informationsbüro in Deutschland" RE = Rechtsextremismus LE = Linksextremismus AE = Ausländerextremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 346 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Freiheitliche Deutsche 22.02.1995 Vereinszweck gegen die verfassungsRE Arbeiterpartei" (FAP) mäßige Ordnung gerichtet "Revolutionäre 06.08.1998 Strafgesetzwidrigkeit und GefährAE Volksbefreiungspardung der inneren Sicherheit tei-Front" (DHKP-C) Ersatzorganisation der am 9. Februar 1983 rechtskräftig verbotenen "Revolutionären Linke" ("Devrimci Sol") "Türkische 06.08.1998 Strafgesetzwidrigkeit und GefährAE Volksbefreiungspartei/dung der inneren Sicherheit Front" (THKP/-C) "Blood & Honour" (B&H) mit 12.09.2000 Vereinszweck gegen die verfassungsRE "White Youth" mäßige Ordnung gerichtet Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "Kalifatsstaat" 08.12.2001 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT und 35 Teilorganisationen 14.12.2001 mäßige Ordnung gerichtet 13.05.2002 16.09.2002 Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung Propagierung von Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele "al-Aqsa e.V." 31.07.2002 Verstoß gegen den Gedanken der ISiT Völkerverständigung (finanzielle Unterstützung der HAMAS und ihrer sogenannten Sozialvereine) RE = Rechtsextremismus LE = Linksextremismus AE = Ausländerextremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 347 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Hizb ut-Tahrir" (HuT) 10.01.2003 Verstoß gegen den Gedanken der ISiT Völkerverständigung Befürwortung von Gewalt zur Durchsetzung politischer Belange "Yeni Akit GmbH" 22.02.2005 Leugnung und Verharmlosung des ISiT Verlegerin der Holocaust in volksverhetzender Europa-Ausgabe der türWeise kischsprachigen Tageszeitung "Anadoluda Vakit" Verbreitung antisemitischer/ antiwestlicher Propaganda "Bremer Hilfswerk e.V."112 SelbstaufISiT lösung mit Wirkung vom 18.01.2005; Löschung im Vereinsregister am 29.06.2005 "YATIM-Kinderhilfe e.V." 30.08.2005 Nachfolgeorganisation des rechtsISiT kräftig verbotenen "al-Aqsa e.V." "Collegium 18.04.2008 Vereinszweck gegen die verfassungsRE Humanum" (CH) mäßige Ordnung gerichtet mit "Bauernhilfe e.V." Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze 112 Das BMI hatte am 3. Dezember 2004 ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren mit dem Ziel eines Verbots gegen das "Bremer Hilfswerk e.V." eingeleitet. Der Verein ist dem Verbot durch Selbstauflösung zuvorgekommen. RE = Rechtsextremismus LE = Linksextremismus AE = Ausländerextremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 348 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Verein zur Rehabilitierung 18.04.2008 Vereinszweck gegen die verfassungsRE der wegen Bestreitens des mäßige Ordnung gerichtet Holocaust Verfolgten" (VRBHV) Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze "Mesopotamia Broadcast 13.06.2008 Verstoß gegen den Gedanken der AE A/S", "Roj TV A/S" Völkerverständigung "VIKO Fernseh Produktion 13.06.2008 Teilorganisation von GmbH" "Roj TV A/S" "al-Manar TV" 29.10.2008 Verstoß gegen den Gedanken der ISiT Völkerverständigung "Heimattreue Deutsche 09.03.2009 Vereinszweck gegen die verfassungsRE Jugend - Bund zum Schutz mäßige Ordnung gerichtet für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V." (HDJ) Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze Ideologische Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen mit nationalsozialistischem Gedankengut "Internationale Humanitäre 23.06.2010 Verstoß gegen den Gedanken der ISiT Hilfsorganisation e.V." (IHH) Völkerverständigung "Hilfsorganisation für natio30.08.2011 Vereinszweck gegen die verfassungsRE nale politische Gefangene mäßige Ordnung gerichtet und deren Angehörige e.V." (HNG) Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze RE = Rechtsextremismus LE = Linksextremismus AE = Ausländerextremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 349 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Millatu Ibrahim" 29.05.2012 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT mäßige Ordnung gerichtet Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "Dawa FFM" einschließlich 25.02.2013 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT der Teilorganisation "Intermäßige Ordnung gerichtet nationaler Jugendverein - Dar al Schabab e.V." Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "an-Nussrah" 25.02.2013 Teilorganisation des rechtskräftig ISiT verbotenen Vereins "Millatu Ibrahim" "DawaTeam 25.02.2013 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT Islamische Audios" mäßige Ordnung gerichtet Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "Waisenkinderprojekt Liba02.04.2014 Verstoß gegen den Gedanken der ISiT non e.V." (WKP) Völkerverständigung (Umbenennung in "Farben für Waisenkinder e.V." am 16.10.2014) "Islamischer Staat" (IS) alias 12.09.2014 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT "Islamischer Staat im Irak" mäßige Ordnung gerichtet alias "Islamischer Staat im Irak und in Groß-Syrien" Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung RE = Rechtsextremismus LE = Linksextremismus AE = Ausländerextremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 350 VERBOTSMASSNAHMEN Organisation Datum der Verbotsgründe PhänoVerbotsmenverfügung bereich "Tauhid Germany" (TG) 26.02.2015 Ersatzorganisation des rechtskräftig ISiT verbotenen Vereins "Millatu Ibrahim" "Altermedia Deutschland" 04.01.2016 Vereinszweck gegen die verfassungsRE mäßige Ordnung gerichtet "Weisse Wölfe Terrorcrew" 10.02.2016 Vereinszweck gegen die verfassungsRE (WWT) mäßige Ordnung gerichtet "Die Wahre Religion" (DWR) 25.10.2016 Vereinszweck gegen die verfassungsISiT mäßige Ordnung gerichtet Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung "linksunten.indymedia"113 14.08.2017 Vereinszweck und -tätigkeit gegen LE die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet Zuwiderlaufen gegen Strafgesetze 113 Der hinter der linksextremistischen Internetplattform "linksunten.indymedia" stehende Verein wurde mit Wirkung zum 25. August 2017 vom Bundesminister des Innern verboten und aufgelöst. Gegen die Verbotsverfügung wurden Klagen vor dem Bundesverwaltungsgericht erhoben. Das Verbot ist daher bisher nicht bestandskräftig. RE = Rechtsextremismus LE = Linksextremismus AE = Ausländerextremismus ISiT = Islamismus/islamistischer Terrorismus 351 REGISTER Register al-Aqsa e.V..............................................215 f., 347 f. # al-Baghdadi, Abu Bakr ...........................187, 207 #besetzen ................................................................117 al-Banna, Hasan .........................................203, 220 ...resist! ......................................................................143 al-Fadschr (Publikation)...................................223 ...ums Ganze! - kommunistisches al-Falah (Onlinemagazin) ................................185 Bündnis...................................................... 123, 143 f. al-Hayat Media Center (Medienstelle).......207 1. Mai Zeitung - Für eine revolutionäre Perspektive (Publikation) ................................145 al-Ikhwan al-Muslimun (MB - Muslimbruderschaft) ...................175, 178, 202 f., 219 ff. A al-Julani, Abu Muhammad .............................212 Adalet ve Kalkinma Partisi (AKP - Partei für Gerechtigkeit und al-Kataib (Medienstelle) ...................................211 Aufschwung) ...........233, 244 f., 260 f., 307, 310 al-Khilafa (Publikation) ....................................218 Adbusting ...............................................................127 Alliance for Peace and Freedom Adil Düzen (Gerechte Ordnung) ..................224 (APF) .....................................................................71, 78 Afrin (EfrA(r)n) ..................41, 109, 231, 236 ff., 242, al-Malahem Media (Medienstelle)...............210 244, 247, 251 al-Manar TV (Fernsehsender) ..............213, 349 Agent ..............................201, 281, 285, 288 f., 298, 302, 305, 312, 318 Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu Ajansa Nuceyan a Firate (ADÜTDF - Föderation der Türkisch(ANF - Firat News Agency) ...................248, 251 Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V.)...........232 f., 260 ff., 273 f. Aktionsbündnis .................. 122 f., 128, 130, 141 al-Naba (Onlinemagazin) ............ 184, 187, 207 Aktionsfelder................. 106, 111, 144, 147, 149, 156 ff., 162, 166, 175 f. al-Qaida .... 170 f., 173, 178, 180 ff., 202, 207 ff. al-Adnani, Abu Muhammad ..........................187 al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel al-Ahd - al-Intiqad (Publikation).................213 (AQAH) ................................................. 178, 185, 210 al-Andalus (Medienstelle)................................209 al-Qaida im Irak ..................................................207 352 REGISTER al-Qaida im islamischen Maghreb antifant - Autonome Antifa München .....143 (AQM)..............................................................178, 209 Antifaschismus..........111, 119, 140, 143 f., 147, al-Qaida im Jemen (AQJ)..................................210 155 f., 158 f., 162 ff. al-Qaradawi, Yusuf ............................................202 Antifaschistische Gruppe Bremen ..............143 al-Raimi, Qasim ..................................................210 Antifaschistische Selbstschutzgruppen ...121 al-Rashta, Ata Abu (alias Abu Yasin)............218 Antigentrifizierung .... 111, 116 f., 134, 141, 144 al-Shabab ......................................................178, 211 Antiglobalisierung .......................155 f., 158, 166 Altermedia Deutschland ..........................58, 351 Antikapitalismus ....................142, 147, 162, 164 al-Waie (Publikation).........................................218 Antikapitalistische Linke (AKL)...................................................... 145, 155, 162 al-Zawahiri, Aiman ...................................181, 208 Antikapitalistische Linke München ...........145 Amaq (Nachrichtenagentur) ................184, 207 Antimilitarismus ...................114, 147, 159, 162, Amt für Menschenrecht ...........................99, 103 164, 166 Anadolu Federasyonu Antirassismus ............................ 47, 144, 155, 159 (Anatolische Föderation) ................... 255 f., 270 Antirepression ......................... 107, 111 ff., 140 f. Anarchisten............................................................110 antisemitische Ideologieelemente ................ 94 Anatolische Föderation (Anadolu Federasyonu) ...................... 255 f., 270 Antisemitismus .........46, 48, 73 ff., 79, 90 f., 95, 170, 200 ff., 263, 273 Anquatschversuch. Was tun? Information der Roten Hilfe zu antisoziale Stadtumstrukturierung ............117 Kontaktaufnahme von VS und Staatsschutz (Publikation) ..............................113 Applied Scholastics ............................................341 Anschlussfähigkeit ...........................55 f., 74, 341 APT 10 ......................................................................301 Anti-Asyl .......................................... 46, 51 f., 54, 71 APT 28 ................................................................ 290 ff. Antifa ..............................................................111, 143 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK - Partiya Karkeren Kurdistan) .... 41, 109, 115 f., Antifa AK Köln .....................................................143 230 ff., 235 ff., 261 f., 265 ff., 308, 329 353 REGISTER Arbeitsgemeinschaft Cuba Si Basbug ......................................................................274 (AG Cuba Si) ...........................................................161 Basisgruppe Antifaschismus (BA), Argumentationsmuster ...........94, 97, 103, 138 Bremen.....................................................................143 Armstroff, Klaus..................................................... 91 Berliner Bürger sichern Polizeiarbeit (Broschüre) ............................................................... 96 Arranca! (Publikation) ......................................142 Besetzung......................................................117, 133 as-Sahab (Medienstelle)....................................208 Betätigungsverbot ................207, 213, 218, 237, Atilim (Publikation) ...........................................272 240, 265 Atsiz, Nihal ...................................................260, 263 Bewegung der revolutionären Jugend (Tevgera Ciwanen Soresger)... 243, 247, 265, 267 aufmüpfig konsequent links (Publikation) ..........................................................162 Bezugsgruppen ..........................................121, 124 Aussageverweigerung (Publikation) ..........113 BfV Cyber-Brief...................................... 283 f., 293 Autonome........ 107, 109 ff., 117 ff., 140, 142 ff. Bin Ladin, Hamza ...............................................181 Autonomes Zentrum ........................................121 Bin Ladin, Usama ......................................181, 208 Avantgarderolle .........................................135, 147 Bizim Genclik (Publikation) ...........................270 AZADI infodienst (Publikation) ...................269 Blockade ........................................................131, 149 AZADI Rechtshilfefonds für Kurdinnen Bozkurt/Bozkurtlar und Kurden in Deutschland e.V. (Grauer Wolf/Graue Wölfe) ............................260 (AZADI e.V.) ............................................................269 Brück, Michael.................................................79, 90 B Bülten (Publikation) ..........................................274 Babbar Khalsa (BK) .........................................276 f. Bund Sozialistischer Arbeiter (BSA) ...........152 Babbar Khalsa Germany (BKG) .....................277 Bundesbeauftragter für den Datenschutz Babbar Khalsa International (BKI) ..........276 f. und die Informationsfreiheit .......................... 18 Badi, Muhammad ...............................................219 Bundessprecherrat .............................................159 Bahceli, Devlet ......................................................274 Bundesstaaten ........................................................ 97 354 REGISTER Bundesstrafregister .............................................. 96 Committee for a Worker's International (CWI) .........................................................................155 Bundestagswahl.................................... 56, 76, 310 CRIMINON ..................................................341, 344 Bundesverfassungsgericht (BVerfG)..................................................... 14, 77, 147 critique'n'act, Dresden ......................................143 Bündnis.................................. 108, 122 f., 128, 130, Cuba si revista (Publikation) ..........................161 132, 135, 141 ff. Cyberangriffe ........282 ff., 289 ff., 294 f., 299 f., Bürgerbewegung Pro Chemnitz 302, 305 f., 321 f. (Pro Chemnitz) ................................................53, 55 Cyberattacken................................................17, 306 Bürgerbewegung pro NRW (pro NRW) ...... 50 Cyber-AZ Bürgerwehren ..................................................51, 56 (Nationales Cyber-Abwehrzentrum) .........284 Büro 610 (chinesischer Nachrichtendienst der KPCh) ............................................ 281, 296, 326 D Das Rote Berlin - Strategien für eine C sozialistische Stadt (Publikation) .......132, 134 Camia (Publikation) ...........................................226 DawaFFM ................................................................350 Catli, Abdullah ......................................................260 de.indymedia (Internetplattform) ... 112, 114, 116, 125 f., 128, 133, 139, 244 f. Cayan, Mahir .....................................................257 f. Decker, Peter..........................................................154 Cayir, Nusret .........................................................225 Chemiewaffen-Übereinkommen Demokratiefeindschaft ...................................... 46 (CWÜ) .......................................................................316 Demokratische Partei der Völker (HDP - Chemnitz ................................. 46 f., 52 ff., 67, 112 Halklarin Demokratik Partisi) ..................236 f. Civaka Azad - Kurdisches Zentrum Demokratisches Gesellschaftszentrum der für Öffentlichkeitsarbeit e.V...........................239 KurdInnen in Deutschland e.V. (NAV-DEM - Navenda Civaka Demokratik Ciwanen Azad (Freie Jugend) ...............243, 267 ya Kurden li Almanyaye).....239, 241, 247, 268 Clears ........................................................................340 Der III. Weg .............48, 50, 53, 56 f., 66, 69, 80 f. Clearwater Academy International ............342 Der Volkslehrer .................................................61 ff. 355 REGISTER Der Weg zum Glücklichsein Die Furkan-Generation - Die Stimme (Leitfaden) ..............................................................341 der avantgardistischen Generation (Zeitschrift - Furkan Nesli Dergisi - Desinformation................... 280, 287, 289 f., 321 Öncü Neslin Sesi) ................................................203 Deutsche Kommunistische Partei DIE RECHTE...........................48, 50, 72, 78 ff., 90 (DKP) .................................... 115, 135 f., 146 f., 149 DIE ROTE HILFE (Publikation) ....................153 Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V. (DMG)................................. 175, 178, 202, 219, 221 Die Wahre Religion (DWR) .............................351 Deutsche Stimme (Publikation) .......61, 78, 89 Digitale Repression ........................................113 f. Deutsche Stimme Verlagsgesellschaft mbH Diktatur des Proletariats........................120, 150 (DS Verlag) ..................................................78, 85, 89 Dogmatischer Linksextremismus .....110, 141 Deutsches Reich.................................... 94, 98, 103 Dogru Haber (Publikation) .............................217 Deutsches Reich - Freistaat Preußen .......... 95 Dogruyol, Sentürk ..............................................274 Devrimci Genclik (Dev Genc) ..............255, 270 Drewer, Christoph ................................................ 90 Devrimci Halk Kurtulus Cephesi (DHKC - Revolutionäre Drittlandtreff ..............................................289, 320 Volksbefreiungsfront) .............................252, 255 Droukdal, Abdalmalik Devrimci Halk Kurtulus Partisi (alias Abu Mus'ab Abdalwadud)....................209 (DHKP - Revolutionäre Volksbefreiungspartei) ...........................252, 253 DS-TV...................................................................61, 85 Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi (DHKP-C - Revolutionäre Volksbefreiungs- E partei-Front ) ......................151, 232, 235, 252 ff., 270, 308, 329 EfrA(r)n (Afrin) ..................41, 109, 231, 236, 238 ff., 242, 244, 247, 251 Devrimci Sol (Organisation) ..........................270 eigener Gesetzeskodex .....................................340 Devrimci Sol (Publikation) ...................253, 270 Einflussnahme .....117, 138, 170, 221, 226, 280, DHKC Gerilla (Publikation) ............................270 286, 300, 302, 309 ff., 321 Die Exil-Regierung Deutsches Reich ........... 99 Einzeltäter ............ 172, 180, 186 f., 191 f., 207 f. 356 REGISTER Ekonomi ve Maliye Bürosu Fechtner, Gabi .............................................137, 150 (EMB - Wirtschaftsund Finanzbüro) ......248 Feder und Schwert (Kolumne) .................... 68 f. Eminger, Andre ...................................................... 57 Fernmeldeaufklärung ................... 321, 323, 325 Ende Gelände (Kampagne) ....108, 130 ff., 141 Föderation der demokratischen Entrismus......................................................155, 166 Aleviten e.V. (FEDA)............................................247 Erbakan, Fatih .......................................................225 Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V. Erbakan, Necmettin ......................................224 f. (ADÜTDF - Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Erbakan-Stiftung.................................................225 Federasyonu) .........................232 f., 260 ff., 273 f. Erdogan, Recep Tayyip.... 109, 115 f., 231, 233, Föderation Kurdischer Vereine in 236, 251, 261, 307, 310 Deutschland e.V. (YEK-KOM - Yekitiya Ergün, Kemal .........................................................226 Komalen Kurd Li Elmanya) ............................268 Ethnopluralismus ................................................. 82 Franz, Frank ......................................................77, 85 Europa Terra Nostra e.V. (ETN) ....................... 78 Frauenverteidigungseinheiten (YPJ - Yekineyen Parastina Jin) ..................................238 Europavertretung der Erbakan-Stiftung.................................................225 Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans (KADEK - Kongreya Azadi u Europawahl ......................... 77, 79, 81, 137 f., 152 Demokrasiya Kurdistane)................................265 Exekutivkomitee .................................................157 Freiräume ....................................116 f., 121 f., 140 Expansionsstrategie ...........................................340 Fremdenfeindlichkeit .............46, 51, 86, 90, 91 Expliciet (Publikation) ......................................218 From Dabiq to Rome (Onlinemagazin).....185 Front zur Eroberung Syriens F (JFS - Jabhat Fath al-Sham) ............................212 Falah, Samir ...........................................................221 Frühwarnsystem ..............................................15 ff. Fantasieausweise ................................................... 98 FSB (russischer Farben für Waisenkinder e.V..........................213 Inlandsnachrichtendienst) ...................290, 324 Fast Forward, Hannover...................................143 Führungsoffizier ........................................288, 320 357 REGISTER Fünf Gifte ................................................................298 Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan (KKK - Koma Komalen Kurdistan) .............265 Furkan Gemeinschaft ...... 175, 178, 202 f., 227 Gemeinschaft der Verkündigung und Furkan Haber (Nachrichtenportal) .............203 Mission (TJ - Tablighi Jama'at) ............178, 222 Furkan-Stiftung für Bildung und Generalbundesanwalt (GBA) ...56, 58, 60, 205, Fürsorge (Furkan Egitim ve 252, 305, 318 f. Hizmet Vakfi) .................................202, 203 f., 227 Generation Islam.................................................218 G Gentrifizierung .....................................................117 G20-Gipfel ....32, 36, 107 ff., 112, 119, 129, 139 Geraer/Sozialistischer Dialog (GSoD) .......................................................................164 G20-Proteste..........................................................107 Gerechte Ordnung (Adil Düzen) ..................224 Gamaa Islamiya ...................................................220 GerA(r)la TV..................................................................248 Geeinte deutsche Völker und Stämme (GdVuSt)............................................. 95, 96, 98, 103 Geschichtsrevisionismus..............46, 75, 79, 86 Gefährdungspotenzial ............47, 49, 51, 101 f., Gewalt und Militanz .....................................51, 99 140 f., 191, 196, 200, 250, 258, 283, 295, 302, 306, 310 Goldene Morgenröte (Chrysi Avgi) ............... 71 Gegenlicht (Publikation).................................... 68 Grauer Wolf/Graue Wölfe (Bozkurt/Bozkurtlar) .........................................260 GegenStandpunkt - Politische Vierteljahreszeitschrift (Publikation)...................154 f. Grenzziehungen .................................................... 94 GegenStandpunkt Groupe Salafiste pour la Predication et le (GSP, Organisation).........................................154 f. Combat (GSPC - Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf)............................................209 Geistige Brandstifter................................135, 141 GRU (russischer militärischer AuslandsGemeinsames Extremismusund nachrichtendienst) ............ 285, 288, 290 f., 323 Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) ........... 16 Grup Yorum ....................................151, 232, 257 f. Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ)......................................................................... 16 Gruppe ArbeiterInnenmacht (GAM) .................................................123, 156, 157 f. Gemeinschaft der Jugendlichen (Komalen Ciwan) ....................243, 247, 265, 267 Gruppe Freital.............................................. 56, 58 f. 358 REGISTER Gümüs, Edip .........................................................217 Hit and Run-Aktionen......................................267 Gündogdu (Publikation) ..................................270 Hizb Allah (Partei Gottes) ............170, 174, 175, 178, 213 f. Gute Partei (Ädegyi Parti) .........................................261 Hizb ut-Tahrir (HuT - Partei der Befreiung) ............ 178, 218 f. H hoheitliche Rechte und Aufgaben ................ 98 Häger, Christian ..................................................... 87 Hooliganund Ultraszene ........................... 67 f. Hai'at Tahrir al-Sham (HTS - Komitee zur Befreiung Großsyriens) ............178, 180 f., 212 Hubbard, L. Ron .........................................340, 344 Halk Icin Devrimci Demokrasi Hungerstreik .........................................................237 (Publikation) ..........................................................272 Hurseda (Onlinemagazin) ...............................217 Halklarin Demokratik Partisi (HDP - Demokratische Partei der Völker) ...........236 f. Huseynisevda (Onlinemagazin) ...................217 Hambacher Forst... 37, 108, 119, 126, 131, 141 Huth, Stefan ...........................................................167 Haniya, Isma'il .....................................................215 Huthi-Rebellen.....................................................174 Hans-Litten-Archiv e.V. ....................................153 I Haqqani, Jalaluddin............................................182 IBAA (Nachrichtenagentur)............................212 Haqqani-Netzwerk .............................................182 Ideale Org................................................................342 Harakat al-Muqawama al-Islamiya (HAMAS - Islamische Widerstandsbewegung)....170, 175, Idealisten-Bewegung (Ülkücü178, 201, 214 ff., 220, 347 Bewegung) .................231 ff., 244, 259 ff., 273 ff. Hasan Ferit Gedik-Zentrum (HFG) .............256 Identitäre Bewegung Deutschland (IBD) (Verdachtsfall) ................................... 50, 82 ff., 212 Haverbeck-Wetzel, Ursula...................62, 75, 79 Illegale ......................................................................320 Heise, Thorsten .................................................. 76 f. Illegalenoperation ..............................................289 Hezen Parastina Gel (HPG - Volksverteidigungskräfte) ...............241 Imam Ali Moschee ..............................................223 Hilafet (Publikation) ..........................................218 Imperialismus..........................152, 253, 256, 263 359 REGISTER Informationsgewinnung ................... 17, 282 ff., Islamische Widerstandsbewegung 288 f., 298 ff. (HAMAS - Harakat al-Muqawama al-Islamiya)...............................170, 175, 178, 201, Initiative Wirtschaftsschutz...........................317 214 ff., 220, 347 INSPIRE (Onlinemagazin)...............................185 Islamische Zentren ...................................202, 223 Islamischer Staat - Khorasan Provinz International Coordination of (ISKP).........................................................................182 Revolutionary Parties and Organizations (ICOR) .......................................................................116 Islamischer Staat (IS) .... 170 ff., 178 ff., 183 ff., 192, 195, 197 ff., 202, 205 ff., 350 International Sikh Youth Federation (ISYF) .........................................................................278 Islamisches Zentrum Hamburg e.V. (IZH).................................................................178, 223 International Way to Happiness Foundation...................................................341, 344 islamistischer Terrorismus...170 ff., 178 ff., 204 Internationale Atomenergie-Organisation Ismail Aga Cemaati (IAC) .................................225 (IAEO)........................................................................314 Ädegyi Parti (Gute Partei) .........................................261 Internationale Humanitäre HilfsIzz-al-Din al-Qassam-Brigaden ...................216 organisation e.V. (IHH)......................................349 Internationales Komitee der Vierten J Internationale (IKVI) ...............................137, 152 Jabhat al-Nusra Internationales Kurdisches (JaN - Unterstützungsfront) ................180, 212 Kulturfestival .......................................... 237 f., 245 Jabhat Fath al-Sham Interventionistische Linke (JFS - Front zur Eroberung Syriens) ...........212 (IL)......................108, 115, 119, 122 f., 130 ff., 142 Jahresspendenkampagne (kampanya) ......247 INZAR (Publikation) ..........................................217 Jama'at Nusrat al-Islam wal-Muslimin.....209 Islamische Gemeinde Kurdistans (CIK) ....247 Jihad......174 f., 179, 181, 183 f., 187, 196 f., 205 Islamische Gemeinschaft in Jihadisten/jihadistisch .......171 ff., 183 ff., 188, Deutschland e.V. (IGD) .................. 178, 202, 221 190 f., 194 ff., 202, 210 Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. jihadistische Gruppierungen .....170, 173, 180, (IGMG) ......................................................................226 183 f., 190 f., 202 360 REGISTER Joint Comprehensive Plan of Action Khamenei, Ayatollah Seyyed Ali ..................223 (JCPoA) .................................................................314 f. Klandestine Gewalt .....................109, 120, 124 f. Jugend für Menschenrechte (Youth for Human Rights) .....................341, 344 Kleingruppen .................................... 119, 121, 124 Junge Nationalisten (JN) ... 48, 72 f., 77 f., 85, 87 Kleinstgruppen ...................................... 172, 207 f. junge Welt (jW, Tageszeitung)..............136, 167 Klimaproteste ......................................37, 119, 130 Klimaschutz ....................................... 130, 132, 156 K Kobane ...........................................................116, 238 Kalifat .................. 173, 175 f., 183, 189, 207, 218 Köbele, Patrik ..............................................136, 146 kalifat.com (Website) .........................................218 Kalifatsstaat ...........................................................347 Köcer, Tahir ............................................................268 Kameradschaft Aryans ....................................... 60 Köthen ........................................................46 f., 52 ff. Kampagnen............................71, 82, 87, 128, 140, Köklü Degisim (Publikation) .........................218 156, 284, 287, 341 Koma Civaken Kurdistan (KCK - Union der Kampagnenfähigkeit ...............................128, 141 Gemeinschaften Kurdistans) .........................265 Kampf der Nibelungen (KdN) ......................... 66 Koma Komalen Kurdistan (KKK - Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan) .........265 Kampfsportszene .............................................. 65 f. Komalen Ciwan (Gemeinschaft der Kaotic Chemnitz......................................52, 55, 67 Jugendlichen) ...........................243, 247, 265, 267 Kapitalismus ...............106, 111, 123, 142, 144 f., Komitee zur Befreiung Großsyriens (HTS - 152, 159 f. Hai'at Tahrir al-Sham)................178, 180 f., 212 Kaplan, Ayten ........................................................268 Kommission für Verstöße der Psychiatrie Karatas, Dursun ...................................................258 gegen Menschenrechte Deutschland e.V. (KVPM) ...........................................................341, 344 Kelhaamed (Publikation) .................................217 Kommunalpolitische Vereinigung der Kern-al-Qaida .................178, 180 ff., 208, 211 f. NPD (KPV) ..................................................78, 85, 88 Khalistan ........................................................... 276 ff. Kommunismus ............. 123, 135, 154, 159, 163 361 REGISTER Kommunistische Partei Chinas L (KPCh)................................................... 281, 296, 326 Legalresidenturen .....288, 298, 303 f., 308, 319 Kommunistische Partei Deutschlands Legitimität ..........................94, 103, 118, 241, 309 (KPD) ...............................................................136, 147 LevelUP, Tübingen ..............................................143 Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE (KPF)..................................................159 Liga für die fünfte Internationale (L5I) ...................................................................... 156 ff. Konfrontative Gewalt ...... 109, 120, 124 f., 140 Linke Aktion Villingen-Schwenningen ....145 Kongra Gele Kurdistan (KONGRA Linke Presse VerlagsFörderungsund GEL - Volkskongress Kurdistans) ................265 Beteiligungsgenossenschaft junge Welt eG (LPG) ..........................................................................167 Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane (KADEK - Freiheitsund Demokratielinksunten.indymedia (Internetkongress Kurdistans) .........................................265 plattform)..................... 107, 112, 130, 138 f., 351 Kontaktpersonen ......................................288, 298 M Konvertiten ............................................................196 Madad (Onlinemagazin) ........................185, 210 Kreymann, Lena ..................................................148 Made in China 2025 ....................... 297, 300, 302 Krien, Hartmut ....................................................... 88 Maoismus/maoistisch ........... 136, 150 f., 271 f. Maoistische Kommunistische Partei Kritik&Praxis, Frankfurt am Main ..............143 (MKP - Maoist Komünist Partisi) ...........271 f. Krolzig, Sascha .................................................79, 90 Märtyrer ......................201, 232, 244, 257 ff., 272 kulturelle Autonomie .............................236, 266 Marx is Muss..........................................................166 Kurdische Frauenbewegung in Europa marx21 (Publikation).....................................165 f. (AKKH/TJK-E) .............................................247, 251 marx21 (trotzkistisches Netzwerk) .........165 f. Kurdistansolidarität .......... 111, 115 f., 141, 158 Marxismus-Leninismus .... 135, 145, 147, 271 f. Kuytul, Alparslan .................................202 ff., 227 Marxisten-Leninisten .............................235, 271 362 REGISTER Marxistische Blätter (Publikation) ..............146 Ministry of Intelligence (VAJA, zumeist abgekürzt MOIS, vormals VEVAK, Marxistische Leninistische Kommunisiranischer ziviler Inund Auslandsnachtische Partei (MLKP - Marksist Leninist richtendienst).........................................303 ff., 327 Komünist Parti) ...................... 235, 272, 308, 329 Ministry of Public Security (MPS, marxistische Linke e.V. .....................................147 chinesisches Polizeiministerium)................326 Marxistisches Forum (MF) ..............................163 Ministry of State Security (MSS, chinesischer ziviler Inund AuslandsnachMarxistisches Forum (Publikation) ............163 richtendienst)..............................................324, 326 Marxistisch-Leninistische Partei DeutschMiR Multimedia GmbH ...................................249 lands (MLPD) .................115 f., 136 f., 150 f., 258 MIT (türkischer ziviler Inund materieller Geheimschutz ....................332, 337 Auslandsnachrichtendienst) .......... 307 ff., 329 Mazlum-Dogan-Jugend-Festival .................241 Mitteilungen der Kommunistischen Plattform (Publikation) ....................................159 Mentzel, Antje ......................................................... 88 Mobilisierung..............46 f., 54 f., 67, 73, 107 ff., Mezopotamien Verlag und Vertrieb 167, 243, 267 GmbH .......................................................................249 Mofatteh, Mohammad Hadi .........................223 Militanz.........................51, 99, 118, 123, 125, 140 mole (englisch: Maulwurf; Publikation).....143 Military Intelligence Department Moqawama.org (Website) ................................213 (MID, chinesischer militärischer Inund Auslandsnachrichtendienst) ..........................325 Mursi, Mohammed .............................................220 Millatu Ibrahim..........................................350, 351 Muslimbruderschaft (MB - al-Ikhwan al-Muslimun) ......................175, 178, 202, 219 ff. MillA(r) Gazete (Publikation) ...............................226 Milli Görüs N (Nationale Sicht) ......................... 170, 178, 224 ff. N.S. Heute (Publikation).......................... 68, 70 f. Milli Görüs-Bewegung ............ 170, 178, 224 ff. Nachrichtendienstliches InformationsMilliyetci Hareket Partisi system (NADIS) ...................................................... 15 (MHP - Partei der Nationalistischen Bewegung) .......................................233, 260 f., 274 NARCONON ................................................341, 344 363 REGISTER Nasrallah, Hassan ................................................213 Nordische Widerstandsbewegung (NRM).......................................................................... 72 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD)......14, 48, 50, 56, 61, 64, 76 ff., 85 ff. NSU-Prozess ................................................. 48, 57 f. Nationale Sicht (Milli Görüs) .................................. 170, 178, 224 ff. O Nationale Streifen ...................................... 56 f., 80 Öcalan, Abdulllah.........231, 236 f., 239 ff., 245, 247, 249, 251, 265 f. Nationales Geheimdienstgesetz (NGG) ....296 Öffentlichkeitsarbeit .....20, 129, 153, 239, 318 Nationalismus ist keine Alternative (NIKA) .......................................................................144 Online-Kurse.........................................................342 Nationalsozialismus .......................... 70, 86, 90 f. Operation Olivenzweig .......231, 238, 262, 309 Naturrecht .......................................................97, 103 Organisation der Wächter der Religion Navenda Civaka Demokratik ya Kurden li (THD - Tanzim Hurras al-Din)......................181 Almanyaye (NAV-DEM - Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Organisation für das Verbot chemischer Deutschland e.V.) ................ 239, 241, 247, 268 f. Waffen (OVCW) ..........................................291, 316 Neonazis ........ 47 f., 55, 60, 62, 69, 71, 74, 79, 90 Outing-Aktionen................................... 111 f., 128 Network Systems Department Özgür Gelecek (Publikation) ..........................271 (NSD, chinesischer militärischer technischer Nachrichtendienst) ..................325 P Netzwerk kommunistische Politik (marxistische linke e.V.) ..........................135, 147 Parlamentarisches Kontrollgremium (PKGr).......................................................................... 17 Neue Internationale (Publikation) ..............156 Partei der Befreiung Newroz .....................................................................237 (HuT - Hizb ut-Tahrir) ................... 178, 218, 348 Newsletter ................................................................ 20 Partei der Demokratischen Union No-Name-Militanz .............................................125 (PYD)..........................................................................238 Non-Professionals ..............................................298 Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP - Milliyetci Hareket Nordadler .................................................................. 60 Partisi)................................................233, 260 f., 274 364 REGISTER Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung Putsch ................................................... 232, 254, 329 (AKP - Adalet ve Kalkinma Partisi).........................233, 244 f., 260 f., 307, 310 Putschversuch ............................................282, 308 Partei für soziale Gleichheit (PSG) ..............152 Q parteiunabhängige bzw. parteiQuds Force (iranische militärische ungebundene Strukturen.................................. 50 und nachrichtendienstliche Spezialeinheit) ........................................ 304 f., 328 Parti Nationaliste Francais (PNF)................... 71 Qutb, Sayyid ..........................................................203 Partiya Karkeren Kurdistan (PKK - Arbeiterpartei Kurdistans) .......41, 109, 115 f., 230 ff., 235 ff., 261 f., 265 ff., 308, 329 R Radikalisierung ........... 54, 118, 122, 175 f., 191, Partizan-Flügel .....................................................271 195 ff., 200 f. Permanente Revolution.........................137, 152 Radikalisierung der Massen .................118, 122 personeller Geheimschutz........................ 332 ff. Ramezani, Reza ....................................................223 Perspektif (Publikation) ...................................226 Rassismus.................. 46, 106, 127, 258, 273, 309 Perspektive Kommunismus (PK) .......123, 145 realistisch und radikal (Publikation)..........160 Realität Islam ........................................................218 Politische Thesen ......................................135, 147 REBELL (Jugendverband) ............................150 f. POSITION (Publikation) ..................................148 REBELL (Publikation)........................................151 Postautonome ............................................119, 122 Rebellisches Musikfestival e.V. ......................151 PRO CHEMNITZ ............................................53, 55 Rechtsextremistische Musik ............................ 63 Proliferation ..........................16, 281, 312 ff., 323 rechtsterroristisch ..................47 f., 51, 56 ff., 60 Propaganda .............49, 61 f., 175 f., 183 ff., 194, Redical [M], Göttingen ......................................143 200, 248 f., 287, 321 Reichsbürger ................23, 30, 49, 50, 93 ff., 103 Prophet Muhammad ........................38, 171, 194 Rekrutierung ......................191, 195, 218, 241 ff., Provinz Sinai .........................................................173 256, 259, 267 365 REGISTER Repression ................90, 107, 113 ff., 126, 129 f., Rigaer Straße 94 ...................................................127 138, 153 Rigaer94 ...................................................................117 Resonanzstraftaten ........................................140 f. Ring Nationaler Frauen (RNF) ..........78, 85, 88 Resurgence (Onlinemagazin) ........................208 Rippert, Ulrich ......................................................152 Revisionismus.............................................137, 150 Risalat al-Ikhwan (Publikation)....................219 REVOLUTION (REVO) ................................ 156 ff. Rock gegen Überfremdung III ........................ 64 Revolution Chemnitz............................... 47, 55 f. rockerähnliche Gruppierungen/ Revolutionäre Aktion Stuttgart....................145 Vereinigungen ............................................263, 275 Revolutionäre Gewalt .............................106, 109 Rockerszene ......................................................... 67 f. Revolutionäre Volksbefreiungsfront Rojava .............................................................116, 238 (DHKC - Devrimci Halk Kurtulus Cephesi) ........................................................252, 255 Rote Armee Fraktion .....................................139 f. Revolutionäre Volksbefreiungspartei Rote Fahne (Publikation) .......................137, 150 (DHKP - Devrimci Halk Kurtulus Partisi) ............................................................252, 253 Rote Flora................................................................117 Rote Hilfe e.V. (RH) .................... 112 f., 115, 129, Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front 153, 269 (DHKP-C - Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi) .............151, 231 f., 235, 252 ff., Rote-Hilfe-Archiv ...............................................153 270 f., 308, 329 Rückkehrer ................................ 176, 189 f., 196 ff. Revolutionärer 1. Mai.................145, 155 f., 158 RUMIYAH (Onlinemagazin) ..........................184 Revolutionärer Internationalismus ... 156, 158 Revolutionärer Marxismus S (Publikation) ..........................................................156 Saad, Maulana Ibrahim ....................................222 Revolutionary Guards Intelligence Department (RGID, iranischer militärischer SAADET Europa e.V............................................225 Inund Auslandsnachrichtendienst der Iranischen Revolutionsgarden) ....................327 Saadet Partisi (SP) ................................................225 Rhein Rausch Randale (Internetblog) ......... 68 Sabotage ................................. 125, 282, 292 f., 321 366 REGISTER Sada al-Malahem (Onlinemagazin) ............210 Selbstbezichtigungsschreiben ..........................................113 f., 116, 125 Sag NEIN zu Drogen - Sag JA zum Leben ......................................341, 344 Selbstverbrennung .............................................251 Salafismus ...................................... 170, 176, 194 ff. Selbstverwalter..................... 23, 30 f., 49 f., 93 ff. Salafisten/salafistisch .....170 f., 174 ff., 193 ff., Serxwebun (Publikation) .......................249, 265 201, 220 Sharp-Power-Politik ..........................................285 Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf (GSPC - Groupe Salafiste pour la sicherheitsempfindliche Predication et le Combat)................................209 Tätigkeit ..................................................332 f., 336 f. Salafistische Prediger ........................................195 Sicherheitsrisiko .....................190, 318, 332, 337 SALAM! Zeitschrift für junge Muslime Sicherheitsüberprüfung.....15, 332, 334, 336 f. (Publikation) ..........................................................223 Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG) ...332 ff. Sandworm ..........................................................292 f. Sikh Federation Germany (SFG) ...................278 Scharia (islamische Rechtsordnung) ..........194 Sikh Federation International Germany Scharnierfunktion ....................................123, 142 (SFIG).........................................................................278 Schiiten/schiitisch ............. 174, 192, 213 f., 223 Sikh/Sikhs......................................................... 276 ff. Schild & Schwert-Festival....................64, 66, 76 Skoda, Sven .............................................................. 90 Schreiber, Peter ...................................................... 89 Snake .....................................................................293 f. Schutzzonen-Kampagne ............................56, 76 Social Engineering....................................290, 306 Schwarzer Block ..................................................124 Soft-Power-Politik ....................................299, 311 Scientific Studies and Research Center (SSRC)........................................................................316 Solidarität (Publikation)...................................155 scientologische Techniken..............................340 Solidaritätsorganisation ..................................153 Scientology Handbuch .....................................342 Solidarity will win (Broschüre) .....................131 Scientology-Organisation (SO) ............... 339 ff. Souveränität ........................ 79, 94, 103, 281, 285 367 REGISTER soziale Netzwerke ........54, 61, 82, 99, 185, 250, Subkulturell geprägt ...........65, 71, 74, 117, 194 275, 287, 298, 302, 320 f. Swaid, Khallad .....................................................221 Sozialismus ......................... 81, 91, 135, 145, 150, 159, 163 f., 272 SWR (russischer ziviler Auslandsnachrichtendienst) .............................................323 sozialismus.info (Publikation).......................155 System Change not Climate Change! ........108 Sozialismustage ...................................................155 Szeneobjekt ........................................ 107, 117, 141 Sozialistische Alternative (SAV)..........155, 162 T Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) .......................................................... 146, 148 f. Tablighi Jama'at (TJ - Gemeinschaft der Verkündigung und Mission) ................178, 222 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) ...................................................... 136, 147, 163 Tage der nationalen Bewegung ...................... 64 Sozialistische Gleichheitspartei Taleban .....................................................................182 (SGP) ................................................................137, 152 Tanzim Hurras al-Din (THD - Sozialistische Linke (SL) .........................160, 166 Organisation der Wächter der Religion) .... 181 Sprecherrat...................................................151, 164 Tauhid Germany (TG)........................................351 Staatenbund Deutsches Reich ......... 97 ff., 103 Tavir (Publikation) ..............................................270 Staatliche Maßnahmen .............. 57, 100 f., 129, Tevgera Ciwanen Soresger 133, 204 (TCS - Bewegung der revolutionären Jugend) ........................................243, 247, 265, 267 Staatsangehörigkeitsausweis ........................... 99 the future is unwritten, Leipzig ....................143 Stalinismus/stalinistisch ................... 136, 150 f. Themar (Thüringen) ............................................ 64 Sterk TV (Fernsehsender)............. 241, 248, 265 Theorie Organisation Praxis Sterka Ciwan (Publikation).............................267 (TOP B3rlin) ...........................................................143 Stiftung 36 Grad..................................................... 98 Theorie21 (Publikation) ...................................165 Straßenkrawalle...................................................124 Think Tanks ..............................287, 292, 299, 321 Strukturdaten .............. 15, 19, 85, 142, 265, 323 TKP/ML-Hareketi ...............................................272 368 REGISTER Trotzkismus/trotzkistisch...........137, 145, 152, Union of International Democrats 155 f., 158, 162, 166 (UID) ......................................................................309 f. Turan/Turanismus ......................259 f., 264, 273 Union Türkisch-Europäischer Demokraten e.V. (UETD) ........................245, 309 Turan e.V..................................................................264 United we stand!..................................................129 Türkes, Alparslan .................................................274 unsere zeit (uz, Publikation) .................136, 146 Türkische Hizbullah (TH) ......................178, 217 unstrukturiertes rechtsextremistisches Türkische Kommunistische ArbeiterPersonenpotenzial ................................................ 50 bewegung (TKIH) ................................................272 Unterstützungsfront Türkische Kommunistische Partei/ (JaN - Jabhat al-Nusra)............................180, 212 Marxisten-Leninisten (TKP/ML - Türkiye Komünist Partisi/ Urkundenfälschung ............................................. 96 Marksist-Leninist)................................. 235, 271 f. Uroburos .................................................................293 Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB) ............................. 244, 309 f. Ustaosmanoglu, Mahmud .............................225 Türkiye Komünist Partisi/Marksist-Leninist (TKP/ML - Türkische Kommunistische V Partei/Marxisten-Leninisten) ......... 235, 271 f. Verband der Studierenden aus Kurdistan Turkos MC ..............................................................264 (YXK)..........................................................................247 Turla ..........................................................................293 Verdeckte Informationsbeschaffung ..............................298, 319, 308, 314 TV Furkan (Online-Fernsehsender)............203 Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V. (AMGT) .............................................................226 U Vereinsverbot ...........................112, 204, 213, 215 Ülkücü-Bewegung (IdealistenBewegung) .................231 ff., 244, 259 ff., 273 ff. Verfassunggebende Versammlung ........96, 99 Umar, Ahmad (alias Abu Ubaidah) ..............211 Verlag 8. Mai GmbH ...........................................167 Union der Gemeinschaften Kurdistans Verschlusssachen (VS) ...................................332 f. (KCK - Koma Civaken Kurdistan)................265 verschwörungstheoretische Union islamischer Gerichtshöfe ..................211 Argumentationsmuster ............................97, 103 369 REGISTER Verschwörungstheorien .........62, 74, 94 f., 263 Was tun wenn's brennt? Rechtshilfetipps auf Demonstrationen, bei Übergriffen, bei Vertreter des Staates ................................126, 128 Festnahmen, auf der Wache (Publikation) ..........................................................113 Video-Weblog (V-Log) ........................................ 61 Wechselwirkungen ..................................196, 233 Vier-Säulen-Strategie .......................................... 86 Werk-Kodex (Publikation) ...........................68 ff. virtuelle Netzwerke .............................................. 94 Widerstand..........64, 76, 96, 100, 107, 112, 126, Vöhringer, Anna...................................................151 129 ff., 139, 167, 214, 216, 220, 237, 256 Völkischer Flügel ................................................... 77 Wirtschaftsund Finanzbüro (EMB - Ekonomi ve Maliye Bürosu)...........248 Volksfront (Halk Cephesi) .....................255, 270 Wirtschaftsschutz ...........................................317 f. Volkskongress Kurdistans (Kongra Gele Kurdistan - KONGRA GEL) ..................265 Wissensberichte...................................................340 Wohlleben, Ralf .................................................. 57 f. Volksrat Europa (Avrupa Halk Meclisi) ........................................257 Wolfsgruß .....................................................260, 262 Volksräte (Halk Meclisleri) ................ 255 f., 270 World Afrin Day .................................................239 Volksverteidigungseinheiten World Institute of Scientology (YPG - Yekineyen Parastina Gel) ..............238 f. Enterprises (WISE) ....................................341, 344 Volksverteidigungskräfte World Socialist Web Site (Publikation) .....152 (HPG - Hezen Parastina Gel) .........................241 vorbeugender personeller Y Sabotageschutz............................................... 332 ff. YATIM-Kinderhilfe e.V............................215, 348 W Yekitiya Komalen Kurd li Elmanya (YEK-KOM - Föderation Kurdischer Waffenaffinität ...................................49, 96, 100 f. Vereine in Deutschland e.V.) ..........................268 waffenrechtliche Erlaubnisse .................96, 101 Yeni Özgür Politika (YÖP, Tageszeitung) .....................241 f., 248, 265 Waisenkinderprojekt Libanon e.V. (WKP) ..............................................................213, 350 Yürüyüs (Publikation) ..........254, 256, 258, 270 370 REGISTER Z Zentralverband der Ezidischen Vereine e.V. (NAV-YEK) ..............................................................247 Ziviler Ungehorsam ............................130 ff., 241 Zschäpe, Beate ............................................. 48, 57 f. Zwischenstandspapier ......................................142 371 REGISTERANHANG Registeranhang zum Verfassungsschutzbericht 2018 In diesem Registeranhang sind die im vorliegenden Verfassungsschutzbericht genannten Gruppierungen aufgeführt, bei denen die vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte in ihrer Gesamtschau zu der Bewertung geführt haben, dass die Gruppierung verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, es sich mithin um eine extremistische Gruppierung handelt. Gruppierungen Seitenzahl # ...resist! 143 ...ums Ganze! - kommunistisches Bündnis (uG) 122 f., 143 f. A AGB - Antifaschistische Gruppe Bremen 143 al-Aqsa e.V. 215 f., 347 f. al-Ikhwan al-Muslimun (MB - Muslimbruderschaft) 175, 178, 202, 219 ff. Alliance for Peace and Freedom (APF) 71, 78 Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu 232 f., 260 ff., 273 f. (ADÜTDF - Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V. ) al-Qaida 170 f., 173, 178, 180 ff., 202, 207 ff. al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAH) 178, 185, 210 al-Qaida im Irak 207 al-Qaida im islamischen Maghreb (AQM) 178, 209 al-Qaida im Jemen (AQJ) 183, 210 al-Shabab 178, 211 Altermedia Deutschland 58, 351 Amt für Menschenrecht 99, 103 Anadolu Federasyonu (Anatolische Föderation) 255 f., 270 Anatolische Föderation (Anadolu Federasyonu) 255 f., 270 Antifa AK Köln 143 antifant - Autonome Antifa München 143 Antikapitalistische Linke (AKL) 145, 155, 162 Antikapitalistische Linke München 145 Applied Scholastics 341 Arbeiterpartei Kurdistans (PKK - Partiya Karkeren Kurdistan), 41, 109, 115 f., 230 ff., alias KADEK, alias KONGRA GEL, alias KKK, alias KCK 235 ff., 261 f., 265 ff., 308, 329, 346 Arbeitsgemeinschaft Cuba Si (AG Cuba Si) 161 372 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl Avrupa Halk Meclisi (Volksrat Europa) 257 AZADI Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in 269 Deutschland e.V. (AZADI e.V.) B Babbar Khalsa Germany (BKG) 277 Babbar Khalsa International (BKI) 276 f. Basisgruppe Antifaschismus (BA), Bremen 143 Bewegung der revolutionären Jugend (TCS - Tevgera Ciwanen 243, 247, 265, 267 Soresger), ehemals Ciwanen Azad (Freie Jugend) Bürgerbewegung PRO CHEMNITZ (PRO CHEMNITZ) 53, 55 Bürgerbewegung pro NRW (pro NRW) 50 C Civaka Azad - Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V. 239 Ciwanen Azad (Freie Jugend) 243, 267 Clearwater Academy International 342 CRIMINON 341, 344 critique'n'act, Dresden 143 D DawaFFM 350 Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in 239, 241, 247, 268 Deutschland e.V. (NAV-DEM - Navenda Civaka Demokratik ya Kurden li Almanyaye) Der III. Weg 48, 50, 53, 56 f., 66, 69, 80 f., 91 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 115, 135 ff., 146 ff., 150 Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V. (DMG) 175, 178, 202, 219, 221 Deutsche Stimme Verlagsgesellschaft mbH (DS Verlag) 73, 78, 85, 89 Deutsches Reich 94 f., 97 ff., 103 Deutsches Reich - Freistaat Preußen 95 Devrimci Genclik (Dev Genc - Revolutionäre Jugend) 255, 270 Devrimci Halk Kurtulus Cephesi (DHKC - Revolutionäre 252, 258, 270 Volksbefreiungsfront) Devrimci Halk Kurtulus Partisi (DHKP - Revolutionäre 252 f. Volksbefreiungspartei) Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi (DHKP-C - 151, 231 f., 235, 252 ff., Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) 270, 308, 329, 347 Devrimci Sol 253, 270, 347 DIE RECHTE 48, 50, 72, 78 ff., 90 f. Die Wahre Religion (DWR) 351 373 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl E Ekonomi ve Maliye Bürosu (EMB - Wirtschaftsund 248 Finanzbüro) Erbakan-Stiftung 225 Europa Terra Nostra e.V. (ETN) 78 Europavertretung der Erbakan-Stiftung 225 Exil-Regierung Deutsches Reich 99 F Farben für Waisenkinder e.V. 213, 350 Fast Forward, Hannover 143 Föderation der demokratischen Aleviten e.V. (FEDA) 247 Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in 232 f., 260 ff., 273 Deutschland e.V. (ADÜTDF - Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu) Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V. (YEK-KOM - 268 Yekitiya Komalen Kurd li Elmanya) Frauenverteidigungseinheiten (YPJ - Yekineyen Parastina Jin) 238 Freiheitsund Demokratiekongress Kurdistans (KADEK - 265 Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane), siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Furkan Gemeinschaft 175, 178, 202 ff., 227 Furkan-Stiftung für Bildung und Fürsorge (Furkan Egitim ve 202 ff., 227 Hizmet Vakfi) G Gamaa Islamiya 220 Geeinte deutsche Völker und Stämme (GdVuSt) 95 f., 98, 103 GegenStandpunkt (GSP) 154 Gemeinschaft der Jugendlichen (Komalen Ciwan) 243, 247, 265, 267 Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan (KKK - Koma 265 Komalen Kurdistan), siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Geraer/Sozialistischer Dialog (GSoD) 164 Goldene Morgenröte (Chrysi Avgi) 71 Grup Yorum 151, 232, 257 f. Gruppe ArbeiterInnenmacht (GAM) 123, 156 ff. Gruppe Freital 56, 58 f. 374 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl H Hai'at Tahrir al-Sham (HTS - Komitee zur Befreiung 178, 180 f., 212 Großsyriens) Halk Cephesi (Volksfront) 255, 270 Halk Meclisleri (Volksräte) 255 f., 270 Hans-Litten-Archiv - Verein zur Errichtung und Förderung 153 eines Archivs der Solidaritätsorganisationen der Arbeiterund Arbeiterinnenbewegung und der sozialen Bewegungen (Rote-Hilfe-Archiv) e.V. Haqqani-Netzwerk 182 Harakat al-Muqawama al-Islamiya (HAMAS - Islamische 170, 178, 175, 201, 214 ff., Widerstandsbewegung) 220, 347 Hasan Ferit Gedik-Zentrum (HFG) 256 Hezen Parastina Gel (HPG - Volksverteidigungskräfte) 241 Hizb Allah (Partei Gottes) 170, 174 f., 178, 213 f. Hizb ut-Tahrir (HuT - Partei der Befreiung) 178, 218 f., 348 I Idealisten-Bewegung (Ülkücü-Bewegung) 231 ff., 244, 259 ff., 273 ff. International Sikh Youth Federation (ISYF) 278 International Way to Happiness Foundation 341, 344 Internationale Humanitäre Hilfsorganisation e.V. (IHH) 349 Interventionistische Linke (IL) 108, 115, 119, 122 f., 130 ff., 142 Islamische Gemeinde Kurdistans (CIK) 247 Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) 178, 202, 221 Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. (IGMG) 226 Islamischer Staat - Khorasan Provinz (ISKP) 182 Islamischer Staat (IS) 170 ff., 178 ff., 183 ff., 192, 195, 197 ff., 202, 205 ff., 350 Islamisches Zentrum Hamburg e.V. (IZH) 178, 223 Ismail Aga Cemaati (IAC) 225 Izz-al-Din al-Qassam-Brigaden 216 J Jama'at Nusrat al-Islam wal-Muslimin 209 Jugend für Menschenrechte (Youth for Human Rights) 341, 344 Junge Nationalisten (JN) 48, 72 f., 77 f., 85, 87 junge Welt (jW) 136, 167 375 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl K Kalifatsstaat 347 Kameradschaft Aryans 60 Kaotic Chemnitz 52, 55, 67 Koma Civaken Kurdistan (KCK - Union der Gemeinschaften 265 Kurdistans), siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Koma Komalen Kurdistan (KKK - Gemeinschaft der Kommunen 265 in Kurdistan), siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Komalen Ciwan (Gemeinschaft der Jugendlichen) 243, 247, 265, 267 Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen 341, 344 Menschenrechte Deutschland e.V. (KVPM) Kommunalpolitische Vereinigung der NPD (KPV) 78, 85, 88 Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE (KPF) 159 Kongra Gele Kurdistan (KONGRA GEL - Volkskongress 265 Kurdistans), siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane (KADEK - Freiheits265 und Demokratiekongress Kurdistans), siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Kritik&Praxis, Frankfurt am Main 143 Kurdische Frauenbewegung in Europa (AKKH/TJK-E) 247, 251 L LevelUP, Tübingen 143 Linke Aktion Villingen-Schwenningen 145 Linke Presse Verlags-, Förderungsund Beteiligungsgenossen167 schaft junge Welt eG (LPG) M Maoistische Kommunistische Partei (MKP - Maoist Komünst 271 f. Partisi) marx21 165 f. Marxistische Leninistische Kommunistische Partei (MLKP - 235, 308, 329 Marksist Leninist Komünist Parti) Marxistisches Forum (MF) 163 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 115 f., 136 f., 150 f., 258 Mezopotamien Verlag und Vertrieb GmbH 249 Millatu Ibrahim 350 f. Milli Görüs-Bewegung 170, 178, 224 ff. Milliyetci Hareket Partisi (MHP - Partei der Nationalistischen 233, 260 f., 274 Bewegung) 376 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl MiR Multimedia GmbH 249 Muslimbruderschaft (MB - al-Ikhwan al-Muslimun) 175, 178, 202 f., 219 ff. N NARCONON 341, 344 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 14, 48, 50, 56, 61, 64, 76 ff., 85 ff. Navenda Civaka Demokratik ya Kurden li Almanyaye 239, 241, 247, 268 (NAV-DEM - Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e.V.) Nordadler 60 Nordische Widerstandsbewegung (NMR) 72 O Organisation der Wächter der Religion (THD - Tanzim 181 Hurras al-Din) P Partei der Demokratischen Union (PYD - Partiya Yekitiya 238 Demokrat) Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP - Milliyetci 233, 260 f., 274 Hareket Partisi) Partiya Karkeren Kurdistan (PKK - Arbeiterpartei Kurdistans), 41, 109, 115 f., 230 ff., alias KADEK, alias KONGRA GEL, alias KKK, alias KCK 235 ff., 261 f., 265 ff., 308, 329, 346 Partiya Yekitiya Demokrat (PYD - Partei der Demokratischen 238 Union) Partizan-Flügel (TKP/ML) 271 Perspektive Kommunismus (PK) 123, 145 R REBELL 150 f. Redical [M], Göttingen 143 Reichsbürger 23, 30, 49, 50, 93 ff., 103 REVOLUTION (REVO) 156 ff. Revolution Chemnitz 47, 55 f. Revolutionäre Aktion Stuttgart 145 Revolutionäre Volksbefreiungsfront (DHKC - Devrimci Halk 252, 255 Kurtulus Cephesi) Revolutionäre Volksbefreiungspartei (DHKP - Devrimci Halk 252, 255 Kurtulus Partisi) 377 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C - 151, 232, 235, 252 ff., 270, Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi) 308, 329 Ring Nationaler Frauen (RNF) 78, 85, 88 Rote Hilfe e.V. (RH) 112 f., 115, 129, 153, 269 S SAADET Europa e.V. 225 Sag NEIN zu Drogen - Sag JA zum Leben 341, 344 Scientology-Organisation (SO) 339 ff. Selbstverwalter 23, 30 f., 49 f., 93 ff., 103 Sikh Federation Germany (SFG) 278 Sikh Federation International Germany (SFIG) 278 Sozialistische Alternative (SAV) 155, 162 Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) 146, 148 f. Sozialistische Gleichheitspartei (SGP), ehemals Partei für soziale 137, 152 Gleichheit (PSG) Sozialistische Linke (SL) 160, 166 Staatenbund Deutsches Reich 97 ff., 103 Stiftung 36 Grad 98 T Tablighi Jama'at (TJ - Gemeinschaft der Verkündigung und 178, 222 Mission) Taleban 182 Tanzim Hurras al-Din (THD - Organisation der Wächter der 181 Religion) Tauhid Germany (TG) 351 Tevgera Ciwanen Soresger (TCS - Bewegung der revolutionären 243, 247, 265, 267 Jugend), ehemals Ciwanen Azad (Freie Jugend) the future is unwritten, Leipzig 143 Theorie Organisation Praxis (TOP B3rlin) 143 Turan e.V. 264 Türkische Hizbullah (TH) 178, 217 Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten 217 f., 235 (TKP/ML - Türkiye Komünist Partisi/Marksist Leninist) Türkiye Komünist Partisi/Marksist-Leninist (TKP/ML - 235, 271 f. Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten) Turkos MC 264 378 REGISTERANHANG Gruppierungen Seitenzahl U Ülkücü-Bewegung (Idealisten-Bewegung) 231 ff., 244, 259 ff., 273 ff. Union der Gemeinschaften Kurdistans (KCK - Koma Civaken 265 Kurdistan), siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Union islamischer Gerichtshöfe 211 V Verband der Studierenden aus Kurdistan (YXK) 247 Verfassunggebende Versammlung 96, 99 Verlag 8. Mai GmbH 167 Volksfront (Halk Cephesi) 255, 270 Volkskongress Kurdistans (KONGRA GEL - Kongra Gele 265 Kurdistan), siehe auch Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Volksrat Europa (Avrupa Halk Meclisi) 257 Volksräte (Halk Meclisleri) 255, 270 Volksverteidigungseinheiten (YPG - Yekineyen Parastina Gel) 238 f. Volksverteidigungskräfte (HPG - Hezen Parastina Gel) 241 W Waisenkinderprojekt Libanon e.V. (WKP) 213, 350 Wirtschaftsund Finanzbüro (EMB - Ekonomi ve Maliye 248 Bürosu) World Institute of Scientology Enterprises (WISE) 341, 344 Y YATIM-Kinderhilfe e.V. 215, 348 Yekineyen Parastina Gel (YPG - Volksverteidigungseinheiten) 238 f. Yekineyen Parastina Jin (YPJ - Frauenverteidigungseinheiten) 238 Yekitiya Komalen Kurd li Elmanya (YEK-KOM - Föderation 268 Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.) Z Zentralverband der Ezidischen Vereine e.V. (NAV-YEK) 247 379 BILDNACHWEIS Bildnachweis 53 w ww.facebook.com 56 w ww.facebook.com 60 w ww.facebook.com 64 w ww.facebook.com 69 h t t p s : //der-dritte-weg.info 69 w ww.facebook.com 75 dpa 76 w ww.facebook.com 77 h t t p s : //europa.aktion-widerstand.de 79 w ww.rechte-owl.com 80 dpa 80 h t t p s : //der-dritte-weg.info 82 w ww.facebook.com 98 dpa 100 Polizei Münster 107 w ww.rote-hilfe.de 111 h t t p s : //prp-hamburg.org 113 w ww.rote-hilfe.de 114 dpa 115 h t t p s : //erdogannotwelcome.wordpress.com 117 dpa 117 w ww.twitter.com 124 dpa 127 h t t p s : //de.indymedia.org 128 h t t p s : //de.indymedia.org 129 rh ffm.blogsport.eu 129 w ww.twitter.com 130 w ww.ende-gelaende.org 132 w ww.marx21.de 136 w ww.internationalistische-liste.de 380 BILDNACHWEIS 138 h t t p s : //de.indymedia.org 184 w ww.twitter.com 185 h t t p s : //telegram.org 185 h t t p s : //telegram.org 187 h t t p s : //telegram.org 187 h t t p s : //telegram.org 188 h t t p s : //telegram.org 188 h t t p s : //telegram.org 202 w ww.facebook.com 238 dpa 239 dpa 240 dpa 258 w ww.facebook.com 259 w ww.facebook.com 260 dpa 264 w ww.facebook.com 283 BfV 284 Fotolia, BfV 285 BfV 287 Fotolia 288 h t t p s : //unsplash.com 293 h t t p s : //unsplash.com 297 dpa 300 dpa 309 h t t p : //uetd.org 312 BfV 317 BfV 317 BfV 318 w ww.security-essen.de 320 h t t p s : //unsplash.com 320 dpa 321 h t t p s : //pixabay.com 381 BILDNACHWEIS 322 dpa 333 dpa 335 h t t p s : //pixabay.com 337 dpa 341 w ww.facebook.com 382 NOTIZEN 383 NOTIZEN 384 NOTIZEN 385 NOTIZEN 386 Impressum Herausgeber: Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat Alt-Moabit 140 10557 Berlin Redaktion: Bundesamt für Verfassungsschutz Satz & Layout: Satzweiss.com Print Web Software GmbH, Saarbrücken Druck: Kern GmbH, Bexbach Der Verfassungsschutzbericht 2018 ist auch über das Internet abrufbar, unter: www.bmi.bund.de www.verfassungsschutz.de ISSN: 0177-0357 Diese Broschüre ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung. 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